■SP awHn ■*Sf?v^5B8p- m':->-'i\''ß? £- 9 / ■ G- -2. ,» GRUNDRLSS DER VERGLEICHENDEN ANATOMIE VON c^ CARL GEGENBAÜR, U. U. PEOFESSOK DEK ANATOMIE UND DIRECTOK DEÜ ANATOMISCHEN ANSTALT ZU HEIDELBEHÜ. ZWEITE VERBESSERTE AUFLAGE. MIT 351) FIGUREN IN HOLZSCHNITT. LEIPZIG, VERLAG VON WILHELM ENGELMANN. 1878. Das Recht der Ueberset&ring in fremde Sprachen behalten sich Verfasser und Verleger vor. VORWORT ZUB ZWEITEN AUFLAGE. Oeit ich die UmarbeituiBg meiner Grundzlige der vergleichenden Anatomie in die erste Auflage dieses Grundrisses ausgeführt habe, ist eine Erweiterung- und Sieherstellung unseres Wissens auf fast allen Gebietstheilen jener Disciplin in so reichem Maasse erfolgt, dass die Herstellung einer zweiten Aullage des Grundrisses mir als keine leichte Aufgabe erscheinen durfte. Ich habe mich dersel- ben jedoch mit Freude unterzogen: boten sich doch so viele Zeug- nisse für das Eindringen der Entwickelungsidee in die anatomische Forschung! Scheint sich damit die Bahn zu ebnen, auf welcher die Wissenschaft gedeihlich fortzuschreiten vermag , so ist die Strecke des zurückgelegten Weges doch nur kurz . im Vergleiche zu jener die unabsehbar vor uns liegt. Jede Lösung einer Frage wirft deren wieder neue auf. und setzt Anderes in Fluss, was vorher eine be- stimmtere Gestalt gewonnen zu haben schien. Daraus erwachsen bedeutende Schwierigkeiten für eine mehr zusammenfassende Dar- stellung wie sie ein Lehrbuch bieten soll. Ich war bestrebt diesen Schwierigkeiten so viel als möglich aus dem Wege zu gehen, wo ich sie nicht überwinden konnte. Manches blieb unverändert, weil die darauf bezüglichen Untersuchungen eine gründliche, in ihrer concreten Form noch nicht übersehbare Umgestaltung in Aussicht stellten. In der Anordnung des Stoffes habe ich Einiges modificirt. Dass ich die Brachiopoden von den Mollusken schied und als selbstän- digen Thierstamm behandelte, dürfte nicht zu tadeln sein. Es ist iv Vorwort zur zweiten Auflage. mich mehr eine äusserliche Neuerung, da ich bereits iu den »Grund- ztigen« die bedeutende Verschiedenheit jener von den »übrigen Mol- lusken» hervorgehoben hatte. Ein ähnliches an den Tunicaten aus- geübtes Verfahren bedarf heutzutage gleichfalls keiner speciellen Rechtfertigung. Eine concisere Darstellung gestattete einige Vermehrung des thatsächlichen Inhaltes ohne nennenswerthe Vergrößerung des Um- fanges. Freilich konnte dabei nur das, was mir als Hauptsächliches erschien, Berücksichtigung finden, und vieles, selbst wichtiges Detail fand an dem durch die Bestimmung des Buches gegebenen Um- fang seine Schranke. Frühere Fehler zu verbessern, auch einigen formalen Mängeln abzuhelfen war ich bemüht. Was von beiden sich forterhielt oder etwa neu sich einschlich, wird bei den sowohl der Ausdehnung unserer Wissenschaft als auch mit dem Zwecke meiner Aufgabe vertrauten Fachgenossen eine billige Beurtheilung finden. Ihnen hoffte ich au genügen, und werde damit für die Mühe der Arbeit entschädigt sein. Heidelberg, im November 1877. C. Gegeubaur. INHALTSVERZEICHNIS. Paragraph. Seite 1 2. Einleitung. 3 — 10. Begriff und Aufgabe der vergleichenden Anatomie 1 Allgemeiner Theil. 11. Aufbau des Thie rl ei bes 13 Organe und Organismus *3 1-2. Differenzirung 1 '* 13—15. Erster Zustand des thierischen Organismus 15 Die Zelle 15 16. Differenzirung des thierischen Organismus 19 17. Entstehung der Gewebe 20 18. 19. A. Vegetative Gewebe 21 Epithelien 21 20 — 23. Bindesubstanzen 24 24. Formelemente der ernährenden Flüssigkeit 30 25. B. Animale Gewebe 31 26. Muskelgewebe 32 27. Nervengewebe 33 28. 29. Entstehung der Organe 35 30. Organsysteme 39 a) Integument 39 31. b) Skelet . . j 40 32. 33. c) Muskeln 40 34. 35. d) Nervensystem 42 36 — 38. e) Sinnesorgane 44 39. f) Respiratorische Organe des Integumentes. (Hautkiemen). 47 4 0. g) Excretionsorgane 48 41. h) Darm 49 42. Respiratorische Organe des Darmes 51 4 3. 44. i) Gefässsyslem 52 45. 46. k) Fortptlanzungsorgane 54 47. Veränderung der Organe 57 Ausbildung und Rückbildung 57 48. Correlation der Organe 59 49. 50. Grundformen der Thierkörper 61 51. 52. Metamerie des Korpers 64 53 — 55. V erglei chun g der Organe 66 56 — 58. r Systematische Gliederung des Thierreiches 69 59. Literarische Hilfsmitlel der vergleichenden Anatomie 74 Specieller Theil. E r s t e r A b schnitt. Protozoen. 60. Allgemeine Uebersichl 79 Literatur 81 61 — 70. Organisation der Protozoen 82 Zweiter Abschnitt. Cölenteraten (Zoopfryta). 71. Allgemeine Lebersicht 95 Literatur 96 72 — 78. Korperform 98 79. Gliedmassen 108 80. Integument 110 81. 82. Skelet 112 83. Muskelsystem 115 84. Nervensystem 116 85. Sinnesorgane 116 86 — 93. Darmkanal 118 94—98 Geschlechtsorgane . ■ I 27 stffl \ i Inhaltsverzeichniss. Dritter Abschnitt. Würmer. Paragraph. .Seite 99. Allgemeine Uebersichl 4 33 Literatur 435 100—103. Körperform 4 37 104. 105. Gliedmassen 141 4 06. Aeussere Kiemen 144 107 — 1 14. Integument 145 112. Skelet 4 51 113. 114. Muskelsystem 154 115 — 124. Nervensystem 154 122. 123. .Sinnesorgane 162 Tastorgane 162 124. 125. Sehorgane 163 126. Hörorgane 166 127- — 1 3a. Darmcanal .166 133. Darmkiemen 4 74 134. 135. Anhangsorgane des Darmcanals 4 75 136. Leibeshöhle 176 1 37 — 4 41 . Gefässsystem 177 4 42 — 145. Excretionsorgane .' -. 1*3 14 6—156. Geschlechtsorgane 190 V i er t e r A b s c hn i 1 1. Echinodermen. I57. Allgemeine Uebersichl 205 Literatur 207 Körperform 207 Gliedmassen 24 2 Integument und Hautskelet 214 Muskelsystem 22 1 Nervensystem 222 Sinnesorgane 224 Darmcanal 224 Anhangsorgane des Darmcanals 228 Leibeshöhle 23 0 Gefässsystem 23 1 Blutgefässe 231 Wassergefässe 232 Excretionsorgane 237 Geschlechtsorgane 238 F ii n f t e r Abschnitt. Arthropoden . 182. Allgemeine Lebersicht 241 Literatur 246 183. Körperform 247 184. Gliedmassen 25 1 185. Gliedmassen der Branchiaten 252 186. 187. Kiemen 25 4 188—190. Gliedmassen der Tracheaten 257 4 '.il — 193. Integument 262 194. Muskelsystem 265 195 — 2oo. Nervensystem 266 201. Sinnesorgane 275 Tastorgane 275 202. 203. Hörorgane 276 204—206. Sehorgane 278 207— 24 I. Darmcanal 283 212. Anhangsorgane des Darmcanals 289 4) Anhangsorgane des Vorderdarms 289 213. 2] Anhangsorgane des Mitteldarms ■ 290 214. 3) Anhangsorgane des Enddarms 292 215. Leibeshöhle 294 158—4 61. 162. 163 — 167. 168. 169. 170. 171—173. 174. 175. 176. 177. 178. 179. 180. 181. Inhaltsverzeichniss. vn Paragraph. Seite -216—2-20. Gefässsystem 295 221. Excretionsorgane 302 222—225. Tracheen 303 226—237. Geschlechtsorgane 308 Sechster Abschnitt. Brachiopodeu. 238. Allgemeine Uebersicht 324 Literatur 325 239. Körperform 326 240. Integument, Schale und Arme 326 241. Muskelsystem 327 242. Nervensystem und Sinnesorgane 328 243. * Darmcanal 329 244. Leibeshöhle und Kreislauforgane 330 245. Excretionsorgane 331 246. Geschlechtsorgane 332 Siebenter Abschnitt. Mollusken. 247. Allgemeine Uebersicht 333 Literatur 335 248 — 252. Körperform 336 253. 254. Gliedmassen 345 255. 256. Integument 347 257 — 259. Schalenbildungen. 349 260 — 263. Kiemen '. 355 264. Inneres Skelet 361 265. Muskelsystem 362 266—269, Nervensystem 363 Centralorgane und Körpernerven 363 270. Eingeweidenerven 37 1 271. Sinnesorgane 371 Tast- und Riechorgane 371 272. 273. Sehorgane 373 274. Hörorgane 376 275 — 279. Darmcanal 378 280. Anhangsorgane des Darmcanals 384 1) Anhangsorgane des Vorderdarms 384 281. 2) Anhangsorgane des Mitteldarms 384 282. 3) Anhangsorgäne des Enddarms 3S7 283. Leibeshlihle 387 284 — 288. Gefässsystem 388 289—292. Excretionsorgane 396 293—298. Geschlechtsorgane 401 Achter A b schnitt. Tunicateu. 299. Allgemeine Uebersicht ■. 4I0 Literatur 4M 300. 30 t. Körperform 412 302. Integument 415 303. Skelet 4t6 304. Muskelsystem 416 305. 306. Nervensystem 417 307. Sinnesorgane 419 308. Darmcanal 420 309 — 311. Respiratorische Vorkammer. (Kiemenhöhle) 420 312. Darm 425 313. Gefässsystem 426 3 14. Geschlechtsorgane 428 Neunter Abschnitt. Wirbelthiere. 315. Allgemeine Uebersicht 430 Literatur 435 viii Inhaltsverzeichniss. Paragraph. Seite 316. Körperforao '«36 3 17. 318. Gliedmassen .437 319. 320. Integument '»40 321 — 323. Epidermoklalgebilde *48 324 — 326. Hautskelet 446 327. Inneres Skelet '«50 328—834. Wirbelsäule 452 335—337. Rippen 462 338. Sternum 466 339. 3 4 0. Kopfskelet 468 341—352. Schädel 471 353 — 356. Kiemenskelet 492 357. Skelet der Gliedmassen 496 358—360. Vordere Gliedmassen 498 Brustgürtel 498 361—365. Vordere Extremität 501 366. Beckengürtel 508 367 — 369. Hintere Extremität 511 370. Muskelsystem 515 371. Hautmuskeln 516 372—377. Muskulatur des Skelets 517 378. Elektrische Organe 523 379. Nervensystem 525 380. 381. A. Cenlralorgane des Nervensystems 527 a) Gehirn 527 382. 383. b) Rückenmark 535 384. c) Hüllen des centralen Nervensystems 536 385. B. Peripherisches Nervensystem 537 386. a) Rückenmarksnerven 538 387—392. b) Hirnnerven 539 393. c) Eingeweidenervensystem 547 394. 395. Sinnesorgane 547 396. Riechorgane 549 397—399. Sehorgane 551 400—403. Hörorgane 557 404. Darmcanal 563 405. Respiratorische Vorkammer (Kopfdarm 56 4 '.06—409. Kiemen 565 410. Kiemenspalten und Gaumen der Amnioten 570 '.II. 4 12. Nasenhöhle 571 413. .Mundhöhle 573 414 — 416. Organe der Mundhöhle 574 417. Eigentlicher Darmcanal (Rumpfdarm) 580 418. Vorderdarm 581 419. Mitteldarm 584 420. Enddarm 584 421 . Anhangsorgane des Mitteldarms 588 422. Mesenterium 590 423. Pneumatische Organe des Darmrohrs 591 424. a) Schwimmblase 592 425—427. b) Lungen 594 4 28. Leibeshöhle 599 429. 430. Gefässsystem 600 431—436. Herz und Arteriensystem 602 437 — 4 42. Venensystem 615 443 — 4 '.6. Lymphgefässsystem 623 447 — 449. Excretionsorgane 627 450—458. Geschlechtsorgane 634 Register 651 Einleitung. ^» , VA C> Begriff und Aufgabe der vergleichenden Anatomie. § 1. Das Gebiet der Wissenschaft, welche die organische Natur zum Gegenstande ihrer Untersuchungen hat, zerfällt nach den beiden orga- nischen Naturreichen in zwei grosse Abtheilungen , in Botanik und in Zoologie. Beide Disciplinen bilden zusammen die Wissenschaft von der lebenden Natur: Biologie. Sie sind insofern enge mit einander ver- bunden, als die Erscheinungen im Thier- wie im Pflanzenreiche auf gleichen Grundgesetzen beruhen , und Thier und Pflanze bei aller Ver- schiedenheit der specielleren Einrichtungen gemeinsame Anfange besitzen und im Haushalte der Natur in innigen Wechselwirkungen stehen. Innerhalb der beiden genannten Disciplinen sind mehrfache Arten der Forschung möglich , aus denen neue Disciplinen hervorgehen. Das Gebiet der Botanik zur Seite lassend, verfolgen wir jenes der Zoologie in seine ferneren Gliederungen. Die Erforschung der Leistungen des Thierleibes oder seiner Theile , die Zurückführung dieser Functionen auf elementare Vorgänge und die Erklärung derselben aus allgemeinen Ge- setzen ist die Aufgabe der Physiologie. Die Erforschung der mate- riellen Substrate jener Leistungen , also der Formerscheinungen des Kör- pers und seiner Theile, sowie die Erklärung derselben aus dem logischen Zusammenhange jener , ist die Aufgabe der Morphologie. Physiologie und Morphologie besitzen somit verschiedene Aufgaben , wie auch ihre Methoden verschieden sind ; für beide aber ist es nöthig , selbst auf getrennten Wegen, sowohl einander als auch das gemeinsame Endziel im Auge zu behalten, welches in der Biologie gegeben ist. Die Morphologie gliedert sich wieder in Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte. Wie erstere den vollendeten Organismus zum Untersuchungsobjecte hat, so besitzt letztere den werdenden Orga- nismus zum Gegenstande ihrer Forschung. Die Anatomie selbst kann in eine allgemeine und specielle getheilt werden. Die allgemeine Anatomie beschäftigt sich mit den Grund- formen der thierischen Organismen (Promorphologie), und den aus jenen UegeiVbaur, ürundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. \ Einleitung. hervorgehenden Formerscheinungen. Die specielle Anatomie nimmt die organologische Zusammensetzung des Thierleibes zum Gegenstände. Einen ihrer Zweige bildet die Histiologie, Gewebelehre, als Lehre von den Elementarorganen des thierischen Körpers. Die Entwickelungsgeschichte erläutert aus dem Verfolge des allmählichen Werdens die Complicationen der äusseren und inneren Orga- nisation , indem sie dieselbe von einfacheren Zuständen ableitet. Die Veränderungen der Organisation können aber sowohl im Ent wickelungs- ieben des Individuums als in der Reihenfolge der Organismen verfolgt werden. Auf ersteres erstreckt sich die gewöhnlich als Entwickelungs- geschichte (Embryologie' bezeichnete Disciplin, die sich als On togenie (Entwickelung des Einzelwesens) der Phylogenie (Entwicklung der Stumme) gegenüberstellt. Da die letzlere die früheren, nicht mehr lebend existirenden Zustände der Thiere in sich begreift, umfasst sie auch die Paläozoologie. Sie ist die Entwicklungsgeschichte der Orsanismenreihen in ihrer geologischen Aufeinanderfolge. § 2. Indem die Anatomie die Zusammensetzung der Organismen zum Objecte hat, wird sie zur Structurlehre, und gliedert sich je nach den verschiedenen Gesichtspunclen, von denen die Struelur selbst beurtheilt werden kann, in mehrere Abtheilungen. Ist die Zusammensetzung des Körpers an sich , die Gestaltung und das gegenseitige Verhalten der ein- zelnen Organe zur Aufgabe genommen, so verhält sich die Anatomie beschreibend, indem sie die Befunde der Untersuchung schildert, ohne aus denselben weitere Schlüsse zu ziehen. Die anatomische That- sache ist Zweck der Untersuchung, und diesem Zwecke genügt die Empirie. Durch die Beziehung zur Heilkunst, somit aus praktischem Bedürfnisse, hat sich die beschreibende Anatomie für den menschlichen Organismus hinsichtlich des Umfanges von Einzelerfahrungen zu einem besonderen Zweige ausgebildet, der als »An th ropotomie« der gleich- falls beschreibenden »Zootomie« sich an die Seite stellt. Beide sind nur durch das Object, nicht durch die Behandlung desselben verschieden, beide verhalten sich analytisch. In demselben Maasse als beide sich ent- halten, aus ihren Einzelerfahrungen Schlüsse zu ziehen, und diese zu Abstraktionen zu verwerlhen, entbehren sie des Charakters einer Wissen- schaft, da der letztere weder durch den blossen Umfang der Erfahrungen, noch durch die Complicationen des Weges, auf dem solche gewonnen werden, bedingt wird. Gänzlich untergeordnet für die Beurtheilung der wissenschaftlichen Bedeutung sind daher die äusseren Hilfsmittel der Untersuchung, die nur bezüglich des Auffindens oder der Feststellung von Thatsachen in Betracht kommen können. Anders gestaltet sich die Anatomie, sobald ihr die Kennlniss von Thatsachen nur Mittel ist, die aus einer Summe solcher Kenntnisse er- Einleitung. % schlossene Erkenntniss dagegen der Zweck, indem sie die Thatsachen der Einzelerscheinungen nicht ausschliesslich für sich betrachtet, sondern sie unter einander in Beziehungen bringt. Diess geschieht durch Auf- suchen des Gleichartigen in der Organisation verschiedener Organismen, und durch das Vergleichen dieser Befunde. Daraus leitet sie wissen- schaftliche Erfahrungen ab, und gestaltet das auf dem Wege der Induclion Gefolgerte zu deductiven Schlüssen. Sie wird dadurch zur verglei- chenden Anatomie. Ihr Verfahren ist synthetisch . Die Analysen der beschreibenden Anatomie (Anthropotomie wie Zootomie) liefern ihr die Grundlage, sie schliessen sich also nicht nur nicht von der vergleichenden Anatomie aus , sondern werden recht eigentlich von ihr umfassl und wissenschaftlich durchdrungen. Je sorgfältiger die Sichtung der That- sachen , um so sicherer wird der Boden für die Vergleich mm. Die Em- pirie ist somit die erste Voraussetzung, wie die Abslraction die zweite ist. Wie die letztere ohne die empirische Voraussetzung grundlos ist, so ist die Empirie an sich vom wissenschaftlichen Gesichtspunkte aus nur eine Vorstufe zur Erkenntniss. §3. Die Aufgabe der vergleichenden Anatomie liegt in der morphologischen Erklärung der Formerscheinungen in der Organisation des Thierleibes. Die Vergleichung ist die zur Lösung dieser Aufgabe dienende Methode. Sie zeigt den Weg den die wissenschaftliche Unter- suchung zu gehen hat, und der gekannt sein muss, wenn nicht planloses Umherirren die Folge sein soll. Die vergleichende Methode sucht in Beinen von Organismen die morphologischen Befunde der Organe des Körpers zu prüfen , stellt als Ergebniss die gleichartigen Verhältnisse zusammen und sondert die ungleichartigen davon ab. Dabei berücksich- tigt sie Alles, was beim anatomischen Befund überhaupt in Betracht kommt: Lagerung zu anderen Rörpertheilen , Gestalt, Zahl, Umfang, Structur und Textur. Sie erhält dadurch für die einzelnen Organe Reihen von Zuständen , in denen die Extreme bis zur Unkenntlichkeit von ein- ander verschieden sein können, aber untereinander durch zahlreiche Mittelstufen verknüpft werden. Aus den mannichfachen Formenreihen eines und desselben Organes ergibt sich erstlich : dass der physiologische Werth in den verschiedenen Zuständen des Organes keineswegs derselbe ist, dass vielmehr ein Organ, unter Modification seines anatomischen Verhaltens, sehr verschiedenen Leistungen vorstehen kann. Die ausschliessliche Berücksichtigung seiner physiologischen Leistungen wird daher die in morphologischer Beziehung zusammengehörigen Organe in verschiedene Kategorieen bringen. Daraus resultirt die untergeordnetere Bedeutung der physiologischen Leistungen des Organs bei vergleichend -anatomischer Untersuchung. Der physiolo- gische Werth kann erst in zweiter Reihe in Betracht kommen, wenn es /j * 4 Einleitung. sich darum handelt, für die Modifikation, welche ein Organ im Zusammen- halt mit einem anderen Zustande desselben erlitten, Beziehungen zum Gesammtorganismus herzustellen. Durch diese mittels der Vereleichune angestellte Prüfunc des anatomischen Befundes liefert die verdeichende Anatomie den Nachweis für den Zusammenhang ganzer Organreihen, und innerhalb dieser Beihen treffen wir Veränderungen mannichfachster Grade, bald nur im Kleinen, bald in grösserer Ausdehnung sich darstellend, Modifikationen, die den Umfang, die Zahl, die Gestalt und auch die Textur der Theile eines Organes betreffen , und sogar zu Aenderungen der Lage- beziehungen führen können. Der Ueberblick einer solchen Beihe lehrt also einen in einzelnen Stadien repräsentirlen Vorgang kennen , der in Veränderungen eines und desselben Organs bei verschiedenen Thieren sich ausdrückt. § 4. Das Bestehen eines gewissen Maasses von Gleichartigkeit in der Organi- sation innerhalb gewisser grösserer oder kleinerer Abiheilungen des Thier- reiches leiten wir von der Vererbung ab, einer Erscheinung, welche sich in der Ueberlragung der Organisation eines Organismus auf dessen Nachkommenschaft äussert. Die Nachkommen wiederholen die Organisation des älterlichen Organismus. Dies ist eine nicht anzuzweifelnde Thalsache. Dennoch geschieht hin und wieder Einsprache, bald gegen das Bestehen einer Vererbung, bald gegen ihre Bedeutung. Die Uebereinstimmung der Organisation der Nachkommen soll nicht durch Vererbung, sondern durch die Wirksamkeit bestimmter physikalischer Potenzen während des Em- bryonallebens entstehen. Mau muss da fragen, wie es denn komme, dass jene Potenzen dieselben sind, alle jene Spannkräfte, Druckwirkungen ii. dergl. , von denen man den Aufbau des Embryo abzuleiten sucht? Wenn z. B. ein Gelenk seine ontogenetische Ausbildung durch die Bewe- gung der Skelettheile vermittels der Muskelthätigkeit erfährt, so setzt das doch eiue ganz bestimmte Anordnung der Muskulatur voraus und einen ganz bestimmten Bau der Muskeln , und für diesen wieder eine ganz bestimmte Meuge und Lage der sie zusammensetzenden Formelemenle. Dann wird man fragen müssen : woher denn jene bestimmte Anordnung dieser Theile, woher die Uebereinstimmung derselben bei den Vorfahren, wie bei den Nachkommen? Wir werden also hier der Thalsache des Bestehens einer Ueberlra- gung von Eigenschaften ihr Becht lassen müssen, und erkennen in der Vererbung eine gesetz massig - waltende Erscheinung, die wohl Modifikationen aber keine Ausnahmen darbietet. Wir vermösen sie von der Fortpflanzung abzuleiten, und damit bis zu einem gewissen Grade zu erklären , denn es ist verständlich , dass Theilstücke eines Organismus, wenn sie einen neuen Organismus hervorgehen lassen , diesem Eigen- schaften übertragen , welche (\ev ursprüngliche Organismus besass. Am Einleitung. 5 klarsten wird das bei niederen Organismen, die durch blosse Theilung sich fortpflanzen. Jedes Theilstück bildet sofort einen dem ersten gleichartigen Organismus. Von da an erstreckt sich aber eine conlinuirliche Reihe von Forlpflanzungsweisen bis zu jenen , bei welchen quantitativ zwar sehr verschiedene Zeugungsproducte in Action treten, die jedoch immer Theil- slücke des älterlichen Organismus sind. Der neue Organismus stellt also auch hier materiell die Fortsetzung des älterlichen vor, und demgemäss wird er mit letzterem übereinstim- mende Eigenschaften besitzen. Das Maass der Gleichartigkeit oder der Uebereinstimmung in der Organisation ist ein sehr verschiedenes. Wir erkennen Thiere die nur durch geringfügige Merkmale von einauder abweichen , dann solche die durch bedeutende Unterschiede von einander getrennt sind , wiederum andere, deren äussere oder innere Organisation die grössten Verschieden- heiten darbietet. Und so findet sich die Uebereinstimmung wie die Ver- schiedenheit in unendlichen Abstufungen vor. Wie man einander ähn- liche, mehr oder minder gleichartig erscheinende Dinge als »verwandt« zU bezeichnen pflegt, so wird bei der gleichen Erscheinung der Organismen die gleiche Bezeichnung der gegenseitigen Beziehung, aber in des Wortes voller Bedeutung, Platz greifen dürfen. Wir erklaren gleichartige Orga- nismen für mit einander verwandt, indem wir das Gleichartige der Orga- nisation aus gemeinsamer Ererbung ableiten. Der Grad dieser Gleich- artigkeit wird aber den Grad der Verwandtschaft bestimmen müssen, die wir aus jener erschliessen. Die Verwandtschaft wird bei dem Bestehen geringerer Verschiedenheiten als eine nahe zu erkennen sein , während sie bei grösseren Unterschieden als weiter in der Ferne liegend sich dar- stellen wird. Wir substituiren daher dem Begriffe der Uebereinstimmung oder der Gleichartigkeit der Organisation den der Verwandtschaft, indem wir die in der Organisation einer Summe von Organismen bestehenden Uebereinstimmungen als ererbte Eigenthümlichkeiten ansehen. Auf das Gesetz der Vererbung gründet sich somit die Lehre von der Verwandtschaft der Organismen, die Abstammungslehre oder Phylogenie. Die vergleichende Anatomie enthüllt also die innerhalb der einzelnen Abtheilungen des Thierreiches bestehenden Verwandt- schaftsverhältnisse , indem sie das Gleichartige wie das Ungleichartige nachweist. [Ueber das höchst wichtige Vererbungsgesetz und seine Erscheinungen findet sich Ausführlicheres in der scharfsinnigen Darstellung Dackels (Generelle Morphologie Bd. II. S. 170.).] §5. Durch die Vererbung werden dem Organismus Eigenschaften über- tragen, die derselbe im Laufe seiner individuellen Entwicklung (On lö- ge nie) nach und nach zur Entfaltung bringt. Den einfachsten Organis- 6 Einleitun b- men fehlt eine solche Entwickelune , indem die etwa durch TheiluDe des mütterlichen Organismus entstandenen Junten nur der Volumszunahme bedürfen, am dem mütterlichen Organismus gleich zu werden. Die Ent- wicklung fällt also hier mit dem blossen Wachsthum zusammen, das sie vollständig deckt. Je weiter ein Organismus von einem ursprünglich ein- fachen Zustande sich entfernt hat, oder: je grösser die Summe der von den Vorfahren erworbenen und auf die Nachkommen vererbten Eigentüm- lichkeiten ist, desto weniger einfach ist auch die Ontogenie, da sich wäh- rend derselben mindestens ein Theil von jener von den Vorfahren erwor- benen Einrichtungen wiederholt , und vom sich entwickelnden Korper in einzelnen Stadien durchlaufen wird. Die Ontogenie repräsentirt also in gewissem Grade die paläonlologische Entwickelung in zeitlich verkürzter, d. i. zusammengezogener Weise. Die von höheren Organismen onlogene- tisch durchlaufenen Stufen entsprechen Zuständen , welche bei anderen die definitive Organisation vorstellen. Jene Entwickelungszustände kön- nen also durch die Vergleichung mit ausgebildeten Zuständen niederer Organismen erklärt weiden, indem man sie als von solchen (niederen Zu- ständen) ererbte Bildungen deutet. Von diesem Gesichtspunkte aus be- trachtet erscheinen viele der sogenannten »La r venz ustä n de« mit ihren »provisorischen«, weil vergänglichen, nur auf frühere Lebensstadien beschränkten »Apparaten« als recht wichtige und bedeutungsvolle Formen. Ausser den functionellen Beziehungen zum sie tragenden Organismus, durch welche jene Apparate sich als praktische Einrichtungen erhalten, d. h. vererben konnten, lassen sie solche zu niederen Zuständen erken- nen, und enthüllen damit die Phylogenie ihres Trägers. Das »Stadium larvalum« verkündigt also im Gegensatze zu seiner Bezeichnung häufig ganz offen die verwandtschaftlichen Beziehungen. Zuweilen sind solche »Larvenorgane« nicht sowohl von Vererbung als von Anpassungen ableitbar, und dadurch wird die Beurtheilung nicht wenig erschwert. Sicherer wird die Deutung solcher Einrichtungen bei Organismen, die nicht sofort in den offenen Kampf ums Dasein treten, sondern kürzere oder längere Zeit innerhalb der Eihüllen sich entwickeln, und dadurch verändernden Einwirkungen von Aussen minder ausgesetzt sind. Kommt es in diesen Fällen zu »provisorischen Einrichtungen«, so sind diese mit grösserer Sicherheit als ererbte, und damit als Wiederholungen niederer Zustände bestimmbar. Die bei den Embnonen höherer Wirbelthiere auf- tretenden , aber nach und nach wieder verschwindenden Kiemenspalten sind solche Bildungen. Für sich betrachtet sind sie unerklärbar, denn es kommt an ihnen weder jemals zur Bildung von Kiemen, noch werden sie — die vorderste ausgenommen — zu definitiven Einrichtungen verwen- det. Die Vergleichung zeigt uns nun bei einer grossen Abtheilung niederer Wirbelthiere diese Kiemenspalten als wichtige Athmungsapparate, und indem wir auch solche Wirbelthiere (Amphibien) kennen, deren Kie- menspallen nur eine Zeit lang respiratorisch fungiren, um sich später zu schliessen, vermögen wir die Kiemenspalten der Reptilien, Vögel und Einleitung. Säugethiere als durch Vererbung von niederen Zustünden empfan- gene Einrichtungen zu verstehen, die nach dem Verluste ihrer ursprüng- lichen Function sich nur während des fötalen Lehens eine kurze Zeit erhalten. § 6. Ii1 der Summe von Eigenschaften der Organisation , welche die Ver- erbung auf einen Organismus überträgt, finden sich dem vorhin Dar- gelegten zufolge mehr oder minder solche Einrichtungen vor, welche in den bleibenden, ausgebildeten Zustand des Organismus mit übertreten, ohne dort eine erkennbare Function zu besitzen. Diese Theile erscheinen in der Regel in mehr oder minder rückgebildetem rudimentären Zustande, den sie häufig erst während des Laufes der Ontogenie erwerben. In frühen Stadien der letzteren kommen sie mit den der Stammform , von der sie ererbt sind, zukommenden Einrichtungen am meisten überein. Diese rudimentären Organe treten um so frühzeitiger die Rückbil- dung an, je frühzeitiger sie in paläonlologischem Sinne ererbt wurden, und schwinden in dem Maasse spät, als ihre Ererbung eine relativ neue ist. Die ausgebildete Form der rudimentären Organe wird demgemäss für die ersleren nur bei entfernten, für die letzteren dagegen bei näheren Verwandten anzutreffen sein. Diese Organe bilden werthvolle Objecte, da aus ihnen, selbst auf weitere Entfernungen hin phylogenetische Be- ziehungen sich nachweisen lassen. Sie zeigen auch wie wenig die funclionelle Bedeutung bei der morphologischen Beurtheilung in Betracht kommen darf, denn an den meisten von ihnen ist eine Function gar nicht erweisbar, oder sie ist eine jedenfalls von der ursprünglichen völlig ver- schiedene. § 7. Die vergleichende Anatomie ordnet sich die Ontogenie unter, insofern sie die im Laufe der individuellen Entwickelung der Thiere auftretenden Organisations-Erscheinungen nicht blos auf den vollendeten Zustand des Organismus, sondern auf definitive Einrichtungen anderer Organismen bezieht. Die vergleichende Anatomie erklärt die Erschei- nungen der Ontogenie. Wenn letztere, für sich behandelt, nicht über das Niveau einer beschreibenden Disciplin sicherhebt, und damit je nach der Genauigkeit ihrer Forschung nur den Werth von thatsäch- lichem Material besitzt, so empfängt sie durch die Verbindung mit der vergleichenden Anatomie wissenschaftliche Bedeutung. Ihre an sich un- verständlichen, oder, weil nur auf die späteren Befunde der Organisation bezogen, nur in metaphysischem Sinne teleologisch erfassbaren That- sachen , stellen sich durch die vergleichende Anatomie in Zusammenhang mit bekannten Erscheinungen anderer Organismen und sind dadurch 8 Einleitung. phylogenetisch erklärbar. Zeigt sich so für die Ontogenie die Nothwen- digkeit genauer Kenntniss' der vergleichenden Anatomie, so kann die letz- tere ebensowenig der ersteren entbehren , denn aus ihr gewinnt sie Licht für die niederen Zustände der Organisation. In demselben Maasse und auf die gleiche Art wie die Ontogenie die Phylogenie begründen hilft, dient sie auch zur Förderung der vergleichenden Anatomie. Man hat zuweilen der vergleichenden Anatomie eine »vergleichende Embryologie«, freilich zunächst noch als blosse Aufgabe, gegenüber- gestellt. Eine solche »vergleichende« Ontogenie wird ebenso wie jede singulare Ontogenie die Organisation der ausgebildeten Zustände mit in Betracht nehmen müssen, nlso ohne vergleichende Anatomie zu keinem wissenschaftlichen Ziele führen. § 8- Die Beziehungen jedes Organismus zu der Aussen weit, in der er lebt, von der er Stoffe entnimmt und an die er wiederum solche abgibt, be- dingen einen Einfluss der Aussenwelt auf den Organismus. Dieser Ein- Üuss erscheint wirksam in Veränderungen des Organismus, welche auf eine letzterem inbärirende Veränderlichkeit rückschliessen lassen. Die Veränderlichkeil tritt als Anpassungsfähigkeit auf, welche in ihrer Aeusserung auf die ererbte Organisation modificirend, ja umgestal- tend einwirkt. Der Organismus verändert sich den Bedingungen gemäss, welche auf ihn einwirken. Die hieraus entstehenden Anpassungen sind als all- mähliche, aber stetig fortschreitende Veränderungen der Organisation zu denken, welche während des individuellen Lebens der Organismen erzielt werden , sich durch Vererbung in Generationsreihen forterhalten und auf dem Wege der natürlichen Züchtung sich weiter ausbilden. Das von den Vorfahren Erworbene wird für die Nachkommen Ererbtes. Anpassung und Vererbung erscheinen dadurch in Wechseläusserung, die erstere re- präsentirt das umgestaltende, die letztere das conservative Princip. Die unendliche Mannichfaltigkeit der Organisations-Erscheinungen ist demge- mäss von Anpassungen ableitbar, wie es die Gleichartigkeit von der Ver- erbung war. § 9- Die Anpassung wird durch eine Veränderung der Leistung der Or- gane eingeleitet, so dass also die physiologische Beziehung der Organe hier die Hauptrolle spielt. Da die Anpassung nur der materielle Ausdruck jener Veränderung der Function ist, wird die Modificatiou der Function ebenso wie ihre Aeusserung als ein allmählich sich vollziehender Vorgang zu denken sein. Die Anpassung wird daher in ihren Besultaten meist erst in langen Generationsreihen wahrnehmbar sein, während die Einleitung. 9 Vererbung an jeder Generation sieh kund gibt. Entzieht sieh damit in der Regel die Anpassung als Vorgang der directen Beobachtung, so ist sie doch nicht minder sicher erschliessbar durch die Vercdeichun" Wenn wir z. B. bei fleischfressenden Säugethieren eine einfache Magenbildung antreffen, bei Pflanzenfressern dagegen complicirtere , besonders bei jenen, die grosse Massen Futterstoffe aufnehmen, wie z. B. die Wieder- käuer, so werden wir die hier bestehende Complication der Magenstruclur als eine durch die Nahrung bedingte Veränderung , als eine Anpassung an die Ernährungsweise beurtheilen; und wenn uns ferner die Ontogenie bei Wiederkäuern in frühen Entwickelungsstadien eine einfache, erst all- mählich in den complicirteren Zustand sich umbildende Magenform ent- gegenbringt, so bestätigt uns die Ontogenie die aus der Veigleichung gewon- nene Auffassung. In vielen Fällen ist der Einfluss der Anpassung auf die Organisation auch unmittelbar zu beobachten, z. B. bei manchen Amphi- bien erhalten sich die während des Jugendzustandes ausgebildeten Kie- men auch später in Function, wenn dem Thiere die Gelegenheit fehlt aus dem Wasser zu gelangen , und umgekehrt gehen die Kiemen bei solchen, deren nächste Verwandte, im Wasser lebend, stets die Kiemen behalten, eine Rückbildung ein, wenn das Thier seinen Aufenthalt im Wasser mit dem auf dem Lande vertauscht hat. Dort ist die Ausbildung, hier die Rückbildung eine Anpassungs-Erscheinung. In der Anpassung gibt sich somit der engste Zusammenhang zwischen derFunction und der StructurdesOrganes kund. Die physiologische Function beherrscht in gewissem Sinne die Structur , und darin ist das Morpholo- gische dem Physiologischen untergeordnet. Im niedersten Grade erscheint die Abhängigkeit des formalen Befundes eines Organs von seiner Leistung in Betracht des Volums. Bei gesteigerter Leistung trifft sich eine Ver- grösserung des Organs. In welchem Maasse die Erhöhung der Leistung auf das Volum einwirkt, lehrt das Muskelsystem. Ausser Uebung gesetzt erleiden die Muskeln Rückbildungen bis zu gänzlichem Schwunde. In Uebung erhalten, und bei gesteigerten Ansprüchen entwickeln sie sich zu bedeutendem Volum. Das Maass der Ausbildung ist mit jenem der Lei- stung im innigsten Zusammenhang. Da aber mit dem Aufhören einer Verrichtung oder mit der Schmälerung einer solchen eine Rückbildung eintritt, so begegnen wir auch auf diesem Wege rudimentären Or- ganen. Sie haben auf ihm ihre Entstehung genommen. Das Verständniss der Enstehung dieser Organe kann daher nur die Physiologie liefern, und daraus ergibt sich wiederum deren wichtiger Einfluss auf die Morphologie. § 10. Durch die allmähliche Modifikation der Leistung eines Organes kann dasselbe so umgestaltet werden, dass es in functioneller Hinsicht ein neues wird, und dann einer ganz anderen physiologischen Organkalegorie sich einreiht. Diese Thatsache ist von bedeutender Tragweite, weil sie 1() Einleitun o- das Auftreten neuer Organe erklären hilft, und dadurch dvn der Ent- wiekelungslehre gemachten Einwand ])eseitigt : dass ein neues Organ doch nicht sofort in dem ganzen Umfange seiner Function erscheinen könne, dass es also bei allmählichem Entstehen in seinen ersten Zustän- den dem Organismus noch nicht dienen könne, womit auch der Grund seiner Ausbildung wegfalle. Jedes Organ, für welches dieser Einwand den Schein einer Berechtigung hat, ist nachweislich mit einer von der späteren Function verschiedenen Bedeutung aufgetreten. So ist z. B. die Lunge der Wirbelthiere durchaus nicht als ausschliessliches Bespirations- organ entstanden, vielmehr hatte sie bei den durch Kiemen athmenden Fischen einen Vorläufer in der Schwimmblase , die zu der Athmung an- fänglich keine Beziehungen besitzt. Selbst da , wo die Lunge als Alh- mungsorgan erscheint (Dipnoi, viele Amphibien), ist sie solches noch nicht ausschliesslich, sondern theilt jene Function mit den Kiemen. Das Organ ist also hier im Stadium der Umwandlung zum Athmungsorgan begriffen, und verknüpft die ausschliesslich respiratorischen Lungen mit den Schwimmblasenbildungen, die zunächst wohl in hydrostatischer Function verwendet als Ausbuchtungen des Darmrohrs hervorgingen. Die erste Function des durch Anpassung an neue Beziehungen ge- änderten Organes ist meist eine niedere, für den Organismus minder wichtige, im Vergleiche zur erlangten neuen Function, so dass das Organ damit auf eine höhere Stufe tritt. In anderen Fällen erscheint der Werth der primären Function deshalb geringer, weil er von anderen gleich- artigen Organen getheilt wird. Er steht dann quantitativ niedriger, weil an der Gesammtsumme der betreffenden für den Organismus zu voll- ziehenden Leistung auch den anderen gleichartigen Organen ein Antheil zukommt. Die Bückbildung eines Theiles gleichwerthiger Organe erhöht den Werth der bestehenbleibenden, indem sie die höhere Ausbildung der- selben bedingt. Aus dem Wechsel der Functionen resultirl die Verschie- denheit des physiologischen und morphologischen Eintheilungsprincips der Organe. ALLGEMEINER THEIL. Aufbau des Thierleibes. Orgaue und Organismus. § H. Im lebenden Körper kommt eine Anzahl von Leistungen des mate- riellen Substrates in Betracht, durch welche die als Leben aufgefasste Erscheinungsreihe bedingt wird. Derselben liegen chemisch-physikalische Processe zu Grunde , die mit einer beständigen Umsetzung des Materials einhergehen und daher als Stoffwechsel erscheinen. Der Körper ernährt sich, indem er das durch den Stoffwechsel verbrauchte Material durch von aussen her aufgenommenes Neues ersetzt, welches er den ihn zu- sammensetzenden Substanzen ähnlich macht, assimilirt. Die theils mit den Nahrungsstoffen aufeenommenen , theils durch den Stoffwechsel erzeugten, im Organismus nicht mehr verwendbaren Substanzen werden nach aussen entfernt. Daraus resultirt die excrelorischeThätigkeit. Wenn die Menge des assimilirten Materials jene des ausgeschiedenen überwiegt, geschieht eine Volumsvergrösserung des Körpers, er wächst. Damit erfüllt er die erste Bedingung zur Production desjenigen Materials, aus dem ein neuer, ihm gleichartiger Organismus hervorgeht, und eben da- durch steht mit der Ernährung auch die Fortpflanzung in engem Zusam- menhange. Mit der Aussenwelt ist der Körper zunächst durch seine Oberfläche in Verbindung. Sie vermittelt ihm die Beziehungen zum umgebenden Medium. Formveränderungen der Oberfläche erscheinen als Bewegungen und lassen die Locomotion entstehen. Und ebenso vermittelt die Ober- fläche Wahrnehmungen der Aussenwelt, Empfindungen. Die jenen Vorgängen vorstehenden Theile des Körpers sind die Werk- zeuge der Lebensäusserung, Organe. Der Körper wird durch sie zum Organismus, und wenn wir auch solche Körper als Organismen be- zeichnen an denen keine Organe im einzelnen gesondert bestehen , so geschieht es, weil da die virtuelle Existenz von Organen durch die thal- sächlichen Lebensäusserungen vorauszusetzen ist. Der Begriff Organis- mus wird also hier nicht im anatomischen, sondern im physiologischen Sinne gebraucht. Im einfachsten Zustande des Organismus sind die Lebens -Erschei- nungen an die den Körper darstellende gleichartige Substanz geknüpft, 14 '• Aufbau des Thierleibes. welche gleichmässig alle jene Einzelvorgänge vermiltelt. Der Körper repräsentirt daher nur potentia eine Summe von Organen , die erst auf- treten, wenn die Einzelverrichtung nicht mehr von jedem Theile des Körpers besorgt wird. Das Verhalten , welches in jener Beziehung die einfacheren Organismen dauernd zeigen, besitzen complicirtere nur vor- übergehend. Differeiizirung. § 12. Die C o m p 1 i c a l i o n des Organismus entsteht durch einen Son- derungsvorgang der die physiologischen Leistungen des ursprünglich gleichartigen Körpers auf einzelne Theile übertragt. Was vorher vom Ge- sammt-Körper vollzogen ward, verrichten nach jenem Vorgange einzelne Theile desselben. Die Leistung wird dann entweder von einer grösseren Zahl discreter, aber unter sich gleichartiger Theile vollzogen, oder die Einzeltheile gestalten sich unter sich ungleichartig, werden von einander di (Terelit. Im ersten Falle istdieTheilung der Arbeit eine quan- titative, im letzteren wird sie auch qualitativ durchgeführt und die Sonderung der Einzeltheile entspricht einer Verschiedenartigkeit der Ver- richtung. Je nach dem Grade, in welchem sich die zuerst am indifferenten Körper auftretende Sonderung oder Arbeitstheilung an den Organen wiederholt, entstehen fernere Complicationen, die ein stufen weises Wei- terschreiten erkennen lassen. Daraus leitet sich ein verschiedener Werth der Organe ab, und es wird nothwendig an letzteren höhere und niedere Zustande zu unterscheiden. Durch die Theilung der Arbeit auf verschiedene Organe wird die Leistung der letzteren vollkommener. Jedes Organ vermag sich in einer bestimmten, der von ihm übernommenen Function entsprechenden Rich- tung zu entfalten. Der Organismus erlangt damit, zugleich mit seiner Complication, eine höhere Ausbildung. Die Arbeitstheilung führt also zu einer Vervollkommnung der Organismen. Je nach der Ausdehnung, welche die Arbeitstheilung über einzelne Organe, oder über zahlreiche nahm, wird ein grösserer oder geringerer Theil des Organismus dieser Vervollkommnung zugeführt. Je grösser die Wichtigkeit der betreffenden Organe für den Gesammtorganismus, desto bedeutender prägt sich an ihm die durch jene erlangte Vervollkommnung aus. Da die auf bestimmte Körpertheile übergehenden Verrichtungen in dem Maasse als sie selbst verschieden sind eine verschiedenartige Aus- bildung jener Theile bedingen, gehen daraus neue Theile, neue Organe, hervor, solche die von den schon vorhandenen verschieden sind. Die Theilung der Verrichtungen führt zu einem Differentwerden , einer Differenzirung der Theile. Ein Körpertheil der vorher mit andern gleich, und deshalb nicht von ihnen verschieden, d. h. indifferent war, Erster Zustand dos thierischen Organismus. 15 tritt in den Zustand des Gesondertsejns , wird von den anderen unter- scheidbar, difl'erent. Indem nun diese Differenzirung an die physiolo- gische Arbeitstheilung derart geknüpft ist, dass sie von ihr bedingt wird, kann sie als ihr Product aufgeführt werden. Jede physiologische Function kann sich qualitativ wieder in zahlreiche Unterfunctionen spalten , durch deren Localisirung wieder neue Organe hervorgehen. So wird das Princip der Arbeitstheilung die Grundlage grössler Mannich faltigkeit in der Orga- nisation, und alle morphologischen Erscheinungen stehen mit ihm und der von ihm hervorgehenden Differenzirung in näherem oder entfernterem Zusammenhange. Erster Zustand des thierischen Organismus. Die Zelle. § 13. Die lebende Materie erscheint in ihrer einfachsten Form als eine eiweisshaltige, als Plasma oder Protoplasma bezeichnete Substanz, die mit unseren gegenwärtigen optischen Hilfsmitteln sich durchaus gleich- artig darstellt. Diese Materie tritt in Gestalt kleiner Klümpchen auf. In solchem Zustande treffen wir die einfachsten Organismen. Während bei der gleichartigen Beschaffenheit des Protoplasma , in welchem höchstens noch Körnchen als gesonderte Theile bemerkbar sind, für jene einfachsten Formen eine Abgrenzung nach aussen durch gesonderte Hüllbiidunajen nicht besteht, kommt auf einer weiteren Stufe eine Umhüllung zu Stande, die aus einer chemisch-physikalischen Veränderung der äussersten Schichte hervorgeht. Dadurch wird das mit allen Lebenserscheinungen und somit auch mit Bewegung ausgestattete Protoplasma von einer mehr oder min- der starren Hülle umschlossen, welche die Veränderlichkeit der Gestalt aufhebt, und eine bestimmte Form bedingt. Solche Gebilde können auch in die Zusammensetzung von Organismen eingehen , wie dies bei vielen niederen Pflanzen der Fall ist. Formelemente dieser Art bilden die Cy- toden, welche von einer anderen, weiter entwickelten Form mit Bechl unterschieden werden. Bei dieser tritt im Protoplasma ein scharf abgegrenztes festeres Ge- bilde auf, das man als Kern (Nucleus) bezeichnet. Es ist das Product des ersten Sonderungs Vorganges des Protoplasma , welches nicht mehr ausschliesslich die lebende Substanz vorstellt. Im Kern erscheint in der Begel ein kleines Körperchen (Nucleolus) . Im Gegensatze zum Proto- plasma ist der Kern nicht contractu, oder nimmt doch nicht in gleichem Maasse an jener Action Antheil , theilt übrigens nicht nur die meisten Le- benserscheinungen des ihn umgebenden Protoplasma , sondern gibt sich auch häufig als Begulator derselben zu erkennen. Solche mit einem 16 1. Aufbau des Thierleibes. »Kerne« versehene Proloplasmaklümpchen nennt man Zellen (Cellulae). Auch diese Gebilde können in diesem Zustande selbständige Organismen vorstellen, die man als »einzellige« bezeichnet. Indem die Zellen durch Vermehrung Complexe bilden , gehen mehrzellige Organismen her- vor. Deren kleinste nicht weiter mehr in gleichartige Gebilde zerlegbare Theile sind Zellen, die daher als Formelemenle jener Organismen er- scheinen. Dasselbe gilt auch von dem einfacheren Zustande, den Cytoden. Während diese aber ein beschränkteres Vorkommen besitzen , finden wir die Zellen in grösserer Verbreitung im Pflanzenreiche, und als die aus- schliesslichen Formelemente im Thierreiche. § 14. Im indifferenten Zustande, d. i. so lange noch nicht zum Aufbau von bestimmlen neuen Bildungen Veränderungen in bestimmter Richtung vor sich gingen, erscheinen die Zellen aller thierischen Organismen von we- sentlich gleicher Beschaffenheit. Wir unterscheiden nach dem oben Be- merkten an ihnen erstlich das die Hauptmasse des Körpers der Zelle dar- stellende Protoplasma, und zweitens das vom Protoplasma umgebene, von ihm differente, meist festere Gebilde, den Zellenkern. Die Theilnahme des letzteren an mannichfachen Lebenserscheinungen der Zelle lässl ihn als einen keineswegs untergeordneten Theil des Zellenkörpers ansehen. Zu diesen Theilen der Zelle hat man — früher allgemein — noch eine Membran gerechnet, welche vom Protoplasma als dem »Zelleninhalte«, verschieden, dasselbe umhüllen sollte, und daraus ist die Vorstellung von der »Bläschenform« der Zelle sowie ihr Name entstanden. Wenn auch nicht in Abrede gestellt werden kann , dass bei vielen Zellen vom Protoplasma differirende Umhüllungen vorkommen, so treffen diese Zustände sich doch niemals im frühesten Leben der Zelle, sondern sind immer das Resultat einer vorgeschrittenen Umwandlung und eines Ueberganges der Zelle in die differente Form. Von den Lebensäusserungen der Zellen sind automatische Bewe- gungserscheinungen des Protoplasma der Zelle so verbreitet , dass sie sich immer bestimmter als eine Eigenschaft aller nicht weiter diffe- renzirten, somit bezüglich ihres Protoplasma metamorphosirten Zellen herausstellen. An freien, nicht von starren Membranen umschlossenen Zellen bewirkt die Erscheinung jener Bewegung eine Ortsveränderung der Zelle. Auch an nicht freien Zellen kann die Bewegung beobachtet werden, theils in einem Gestaltenwechsel der Oberfläche, theils an der Lageveränderung im Protoplasma befindlicher fester Körnchen. Dass dem Protoplasma auch Eigenschaften innewohnen, die wir auf einen freilich niedersten Grad von Empfindung deuten können, geht aus vielen Ver- suchen und Beobachtungen hervor. Ferner beobachten wir an der Zelle die Ernährung, zuweilen so- gar eine sichtbare Aufnahme von Stoffen ins Protoplasma und als Aus- Erster Zustand des thierischen Organismus. 17 druck der Ernährung gibt sich das Wachsthum der Zelle kund. Diese allen noch indifferenten Zellen gemeinsame Erscheinung spricht sich in der Vergrösserung des Protoplasmakörpers durch Assimilirung von aussen her aufgenommener Stoffe aus. Das Wachsthum kann ein gleichmässiges- fttr die ganze Zelle sein, indem diese sich nach allen Axenrichlungen ver- grössert, und so trifft es sich regelmässig in den Jugendzuständen der Zelle und lässt während dieser Zeit die Gestalt der Zelle, wo nicht Bewe- gungserscheinungen oder äussere Einwirkungen sie modificiren , unver- ändert in der sphärischen Form fortbestehen. Andernfalls ist es ungleich- massig und wird dann bei der Vergrösserung in der Richtung Einer Axe längliche, oder bei der Vergrösserung in der Richtung mehrerer Axen sternförmige Bildungen hervorbringen. Solche ungleichmässige Wachs- thumsverhältnisse sind in der Regel von Differenziruugen der Zelle be- gleitet, sie leiten daher zum Uebergang der Zellen in Gewebe. § 13. y Das Wachsthum der Zelle bereitet eine andere Erscheinung vorr nämlich die der Fortpflanzung, und ist mit ihr unzertrennlich ver- bunden, denn die Vermehrung ist nur ein über das Individuum hinaus- gehendes Wachsthum. Die Vermehrung der Zellen kann auf mehr- fache Art vor sich gehen. Die einfachste knüpft direet an das Wachsthum an. Indem der Zellenleib einseitig aus wächst, bildet sich ein Spross, der durch allmähliche Volumzunahme und Ablösung vom Multerkörper zu einer neuen, freien Zelle wird. In der Zahl der an einer Zelle hervor- sprossenden jungen Zellen kann die Erscheinung variabel sein, und nach dein Verhalten des Kernes der Mutterzelle Modifikationen aufweisen. Diese Vermehrung durch Sprossenbildung geht ohne scharfe Grenze in die am meisten verbreitete Art der Vermehrung, nämlich jene durch Th ei hing über. Während bei der Sprossung das Charakteristische darin liegt, dass die sich bildende Zelle bei ihrem ersten Erscheinen be- züglich des Volums in einem Gegensatze zur Mutterzelle steht, der bei frühzeitiger Ablösung des Sprösslings gar nicht, bei späterer Trennung allmählich ausgeglichen wird, so sind die Producte der Theilung nahebei oder vollständig einander gleich, so dass das Fehlen einer ausgesprochenen Volumsdifferenz keinen Unterschied zwischen beiden gestaltet. Es jst klar, dass in demselben Maasse als die Grösseverschiedenheit zwischen, beiden Vermehrungsproduclen zunimmt, die Theilung der Sprossenbil- duns näher rückt, und dadurch wird die ganze Verschiedenheit zwischen Zelltheilung und Sprossung von der Menge des Protoplasma bedingt, wel- ches von einer Zelle in eine andere aus jener entstehende übergenommen wird. Der Unterschied zwischen Sprossung und Theilung erscheint damit mehr quantitativ. Die Theilung wird durch eine Vermehrung des Kernes eingeleitet. In gewissen Fällen geht eine Neubildung von Kernen vor sich. Ausser der Vermehrung durch Theilung oder durch Sprossenbildung ist keine Fortpflanzungsform der thierischen Zelle mit Sicherheit beobach- Gegenbaur, Grundriss d. vergl_Anatomie. 2. Aufl. 2 18 I. Aufbau des Thierleibes. tet, und ein grosser Theil der aufgestellten Arten der Zellvermehrung, wie die sogenannte endogene Zellbildung u. s. w. ist von der Theilung ableitbar. — Was die freie oder spontane Zellbildung betrifft, so ist wohl soviel gewiss, dass ihre Verbreitung nicht in dem früher angenommenen Maasse vorkommt. Verbindet sich mit dem Wachsthum der Zelle eine Vermehrung des Kernes, ohne dass eine Sonderung des Protoplasma in einzelne den Ker- nen entsprechende Parthieen erfolgt, so kann das so entstandene Gebilde nicht mehr als einzelne Zelle aufgefasst werden. Es ist aber auch kein Complex von Zellen, da ein solcher die Existenz einer Mehrzahl discreter Zellen voraussetzen würde. Daher ward dieser Zustand mit Recht als ein besonderer unterschieden und als Syncytium bezeichnet. Derartige Gebilde kommen fast in allen Abtheilungen der Thiere vor. Dasselbe Re- sultat wird erreicht durch die Concrescenz einer Anzahl von discreten Zellen, die ihr Protoplasma in eine continuirliche Masse zusammentreten lassen, welche dann gleichfalls eine Anzahl von Kernen umschliesst. Während das Protoplasma in der aufgeführten Erscheinungsreihe keine wahrnehmbaren constitutionellen Aenderungeu erleidet, spricht sich durch eine andere Erscheinung eine Aenderung im Protoplasma aus. In ihm enthaltene Stoffe treten wieder ausser Verbindung mit ihm. werden aus ihm abgeschieden. Dieser Process der Abscheidung bietet ver- schiedene Verhältnisse dar. Einmal findet der Sonderungsvorsans im In- nern des Protoplasmakörpers selbst statt, dann treten im Innern der Zelle der chemisch- physikalischen Reschaffenheit ihres Protoplasma fremde Theile auf. Sie können der mannichfaltigsten Art sein, z. R. Fett, Farb- stoffe etc., auch in verschiedener Form . als Körnchen, Tröpfchen, Kry- stalle etc. vorkommen. In einem andern Falle geht diese Sonderung auf der Oberfläche des Protoplasma vor sich. Hier erscheint sie entweder in flüssiger Form, wobei die Continuität mit dem Protoplasma verloren geht, oder sie findet in fester Form statt, und dann bleibt der Zusammenhang mit dem übrigen unveränderten Protoplasma mehr oder minder innig fortbestehen. Durch chemisch -physikalische Veränderungen entweder der ganzen Oberfläche des Protoplasma einer Zelle oder auch nur eines Theiles derselben entstehen vom übrigen Protoplasma verschiedene, diffe- rente Substanzen. Wir haben also in diesen Abscheidungen Umwand- lungen des Protoplasma vor uns, die man als Differenzirungen auffassen darf, da bei ihnen vorher im Protoplasma vorhandene, aber von ihm indifferente Stoffe, different werden. Rei gleichartiger Rildung an der Peri- pherie der Zelle geht daraus das bereits oben als Zellmembran be- zeichnete Gebilde hervor. Derselbe Vorgang führt aber auch zur Her- stellung anderer Einrichtungen, die wir unten näher ins Auge fassen müssen. Die Reihe an einer Zelle sich äussernder Lebensvorgänse stimmt im Wesentlichen mit denen aller übrisen Organismen überein. Virtuell er- scheint also auch die Zelle als Organismus Ele mentaroraan is mus). Differenzirung des thierisehen Organismus. 19 Differenzirung des thierischen Organismus. § 16. Den einfachsten und niedersten Zustand des thierischen Organismus repräsentirt jenes Stadium , welches am Beginne seiner Enlwickelung liegt, und als Ei bezeichnet wird. Abgesehen von einzelnen nur die Regel befestigenden Ausnahme- fällen , in welchen hier nicht zu erörternde Gom- plicationen bestehen, entspricht dieses Ei einer Zelle. Die Eizelle ergibt sich in allen wesent- lichen Punkten von anderen Zellen nicht ver- schieden, wie auch immer ihr Volum vergrössert sein mag, und wie damit in Zusammenhang in ihrem Protoplasma besondere Theilchen — Dotter- elemente — aufgetreten sein mögen. Wenn durch letztere die Eizelle ihren ursprünglichen Cha- rakter als indifferente Zelle aufgab, so verlor sie damit noch nicht den Zellencharakter, der dadurch eben- sowenig alterirt wird, als durch die Sonderung irgend welcher anderen Substanzen (Chlorophyllkörner, Amylum, Pigmenlkörnchen etc., im Pro- toplasma von Zellen die Zellbedeutung für diese verloren geht. Dieser im Ganzen einfache Zustand der Eizelle lässt sie, wenn auch nur vorüber- gehend, dem bleibenden Verhalten vieler niederen, einzelligen Orga- nismen (Protoplasten) entsprechen. Die Eizelle erleidet Veränderungen, die nach der Befruchtung einzu- treten pflegen, und von Veränderungen ihres Kernes (des sog. Keimbläs- Fig. 1. Schematische Darstel- lung einer Eizelle, a Das kör- nerkaltige Protoplasma, b Der Kern (Keimbläschen), c Das Kernkörperchen (Keimfleck). Fig. 2— j. Einzelne Stadien des sogenannten Furckungsprueesses (Theilung der Eizelle'. chensj begleitet sind. An seiner Stelle, theilweise auch aus seinem Materiale gehen zwei Neue Kerne hervor, und nun beginnt die Eizelle sich zu theilen. So entstehen zwei Zellen, die entweder einander gleichen, oder von einander verschieden sind, theils durch Volum, theils durch Be- schaffenheit der Zellen. In beiden Fällen ist aus der Eizelle etwas Neues entstanden, in beiden Fällen liegt eine Sonderung, Differenzirung vor. da zwei Theile aus ihr hervorgingen. Durch fortgesetzte Theilung bilden sich, allerdings nicht immer in gleichem Rhythmus, 4, 8, 16 Zellen u. s. w., 2* 20 I. Aufbau des Thierleibes. bis endlich ein Haufen von Zellen entstand. Dieser Vorgang der Theilung der Eizelle wird als »Dotterthei luug« oder »Furchung« bezeichnet, und ist eine durchgreifende Erscheinung die vielfache aber stets aus An- passungen ableitbare, uud damit erklärbare Modificationen darbietet. So läuft die erste üifferenzirung des Organismus ab, indem an die Stelle einer einzigen Zelle, der Eizelle, ein Complex zahlreicher, einander gleichartiger oder von einander verschiedenerZellen tritt. Die Functionen für den in diesem Stadium befindlichen Organismus werden auf die einzelnen Zellen vertheilt aufzufassen sein , wie sie vorher in der Eizelle vereinigt waren. Die Theilung der Eizelle ist somit mit einer Theilung der Func- tionen, wenn auch nur quantitativer Art, in Zusammenhang zu denken. Die einzelnen Stadien dieses Theilungsprocesses bieten jedoch auch noch andere Beziehungen, denn sie erscheinen in Uebereinstimmung mit dem ausgebildeten Verhalten mancher niederen Organismen (Protisten), z. B. der Volvocinen und der Catallacten, in deren Entwickelungskreis ein gleichfalls aus einer Summe ziemlich gleichartiger Zellen zusammen- gesetzter Organismus gehört. So durchläuft also der thierische Organismus gleich im Beginn seiner Ontogenie mehrfache im Protisten reiche waltende Formzustände, und derPro- cess der Theilung der Eizelle kann als ein aus frühzeiti- ger Vererbung überkommener erklärt werden. Damit streift sich von ihm der teleologische Nimbus ab, in welchem er ohne diese Be- ziehung, bei exclusiver Verknüpfung mit dem künftigen aus der Furchung hervorgehenden Organismus erscheinen muss. Mit der Bildung eines Zellenhaufens aus der einfachen Eizelle ist dem Organismus jedoch noch keineswegs ein specifisch thierischer Charakter eingeprägt, dieser äussert sich vielmehr erst im Verlaufe fernerer Sonderungsvorgänge. Diese bestehen darin, dass die den Organismus repräsentirenden, mehr oder minder gleichartigen Formelemente ^Zellen) in grösseren oder kleineren Complexen verschiedene Zustände eingehen, sich differenziren, und im Zusammenhange mit bestimmter Anordnung die Anlagen (ersten Stadien) von Organen herstellen. Diese selbst werden demnach aus Zellen zusammengesetzt, welche die Gewebe bilden. Wir erhallen so den Aufbau der Organismen aus Geweben, welche die Organe zusammen- setzen, und wieder aus Formelementen, den Zellen, bestehen. Entstehung der Gewebe. § 17. Die Zelle stellt nach dem oben Gesagten bei den von uns als Thiere betrachteten Organismen nur vorübergehend den gesammten Organismus vor, nämlich als Eizelle. Aus dieser geht durch Theilung ein Multiplum von Zellen hervor, welche die Anlage des Thierleibes bilden. In späteren Zuständen bleibt nur ein Theil des von der Eizelle stammenden Mate- Differenzirung des thierischen Organismus. 21 riales den primitiven Verhältnissen der Zelle nahe, während die Mehrzahl der Zellen sowohl formell wie materiell , und demgemäss auch in den functionellen Aeusserungen, sich ändert, und durchaus neue Verhältnisse eingeht. Die neuen , aus Aggregaten von gleichartig umgewandelten Zellen und ihren Derivaten gebildeten Complexe stellen die Gewebe vor. Der Entstehungsvorgang derselben beruht auf einer Differenzirung. Da jedem different gewordenen Zellenaggregate eine bestimmte, für den Or- ganismus zu leistende Verrichtung zukommt, die vorher, beim Zustande der Indifferenz der Zellen, nicht an räumlich abgegrenzte Theile geknüpft war, in dem frühesten Zustande des individuellen Organismus sogar nur durch Eine Zelle (Eizelle) besorgt ward, liegt auch hier eine Theilung der physiologischen Arbeit vor. In allen Fällen geht die gewebliche Differenzirung aus dem Proto- plasma der primitiven Zelle vor sich. Weniger auffallend ist der Kern betheiligt, obschon auch an ihm Veränderungen wahrnehmbar sind. Wo eine aus dem Protoplasma different gewordene Substanz die Hauptrolle spielt, tritt der Kern in untergeordnete Verhältnisse. Die Gewebe zerfallen nach dem Verhalten ihrer Formelemente in mehrere grössere Abtheilungen, die ich als Epithelgewebe, Ge- webe der Bindesubstanz, Muskel- und Nervenge w ebe aufführe. Die beiden ersteren repräsentiren die niederen Formen , die man als vegetative Gewebe von den beiden anderen, auimalen Geweben, unterscheiden kann. Der Unterschied beider Gruppen liegt in der Qualitält der Differenzirung, indem die Differenzirungsproducte der ersten sich mehr passiv zum Organismus verhalten, indess die der andern in die Aeusserung der Lebenserscheinungen des Organismus selbstthätig eingreifen. Die vegetative Gewebsgruppe oder ihr analoge Gewebe finden ausserdem ihre grösste Verbreitung im Pflanzenreiche, indess die animale in letzterem fehlt und die für die Thiere charakteristischen Einrichtungen liefert. Alle anderen sonst noch unterschiedenen Gewebe sind entweder gar keine selbstständigen Gewebe, sondern viel zusammengesetztere, aus mannichfachen Geweben bestehende Bildungen, oder es sind den einzel- nen oben aufgeführten Kategorien unterzuordnende Gewebsformen oder sogar blosse Bestandteile von solchen. Bei der Herbeiziehung aus meh- reren Geweben bestehender Gebilde, als »zusammengesetzte Gewebe« u. dergl. löst sich der Begriff des Gewebes auf. A. Vegetative Gewebe. Epithelien. § **• Aneinandergelagerte Zellen, die in einfacher oder mehrfacher Schicht- tung Oberflächen des Körpers bedecken oder die Wandungen von Binnen- 22 I. Aufbau des Thierleibes. räumen auskleiden, werden als »Epithelien« bezeichnet. Das Epithel- gewebe besteht somit einfach aus Zellen. Es ist dadurch von anderen unterschieden, dass bei ihm die Zelle ihre ursprünglichen Verhältnisse wenigstens in Bezug auf die Anlagerung beibehält. Die Epilhelien reprä- sentiren die phylogenetisch und deshalb auch ontogenetisch älteste Ge- websform. Als epitheliale Zellenstraten erscheinen die Keimblätter, die ersten organologischen Differenzirungsproducte der aus der Theilung des Eies hervorgehenden Zellenmassen. Die Formen der Epithelzellen sind sehr mannichfalligund bieten Anhallepunkte zur Unterscheidung vielartiger Bildungen. Das Protoplasma der Epithelzellen ist sehr häufig nicht mehr gleichartig, sondern ist durch membranartige Verdichtung seiner äusser- sten Schichte in eine Differenzirung eingegangen. Diese zeigt sich an mehrschichtigen Epithelien vorwiegend in den oberflächlicheren Lagen, indess in den tieferen die Membranlosigkeit der Zellen auf einen jüngeren Zustand hinweist. Eine andere Differenzirung besteht darin, dass die oberflächliche Schichte der Epithelzellen an der nach aussen oder gegen einen Binnen- raum des Körpers gewendeten Fläche feine, bewegliche Fortsätze entwickelt, welche, während des Lebens der Zelle in Schwingungen begriffen, als Wimperhaare, Cilien, bezeichnet werden. Die Haare an diesen Fl i m m e r- oder Wi mpe rz eilen finden sich bald einzeln, als Flagel lu m , bald zu vielen beisammen als Cilia. Im ersteren Falle läuft die Zelle in einen feinen Fortsatz aus, sie stellt eine Geisselzelle vor. Solche sind besonders bei niederen Thieren verbreitet Die Wimperhaare sind Producte einer Differenzirung, da ihre Bewegung nicht einfach von der bereits am Protoplasma bestehenden Contractilität geleistet wird. Bei manchen niederen Organismeu bilden sich Wimperhaare vorübergehend, um alsbald wieder eingezogen zu werden, und ihre Substanz mit dem Protoplasma zu verschmelzen. Dadurch geben sie sich als Differenzirung des Protoplasma kund, und lassen ihre Bewegungserscheinungen aus einer mit deu Bewegungen des Protoplasma gemeinsamen Quelle ueflossen erkennen. Für die differenzirteren Formen der Wimperhaare hat die Nachweisbarkeit dieser Identität aufgehört. An den gleichen Flächen zeigen manche Epithelien noch eine andere Differenzirung. Wie die Membranbildung als eine in der gesammten Peripherie der Zelle zu Stande kommende Veränderung der oberflächlichen Proloplasmaschichte sich darstellt , so kann derselbe Vorgang , auf einen bestimmten Theil der Zelloberfläche beschränkt, aber intensiver ent- wickelt, zur Bildung einer partiellen Verdickung der äusserslen Proto- plasmaschichte führen. An der nach aussen gekehrten Fläche jeder Zelle befindet sich dann eine verschieden dicke Lage einer vom Protoplasma Fig. 6. Geisselzellen, a eines Hydroidpolypen, b einer Spongia (Kragen- zellei. Ditierenzirung des thierischen Organismus. 23 differenlen Substanz , die aber meist ohne scharfe Grenze mit demselben zusammenhängt. Wenn diese aus dem Protoplasma der Zellen in einer Schichte abgeschiedene Substanz sich noch weiter differenzirt , so dass der von jeder Zelle gelieferte Antheil mit dem der benachbarten inniger zusammenhängt, als mit der Zelle selbst, so entstehen daraus homogene Membranen, Guticulae. Sie werden eine Schichtung erkennen lassen, wenn ihre Absetzung eine ungleichmässige ist, und wenn allmählich noch weitere Veränderungen in ihnen stattfinden , so dass jeder neue Ansatz sich von dem vorausgegangenen unterscheiden lässt. Je verschiedener der diese Cuticularbildungen zusammensetzende Stoff vom Protoplasma der Zellen ist, die ihn abgesetzt haben, um so weniger wird man ein unmittel- bares Eingehen des Protoplasma in ihn annehmen können, und die Cuti- cularbildung stellt sich damit um so schärfer in die Reihe der Abschei- dungen. Geht die Cuticularbildung nicht gleichmässig an der Oberfläche der einzelnen Zellen vor sich, so werden von der absondernden Zell- schichte Protoplasmafortsätze in die abgesonderte Schichte einragen, welche dann von, jenen entsprechenden, meist sehr feinen Canälen (Poren- canälen) durchsetzt wird. Die Cuticularbildungen bieten sehr ver- schiedene Consistenzgrade, und zeigen von weicher Beschaffenheit alle Ueber^änse zu bedeutender Festiskeit. In letzterem Zustande Werden sie vielfach zu Stützorganen verwendet. Sie bestehen dann in der Regel aus einem als »Chitin« bezeichneten Stoffe. Solche chitinisirte Cuticular- bildungen sind bei Wirbellosen in grosser Verbreitung anzutreffen. § 19- Die absondernde Thätigkeit der Zellen ausgedehnter Epithelschichten kann auch tropf barflüssige oder selbst gasförmige Stoffe liefern. Damit treten die Epithelien in andere Beziehungen zum Haushalte des Organis- mus, sie liefern nicht mehr zum Aufbaue des Organismus verwendete Substanzen. Dadurch wird der Cebergang zu jenem Zustande der Epithe- lialbildungen vermittelt, in welchem Theile von Epithelien als ein in bestimmter Richtung fungirendes Gewebe auftreten , welches man als Drüsenge webe bezeichnet. Da zwischen den zu Absonderungs- organen, Drüsen, verwendeten Zellencomplexen und den Epithelien immer ein unmittelbarer Zusammenhang gegeben ist, der entweder be- ständig dauert, wie dies für die Mehrzahl der Drüsen gilt, oder doch für die Anlage der Drüse vorhanden ist, so stellt das Drüsengewebe nur eine durch Differenzirun g entstandene Modification des Epi- thel i a Ige web es vor, und besteht wie dieses stets aus Zellen. Im einfachsten Zustande erscheinen einzelne Zellen einer Epithelschicht in jener secretorischen Bedeutung, fungiren als Drüsenzellen, indem sie einen Stoff bilden und absondern , der von den anderen nicht geliefert wird. Daraus entstehen die einzelligen Drüsen. Sie bleiben ent- weder zwischen den andern in unveränderter Lage , oder sie treten mit 24 I. Aufbau des Thierleibes. ihrem Körper unter das Niveau des Epithels, um mit einem dünnen, durch die Zellmembran gebildeten Ausführgange zwischen den Zellen des Epithels auszumünden. (Fig. 7.) Vergrössert sich die absondernde Oberfläche, ohne dass das gesammte Epithel der Fläche dabei betheiligt ist, so entstehen Wucherungen des Epithels unter die von ihm einge- nommene Fläche, woraus räumlich vom Epithel mehr oder minder sich entfernende Bildungen, Grübchen, Säckchen, Blindschläuche hervorgehen, die durch neue Wucherungen sich wieder compliciren können. Das der ursprünglichen Epithelschichte unterliegende Gewebe bildet, jenen Wucherungen folgend, Um- hüllungen für dieselben, verhält sich aber dabei, wie complicirt auch Verästelungen und dergl. jene vom Epithel ausgehende Wucherungen gestalten mögen, in demselben Sinne, wie vorher zur ebenen Epithel- schichle. Die Drüse als different gewordenes Orsan er- scheint also als eine Einsenkung des Epithels in das unter diesem liegende Gewebe. Bei den ausgepräg- teren Drüsenformen tritt an den in die Drüsenbildunü eingegangenen Zellen eine fernere DifFerenzirung ein. Dieselben scheiden sich in solche, welche secerniren, somit eigentliche Drüsenzellen vorstellen, und in solche, welche den secernirenden Theil der Drüse mit der indifferent bleibenden Epithelstfbichte verbinden , und im Gegensatze zum secerni- renden Abschnitte der Drüse, Epithel ien der Ausführgänge vorstellen. Fig. 7. Einzellige Drü- sen. Vordere Speichel- drüsen der Ameise (nach Stein). B i n d e s u b s t a n z e n . § 20. Die beim Epithelialgewebe zur Bildung homogener Membranen füh- rende Erscheinung kann durch die Ausdehnung über die ganze Peripherie je einer Zelle, sowie durch fortgesetzte Wiederholung zu grösserer Bedeu- tung gelangen. Schon bei den Epithelien findet sich nicht selten eine dünne Zwischenschicht: Kitlsubstanz. Indem die von dem Protoplasma einer Summe von Zellen different gewordene Substanz zwischen den mit unverändertem Protoplasma versehenen Zellen allmählich sich vermehrt, werden die Zellen von einander geschieden. Es bildet sich ein Gegensatz zwischen der Zelle, dem Bildenden, und der In te rcellul arsu In- stanz, dem Gebildeten. Eine Anzahl im Grossen sehr verschiedener Gewebe zeigt jenes Gemeinsame im ferneren Baue. Man bezeichnet sie mit dem Namen der Bindesubstanzen, da die Mehrzahl der hierher- Differenzirung des thierischen Organismiis. 25 gehörigen Gewebe zur Verbindung anderer Gewebe zu Organen oder Organsystemen verwendet wird. Die Eigenthümliehkeiten dieser Gewebe gehen theils aus dem Ver- halten der Zellen an sich, theils aus ihrem Verhältnisse zu der Intercellu- larsubstanz, theils aus der chemisch-physikalischen Constitution der Inter- cellularsubstanz hervor, sind aber nicht überall gleich scharf ausgeprägt. Der letztere, räumliche Uebergänge der einen Gewebsform in die andere erkennen lassende Umstand, sowie die Thatsache, dass auch zeitlich solche Uebergänge stattfinden , bilden einen wichtigern Anlass zur Ver- einigung als das durch mannichfache Verschiedenheiten wieder aufgewo- gene Gemeinsame des Baues. Die einzelnen hieher gehörigen Gewebe sind: 1) zelliges Bindegewebe, 2) Gallertgewebe, 3; faseriges Binde- gewebe, 4) Knorpelgewebe, 5; Knochengewebe. § 21 Das Bindegewebe ist in folgende Unterabtheilungen zu sondern. 1) Das zellige Bindegewebe blasiges Bindegewebe' stellt die einfachste Form vor. Es wird aus rundlichen oder länglichen Zellen gebildet, die nur durch spärliche Intercellularsubstanz geschieden sind. Die Zellen sind häufig mit vacuolenartigen Räumen ausgestattet, welche mit einer Flüssigkeit gefüllt sind. Die Intercellularsubslanz tritt in Form von Zellmembranen auf, welche die auseinanderliegenden Zellen sich verbinden lassen, in- dem sie benachbarten Zellen ge- meinsam sind. In anderen Fällen ist sie reichlicher vorhanden , ohne dass sie gegen die Zellen vorherrscht. Die Differenzirung des Protoplasma von der Intercellularsubstanz zeigt sich auf verschiedenen Stufen. In grösserer Verbreitung findet sich dieses Gewebe bei Gliederthieren und Mollusken. Bei Wirbelthieren setzt es die Chorda dorsal is zu- sammen. 2) Das Gallertgewebe (Schleimgewebe) zeichnet sich durch die weiche , gallertige Be- schaffenheit der Intercellularsub- stanz aus, die meist glasartig durchscheinend sich darstellt. In der letzteren liegen bald rundliche Fig. 8. Aus der Gallertsubstanz der Scheibe von Aurelia aurita mit Jodseruni behandelt. Nach M. Schultze. 500mal vergr. a Verästelte Faserzüge, in welchen keine Zellen bemerkbar sind, h In der homogenen Gallerte zerstreute Zellen mit Fort- sätzen, die hier grösstenteils eingezogen er- scheinen. 26 I. Aufbau des Thierleibe«. von einander völlig getrennte, bald spindelförmige oder verästelte Zellen, welche häufig mit ihren Forlsätzen mit einander vereinigt sind. Auch Stränge von Zellen kommen vor. So kommt ein feines, die Gallerte durchziehendes Netzwerk zu Stande, dessen Bälkchen in weiterer Diffe- renzirung fester werden und in Fibrillen zerfallen können. Auch an der Intercellularsubstanz tritt zuweilen eine solche Sonderung auf, so dass Faserzüge bemerkbar werden, an denen keine Zellen beiheiligt sind. Die Verbreitung dieses Gewebes findet sich bei vielen niederen Thieren , im Schirm der Medusen (Fig. 8), im lntegumente der Heteropoden etc. 3) Faseriges Bindegewebe stelit eine weitere Entwickelungs- stufe der vorhergehenden Gewebsform vor. Die Formelemente erscheinen als längliche oder verästelte Zellen, die in eine aus Faserzügen und Bün- deln bestehende Intercellularsubstanz eingebettet sind. Letzlere ist zum grossen Theil aus einer Sonderung von Seile der Zellen entstanden, wie aus der Entwicklung des Gewebes hervorgeht. Auf dieselbe Weise ist auch zu ersehen, dass ein Theil des Fortsätze aussendenden Protoplasma sich unmittelbar in Fibrillen und Faserbündel differenzirt, die wieder von der früher "gebildeten mehr oder minder homoaenen Intercellularsubstanz sich gesondert zeigen. Die Faserung der Intercellularsubstanz zeigt so- wohl bezüglich der Dicke als auch derVerlaufsrichlunu viele Verschieden- heiten. Die Anordnung der meist wellig gebogenen Fasern ist bald parallel, bald netzförmig, und dem entspricht in den früheren Zuständen die Lagerung der Zellen und ihrer Ausläufer. Nach der Beschaffenheit der Intercellularsubstanz unterscheidet man lockeres und straffes Bindegewebe, letzteres wird auch als » Sehnen- gewebe« bezeichnet, wenn die Faserzüge dabei eine parallele Anordnung darbieten. Ausser der Diffeienzirung in Fibrillen, die bei Behandlung mit Säuren und Alkalien aufquellen, zeigt sich in der Iutercellularsubstanz des faserigen Bindegewebes noch eine andere Faserform , welche gegen jene Agentien grösseren Widersland leistet, und wegen ihrer elastischen Eigenschaft als »elastisches Gewebe« bezeichnet wird. Dasselbe ist wegen seiner Beziehung zur Intercellularsubstanz keine selbständige Ge- websform, sondern nur eine Modification des Biudegewebes. Da, wie oben bemerkt, ein Theil der Intercellularsubstanz durch spätere Difl'erenzirung des Protoplasma der Zellen entsteht, so stellen die im ausgebildeten Bindegewebe vorhandenen Formelemenle nur die Beste der ursprünglichen Zellen vor. Je nach der Menge des verbrauchten , in Fasergebilde übergeführten und damit der Intercellularsubstanz einver- leibten Protoplasma ist der Kern der Bindegewebzellen von verschieden grossen Mengen Protoplasma umgeben, oder es ist alles Protoplasma ver- schwunden, wie aus dem Vorkommen blosser Kerne in den Faserzügen von Bindegewebe hervorgeht. Wo noch Protoplasma sich sammt dem bezüglichen Kerne forterhält, wo also noch eine Zelle nach dem oben auf- gestellten Begriffe vorhanden ist, kann diese wieder neue Veränderungen Differenzirung des thierisehen Organismus. 27 eingehen, die so vielartig sind, dass das Bindegewebe dadurch sich zu dem an Differenzirungserscheinungen reichsten Gewebe gestaltet. § 22. i) Knorpelgewebe wird durch Zellen charakterisirt, die in einer festeren Intercellularsubslanz lagern. Die Zellen besitzen nur in selte- neren Fallen deutliche , leicht wahrnehmbare Ausläufer , scheinen viel- mehr in der Regel von der runden Grundform wenig abzuweichen oder sind eval oder spindelförmig. Die Intercellularsubstanz ist in verschie- dener Menge vorhanden. Ihre grössere Rigidität gibt einen Unterschied von jenen Formen des Bindegewebes, die gleichfalls einfache Form- elemente bei gleichartiger Intercellularsubstanz besitzen. Durch jenes Verhalten ist das Knorpelgewebe geeignet, als Stützapparat zu fungiren. Bei sehr spärlich vorhandener Intercellularsubslanz sind die Zellen vor- herrschend, und erstere erscheint dann in Form von dünnen Membranen, woraus sich ein unmittelbarer Anschluss an das blasige Bindegewebe ergibt. Bei solchen Zellen nimmt das Protoplasma nicht selten eine be- stimmte Anordnung an , bildet Züge , die vom Kerne ausgehend an der Peripherie zusammenfliessen , und durch Flüssigkeit führende Lücken von ein- ander getrennt sind Fig. 9). In dem Maasse als die Intercellularsubstanz nur eine dünne Schichte bildet, scheint die- ses Gewebe dem Knorpelgewebe ferne zu stehen. Am Protoplasma dieser bei Medusen vorkommenden Stützzellen Fig. «J. sind Strömungserscheinungen wahrzu- Knorpelzellen aus dem Tentakel einer Meduse (Cunina). so ist sie entweder gleichartig nehmen. Nimmt die Intercellularsubstanz zu (hyaliner Knorpel), oder sie geht ganz nach Art des Bindegewebes, fernere Differenzirungen ein , die aber das Verhältniss zu den Zellen we- nig berühren. Ein Zerfallen der Intercellularsubstanz in Fasern liefert den Faserknorpel , das Auftreten elastischer Netze in derselben lässt elastischen Knorpel hervorgehen. Durch allmähliche Umänderungen der Intercellularsubstanz sowie der Zellen geht das Knorpelgewebe in faseriges Bindegeweba über und deutet so auf eine engere Zusammen- gehörigkeit dieser Gewebsformen hin. Auch die Zellen bieten in einzelnen Fällen bedeutendere Modificationen, indem sie verlängert sind, oder stern- förmige Ausläufer zeigen , welche mit benachbarten zusammenhängen (z. B. bei manchen Selachiern oder, noch reicher entfaltet, bei Cephalo- ppden). Dadurch erscheint die Intercellularsubslanz von den Ausläufern der Zellen durchzogen (Fig. 10). Was hier in grossem Maassstabe aus- geführt ist, macht sich auch am gewöhnlichen Ilyalinknorpel mit schein- bar scharf abgegrenzten Zellen gellend, indem auch da von letzteren. 2S I. Aufbau des Thierleibes. m .',- allerdings feinste Fortsätze die Intercellularsubstanz durchsetzend beob- achtet werden können. Die Intercellularsubstanz des Knorpelgewebes ist immer von dem Protoplasma der in ihren Höhlungen liegenden Knorpelzellen unterschie- den. Nichts destowe niaer ist die e letztere als ein Abscheidungspro- duct der Zellen anzusehen, welches eben durch Sonderuns aus dem Protoplasma hervorging. Nicht sel- ten zeigt sich am hyalinen Knorpel die von einer Zelle abgesonderte und mit dieser Differenzirung ausserhalb des Organismus der Zelle liegende, somit intercelluläre Substanz in Form einer die Zelle kapselartig umgebenden Schichte, die man früher als eine zur Zelle gehörige Zellmembran ansah. Indem für uanze. aus Theiluns Einer Zelle entstandene, mehrfache Generationen vorstellende Gruppen von Zellen häufig solche »Kapseln;, nachweisbar sind, hat man darin Mutter- und Tochterzellen etc. erblickt, und die Erscheinung als endo- gene Zellbildung gedeutet. In der That sind jene » Kapselsysteme« nur der Ausdruck von nicht homogenisirten Abscheidungen mehrfacher, aus einander hervorgegangenen Zellengenerationen. Der ganz allmähliche Uebergang von Knorpelgewebe, welches solche Kapseln erkennen lässt, in Gewebe mit völlig homogener Intercellularsubstanz, lehrt, dass wir es hier nur mit verschiedenen Differenzirungszuständen einer und derselben abgesonderten Substanz zu thun haben, bei der der erste Zustand durch eine in zeitlichen Intervallen erfolgte, der zweite durch eine gleichmässig ablaufende Abscheidungsthätigkeit der Zelle entstand. Durch die Anastomosen von Ausläufern der Knorpelzellen tritt das Knorpelgewebe dem folgenden sehr nahe, und ist nur durch die Be- schaffenheit der Intercellularsubstanz von ihm verschieden. Ffg. 10. Knorpel eines Cephalopoden. a ein- fache, b in Theilung begriffene Knorpelzellen. c Kiiorpelcanälchen. cl leere Knorpelkapsel mit Poren, e Durchschnitte \\,\\ Knorpelcanälchen. (Nach M. Fürbrixger.) § 23. 5) Knochengewebe. Diese festeste Form der Bindesubstanzen besteht aus einer mit Kalksalzen verbundenen organischen Intercellular- substanz, in welcher Zellen mit anastomosirenden feinen Ausläufern vor- handen sind, oder sie wird durch eine feste, der vorigen gleiche Grund- substanz dargestellt, in welcher keine ganzen Zellen, sondern nur deren Ausläufer vorkommen, die sie in Gestalt feiner Canälchen durchziehen. Differenzirung des thierischen Organismus. 29 Es sind demnach zwei Form zustände des Knochengewebes aus- einander zu halten. In die Zusammensetzung des einen gehen Zellen ein, die bei dem anderen nur feine Fortsätze in die Porencanäle der festen Grundsubstanz aussenden. Das Gewebe mit Knochenzellen ist das verbreitetste ; es findet sich in den Skelelbildungen aller Wirbellhierklassen , während das Knochen- gewebe mit blossen Canäl- chen im Skelete mancher Fische sich vorfindet, und sonst eine allgemeine Ver- breitung nur in den Zahn- bildungen der Wirbelthiere hat i Zahnbein). Die Genese des Knochen- gewebes klärt die Beziehun- gen der Intercellularsubstanz zu den Zellen auf. Die zellen- einschliessende Form kann auf eine zweifache Weise entstehen. Einmal durch Verknöcherung von Binde- gewebe. Indem dessen Inter- cellularsubstanz durch Ver- bindung mit Kalksalzen skle- rosirt, werden die in ersterer vorhandenen Zellen zu Knochenzellen , die sich mit ihren Ausläufern durch Porencanäle in der Intercellularsubstanz unter einander in Ver- bindung setzen. Zweitens entsteht dasselbe Gewebe dadurch, dass indiffe- rent erscheinende Zellen eine sklerosirende Substanz abscheiden , die lamellenartig geschichtet sich ablagert, und in welche die absondernden Zellen feine Protoplasmafortsätze einsenden (Fig. I I o). Die Abscheidung jener Substanz geht durch Umwandlung eines Theiles des Zellproloplasma vor sich. Indem dieses sich differenzirt, gehört es nicht mehr der Zelle an, ist also von ihr abgesondert. Indem einzelne der absondernden Zellen [o o" ihre Thätigkeit sistiren, während die ihnen benachbarten darin fortfahren, kommen sie allmählich in eine Schichte von Intercellularsub- stanz zu liegen, die sie fernerhin umschliesst und sie so zu Kuochenzellen ;o'"] umwandelt. Durch feine Fortsätze stehen die Zellen der absondern- den Schichte Osteoblasten) mit den bereits eingeschlossenen Zellen Knochenzellen) in continuirlichem Zusammenhange und dadurch ist jede der ersteren befähigt, zu einer Knochenzelle zu werden. Eine ganz analoge Entstehungsweise besitzt die andere Form des Knochengewebes, soweit ihre Geschichte aus der Entwicklung des Zahn- beines genauer bekannt ist. Auch hier wird durch eine Zellenschichte eine sklerosirende Substanz abgeschieden , in welche die Zellen zugleich Aus- Fig. 11. Querschnitt des Femur von Rana. o Osteoblast- schichte. o! o'' Zellen zu Knochenzellen werdend, o"' Eine Knochenzelle, p Periost, ttl Markhöhle. 30 I- Aufbau des Thierleibes. läufer senden, welche somit wieder Poreneanäle durchziehen. Anstatt aber nach und nach in diese extracelluläre Substanz einzutreten , bleiben die Zellen Odonloblasten) stets ausserhalb derselben, und stehen mit denselben nur durch ihre Auslaufer in Verbindung. Die abgeschiedene Substanz ist also von feinen parallelen Canälchen durchzogen (sogenannte Zahncanälchen. da sie im Zahnbein zuerst bekannt wurden;. Diese Form des Knochengewebes verknüpft sich trotz des differenten Verhaltens der Erscheinung im späteren. Zustande doch sehr innig mit der ersten Form, indem sie wie diese ihre Intercellularsubstanz durch Abscheidung von Zellen, d. h. durch Di fferent werden eines Theiles des Protoplasma, ent- stehen lässt. Noch inniger wird die Verbindung , wenn man den ersten Vorgang ins Auge fasst. In beiden Fällen wird eine homogene durch Kalk- verbindungen sklerosirende Substanz abgesondert, in welche die sie liefernden Zellen ihre Ausläufer absenden. Schreitet dieser Vorgang in gleicher Weise, wie er begonnen, weiter, so dass nie eine ganze Zelle in die abgesonderten Schichten tritt, so fuhrt er zur Bildung von jenem Knochengewebe, das nur von feinen Porencanälchen in meist parallelem Verlaufe durcl zogen ist. Bleiben einzelne der absondernden Zellen all- mählich in der abgesonderten Substanz zurück, so wird letztere zu einer Knochenzellen umschließenden Intercellularsubstanz. und bildet so die andere Form des Knochengewebes. Formelemente der ernährenden Flüssigkeit. § 24. An das Bindegewebe knüpft sich enge die Entstehung von Zellen, welche in der ernährenden Flüssigkeit des Körpers suspendirt, die Forni- elemenle derselben vorstellen. Wenn man jenes Fluidum als eine Inter- cellularsubstanz auffassen möchte, so wäre das Ganze der ernährenden Flüssigkeit einem Gewebe vergleichbar, das von den andern Geweben der Bindesubstanzreihe sich wesentlich nur durch seinen flüssigen Zu- stand unterscheidet. Würde ihm durch letzteren auch eine andere Bolle zuzuerkennen sein, so läse dieselbe doch noch völlie; innerhalb der Beihe vegetativer Functionen. Auch ohne das Gewicht dieser Beziehung sind jene Formelemente hieher zu zählen, da sie aus demselben Gewebe, welches die Bahnen der ernährenden Flüssigkeit umwandet , ihre erste Entstehung nehmen. So- weit diese Verhältnisse bekannt sind, tritt bei den im Mesoderm auftre- tenden Sonderungsvorgängen ein Theil der es vorstellenden Zellen nicht in Verbindung mit den anderen, und erhält sich isolirt in dem jene Bäume oder Ganäle füllenden Fluidum, welches man als Blut zu bezeichnen pflegt. Diese Formelemente stellen dann die Blutzellen vor. Im Bereiche wirbelloser Thiere erscheinen dieselben in der Beeel auf der Stufe völlie DitTerenziiung des thierischen Organismus. 31 indifferenter Zellen, aus einem Kerne (Fig. 12 n und Protoplasma be- stehend , welches letztere amöboide Bewegungen ausführt. Unter den Vertebraten erhalten sich diese Formelemente bei den Cranioten als Lymphzellen , indess die eigentliche Blutflüssigkeit von jenen nie- dern Formen stammende, allein bedeutend ver- änderte Elemente führt. Diese haben mit ihrer Differenzirung die Veränderlichkeit der Form eingebüsst, erscheinen als rundliche oder ovale Scheiben, in denen bei Säugethieren auch der bis dahin noch vorhandene Kern verschwun- den ist. Fig. 12. Blutzelleu eines Kreb- ses (Maja squinado) mit Proto- rilasmafcrtsätzen. n Nucleus. B. Animale Gewebe. • § 25. Sowohl im Epilhelialgewebe wie in den Geweben der Bindesubstanz- reihe bietet das Differenzirungsproduct des Protoplasma nur Erscheinun- gen, die auf das Bereich vegetativer Vorgange beschränkt sind. Mit dem Auftreten einer höher potenzirten coutractilen Substanz als einem Soüde- rungsproducte des Protoplasma entsteht ein neues Gewebe, das als con- tractiles oder Muskelgewebe bezeichnet wird. Die Contractilität äussert sich aber nicht mehr automatisch, sondern nur auf Beize, die den Formelementen vom Nervensystem her zufliessen. Dadurch sind die con- tractilen Formelemente des Muskelgewebes von der indifferenten , durch ihr Protoplasma gleichfalls contractilen Zelle wesentlich unterschieden. Sie setzen die Existenz eines anderen Gewebes, des Ner- vengewebes voraus, sowie dieses wiederum jenes b e - dingt. Diese innigen Beziehungen offenbaren ein causales Verhältniss in der Phylogenese beider Gewebe. Beiderlei Elemente difl'erenziren sich aus einem einzigen, der Neuro- -muskelzelle, die bei manchen Cö- lenteraten das Formelement für beide Gewebe repräsentirt (Fig. 13). Sie ent- spricht einem indifferenten Zustand der animalen Gewebe, die hier noch gar nicht als discrete Gewebe bestehen. Das den Ausgang der Differenzirung bildende Gewebe ist keine neue Bildung. Es ist die äusserste aus Zellen bestehende Körperschichte (Ecloderm , die ein Epithel darstellt. Das Neuromuskelge we be ist also eine Differenzirung des Epithelialgewebes, und dadurch verknüpft es sich mit einem ein- facheren Zustande. Von anderen Epithelzellen kaum unlerscheidbare Zellen senden an ihrer Basis je einen bandartigen Fortsatz aus, der mit den ande- Fig. 13. Neuromuskelzellen von Hy dra. n Fortsätze der Zellen, m Con- tractile Fasern. Nach Kleixexbekg. 32 I. Aufbau des Thierleibes ren eine unter dem Epithel liegende Längsfaserschichte zusammensetzt. Diese repräsentirt eine contractile Schichte, deren Elemente, Fasern (m) von den Epithelzellen ausgehen. Während die epithelialen Zellen der äusseren Körperschichte in ihrem indifferenten Zustande einen niedern Grad von Sensibilität und Contractilität vereinigten, ist ihnen erstere ge- blieben, indess die letztere in höherer Potenzirung einem vom Proto- plasma different gewordenen Fortsatze, nunmehr einem Anhangsgebilde der Zelle zukommt. Darin erscheinen die ersten Anfänge der in höher differenzirten Zuständen in dem Zusammenhang von Ganglienzelle, Nervenfaser und Muskelfaser ausge- sprochenen Einrichtung. Wenn wir annehmen, dass die in diesem Falle nur als Fortsätze von Zellen erscheinenden Fasern einen Kern er- halten, indem das Theilungsproduct des Kernes der Zelle allmählich auf die Faser gelangt, dass ferner die Neuromuskelzelle nicht mehr so un- mittelbar, sondern durch einen gesonderten Fortsatz mit der somit gleich- falls selbständiger gewordenen contractilen Faser sich verbindet, so ist damit einUebergang zu jenem differenzirteren Zustande gegeben. Nerven wie Muskeln erscheinen von diesem Gesichtspunkte aus als die Producte der Sonderung einer und derselben Gewebsschichte, die wir weiter unten als »Ectoderm« werden kennen lernen. Damit wird zugleich ein physio- logisches Postulat erfüllt; denn es ist völlig undenkbar, dass Nerv oder Muskel in ihren Elementen einmal von einander aesondert bestanden, und dass der die Functionen beider bestimmende Zusammenhang das Er- gebniss einer späteren Verbindung sei. Muskelgew ehe. § 26. Hinsichtlich des specielleren Verhaltens scheiden sich die Formele- mente des Muskelgewebes in zwei Abtheilungen. Die eine besteht aus einfacher gestalteten Zellen , die andere wird durch Fasern dargestellt, welche aus Zellen-Aggregaten hervorgehen, oder bei denen eine Vermeh- rung des Kernes auf die Bildung von Syncytien hinweist. In beiden ist das indifferent gebliebene Protoplasma in geringer Quantität und von un- tergeordneter Bedeutung für die Leistung des Formelements. In jeder Abtheilung kann durch weitere Differenzirung der contrac- tilen Substanz ein höherer Zustand der Faser sich ausbilden. Ij Die erste Form bilden zunächst die sogenannten glatten Mus- kelfasern oder contractilen Faserzellen. Es sind spindelför- mige, oft sehr langgestreckte und dann bandartig erscheinende Zellen, an denen von dem indifferenten Protoplasma entweder gar nichts mehr, oder nur ein in der Längsaxe oder an der Peripherie der Zelle liegender Best sich forterhält. In allen Fällen umschliesst der letztere auch den Kern. Differenzirung des thierischen Organismus. 33 Die contractile Substanz ist homogen und wird äusserlich von einer oft nur schwer darstellbaren Membran abgegrenzt. Die Reaetion dieser Muskelfasern auf den Nervenreiz erfolgt langsam. Durch Differenzirung der contractilen Substanz in einfach und dop- pelt lichtbrechende Theilchen erscheinen die Fasern quergestreift, und daraus entsteht ein Theil des Gewebes, das man als quergestreiftes Muskelgewebe bezeichnet. Zwischen diesem, aus einfachen, je aus einer Zelle hervorgegangenen Fasern bestehenden, und dem mehr homogenen Fasergewebe finden sich vielfache Uebergangsformen. 2) In der andern Form des Muskelgewebes werden die Elementar- theile durch Zellenaggregate (Syncytien) gebildet. Sie entstehen , wie es scheint, meist durch Auswachsen einer Zelle unter Vermehrung des Ker- nes, so dass sie von einer fortgesetzten unvollkommenen Theilung einer Zelle abgeleitet werden können. Es sind entweder Gebilde, bei denen die contractile Substanz in Gestalt eines Cylinders erscheint, der aussen von einer homogenen Membran dem Sarkolemma) umhüllt wird, und in seiner Axe mehrfache Kerne mit Protoplasmaresten umschliesst. Oder die contractile Substanz stellt einen soliden Cvlinder vor und dann liefen die Kerne mit den Protoplasmareslen auf der Oberfläche, unmittelbar unter dem Sarkolemma. Diese Form theilt sich wieder in zwei Zustände, nach der mehr homogenen oder heterogenen Beschaffenheit der contractilen Substanz. Im ersten Falle reiht sich der Zustand an den der sogenannten glatten Faserzellen an, von dem er nur dadurch verschieden ist, dass er, nach den mehrfachen, der Faser augehörigen Kernen, nicht eine einfache Zelle, sondern ein Multiplum von Zellen vorstellt. Im zweiten Falle schliesst er sich durch die Differenzirung der contractilen Substanz an die andere Form der einfachen Fasern an, und stellt gleichfalls quergestreifte Fasern vor. Diese entsprechen wieder Mehrheiten von Zellen, wenn sie auch aus einer einzigen Zelle hervorgehen, und ihre Länge durch Aus- wachsen dieser Einen Zelle erhalten. Reize finden bei den quergestreiften Fasern eine rasche Auslösung. Nervengewebe. § 27. Mit der Differenzirung des Muskelgewebes im Thierreiche erscheint nach dem oben Bemerkten zugleich das Nervengewebe, welches durch seine Leistungen auch in seinen niederen Zuständen von den übrigen Ge- weben sich auszeichnet. Es empfängt und leitet Reize, setzt dieselben in Empfindungen um , und erzeugt Willenserregungen. Nach dem for- malen Verhalten der Elementartheile sind zweierlei Zustände zu unter- scheiden, Nervenfasern und Nervenzeilen: die ersteren kommen vorzuss- Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 3 34 l- Aufbau des Thierleibes. weise dem peripherischen Theile des Nervensystems zu und sind* die leitenden Gebilde, die letzteren stellen die centralen Elemente vor. 1 Die Ne rvenf asern treten in verschiedenen, als Differenzirungs- stadien anzusehenden Verhältnissen auf. a) In der einfachsten Form erscheinen sie als langgestreckte , homo- gene, bandartige Züge zusammensetzende Fasern, die so wenig von ein- ander scharf abgegrenzt sind , dass sie nur in Form von Streifungen sich darstellen. In solchen Nervenstämmchen und deren Verästelungen ist bei der Mehrzahl der Wirbellosen die Beziehung zu den histiologischen Form- elementen noch nicht ausreichend ermittelt, selbst die Frage ist noch nicht entschieden, ob die vielfachen Streifungen der Nervenstämmchen der Ausdruck einer Zusammensetzung der letzteren aus discreten Fasern sind. Das Vorkommen von Kernen an diesen Bildungen ist das einzige auf Beziehungen zu Zellen Hinleitende. In anderen Fällen sind zu Bün- deln vereinigte Fasern als Einzelbildungen unterscheidbar ; die Faser be- steht aus anscheinend homogener Substanz, die oberflächlich durch eine zarte Hülle abgegrenzt ist, unter welcher Kerne sich finden. Um die Kerne sind zuweilen Protoplasmareste unterscheidbar, die den übrigen Theil der Faser als eine differente Substanz erscheinen lassen. Dadurch stellt sich der Bau der Nervenfaser mit der Muskelfaser auf eine histiolo- gisch ähnliche Stufe, und die Verschiedenheit liegt nur in der Qualität des ditl'erenzirten Protoplasma , das in dem einen Falle Muskelsubstanz, in dem anderen Nervensubstanz hervorgehen liess. Diese Fasern finden sich ausser bei Wirbellosen noch bei Amphioxus und den Cyclostomen verbreitet. Die höheren Vertebraten besitzen sie nur im Bereiche des .sympathischen Nervensystems. b) Ein zweiter Zustand der Nervenfaser wird durch eine weitere Difl'erenzirung gebildet. Die unter einer bald sehr zarten , bald stärkeren Hülle liegende Nervensubstanz zeigt sich nämlich in einen die Axe der Faser durchsetzenden Strang, den Axencylinder, und in eine diesen um- gebende fetthaltige Substanz gesondert. Die letztere , der Markcylinder (Markscheide), verleiht der Nervenfaser stark lichtbrechende Conluren. und kann vom Axencylinder nur künstlich getrennt werden. Die den Markcylinder umgebende homogene Scheide — das Neurilemma — zeigt Kerne als Reste von Zellen, aus denen die Faser hervorging. Diese Form kommt, so viel bis jetzt bekannt, nur bei den gnathostomen Wirbel- thieren vor. 2) Das andere Formelement des Nervengewebes wird durch Zellen dargestellt, die man, da sie vorzüglich in Anschwellungen des Nerven- apparates (den Ganglien) vorkommen, als Ganglienzellen bezeichnet. Sie repräsentiren die centralen Apparate, Ihre Substanz zeigt eine meist feinkörnige Beschaffenheit, doch mit manchen hier nicht näher auseinan- derzusetzenden Eigenthümlichkeiten. Der in der Regel mit deutlichem Kcrnkörperchen versehene Kern liegt inmitten der granulirten Substanz. Differenzirung des thierischen Organismus. 35 und diese letztere wird häufig von einer äusseren membranartigen festeren Schichte abgegrenzt. Eine diesen Zellen zugelegte complicirtere Structur wird von jedem Beobachter in wesentlich verschiedener Weise dargestellt, so dass diese Fräsen vom Abschlüsse noch weit entfernt scheinen. Die Ganglienzellen besitzen Fortsätze , durch welche sie theils unter sich, theils mit Nervenfasern in Zusammenhang stehen. Sie bilden somit die Ursprungsstellen der Nervenfasern. Inwiefern fortsatzlose, also gänz- lich isolirte Ganglienzellen eine Verwendung finden, ist noch nicht fest- zustellen. Thatsache ist. dass die Annahme solcher immer weiter zurück- gedrängt wird. Die Forlsätze der Nervenzellen bieten je nach ihrer Zahl, sowie nach ihrem Verhalten zu den Fasern mehrfache Verschiedenheiten, von welchen nur das hervorgehoben werden soll, dass bei der differen- zirten Faser der Axencylinder es ist , der in die Substanz der Zelle sich fortsetzt, während der Markcylinder entfernter von der Zelle aufhört oder vielmehr indifferent wird. Auch das Verhalten des Axencylinders zu den Substanzen der Zelle erscheint mehrfach verschieden, und ist in vielen Punkten noch problematisch. Solbrig, A., Leb. d. fein. Structur der Nervenelemente der Gasleropoden. Leipzig 1872. Entstehung der Organe. § 28. Als Organe sind oben (S. 13) Körpertheile bezeichnet worden, welche mit einer bestimmten, für den Organismus zu leistenden Function betraut sind, und dieser Function gemäss sich darstellen. In diesem allgemeinen Sinne ist jedes Formelement ein Organ , ebenso wie die aus Formelemen- ten zusammengesetzten , in bestimmter Richtung fungirenden Theile es sind. Der Begriff des Organs ist demnach ein relativer. Das veranlasst, die Organe in solche höherer und niederer Ordnung zu scheiden. Die letzteren repräsentiren die Formelemente — Elementarorgane — : Organe höherer Ordnung dagegen sind jene, welche aus Summen von Elementarorganen — Zellen und deren Derivaten (Geweben) — zusam- mengesetzt sind, und für sich eine einheitliche Function besorgen. Solche Organe höherer Ordnung erscheinen in den niedersten Zuständen thieri- scher Organisation nur wenige, der Einfachheit des Organismus gemäss. Sie stellen aber die Grundlage vor, auf welcher die allmählich sich aus- bildende, nach dem Princip der Arbeitstheilung erfolgende Complication des Organismus durch fortschreitende Differenzirung sich erhebt. Daher können wir jene einfachen Organe höherer Ordnung, aus denen durch Sonderung ganze Organcomplexe hervorgehen, als »Primitivorgane« bezeichnen. Fassen wir diese Primitivorgane näher ins Auge, so wird es zweck- mässig sein, sie an die ersten Sonderungsvorgänge im Organismus anzu- 3* 36 I. Aufbau des Thierleibes. knüpfen. Denn" von daher sind sie ableitbar. Aus der Theilung der Eizelle ist ein Aggregat von kleineren Zellen entstanden, die in ihren Lage- rungsbeziehungen sich verschieden verhalten. Ein Theil nimmt das Innere des Organismus ein, ein anderer bildet eine die ersteren umschliessende Schichte , die zugleich den Körper äusserlich abgrenzt. ^Fig. 14.) Verbindet sich mit diesem Zustande eine Nahrungsaufnahme im Innern des Kör- pers . so wird die innere Zellenmasse als Be- Fig. 14. Sonderung der aus der Dottertheilung hervorgegangenen Zellmasse in eine peripherische c und eine centrale Partie d. srenzunssschichte einer verdauenden Cavität verwendet, die einen primitiven Darm vor- stellt. Viele Beobachtungen lassen den Vor- gang dieser Sonderung zweier Körperschichten als eine Einstülpung erscheinen, die an einer einschichtigen Blase stattfindet. In anderen Fallen wird er in anderer Weise dargestellt, so dass nicht abzusehen ist, ob und in wie weit hier eine für alle Falle gemeinsame Erscheinung vorliest. Eine Generalisirung vermeidend wenden wir uns zum Ergeb- nisse jenes Vorganges. Wir haben alsdann den Organismus aus zwei Zellenschichten zusammengesetzt. Einer äusseren, die als primitives In- tegument erscheint, Ectoderm, und einer inneren, die eine primitive Darmhöhle einschliesst, Entoderm. An der zu letzterer führenden Mundöffnuns sehen beide Schichten in einander über. Die beiden den Körper eines solchen Organismus darstellenden Zellenschichten bieten für diesen die Bedingungen einer selbständigen animalen Existenz. Die äussere ist Schulzorgan und kann sich durch Sprossung von Wimperhaaren auch zum Locomotions- organ umwandeln, dabei wohl auch respira- torische Functionen vermittelnd. Indem sie Zu- stände des umgebenden Mediums wahrnimmt, ist sie zugleich Organ der Empfindung. Die innere Schichte besorgt die nutritorischen Func- tionen, verändert die aufgenommene Nabruns, und lässt das Assimilirbare in ihre Zellen über- gehen, von da aus auch die äussereZellschichte ernährend. Das Unbrauchbare wird durch die Eingangsöffnung wieder entfernt. Wie die physiologische Leistung beider Schichten ver- schieden ist , so erscheint auch das speciellere Verhalten der sie zusammensetzenden Form- elemente ziemlich different, wovon hier nur auf die meist bedeutendere Gross» der Zellen des Entoderms gegen jene des Ectoderms hingewiesen sein soll. Solche Organisalionszustäude finden wir realisirt im Bereiche nie- derer Abteilungen des Thierreiches Cölenteraten, Würmer), wo sie Fig. 15. Schematisehe Darstel- lung der ersten Differenzirung des Organismus in Ectoderm und Entoderm, in Verbindung mit der Bildung einer verdauenden Cavi- tät. a Mund. 6 Darmhöhle, c Entoderm. d Ectoderm. Durck- schnittsbild. Differenzirung des thierischen Organismus. 37 niedere Enlwickelungsstadien vorstellen. Auch bei höheren Abtheilunsen finden sich Andeutungen davon. Man hat diese Form nach dem am selb- ständigsten gebildeten Organe, dem Darm, als Gastrula bezeichnet. Von der Annahme aussehend , dass solche mit einer Gastrula in den C 7 Hauptpunkten übereinstimmende Formen die Anfänge auch aller höheren animalen Organisationsformen bildeten , hat man eine der Gastrula O 7 entsprechende Gastraeaform als thierische Urform aufgestellt. Diese Gastraea theorie hat eine Begründung erstens in der Existenz selb- ständiger an den Typus der Gastraea sich anschliessenden Thierformen, zweitens in der Thatsache , dass in niederen Abtheilungen des Thier- reiches die mit einer Gastrula beginnende Anlage" des Körpers sich nur wenig über diesen Zustand erhebt, so dass selbst anscheinend bedeutende Complicationen des Organismus immer wieder auf das Bestehen jener beiden Körperschichten zurückführbar sind. Drittens ist das Vorkommen jener beiden das Ectoderm und Entoderm bildenden Zellenschichten in der Körperanlage als eine ganz allgemeine, ausnahmslose, und daher gesetzmässige Erscheinung auch in den höheren Abiheilungen des Thier- reiches, sowie deren Beziehung zu den gleichen Functionen, für jene Auf- stellung von grösstem Belang, ja es findet das Bestehen jener Schichten in den die Anlage des Körpers zusammensetzenden sogenannten Keim- blättern erst ein richtiges Verständniss, durch die Beziehung auf eine hypothetische Gastraeaform. Deshalb wird jene Auffassungsweise als eine gerechtfertigte gelten dürfen. Wir erkennen so die Gastraea als eine Grundform an, und finden in der Differenzirung zweier, einem Ectoderm und einem Entoderm ent- sprechenden, bis zu den höchsten Stufen des Thierreiches vorkommenden Keimblätter, auf jenen Zustand verweisende, und von ihm abzuleitende Befunde. Allein bei alledem darf nicht verkannt werden, dass wir in dem Nachweise jener Verhältnisse erst bei den Anfängen stehen. Für viele hier in Betracht kommende Punkte liegt die definitive Erledigung noch in der Ferne, und selbst aufscheinbar einfache Verhältnisse, wie die Entstehung der Gastrula, und ihrer beiden Schichten, ist noch wenig Licht gefallen. Zweifelhaft bleibt, ob die der Gastrula vorangehende Form eine einschichtige Blase vorstellt, so dass die Doppelschicht des Leibes durch eine das Entoderm bildende Einstülpung entstehe, oder ob das Entoderm aus einer primitiven inneren Zeillage sich ausbilde. Ebenso wieder ob diese beiden beobachteten Zustände selbständige, oder von einander abzuleitende seien. Für all' das werden fernere Untersuchungen zu entscheiden haben, und in gleichem Maasse wird das Urtheil bis dahin zurückzuhalten sein. § 29. Die beiden , den Leib niederer Thiere während früher Stadien zu- sammensetzenden urd auch in den Keimblättern höherer Abthei- 38 I. Aufbau des Thierleibes. hingen repräsentirten Zellschichten, Ectoderm und Entoderm, lassen zwischen sich eine intermediäre Schichte hervorgeben. Sie bildet das Meso- d e r in , an dessen Entstehung die beiden andern gleichen Antheil zu haben scheinen. Das Maass dieser Betheiligung ist noch keineswegs bestimmt, wie überhaupt die ersten Sonderungsvorgänge der Körperanlange vielfach genauer Untersuchung bedürfen, und zudem auch keineswegs überall gleich sich darstellen. Diese drei Straten erscheinen in den auf den Theilungsprocess des Eies folgenden Stadien selbst der höheren thie- rischen Organismen unterscheidbar, und zeigen ihr Auftreten an die erste histologische Differenzirung geknüpft. Sie stellen die Anlage des Orga- nismus wie einen Keim vor, aus dem der gesammte Organismus durch Differenzirung sich entfaltet. Jene Anlage des Körpers bietet in den höheren Abtheilungen des Thierreichs zwar zahlreiche Modifikationen, und lässt den in der Gastrula- form repräsentirten Zustand um so weniger erkennen , je bedeutender die Differenzirungen sind, welche der Organismus durchläuft , allein in der Hauptsache besteht eine nicht schwer zu erkennende Uebereinstim- mung. Das äussere Keimblatt (Ectoderm bildet die äussere Grenz- schichte des Körpers, wie das innere (untere) Keimblatt .Darmdrüsen- blatt, Entoderm i die Darmanlage abgibt, und zwischen beiden erscheint dann das mittlere Keimblatt (Mesoderm). Wie Ectoderm und Entoderm die ersten gesonderten Organe sind, so erscheinen auch die Keimblätter als solche Urorgane, die aus dem frühesten Differenzirungszustande des thierischen Organismus auf spätere und damit höhere Zustände vererbt, nach dem Gesetze der Arbeitsthei- lung Reihen neuer Organe aus sich hervorgehen lassen. Das Thatsäch- liche der organologischen- Differenzirung der Keimblätter ist noch zu geringen Umfanges , um für alle Organe den Nachweis der Genese auf- stellen zu können. Doch gestatten die wenigstens für einige Abtheilungen offenliegenden Thatsachen den Differenzirungsvorgang in den ersten Grundzügen vorzuführen. Aus dem Ectoderm gehen vorwiegend die Organe hervor , welche den Organismus in Beziehung zur Aussenwelt setzen : Schutz- und Stützorgane, Organe der Empfindung daher senso- risches Blatt) und der Bewegung, während das Entoderm vorwiegend die Organe der Erhaltung des Individuums liefert . nutritorisches Blatt. Da auch aus dem Mesoderm wichtige Organe sich sondern, dieses aber gerade in seiner Genese noch am dunkelsten ist. wird die Beziehung jener Organe auf eines der beiden primitiven Keimblätter ausstehen müssen. Durch die Sonderung der aus den Keimblättern bestehenden Körper- anlage und die Entstehung den Organismus complicirender neuer Organe wird das primitive Verhalten mehr oder minder verwischt und aufge- löst. Die aus jedem der Keimblätter als einem Primitivorgane sich diffe- renzirenden Organe stellen secundäre Organe vor. Aus diesen können wieder neue, tertiäre etc. sich bilden. Wie diese Sonderungsvorgänge von der Spaltung einer Function beherrscht werden, und die Einzel- Differenzirnng des thierischen Organismus. 39 functionen innerhalb einer Hauptfunction , von der sie ausgingen, ver- bleiben, so erscheinen auch die von einem Primitivorgane differenzirten Einzelorgane unter sich in Zusammenhang. Sie stellen dann Complexe von Organen vor, die man ihrer morphologischen und physiologischen Zusammengehörigkeit wegen als Organsysteme, Organapparate bezeichnet. Nicht immer beharrt dieser Zusammenhang auch im ausgebildeten Zustande , und häufig findet eine vollkommene Trennung des ursprüng- lich Verbundenen statt. Diese trifft vorzüglich für solche Organe , die mehreren Verrichtungen dienen . wo dann mit der Selbständigkeit jener Function auch das Organ eine unabhängige Stellung gewinnt. Die Onto- genie weist aber auch hier die ursprünglichen Zustände nach. Organsysteme. a) Integument. §30. Das E Cloderm bildet als äusserste Körperschichte den einfachsten Zustand des Integuments thierischer Organismen. Während bei den nie- dersten Organismen (Protisten) jegliches Integument entweder fehlt, da das den Körper darstellende Protoplasma in wechselnde Fortsätze (Pseu- dopodien) ausgezogen , jeden inneren Theil an die Oberfläche gelangen lassen kann, oder durch die äusserste Schichte des Protoplasma einer ein- zelnen Zelle repra'sentirt wird, ist hier zum ersten Male eine zusammen- hängende Zellschichte als gesondertes Hüllorgan und Bedeckung des übrigen Organismus unterscheidbar. Es äussert die Function eines Schutzorganes, indem seine Zellen eine in verschieden mächtiger Ausdeh- nung die Körperoberfläche überziehende Substanz absondern , welche erhärtend entweder Gehäuse- und Schalenbildungen hervorgehen lässt, oder einen continuirlichen Ueberzug des Körpers bildet , wie den Panzer der Arthropoden. Mit der Entstehung eines Mesoderms nimmt der mit dem Ectoderm verbundene Abschnitt desselben gleichfalls vielfach an der Function eines Schutzorganes Theil. Diese äussert sich z. B. in dem Auftreten von festen kalkhaltigen Ablagerungen in dem complicirteren Inlegumente der Echinodermen. Die, feste Schutzgebilde des Körpers schaffende Thätigkeit des Ecto- derms zeigt sich noch bei den Wirbelthieren in der Production zahlreicher und mannichfaltiger als Hüll- und Schutzorgane fungirender Theile. 40 l. Aufbau des Thierleibes. b, Skelet. § 31. Die mannichfa lügen , vom Ectoderm gelieferten Schutzorgane fun- giren in vielen Fällen auch als Stützorgane des Körpers, in dem Maasse, als sie entweder an Mächtigkeit oder an Festigkeit zunehmen und zugleich mit inneren Organen in Verbindung treten. Wir bezeichnen solche Organe als Skelet. Die Verbindung anorganischer Substanzen (vornehmlich Kalksalze) mit einer organischen Grundlage spielt hier eine wichtige Rolle. Die vom Integumente geleistete Stützfunction lässt zahlreiche Anpassungen hervorgehen. Die Vereinigung beider Functionen erscheint als niederer Zustand im Vergleiche mit der Bildung innerer Skele.te, welche einer höheren functionellen Differenzirung entsprechen und ausschliesslich als Stützorgane fungiren. Wir begegnen auch hier den mannichfaltigsten Zu- ständen. Solide Einlagerungen in die Gewebe bilden die niedersten Be- funde, die Anfänge solch innerer Skeletbildungen, deren einzelne Theile untersich in gar keinem Zusammenhang stehen. Durch die Vermehrung jener Einlagerungen und ihre Verbindung gehen zusammenhängende Skelet- formationen hervor, die auch als Abscheidungen sich darstellen können. Beispiele bieten sich schon bei den Cölenteraten. Mit der Verwendung eines bestimmten Gewebes, dessen Eigenschaften sich zur Stützfunction eignen, beginnt eine höhere Stufe der inneren Skelete. Die Differenzirung des Knorpels aus dem indifferenten Bindegewebe ist der Ausdruck jener Erscheinung. Bereits bei Medusen, bei Würmern und Mollusken ist der Anfang zur Verwendung jenes Knorpelgewebes zu Stützorganen gemacht, und bei den Vertebraten tritt es iu höhere Bedeutung . bis es durch ein zweites vollkommeneres Slützgewebe, Knochengewebe, verdrängt wird. c) Muskeln. § 32. Die Bewegung des Körpers äussert sich in ihrem einfachsten Ver- halten als eine durch die Contractilität des Protoplasma bedingte Form- veränderung. Sind diese Formveränderungen ausgiebiger und erfolgen sie nach bestimmter Richtung, durch einseitige Verlängerung des Körpers, durch Aussenden von Fortsätzen , die sich festheften , und welchen all- mählich die übrige halbflüssige Körpermasse nachfolgt (Rhizopoden). so resultirt aus ihnen die Ortsbewegung. Diese unterscheidet sich also nur graduell von der unbestimmteren Formveränderung. Das Protoplasma ruft durch seine Contractilität auch da noch Ortsbewegungen hervor, wo es sich bereits mit einer differenten aber noch weichen Integumentschichte überkleidet hat. Diese Schichte folgt dann den Rewegungen des von ihr umhüllten Leibes. Besondere Organe der Bewegung bestehen in diesen TD Tj %D . DifTerenzirung des thierischen Organismus. 41 bei den Protisten verbreiteten Fällen ebenso wenig als den Wimper- haaren diese Bedeutung in ausschliesslichem Sinne zugeschrieben wer- den kann, da diese auch den Protisten zukommenden Bildungen noch mancherlei andere Functionen für den Organismus vollziehen, z. B. durch die Betheiligung an der Nahrungsaufnahme. Erst mit dem Erscheinen der als Muskelfasern unterschiedenen con- tractilen Formelemente treten specifische Organe der Bewegung auf, die im einfachsten Falle als eine unter dem Ectoderm gelagerte Muskelschichte sich darstellen. Die Genese dieser ersten Muskulatur des Körpers (Hydroidpolypen! ergibt sich als eine Sonderung des Ectoderms. Von den Zellen des letz- teren gehen platte Fortsätze ab und formiren eine continuirliche Schichte contractiler Fasern. Eine jede an der Bildung dieser Faserschichte betheiligte Ectoderm- zelle repräsenlirt dabei einen empfindenden Apparat, der mit einem con- tractilen in unmittelbarer Verbindung steht. Die Zelle hat somit bei diffe- renzirter Muskulatur durch gegeneinander wirkende und eben dadurch in toto in ihrer Thätigkeil harmonirende Muskelgruppen vollzogen. (Vergl. oben S. 31.) In wieferne dieses eineu tiefeu Einblick in die Sonderung der Gewebe wie der Organe abstattende höchst wichtige Verhalten sich bei höheren Thieren vielleicht ontogenetisch wiederholt, ist noch un- ermittelt. Bei allen über den Cölenteraten stehenden Abtheilunsen be- gegnen wir einer bereits vollzogenen Sonderung. Es kann daher als zweifelhaft gelten, ob dem Auftreten der Muskulatur überall ein solcher Vorgang zu Grunde liege. Etwas ähnliches dürfte jedoch als wahrschein- lich anzunehmen sein. Wenn die DifTerenzirung bei höheren Organismen jene Vorgänse nicht mehr erkennen lässt , so ist daraus noch nicht unbe- dingt eine ursprünglich andere Art der Entstehung zu folgern . da die Ontogenie die phylogenetischen Processe in ihrem vollen Umfange nur selten zu wiederholen pflegt. § 33. Die erste Muskulatur des Körpers erscheint in enger Beziehung zum Integumente. von dem sie kaum getrennt werden kann. Da solches nicht blos für die Cölenteraten gilt, ergibt sich daraus eine Instanz für die An- nahme einer im Wesentlichen gleichmässisen Genese. Mit dem Intesu- mente zusammen bildet sie einen mit dem Auftreten einer Leibeshöhle die übrisen Organe umschliessenden »Hautmuskelschlauch«. Die Anord- nung der Muskelfasern bietet eine gewisse Begelmässigkeit zumeist erst mit der Gliederung des Körpers in einzelne hintereinander gelegene Ab- schnitte (Metameren), und mit der Entwicklung von Stützorganen zeigt sich eine DifTerenzirung der Muskulatur in einzelne Gruppen. Summen von Fasern bilden Bündel und diese setzen wieder grössere Complexe, Muskeln, zusammen. Die Gliederung der Muskulatur entspricht dann der 42 1. Aulbau des Thierleibes. Segmentirung des Körpers, und erscheint in ihren einzelnen Abschnitten um so mannichfaltiger, je verschiedener die Leistungen der einzelnen Metameren sind. Was beim Hautmuskelschlauch durch die in verschie- dener Schichtung sich kreuzenden Fasern erzeugt wird, nämlich die Ver- schiedenartigkeit der Bewegung , das wird bei differenzirter Muskulatur durch gegeneinander wirkende und eben dadurch in tolo in ihrer Thätig- keit zusammenstimmende Muskelgruppen vollzogen. Durch den Hautmuskelschlauch und die aus ihm hervorgehenden Differenzirungen wird die Locomotion durch Bewegung des gesammten Körpers bewerkstelligt, und das gesammte Inlegument ist an jener Thätig- keit beiheiligt. Von da aus findet eine fernere Differenzirung statt, in- dem an bestimmten Theilen des Körpers besondere Anhänge als Glied- massen sich hervorbilden, die wie Hebelarme beim Ortswechsel thätig sind. Sie erscheinen bald als einfache weiche Fortsätze des Haut- muskelschlauches (Ringelwürmer , bald als gegliederte Gebilde , welche entweder vom lntegumente her (Arthropoden), oder von Seiten innerer Skeletbildungen Wirbelthiere) eine Stütze erhalten. Die Complicirung der Muskulatur steht mit der Entwickelung von Stützorganen in engem Connexe und beide bilden einen einzigen Bewegungsapparat, von dem das Skelet die passive Rolle übernimmt. d) Nervensystem. § 34. In den niedersten Zuständen der thierischen Organisation ist das Protoplasma der Zellen der Sitz der Empfindung wie der Bewegung, ähn- lich wie dies bei den niederen Organismen der Fall ist. Mit der Differen- zirung der Muskelschichte des Körpers ist das Ectoderm vorwiegend Empfindungsorgan geworden. Aus der Fortbildung einer Strecke dieser Schichte in dieser Richtung ergibt sich die Differenzirung eines Nerven- systems, für dessen ersten Zustand somit eine oberflächliche Lagerung am Körper vorauszusetzen ist. Dieses Verhalten der ersten Anlage des Xervencentrums ist bis jetzt soweit verbreitet erkannt, dass es als allge- meine Erscheinung gelten darf. An die Differenzirung aus dem Ectoderm schliesst sich die Einsenkung in den Körper, so dass das sich ausbildende Centralorgan allmählich von anderen Körperschichten überlagert wird. Dieses an sich höchst eigenthümliche, an sich völlig unverständliche Ver- halten wird als eine Vererbung aus einem primitiveren Zustande erklär- bar, in welchem das noch wenig differente Nervensystem durch die Zell- schichte des Ectoderms oder eines Abschnittes desselben vorgestellt ward. Die allmählich erfolgeude Einbettung in das Innere des Körpers muss hiebei als ein mit der fortschreitenden Differenzirung und der damit erlangten höheren Potenzirung erworbener Vorgang gelten . durch den Differenzirung des thierischen Organismus. 43 das für den Organismus werthvollere Organ in dem Inneren des ersteren geborgen wird. Bezüglich der Formverhältnisse des dift'erenzirten Nervensystems ist einmal das Centralorgan , vorwiegend aus Ganglienzellen zusammen- gesetzt, von den zu den Endapparalen verlaufenden, aus faserigen Elementen bestehenden Nerven peripherisches Nervensystem) zu unter- scheiden. § 35. Durch das Auftreten mehrerer unter einander verbundener centrale Formeleniente enthaltender Theile (Ganglien) entstehen die ersten , nach sehr differenten Richtungen sich weiter entwickelnden Complicirungen. Die das Centralorgan darstellende Ganglienmasse ist in ihren primitiven Verhältnissen eine dorsale, sowie nach dem oben bemerkten auch die erste Sonderung der Centralorgane von dem dorsalen Ectoderm erfolgt. Diese dorsale Nervenmasse differenzirt sich meist in der Nähe des Ein- ganges zum Darmcanale gelagert, in mehrere unter sich durch Verbin- dungsfasern Kommissuren) in Zusammenhang stehende Theile, die einen Schlundring bilden. Bei den strahlig gebauten Thieren vermehrt sich die Zahl der Gan- glien in einer den Radien entsprechenden Weise, und auch die periphe- rische Vertheilung der Nerven folgt genau den allgemeinen Verhältnissen des Baues. Mit der bilateral symmetrischen Körperform ordnet sich auch das Nervensystem nach dieser. Eine obere Ganglienmasse Cerebral- ganglion) repräsentirt die primitivere Form. Das Hinzutreten einer anderen scheint erst mit der Metamerenbildung zu Stande zu kommen. Man unterscheidet dann dorsale Ganglien und ventrale, letztere als in verbun- dene Längsstämme eingelagerte Ganglienzellenmassen , die auch ein ein- ziges unter dem Schlünde gelagertes Ganglion vorstellen können. Die verschiedengradige Ausbildung dieser Schlundganglien steht in engstem Zusammenhange mit den davon abgehenden Nerven. Mit der Ausbildung der Sinnesorgane zeigt sich auch das die bezüglichen Nerven entsendende Ganglion von beträchtlichem Umfang, sowie es mit der Verkümmerung derselben rückgebildet erscheint. Die oberen Schlundganglien sind also auch in dieser Beziehung die wichtigsten, denn von ihneu entspringen die Nerven der höheren Sinnesorgane, welche sämmtlich in Lage und Einrichtung eine allgemeine Verbreitung be- sitzen. Aus dieser Form leitet sich unmittelbar eine andere ab , für welche die deutlich ausgesprochene Metamerenbildung des Körpers als das be- dingende Moment erscheint. Während bei den ungegliederten, mit Schiundring versehenen Thieren die ventralen Körpertheile durch die von den unteren Schlundganglien entspringenden Nerven versorgt werden, tritt mit der Abtheilung des gesammten Körpers in hintereinander gele- 44 •• Aufbau des Thieileibes. gene Theile (Metameren, eine Vermehrung der ventralen Ganglien ein. Durch die Bildung je eiues Ganglienpaares für jedes Gliedstück entsteht eine ventral gelagerte Reihenfolge von Ganglien, die, unter sich durch Lüngscommissuren verbunden, eine Ganglienkelte bilden. Ringehvürmer und Arthropoden sind Repräsentanten dieser Form. Innerhalb derselben entstehen durch weitere Differenzirun™ mannichfaltise Variationen. Erst- lieh wechselt das Volum der Ganglien nach der Verschiedenheit des Vo- lums der mit Nerven zu versorgenden Körperlheile. und zweitens gehl an ganzen Abschnitten der ventralen Ganslienkette eine Verschmelzung der Ganglien zu grösseren Massen vor sich. Aehn liehe Difl'erenzirungen des centralen Nervensystems sind auch bei einer exclusiv dorsalen Lagerung desselben, wie bei den Verlebraten, gegeben. Mit der Ausbildung des vordersten Körperabschnittes zu einem Kopfe entfaltet sich der vorderste Theil des Nervencentralorgans zu einem besonderen Abschnitte, dem Gehirn, welches von dem übrigen mehr gleichmassigen Medullarrohre, dem Rücken marke sich abgrenzt. In weiterer Differenziruns sehen am Gehirn wieder verschiedenartig ausse- bildete Abschnitte hervor. e Sinnesorgane. § 36. Die Sinnesorgane vermitteln dem Organismus Zustände der Aussenwelt. Als Sitz der Empfindung niederster Art erscheint das Proto- plasma, welches in der indifferenten, die niedersten Organismen charak- terisirenden Reschaffenheit, auf äussere Reize mannichfaltiger Art reagirt. Rei noch nicht vollzogener Abgrenzung der Körperoberfläche vom Innern des Organismus (Rhizopoden , wird jeder Protoplasmatheil zur Vermitte- lung der Wahrnehmungen, freilich niedersten Grades, verwendbar sein, und somit als Sinnesorgan niederster Ordnung fungiren. Rei bestimmter Abgrenzung der Körperoberfläche (Infusorien, Gregarinen' , ist mit einer äussersten Körperschichte eine auch für sinnliche Wahrnehmungen wich- tige Differenzirung aufgetreten. Obgleich schon bei Infusorien einzelne Stelleu der Körperoberfläche vorzugsweise als Sinnesorgane fungiren , so ist doch ebensowenig wie in den noch tiefer stehenden Zuständen ein Sinnesorgan in anatomischem Sinne vorhanden. Die Entstehung dieser ist an die Sonderung eines Nervensystems geknüpft, denn die Sinnesorgane sind Endappa- rate sensibler Nerven. Ihr Auftreten setzt daher jene Differenzi- runs voraus, deren oben beim Nervensystem gedacht ward. Wie die primitive Sonderung des Nervensystemes aus dem Ectoderm durch ontogenetische Zeugnisse als ein höchst wahrscheinlich fundamen- taler Vorgang sich darstellt, so isl auch für die Entstehung der Sinnes- organe dieselbe äussere Körperschichle von grösster Bedeutung. Fast alle Ditferenzirung des thierischen Organismus. 45 Sinnesorgane sind aus ihr mittelbar oder unmittelbar hervorgegangen, womit die bald bleibende, bald nur vorübergehend bestehende Verbin- dung dieser Organe mit dem Integumente in Zusammenhang steht. Für viele Sinnesorgane niederer Thiere ist die Deutung der funetio- nellen Qualität des Organs in hohem Grade unsicher. Dies gilt für alle Organe, welche ausser der Reihe jener stehen, die desshalb ins Bereich unserer Beurtheilung fallen, weil wir sie oder doch ihre Homologa selbst besitzen, wodurch allein der Zusammenhang ihres Baues mit ihrer speci- fischen Leistung prüfbar wird. Man hat solche Organe zusammenfassend als Organe eines sechsten Sinnes bezeichnet. § 37. Die Sinnesorgane theilen sich in niedere und höhere. Die er- steren sind die allgemeiner über das Integument verbreiteten , in ihrem Baue einfacheren. Sie repräsentiren den höheren gegenüber einen in- differenteren Zustand. Modificirte Zellen des Integumenles, die, meistens der Epidermis angehörig, einerseits mit einer Nervenfaser in Verbindung stehen, andererseits mit einem verschiedenartig gestalteten, gegen die Körperoberfläche gerichteten Fortsatze versehen sind, bilden die verbrei- tetste hierher zählende Einrichtung. Man schreibt ihnen die Vermittelung allgemeiner Gefühlswahrnehmungen zu, doch ist gerade bei diesen Orga- nen, besonders bei den im Wasser lebenden Thieren die physiologische Leistung in hohem Grade unbestimmt; jedoch für manche von ihnen bleibt die Annahme der Vermittelung specifischer Reize, wodurch sie sich den höheren Sinnesorganen anschliessen würden, begründbar. Etwas bestimmter tritt die Bedeutung dieser Einrichtungen hervor, sobald sie sich mit besonderen Apparaten, beweglichen Fortsätzen des Integumentes u. dergl. , in Verbindung zeigen , und dadurch als Tast- werkzeuge erscheinen. Ob solche Bildungen, besonders in den nie- deren Abtheilungen noch andere Wahrnehmungen als Tasteindrücke ver- mitteln, bleibt fraglich. Einseitig ausgebildet, und demgemäss nur in Einer Bichtung fungi- rend, auf Beize in ganz bestimmter Art reagirend, erscheinen die höhe- ren Sinnesorgane, die als aus den niederen hervorgegangen zu betrachten sind , und auch vielfach das Wesentliche des Baues der nie- deren noch an sich tragen. Man unterscheidet Geschmacksorgane wie Riechorgane mit Sicherheit erst in den höheren Abtheilungen, und für die letztgenannten ist die Function eigentlich erst bei den in der Luft lebenden Wirbelthieren sicher gestellt, und bleibt zweifelhaft für die niederen Abtheilungen. Aber auch für die Geschmacksorgane dürfte bezüglich der Deutung die grösste Vorsicht zu empfehlen sein. Der Werth eines Sinnesorganes für den Organismus erfordert einen Schutz derselben gegen äussere Einwirkungen. Daraus werden die Ein- senkungen versländlich, welche die das Sinnesorgan differenzirende 46 I. Aufbau des Thierleibes. Integumentstelle einseht. So sehen wir höhere Sinnesorgane in ihrer Anlage allmählich unter das Niveau des Ectoderm treten , von dem aus sie entstanden, und so zu weiterer Ausbildung «ünstise Läse gewinnen. § 38. Als Hör organe fasst man mit einem Fluidum gefüllte Bläsehen, Otocysten, auf, in deren Wandung ein Nerv zur Endigung kommt. In der einfachsten Form ist das Bläschen dem centralen Nervensystem un- mittelbar verbunden, oder der Nerv tritt zum Bläschen heran. Fast regel- mässig bergen diese Bläschen feste Concremeute oder kristallinische Bil- dungen , sehr häufig auch Krystalle kohlensauren Kalks. Ebenso finden sich häufig haarförmige Verlängerungen der Endapparate, die ins Lumen des Bläschens einragen. Diese bei den wirbellosen Thieren vorherrschende Form des Hörorgans complicirt sich bei den Wirbelthieren durch Aus- buchtungen und Fortsatzbildungen zu einem Labyrinth. Durch schall- leitende und schallverslärkende Apparate werden neue Einrichtungen erzeugt, welche anfänglich anderen Functionen vorstehend dem Hörorgane sich anschliessen. Da das Labyrinthbläschen der Wirbelthiere aus dem Ectoderm her- vorgeht, so stehen auch die in seinen Wandungen sich differenzirenden Endapparale des Hörnerven in genetischem Zusammenhange mit den im Integumente liegenden Endapparalen der Gefühlsnerven, und können demnach als specifische Ausbildung eines niederen Sinnesorganes ange- sehen werden. Für die einfacheren Otocysten der meisten Wirbellosen ist das genetische Verhalten noch unbekannt, doch führen alle genaueren Ermittelungen zu der Annahme, dass auch für sie eine Differenzirung aus dem Ectoderm besiehe. Auch für die Sehorgane wird ein mehrfacher Modus der Ent- stehung gelten. Wir schliessen die früher häufig als Augen bezeichneten Pigmentflecke aus und nehmen erst da ein Auge an, wo eine bestimmt geformte Nervenendigung unter oder an der Körperfläche als lichlpercipi- render Apparat erkannt werden kann. Durch die lichtabsorbirende Eigen- schaft des Pigmentes mögen unbestimmte Vorstellungen von Hell und Dunkel erzeugt werden, oder es erfolgen Erregungen, die von dem, was wir »Sehen« nennen, unendlich weit abliegend, wohl nur durch die Wärmesirahlen des Lichtes erzeugt sind. Wenn die genannte Verwendung von Pigment eine mehr problema- tische ist, so stellt sie sich in bestimmten Beziehungen dar, wo sie eine stäbchenförmige Nervenendigung nur zum Theil umhüllt, so dass das äusserste Ende desselben frei bleibt , und damit allein der Lichtwirkung ausgesetzt ist. Durch Vereinigung einiger oder auch vieler als »Sehstäb- chen« bezeichneter Nervenendigungen entstehen in verschiedenem Grade zusammengesetzte Sehorgane, deren die Lichtperception vermittelnde Ele- mente (Stäbchen] eine entweder convexe oder concave Schichte formiren. Differenzirung des thierischen Organismus. 47 Eine andere Complication entsteht durch das Hinzutreten lichtbrechender Organe (Linsen1, die wieder ausserordentlich mannichfallige Verhältnisse darbieten, immer aber, mittelbar oder unmittelbar, aus dem Integument hervorgehen. Bei den Augen mit convexer Oberfläche der Stäbchen- schichte sind sie in der Regel in einer der Zahl der percipirenden End- gebilde entsprechenden Summe vorhanden , während den Augen mit concaver Stäbchenschichte eine einfache Linse zukommt. Indess zu dem Nervenapparate des Sehorgans noch andere, dessen Leistungsfähigkeit modific'irende oder erhöhende Einrichtungen hinzutreten , wird aus dem Auge eines der complicirtesten Organe des Organismus. Bei den meisten niederen Abtheilungen bleibt das Sehorgan in seiner primitiven Beziehung zum Ectoderm auch im ausgebildeten Zustande erkennbar. In höheren Abtheilungen sondert es sich von ihm und kommt mit seinem percipiren- den Apparate unter das Integument zu liegen oder es nimmt der perci- pirende Apparat seine Entstehung aus der Anlage des Nervencentrum. Auch bezüglich der Lagerung des Sehorgans am Körper gibt sich die Erscheinung der Differenzirung zu erkennen, indem in den niederen Ab- theilungen die augentragenden Körpertheile sehr wechselnd sind, und auch die Zahl der Augen bedeutend schwankt. Daran schliesst sich das Vorkommen einer grösseren Zahl von Sehorganen an dem zum »Kopfe« sich ausbildenden vordersten Körpertheile , bis endlich au demselben Theile die Augenzahl auf zwei beschränkt ist. Die verschiedene Lagerung des Sehorganes schliesst die Annahme einer gemeinsamen Ererbung aus und spricht für die selbständige Differenzirung der heterotopischen Organe aus einem indifferenten Apparate. Dagegen ist für die mit dem Cerebral- ganglion oder dem dorsalen Nervencentrum in Zusammenhang stehenden Augen eine gemeinsame genetische Beziehung nicht abzuweisen. f) Respiratorische Organe des Integ um enles. (Haut -Kiemen.) § 39. Dem Integumente, und damit dem Ectoderm kommt eine wichtige Rolle für die Bildung der Organe der Athmung zu. Vor der Ent- stehung derselben wird der Gasaustausch wahrscheinlich durch die gesammte Oberfläche des Körpers vollzogen und bei vielen niederen im Wasser lebenden Thieren findet diese Athmungsweise statt. Theils durch die Ortsbewegung des Körpers, theils durch besondere Organe, z. B. die Wimperhaare, wird ein Wechsel des umgebenden Mediums bewerk- stelligt, und immer neue Mengen desselben mit der athmenden Oberfläche des Körpers in Contact gebracht. Ist dies auch nicht die einzige Art der Athmung niederer Thiere , da auch die Einfuhr von Wasser ins Innere des Leibes, sowie die Bespülung des Darmcanals mit Wasser gewiss nicht ohne Bedeutung ist . so ist sie doch als Ausgang einer grossen Reihe von 48 !• Aufbau des Thierleibes. Differenzirungen von hoher Wichtigkeit. Mit einer Localisirung der Function auf beschranktere Strecken der Körperoberfläche gewinnen diese in der genannten Richtung eine besondere Ausbildung und gestalten sich in Compensation der Beschränkung der Localität zu blutführenden Fort- sätzen, welche man als Kiemen bezeichnet. In vielen Fällen entstehen diese aus einer Differenzirung der Gliedmassen Würmer, Crustaceen). Die fortgesetzte Ausbildung der Kiemen erscheint in einer Oberflächen- vergrösserung , die auf die mannichfaltigste Art erreicht wird. Sehr häufig findet sich diese mit einer Reduction der Zahl der Kiemenbildungen im Zusammenhang. Die Bedeutung dieser Organe für den Körper ruft mancherlei Schutz- vorrichtungen der im niedersten Zustande frei auf der Oberfläche des Körpers vorragenden Kiemen hervor. Indem benachbarte Integument- theile sich zu deckenden Lamellen erheben, werden die Kiemen in Höh- lungen geborgen (Kiemenhöhlen;, für welche dasselbe Integument wieder Zu- und Abflusscanäle des der Athmung dienenden Wassers herstellt (Mollusken, höhere Krustenthiere). So beeinflusst die Ausbildung dieser Athmungsorgane auch andere Theile des Integumentes , deren directe Beziehung zur Athmung längst verloren gegangen ist. s) Excretion sorgane. § 40. Wie in den Athmungsorganen die gasförmigen Auswurfsstoffe aus dem Organismus abgeschieden werden, so bestehen auch Einrichtungen zur Abscheidung der festen oder tropfbar flüssigen Stoffe, die für den Organismus unbrauchbar geworden sind. Das Ectoderm leistet auch diese Function bei niederen Organismen wohl in allgemeiner Verbreitung, in höheren Lebensformen dagegen gehen aus ihm Differenzirungen hervor, die als besondere Organe , Hautdrüsen, in jener Richtung fungiren. Von diesen im Allgemeinen als Secretionsorgane fuugirenden Einrich- tungen gehören nur jene speciell hierher, welche die Ausscheidung der Auswurl'sstoffe besorgen , und die man als Excretion sorgane von denjenigen Drüsen unterscheidet, welche für den Organismus verwend- bare Stoffe absondern , und entweder selbständig oder mit bestimmten Organsystemen vereinigt sind, und dann als Differenzirungen der letzteren sich darstellen. Von den unter Betheiligung des Ectoderms gebildeten Absonderungs- organen wird die Excretnatur des Absonderungsproductes am wenigsten bezweifelt werden dürfen, da letzteres mit der Entleerung der Drüse auf directem Wege aus dem Organismus entfernt wird. Unter mannichfaltigen , auf die Oberfläche des Körpers ausmünden- den Drüsenorganen erlangt eine Kategorie eine allgemeinere Bedeutung. Sie umfasst die nierenartigen Excretionsorgane, welche die Differenzirung des thierischen Organismus. 49 stickstoffhaltigen Auswurfsstoffe aus dem Körper abscheiden. Wenn diese Organe schon bei Würmern in ihrer scheinbar einfachsten Form weit im Leibe des Thieres sich verbreiten, so erscheint ihre Genese doch nur von Hautdrüsen ableitbar. Dies wird auch dadurch nicht geändert , dass in vielen Fällen (Anneliden, Mollusken) das auch sonst sehr modificirte Organ in die Leibeshöhle einmündet, und so zwischen der letzteren und dem umgebenden Medium einen Verbindungsweg herstellt, der in man- chen Abtheilungen (Mollusken) sogar zur Einfuhr von Wasser benutzt wird. Bei anderen (Annulaten) sind diese Organe in röhrenartiger Gestalt derGeschlechtsfunction dienstbar und dienen zur Ausleitung der Producte derselben. Aus der Wiederkehr dieser Function für einen Theil des pri- mitiven excretorischen Apparates (Urniere) der Wirbelthiere könnte auf eine Vererbung aus einem niederen Zustande geschlossen werden. Wo diese Anschlüsse bestehen, bleibt noch ungewiss. Jedenfalls kann nur da eine Anknüpfung gesucht werden , wo der Apparat wie bei den Verte- braten jederseits einheitlich ist. h) Darm. Die Aufnahme der Nahrungsstoffe in den Körper wird bei einem Theile der niedersten Organismen durch endosmotische Vorgänge ver- mittelt, bei denen der Körperoberfläche die Hauptrolle zukommt. Bei anderen findet die Aufnahme fester Nahrung statt, indem das weiche, Pseudopodien entsendende Protoplasma in die Nähe des Körpers gelan- gende Nahrungsstoffe umschliesst iRhizopoden). Die Bildung einer be- stimmten, zur Nahrungsaufnahme dienenden Stelle der Körperoberflache ist zwar ein Schritt zur organologischen Sonderung (Infusorien), aber bei alledem besteht noch kein Darm , der erst mit der Differenzirung des Körpers in Zellenschichten als gesondertes Organ erscheint. Jene Zellen- schichten, eine innere und eine äussere, gehen an einer die Eingangs- öffnung umgrenzenden Stelle in einander über. Die innere den nach aussen geöffneten Hohlraum umgrenzende Lage, das Entoderm, bildet dann die Wandung einer verdauenden Cavität. In der einfachsten, durch dieGastrula repräsentirten Form ist das Entoderm die einzige Wandung der primitiven Darmhöhle. Die Entstehung eines Mesoderms lässt zu dem Entoderm noch andere Schichten von aussen hin- zutreten, von denen eine Muskelschichte die wichtigste wird, denn durch sie wird der Darm zu selbständigeren Actionen befähigt. Die in den Darmschlauch führende Oeffnung dient — als Mund — zur Aufnahme der Nahrungsstoffe sowie sie auch unverdauten Resten der Nahrung zur Aus- wurfsöffnung wird. (Cölenteraten , viele Würmer.) Das Auftreten einer Afteröffnung ruft eine fernere Trennung der Functionen hervor, und ver- wandelt den blind geend igten Darm in ein an zwei Enden offenes Rohr, dessen einzelne Abschnitte verschiedene Verrichtungen übernehmen, und Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. i 50 L Aufbau des Thierleibes. damit differente Anpassungen eingehen. Die erste mit dem Munde zu- sammenhängende Strecke bildet eine zur Einleitung der Nahrung die- nende Speiseröhre, denn erst der folgende meist erweiterte oder mit Blindsäcken ausgestattete Abschnitt ist die eigentlich verdauende Caviliit. der meist als Magen bezeichnet wird, eine Benennung, die nicht immer die gleichwertigen Abschnitte trifft. Der Endtheil des ganzen Apparates besorgt weitere Veränderung der Nahrungsstoffe sowie die Ausleitung der Speisereste durch den After. Mit dieser Differenzirung des Darmrohres in einzelne ungleich werthige Abschnitte ist die bedeu- tendste Complication gegeben, welcher feinere Differenzirungen unter- geordnet sind. Drei Strecken sind von da an als Vorderdarm, Mi tt eidarm und Enddarm unterscheidbar. Ausser wechselnden und mannichfalligen Grösseverhältnissen der einzelnen Abschnitte entstehen am Darmrohr noch verschiedene Vorrich- tungen, die entweder auf besondere neue Leistungen berechuet sind, oder nur eine fernere Arbeitstheilung ausdrücken. Organe zum Ergreifen oder zum Zerkleinern der aufgenommenen Nahrung — Kauwerkzeuge — verbinden sich mit dem Munde, oder zeichnen einen Abschnitt der Speise- röhre aus. Auch im Magen sind solche Kauorgane zuweilen angebracht. Wo sie meist dicht hinter der Mundöflnung im Anfange der Speiseröhre sich finden, wird dieser Abschnitt, häufig durch stärkere Muskulatur aus- gezeichnet, als Schlundkop f oder Pharynx unterschieden. Die Vergrösserung des Binnenraumes des Darmcanals bewirken Er- weiterungen oder blindsackförmige Ausbuchtungen. Im Verlaufe der Speiseröhre entstehen Kropfbildungen, am Magen Blindsäcke, am übrigen Darme Blinddärme (Coeca) in mannichfaltiger Complication in der Zahl und Anordnung. Uebertrifft die Länge des Darmcanals jene des Körpers, so ordnet er sich in Form von auf- und absteigenden Schlingen oder von Spiraltouren, und passt sich so dem Umfange der ihn bergenden Leibes- höhle an. Für alle diese Verhältnisse ist die aufgenommene Nahrung sowohl hinsichtlich ihrer Quantität als Qualität von grösstem Einflüsse und nirgends ist die Anpassung des Organs an die Function, die aus der Lebensweise des Thieres erfliesst, deutlicher erkennbar als gerade in den Einrichtungen des Darmcanals. Zur Bethätigung des Verdauungsprocesses im Allgemeinen stehen mit dem Darmcanale Absonderungsorgane in Verbindung, deren Producte auf die Nahrungsstoffe lösend, chemisch verändernd, einwirken. Solche Drüsen sind bald über den ganzen Darmcanal verbreitet, bald zeichnen sie nur bestimmte Abschnitte aus. In der einfachsten Form sind sie von der Darmwand noch nicht dilferenzirt und dann keine selbständi™ abse- grenzten Theile. Die von der Darmwand gesonderten werden vornehm- lich in zwei Abtheiluimen unterschieden. Eine davon stellt die in die Mundhöhle oder in die Nähe derselben ausmündenden Drüsen vor, die man als Speicheldrüsen bezeichnet. Eine andere Gruppe findet sich an dem der Verdauung dienenden Abschnitte, und wird als gallebereiten- Difl'erenzirung des thierischen Organismus. 51 der Apparat, Leber, angesehen. Es ist wohl zu beachten, dass die Be- zeichnungen solcher Organe mit Namen, welche von den physiologisch genauer gekannten Organen höherer Organismen hergenommen sind, nur als hypothetische gelten können, da von einer physiologischen Erkenntniss der meisten Organe niederer Thiere noch keine Rede ist. Das gilt vorzüg- lich von den meist gefärbt erscheinenden Epithelien des Darmes, die man häufig als »Leber« zu bezeichnen pflegt. Mit der verdauenden Cavität ist dieses Organ in Form eines Epithels bei den Cölenteraten, manchen Wür- mern und auch bei den Insecten verbunden, bis es sich auf bestimmte blindsackartige Anhänge des Darmcanals beschränkt, und somit den ersten Grad von Seibständii-keit aufweist. Die Leber erscheint dann entweder in Form zahlreicher den Darmcanal in grösserer Ausdehnung besetzender Follikel, oder sie bildet grössere Drüsencomplexe, welche, bald zerstreut, bald vereinigt in den Darmcanal einmünden. Die Differenziruim der Leber läuft also auf eine allmähliche Ablösung des Organes vom Darme hinaus, so dass es am Ende dieser Reihe nur durch seine Ausführsänse mit dem Darmcanal verbunden ist (höhere Mollusken. Wirbelthiere . Respiratorische Organe des Darmes. § 42. Die sämmtlichen vorhin aufgeführten Differenzirungen des aus dem Entoderm gebildeten primitiven Darmes betrafen nach dem Principe der Arbeitstheilung entstandene, auf die Aufnahme und Verdauung der Nah- rungsstoffe bezügliche Organe, welche dem Darme keine wesentlich neue Verrichtung zutheilen. Eine solche erscheint mit der respiratorischen Redeutung des Darmes. Ob diese bereits in der primitiven Darmform bestehe, ist nicht festzustellen, doch bleibt es wahrscheinlich, da das Entoderm ebenso vom umgebenden Medium bespült wird, wie die äussere Schichte des Körpers, und mit der Nahrung aufgenommenes Wasser auch da zu respiratorischer Function' dienen kann. Restimmter wird dieses Verhältniss durch die Wahrnehmung eines regelmässigen Einströ- mens von Wasser in den Enddarm wie bei manchen Würmern und Mol- lusken. Diese Erscheinung weist schon deutlicher auf die respiratorische Function des Darmes, hat aber direct nichts mit der Entstehung von Athmungsorganen zu thun, die aus dem Darmrohr sich sondern. Die Rildung solcher Respirationsorgane erfolgt am vordersten Ab- schnitte des Darmes, dessen Wände von seitlichen Oeffnungen durch- brochen durch ihre Reziehungen zum Gefässsystem respiratorische Redeu- tung empfangen. Diese schon in niederen Abtheilungen auftretende Ein- richtung wiederholt sich bei den Wirbelthieren. An den Wandungen der Spalten dieses Raumes, in denen das respiratorische Gefässnetz verbreitet ist, entstehen Fortsätze, Kiemen. Ein Theil des ursprünglichen Darm- rohrs wird dadurch zu einem besonderen Abschnitte, einer Kiemenhöhle. 52 I. Aufbau des Thierleibes. umgewandelt, an deren hinterem Ende das ausschliesslich der Ernährung dienende Darmrohr beginnt. Eine andere Form von Athmungsorganen sondert sich aus der Darm- wand in Gestalt divertikelartiger Ausbuchtungen an einem vorderen Ab- schnitte des Darmes. Dieser Anhang des Darmes wird mit Luft gefüllt, und hat bei den Fischen als Schwimmblase wohl nur eine hydrostatische Bedeutung. Mit einer Veränderung der Kreislaufsverhältnisse allmählich zu einem Athmungsorgane umgewandelt gehen daraus^die Lungen her- vor, an deren Einführwegen in den höheren Abtheilungen der Wirbel- thiere wiederum neue Organe, jene der Stimmerzeugung, sich ausbilden. i) Gefässsy stem. § 43. Die durch die Verdauung bereiteten, zur Ernährung des Körpers dienenden Stoffe werden bei den feste Nahrung aufnehmenden nieder- sten Organismen von den verdauenden Hohlräumen aus einfach im Proto- plasma des Körpers vertheilt. Mit der Bildung eines discreten Darm- schlauches findet dieser Vorgang durch die Wandung des letzteren direct in das Parenchym des Körpers statt, so dass vom Entoderm aus das Meso- derm und Ectoderm sammt den von ihnen differenzirten Orgauen ernährt werden. Diese Verhältnisse sind nur für Cölenteraten und einige Abthei- lungen der Würmer charakteristisch. Bei vielen anderen geht im Meso- derm eine Sonderung vor sich , die entweder durch das Auftreten canal- artiger Hohlräume, oder durch eine gänzliche Spaltung des Mesoderms in eine äussere dem Ectoderm und eine innere dem Entoderm sich an- schliessende Platte sich ausspricht. Zwischen der dermalen und der gastralen Schichte des Mesoderms findet sich die Leibeshöhle oder perienterische Höhle |Cölom), in der ein Fluidum, als ernährende Flüssig- keit anzusehen, sich ansammelt. Finden sich Formelemente in derselben, so sind dieselben von Zellen des Mesoderms ableitbar. Diese Flüssigkeit dient noch nicht ausschliesslich der Ernährung, sie wirkt ebenso bei der Locomotion , indem sie nach dem Willen des Thieres einzelne Theile des Körpers zu schwellen vermag. Dabei kommt auch dem in den meisten dieser Fälle von aussen her in die Leibeshöhle aufgenommenen Wasser eine wichtige Rolle zu. Die Bewegung des Fluidums im allgemeinen Leibeshohlraume wird anfänglich durch die Bewegungen des Körpers vermittelt. Contractionen und Expansionen der Körperwand unterwerfen die vom Hautmuskel- schlauch umschlossene Flüssigkeit einem beständigen Ortswechsel, der als die niederste Form eines Blutumlaufs betrachtet werden kann. Niedere Würmer bieten hiefür Repräsentanten. Die Bahn hat hier weder selbständige Wandungen, noch besitzt sie besondere den Umlauf regu- lirende Vorrichtungen. Differenzirung des thierischen Organismus. 53 In manchen Abtheilungen bleibt es bei der Bildung dieser Leibes- höhle (Bryozoen) ; bei anderen entstehen canalartige Höhlungen . die in regelmässiger Anordnung als Gefässe erscheinen, und fernere Compli- cirungen eingehen können. Ihr Inhalt stellt die Blutflüssigkeit vor (Nemer- tinen). Tritt hiezu noch die Bildung einer perienterischen Höhle, so ist das theilweise in sie eingelagerte Gefässsystem entweder vollständig von letzterer abgeschlossen (viele Anneliden), oder es steht mit ihr an ein- zelnen oder vielen Stellen im offenen Zusammenhang (Mollusken, Arthro- poden, Wirbelthiere; . Letzteres Verhalten wird voraussetzen, dass die Gefässräume als Abschnitte der Leibeshöhle entstanden , während im er- steren Falle die Entstehung der Leibeshöhle erst nach der Gefässbildung erfolgt ist. Die Bildung der Leibeshöhle ist daher hier als ein secundärer Vorgang zu betrachten, und die Hohlraumbildung im Mesoderm ist in zweifacher Weise erfolgt, das erste Mal zur Entstehung der Blutgefässe, das zweite Mal zu jener der Leibeshöhle hinführend. § 44. Einzelne Abschnitte des die Blutbahn vorstellenden Hohlraumsystems bilden sich durch Entwickelung von Muskulatur in ihren Wänden zu con- tractilen Gefässen aus. Indem diese durch rhythmische Thätigkeit das regelmässige Zu- und Abströmen des Blutes bewerkstelligen, entsteht der erste circulatorische Apparat. Die Richtung des Blutstroms ist damit noch keine constante , und derselbe kann bald nach der einen , bald nach der andern Seite getrieben werden. Die durch besondere Contractu ität aus- gezeichneten Abschnitte des Gefässsystems sind bald in ausgedehnterem Maasse vorhanden , bald auf kürzere Stellen beschränkt. Sie erscheinen als die Anfänge einer Herzbildung. Das Herz ist somit ein aus der Blutgefässbahn differenzirtes Organ, welches in der einfachsten Form einen Abschnitt der Gefässe vorstellt, der nach beiden Richtungen seinen Inhalt fortbewegen kann. Erst mit dem Auftreten von Klappen an den Ostien des Herzschlauchs bildet sich eine Beständigkeit in der Richtung aus, und dabei complicirt sich auch der Bau des Herzens , der durch Theilung des Binnenraums in einzelne Abschnitte (Kammern und Vorkammern) sich weiter vermannichfacht. Solche contractile Bildungen erscheinen häufig als die einzigen differen- zirlen Theile des vom Leibeshohlraume vorgestellten Blutgefässsystemes. Das Blut gelangt aus dem Herzen entweder sofort in lacunenartige, zwi- schen den verschiedenen Organen befindliche Abschnitte der Leibeshöhle, und von diesen wieder zum Herzen (Arthropoden) , oder es sind vom Herzen ausgehende bestimmte Gefässe vorhanden , welche bald an Stelle der Hohlräume den Körper durchziehen, bald nur theilweise die lacunäre Bahn vertreten , indem sie nicht bis zum Herren zurück in Gefässe sich fortsetzen, sondern unmittelbar in Lacunenbildungen übergehen. Der letztere Fall zeigt den Leibeshohlraum noch als einen Abschnitt der Blut- 54 I. Aufbau des Thierleibes. bahn, die nur theüweise durch wahre Gefässe vorgestellt wird (Mollusken) . Bei vollkommener Ausbildung der Geiässbahn in Verbindung mit einer Differenzirung des Herzens gliedert sich das Gefässsystem in drei Ab- schnitte. Der vom Herzen ausführende, das Blut im Körper verteilende Abschnitt wird als der arterielle bezeichnet, die Gefässe heissen Arterien. Der das Blut zum Circulationscentrum zurückleitcnde Weg wird durch die Venen vorgestellt, und den zwischen den zu- und ableitenden Ge- fässen liegenden Bahnabschnitt bildet ein Maschen werk feinster Canälchen Capi Haren). Sehr häufig wird dieser intermediäre Abschnitt durch ein Lacunensystem ersetzt, wobei dann auch die venösen Bahnen zum grossen Theil der besonderen Wandungen entbehren. Was als Gefässbahn, was als Lacune aufzufassen sei, ist sehr häufig schwer zu entscheiden , und nicht selten bewegt sich die Deutung um wenig belangreiche Verhältnisse. Setzt man das Wesentliche eines Ge- fässes in die Auskleidung eines Baumes mit platten aus modificirten Binde- substanzzellen entstandenen Elementen , so ist damit noch keineswegs eine sichere Grenze gezogen, denn jene Elemente können ebensogut als Ueberzüge der den fraglichen Baum umwandenden anderen Organe gel- ten, und es ist bedenklich, weite, von jenen Zellen ausgekleidete Binnen- räume deshalb als »Gefässe« zu bezeichnen. So wäre also von diesem Kriterium als ausschliesslichen abzusehen, und es dürfte vielmehr nur in Concurrenz mit der Beachtung der grösseren oder geringeren Gleich- mässigkeit des Lumens Gewicht haben. Bei der Prüfung dieser Fragen muss aber das Eine im Auge behalten werden : dass man es in allen jenen Fällen mit Bäumen zu thun hat, die von Bindesubstanzen umwan- det sind, und dass Gefässe Differenzirungen jener Bäume sind, die also einen indifferenten Zustand voraussetzen. Beide Zustände, der differen- zirte uud der indifferente, sind durch lebergänge verknüpft. k Forlpflanzungsorgan e. § A3. Die Erscheinung der Vermehrung des Individuums steht ursprünglich mit der Ernährung in engem Zusammenhange. Indem durch die letztere das Wachsthum des Körpers und damit eine Volumvergrösserung bedingt wird, geht daraus ein Zustand hervor, in welchem der Organismus das ihm in Ueberschuss zugeführle Ernährungsmaterial zum Hervorbringen eines neuen Individuums verwendet. (Vergl. S. 17.) Wie bei den Ele- mentarorganismen dieser selbe Process mit einer Sprossenbildung beginnt und mit einer Theilung des Körpers abschliesst, so bilden jene Vorgänge auch für die niederen Formen der Fortpflanzung verbreitete Er- scheinungen. Je nach der Quantität des von einem bestehenden Organis- mus zur Bildung eines neuen verwendeten Materiales entstehen wieder mehr oder minder verschiedene Vermehrungsweisen. Differenzirung des thierischen Organismus. 55 Diese in den unteren Abtheilungen des Wirbellosen sehr verbreitet vorkommenden Vermehrungserscheinungen der Sprossung, Knospung und Keimbildung besitzen theilweise Beziehungen zur geschlechtlichen Diffe- renzirung, die bereits bei den Protisten auftritt. Sie leitet sich von einem Zustande ab, in welchem zwei gleichartige Keimzellen zu einem neuen Organismus verschmelzen (Conjugation). Aus einem fernerhin un- gleichen Verhalten der beiden sich verbindenden Keimzellen entspringt die Sonderung beider in Eizelle und Samenzelle, welche durch das ganze Thierreich mit zahlreichen , besonders die Samenzelle betreffenden Modificationen die Formelemente der geschlechtlichen Zeugungsstoffe vor- stellen. Wahrend die Eizelle in ihren wesentlichsten Verhältnissen fort- besteht, in allen Abtheilungen als solche erkannt werden kann, erleidet die Samenzelle sehr frühzeitig bedeutende Umwandlungen. Ein ihr wie auch anderen Zellen zukommender geisseiförmiger Fortsatz erfahrt bedeu- tende Ausbildung, indess der Zellenkörper sammt seinem Kern reduzirt wird, und meist ein unansehnliches Gebilde vorstellt. So gehen aus den Samenzellen fadenförmige Gebilde — Samenfäden — Spermatozoon — her- vor. Die geschlechtliche Fortpflanzung steht also nur in einem scheinbaren Gegensatz zur ungeschlechtlichen. § 46. Wie sich diese Bildungsstätten der Zeugungsstoffe zu den ersten An- lagen des Körpers verhalten ist noch nicht überall festgestellt, aber es ist uns durch die bei gewissen Cölenteralen und Mollusken beobachteten Thatsachen die Aussicht auf ein primitives sehr differentes Verhalten eröffnet, denn hier werden die Eier vom Entoderm , das Sperma vom Ectoderm hervorgebracht. Das Entoderm ist dadurch weibliches Keim- blatt, das Ectoderm repräsentirl das männliche. Inwiefern auch für höhere Thiere diese Verhältnisse sich nachweisen lassen, ist der Zukunft vorbehalten. Bis jetzt sind es nur unsichere Andeutungen, welche für eine mit jenen Befunden im Allgemeinen bestehende üebereinslimmung sprechen. Die durch Erzeugung der Geschlechtsproducte ausgezeichneten Kör- perstellen nehmen allmählich die Form von Drüsen an. Das ist ein wei- terer an die Localisirung der Function geknüpfter Schritt der Differenzirung. Im einfachsten Falle bilden sich die beiden Zeugungssloffe an beson- deren, aber noch nicht durch eigene Vorrichtungen ausgezeichneten Kör- perstellen, die dann als Geschlechtsorgane 'fungiren (Keimdrüsen). Die samenerzeugenden Organe nennt man Hoden, die eierzeugenden Eierstöcke, Ovarien. Einen Schritt weiter gehend, treffen wir die Keimdrüsen noch mehr differenzirt; während im einfachsten Zustande die Producte jener Organe entweder in den Darm oder in die Leibeshöhle des Thieres, oder auch unmittelbar nach aussen gelangen, wobei sie sich blos von ihrer Bildungsstätte abzulösen hatten, so treten allmählich, oft in sehr complicirter Weise gestaltete Ausführwege hinzu, welche vielleicht 56 I. Aufbau des Thierleibes. grossentheils den Keimdrüsen ursprünglich fremd sind. Wo Beziehungen dieser Ausführwege zu anderen Organen nachweisbar sind, ergeben sich diese als Excretionsorgane (S. 48) , die in den Dienst der Genitalapparate getreten, und dem entsprechend umgewandelt sind. Die Frage, ob nicht noch viel allgemeiner die Ausführwege des Keimstoffs von umgebildeten Excretionsorganen vorgestellt werden, gestaltet sich so zu einem Problem. Für die samenerzeugenden Organe bilden sich an den Ausführgängen (Samenleiter) Behälter, welche zur Ansammlung des Sperma dienen: aus der Wand dieser Canäle differenziren sich Drüsen, welche eine dem Sperma sich beimischende Flüssigkeit absondern , endlich entstehen Vor- richtungen, welche das Sperma in die anderseitigen Apparate übertragen, Organe der Begattung. Nicht minder verschieden stellen sich die Differen- zirungen des eibildenden Organes vor, der Ausführgang des Eierstockes (Eileiter, Oviduct) ist mit Erweiterungen ausgestattet, in welchem die Eier bald besondere Umhüllungen erhalten, bald sich weiter ent- wickeln. Man bezeichnet diese Abschnitte der Ausführwege als Uterus, Fruchthälter. Besondere Drüsen entstehen als »Dotterstöcke« aus den Keimdrüsen und liefern bald eine vom Ei verwendete Substanz , bald blosses Hüllmaterial. Anhangsgebilde nehmen den bei der Begattung über- tragenen Samen auf. stellen Beceptacula seminis vor, und endlich dienen wieder andere Theile zur Aufnahme des Begaltungsorganes, oder zur Ab- setzung oder Aufbewahrung der Eier. Das Verhalten der eier- und samenbereitenden Organe zu einander zeigt sich sehr verschiedenartig, und muss gleichfalls vom Standpunkte der Differenzirung aus beurtheilt werden, fn den unteren Abtheilungen sind beiderlei Organe mit einander vereinigt, zuweilen sogar derartig, dass zur Production von Samen und Eiern eine und dieselbe Drüse (Zwit- terdrüse) thätig ist. Auch die Ausführwege sind vielfach ganz oder theil- weise gemeinsam. Bei anderen Zuständen ist die Keimstätte nach beider- lei Producten getrennt, Hoden und Eierstöcke existiren als discrete Organe, bei denen nur die ausführenden Apparate auf verschieden langen Strecken vereinigt sind, oder jeder von ihnen besitzt seine besondere Ausmündung. Alle, beiderlei Zeugungsorgane in sich vereinigenden Thiere , bezeichnet man als Zwitter, Hermaphroditen. — Eine Trennung erscheint nicht selten in der zeitweise wechselnden Thätigkeit der Organe vorbe- reitet, indem bald nur die einen, eierbildenden, bald die andern, samen- erzeugenden, in Function sind. Der hermaphroditische Zustand stellt den niederen vor, von dem aus die geschlechtliche Trennung sich ableitet. Diese Aenderung erfolgt durch Verkümmerung des einen oder des anderen Apparates, so dass die Zwitterbildung für die Trennung der Geschlechter die Unterlage abgibt. Diese Differenzirung durch Bückbildung je eines Geschlechtsapparates kommt in sehr verschiedenen Ausbildungszuständen des Organismus vor, ebenso bei sehr hochgradig ausgebildeten Geschlechtsorganen. An solchen zeigt die Ontogenie noch eine primitive Vereinigung von beiderlei Organen Differenzirung des thierischen Organismus. 57 und lässt so das Individuum auf einem gewissen Entwickelungsstadium hermaphroditisch erscheinen. Die geschlechtliche Trennung beeinflusst mit ihrem Vollzuge den gesammten Organismus , indem sie für jedes Geschlecht eine Reihe von Umänderungen hervorruft, die selbst bei ursprünglich der Geschleehts- function ferne stehenden Organen sich kund ceben. Mit Vertheilung von beiderlei Organen auf verschiedene Individuen vollendet sich die geschlechtliche Differen zirung. Behufs der Fortpflanzung sind nun nicht nur zwei differente Zeugunssstoffe, Samen und Eier, nicht blos Tj O / zwei verschiedene, jene bildenden Apparate erforderlich, sondern es sind zwei Individuen noth wendig, die man als männliche und weibliche unterscheidet. Veränderungen der Organe. Ausbildung und Rückbildung. § *7, Der mit der fortschreitenden Differenzirung der einzelnen Organe an diesen sich äussernde Zustand erscheint als eine Complication derselben, durch welche in gleichem Grade das Organ vom primitiven Zustande sich entfernt. Indem der letztere den niederen Zustand vorstellt, leitet die Differenzirung eine einem höheren Zustande entsprechende Vervoll- kommnung ein. Diese erhellt aus dem der Differenzirung zu Grunde liegenden, schon oben S. 14; erörterten Principe derArbeitstheilung, dem- zufolge eine Leistung um so vollkommener geäussert werden kann, je ex- clusiver das Organ sich dazu verhält. Je mehr einOrsan in einer einzigen Richtung thätig ist, desto günstiger sind für dasselbe die Bedingungen der Ausbildung in dieser Richtung, weil von anderseitigen Anforderungen keine Concurrenz besteht. Eine Gliedmasse die zugleich Kieme ist , also loco- motorische und respiratorische Function in sich vereinigt , wird einen niederem Zustand vorstellen als eine aus der Scheidung der beiden Functionen hervorgehende Einrichtung, wo ein von der Gliedmasse abgelöster Theil die Kieme , der übrige das Bewegungswerkzeug reprä- sentirt. Im ersteren Falle ist die Locomotion für die Bespiration erforder- lich, im letzteren Falle dagegen bestehen beide von einander unabhängig, die Bespiration wird ohne Locomotion vollzogen, wobei besondere den Wasserwechsel besorgende , somit die Locomotion in dieser Hinsicht ersetzende Organe sich ausbilden. An beiden Organen ist damit die für die einseitige Weiterbildung nöthige Selbständigkeit gegeben. Die Ausbildung der Organe des Körpers betrifft nicht immer sämmt- liche in gleichem Maasse. Häufig bleibt das eine oder das andere auf einem niederen Zustande stehen , und es erhält sich so eine niedere Ein- richtung in einem sonst hoch differenzirten Organismus. Es ist daher irrig aus der Differenzirungshöhe des Organismus auf die einzelnen Organe 58 I. Aufbau des Thierleibes. zu schliessen . vielmehr sind die letzteren nur aus den gleichwertigen Organen anderer Organismen zu beurtheilen. Der durch die Dilferenziruns auf die Ausbildung wirkende Factor muss in der im Kampfe ums Dasein gesteigerten oder modificirten Lei- stung des Organ es , also in Anpassung an äussere Lehensbedingungen gesucht werden , wobei dann der Vererbung ihre Bedeutung zukommt, insofern diese nicht blos eine Fortsetzung der erworbenen Charaktere bedingt, sondern auch eine Steigerung derselben zu erzielen vermag. Eine gleichfalls von der Differenzirung abhangige , weil sie voraus- setzende gesetzmässige Erscheinung ist die Rückbildung oder Re- duetion. Ihr Resultnt ist an sich das Gegentheil des Resultates der Differenzirung. Letztere liefert Complicationen des Organismus, die Reduction dagegen Vereinfachungen , und lässt damit Organe oder Orgn- nismen wieder auf relativ niedere Stufen zurücktreten. In Beziehung auf den Gesammtorganismus und das Verhalten desselben zu anderen, leistet die Reduction jedoch ähnliches wie die Differenzirung, indem sie zur Mannichfaltigkeit der Formzuslände beiträgt. Sie kann entweder nur einzelne Einrichtungen des Körpers, oder grossere Organcornplexe , oder endlich den ganzen Körper betreffen, zeigt daher, wie die Differenzirung, sehr verschiedene Grade. Verschieden. ist sie wieder, je nachdem sie sich am Individuum, oder an der Art, oder an der Gattung äussert. Dort wird sie als ein Process , hier als ein Zu- stand wahrzunehmen sein, welch' letzteren man nur durch Vergleichungs- reihen verwandter Formen in die einzelnen Stadien eines Vorganges zer- legen kann. Hinsichtlich der ihr unterliegenden Organe sind zweierlei Verhältnisse zu unterscheiden. Das der Rückbildung unterworfene Organ, kann ausserhalb der Summe von Einrichtungen stehen, welche dem bezüglichen ausgebildeten Organismus zukommen, und besitzt dann nur eine vorübergehende, provisorische Bedeutung. Solche im Verlaufe der Entwicklung liegende Reductionen können an sich Vereinfachungen her- vorbringen, indem aber die gleichzeitig an anderen Theilen stattfindende Differenzirung wieder neue, höhere Organe schafft, ist jene Rückbildung kein den Organismus niederhaltendes Moment, vielmehr gibt sie für das Umsichgreifen einer anderen Richtung der Differenzirung eine Bedingung ab. Hieher gehören die Rückbildungen der Attribute gewisser Entwicke- lungszustände des Individuums (Larvenorgane). (Vergl. S. 6.) Die andere Art der Rückbildung betrifft Organe, die dem ausgebil- deten Organismus oder seiner Anlage angehören. Sowohl das bereits gebildete, in voller runetion erscheinende, als das erst angelegte, primär ditferenzirte Organ kann ihr unterliegen , und dadurch wird der Rück- c c 7 bildungsprocess in verschiedenem Alaasse deutlich. Wird nur das ange- legte Organ betroffen, so liegt der Vorgang oft schwer erkennbar zwischen den Differenzirungsprocessen , die den übrigen Organismus betreffen. Dagegen muss der Process um so prägnanter erscheinen, je mehr die Differenzirung bereits voreeschritten oder vollendet war. Diflerenzirung des thierischen Organismus. 59 Die Reduction eines Organes sieht in nothwendigem Zusammenhang mit der Function , deren Aenderung als das die Rückbildung bedingende Moment gelten muss. Die Aussergebrauchstellung eines Organs ruft dessen regressive Veränderung hervor, wobei man sich freilich die erstere ebenso wenig als nur vorübergehend , wie die letztere als plötzlich oder rasch auftretend vorzustellen hat. Wenn auch durch die Reduction im Ganzen eine Vereinfachung der Organe und damit auch des Organismus hervorgerufen wird, so ist da- durch noch keine den Organismus auf eine absolut tiefere Stufe führende Erscheinung gegeben. Vielmehr kann die Reduction, ähnlich wie sie bei Entfernung der Larvenorgane eine höhere Differenzirung möglich macht, auch für ganze Reihen von einander abstammender Organismen höhere Formen schaffen , indem sie das übrig bleibende sich höher entwickeln lässt. Hier gilt wieder die Reduction als Vorbereitung der Differenzirung. Vorwiegend betrifft sie die Zahleuverhältnisse der Theile , die mit der Verminderung sich individuell vervollkommnen. Da die Rückbildung als ein allmählich sich äussernder Process er- scheint, treten die davon betroffenen Organe uns in verschiedenen Stadien entgegen. Diese rudimentären Organe werden für die vergleichende Anatomie zu bedeutungsvollen Fineerzeieen für den Nachweis verwandt- schaftlicher Reziehungen , und lehren zugleich , wie ein Organ auch ohne die ihm ursprünglich zukommende Function, ja sogar häufig ohne eine für die Zwecke des Organismus verständliche Redeutung sich noch längere Zeit forterhält, ehe es völlig verschwindet. (Vergl. oben S. 7.) Die Rückbildung kann jedes Organsystem treffen, und an jedem Re- standtheil eines solchen sich kundgeben. Sie äussert sich ebenso an der Form wie am Volum und der Zahl der Theile, und trifft nicht minder die Texturverhältnisse. Die Redingungen dazu sind zunächst in Verhältnissen zu suchen , die ändernd auf den Organismus einwirken. Je nach der Summe der betroffenen Organe gibt sich die Reduction mehr oder minder am ganzen Organismus kund. Indem wir durch die Vergleichung überall Ausbildungen oder Rück- bildungen nachweisen können, erscheint uns der Organismus als etwas in Rewegung Regriffenes, durch die verschiedensten Formzustände hin- durchlaufend. Als Componenten dieser Rewegung stellen sich die Verän- derungen der einzelnen Organe dar, und in diesen wieder die Erschei- nungen im Rereiche der Elementar-Structur, der Zellen. Correlation der Organe. i 8. Die aus der Differenzirung wie der Reduction entstandenen Verände- rungen des Organismus bedingen in den ihnen zu Grunde liegenden Causalmomenten eine neue Erscheinuncsreihe. Wie schon aus dem Re- 60 I Aufbau des Thierleibes. griffe des Lebens als der harmonischen Aeusserung einer Summe gesetz- mässig sich bedingender Erscheinungen hervorgeht, kann keine Thätig- keit eines Organs in Wirklichkeil für sich bestehend gedacht werden. Jegliche Art von Verrichtung setzt eine Reihe anderer Verrichtungen voraus, und so muss auch jedes Organ innige Beziehungen zu den übrigen besitzen und wird von ihnen mehr oder minder abhängig sein. Jede Bewegung eines Muskels setzt die Existenz eines Nerven voraus. Für beide Organe ist wieder das Bestehen eines nutritorischen Apparates Vor- aussetzung. So tritt eine Function mit einer andern anscheinend fremden in nächste Beziehung. Dieses zuerst von Cuvier näher begründete, und als C or rela tion bezeichnete Verhalten bahnt uns den Weg, auf welchem wir zu einer richtigen Auffassung des thierischen Organismus aelaneen können. Vor Allem stellt sich hier obenan die Würdiaune des Organismus als eines individuellen Ganzen, das ebenso durch seine Theile bedingt ist, wie ein Theil den andern voraussetzt. Die Correlation ist eben darum ein nothwendiger Ausfluss dieser Auffassung. Sowohl die Einrichtungen im Grossen, als auch die anscheinend unter- geordneteren Zustände der Organisation zeigen ihre Wechselbeziehung zu einander, und eine an einem Organsysteme gesetzte Veränderung ruft gleichzeitig an einer verschieden grossen Anzahl anderer Apparate Modi- ficationen hervor. Diese sind also Anpassungen an Veränderungen, die wieder aus Anpassungen hervorgegangen sein können. Sie sind jedoch secundärer Natur, während jene andern die primären vorstellen, deren Quelle in der Aussenwelt zu suchen ist. Man kann diese Wechselbeziehung oder Correlation in nähere und entferntere theilen . davon die erstere an einem Organsystem oder den damit functionell zusammenhängenden anderen Organsystemen sich äussert, indess die letzlere an den functionell weiter abstehenden Orga- nen zur Erscheinung kommt. In der Beurtheilung der Correlation leiten wesentlich physiologische Principien, es ist daher zu ihrer Erkenntniss die Kenntniss der Leistungen der einzelnen Organe oder doch die Schätzung ihres Werthes für die Oekonomie des Thierleibes unerlässlich. Ebenso ist von Wichtigkeit die Bekanntschaft mit den äusseren Lebensverhält- nissen des Thieres , weil aus dieser sich die ursächlichen Momente ergeben , auf welche ganze Reihen von Beziehungen der Organe sich stützen. Indem so die bestimmenden Momente für die Veränderungen des Organismus ausserhalb des letzteren liegen oder doch zum grossen Theile dort zu suchen sind, stehen sie ausserhalb unserer Aufgabe. Die ver- gleichende Anatomie findet damit ihre Grenze , jenseits derselben noch ein weites aber öde liegendes Feld erkennend, auf dem bei einmal in Angriff genommener Bebauung für die biologische Erkenntniss nur reiche Ernten zu gewinnen sein würden. Grundformen des Thierkörpers. 61 Grundformen des Thierkörpers. § 49- Bei der unendlichen Mannichfaltigkeit der äusseren Zustände thieri- scher Organismen ist es Bedürfniss nach Grundformen zu suchen, auf welche jene Mannichfaltigkeit zurückführbar ist. Ebenso werden die Bedingungen zu ermitteln sein , unter deren Einfluss die bedeutendsten Modificationen jener Formen entstehen. Für beides können verschiedene Wege eingeschlagen werden. Wir wählen den kürzesten, indem wir von den niedersten Zuständen des thierischen Organismus ausgehen. Es ist der Zustand, in welchem die Gastrulaform sich uns darstellt und der bei der Verbreitung dieser Form für unsere Zwecke die günstig- sten Verhältnisse bietet. Bei etwa sphärischer oder ovaler Gestaltung eines solchen Organismus trifft man an einer Stelle der Körperoberfläche die Mundöffnung. Denkt man sich senkrecht durch die ver- dauende Cavität eine Axe (Fig. 16 A B) gelegt, so wird der eine der Mundöffnung entsprechende Pol den oralen Pol , der entgegengesetzte den aboralen Pol vorstellen. Diese Axe [A B) ist die Hauptaxe des Körpers. Bei gleichmässig cylindrisch oder sphärisch gestaltetem Körper kann man senkrecht zu dieser Hauptaxe beliebig viele Linien durch den Körper gezogen denken, die Nebenaxen {ab, cd). Sie werden unter obiger Voraussetzung sämmtlich unter sich gleichwerthig sein. Die Nebenaxen sind unter sich indifferent, und charakterisiren damit einen niederen Zustand. Sowohl bei vollständig freier Bewegung im Wasser als auch bei erfolgendem Sichfestsetzen, was selbstverständlich am ab- oralen Pole erfolgt, wird der Organismus sich durch Ausbildung einer verschieden grossen Zahl von Nebenaxen difl'erenziren , wo es sich um eine Erhaltung des Gleichgewichts nach den verschiedenen Bichtungen handelt. Wir beeesnen somit hier einem statischen Moment. Die Ausbildung des Organismus in der Bich- tung der Nebenaxen erfolgt entweder durch äussere Anhangsgebilde, Tentakel u. dergl. oder durch Differenzirung der Darmhöhle oder durch die Anlage anderer Or- gane, z. B. der Keimdrüsen, in der Bichtung jener Axen. Dabei werden nicht mehr alle beliebig gedachten Nebenaxen einander gleich sein. Die, in deren Bichtung Organe gesondert sind , werden sich von den anderen Fig. 16. Schematisuhe Darstellung der Körperaxen. A B Hauptaxe, ab, c d Nebenaxen. In der unte- ren Figur ist das Querschnittsbild der oberen mit 2 Nebenaxen an- gegeben. 62 I. Aufbau des Thierleibes. unterscheiden. Sie sind aus dem Zustande der vorherigen Indifferenz in jenen der Differenz übergegangen. Daraus ergibt sich die bei denCölente- raten waltende sogenannte strahlige Grundform des Leibes, die also nach dem oben er- wähnten Axenverhält- nisse zu beurtheilen ist. (Veröl. Fig. 17. Die Bedeutung der Mundöffnung für den Organismus lässt die in ihrer Nähe entstehenden Differenzirungen von besonderem Wertbe er- scheinen. Sie erlangen als Tentakel etc. eine mannichfache Ausbil- dung, und bedingen für den vom Munde einee- nommenen Körpertheil im Gegensatze zu dem aboralen Körpertheile eine reichere Gestal- tung. Entbehrt der Körper bei einem in der Rich- tung der Hauptaxe statt- findenden Wachsthum der Befestigung am Bo- den, so wird sich, wenn er letzlerem der Läniie nach sich auflagert, Fig. 17. Radiäre Grundform mit der Axenbezeichnung wie in vo- riger Figur. Auf das unten- stehende QuerschDitt.sbild ist die vordere Ansicht des Körpers ein- gezeichnet, um die in der Rich- tung von 2 Queraxen sich difte- renzirenden Anhangsgebilde (Ten- takel) darzustellen. Fig. Ib. Schematische Darstel- lung der Differenzirung der Ne- benaxen. In der Hauptfigur ist die Entstehung eines Kopftheiles durch ein dorsales Tentakelpaar angedeutet. Die untere Figur stellt den Querschnitt der oberen und damit die beiden Neben- UQ(i in dieser Weise die axen dar. Locomotion vollzieht, daraus ein Causalmoment für eine Aenderung der Bedeutung der Axen ergeben. Die Hauptaxe wird dieselbe bleiben, aber die Nebenaxen werden nach der Bedeutung der durch sie verbundenen Flächen diffe- rent werden müssen. Bei conslanter Berührung der Bodenfläche mittels einer und derselben Seite des Körpers bildet diese zur ventralen Fläche sich aus, indess die andere zur Rückenfläche sich gestaltet. Beide, Bauch- und Rückenfläche, stehen unter verschiedenen Bedingungen, müssen verschiedenartig sich differenziren, sowie auch beide Seiten- flächen — oder bei ganz flach ausgebreitetem Körper die Seitenränder — von Rücken- und Bauchfläche sich verschieden verhalten müssen. In diesen Verhältnissen spricht sich die Ausbildung von nur zwei Nebenaxen verschiedenen Werthes aus. Die eine verbindet Bauch- und Grundformen des Thierkörpers. 63 Rückenfläche, sie ist die Dorsoventral-Axe (Fig. 18 a b , die andere die beiden Seitenflächen (cd) des Körpers, sie ist die Transversal- oder Quer- axe. Die den Polen der ersten oder Dorsoventral-Axe entsprechenden Flächen sind einander ungleichwerthig, indess jene der Pole der Queraxe einander gleichwertig sind. In der Queraxe erhält sieb somit ein primi- tiver Zustand, der für die andere Nebenaxe durch die dorsoventrale Diffe- renzirung verloren ging. Diese zweite aus der Gastrula ableitbare Form, gewöhnlich als bilaterale Symmetrie bezeichnet, beginnt bei den Wür- mern und waltet von da an durch alle höheren Abtheilungen. Bei der im ersten Zustande bestehenden Indifferenz der Nebenaxen des Körpers können in der architectonischen Zusammensetzung des letz- teren ebenso beliebig viele bleiche Stücke angenommen werden als Ne- benaxen gedacht werden können. Mit der Differenzirung von Nebenaxen treten auch die am Körper zu denkenden Theilstücke in ein bestimmtes numerisches Verhallen. Sie werden als Gegenstücke, Anlinieren , be- zeichnet. Sind zwei Nebenaxen unter gleichem Verhalten different ge- worden , so bestehen vier Antimeren , da man den Körper der Richtung jener Nebenaxen gemäss in vier einander entsprechende Theile zerlegen kann. Bei dem Differentwerden von zwei ungleichen Nebenaxen setzt sich der Körper dagegen nur aus zwei Anlimeren zusammen : zwei Kör- perhälflen, in eine rechte und linke unterschieden, entsprechen einander. Damit ist die eudipleure Grundform ausgebildet. § 50. Die bereits vorhin angeführte, den oralen Pol vom aboralen aus- zeichnende Differenzirung verleiht diesem Körpertheile eine höhere Be- deutung. Wie bei der radiären Hauptform prägt sie sich aber auch bei der anderen, und zwar in noch mannichfaltigerer WTeise aus. Es ist nicht allein die Lage der Mundöffnung, welche in ihrer Nachbarschaft vielerlei als Hilfsorgane beim Einfangen oder bei der Aufnahme der Nahrung prak- tisch werdende Differenzirungen von Organen begünstigt, sondern es ist auch die grössere Bedeutung, welche dem vorderen Körperende bei der Locomotion zutheil wird. Diesem Theile kommt die Initiative zu. Er hat dem übrigen Körper den Weg zu bestimmen, oftmals auch zu bahnen; er begegnet tausend fremden Gegenständen , die er zu prüfen , zu suchen oder zu meiden hat. Er steht somit unter anderen äusseren Einwirkungen als der entgegengesetzte Körpertheil. Die Dignität dieser Beziehung der Lage erhellt aus dem Umstände, dass die Mundöffnung keineswegs stets dem vorderen Körperende entspricht, dass sie vielmehr häufig näher an die ventrale Fläche rückt, oder sogar völlig auf diese übergeht, ohne dass die Ausbildung des vorderen Körperendes eine Einbusse erleidet. Diese Ausbildung des vorderen Körpertheiles erfolgt vornehmlich durch Entfal- tung von Sinnesorganen mancherlei Art , also von Organen , welche die Beziehung des Organismus zur Aussenwelt vermitteln, und selbst wieder 64 I- Aufbau des Thierleibes. mit mannichfaltigen Hilfsorganen verknüpft sind. Damit steht die Aus- bildung des centralen Nervenapparates in engstem Connexe. Der ganze Abschnitt erlangt damit einen höheren Werth für den Gesammtorganismus, denn er birgt und trägt die, letzteres zu höherer Stufe hebenden und ihn sogar beherrschenden Organe. Wir unterscheiden daher diesen vorderen Körpertheil als einen bevorzugten, als Kopf. Die Differenzirung eines Kopfes erscheint also primär von der Lage der Mundöffnung abhängig. Diese bestimmt die Richtung der Locomotion , und von dieser aus , somit secundär, gewinnt der Yordertheil des Körpers seine mannichfaltigen Auszeichnungen. Das Auftreten eines Kopfes ist zugleich eine den ganzen Körper betreffende Sonderung, indem dieser dadurch mindestens in zwei sich verschieden verhaltende Abschnitte getheilt werden kann. Metamerie des Körpers. §51. Die einheitliche Gestaltung des Organismus ist nur für niedere Zu- stände charakteristisch, sei es bleibend bei fast allen Cölenleraten , oder in den unteren Klassen der Würmer, sei es vorübergehend in den höheren Abtheilungen des Thierreiches. Mit dem Wachsthume des Körpers zu be- deutenderer Länge sehen wir den Beginn der Zerlegung des Organismus in einzelne sich folgende Abschnitte , äusserlich bemerkbar durch tren- nende Einschnitte, oder durch regelmässige Vertheilung von Anhangs- gebilden, Fortsätzen des Körpers ; innerlich ausgeprägt durch die Anord- nung der Organe nach den einzelnen sich folgenden Abschnitten. Wir bezeichnen diese Segmentirung des Körpers als Metamerie, die einzel- nen Segmente sind Folgestücke, Metamer en. Die den Körper gliedernde Metamerie beruht wiederum auf einer Differenzirung. Aus dem anfänglich gleichartigen, indifferenten, geht verschiedenes hervor, und die einzelnen Metameren sind verschieden, sie sind etwas neues im Gegensatze zum früheren Zustande, sie sind aber auch, bei aller Gleichartigkeit verschie- den unter sich, nämlich durch die ihnen zukommende Lage. Die Metamerie ist nicht überall, wo sie wahrnehmbar, gleich deutlich ausgeprägt. Bald zeigt sie sich an diesem oder jenem Organ oder Organ- system mehr als an einem andern, und bei wieder anderen Organen kann sie gänzlich vermisst werden. Sie lässt Zustände des Beginnes und der nicht ausgeführten Beendigung mannichfach erkennen. Wo man sie am vollständigsten entfaltet trifft, beherrscht sie den ganzen Organismus, ist an allen Organen ausgeprägt, so dass jedes Metamer seine besonderen Or- gane besitzt, und einzelne allen Metameren gemeinsame Organsysteme wieder nach den Metameren besonders differenzirt erscheinen (Bauch- ganglienkelte) . Der Organismus wird dadurch zu einem vieltheiligen. Daran knüpfen Zustände an, in welchen den Metameren eine selbständige Bedeutung zukommt. In dem Maasse als ein Metamer die Abhängigkeit Grundformen des Thierkorpers. 65 vom Gesammtorganismus durch die Ausbildung seiner eigenen Organe aufgibt, emancipirt er sich vom Ganzen, und gewinnt die Befähigung zu freier Existenz. Daher leiten sich manche Erscheinungen ab, die man als Sprossung bezeichnet Würmer) . § »f Ein causales Moment für die Metamerie darf wohl, wie oben ange- deutet, im Wachsthum gesucht werden. Man kann sich vorstellen, dass mit dem Auswachsen des Körpers in die Länge an einzelnen daran theil- nehmeuden Organsystemen eine stellenweise, für den Organismus prak- tisch werdende Ausbildung Platz greift. So ist die äusserliche Metamerie mit der Beweglichkeit des Körpers in Zusammenhang zu bringen , und vielleicht nimmt von da aus die gesammte Erscheinung ihren Anfang. Manche Thatsachen sprechen dafür. Jedenfalls sind zahlreiche Beispiele für die allmähliche Ausbildung der Metamerie vorhanden, die nicht sofort an allen Organsystemen sich ausspricht. Eine sichere Begründung steht noch aus. Das gilt auch bezüglich des Zusammenhangs mit der Sprossung, die wiederum vom Wachsthum sich ableitet. In manchen Fällen hat es zwar den Anschein, als ob die Sprossung zur Metamerie hinführe, so dass die Metameren Sprossen vorstellten , die mit dem Organismus in Zusam- menhang blieben, und nur iu einzelnen Fällen eine höhere Individualitäts- stufe erreichten. Allein einer Verallgemeinerung der Bedeutung dieses Vorganges stehen viele Thatsachen unvollkommener Metamerie im Wege, so dass in ihm keineswegs der ausschliessliche Grund der Metamerie ge- funden werden kann. Durch die Metamerie wird eine Vervol lkommnung des Orga- nismus angebahnt. Er empfängt durch sie einen grösseren Reichthum von Organen, wenn diese anfänglich auch nur Wiederholungen einer und derselben Einrichtung vorstellen. Mit der grösseren Unabhängigkeit der einzelnen Abschnitte wird deren Action freier , und endlich wird in der grösseren Summe einzelner Organe der Differenzirung ein weiter Spiel- raum geboten. Diese gewinnt denn auch überall Boden , und gestallet unter Vermannichfaltigung der Function die den einzelnen Metameren zugetheilten Organe in verschiedener Richtung um. Ausbildung und Rückbildung der metameren Organe verleihen den Metameren verschie- denen Werth, und führen zu einer Differenzirung der Metameren selbst, die äusserlich in Umfang und Form derselben sich verschiedenartig aus- drückt. Damit verlieren die Metameren ihre ursprüngliche Gleichartig- keit. Auch das Maass ihrer Selbständigkeit verringert sich, und Summen anfänglich discreter Metameren verschmelzen allmählich zu grösseren Ab- schnitten. So gehen Metamerencomplexe hervor, an deuen die Zusammen- setzung aus Theilstücken des Körpers nur noch angedeutet ist, oft nur in Spuren erkennbar. Bald sind es grössere Abschnitte des Körpers, welche diese Goncrescenz eingehen, bald kleinere. Im Ganzen wird wieder Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 5 66 I. Aufbau des Thierleibes. dadurch eine Differenzirung am Organismus ausgeprägt, indem derselbe dann theils aus noch freien, selbständigen, theils aus verschmolzenen Metameren besteht. Endlich besteht auch ein Untergang der Metamerie und dann sind es nur noch einzelne Organe . welche für die einmal be- standen habende Erscheinung oft schwer verständliches Zeugniss geben. Alle Zustände der Metamerie bilden somit ebenso viele Quellen, aus denen dem Organismus eine Vermannichfaltigung seiner äusseren und inneren Organisation erfliesst. Vergleichung der Organe. § 53. Die Wandelung der Organisationsverhältnisse in den einzelnen grösseren und kleineren Abtheilungen des Thierreichs lässt uns beim ersten Blicke mehr die Verschiedenheit als die Uebereinstimmung wahr- nehmen. Diese tritt um so mehr hervor, je bedeutender die Divergenz ist, welche die einzelnen Abtheilungen darbieten. Es ist aber Aufgabe der vergleichenden Anatomie, den Veränderungen der Organisation nach- zugehen und aus dem Veränderten, Umgewandelten das Gleichartige auf- zusuchen, wie tief verborgen es auch liegen mag. Gleichartig kann aber ein Organ mit einem anderen in doppeltem Sinne sein. Einmal nach seinen funclionellen Beziehungen, also in physiologischer Hinsicht, dann aber auch nach seinem genetischen Verhalten sowie in seinen anatomi- schen Beziehungen, also vom morphologischen Gesichtspunkte aus. Beide Beziehungen eines Organs sind scharf auseinander zu halten. Der Wechsel der Function bei einem und demselben Organe, ebenso wie die Gleich- artigkeit der Verrichtungen von morphologisch sehr differenten Orgauen veranlassen der physiologischen Beziehung einen untergeordneten Werth bei der Vergleichung zuzutheilen. Die Kieme eines Fisches und die Kieme eines Krebses oder eines Cephalopoden sind Organe der Athmung, sogar mit einem in manchen Punkten übereinstimmenden Bau , und doch sind alle drei morphologisch bedeutend verschiedene Gebilde, wie sich aus ihrem Verhalten zum Gesammlorganismus ergibt. Die Betonung der Gleichartigkeit der Function würde also morphologisch differente Organe zusammenbringen und damit vom Ziele der vergleichenden Anatomie sich entfernen. Wir scheiden demnach die physiologische Gleichartigkeit als Analogie von der morphologischen, als Homologie und betrachten nur den Nachweis der letzteren als unserer Aufgabe gemäss. Die Homologie liegt um so offener, je kleiner die Abtheilung ist, aus der die Vergleichungsobjecte stammen. Sie entspricht demnach dem supponirlen Verwandtschaftsverhältniss. In der mehr oder minder deut- lichen Homologie drückt sich der nähere oder entferntere Grad der Ver- wandtschaft aus. Er wird in dem Maasse zweifelhaft als der Nachweis Vergleichung der Organe. 67 von Homologien sich unsicher gestaltet. Wie weit die Homologie sich durch das ganze Thierreich erstreckt, ist daher noch keineswegs fest zu bestimmen. Jedenfalls haben zahlreiche Forschungen eine grössere An- zahl homologer Einrichtungen selbst für sonst divergente Abtheilungen aufgedeckt, und damit die Grenzen der Homologie weiter hinaus gerückt, als früher anzunehmen gestattet war. Die Homologie wird in Folge der verschiedenen Art, welche die morphologische Uebereinstimmung bieten kann, in zwei Hauptabtheilungen gespalten, eine allgemeine und eine specielle Homologie. § 54. I. Allgemeine Homologie besteht, wenn ein Organ auf eine Kategorie von Organen bezogen wird, oder wenn ein damit verglichenes Einzelorgan nur als Repräsentant einer solchen Kategorie zu gelten hat. Die Kategorien werden dann immer aus mehrfach im Körper vorhandenen Organen oder Theilen bestehen. Wenn wir die Körpersegmente eines Gliederthieres, die Wirbel, die Gliedmassen eines Thieres etc. unter einander vergleichen , begründen wir allgemeine Homologien. Diese löst sich wieder in Unterabtheilungen auf, nach der Art der Organkategorie, die bei der Vergleichung diente. 1) Homotypie,an Organen, die sich als Gegenstücke zu einander verhalten, z. B. die Organe der beiderseitigen Körperhälften; die rechte Niere ist der linken, das rechte Auge dem linken homotyp u. s. w. Wenn diese Beispiele die Notwendigkeit der Aufstellung dieser Abtheilung nicht hervortreten lassen, so ist dabei zu erwägen, dass homotype Organe nicht immer gleich sich verhallen. Oft sind sie so umgeformt, dass die Homo- lypie unkenntlich geworden und eine Aufgabe der Forschung vorstellt. 2) Homodynamie (die allgemeine Homologie Owen's, z. Th. auch dessen Homologie der Reihe in sich begreifend), zwischen Körpertheilen bestehend, die auf eine allgemeine, durch Reihenfolge sich äussernde Formerscheinung des Organismus sich beziehen. Dadurch , dass diese Theile, den Typus des Organismus bestimmend, in der Längsaxe des- selben angeordnet sind , unterscheidet sich die Homodynamie von der nächstfolgenden Art. Homodyname Theile sind die Metameren, also: die Segmente der Gliederthiere , Wirbelabschnitte (Urwirbel) der Verte- braten etc. 3) Homonomie. Sie bezeichnet das Verhältniss derjenigen Körper- theile zu einander, die an einer Queraxe des Körpers, oder nur an einem Abschnitte der Längsaxe gelagert sind. Die Strahlen der Brust- und Bauchflosse der Fische , die einzelnen Finger und Zehen der höheren Wirbel thiere sind homonome Gebilde. Ausser diesen Unterabtheilungen der allgemeinen Homologie sind noch andere unterscheidbar, die jedooli von sehr untergeordneter Be- deutung sind. 58 I. Aufbau des Thierleibes. § 55. II. Specielle Homologie, Homologie im engeren Sinne. Wir bezeichnen damit das Verhältniss zwischen zwei Organen gleicher Abstammung, die somit aus der gleichen Anlage hervorgegangen sind. Da das Aufsuchen der speciellen Homologieen genaue Nachweise der ver- wandtschaftlichen Beziehungen erfördert, so ist die Vergleichung inner- halb der niederen Abiheilungen des Thierreiches meist nur auf die Organsysteme beschränkt; erst bei den Wirbelthieren vermag sie sich auf entere Verhältnisse zu erstrecken. Wir können so z. B. unter den Wür- mern oder bei den Mollusken kaum einzelne Abschnitte des Darmrohres mit Sicherheit als homolog bezeichnen, indess wir bei den Wirbelthieren sogar unansehnlichere Gebilde (z. B. die Cöcalbildungen des Darmes, von den Amphibien an) mit Entschiedenheit als homolog erklären können. Am bestimmtesten sind die Homologieen an Skelettheilen , den genauest durchforschten Organen nachweisbar. Der Nachweis der speciellen Homo- logieen bildet einen grossen Theil der Hauptaufgabe der vergleichenden Anatomie. Die specielle Homologie muss wieder in Unterabtheilungen zerfallt w?erden, je nach dem Zustande der bezüglichen Organe, die entweder in ihrem morphologischen Befunde wesentlich unverändert, oder in dem- selben durch Hinzutreten oder Wegfall von Theilen geändert sind. Ich unterscheide daher : 1) Complete Homologie, wenn das bezügliche Organ, zwar in Gestalt, Umfang und manchen anderen Beziehungen modificirt, sich in Lage und Verbindung unverändert und vollständig erhalten hat. Diese Homolosie findet sich meist innerhalb der engeren Abtheiluneen. seltener bei den weiteren. Complete Homologie zeigen z. B. die Oberarmknochen von den Amphibien bis zu den Säugethieren, das Herz der Amphibien und Reptilien u. s. w. 2) Incomplete Homologie. Diese besteht darin, dass ein Organ im Verhältniss zu einem andern ihm sonst völlig homologen noch andere, jenem fehlende Theile mit umfasst, oder umgekehrt: dass ein Organ im Verhältniss zu einem andern um einen Bestandtheil vermindert ist. Als Beispiel mag das Herz der Wirbelthiere dienen. Von den Cyclostomen an ist das Organ durch die ganze Abtheilung der Verlebraten homolog; die Homologie ist aber incomplet, denn bei den Fischen liegt noch ein Theil. der Venensinus, ausserhalb des Herzens, der in den höheren Abthei- lungen ins Herz aufgenommen wird, und z. B. bei den Säugethieren in den rechten Vorhof übergegangen ist. Die Homologie zwischen Fisch- und Säugethierherz ist also incomplet durch Zunahme. In einem andern Falle kann sie durch Abnahme unvollständig sein. Der umgekehrte vorige Fall könnte hier ebenfalls als Beispiel dienen , wenn es gestaltet wäre, das Fischherz als eine Reduction aufzufassen. Ein Beispiel bietet sich an Systematische Gliederung des Thierreiches. 69 den Brustflossen der Fische. Das Skelet dieser Organe befindet sich bei den Gano'iden oder Teleostiern durch Reduction in incompleter Homologie zu jenem der Selachier. Hier sind Theile verschwunden . die demselben Organe ursprünglich angehörten , wie im ersterwähnten Beispiele Theile zu einem Organe hinzukamen, die, obwohl anfanglich vorhanden, ihm doch nicht angehörten. Systematische Gliederung des Thierreiches. § 56. In der Gesammtorganisation jedes Thieres erkennt man eine Summe von Einrichtungen, welche es mit einer verschieden grossen Anzahl an- derer Thiere gemeinsam hat. Diese Verhältnisse sind theils allgemeiner Natur, betreffen die Lagerungsbeziehungen der wichtigsten Organsysteme oder deren Anordnung, theils finden sie sich in specieller Ausführung der einzelnen Organe , und gehen da bis zu Uebereinstimmungen der Form-. Volum- und Zahlenverhältnisse herab. Der ordnende Geist des Menschen hat für diese Beziehungen der Organismen zu einander bestimmte Begriffe geschaffen , indem er die Summe aller sich im Wesentlichen gleich ver- haltenden Individuen als Art bezeichnete, die durch eine Anzahl von Ein- richtungen einander ähnlich erscheinenden Arten zur Gattung vereinigte und endlich diese wieder in grössere Abtheilungen, zu Familien, Ordnungen und Klassen verband. Daraus entstand das zoolo- gische System, welches auf Erkennung und Verknüpfung des Ueber- einstimmenden, Unterscheidung des Getrennten beruhend, sich als der Ausdruck der Gesammterkenntniss des Thierreiches ergibt. So lässt sich das gesammte Thierreich in eine Anzahl grösserer Ab- iheilungen bringen, deren jede durch eine Summe von Eigenthümlich- keiten von der anderen verschieden ist. Der daraus resullirende Cha- rakter zeigt sich durch alle Unterabtheilungen und lässt sich selbst bei grosser Verschiedenheit des Einzelnen noch erkennen. Dies hat man als »Typhus« bezeichnet. Typus bedeutet also eine Summe am Organismus sich äussernder Charaktere, die innerhalb einer grössern Abtheilung des Thierreiches herrschend sind, indem sie sowohl im Laufe der Entwicke- lung als im ausgebildeten Zustande sich aussprechen. Danach sind solch' grössere, von anderen durch gewisse Grundzüge der Organisation ver- schiedene Abtheiluugen selbst als »Typen« bezeichnet worden. Bei jedem. Typus bemerken wir an den ihn zusammensetzenden Abtheilungen eine Variation der Einrichtungen, so zwar, dass nicht selten gerade das für den Typus Charakteristische in einzelnen Formen verloren zu gehen scheint. Dann ist es immer die Ontogenie , welche den Zu- sammenhang der betreffenden Organismenformen mit dem »Typus« er- kennen lässt. 70 1. Aufbau des Thierleibes. Wenn wir die Uebereinstimmung der Organisation verschiedener Individuen aus deren gemeinsamer Abstammung zu erklären vermögen, und damit uns vorstellen, dass jene Uebereinstimmung auf einer Ver- wandtschaft beruht, so werden wir entferntere Aehnlichkeiten auch auf Rechnung einer entfernteren Verwandtschaft setzen dürfen. Die einer Art (Species) angehörenden Individuen betrachten wir somit als unter einander näher verwandt, als die Repräsentanten verschiedener Arten , und innerhalb der Art werden wieder die durch einzelne Reson- derheiten ausgezeichneten Individuen , die man als Unterart (Subspecies) zu vereinigen pflegt, gleichfalls von gemeinsamen Eltern abzuleiten sein. Diese innerhalb kleinerer Kreise sich kundgebende Erscheinung, dass die Eigenthiimlichkeiten der Organisation sich durch Vererbung auf andere Individuen fortsetzen , in dieser Weise anzuerkennen , trägt Nie- mand Redenken. Zum grossen Theil unterstellt sie sich sogar der directen Beobachtung dadurch , dass sie uns die Nachkommenschaft den Eltern ähnlich zeigt. Indem wir diese Auffassung der Verwandtschaft auch auf weitere Kreise übertragen, das Gemeinsame der Organisation als die Folge der gemeinsamen Abstammung beurtheilend und die Divergenz der Orga-' nisatiou von Anpassungen ableitend, stellen wir uns auf den Standpunkt der Descendenztheorie. (Vergl. §§. 4 u. 5.) Wir fassen demzufolge die als »Typen « bezeichneten grossen Abtheilungen als Stämme (Phylen) auf, damit das Gemeinsame, Typische in dem ihnen zu Grunde liegenden Momente bezeichnend. Innerhalb eines Stammes hat sich eine thierische Organisationsform nach den verschiedensten Richtungen hin entfallet, die allmählich vom Einfachen zum Complicirteren , vom Niederen zum Höheren hinleilen. Aus einer fortgesetzten Differenzirung lassen sich die Kategorien ableiten, die wir als Arten , Gattungen , Familien , Ordnungen , Klassen unterschei- den. Diese Unterabtheilungen entsprechen den Ramificationen des Stam- mes, in denen die Divergenz des Charakters sich ausprägt. Wenn die Verschiedenheiten der Klassen, Ordnungen etc. von einan- der so bedeuteud sind, dass sie gänzlich unvermittelt sich darstellen, so haben wir hiebei in Erwägung zu ziehen , dass in den lebenden Formen uns nur die letzten Ausläufer grossarlig verzweigter Entwickelungsreihen von Organismen vorliegen , die in früheren oft in weitester Ferne liegen- den Zeiträumen lebten und allmählich untergegangen sind. Zum Theil, wenn auch nur zum allergeringsten, bezeugen dies die paläontologischen Urkunden. Es sind die in den Erdschichten erhaltenen Reste unter- gegangener Wesen, welche die Vorläufer, theilweise auch die Stammellern der später lebenden Organismen waren. Da die lebenden nur einen klei- nen Bruchtheil der gesammten Organismenwelt bilden, die im Laufe der geologischen Entwickelungsperioden existirte , so können wir nicht er- warten , dass weit zurückliegende Verbindungen überall gleich deutlich hervortreten, dass überall die Uebergänge nachweisbar und der genealo- gische Zusammenhang klar und über allen Zweifel sich erkennen lasse. Systematische Gliederung des Thierreiches. 71 Es gilt also vielmehr aus Fragmenten eine Zusammensetzung des Ganzen zu versuchen, verlorne Spuren der Zusammengehörigkeit zu finden. In den Organisationen der Thierkörper diese Nachweise eines genetischen Zusammenhanges zu liefern, bildet den wichtigsten Theil der vergleichend- anatomischen Aufgabe. Nach dieser Auffassung haben wir uns für jeden Stamm eine von einer Urform ausgehende Entwickelungsreihe von Organismen vorzu- stellen , die während der geologischen Entwickelung sich in viele Aeste und Zweige differenzirte , von denen die meisten während verschiedener Perioden zu Grunde gingen, während einzelne, wenn auch grösstentheils verändert, bis heute sich lebend erhielten. Das in diesen vielfachen Ditferenzirungszuständen sich forterhaltende, von der Stammform her sich mit Modifikationen vererbende Gemeinsame bildet das Typische der Organisation. Nicht für alle grossen als Typen aufgefasste Abtheilungen ist gemein- same Abstammung der zugehörigen Formen in gleichem Maasse nachweis- bar. Für manche Abtheilung ist sogar eine polyphyletische Genese in hohem Grade wahrscheinlich, so dass andere als genealogische Gründe die bezüglichen Organismen vereinigen lassen. Solche Abtheilungen dür- fen dann nicht als Stämme beurtheilt werden. Solchen Verhältnissen begegnen wir gleich bei den niedersten For- men, in dem Grenzgebiete gesen das Pflanzenreich. Da es Organismen gibt, bei denen eine Reihe von Erscheinungen vermittelnde Zustände nach dem einen wie nach dem anderen Reiche erkennen lässt, wird es schwer, eine Grenze zu finden. Diese setzt die Feststellung des Regriffes Thier oder Pflanze voraus. Für den thierischen Organismus wird das Ge- meinsame der Differenzirung als charakteristisch gelten können. Diese besteht in der Sonderung zweier Körperschichten, die oben (§ 28) als Ecloderm und Entoderm bezeichnet wurden, und von denen die Keim- blätter der höheren Abtheilungen sich ableiten Hessen. Die Ausschliessung aller übrigen niederen , diese Sonderung nicht eingehenden Organismen vom Thierreiche lässt aber manche zum Verständniss der thierischen Or- ganisation wichtige Erscheinung ausser Retracht gerathen. Wie sehr es daher auch gerechtfertigt sein mag; jene niedere ausserordentlich man- nichfaltige Org;inismenwelt als ein besonderes, zwischen Thier- und Pflanzenreich zu stellendes, für beide die Anfänge umschliessendes Reich, das der Protisten, zu behandeln, so erfordert unsere, auch die An- knüpfungen an diese niedersten Organismen mit umfassende Aufgabe, doch auch ein Eingehen auf jene. Wir fassen daher eine Anzahl von Ab- theilungen der Protisten , welche nähere Reziehungen zu Thieren als zu Pflanzen besitzen, als Protozoen zusammen. Da ihre genetischen Ver- hältnisse zu einander völlig dunkel sind, kann die aus diesen Organismen 72 I. Aufbau des Thierleibes. gebildete Abtheilung nicht als ein »Stamm« betrachtet werden. Dem ent- spricht auch der Mangel eines gemeinsamen Typus. Wir sehen sie also als niedere, unter den Protisten am meisten den Thieren nahekommende Organismen an . denen nicht die einzelnen Abtheilungen der höheren thierischen Organismen , son- dern sämmtliche Abtheilungen derselben sich gegenüberstellen. Das erfordert ein Zusammenfassen der letzteren zu einer ein- zigen Gruppe, die man als Metazoen be- zeichnet hat. Protozoen und Metazoen sind nicht scharf geschiedene Abtheilungen. Fig. 19. Ga- strulastadium von Dicyema typus. Fig. 20. Wurniförmiger Embryo von Dicyema typus. iNach E. van Beneden.) SO ganz Bei den Protozoen sind nicht wenige aus einer Mehrzahl von Zellen zu- sammengesetzte bekannt. Es ist also mehr die Anordnung der Zellen in Schichten von bestimmtem functionellen Werthe, wodurch der metazoische Organismus charakterisirt ganz 33 wird. Hiefür scheinen zu bestehen , in welchen die vollständig sich darstellen. allmähliche Anfänge fö r Schichten noch un- Wir finden Reprä- sentanten hiefür in den in den sogenannten Ve- nenanhängen der Gephalopoden parasitisch leben- den Dicyemen , welche deshalb einer besonderen verdienen. Aus der Theilung einer in welchem Erwähnung :)! Fig. 21. Wurmförmiger Em- bryo von Dicyema typus. n Kern der Entodermzelle. (Nach E. van Beneden.) Keimzelle geht ein Zellenhaufen hervor eine einzelne grössere Zelle von einer Anzahl kleine- rer in Gestalt einer zusammenhängenden Schichte umschlossen wird. Die centrale Zelle repräsentirt das Entoderm und ist nur an einer kleinen Stelle von der peri- pherischen , das Ectoderm vorstellenden Schichte, unbedeckt (Fig. 19). Die Entodermzelle wächst bedeutend in die Länge, mancherlei Differenzi- rungen ihres Protoplasma darbietend. Sie bildet die Grundlage des langgestreckten Körpers , und bleibt von den gleichfalls wachsenden , aber sich nur wenig vermehrenden Ectodermzellen bedeckt. Diese lassen feine Cilien hervorsprossen und bilden das Schutz- und Bewegungsorgan des Körpers, in- dess der in der Axe des Körpers liegenden Ento- dermzelle eine nutritorische Bedeutung sowie die Function der Fortpflanzung zukommt, denn in ihr bilden sich die nach zwiefachem Typus angelegten Keime der jungen Brut. (Fig. 20. 21.) Der Organismus von Dicvema zeigt sich somit als ein zweischichtiger Systematische Gliederung des Thierreiches. 73 mit functioneller Scheidung der beiden Schichten, davon die innere die morphologisch geringste Differenzirung besitzt, indem sie nur aus einer einzigen Zelle besteht. Ob darin ein primitiver Zustand sich ausspricht, ist jedoch deshalb nicht völlig sicher , weil die parasitische Existenz der Dicyemen die Rückbildung eines mehrzelligen Entoderms bedingt haben kann. Da aber in der klar liegenden Entwickelungsreihe dieser Thiere stets nur Eine Entodermzelle vorkommt , gewinnt der Befund an Bedeu- tung. Wie sich unter den Protozoen die mehrzelligen Formen in allmäh- lichen Uebergängen an einzellige anschliessen , aus denen sie sich her- vorgebildet haben werden . so zeigt nun unter den Metazoen Dicyema den Anfang einer Zellschichten- Sonderung des Körpers, wenn auch noch nicht in der Höhe der den Uebrigen zu Grunde liegenden Einrichtung, doch bereits in derselben Richtung , wie sie dort zum Ausdrucke kommt. van Beneden, Ed. , Recherches sur les Dicyemides. Bull. Acad. Belg. XLI. u. XLII. 4876. § 58. Die Abtheilungen der Metazoen führe ich, die Dicyemen übergehend, in folgenden auf: 1. Cölenteraten, 2. Würmer, 3. Echinodermen, 4. Arthropoden, 5. Bra chiopoden, 6 . Mollusken. 7 . Tunicaten, 8. Vertebraten. Diese Abtheilungen repräsentiren der Mehrzahl nach einzelne Thier- stämme, deren jeder in verschiedenem Maasse höhere und niedere Formen umschliesst. Aber der Grad der Organisationsentfaltung ist in jedem der- selben verschieden , wie auch ihr Umfang ein verschiedener ist. Die in jeder Abtheilung sich äussernde Divergenz der Organisation gibt sich ebenso in den Beziehungen der ersteren zu einander kund, und es lassen sich in den niederen Stämmen Ausgangspunkte für die niederen Formen höherer Stämme erkennen. Damit ordnen sich diese grossen Abtheilungen in genealogische Gliederung. Für die einzelnen Abtheilungen ist das sie trennende Maass der Entfernung ein verschiedenes, eigentümlich für jedes einzelne Verhältniss. Das Verhalten der einzelnen grossen Abthei- lungen zu einander lässt sich in folgendem Stammbaume darstellen. 74 I. Aufbau des Thierleibes. Vertebrata Arthropoda Brachiopoda Echinodermata Vermes Coelenterata Protozoa Die genauere Umgrenzung der einzelnen Abtheilungen wird in den speciellen Capiteln gegeben werden, ebenso die Motivirung der hier nur angedeuteten verwandtschaftlichen Beziehungen. Literarische Hilfsmittel der vergleichenden Anatomie. § 59. Für die wissenschaftliche Orientirung im Gesammtgebiete der Morphologie, vornehmlich bezüglich der in den vorhergehenden Paragraphen von mir nur in grosster Kürze behandelten Fragen ist als Hauptwerk zu sorgfältigem Studium zu empfehlen : Hackel , E. , Generelle Morphologie der Organismen. Allgemeine Grundzüge der Formenwissenschaft, mechanisch begründet durch die von Ch. Darwin reformirte Descendenztheorie. 2 Bde. Berlin 4 866. Literarische Hilfsmittel der vergleichenden Anatomie. 75 Ausserdem behandeln die Morphologie in fördernder Weise: Leuckart, R., Die Morphologie und die Verwandtschaftsverhältnisse der wirbellosen Thiere. Braunschweig 1848. Carus, V.. System der thierischen Morphologie. 1853. Bronn, Morphologische Studien über die Gestaltungsgesetze der Naturkörper. Leipzig und Heidelberg 1858. a. Von umfangreicheren Werken über das ganze Gebiet der ver- gleichenden Anatomie : Cuvier, G., Lecons d'anatomie comparee recueillies .et publiees par Dumeril et Duvernoy. 5 vols. Paris 1 798— 1 805. Unter dem Titel : Vorlesungen über vergl. Anatomie, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von H. Froriep und J. F. Meckel. 4 Bde. Leipzig 1809— 10. , Lecons etc., recueillies et publiees par Dumeril. Seconde edition. 8 Tomes. Paris 1835—46. Meckel, J. F., System der vergleich. Anatomie. 6 Bde. Halle 1821—33 (unvollendet, Geschlechtsorgane fehlen). Milne-Edwards, H., Lecons sur la physiologie et l'anatomie comparee de l'homme et des animaux. T. I— XII. Paris 1857— 76. Noch unvollendet. Leydig, F., Vom Bau des thierischen Körpers. I. Band. 1. Hälfte. Tübingen 1864. b. Als Lehr- und Handbücher der vergleichenden Anatomie : Carus, C. G., Lehrbuch der Zootomie. Leipzig 1818. Zweite Auflage als Lehrbuch der vergl. Zootomie. 2 Bde. Leipzig 1834. Wagner, R. , Handbuch der vergleichenden Anatomie. 2 Bde. Leipzig 1834. Neue Auflage als: Lehrbuch der Zootomie. 2 Bde. Leipzig 1843 — 48. (Zweiter Band, die Anatomie der wirbellosen Thiere enthaltend, von H. Frey und R. Leuckart.) v. Siebold und Stannius, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. 2 Bde. Berlin 1845. Zweite Auflage als Lehrbuch der Zootomie. Bis jetzt nur Band I. Heft 1 — 2, Anatomie der Fische und Amphibien enthaltend, erschienen. Wird fort- gesetzt. Bergmann, C. und Leuckart, R., Anatomisch -physiologische Uebersicht des Tier- reiches. Stuttgart 1852. Schmidt, 0., Handbuch der vergl. Anatomie. Siebente Auflage. Jena 1876. Owen, R., Lectures on the comparative anatomy and physiology of the invertebrate animals. 2. Auflage London 1S55. — Of the vertebrate animals P. I. Fishes. London 1846. Jones, Rymer, General outline of the Organisation of the animal kingdom, and manual of comparative anatomy. 4th. Edit. London 1871. Harting., P. , Leerboek van de Grondbegiriselen der Dierkunde in hären geheelen Omvang. Deel I -III. Tiel 1864—74. Enthält auch die vergl. Anatomie. St. George Mivart , Lessons in elementary anatomy. London 1873. (Einführung in die Anatomie des Menschen.) c. Iconograpbische Darstellungen vom Baue der Thiere bieten : Carus, C. G., und Otto, Erläuterungstafeln zur vergleichenden Anatomie. 8 Hefte. Leipzig 1826—52. Wagner, R., Icones zootomicae, Handatlas zur vergl. Anatomie. Leipzig 1841. 76 I- Aufbau des Thierleibes. Literarische Hilfsmittel etc. Schmidt, 0., Handatlas der vergl. Anatomie. Jena 1852. Carls, V., Icones zootomicae. Leipzig 1857. Erste Hälfte. (Wirbellose Thiere.) Leydig, F., Tafeln zur vergl. Anatomie. Erstes Heft. Tübingen 1864. d. Vergleichende Gewebelehre : Leydig, F., Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thtere. Frankf. 1857. e. Ontogenie. Foster, M. and Balfocr, F. M., The Elements of Embryology. London. Macmillau a. Co. P. i. 1874. , Dasselbe. Deutsche Ausgabe v. N. Kleinenberg. Leipzig 1876. Kölliker, A., Entwickelungsgeschichte des Menschen u. der höheren Thiere. 2. Aufl. 1. Hälfte. Leipzig 1876. Ausser diesen Werken ist auf zahlreiche Monographieen zu verweisen, sowie auf Abhandlungen und Aufsätze, welche die Schriften der Academieen und anderer gelehrten Gesellschaften , sowie die Zeitschriften für Naturgeschichte , für Zoologie und für Anatomie enthalten. SPECIELLER THEIL. Erster Abschnitt, Protozoen. Allgemeine Uebersicht. § 60. Hieher zähle ich einige Abtheilungen jener Organismen, die durch die Einfachheit ihrer Organisation die niederste Stufe der Lebensform beurkunden. Der Mangel an differenzirten Organen für die hauptsäch- lichsten Verrichtungen erscheint als das wesentlichste Merkmal. Aus die- sem negativen Charakter geht die Unzulänglichkeit der Abgrenzung dieser Abtheilung hervor, an der etwas gemeinsam »Typisches« weder in dem Verhalten des Körpers zu seinen Formelementen ; noch in der Orga- nisation erkannt werden kann. In dem Fehlen jeder geweblichen Diffe- renzirung besteht Grund, die hieher gerechneten Organismen mit anderen, die man als niedere Pflanzen zu betrachten pflegt, als zwischen Thier- und Pflanzenreich stehende Lebensformen zu betrachten. Darauf stützt sich die Auffassung, sämmtliche niedere, weder den Thieren noch den Pflanzen zuzuzählenden Organismen zu einem Protistenreiche zu ver- einigen. In Anerkennung dieser Auffassung könnte die Aufrechterhaltung einer Abtheilung der »Protozoen« unzulässig scheinen. Es ist aber die Kenntniss der im Protistenreiche waltenden Organisationszustände für das Verständniss der thierischen Organismen von so hohem Werthe, dass ein gänzliches Uebergehen der Protisten dem Zwecke dieses Buches wenig entspräche. Deshalb behielt ich die Abtheilung der Protozoen hier bei, und führe in ihr eine Anzahl von Formen auf, die geeignet sind von den einfachen Zuständen der Organisation und damit von dem geringen Grade der Sonderung ein Bild zu geben. Ich schliesse dabei vor allem jene Formen aus, welche, auf der Stufe der Cytode stehen bleibend, keine Kerne besitzen. Die Ausbildung eines Kernes im sonst so einfachen Protoplasmaleib des Organismus bezeichnet jenem anderen Zustande gegenüber einen bedeutsamen Fortschritt, und verbietet die ihn aufweisenden Formen mit anderen ihn nicht besitzenden 80 IL '■ Protozoen. zusammenzustellen, wie sehr auch sonst Übereinstimmungen im Befunde des Protoplasma bestehen , und wenn auch nicht verkannt werden kann, dass in diesen Cytodenformen Moneren) die Anfänge der höheren Zu- stände liegen. Diese Anfänge erscheinen sehr mannichfaltig, entsprechen einzelnen Abtheilungen ausgebildeter Formen, und machen es wahr- scheinlich, dass die letzteren polyphyletischen Ursprungs sind. Die von mir den Protozoen beigerechneten Protistengruppen sind die Rhizopoden, Gregarinen und Infusorien. Die Rhizopoden zeigen den Protoplasmaleib nicht in constanter Abgrenzung; ihr Protoplasma sendet wechselnde Fortsätze aus. Sie lassen als niederste Abtheilung die Amöbiden erscheinen, deren Orga- nismus der Stufe einer Zelle entspricht. Protoplasma mit einem Kerne bildet den Körper, der, in der Regel nackt, zeitweise mit einer Kapsel sich umgeben kann oder die Kapsel als persistentes an einer oder zwei Stellen offenes Gehäuse besitzt. Durch die Mündung des letzteren communicirt der Organismus mit der Aussenwelt, und kann von da aus selbst über das Gehäuse sich ausbreiten. Sind mehrfache Kerne vorhanden, so stellt der Organismus ein Syncytium vor. Als eine ^ weite Abtheilung erschei- nen die Foraminif ere n. Ein wahrscheinlich allen zukommender Kern lässt den Werth dieser Organismen gleichfalls einer Zelle gleich setzen. Aber die Bildung mit vielen Poren versehener Gehäuse, oft von beträcht- licher Complication, lässt eine höhere Tendenz erkennen. Eine kleine mehr der nächsten Abtheilung angeschlossene Gruppe sind die Helio- zoen. Endlich erscheinen die Radiolarien durch den Besitz einer im Innern des Leibes befindlichen »Centralkapsel« von allen übrigen Rhizo- poden verschieden. Die Centralkapsel führt eine Anzahl kernartiger Ge- bilde. Dadurch lassen sich die Radiolarien zwar zu Zellen in Beziehung bringen, allein ihr Körper kann nicht als eine Zelle gelten. Vielmehr scheint hier eine andere Differenzirungsrichtung eingeschlagen zu sein. Dazu kommt noch, dass bei einigen das extracapsulare Protoplasma zerstreute Zellen führt, die von Manchen als dem Organismus fremde Bil- dungen gedeutet wurden (gelbe Zellen). Die Entwickelung von Stütz- gebilden der mannichfachsten Art verleiht den Badiolarien ein eigentüm- liches Gepräge. Diese Gerüste geben Anlass zur Unterscheidung einer grösseren Anzahl von Körperaxen. Als zweite Abtheilung der Protozoen führe ich die Gregarinen auf. Eine äussere Abgrenzung des einen Kern umschliessenden, und da- mit auf der Stufe einer Zelle stehenden Körpers fehlt nur in den frühesten Jugendzustäuden. Sie durchlaufen also den Zustand der Cytoden. Die ausgebildeten Organismen lassen eine vom inneren Protoplasma diil'erent gewordene Hülle unterscheiden und bieten sogar in der darunter liegen- den Protoplasmaschichte noch Andeutungen höherer Differenzirungen dar. Bei manchen ist vom cylindrischen oder bandförmigen Körper ein vorde- rer Abschnitt durch eine Einschnürung getrennt. Allgemeine Uebersicht. 81 Die dritte grosse Abtheilung repräsentiren die Infusorien, von denen ich die ihnen häufig zugetheilten Flagellaten ausschliesse. Der aus Protoplasma gebildete Körper ist durch Differenzirung einer Rindenschichte in bestimmter Gestalt abgegrenzt. Die Rindenschichte umschliesst indiffe- renteres Protoplasma, welches bei vielen in rotirender Bewegung zu treffen ist, und darin an die Protoplasmaströmung gewisser vegetabilischer Zellen erinnert. Ein sehr mannichfach gestalteter Kern ist zur Auffassung des Infusorienleibes als Aequivalent einer Zelle verwerthbar. Bei einigen kommen mehrere Kerne vor. Durch die in derCorticalschichte auftretende Sonderung von verschiedenen an Gewebe erinnernden Bildungen spricht sich eine höhere Potenzirung aus. Diese beeinträchtigt jedoch nicht die Auffassung der Infusorien soweit sie nur Einen Kern führen als einzelliger Organismen, wenn man die Zelle sich nicht mehr in ihrem indifferenten Zustande denkt. Neben dem Kerne findet sich bei manchen noch ein kleineres kernähnliches Gebilde, der Nucleolus. Die Infusorien zerfallen in Suctoria (Acineta) undCiliata. Die ersteren bieten bestimmt an- geordnete wenig bewegliche feine Fortsätze , die zur Nahrungsaufnahme dienen. Die Ciliaten zeichnen sich durch Wimperbesatz des Körpers aus. Nach der Art der Vertheilung dieser Cilien werden wieder Unterabthei- lungen aufgestellt. Literatur. Rhizopoden : Auerbach, C, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. VII. — Dujardin in Ann. sc. I. III. IV. — Schultze , M. , lieber den Organismus der Polythalamien. Leipzig 1854. — Carpenter, W., Researches on the Foraminifera. Phil. Tr. 4 856. 59. — Ders., Introduction to the study of the Foraminifera. London 1862. (R. S.) — Huxley, Th. H., lieber Thalassicolla. Ann. nat. hist. 1851. — Müller, J., Ab- handl. der Berliner Acad. 1858. — Hackel, E., Die Radiolarien. Eine Mono- graphie. Berlin 1862. — Schulze, F.E., Rhizopodenstudien. Arch. f. mikr. Anat. Bd. X — XII. — Hertwig, R., Arch. f. mikr. Anat. Bd. X. Supplem. — Ders., Zur Histolog. der Radiolarien. Leipz. 1876. Gregarinen: Stein, lieber die Natur der Gregarinen. Arch. f. Anat. u. Phyl. 1848. — Kölliker, Beitr. z. Kenntniss niederer Thiere. Zeitschr. f. Zool. I. — Lieber- kühn, Evolut. des Gregarines. Acad. Roy. de Belgique. Mem. des Soc etran- geres. T. XXVI. Ed. van Beneden Rech, sur l'evolut. des Gr6garines. Bull, de l'Acad. royale de Belgique. 2me Ser. T. XXXI. Sur la Struct. des Gr6g. ibid. T. XXXIII. Infusorien: Ehrenberg, C. G. , Die Infusionsthiere als vollkommene Organismen. Leipzig 4 838. — Dujardin, Hist. nat. des Infusoires. Paris 1841. — Stein, Fr., Die Infusionsthiere auf ihre Entwickelung untersucht. Leipzig 1854. — Ders., Der Organismus der Infusionsthiere. I. IL Leipzig 1859 — 66. — Claparede, E., et Lachmann, Etudes sur les Infusoires et les Rhizopodes. Geneve 4858 — 64. — Engelmann, Th. W., Zur Naturgeschichte der Infusionsthiere. Leipzig, Zeitschr. f. Zool. XL — Morphol. Jahrb. Bd. I. — Hackel, Z. Morphol. d. Infusor. Jen. Zeitschr. VII. — Bütschli, Arch. f. mikr. Anat. — IX. Zeitschr. f. w. Zool. XXVIII. — Hertwig, R., Ueber Podophrya gemmipora. Morph. Jahrb. 1. Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 6 82 II. 1. Protozoen. § 61 Da der Körper der niedersten Organismen aus dem contractilen , in seinen Formzuständen sehr veränderliehen Protoplasma gebildet wird, so fehlt mit einer bestimmten Abgrenzung des Körpers auch jegliche Differenzirung eines Integumentes. Wir sehen den Körper der meisten nicht mit einer Hülle versehenen Protisten ebenso wie indifferente Zellen höherer Organismen die Umrisse wech- seln ; Fortsätze des Protoplasma dehnen sich bald da bald dorthin aus, und lassen den übrigen Körper nachfliessen. So be- wegt sich der Körper mit stets wechselnder Fig. 22. Eine Amöbe in zwei verscnie- ° * . . denen Momenten ihrer Bewegung dar- Oberfläche, an die jeder in dem einen Mo- gestellt, n Kern, i Aufgenommene Nah- ment innen befindliche Substanzpartikel rune. Auch einige Vaeuolen sind be- j i ., • . i ,->•! i mgrkbar in dem andern Moment mit der Bildung eines Fortsatzes hervortreten kann. Die Fortsätze, Pseudopodien, erscheinen bald als breite lappenartige. durch wenig tiefe Buchten von einander gelrennte Verlängerungen (vergl. Fig. 22), bald sie sich als schmale ergiessen zu- ■ ■:■ ' :.: - ' -:V"; weilen keilförmige Ström- chen , die nach der Peri- pherie zumannichfach sich theilen, und damit ver- ästelte Ausläufer vorstel- len. Diese Zustände halten sich innerhalb einzelner Abtheilungen stets in be- stimmten Formgrenzen, so dass die Pseudopodienform |iW\\ Vy?:C' '%"••■ ein erstes Differentwerden ,\. eines bestimmten morpho- logischen Verhaltens des Protoplasma kundgibt. Die Fig. 23. Eine Foraminifere (Rotalia) mit ausgestreckten Psemio- Pseudopodien Charakleil- podien, die aus den Poren der mehrkammerigen Schale hervor- siren die HhlZ()J)OClcil , de- treten. Bei x ist das peripherische Zusamraenflie&sen mehrerer „„., PrnlonHsnn an lllpil Pseudopodien dargestellt. . gegen die unmittelbare Körperoberfläche gelangenden Stellen jene »Scheinfüsschen« aussenden kann (vergl. Fig. 23). Benachbarte Pseudopodien können in verschiedener Zahl an jeder Stelle unter einander verschmelzen (Fig. 23 x), oder auch netzartige Verbindungen vorstellen. Dieses Verhalten des Prolo- Integument. 83 plasma wird durch im Innern zu Stande gekommene Differenzirungen (Skelelbildungen etc.) nicht alterirt. Es ist der Ausdruck eines peri- pherische Differenzirung entbehrenden Zustandes der niedersten lebenden Materie. Durch Festerwerden der äussersten Körperschichte wird die allseitig auftretende Pseudopodienbildung beschränkt. Mit der chemisch-physika- lischen Veränderung peripherischer Theile bildet sich ein Gegensatz zu dem übrigen indifferent bleibenden Proto- plasma, welches zwar noch Beweglichkeit äussert, allein durch die festere Rinden- schichte in ansehnlicheren Excursionen ge- hemmt wird. Dieser Zustand trifft sich bei den Gregarinen, wozu bereits bei manchen Amöben vorkommende Verhältnisse Ueber- gänge darbieten. Eine derbe, homogene, zu- weilen eine zarte Schichtung besitzende Membran überzieht hier den ganzen, nur durch eine einzige Zelle gebildeten Körper. Sie geht unmittelbar in das weiche Proto- plasma über, und erscheint als eine von demselben differenzirte Cuticula. Wie alle Cuticulae entbehrt sie der contraclilen Eigen- schaft, ist aber dehnbar, elastisch und ver- mag so den Contractionen und Expansionen des Protoplasma zu folgen. Ausser dieser Sonderung der Cuticularschichte besteht bei den Gre- garinen noch eine von den innern Theilen gesonderte Rindenschichte, welche resistenter als das reichliche Körnchen enthaltende Protoplasma erscheint, und in ähnlicher Weise auch den Infusorien zukommt. Fig. 24. 1 Gregarinen aus dem Darmcanale von Opatrum sabulo- snm , wovon a' den mit einem »rüsselartigen« Fortsatze versehe- nen jüngeren Zustand darstellt. a Vordertheil. 6 Hintertheil des Körpers, c Kern. § 62. An die Sonderung des Körpers in eine äussere Rindenschichte und innere Parenchymsubstanz schliessen sich fernere Umbildungen der Rin- denschichte. Von diesen sind erstlich die Wim per haare anzuführen, die bei den Infusorien in allgemeiner Verbreitung vorhanden sind. Sie erscheinen als unmittelbare aber lebhaft bewegliche Verlängerungen des Integuments, die zuweilen mit einer Cuticula combinirt sind, und dann diese durchsetzen. Entweder besetzen sie nur beschränktere Körper- stellen wie die sogenannte Mundöffnung, oder sie sind über grössere Strecken verbreitet, oder über den ganzen Körper , häufig sehr regel- mässig, vertheilt. Nach der bestimmten Vertheilung und Anordnung dieser Wimperhaare hat man die Unterabtheilungen der Infusorien in Hololricha, Heterotricha. Hypolricha und Peritrichajjnterschieden. Dass diese Wim- 6* 84 II. 1- Protozoen. perhaare Differenzirungen des Protoplasma sind, geht aus jenen im Be- reiche anderer Protistengruppen vorkommenden Fallen hervor, wo sie nur temporäre Gebilde vorstellen und nach Art der Pseudopodien wieder ins Protoplasma des übrigen Körpers eingezogen werden können. Modifikationen der Wimperhaare sind die Geisseifäden sowie die in der Nähe der Mundöffnung mancher Infusorien befindlichen undulirenden Membranen. In anderer Art modificirt erscheinen die Wimperhaare als starre nur an der Verbindung mit dem Körper bewegliche Gebilde (z. B. bei Stylonychia), zuweilen sogar in plattenartiger Verbreiterung. Sowohl die Wimperhaare als die griffeiförmigen Fortsätze dienen als Bewegungsorgane und lassen somit die Locomotion ans Integument ge- knüpft erscheinen, wie sie bei derPseudopodienbildung mit der zeitweilig äusseren Körperschichte verbunden war. Eine andere in der Haut mancher Infusorien (z. B. Paramaecium) beobachtete Bildung besteht in festeren, stäbchenartigen Bildungen (Tri- chocyslen), die bei gewissen Einwirkungen einen feinen starren Faden hervortreten lassen. Diese Gebilde liegen in senkrechter Stellung zur Längsaxe des Körpers dicht nebeneinander in der Rindenschichte. Sie erinnern an die Nesselkapseln der Cölenteraten , ohne dass sie jenen gleich zu erachten wären, da sie nicht aus Zellen hervorgehen. § 63. In der Rindenschichte des Leibes der Gregarinen und vieler Infu- sorien erscheinen muskelähnliche Bänder oder Fasern. Bei den Gregarinen sind diese Gebilde ringförmig oder auch spiralig angeordnet und bilden eine dicht unter der Cuticula gelegene Schichte, die nur eine kurze Strecke weit auf den vom Körper meist durch eine Einschnürung abgesetzten »Kopf« sich erstreckt, aber niemals in die Scheidewand über- geht, welche jenen Theil vom Körper trennt. Unter den Infusorien sind diese contractilen Streifen vorzüglich bei den grösseren Arten einzelner Gattungen (Stentor, Prorodon, Spirosto- mum etc. ) erkannt. Bei anderen werden sie vermisst. Sie verlaufen bald longitudinal, bald spiralig. Auch bei Vorticellinen kommen sie vor, und zwar in Spiraltouren gegen das in den Stiel übergehende Körperende zu. Dass diese Gebilde der Infusorien nicht die ausschliesslichen con- tractilen Apparate des Körpers bilden, wird durch jene Infusorien er- wiesen, die bei dem Mangel dieser Streifen energische Contractionen des Körpers auszuführen im Stande sind. Dass sie aber in der That contractu sind, beweist Spirostomum, dessen Körpercontractionen nicht nach der Längsaxe des Körpers, sondern in der Richtung des mehrere Spiraltouren beschreibenden Streifen Verlaufes stattfinden. In diese Reihe von Sonde- rungen aus dem Protoplasma gehört auch der im Innern des Stieles der Stützor2;ane. 85 Vorticellinen verlaufende contractile Strang der bei Zoothamnium der Verästelung des Stockes gemäss verzweigt erscheint, indess er bei Car- chesium jedem Individuum des Stockes gesondert zukommt. Obgleich diese Gebilde mit Muskelfasern übereinstimmende Erscheinungen bieten und physiologisch ihnen zur Seite gestellt werden dürfen, können sie doch morphologisch keineswegs jenen histiologischen Formelementen gleichge- stellt werden, da weder Zellen noch deren Abkömmlinge an ihnen bethei- ligt sind. Es sind Differenzirungen aus dem Protoplasma des Organismus, wie sie in den Geweben der Metazoen durch Differenzirungen ganzer Summen von Formelementen zu Stande kommen. Der ganze contractile Apparat entspricht somit nur functionell einem Muskelsystem. Die ein- zelnen Bänder oder Streifen sind nur Analoga von Muskeln (Myophane). § 64. Als Stützorgane des Körpers der Protozoen fungiren feste Gebilde, welche entweder als ein Gerüstwerk die weiche Körpersubstanz durch- setzen, oder als Schalen und Gehäuse den Körper überziehen. Letztere verhalten sich nach Maassgabe ihrer Ausdehnung und Resistenz auch als Schutzorgane. Alle hier einzureihenden Gebilde sind mittelbare oder un- mittelbare Differenzirungen des Protoplasma, entweder an der Oberfläche des Leibes oder im Parenchym gebildet. Je vollständiger diese Abschei- dungen als Gehäuse den Körper bedecken, desto mehr treten sie der freien Beweglichkeit entgegen, wenn nicht andere compensirende Einrichtungen vorkommen. Schalen und innere Gerüste treffen sich in grosser Verbreitung bei allen Abtheilun- gen niederer Organismen und zwar in einem sehr verschiede- nen Grade der Complication, der zuweilen zu jener des Körpers in einem umgekehrten Verhält- nisse steht. Einfache, meist oval gestal- tete , mit einer Oeffnung ver- sehene Schalenbildungen finden sich bei einer Abtheilung der Amöben (Difflugia, Arcella). Die Schale ist bald weich, bald von grösserer Festigkeit, die auch durch Aufnahme von Fremd- körpern erhöht werden kann. Durch die Ausbreitung des Pro- toplasma über die Schale können diese zeitweise als innere sich dar- stellen. Complicirtere Formen entstehen bei den Foraminiferen , indem Fig. 25. Durchschnitt einer Foraminiferenschale (Al- veolina Quoii) , an welcher die Anordnung der ein- zelnen Kammern zu einander sichtbar ist. (Nach W. Cakpektee.) S6 IL *. Protozoen. sich an ein einfaches rundliches Gehäuse neue Abschnitte anbauen, die dann einzelne durch Oeffnungen unter einander verbundene und ebenso durch Poren nach aussen hin communizirende Kammern vorstellen, (s. Fig. 23, Fig. 25). Durch Kalk, seltener durch Kieselerde (Polymor- phina, Nonionina), erhalten diese mehrkammerigen Schalen eine beson- dere Festigkeit und durch die Verschiedenheit der gegenseitigen Lage- rung, der Ausdehnung und Verbindungsweise der Kammern entstehen mannichfaltige mit dem leichter gebauten inneren Gerüste der Radiolarien an Formen reichthum wetteifernde Bildungen. Durch Anlagerung in einer geraden Linie entfalten sich stabförmige, oft knotic anseschwollene Gehäuse, deren einzelne als »Kammern« be- zeichnete Abschnitte bald gleichgross, bald in verschiedener, von einem Ende gegen das andere hin zunehmender Grösse erscheinen (Nodosariden) . Eine spiralige Anordnung der in einer oder in verschiedenen Ebenen ge- lagerten Kammern führt zu Bildungen , welche Nautilusschalen ähnlich sind (Fis. 23). Bedeutende Modifikationen entstehen durch Ueberlase- rungen der Spiral touren , durch Streckung oder Verkürzung der Spi- ralaxe etc. Die planorbisartigen Gehäuse der Millioliden, bei denen stellenweise Einschnürungen die erste Spur einer Kammerbildung auf- weisen, stellen den einfachsten Zustand dieser Formen vor. Uneleich- artige Ansätze neuer Kammern heben die Spiralform äusserlich auf (Acer- vulinen), und lassen sie nur in den ersten Kammerbildungen erkennen. Gewöhnlich werden diese Gehäuse mit äusseren Schalenbilduneen zu- sammengestellt. Nur für wenige jedoch erscheint dies passend. Ueber- all da, wo die Scheidewände der sogenannten Kammern mehrfach durch- brochen sind, und zugleich Porencanäle die Schalen nach aussen durch- setzen, so dass also das Protoplasma der Pseudopodien äusserlich die Schale bedecken kann, erscheint die Schale vielmehr als ein inneres Gerüste. Wo die Scheidewände nur durch mehrere einzelne, weite Oeffnungen zwischen sich lassende Säulchen oder Lamellen repräsentirt werden Fis. 25), und der Raum der Kammer selbst den mehrfachen Verbindungen zwischen zwei Kammern an Volum sogar nachsteht, und wo endlich alle benachbarten Kammerräume unter einander communi- ciren, und so das ganze »Gehäuse« von einem nach allen Richtungen com- municirenden Hohlraumsysteme durchsetzt wird : da ist der Charakter einer äusseren Schale vollständig aufgegeben. Da also in allen Fällen das Protoplasma sich über die Aussenfläche der Schale zu ziehen vermag, ist die Schalenbildung der Foraminiferen als eine innere zu betrachten, und reiht sich darin den Gerüsten der Radiolarien an. § 65. Als ein allen Radiolarien gemeinsames, wenn auch weniger in die Augen fallendes Stützorgan muss die »Centralkapsel« angeführt werden. Es ist ein in der Mitte des Körpers gelagertes, in sehr verschiedener Form Stützorgane. 87 auftretendes, kapselartig geschlossenes Organ, .welches aus einer chemisch dem Chitin nahe stehenden Membran gebildet wird. Sie umschliesst regelmässig ausser Fettkugeln und als Kerne gedeuteten Gebilden eine Quantität Protoplasma , welches wahrscheinlich durch feine Porencanäle mit dem extracapsulären Protoplasma zusammenhängt. Hiezu kommt noch bei den meisten Radiolarien ein gewöhnlich aus Kieselerde bestehen- des Gerüste (es fehlt bei Thalassicolla, Thalassolampe und Collozoon), welches bei vollständiger Ausbildung die Centralkap- sel (s. Fig. 26) bis zur Mitte durchsetzt. In diesem Fall sind es mehrere von einem gemeinsamen Mittelpunkte ausstrahlende Stacheln, die wieder unter sich durch concentrisch geordnetes vielartig durchbrochenes Fig. 20. Skelet eines Radiolars (Aetinomma asteracanthion). Zwei concentrisch angeordnete durchlöcherte Schalen sind an einer Stelle durchbrochen dargestellt , um eine dritte sichtbar zu macheu. (Nach E. Häckel.) Gitterwerk verbunden sein können (vergl. Fig. 26). Bei einigen waltet die organische Grundlage des Gerüstes vor (Acanthometriden), und die Kieselerde tritt erst allmäh- lich an die Stelle der orga- nischen Substanz. Einzelne zerstreute, na- deiförmige, ausserhalb der Centralkapsel frei im Proto- plasma liegende Kieselslücke, bilden die ersten Andeutungen dieses festen Skelets bei den Colliden und Polyzoen. Bei einzelnen gehen sie, ohne fest verbunden zu sein , in eine radiäre Anordnung über. Durch Verbindung der radialen Stacheln in einer gleichen Entfernung durch tangential verlaufende Stäbe entstehen kuuelige, gitterförmis; durch- brochene Gerüste. Durch mehr unregelmässme zwischen den Radiär- stacheln liegende feinste Balkennetze kommen schwammförmige Gerüste zu Stande. Scheiben- und korbförmisje Skelete sowie endlich solche in spiraliger Anordnung erhöhen den unendlichen Reichthum der Formen. So baut sich ein ausserordentlich complicirter Stützapparat auf, in wel- chem die weichen Körpertheile eingebettet sind, und für dessen einzelne Stücke das Protoplasma die Bildungsstätte abgibt. § 66. Diesen inneren Stützapparaten der Rliizopoden gegenüber bilden die G mause der Infusorien eine besondere Reihe von Einrichtungen dadurch, '3S H- 1- Protozoen. dass sie nur Abscheidungen der Oberfläche des Leibes sind. Sie schliessen sich an die oben von den Arcellen erwähnten Gehäuse an. Die abschei- dende Matrix ist hier ein anatomisch bestimmter Theil des Körpers. Darin braucht jedoch keineswegs ein höherer Zustand gesehen zu werden, viel- mehr tritt in jenem Verhalten eine enge Verknüpfung mit dem niedersten Zustande, der Zellenmembranbildung, auf. Die Gehäusebildung der In- fusorien findet sich vorzüglich bei festsitzenden Formen. Sie besteht in der Abscheidung einer anfänglich weichen, allmählich erhärtenden Sub- stanz, die becher- oder urnenförmig den Thierkörper bis auf eine die Communication mit der Aussenwelt zulassende offene Stelle umgibt. Von der blossen Cuticularbildung, die bei grösserer Festigkeit der differenzirten Schichte zur Panzerbildung hinleitet, unterscheiden sich diese Gehäuse durch ihre Ablösung von dem grösseren Theile ihrer Matrixfläche. Die Genese ist jedoch für beide Gebilde dieselbe. Sie liegt auch der bei den Infusorien weit verbreiteten Cystenbildung zu Grunde, jenem Prozesse, durch welchen der Organismus sich zeitweilig nach aussen völlig ab- schliesst, und damit ungünstige Verhältnisse (Eintrocknen des Wassers u. s. w. ) überdauert. Die unbeweglichen Stiele der Epislylis und die äussere Schichte der contractilen Stiele von Vorticellinen und Carchesinen müssen als solche cuticulare Difl'erenzirungen gelten. Die Gehäuse sind bald weich, bald fester, membranös. Einige zeichnen sich durch Auf- nahme von Fremdkörpern, verkittete Sandkörnchen etc. aus. Gehäuse besitzen die Gattungen Vaginicola, Tintinnus u. a. Bei Stentor kommen sie in einzelnen Fällen vor. Auch gitterförmig durchbrochene Schalen sind beobachtet (Diclyocyrta) . Was die Panzerbildung betrifft, so geht dieselbe aus der glashellen festen Cuticula hervor bei Stylonychia , Eu- plotes, Aspidisca, Spirochona, Coleps u. a. § 67. • Organe zur Aufnahme und Veränderung der Nahrung fehlen den niedersten Organismen. Bei den parasitisch lebenden Gre- garinen geschieht die Nahrungsaufnahme durch endosmotische Vorgänge von Seiten der Oberfläche und geformte Nahrungstheile gelangen nicht ins Innere des Körpers. Bei peripherisch nicht differenzirtem Körper dagegen besteht eine dh'ecte Nahrungsaufnahme, die an jeder Körperstelle vor sich gehen kann. So verhalten sich die Bhizopoden. Die Nahrungssloffe wer- den hier von der weichen Körpersubstanz umflossen, oder von den Fort- sätzen des Körpers, den Pseudopodien, umhüllt. Beiden Fällen liegt ein und dieselbe Erscheinung zu Grunde. Jede Stelle im Protoplasma kann durch Ein schliessen und Ausziehen der Nahrungs- stoffe als verdauende Cavität fungiren und an jeder benach- barten Stelle der Oberfläche können die unverdauten Substanzen wieder entfernt werden. — Auch bei Actinosphärium wird geformte Nahrung ins Innere des Körpers aufgenommen, die Pseudopodien sind hier jedoch nur Nahrungsaufnahme. 89 Fig. 27. Actinosphärium. a ein Bissen, der eben vom Thiere in die weiche Corti- ealschicht b eingedrückt als Nahrung aufgenommen wird, c centrales Körper- parenchym. d einige in letzterem befind- liche Nahrnngsballen. e Pseudopodien der Corticalschicht. mittelbar thätig, indem sie die Beute an den Körper heranziehen und sie an beliebiger Stelle in das auseinander weichende Parenchym der Rinden- schichte eintreten lassen (Fig. 27), von wo sie in die centrale Körpersubstanz ge- langt. Im Vergleiche mit Anderen besteht hier das Eigentümliche, dass der aufzu- nehmende Bissen nicht von ungeformtem Protoplasma der Pseudopodien umflossen wird , sondern direct in differenzirtere Leibestheile tritt. Die Infusorien zeigen bestimmtere Einrichtungen. Die Art ihrer Nahrungs- aufnahme ist zweifach verschieden. In dem einen bei den Suctoria lAcinetinen) gegebenen Falle fehlt eine Mundöffnung, und die strahligen die Hülle des Körpers durchsetzenden pseudopodienähnlichen Fortsätze ; Fig. 30 ) wirken wie Saug- rüssel. Unter napfartiger Verbreiterung ihres Endes legen sie sich an die in ihren Bereich gerathene Beute, die aus anderen Infusorien u. s. w. besteht, und lassen die Körpersubstanz der- selben wie durch eine Bohre in continuirlichem Strome in ihren Körper überfliessen, wo sie in Form von Tröpfchen das Leibesparenchym erfüllt. Das Vorkommen ähnlicher Forlsätze bei denEmbnonen anderer Infusorien lässt dieser Ernährungsform eine grössere Ausdehnung beimessen. In der anderen Form wird eine höhere Stufe repräsentirt; es bestehen bei den Ciliaten nicht nur bestimmt organisirte Stellen zur Aufnahme, sondern auch bestimmte Stellen zur Ausscheidung des Unbrauchbaren. Ein Darm- rohr fehlt jedoch auch hier überall, und jene Differenzirungen beschränken sich auf die Bindenschichte des Körpers, so dass jenseits derselben die Nahrungssloffe in weiches Parenchym, d. h. in den nicht differenzirten Protoplasma-Rest des Körpers gelangen, in welchem sie keine besonders umwandeten Wege mehr antreffen. Hier bilden sich für die Nahrungs- ballen temporäre Räume als verdauende Höhlen, deren häufig zu beob- achtendes Zusammenfliessen während der Bewegung des Protoplasma ihre vorübergehende Existenz zu erkennen gibt. Es besteht also hier die Uebereinstimmung mit den Rhizopoden, dass ein Theil des Ernährungs- apparates., nämlich die Stellen, an denen die Nahrung verdaut wird, der organologischen Differenzirung entbehrt. Die mit einer Mundöffnung versehenen Ciliaten besitzen diese ent- weder in Form einer einfachen, oft nur während der Aufnahme eines Bissens wahrnehmbaren Spalte, oder sie zeigt sich nicht unmittelbar an der Oberfläche des Körpers, sondern im Grunde einer sehr verschieden gestalteten, zuweilen auch die Auswurfsöflnung aufnehmenden Vertiefung (Vorhof), deren Umgebung (Peristom), meist auch in der Form sich aus- 90 II. 1. Protozoen. zeichnet. Vom Munde aus erstreckt sich häufig ein röhrenartiger Abschnitt als Schlund (Fig. 28 6) ins Körperparenehym, und von da aus beschreibt der aufgenommene Bissen seinen Wes inner- halb der weichen Substanz des letzteren. Die Lage und Form der Mundöffnung ist ausserordentlich verschieden. In vielen Fällen ist sie nur während der Aufnahme von Nah- rung wahrnehmbar (z. B. bei Amphileptus, Loxophyllum; und verschwindet sofort nach dem Eintritte des Bissens im Parenchym. An dem röhrenförmigen Schlünde trifft sich zu- weilen ein Wimperbesatz (Paramaecium aurelia und bursaria), eine undulirende Membran (Bur- saria flava;, oder eine Auskleidung mit stab- förmigen Zähnchen oder feinen Längsleisten. Stäbchenauskleidung des Schlundes besitzen Porodon, Chilodon, Nassula etc. in einer fisch- reusenförmigen Anordnung. Einegleichmässige Verdickung der Schlundwand ist bei Ervilia und Liosiphon beobachtet. Von einer Auswurfsöffnung ist allgemeines Vorkommen noch keines- wegs ermittelt. Nur in wenigen Fällen stellt sie eine bleibend abgegrenzte Oeffnung vor, meislentheils ist sie nur während des Hervortretens un- verdauter Nahrungsstoffe unterscheidbar. Diese »Afterslelle« findet sich in der Begel am hintern Körperende, doch im Ganzen vielfach wechselnd. Auch am vordem Körperende kann sie vorkommen, so liegt sie bei Stentor in der Nähe des Mundes und bei Vorticellinen und Ophrydien im Vorhofe. Im Ganzen genommen ist hier mehr die Localisirung einer Function als die Ausprägung eines Organs gegeben. An einer bestimmten Stelle treten die Auswurfstoffe durch die differenzirle Bindenschichte des Körpers, ohne dass diese Stellen besonders erkennbar wären. Fig. 28. Schematische Darstel- lung der verdauenden Cavität hei Paramaecium. a mit weichem Protoplasma gefüllter Leibes- raum, in -welchen die Nahrung aufgenommen wird. b Mund- öffnung, c After, d contractile ohlräume. (Nach Lachmann.) § 68. Der äussersten Körperschichte kommt bei allen Protozoen eine re- spiratorische Bedeutung zu, da nur durch sie der Gasumtausch mit dem umgebenden Medium vermittelt wird. Bei der durch die Pseudo- podien gegebenen Oberflächenvergrösserung des Körpers wird auch dieses Verhältniss mit in Betracht zu ziehen sein. Von Bedeutung für den Wasserwechsel sind die Wimperhaare der Infusorien. Mit der bei vielen Protozoen bestehenden Wasseraufnahme ins Innere des Körpers treten bestimmtere, auf die Athmung beziehbare Flinrich- tungen auf. Im Innern des Protoplasma erscheinen Hohlräume, die mit einem Fluidum sich füllen und, nachdem sie das Maximum ihrer Ausdeh- nung erreicht, sich unter allmählicher Contraction wieder völlig entleeren, Contractile Blasen. 91 so dass sie in diesem Zustande versehwunden scheinen. Diese Vacuolen sind ähnlich wie in den Zellen gewisser Gewebe theils unbeständiger Art, hin und wieder auftretend und verschwindend, theils erscheinen sie als constante Gebilde. Mit ihrem beständigen Vorkommen verknüpft sich eine Ausbildung ihrer Function, und die Folge der Expansionen und Con- tractionen ist häufig, der Systole und Diastole eines Herzens ähnlich, eine regelmässige, rhythmische. Solche conti* actileBlasen finden sich bei Amöben (Difflugia und Arcella; und in grosser Verbreitung bei den In- fusorien. Sie werden gleichfalls als Vacuolen bezeichnet. Das in den Blasen sich sammelnde Fluidum stammt aus dem Körperparenchym, und wird bei der Contraction der Blase entweder dahin zurückgetrieben oder nach aussen entleert. Letzteres ist durch die Wahrnehmung feiner nach aussen gehender Communicationen wahrscheinlich geworden, es ist aber dabei auch die Aufnahme von Wasser durch denselben Weg nicht ganz abzusprechen. Bei den Infusorien liegen die Blasen in der Bindenschichte (Fig. 28 d cl) meist dicht unter der zarten Cuticula und zwar an conslanten Stellen. Ist nur Eine contractile Blase vorhanden, so liegt sie entweder vorn oder hinten ; bestehen zwei, so findet sich je eine nahe an einem Körperende. Durch eine erosse Anzahl kleiner Blasen ist Trachelius ovum aus°;ezeich- net. Besondere Membranen sind weder an der Wand der Blase noch der davon ausgehenden Canäle unterscheidbar. Wie die Blase so sind auch die Canäle nur während des Zustandes der Füllung erkennbar. Die Con- tractionen der Blase und der Canäle zeigen sich im Wechselspiel. Bei Paramaecium erweitern sich die Canäle mit dem Beginne der Systole der Blase, und rücken mit der sich verkleinernden Blase zusammen, so dass sie, wenn letztere auf dem Höhepunkte der Systole verschwunden ist, eine sternförmige Figur bilden. Mit der Füllung der Blase erscheinen die Canäle an ihr wie kleine Ausbuchtungen, und erst bei der vollen Diastole tritt an ihnen wieder ein gleichweites Lumen auf. Die bei P. aurelia auf 8—10 beschränkte Zahl der Canäle erhebt sich bei Bursaria flaVa auf 30 und bei Cyrtostomum leucas steigt sie noch höher. Der Verlauf der Canäle ist hier wellig gebogen und gegen das Ende erscheinen sie ramificirt. Durch Zusammenfliessen einzelner mit Wasser gefüllter Bäume auf län- geren Strecken bilden sich canalartige Züge, wie z. B. bei Stylonychia (St. mytilus), die auf bestimmten Wegen gegen die contractile Blase vor- rücken und sich in sie entleeren. Daran schliessen sich die gleichfalls nur zeitweise aber doch auf Grösseren Strecken sichtbaren Län°:scanalbildun- gen (Spirostomum ambiguum), so dass von dem ersten Auftreten eines anscheinend indifferenten Hohlraumes zu einem bestimmt gestalteten Systeme von Bohren eine continuirliche Beihe wahrzunehmen ist. An die indifferenteren Vacuolenbildungen kann noch eine andere Einrichtung angeschlossen werden. Bei einer Vermehrung solcher im Protoplasma befindlichen Bäume fliessen dieselben zusammen und lassen das Protoplasma in Gestalt eines Netzwerkes erscheinen , welches das 92 II. 4. Protozoen. Innere des mit Flüssigkeit gefüllten Körpers durchzieht (Trachelius ovum,. Diese Hohlraumbildungen sind dann von den pulsirenden Vacuolen völlig verschiedene Einrichtungen geworden , die mit jenen sogar gleichzeitig bestehen können. § 69, Der niederen Organisationsstufe entsprechend finden sich bei den Protozoen noch keine Geschlechtsorgane vor, ja für die geschlecht- liche Differenzirung selbst ergeben sich nur die ersten Spuren. Die Weisen der Fortpflanzung sind daher allgemein jene , die man ungeschlechtliche nennt, und unter denen Theilung und Sprossenbildung eine Hauptrolle spielen. Bei allen Vermehrungsarten scheint dem Kerne eine grosse Be- deutung zuzukommen. Bei den Bhizopoden ist die Bildung von Keimen (Sporen) im Innern des Organismus beobachtet. Indem ein bald grösserer bald geringerer Theil des Protoplasma des Körpers hiezu verwendet wird, knüpft im ersteren Fall diese Vermehrung an die bei Protisten sehr verbreitete Art des Zerfalls des ganzen Körpers in eine Summe von Keimen an, und geht damit in die Vermehrung durch Theilung über. Bei den Badiolarien ist der Inhalt der Centralkapsel an der Fortpflanzung betheiligt. Die dort befindlichen Kerne umhüllen sich mit Protoplasma, und bilden geissel- tragende Schwärmsporen. Am genauesten sind die Fortpflanzungsverhältnisse der Gregarinen bekannt. In der Begel wird die Vermehrung durch die Concrescenz zweier Individuen eingeleitet, die meist sehr frühzeitig stattfindet, so dass die beiden. Einen Körper bildenden Individuen , deren eines mit seinem Vorderende dem Hinlerende des arideren angefügt ist (vergl. Fig. 29), noch längere Zeit hindurch wachsen, oder die Verbindung erfolgt erst später an bereits ausgebildeten Formen. Darauf erfolgt ein von Encystirung begleiteter Buhestand, wobei beide Individuen einen rund- lichen mit einer Scheidewand versehenen Kör- per vorstellen. Nachdem dieses Septum ge- schwunden, löst sich die Körpersubstanz, auch Fig. 29. a, b Zwei conjugirte In dividuen von Gregarina Saenu ridis. c deren Kern. der Kern , in eine formlose Masse auf allmählich zahlreiche Bläschen hervorgehen , aus der In jedem der letzteren bildet sich eine Anzahl von Keimkörnern, wegen ihrer Gestalt als »Pseudonavicellen« bezeichnet. Diese füllen allmählich die ganze Cyste , und jeder der kleinen Körper lässt einen nur aus Protoplasma bestehenden kleinsten Organismus ent- stehen, der noch ohne Nucleus einer Cytode entspricht. Fortpflanzungsorgane. 93 Jedes dieser sich amöbenartig bewegenden Gebilde differenzirt sich allmählich zu einer jungen Gregarine, nachdem sich im Innern ein Kern gesondert, und äusserlich eine Rindenschichte abgegrenzt hat. Obgleich die Conjugation für die Einleitung der erwähnten Vorgänge noch keine exclusive Bedeutung besitzt, da auch einzelne Gregarinen jenen Fortpflanzungsprocess in derselben Weise eingehen können, so wird sie doch nichts weniger als gleichgültig sein. Sie deutet wenigstens für die Fälle, wo sie besteht, die Notwendigkeit zweier Individuen an, welche für die Fortpflanzung die Voraussetzung bilden. Damit wird sie zu einer vorbereitenden Erscheinung für die geschlechtliche Differenzirung. § 7°- Auch in den Fortpflanzungsverhaltnissen der Infusorien kommt der Conjugation eine Rolle zu, da sie die Vermehrung einleitet. Hiebei ist der Kern (Nucleus) von besonderer Wichtigkeit. Er (Fig. 30 n) ist ein festeres, zuweilen eine besondere Hülle besitzendes Gebilde von sehr verschiedener Gestalt, und liegt in der Rindensubstanz des Körpers, oder ist, wenn tiefer ins Innere ge- bettet, doch von einer Ausbreitung dieser Substanz umgeben. Er ist bald oval oder rund, oder erscheint bandförmig gebogen (Vorticellinen) oder auch sehr lang gestreckt mit re- gelmässigen Einschnürungen iSpiro- stomum). Minder genau bestimmt ist die Bedeutung des sogenannten Nucleolus, der vom Nucleus anschei- nend nur durch geringere Grösse verschieden ist. DerFortpflanzungs- act wird in der Regel eingeleitet durch völlige oder theilweise Ver- schmelzung zweier Individuen, die bald von gleicher, bald von verschie- dener Grösse sind und dadurch zur Verwechselung mitTheilungszuständen oder mit Knospenbildung Anlass gaben. Diese Concrescenz gibt die Anregung zu Veränderungen der bezüglichen Theile. Am Nucleus geht eineTheilung vor sich , welche denselben in eine bald grössere bald geringere Zahl von Stücken zerlegt, um die Protoplasma sich lagert. So bildet sich eine An- zahl sogenannter Keimkugeln oder Sporen, die meist noch innerhalb der Mutter zu jungen Individuen werden, und mit einem Wimperkleide ver- sehen nach aussen selansen. Fig. 30. Eine Acinete mit einem Theil des Stieles, p Pseudopodienähnliche aber starre Tentakel, v Vacuole. n Kern, e Ein bewimpertes Junges in der sogenannten Bruthöhle liegend. 94 II- 1. Protozoen. Fortpflanzungsorgane. In wiefern der Nucleolus an diesem Processe betheiligt ist. liegt noch nicht ausser aller Frage, und wenn bei einem Theile der Ciliaten jenem Gebilde die Rolle eines samenerzeugenden Organes zugetheilt ward, wo- gegen der Nucleus die Bedeutung eines Ovarium trüge, so bedürfen diese Angaben doch noch sehr der Bestätigung. Jedenfalls ist diese Differen- zirung eines männlichen Apparates keine allgemeine Erscheinung, son- dern ist nur auf einen engeren Kreis beschränkt. Wir treffen also nur den Nucleus in sicherer Function beim Geschäfte der Fortpflanzung thätig, und zwar in ganz ähnlicher Weise , wie es oben bei der Sporenbildung erwähnt ward, auch bei der Sprossung, wo wenigstens in vielen Fällen der Kern des Sprösslings durch eine vom Kerne der Mutler eingeleitete Sprossung entstanden beobachtet ist (Podophrya). Endlich besteht auch die Vermehrung durch Theilung in grosser Verbreitung . wenn auch mit diesem Process früher häufig die Conjugation zusammengeworfen ward. Zweiter Abschnitt. Cölenteraten (Zoophyta). Allgemeine lebersicht. § ™. Mit dieser Abtheilunc; besinnen die als Melazoen und damit zweifei- los als Thiere zu bestimmenden Organismen. Die Anlage des Körpers lässt zwei Zellschichten Ectoderm und Entoderm unterscheiden, welche bei manchen Spongien die einzigen bleiben, indess es bei manchen zu einer Mesodermbildung kommt. Diese ist bei den niederen Acalephen noch nicht vollendet, insofern das Mesoderm hier noch kein selbständiges Gewebe vorstellt, dagegen ist es bei allen höheren Acalephen entfaltet. Der wesentlichste Charakter der in dieser Abtheilung vereinigten Thiere be- steht in dem Verhalten des Ernährungsapparates, einem in das Körper- parenchym eingesenkten Hohlraum, der sich entweder canalarlig ver- iheilt, oder in weitere Räume übergeht. Diese verdauende Cavität mit ihren Nebenräumen vom Entoderm ausgekleidet, repräsentirt in den niederen Formen die einzige Hohlraumbildung im Körper. Wo mehrere Individuen zu Colonien — Thierstöcken — vereinigt sind, ist das von der verdauenden Cavität ausgehende Canalsystem für alle gemeinsam, und setzt sich in die gemeinschaftliche Substanz des Thierstockes — das Cönenchym — fort. Am Körper ist entweder nur die Hauptaxe unter- scheidbar, und Nebenaxen sind noch indifferent, oder es bestehen Neben- axen die unter sich gleichwerthis erscheinen. I. Spongiae. Gastraead es M. Haliphysema, Gastrophysema. Porife ra. Myxosp ongiae. Halisarca. -I) Die Gastraeaden repräsentiren bei den übrigen Spongien nur vorübergehend erscheinende Zustände. 96 II. 2. Cölenteraten fZoophyten). Fibrospongiae. Geraspongiae. Euspongia, Spongelia, Poterium Halichondriae. Axinella, Spongilla. Corticata. Thetya. H yalospongiae. Enplectella. Ca lcispongiae. Ascon, Leucon, Sycon. II. Acalephae. 1. Hydromedusae. Hydriforraes. Hydra ; — Cordylophora ; — Hydractinia; — Coryne, Syn- coryne, Eudendrium ; — Tubu- laria, Corymorpha ; — Campa- nularia, Sertularia, Plumularia. Siphonophora. Velella, Porpita ; — Diphyes, Abyla ; — Athorybia, Agalma, Physo- phora, Physalia. 2. Calycozoa. Lucernaria. Thecomedusae. Stephanoscyphus. Medusae (Discophora). Charybdea, Pelagia, Aurelia, Rhizostoma, Cassiopeia. Anthozoa. Tet rac tin ia. Cereanthus, Cyathophyllum. Hexacti nia. Antipathes, Fungia, Madrepora, Astraea, Oculina, Caryophyllia. Octactinia ( Alcyonaria). Alcyonium, Pennatula, Virgularia, Veretillum, Renilla, Gorgonia, Isis, Corallium. Tubipora. C tenophora. Beroe, Cydippe, Cestum, Eurharnphaea, Mnemia, Eucharis. Medusiformes. Sarsia, Bougainvillea, Lizzia, Oceania ; — Eucope, Thauman- tias ; — Trachynema ; — Aegina, Cunina; — Liriope, Geryonia , Aequorea. 3. I. 5. 6. Literatur. Spongien: Grant, R. E., Observ. on the struct. and funct. of Sponges. Edinb. New. phil. Journal. 1826. 1832. — Lieberkühn, Beitr. z. Entw. der Spongillen. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1856. Zur Anat. d. Spongillen. ibid. — Derselbe, Z. Anat. d. Spongien. ibid. 1857. 1859. 1863. — Schultze, M., Die Hyalonemen. Bonn 1860. — Schmidt, 0., Die Spongien des adriat. Meeres. Leipzig 1862. Supple- ment 1864. Zweites Supplement 1867. Drittes Supplement 1868. — Claus, Ueber Euplectella Aspergillum. Marb. u. Leipz. 1868. — Harting , P. , Sur le genre Poterium. Natuurkund. Verhandelingen. P. IL St. 2. Utrecht 1870. — Hackel, Die Kalkschwämme , eine Monographie. 3 Bde. Berlin 1872. — Derselbe, Die Literatur. 97 Physemarien. Jen. Zeitschr. Bd. X. — Schulze, F. E., Ueber Bau u. Entw. v. Sycandra raphanes. Zeitschr. f. w. Zool. Bd. XV. — Derselbe, Untersuch, über d. Bau u. d. Entw. derSpongien. (Halisarca.) ibid. Bd. XXVIII. Acalephen: Cavolini, Memorie per servire alla Storia dei polipi marini. Napoli 1755. (Deutsch von Sprengel. Nürnberg 1813.) — Eschscholtz, System der Acalephen. Berlin 1829. — Lesson , Zoophytes acalephes. Paris 1843. (Suite ä Buffon.) — Sars, Fauna littoralis Norvegiae I. 1846. — Frey u. Leuckart, Beiträge zur näheren Kenntniss wirbelloser Thiere. Braunschweig 1847. — Huxley , On the anatomy and affinities of the family of the medusae. Phil. Tr. 1849. — Agassiz, L., Contributions to the nat. bist, of the Acalephae of N. Am. (Mem. of the Amer. Acad. of Arts and Sc. Cambridge 1850.) — Derselbe, Contrib. to the nat. bist, of the United States of North America. Vol. III. IV. 1860—62. Hydromedusen: van Beneden, P., M6m. sur lesCampanulaires de la cöte d Ostende. (Nouv. Mem. de l'Acad. royale de Bruxelles. T. XVIt.) Recherches sur l'em- bryogenie des Tubulaires (ibid.). — Kölliker, Die Schwimmpolypen von Mes- sina. Leipzig 1853. — Leuckart, R., Zur näheren Kenntniss der Siphonophoren von Nizza. Arch. f. Nat. 1854. — Gegenbaur, Beitr. zur näheren Kenntniss der Siphonophoren. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. V. — Vogt, C, Sur les Sipho- nophores de la mer de Nice. Mem. de l'inst. Genevois 1854. — Claus, Ueber Physophora hydrostatica. Zeitschr. für w. Zoolog. Bd. X. Neue Beobachtungen, ibid. Bd. XIII. — Häckel, E., Zur Entwickelungsgesch. der Siphonophoren. Na- tuurkund. Verhandelingen. P. I. St, 6. Utrecht 1869. — Huxley, Oceanic Hy- drozoa. London 1859. (R. S.) — Forbes, Ed., A monograph of the british naked- eyed medusae. London 1848. (R. S.) — Häckel, Die Familie der Rüsselquallen. Jenaische Zeitschrift. Bd. I. II. (Auch unter d. Titel : Beitr. zur Naturgesch. d. Hydromedusen. I. 1865.) — Schulze, F. E., Ueber den Bau u. die Entwickelung der Cordylophora lacustris. Leipzig 1871. — Derselbe, Ueber d. Bau v. Syn- coryne etc. Leipzig 1873. — Kleinenberg, N., Hydra. Leipzig 1872. — Allman, G. J., Monograph of theGymnoblastic or tubularian Hydroids. P. I. u. II. London 1871. 72. (R. S.) — Derselbe, On the structure and developp. of Myriothela. Philos. Transact. Vol. 165. — Calycozoen: Clark, H., Prodromus of the history etc. of the order Lucernaria. Journ. of Bost. Soc. of Nat. hist. 1863. Thecomedusen: Allman, G. J., On the structure and systemat. position of Ste- phanoscyphus mirabilis. Transact. Linn. Soc. See. Ser. Vol. I. zool. Discophoren: Ehrenberg, Ueber Acalephen des rothen Meeres u. d. Organismus der Medusen der Ostsee. Abhandl. d. Berl. Acad. 1835. — Milne- Edwards, Ann. sc. nat. III. xvi. — Wagner, R., Ueber den Bau der Pelagia noctiluca und über die Organisation der Medusen. Leipzig 1841. — Häckel, E. , Ueber die Crambessiden. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. XIX. — Brandt, A., Ueber Rhi- zostoma Cuvieri. M6m. Acad. imp. des Sc. de St. Petersb. VII. Ser. T. XVI. — Grenacher, H. u.Nolc, F. C, Beitr. z. Anatomie u. Systematik der Rhizostomeen. Abh. d. Senckenb. Gesellsch. Bd. X. Anthozoen: Ehrenberg, Die Corallenthiere des rothen Meeres. (Abh. d. Berl. Acad. 1832.) — Hollard, Monographie anatomique du genre actinia. Ann. sc. n. III. xv. — Haime , J. , Mem. sur le genre Cereanthus. Ann. sc. n. IV. i. — Lacaze- Duthiers, Hist. nat. du corail. Paris 1864. — Derselbe, Memoires sur les Anti- pathaires. Ann. sc. nat. V. n. iv. D6veloppement des Coralliaires. Archives de Zoolog, exp. Vol. I. II. — Kölliker, Die Pennatuliden. Abh. d. Senckenb. Ge- sellsch. Bd. VII. — Eisen, G.,Bidr. tid kännedomen om Renilla. Kongl. Svensk. Vet. Handl. Bd. XIII. — v. Koch, G. , Anat. d. Orgelcoralle. Jena 1874. — Moseley, H. N., On the structure and relations of the Alcyonarian Heliopora caerulea etc. Phil. Transact. Vol. 166. 1. Gegenbaur, ürundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 7 98 II- 2- Cölenteraten ;Zoophyten). Ctenophoren: Will, Horae tergestinae. Leipzig 1844. — Milne- Edwards, Ann. sc. nat. Ser. IV. vol. vir. — Kowalevsky, A. . Entw. des Rippenquallen. Mem. de TAcad. Imp. de St. Petersb. VII. Ser. Tom. X. — Fol, H., Beitr. z. anatom. Entwickl. einiger Rippenquallen. Berlin 1869. — Eimer, Th. , Zoologische Stu- dien auf Capri I. üeber Beroe ovatus. 1873. Körperform. § 72. Die Körperform der Cölenteraten bietet nur in den niedersten Zu- ständen der dieselben zusammensetzenden beiden Crossen Abtheilungen übereinstimmende Verhältnisse dar, in jenem Stadium nämlich, welches oben (S. 37) nach der. Bildung der Darmhöhle als »Gastrula« bezeichnet ward. Diese Form repräsentirt einen Larvenzustand, bei dem ein Wim- perkleid als Bewegungsapparat fungirt . und der wohl als gemeinsame Grundform der beiden Hauptabtheilungen der Zoophyten wird gelten dürfen. Für diese Form ist nur eine Axe, die Hauptaxe unterscheidbar, welche vom oralen zum aboralen Pole sich erstreckt. Nebenaxen sind indifferent, da alle senkrecht durch die Hauptaxe gezogen in beliebigen Winkeln sich kreuzenden Queraxen einander völlig gleichwerthig sind. Dieser Zustand erhält sich bei den Spongien und geht bei den Acalephen in einen durch Differenzirung von Queraxen charakterisirten Befund über. Unter den Spongien erlangt die Gastrula mit der am aboralen Pole erfolgenden Anheftung ihre definitiven Verhältnisse in der einfachsten Form bei den Physemarien, sowie als Olynthus unter den Asconen. Auch bei anderen Kalkschwämmen finden sich jene einfacheren Körperformen noch vor, wenn auch in den inneren Verhältnissen bedeutendere Um- gestaltungen Platz griffen. ö o *-> Die mächtigsten Veränderungen der Körperform gehen aus der Stock- bildung hervor. Durch Sprossung oder auch durch unvollständige Thei- lung entstehen die mannichfaltigsten Colonien (Cormi), deren Einzelthiere (Personen auf die verschiedenste Weise unter einander verbunden sind, und ebenso verschiedenartig wieder theilweise oder vollständig mit ein- ander verschmelzen können'. Im letzteren Falle gewinnen solche Stöcke nicht selten den Anschein von Einzelthieren, und in dem Maasse als die äussere Form sich vereinfacht, wird die innere Organisation complicirt. Von nicht geringerem Einflüsse auf die äussere Gestaltung als diese Con- crescenz ist die Umbildung der Mundöffnungen der Golonie, die gruppen- weise oder auch sämmllich sich vereinigen können, oder auch vollständig verschwinden. Der grosse, durch diese nur in der Kürze angedeuteten Verhältnisse bedingte Formenreichthum dieser Abtheilung empfängt noch neue Mo- mente der Modification in zahlreichen Anpassungen topischer Natur, und nirgends im Thierreiche erscheint die Körperform in so vollem Flusse als bei den Spongien, so dass selbst die Unterscheidung der grösseren Ab- theilungen, geschweige denn die der Arten von daher unmöglich wird. Körperform. 99 § 73. Für die Acalephen bildet der aus der Gastraeaform hervorgehende Körper in fast allen Abtheilungen einen festsitzenden Zustand aus, mit dessen Beginn die entstehende Magenhöhle den Organismus in wesentlich demselben einfachen Verhalten erscheinen lässt wie wir ihn bei dem ent- sprechenden Stadium der Spongien antrafen. An dem die Magenhöhle bergenden Vordertheile des Leibes entstehen Fortsätze, Tentakel, welche die erste Andeutung einer Differenzirung von Nebenaxen darbieten, und damit leitet sich die schärfere Sonderung von den Spongien ein. Unter den Hydromedusen bilden die HydroTden , oder Hydroid- polypen (Hydriformes), die niedrigste Stufe. Bei vielen stehen die Ten- takel unregelmässig an dem den Magen umschliessenden Körpertheile (Coryne, Syncoryne, Cordylophora), oder die Tentakelzahl ist eine unbe- stimmte selbst wenn diese Gebilde nur auf bestimmte Zonen des Leibes beschränkt sind, und am vorderen Körpertheil die Mundöffnung im Kranze umgeben (Hydractinia, Eudendrium, Gampanularia) . Die wechselnde Zahl der Tentakel verbietet auch hier noch die Annahme bestimmt diffe- renzirter Nebenaxen. Nur bei einzelnen sind sie in der Tentakelstellung bestimmter ausgesprochen (Stauridium). Durch die Ausdehnung des aboralen Körperendes in einen stielartig den tentakelbesetzten freien Körpertheil tragenden Abschnitt , erscheint der letztere in grösserer Selbständigkeit von dem übrigen einen Stiel vorstellenden Körper, und wird als »Köpfchen« oder als »Hydranlh« unter- schieden. Durch Sprossung entstehen aus dem Einzelthiere Thierstöcke (Cor- mi) . Die Sprossung kann entweder an jedem Theile der Körperoberfläche erfolgen (Hydra) und mit Ablösung des Sprösslings endigen, oder sie findet nur an dem stielartigen Körpertheile statt. Bilden sich von dessen Basal- theil her Ausläufer, welche festgeheftet von Stelle zu Stelle neue Thiere emportreten lassen, so gehen daraus die kriechenden Cormi der Syn- corynen, Hydractinien u. s. w. hervor. Geht die Sprossung vom freien Theile des Stieles aus, so werden frei verzweigte Stöcke gebildet, welche in den mannichfaltigsten Complicationen auftreten (Eudendrium, Cam- panularia) und sogar eine regelmässige Art der Verzweigung eingehen (Serlularia, Plumularia). Die Stockbildung ist fast beständig von der Bildung eines röhrenför- migen Gehäuses begleitet, welches als eine Abscheidung der Körperober- fläche dem gemeinsamen Stamme sowohl, wie dessen Verzweigungen als Stütze dient, und in verschiedenem Grade auch auf die Personen des Stockes fortgesetzt ist. § 74. Der Sprossungsprocess der Hydroidpolypen liefert ausser der Ver- grösserung des Stockes durch neugebildete gleichartige Individuen (Per- 100 II. 2. Cölenteraten (Zoophyten) sonen) noch Bildungen andrer Art , deren differenzirteste Formen sich zu Medusen entwickeln. Der Körper dieser Sprösslinge ist glocken- oder scheibenförmig ge- staltet (Fig. 32, m.) und lässt sowohl in seiner inneren Organisation wie durch die am Rande der Glocke oder Scheibe entspringenden Tentakel neben der Hauptaxe meist zwei sich rechtwinkelig kreuzende Nebenaxen unterscheiden, die sich völlig gleichwerthig sind. In dieser Organisation spricht sich eine höhere Stufe aus , als in jener der Hydroidpolypen zur Entfal- tung gelangte. Die Thiere bewegen sich durch Contractionen der Glocke, deren Rand sich in eine gleichfalls .contractile Membran, dasVelum, fortsetzt. Diese Medusengemmen sind stets die Trager der Fortpflanzungsorgane, aus ihren Eiern entstehen wieder Hydroidpolypen. (Gene- rationswechsel !) Während die einen Sprossung frei- werdender Medusen (Fig. 31, a — e; Fig. 32, a — e) auszeichnet ; kommt es bei anderen Hydroidpolypen nur zur Anlage einer Medusengemme , deren Organisa- tion nicht ganz jene hohe, das Freiwer- den bedingende Stufe erreicht, und dem- gemäss mit dem Stocke verbunden bleibt. Die gesetzliche Entwickelung bleibt jedoch auch hier nicht aus, und diese rudimentären Medusen stellen »Gescblechtsknospen« (Gonophoren) vor, deren Producte sich in ihnen in denselben Beziehungen wie jene der freien Medusen entwickeln. Daran schliessen sich noch einfachere Knospenformen an, die sich endlich bis zu solchen verfolgen lassen, deren Bau kaum etwas mit einer Meduse gemein hat. Die bis hieher führende Reihe ist durch zahlreiche Vermittlungsformen vollständig, so dass äussere, blos Geschlechtsproducte enthaltende Knospen, und relativ hoch organisirte Medusen, die erst längere Zeit nach der Ablösung vom Hydro idenstocke sich sexuell ent- wickeln, als zusammengehörige Formen, Endpunkte einer Reihe, gelten müssen. Diese Erscheinung wird durch die Annahme einer Arbeitstheilung erklart, bei der die Function der Ernährung des Stockes den sessil blei- benden Individuen zufällt, indess andere sich ablösende die Besorgung der sexuellen Vermehrung übernehmen. Die als frei werdende Knospen auftretenden erlangen eine höhere Organisation , die wohl aus der niede- ren, ursprünglich mit den sessil bleibenden übereinstimmenden allmählich sich hervorbildete. Die Ablösung vom Stocke dürfte demnach für jene sexuellen Individuen als das erste, ihre Differenzirung in der medusoiden Richtung bedingende Moment gelten, gleichwie das Sitzenbleiben der me- ng. 31. Syncoryne , mit einer Anzahl daran knospender Medusen auf verschie- denen Stufen (a — () der Entwickelung. (Nach Desok.) Körperform. 101 duso'iden Gemmen in den andern Fällen von einer Rückbildung jener meduso'iden Organisation begleitet ist. Wenn aber diese Organisation, wie wir oben annahmen , durch ein ursprüngliches Freiwerden erlangt ward, so würden die meduso'iden Gemmen nicht etwa als in der Ausbil- dung stehen gebliebene, sondern vielmehr in der Rückbildung begriffene Medusengemmen zu beurtheilen sein. Eine sichere Entscheidung darüber ist deshalb nicht möglich, weil die einzelnen Stadien der Rückbildung mit denen der Ausbildung völlig ähnlich sein können, und regressive Meta- morphosen nicht direct beobachtet sind. Die Sprossung der Generations- Individuen , als welche die medusi- formen Gemmen mit ihren Modificationen zu betrachten sind, findet sich an verschiedenen Localitäten. Da die Stockbildung ein secundärer Vorgang ist, wird die Sprossung am Leibe des Einzelthiers die ur- sprüngliche sein. Daselbst trifft sie sich auch in allen Abtheilun- gen der Hydro'idpolypen. Ueber den Kopf zerstreute Gemmen bie- ten die Coryneenstöcke. Häufig sitzen die Knospen zwischen den Tentakeln. Nach innen vom Ten- takelkranze finden sie sich bei Pennaria. An derselben Stelle bei den Tubularien, wo sie immer zu mehreren auf gemeinsamem Stiele sitzen, zuweilen ansehnliche, trau- ben- oder ährenförmige Gruppen bildend. Die Knospung am Hy- droidenkörper ist in vielen Fällen von einer Rückbildung des letzte- ren begleitet. So bei manchen Campanularien. Hydractinien u. a. Das proliferirende Individuum gibt seine Retheiligung an der Ernäh- rung des Stockes auf, was sich in einer Verkümmerung der Tentakel wie der Magenhöhle äussert. Der Thierstock wird dadurch aus nutritorischen und proliferirenden Personen zusammengesetzt, von denen letztere wieder die Gemmen als Geschlechts- Personen tragen. So entsteht an diesen Stöcken ein Dimorphismus der Personen, welcher dadurch in einen Polymorphismus übergeht, dass bei manchen (Hydractinien) eine Anzahl der nutritorischen Personen noch weitere Veränderungen erfährt. Die proliferirenden Personen eines Stockes lassen verschiedene Grade Fig. 32. Theil eines Stockes eines Hydroidpolypen (Eudendrium ramosum) mit sprossenden Medusen. p, p, p nutritorische Personen. «, b. c, d, e, f ver- schiedene Differenzirungszustände der sprossenden Medusen, in m' freie Medusen in verschiedenen Stellungen. 102 II. 2. Cölenteraten (Zoophyten). ihrer Rückbildung wahrnehmen. Im äussersten Falle bleibt nach Ent- wicklung der Gemmen nur noch ein Rest des sie tragenden Individuums übrig (manche Campanularien ). Die vollständige Rückbildung der pro- liferirenden Person lässt die Gemmen ohne eine Reziehung zu einer Hy- dro i'denperson von irgend einem Theile des gemeinsamen Stockes ent- springen. In den höheren Abtheilungen der Medusiformen sind die Beziehungen zu Hydroiden aufgegeben. Wenn auch die Fortpflanzung manche be- deutende Complicationen zeigt (s. unten Geschlechtsorgane), so ist doch, soweit bis jetzt bekannt, eine Rückkehr zur Hydroidenform für die Trachy- nemiden, Aeginiden; wie Geryoniden ausgeschlossen und es bleibt sogar zweifelhaft ob eine solche Reziehung bestand. § 75. Die bei den Hydroidpolypen wesentlich auf die nutritorische und ge- nerative Function beschränkte Arbeitslheilung der zu einem Thierstocke vereinigten Personen ist bei den Siphonophoren auf eine grössere Reihe von Verrichtungen ausgedehnt, und hat demgemäss eine bedeuten- dere Mannichfaltigkeit der Gestaltung der Restandtheile des Thierstocks zur Folge. Die Arbeitstheilung bedingt so einen Polymorphismus der Personen. Diese folgen sämmtlich dem medusiformen Typus, der wieder in verschiedenem Maasse entfallet ist. In den Fällen seiner deutlichen Ausbildung waltet die bei den Medusengemmen der Hydroidpolypen herr- schende Grundform vor, woraus sich eine gemeinsame Abstammung beider Abtheilungen ableitet. Die Siphonophoren erscheinen so als schwimmende Hydroi'denstöcke , deren Personen sämmtlich die bei den Hydroidpolypen nur von den generativen Personen vollzogene Umwand- lung in die Medusenform eingingen. Die einzelnen Personen des Sipho- nophorenstockes sprossen an einem gemeinschaftlichen contraclilen Stamme, der bei den meisten die Axe des Stockes vorstellt, um welche die als Organe für den Gesammtstock fungirenden Personen angeordnet erscheinen. Diese sind : 1. Lo co motorische Personen (Schwimmglocken), welche am vollständigsten den Medusentypus zeigen, zu zweien (Diphyiden) oder in grösserer Anzahl zu einer Schwimmsäule vereinigt (Physophoriden) das eine Ende des Stammes besetzend (Fig. 33 A. C. m. D.), welches da- durch bei der Locomotion vorangeht und zum vorderen wird. 2. Nutritorische Personen finden sich am zweiten Abschnitte des Stammes in Gestalt von Magenröhren (Magen, Saugröhren) angebracht [B. C. n) . Ein Theil von ihnen gelangt in einzelnen Fällen nicht zur Aus- bildung, und stellt dann terminal geschlossene als »Taster« fungirende Schläuche vor. 3. Protective Personen (Deckstücke) lassen häufig noch den Medusentypus deutlich , in andern Fällen sehr wenig deutlich wahr- Körperform. 103 nehmen, und erscheinen als hyaline, blattförmig gestaltete Stücke, unter deren Schutz die sub 2. und i. 5. aufgeführten Personen angebracht sind. 4. Tentakuläre Perso nen bilden einfache oder in verzweigten Büscheln angeordnete, bedeutend verlängerbare Fäden (Senkfäden), Fig. 33. Einige Siphonophorenstöcke. A Diphyes camp anulata. B -Eine Gruppe von Anhangs- gebilden vom Stamme derselben Diphyes. C Physophora hydrostatica. I) Einzelnes Schwimm- stück derselben. E Weibliche Geschleehtstraube von Agalma Sarsii. a Stamm oderAxe der Colonie. d Luftblase, m Schwimmstücke, c Höhle in denselben, von einer contractilen Membran ausgekleidet. v Canäle in der Wand der Schwimmstückhöhle, o Oefl'nung des Schwimmstücks, t Deckstücke (bei C durch Taster vorgestellt), n Magen, i Senkfäden, g Geschlechtsorgane. welche terminal mit eigentümlichen Nesselorganen ( Nesselbatterieen ) ausgestattet sind. Die ursprüngliche Medusenform ist nur bei wenigen dieser Gebilde in Spuren erkennbar. 5. Generative Personen bieten wie bei den Hydrpidpolypen mannichfaltige Ausbildungszustände. Obschon sie nur in seltenen Fällen 104 H. 2. Cölenteraten (Zoophyten). zu freiwerdenden Medusen sich umgestalten (Yelella — Chrysomitra), so ist doch der medusiforme Typus an ihnen sehr allgemein ausgeprägt. Meist sind sie, ähnlich wie bei den Tubularien, in traubenförmiger Grup- pirung zu treffen. Die Anordnung dieser sehr divergent differenzirten Personen des Siphonophorenstockes wechselt in den einzelnen Abtheilungen, sowie auch die locomotorischen wie die protectiven Personen manchen Gattungen fehlen. Im Allgemeinen ist in der Anordnung und Vertheilung der poly- morphen Personen des Stockes innerhalb der Gattungen und Arten eine grosse Constanz zu beobachten; die Sprossung vom Stocke geht nur an einer Seite derselben vor sich, die allseitige Gruppirung um den Stock er- folgt durch spiralige Drehung des letzteren. Daraus resullirt die zwei- oder mehrzeilige Anordnung der Schwimmglocken, sowie auch die Grup- pirung der übrigen Gebilde. Nutritorische , generative und tentakuläre Individuen sind meist in Gruppen beisammen, so dass einer Gruppe der- selben je eine protective Person in Gestalt eines Deckstückes zukommt. Während bei den meisten Physophoriden diese Gruppen sehr dicht stehen, finden sie sich bei den Diphyiden in grösseren Distanzen angebracht (Fig. 33. A. B.), jede Gruppe aus einer bestimmten Personenzahl zusam- mengesetzt, die bei manchen vom Stocke sich ablösend, als Eudoxien bekannt, eine individuelle Bedeutung erlanijen können. Das durch die locomotorischen Personen ausgezeichnete Vorderende des Stammes empfängt in manchen Abtheilungen eine selbständige Aus- bildung durch die Entwickelung eines luftführenden Sackes. Dieser fungirt als ein hydrostatischer Apparat, und lässt das Vorderende während der Ruhe des Stockes stets aufwärts gerichtet erscheinen ( Phy- sophoriden) [C. a). Er besitzt eine verschliessbare Oeffnung nach aussen, durch die ein Entweichen der Luft beobachtet ist. Die bedeutendere Aus- bildung dieser bei den meisten Physophoriden ziemlich kleinen Blase scheint eine Rückbildung der locomotorischen Gemmen des Stockes zu bedingen und ergibt sich damit als eine Art von compensatorischer Ein- richtung, durch die jedoch das Maass der Freiheit der activen Bewegung des Stockes eine Beschränkung erfährt. An die Stelle der Schwimm- bewegung tritt ein Treiben im Wasser. Die locomotorischen Personen fehlen z. B. bei Rhizophysa, bei der der Luftsack vergrössert ist. Durch eine ansehnliche Ausdehnung zu einem weiten Räume nimmt der Luft- sack den grössten Theil des Stammes ein, und bildet den voluminösesten Theil der Colonie, deren Einzelstücke als einer Seite der Blase ansitzende Anhänge sich darstellen. Dieses bei den Physalien ausgebildete Verhalten wird von einer Verkürzung des Stammes begleitet. Ein anderer Zustand ist bei den Velelliden gegeben, deren Luftsack zum stark verkürzten Stamme eine terminale Lage einnimmt, und sich unter flächenhafter Aus- dehnung zu einer Scheibe verbreitert, deren knorpelartige, derbe Wan- dungen durch Scheidewandbildung den Binnenraum in zahlreiche Kam- mern theilen. Im ersten Bilduncszustande stellt der Luftbehälter auch Körperfonn. 105 hier einen einfachen Sack vor. Bei Porpita bleibt die Scheibe platt kreis- förmig , bei Velella erhebt sie sich in einen schräg gestellten dünnen Kamm, in welchen die Lufträume der Platte sich nicht fortsetzen. Die concentrisch gelagerten Kammerräume des Luftbehälters stehen bei Yelella unter sich durch 'Oeffnmmen in Verbindung. Nach aussen communiciren sie durch eine Anzahl an der Oberfläche gelagerter Löcher. Bei Porpita gehen von der untern Fläche des Luftbehälters noch feine luftführende Canäle ab, welche verästelt in den die Ernährungsindividuen tragenden Theil des Stammes eindringen. § 76. An die Hydroiformes schliessen sich die Thecomedusen an, polypen- förmige mit Gehäusen versehene Cölenteralen . deren Organisation je- doch jener der Medusen entspricht. Sie vermitteln einen Uebergang zu diesen , indem sie Formen repräsentiren , welche den Larven der Discophoren nahe stehen. Diese Larven- form ( Scyphostoma ) er- scheint auf einer höhern Organisationsslufe als die Mehrzahl der Hydro'idpoly- pen, und bietet rur mit einigen derselben (Cory- morpha ) Anknüpfungs- punkte. Sie entwickelt sich ebenso wie bei den Hydroid- polypen aus einer erst freien dann sich festsetzenden Pla- nula (Fig. 34. 1, 2). Die Grundform des Körpers stimmt jedoch nicht blos mit manchen Hydroidpolypen , sondern auch mit dem Medusenzustande der- selben darin überein, dass zwei gleichwerthige Nebenaxen die Hauptaxe kreuzen. Die Organe sind in der Vierzahl angeordnet, lassen somit vier Antimeren am Körper unterscheiden. Aus dieser Polypenform entstehen die Medusen wiederum durch Sprossung , die aber nicht wie bei den HydroTden eine laterale , sondern eine terminale ist. Der den Mund tragende Endabschnitt der Scyphostoma beginnt allmählich vom übrigen Körper sich abzuschnüren (Fig. 34.4.). Indem der Körper dabei fort- wächst, werden gegen den aboralen Pol zu immer neue Abschnitte meta- merenartig gesondert (Strobila Fig. 34. 5.), die sämmtlich medusenähn- lich sich ausbilden. Der Polypenleib wird dadurch in eine oft bedeutende Fig. 34. Jugendzustände von Aurelia aurita. 1 Planulaform, sich festheftend. 2, 3 Uebergang in die Polypenform. 4 Be- ginn der Metamerenbildung. 5 Fortgesetzte Metamerenbildung (Strobila) und Differenzirung derselben. (Nach M. Saes.) 106 H- 2- Cölenteraten (Zoophyten). Anzahl von Medusen zerlegt, die allmählich sich ablösen Ephyraform), und frei geworden eine weitere Ausbildung eingehen. Dieser für Cephaea, Aurelia und Cassiopeia bekannte Vorgang fehlt bei Pelagia , deren Eier sich in schwimmende Larven verwandeln , die ohne ein polypenförmiges Stadium zu jungen Medusen werden. Die Onto- genie der Pelagia ist also auf wenige Stadien zusammengezogen, während sie bei den andern, über eine grössere Formenreihe ausgedehnt, mehr einer Wiederholung der paläontologischen Entwicklung entspricht. Für diese wird der polypenförmige festsitzende Zustand als Ausgangspunkt gellen müssen, woran sich zunächst die allmähliche Umwandlung des Polypen in eine freiwerdende Meduse anschloss. Die Strobilation des Scyphostoma und die daraus hervorgehende Genese einer Anzahl von Medusen erscheint unter jener Voraussetzung als ein seeundärer Vorgang, der erst allmählich, nachdem nicht mehr der ganze Polypenkörper in die Meduse sich umwandelte, zur Ausbildung kam. Aus dem beim Ueber- gange des Polypen in die Strobila stattfindenden Wachsthume letzterer Form ist ersichtlich, dass den Ernährungsverhältnissen des Scyphostoma- zustandes für die Entstehung der Strobilaform , d. h. für die Sprossung der Medusen, eine wichtige Rolle zukommen muss, so dass die Entstehung der ganzen Erscheinung mit der Ernährung des Scyphostoma in causalem Zusammenhang steht. Durch die Sprossung von Ephyren , d. h. jungen Discophoren vom Leibe der Strobila, wird eine ungeschlechtliche Vermeh- rung in den Entwicklungsgang der Medusen eingeschaltet, woraus eine Form des sogenannten Generationswechsels sich ableitet. Durch die Scyphostomaform besitzen die Medusen nähere Beziehun- gen zu den Galycozoen , die von jener ableitbar erscheinen. Der mit einem kurzen Stiele festsitzende Körper ist schirmartig verbreitert und kommt im Verhalten seiner Axen mit den Scyphostomen und deren Ab- kömmlingen überein. In manchen Beziehungen bietet er auch eine Ver- wandtschaft mit den Anthozoen. Dadurch erscheint in den Calycozoen eine sehr wichtige Zwischenform , die aus der für mehrere grosse Abthei- lungen der Acalephen gemeinsamen Stammform mit relativ wenigen Mo- dificationen sich fortgesetzt hat. § 77. Für die Anthozoen ist die primitive Körperform mit jener anderer Cölenteraten in vollkommener Uebereinstimmung , und auch die ersten Zustände der sich festsetzenden Planula;bieten keine wesentlichen Diffe- renzen. Das Erscheinen von Tentakeln und die später folgende innere Difl'erenzirung lässt manche Verschiedenheiten auftreten, zunächst in der Grundzahl der Nebenaxen des Körpers. Bei einigen treten nur 4 Tentakel auf (Tetractinia), bei anderen 6 (Hexactinia) und endlich bei noch an- dern 8 (Octactinia). In den beiden ersten Abtheilungen bleibt es nicht bei dieser Zahl, vielmehr erscheint alsbald eine Vermehrum* der Tentakel, Körperform. 107 der eine entsprechende Veränderung der inneren Organisation parallel geht. Damit wird am Organismus eine grössere Zahl von Queraxen unter- scheidbar, deren Grundzahl in den meisten Fällen die zuerst erschie- nene Zahl ist. Bei den Octactinien dagegen persistiren die ersten vier Queraxen. Der meist cylindrisehe Körper des jungen Thieres behält diese Form nur in wenigen Abtheilungen Cereanthus, Actinia etc.). Bei den übrigen kommt es zu einer Stockbildung, welche für die äussere Erscheinung die grösste Mannichfaltigkeit der Formen bedingt. Die Stöcke (Polyparien) entstehen entweder durch unvollständige Theilung oder durch Knospen- bildung, beide zuweilen combinirt. Die Theilung (Längstheilung) erweist sich in der Stockbildung bis zu sehr verschiedenen Stufen ausgeführt. In manchen Fällen ist sie nur durch ein Auswachsen in die Quere angedeutet, und es kommt zu gar keiner Scheidung des Organismus, z. B. bei manchen Fungien. Andere bieten die Theilung nur an der oralen Körperoberfläche, indess im Innern ein continuirliches Verhalten fortbesteht. Durch die Fortsetzung dieses Vorganges entstehen Stöcke mit zahlreichen Mundöffnungen , die in man- nichfach gewundenen , am Bande mit Tentakeln besetzten Befhen ange- ordnet sind (Maeandrina). Während auf diese Weise mehr flache oder rasenartig ausgebreitete Stöcke entstehen, treten durch die Combination der Theilung mit einem bedeutenden Längewachsthum der Personen ver- ästelte Stöcke auf, die nicht blos verschiedene Ausdehnung, sondern auch sehr mannichfache Formen der Verzweigung gewinnen können. In ähn- licher Weise liefert die Sprossung complicirte Stockbildungen. Auf bei- derlei Art entsteht eine dem gesammten Stocke zugehörige, allen Personen gemeinsame Körperparthie (Coenosark , Coenenchym) . Von dieser ent- wickelt sich der basale Abschnitt bei den nicht festsitzenden , sondern nur lose im Schlamm oder Sande steckenden Stöcken der Octactinien zu einem der Sprossung entbehrenden stielähnlich geformten Theile des Stockes (Pennatuliden). § 78. In der von den übrigen Acalephen am meisten abweichenden Abthei- lung der Ctenophoren bildet sich aus der mit den anderen im wesent- lichen übereinstimmenden Larve alsbald die definitive Leibesform aus. An dieser sind vier senkrecht auf die Hauptaxe gerichtete Nebenaxen unterscheidbar, nach denen die wichtigsten Organe angeorduet sind. Der Körper folgt damit im Allgemeinen dem radiären Typus, der bei den Be- roiden am meisten ausgeprägt ist. Dieser achtstrahligen Form liegt jedoch höchst wahrscheinlich eine vierstrahlige zu Grunde, bei der jeder Badius sich irwzwei getheilt hat. Je zwei aus einem primitiven Badius entstan- dene Badien sind den gegenüberstehenden Badien derselben Queraxe gleich. Die Ausbildung der Körperform erfolgt an den Polen einer der 108 W- 2. Cölenteraten (Zoophyten). beiden primitiven Queraxen. Die in dieser Richtung aufgetretene Diffe- renzirung ist schon bei den Cydippiden deutlich, mehr ist sie bei den Mnemiden durch lappenartige gegen den Mundpol gerichtete Fortsatze ausgeprägt, am meisten bei Cestum entfaltet, deren Körperform durch Auswachsen in der Richtung zweier congruenter Interradien in eine Rand- form übersing. Gliedmassen. § 79. Ich fasse hier die als Tentakel bezeichneten Fortsatzbildungen des Körpers zusammen, welche, den Spongien gänzlich fehlend oder nur an- deutungsweise zukommend , bei den Acalephen in grosser Verbreitung getroffen werden, und ebenso von bedeutendem Einflüsse auf die äussere Formerscheinung dieser Organismen, wie für die Gesammt-Oekonomie derselben von hohem functionellen Werthe sind. Die meisten sind wie die Leibeswand contractu, doch gibt es auch starre, nur wenig beweg- liche Formen (Trachynemiden) . Die Tentakel sind der Sitz einer bedeu- tenden Empfindlichkeit, und fungiren somit als Sinnesorgane; in vielen Fällen sind sie Greif Werkzeuge , und endlich dienen sie durch die ihnen eingefügten Nesselzellen als Waffen. Den niedersten Refund bieten die Hydroidpolypen, deren Tentakel in manchen Abtheilungen (Coryneen) über die Oberfläche des vordersten (dem oralen Pole nächst gelegenen) Körperabschnittes zerstreut sind. Bei manchen macht sich eine regelmässigere Vertheilung bemerkbar, die bei anderen in, die Herstellung eines »Tentakelkranzes« übergeht (Hydractinia , Eudendrium , Campanularia). Dieser ist meist in einiger Entfernung von der Mundöffnung angebracht ; durch ihn wird der bezüg- liche Körpertheil höher potenzirt und erscheint einem Kopfe analog, wie man denn die tentakeltragenden Körpertheile (Hydranthen) der Hydroiden auch als »Köpfchen« bezeichnete. Der höheren Differenzirüng des gesammten Körpers der Tubularien entspricht die Ausbildung eines zweiten Tentakelkranzes, der den Mund direct umgibt. Der äussere Tentakelkranz ist mit der scheibenähnlichen Ausbreitung des Köpfchens an den Rand derselben gerückt. Es sind also hier Mundtentakel und Randtentakel unterscheidbar. Letz- tere erlangen bei den Hydromedusen wie bei den Medusen eine grosse Ausbildung. Die Randtentakel, Randfäden, meist sehr bedeutend verlängerte fadenartige Anhänge des Glocken- oder Schirmrandes der Hydromedusen sind immer nach den Körperradien geordnet. Bei dem Restehen inter- radialer Tentakel treten diese meist nach den radialen auf, selbst wenn ihre Zahl eine bedeutende ist. Zuweilen stehen sie in Rüscheln (Lizzia) oder sind verzweigt (Cladonema). Der über die Radienzahl hinausgehen- Gliedmassen. 109 den Vermehrung der Tentakel steht die Minderung gegenüber. Zwei Ten- takel besitzt Saphenia, nur einen Stenstrupia. Bei den Trachynemiden sind die Tentakel gleichfalls radial angeordnet, manche besitzen dazu, wie die Aeginiden , noch interradiale. Eigenthümlich ist die Einfügung der Tentakel an den Körper, indem das Stützgewebe der ersteren einen oft ansehnlichen Fortsatz in letzteren einschickt. Auch Reductionen kommen vor. Nur 2 Tentakel besitzt Aeginopsis. Bei den Geryoniden findet ein Wechsel der Tentakel statt, indem das junge Thier vergängliche Randfäden (Larvententakel) von anderm Baue besitzt. Die unter den Hydromedusen verbreiteten Mundtentakel ent- sprechen gleichfalls der Grundzahl der Badien des Körpers. Bald sind sie einfach, bald verzweigt. Sie bilden jedoch kein allgemeines Vorkom- men und werden häufig durch Ausdehnungen des Mundrandes ersetzt. Trachynemiden und Aeginiden entbehren sie allgemein. Unter den Siphonophoren entbehren alle medusiformen Personen der Randfäden, die nur als Rudimente, wie z. B. in den Nesselknöpfen der Deckstücke, angedeutet erscheinen. Dieser Mangel eines für die Oekono- mie der Stöcke wichtigen Apparates wird durch die »Taster« und die »Senkfäden« compensirt, welche aus Umbildungen medusiformer Per- sonen sich erklären lassen (vergl. oben § 75) . Den Discophoren fehlen die Bandfäden in den Abtheilungen der Rhizostomeen und Cyaneen , welch' ietztere vier ansehnliche von der Unterfläche des Schirmes entspringende Tentakelbüschel besitzen , die weder auf Randfäden noch auf Mundtentakel bezogen werden können. Bei anderen kommen Randfäden bald nach der Radienzahl , bald auch interradial verbreitet vor. Schon bei den Charybde'i'den zeigt Charybdea vier von pfeilerartigen Forlsätzen der Glocke getragene Tentakel, die bei Tamoya (T. quadrumana) durch ebensoviele Büschel repräsentirt sind. Eine Vermehrung findet sich bei den Pelagien , und eine sehr grosse An- zahl feiner Randfäden zeichnet die Aurelien aus. Mundtentakel erscheinen als feine franzenarlige Fortsätze an den Rändern der den Mund umstehen- den Arme. Bei den Bhizostomeen sind sie längs der zahlreiche Mund- poren tragenden Binnen vertheilt. Bezüglich der Lucernarien ist ein doppeltes Verhalten der Rand- fäden zu bemerkeu, indem sie bei einer Abtheilung (L. cyathiformis) ganz ähnlich wie bei Medusen den Rand des becherförmigen Körpers besetzen, jedoch deutlich eine Scheidung in acht Gruppen erkennen lassen, indess sie bei anderen (L. auricula) ebensoviele auf die Enden der vier vom Körper ausgehenden Zipfelpaare vertheilte Büschel bilden. Die Tentakel der Anthozoen sind nach den grösseren Abtheilungen verschieden. Acht blattförmige, eingekerbte oder gefiederte Tentakel um- geben die Mundöffnung der Octactinien. Eine meist grössere Anzahl cy- lindrischer Tentakel kommt den Hexactinien zu. Sie umstehen die Mund- tläche des Körpers oder sind auf ihr zerstreut, zuweilen auch auf lappen- förmigen Fortsätzen derselben angebracht. HO II. 2. Cölenteraten (Zoophyten). Bei den Gtenophoren sind ausser hin und wieder vorhandenen unansehnlichen Fortsätzen am Rande der Mundöffnung in einzelnen Fa- inilien (Calymniden, Callianiriden), grosse in der Nähe des Mundes sich erhebende lappenförmige Ausbreitungen des Körpers vorhanden, die man mit den Tentakelbildungen zusammenstellen kann, obschon sie diesen morphologisch fremde Gebilde sind. Ausser diesen bestehen in einigen Gattungen (Cydippideni den Randfäden der Medusen ähnliche, den Polen einer interradialen Queraxe des Körpers entsprechende »> Senkfäden «^ die zuweilen mit Anhängen besetzt sind. Integument. § 80. Das Integument der Cölenteraten bietet die primitivsten Verhältnisse bei den Spongien, indem es aus dem nur wenig differenzirten Ectoderm sich zusammensetzt, welches den mannichfaltigeu Umgestaltungen des den Ernährungsapparat begrenzenden Entoderms folgt. Die durch letz- teres Yerhältniss sich ergebenden Eigenthümlichkeiten sind weiter unten (§ 87) zu berücksichtigen. Die Zellen des Ectoderms stellen bei den Phy- semarien ein Syncylium dar. Bei den Poriferen sind sie bisweilen als eine dünne Schichte erkannt (Halisarcina, Sycon). Unter den Acalephen geht das Ectoderm sehr frühzeitige Differen- zirunsen ein. so dass die allgemein verbreitete äusserste Zellenschicht, Epidermis, in den meisten Fällen nur einen Theil der primitiven Ec- todermschicht vorstellt. Die bei den Schwämmen nur auf frühere Ent- wickelungsstadien beschränkte Wi mperbekleidung des Körpers erhält sich bei den Acalephen nicht blos während der sogenannten Larven- stadien, wo sie der Locomotion vorsteht, sondern geht auch vielfach auf spätere Formzustände über, wo sie meist auf einzelne Theile, z. B. die Tentakelbildungen beschränkt wird. Mit der Volumsvergrösserung wird die Bedeutung der Cilien für die Locomotion aufgegeben. Nur in einer einzigen Klasse, bei den Cteno- phoren, erhält sich diese Beziehung unter Zunahme des Volums der Cilien. Statt der allgemeinen Bewimperung der Larve bilden sich den Körper in Längsreihen besetzende, den Cilien ähnliche Gebilde, welche durch Auswachsen in die Länge und Breite in bewegliche Schwimm- oder R uderplättchen sich umgestalten. Die Plättchen sind mit der breiteren Basis dem Körper verbunden und nur an dieser Stelle äussert sich die vom Willenseinflusse des Thieres abhängige Beweglichkeit, wäh- rend der übrige Grössere Theil der Plättchen rigid erscheint. Meist sind acht Reihen solcher Plättchen vorhanden, die als Ruderorgane thätig sind. Bei manchen treten nur vier Reihen derselben auf (Gestuiri). Eigenthüm- liche Differenzirungen in den Epithelelementen sind die bei allen Acalephen Integument. 111 wenn auch nicht ausschliesslich verbreiteten Nesselkapse In (Nemo- cysten). Es sind feste im Zellprotoplasma entstehende Kapseln (Fig. 35. B.), welche in ihrem Innern einen elastischen, spiralig zusammengerollten Faden enthalten (A), der meist bei Berührung der Kapsel als starres Gebilde nach aussen her- / A 2 vortritt. Diese Nesselkapseln finden sich bald öj 1 einzeln, bald in Gruppen, und zeigen zuweilen eine sehr regelmässige Anordnung. Oft geht diese zu ausserordentlich complicirten Einrich- tungen über, wie z. B. an den Nesselknöpfen der Siphonophoren, bei denen die Nesselkapseln häufig in spiralige Bänder angeordnet sind. Auf der Oberfläche entstanden , erhalten diese » Nesselba tterieen« bei vielen eine besondere Umhüllung von einer Integumentlamelle. Obschon diese Gebilde über die ganze' Oberfläche des Körpers verbreitet vorkommen, und auch im Entoderm und dessen Producten nicht fehlen, so sind doch manche Körpertheile ihr vorzüglicher Sitz. Vor Allem die Tentakel, oder andere Yorsprünge des Körpers. Die Formen der Nesselkapseln sowie der feinere Bau des Fadens bieten bedeutende Verschieden- heiten, und ergeben für die einzelnen Abthei- luncen charakteristische Befunde. Das Ectoderm besitzt auch eine secre- torische Thätigkeit, durch welche mehr oder minder den Körper umschliessende Ge- häuse geliefert werden. Sie finden sich unter denHydroidpolypen verbreitet, aus einer festen, dem Chitin nahestehenden Substanz gebildet, häufig mit mannichfaltigenSculpturen, Leisten, Stacheln, Wülsten etc. versehen. Besonders bei den stockbildenden Hydroldpolypen finden sich solche röhrenförmige Gehäuse, die bald nur auf den festsitzenden Theil des gemeinsamen Stockes beschränkt sind (Hydractinia), bald sich über die Verzweigungen des Stockes fortsetzen (Tubularia, Eudendrium, Pennaria) bald auch den einzelnen Personen zu- getheilt sind (Campanularia, Sertularia). Dadurch empfängt der weiche Polypenstock ein Stützorgan , das ihm sowohl eine Erhebung über den Fig. 35. Verschiedene Formen von Nesselkapseln. A Nesselkapseln von Corynactis, 1 mit dem spiralig aufgerollten Faden , 2 mit ausge- strecktem Faden. B C Nesselkap- seln von Siphonophoren mit aus- gestrecktem, theilweise mit Häk- chen besetztem Faden. D Nessel- zellen von Medusen; Faden noch eingerollt, hei einer noch nicht diffe- renzirt, Kern der Zelle sichtbar. Boden gestattet als auch seine Befestigung am Stocke vermittelt. 112 II. 2. Cölenteraten (Zoophyten) S k e 1 e t. § 81. Ausser den in den vorerwähnten Gehäusebildungen gegebenen Stützorganen kommen den Cölenteraten noch vielfache andere Skelet- bildungen zu, die gleichfalls als Differenzirungen des Mesoderms sich darstellen. Den Physemarien fehlen sie. Diese schaffen sich durch Aufnahme von Fremdkörpern ins Ectoderm einen Ersatz, und bei den Poriferen, von denen ein Theil (Halisarcina^ festerer Bildungen entbehrt, entstehen Stütz- gebilde entweder in Gestalt fester Nadeln (Spicula) oder weicherer Fasern Fig. 36. Ein Stück der Korperoberiläche eines Kalkscliwamraes (Sycaltis perforata) zur Darstellung der dreistrahligen Spicula. o Dermal-Ostien, jedes von einem Spiculakranze umgeben. (Nach Häckel.) deren Sitz das Mesoderm ist. Die ersteren sind entweder aus Kalk oder Kieselerde gebildet, wonach Kalk- und Kieselschwämme unterschieden werden. Einfacher verhalten sich die Spicula der Kalkschwämme, indem sie hier nur als Stabnadeln, drei- oder vierstrahlige Nadeln vorkommen, die in der Vertheilung und Anordnung im Körper bei zahlreichen Modi- ficationen des Einzel Verhaltens eine Crosse Regelmässigkeit darbieten. Vorstehende Figur gibt eine Darstellung des Verhaltens der Spicula bei einem Kalkschwamm. Die aus Kieselerde bestehenden Hartgebilde bieten eine viel bedeutendere Mannichfaltigkeit der Form, und ausser den in zahlreichen Combinationen bis zu vielstrahligen Sternen verbundenen Nadelgebilden kommen noch mann ichfaltige andere feste Theile, z. B. Skelet. 113 Fig. 37. 1 Zelle mit einer Kiesel- nadel von Spongilla. 2 Bläs- chen mit einem Amphidiscus von Spongilla. Nach N. Liebeukühn. Doppelscheiben ( Amphidisken ) (Fig. 37. 2.) vor. Die oft sehr lang ge- streckten Kieselnadeln setzen zuweilen ausserordentlich zierliche Gerüste (Euplectella) zusammen, oder sie bilden mächtige, weit über den Körper hinausragende Büschel fadenförmiger Gebilde (Hyalonema). Bei den Hornschwämmen endlich wird das Gerüste des Leibes durch netzförmig ver- bundene Fasern gebildet, die aus einer dem Chitin verwandten Substanz bestehen. Die Ablagerung anorganischer Substanzen im Mesoderm führt auch bei den Acalephen zu zahlreichen Skeletbildungen. Bei den An- thozoen bieten sie vornehmlich die zu Stöcken vereinigten Formen dar, und zwar sind es fast ausschliesslich Kalksalze, welche die Hartgebilde zusammensetzen. Die Bildung der letzteren erfolgt entweder in bestimmt geformten (Fig. 38) , durch die Weichtheile des Körpers zer- streuten Depositionen (Fig. 45), öderes entstehen zusammenhängende Massen, die wieder je nach der Art ihrer Bildung mehrfach verschiedene Zustände dar- stellen. Die Kalkkörper (Spicula) lagern immer in dem bindegewebigen Theile des Parenchyms, und sind von mannichfaltiger Gestaltung. Sie besitzen eine organische Grundlage, die nach Entfernung des Kalkes die Form der Spicula wiedergibt. Die zusammenhängenden Skeletbildungen kommen entweder durch Vereinigung von Spiculis zu Stande , wobei eine erhär- tende organische Substanz die Verbindung besorgt, z. B. bei Corallium, oder sie entstellen durch unmittelbare Verkalkung einer in der Axe des Cönenchyms liegenden, abgesonderten Hornsubstanz , ohne dass Spicula vorhanden wären. Ist die organische Substanz vorwiegend, so bilden sich hornartige Axenskelete, wie bei den Gorgoniden und Antipathiden. Diese Axenskelete beschränken sich zuweilen nur auf den Stamm der Golonie, wie bei den Pennatuliden, wo sie im Schafte des Stockes liegen, oder sie dehnen sich über alle Verästelungen des Stockes aus. — An die Axenskelete schliesst sich eine andere Form an , die durch allmähliche Verkalkung des Körperparenchyms entsteht, wobei gleichfalls Spicula eine Bolle spielen. Dabei wird der aborale Abschnitt des gesammten Körpers mehr oder minder vollständig sklerosirt. In gleichem Maass findet am oralen Pole ein Weiterwachsen des Körpers statt, und die vollständig ver- kalkten Theile verfallen dem Absterben. Solche Skelete bilden die Kalk- gerüste der Fungien, Asträen, Madreporen, wie die der Tubiporen. In der ganzen Erscheinung dieser Gerüstbildung kann eine Fortsetzung und Aus- bildung der bei den Schwämmen getroffenen Skelete erkannt werden. Gegenhaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. « Fig. 38. Kalkspicula von AI cyoni um. 114 II. u2. Cölenteraten (Zoophyten). § 82. Eine andere Art von Stützorganen kommt durch Gutieularhildungen oder durch Differenzirungen resistenterer Bindesubstanzen im Innern des Körpers zu Stande. Den einfachsten Befund bieten hier wieder die Hy- dro'fdpolypen, bei denen zwischen Ecloderm und Enloderm eine homogene Lamelle vorkommt, die als Stütz la in eile für ihr angelagerte weichere Gewebe fungirt. Während dieses Gebilde in seiner Bedeutung als Stütz- organ bei einem Theile der HydroTden durch die Bildung äusserer Gehäuse beschränkt wird und demzufolge da sehr dünn ist wo letzlere bestehen, findet es sich stärker an den freien nicht im Gehäuse geborgenen Theilen des Körpers. Im Anschlüsse hieran trifft man bei den Tubularien eine mächtige Schichte von Stutzgewebe in der dem freien, köpfehenförmigen Theile des Thieres zugehörigen Körperwand. Dieses Gewebe besteht aus homogener, von Fasern durchsetzter Substanz, zwischen Ectoderm und Enloderm eingebettet. Hierin erscheint eine Vorbildung der bei den Me- dusen zu höherer Entfaltung kommenden Einrichtung, der sogenannten Gallertscheibe, die bei manchen derselben (Medusen von Clavalella, dann Eleutheria) gleichfalls noch eine geringe Ausbildung zeigt. Die Gallertscheibe ist bei den Ilydromedusen bald völlig homogen bald von feinen Fasern durchsetzt, welche vom Ectoderm zum Enloderm sich fortsetzen. Sie bildet eine die Körperform bedin- gende, der aboralen Fläche des Körpers angehörige Scheibe (Fig. 39. /), die bis zur Glockenform modiliciit sein kann. Der oralen Fläche der Scheibe* lagern die1 aus dem Enloderm gesonderten Organe, also vorzüglich der Gaslralapparat an. Wiewohl der Gallerl- schirm der Discophoren äusserlich mit jenem der Hydromedusen überein- stimmt, so ist er doch durch nicht unwichtige Verhältnisse davon unter- schieden. Denn seine Substanz enthält , mit sallertisem Bindegewebe übereinkommend, mannichfallige Formelemente und setzt sich oralwärts auf den sogenannten Magenstiel fort. Er umschliesst dadurch grössere Strecken des Gaslrovascularsyslems. Untergeordnetere Einriehlungen stellen die Slülzgebilde der Tentakel vieler Ilydromedusen dar. Sowohl bei llydriformen wie bei Medusen (Traclnnemiden, Aeginiden) wird die Axe der Tentakel von einer Zellen- Fig. 30. Schema eines Verticalschnittes durch eine erwach- sene Cunina rhododaetyla, rechts durch eine radiale, links durch eine interradiale Verticaleheiie geführt, b Band- bläschen, v Ringcanal. g Zeugungsstofl'e. h Mantelspange. k Magen. I Gallertscheibe, r Radialtasche, tt Tentakel. tw Tentakelwur/.el. v Velum. (Nach E. Häckel.) Muskelsystem. 1 1 5 reihe gebildet, deren Elemente durch eine mehr oder minder mächtige homogene Membranschichte abgekapselt erscheinen. (Vergl. Fig. 9.) Die Zellenreihen besitzen dadurch eine gewisse Rigidität. Ein ähnlich zu- sammengesetzter Ring (Hingknorpel) findet sich am Scheibenrande der Geryoniden. Muskel System. § 83. Unter den Spongien ist die Existenz auf Muskeln beziehbarer Form- elemente nicht mit Sicherheit erwiesen, ja bei den genauer gekannten Kalkschwämmen fehlen sie sos;ar mit Bestimmtheit, und alle Beweimn»s- erscheinungen des Thierleibes leistet das Protoplasma des Ecto- und En- tode rms. Die erste Sonderung einer Muskelschichte ist bei den Hydrome- dusen (Hydriformes) erwiesen, wo die Zellen des Eritoderms contraclile, bandartige Ausläufer besitzen, die unterhalb jener Zellenschichte ein zu- sammenhängendes Stratum bilden. (Vergl. oben § 25.) Diese Schichte setzt sich auch auf die Tentakel fort, fehlt aber an den von einem Gehäuse umgebenen Strecken der Stöcke. Sie empfängt in einzelnen Theilen z. B. am Stamme der Siphonophorenstöcke , eine mächtigere Ausbildung. Bei den Medusen ist sie auf die den Gastralapparat tragende Fläche be- schränkt, wo sie die »Subumb rel la « vorstellt. Vom Bande der Glocke oder der Scheibe setzt sie sich auf einen verschieden breiten membranösen Forlsatz fort, das Velum, das wesentlich aus Muskelfasern besieht, und erstreckt sie sich gleichfalls auf die Tentakelgebilde. Complicirler ist die Muskulatur bei den Discophoren , von denen Manche auch mit einem Velum versehen sind (Aurelia). Bei allen Medusen bieten die Formele- mente der Muskulatur eine feine Querslreifung dar, die den gleichen Theilen der Hydriformen abgeht. Unter den Clenophoren sind sowohl oberflächliche, den wimper- tragenden »Bippen« folgende Muskelzüge beobachtet, wie auch im Innern des gallertigen Körpergewebes Muskelfasern vorkommen sollen. Am reichlichsten erscheint die Muskulatur bei den Anthozoen ent- wickelt. So wird bei den Actinien die festsitzende Sohle des Körpers vorwiegend von Muskeln gebildet und am übrigen Körper sind Bing- und Längsfaserschichten unterscheidbar, die auch auf den Tenlakelapparat über- gehen. Bei den stockbildenden Anthozoen scheinen die Körper der Eih- zelthiere gleichfalls Bing- und Längsmuskeln zu besitzen, und auch das weiche Cönenchvm wird contractu, da Muskelfasern die es durchziehen- den Canal netze des Gastralsystems begleiten. 116 II. 2. Cölenteraten (Zoophyten). Nervensystem. §84. Durch den Mangel aller auf besondere Organe der Empfindung be- ziehbaren Einrichtungen stellen sich die Spongien auf die niederste Stufe thierischer Differenzirung. Fast unmittelbar reihen sich daran die Aca- lephen, deren niedere Formen gleichfalls jene Organe noch nicht geson- dert zeigen. So erscheint bei den Hydroidpolypen die Zellenschichte des Ectodenns noch als indifferentes Empfindungsorgan. Auf dasselbe ein- wirkende Reize lösen Bewegungen der mit jenen Zellen zusammenhängen- den Fasern der Muskelschichte aus (§ 25), aber erst bei den Medusiformen sind gesonderte als Nervensystem zu deutende Theile erkennbar. Diese bilden einen längs des Scheibenrandes verlaufenden Ring aus einem fase- rigen Gewebe, der in regelmässigen Abständen ganglionäre Anschwellun- gen mit zelligen Elementen zeigt. Die Ganglien entsprechen in ihrer Lage den als Sinnesorgane zu deutenden Randkörpern und senden theils zu den Tentakeln , theils zu den Radiärcanälen Fädchen ab. Dieser bei Geryoniden am genauesten bekannt gewordene Nervenring findet seine Stütze am Ringknorpel und liegt zwischen diesem und dem Ringcanale des Scheibenrandes. Die Anschwellungen des Nervenringes stellen cen- trale Organe vor, welche durch die faserigen Abschnitte untereinander verbunden sind. Minder genau ist unsere Kenntniss vom Nervensystem der Discophoren. Auch aus Versuchen mittels Durchschneidens des Scheibenrandes scheint hervorzugehen, dass hier ein centraler Nerven- apparat sich vorfindet. Auch das Nervensystem der Gtenophoren ist bis jetzt nur wenig sicher nachgewiesen. Und ebenso sind für die übrigen Acalephen keine hierher bezüglichen Organe auch nur mit einiger Zuverlässigkeit darge- stellt worden. Sinnesorgane. § 85. Bei der Unvollkommenheit unserer Kenntnisse vom Nervensysteme der Gölenteraten kann es nicht befremden, dass auch über die als Sinnes- organe anzusehenden Theile keineswegs ein definitives Urtheil abzugeben ist. Das gilt sowohl für die Einrichtungen die man als dem Tastsinne vorstehend betrachtet, als auch von den höheren Sinnesorganen, die man vorzüglich als Hör- und Sehwerkzeuge unterschieden hat. Dem im Inte- gumente vorhandenen allgemeinen Gefühlssinne scheinen besondere Fort- satzbildungen des Körpers zu dienen, die oben (§ 79) als Tentakel aufge- führt sind. Ob dagegen eigene Apparate bestehen, muss für jetzt dahin- Nervensystem. Sinnesorgane. 117 gestellt bleiben , wenn auch das Vorkommen starrer Borsten an den Tentakeln, in ähnlicher Weise auch um die Mundöffnung angebracht, auf gesonderte Tastorgane schliessen lässt. Differenzirtere, zu Sinneswahrnehmungen eingerichtete Organe fin- den sich in den sog. » B a n d k ö r p e r n « , die bei den freilebenden Medusen dem Rande des Schirmes angefügt und in zweierlei Zustanden zu unter- scheiden sind. Einmal erscheinen sie als bläschenförmige Gebilde, und zweitens als Pigmenlanhäufungen, die mit einem hellen, lichtbrechenden Körper ausgestattet sind, jenen Organen ähnlich, die bei den höhern Thieren als Endapparate der Sehnerven sich herausstellen. Die ersteren oder Ran dbläsch e n sind entweder in die Substanz der Scheibe ein- gebettet oder springen frei am Scheibenrande vor. Sie bestehen aus einer homogenen, mit Epithel ausgekleideten Kapsel und umschliessen eine oder mehrere concentrisch geschichtete Concretionen oder kleine Kryslalle. Die ersteren sind mit der Bläschen wand in fester Verbindung, indem sie von einem kugeligen Vorsprunge der Wand umschlossen werden. Da sie nicht im freien Räume des Bläschens liegen , so schwindet die Aehnlich- keit mit den Gehörbläschen anderer niederer Thiere um Bedeutendes, ohne dass jedoch möglich wäre, eine andere Deutung bestimmter zu for- muliren. Dass Sinnesorgane vorliegen, erhellt aus der engeren Verbindung mit dem Nervenringe, da von dem unter jedem Bandbläschen gelegenen Ganglion ein doppelter das Bläschen umgreifender Faserzug ausgeht, der nach stattgefundener Vereinigung in die das Concrement enthaltende kugelige Zellenmasse eintritt (Geryoniden) . Die Verbreitung dieser Rand- bläschen findet sich vorzüglich bei den Eucopiden, Trachynemiden, Geryo- niden, Aeginiden. Kryslalle sind bei Cunina vorhanden, und dadurch bilden diese Randbläschen einen Uebergang zu ähnlichen Gebilden der Discophoren. Die Randkörper erscheinen hier stets gestielt (Fig. 40 A B b) und liegen in einem Ausschnitte oder einer nischenförmigen Vertiefung des Scheiben- randes, von Lamellenvorsprüngen desselben beschirmt. Einen grossen Theil des Randkörpers bildet ein Hohlraum (Ampulle) (d), der mittelst eines in den Stiel übergehenden Canales (c) mit dem Gastralsysteme zusammenhängt. Dieser Ampulle angelagert und das freie Ende des Randkörpers einnehmend findet sich ein mit Krystallen gefülltes Bläs- chen (e), welches mit dem gleichen der Aeginiden übereinkommt. Die bedeutendste Verschiedenheit von letzteren ist also nur durch den Mangel der vom Gastralsystem gebildeten Ampulle gegeben. Organe anderer Art finden sich bei den Hydromedusen. Sie scheinen in einem sich gegenseitig anschliessenden Verhältniss zu den Bandbläs- chen zu stehen, denn sie kommen nur in jenen Familien (Oceaniden) vor, welche der Bläschen entbehren. Als erste Andeutung erscheinen Pigment- flecke an der Tentakelbasis, die zwar in der Begel der lichtbrechenden Medien entbehren, in anderen Fällen dagegen mit Bildungen ausgestattet sind, die an die Krystallkegel anderer niederer Thiere erinnern. Bei IIS II. 2. Cölenteraten (Zoophytea) . den Discophoren combiniren sich diese Ocelli mit den bereits erwähnten Randkbrperri , sie zeigen bald nur Pigment, bald solches als Umhüllung eines stark lichtbrechenden Körpers (Fig. 40 B y). Auch bei den Ctenophoren be- stehen eigentümliche Sinnesorgane. Vor allem gilt hier ein bläschenför- miges, dem aboralen Pole des Kör- pers eingelagertes Gebilde, welches feste Concremente nach Art der Otolithen in den Gehörbläschen an- derer niederer Thiere enthält. Die funclionelle Bedeutung auch dieses Organs ist jedoch noch nicht sicher gestellt, und ebenso unsicher ist sie bezüglich zweier zur Seite dieses Bläschens gelagerter wimpernder Pol leid er, die mit franzenartigen Forlsätzen ausge- Fig. 40. Randkörper von acraspeden Medusen. .1 vonPelagia noctilucä. B von Charyb- il e a in a r s upi a 1 i s. a der freie Theil des Randlcörpers zwischen den Randausschnitten der Körperscheibe gelagert, b Stiel, c Cana in demselben, d Ampulle, e Krystallsäckchen. / Pigment. ongien ist also jenes der Aca- lepheh durch den Ausdruck einer höheren Difl'erenzirung ausgezeichnet. Diese findet sich in der Verschiedenheit. der Nebenräume zum centralen Hauplraum, der den Magen vorstellt, und dessen Functionen meist auf ihn beschränkt bleiben, und nicht wie bei den Spongien in so grosser Ver- breitung auch auf jene seeundiiren Binnenräume sich fortsetzen. § 90. Die einfachste Form des Gaslralsystems derAcalephen findet sich bei den Hydroiden. Bei Hydra stellt es einen die Längsaxe des Körpers durch- ziehenden Baum vor, der mit einer Mundöffnung in Mitte des Tehlakel- kranzes beginnt, und von dem darauffolgenden sehr erweiterungsfähigen Abschnitte, dem Magen, verengert in den dünneren Körperlheil sich fort- setzt. Am aboralen Körperpole communicirt es mit einer engen Oeffnung nach aussen, die jedoch nicht als After fungirt. Auch in die Tentakel er- streckt sich jener Baum. Bei den stockbildenden llydroidpohpen verlauft der vom Magen ausgehende Ganal durch den ganzen Stock , und lässt das Gastrovascularsystem allen Personen gemeinsam erscheinen. An den Stöcken der Siphonophoren sind nur einzelne Personen zur Auf- nahme von Nahrung eingerichtet. Sie entsprechen in ihrem Baue den Maaenröhren von Medusen, und stellen sehr erweiterungsfähiüe Schläuche vor, die in ihrem Grunde mit dem gemeinschaftlichen Ilohlraunisyslem des Stockes zusammenhängen. Wir haben uns also hier vorzustellen, dass diese Kategorie von Individuen die dem Medusenkörper zukommen- den Einrichtungen bis auf den Magen verloren hat (vergl. § 75). Zahlreiche Verschiedenheiten bietet das Gastralsystem der Medusen (sowohl der Hydromedusen wie der Discophoren). Es nimmt stets die Concavität der Gallertscheibe ein, und besteht aus einem in Mitte dieser Fläche befindlichen Magen und davon ausgehenden Hohlräumen. Der erstere liegt entweder unmittelbar an jener Fläche, oder sitzt auf einem besonderen von dort vorspringenden, oft beträchtlichen Stiele. Dieses freie Vorragen eines sonst im Innern dos Körpers geborgenen Or- gans erklärt sich aus der Differenzirung des Magens der Hydromedusen aus dem vordersten Körpertheile der Hydroidpolypen, so dass er nicht ein einzelnes Organ vorstellt, sondern einen ganzen Leibesabschnitt reprä- senlirt. Die MundölVnung ist meist von lenlakelartigen Gebilden oder zipfelfönnigen Verlängerungen der Magenwänd umfassl, seltener führt sie zunächst in einen oesophagusarligen engeren Abschnitt, Bei den meisten Hydromedusen ist der Magen von dem hinter ihm liegenden Baume durch einen in seinem Grunde vorspringenden Wulst geschieden, dessen Cöri- traclion don Magenraum von dem übrigen GäslroVäscülarsystem ab- Darmca nal. 123 Fig. 43. Eine Tlian in a n t i a s A von der Unterfläche, B auf dem Durchschnitte gesehen. In der Mitte des Körpers befindei sich der Magen, von dem die Radiärcanäle /.um Kingeanale ausstrahlen. schliesst. In der Gestall und Ausdehnung des Magens besieht grosse Ver- schiedenheit. Weit über den Rand des glockenförmigen Schirmes ragt er bei den Sarsiadcn vor. Vom Grunde des Ma- gens oder von dem hinter diesem liegenden Räume entspringen die in der Subumbrella sich verbreitenden Hohlräume entweder als engere Canäle oder als weite täschenförmige Ausbuchlungen. Die engeren Canäle treten in radiärem Verlaufe (s. Fig. 43) zum Schirmrande, entweder einfach oder unter regelmässigen Ramificationen , und münden dort in einen Ringcanal, der bei manchen auch in die Randten- takel Fortsätze abschickt. Auf ihrem Wege zum Rande können die Radiärcanäle Ausbuchlungen darbieten , die mit dem Geschlechlsapparate in functioneller Verbindung stehen (s. § 96 . Rei den Aeginiden wie bei den Discophoren geht die Magenhöhle unmittelbar in die radiä- ren Erweiterungen über , welch' letztere von einfacheren Canälen sich ableiten. Zuweilen wechseln sogar engere Canäle mit weiteren Räumen ab. Die Canäle sind verästelt (Fig. 44 gv) oder bilden wie bei den Rhizoslomeen ein periphe- risches Netzwerk. Wie die Gallerlsub- stanz des Schirmes bei den Discopho- ren auch auf die Magenwand sieh fort- setzt, ist der Magen vom übrigen G astral System nicht sehr scharf ge- schieden. Seine Wandung setzt sich immer in armartige, in der Regel in gefallete Membranen auslaufende An- hänge fori (Mundarme) , welche die Mundöffnung zwischen sich fassen. Theilungen dieser Mundarme bedingen fernere Modificalionen, die bis zu reich verzweigten Anhangsgebilden führen. Dieser Gestaltung entsprechend lei- ten dann zahlreiche allmählich sich vereinigende Rinnen zum Munde hin. Rei den Rhizoslomeen bleibt der Mund nur in einer frühen Periode offen , und verschliessl sich dann unter allmählichem Verwach- sen der ihn begrenzenden »Armee, an denen die Rinnen verzweigte Canäle bilden, die an den Enden Fig. 44. Aurelia aurita, zur Hälfte von der Unterseite gesehen, a Randkörper, t Rand- tentakel, b Mundarme, v Magenhöhle, gv Canäle des Gastrovascular Systems, die sieh gegen den Band hin verzweigen und in einen Ringeanal zusammenfliessen. ov Ovarien. J24 II. 2. Cölenteraten (Zoopliyten) der Armverästelungen mit vielen kleinen Oeffnungen münden (Poly- stomie) . In den Lucernarien stehen die Formzustände des Gastralsystems denen der Medusen sehr nahe. Ein von der concaven Fläche des Schirms vorragendes in vier Ecken ausgezogenes Rohr führt in einen weilen, in vier radiale Taschen fortgesetzten Raum, der in vier in den Stiel eindrin- gende Canäle sich verlängern kann. Die vier Taschen entsprechen er- weiterten Radiärcanälen, die, wie bei den Medusen, am Rande des Schir- mes mit einander communiciren, wodurch ein Ringcanal vorgestellt wird. Rei andern ist dieses Verhalten dahin modificirt, dass der Magen sich röhrenförmig in den Körper fortsetzt, und an seinem in den Körperstiel ragenden Ende in Radiärcanäle übergeht, die unter Erweiterung gegen den Scheibenrand sich fortsetzen. An diese Form reiht sich noch das Verhalten des Gastrovascularsystems bei den Larven der Discophoren, den Scyphostomen, an. § 91. Das Gastralsystem der Anthozoen erstreckt sich von der Mitte der Tentakel tragenden Körperfläche mit einem Schlundrohr ins Innere, und öffnet sich dort in die verdauende Ca vital, von der aus Canäle seitlich am Schlünde emporlau- fen, um in die Tentakel überzugehen. Durch die Weile dieser mit dem Magen zusammenhängen- den Canäle wird das Zwischengewebe auf Scheidewände (s) redu- cirt, die in radiärer An- ordnung von der Körper- wand zur Schlundwand verlaufen. Die Canäle treten dadurch als um den Schlund gelagerte Kammern (c) auf, die in einen gemeinsamen Cen- tralraum, die verdauende Cavität [B) , zusammen- fliessen und durch diesen mit dem Schlünde communiciren. Die Zahl dieser Kammern ist bei den Octactinien acht, bei den übrigen Anthozoen ist sie verschieden, richtet sich aber nach demselben Zahlengesetze, welches auch in anderen Organisationsverhällnissen , wie z. R. in der Tentakel- zahl sich ausspricht. Die Septa des Gastialapparates setzen sich gewöhn- Fig. 15. Querschnitt durch einen Theil des Stockes von Al- eve-nium, wobei zwei Individuen A A nahe unter ihrer Ein- sendung in das Cönenchym ein drittes, B etwas tiefer durch- schnitten wurde, v Schlundwaud. c Radialcanäle (Kammern der Leibeshöhle). s Septa. o Eier. Von dem von Canälen durch- zogenen C'onenchyin ist ein Theil mit den Kalkkörpern dar- gestellt. Dnrmcanal. 125 lieh noch eine Strecke weit an der Magenwand fort, um als bandförmige Streifen oder Wülste auszulaufen. Bei Verkalkung der Stöcke entstehen von der Wand her, zwischen den Gastrallamellen , also interradial ein- wachsende Lamellen (Sternleisten). Bei den stockbildenden Anthozoen steht die verdauende Cenlralhöhle jeder Person mit einem das Cönenchym durchziehenden Canalsystem (Fig. 45) in Verbindung, wodurch alle Individuen unter sich zusammen- hängen. Dieses Canalsystem bildet ein Netzwerk von weiteren und engeren Bohren zur Vertheilung der ernährenden Flüssigkeit im Stocke. An den Stöcken der Octactinien findet an einer Stelle des gemeinsamen Stammes eine Vereinigung zahlreicher Canäle zu einem weiteren Baume statt, von dem eine Oeffnung nach aussen führt, die wahrscheinlich zur Begulirung der Zu- und Abfuhr des den Gastralapparat durchströmenden Wassers dient (Pennalula, Benilla). Eine ähnliche Oeffnung ist auch bei Cereanthus beobachtet; sie entspricht dem Porus der Hydren, wie dort am aboralen Körperende gelagert. Diese dem Gastralsystem die Bedeu- tung eines Wassergefässsystems verleihenden Einrichtungen sind bei manchen Anthozoen (Korallen) in Form von feinen, über die Oberfläche der Stöcke zerstreuten Poren vorhanden, die nur im Momente ihrer Function — beim Auslassen von Wasser — erkennbar sind. Aehnliche Oeffnungen linden sich auch an den Tentakelspitzen mancher Actinien etc. Alle diese Einrichtungen erinnern an die Dermalporen der Schwämme. Bei Pennatuliden und Alcyoniden (Sarcophyton) erscheinen einzelne, zuweilen zahlreiche Personen eines Stockes in minderer Ausbildung, und dürften die Function der Nahrungsaufnahme verloren haben. Ob sie an der Wasseraufnahme betheiligt sind, bedarf des Nachweises. § 92. Bei den Ctenophoren weicht das er- nährende Hohlraumsystem nur in Einzel- heiten ab. Eine bei den BeroTden sehr weite, bei den übrigen engere Magenhöhle senkt sich in den Körper in der Bichtung von dessen Längsaxe ein und geht mit einem durch Muskulatur verschliessbaren spaltarti- gen Verbindungscanal in einen als »Trichter« bezeichneten Baum über. Vom Trichter entspringen radiäre (s. Fig. 46), zu den die Wimperreihen tragenden »Bippen« verlau- fende Canäle. Am Mundende der Beroi'den und Callianiriden senken sich die Badial- canäle in einen Bingcanal ein. Dieser nimmt auch bei den letzteren zwei an den Seiten der Masenwand herabverlaufende Fig. 40. Ansieht des Gastrovascular apparates einer Cydippe. A Von der Seite, die Mundöffnung nach oben ge- wendet. B Vom Mundpole aus. J 26 H. 2. Cölenteraten (Zoophyten). Canäle auf, die gleichfalls aus dem Trichter entspringen. Bei den Cydippiden sind diese von ansehnlicher Weite und geben den Anschein eines den Magen umgebenden gemeinsamen Raumes. Endlich gehen zwar nicht direct vom Trichter, aber doch von den aus demselben ent- springenden Canälen zwei kürzere Canäle ab, die mit verschliessbaren Oefl'nungen zur Seite der »Polfelder« (vergl. S. L48) ausmünden. Sie sind in diagonaler Stellung und vermitteln eine zweite Communication des Gaslrovascularapparales mit dem umgebenden Wasser. Von dieser Anordnung des Canalsystcms bilden sich einzelne von der Körperform beherrschte Modificationen. Auch Verzweigungen einzelner Canalgruppen linden sich. So bilden dieBadialcanäle seitliche bei Bero'iden verästelte Ausbuchlungen, welche auch bei den anderen in beschränk- terem Vorkommen mit dem Geschlechtsapparale in Verbindung stehen. § 93. Einigen Abtheilungen der Aealephen kommen fadenförmige, in die Centralhöhle des Gastrovascularapparates einragende Gebilde zu, die Gastra Ifilamen te (wenig passend Mesenterialfilamenle benannt). Sie finden sich so bei den Lucernarien und Discophoren. Bei den letzteren bilden sie in Ausbuchtungen jener Höhle sitzende Büschel von Fäden, welche wurmförmige Bewegungen vollführen. Aehnlich erscheinen sie bei den Lucernarien , indess sie bei den Anthozoeu andere Verhältnisse darbieten. An dem freien gegen die Gaslralhöhle gekehrten Rande der Sepia verlaufen nämlich wulstförmige, reich mit Nesselzellen durchsetzte Vorsprünge herab, die selten in fadenförmige Gebilde übergehen, und zuweilen nur auf zwei der Septa beschränkt sind (Tubipora). Ueber die Function dieser sehr frühzeitig difierenzirten Organe liegen keine That- sachen vor. Obwohl drüsise Anhangsgebilde der verdauenden Cavität bei den Cölenteraten nicht diflerenzirt zu sein scheinen , so besteht doch eine hieher zu rechnende Einrichtung, welche als Andeutung eines secerniren- den Apparates - - vielleicht der Leber höherei' Thiere analog — angesehen werden darf. Es ist das die bei vielen Cölenteraten vorhandene, durch verschiedene Färbung ausgezeichnete Epillielauskleidung des Magens. Pigmentirte Zellen sitzen in Längsreihen , meist auf den vorspringenden Faltungen der Magenwand bei Anthozoen , auch bei Ilydromedusen , und hier, sogar in der Polypenform (z. B. bei Tubularien) ausgeprägt, bilden sie deutliche wulstartige Längsreihen im Grunde der verdauenden Cavitäl der Ernährungsindividuen der Siphonophoren. Von besonderer Difiercn- zirung erscheint ein wohl dem einzigen grossen Magen der Velellen zuge- höriges Netz von »Lebercauälen«, welches an der Unterfläche der Scheibe sich findet. Geschlechtsorgane. 127 Geschlechtsorgane. § 94. Die geschlechtliche Differenzirung ist unter «Ion Gölenteraten noeh nicht der ausschliessliche Factor der Fortpflanzung, da vielfache Formen einer ungeschlechtlichen Vermehrung (s. oben § 73 — 77) bestehen. Die Bildung von Geschlechtsproducton ist allgemein nachgewiesen, knüpft sich aber noch nicht durchgehend an discrete Organe, sondern erscheint als eine erst allmählich sich localisirende Function. Unter den Spongien wird das Entoderm als die Keimslätte der Zeugungssloffe angegeben, doch scheint unter den mit einem Mesoderm ausgestatteten Poriferen diese Schichte des Korpers als der Sitz jener Differenzirung. Am genauesten sind die Eier gekannt, die aus den im Mesoderm befindlichen Zellen her- vorgehen, vielleicht aus Entodermzellen die dorthin einwanderten. Ausser hierauf bezüglichen directen Angaben kommen hiebei auch die unten für HydroTden bestehenden Verhältnisse in Betracht. Die männlichen Zeu- gungssloffe sind weniger verbreitet beobachtet. Das Entoderm wird auch für Samenzellen als Bildungsstätte angegeben, aber das Vorkommen von Spermamassen im Mesoderm ist für Halisarca erwiesen , zugleich mit dem Bestehen einer geschlechtlichen Trennung der Stücke. § ^- Unter den Acalephen ist die Bildungsstätte der Geschleclilsstoffe, die im Allgemeinen in der Wandung der verdauenden Cavität oder den davon ausgehenden Hohlräumen sich findet, am genauesten bei den A HydroTden erkannt. Das Mate- rial zu den beiderlei Ge- sell lechtsprodueten wird je- doch von differenten Schichten des Körpers geliefert, welcher Befund wegen seiner funda- mentalen Bedeutung eine ge- naue Darstellung verdient. Den ersten, indifferenten Zu- stand repräsenliren Ausbuch- tungen der Körperwand in Gestalt von Knospen, die eine Fortsetzung der Gastralhöhle umschliessen , und aus Ectoderm und Entoderm gebildet sind. Von den Zellen des Entoderms (^ der sich vergrössernden Knospen (Fig. 47. A B) ist eine Anzahl gewachsen und unterscheidet sich durch bedeu- Fig. 47. Zwei weibliche G'eschlechtsknosnen von II y - (1 ra cti niä e chinat a. a Ectoderm. // Entoderm. g Ga- stralhöhle. o Eikeime. In A ist die Ectodermwucherung ins Endoderm im Beginne. In B ist die Abschnürnng der Ectodermwucherung erfolgt. (Nach Ed. van Beneden.) 128 II. 2. Cölcnteraten (Zoophylen). tenderes Volumen von den übrigen Entodermzellen , welche die Gastral- höhle (g) begrenzen. Die vergrösserten, gegen das Ecloderm gedrängten Zellen stellen die Eikeirae (o) vor. Sie bilden allmählich eine anscheinend zwischen Ectoderm und Entoderm gelagerte Zellschichte und lassen die ganze Knospe als Ovarium erscheinen. Während dieser Diflerenzirungs- vorgänge am Entoderm ist vom Ectoderm her an der Spitze der Knospe eine Wucherung der Zellen nach innen zu eingetreten (A), und indem diese Zellen vom Ecloderm sich abschnüren (5), bilden sie eine die Ova- rialschichte umwachsende dünne Lamelle , welcher jedoch nur bei einer anderen Art von Knospen eine höhere Function zukommt. In den männlichen Knospen ist nämlich das gleiche Verhalten bezüg- lich des Ectoderms wahrzunehmen, während das Entoderm keine Verän- derung erleidet, und ohne Differenzirung von Eikeimen eine die Gastral- höhle auskleidende Zellschichte bildet. Die Ectoderm-Einsenkung kommt zu voluminöser Entfaltung, und bildet, abgeschnürt, eine zwischen Ectoderm und Entoderm sich ausdehnende Schichte (Fig. 48 ABC), deren B Fig. 48. Drei männliche Oeschlechtsknospen von Hydractinia echinata. A Hoden, übrige Be- zeichnung wie in Fig. 47. (Nach Ed. van Beneden.) Zellenspäter die Formelemente des Sperma hervorgehen lassen. Somit entstehen hier aus dem Ectoderm die männlichen Zeugungsstoffe, wie bei der andern Art Knospen die weiblichen aus dem Entoderm gebildet wur- den. Da auch bei den weiblichen Knospen eine Einsenkung des Ectoderm stattfindet, könnte daraus eine ursprüngliche Zwitterbildung zu folgern sein. In wiefern diese Sonderung der Genese der Geschlechtsproducte nach den beiden Körperschichten auch den übrigen Acalephen zukommt, ist noch unermittelt. Wenn das Entoderm für beiderlei Producte die Bil- dungsschichte abzugeben scheint, so ist dabei die Möglichkeit nicht aus- geschlossen , dass sehr frühzeitig Uebertritte von Elementen der anderen Körperschichte erfolgt sind. Wie eine Ausnahme erscheint das Verhalten von Hydra , bei der die Geschlechtsproducte in äusseren knospenarligen Geschlechtsorgane. 129 Bildungen. Sonderungen des Ectoderms, entstehen. Sehr allgemein er- scheint unter den Hydromedusen eine Trennung der Geschlechter auf verschiedene Personen nicht nur, sondern auch auf verschiedene Stöcke, und nur bei den Siphonophoren sind hermaphroditische Stöcke che Regel, die auch ihre Ausnahmen besitzt. Die Geschlechlsproducle verursachen an den Körpertheilen, an denen sie sich bilden, mehr oder minder bedeu- tende Anschwellungen , die aber nur zur Zeit der Production jener Stoffe bestehen und somit als »temporäre Organe« betrachtet werden können. In den Form Verhältnissen der die Geschlechtsproducte bergenden Theile ergeben sich beträchtliche, aber durch zahlreiche Uebergänge ver- bundene Eigenthümlichkeiten. Bei den frei werdende Medusen erzeugen- den Hydro'idenstöcken (vergl. § 74) erscheinen die ersteren als die Träger der Geschlechtsorgane ; die Medusen stellen die Geschlechtsthiere der be- treffenden Hydroidpolypen vor, und bringen entweder an der Magenwand oder an den Radialcanälen, oder endlich auch am Ringcanale Samen oder Eier hervor. Bei einigen erfolgt diese Production erst laime Zeit nach der Ablösung vom Hydroidenstocke, bei anderen tritt sie früher auf, und daran reihen sich endlich solche, bei denen die Bildung von Zeugungs- stoffen noch während desFestsitzens am Hydroidenstocke statt hat. Hieran reihen sich dann jene Zustände, wo es gar nicht mehr zur Ablösung der Meduse kommt, die dann zugleich nicht mehr vollständig sich ausbildet. Alle jene Organe, welche bei der freien selbständigen Lebensweise in Function stehen, Mund, Magenhöhle, Tentakel, Glocke etc. erscheinen in Stadien der Verkümmerung. Es sind medusoide Knospen, in denen die Geschlechtsproducte entstehen. Bei Anderen ging die medusoide Gestalt gänzlich verloren und dann erschienen am Hydroidenstocke einfache Ge- bilde als Geschlechtskapseln, in welche höchstens noch ein Gastralfortsatz einragt. Das sind die oben beschriebenen Bildungen. Diese Geschlechts- gemmen entstehen wie die Medusiformen und die Medusen selbst, bald am gemeinsamen Stocke, bald im Polypenkörper, oft nur an bestimmten Stellen des letztern, wie z. B. bei den Tubularien , zwischen äusserem und innerem Tentakelkranze. In den Fällen der Rückbildung der prolife- rirenden Polypen werden die Geschlechtsknospen immer von denselben Gehäusen umschlossen, wie sie für die Polypen selbst bestehen. So lässt sich die Erscheinung der Sprossung von Medusen bis zu einer Stufe zu- rückverfolgen, auf der die Sprosse wie ein blosses Generationsorgan des Hydroidenstockes erscheint. Aehnlich den Hydroidpolypen verhalten sich die Siphonophoren, bei denen die Bildung von geschlechtlich entwickelten Thieren nach dem Me- dusentypus mit dem gleichartigen Bestehen anderer medusiformen Per- sonen die als Generationswechsel bezeichnete Erscheinung hei den Hy- droiden als eine Arbeitsteilung erklären hilft. Bei einem Theile der Siphonophoren bilden sich die Geschlechtsthiere zu freiwerdenden Me- dusen aus , in deren Magenwand die Keimproducte entstehen (Velella — Chrysomitra) . Die meisten übrigen besitzen nur medusiforme Gemmen Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 9 130 II. 2. Gölenteraten (Zoophyten) in den verschiedensten Stadien der Rückbildung (vergl. Fig. 33. B. g. E.). Der Magen der Meduse wird allmählich nur durch die Geschlechtsorgane repräsentirl und die Medusenglocke verkümmert zu einer blossen Um- hüllung der letzteren. So finden sie sich bald vereinzelt (Diphy'i'den), bald zu traubenartigen Büscheln gruppirt Physophoriden ) am Stamme des Stockes oder auch an bestimmten Personen desselben. Ed. van Beneden , De la distinction originelle du testicule et de l'ovaire. Bull. Acad. Belg. 2 r.A« o ti -i ! bildet die Echinococcustorm. Der vordere Theu des Körpers. d Das K&pfchen. Diese Sprossungsvorgänge lassen sich unge- (Nach v. Siebold.) achtet der Mannichfalligkeit der Endproducte auf eine gemeinsame Grundform zurückführen. Sie stehen im Bereiche der Plattwürmer keineswegs unvermittelt da , indem bei nicht wenigen eine in manchen Punkten ähnliche ungeschlecht- liche Vermehrung Platz greift. Am verbreitetsten ist sie unter den Trematoden, deren Embryo einen als «Keimschlauch« bekannten unge- schlechtlichen Zustand hervorgehen lässt. Das Körperparenchym dieser Keimschläuche differenzirt sich meist wieder zu gleichartigen Gebilden, in denen schliesslich die zur geschlechtsreifen Form sich ausbildenden, als »Cercarien« bekannten Larven entstehen. Die Verschiedenartigkeit der Formen der einzelnen Generationen scheint in den meisten Fällen durch Bückbildungen in Anpassung an die parasitische Lebensweise im Allge- meinen , wie im Speciellen an die Beziehungen zu verschiedenen Wirthen entstanden zu sein, sowie jene Lebensweise nicht minder die wieder als »Generationswechsel« bezeichnete, damit freilich in keiner Weise erklärte, Gesammterscheinung beherrscht. § 103. Sprossungsvorgänge sind auch unter den Bryozoen verbreitet und führen zur Stockbildung. Die Sprossung geht wieder von der Leibeswand aus, wie bei anderen Würmern und den Cölenleraten. Je nachdem der Spross lateral verbleibt und mit dem Mutterthier den Boden theilt , oder bei Streckung des Körpers terminal vom Boden sich abhebt, entstehen flächenhaft ausgebreitete oder in die Höhe wachsende, ramificirte Cormi. Am Bande der flächenhaft ausgebreiteten Stöcke bilden die jüngsten Sprossen häufig die Anlagen für mehrere Individuen (Personen), die nach und nach sich von einander sondern. Wie bei der Entwicklung aus dem Gliedmassen. ]41 Eie legt sich auch bei der Sprossbildung der vordere, die Tentakelkrone tragende Körpertheil im Inneren des das »Gehäuse« um sich bildenden hintern Körperabschnittes an. Man hat darauf hin beide Abschnitte in sehr ungerechtfertigter Weise als »Individuen« darzustellen versucht. Nicht alle Personen eines Bryozoenstockes gelangen zu gleich hoher Aus- bildung. Bei manchen entwickeln sich nur einzelne dem Gehäuse und der Muskulatur angehörige Theile, und daraus gehen die sogenannten Avicularien (vogelkopfartigen Organe) hervor, die für den Stock als Greif- organe fungiren. In eiuer ferneren Modification entstehen die Vibracula- rien, lange, Bewegungen vollführende pfriemenartige Gebilde. Endlich können sogar einzelne Personen nur zur Aufnahme von Eiern dienen, und sogenannte Brutkapseln vorstellen. Daraus ergibt sich wieder ein Polymorphismus, der auf einer Theilung der physiologischen Arbeit des Stockes beruht. Gliedmassen. § 104. Die Giiedmassen erscheinen als activ bewegliche Fortsatzbildungen des Körpers, die' je nach ihrer Beziehung zu letzterem und nach ihrer speciellen Ausbildung zu den verschiedensten Functionen in Verwendung kommen können. An dem den Kopf vorstellenden Körperabschnitte treten Fortsatzbildungen schon bei den Turbellarien auf. So entstehen bei vielen Planarien seitliche lappenartige Fortsätze als Tentakel oder Fühler, und bei anderen ist auch die Bückenflache des Körpers durch ähnliche Fortsätze ausgezeichnet (Thysanozoon). Während die parasitische Lebensweise der Trematoden, der Cestoden und vieler Xemathelminthen derartige Bildungen gänzlich zurücktreten lässt so treffen sie sich unter den freilebenden Annulaten wieder bedeu- tend entfaltet, und lassen die Macht des Einflusses der Aussenwelt auf den Organismus erkennen. Hier sind es besonders die Chätopoden, deren Kopftheil bald an den Seiten, bald auch median mit contractilen Tenta- keln ausgestattet ist (Fig. 55 tt'). Diese sind entweder einfach, oder durch Segmentirung weiter diflerenzirt, oder auch durch secundäre Fortsätze ausgezeichnet. Durch Anpassung an die mannichfachsten Lebensverhält- nisse in Gebilde mannichfacher Art umgewandelt, dienen sie vielerlei Verrichtungen. Bei den röhrenbewohnenden Chätopoden, deren Kopftheil den mit dem umgebenden Medium zunächst in Beziehung tretenden Körperab- schnitt vorstellt, sind die Fühler in mächtige Apparate umgewandelt. Sie bilden Büschel conlractiler Fäden am Kopflappen, in einfachen oder mehr- fachen Beiheu (Terebeilen [vergl. unten Fig. 79. t], Hermellen), oder sie sind mit der Eutwickelung eines innern Gerüstes (Knorpel) in starre, auch mit secundären Aesten besetzte, federbuschartige Gebilde (Kiemen- 142 II. 3. Würmer. tentakel) übergegangen, die sowohl an der respiratorischen Function sich beiheiligen , als auch bei Bewegung des Gesammtapparates für die Her- beischafiüng der Nahrung thätig sind fSerpulaceen . Bei einem Theile ordnen sich diese Kiemenfühler auf zwei fächerförmig ausgebreitete Grup- pen. Kurze, ein- fache Fäden , neben denen noch zwei sie überragende exqui- site Fühler vorkom- men, stellen sie bei Siphonostoma vor. Bei Andern zieht sich die Basis beider, am Bücken getrennter Hälften der Büschel in eine spiralig auf- gerollte Leiste aus, auf welcher die ein- zelnen Faden sich aufreihen (Säbel - lida;. Mit dem Auf- treten von Sehwerk- zeugen an den einzelnen Fäden der Kiemenbüschel erscheint für diese Organe eine neue wichtige Beziehung (Branchiomma) . Einzelne der Kiemenfäden erleiden noch andere Umwandlungen. Ein oder ein Paar der anfänglich gleichartigen Kiemenlentakel (Protula) hat bei einzelnen Sabelliden die respiratorische Function verloren und wandelt sich bei Anderen in kolbenförmige Gebilde um , von denen eines mächtiger entwickelt, als Deckel zum Verschluss der vom Thiere bewohn- ten Bohre verwendet wird. Bei Filigrana behält der Deckelstiel in seiner Fiederung einen Theil seiner ursprünglichen Eigenschaften. Die Fiede- rung kann aber verloren gehen (Serpula , und dann durchläuft die Eut- wickelung des Deckels jene bei Andern bleibenden Zustände. An diesem durch Anpassung entstandenen Apparate wird häufig noch eine verkalkte Schichte abgeschieden, welche das freie abgeplattete Ende scheibenförmig bedeckt. In einzelnen Fällen nimmt der erweiterte Deckelstiel die Eier auf und fungirt als Bruttasche Spirorbis spirillum) , so dass ein und dasselbe Organ eine Beihe der mannichfaltigsten , von seiner ursprüng- lichen Bedeutung weit abliegenden und durch gegebene äussere Verhält- nisse erworbenen Beziehungen eingeht. Ausser den Fühlern finden sich bei den Chätopoden noch besondere kürzere, aber retractile Taster (Fig. 55 a) vor. Fig. 55. Kopf von Nereis D mnerili i. aa' Taster, t, tl, <2, t3, t 4, tb Fühler, p Fussstummeln. ph Sehlundkopf. m Kiefer, i Speise- röhre, gl Drüsen. (Nach Claparede.) Gliedmassen. 143 Diesen Gebilden reihen sich auch die Tentakel der Brvozoen an, als fadenförmige, von Cilien umsäumte und contractile Fortsätze einer schei- benförmigen oder lappenartig ausgezogenen Ausdehnung des Integumentes (Lophophor) am oralen Körperende. Die erstere Form des Lophophor ist die verbreitetste. Die Mundöffnung nimmt dann die Mitte ein. Im andern Falle ist der Lophophor in zwei eine Hufeisenform bildende Fortsätze aus- gezogen (s. Fig. 60 B. br.). Einfacher verhalten sich die Tentakel von Pedicellina und Loxosoma, die den Rand einer scheibenförmigen, Mund wie After tragenden Körper- fläche besetzt halten , und im Innern nicht hohl sind wie die Tentakel der Brvozoen. § 105. Eine andere Abtheilung bilden die bei den Chätopoden ausgebildeten loco motorischen Gliedmassen, seitliche Fortsätze der Metameren des Körpers, Fussst um mel n oder Parapodien (Fig. 55, 56 p) . Sie treffen sich stets paarig für jedes Segment, zu zweien oder zu vieren. Im letztern Falle nimmt ein Paar den dorsalen, ein anderes den ventralen Abschnitt der Seite des Körpers ein. Sie tragen Borsten und häufig auch fadenförmige und mannichfallig gestaltete Anhänge (Girren), welche die Parapodien an Volum übertreffen können . oder bei deren Rückbildung sich ganz an die Stelle derselben setzen. Zuweilen sind dorsale und ven- trale Parapodien jeder Seile einander sehr genähert, von welchem Zu- stande an alle Uebergänge bis zur völligen Verschmelzung zu einem ein- zigen Paare sich kundgeben (Sylliden). Dieses nimmt genau die Seite des Körpers ein, und trägt die sonst auf dorsale und ventrale Parapodien ver- theillen secundären Anhänge Borsten und Girren). Rückgebildet erschei- nen die Girren bei den Tubicolen , wo sie durch den Aufenthalt des Kör- pers in einer zuweilen gehäuseartig gestalteten Röhre keine functionelle Bedeutung mehr besitzen können. Der Ausbildungsgrad der Parapodien ist sehr mannichfach. und wird durch Beziehung zu Borsiengruppen complicirt. Eine Umbildung erfolgt durch eine Verbreiterung des Endes der einzelnen getrennten oder auch verschmolzenen Parapodien oder vielmehr deren Cirren, woraus dann Ruderplatten hervorgehen (Phyllodoceen). Als besondere durch Umwand- lung dorsaler Girren entstandene Anhangsgebilde der Parapodien erschei- nen die Elytren, schuppenartige Lamellen, welche über den Rücken hin sich über einander lagern, und alternirend durch kurze Fortsätze vertreten sind (Aphroditeen). Während die als Locomotionsorgane thätigen Parapo- dien-der Anneliden als die Anfänge einer bei den Gliederthieren zu einer vollkommneren Entfaltung gelangenden Gliedmassenbildung erscheinen, entbehren sie doch der Selbständigkeit, insofern sie keinen eigenen Muskel- apparat wie die Gliedmassen der Arthropoden, besitzen, und vorzüglich durch die Gesammtaclion der bezüglichen Metameren in Thäligkeit gesetzt werden. 144 II. 3. Würmer. Aeussere Kiemeii. 06. Sowohl die am Kopfe wie die an Metameren der Chätopoden vor- kommenden Anhangsgebilde erleiden mancherlei Umwandlungen in An- passung an die respiratorische Function. Wenn diese bei dem grössten Theile der Würmer durch die gesammte Körperoberfläche ver- mittelt wird, so erscheint sie bei den Chätopoden auf bestimmte Theile localisirt, die dadurch, wie aus ihrem Verholten zum Gefässapparat und aus ihrem sonstigen Bau zu ersehen, zu Kiemen sich umwandeln. In diese Beziehungen zur Athmung treten erstlich die Kopften- takel § 104). Bei einigen (Pectinaria, Terebella) führen diese Gebilde eine perienterische Flüssigkeit, und erscheinen noch nicht sicher als Kie- men bestimmbar. Bestimmter ergeben sie sich als solche bei den Phe- ruseen Siphonostomaj. Bei den Sabelliden sind sie in der oben angege- benen Weise noch weiter düYerenzirt und die einzelnen Kiemenfaden sind zu einer ferneren Vergrösserung der Oberfläche mit secundären Fieder- ehen besetzt. Wie durch weitere Ausbildung der Kopftentakel Kiemen hervor- gehen, so erscheinen auch Kiemen als Anhangsgebilde der ein- zelnen Körper Segmente durch Modificalionen der den Parapodien angefügten, oder auch als besondere Anhänge sich darstellenden Girren. Im einfachsten Zustande zeigen die Cirren keine Umbildung, bergen aber eine Fortsetzung der Leibeshöhle, so dass nur die perienterische Flüssig- keit in sie eintreten kann. Auch das Vorkommen von Cilien auf den Girren ist für deren respiratorische Bedeutung von Belang. Indem die Wand der Cirren an einzelnen Stellen bedeutend dünner ist, werden diese für das Zustandekommen des Gasaustausches bevorzugt. In der Fig. 56. Schemata senkrechter Querdurchsehnitte von ßingelwürmern, zur Darstellung der Anhaiig-*- gebilde. A Quertlurchschnitt von Eunice. B von Marianida. p Bauchstummel, p' Kückenstummel. 6r Kiemen, br' Cirren. Begel sind die dorsalen Girren in dieser Ausbildung zu treffen. Die soge- nannten Elytren der Aphroditeengehören gleichfalls in dieseBeihe von Fort- satzbildungen. Sie stehen mit der Leibeshöhle in weiter Communication. Bestimmtere Beziehung zur Athemfunction empfangen sie indem das Blut- gefässsystem sich in sie fortsetzt. Sie stellen dann Kiemen vor. Diese bleiben entweder einfache Fortsätze, zuweilen von blattförmiger Gestalt, Integument. 145 oder sie zeigen Ramificationen in verschiedenem Grade. Als sehr ver- längerte einfache Fäden erscheinen sie bei Cirralulus. Die andere Form umfasst die exquisiteren Kiemen ; sie können entweder kammförmig ge- staltet sein (Euniceen) (Fig. 56. A. br), oder auch sich baumförmig ver- ästeln (Fig. 82. br) (z. B. bei Amphinomeen). Da nicht selten neben ihnen noch ein Dorsalcirrus vorhanden ist, so erscheinen sie als selb- ständigere Gebilde , sowie sie auch häufig von den Parapodien sich ent- fernen und direct von der Ruckenfläche entspringen. Ihre Verbreitung über den Körper findet in verschiedenem Maasse statt. Bald treffen sie sich an allen Metameren , gegen das Körperende meist in geringerem Umfange (Eunice sanguinea, Amphinome). Bald sind sie auf eine Anzahl von Metameren beschränkt und gehen allmählich in rudimentäre Bildungen über (Arenicola, Hermella). Bei den Röhrenbe- wohnern ruft die Lebensweise die Ausbildung vorderer, das Schwinden hinterer Kiemen hervor. An drei vorderen Segmenten besitzen die Tere- bellen verästelte Kiemenbüschel (Fig. 79. ör), an zweien trägt Pectinaria kämm förmige Kiemen, und einfache fadenförmige Anhänge sind an der- selben Stelle bei Branchiosabella und Sabellides vorhanden. Auch in anderen Abtheilungen der Würmer ist die respiratorische Function an Körperforlsätze geheftet. Das gilt von den Tentakeln der Bryozoen. Specielle Ausbildungen von respiratorischen Fortsätzen be- stehen bei Gephyreen, wo das Hinterleibsende von Sternaspis blutgefäss- führende Anhänge trägt. Endlich kommen selbst bei den Hirudineen la- mellenartige Ausbreitungen des Integumentes in metamerer Anordnung vor (Branchellion). Integument. § 107. Das aus dem Ectoderm gesonderte Integument der Würmer steht in enger Verbindung mit der Muskulatur, durch die es sich bei mangelnder Leibeshöhle ins Körperparenchym fortsetzt. So verhalten sich die meisten Plattwürmer und Hirudineen. Bei dem Vorhandensein einer Leibeshöhle stellt das Integument mit der Muskulatur einen Hautmuskelschlauch vor, wie er bei Acanthocephalen , Gephyreen und den meisten Annulaten be- steht. Wenn wir den Hautmuskelschlauch in die beiden ihn zusammen- setzenden Theile zerlegen, so finden, wir die Muskulatur in der Regel als die bedeutendere, die als eigentliches Integument anzusprechende Schichte als die relativ geringer entwickelte Lage. Die eigentliche Hautschichte besteht in der Regel aus einer Zellen- lage, deren Elemente oft so wenig gesondert sind, dass sie ein Syncytium vorstellen. Diese Schichte entspricht einer Oberhaut, Epidermis. Bei den Turbellarien ist sie überall mit Wimpern besetzt. Bei vielen sitzen die Wimpern auf einer anscheinend homogenen Schichte, die wie eine GregeDbanr, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. \ Q U6 II. 3. Würmer. Cuticula sich ausnimmt. Die Cilien werden jedoch auch hier als Fortsätze der Zellen zu gelten haben. Selbst bei solchen die, wie die Cestoden, später des Wimpeikleides entbehren, ist während embryonaler Stadien ein Cilienüberzug vorhanden. Auch Embryonen von Trematoden besitzen ihn. Bei vielen Anneliden bestehen an verschiedenen Körpertheilen be- wimperte Stellen , oder es sind sogar grosse Strecken des Körpers mit Cilien bekleidet. Die locomotorische Rolle dieses Wimperbesatzes tritt besonders für die kleineren Formen hervor. Ausschliessliches Bewegungsorgan bleibt das Wimperkleid daher meist nur in den Jugendzuständen. Durch Fort- satzbildungen des Körpers wird die wimpertragende Oberfläche ver- grossert, und daraus entspringt für die Cilien eine erhöhte Leistung für die Locomotion. So verhalten sich die Larven der Gephyreen und der meisten Anneliden. Die Cilien ordnen sich auf leistenartige Vorsprünge, die bestimmte Strecken der Leibesoberfläche als Wimper schnür oder Wimperkranz umziehen, und in ihrer Anordnung für die einzelnen Abtheilungen meist charakteristisch sind. Ein oder mehrere Wimper- kränze umgürten den Körper, darnach man die Larven von Chätopoden in mesotroche, lelotroche und polytroche unterschied. Wenn auch sonst die Körperoberfläche noch Cilien trägt, sind die der Wimperreifen doch mächtiger entwickelt und ihr Schlagen fördert wesentlich die raschere Ortsbewegung. Von diesen Wimperreifen ist einer (Fig. 57. CDv) be- ständiger als die übrigen, er tritt zugleich am frühesten auf ; und theilt den Körper in einen vordem und hintern Abschnitt. Der erstere stellt den oberen Theil des spätem Kopfes des Wurmes vor, während aus dem andern Abschnitt der ganze übrige Leib des Thieres sich entwickelt. Der primitive Wimperkranz erhält sich in einer Abiheilung der Würmer, bei den Rüderthieren. Indess der hintere Abschnitt in einen mehr oder min- Fig. 57. Anordnung der Winiperschnüre bei Eekinoderinen- {AD) und Wunnlarven (CD), t vorderer, w hinterer Wimperkranz, o Mund, i Darmcanal. a After. der gegliederten Körper sich differenzirt, bildet sich der vordere, auf einer wulstförmigen Verdickung lange Cilien tragend, zu einem besonderen Organe aus, welches für diese Abtheilung charakteristisch wird. Dieses Räderorgan — von der Bewegung seiner Cilien so bezeichnet — zeigt lntegument. 147 sich in sehr verschiedenen Formzuständen. Es bleibt entweder einfach, mehr im Anschlüsse an das primitive Verhalten, oder es breitet sich in lappenartige Fortsätze aus (Tubicolaria j oder bildet tentakelartige Ver- längerungen (Slephanoceros), die häufig nur in den Jugendzuständen der Ortsbewegung dienen, indess sie später bei festsitzender Lebensweise des Thieres für Zuleitung von Nahrungsstoffen, durch den mittelst der Wim- peraction erzeugten Strudel, in Verwendung stehen. Bei den Bryozoen besteht vor der Entfaltung der Tentakel gleichfalls ein Wimperkranz, innerhalb dessen die Tentakel hervorsprossen. Durch die Lage der Mundöffnung entbehrt dieser Wimperkranz der Uebereinstimmung mit der verbreitetem! Form, allein es bestehen doch noch für einige Abthei- lungen nahe Beziehungen z. B. mit den Gephyreen, deren Larven gleich- falls einen das Mundfeld umgürtenden Wimperkranz besitzen. Auch bei dem sonst mit Bundwürmern übereinstimmenden Polygordius kommt ein Wimperkranz vor, in welchem wir somit eine Einrichtung erkennen, die von einer vielen Abtheilungen der Würmer gemeinsamen Stammform aus sich fortvererbt haben mag. § 108. Beim Mangel von Cilien wird die Epidermisschichte von einer sehr verschiedengradig entwickelten Cuticula bedeckt, die als Absonderungs- product der epidermalen Zellen- schichte erscheint. Diese Cuti- cula ist unter den Plattwür- mern bei Trematoden und Ce- stoden als eine dünne oder doch weiche Schichte vorhanden. In ähnlicher Weise kommt sie auch den Anneliden zu, wo sie sogar eine besondere Mächtig- keit erreichen kann. (S. Fig. 58. c.) Auch die Acanthoce- phalen besitzen sie. Mit be- deutender Verdickung dieser Schichte treten Porencanäle in ihr auf. In der Klasse der Bund- würmer ist sie am beträchtlich- sten entwickelt und übertrifft die unter ihr liegende Matrix mehrfach an Dicke. Sehr häufig lässt sie mehrere in ihrem näheren Verhalten von ein- ander verschiedene Schichten wahrnehmen, deren Substanz dem Chitin nahe verwandt zu sein scheint. Durch grössere Derbheit einzelner Abschnitte des Cuticularüberzuges 40* Fig. 58. Verticaler Querschnitt durch das lntegument eines Ringelwurms ( Sp haerod oru m). c Dicke C'uti- cularschichte mit weiten Porencanälen. m Muskel - schichte, m' Muskeln des BorstenMischels s, welches den ventralen Fussstummel p einnimmt, indess der dor- sale d durch einen Drüsenschläuche umschliessenden Knopf vorgestellt wird. 148 H« 3- Würmer. kann bei Ringelwürmern eine Art von Hautskelet hervorgehen , welches, wenn auch nicht von der Härte des Chitinpanzers der meisten Arthro- poden, doch morphologisch jenem gleich kommt. Vollkommene Cebereinstimmung mit dem Chitinskelet der Arthro- poden bietet der Hautpanzer der Räderthiere dar. Wenn er auch nicht eine bedeutende Mächtigkeit erreicht, so verleiht ihm doch die Rigidität des vordersten Abschnittes sowie der folgenden durch weichere Zwischen- stücke verbundenen Segmente, den Charakter eines wahren Skeletes, welches Muskeln zur Ursprungsstätte dient. An die Cuticulargebilde reihen sich die Gehäuse der Bryozoen, die bald gallertartig (Lophopus crystallinus) , weich und biegsam, bald durch Kalkeinlagerungen von bedeutender Härte erscheinen. Letztere kommen bei den meisten Gymnolaemen vor. Durch die innige Verbindung mit dem Körper unterscheiden sie sich von den Gehäusen mancher Rotatorien sowie der tubicolen Anneliden , welche Rildungen durch ein von der Körperoberfläche sich abhebendes Secret zu Stande kommen. Dass aber die zwischen diesen Gebilden bestehende Grenze kaum sehr scharf ist, lehrt die Thalsache, dass bei manchen Räderthieren die Leibeswand vom hinteren Abschnitte des Gehäuses sich löst. Damit spricht sich ein Ueber- gang zu den andern Abscheidungen aus, welche man zu den Cuticular- bildungen in Gegensatz zu stellen mit Unrecht gewohnt ist. Die Ausbildung des festen Gehäuses erstreckt sich nicht über den ganzen Körper. Es umfasst nur den hintern Abschnitt desselben und setzt sich in eine schwächere den vorderen, tentakeltragenden Theil überklei- dende Chitinschichte fort, die sogar häufig fehlt. Diese verschiedenartige Diff'erenzirung des Integumentes führt zu einer verschiedengradigen Be- weglichkeit beider Körperabschnitte, und gestattet eine Retractilität des vordem Theils, der sich in dem gehäusetragenden Hintertheile sammt der Tentakelkrone zu bergen vermag. In der Ausbildung dieses Verhältnisses bieten sich am Gehäuse mannichfache Differenzirun°;en. 'CT § 109. Als den Cuticulargebilden angehörige Sonderungen des Integumentes der Würmer gelten jene eigenthümlichen Bildungen, die als Stacheln, Borsten, Haken u. s. w. im Haushalte der Thiere eine oft wichtige Rolle spielen. Die ausserordentlich mannichfaltigen Formalionen lassen sich nach ihren Beziehungen zur Oberfläche des Körpers in zwei Gruppen theilen. Die eine davon ist an einfache Erhebungen des Integumentes geknüpft. Auf papillenförmigen Fortsätzen bildet sich eine dickere Cuti- cularschichte, die in Form einer Warze, oder, wenn länger ausgezogen, haar- oder borstenartig gestallet sein kann. Bei bedeutender Festigkeit stellt dieser Abschnitt der Cuticula doch eine nur scheinbar selbständige Bildung vor, denn dieselbe ist nur eine Modilication der Cuticula, in die sie an ihrer Basis übergeht. Hierher gehören die derben Papillen und Intesument. 149 Fig. 59. Kopf von Taenia coenuru's (Blasenform: Coenurus cerebralis ) von vorn gesehen. Sichtbar sind die vier Sangnapfe und der in Mitte von diesen liegende Hakenkranz. Fig. (iO. a—e Verschiedene Häkchen aus dem Haken- kranze von demselben. Ent- wickelungsstadien vorstel- lend. (Nach v. Siebold.) Stacheln, die sich an der Haut vieler Trematoden finden , und zuweilen den Vordertheil des Körpers in verschiedener Ausdehnung besetzen. Ebenso schliessen sich hier die dicht stehenden feinen Stacheln an, welche den Körper der Solenoga- stres bis zur Ventralrinne bedecken, ferner die Sta- cheln der Echinorhynchen, endlich die Haken der Ce- stoden, die bei manchen am vordem Körperende zu einem Kranze gereiht sind (Fig. 59, 60) oder in der Wandung von vier ausstülp- baren Schläuchen sitzen (Tetrarhynchus) . Indem diese, als Verdickungen der Cuticula beginnend, mit ihrer Chitinisirung sich auch gegen die Matrix und noch tiefer einsenken, bilden sie einen Uebergang zur zweiten Gruppe. In dieser entstehen die Borsten oder Stacheln nicht mehr an der Oberfläche, sondern in besonderen Einsenkungen , die recht treffend mit Drüsen verglichen werden. Die Ausscheidung geht von Zellen (einer oder mehreren) aus, und gestaltet sich unter allmählicher Chitinisirung in be- stimmter Weise, in verschiedenem Grade über die Körperoberfläche her- vortretend. In der Regel tritt die Borsteubildung erst mit der Metamerie auf. In Volum und Form sind diese Gebilde ausserordentlich wechselnd, und sogar bei den einzelnen Gattungen und Arten vielfach verschieden. Die Hirudineen ausgenommen sind sie bei den Ringelwürmern allgemein verbreitet. Fast immer finden sie sich in Büschel gruppirt (s. oben Fig. 58. s), deren jedem Metameter zwei oder vier mit den Parapodieu ver- bunden zukommen. Sie fungiren zum Theil als Locomotionsorgane, bei den Schwimmenden (Vagantes) wie Buder wirkend; bei einer Umbildung in Haken vermögen sie als Haft- oder Klammerorgane thätig zu sein (Tu- bicolae). Am mächtigsten sind sie bei den Aphroditeen entwickelt, wo ein Theil der feineren Borsten eine, den Bücken und die Elytren deckende, verfilzte Schicht bildet. Als eigenthümliche Bildungen sind noch die »stäbchenförmigen Kör- per« im Integumente von Turbellarien, sowie ähnliche Bildungen bei An- neliden anzuführen, wodurch in manchen Fällen an »Nesselkapseln« er- innert wird. § MO. An die vom Integumente aus entstandenen Differenzirungen findet ein in seiner Function noch ziemlich räthselhafles Organ seinen Anschluss : der sogenannte Bussel der Nemertinen. Er bildet einen über dem Darm gelegenen in eine besondere Scheide eingeschlossenen , häufig ge- wundenen Schlauch, der am vordem Körpertheil über dem Munde sich 150 IL 3- Würmer. öffnet, und daselbst hervorgestreckt werden kann. An diesem Schlauche sind mehrfache Abschnitte unterscheidbar, deren einer in seinem Grunde Stacheln trägt, meist einen grossem in der Mitte und beiderseits in beson- deren Taschen einige kleinere, die bald als Reservestacheln, bald als ausser Gebrauch getretene Gebilde gedeutet sind. Der hinter dem Stachel- apparate liegende Theil des Schlauches erscheint drüsiger Natur und be- sitzt neben dem Stachel einen Ausführcanal. Am blinden Ende des Schlauches befestigt sich ein von der Leibeswand entspringender Muskel, der als Retractor aufzufassen ist. Manchen Nemertinen fEineus, Nemertes u. a.) fehlt der Stachelapparat. Bei einigen ist der Schlauch von unansehnlicher Grösse (Polia invo— luta) und verknüpft dadurch anderen Plattwürmen zukommende Gebilde, welche vielleicht als Anfangszustände des bei Nemertinen hoch differen- zirten Rüssels gelten können. Dies sind die am vordem Körperende der Cercarien vorhandenen, zum Einbohren dienenden Stacheln, welche entweder oberflächlich oder im Grunde einer tieferen, follikelartigen Ein- buchtung gelagert sind. Das Verhalten seitlicher Stacheln zu einem me- dianen grösseren ist oft ganz ähnlich wie im Nemertinen -Rüssel, und lässt auf eine ursprünglich einer grösseren Abtheilung der Plaltwürmer zukommende Gleichartigkeit dieser Organisation schliessen. Auch bei gewissen Nemathelminthen linden sich ähnliche Einrichtungen vor, so dass wir es hier mit grosser Verbreitung übereinstimmender Verhältnisse zu thun haben. Bei den einen erhält sich diese Einrichtung nur in Jugendzuständen , und ist im ausgebildeten Organismus verschwunden (Trematoden), bei den andern dagegen persistirt sie nicht nur, sondern verbindet sich mit grossartigen Differenzirungen (Nemertinen). § III. Durch die Diflereuzirung von Drüsen, als besonderer Secretions- organe, nimmt das Integument der Würmer eine höhere Stelle ein. Solche Organe sind in fast allen Abtheilungen der Würmer nachgewiesen, und finden sich bei den Annulaten sogar in grosser Verbreitung. Sie scheinen in den meisten Fällen einzellig zu sein, und lagern bald unmittelbar unter dem Integumente, bald in den tieferen Theilen des Körpers, letzteres bei dem Mangel einer gesonderten Leibeshöhle. Unter den Plattwürmern sind einzellige Hautdrüsen bei den Trema- toden bekannt. Sie lagern meist in Gruppen am Vordertheile des Körpers, und kommen auch am hintern Körpertheile in Verbindung mit Saugnäpfen vor. Eine mächtige Ausbildung besitzen die Drüsen bei den Ilirudineen, besonders bei den Rlutegeln. wo sie, im Körperpnrenchym zerstreut, mit langen Ausführgängen zur Haut treten. Ihre Ausbildung scheint an die Geschlechtsfunction geknüpft. Gleichfalls einzellige Drüsen sind im Inte- gument der Scole'inen und zwar zwischen den Zellen der Matrix nach- gewiesen. In manchen Fällen rücken die Drüsen tiefer und lassen blos den Ausführgang zwischen den Zellen hindurch treten. Skelet. Muskelsystem. 151 Bei den Gephyreen sind Drüsenschläuche gleichfalls mit dem Inteiiu- mente verbunden, und ebenso finden sie sich bei den Anneliden Fig. öSd). Eine Drüsenschichte entfaltet sich an einem Abschnitte des Körpers der Lumbricinen als Sattel; der Bau dieses Gebildes scheint jedoch nicht mehr so einfach zu sein , da die Schläuche ein besonderes Epithel als Ausklei- dung, und zuweilen auch eine gelappte Form besitzen. Sehr verbreitet finden sich unter den Chätopoden Drüsenschläuche mit Massen von stäb- chenförmigen Körpern fSpio, Aricia . Den Nemertinen kommen gleichfalls Drüsen, die ein schleimiges Secret liefern, zu. In vielen Fällen wird das Secret der Hautdrüsen zur Bildung von Ei hüllen verwendet. Skelet. § 112. Bei etwas festerer Beschaffenheit spielt das Integument in vielen Abtheilungen der Würmer eine bedeutende Bolle als Slützorgan , welcher Beziehungen bereits oben gedacht ward. Beachtenswerther sind die Or- gane, welche jene Function ohne Nebenbeziehungen besitzen. Als solche Stützorgane trifft man bei einer Anzahl von tubicolen Anneliden im Kopf- segmente Knorpelstücke, von denen aus Fortsätze in die federbuschartigen Kiemen sich verzweigen, und dort bis in deren Fiederblättchen als feine Streifen verlängert sind. Es wird darin eine innere Skeletbildung zu sehen sein, die jedoch zu andern ähnlichen nur Analogien darbietet. Gleiches gilt von dem Kiemenskelet der Enteropneusti , welches aus einem Gitterwerk homogener Stäbchen Cuticuiargebilden zusammen- gesetzt wird. In Anordnung wie in Genese erinnert es an das Kiemen- skelet der niedersten Wirbelthiere Amphioxus . ohne dass nähere Be- ziehungen hiezu festzustellen wären'. T" Muskelsystem. § H-3. Die Muskulatur der Würmer bildet mit dem Inlegumente verbunden bei den meisten den mächtigsten Theil der die inneren Organe umsch lies- senden Hülle. Bei andern ist sie nur spärlich ausgebildet. Als continuir- liche Schichte fehlt sie bei Echinodermen. In der allgemeinen Anordnuug der Fasern lassen sich mehrere Typen unterscheiden, die in folgender Weise zu charakterisiren sind. 1) Bing-, Längs- uud Badiärfasern bilden eine zusammenhängende Muskelmasse, bei welcher die beiden ersteren in Schichten gesondert und von den senkrechten Fasern durchsetzt sind. Die Ringfasern bilden eine äussere und eine innere Schichte , zwischen welchen die Längsfaser- schichte eingeschlossen liegt. Die senkrechten Fasern treten von den Bin- 152 II. 3. Würmer. nentbeilen des Körpers zur Oberfläche. An den Seitenrändern des Kör- pers erstrecken sie sich unmittelbar von der Rücken- zur Bauchfläche. Diese Anordnung der Muskulatur besitzen Plattwürmer und Hirudineen. Dabei kommen auch noch schräg gekreuzte Muskelfasern vor, die bei den Rundwürmern und rhabdocölen Turbellarien fehlen. % ^M^r^b °,;-o i n Fig. 61. Querschnitte von, Ascaris 1 umbrico ides A, und Hirudo B. c C'uticularschichte. m Muskelschichte, r Seitenlinie mit dem Excretionsorgan. pp Obere und untere Medianlinie. p' Schräge Fasern, v Darm, d Dorsaler, l seitlicher Gefässstamm. s Blase des Excretionsorganes. n Bauchmark. 2) Die Längsfaserschichte bildet die ausschliessliche Muskulatur. Das ist der Fall bei den Nematoden, Ghätognathen und bei Polygordius. In der Vertheiluns der Längsmuskeln sind verschiedene Verhältnisse segeben. Die Muskelfasern verlaufen entweder als flache, mit den Breitseiten an einander liegende Bänder, unmittelbar unter der Epidermisschichte Matrix der Cuticula), oder sie sind mit den Kanten gegen einander, also mit den Flächen je nach aussen und innen gerichtet. In beiden Fällen bieten sie Eigenthümlichkeiten in der Gruppirung. Durch eine dorsale und ventrale von anderen Geweben eingenommene Medianlinie werden sie in zwei seitliche Massen geschieden , die aus unmittelbar an einander liegenden Fasern bestehen (Gordius , Trichocephalus . Bei der Mehrzahl der Nemathelminthen tritt an beiden Seitenhälften des Hautmuskel- schlauches durch Zwischentreten anderer Organe eine weitere Differen- zirung auf. Diese Seitenlinie ^Fig. 61 A. r) verbreitert sich bei sehr vielen Nematoden zu einem in verschiedenem Grade entwickelten Sei- tenfelde, welches auch den Ghätognathen zukommt. 3) Die Muskulatur des Körpers besteht aus einer äussern Ring- und innern Längsfaserschichte. Beide sind bei den Gephyreen und Acanthoce- phalen nicht in bestimmte Felder gesondert, obwohl bei den ersteren die einzelnen Längs- oder Quermuskelzüge häufig in Abständen von einander gelagert sind. Dagegen besitzen die Anneliden durch die Anordnung der Längsmuskeln in zwei dorsalen und zwei ventralen Zügen ein deutliches SeitentVld, die Längsfaserschichte ist die mächtigere. Eine in der Regel durch einzelne Bündel vorgestellte Schichte transversaler Fasern geht von der ventralen Medianlinie zu den Seitenfeldern. Muskelsystem. ]53 Aussei' dieser dem gesammten Körper zukommenden Muskulatur sind noch einzelne Muskeln für besondere Organe vorhanden. Hier soll nur der die Borsienbündel bewegenden Muskeln Erwähnung geschehen , welche wohl nur eine Sonderung aus der über den ganzen Körper sich er- streckenden Muskulatur vorstellen. Besondere Differenzirungen des Hautmuskelschlauchs stellen die bei Trematoden, Cestoden und Hirudineen verbreiteten Saugnäpfe vor, die im wesentlichen des Baues miteinander übereinstimmen. § H4. Als äussere Bing- und innere Längsfaserschichte gibt sich die Mus- kulatur der Bryozoen zu erkennen (Phylactolaemen . Nicht selten ist die Bingmuskelschichte in einzelne Bänder gesondert. Am mächtigsten ist die Muskulatur an der Verbindung des protractilen Körperabschnittes mit dem Gehäuse. Bei vorwiegend starrer Wandung des letzteren sind die Bing- bänder unterbrochen aFlustra und stellen von den Seitenwänden des Ge- häuses zur oberen freien Fläche tretende Züge dar. Einige davon inse- riren sich an dem als Deckel fungirenden Abschnitt des Gehäuses. Beim Bestehen einer Längsmuskulatur löst sich ein Theil der Muskelfasern hin- ter dem invaginirten Abschnitte des Körper« ab und tritt nach innen zur Duplicatur der Leibeswand . um sich grösstentheils bis zur Tentakelbasis fortzusetzen. Sie bilden Bückzieher des vordem Körpertheils (Parieto- Yaginalmuskeln . Im Baue der Formelemente des Muskelsvstems bieten die Würmer beträchtliche Verschiedenheiten. Die Muskelfasern sind längere oder kürzere Gebilde, die in der Begel selbst da, wo sie eine bedeutende Länge besitzen, das Product einer einzigen Zelle sind, wie aus dem Vor- handensein eines einzigen Kernes hervorgeht. Unter den Plattwürmern besitzen die niedern Formen nur blasse, oft schwer unterscheidbare Fa- sern, die auch Verästelungen darbieten. Bei den höhern Platlwürmern stellen sie Bohren vor, indem die contractile Substanz einen hohlen Cy- linder bildet, welcher indifferentes Protoplasma mit dem Kerne um- schliesst. Der contractile Theil der Faser zeigt zuweilen eine fibriiläre Streifung. Dieses Verhalten findet sich bei den Hirudineen, Acanthoce- phalen und Gephyreen. In den beiden letzten Abtheilungen bilden die Fasern jeder Schichte ein Netzwerk. Unter den Nemathelminthen zeigt Gordius die einfachsten Zustände. Die Muskelfasern sind breite dünne mit den Flächen an einander gereihte Bänder. Bei andern sind besondere Differenzirungen der Fasern bemerk- bar, welche rhomboidale, häufig auch in langgestreckte Fasern über- gehende Platten bilden. Die contractile Substanz ist fibrillär gestreift und liegt an der äusseren Seite der Faser, während der gegen die Leibeshöhle gerichtete Theil der Faser aus indifferent gebliebenem — einen Kern ein- schliessendem Protoplasma gebildet wird. Daran reihen sich eigenthüm- 154 II- 3- Würmer. liehe Unmestaltunsen der Fasern in rinnenförmiae oder auch plattcvlin- drische Formen. Jede Faser stellt eine sehr tiefe, entweder als solche auslaufende oder gegen die Enden zu cylindrisch sich abschliessende Rinne vor, deren offener Theil immer gegen die Leibeshöhle gerichtet ist. Die Wandungen bestehen aus contractiler Substanz mit fibrillärer Zer- klüftung. Den schmalen Raum der Rinne füllt Protoplasma und von den Rändern setzt sich eine zarte Membran in ein beuteiförmiges Gebilde fort, welches von jeder Muskelfaser aus in die Leibeshöhle einragt, deren grösster Theil durch diese beuteiförmigen Anhänge der Muskelfasern aus- gefüllt wird fAscaris lumbrico'ides. Versl. Fig. 61. A). Von den Reuteln verlaufen schräge Stränge ( Querfasern} zu den Medianlinien. Sie zeigen nicht selten eine fibrilläre fieschaffenheit, und sind als Nerven betrachtet worden. An einzelnen Stellen lindet man sie deutlich als Muskelfibrillen. Wo die Reutel nicht entwickelt sind , treten diese Stränge an Fortsätze der Muskelfasern, die häufig in seitlich plattgedrückte Röhren übergehen. Reiderlei Zustände finden sich übrigens nicht nur innerhalb gleicher Gat- tungen, sondern sogar in allmählichem Uebergange an einem Individuum vor. Rei der letztaufgeführten Form der Muskelzellen liegt meist eine grössere Anzahl von Fasern im Muskelschlauche neben einander. Deut- lieh ausgesprochene Querstreifung besitzen die Muskelfasern der Chae- tognalhen ; bei manchen Anderen kommt sie angedeutet vor. Nervensystem. § Ho. In der allgemeinen Anordnung des Nervensystems der Würmer zeigt sich die enge Reziehung dieses Apparates zu der gesammten Organisation. Centren und peripherische Theile verhalten sich einfach , wo der Körper nicht in Metameren getheilt ist, während sich bei einer Gliederung des Körpers diese Erscheinung fast regelmässig auch für die Centralorgane des Nervensystems wiederholt. — Allen ist die Lagerung der wichtigsten Centralorgane im vordem Körpertheile meist in der Nähe des Anfangs- stückes vom Darmcanal gemeinsam. Eine Differenzirung aus dem Eclo- derm ist wenigstens für mehrere Abtheilungen nachgewiesen. Das den Munddarm überlagernde Centralorgan, ist der ur- sprünglichste Theil des Nervensystems, welche Modifi- cation er auch bietet. Es kommt mit der Sonde rung eines Kopfes in diesen zu liegen und versorgt stets die am Kopfe entfalteten Sinnes Werkzeuge mit Nerven, nach der Ausbildung dieser Organe gleichfalls verschieden- gradig ausgebildet. Nach der Peripherie des Körpers ausstrahlende Nervenstämme erscheinen nach Maassgabe ihres Verbreitungsgebietes in verschiedener Ausbildung. Von diesem Verhalten sind zwei verschiedene Zustände ableitbar. Der erste wird durch eine ventrale Verbindung der oberen Centralorgane re- Nervensystem. 155 präsentirt. Es entsteht dadurch ein Nerven schlundring , der zweite ist durch Entfaltung zweier Längsstamme ausgezeichnet, die sich ventral nähern und centrale Elemente eingelagert erhalten. Die primitive Form des Nervensystems erhält sich hei den meisten Plattwiirmern , die zwei grössere durch eine Quercommissur zusammen- hängende Ganglienmassen im vordem Theile des Körpers besitzen. Diese »Hirnganglien« (Fig. 62 ..-, M „ ,, T,. .„ v. vorher in eine contractile Blase (v) über, Magen, o Uvarium. u Uterns, ein Li \ J i bergend. ö'Eier, an der Basis des die als eine Sonderung des gemeinsamen Schwanzes befestigt, c E.xcretions- Eiidabschnittes der beiden Canäle zimelten canäle. v Contractile Endblase. , _ . ., . . °. , hat. Die inneren Mündunsen. wie auch das Lumen der beiden Hauptslänime sind von Stelle zu Stelle mit Geissel- haaren besetzt, die eine zitternde Bewegung äussern. Die Wände selbst geben eine drüsige Beschaffenheit zu erkennen, die entweder über die gesammte Länge eines Canals sich ausdehnt oder auf bestimmte Abschnitte beschränkt erscheint. In diesem letzteren Verhältnisse möchte eine nicht unbeträchtliche Weiterentwickelung des bei den Plattwürmern einfacheren Verhaltens zu erkennen sein, welche zugleich eine nähere Verwandtschaft mit den Ringelwürmern darbietet. Auch Echinoderes besitzt zwei gewundene Excretionsschläuche, die aber getrennt im Vorderkörper auszumünden scheinen. Excretionsorgane. 187 § 144. Organe als excreto- Bei den Gephyreen müssen zwei differente rische unterschieden werden. Das eine dieser Organe schliesst die Gephyreen an niedere Zustände an, indem ihr Verbalten mit der nicht ausgebildeten oder nur äusserlich entwickelten Metamerenbildung zusam- menhängt. Diese Organe werden durch Schläuche gebildet, welche in das Ende des Darmes münden (Fig. 72 g), und wenigstens da , wo sie am genauesten gekannt sind Bonellia), mit zahlreichen in die Leibeshöhle geöffneten Wimper- trichtern ausgestattet sind Fig. 82 a). In anderen Fällen scheinen die Ramifica- tionen mit inneren Mündungen zu fehlen und wieder bei anderen ist völlige Rückbildung eingetreten. (Echiurus eine Da auch bei Echinodermen ähnliche Ein- richtungen vorkommen, so erscheint diese bei den Gephyreen vorhandene Form der Excretionsorgane einem grössern Kreise gemeinsam, von Einer Stammform ab- leitbar, von wo aus sie auf die Echino- dermen ebenso wie auf die Gephyreen sich vererbt hat. Eine Verschiedenheit der Function dieser Organe darf aus dem Baue abgeleitet werden. Die excretorische Verrichtung scheint nur bei Bonellia sicherer , indem hier die Wandungen der Beschaffenheit besitzen. Die andere Form besteht aus paarigen, Fig. s'2. Stück eines Zweiges vom Ex- cretionsorgane von Bonellia viridis. a Wimpernde Mündungen. (Nach Lacaze Dcthiers.) Verästelungen eine drüsige an der Bauchfläche ausmün- denden Schläuchen , die von der paarigen bei Anneliden bestehenden Form derselben Organe ableitbar sind. Sie finden sich entweder nur zu einem Paare (Sipunculus) oder zu wenigen Paaren Thalassema , Stern- aspis, Echiurus) vor, und drücken damit eine gering entfaltete Metamerie aus. Innere Mündungen in die Leibeshöhle liegen dann nahe an der In- sertion der Schläuche in die Leibeswand, und stehen bei mehreren im Dienste der Geschlechtsfunction, indem sie die Ausführwege der Ge- schlechtsproducte darstellen. Der grösste Theil des Schlauches, nämlich das hinter der inneren Oeffnung befindliche blinde Endstück, scheint bei den Sipunculiden die excretorische Function zu behalten , und ist in der Regel durch bräunliche Färbung ausgezeichnet. Bei anderen dient der ganze Schlauch zur Ausleitung der Geschlechtsproducte. Während bei den meisten ein gleichartiges functionelles Verhalten dieser Organe besteht, 188 II. 3. Würmer. findet sich in vereinzelten Fällen eine Arbeitstheilung ausgebildet Stern- apsis), indem das hintere Schlauchpaar zur geschlechtlichen, das vordere zur excretorischen Function in Beziehung steht und dadurch die sonst nur in den einzelnen Gattungen auftretende Mannichfaltigkeit der Leistungen schon im Individuum zum Ausdrucke kommen lässt. § »45. Unter den Ringelwürmern treten hinsichtlich des Baues der excre- torischen Organe wenig neue Einrichtungen auf. Die Organe entsprechen der Metamerie des Körpers, indem sie fast in allen Segmenten des letzte- ren regelmässig auf beide Seiten vertheilt sind. Man hat sie daher, wenig zweckmässig, als Segmentalorgane benannt , ein Name, der ebenso auf viele andere Organe passt. Jedes besteht aus einem zusammengeknäuelten oder schleifenartig aufgereihten Canale (Schleifencanal;, welcher eine in- nere, oft eigenthümlich gestaltete und stets bewimperte Mündung besitzt, und am andern Ende auf der Oberfläche des Körpers sich öffnet. Dieser Canal ist zuweilen in seiner aanzen Ausdeh- nung gleichartig, oder bietet nur geringe Differenziruneen dar. häufig lässt er mehr- fache Abschnitte unterscheiden, welche im Allgemeinen den schon bei Plattwürmeru und Räderthieren hervorgehobenen entsprechen. Der innerste, die Mündung in die Leibeshöhle tragende Abschnitt ist in der Regel der mäch- tigste und durch ein trichterförmiges, auch rosettenartig gestaltetes Mundstück ausge- zeichnet i 's. Fis,. 83 ). Am darauffolgenden Abschnitte ist ein drüsiger Bau der Wandung zu erkennen. Der letzte, zuweilen erweiterte Abschnitt besitzt häufig einen Muskelbeleg: seine Ausmündung findet sich fast immer an der Seite der Ventralfläche. Die Verrichtung dieser Organe ist ebenso wenig wie bei den übrigen Würmern eine rein excretorische , wir finden sie nicht selten mit mannichfachen andern Functionen betraut. Diese Organe besitzen bei Hirudineen ihre Vorläufer im Embryonal- stadium, wo, unabhängig von den später entstehenden, drei Paare von Schleifencanälen an der hinteren Hälfte der Bauchfläche vorkommen. Sie sind von ähnlichem, aber einfacherem Bau wie die bleibenden, und sehen nach Enlwickelung der letzteren zu Grunde. Diese höchst wichtige That- sache weist darauf hin , dass die Schleifencanäle der Ringelwürmer nicht ohne weiteres als die Homologa der Excretionsorgane niederer Würmer angesehen werden dürfen, und zugleich entsteht die Frage, ob die Schlei- fencanäle jener Ringelwürmer, welche keine derartigen primordialen Bil- Fig. S3. Innere Mündung eines Sehleifencanals von Branchio- b de IIa. Excrelionsorgane. 189 düngen aufweisen, den definitiven. Schleifencanälen der Hirudineen, oder nur den primordialen vergleichbar seien. Im specielleren Verhalten ergibt sieh schon bei den Hirudineen eine beträchtliche Manniehfaltigkeit, indem die Schleifencanäle bei einer Ab- theilung der innern Mündung entbehren. Statt derselben beginnen sie mit einem geschlossenen Abschnitt, der in Form einer Schleife gestaltet, aus zahlreichen labyrinthartig unter einander verbundenen Canälen be- steht Hirudo). Aus diesen Schleifenorganen löst sich ein isolirter Canal ab, der mit einer blasenförmisen Erweiterung an der Oberflache des Kör- pers ausmündet s. oben Fig. 61 B). Bei anderen Clepsine, Nephelis) ist der labyrinthförmige Abschnitt gleichfalls vorhanden , aber es besteht dabei eine innere, in die seitlichen Blutsinus des Körpers einragende Mündung. Bei den Scoleinen ist die Abtheilung der Limicolen durch zweierlei Zustände der Schleifencanäle bemerkenswerth. In dem einen besteht ein vielfach geschlängelter , meistentheils in einer gemeinschaftlichen Zell- masse verlaufender Canal, der ziemlich gleichartige Galiberverhältnisse bietet. Mit dem die innere Mündung tragenden Ende durchbrechen die Ganäle immer das je vor ihnen liegende Dissepiment; je ein Schleifen- canalpaar hat daher Beziehungen zu zwei Leibessegmenten. In einem liegt der nach aussen führende Abschnitt, im anderen die innere Mün- dung. Diese über den grössten Theil der Segmente in gleichem Verhalten verbreitete Form fehlt an den vom Geschlechtsapparat eingenommenen Strecken. An der Stelle der einfachen Schleifencanäle findet man compli- cirtere und in viel grösserem Maassstabe entfaltete Gebilde, welche in ihrem Baue das Verhalten der ersteren wiederholen, aber als Ausführungs- organe des Sperma thätig sind: Schleifencanäle sind zu Samenleitern um- gebildet. Darin schliesst sich auch Branchiobdella hier an. Bei den Lumbricinen fehlen diese functionellen Umwandlungen. Da- gegen hat sich der Apparat durch deutliche Ausprägung der einzelnen Abschnitte, wie durch die Anordnung seiner Schlingen bedeutend com- plicirt. Jeder Canal stellt mehrere neben einander auf- und absteigende, innig unter einander verbundene Schleifen dar, welche von einem dich- ten Blutgefässnetze umsponnen werden. Verschiedene Abschnitte tragen ebenso verschiedene Bedeutungen. Zu innerst finden wir den der trichter- förmig erweiterten Mündung (Fig. 84 a) folgenden Abschnitt (b b b) mit glashellen Wandungen versehen und an einzelnen Strecken mit Cilien ausgekleidet. Nach mehrfacher Schleifenbildung geht dieser Theil durch eine Veränderung seiner Wandungen in einen andern Abschnitt (c) über, dessen Lumen erweitert [d] und von feinkörnigen Inhalt führenden Zellen umwandet ist. Auch dieser Theil verläuft schlingenartig [d'\ und setzt sich in einen weiteren, mit muskulösen Wandungen versehenen fort (e), welcher nach einfacher Umbiegung an die Körperwand tritt (e) und hier seine Ausmündung findet. Einfachere Formen der Schleifencanäle walten bei den Chätopoden 190 II. 3. Würmer. vor. Die einzelnen Canäle bilden bald knäuelförmige Körper, bald bieten sie weniger Windungen dar. Die bei vielen nachgewiesene trichterförmige Binnenmündung verhält sich bei einigen (Alciopaj zu den Septis der Leibeshöhle ganz ähnlich wie bei den Scoleinen. Auch die Beziehung zum Geschlechts- apparate ist bei vielen in ähnlicher Weise erkennbar. Ausser den mehr secundären Be- ziehungen , welche die Schleifencanäle der Ringelwürmer bald nur an bestimm- ten Localitäten . bald in grösserer Aus- dehnung zum Geschlechtsapparate be- sitzen, wird ihre Beziehung zur Excre- tion , sowie zur Ein- oder Ausfuhr von Wasser in Betracht kommen müssen. Zur Excretion stehen die Organe in einem engen Verhältnisse durch den drüsigen Beleg ihrer Wandungen oder auch durch direct in sie einmündende Drüsen. Dadurch kommen sie den Hauptstämmen der Excretionsorgane bei den Trematoden gleich. Eine Be- ziehung der perienterischen Flüssigkeit zum umgebenden Medium, entweder durch Ausleitung der ersteren oderEin- lass des letzleren, wird durch die innere Mündung der Schleifencanäle herge- stellt. Aus der in den Canälen oder an den inneren Mündungen in beinahe allen Fällen nach aussen gehenden Richtung der Wimperbewegung wird wahrscheinlich, dass auch Stoffe nach Doch bedarf es zur Sicherstellung einer Fig. 84. Ein Schleifencanal von Lum- bricus, massig vergrössert. a Innere Mün- dung, b, b, b Heller, in zwei Doppelschlei- fen aufgereihter Canalabschnitt. c, c En- gerer Abschnitt mit Drüsenwänden, d Erweiterter Theil, der in d' wieder enger wird und bei rf" in den muskulösen Abschnitt e sich fortsetzt. e' Aeussere Mündung. dieser Richtung beweat werden. solchen Annahme noch eingehender Untersuchung. Geschlechtsorgaue. § 146. In der geschlechtlichen Differen zi r ung der Würmer be- gegnen uus zahlreichere Stufenfolgen als bei einer andern Abtheilung. Die niedersten Zustände bieten wieder hermaphroditische Einrichtungen, die aber nicht selten mit grossen Gomplicationen sich verbinden, wodurch sie weit über die viel einfacher sich verhallenden Einrichtungen der ge- trenntgeschlechtlichen Würmer sich erheben. Geschlechtsorgane. 191 Am einfachsten verhalten sich die Bryozoen , deren Geschlechtspro- ducle sich entweder an der Innenfläche der Körperwandung aus einfachen Zellenhaufen entwickeln, welche entweder Samenelemente oder Eier aus sich hervorgehen lassen ; oder sie entstehen an einem vom Darmcanale zur Innenwand des Körpers verlaufenden Strange (Funiculus). (Fig. 71 x.) Die reifen Zeu°;un2;sstoffe gerathen in die Leibeshöhle und werden von hier aus durch die erwähnte Communicationsöffnung in das umgebende Wasser entleert. Beiderlei Geschlechter sind meist in einem Individuum vereinigt, und nur die Keimstätten sind von einander getrennt. Bei allen phylactolämen Süsswasser-Bryozoen entwickeln sich in der Leibeswand an den Stellen, an welchen Eier entstehen, eigenthümliche aus einem Zellenaggregate bestehende Körper (Statoblasten ;. die. wie die Eier, sich ablösen und freiwerdende Sprossen vorstellen. Mannichfache Differenzirungen lassen complicirte Schalengebilde an ihnen entstehen. § U7. Der Hermaphroditismus erhält sich auch bei den Plattwürmern ver- breitet (Turbellarien, Trematoden, Cestoden). Beiderlei Geschlechtsorgane sind in der Regel an einer gemeinsamen Ausmündung vereinigt, im übrigen getrennt von einander ins Körperparenchym gebettet. Am ein- fuchsten verhalten sich die meist wenig voluminösen Keimdrüsen (Hoden und Ovarien). Ausführwege und damit verbundene Drüsenorgane, sowie an den ersteren vorhandene Ausbuchtungen oder taschenförmige Anhänge, die als Entwickelungsstätlen der befruchteten Eier, oder als Aufbewah- rungsorte des Samens fungiren, haben an der Complication der Apparate den bei weitem gröbsten Antheil. Was den männlichen Apparat betrifft, so sind die an Zahl variabeln Hoden meist undeutlich abgegrenzte Bildungsstätten des Samens, der durch enge Samenleiter zu einem gemeinsamen Ausführwege gelangt, ein erweiterter Abschnitt des letzteren fungirt als Samenblase, und seiu Ende erscheint in ein hervorstreckbares oder ausstülpbares Organ umgewandelt, welches als Penis dient. Der weibliche Apparat hat seinen wichtigsten Bestandtheil im Eier- stock. Mit dem Ausführgange des Eierstocks verbindet sich ein meist weit verzweigtes Organ, der Dotter stock, in dessen Drüsenläppchen eine Zellenproduction stattfindet. Die Zellen des Dotterstockes werden zum Aufbau des Embryo verwendet, indem je eine Quantität derselben mit einer Eizelle ein Ei formirt. Die Entstehung des Dotterstockes resullirt wahrscheinlich aus der Arbeitstheilung eines primitiv sehr ansehnlichen Eierstockes, von dem nur ein Theil als solcher sich forterhielt, während die Zellen des andern ihre Bedeutung als Eikeime verloren , indem sie von den Eizellen resp. deren Theilungsproducten umwachsen und so in den künftigen Embryonalleib aufgenommen werden. Die Ausführgänge des Ovars (Eileiter) und des Dotterstocks vereinigen sich zu einem ver- 192 II. 3. Würmer. schieden langen Canale , der je nach der Menge der sich entwickelnden Eier, bald von ausserordentlicher Länge ist, bald ganz kurz, einfach, oder mit Aussackungen besetzt. Diese Räume werden als Uterus bezeichnet, C? 7 da in ihnen das Ei nicht blos von einer Schale umschlossen wird, sondern auch in der Regel seine erste Entwickelung zum Embryo antritt. Eine meist in Form einer gestielten Blase auftretende Ausbuchtung der weib- lichen Ausführwege nimmt bei der Begattung das Sperma auf (Recepta- culum seminis) , eine zweite jedoch nicht allgemeiner verbreitete ist mit der ersteren zuweilen verbunden; sie dient wahrscheinlich zur Aufnahme des männlichen Begattungsorganes ;Bursa copulatrix) . Die bedeutendste Complication dieser Apparate trifft die parasitisch lebenden Plattwürmer. Die Erhaltung der Art ist hier durch den Aufent- halt der einzelnen Entwickelungsstadien des Thieres innerhalb verschie- dener Wirthe , sowie durch die damit verbundenen Wanderungen zahl- losen Schwierigkeiten ausgesetzt, und verlangt eine Massenproduction der Eikeime, sowie eine Sicherung; ihrer Befruchtung. 7 CO § HS. Im speciellen ausserordentlich Verhalten dieser mannichfaltige Formzustände Fig. S5. Geschlechtsapparat von Vortex viridis, i, t Hoden. vd Vasa deferentia. vs Samen- Mase. p Hervorstülpbares Be- gattungsorgan, oo Ovarien, gv Dotterstöcke, rs Receptaculum seminis. v Scheide, u Uterus. (Nach M. Schultze.) Geschlechtsapparate ergeben sich Der männliche Ab- schnitt besteht bei den rhabdocölen Turbel- larien in der Begel aus zwei langgestreckten Hodenschläuchen , aus denen je ein Vas defe- rens hervorgeht Fig. 85 t). Bei den Trema- toden sind gleichfalls nur einige meist rund- liche oder gelappte Testikel, vorhanden , indess diese bei den dendrocölen Turbellarieu, sowie bei mehreren rhabdocölen Macrostoma) und Cestoden durch eine oft sehr beträchtliche An- zahl kleinerer im Leibesparenchym zerstreuter Follikel Fig. 86 / repräsentirt werden, die durch lange Ausführgänge sich vereinigen. Beiderseits können sie auch eine einzige Reihe bilden Landplanarien). Die Ausführgänge bil- den entweder ein gemeinsames Vas deferens, oder treten für sich verlaufend zu einem End- abschnitte , der in das Begattungsorgan sich fortsetzt. Der gemeinsame Ausfuhrweg bildet die Samenblase, welche seltener durch Er- weiterungen der einzelnen Vasa deferentia ersetzt wird. Das Begattungsorgan Fig. 85 p, Fig. 87//) erscheint meist als ein ansehnliches, muskulöses Gebilde, an welchem die Samen- blase häufig wie ein ihm zugehöriger Anhang Geschlechtsorgane. 193 Das Begattungs- Regel erscheint. Es liegt in einem besonderen zum Genitalporus führenden Räume (Penisscheide der Planarien, Cirrusbeutel der Cestoden [Fig. 86 cl] und Trematoden ) und zeist zuweilen eine Ver- bindung mit Drüsen Pla- narien organ ist in der protractil, oder kann um- gestülpt werden , wobei ein beim eingezogenen Organe innen sieh fin- dender Besatz von man- cherlei Stacheln oder Haken an die Oberfläche zu liegen kommt. Eine solche Ausstattung des Penis kommt mit Aus- nahme der Planarien den meisten Plattwürmern zu , und scheint einer : ,«:„~ „ n i * Fig- 86. Männlicher Apparat, mit theilweiser Angabe des weib- inniyeien Copula zu ent- ,. t • _ .. , , , . , T c -5 ^i* ia hchen, von Bothryocephalu s latus nach Landois u. Som- Sprechen. mer. A Hodenfollikel (nur zum Theile angegeben), ve Ausführ- gänge derselben, vd Vas deferens. c Cirrus. cl Cirrusbeutel. Uebrige Bezeichnungen wie in Fig. 87. § 149. Grössere Verschiedenheiten bietet der weibliche Apparat. Die Ovarien (Keimstöcke) erscheinen in der Regel als ?1 — 2 längliche, an Volum sehr unansehnliche Schläuche (Fig. 85. o, 87. ov), in denen die Bil- dung der Eikeime stattfindet. Wenn sie einfach vorhanden sind , setzt sich der Oviduct als ein bald kürzerer, bald längerer Canal, unter Auf- nahme accessorischer Theile zur Geschlechtsöffnung fort. Mehrfache ver- einigen sich zu einem gemeinsamen Oviduct (Fig. 85. v). Bei den meisten Rhabdocölen, wie auch bei Cestoden Fig. 87. od) und Trema- toden bleibt der Ausführgang bei doppelten Ovarien einfach. Am kür- zesten ist er bei den Rhabdocölen, die wie die meisten Cestoden eine er- weiterte Stelle als Receptaculum seminis erkennen lassen. Dieses Organ erscheint als einseitige Ausbuchtung des Oviductes, die allmählich einen selbständigen Charakter gewinnt. Deutlicher tritt dieser hervor, wo es als ein gestielter Anhang bald dem Grunde des Eileiters Fig. 85. rs), bald dem Verlaufe desselben angefügt ist. Einen doppelten Eileiter be- sitzen die Planarien, bei welchen in der Regel nur ein ganz kurzer ge- meinsamer Abschnitt, als Uterus oder als Scheide fungirend , vorkommt. Bei den Landplanarien, deren Ovarien im vordersten Körpertheile liegen, Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. ^3 194 II. 3. Würmer. besitzen die Oviducte eine bedeutende Länge. Sie können auch auf ihrem Verlaufe mit kurzen seitlichen Aesten besetzt sein, welche in Lücken- räumen der Leibeshöhle sich öffnen (Bipalium). Dieses eigenthümliche Verhalten lässt die Frage entstehen ob diese wimpertragenden Ausführ- wege der Eier etwa nicht auf ein anderes Organsvstem zurückzuführen seien, denn es besteht kein Grund zur Annahme, dass an jenen rückwärts gerichteten Seitenzweigen Ovarialschläuche einer Rückbildung verfallen seien. Ein solcher Vorgang widerspräche dem Bestehen offener Mün- dungen. Die letztern aber deuten auf ein Excrelionsorgan . das theil- weise in die Dienste der Geschlechtsfunction trat. Wo mit dem Ovarium Dotterstöcke verbunden sind, werden die- selben durch zwei oder mehr haumförmig verästelte oder gelappte Organe vorgestellt (Fig. 73. gv) , welche oft in weiter Ausdehnung im Leibes- parenchym vertheilt sind (Fig. 87. d). Die Ausführgänge treten dann von verschiedenen Seiten her zusammen, und bilden einen mit dem Oviducte vereinigten gemeinsamen Abschnitt [d'). Besondere Abschnitte des Oviductes fungiren als Uterus, mit welchem Namen morphologisch sehr verschiedene Theile bezeichnet wer- den. Im Allgemeinen lassen : -. 4 \ y e Fig. S7. Geschleehtsapparat von Bo th ry o ce p halus latus nach Landois u. Sommer. Weiblicher Theil des Apparates, v Scheidencanal. v' Mündung desselben. u Uterus (mit Eiern), w' Mündung desselben, ov Eier- stock, od Oviduct. gl Schalendrüsen, d Dotterstöcke inur theilweise angegeben), d' Dottergang, e Gelassstämme. Weise bei den meisten Bandwürmern. sich drei verschiedene Arten solcher vom Oviducte aus- gehenden Uterusbildungen unterscheiden. Einmal ist der Eileiter selbst hiezu ver- wendet und erscheint dann nicht blos erweitert, sondern auch beträchtlich in die Länge gestreckt, so dass er sich als einen den Körper mehrfach durchziehenden, gewundenen Schlauch repräsentirt. Dieses Verhalten zeigt sich bei den Trematoden , ähnlich unter den Cestoden (Triaenophorus, Ligula, Bothryocephalus) (Fig. 87. u). Eine zweite Form wird durch seitliche Aus- buchtungen oder taschen- artige Anhänge im Verlaufe des Eileiters dargestellt ; sie findet sich bei wenigen Rhab- docölen , in complicirterer Ein vom Eileiter in der Nähe der Einmündung der Dotterstöcke ausgehender Schlauch erstreckt sich bei den Tänien durch die Mittellinie einer geschlechlsreifen Proglottis, Geschlechtsorgane. 195 und bildet nach Maassgabe der in ihn gelangenden Eiermassen beider- seits reiche dendritische Verästelungen. Endlich wird eine dritte Art durch Anhänge vorgestellt, welche erst am Ende des Oviductes oder vielmehr an dem beiderlei Organen semeinsamen Vorhof, dicht am Genitalporus . sich findet. Solches zeigen die meisten Turbellarien (Fig. 85. u) und zwar finden sich bei den Rhabdocölen in der Regel zwei solcher Uterustaschen, die sich ansehnlich ausdehnen, ja sogar wieder verzweigen können, weun sie zur Aufnahme einer grössern An- zahl von Eiern dienen. Bei den Dendrocölen besteht entweder nur Ein solcher Uterus, der in den hier sehr ausgedehnten Vorhof mündet, oder er fehlt vollständig, und dann übernehmen die beiden Oviducte seine Function (Leptoplana) . Die Grösse und Zahl der gleichzeitig reifenden und ihre Umhüllung erhaltenden Eier steht überall mit dem Zustande des als Uterus fungirenden Gebildes in engem Zusammenhange. Ein letzter Abschnitt des Eileiters differenzirt sich gleichfalls häufig zu einem besonderen als »Scheide« bezeichneten Ganale, und ist in ein- zelnen Fällen noch mit einem als »Bursa copulatrix« fungirenden Anhange versehen. An der Vereinigungsstelle der Ausführgänge des Dotterstockes mit dem Oviducte zeigt sich bei Trematoden iDistoma , Polystomum , Amphistoma) und Cestoden (Bothryoeephalus, Taenia) eine grosse Anzahl einzelliger Drüsen angebracht. Ihr Complex wird als Schalendrüse bezeichnet, deren Secret zur Bildung der Eihüllen verwendet wird (Fig. 87. gl) . Zugleich besteht bei Bothryocephalen und vielen Trematoden von jener Stelle an ein besonderer, bei ersteren im Sinus genitalis, bei Distoma hepaticum auf der Dorsalfläche des Körpers ausmündender Canal, der mit Sperma gefüllt getroffen wird, demnach als Scheide fungirt Fig. 87. v). Diese zweite Verbindung des weiblichen Apparates nach aussen gestattet eine Befruchtung, ohne dass die allmählich erfolgende Ausleitung und Ab- setzung der Eier eine Störung erfährt. In der somit doppelten Ausmün- dung des weiblichen Apparates dürfte sich wohl die Andeutung einer ursprünglicbeu Duplicität des ganzen Organsystems erkennen lassen. Der Einfluss geänderter äusserer Lebensverhältnisse auf den Ge- schlechtsapparat bildet bei Polystomum (P. integerrimum ein lehrreiches Beispiel von der Anpassungsfähigkeit bereits in voller Function stehender und somit als angebildet zu betrachtender Organe. Die Aenderung ist an einen Wechsel des Aufenthaltes geknüpft, und äussert sich in einer ver- mehrten Production der Zeugungsstoffe, mit der an dem Apparate zu- gleich neue Abschnitte entstehen. § 150. Das Verhalten des hermaphroditischen Apparats bei der Begattung ist zum grossen Theile noch unbekannt, in vielen Fällen liegen die Ein- richtungen für eine Selbslbegatlung günstig. 13* 196 IL 3. Würmer. Die Lage des Genitalporus ist in den einzelnen Abtheilungen der Plattwürmer verschieden. Am häufigsten münden die Geschlechtsorgane in der ventralen Medianlinie aus, bald weiter nach vorne, dicht hinler dem Mundsaugnapfe, wie bei vielen Trematoden (Distoma, Gyro- dactylus u. a.) , bald näher dem Hinterleibsende Turbellarien) oder an diesem Ende selbst Dist. macrostom.). Unter den Cestoden ist die ven- trale Lagerung gleichfalls häufig Ligula, Bothryocephalus) ; in der Mehr- zahl der Fälle ist der als eine flache Ausbuchtung erscheinende Genital- porus an dem Seitenrande der Proglottiden anzutreffen, und zwar kann bald der eine, bald der andere Seitenrand dadurch ausgezeichnet seiu. Für die Beurtheilung dieser übrigens auch bei einzelnen Trematoden (Tristoma) bestehenden Asymmetrie ist die Thatsache wichtig, dass bei einigen Cestoden Taenia elliptica, T. cucumerina) jeder Proglottide zwei symmetrisch gelagerte Geschlechtsapparate zukommen. Dieses vereinzelte Verhalten kann als der Rest einer ursprünglich allgemeinen Einrichtung angesehen werden, so dass erst allmählich der Apparat der einen Seite über den der anderen die Uebermaeht gewann und zu dem gegenwärtig verbreitetsten Verhältniss, nämlich der einseitigen Entwickelung des Ge- nitalapparates, hinführte. Während bei den rhabdocölen Turbellarien , mit wenigen Ausnah- men, nur ein einziger Genitalporus besteht, zu welchem männliche und weibliche Organe hinführen, wird bei den dendrocölen durch die Aus- bildung eines Vorhofes eine Trennung der Ausmündung angebahnt. Bei den meisten Seeplanarien ist diese Trennung vollzogen, und es besieht eine doppelte Genilalöffnung, die männliche vor der weiblichen gelagert. Die meisten Trematoden traaen die Ausmündungen der Geschlechtsorgane gleichfalls getrennt, wenn auch dicht aneinander gelagert. Eine ähnliche Erscheinung kommt bei den Cestoden vor. Schon in jenen Fällen, wo Cirrusbeutel und Scheide in einen Genitalporus münden, ist der letztere nur eine flache, vom Integumente wallartig umzogene Grube. In anderen Fällen münden beide, wenn auch dicht neben einander, unmittelbar an der Oberfläche aus. Dazu kommt noch der Fall einer zweiten weiblichen Mündung mittels eines Scheidenganges, der oben erwähnt wurde. End- lich besteht noch eine fernere Trennung, indem nur der männliche Ap- parat an dem Seitenrande, der weibliche dagegen auf der Fläche der Pro- glottis ausmündet. Die Ausbildung von beiderlei Apparaten in einem und demselben Individuum ist zuweilen ungleich, und besonders bei Rhabdocölen zeigt sich eine Sehe i düng der Geschlechter nach den Individuen darin ausgedrückt, dass die Ausbildung der beiden Organe sich unter verschiedenen Individuen ungleich gestaltet, und bei den einen der weib- liehe, bei den andern der männliche Apparat vorwiegend entwickelt, der andere Apparat dagegen stets rudimentär erscheint ^Convoluta). Diese höchst wichtigen Fälle lassen verstehen, wie bei fortschreitender Ver- kümmerung des einen Organes aus hermaphroditischen Organismen ge- Geschlechtsorgane. 197 Seltener für den männ- trennt geschlechtliche (diocische) hervorgehen. Der hier in statu nascenti beobachtete Vorgang ist bei anderen Turbellarien vollendet. Getrennt ge- schlechtlich sind die Mierostomeen . auch einige Planarien und Trema- toden. Eine Vereinfachung des Geschlechtsapparales trifft sich für die fast durchaus getrennt geschlechtlichen Nemertinen. Die mannich fachen Abschnitte der Ausführwege, sowie die accessorischen Organe fehlen hier. Hoden und Eierstöcke sind die einzigen bestimmt unterschiedenen Theile. Bei einigen fProrhvnchus) kommen diese Organe nur einfach in jedem Individuum vor Fig. 67. ov), und erinnern dadurch an rhabdocöle Tur- bellarien. Andere dagegen besitzen sie in mehrfacher Zahl als beiderseits vom Darmcanal gelagerte Follikel, die unter sich in keinem unmittelbaren Zusammenhange stehend durch regelmässige paarweise Anordnung in der Länge des Körpers eine Metamerie andeuten. § ro\. Bei den Nematoden ist das Bestehen einer Zwitterbildung seltene Ausnahme. Trennung der Geschlechter ist die Begel. Beiderlei Organe bestehen aus röhrenförmigen , in die Leibeshöhle eingebetteten und auf der Oberflache ausmündenden Schläuchen. Paarig sind die Organe ziemlich allgemein für den weiblichen Apparat liehen. Eine, wenn auch nur vereinzelt erkannte . doppelte Mündung spricht eben- falls für Eine ursprüngliche Duplicität. Diese wird auch dann noch erkannt werden dür- fen , wenn die beiden den Apparat darstel- lenden Schläuche in Anpassung an die ge- streckte Leibesform vor einander gelagert sind. Das blinde Endstück der Geschlechts- röhren fungirt als Ovarium oder Hoden, der übrige Theil als Ausleiteapparat, in den ein- zelnen Abschnitten verschiedenen Verrich- tungen angepasst und verschieden diffe- renzirt. Die männliche Geschlechtsröhre ist ein einfacher, an der ventralen Seite des Enddarms ausmündender Schlauch, der bei den grösseren Arten mehrfache Windungen bildet. Nur durch den Epithelialbeleg unter- scheidet sich das als Hoden zu deutende, meist lange Endstück vom Ausführgang, an dem zuweilen eine erweiterte Stelle als Samenblase an den Ductus ejaculatorius sich anreiht. Zwei in dem Cloaken- Abschnitte des Enddarms entwickelte , dünne (Spicula) dienen als Begattungsorgane. Fig. SS. Weibliche Geschlechtsorgane von Ascaris lumhricoides. ov Ovarien. do Eileiter. v. Uteru?. x Scheide. zuweilen sehr lange Chitinstäbchen 198 II. 3. Würmer. Die weiblichen Geschlechtsröhren sind in der Regel doppelt vor- handen, entweder bis zur Ausmündung getrennt oder am letzten Ab- schnitte in ein gemeinsames Stück vereinist. Je nach der Länge bilden die Röhren mehr oder weniger Windungen. Der Endabschnitt ist als Ovarium zu betrachten Fiu. 88. ov), aus welchem meist ein wei- terer Abschnitt (Eileiter d. o) in einen als Uterus (u) bezeichneten Canal führt, welcher durch eine enge Scheide ausmündet. Die weibliche Geschlechls- öffnung liegt immer ventral , vor dem After, meist nahe an der Mitte der Körperlänge. Durch eine Vermehrung der weiblichen Geschlechtsröhren bis auf fünf, aber auch durch Rückbildung einer der beiden ursprünglich angelegten, entsteht in der Ge- staltung des Apparates eine Mannichfaltigkeit, die, gleichwie bei den männlichen Organen, durch ver- schiedengradige Differenzirung der einzelnen Ab- schnitte gesteigert wird. In einzelnen Fällen fungirt der Endabschnitt des Ovars als Dotterstock (Lep- todera) . Von den Gordiaceen schliesst sich wenigstens Mermis an die übrigen Rundwürmer hinsichtlich der Geschlechtsorgane an. Bei Gordius vereinigen sich in beiden Geschlechtern die Ausfuhrgänge der paa- rigen Keimdrüsen mit dem Enddarm , wie dies bei Nematoden nur für den männlichen Apparat der Fall ist. Ziemlich abweichend verhalten sich die Chä- tognathen Sagilta) . Sowohl die bestehende Zwitter- bildung und die Lagerung der Organe, macht eine Vergleichung mit anderen Abtheilungen vorläufig unmöglich. Männliche und weibliche Geschlechts- drüsen liegen seitlich am Hinterende, vorne die Ova- rien und hinter diesen die Hoden , mit denen der Körper des Thieres abschliesst. Die letzteren öffnen sich in einen kurzen, vorwärts gerichteten, über die Leibesoberfläche etwas verlängerten Ausführgang, der häufig mit Samenmasse prall gefüllt erscheint, und so zugleich als Samenblase fungirt. Die Ovarien springen je nach dem Eulwickelungszustande ihrer Contenta verschieden stark in die Leibeshöhle des Thieres vor. Sie verlaufen von vorn nach hinten, und öffnen sich mit einer gleichfalls vorstehenden kurzen Röhre nach aussen, mit welcher ein neben dem Ovarium gelagertes Receptaculum seminis vereinigt ist. Fig. 89. Eine Sagitta mit dem Geschlechts- apparat. o Eierstöcke. t Hoden, s Samenblasen. t Darm, p Flossen. Geschlechtsorgane. 199 § 152. Eigenartig erscheint auch der Geschlechtsapparat der Acantho- cephalen , deren geschlechtliche Trennung einen höher entwickelten Zustand ausdrückt. Ein die darmlose Leibes- höhle durchziehender Strang Ligamentum Sus- pensorium) trägt bei den Männchen sanien-, bei den Weibchen eierbereitende Organe. Die Hoden erscheinen als zwei rundliche, über einander liegende Drüsen, von denen je ein vas deferens sich zum Hinterleibe begibt, um dort mit den Ausführgängen einer Anzahl schlauchförmiger Drüsen in das Begattungs- organ zusammen zu münden. Das letztere be- steht aus einem saugnapfartigen Gebilde , in dessen Mitte ein konischer Fortsatz, der eigent- liche Penis, liegt. Dieser Apparat kann vorge- streckt und zurückgezogen werden. Er um- fasst bei der Begattung das ähnlich gestaltete Hinterleibsende des Weibchens , bei welchem sich die Eier in einem mit der strangförmisen Axe (Fig. 90. s) verlaufenden, bald ihr ange- lagerten , bald von ihr theilweise umschlosse- nen Ovarium entwickeln (o) . Sie gerathen in die Leibeshöhle und werden durch die Mün- dung eines weit geöffneten glockenförmigen Organes [g) aufgenommen, welches vom Hin- terleibsende aus nach innen vorspringt, und in den kurzen, durch eine enge Scheide ausmün- denden Uterus führt. § 153. Die Hirudineen bieten in der Anord- nung ihres Geschlechtsapparates nahe ver- wandtschaftliche Beziehungen zu den Platt- würmern, besonders zu Trematoden und den- drocölen Turbellarien. Dies beurkundet nicht blos ihr Hermaphroditismus, sondern auch die Duplicität der meist symmetrisch vertheilten Keimdrüsen , sowie die Ausmündung des ge- sammten Apparates in der ventralen Medianlinie. Die Lage der männlichen Geschlechtsöffnung vor der weiblichen wiederholt das bei den Seeplanarien bestehende Verhalten. Für die männlichen Organe (Fig. 91) besteht immer eine grössere Anzahl (5 — 12 Paare) von Keimdrüsen (t), die einer Fig. 90. Hinterer Abschnitt des weiblichen Geschlechtsapparats von E chinorhy nchu s. o Ova- rium. s Ligamentum Suspenso- rium, g Glockenförmiges Organ. t Trichter, t' Endabschnitt der Oviducte. Die Pfeile deuten den Weg der Eier an , um von der Leibeshuhle nach aussen zu ge- langen. (Nach Gkeeff.) 200 II. 3. Würmer. v Ambulacralfüsschen. p' Ampullen, t Hauttentakel, n Nervenstränge, «i Amluilacral platten, m Muskeln, a Ambulacralvenen. b Bauchplatte, c Seitenplatten, d Kücken- platte, k Verkalkte Stücke des Integuments. Nach Wilh. Lange. Das freie Ende dieser röhrenförmigen Gebilde (p) ist entweder abge- plattet und mit einem saugnapfarligen Ende ausgestattet (Seeigel) ; oder es ist konisch zugespitzt oder abgerundet (viele Seesterne), zuweilen auch noch mit einer knopfartigen Anschwellung versehen. Andere besitzen seitliche Einkerbungen oder seeundäre Forlsätze Ophiuren und CrinoTden), und diese bilden dann den Uebergang zu jenen Formen der Ambulacralgebilde, die nicht mehr locomotorisch sind, sondern als Ambulacralkiemen oder auch als Ambulacrallasler (fühlerartige Bildungen erscheinen. Durch Anfülluns mit Flüssigkeit gerathen die Füsschen in den Zu- stand der Schwellung und werden in Folge dessen erigirt, so dass sie sich auszustrecken vermögen. Ihre Ausdehnung; richtet sich nach der Länge der starren Integumentanhänge, sodass man die längsten Saugfüsschen bei den langslacheligen Seeigeln antrifft. Beim Strecken heftet sich das Ende fest, und das Füsschen vermag nun, sich contrahirend, den Körper des Thieres nach der Anheflungsstelle hin fortzuziehen, eine Art der Orts- bewegung, die namentlich bei Seeigeln oft ziemlich behende ausgeführt wird. Bei der Bewegung betheiligt sich immer eine ganze Gruppe von Füsschen, deren Zusammenwirken eine gewisse Energie ermöglicht. Die Yerlheilung dieser Gebilde über den Körper ist in den vorhergehenden Paragraphen berücksichtigt , und ihrer Beziehungen zum Gefässsvsteme wird bei diesem Erwähnung geschehen. Bei den CrinoTden übernehmen um den Mund stehende Saugfüsschen die Bolle von Tentakeln, welche Bedeutung in manchen andern Fällen mit der locomotorischen Function sich combinirt. Dadurch treffen sich auch selbständiger differenzirleTenlakelbilduneen mit jenen Organen ver- knüpft, nämlich die Tentakel in der Nähe der Mundöffnung bei Holothu- ro'iden (vergl. Fig. 113 T). Sie erscheinen bald gefiedert, bald verzweigt, und sind meist vollständig einziehbar. Bei manchen Synapten tragen sie Saugnäpfe (S. duvernaea). Ihr Binnenraum steht mit demselben Gefäss- svslem wie die Ambulacralfüsschen in Communication. 214 II- *. Echinodermen. Verschieden hiervon sind die sogenannten llautk iemen, Tentakel, welche auf der antiambulacralen (dorsalen Körperflache der Seesterne verbreitet sind Fig. 100/' und bei denEchiniden als fünf Paare contractiler Baumchen in der Nähe des Mundes stehen. Sie communiciren mit der Leibeshöhle, sind blosse Ausstülpungen des Integuments. Iiitegumeiit und Hautskelet. § 163. Bei den Echinodermen erscheint derselbe Hautmuskelschlauch, wie bei den Würmern, allein das Integumenl ist von der Muskulatur scharfer gesondert. Letztere bildet grösstentheils eine die Leibeshöhle begrenzende Schichte, der das Inlegument aussen auflagert. Dieses wird durch einen besonderen Zustand ausgezeichnet, indem die Beweglichkeit des Körpers durch Einlagerung von Kalk in die mit der Muskulatur zum »Perisom« verbundene Integumentschichte mehr oder minder beeinträchtigt wird. Diese Erscheinung tritt bereits selbständig in der Larve auf, erreicht aber hier nie ein bedeutendes Volum, vielmehr bietet sie durch stabför- mige Bildungen einer reichen Entfaltung von Fortsätzen eine feslere Stütze. Auf den Fortsätzen ziehen sich saumartige wimpernde Wülste hin (Wim- perschnüre), welche, in verschieden complicirter Anordnung, den locomo- torischen Apparat der Larve vorstellen (s. Fig. 95 (/, d' e). Der Vertheilung der Cilien auf die leislenförmigen Vorsprünge der Wimperschnüre geht eine allgemeine Bewimperung des Körpers voraus, die auf den indifferen- testen Zustand der Larve beschränkt ist. Diese Bewimperung erhält sich auch später an vielen Stellen der weichen das Kalkskelet überkleidenden Hautschichte; so ist sie z. B. sehr entwickelt an den bei den Spatangen zum Munde ziehenden Wimperbah- nen (Semitae). An anderen Stellen wie an den Hautkiemen (s. oben) scheint die Bewimperung mit der respiratorischen Function des Integuments in Verbindung zu stehen, an der übrigens auch die Ambu- lacralfüssehen betheiligt sein mögen. Der Grad der Verkalkung ist sehr verschieden. Bald sind die Kalk- spicula in grösseren Abschnitten unter einander vereinigt, und stellen entweder beweglich oder fest mit einander verbundene Platten vor, ein Verhallen, welches bald über den ganzen Körper verbreitet, bald auf be- stimmte Strecken der Oberfläche beschränkt ist. In andern Fällen er- scheinen die Kalktheilchen zerstreut und gestalten mannichfache Form- veränderungen des Körpers. Damit geht auch in der übrigen Organisation ein grosser Theil des Echinodermencharakters verloren, so dass das Schwinden der Hautverkalkung ein Auslaufen des Typus bezeichnet, und die sanze Erscheinum^ der mangelhaften Kalkablaserune nicht als ein Anfangszustand der Formenreihe, sondern als deren Ende aufzu- fassen ist. Integument und Hautskelet. 215 t. Durch die Verkalkung wird das Integument Stülzorgan des Körpers, Hautskelet, welches in manchen Fällen auch Fortsätze ins Innere des Körpers absendet. Durch letztere entstehen verkalkte Bildungen, die als innere Skelete sich mit dem äusseren combiniren. Die Ver- kalkung ergreift nie die canze Dicke des Perisoms. Eine dünne un verkalkte Gewebschichle er- hält sich sowohl innerlich, als auch an der Oberfläche, löst sich jedoch an einzelnen Theilen der Oberfläche frühzeitig ab, so dass verkalkte Parlhieen zu Tage kommen, z. B. an den stachel- förmigen Gebilden, sowie an- deren Vorsprüngen des Kalk- skelets. Die Ablagerung des Kalks in die Integumentschichte ge- schieht immer in regelmässiger Form. Es entstehen zierliche gilter- oder netzförmige Struc- turen (vergl. Fig. 101), in deren Zwischenräumen weiche orga- nische Substanz sich forterhält. Auch die solidesten Skeletstücke werden so von Weichgebilden durchzogen, und da , wo die Bildung des Kalk- skelets nur durch vereinzelte mikroskopische Einlagerungen repräsenlirt wird, erscheinen diese meist in bestimmter Gestalt , charakteristisch für Gattungen und Arten. Das Kalkskelet der Larven bildet einen, meist aus einem Gerüste zierlich zusammengefügter, zuweilen gitterförmig durchbrochener Stäbe gebildeten Stützapparat. Es findet sich in den Klassen der EehinoTden und Ophiuren verbreitet, sowie auch bei den Larven der Holothuroiden Kalkgebilde vorkommen. In dem Vorhandensein eines Kalkskelets bei den Larven ist zwar das beim Echinoderm sich ausprägende Verhallen im Allgemeinen gegeben, allein dabei ist nicht zu übersehen, dass jenes Lar- venskelet der Form der Larve entspricht und nicht jener des ausgebildeten Echinoderms, wie denn auch kein Theil von ihm bleibend in die Echino- dermanlage übergeht. Bei den Holothurien soll sogar ein mehrfacher Wechsel des Kalkskeletes bestehen. Fig. 101. Ansicht des Kalknetzes aus einer Platte des Hautskelets eines Seeigels (Cidaris). & Durch- schnitte senkrecht auf das horizontale Netz gerich- teter Balken. (Massig starke Vergrosserung.) § 164. Bezüglich des speciellen Verhallens des Hautskelets ist für die Aste- roiden das Vorkommen beweglich unter einander verbundener Slücke an 216 II. 4. Ecliinodermen. der Ambulacralfläehe der Arme charakteristisch. Vom Munde bis zur Arm- spitze bestehen quergelagerle Paare sich allmählich verjüngender Kalkstücke (Fig. \00.A. w), und l)ilden die Grundlage einerFurche, der Tentakelrinne. Die einzelnen Stücke bedingen durch Gelenkverbindungen eine Gliederung und zwischen den soliden Gliedern treten die Saugfüsschen (p) hervor. Dabei' werden diese Kalkslücke als A in b u 1 a c r a 1 p 1 a 1 1 e n bezeichnet. Da aber in dieser Furche noch bestimmte Weichtheile (Ambulacralcanal und Ner- ven eingebettet sind, so erscheinen die bezüglichen Gliedstücke nicht als D * O reine Hautskelettheile. Die Ambulacralfurche wird vom Integumenle über- kleidet, welches seitlich auf die Ambulacralplatten sich fortsetzt. Es be- steht vorwiegend aus einer Schichte langer Cylinderzellen , die eine Cuti- cula überzieht. Lateral geht es in eine viel niederere Zellenschichte über. An den Seitenrändern der Furche steht das Skelet mit dem den Rücken der Arme überkleidenden Hautskelete in continuirlicher Verbindung, und hier zeigen sich häufig Tafeln oder Schilder in einfachen oder mehrfachen Längsreihen. Diese auch durch Höcker vertretenen Bildungen setzen sich zuweilen auf das Integument der Antiambulacralfläche des Körpers fort, oder dieses ist durch netzförmige Kalkablagerungen, und kleinere durch unverkalkte Perisomtheile getrennte Tuberkel ausgezeich- net. Im Baue der Arme, nament- lich durch den Besitz einer Am- bulacralfurche schliesst sich Bri- singa an die Seesterne an. Den Rand der Arme bilden mannichfaltige grössere Platten- Stücke, Randplatten, die häufig durch Stacheln und andere Fort- sätze ausgezeichnet sind. Die Integumenlbildung der c o Ophiuren schliesst sich an die der Asterien an. Selten zeigt die antiambulacrale Fläche eine ausgedehnte Entwicklung von Kalkplatten, die hier in der Regel nur gegen die Basis der \ V -. MM (■ mBSSämm BS -'» B y %. t- c Arme zu stehen. Ebenda so wie um die Muudspalte bietet auch das ambulacrale oder ventrale Fig. 102. Körperscheibe einer Ophinre (Ophiothrix fragilis) von der oralen Flüche, mit den Basen der 5 mit Stacheln besetzten Arme. (Vergrössert.) CKörper- Seheibe. B Arme, t Kalkplatten, welche den der Ten- takelrhme der Seesterne entsprechenden C'anal be- decken. g Genitalspalten, c/ Kauplatten. gegen entfernt sich in mehreren Stücken von jenem der Seesterne. Die den Ambulacralplatten der letzlern homologen Stücke bilden eine dichte, den Arm fast vollständig füllende Integument Täfelung (Fig. 102 . «- OVO Das feste Gerüste der Arme da- Integument und Hautskelet. 217 Reihe (Wirbelstücke Fig. 100. B. w), und lassen gegen die Dorsalflache nur einen engen Canal, auf der ventralen Flache eine zur Aufnahme der Nerven und anderer Organe dienende Rinne übrig. Die Leibeshöhle erstreckt sich daher nur in Gestalt enger Canäle in die Anne. An Stelle des bei den Seesternen weichen Ueberzugs der Am bulacral furche wird bei den Ophiu- ren eine Reihe fester Kalkschilder (Fig. 100. B. b) gefunden, zu denen noch andere seitliche Fortsatze mannichfaltiger Art hinzutreten. Auch bei den Euryaliden birgt die lederartige Körperbedeckung eine von ihr ausgehende und wie bei den Ophiuren und Seesternen der oralen Körperflache angehörige Skeletbildung aus wirbelartig aneinander gereih- ten Kalktäfelchen, die vom Mundrande her auf die Radien bis in deren feinste Ramificationen fortgesetzt sind. Auch hier stellt dieses Skelet den Boden der Ambulacralrinne vor. Auf der aboralen Fläche wird die Kör- perscheibe von der nur mit Kalkkörnern imprägnirten Haut umschlossen, welche von da auf die Arme übergeht und dieselben bis an den Rand der ventralen Rinne überkleidet. In grosser Verbreitung finden sich höcker- und stachelartige Fortsätze des Integumenles, welche der mannichfaltigsten Art sein können. Eine eigenthümliche bei Seeslernen verbreitete Form sind Bündel beweglicher Stacheln auf gemeinsamem Stiele (Paxillae). Bezüglich der Pedicellarien siehe § 166. § 165. Eine Modifikation dieser Haulskeletbildung tritt bei den Crinoiden auf. Das dorsale Integument zieht sich in einen Stiel aus, mit dessen Ende die Thiere festsitzen. Regelmässig auf einander liegende Kalkplättchen bilden das Stielskelet, und verbinden sich mit plaltenförmigen Basal- slücken, an welche andere Kalktafeln zur Umgrenzung des Körpers sich anschliessen. Bei den Comatulen vermittelt ein einfaches knopfförmiges Stück (Cenlro- dorsale bei den Jugendzuständen die Verbindung des Stielskelets mit dem Körper. An das centrale Stück reihen sich radiale Gliedstücke au, welche in die Gliedslücke der Arme sich fortsetzen. — Sowohl auf den durch Dichotomie verzweigten Aesten der Arme (Penta- crinus;, als auch an den alternirend an den Armen stehenden seitlichen Anhängen (Pinnulae der Comatulen*! verläuft die Ambulacralfurche und erstreckt sich mit der des Nachbararmes verbunden an der ventralen Fläche des kelchförmigen Körpers bis zum Munde hin. Der auch hier das Skelet überziehende weichbleibende Theil des Integuments zeigt Einlage- rungen von Kalkläfelchen. § 166. Die Veränderung des Haulskeletes der Echino'iden , und damit auch deren Körperform , im Vergleiche mit den Ästenden besteht der Haupt- sache nach in Folgendem : Zunächst findet sich eine Verkalkung des oralen (ventralen) Perisoms, nämlich des die Ambulacralrinne und die darin ne- 213 II. 4. Echinodermen. legenen Weichtheile deckenden , bei den Seesternen weich bleibenden Abschnittes. Statt der beweglich verbundenen Gliedslücke sird äusserlich verkalkte Platten in verschiedener Art der Verbindung vorhanden. Bei deu Desmostichen erscheint der dein dorsalen oder aboralen Pe- risom der Seesterne homologe Abschnitt als eine unansehnliche, durch kleine, locker mit einander verbundene Kaikplätlchen ausgezeichnete Fläche , auf der excentrisch der After Fig. 103 x) gelagert ist. Diese die Mitte des soge- nannten Apicalpols der Seeigel einneh- mende Fläche ist von grösseren, die Mündungen der Geschlechtsorgane tra- genden Kalkplatten, den Genilalplatlen 7, umgeben, davon eine als Madrepo- renplatte (m) erscheint. An diese, zum Theil sich zwischen sie einschiebend, reihen sich wieder fünf Stücke Interge- nitalplatten) [ig), und von diesen aus ziehen fünf Reihen von Plattenpaaren zur Mundpolfläche, von feinen Oelfnungen durchbohrt, durch welche die Saugfüss- chen nach innen communiciren. Es sind die Ambulacralplatten (a) , welche die Ambulacralfelder zusammensetzen. Die Ambulacralreihen des verkalkten Peri- soms der Seeigel sind homolog dem bei den Seesternen weich bleibenden Perisom , welches die Ambulacralfurche der Arme an der Ventralfläche deckt. Die zwischen den Ambulacral- feldern liegenden un durchbohrten Plallenreihen — Interambulacral- felder (i) — sind den Randplatten der Seestern-Arme homolog. Wie die Ambulacralplatten , so bilden auch die Interambulacralplatten paarige Reihen. Bei Seeigeln früherer Perioden ist die Zahl der letzteren eine grössere gewesen; es sind solche mit 3, 5 bis 7 Reihen in einem Interam- bulacrälfelde bekannt. Die Verbindung der Plaltenstücke unter einander bietet verschiedene Verhältnisse dar. Wie bei den Seesternen die Kalkplallen des Perisoms durch bewegliche Verbindungen Formveränderungen des Körpers ge- statten, so besteht auch bei manchen Seeigeln ein ähnlicher Zustand. In der Familie der Echinothuriden sind die Platten des Perisoms beweg- lich mit einander verbunden, so dass der Körper seine Gestalt verändern kann. Die ambulacralen Platten wie die interambulacralen schieben sich dabei in der Mille jedes Feldes dachziegelförmig über einander und die interambulacralen sind lateral durch schmale Zwischenräume von einan- Fig. 103. Apicalpol der Schale eines Echinus. a Ambulacralfelder. i In- terambulacralfelder. g Genitalplatten. ig Intergenitalplatten. m Eine als Ma- dreporenplatte erscheinende Genital- platte, x Afteröffnung in dem von den Genitalplatten umgebenen Apicalfelde. — Die Höcker der Platten sind nur auf einem Interambulaeralfelde und einem Ambula- cralfelde gezeichnet, auf letzterem sind auch die Poren angedeutet, auf den übri- gen vieren weggelassen. der gelrennt. Bei der Dünne dieser Platten kommt dem weichen Theile des Perisoms eine grössere Bedeutung zu als in den übrigen Familien der Integument und Hautskelet. 219 Echinoiden. Auch auf das den Mund umgebende Feld setzen sich jene Platten fort, mit geringen Modificationen, indess bei den übrigen Desmo- stichen eine schärfere Sonderung dieses Abschnittes besteht. In diesem Verhalten nähern sich die Echinothuriden indifferenten Zuständen, und bilden ein Zwischenglied zu hypothetischen, von Asteroiden ableitbaren Formen. Dies wird noch durch die Thatsaehe bestärkt, dass im Innern des Gehäuses längs jedes Ambulacralfeldes eine derbe Fascie vom oralen zum aboralen Pole sich erstreckt, und die dem Ambulacrum anfliegenden Theile (Nerven, Gefässe, Ampullen) gegen die Leibeshöhle abschliesst. Sie bildet, an jeder Seite einer Ambulacralfurche befestigt, einen in die Leibeshöhle weit einragenden Vorsprung, der von feinen Oeflhungen durchbrochen ist. Diese Einrichtung entspricht bei den Seesternen der Grundlage der Ambulacralrinne, die dort in jenen Abschnitten verkalkt, indess sie hier, wo das der Ambulacralrinne der Seesterne entsprechende Perisom durch Kalkplatten gebildet wird, weich bleibt. Von der regulären Form des Hautskelets der Echinoiden bilden sich mehrere wichtige, nicht mehr unmittelbar mit dem bei den Seesternen gegebenen Verhalten vergleichbare Modificationen, welche von einem Verschwinden des Restes des primitiven Dorsal-Perisoms begleitet sind und sich im Uebergange der Radiärform in andere Formen ausdrücken. Die Ambulacralfelder erstrecken sich nicht mehr gleichmässig vom Munde zum Rücken; sie beschränken sich bei Spatangiden und Clypeastriden auf eine nur auf der Dorsalfiäche gelagerte fünfblätterise Rosette 'Ambu- lacra petaloi'dea) . Damit verbindet sich zumeist eine Verminderung der bei den regulären Seeigeln noch sehr zahlreichen Platten, sodass bei ge- ringerer Zahl viel grössere Plattenstücke vorkommen. Die bei den Seeslernen durch das Skelel der Ambulacralrinne vorge- stellte innere Skelelbildung wird bei den Echinoiden durch Fortsätze der Ambulacralplatlen repräsentirt. Solche, namentlich bei Cidaris ausgebil- dete Fortsätze umfassen sowohl Nerven als Ambulacralcanal , und zeigen damit jene Verwandtschaft. Als eine hievon unabhängige Einrichtung ist das den Echinideu und Clypeastriden zukommende Skelet des Kauappa- rales anzuführen, welches, den Anfangslheil des Darmes umgebend, aus einer Anzahl eerüstartig zusammens;efUster Kalkstäbe besteht. Mit dem Integurnente der Seeigel sind wie bei den Seesternen Stachel- artige Fortsätze verbunden , die jetloch durch ihre Beweglichkeit eine grössere Selbständigkeit erreichen. Sie articuliren auf Protuberanzen der Kalkplatten und besitzen einen besonderen Muskelapparat. Form und Volum der Stacheln ist sehr verschieden, bald sind sie haararlig fein (Spatangen), bald keulenförmige Gebilde (Acrocladia) oder lange Spiesse (Cidaris). Andere Hautorgane eigenlhümlicher Natur sind die Ped i cella r i e n , die sowohl den Seesternen als den Seeigeln zukommen. Sie bestehen aus einem stielartigen, muskulösen Integumentfortsatze, der gegen das Ende durch ein feines Kalkskelet gestützt wird und in zwei bis drei zangenartig 2 20 II. 4. Echinodermen. gegen einander bewegliche Klappen auslauft. Diese besitzen gleichfalls ein Kalkskelet. Bei den EchinoTden herrschen die dreiklappigen . bei den Asteriden die zweiklappigen Formen vor. B;i- singa schliesst sich an die Asteriden an. Sie finden sich über den ganzen Körper zerstreut, bei den Seesternen besonders an der Basis der Stacheln, bei den Seeigeln vorzüglich auf dem den Mund umgebenden Perisom vertheilt. Diese Körper dürfen als derart modificirte Stachelbildungen gelten, dass der nicht voll- ständig verkalkende Stiel der Pedicellarie dem Stiele einer Asleriden-Paxilia entspräche, das auf letzlerer befindliche Büschel von Stachel- chen aber durch die Arme der Pedicellarie dargestellt wird, die ähnlich durch Muskeln bewegt werden , wie dies bei Echinidenstacheln der Fall ist. Eine vermittelnde Form zu den Paxillen bilden die viertheiligen Pedi- cellarien von Calveria fenestrala , wo jede der langgestiellen Klappen in eine breite am Bande umgeschlagene Lamelle ausläuft. Fig. 104. Pedicellarien von Eehi- nus saxatilis. A Eine Pedi- cellarie mit offenen Zange narmen. B Mit geschlossenen Zangen- armen. (Nach Ei;dl.) n u ß L m § 10T. Bei den Holothuro'iden verliert das Integument seine Bedeutung als Hautskelet. Unzusammenhängende Kalkeinlagerungen in die derbe Haut- schichte finden sich an Stelle der Kalkplatten der übrigen Echinodermen. Die Kalkeinlagerungen der Haut ergeben bestimmte, meist sehr regel- massige Formen, die bei den Synaplen wie bei den Holothurien charakte- ristisch sind. Zuweilen bilden sie grössere feste Theile, wie die schuppenartigen Gebilde, welche beiCuvieria die der Sohlfläche entgegengesetzte Bückenfläche des Körpers bedecken, und welche, wenn auch viel kleiner, aber allseitig verbreitet in der Haut von Echinocucumis vor- kommen. Bei den Holothurien erreicht die lederarlige Bindegewebsschichte eine ansehnliche Mächtig- keit. Recht schwach ist sie bei den Synapten. Auch hier lagern Kalktheile in ihr und zwar sind es häufig solche von bestimmter Form , wie die Kalkrädchen der Chirodoten, oder die durchbrochenen Plätlchen 'Fig. 1 05 _ß) , welche die Basen der ankerförmigen Hakenslücke 1 eingefügt tragen. Letztere rasen aus dem Integumente hervor und bedingen das kleltenartige Haften der Synaplenhaut. Auch den Holothuriden kommt eine vom Hautskelet ausgehende innere Skeletbildung zu. Sie besteht aus einem den Schlund umgebenden Kalk- ringe, der den Körpermuskeln als Insertion, anderen Organen als Stütze Fig. 105. A Kalkanker. B Kalk- platte, ersterem zur Befestigung dienend: aus dem Iutegumente von Synapta Lappa, (Nach J. Müllek.J Muskelsystem. 221 dient. Aus 10 gesonderten Stücken besieht er bei den Holothurien, 12 — 15 besitzt er bei den Synaptcn. Bei den ersteren alterniren fünf grössere Stücke mit ebenso vielen kleineren und sind mehr oder minder beweglich mit einander verbunden. Sie sind den Fortsätzen homolog, die bei den Seeigeln vom Mundrande der Schale aus nach innen treten. Wie diese bieten sie bei Synapten Oeffnungen zum Durchlasse von Nerven und Ambulacralcanälen, die bei den Holothurien durch aabelförmise Fort- sätze hervortreten. Muskelsystem. § 168. Die Muskulatur der Echinodermen ist wie bei den Würmern mit dem Integumente und den davon ausgehenden Bildungen verbunden. Auch die Anordnung der Muskulatur ist im Wesentlichen von der Entfaltung des Hautskelets abhängig; so dass sie nur da, wo der Körper durch Ge- lenkverbindungen der einzelnen festen Stücke (Asteroiden und Crino'iden), oder beim Bestehen unzusammenhängender Kalkablagerungen im Intesu- niente Holothurien), eine Veränderung seiner Form zulässt, zu einem Systeme von Körpermuskeln entwickt It ist. Bei den Asteroiden und Crino'iden ist die an den Armen sich verlhci- lende Muskulatur wie diese selbst gegliedert, indem sie Zwischenräume der soliden Theile ausfüllt. Bei den Crino'iden, deren Armskeletlheile elastisches Gewebe verbindet, lagern die bezüglichen Muskeln auf der ambulacralen oder Bauchlläche des Thiers, und dienen vorzugsweise zur Beugung , indess das elastische Zwischengewebe der Gliedstücke streckend wirkt. In den Pinnulae der Crino'iden besteht dieselbe Ein- richtung. Den Echinoi'den, deren Perisom zu einer festen aus meist unbeweglich verbundenen Stücken bestehenden »Schale« erstarrt ist, ist jene Musku- latur rudimentär geworden , und wir finden hier nur einzelne Muskeln auf der Schale zur Bewegung der Stacheln oder stachelartigen Fortsätze, die sowie die im Innern des Körpers vorhandenen nur zur Bewegung bestimmter Organe dienen, wie z. B. die Muskeln des Kauapparates der Seeigel. Bei Spatangen ist die Schale noch an einer Stelle beweglich. Diesem entgegengesetzte Verhältnisse bieten die Holothurien dar, bei denen der Mangel grösserer Skeletslücke eine gleichmässige Entwicklung der Muskulatur gestattet. Die Verbindung mit dem Integumente besteht in ausgesprochener Weise. Unter der Bindegewebsschichte der Haut liegt eine Bingmuskelschichte, auf welche nach innen zu fünf durch verschie- den breite Zwischenräume gelrennte muskulöse, zuweilen getheilte Längs- bänder Fig. 113 m) folgen, die sich vorne an dem bereits oben beschrie- benen Kalkringe R) inseiiren. Die Verbindung findet an den fünf zum Durchlasse der Nerven- und Ambulacralgefässe durchbohrten Stücken 222 II. 4. Eckinodermen. statt. Die Ringschichte ist nur bei den Synapten continuirlich. und besitzt bei den Holothurien radiale Unterbrechungen, so dass sie eigentlich nur aus interradialen Querfaserfeldern besieht. Nervensystem. § 169. Das Nervensystem der Echinodermen wird in seinen Haupltheilen aus einer der Zahl der Antimeren des Körpers entsprechenden Summe von Stammen dargestellt, die radial verlaufend und ventral gelagert, um i\en Schlund durch Commissuren verbunden sind. Diese Commissuren entstehen dadurch . dass jeder der die Ambulacralgefässe begleitenden Nervenstamme sich in der Nahe des Mundes in zwei Hälften theilt, die nach beiden Seiten gehend, mit den ihnen von den nächsten Nervenstämmen entgegenkommenden Strängen verbunden sind. Dadurch entsteht ein den Schlund umgebender Ring, der jedoch nach der Art seiner Rildung nicht mit dem Schlundrina-e der Würmer verglichen werden darf. Jeder der radialen Nervenstämme entspricht vielmehr der ventralen Ganglienkette oder dem Rauchmarke der Annulaten, die Commissuren zwischen mehre- ren solchen Stämmen sind also Verbindungen des Rauchmarks, die aus der Concrescenz mehrerer unvollständig getrennter Personen hervor- gehen. Rezüglich des specielleren Refundes ist bei Seesternen und Comatulen die Lage der Radialnerven unmittelbar unterhalb der mächtigen Epithel- schichte der Ambulacralrinue hervorzuheben (Fi». 100 A n ), wodurch das Nervensystem fast unmittelbare Beziehungen zum Ecloderm erkennen lässt. Vielleicht darf diese Lagerung auf die Genese der Radialnerven be- zogen werden, und es liegt hier ein sehr niedrig stehender Zustand vor, der noch nicht in eine völlige Sonderung übergegangen ist. Dafür sprechen besonders jene Angaben, nach welchen Fortsätze der epithelialen Form- elemente in jene Nervenbahn eintreten sollen, denen die Function eines Slützgewebes zugeschrieben wird. Rei den Ästenden besteht jeder Ra- dialnerv aus zwei in der Mitte verdickten Bändern, die zellige und fase- rige Elemente in gleichmässiger Vertheilung besitzen. Am Ende der Arme bilden die Radialnerven eine bedeutendere Anschwellung, die mit den dort befindlichen Sehorganen in Zusammenhang steht. Comalula besitzt dieses Nervenband unter gleichen Verhältnissen. Ein seiner Mille aufgelagertes Rlutgefäss begleitet es, und bewirkt, indem es von oben her in es eingesenkt ist, eine Scheidung in zwei Hälften. Regel- mässige Verzweigungen gehen nach den Pinnulae ab. Bei den Ophiuren sind die radialen Nervenstämme (Fig. 100 Bn) in einem von den ventralen Platten (&) bedeckten Räume, ebenfalls einer Schichte aufgelagert, welche durch ihre Fortsetzung in die Ambulacralfüsschen sich dem Integumente angehörig erweist. An den Nerven selbst ist jedoch bei manchen (Ophiura Nervensystem . 223 texturata) eine bedeutende Differenzirung aufgetreten. Sie bestehen aus je zwei Nervenfasersträngen , in welche den Metameren des Armes ent- sprechend Ganglienzellenmassen eingelagert sind. An diesen Ganglien sind die Längsstämme durch Quercommissuren verbunden, und ebenda gehen auch periphere Nerven ab. Jeder Radialnerv stellt somit eine ven- trale Ganglienkelte vor. Die Verbindung des Nervensvstems mit dem Inleuument. wenn auch zunächst nur durch unmittelbare Anlagerung ausgesprochen, ist auch für das Verständniss der Skeletverhältnisse wichtig. Durch diesen Zustand wird eine Verkalkung der Ambulacralrinne ausgeschlossen, was erst mit einer «rösseren Selbständigkeit des Nervensvstems eintreten kann. Das Nervenpentagon der Echino'iden ist bei der mit einem Kau- apparate versehenen Gruppe, dem letzteren eng angelagert. Bei Echinus liegt es (Fig. 106 über dem Boden der Mundhöhle, zwischen dem Oesophagus und den Spitzen der Stücke des Kauapparates, und wird durch fünf Bandpaare in dieser La«e befestigt. Die Nervenstämme (c bese- ben sich von den Ecken des Pentagons in die Zwischenräume der Pyramidenstucke, und verlaufen von hier aus über die Mund- haut hinweg zu den Ambulacralfeldern. In der Mitte ihres Verlaufes zeigen sie eine starke Verbreiterung, und eine Medianfurche theilt sie in zwei Seitenhälften. Die von den Hauptstämmen abgehenden Seitenäsle begleiten die Aeste der Ambulacralgefässe. Aehulich ist die Anordnung des Nerven- systems der Spalangen , doch bildet der Mundring ein ungleichschenkliges Pentagon. Der Nervenring der Ilololhurien liegt dicht vor dem Kalkringe , etwas nach innen von ihm . und wird nach vorne von der Mundhaut begrenzt (Fig. 113 n). Da er — verschieden von dem Nervenringe der Seeslerne und Seeigel — stärker ist als jeder der aus ihm hervortretenden fünf Nervenstämme (n'), so mag ihm mit grösserer Bestimmtheit die Be- deutung eines Centralorganes zukommen, und darin einige Analogie mit dem gaoglionären Schlundringe anderer Thiere zu erkennen sein. Dass mit solchem jedoch keine Spur einer wahren Homologie besteht, wird aus der oben bei den Seesternen angeführten Genese des Echinodermen- Schlundringes versländlich. Die peripherischen Nervenslämme treten durch Oeffnungen der fünf grösseren Stücke des Kalkringes, und ver- laufen dann breiter werdend nach aussen von den Längsmuskelbändern. unter Abgabe feiner Zweige bis zum Hinterleibsende, wo ihre Breite in der Gebend der Cloake wieder abnimmt. Jeder radiale Nervenslamm lässt Fig. 1 (. 6. Nervensystem von Ec Li- nus lividus, der Kauapparat ist entfernt. « Querdurchschnittener Oesophagus, b Die C'ommissuren der Nervenstämme, einen pentagonalen Schlundring darstellend, c Die nach den Radien verlaufenden Nerven- stänime. d Bänder, welche die Spitzen der Pyramiden des Kauapparates an- einanderheften. (Nach Kkoiin.) 224 II. 4. Echinodormen. zwei Schichten unterscheiden, die durch eine Bindegewebslage von ein- ander getrennt sind. Ein Gefäss begleitet den Radialnerven durch eine Scheidewand von weiter nach innen liegenden Ambulacralge fassen ge- trennt. Ausser diesen radialen Stämmen sendet der Mundring auch Tentakelnerven ab. Sinnesorgane. § no. Bestimmte Theile des Integumentes erreichen auch hier eine beson- dere Bedeutung für den Tastsinn. Ausser den mit dem Wassergefäss- systeme in Verbindung stehenden Saugfüsschen können noch die Ten- takelgebilde als Tastorgane hieher gezählt werden, denen mit der Beschränkung des Ambulacralsystems bei den Holothurien (Apodia) eiue voluminösere Entfaltung, und dadurch eine höhere Bedeutung zukommt. Als Gehör Werkzeuge sind bei Synapten fünf Bläschenpaare be- schrieben worden, die an den Ursprüngen der radialen Nervenstämme gelagert sind. Sie sind ebenso problematische Sinnesorgane, wie die so- genannten Augenflecke dieser Gattung. Sehwerkzeuge wurden nur bei den Ästenden näher bekannt, während bei den übrigen Echinodermen blosse Pigmentanhäufungen als Augen oder » Augenflecke« gedeutet wurden. Die Augen der Seeslerne lagern an der gewöhnlich aufwärts gebogenen und damit dem Lichte zu- gekehrten Spitze jedes Armes auf einer polsterartigen Erhebung des Eudes der Ambulacralrinne, deren aus langen Gylinderzellen bestehende Epithel- schichte hier von besonderer Mächtigkeit ist. Die stäbchenförmigen Zellen führen Pigment. An einzelnen Stellen des »Augenpolsters« liegen die Augen. Ein trichterförmiger Hohlraum von der Cuticula überkleidet, zeict seine Wandung von Stäbchenzellen begrenzt, die von der Umgebung her gegen den Trichter sich zusammenneigen, so dass ihr Ende die Trichter- wand bildet. Von dem pigmentirten Theile der Zellen springt ein heller Körper ins Innere des Trichters vor, so dass der Baum des letzteren zum grossen Theile durch diese Gebilde erfüllt wird. Da dieser Apparat der terminalen Ganglienanschwellung der Radialnerven aufliegt, und die Zellen feine Ausläufer gegen dieses Ganglion senden, wird hier ein Zusammen- hang beider anzunehmen sein (Asteracanlhion rubens; . Jedes aus einem Complexe von Zellen bestehende Auge erscheint somit als eine Differen- ziiung der Epithelschichte, und reiht sich damit den Sehorganen anderer Wirbellosen an. Darmcanal. § 171. Das bei den ausgebildeten Echinodermen sehr verschiedenartige Verhalten des Nahrungscanais besitzt im primitiven Darmrohr der Lar- venform eine einfachere für alle Echinodermen übereinstimmende Vor- Darmcanal. 225 bildung. Dass jene, deren Entwicklung zusammengezogen ohne den typischen Larvenzustand verlauft, nicht hieher gezählt werden können, wird begreiflich sein. Die erste Anlage des Darmes erfolgt als eine Wucherung der den Kör- per der jungen Larve überziehenden Zellschichte. Daraus geht ein in den Körper eingesenkter Bliudschlauch hervor, dessen Wand das Entoderm bildet, während die äussere Zellschichte das Ectoderm repräsentirt. Der Organismus entspricht einer Gastrula. Die Eingangsöffnung in die Darm- anlage wird als Urmund aufgefasst. Bald wächst gegen das blinde Darm- ende von einer anderen Seite des Körpers her eine zweite Einbuchtung aus, die sich mit dem Darme vereinigt, hohl wird, und so mit dem erst- gebildeten Stücke einGontinuum bildet. Die letztgebildete Abtheilung stellt den Mund und den damit zusammenhängenden Oesophagus vor, die erst- gebildete den Mittel- und Enddarm. Der spätere After und der damit verbundene Darmtheil wäre somit das vom gesammten Darme zuerst Gebildete. Der Larvendarm setzt sich aus drei Abschnitten zusammen. (Vergl. Fig. 94 A B.) Eine weite Mundöffnung führt in eine in der Längenaxe des Körpers liegende contractile Röhre, den Vorderdarm (Schlund, Oeso- phagus). Darauf folgt ein weiterer Theil, der Mitteldarm (Magen), der sich in ein engeres, retortenförmig gekrümmtes Rohr auszieht, welches als Enddarm sich zum After begibt. Diese drei Abschnitte entsprechen genau der primitiven Gliederung des Darmes, die bei fast allen Würmern unter- scheidbar ist. Mund und After liegen anfänglich auf verschiedenen Flachen des Larvenkörpers. Mit der Differenzirung der Körperform, besonders durch Ausbildung der Wimperschnur, kommen sie scheinbar auf eine und dieselbe Fläche, die sogenannte Vorderseite, zu liegen. Es ist jedoch leicht ersichtlich, dass die Wimperschnur zwei Körperflächen deutlich trennt: eine beschränktere Mundfläche, und eine ausgedehntere, gegen erstere umgeschlagene Afterfläche. Noch bevor der Darm durch die Verbindung mit dem Vorderdarm sich vervollständigt hat, geht an ihm die Abschnürung eines Theiles vor sich, der eine geschlossene Blase vorstellt. Von dieser lösen sich wieder zwei Abschnitte ab, oder es bilden sich von der Seite des Darmblindschlauches zwei neue Blasen. Vom Darm differenziren sich somit dreierlei Gebilde. Zwei paarige Blasen , die sich zur Seite des Darmes legen , repräsentiren die Anlage des Göloms, eine andere Blase gewinnt durch Verbindung mit dem dorsalen Ectoderm daselbst eine Mündung, und bildet die Anlage des Wassergefässsystems. Dieser Apparat wie die Auskleidung der Lei- beshöhle, nimmt also seine Entstehung vom Darme, und zwar von dem, wenn auch zuerst auftretenden, doch zweifellos hinteren Abschnitte, der von dem späteren After her zuerst entstand. Dieses Verhalten kann so gedeutet werden, dass im Wassergefässsystem wie in dem Gölom (die beide ja in Zusammenhang stehen) Einrichtungen vorliegen, welche phy- logenetisch mit dem letzten Darmabschnitte in Verbindung stehen, diese Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 15 226 II. 4. Echinodermen. Darmstrecke wäre dann nicht einem Gastruladarme homolog, sondern ent- spräche gleich von vorne herein einem Enddarme, dessen frühe Ent- stehung durch die Complication der aus ihm sich sondernden Organe ver- ständlich wird. Diese werden die dem Organismus nöthigeren sein. Ich sehe also in der zuerst gebildeten Darmanlage keinen Gasträadarm und in dessen Mündung keinen Urmund, sondern nichts anderes als den End- darm und den After. Der aus dem Enddarme entstehende mittlere Darm- abschnitt muss morphologisch dem ersteren zugerechnet werden. Die Differenzirung der vorerwähnten Organe aus dem Enddarm verweist auf Zustände, in denen dem Enddarme Organe verbunden waren wie sie etwa bei manchen Gephyreen bestehen. Ein directer Nachweis über solche in die Echinodermen übergegangenen Gebilde ist für jetzt noch unmöglich, und man thut besser, in jenen merkwürdigen Vorgängen noch ein der Losung harrendes Problem zu sehen. Bei der Bildung des Echinodermenleibes in der Larve und theilweise aus ihr, geht der Larvendarm nicht vollständig in ersteren über. Das ent- stehende Perisom umwächst zunächst dessen Mittelstück, und nimmt bei den Seeslernen nur dieses und den Enddarm in sich auf. Bei den See- igeln scheint auch der After neu gebildet zu werden. Am vollständigsten geht die Darmanlage bei den Holothurien in den ausgebildeten Zu- stand über. Der ausgebildete Darm liegt später in einer oft weiten Leibeshöhle und ergibt in seiner Differenzirung verschiedene, im Allgemeinen an das Verhalten des Perisoms sich anschliessende Befunde. Der Mund erhält sich in der Begel in Mitte der ventralen Körperfläche. § 172. Bei den Seesternen besitzt die Mundöffnung eine radiäre Gestalt, in- dem interradiale Vorsprünge gegen sie einragen: harte, vom Perisom ge- bildete Papillen und Stacheln, die als Kauwerkzeuge fungiren. Sie ^-'nW^m. TffifSW Fig. 107. Durchschnitt durch Arm und Scheibe von Solaster endeca. Einerseits radial, anderer- seits interradial dargestellt, o Mund, i Magenhöhle, c radialer Blinddarm, g Genitaldrüse, m Madre- porenplatte. s Steincanal mit dem sogenannten Herzen, p Ambulacralfüssehen. Nach G. 0. Sars. sind besonders bei denOphiuren, meist in mehreren übereinander liegen- den Reihen ausgebildet (Fig. 102 d) . Das Hautskelet liefert also hier die Organe zur Zerkleinerung der Nahrung. Vom Munde beginnt eine kurze weite Speiseröhre , die sich in einen die Mitte des Körpers einnehmenden Darmcanal. 227 weiten Mitteldarm (Magen) fortsetzt. Ein blind geschlossener Sack bleibt der Magen bei den Ophiuren und manchen Ästenden (Astropecten, Lui- dia) , auch bei Brisinga. Doch zeigt er bei Allen gen oder Ausbucht un- blindsackartise An- die in der Regel ung Fig. 108. Asterisc us verruculatus, von der Dorsalfläehe geöffnet. a After, i RosettentV.rmig erweiterter Darm (Magen), h Schlauchförmige Kadial- anhänge des Darms, g Genitaldrüsen. hänge, die bei den Ophiuren durch radiäre Einschnürungen angedeutet sind. Die Masen- blindsäcke der Seesterne er- strecken sich jenseits des Magens entspringend paarweise in die Arme, als dünnwandige dicht mit seillichen Anhängen besetzte Schläuche (Fig. 107. c. 108./?,, vorderEinmünd- in den Magen paarweise zu einem Canale vereinigt sind. Diese Strecke repräsentirt einen unpaaren Abschnitt des jedem Antimer (Arm) des Seesternes zukommenden Darmantheiles, von dem die Blindschläuche den paarigen Abschnitt vorstellen. Getrennt entspringen diese vom Magen bei Astropecten aurantiacus. Der jedem Arm zukommende unpaare Abschnitt ist also hier verschwunden , und damit auch die Beziehung zu einem primitiven Zustande. Bei der Mehr- zahl der Ästenden setzt sich aus dem Magen der kurze Enddarm zum After fort, der auf der Dorsalfläche sich findet. Eine Modificalion besitzt das Darmrohr der Crinoiden (Comatulaj, welches eine Spiraltour beschreibt und mit seinem engeren kurzen End- stücke in die in der Nähe des Mundes interradial gelagerte, röhrenförmig vorragende Afteröffnung übergeht. Dieses durch die Windung scheinbar sehr abweichende Verhalten wiederholt das bei jungen Seesternen gege- bene. Die Winduns des Darmrohrs ist hier zum bleibenden Zustande ausgebildet, während bei den Ästenden sie nur während der Entwicke- lung des Echinoderms vorübergehend bestand. Badiär verlaufende Fasern befestigen den Darm an die Körperwand. Eine besondere Verbindung mit derselben Körperwand besitzen die ra- dialen Blinddärme der Seesterne durch eine längs jedes derselben sich hinziehende Peritonealfalte. §173. Bei den Echinoiden ist die Mundöffnung gleichfalls mit Kauwerk- zeugen ausgestattet. die aber entfernter von der Oberfläche in die Lei- Sie stellen dort einen bei Clypeastriden aus fünf Paar dreieckigen Kalkstücken gebildeten , bei den Echinothuriden, 15* beshöhle eingelagert sind 228 H- 4. Echinodermen. Cidariden und Echiniden viel complicirteren Apparat vor. Fünf gegen einander gerichtete Stücke tragen eine zahnartige Spitze und sind mit andern Stücken zu einem als »Laterne des Aristoteles« bezeichneten Com- plexe vereinigt, welchen der Oesophagus durchsetzt. Das Darmrohr be- schreibt immer mehrere Windungen. Der engere Munddarm geht in einen weiteren den längsten Darmtheil vorstellenden Abschnitt über. Er besitzt bald wenig deutliche Ausbuchtungen (Echiniden), bald wirkliche Blind- säcke (Clypeastriden) , welche in die von den Stützpfeilern der Kalkschale abgegrenzten Leibeshohlräume einragen (Laganum). Längs des ganzen gewundenen Darmes verlaufen bei den Seeigeln »Mesenterialfasern« zur Leibeswand. Das Darmrohr der Holothurien , den Körper an Länge übertreffend, bildet eine Doppelschlinge, während es bei den Synapten (mit Aus- nahme der Chirodoten) sich mit vielen Ausbuchtungen gerade durch die Leibeshöhle erstreckt. Als eine besondere Differenzirung ist ein auf den Oesophagus folgender muskulöser Darmabschnitt zu beachten, der als Muskelmagen zu fungiren scheint Synapten) . Angedeutet ist dieses Ver- halten auch bei den Seesternen, insofern deren Oesophagus eine stär- kere Muskelwand als der übrige Darm besitzt. Dem Magen der Seesterne entspräche somit bei den Holothurien der hinter dem muskulösen Ab- schnitte gelegene Darm. Das Darmende geht bei den Holothurien in eine Erweiterung über, die, obwohl als Cloake bezeichnet, doch nur dem Enddarme der Ästenden entspricht, und zwei oder mehrere baumartig verzweigte Organe aufnimmt. Eine siebförmig durchbrochene Lamelle befestigt den Darm an die Leibeswand. Einfacher ist dieses Mesenterium bei den Synapten mit ge- radem Darmcanale, während es sich bei Chirodota nach den Strecken der Darmschlinge in drei, je einem interradialen Abschnitt der Leibesvvand zukommende Theile gesondert hat. Aiihangsorgaiie des Darmcanals. § 174. Als vom primitiven Darm gesonderte Gebilde könnten die schon oben aufgeführten radialen Blindschläuche der Seesterne gelten, wenn dieselben nicht in phylogenetischer Hinsicht anders zu beurtheilen wären. Ich rechne daher bei den Seesternen nur andere, in ter radiale Blindschläuche hieher, die in sehr verschiedener Ausbildung vorkommen. Bei den after- losen Seesternen fehlen sie, oder sind auf 2 reducirt (Astropeeten), dage- gen sind sie bei den anderen oft sehr ansehnlich ausgebildet. Archaster zeigt fünf gegen das Ende zu sogar gelheilte Blindsäcke, und bei Gulcita ist dieTheilung noch weiter vorgeschritten, so dass jeder Ast einen traubig gelappten Schlauch vorstellt. Dadurch erscheinen diese Anhänge in der Gestalt von Drüsen, und gewinnen einen Zusammenhang mit einer bei Holothuriden verbreiteten Einrichtung. Anhangsorgane des Darmcanals. 229 Diese wird mit dem als »Cloake« bezeichneten Endabschnitte des Darmcanals in Verbindung getroffen , und besteht in der Regel aus zwei auf einer kurzen Strecke verzweigten Hauptstammen, die sich durch die ganze Länge der Leibeshöhle nach vorn erstrecken (Fig. 109.r) und mit zahlreichen ramifi- cirten Blindschlauchen be- setzt sind. Wenn auch die Function dieser früher als »Lungen« bezeichneten und als innere Athemoreane gedeuteten Organe von der der inlerradialen Blind- schlauche des Seesterndar- mes verschieden ist, so kommen sie doch wohl morphologisch dieseu gleich und erscheinen als eine Weilerentwickelung der bei den Asterien meist einfache- ren Schläuche. Die Function dieser Or- gane ist keineswegs sicher gestellt. Ihrer Auffassung stellt sich die Thatsache entgegen , dass nur eines derselben Zusammenhang mit dem Blulsjefässnetz er- kennen liess, indess das Fig. 109. Darmcanal und baumförmige Organe einer Ho- lothurie. o Mund, i Darmrohr, d Cloake. a After, c Ver- ästeiter Steincanal. p Poli'sche Blase, r r Baumförmige Organe. »■' Vereinigung derselben an der Einmündestelle in die Cloake. m Längsmuskulatur des Korpers. andere nur an die Körperwand befestigt in die Leibeshöhle ragt. Immer- hin jedoch ist die Thatsache, dass von diesen Organen Wasser aufge- nommen und vorzüglich unter Beihülfe der stark muskulösen Wand des Enddarms wieder ausgestossen wird, von Wichtigkeit. Bei einigen Apodia (Molpadia borealis) sind diese Organe nur streckenweise mit verästelten Blindschläuchen besetzt, während bei anderen wieder eine Vermehrung vorkommt. So ist bei M. chilensis nicht nur einer der Bäume getheilt, sondern der Enddarm trägt auch noch eine Anzahl kleinerer Bäumchen. Fünffach getheilt ist das Organ bei einigen Lisarmaliden. Einfacher erscheinen sie bei Echinocucumis (E.typicus), wo sie lange, dünne, nurmiteinem kurzen Aste versehene Schläuche vorstellen. Den Synapten fehlen die baumartigen Organe der Holothurien , da- gegen findet sich eine bis jetzt nur sehr unvollständig erkannte Einrich- tung in Canälen , welche längs der Mesenterialinsertion vorhanden sind, 230 II- '*• Echinodermen. und mit trichterförmigen , bewimperten Mündungen in die Leiheshöhle sich öffnen Chirodata pellucida). Ausser den baumartigen Organen kommen dem Enddarme mancher Holothurien uoch drüsenähnliche Gebilde, die Guvier'schen Organe, zu. Sie erscheinen bald als blinddarm förmige, unverzweigte Röhren, die ein- zeln oder in reichen Büscheln inserirt sind (Bohadschia u. a.), bald als acinöse Bildungen (Molpadiä), endlich fadenförmige Canäle, die wirlel- artig mit gelappten Drüsenbüscheln besetzt sind Pentacta und Muelleria) . Ihr Secret scheint eine, feine klebrige Fäden bildende Substanz zu sein. die vielleicht zur Vertheidigung dient. Leibeshöhle. Die Entstehung des Cöloms durch eine von der ersten Darmanlage her erfolu;ende Abschnürung eines blasenförmigen Gebildes i'S. 225 Uisst diesen Raum von anderer Bedeutung erscheinen, als bei den übrigen Ah- theilungen, in denen bei der Cölombildung eine Darmanlage nicht be- theiligt ist. Die Tragweite jener Thatsache ist bis jetzt noch nicht zu über- blicken. Es darf aber wohl daran gedacht werden, dass das auf gleiche Weise entstehende Wassergefässsystem mit dem Gölom einen ursprüng- lich zusammengehörigen Apparat bildete, der mit dem Enddarme in Ver- bindung stand. Die beiden vom Darme abgeschnürten Cölomschläuche gewinnen all- mählich an Umfang und lassen, theils an den Darm, theils an die Körper- wand sich anlegend, den mehr oder minder geräumigen Leibeshohlraum hervorgehen. Die von dem Perisom zum Darm verlaufenden Mesenterial- fäden oder Bänder sind auf Reste der Wandung jener primitiven Gebilde zurückzuführen. Mit der Ausprägung des radiären Echinodermenkörpers ist dasCölom nach den Badien verlheilt. So erstreckt es sich bei den Ästenden und bei Brisinga durch die Arme. Aehnlich auch bei den CrinoTden, aber hier in Gestalt engerer Canäle. Solcher sind an jedem Arme drei unterscheid- bar, die wieder mit besonderen Abschnitten desKelch-CöIoms zusammen- hängen. Letzteres ist nämlich durch Bindegewebszüge, die hie und da membranarlige Strecken darstellen, in mehrfache Abschnitte gesondert, die an bestimmten Stellen unter sich communiciren, an anderen in jene Canäle übergehen. Einheitlicher wird die Leibeshöhle mit der grösseren Concentrirung des Organismus bei Echinoiden und Holothurien. Bei er- steren erinnern jedoch die Mesenterialfäden, oder noch mehr die verkal- kenden Pfeiler und Säulen, welche die Leibeshöhle der Clypeastriden durchsetzen, an Scheidungen in einzelne Abschnitte, wie denn auch bei den Holothurien manche solcher Räume des Cöloms gesondert sind. Ein Wimperbesatz ist an parietalen wie an visceralen Strecken des Cöloms bei Ästenden und Echiniden , aber auch bei Holothurien nachgewiesen. Leibeshöhle. Gefässsystem. 231 Als Inhalt der Leibeshöhle erscheint eine mit dem Blute übereinstimmende Flüssigkeit, so dass wir hier einen Abschnitt der Blutbahn zu suchen haben. Auch Communicationen nach aussen sind in einzelnen Fallen sicher erkannt (Crinoiden) , ebenso wie mit dem Wassergefässsysteme (Crinoiden, Holothurien). Die ersterwähnten Communicationen bestehen in zahlreichen das ventrale Perisom an den Interradien durchsetzenden Canälchen, die mit den sogenannten Kelchporen ausmünden. Gefässsyste m. Blutgefässe. § 176. Die ernährende Flüssigkeit besteht bei den Echinodermen aus einem klaren oder leicht opalisirenden , seltener getrübten oder auch gefärbten Fluidum, welches höchst wahrscheinlich mit von aussen eingeführtem Wasser vermischt ist. In dieser Flüssigkeit enthaltene Formelemente sind einfache Zellen. Als Blutbahn dient erstlich ein besonderes Ganalsystem , dann aber auch das Cölom,. welches wahrscheinlich mit einem dritten Hohlraum- system, dem Systeme der sogenannten Wassergefässe, in Zusammenhang steht. Der noch wenig sichergestellte Befund dieser Gefässsysteme, na- mentlich in Bezug auf deren wechselseitige Beziehungen und Zusammen- hänge, gestattet noch keine übersichtliche, alle Abtheilungen verknüpfende Darstellung, wenn auch die neuere Zeit anerkennenswerthe Fortschritte in der Kenntniss dieses Theiles der Echinodermen-Anatomie aufzuweisen hat. Dass aber ein Zusammenhang in der That besteht, dürfte aus der Gleichartigkeit der Constructionen jener Canäle und Räume hervorgehen. Als eine allgemeine Einrichtung kann wohl der Anschluss der Blut- gefässbahn an die Nervenbahn gelten. Den radialen Nervenstämmen folgt ein Blutgefässstamm und setzt sich in einen den Mund umgebenden Ring- canal fort. Der radiale Gefässstamm entspricht dem Bauchgefässe der Würmer, welches eine ähnliche Beziehung zum Bauchmarke aufweist. Bei den Ästenden führten ältere Ansaben einen vom Mund ring neben dem Steincanal s. u.) emporsteigenden Schlauch als Herz auf, welchem Organe indess diese Bedeutung nicht gelassen werden kann. Dasselbe gilt für ein gleiches den Echinoiden zukommendes Gebilde. Wir werden also für jetzt noch von einem Herzen als Gentralapparat des Blutgefäss- systems abzusehen haben. Einen zweiten Abschnitt des Blutgefässsystems bilden die Darmgefässe. Die radialen Blutgefässstämme halten die Nerven bei den Echinoiden umschlossen, bei Crinoiden und Holothurien liegen sie nach innen vom Nerveustamme, womit auch Seesterne und Ophiuren übereinstimmen. Das den Mund umziehende Rinsaefäss ist bei Ästenden und Crinoiden in demselben Verhalten zur Nervenbahn, unter den Echinoiden bei den Spatangen, wo es zu einem weiten Sinus sich gestaltet, indess bei Echinus 232 U- '*• Echinodermen. ein Blutgefässring weiter vom Munde, über dem Kauapparat den Schlund umziehend, beschrieben wird. Es ist wahrscheinlich, dass diese Entfer- nung vom Nervenring durch die Entfaltung des Kauapparates entstand. Die Hololhurien besitzen den adoralen Blutgefässring mit dem Nervenring verbunden, aber nach innen von ihm, dem Munde zugekehrt. Er kann auch in ein Geflechte aufgelöst sein. Bezüglich eines bei Asteriden und Echiniden bestehenden aboralen Gefässringes, so scheint diesem schon durch seine Beschränkung auf einige Abtheilungen ein geringerer mor- phologischer Werth zuzukommen. Ausser Gefässen aus dem Perisom tre- ten in ihn Gefässe ein, welche die Geschlechtsdrüsen umspinnen, und daselbst weite, sinusartige Baume bilden. Auch bei Comatula setzt sieh ein Gefäss als Hülle um die Genitalstränge in Arme und Pinnulae fort. Den Gefässen des Darmcanals kommt bei Asteroiden und Crinolden keine Selbständigkeit zu. Bei Comatula bilden sie ein weitmaschiges Netzwerk im Cölom . welches mit dem oralen Gefässringe in Zusammenhang steht. Aus diesem Netze erstreckt sich ein Gefässbündel in der Axe des Kelches zum Centodorsale, ein eigenlhümliches in fünf Kammern erweitertes Or- gan bildend, dessen Bedeutung unaufgeklärt ist. Bei Echino'iden und Holothuro'iden erscheinen die Darmgefässe selb- ständiger. Ein Dorsal- und ein Ventralgefäss sind unterscheidbar, beide entsprechen in gleichen Verhältnissen sich findenden Gefässen von Wür- mern. (Vergl. S. 179.) Das dorsale Gefäss ist bei Echinus doppelt vorhan- den, indem ausser dem dicht am Darme verlaufenden noch eines entfern- ter davon liest und an ersteres wie an den Darm Zweige abgibt. Bei Spatangen ist eine Communication des ventralen Gefässes mit dem Wasser- gefässring beobachtet. Die üarmgefässstämme der Hololhurien zeigen nach der Mitte ihres Verlaufes Erweiterungen, und das dorsale Gefäss geht in eine Wundernetzbildung ein. Wasser gefässe. § 177. Bei der Darstellung der Ambulacra § 160; ist eines »Wasser- gefässsy stems« gedacht worden, welches von aussen her Wasser aufnimmt, und dasselbe den ambulacralen Gebilden zuleitet, um sie in den Zustand der Erection zu versetzen. Ausser den bei der Locomotion betheiligten Gebilden werden von diesem Canalsystem noch andere Or- gane geschwellt, die wir oben als Modificationen der Ainbulacralfüsschen deuteten. Dass dieses Canalsystem einen Theil der blutführenden Bahn aus- mache, ward bereits als wahrscheinlich dargestellt. An mehreren Stellen sind Communicationen erwiesen. Auch in dem Leibes-Cölom bestehen in einzelnen Fällen sicher beobachtete Mündungen. Inwieweit jedoch diese Bahnen vielleicht aus mehreren Apparaten sich bildeten , bedarf noch der Feststellung. Jedenfalls ist eine selbständige Betrachtung des Wasser- gefässsystems für jetzt noch erlaubt, zumal ihm durch die Entwicklung Gefässsvstem. 233 eine solche Stelle gesichert ist, und ein ihm zugehöriger bedeutsamer Theil (Steincanal etc.) als ein dem Circula tionsa pparat ursprünglich völlig fremdes Gebilde erscheint. In den Larven der Echinodermen entsteht das Wassergefässsystem durch eine Sonderung aus der ersten Darmanlage und bildet, sich davon abschnürend, einen glashellen, an seiner Innenfläche wimpernden Schlauch, der auf dem Rücken der Larve sich mit dem Integument verbindet und hier eine Ausmündung gewinnt. In diesem Zustande hat das Organ grosse Aehnlichkeit mit dem Excretionsorgane mancher Wurmlarven Sipuncu- liden) , und lässt auch von dieser Seite her die Sonderung des Wasser- gefässsystems aus einem ursprünglich excretorischen Apparate nicht unwahrscheinlich erscheinen. Mit der Anlage des Echinoderms (Fig. HO. .4) wird der Schlauch allmählich vom Perisom umwachsen, und ändert dann seine Form, indem er in eine fünfstrahlige Rosette (i) sich um- formt. Durch allmähliche Lagerungsver- änderungen kommt dieser, immer noch mit dem Rückenporus nach aussen mündende Abschnitt auf die ventrale Fläche des Echi- noderms zu liegen, und nun entwickelt sich jedes Blatt der Rosette in einen gestreckten, mit seitlichen Ausstülpungen besetzten Ga- tt al, der einem Fiederblatte gleicht und die Anlage des auf ein Ambulacrum treffenden Wassergefäss- Abschnittes vorstellt. Bei den Holothurien bildet die gleiche rosetten- förmige Anlage die Mundtentakel, deren Beziehung zum Ambulacralsystem dadurch unzweifelhaft wird (§ 162). Die ferneren wichtigen Vorgänge betreffen den centralen Theil der Rosette, an welchem die Canäle der fünf Blätter zusammenmünden. Dieser wandelt sich in einen Ringcanal um . der auch ferner als Centrallheil des Apparates fortbesteht, indess die in den Blättern der Rosette angelegten Canäle radiär auswach- sen , und sich unter Vermehrung ihrer Seitenäste über die gleichfalls grösser wer- denden Ambulacren erstrecken. Von diesen während der Entwickelung des Echinodermenkörpers sich bildenden Einrichtungen lassen sich die Zustände des Erwachsenen unmittelbar ableiten. Aus dem primitiven Schlauche hat sich ein ver- zweigter Gefässapparat (Fig. 161) entwickelt, dessen Enden mit den Saugfüsschen (p) und anderen ähnlichen Fortsätzen in directer Verbin- dung stehen. Die radialen Hauptstämme dieses Systems communiciren Fig. HO. Asterienlarve (Bipin- naria) mit knospendem Ecliino- derm. e e' d' g g' Fortsätze des Kör- pers, b Mund, o After der Larve. A Anlage des Echinoderms. h Wim- pernder Schlauch. • Ambulacral- rosette (Anlage der Wassergefässe). (Nach J. Müller.) 234 14. 4. Echinodermen. mit einander durch den Riugcanal (c), und dieser selbst wieder steht mit dem umsehenden Medium in Verbindung. Eine Verbindung des den Mund umgebenden Wassergefässringes mit einem Darmgefässe ist oben für Spatangus erwähnt worden , so dass bei der Gleichartigkeit des Inhaltes von beiderlei Canalsystetnen nicht blos deren Communicationen, sondern auch deren Zusammense- hörigkeit sehr wahrscheinlich ist. Anders verhält es sich mit der Verbindung nach aussen, die auf verschiedene Weise zu Stande kommt. Bei Differenzirung des Echinoderms in der Larve bleibt jener Theil der Anlage des Wassersefässsvstems, der vom Echinodermenkörper aufgenom- men wird, an einer Stelle mit dem Perisom in Verbindung und dort ent- wickelt sich eine poröse Kalkplatte — die Madreporenplatte [m , welche mit dem Lumen des verbin- denden Canalabschnittes in Commu- nication steht. Der von der Madre- porenplatte zum Ringcanale führende Gang [m'), gleichfalls ein Stück des primitiven Wassergefässsystems, be- sitzt in seinen, ein complicirles Hohl- raumsyslem bildenden Wandungen in der Regel kalkige Einlagerungen und wird demgemäss als Stein- canal bezeichnet. Durch die siebförmig durchbrochene Madreporenplatte wird Wasser in den Steineanal , von da in das Ringgefäss eingeführt. Auch mit der Leibeshöhle werden von da aus Verbindungen angegeben. Der dem Steincanal entsprechende Abschnitt verbindet sich nicht in allen Fällen mit dem Perisom. Bei den Holothurien löst sich die Verbin- dung nahe am Rückenporus der Larve; letzlerer schwindet, und der Steincanal hängt frei in die Leibeshöhle, und nimmt von hier aus, durch einen sehr complicirten porösen Endapparat, Wasser auf. Diesen Grundzügen der Einrichtung des Wassergefässsystems müssen noch Complicationen beigefügt werden, die durch contractile Ausstülpun- gen der Wassercanäle gegen die Leibeshöhle zu entstehen. Diese sind mehrfacher Art, und zwar grössere birnförmige Blasen [ap] am Bingcanale (Poli'sche Blasen , dann an dem Uebergange der Ambulacralcanäle in die Saugfüsschen kleine, immer in die Leibeshöhle ragende Ampullen (o), die als Erweiterungen oder Ausstülpungen der Ambulacralcanaläste ge- nommen werden können. Sie besitzen einen cavernösen Bau. Beiderlei Fig. lll. Schematische Darstellung des Was- sergefässsystems eines Seesternes, c Eing- canal. ap Poli'sche Blasen, m Madreporen- platte. m' Steincanal. r Radiär angeordnete Hanptstämme (Ambulacralcanäle). >•' Seitliche Verzweigungen, p Saugfüsschen. a Ampullen derselben. IDie Ambulacralcanäle mit ihren An- hängen sind nur zum Theil gezeichnet.) Wassergefässsystem. 235 Gebilde dienen als Behälter für das in den Canälen strömeude Fluidum, und sind aus Anpassung an die Function dieses Gefässsystems ableitbar, derart, dass bei einer Einziehung der Saugfüsschen immer deren Ampullen sich füllen , sowie bei einer Ausstreckung derselben zunächst der Inhalt der Ampullen sie schwellt. Was die Ampullen für die einzelnen Saug- füsschen sind, leisten die Poli'schen Blasen des Ringcanals für das ge- sammte Canalsystem, so dass hierdurch eine viel rascher erfolgende Action der Ambulacralgebilde , sei es Schwellung oder Retraction , möglich ist, als wenn das zur Erection jedes einzelnen Füsschens nothwendige Flüssig- keitsquantum bei jeder Ausdehnung erst von aussen her durch den Stein- canal oder die Madreporenplatte eingenommen werden müsste. — Diese Thätigkeit der Ampullen der Saugfüsschen und der Poli'schen Blasen des Ringcanals besorgt die Contractilität ihrer Wandungen, in denen eine Mus- kelschicht nachgewiesen ist. Auch Muskelfasern, welche dfe Canäle hin und wieder durchziehen, können die Vertheilung der Flüssigkeit reguliren. Ausserdem sorgt ein im Wassergefässsystem verbreitetes Flimmerepithel für die Vertheilung und den steten Wechsel des Wassers, und dient damit gewiss auch der respiratorischen Function. § 178. Das vorhin im Allgemeinen Auseinandergesetzte hat am vollständig- KJ 1s C sten seine Geltung für die Seesterne. Bei diesen inserirt sich der Stein- canal immer an einer Madreporenplatte, die in der Regel auf der Dorsal- seite in einem Interradius des Körpers liegt. Auch eine Mehrzahl von Madreporenplatten 2 — 5) sowie eine dem entsprechende Vermehrung des Steincanals, kommt in einzelnen Fällen vor, doch wechselt dies Ver- hältniss selbst bei den Arten einzelner Gattungen. Es wird als das ursprünglichere anzusehen sein; deshalb wäre es wichtig, auch für r ^ diese Befunde die ersten Anlagen zu ^l^^^iVi^fflliiK^~iiii kennen. — Der Steincanal verläuft immer in der Nähe des herzartisen Schlauches. Die Kalkablacerun°en IfattiF bilden an ihm ein feines Netzwerk, ,f und sind von denen des Perisoms nicht verschieden. Sie sind rine- weise augeordnet, im Innern treten Länssleisten vor von denen ver- Fig' l12" Querschnitt clur,'h den steincanal T t .' ,, , ~ von Astropecten aurantiacus. Nach zweigte oder eingerollte, ebenfalls r. teuscher. verkalkte Lamellen entspringen. Zwischen diesen ziehen sich die Hohlräume hin , welche an den feinen Oeffnungen der Madreporenplatte beginnen. Die Ambulacralcanäle ,'Fig. 100. A. a) laufen über dem Skelete der Arme in die Ambulacralfurche eingesenkt, und senden hier ihre Aeste an die zwischen den seitlichen Fortsätzen der Gliedstücke des Ambulacralskelets entspringenden Füss- 236 II. 4. Echinodermen. chen , während die Ampullen der letzteren durch die Spalten zwischen den Gliedslücken hindurchdringen und so ins Innere des Armes zu lieeen kommen (ap . An der Verbindung der Ampullen mit den Ambulacral- füsschen liegen Klappvenlile, welche bei Gontraclion der Ampullen sich schliessen (Asteracanthion rubens) . Die Anzahl der Poli'schen Blasen variirt, zuweilen sind sie vermehrt, bilden traubige Büschel (Astropecten aurantiacusi oder fehlen gänzlich. Bei den Ophiuren inserirt sich der Steincanal an einem der den Mund umgebenden Platlenstücke , welches jedoch nicht als Madreporenplatte gebaut ist, so dass der Steincanal nur Fluidum aus der Leibeshöhle auf- nimmt. Am Bingcanale erweitert sich der Steincanal ampullenartig, und fügt sich einem interradialen Abschnitt ein. Poli'sche Blasen sind nicht constant vorhanden. Den Saugfüsschen fehlen die Ampullen. Bei den' Crino'iden verläuft der ambulacrale Wassergefässstamm un- terhalb des radialen Blutgefässes und verzweigt sich in die Tentakel der Arme wie der Pinnulae (Fig. 115 iv). Ein oraler Bingcanal vereinigt die radialen Stämme, und schickt kurze Canälchen mit offenen Mündunsen in die Leibeshöhle ab. Sie vertreten den fehlenden Steincanal. Da auch Am- pullen und Poli'sche Blasen fehlen, erscheint das Wassergefässsystem auf einer niederen Stufe als bei den anderen Abtheiluimen. Im Anschlüsse an die Seesterne stehen die EchinoTden. Die Madre- porenplatte liegt immer am aboralen Pole; entweder ist eine der Genital- platten (Fig. 92 m), oder deren mehrere, oder es ist auch noch eine Inter- genitalplalte zur Madreporenplatte umgewandelt , oder diese stellt eine besondere Platte vor (Clypeaslriden "... Der Steincanal erscheint bald weich (Echinus), bald mit festen Wandungen versehen Gidaris). Der mit fünf Poli'schen Blasen (sie fehlen den Spatangen) versehene Binpcanal liegt bei den Seeigeln an der Basis des Kauapparates und sendet die Ambulacral- canäle abwärts, von wo sie dann an die Ambulacren ausstrahlen. An der Innenseite der Schale; einem jeden Ambulacralfelde entlang verlaufend, verlheilen sich dieAeste der Ambulacralcanäle an die Poren der Kalkplatten und versorgen, querliegende ampullenartige Erweiterungen (Fig. 116 a bildend, die hier entspringenden Saugfüsschen oder deren Aequivalente. Durch die Loslösung des später als Steincanal fungirenden Verbin- dungsstückes vom Perisom der ins Echinoderm übergehenden Larve, wird bei den Holothuio'iden ein von den übrigen Echinodermen abweichendes Verhalten erreicht. Die Wände des frei in die Leibeshöhle hängenden Steincanals sind bald weniger, bald mehr verkalkt und bilden im letzten Falle eine starre Kapsel. Gewöhnlich zeichnen die Verkalkungen die po- rösen Stellen des Canals aus, und wiederholen so die Bilduns einer Madre- porenplatte im Innern des Körpers. Bei Verästelungen des Steincanals tragen die Enden jedes Astes jene porösen Stücke, und so entstehen durch Vervielfältigung traubenförmige Gebilde, die einer Summe um den Steincanal gruppirter Madreporenplatten nur functiouell gleichwerthig sind. Wie die Einrichtunü der einzelnen Steincanäle verschieden ist, so Wassersefässsvstem. 237 wechselt auch ihre Zahl. Häufig ist nur einer vorhanden, in anderen Fällen, vorzüglich bei Synapten, kommen deren zahlreiche vor, die am Umfange des Ringcanals ver- theiltsind. Ebenso wechselt die Zahl der hier nicht feh- lenden Poli'schen Blasen (Fig. 1 1 3 . p) , deren Holothuria und Molpadia eine, Synapta Be- selii gegen 50 , Cladolahes gegen 100 besitzt. Die vom Ringeana 1 (C) abgehenden Canäle verlau- fen innerhalb des Kalkringes (R) nach vorne , und treten sich verzweigend zu den Mundtentakeln [T)'} wo mit jedem eine den Ampullen der Saugfüsschen entspre- chende blindsackartise Ver- längerung in Verbindung steht. Diese ist ansehnlich bei den Holothurien , und liegt nach aussen vom Kalk- ring , nur wenig entwickelt ist sie bei den Synapten. Die radialen, zu den Ambu- lacren verlaufenden Stämme lesen sich bei Holothuria in die Längsmuskelbündel, die dadurch in zwei Hälften ge- Fig. 113. Längendurchschnitt des vordem Kürpertheils der Synapta digitata. RR' Kalkring. r Davon ausgehende Muskeln zum Schlünde, o Muiidöffnung. D Darmrohr. C Ringeanal, t Canäle zu den Tentakeln T. /* Poli'sche Blase. h Nervenring, n! Eadialnervenstamm, den Kalkring R' durch- setzend, m Längsmuskelhänder. 6 Ausführgänge der Ge- schlechtsorgane. (Nach BaüR.) theilt werden. Bei Cucumaria sind sie nach aussen von diesen Muskeln angebracht. Die Vertheiiuns der Zweite dieser Gefässe aeschieht wie sonst zu den Füssehen. DieRückl)ildung der letzteren ist von einem Schwinden der zuführenden Gefässzweige begleitet, während die Hauptstämme auch bei den Apodia sich zu erhalten scheinen, da sie bei Synapta, wenn auch an Umfang geschmälert, beobachtet worden sind. Excretioiisorgane. § 179. Die unter den Ringelwürmern verbreiteten Einrichtungen (Schleifen- canäle) kommen bei den Echinodermen nicht mehr vor, dagegen bestehen einige Andeutungen, dass jene Organe, oder doch dem Typus derselben angehörige, unter den Echinodermen nicht völlig fremd sind. Bei Holo- thuroiden sind nämlich zwei an der Leibeswand verlaufende Canäle be- 23S "• *• Echinodermen. obachlet, welche mit trichterförmigen in die Leibeshöhle sich öffnenden Organen besetzt sind (Chirodata pellucida). Auch bei Synaplen bestehen Organe, welche den inneren Schleifencanalmündungen der Würmer ent- sprechen, aber nicht mit Canälen in Zusammenhang stehen. Endlich sind auch in den Crino'iden Wimperorgane in dem einer Fortsetzung der Lei- beshöhle entsprechenden Dorsalcanale der Arme erkannt. Ob alle diese Gebilde zusammengehören, kann nicht sicher bestimmt werden, aber die erst aufgeführten machen es wahrscheinlich, dass hier Beziehungen zu einem Excretionsapparat vorliegen. Inwiefern ein solcher dem Wasser- gefässsystem zu Grunde liegt, ist bis jetzt nur zu vermuthen. Jedenfalls bietet die Anordnung desselben im Körper keinen Grund, Forschungen in dieser Richtung für resultatlos zu halten, denn die Gestaltung als ein im Körper reich verzweigtes Canalsvstem bietet uns auch das Excretionsorgan mancher Mollusken Nudibranchialen; , und die Communication des Wasser- gefässsystems nach aussen wie mit dem Blutgefässsyslem (resp. der Lei- beshöhle kann eben kaum anders als auf eiuen excretorischen Apparat gedeutet werden. Geschlechtsorgane. § 180. Die bei den Würmern verbreitete ungeschlechtliche Vermehrung ist bei den Echinodermen zurückgetreten , nachdem der Thierstamm selbst das Product einer Sprossung vorstellt. Eine Andeutung dieser Zeugungs- form hat sich noch bei den Ästenden in der Regeneration verloren aegan- «J O TD gener Antimeren (Arme) fort erhalten. Fast alle Echinodermen — nur einige sind ausgenommen — sind getrennten Geschlechtes und zeigen in der Anordnung der Organe eine Uebereinstimmung mit der radiären Körperform. Männliche und weibliche Organe zeigen dieselben einfacheren Formverhältnisse, und sind nur zur Zeit der Reife der Geschlechtsproducte leicht unterscheidbar, indem die Ovarien meist durch lebhaftere Färbung der Eier, gelb oder rolh. vor den fast immer weiss erscheinenden Hodenschläuchen ausgezeichnet sind. Die Formelemente des Sperma sind ziemlich übereinstimmend fadenförmige mit einem Köpfchen versehene Gebilde. Der Bau der Apparate ist einfach, Complicationen der Ausführwege fehlen, und ebenso Begattungsorgane, so dass das umgebende Wasser bei der Befruchtung die Vermittelungs- rolle spielt. Im Ganzen besteht eine grosse Uebereinstimmung mit den bei WTürmern vorhandenen Bildungen. In Zahl, Anordnung, wie auch im specielleren Verhalten der Organe bieten sich die niedersten Zustände bei den Asteroiden dar. Hoden oder Eierstöcke erscheinen als röhrenförmige oder gelappte Drüsenschläuche, welche bei einigen in zwei Beihen angeordnet eiue der Metamerie der Arme angemessene Vertheilung zeigen (Ophidiaster, Archaster . Bei an- deren treffen auf jeden Arm nur zwei Gruppen, die sich aber längs der ganzen Armcavilät ausdehnen können ^auch Brisinga schliesst sich hier Geschlechtsorgane. 239 beschränkt (Fig. Die Vergleichung dieser Verhältnisse lehrt also eine allmähliche Fig. 114. Geschlechtsorgane einer 0 phi- ure (Ophioderma longicauda ). Rüeken- integument und Verdauungsorgane sind entfernt, r Arme, g Ovarialtrauhen. an: , endlich erscheinen sie auf den Iuterradialraum 108. g) Reduction der Anzahl der Keimdrüsen ken- nen , die der bereits bei den Seesternen stattfindenden allmählichen Centralisalion des Organismus entspricht. Bei den after- losen Seesternen entbehren die Schläuche der Ausführöffnungen, und die Zeugungs- stoffe werden in die Körperhöhle entleert. Auf welchem Wege sie nach aussen gelan- gen, ist noch unermittelt. Bei anderen Seesternen münden die Keimdrüsen auf besonderen , durch feine Oeffnungen aus- gezeichneten Platten (Siebplatten in den Interradien des Bückens nach aussen, oder sie zeigen einen einfachen Ausführgang mit einer spallförmigen Oeffnung (Pteraster) . Jedes Orsjan wird von einem Blutgefäss- sinus umschlossen, welcher die einzelnen Lappen und Läppchen einhüllt. Dahin gerathen auch die Zeugungssloffe. die also nicht direct entleert werden. Die Anordnung und der Bau der Geschlechts- organe der Ophiuren ist jenen der Seesterne ähnlich. Hermaphroditische Zustände sollen ver- einzelt vorkommen (Ophiura squamata . Die Ge- schlechtsdrüsen (Fig. I 14. g), zu zweien in jedem Interradialraum, sind auf die Körperscheibe be- schränkt, und scheinen ihre Producte in die Lei- beshöhle zu entleeren, von wo sie wohl durch die an den Interradien der Bauchflä'che befindlichen spaltartigen Oeffnungen (vergl. Fig. 102. g) nach aussen gelangen. Bei den lebendig gebärenden Ophiuren gibt sich in der Grösse dieser Spalten ein Anpassungszustand kund. Ein strangförmi- ges, auf jeden Arme vertheiltes und nach den Pinnulae sich verzweigendes Gebilde repräsen- tirt die Geschlechtsorgane bei Gomatula. Dieser Genitalstrang wird wie die verzweigten Schläuche der Seesterne von der Blutbahn umschlossen. Er bleibt in den Armen steril, und entfaltet innerhalb der Pinnulae seine Producte, die von seiner Wand entstehen. Die Entleerung des Sperma findet durch vorgebildete Oeffnungen statt. Fig. 115. Querschnitt durch die Pinnula einer geschlechtsreifen Coinatula ( Antedon Eschrichti). Dorsalfläche aufwärts , Ventral- fläche abwärts gekehrt. ;) Ten- takel, g Lumen des Genitalstran- ges, ic Wassergefäss , nach den Seiten in die Tentakel verzweigt. n Nervenstrang, b Blutgefäss, letzterem aufgelagert, cg C'anal um den Genitalstrang, cd Dor- saler, cv ventraler Canal. Alle drei mit dem Cölom des Kelches communicirend. Nach H. Ludwig. 240 II. 4. Echinodermen. Geschlechtsorgane. Fig. 116. Geschlechtsorgane eines Ec hin us. Etwas mehr als die ventrale Hälfte der Schale ist weggenommen. a Ampullen der Ambulacren. j Letztes Darmstück, g Ova- rialtrauben. § 181. Die bei Asteroiden jedem Radius paarig zukommenden Geschlechts- drüsen sind bei den Echino'iden unpaare Gebilde geworden, womit eine fernere Centralisation ausge- drückt ist. Die Beziehung zum ursprünglichen Zustande ist nur noch aus der interradialen Ver- theilung erkennbar, so dass jedes Organ aus zwei radialen entstanden gedacht werden kann. Sie stellen reich ver- ästelte, meist weit in die Lei- beshöhle auf die Interambula- cralfelder vorragende Drüsen Fig. 116. g) vor, die auf den Genitalplatten (Fig. 103. g) ausmünden. Eine der fünf für die Echiniden typischen Ge- schlechtsdrüsen verkümmert bei den Spatangen , dem ent- sprechend ist eine der Genital- platten , die zugleich Madreporenplatte war, ausschliesslich zur Madre- porenplatte umgebildet. Noch bedeutendere Reductionen bieten die Holothurien. Hoden oder Eierstock bilden Büschel reich verzweigter Röhren, die sich zu einem ge- meinsamen Ausführgange vereinigen (Fig. H3 G). Des letzteren Mündung findet sich in der Nähe des Mundes, meist zwischen den Tentakeln. Die Beziehungen zu den Radien sind also hier aufgegeben , die sonst verteil- ten Organe sind zu Einem vereinigt, und durch den Ausführgang wird die bereits bei den Seeigeln gegebene höhere Stufe festgehalten. Bei den Synapten bestehen nach dem bei den Holothurien gegebenen Typus geformte Zwitterorgane. Die einzelnen schlauchförmigen Drü- sen vereinigen sich zu einem gemeinsamen Ausführgange, der über dem Kalkringe nach aussen sich öffnet. In jedem Schlauche (bei S. digitata) entwickelt sich das Sperma auf der Innenfläche, indess die Eier darunter entstehen und bei voller Entwicklung ins Schlauchlumen vorspringende Längsstreifen vorstellen. Für beiderlei Producte dient ein gemeinsamer Ausführweg. Wenn dieser Zustand als ein niederer angesehen werden muss, aus welchem im Allgemeinen die getrennlgeschlechtlichen Verhält- nisse hervorgingen, so ergibt sich für die Synapten die interessante Er- scheinung , dass sich bei ihnen der primitive Bau mit der primitiven Function der Keimdrüse erhalten hat, indess sowohl in der Beschränkung der Zahl als in derComplication mit einem Ausführgange für denGesammt- apparat grosse Umbildungen stattfanden. Fünfter Abschnitt. Arthropoden. Allgemeine Uebersicht. §182. Der Körper der in dieser Abtheilung vereinigten Thiere besteht aus einer für die einzelnen Gruppen meist bestimmten Melamerenzahl. In der Regel sind diese ungleichartig differenzirt, was sich nicht allein in der Verschiedenheit der äusseren Gestaltung und des Volums, sondern ebenso auch im Verhalten der innern Organe äussert. Eine Anzahl von Metameren verbindet sich zu grösseren Abschnitten, in denen die Selb- ständigkeit der einzelnen aufgegeben ist. Bald bestehen noch Andeutun- gen einer solchen Zusammensetzung grosserer Körperabschnitte aus einer Summe von Metameren, bald sind auch diese verschwunden, oder doch nur in frühen Entwickelungsstadien erkennbar. Aus diesem Verhalten resultirt eine Umgliederung des Leibes. Ein anderes durchgreifendes Charakteristicum bilden bewegliche Leibesanhänge, Gliedmassen, die fast allgemein in Segmente getheilt sind. Daraus, wie aus der Metamerie des Körpers ergibt sich einige Uebereinstimmung mit den Annulaten unter den Würmern. Bei welchen Formen diese Anknüpfungen bestehen, ist unbekannt, und unsicher ist, ob die beiden Hauptgruppen der Arthropoden gemeinsamer Abstammung sind. Manche Gründe bestehen, für die Branchiaten und Tracheaten ge- sonderte Stammformen anzunehmen. Wie bei den Annulaten bildet das Nervensystem einen mit einer ventralen Ganglienketle verbundenen Schlundring, und ebenso hat das Gentralorgan der Kreislaufsorgane eine dorsale Lagerung. Bei den Würmern für jedes Segment sich wieder- holende Organe kommen bei den Arthropoden dem ganzen Körper ge- meinsam zu , und selbst bei äusserer Gleichartigkeit der Metameren zeigt häufig die innere Organisation , dass die Metamerie nicht den Gesammt- organismus so vollständig wie bei den Annulaten beherrscht. Bezüglich der Systematik der Arthropoden gebe ich folgende Ueber- sicht: Gegenbaur, Urundriss <1. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 16 242 H- 5- Arthropoden. A . Branchiata. I. Grustacea1). a) Rntomostraca. \ . Cirri pedi a. Baianus, Coronula, Lepas. R 1) izocephala. Sacculina, Pcltogaster. 2. Copepoda. Cyclops, Cyclopsina, Corycaeus, Sapphirina. S iphono Stoma 2). Caligus , Ergasilus, Dichelestium , Chondraoanthus, Achtheres, Lernaea, Lernaeoeera, Penella. 3. Ostracoda 3). Gypris, Cypridina. 4. Branchiopoda4). Cladocera. Daphnia, Sida, Polyphetnus, Evadne. Phy llopoda. Branchipus, Apus, Limnadia. 1 ">) M a 1 a c o s t r a c a 5) . 1 . Thoracostraca (Podophthalma). Schizopoda. Mysis, Euphausia, Thysanopus. C a r i d a c) . Crangon, Alpheus, Palaemon, Hippolyte, Peneus. D e c a p o d a . Macrura. Astacus, Palinurus, Galathea, Pagurus. Brachyura. Carcinus, Maja, Hyas, Dromia, Dorippe. 1) An den einzelnen Kürpersegmenten erhalten sich die Gliedmassen am voll- ständigsten, wenn auch in vielen, durch Anpassung hervorgerufenen Modifikationen. Sie fungiren entweder direct als Athmungsorgane, oder letztere sind doch mit ihnen in engster Verbindung. 2) Ein auf den verschiedensten Stufen sich zeigender Parasitismus lässt eine grosse Anzahl von Familien in diese besondere Unterabtheilung bringen, welche man den übrigen, frei lebenden Copepoden zwar gegenüberstellen kann, aber doch von ihnen wird ableiten müssen. Aehnlich verhalten sich die Rhizocephalen zu den Cirripedien. 3) In der die zweiklappige Schale vorstellenden Mantelduplicatur geben sie sich mit Entwickelungsstadien der Cirripedien verwandt. 4) Diese Abtheilung erscheint als die unmittelbarste Fortsetzung der Nauplius- form, insofern sie durch einfache Metamerenbildung aus jenem Stadium hervorgeht, und an den Gliedmassen zuweilen sogar nur sehr geringe Veränderungen erleidet. 5) Durch das bei Peneus und Euphausia vorkommende Naupliussladium mit der vorhergehenden Abtheilung verknüpft, repräsentiren sie im Ganzen eine Weiter- bildung der Crustaceen-Organisation. 6) Vermitteln die Verbindung der Schizopoden und Decapoden, welch letzteren sie auch beigezählt werden können. Allgemeine Uebersicht. 243 C umacea 1). Cuma. Stomapoda. Squilla. T a n a i d a 2) . Tanais. 2. Arthrostraca ( Hed r i op li tli a I m a ). A m p h i pod a. Gammarus, Orchestia, Hyperia, Phroiiyma. Laemodipoda. Gaprella, Cyamus. Iso pod a. Bopyrus, Cymothoa , Sphaeroma , Oniscus, Asellus, Idothea. II. Poecil opoda3). Limulus. B. P r o t r a c h e a t a 4) . Peripatus. C. Tracheata. I. Arachnida. Autarachnae 5). Arthrogastres. G a 1 eod ea. Galeodes. Scorpionea. Scorpio. 1) Entsprechen niederen Entwickekingsstadien von Decapoden, indem sie mit Schizopoden grosse Aehnlichkeit in der Körperform aufweisen. Die Augen entbehren der beweglichen Stiele, und darin ergibt sich eine Annäherung an die Arthrostraken. 2) Die Scheerenasseln repräsentiren eine theils den Thoracostraken , theils den Arthrostraken verwandte Abtheilung, welche der Urform der Malakostraken nahe geblieben zu sein scheint. 3) Stehen durch die fossilen Belinuren mit der paläontologisch sehr alten, gänzlich erloschenen Abtheilung der Trilobiten in geneologischem Zusammenhang. Viele Verhältnisse ihres Baues sowie ihrer Ontogenie gebieten, sie von den Crusta- ceen abzulösen. 4) Durch genauere Aufschlüsse über die Organisation von Peripatus erscheint dieses bisher meist den Würmern beigezählte Thier als der Repräsentant einer beson- deren, den Tracheaten zunächst zu stellenden Arthropoden-Klasse, in der ein viel niederer Zustand sich ausspricht als einer der der letzteren zugehörigen grösseren Abtheilungen. Es scheint hier eine Form erhallen zu sein, welche vom Tracheaten- Slamme noch vor seinem Auseinandergehen in einzelne Aeste sich abgelöst hat. 5) Für die echten Arachniden ergibt sich bei vielem Gemeinsamen die bedeu- tendste Verschiedenheit in dem Verhalten der Körpersegmente , und in den durch Verschmelzung einer Anzahl derselben hervorgehenden grösseren Abschnitten. Wir werden jene, in der mehrere solcher Abschnitte bestehen, die zugleich noch ihre Zusammensetzung aus Metameren erkennen lassen , als die minder veränderten, der Urform näher stehenden zu betrachten haben. — Kleine, den Arthrogastres zuzurech- nende Abtheilungen bilden die Gyphophthalmiden ( Gibocellum ), die den Qpilio- neen, und die Chernetiden, welche den Pseudoscorpioneen nahe stehen. 16* 244 H. 5. Arthropoden. Phrynida. Telyphonus, Plirynus. Pseudoscorpionea. Chelifer. 0 p i I i o n e a. Phalangium, Opilio. Aranea. Salticus, Thomisus, Argyroneta, Tegenaria, Mygale. A c a r i n a l) . Acarus, Argas, Ixodes, Gamasus, Atax, Thrombidium. Linguatulina. Pentastomum. Pse u da räch na e 2). Ta rdi gra da. Macrobiotus. Pycnogonida. Pycnogonum, Nymphon. II. Myriapoda. Cbilopoda. Scolopendra, Lithobius. Chilognatha. Polydesmus, Julus, Glonieris. III. Insecta (Hexapoda). 1 . A p t e r a 3) . C o 1 1 e m b o 1 a . Smynthurus, Podura. Thysanura. Campodea, Lepisma, Machilis. 2. Pterygota. Pseudoneuroptera. Am phibio tica. Ephemera, Chloe, Perla, Libellula, Agrion, Aeschna. Corrodentia. Psocina. Psocus, Troctes. Embida. E mbia. 1) Dass hier Rückbildungen vorliegen, scheint unzweifelhaft, und wird noch durch den für die meisten Familien bestehenden Parasitismus erläutert, der in der Familie der Linguatuliden sogar zu einer bedeutend abweichenden Gestaltung des Leibes führt. 2) In den Pseudarachnen repräsentiren beide Abtheilungen sehr divergente Formen, die eigentlich nur die Entfernung von den Autarachnen gemein haben. Von den Tardigraden sind die Beziehungen zu den Tracheaten nicht einmal sicher gestellt. 3) Die beiden, in der Abtheilung der Aptera vereinigten Gruppen stehen allen übrigen Insecten durch verschiedene Organisationsbefunde etwas fern, so dass sie keiner der einzelnen Ordnung einverleibt werden können. Wenn sie manches mit Pseudoneuropteren gemein haben , so kommt das nur durch die niedere Stellung der letzteren. — Der Mangel derFlügel wird als ein primitiver angesehen werden müssen gegenüber dem erworbenen, für den fast alle Ordnungen der Pterygoten einzelne Beispiele aufweisen. Allgemeine Liebersicht. 245 Thysanopoda. Thrips. Termitid a. Termes. Neuroptera. Planipennia. Panorpina. Panorpa, Bittacus. Sialida. Rhaphidia, Sialis. Hemerobida. Hemerobius, Myrmeleon. Trichoptera. Phryganida. Pbryganea, Limnophilus. Strepsiptera. Stylops, Xenos. Orthoptera. U lona ta. Cursoria. ßlatta, Mantis. Saltatoria. Gryllus, Gryllotalpa, Acridium, Locusta. Labidura. Forficula. Coleoptera. Carabus, Hydrophilus, Silpha, Lucanus, Melolontha, Sca- rabaeus, Tenebrio, Meloe, Chrysomela, Coccionella, Lampyris, Elater, Bostrichus, Gurculio. Hymenoptera. Formica, Bombus, Apis, Vespa, Sphex, Sirex, Tenthredo, Ichneumon, Cynips. Hemiptera. Ho mop tera. Cicadina. Tettigonia, Cercopis, Fulgora, Cicada. Phythophthires. Aphis, Chermes, Coccus. Heteroptera. Notonecta, Nepa , Hydrometra, Reduvius, Cimex, Capsus, Lygaeus, Pentatoma. Pedicul ina •). Pediculus, Phthirius. D i p t e r a . Nemocera. Tipula, Simulia, Chironomus, Gorethra, Culex. Brachycera. Oestrus, Musca,Tachina, Syrphus, Bombylius, Tabanus. P u p i p a r a 2) . Melophagus, Hippobosca. 1) Durch Parasitismus rückgebildete Formen. 2) Gleichfalls den Einfluss des Parasitismus kundgebend. 246 II- 5- Arthropoden. Aphan ip tera J). Pulex. Lepidoptera. Heterocera. Pterophorus, Tinea, Tortrix, Geometra, Psyche, Noctua, Cossus, Bombyx, Sphinx, Smerynthus, Zygaena. Rhopalocera. Hesperia, Pieris, Vanessa, Colias, Papilio. Literatur. Brauchiata. Crustaceen: Müller, 0. F., Enlomostraca. 1785. — Jurine, Histoire des Mono- cles. 1820. — Milne-Edwards, Hist. nat. des Crustaces. III. Vol. 1834—40. — Derselbe, »Crustacea« in der Cyclopaedia of anatomy. Vol. I. — Ratiike, De Bopyro et Nereide Comm. Rigae et Dorpati 1837. — Zaddach, De Apodis cancriformis anatome. 1841. — Grube, Bemerkungen über die Phyllopoden. Arch. f. Nat. 1853. — ■ Leydig, Ueber Argulus foliaceus. Zeitscbr. f. wiss. Zool. Bd. II. lieber Artemia salina und Branchipus stagnalis. ibid. Bd. III. — Derselbe, Naturgeschichte der Daphniden. Tübingen 1860. — Darwin, A. Monograph of the Subclass Cirripedia. I. II. 1851. 1853. — Zenker, W., Anatomisch -systemat. Studien über die Krebsthiere. Arch. f. Nat. 1854. — — van Beneden, Recherches sur la faune littorale de Belgique. Crustaces, Acad. Bruxelles 1861. — Claus, Die frei lebenden Copepoden. Leipzig 1863. — Derselbe, Ueber den Bau u. die Entw. parasitischer Crustaceen. Cassel 1858. — Derselbe, Beiträge zur Kenntniss der Entomostraken. Marburg 1860. — Derselbe, Ueber einige Schizopoden. Z. Z. XIII. — Derselbe, ßeobacht. üb. Lernaeocera etc. Marburg u. Leipzig 1868. — Derselbe, Bei- träge zur Kenntniss der Ostracoden. Marburg 1868. Die Metamorphose der Squilliden. Gott. 1871. — Derselbe, Zur Kenntn. d. Baues u. d. Entwickl. von Branchipus stagn. u. Apus cancriform. Gott. 1873. — Zur Kenntn. d. Baues u. d. Entw. von Branchipus u. Apus. K. Gesellsch. d. Wiss. z. Gott. Bd. VIII. — Derselbe, Z. Erforsch, d. genealog. Grundlage des Crustaceen- Systems. Wien 1876. — Müller, Fr., Für Darwin 1864. Poecilopoden : van der Hoeven , Rech, sur l'hist. nat. et l'anatomie des Limu- les. Leyden 1838. — Packard, A. S., The development of Limulus. Mem. Boston Soc. Nat. hist. Vol. II. Protraeheata : Gruue, Ueber d. Bau v. Peripalus Edwardsii. Arch. f. Anat. 1853. — Saenger, N. , Perip. cap. und Perip. Leuckarti. Verhandl. der ersten russ. Naturforscherversamml. zu Moskau 1869. (russ.) — Moseley, H. N., On the strueture and development of Peripatus capensis. Philos. Transact. London 1874. P. II. Trachuata. Arachniden: Treviranus, G. R., Ueber den inneren Bau der Arachniden. Nürn- berg 1812. — Duges, Recherches sur l'ordre Acariens. Ann. sc. nat. II. i. ii. 1834. — Derselbe, Sur les Araneides. ibid. II. vi. 1856. — Doyere, Sur les Tardigrades. Ann. se. nat. II. x. 1840. ■ — Tulk (Opilioniden), Ann. nat. hist. 1843. Fror. Not. Bd. 30. — Newport, On the nervous and cireulatory System in M\riapoda and macrourous Arachnida. Philos. Transact. 1843. — Qua- trefages, Organisation des Pycnogonides. Ann. sc. nat. III. iv. 1845. — van Beneden (Linguatula) , Acad. Bruxelles. 1849. — Leuckart , Bau und Entwickelungsgesch. d. Pentastomen. Leipzig u. Heidelberg 1860. — Du- fouk. L., Hist. anatomique et physiologique des Scorpions. Acad. d. sciences 1) Desgleichen durch Parasitismus umgebildet. Literatur. Körperform. 247 (Savans etrangers) XIV. — Derselbe, Anat. physiol. et bist. nat. des Galöo- des. Acad. des sciences (Savans etrangers) XVII. — Kittary, Anat, Unters, v. Galeodes. Bull, de la soc. imp. des Naturalistes de Moscou. 1848. (Fro- riep's zoolog. Tagesberichte Nr. 108.) — Stecker, A., Anatom, u. Hist. über Gibocellum. Arch. f. Nat. 1876. Myr-iapoden : Treviranus, G. R. (Scolopendra und Julus), Vermischte Schriften. II. Bremen 1817. — Diifour, L., Recherches anatomiques sur Ie Lithobius forficatus et le Scutigcra lineata. Ann. sc. nat. II. '824. — Müller, J., Zur Anat. der Scolopendra morsitans. Isis 1829. p.549. — Brandt, Beitr. z. Kennt- niss des inneren Baues von Glomeris marginata. A. A. Ph. 1837. —Jones, R., »Myfiapoda« in der Cyclopaedia of anatomy and physiology. Vol. III. 1842. — Newport, On de organs of Reproduction and the development of the My- riapoda. Philos. Trans. 1841. — ■ Derselbe, On the struclure, relations and development of the nervous and circulatory Systems in Myriapoda and ma- crourous Arachnida. Philos. Trans. 1843. Insecten: Reaumur, Memoires pour servir a l'histoire des Insects. 1734 — 42. Paris. 6 Yols. — Swammerdam, Bibel der Natur. 1752. — Lyonet, Trade anatomique de la Chenille (jui ronge le bois de saule. La Haye. 1762. — Str.uss-Di rckheim, Considerations sur l'analumie comparee desanimaux arti- cules, auxquelles on a Joint ranatomie descriptive du Melolontha vulgaris. 1828. - ■ Burmeister, Handbuch der Entomologie. Bd. I. Berlin 1833. — Newport, »Insecla« in: Cyclopaedia of anatomy and physiology. Vol. II. 1839. — Dufoi'r, L., Recherches anatomiques et physiologiques sur les Hemipteres. Mem. Acad. des sc. (Sav. etrangers.) IV. 1833. — Derselbe, Sur les Orthop- teres, les Hymenopteres et les Neuropteres. ibid. VII. 1841. — Derselbe, Sur les Diptcres. ibid. XL 1851. — Pictet, Recherches pour servir ä l'hist. et ä l'anatomie des Phryganides. Geneve 1834. — ■ Leuckart, Die Fortpflan- zung u. Entw. der Pupiparen. Halle 1858. — Brauer, Fr., Z. Anat. d. Neu- roptereri in Schrift, d. zool.-bot. Vereins z. Wien. — Arbeiten von Loew in verschiedenen entomologischen Zeitschriften. — Leydig's zahlreiche Unter- suchungen über den feineren Bau der Insecten. — Weissmann, Die Entwicke- lung der Dipteren. Leipzig 1864. — Landois, L. , Anat. d. Hundeflohes. N. Acta Acad. L. C. Vol. XXX11I. — Derselbe, Anatomie der Bettwanze. Zeitschr. für w. Zool. Bd.XVlII. XIX. — Lowne, B. Tu., Anat. and Phys. of the Blow-Fly. London 1870. — Miller, Fr., Z. n. Kenntniss d. Termiten. Jen Zeitschr. Bd. X. — Kowalevsky, A., Embryolog. Studien an Würmern und Arthropoden. Mem. Acad. St. Petersbourg. I. XVI. No. 12. — Tull- berg, T., Sveriges Podurider. Kongl. Vet, Acad. Handl. T. X. ■ — Luisrock, .1., Monogr. of the Collembola and Thysanura. London 1873. Ray Soc. — Meyer, P., Anal. v. Pyrrhocoris apterus. Arch. f. Anat, u. Phys. 1875. — Derselbe, Ueber Ontogenie u. Phylogenie der Insecten. Jen. Zeitschr. Bd. X. Körperform . § 183. Der Arthropodenkörper erscheint in sei- nem einfachsten Zustande unter den Crusla- ceen in der Nauplius-Form (Fig. 117). Der ungegliederte Körper trägt einige Glied- uiassenpaare. Die Gliederung des Körpers tritt erst durch eine allmählich erfolgende Fig. 117. Nauplius eines Copepoden (Cyclops). a, b, c Gliedraassen. 248 II. 5. Arthropoden. Sprossung ein, die viel Aehnlichkeit mit jenem Proeesse darbietet, welcher bei den meisten Ringelwürmern die Melamerie bedingt. Der vorderste, die ersten Gliedmassen tragende Körpertheil des Nauplius stellt das Kopfsegment vor, der hintere geht in das letzte Metamer über, in- dess zwischen diesen bei- den Abschnitten neue Me- tameren entstehen, an de- nen gleichfalls Gliedmassen hervorsprossen. So bildet sich allmählich ein aus einer grösseren Metameren- zusammengesetzter Fig. IIS. Stadium I Larve von Branchipus stagnalis (zweites a, b, c Gliedmassen, mx Anlage der Maxilleu. o Auge. Nach C. Claus. F' Schwanzgabel. zahl Organismus hervor (Fig. 118), dessen Gomplication, soweit diese durch die Me- tamerie bedingt wird , das Product eines successive auftretenden Vorganges ist. Diese Entwicklung der Leibesform herrscht bei den Entomostraken , und entspricht wohl auch der Phylogenie dieser Krustenthiere, die demnach auf einen ungegliederten Zustand zurückfuhrbar wären. Bei'den Malacostraken ist jener, neue Me- tameren bildende Vorgang nur noch in einzelnen Fällen zu erkennen, und als Regel erscheint gleich die Anlage des Körpers in einer grösseren An- zahl von Metameren. Die zeitliche Folge der Metameren ist hier zusam- mengezogen, und damit stimmen auch die Poecilopoden sowie die meisten Tracheaten überein. Könnte man hieraus gegen die Annahme einer gemein- samen Abstammung der Arthropoden Bedenken entnehmen, so wiegen diese doch nicht so schwer, als jene, welche sich aus der Verschieden- artigkeit mancherOrganisationsverhältnisse gegen jene Annahme erheben. Wir können also für jetzt nur für die Crustaceen — eben durch das sie verknüpfende Naupliusstadium — eine monophyletische Auffassung für begründet halten. Jenes für die Entomostraken allgemeine Stadium tritt aber unter den Malacostraken nur in vereinzelten Fällen auf, woraus wir sciiliessen dürfen, dass diese Abtheilung der Crustaceen sich vom gemein- samen Ausgangspunkte weiter als die Entomostraken entfernt hat. Der bei den Einen durch allmähliche Sprossung, bei den Anderen so- gleich in der ersten Dill'erenzirung der Anlage metamer gebildete Körper der Arthropoden verliert allmählich die ursprüngliche Gleichartigkeit seiner Segmente, bald zum kleineren, bald zum grösseren Theile. Durch Aus- bildung einzelner, Rückbildung anderer, sowie endlich durch Concrescenz Körperform. 249 von Metamerensummen , entsteht eine bedeutende Mannichfaltigkeit der äussern Gestaltung. Im Allgemeinen herrscht die Gleichartigkeit der Me- tameren in frühen Jugendzuständen vor, und lässt dadurch Beziehungen zu solchen Formen erkennen , deren Metameren gleichfalls noch nicht different waren. Die aus verschmolzenen Metameren entstandenen ein- heitlichen Abschnitte des Leibes geben ihre Entstehung in den an ihnen vorkommenden Gliedmassen kund. Die Concrescenz trifft am beständigsten die vordersten Metameren. Daraus entsteht ein die Mundöffnung und höhere Sinnesorgane, vornehm- lich die Augen und Fühler tragender Abschnitt, der Kopf. Er bildet den einzigen aus mehrfachen Metameren bestehenden Abschnitt bei den My- riapoden, bei manchen Kruslenthieren und bei den Larven von Insecten. Durch diese Concrescenz von Metameren werden den Mundöffnungen Glied- masseu genähert, die, in die Dienste der Nahrungsaufnahme tretend, zu Mundorganen sich umbilden. Die übrigen Differenzirungsverhällnisse spielen in den einzelnen Abtheilungen verschiedene Rollen. Bei den Crustaceen verbindet sich mit dem Kopfe eine Anzahl der folgenden Me- tameren zu einer Kopfbrust (Cephalothorax). Die übrigen Metameren trennen sich häufig wieder in zwei Gruppen, insofern die auf den Cepha- lothorax folgenden von den hintersten zuweilen verschieden sind. Dar- nach stellen sie ein Abdomen und ein Postabdomen vor. Die Segmente des Abdomens verschmelzen bei den Poecilopoden , dessen Postabdomen durch den Schwanzstachel repräsentirt wird. Durch duplicaturartige Ausdehnung des Integumentes einzelner Kör- perregionen entstehen besondere Schutzvorrichtungen für die Anhangs- gebilde. Indem bei den Decapoden das Hautskelet der Kopfbrust seitlich auswächst, deckt es die Kiemen, und bildet jederseits einen besonderen mit dem umgebenden Medium communicirenden Raum, die Kiemenhöhle. Vergl. S. 256. Solche, mehreren primitiven Körpersegmenten angehörige Entfal- tungen des Hautskelets können sich auch über andere Körperabschnitte erstrecken, und für diese eine »Schale« herstellen. Die Branchiopoden zeigen hiezu in der schildartig verbreiterten Kopfbrust die ersten Anfänge bei den Phyllopoden (Apus). Eine Weiterentwickelung beider Hälften dieses Gebildes führt zur Herstellung einer zweiklappigen Schale (Fig. 124 d) (Limnadia). Auch bei den Cladoceren ist ein Theil des dorsalen Integumentes in eine den ganzen Hinterleib deckende Schale umgestaltet, und bei den Ostracoden sind die beiden Hälften dieses Gebildes, ähnlich wie bei manchen Phyllopoden, am Rücken beweglich mit einander ver- bunden. Die Klappen der Schale erstrecken sich hier auch über den Vordertheil des Körpers, umschliessen somit das ganze Thier. An diese Gebilde reihen sich die höchst eigenthümlichen Modifica- tionen des Integuments der Cirripedien. Die bei den Ostracoden zur zwei- klappigen Schale gestaltete Duplicatur erscheint bei den Cirripedien wäh- 250 II. 5. Arthropoden. Fig. 119. il>urchschnittsdarEtellung eiues Bala- n us. a Mund des Thieres. bb' Zu rautenför- migen Gebilden umgestaltete Gliedmassen, c Kopftheil des Thieres. d Mantelartige Um- hüllung. e e Bewegliche Klappen zum Ver- schlusse des Gehäuses. // Aeussere Schale. m Muskeln. (Nach Dauwin.) rend eines Jugendzuslandes. Indem das Thier mit den Antennen sich festsetzt, entwickelt sich der dorsale Theil des Integumentes zu einem weiten, den Körper umschliessenden Sacke oder Mantel (Fig. 119 def), der nur in der Kopfregion mit dem letzteren continuirlich zusammen- hängt. Der die ursprüngliche An- heftungsstelle tragende Abschnitt dieses Sackes bleibt entweder weich und dehnt sich in ein sliel- förmiges Gebilde aus (Lepadiden), oder er gestaltet sich zu einer breiten Grundfläche (Balaniden . Bei manchen Cirripedien (Alepas) behält der ganze Mantel eine weiche Beschaffenheit. Den meisten da- gegen kommen feste, durch Ver- kalkung entstandene Schalenstücke zu, die in der äusseren Lamelle des Mantels sich bilden. In diesen theil- weise ein Gehäuse darstellenden1 Mantel eingehüllt liegt der übrige Körper mit dem mit Rankenfüssen besetzten Poslabdomen und sieht durch eine verschliessbare Spalte mit dem umgebenden Medium in Ver- bindung. Dieselbe mantelartige Hülle bildet bei den Rhizocephalen einen äusser- lich bald glatten Schlauch, bald eine zu symmetrischen Lappen gebuchtete Scheibe. Eine enge Oeffnung, die der in die Mantelhöhle der Cirripedien führenden Spalte gleich kommt, leitet in einen jener Mantelhöhle ent- sprechenden Raum, der als Bruthöhle fungirl. Während bei den Cirripe- dien noch ein Theil des gliedmassenlragenden Krustenlhierlcibes mit der Manlelduplicalur verbunden und in sie eingesenkt fortbesteht, ist bei den Bhizocephalen der gesammte Gliederleib in den Mantel über- gegangen. Mit dieser Rückbildung der Körperform verbindet sich eine andere aus der Art des Parasitismus entstandene Erscheinung, indem nämlich von der in den Leib des Wirthes eingesenkten Stelle des Kopfes her zahl- reiche Röhrchen sich bilden, welche, zum Theile in netzartigen Durch- llechtungen anaslomosirend, zum Darmeanal des Wirthes treten und diesen aufweite Strecken umspinnen. Daraus gestaltet sich ein unmittelbar vom Darm des Wirthes ernährende Flüssigkeit beziehender, und diese dem Schmarotzer zuführender Apparat. Ausserdem bietet der Parasitismus noch viele andere Beispiele seiner rückbildenden Einwirkung wie aus der mannichfalligen Gestallung der Siphonostoinen hervorgehl. Eine einfachere, fast den Ringelwürmern ähnliche Körperform besitzt Peripatus. Gliedmassen. 251 Unter den Tracheaten besitzen die Myriapoden im Bestehen gleich- artiger, discreter Melameren den indifferentesten Zustand. Mann ich facher diff'erenzirt erscheint die Leibesform bei den Arachniden. Die Galeoden weisen unter diesen die reichste Gliederung auf. Ein Kopf ist von 3 Tho- rakalmetameren gesondert, von denen wieder ein aus discreten Metame- ren gebildetes Abdomen getrennt ist. Die Scorpione zeigen dagegen Kopf- und Brustmetameren zu einem Abschnitte vereinigt, und vom gegliederten Abdomen noch ein Postabdomen diff'erenzirt. Das Abdomen setzt sich schärfer von der Kopfbrust bei den Phryniden ab, die darin mit den Ara- neen übereinstimmen, während die vollständigere Concrescenz der Ab- dominalsegmente für letzlere eine Verschiedenheit bildet. Die Selbstän- digkeit der Metameren ist endlich bei den Milben völlig verschwunden. Bei reicherer Gliederung waltet am Körper der Insecten eine grössere Gleichartigkeit in der Vertheilung der Metameren auf die einzelnen Ab- schnitte. Ausser dem* aus mehreren (3) Metameren gebildeten Kopfe be- stehen allgemein drei Thorakalsegmente (Pro-, Meso- und Metathorax), die entweder indifferenter sind, wie bei Thysanuren und vielen Pseudo- neuropteren, nur durch die Anhangsgebilde sich auszeichnend, oder alle drei bilden zusammen einen sowohl von Kopf wie von Abdomen sich scharf absetzenden Abschnitt (Neuroptera, Hymenoptera, Diplera, Lepidoptera), oder es ist nur das erste Thorakalsegment bedeutender modiheirt, wäh- rend das zweite und dritte enger an das Abdomen sich anfügt. Dies Ver- hältnissist bei Orthopteren (Saltatoria) angedeutet, bei Käfern ausgeprägt. Das Verhalten des Abdomens wird von den vorhin berührten Be- ziehungen zum Thorax theilweise beeinflussl. Seine Segmente erhalten sich immer selbständig, und eine Bückbildung betrifft meist die letzten, von denen mehrere zum Geschlechtsapparate gezogen sind. Oliedmassen. § 184. Als Glied massen erscheinen bei den Arthropoden paarige, geglie- derte Anhangsgebilde, die mit den Metameren verbunden als dorsale und ventrale zu unterscheiden sind. Die Vor- bereitung zu dieser Einrichtung ist schon bei den höheren Bingelwürmern in dem Vorkommen von Fussstummeln ausge- drückt. Bei den Arthropoden ist diese Fortsatzbildung einerseits durch die Glie- derung dieser Anhänge (s. Fig. 120 p) , andererseits durch die einer Verschieden- heit der Function entsprechende Mannich- faltigkeit der Form auf eine höhere Diffe- renzirungsstufe getreten, und nur in der Gleichartigkeit der ersten Anlage spricht sich der niedere Zustand aus. Fig. 120. Querdurchschnitt durch eine Assel, p ein Fusspaar. p' Abdominal- anhänge zur Bildung eines Brust- behälters. (Nach Leueboullet.) 252 II. 5. Arthropoden. Wie die niedere Bildung der Parapodien der Anneliden auch durch ihre gleichartige Reihenfolge ausgedrückt ist, so zeigt sich dasselbe in den niederen Typen der Arthropoden, wie z. B. bei Peripatus, bei den Myriapoden und bei vielen Crustaceen (Phyllopoden u. a.). Peripatus behält den niederen Zustand der Gliedmassen , die wie Parapodien von Würmern sich ausnehmen und nur durch den Besitz eines zwei Krallen tragenden beweglichen Endabschnittes an Gliedmassen von Tracheaten Anschlüsse bieten. An diesen Körperanhängen der Gliederlhiere geben sich zwei Erscheinungen kund, welche den vieltheiligen, dem der Ringel- würmer ähnlichen Organismus in einen mehr einheitlichen umbilden helfen. Die erste dieser Erscheinungen ist die Metamorphose der Gliedmassen zu mannichfaltigen, den verschiedensten Functionen die- nenden Gebilden. Mit der Veränderung der Function zeigt die Gliedmasse ihre Umänderung der neuen Leistung angepasst. Die zweite Erscheinung ist die B e s c h r ä n k u n g d e r Z a h 1 der Kör- peranhänge in den höheren Abtheilungen, gleichlaufend mit der grösseren Ausbildung heteronomer Metameren oder mit der Entstehung grösserer Körperabschnitte durch Verschmelzung einzelner Metamerengruppen. Gliedmassen der Branchiaten. § 185. Die einfachsten Verhältnisse der Gliedmassen unter den Crustaceen bietet die Naupliusform. Am ungegliederten Körper erscheinen erst zwei, dann drei Paare gegliederter Anhänge. Alle fungiren alsLocomolionsorgane (Schwimmfüsse), und sind mit Borsten, oft in mächtigen Büscheln besetzt. Das erste Paar dieser Gliedmassen (Fig. 121 a) ist einfach, das zweite und dritte Paar gabelig getheilt , und diese Gabeltheilung er- scheint an allen folgenden Glied- massen d e r K r u s t e n t h i e r e. Die beiden ersten Paare unterscheiden sich von dem dritten und den diesem später folgenden durch das Verhalten zu Nerven, die vom obern Schlundganglion stammen, während das dritte wie alle folgenden, von unteren Ganglion versorgt wird. Daran knüpft sich eine Scheidung der Function, indem die beiden vorder n P a a r e vorwiegend zu Antennen sich ausbilden . Beide bleiben bei Copepoden noch vielfach als Bewegungsorgane in Func- tion, am vollständigsten bei den Ostracoden. Auch die Cladoceren be- sitzen die zweite Antenne noch als Ruderorgan ausgebildet, und bei den Phyllopoden erhält sich dieser Zustand durch eine längere Entwickelungs- periode. Es ergibt sich daraus die Berechtigung, auch die dorsalen Fort- satzbildungen selbst in funclioneller Beziehung den Gliedmassen beizu- Fig. 121. Nauplius eines Copepoden (Cyclops). abc Gliedmassen. Gliedmassen der Branchiaten. 253 zählen. Bei den Malacostraken sind beide Antennenpaare ausser Beziehung zur Ortsbewegung, wie auch immer ihre Gestaltung erscheinen mag. Gewöhnlich ist das hintere Paar (Fig. 123 atf) in lateraler Stellung zum vorderen (at), und übertrifft letzteres oft bedeutend an Volum (vergl. auch Fig. 125 a a"). Die übrigen Gliedmassen sind ausschliesslich ventral. Sie schliessen sich mit der beginnenden Metamerenbildung an das beim Nauplius er- wähnte erste Schwimmfusspaar an und vertheilen sich paarig auf die ein- zelnen Segmente. Wie jener Schwimmfuss und das zweite Antennenpaar laufen sie in zwei Aeste aus, welche meist ungleichartige Differenzirun- gen eingehen, indem der eine Zweig mächtiger sich ausbildet und zum Hauptstücke der Gliedmassen wird, indess der andere mehr ein Anhangs- gebilde vorstellt. Durch Beziehungen zur respiratorischen Function kann jedoch auch dieser Theil der Gliedmassen bedeutende Ausbildung erfahren. In der Function theilen sämmtliche Gliedmassen sich in verschiedene Ver- richtungen, denen entsprechend sie umgestaltet sind. Die vorderen dieser ventralen Gliedmassen werden, soweit sie in der Nähe der Mundöffnung liegen , zu Mundorganen umgebildet, entweder ausschliesslich zu Kiefern, oder nur theilweise, zu Kieferfüssen. Der Beziehung der im Cephalothorax bestehenden Concres- cenz zu diesem Verhalten ist oben gedacht. Bei den Branchiopoden sind nur einige Paare zu Mundorganen verwendet, und die übrigen, bei denPhyllopoden meist sehr zahlreichen Gliedmassen, verhallen sich ziemlich gleichartig als Schwimmfüsse. Aehnliches bieten die Ostracoden, Copepoden und Cirripedien. Bei den letz- teren sind die hinteren Gliedmassen in die charakte- ristischen Bankenfüsse umgebildet (Fig. 1 1 9 bb') . Am bedeutendsten ist die Veränderung der Gliedmassen bei den Malacostraken, für welche der Befund bei einem Decapoden näher betrachtet werden soll. Hier treffen sich 6 Gliedmassenpaare zu Mundorganen gestaltet, an deren ersteren die Form des Phyllopodenfusses wenig verändert sich fort erhielt. Auf ein Paar derber Kiefern (Fig. 1 22 m2 — p.5) die Eier. Am bedeutendsten endlich ist das letzte Gliedmassenpaar verschieden, indem es (p6) mit dem den After tragenden Endsegmente des Kör- pers zusammen eine kräftige Schwanz- flosse herstellt, deren seitlichen Theil es bildet. Andere Malacoslrakenabtheilungen zeigen hiervon mehr oder minder be- deutende Verschiedenheiten je nach der Zahl der Mundorgane oder der als Loco- motionsorgane verwendeten und diesen Functionen angepassten Gliedmassen. So sind z. B. bei den Asseln 4 Glied- massen in Mundtheile verwandelt, die folgenden 8 erscheinen als Gehfüsse, und die letzten vier endlich bilden der Athmung dienende Platten. Die Verknüpfung der Athmung mit der Locomotion, wie sie sich in der Umwandlung der Gliedmassen in Kie- menblätlchen oder in der Sonderung von Kiemen der verschiedensten Gestalt an den Gliedmassen ausspricht, trifft sich als eine liefgehende Erscheinung (s. Kiemen). Kiemen. § 186. Die an den Gliedmassen der Crustaceeu bestehende Spaltung macht diese Gebilde bei Verbreiterung ihrer Gliedstücke ebenso zur respirato- rischen Function geeignet, wie sie es zur Locomotion sind. Mit einer Ver- dünnung des Integumentes an bestimmten Abschnitten entstehen den Gasaustausch zwischen dem im Innern der Gliedmassen eirculirenden Kiemen. 255 Blute und dem umgebenden Medium fördernde Einrichtungen, welche bald die gesammte Gliedmasse, bald nur ein Gabelstück derselben als Respirationsorgan erscheinen lassen. Eine fernere Differenzirung führt dann zu einer Vermehrung der respiratorischen Lamellen einer Gliedmasse oder zu fadenförmigen Umbil- dungen derselben, welchen allen eine Oberflächenvergrösserung zu Grunde liegt. Diese Organe sind Kiemen. Die Verbindung von Kiemen mit den Gliedmassen der Würmer lässt eine Vorbildung der bei Crustaceen weiter entwickelten Einrichtung erscheinen, die hier typisch geworden ist. Ob sie von jenen direct sich ableitet, ist freilich mehr als zweifelhaft. Die allmähliche Ausbildung der Kiemen lässt sich von Stufe zu Stufe durch die Reihe der Krustenthiere verfolgen, und die Functionen der Alh- mung und der Ortsbewegung sind häufig so innig mit einander verbun- den, dass es schwer ist, zu entscheiden, ob gewisse Formen dieser Kör- peranhänge als Kiemen oder als Füsse oder als beides zugleich gelten dürfen. Nicht selten ist die Umwandlung der Locomotionsorgane in Ath- mungswerkzeuge in der Reihenfolge der Gliedmassen eines und desselben Indivi- duums wahrnehmbar. Die kiementragen- den Metameren sind sehr verschieden, so dass man sagen kann, die Gliedmassen jedes Segmentes seien befähigt, Kiemen vorzustellen , oder, aus einem ihrer beiden primitiven Aeste Kiemengebilde ent- wickelnd, als Träger derselben aufzutreten. Wie der Ort, so wechselt auch die Zahl und die specielle Structur dieser Organe. Wo die Füsse selbst Kiemen vorstellen, erscheinen sie als breite, dünne Lamellen (vergl. Fig. 124 A br), deren bedeutende Oberfläche der Wechselwirkung zwischen dem in ihnen kreisenden Rlute und dem umgebenden Wasser günstig ist. Solche Gebilde zeigen sich verbreitet bei den Branchiopoden, bei denen meist eine grös- sere Anzahl von Fusspaaren als Kiemen erscheint und noch besondere beuteiför- mige Anhänge als vorzugsweise mit jener Function betraut unterscheiden lässt. Als Kiemenblätter erscheinen auch die Bauch- füsse der Isopoden. Bei den Amphipoden sind die Kiemen schlauchförmige Anhänge der Thorakalsegmente , die in der Begel an den Basalgliedern der Füsse befestigt sind. Dagegen tritt bei den Stomapoden eine aus der Grundform hervorgegangene, andere Bildung auf, indem die fünf Schwimmfusspaare des Abdomens Fig. 124. Querschnitte von Crustaceen. A eines Phyllopoden (Limnetis) (nach Grube). D von Squilla (nach Milne- Edwakos). c Herz, i Darm, n Bauch- mark, br Kiemen, d Dunlicatur des dor- salen Integumentes , in A eine Schale vorstellend. 256 II. 5. Arthropoden. an ihrer Basis ein median gerichtetes Büschel verzweigter Kiemenfäden tragen [B br) . Eine continuirliche Reihe von den einfachsten zu den complicirtesten Verhältnissen führt von den Schizopoden zu den Decapoden. Ersteren fehlen gesonderte Kiemen nicht selten (Mysiden) , oder sie erscheinen als verästelte Anhänge der Gliedmassen des Gephalothorax, frei nach aussen flottirend (Thysanopoden). Allmählich entwickelt sich eine Duplicatur vom Hautskelete des Gephalothorax her, und bildet eine den seitlichen Raum über den Brustfüssen bedeckende Lamelle (S. 240). In diesen Raum lagern sich die Kiemen ; er wird zur seitlich geschlossenen Kiemenhöhle (Decapoden) , welche durch eine vom freien Rande jener Lamelle und der Basis der Füsse begrenzte Spalte mit dem umgebenden Medium in Ver- bindung steht. Indem sich die Decklamelle der Kiemenhöhle ventral enger an den Körper anlegt, wird die anfänglich einfache, Einlass gebende Längsspalte in zwei Abschnitte zerlegt, und so bildet sich eine grössere hintere und eine weiter nach vorne gelegene kleinere Oeffnung, durch welch' letztere das durch die grössere Oeffnung eingetretene Wasser, nachdem es die Kiemen bespült hat, wieder nach aussen gelangt. Die Kiemen können sich theilweise von der Fussbasis entfernen und von der Wand der Kiemenhöhle entspringen , entsprechen aber dann noch häufig in ihrer Zahl den Gliedmassen. Bei den meisten Decapoden ist jedoch die Kiemenzahl beträchtlich vermehrt, indem die vordersten Fusspaare mit mehreren Kiemen versehen sind und überdies noch einige Paare der Kie- ferfüsse an dieser Einrichtung theilnehmen. Eine schärfere Sonderung der respiratorischen Gliedmassen drückt sich bei den Pöcilopoden aus, deren vordere Gliedmassen der Anhangsgebilde entbehren, indess die dem Abdomen angefügten 5 Fusspaare in breite Platten umgewandelt eine be- deutende Anzahl von Kiemenlamellen tragen. § 187. Ein rascherer Wasserwechsel um den Kiemenapparat wird auf man- nichfache Weise bewerkstelligt. Am einfachsten sind diese Verhältnisse da. wo die Gliedmassen selbst als Kiemen fungiren, oder wo die Kiemen, wenn auch als besondere Organe, den Schwimmfüssen angeheftet sind. Die Action der Gliedmassen ruft hier einen beständigen Wasserwechsel um jene Organe hervor, und bringt die Respiration mit der Ortsbewegung in directe Beziehung. Die Gliedmassen der Branchiopoden und die Schwimmfüsse der Stomapoden können als Beispiele für diese Fanrich- tung angeführt werden. Bei anderen besorgt den Wasserwechsel ein besonderer aus den modificirten Afterfüssen gebildeter Deckapparat der Kiemen, wie dies bei den Pöcilopoden und bei den Asseln der Fall ist. Durch die stete Bewegung dieser Deckplatten ist auch im ruhen- den Zustande der Thiere eine beständige Erneuerung des Wassers ermöglicht. Kiemen. Gliedmassen der Tracheaten. 257 Die Bildung einer Kiemenhöhle bedingt die Sonderung neuer den Wasserwechsel besorgender Vorrichtungen. Bei den mit Kiemenhöhlen versehenen Decapoden bestehen jederseits besondere Strudelorgane (Fla- gella) (Fig. 125./"), welche über sämmt- liche Kiemen als platte , dünne Fort- sätze sich hinweg erstrecken und an die Basis eines Kieferfusses geheftet, von diesem in beständiger Bewegung unterhallen werden. (Brachyuren.) Von respiratorischer Bedeutung können auch die Lamellen des Inte- guments gelten, welche bei vielen En- tomostraken die Träger der Schalen- bildungen sind. Diese Beziehung zur Athmung wird dadurch verständlich, dass diese Mantel lamellen ein nicht unbedeutender Blutstrom durchkreist, und in der Dünnwandigkeit des Or- gans für den Gasaustausch günstige Bedingungen gegeben werden, sowie durch die Bewegungen der Glied- massen ein energischer Wasserwechsel an der Innenfläche des Mantels besorgt wird. Mit einer Ausdehnung der Mantellamellen (Limnadiaceen) wird diesen auch ein grösseres Gewicht bei der Vermittelung der Athmung zu- fallen, welches sich in dem Masse noch erhöhen muss, als die Gliedmassen an Zahl reducirt, und nur von geringen Blutmengen durchströmt, an respi- ratorischer Bedeutung verlieren. (Ostracoden, Daphniden.) Während in diesen Fällen der Mantel keine besonders hervortretende Organisation als Kiemenorgan besitzt, erscheint eine solche bei den Cirri- pedien. Bei den Balaniden erheben sich von der Innenfläche der Mantel- höhle, zwischen der Seitenwand und der Basis, gefaltete Lamellen, die als Kiemen gedeutet worden sind. Fig. 125. Kieraen eines Brachyuren. Das Rüekenintegument des grössten Theils des Ce- phalotkorax ist entfernt. In der Mitte ist die Leibeshöhle mit dem vom Kaumagen v kom- menden Darme sichtbar , seitlich davon sind die Kiemenhöhlen geöffnet, rechts finden sich die Kiemen in sechs Blätterreihen , links sind vier derselben abgeschnitten, ebenso das Fla- gellum /, um den unter den Kiemen liegenden Strudelapparat /' /" sichtbar zu machen. o Augen, d Fühler, ar Eine einzelne Kieme, bei re abgeschnitten. Gliedmassen der Tracheaten. § 188. Die Gliedmassen der Tracheaten unterscheiden sich von jenen der Krustenthiere durch den Mangel der terminalen Gabelung, so dass sie aus einer einfachen Beihe von Gliedstücken sich zusammensetzen. Die letzteren erscheinen bei Peripatus noch wenig gesondert. Nur der klauentragende Endabschnitt besitzt eine grössere Selbständigkeit. Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 47 258 n- 5- Arthropoden. Alle Tracheaten besitzen ein einziges Antennenpaar, worin auch die Pöcilopoden unter den Branchiaten ihnen sich anschliessen. Diese Antennen sind bei den Pöcilopoden wie bei den Arachniden den Mundorganen zugetheilt, bei den Scorpionen als Scheerentaster (Sehee- renkiefer), bei den Spinnen als Kieferfühler (Klauenfühler) bezeichnet. Ungeachtet dieser Beziehungen sind diese Gebilde den Antennen der Myriapoden und Insecten homolog, indem sie wie diese ihre Nerven vom oberen Schlundganglion empfangen. In Anpassung an zahlreiche Lei- stungen im Dienste mit ihnen verbundener Sinnesorgane besitzen sie bei den Insecten höchst mannichfaltige Ausbildung. Ventrale Gliedmassen erscheinen gleichartig anfielest und ])leiben bis auf zwei Paare in diesem Verhalten bei Peripalus, zum grossen Theile auch bei Myriapoden, indess sie bei den übrigen, soweit sie fortbestehen, verschiedenen Leistungen gemäss in ver- schiedene Formzustände treten. Vorderen Me tarne fen ange- hörige Glied massen gehen in Mundorgane über, hinteren zuget heilte in Füsse. und an den letzten Metameren erleiden häufig die Gliedmassen vollständige Rückbildung und treten oft nicht einmal in der Anlaae auf. Im Ganzen ist die Zahl dieser Gliedmassen viel beschränkter als bei den Krustenthieren, und innerhalb der Klassen hält sie sich stets in feststehenden Grenzen, und die Zahl der Mund- gliedmassen, wie die der Füsse ist conslant. Bei Peripalus stellen nur die beiden vordersten Paare Mundorgane vor; das erste davon wird von der lateralen Mundwand umschlossen, indess das zweite nur dem Munde zunächst zu liegen kommt. Den Arachniden kommt nur ein einziges Paar solcher Mundgliedmassen zu. Es stellt bei den Spinnen die, einen mehrgliedrigen Taster tragenden Kinnladen vor, die bei den Scorpionen den Scheerenfüssen , bei den Phryniden den mit einem mächtigen Haken bewaffneten »Tastern« entsprechen. Die Milben besitzen die beiderseitigen Stücke zu einer rinnenförmiseu Unterlippe verbunden, in welcher die stiletförmigen Kiefergebilde geborgen sind. Die vier übrigen Gliedmassenpaare persistiren bei allen Arachniden als Füsse, deren erster bei den Phryniden geissei- förmig gestaltet ist. Unter den Myriapoden erscheinen drei Paare von Mundglied- uiassen, das erste Paar ist allgemein als kräftiger Kiefer in Ausbil- dung, das zweite und dritte Paar ist bei den Chilognathen in eine Art von Unterlippe verwandelt und wird, einer Angabe zufolge, in der Anlage durch ein einziges Paar vertreten , so dass dann dieser Ordnung nur zwei Paare Mundgliedmassen zukämen. Bei den Chilo- poden dagegen zeigt das zweite und dritte Paar grössere Selbstän- digkeit, und auch das erste Fusspaar gesellt sich noch zu den Mund- organen. Die übrigen Körpergliedmassen verhalten sich ziemlich gleich- mässiu, bei Chilognathen zu zwei Paaren einem Metamer zuuetheilt. Das letzte Paar verliert häufig die locomotorische Function, und stellt Gliedmassen der Tracheaten. 259 einen Anhang (Schleppfuss) vor, den wir modificirt bei den Insecten wieder antreffen. Die Scheidung der Gliedmassen in Mundorgane und locomoto- rische Anhange geht also auch bei den Tracheaten in nicht ganz gleicher Weise vor sich, und es bestehen auch hier Schwankungen, wenn schon geringere als bei den Crustaceen. Die Ausbildung der d. h. ihre Sonderung von locomotorischen Körper- mit der Entstehung des Kopfes in Zusammenhang Mundgliedmassen, anhängen \\ ird gebracht, d. h. letztere davon abgeleitet werden müssen. § 189. die Von den ursprünglich gleichartig angelegten ventralen Glied- massen gehen bei den Insecten drei Paare in Mundorgane über, ebenso viele Paare gestalten sich zu Füssen. Die ersteren , um Mundöffnung geordnet , werden wohl anfänglich mehr zum Ergreifen und j B Festhalten der Nahrung gedient haben, ähnlich wie wir dies bei den Maxillar- füssen der Krebse heute noch sehen. An ein solches Stadium knüpft sich die nähere Betheiligung an der Be- wältigung der Nahrung. Das erste Paar bildet die Mandibeln und geht als ein einfaches Gliedstück ganz in Mund- theile über. Das zweite und dritte Paar ist mehrgliedrig. Davon wird aber nur je das Basalglied oder einige der darauf folgenden , als der Mund- zur Zerkleine- rung der INahrung verwendet , und diese Theile erfahren eine entspre- chende Umbildung. Sie stellen die Maxillen vor, an denen die übrigen Stücke der Gliedmasse wie ein geglie- derter Anhang erscheinen, der meist als Taster (Palpus) fungirt; so sondern sich aus einer Gliedmasse zwei ver- schieden wirkende Organe. Bei den Apteren besteht die indifferenteste Form der Mundglied- massen , die bei den Collembola sogar in die Mundhöhle eingezogen sind, und auch bei den Thysanuren nur schwach entfaltet erscheinen. Indem bei den ersteren eine Thätiekeit der Mundtheile mit einem Hervorstrecken und Wiedereinziehen verbunden ist, erscheinen sie in den Mund zum Kauen und zum Saugen geeignet Öffnung am nächsten Nahruns Fig. 126. Entwiekelungsstadien von Hydro- philus piceus. A Ein früheres, B ein späteres Stadium, h Oberlippe, at Antenne und erstes Mundgliedmassenpaar (Mandibel). mx Zweites Paar (Maxille). li Drittes Paar (Unterlippe), p' p " p '" Füsse. (Nach Ko- WALEVSKT.) einem Zustande, der 17 260 II- 5. Arthropoden. erkennen lässt, beides freilich in wenig ausgebildeter Weise. Diese Indifferenz der Organisation geht bei den Pterygoten nach zwei Rich- tungen in bestimmter ausgeprägte Einrichtungen über. Die bedeutendere Ausbildung der Mandibeln lässt dieselben als gegeneinander wirkende Kauorgane erscheinen, und auch die beiden Maxillenpaare werden zu Kauwerkzeugen, die zugleich Taster tragen. Dieser Zustand erhält sich bei Pseudoneuropteren , Neuropteren und Orthopteren, wenn auch bei manchen der ersteren noch Anklänge an die indifferentere Form wahrzunehmen sind, und auch eine Ver- schmelzung des zweiten Maxillenpaares beginnt. Die mediane Ver- bindung dieser Mundgliedmassen lässt die sogenannte Unterlippe her- vorgehen, welcher die bezüglichen Taster als Lippentaster eingelenkt sind , als Zeugen für die ursprünglichere Bedeutung dieser Organe. Mit dieser Umbildung treten uns die Mundorgane der Coleopteren entgegen. Bedeutendere Modificationen entstehen an diesen Theilen mit der Anpassung ihrer Function an eine andere Art der Nahrungsaufnahme : mittels Saugen. Die Hymenopteren, deren Mundtheile in beiderlei Richtung fungiren können, zeigen die Organe noch in ziemlich der- selben Form wie andere Insecten mit Kauorganen, aber die Maxillen sind bedeutend verlängert und ebenso die Unterlippe mit ihren Tastern. Auf ihrer gegen die Mundöffnung gerichteten Fläche ist ein Vorsprung, die Zunge , entstanden , der an seiner Basis noch zwei seitliche An- hänge, Nebenzungen, zeigt. Bei Manchen kommt den letzteren eine der Zunge ähnliche Ausdehnung zu. Auch die Mundtheile der ausschliesslich saugenden Insecten sind von Kauwerkzeugen ableitbar. Hemiptera und Diptera besitzen die Mandibeln und Maxillen in Borsten umgestaltet, von denen die Maxillen- borsten bei vielen Dipteren rudimentär sind. Die Unterlippe bildet für diese Borsten eine bei Hemipteren feste und gegliederte, bei Dipteren meist weiche Scheide, welche noch die Lippentaster oder deren Rudi- mente trägt. An der kurzen Oberlippe sitzt ein den Hemipteren feh- lendes Zungenrudiment. Die Mundorgane der Schmetterlinge sind in einer andern Richtung differenzirt. Hier bilden die rinnenförmig gestalteten, zu einer Röhre verbundenen Maxillen einen meist beträcht- lich langen , spiralig einrollbaren Rüssel , an dessen Basis kleine Kiefertaster sich vorfinden, die von den meist grossen Tastern der rudimentären Unterlippe bedeckt sind. Während die Mundgliedmassen den zum Kopfe verschmelzenden Metameren zugetheilt sind, erscheinen die folgenden Gliedmassen als Füsse, als locomotorische Anhangsgebilde der drei nächsten oder thorakalen Metameren. Die an ihnen auftretende Gliederung ergibt sich bei ihrer Uebereinstimmung als eine gemeinsam ererbte und nur an den der Anpassung zugänglicheren Endabschnitten sind bedeuten- dere Differenzen wahrnehmbar. Andere Eigenthümlichkeiten stellen Gliedmassen der Tracheaten. 261 sich als Ausdruck mannichfaltiger Anpassungen an modificirte Ver- richtungen dar. Obwohl drei Fusspaare constant sind, so ist doch bei vielen In- secten eine grössere Zahl in der Anlage erkennbar, woraus auf eine Abstammung von mehrfüssigen Formen geschlossen werden kann. Bei den Thysanuren erhalten sich Gliedmassenrudimente (Fig. 127. p') auch an den abdominalen Metameren (Campodea) . Von solchen rudimentären Gliedmassen leiten sich wohl auch die bei manchen Insectenlarven (Schmetterlinge und Blattwespen) vorkommenden locomotorischen Fort- sätze ab. Auch die paarigen Anhänge der letzten Metameren, der Thysanuren, Pseudoneuropteren etc. führen auf Gliedmassen zurück. § 190. Ausser den Antennen treten dorsale Glied- massen unter den Tracheaten nur bei den Insecten auf. Gänzlich fehlen sie den Thysanuren und Col- lembolen. Da sie nur den hinter dem Kopfe befind- lichen Metameren zukommen , empfangen sie — wie sämmtliche ventrale Gliedmassen — ihre Ner- ven vom Bauchstrange. Beziehungen zu Kiemen der Crustaceen sind nicht nachzuweisen , ebenso wie Ableitungen von den dorsalen Parapodien der Anneliden unsicher sind, so dass eine selbständige Behandlung dieser Organe gerechtfertigt ist. Die dorsalen Gliedmassen erscheinen als blatt- oder fadenförmige, zuweilen in Büscheln gruppirte Fortsätze der Metameren bei den im Wasser lebenden Larven der Ephemeriden, Perliden, Phryganiden u. a. Diese Anhangsgebilde besitzen respiratorische Function, und werden wegen der in sie eintretenden Tracheen, als Tracheen -Kiemen bezeich- net. Sie besetzen den Körper meist in grösserer Ausdehnung, nicht blos dorsal , sondern auch ventral , und bilden damit einen indiffe- renten Zustand von Fortsatzbildungen, von denen die an bestimmten Stellen vorkommenden dorsalen eine typische Bedeutung gewinnen. Die blattartig verbreiteten Formen werden in einer für den Wasser- wechsel wichtigen Bewegung getroffen, ähnlich den respiratorischen Gliedmassen der Phyllopoden , ohne dass sie jedoch locomotorische Beziehungen erkennen Hessen. Mit den blattförmigen Tracheenkiemen homolog müssen die Flügel gelten, die sowohl in der Anlage, wie in der Verbindung mit dem Körper und in ihrem Bau viele Uebereinstimmung zeigen. In ihrer Beschränkung auf das 2te und 3te Thorakalsegment würden sie Beductionen der Fig. 127. Vordere Korper- hälfle von Campodea fragilis. a Antennen. 2>¥ixsse.p' Rudimente von Füssen, s Stigma. Nach J. A. Palmen. 262 II. 5. Arthropoden. Zahl der Tracheenkiemen vorstellen. Die Notwendigkeit der Voraus- setzung, dass der Flügel nicht als solcher entstand, sondern aus einem in anderer Function stehenden Organe sich hervor bildete, gibt bei der Vergleichung mit den Kiementracheen eine wichtige Instanz ab ; ich sage : die Notwendigkeit dieser Voraussetzung , denn es ist undenk- bar, dass der Flüeel sofort, auch auf den niederen Stufen seiner Aus- bildung als solcher fimgirte , und durch diese Function seine Ent- faltung genommen haben konnte. Wenn aber nicht in der locomotorischen Bedeutung das Causal- moment für die Ausbildung dieser dorsalen Anhänge zu Flügeln gefunden werden kann , so wird es in einer andern Function eesucht werden müssen. Da tritt uns denn die Respiration entgegen, für die zugleich die Vergrösserung der Oberfläche eine wichtige Einrichtung abgibt. Jede Zunahme der Oberfläche steigert den respiratorischen Werth des Organs, und führt es damit auch der späteren Function entgegen. Dass die Flügel ontogenetisch später sich anlegen und ausbilden als die Tra- cheenkiemen der übrigen Metameren, gibt keinen Gegengrund gegen jene Auffassung ab, denn für jene umgewandelten Tracheenkiemen ist erst dann die Function möglich, wenn die nicht umgewandelten, respiratorischen, ihre Function verloren haben. In manchen Fällen gibt sich die Gliedmassennatur der Flügel in einer Gliederung kund, die jedoch nur als secundäre Anpassung gelten kann. Sie findet sich an dem einschlagbaren 2ten Flügelpaare der Coleopteren und der Forficuliden, in beiden Fällen mit der Umwand- lung des ersten Paares in Flügeldecken zusammenfallend. Beide Flügelpaare besitzen die gleichartigsten Verhältnisse bei den Pseudoneuropteren. In den übrigen vierflügligen Ordnungen sind sie grösseren Differenzirungen unterworfen. Ausser Grössenverschieden- heilen, die schon bei Hymenopteren und Lepidopteren meist in einem Ueberwiegen des ersten Paares sich zeigen, ergeben sich noch Modifi- cationen im Bau , wodurch ein geänderter functioneller Werth sich ausspricht. Bei den Orthopteren erscheint das erste Flügelpaar häufig nur als Deckorgan des zweiten, deutlicher bei den Käfern, deren zweites Paar häufig rudimentär wird. Die Flügeldecken sind dann zu Schutzorganen des unter ihnen geborgenen Abdomens geworden. Die Hemipteren bieten eine ähnliche Differenzirung. Nur das vordere Flügelpaar besitzen die Dipteren, bei denen ein hinteres Paar noch spurweise in den sogenannten Schwingkölbchen (Halteren) erhalten bleibt. Dagegen besteht bei den Strepsipteren nur das hintere , am dritten Thorakalsegmente befestigte Paar. Iutegument. § 1^1. Das Integument der Arthropoden erscheint selbständiger und un- abhängiger von der Muskulatur. Es lässt stets zwei Lagen unterscheiden. Integument. 26^3 Die von einer zuweilen sehr moditicirten Zellschichte abgeschiedene Cuticula überzieht, im Anschlüsse an die bei vielen Würmern be- stehenden Befunde, die gesammte Oberflache des Körpers, und setzt sich an den Oeffnungen innerer Organe zur Auskleidung letzterer fort. Durch ihre Mächtigkeit bildet sie den bedeutendsten Theil des Integu- mentes, an Dicke und Festigkeit ausserordentlich wechselnd. Weich und biegsam ist sie zwischen den Körpersegmenten, wo dieselben be- weglich mit einander verbunden sind, fester dagegen zumeist an den Metameren selbst, sowie an den Gliedmassen; im Allgemeinen bewegt sich ihre physikalische Beschaffenheit innerhalb einer grossen Breite, und von der weichen Körperhülle der Spinnen und der meisten In- sectenlarven, finden sich alle Uebergänge zu dem starren Panzer, der den Körper der meisten Krustenthiere, der Tausendfüsse, der Scorpione und unter den Insecten vorzüglich jenen der Käfer bedeckt. Der verschiedene Grad der Festigkeit hängt nicht blos von der Dicke der Cuticula , sondern von der Chitinisirung der Schichten derselben ab. Im neugebildeten Zustande erscheinen auch dicke Lagen noch weich, um erst mit dem Platzgreifen jener chemischen Umänderung an Besi- stenz zu gewinnen. Zur Erhöhung der Festigkeit dieses Chitinpanzers trägt bei vielen Krustenthieren, wie auch bei Myriapoden, die Ablage- rung von Kalksalzen bei. Das Starrwerden der Cuticula setzt der Ausdehnung des Körpervolums beim Wachsthum eine Grenze, und daraus entspringt in jenen Fällen für die Zeit der Fortdauer des Wachs- thums ein in Intervallen wiederkehrendes Abwerfen der Cuticula — die Häutung. Gemäss ihrer Entstehung zeigt die Cuticularschichte deutliche Lamellen. In der Begel wird sie von Porencanälen durchsetzt, in welche Fortsätze der Matrix sich einsenken. Die relativ dünne Matrix der Cuticularschichte ist homolog der Epidermis anderer Thiere. Ob- gleich sie in manchen Fällen iCrustaceen) Pigmente einschliesst, ist sie in der Begel farblos, denn die Färbung der Gliederthiere rührt meist von Pigmentablagerungen in der äusseren Chitinhülle her. Unter dieser auch als Hypoderm unterschiedenen Epithelschichte kommt noch eine Bindegewebsschichte vor, welche jedoch im Vergleiche zur Cuticular- schichte wie zur Matrix meist wenig entwickelt ist. § 192. Durch erhöhte Festigkeit der abgesonderten Chitinschichten treten diese in eine neue Function, bilden ein Hautskelet, welches nicht blos ein Schutzorgan für die in den Leibesraum gebetteten Organe vor- stellt, sondern auch zum Stützapparat wird, und der Leibes- muskulatur Ursprungs- und Insertionsstellen darbietet. Dieses Verhält- nis« erstreckt sich vom Körper auf dessen Gliedmassen, deren Inte°u- inent ebenfalls als Skelet für sie funsirt. 264 II. 5. Arthropoden. Die Entstehung grösserer ungleichartiger Abschnitte wirkt in mancher Beziehung umgestaltend auf das Hautskelet, indem sie Differenzirungen hervorruft. Solche sind durch Vorsprünge und Fortsatzbildungen des Hautskelets nach innen zu gegeben , welche sich besonders an den die Mundwerkzeuge oder Locomotionsorgane tragenden Abschnitten treffen. Sehr entfaltet sind diese Fortsätze an der Kopfbrust der höheren Krustenthiere. Auch fehlen sie nicht bei den übrigen Klassen. Sie finden sich besonders im Kopfe und Thorax bei Insecten (Käfer, Hymenopteren, Orthopteren), wo ihr Complex als »Endothorax« bezeichnet ward. Häufig bilden sie einen Stützapparat für das Ner- vensystem. Ihre Bedeutung läuft auf eine Vergrösserung der Muskel- ursprünge tragenden Binnenfläche des Hautskelets hinaus und steht mit der Differenzirung der Muskulatur in individualisirtere Gebilde in engem Zusammenhange. Als Skeletbildungen sind ferner die Schalen von Bedeutung, welche aus der Chitinbedeckung der Mantelduplicaturen mancher Brachiopoden sowie der Ostracoden hervorgehen, ebenso gehören hieher die Gehäuse der Cirripedien. Bei aller Verschiedenheit ihrer Form und Grösse bilden sie constante Einrichtungen. Zwei Paar Leisten oder Platten umschliessen den Eingang in die Mantelhöhle, und bilden einen beweglichen Deckel- apparat. Bei den Balaniden entwickeln sich die bei den Lepadiden nur rudimentären Schalenstücke zu einem zusammenhängenden starren Gehäuse (Fig. 119. ff), an welchem nur der den Eingang zur Mantel- höhle verschliessende Deckelapparat [e] beweglich bleibt. § 193. Verlängerungen oder Fortsätze des Integumentes erscheinen man- nichfach als Stacheln, Borsten oder haarähnliche Bildungen, die bei Krustenthieren , Arachniden und Insecten in unendlichen Modifika- tionen vorkommen. Sie sind bald innig und unbeweglich mit dem Chitinpanzer verbunden, dessen Auswüchse sie darstellen, wie die Borsten an gewissen Körpertheilen der Krustenthiere, die Haare der Spinnen, Baupen u. s. w. ; bald sitzen sie im ausgebildeten Zustande nur lose dem Körper an, wie die Schuppen der Schmetterlinge, die in ähnlicher Form auch in andern Abtheilungen, z. B. bei den Thysa- nuren vorkommen. In allen Fällen steht die Chitinbekleidung des Fort- satzes mit dem übrigen Integumente in continuirlichem Zusammenhang. An den beweglichen Anhangsgebilden dieser Art findet sich an der Ver- bindungsstelle ein weicherer Abschnitt der Chitinlage, während die Cuticula gleichartig auf die starren Fortsätze sich erstreckt. — Auch zu Stimmorganen werden bei manchen Insecten (Heuschrecken, Cicaden) Integumentgebilde wie Zähnchen und Leisten verwendet. Dem Integumente gehören Drüsenorgane an, welche aus Modi- fikationen der Epidermisschichte sich ableiten. In geringerer Ver- Muskelsystem. 265 breitung treffen sie sich bei den Krustenthieren, häufiger bei Insecten. Der seeernirende Theil der Drüse besteht entweder nur aus einer ein- zigen Zelle, oder aus einer geringen Anzahl von solchen, und der Aus- führgang wird grossentheils von Porencanälen der Cuticularschichte dargestellt. (Vergl. Fig. 7. S. 24.) Eine ansehnliche Entwickelung bieten die Hautdrüsen bei wachs- bereitenden Insecten an gewissen Körperstellen. Bei den Aphiden, mehr noch bei einzelnen Hymenopteren, sind Gruppen von Hautdrüsen in wachsabsondernde Apparate umgewandelt. Fernere Differenzirungen von Hautdrüsen stellen die Spinndrüsen der Araneen vor. Im Abdomen lagernde, auf mehreren Paaren unterhalb der Afteröffnung angebrachter Warzen (Spinnwarzen) ausmündende Drüsen liefern ein Secret , welches an der Luft zu einem Ghitinfaden erstarrend, die »Gewebe« dieser Thiere bildet. Ein nur functionell hierher gehöriger Apparat findet sich bei Peripatus. Zwei Gruppen verzweigter Röhren gehen je in einen zuweilen erweiterten Ausführgang über, der an der Basis einer Mundgliedmasse sich öffnet. Das Secret ist ein rasch fest werdender Klebstoff. Morphologisch scheinen diese Organe zu jenen zu führen, die bei den Larven vieler Insecten bestehen und damit sich als gemeinsam ererbt gellend machen. In den Larven von Schmetterlingen, manchen Käfern und Hymenopteren liegt neben dem Darme ein Paar langer, meist gewundener Drüsenschläuche , deren dünne Ausführgänge an der Unterlippe vereint sich öffnen. Ihr Secret liefert den Seidenfaden der Gespinnste dieser Larven. Vor dem Ein- tritte des ruhenden Puppenzustandes bieten die »Spinngefässe« (Seric- tarien) den höchsten Grad ihrer Ausbildung dar; nach der Fertigung des Gespinnstes erliegen sie einer Rückbildung. Andere Drüsen erscheinen endlich durch ihr Secret als Gift- drüsen , z. B. bei Spinnen am Klauenfühler mündend, bei Scorpionen am Schwanzstachel. Sie vermehren den Beichthum der aus dem Drüsenapparat des Integumentes gestalteten Differenzirungen. Muskelsystem. § 194. Die Muskulatur bietet bei den Arthropoden nicht mehr jenes gleichartige Verhalten einzelner Bings- oder Längsfaserschichten wie am Hautmuskelschlauche der Würmer. Vielmehr ist eine Sonderung eingetreten, und wir treffen discrete Bündel aus einer verschieden grossen Summe quergestreifter Muskelfasern. Davon macht nur Peri- patus eine Ausnahme, dessen Muskulatur auch durch den Mangel von Querstreifung der Elemente vielmehr an jene von Würmern sich an- schliesst. Sonst ist allgemein der Hautmuskelschlauch zu einem Com- plexe einzelner Muskeln umgebildet, die zusammen ein Muskel- 26(3 II. 3- Arthropoden. System vorstellen. Da das Skelet der Arthropoden ein äusseres ist, nehmen die Muskeln Ursprungs- und Ansatzstellen im Innern der Hohlcylinder oder C\ linderabschnitte , als welche sich sowohl die Körper- wie die Gliedmassensegmente darstellen. Diese Bildung eines Ilautskeletes ist zugleich als ein auf die Muskulatur diff'erenzirend wirkender Factor zu betrachten, insofern erst mit der Gewinnung fester Ursprungs und Insertionsstellen die Entstehung einzelner Mus- keln möglich wird. In der Zahl der einzelnen Muskeln wie in ihrer mannichfachen Anordnung bietet das Muskelsystem eine hohe Ent- wickelungsstufe , die immer der verschiedenartigen Bedeutung der Metameren und der verschiedengradigen Ausbildung derselben ent- spricht. Sie differirt in gleicher Weise von der Muskulatur der Bingel- würmer, wie diese durch die mehr homonome Metamerie von der heteronomen der Arthropoden sich unterscheiden. Bei einer Gleichartigkeit der Metameren ist auch die Muskulatur derselben gleichartig, sowie durch die ungleichartige Entwicklung ein- zelner Metameren, sei es durch die Verschmelzung einiger oder meh- rerer derselben zu einem grösseren Körperabschnitte oder sei es durch Bückbildung, eine entsprechend ungleichartige Anordnung der betreffen- den Muskeln in den bezüglichen Abschnitten zu Stande kommt. Einen bedeutenden Einfluss auf die Entfaltung der Muskulatur besitzt die Ausbildung der Gliedmassen , und bei der Vergrösserung der glied- massentragenden Metameren im Gegensatze zu den übrigen hat die Muskulatur einen betrachtlichen Antheil. Das Zahlenverhältniss der Muskeln sowie ihre Anordnung erleidet bei den einer Metamorphose unterworfenen Arthropoden oft beträcht- liche Veränderungen. Dies gilt sowohl für die progressive als für die regressive Form. Bei der ersteren ist die Veränderung eine Differen- zirung in ungleichwerthige Gruppen; bei der letzteren eine Bückbil- dung grösserer Partieen, wie solches bei den parasitischen Crustaceen, auch bei festsitzenden Formen derselben, sich trifft. Nerveiisystem. § 195. Das Nervensystem der Arthropoden schliesst sich an jenes der Anneliden an , mit dem es in seinen Grundzügen vollständig im Ein- klang sich findet. Eine über dem Schlünde lagernde Ganglienmasse erscheint als Kopfganglion oder Gehirn, von welchem zwei Gommissuren den Schlund umgreifen, mit einem ventralen Ganglion sich zum N e r v e n s c h 1 u n d r i n g verbindend. Von diesen untern Gan- glien aus erstreckt sich eine durch Längscommissuren verbundene Beihe von Ganglien längs der ventralen Innenfläche des Leibes, die Bauch- ganglienkette. Das Uebergewicht des Kopfganglions über die ven- Nervensystem. 267 tralen Ganglien, schon bei Ringel Würmern vielfach wahrnehmbar, wird bei den Arthropoden im Allgemeinen noch ausgeprägter, und dieser zum Theile durch die Beziehungen zu höher entfalteten Sinneswerk- zeugen bedingte Umstand lässt es begreifen, wenn man in der dorsalen Schlundganglienmasse etwas dem Gehirne der Wirbelthiere Aehnliches hat erkennen wollen. Von einer solchen Anschauung geleitet, ver- glich man auch die Bauchganglien, als Bauchmark, mit dem Bücken- marke der Vertebraten, und hat diese Bestrebungen noch weiter aus- zuführen gesucht. Diese Versuche ignoriren die gänzliche Verschieden- heit des bei Arthropoden und YYirbelthieren sich ausprägenden Typus. Die Massenentfaltung des Gehirns steht, wie oben angedeutet, in directem Zusammenhang mit der Entwicklung der höheren Sinnes- organe, besonders der Sehwerkzeuge, und zeigt ihre Modificationen zum grossen Theile von diesen abhängig. Auch die Bauchganglienkette er- leidet wesentliche Modificationen, bei denen sich aber überall eine ge- setzmässige Abhängigkeit von dem Zustande der Metameren des Kör- pers nicht verkennen lässt. Das Vorhandensein gleichartiger Metameren bedingt die Gleichartigkeit der Ganglien des Bauchstranges und eine gleichmässige Folge derselben. Bei vorwiegender Ausbildung einzelner Metameren trifft sich auch eine bedeutendere Entfaltung der bezüg- lichen Ganglien, sowie bei Concrescenz von Metameren eine Annäherung einzelner Ganglien-Gruppen bemerkbar ist, die nicht selten zur völligen Verschmelzung in mehrere grössere Ganglien oder zur Bildung einer einzigen grossen Bauchmarkmasse führt. Die Ganglien der Bauchganglienkette sind ursprünglich paarig, durch je eine Quercommissur verbunden, wie bei den Bingelwürmern. Durch Verkürzung dieser Quercommissuren tritt eine Annäherung und endlich eine jedoch mehr äusserliche Verschmelzung ein. Das p e r i p h e r i s c h e N e r v e n s y s t e m entspringt aus den durch Ganglienzellen ausgezeichneten Anschwellungen des centralen, nämlich des Gehirns und der Bauchkette. Die Nerven treten entweder un- mittelbar aus dem ganglionären Abschnitte heraus, oder sie verlaufen noch eine Strecke weit mit den Längscommissuren, um erst von diesen abzugehen. Die höheren Sinnesnerven entspringen in der Begel von dem Ge- hirnganglion. Das gilt vorzüglich für die Nerven der Augen und der Antennen. Neben den für die Muskulatur und das Integument bestimmten Nerven gibt es noch solche für die Eingeweide, von denen die Darm- nerven am genauesten bekannt sind. Sie schliessen sich zum Theil an die bei den Anneliden bestehenden Einrichtungen an. Da ihrem Verlaufe eigene Ganglien eingebettet sind, stellen sie ein in gewissem Grade selbständiges Nervensystem vor. das man als »Mundmagennerven- system« bezeichnet. Ein besonderes, vorzugsweise bei den Insecten bestehendes Eingeweidenervensystem nimmt seine Wurzeln von den 268 II. 5. Arthropoden. Ganglien des Bauchmarks, und ist als sympathisches Nervensystem bezeichnet worden. § 196. Für die im vorigen Paragraph aufgeführten Erscheinungen bietet das Nervensystem der Crustaceen zahlreiche Beispiele. Die Aus- bildung des Gehirnes in Abhängigkeit von der Entfaltung der Seti- werkzeuge zeigt sich sowohl bei den Thoracostraken , wie unter den Arthrostraken, bei den erossäucieen Hvperiden l Phronima i , deren Seh- nerven aus- besonderen , übrigens auch bei den Asseln unterscheidbaren Lappen hervorgehen. Eine Sonde- rung der Gehirnmasse in einzelne Gangliengruppen tritt im Allgemeinen als Ausdruck höherer Differenziruns; auf. Diesem Verhalten stellen sich die Bückbildungen gegenüber, welche das Gehirn bei einer Beduction oder giinzlichem Verluste der Sehorgane erleidet, womit meist auch ein Schwin- den der Antennen verbunden ist. Sowohl bei den parasitischen Cope- poden wie bei den Cirripedien Fig. 129. B. gs) finden sich solche Zu- stände, denen zufolge das Gehirn in einzelnen Fällen nur durch eine Com- missur repräsentirt erscheint. Was die Bauchganglien betrifft, so ist das vorderste derselben durch eine sehr verschieden lange Commissur mit dem Gehirne in Zusammenhang. Die Länge dieses Stranges erscheint von der Lagerung des Mundes in Be- zug auf die Gehirnganglien (resp. zu den Ausen und Antennen) abhängte. Sehr bedeutend ist die Länge bei den Malacostraken (Fig. 128. c, Fig. 129. A)., auch bei manchen Anderen (Cirripe- dien, Fig. 129. B. c), während wieder bei Anderen eine so bedeutende Ver- Fig. 128. Nervensystem von Squilla. 0 Augen, a' Erstes, a" zweites Antennenpaar. p Fangfüsse, mit einschlagbaren Endgliedern versehen, p' Ruderfüssft, das letzte Paar der fussartigen Anhänge geht in Schwanzflossen- bildung ein. m Muskeln, gs Oberes Schlund- ganglion, c Commissurstränge. g' Thoracal- ganglien. g" g" glv Bauchganglien. kürzung besteht, dass Gehirn- und Bauchganglien eine einzige, vom Oesophagus durchsetzte Nervenmasse bilden (GorvcaeTden) . Nervensystem. 269 Die Vertheilung der Ganglien der Bauchkette nach den einzelnen Metameren erscheint am gleichmässigsten bei den Phyllopoden, die darin am wenigsten von primitiven Verhältnissen sich entfernt haben. Der Bauchstrang wird hier aus einer grossen Anzahl von Ganglienpaaren (ca. 60 bei Apus) zusammengesetzt, die unter allmählicher Abnahme der Quer- wie der Längscommissuren sich folgen, indess bei den Daph- niden entsprechend der geringeren Metamerenzahl auch nur wenige, aber sonst sich ähnlich verhaltende Ganglien vorkommen. Unter den Thoracostraken erscheinen die Ganglien des Bauch- stranges zum grossen Theile gleichfalls noch discret, allein der Gon- crescenz vorderer Metameren zu einem mehr oder minder aus- gedehnten Gephalothorax ent- spricht eine Verschmelzung der vorderen Ganglienmassen , die in sehr verschiedenem Maasse ausgeführt erscheint. So bilden die bei den Stomapoden (Fig. 128i die vorderen Mundfüsse wie die RauMtisse {])) versorgen- den Ganglien einen grösseren Complex •((/') , an den eine selbständiger sich verhaltende, zie- 9 j bis zum Schwanzsegment hende Ganglienreihe [g", g1Y) sich anschliesst. Unter den langschwänzigen Decapo- den scheinen in den 6 auf den Cephalothorax treffenden Gan- glienpaaren gleichfalls Concres- cenzen vorzuliegen , während die 6 kleineren Ganglien des Abdomens noch vollständig den Metameren entsprechen. Wei- tere Verschmelzungen kommen bei einzelnen Macruren an den Brustganglien zum Vorschein Fig. 129. A Nervensystem einer Krabbe (Carcinus maenas). gs Gehirnganglien, o Augen-, a Antennen- nerv, c Schluudcommissur. i Querverbindung der Scblundcoramissur. gi Verschmolzenes Bauchmark. (Nach Milne- Edwards.) B Nervensystem eines Cirri- peden (Coronula diadema), von der Bauchfläche gesehen, gs, c, gi wie A. a Antennennerven, die sich über den Mantel vertheilen. Zwischen ihnen liegt das mit dem Gehirn verbundene »Augenganglion«, in Nerv zum Magen, s Eingeweidenerv, der sich mit einem vom Schlundring kommenden zweiten Eingeweidenerv s' zu einem Geflechte s " verbindet. (Nach Darwin.) (Palinurus) , und bei Pagurus sind in Anpassung an die Ver- kümmerung des Abdomens, die Ganglien dieses Abschnittes nur durch ein einziges vorgestellt. Daran reihen sich die Brachyuren, bei denen die gesammte Bauchganglien- kette sogar zu einem einzigen Ganglion verschmolzen erscheint (Fig. 129. A. g. L). Solche Beductionen finden sich auch in anderen Abiheilungen der 270 U. 5. Arthropoden. Krustenthiere und sind wieder grossentheils als Anpassungen an Ver- änderungen der Leibesform nachweisbar. Wir treuen jene Concen- tration unter den Copepoden, bei denen die Calaniden eine aus Gan- glien gebildete Bauchkette besitzen, die bei den Corycae'iden zu einer sogar dem Gehirne angeschlossenen Masse zusammengezogen ist. Ebenso besteht unter den Cirripedien bei den Lepadiden eine Reihe von 4 — 5 Ganglien im Bauchstrang, den bei den Balaniden eine einzige Ganglien- masse repräsentirt (Fig. 129. B. gi). Unter den Arthrostraken zeigen sich ähnliche Erscheinungen . doch ist das Bestehen einer grösseren Ganglienzahl (10 — 12 bei Amphipoden. 7 — 13 bei Isopoden) die Regel. § 197. Bei den Protracheaten ist ein sehr niederer Zustand des Ner- vensystems erhalten. Ein sehr entwickeltes eng verbundenes Paar Gehirnganglien schickt um den Mund herum seitliche Nervenstränge nach unten. Unterhalb des Schlundes sind sie einander genähert, treten dann zuerst etwas divergirend an der Ventralfläche zum Hinter- leibsende. Eine Vereinigung dieser Nervenstränge findet am Ende statt. In der ganzen Länge sind sie (bei PeripatusEdwardsii) durch feine Quercommissuren , von denen die vordersten die deutlichsten sind, unter einander im Zusammenhang. Anschwellungen der Bauchstränge o c o fehlen, und werden durch eine mehr gleichmässige Einlagerung von Ganglienzellen ersetzt. Damit entspricht dieses Verhalten einem inditlerenteren Zustande der Bauchganglienkette, die aus einer Son- derung in den Längsstämmen vertheilter Ganglienzellen auf einzelne den Metameren entsprechende Parthieen hervorging. Da bei den Branchiaten die Differenzirung der Bauchganglien eine durchgreifende Erscheinung ist, tritt der Befund bei Peripatus noch tiefer herab, und trägt dazu bei, die Unabhängigkeit der Tra- cheaten von jenen zu begründen. § 198. Das Nervensystem der Myriapoden zeigt einen bedeutenden Fort- schritt in der Bildung eines Bauchstranges, der fast vollkommen gleich- artig die Länge des Körpers durchzieht, und seine Ganglien genau den Metameren entsprechend vertheilt zeigt. Das erste, die Mundglied- massen versorgende Ganglion zeigt zuweilen deutlich seine Zusammen- setzung aus einer Gangliensumme. Die folgenden sind je nach dem Ausbildungsgrade der Gliedmassen mehr oder minder voluminös, in regelmässigen Abständen aufgereiht, und bei den Diplopoden zu je zweien sich folgend. Unter Verkürzung der Längscommissuren stellen sie dicht gereihte Anschwellungen dar 'Juliden). Eine solche zur Con- crescenz leitende Näherung findet sich allgemeiner an den letzten ■o Ganglien auch bei sonst deutlicher Trennung. Die Zahl dieser Ganglien entspricht der Metamerenzahl , und kann so bis zu 140 (Geophilus) Nervensystem. 271 steigen. In diesen Einrichtungen spricht sich ein der Grundform der höheren Tracheaten am nächsten stehender Zustand aus. Unter den Arachniden sind Reductionen und Verschmelzungen der Bauchganglien eine verbreitete Erscheinung. Für alle ist die enge Verbindung der Gehirnganglien mit dem Bauchmarke durch ausnehmend kurze Cotn- missuren charakteristisch. Am reichsten ist die Gliederung des Nervensystems der Scorpione. Das wenig entwickelte Kopfganglion sendet zwei kurze Commissuren zur Bauchkette . die aus 8 Ganglien besieht. Das erste davon ist durch seine Grösse ausgezeichnet und erscheint dem einzigen grossen Ganglion im Cephalo- thorax der Spinnen homolog. Es gibt, wie dort, den Fussnerven Ursprung und muss somit ebenfalls aus mehreren hervor- gegangen sein. Die drei nachfolgenden Ganglien sind noch im Cephalothorax gela- gert, und die vier letzten, weit auseinander gerückten , treffen für die Metaineren des Schwanzes. Bei den Galeoden und Phryniden wie bei den Araneen ist die Ganglienkette durch ein grosses Bauchganglion vertreten, welches (Fig. 130. i) besonders bei den Spinnen von strahliger Gestalt die Nerven der ven- Fig.130. Nervensystem von Thely- phonus caudatus. s Gahirn- ganglion. i Bauchganglion, o Augen. 2> Palpen, p' - pIV Füsse. tr Lun- gen, c Schwanzartiger Körperan- hang. (Nach Blanchard.) tralen Gliedmassen und ausserdem noch zwei ins Abdomen verlaufende , bei den Galeoden nach den Metameren des Abdo- mens verzweigte Nervenstämme entsendet. Bei allen diesen Abtheilungen gibt das meist deutlich paarige, und bei den Galeoden (Fig. 130. s) besonders ansehnliche Gehirnganglion die Nerven für die Augen ab, und dicht neben den Sehnerven ent- springen bei den Spinnen die Nerven der Klauenfühler, deren Bedeu- tung als metamorphosirte Antennen damit hervortritt. Eine vollkommene Goncentration aller Centraltheile des Nerven- systems zeichnet die Acarinen aus, bei denen die meist nur wenig entwickelten Gehirnganglien sogar nur durch eine Commissur vertreten sein können. Das ansehnliche, einen einzigen Knoten bildende Bauch- mark zeigt noch manchmal Spuren einer Gliederung in der Vertheilung der Ganglienzellen und faserigen Elemente und schickt ringsum Nerven ab. Auf Verminderung der Ganglienzahl in Folge einer Reduction der Körpersegmente beruht das einfache Verhalten des Nervensystemes der 272 II. 5. Arthropoden. Pycnogoniden, deren Gehirn durch kurze Commissuren mit dem aus vier Ganglienpaaren gebildeten Bauchmarke verbunden ist. § 199. Bei den Insecten erscheint eine, der ursprünglichen gleichartigen Gliederung des Körpers entsprechende Form im Anfange der Ontogenie, und alle späteren Bildungen des Nervensystems sind aus dieser ent- standen. Der Bauchstrang durchzieht mit gleichmässig von einander entfernten Ganglien in der Begel die ganze Länge des Thieres, so dass sein letztes Ganglion im letzten Körpersegmente liegt. Dies Verhalten entspricht der in diesen Stadien vorhandenen Gleich- werthigkeit der Metameren und deutet auf eine Vererbung aus einem niederen Zustande, wie er bei Myriapoden bleibend getroffen wird. Erst bei dem Uebergange des Insects aus dem Larven- ß Fig. 131. Nervensystem von Insecten. A von Termes (nach Lesp£s). B eines Käfers (Dytiscus). 6' einer Fliege (nach*>LANCHAKD|. gs Oberes Schlundganglion (Gehirnganglion), gi Unteres Schlund- ganglion, gr g" g3 Verschmolzene Ganglien des Bauchmarks, o Augen. zustande in den vollkommenen treten Aenderungen auf. Die Aus- bildung einzelner Metameren , die innige Vereinigung anderer zu grösseren Körperabschnitten, die bedeutendere Entfaltung der nur an wenigen Metameren fortbestehenden Gliedmassen und die damit in Zusammenhang stehende mächtigere Muskulatur an jenen, sowie zahl- reiche untergeordnetere Einrichtungen, müssen mit den Umwandlungen des Nervensystems in Wechselwirkune gedacht werden. DerVerminde- rung der Ganglienzahl durch Verkürzung der Längscommissuren und die damit auftretende Verschmelzung einzelner Ganglien ruft eine Ver- kürzung des gesammten Bauchstrangs hervor. Bei der Selbständigkeit,. Nervensystem. 273 welche der Kopf des Inseets den übrigen Segmenten gegenüber behält, bleibt auch das erste in den Kopf gebettete, ursprünglich aus dreien bestehende Ganglion [unteres Schlundganglion (Ganglion infraoesopha- geum)] des Bauchmarks ausser Betheiligung bei den die übrigen Ganglien betreffenden Concrescenzen, und nur in selteneren Fällen — bei durch Parasitismus verkümmerten Insecten — findet eine Vereinigung auch dieses Ganglions mit dem übrigen Bauchmarke statt. Das Gehirnganglion (Fig. 131 A B C gs) zeigt fast immer deutliche Scheidung in zwei Hälften, deren jede wieder aus einzelnen kleineren, oft complicirt gebauten Ganglienmassen sich zusammensetzt. Die ursprünglich paarigen Ganglien des Bauchmarks gehen meist innige Verbindungen ein. Dagegen erhalten sich die Längscommissuren, auch bei dichter Aneinanderlagerung, doppelt. Eine Scheidung des Bauch- stranges in einen oberen und unteren Abschnitt entspricht einer func- tionellen Differenzirung. Das erste Ganglion des Bauchmarks (G. infraoesophageum) ent- sendet Fäden für die Mundorgane. Die darauf folgenden drei Thorakal- Ganglien geben vorzugsweise die Nerven für die Gliedmassen — Füsse und Flügel — ab, und ergeben sich demgemäss von bedeutenderer Grösse. Dagegen sind die übrigen Ganglien in der Begel unansehnlich, und nur das letzte erscheint entsprechend seiner Beziehung zu dem Geschlechtsapparate ansehnlicheren Umfanges. Schon bei den Apteren bieten sich ziemliche Verschiedenheiten dar, denn die Thysanuren lassen 1 1 Bauchganglien (Lepisma) erken- nen, indess bei den Collembolen nur 3 — 4 solcher vorhanden sind. Die letzte Strecke des Bauchstranges scheint bei manchen (Orchesella, Achorutes) einen Complex von Ganglien vorzustellen. Bezüglich der Pterygoten ist für die einzelnen Ordnungen hervor- zuheben, dass die Pseudoneuroptera die geringsten Veränderungen darbieten. Ihr Bauchmark durchzieht die Länge des Körpers , und ausser den drei Thorakalganglien sind noch 5 — 9 Abdominalganglien vorhanden. (Vergl. Fig. 131.. 4.) Daran schliessen sich die Orthopteren mit 5 — 7 Abdominalsanslien. Grosse Verschiedenheit bieten die Coleopteren dar. Bei den einen erstreckt sich das Bauchmark bis zum Ende des Abdomens, zuweilen mit 8 einzelnen Ganglien (z. B. bei Cerambyciden, Carabiden u. a.), bei anderen dagegen sind nicht blos die 3 Ganglien des Brust- abschnittes durch zwei dargestellt, indem das zweite und dritte ver- schmolzen, sondern es sind auch die abdominalen Ganglien zu einer Masse verbunden, die dem vorhergehenden Ganglion unmittelbar folgt (Curculioniden und Lamellicornier). Zwischen diesen die Extreme repräsentirenden Zuständen finden sich bei anderen Familien vielerlei Verbindungsglieder vor. Bei den Hymenopteren treffen wir meist eine Beduction der Thorakalganglien auf zwei, wogegen der abdominale Theil des Bauchstranges häufig fünf oder sechs getrennte Ganglien Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. * \ g 274 II. 5. Arthropoden. aufweist. Diese reduciren sich jedoch bei vielen auf 4 — 3, ja sogar bis auf eines. Der abdominale Theil des Bauchmarks rückt bei den Hemipteren in den Thorax und wird hier durch eine Ganglienmasse dargestellt, die mit den gleichfalls einfachen Thorakalganglien bald durch eine kürzere, bald durch eine längere Commissur verbunden ist. Die für das Abdomen bestimmten Nerven nehmen demnach einen längeren Verlauf und bilden zwei vom letzten Ganglion entspringende Längs- stämme. Eine ähnliche Verschiedenheit der Ganglienzahl des Bauch- marks herrscht bei den Dipteren, unter denen die primitivsten Ver- hältnisse bei Pulex bestehen: 3 Thorakal- und 7 — 8 Abdominal- ganglien, bald der die Begel Sonst ist eine bedeutende Beduclion durch Verschmelzung Thorakal- bald der Abdominal - Ganglien bald an beiden (Fig. 131. C). Daran schliesst sich die völlige Verschmelzung des Bauchmarks zu einem einzigen länglichen Knoten bei den schma- rotzenden Pupiparen. Aehnliches bietet sich bei den Strepsipteren dar. Was die Lepidopteren betrifft , so besteht hier grössere Einför- migkeit , indem sowohl bei den Larven eine constante Ganglienzahl sich trifft, wie auch bei gleiche Modus der sehen scheint. der Umwandlung Verschmelzung im in den Schmetterling der Wesentlichen überall zu herr- fc& "Fig. 132. Oberes Schlundganglion, nebst Eingeweidenervensystem «ines Schmetterlings (Bom- byx Mori). g s Oberes Schlund- gangliou (Gehirn), a Fühlernerv, o Sehnerv, r Unpaarer Stamm des Eingeweidenervensystems, r' dessen Wurzeln aus dem oberen Schlundganglion, s Paariger Nerv mit seinen Ganglienanschwellun- gen s' s". (Nach Brandt.) § 200. Das E in ge weidenerven svst ein der Arthropoden lässt bei grosser Mannichfaltig- keit im Einzelnen doch manche gemein- same Einrichtung wahrnehmen. Unter den Crustaceen treten Nervenfädchen von der Schlundcommissur zum Darme oder es ist das Bauchmark, von dem ein Nerv zum Darm- canal tritt. (Bei Astacus aus dem letzten Ganglion.) Auch bei den Arachniden sind es theils vom Gehirn , theils von den Bauchganglien abgehende Nerven, welche zum Darme ver- laufen, bei Opilioniden sind die hinteren mit zahlreichen Ganglien ausgestattet. Bei den Insecten und Myriapoden ist die Scheidung des Eingeweidenervensystems in mehrere Abschnitte allgemeiner erkannt, wes- halb wir dieses Verhalten vollständiger anfüh- ren. Der eine bildet das sogenannte paarige System, welches aus zwei vom Gehirnganglion nach hinten zur Seite des Oesophagus verlau- fenden Stämmchen besteht, durch die jeder- seits eine einfache Ganglienkelte (Fig. 132. s' s") Sinnesorgane. 275 gebildet wird. Die Zahl dieser Ganglien wechselt . und wegen ihrer plexusartigen Verbindung mit dem unpaarigen Systeme ist es oft schwer zu entscheiden, welche davon dem einen oder dem anderen Systeme angehören. Das unpaarige System [r r') hat seinen Ursprung in einem vor dem Gehirn liegenden , mit diesem in ein- oder mehrfacher Ver- bindung stehenden Ganglion. Von demselben verläuft ein stärkerer Nerv (r) rückwärts über den Oesophagus bis zum Magen herab und bildet mit den Zweigen des paarigen Abschnittes ein Geflechte , aus dem die benachbarten Theile, vorzüglich jene des Verdauungsappa- rates, versorgt werden. In manchen Insecten bildet jener Nerv (N. recurrens) ein einziges Ganglion (Käfer und Orthopteren) , bei anderen mehrere (Schmetterlinge) . Mit diesen Geflechten steht noch ein anderes System von Nerven- stämmchen in Verbindung, welches vorzüglich für die grösseren Tracheen- äste und die Muskulatur der Stigmen bestimmt ist. Diese Einrichtung kommt durch ein auf der Oberfläche der Bauchkette verlaufendes Nerven- fädchen zu Stande, welches sich vor jedem Ganglion gabelförmig in zwei Aeste spaltet (Nervi transversi accessorii) . Die Aeste nehmen von dem oberen Strange der Bauchkette Nervenzweige auf und verlaufen theilweise nach aussen zu den Tracheenstämmen und der Muskulatur der Stigmen, theilweise nach hinten , wo sie in der Mitte zusammentreffen , um am nächsten Ganglion wieder in gleicher Weise sich zu verhalten. Sinnesorgane. Tastorgane. § 201. Die Sinnesorgane der Arthropoden schliessen sich grösstentheils an jene der Würmer an. Nur wenige lassen keine solche Verbindung er- kennen und sind als erst innerhalb dieser Abtheilung zu Stande gekom- mene Einrichtungen anzusehen. Die panzerartige Körperdecke der meisten Arthropoden ruft zur Vermittelung der Tastempfindung besondere Appa- rate hervor, deren Formelemente mit Ganglienzellen verbundene stäb- chenförmige Nervenendigungen vorstellen. Diese Ganglienzellen sind allgemein aus dem Ectoderm hervorgegangene Bildungen, und nicht selten ist der ganze Apparat in seiner primitiven Lage vorhanden. An den verschiedensten Stellen des Körpers verbreitet, bilden diese Endorgane indifferente Sinnes Werkzeuge, die an bestimmten Theilen sich zu Tastapparaten gestalten. Vergl. Fig. 133. Solche Organe sind vorzüglich an Gliedmassen vertheilt, und lassen dort stäbchenförmig vorragende Endigungen erkennen. In der Abtheilung der Crustaceen sind diese Taststäbchen in grosser Verbreitung erkannt worden, und zwar nicht blos an Antennen, besonders der niedern Crustaceen, sondern ebenso auch an andern An- is* 276 II. 5. Arthropoden. hangsgebilden des Körpers. Bei Myriapoden und Insecten sind Taststäb- chen an den Antennen , bei den letzteren auch an den Tarsalgliedern der Füsse anzutreffen. Ausser diesen Taststäbchen finden sich an den Antennen von Kruste nthieren und Insecten noch besondere den Tast- stäbchen ähnliche Gebilde, zuweilen von bedeutender Ausdehnung vor, die auf dieselbe Weise wie die Taststabehen mit Nerven versorgt werden. Bei den Cru- staceen finden sie sich nur an dem inne- ren (vordem) Antennenpaare. Bei den Insecten sind sie weit kürzer und von konischer Gestalt. Die Localitäten ihres Vorkommens , sowie der Umstand , dass sie von längeren indifferenten Borsten überragt werden , oder in Vertiefungen sitzen, macht es wahrscheinlich, dass diesen Organen eine andere Verrichtung zukommt, wobei an eine Geruchs- wahrneh mung, oder doch an eine dieser nahe stehende Empfindung ge- dacht werden kann. Somit würden also die Antennen durch Differenzirung be- sonderer Nervenendigungen eine mehr- fache Function verrichten, und nicht blos dem Tastsinne vorstehen. Fig. 133. Nervenendigung mit Taststäb- chen vom Rüssel einer Fliege (Musca) n Nerv, g Ganglionäre Anschwellung, s Taststäbchen, e Feine Härchen der Cuticula. (Nach Leidig.) Höroreane. § 202. Hörorgane sind bei den Arthropoden nur in beschränkter Weise bekannt geworden, indem man bei den Myriapoden und Arachniden jede Spur davon vermisste , bei Krustenthieren und Insecten dagegen nur in einigen Abtheilungen solche Organe nachweisen konnte, die zur Schall- empfindung geeignet erscheinen. Es sind vorzüglich zwei Organformen, welche sich streng nach dem Medium, in dem die Thiere leben, vertheilen. Die eine Form findet sich bei Krustenthieren und besteht aus einem sackartigen, durch eine Ein- stülpung des Integumentes gebildeten Baume, der entweder offen bleibt, oder sich schliesst. Diese Hörblasen liegen bei den meisten höhern Krustenthieren am Basalgliede der inneren Antennen. So bei Leucifer, Sergestes und anderen Malacostraken, und auch bei Arthrostraken (Hy- periden) ist das Bestehen eines vor dem Gehirn gelagerten Paares dieser Organe nachzuweisen. Sie kommen auch als secundäre Bildungen an Sinnesorgane. 277 anderen Körpertheilen vor. So liegen sie bei den Mysiden in den beiden inneren Lamellen des Schwanzfächers. In den Hörblasen finden sich feste Gebilde, Ololithen, vor, welche bei den geschlossenen Hörblasen (bei My- sis und Hippolyta) aus einem Concremeute bestehen, welches von feinen, in regelmässiger Weise angeordneten Härchen festgehalten wird. Bei den offenen, unter den Decapoden sehr verbreiteten, aber auch den Scheeren- asseln (Tanais) zukommenden Hörblasen finden sich manche Complica- tionen in der Ausmündung. Die Stelle der Otolithen wird hier durch von aussen eingebrachte Sandkörnchen vertreten , welche von bestimmten von der Hörblasenwand entspringenden Haaren in regelmässiger Weise befestigt werden. Diese sind andern Haaren des Integumentes ähnlich, aber dadurch ausgezeichnet, dass ihr Schaft nur indirect mit dem Boden der Hörblase verbunden ist, indem er grösstenteils auf einem zarten membranösen Vorsprunge steht, zu welchem Endigungen von Nerven treten. Sie stimmen dadurch mit den stäbchenförmigen Fortsätzen über- ein , welche bei den Mysiden den Otolithen tragen, denn auch zu diesen tritt der Nerv. Der Hörnerv ist bei den Vorgenannten ein Zweig des in- nern Antennennerven, wo die Hörblase der inneren Antenne eingebettet ist. In den beiderlei Bildungen finden sich somit Endapparate von Nerven vor, welche durch Erschütterungen des von ihnen getragenen festen Kör- pers (Otolithen) in Schwingungen versetzt werden, und dadurch eine Nervenerregung vermitteln. Die Gesammteinrichtung dieser merkwürdigen Apparate zeigt uns die Genese der Hörorgane aus einer Differenz irung mit dem Integumente verknüpfter indifferenter Empfindungsorgane. Die Hörhaare sind nur Mo- dificationen anderer, Nervenendigungen bergender »Haare« des Integu- ments, wie sie auch an freien Körperstellen vorkommen können (Tast- stäbchen )•. Die Bildung der ungeschlossenen Hörblasen oder der »Hör- gruben« repräsentirt dann eine zweite Stufe jener Differenzirung, und in der Umwandlung in eine geschlossene Blase ist für diese Erscheinung ein ferneres Stadium ausgedrückt. Hessen, Zeitschr. f. wiss. Zool. XIII. § 203. Die andere Form von Hörorganen ist bei Insecten bekannt. Vorzüg- lich sind es die auch mit Stimmorganen begabten Orthopteren , die ein Organ zur Aufnahme von Schalleindrücken erkennen lassen. Die allge- meine Einrichtung besteht in einer trommelfellartig an einem festen Chitin- ring ausgespannten Membran, mit der einen Fläche nach aussen, mit der anderen nach innen gekehrt. An der Iunenfläche lagert eine Tracheenblase, und auf dieser oder auch zwischen ihr und dem »Tympanum« findet eine ganglionäre Nervenausbreitung statt, von welcher eigenthümlich modifi- cirte Nervenendigungen in Gestalt kleiner keulenförmiger Stäbchen mittelst feiner Fäden entspringen. Sowohl das Tympanum als die Tracheenblasen 278 H. 5. Arthropoden. dienen als schallleitende Organe. Die percipirenden Organe werden durch die in bestimmter Anordnung gelagerten Nervenendigungen vorgestellt. Bei den Acridiern liegt das Organ im Metathorax dicht über der Basis des dritten Fusspaares und empfängt seinen Nerv vom dritten Brustganglion. Die Locustiden und Achetiden besitzen das Organ in den Schienen der beiden Vorderfüsse verborgen. Bei den ersteren liegt auf beiden Seilen des genannten Fusses ein Tympanum , entweder oberflächlich oder im Grunde einer Höhlung, die vorne mit einer einzigen Oeffnung ausmündet. Den Baum zwischen beiden Tympanis nehmen zwei Tracheenstämme ein, von denen einer den Nervenendapparat in Gestalt einer Leiste trägt. Bei Locusta wird diese Hörleiste von einer Beihe gegen das eine Ende zu all- mählich kleiner werdender Zellen gebildet, deren jede ein entsprechend grosses »Stäbchen« umschliesst. An der äussern Seite der Vorderbein- schienen liegt das Tympanum der Achetiden. An diese in ihrem ganzen Baue als Hörwerkzeuge sich darstellenden Organe reihen sich andere, deren Natur minder sicher bestimmt ist. Das Vorkommen derselben stiftartigen Körper in den Endigungen von Nerven lässt auch diese Organe wenigstens den Hörapparaten beizählen, sowie auch in der ganglionären Ausbreitung der bezüglichen Nerven längs eines Tra- cheenstammes eine Verwandtschaft ausgesprochen ist. Die Nervenenden richten sich gegen. das Integument, dessen Chitinschichte anstatt eines Tympanums stets dichte Gruppen von feinen Porencanälen besitzt. Diese Organe sind bis jetzt in der Wurzel der Hinterflügel von Käfern, sowie an der Schwingkolbenbasis von Dipteren nachgewiesen. Beide Formen von Gehörorganen der Arthropoden sind zwar im Ein- zelnen ihrer Ausführung von einander bedeutend verschieden , allein es besteht dennoch ein Zusammenhang, indem in beiden Fällen die chitino- gene Zellenschichte die Trägerin abgibt für die eigentümlichen Endorgane, welche bei den Cruslaceen mit Fortsätzen des Integumenls, den Hörhär- chen, in Verbindung treten, indess sie bei den Insecten, jene Stiftchen ausbildend und damit in anderer Bichtung differenzirt, innerhalb desHaut- skelels und ohne Beziehungen zu Fortsätzen desselben verharren. Aus der Verschiedenheit der Localität dieser Organe geht sowohl der Mangel einer Homologie hervor, als auch die Entstehung complicirtererOrgane aus einer allgemeiner im Integumente verbreiteten Anlage. Leydig, Aren. f. Anat. u. Pins. 1855. — Graber, V., Die tymponalen Sinnes- apparate der Orthopteren. Denkschr. d. Wiener Acad. M.N. Cl. Bd. XXXVI. Sehorgane. § 204. In den Sehorganen der Arthropoden treffen wir Anknüpfungen au gewisse Formen des Auges bei Würmern, an jene nämlich, wo eine Summe von Endapparaten der Sehnerven unmittelbar unter dem Integu- mente sich fand Sagilta, Hirudineen u. a.). Dagegen fehlt dieser An- Sinnesorgane. 279 Fig. 134. Durchschnitt durch das einfache Auge einer jungen Dytiscus-Larve. (Nach Grenacher.) scbluss gerade zu den ausgebildeleren Augen der Anneliden, die durch eine selbständige Linse sich auszeichneten (§ 125). Wie sonst ist auch hier das Integument die Stätte der Differenzirung des Sehorgans, dessen Zu- sammensetzung aus den Bestandtheilen des ersteren sich an dem neben- stehenden, allerdings nicht mehr den einfachsten Zustand reprä- sentirenden Schema erläutern lässt. Die Guticularschichte des Integumentes bildet über dem Auge eine biconvexe Verdickung :/) , die als ein lichtbrechen- des Organ, aber auch als Schutzorgan , somit als Cornea- Linse fungirt. Hinter dieser Linse liegt, aus einer Hypoderm- Strecke (h) hervorgegangen, das Auge. In der Umgebung desselben bieten die länger gewordenen Hypo- dermzellen eine andere Stellung dar und gehen in Pigmentzellen [p] über. An diese schliesst sich der Augenbecher an , in welchen zunächst an die Pigmenlzellen sich anreihende helle Zellen vorragen [g] . Sie re- präsentiren einen Glaskörper. Diesen reihen sich endlich die eine Art Retina vorstellenden Zellen (r) an, welche mit dem Sehnerven (c) in Zu- sammenhang stehen, nach aussen aber, gegen die hintere Fläche der Linse, convergiren und daselbst verschiedenartige Differenzirungen eingehen. Glaskörper, Pigmentzellen und »Retina« sind somit in continuirlichem Zu- sammenhang mit derEctodermschichte (Hypoderm) erkennbar, sind ebenso Differenzirungen derselben, wie die Cornea-Linse aus der wieder vom Hypoderm ableitbaren Cuticularschichte des Integumentes entstand. Die das Auge zusammensetzenden Elemente gehen mehrfache Differenzirungen ein. Aus den Retinazellen sondert sich meist im vorderen Ende ein eigen- thümliches Gebilde, das »Stäbchen«. Bei Verbindung einer Anzahl solcher Zellen zu einem einheitlichen Apparate tritt dann auch an den Stäbchen eine Vereinigung ein, sie setzen ein besonderes in der Längsaxe einer Gruppe combinirter Retinazellen liegendes Gebilde, das »Rhabdom«, zu- sammen. Die zu je einer Rhadombilclung verwendeten Retinazellen re- präsentiren eine »Retinula«. Auch die Zellen des vor den Retinazellen sich lagernden Glaskörpers sind mannichfachen Modificationen unter- worfen. Je Eine Gruppe bildet durch Ausscheidung einer glashellen stark lichlbrechenden Substanz einen sogenannten »Krystallkegel«, dessen Spitze gegen das Rhabdom gerichtet ist, indess die Basis sich dem Inte- gumente, resp. der Cornea-Linse zukehrt. Durch verschiedenartige Ausbildung der einzelnen Theile , sowie durch mannichfaltige Combination derselben geht der grosse Reichthum hervor, welcher die Gliederthiere bezüglich des Sehorganes auszeichnet. Endlich sind zuweilen noch Muskelfasern an der Zusammensetzung des 2g0 II. 5. Arthropoden. Auges betheiligt, und scheinen einem Accommodalionsapparat vorzu- stehen. Diese Sehorgane bilden ein Attribut des Kopfes. Der Sehnerv ent- springt vom Gehirnganglion. Rückbildungen des Organes bis zum völligen Schwinden sind in allen Abtheilungen vorhanden. Die Ausbildung von Sehorganen an anderen Körpertheilen, wie sie bei Anneliden bestand, ist in- den Hintergrund getreten, so dass das Vorkommen augenartiger Organe an Thorax und Abdomen bei der Schizopodengattung Euphausia ein ver- einzeltes ist. § 205. Die einfachsten, in ihrem feineren Baue jedoch noch nicht genau ge- kannten Augen besitzen die Entomostraken. Jedes Auge scheint nur einen einzigen Krystallkegel zu besitzen , welcher iu eine Pigmentmasse einge- senkt und meist vom Integumente entfernt ist. Zwei solcher meist un- mittelbar dem Gehirne aufsitzender Augen sind für die Naupliusform der Entomostraken charakteristisch. Es sind zwei median verbundene Seh- organe, dicht aneinander gerückt, durch das zusammenhängende Pigment zu Einem Organe verschmolzen ; wo sie nicht dem Gehirn selbst aufsitzen, trägt sie ein von diesem ausgehender medianer Fortsatz. Cirripedien und Rhizocephalen besitzen sie während des Larvenzustandes und letztere verlieren sie später. Bei vielen frei lebenden Copepoden ist das Auge bald mehr, bald minder deutlich in zwei geschieden. Ausser dem Larven- Auge findet sich dann noch jederseits ein anderes, grösseres vor. Dieses besitzt je einen einzigen meist beträchtlich grossen Krystallkegel , vor welchem ein entsprechender Abschnitt der Cuticularschichte des Integu- mentes eine linsenartige Bildung eingeht (Corycäiden). Das Vorkommen mehrerer Krystallkegel in jedem Auge bildet einen Uebergang zu einer complicirteren Augenform. Indem sich das über dem einfachen Augen- paar befindliche Integument in zwei den Kryslallkegeln entsprechende Facetten verdickt, knüpft sich schon hier die Bildung von Cornealinsen an. Neben dem medianen, zuweilen durch einen blossen Pigmentfleck dargestellten Auge besitzen die Cladocera und Phyllopoden noch zwei zu- sammengesetzte Augen; daraus kann geschlossen werden, dass das me- diane, welches dem Auge des Nauplius entspricht, eine besondere Bil- dung vorstellt, die nicht in das bleibende Auge übergeht. Wahrscheinlich entspricht dieses »Larvenauge« einer ererbten Einrichtung. Durch die Beweglichkeit und die unmittelbare Lagerung unter dem Chitinpanzer bilden die Augen der Branchiopoden Uebergänge zu jenen, wo der Chitinpanzer sich am optischen Apparate unmittelbarer betheiligt. Auch bietet die Einlagerung des Auges in einen stielartigen Fortsatz (Artemia und Branchipus) eine Anknüpfung an die stieläugigen Malaco- straken dar. Aus diesen Zuständen leiten sich zwei Typen der Sehwerkzeuge ab, welche in den höheren Abtheilungen der Crustaceen und bei den Tra- Sinnesorgane. 281 cheaten die herrschenden werden. Je nachdem sich die den percipirenden Apparat vorstellenden Elemente der Retina zu einem einheitlichen, ein- fachen Organe zusammenfügen . oder solche Organe wieder als Theile einer complicirteren Bildung erkennen lassen , gehen die als einfache Augen (Stemmata, Ocelli) oder als zusammengesetzte Augen un- terschiedenen Sehorgane hervor. Dabei zeigt sich von Seite der Cuticular- schichte des Integumentes eine verschiedengradige Betheiligung. Das einfache Auge (Fig. 134) ist bei den Larvenformen von In- secten verbreitet, und zeigt sich jederseits am Kopfe meist in einer Mehr- zahl. Bei den Thysanuren scheint diese Form zu persistiren. lieber jedem Auge bildet die Chitinschichte eine Cornealinse. Bei vielen Insecten fin- den sich diese einfachen Augen mit den zusammengesetzten ; sie sind zwischen diesen, meist zu zweien oder dreien auf der Stirnflache ange- bracht und unterscheiden sich von den vorhin erwähnten durch die Zu- sammensetzung aus einer grösseren Anzahl von Retinaelementen, welche eine einfache Cornealinse überdeckt. Bei den Myriapoden zeigen die am Kopfe in einer oder zwei Reihen stehenden Augen wechselnde Zahlenverhältnisse (4 — 8). Es scheint hier der Larvenzustand der Sehorgane der Insecten bleibend repräsentirt, doch fehlt nähere Kenntniss. Daran reihen sich wohl die Arachniden. Sowohl in Lage als in Zahl ihrer Augen ergeben sich manche Eigen- thümlichkeiten. Zwei grosse Augen sind bei den Scorpionen einander sehr nahe gerückt, und jederseits von ihnen lagert eine Gruppe (2 — 5) kleinerer Augen. Bei den Spinnen und Phryniden finden sich in der Re- gel 8, seltener 6 Augen am Vordertheile des Cephalothorax symmetrisch vertheilt, meist auch an Grösse verschieden, während die Opilioniden an derselben Stelle nur drei oder vier tragen , von denen die grösseren auf einer Erhabenheit des Cephalothorax stehen. Auch bei den Pycnogoniden nehmen vier Augen eine ähnliche Stelle ein. Dagegen reduciren sie sich bei vielen Milben auf zwei, ebenso bei den Tardisraden. Bei manchen parasitischen Milben sind sie vollständig verschwunden. Bezüglich des Baues ist für jedes Auge eine meist sehr mächtige Cornealinse hervor- zuheben, hinter derselben findet sich eine den Glaskörper repräsentirende Zellenschichte, an welche die Retina sich anschliesst. Der innere Bau der letzteren zeigt bei den Araneen einen Dimorphismus, indem die nach vorne gerichteteten Augen von den aufwärts gekehrten verschieden sind. Die Belinazellen der ersteren umschliessen nämlich an ihrem vorderen Endstücke ein kleines, der Länge nach in zwei Hälften gesondertes Stäb- chen (Epeira) . § 206. In den zusammengesetzten Augen ist der oben (§204) er- wähnte Zusammentritt einer Anzahl (7 — 4) von Retinazellen zu einem das Rhabdom umschliessenden Gebilde der »Retinula« Fig. 135 Cr) charakte- ristisch. Aus solchen Betinulae, deren jede von Pigment umhüllt wird, com- 282 II. 5. Arthropoden. binirt sich das Auge. Vor der Retinula liegt der mehrtheilige Kr y stall - kegel. In der Fig. C sind zwei solcher Gebilde dargestellt. Die Krystall- kegel sind vor den Retinulae, hinter den Cornealinsen (c) unterscheidbar. Die ganze Einrichtung wird versländlich, wenn wir sie vom einfachen Auge ableiten. Eine Reduction der Retinaelemente des einfachen Auges Uisst die Retinula hervorgehen, und eine allmähliche Goncrescenz einer Summe einfacher Ausen führt zur Bildung der zusammengesetzten. Solche Augen besitzt die Mehrzahl der Crustaceen. Bei den Cladoceren liegt das bewegliche Auge (Fig. 136 o c) in einer vom Integumente überwölbten Höhlung. Auch bei den Lämodipoden scheint die Guticularschichte des Integuments keinen Theil an dem Aufbaue des Auges zu nehmen. Dagegen findet man bei den Phyllopoden eine den Krystallkegeln entsprechende Facettiruns; der Innenfläche der das Auge bedeckenden Cuticula. Die Isopoden zeigen ihr zusammengesetztes Auge noch aus einer Anzahl mehr von einander getrennter einfacher bestehend. Die engere Vereinigung einer Anzahl jener als Endapparate eines Sehnerven erscheinender Bildun- gen stellt einen nach aussen convexen Vorsprung dar, dessen Umfang mit der Zahl der »Retinulae« in Zusammenhang steht Fig. 135) Die dem eanzen Ause Fig. 135. .4. Sehematischer Durchschnitt durch ein zusammengesetztes Arthropo- den äuge, n Sehnerv, y Ganglienanschwel- lung desselben, r Retinulae. c Facettirte Cuticularschichte , wobei jede Facette als Cornealinse erscheint. B Einige Hornhaut- facetten von der Fläche gesehen. C Zwei Retinulae r mit ihren Cornealinsen c. gemeinsame Chitinhülle ist dann ent- weder oberflächlich glatt, und bildet nur jedem der Krystallkegel entspre- chende Wölbungen nach innen zu, oder sie zeigt auch äusserlich jedem einzelnen Krystallkegel entsprechende Convexitä- ten oder doch Abgrenzungen der ein- zelnen Felder (B). (Facettirtes Auge der höheren Crustaceen und der Insecten.) Die Zahl der ein solches Auge zusammensetzenden Elemente ist ebenso wie ihre Volumsentfaltung und die Gestaltung der einzelnen Ver- hältnisse zahlreichen Modificalionen unterworfen. Die Krystallkegel schei- nen jenem Auge bei den Crustaceen allgemein zuzukommen, dagegen findet sich bei vielen Insecten ein Persistiren der sonst die Krystallkegel differenzirenden Zellen (Kry Stallzellen), ohne dass Krystallkegel gebildet wären. Endlich besteht noch bei manchen der niedere Zustand der Reti- nula, in welchen dieses Gebilde noch seine einzelnen Zellen mit ihren Stäbchen erkennen lässt (Tipuliden) . — Das aus der Wölbung entspringende Hervortreten der Augen am Kopfe kann zu einem Zustande führen , der das Auge gestielt erscheinen lässt. In einer fernem Ausbildung wird der Stiel beweglich Podophthalmata). Grenacher, H., Untersuchungen über das Arthropodenauge. Beilageheft zu den klin. Monatsbl. für Augenheilkunde. XV. Jahrgang. Darmcanal. 283 Darmcanal. § 207. Die Sonderung des Darmcanals der Arthropoden schliesst sich im Alicemeinen an die bei Würmern sich treffenden Verhältnisse an. Das Entoderm umschliesst das bei der ersten Differenzirung nicht verbrauchte Dottermaterial, welches mit der allmählichen Weiterentwickelung resor- birt wird. Die Entstehung von Mund und After sowie der damit ver- bundenen Darmstrecken lässt keine durchgreifende Uebereinstimmung wahrnehmen. Mit der vollständigen Differenzirung der Darmwand trifft sich der Nahrungscanal als ein die Länge der Leibeshöhle durchsetzendes, seltener auch Anpassungen an die Metameren des Leibes bietendes Rohr, das mit der ventral am Kopf gelegenen Mundöffnung beginnt und zu der in der Regel im letzten Metamer gelagerten Afteröffnung hinzieht. Der äussere Chitinüberzusj des Leibes setzt sich sowohl in Vorder- wie in Enddarm fort und ist in dem vom Entoderm angelegten Mitteldarm durch eine weiche Cuticula vertreten. Um die Mundöffnung gruppiren sich die zu Kauwerkzeugen und anderen Apparaten umgewandelten Gliedmassen (§ 189), wozu noch ein vom Integumente gebildeter Vorsprung als Ober- lippe tritt. § 208. Der Darmcanal der Crustaceen zeichnet sich sowohl durch seinen geraden Verlauf, wie durch die geringe Complication seiner Abschnitte aus. Die Mundöffnung ist in ventraler Lagerung häufig weit nach hinten gerückt, so dass der von ihr beginnende Munddarm erst eine Strecke nach vorne verläuft, um mit knieförmiger Umbiegung sich rückwärts zu wenden. Der Endabschnitt des in der Regel engen, als Schlund oder Speiseröhre bezeichneten Vorderdarms stellt einen meist erweiterten Theil des Darmrohrs vor, der sich vom folgenden Mitteldarm scharf absetzt und bei Vielen einen zapfenartig in letzteren einragenden Vorsprung bildet. Die Wandungen dieses Abschnittes sind gewöhnlich stärker, und die In- nenfläche ist häufig durch ein festes Chitingerüste ausgezeichnet, welches zahnartig gegeneinander gerichtete und durch Muskeln bewegliche Vor- sprünge darbietet (Leisten, Stacheln, Borsten), welche aus der diesen Ab- schnitt auskleidenden Chitinhaut hervorgehen. Sie bilden einen zur Zer- kleinerung der Ingesta dienenden Apparat und stempeln diesen Abschnitt zum Kaumagen. In der Regel ist der Kaumagen beträchtlichen Umfangs und erhält durch sein festes Gerüste eine regelmässige Gestall. Am an- sehnlichsten ist er bei den Decapoden entwickelt (Fig. 143 v). Bei den Entomostraken ist er wenig oder gar nicht ausgebildet, dagegen besitzen unter den Arthrostraken die Isopoden in dem kleinen Kaumagen ein ziem- lich complicirtes Gerüste, von welchem auch bei Amphipoden (Gammarus) Andeutungen bestehen. 284 II. 5. Arthropoden. Der Mitteldarm (Fig. 136«) bildet den an Länge beträchtlichsten Theil des Darmrohrs, sowie auch an ihm in Beziehung auf Weite und die Bil- dung von blindsackartigen Ausbuchtungen eine grosse Mannichfaltigkeit Fig. 136. Organisationj'einer Daphnia. a Tastantenne, gs Gehirn, oc Auge, t Darmcanal (Mitteldarra). /ifBlindschläucheJamJAnfang desselben, g Schalendrüse, c Herz. I Oberlippe, ov Eierstock, o Ein Ei in "~J~ denfzwischen Körper und Mantel gebildeten Brutraurae o' befindlich. (Nach Letdig.) besteht. In manchen Fällen ist er von gleichmässigem Caliber, in anderen erscheint er vorne oder in der Mitte etwas erweitert (»Chylusmagen«), oder die Erweiterung ist über den gesammlen Mitteldarm ausgedehnt (»Chylusdarm« der Isopoden). Am Beginne des Mitteldarms finden sich bei Crustaceen aller Ord- nungen blindsackartige Ausbuchtungen. Sie entstehen als paarige, selten unpaare Coeca. Unter den Copepoden nur in wenigen Gattungen vorhan- den, sind sie bei den Branchiopoden verbreiteter, bald als ein einfaches Paar kurzer Blindschläuche (Fig. 136 h) auftretend (Daphniden) . bald reicher verästelt (Argulus, Iledessa), oder in grösserer Anzahl vom Darme ausgehend und am Ende in drüsige Bildungen differenzirt (Apus) . Die- selbe Erscheinung der Umwandlung an derselben Stelle gelagerter Darm- coeca in secretorische Apparate treffen wir bei den Malacostraken. Sie gehen in Organe über, die bei den Anhangsgebilden des Mitteldarms zu betrachten sind. Der Enddarm bildet den kürzesten, meist engeren Abschnitt des Tractus intestinalis. Seltener ist er in seiner Mitte erweitert, und nur bei wenigen mit blinddarmartigen Anhängen versehen. Die Function des Darmcanals beschränkt sich nicht bei allen Crusla- ceen auf die Verdauung. Bei einigen (Astacus. Limnadia, Daphnia ist am Enddarme fast rhythmisch erfoliiendes Aufnehmen und Ausstossen von Wasser beobachtet worden, so dass diesem Abschnitt noch eine respira- torische Thätigkeit zuzukommen scheint. Bei manchen niederen Crustaceen erliegt der Darmcanal einer Bück- bildung. Er schwindet bei den verkümmerten Männchen der parasitischen Darmcanal. 285 Copepoden, wie einiger Cirripedien und allgemein bei den Rhizocephalen, wo die Ernährung durch andere Einrichtungen besorgt wird, oben S. 250.) (Vergl § 209. den Protracheaten sind die drei gesondert, Unter Abschnitte des Darmrohrs deutlich der Mitteldarm bildet den ansehnlichsten Theil davon, und erscheint durch Weite ausgezeichnet. Das Darmrohr der Arachniden besitzt mit Ausnahme der rückgebildeten Formen eine reichere Gliederung. Der enge Munddarm (Fig. 137. oe) führt in einen meist langgestreckten Mitteldarm, dessen vorderster Abschnitt (v) in seitliche Blindsäcke ausstrahlt, die bei den Phryniden und Scorpionen fehlen sollen. Bei den Araneen erstrecken sie sich zu fünf Paaren (v') nach der Basis der Beine und Taster. Vier Paare, davon die beiden letzten gabelig getheilt, laufen bei den Galeoden bis in die Gliedmassen (Füsse , Scheerenfühler und Palpen) , bei den Pycnogoniden sich sogar fast durch deren ganze Länge erstreckend (Fig. 138. &) . Der Binnenraum des Magens erhält durch diese Anhänge eine an- sehnliche Vergrösserung. Dieselben Blindsäcke treffen sich bei den Milben auf den Körper beschränkt, meist sind es deren acht, doch wird eine Minderung der Zahl häufig durch Verästelung der Coeca compen- sirt. Eine viel grössere Anzahl oe . Fig. 137. Yerdanungsorgane einer Spinne, oe Oesophagus, c Obere Sehlundganglien (Ge- hirn), v Magen, v' Seitliche Fort- sätze desselben, v " Nach oben gerichtete Anhänge, i Mittel- darm. >• Cloakenartig erweitertes Endstück des Darms. 7i h Ein- mündungen der Leber in den Darm, e Harncanäle. (Nach Duges.) (gegen mehreren Reihen geordnet, in denen ein mittleres Paar noch secundäre Anhänge trägt. Der dem Magen folgende bald längere, bald kürzere Abschnitt des Mitteldarms er- weitert sich im ersteren Falle meist °:ee:en sein Ende zu und wird durch eine Einschnü- rung von dem fast immer erweiterten End- darm abgesetzt. Letzterer ist von ansehn- licher Länge bei den Scorpionen, kürzer bei Galeodes, wo er einen Blindsack trägt. Auch bei den Araneen ist der Enddarm (Fig. 137. r) von ansehnlicher Weite, desgleichen bei den Milben. 30) besitzen die Opilioniden in Fig. 13S. Darm von Ammothoö pycnogonoides. a Magen, b Blindsäcke. (Nach Quatrefages.) 286 II. 5. Arthropoden. § 210. Myriapoden und Insecten bieten in der Einrichtung ihres Verdauungs- apparates in den Hauplzügen übereinstimmende Verhältnisse, die zugleich y -J1 ff f M.i l't V -41 V . f!'!.Jl Fig. 140. Puppe desselben. /.; ' a IV— / /// 1 &&$& ft'- /z Fig. 141. Iraago desselben. «Kopf. 2, 3, 4. Tboracalsegmente. 5— 13. Abdominalsegmente. V Vorderdarm. M Mitteldarm. E Enddarm. Gs Gehirnganglion, gi unteres Scklundganglion , n Bauchgauglion. im MALi'iGHi'sche Gefässe. C Herz. G Geschlechtsorgane. (Nach Newpoet.) näher an die bei Peripatus besiehenden sich an- reihen lassen. Von den drei Darmabschnitten spielt der Vorderdarm bei der Verdauung nur eine vorbereitende Rolle, während die Hauptfunction dem Mitteldarm zukommt. Er bildet in der Regel den längsten Abschnitt, an dem zugleich die reich- sten Differenzirungen auftreten. In seinen einfacheren Formen durchzieht das Darmrohr in geradem Verlaufe die Leibeshöhle, und auch darin schliessen sich Myriapoden mit niederen Zuständen von Insecten zusammen. Bei den Myriapoden hat der Enddarm selten eine bedeutendere Länge, und zeigt sich dann in eine Schlinge gelegt. Noch seltener ist an Fig. 139. Larve eines Schmet- terlings (Sphinx ligustri) in seitlicher Ansicht mit Dar- stellung der inneren Organi- sation. Darmcanal. 287 dieser Schlingenbildung auch der Abschnitt des Mitteldarms betheiligt (Glomeris) . Das in der Anlage allgemein bestehende einfache Verhalten persistirt nur in einzelnen Abtheilungen der Insecten, und geht bei den meisten in eine erosse Mannicbfaltiskeit von Formzuständen der einzelnen Abschnitte über, welche Veränderungen in der Regel an den Eintritt des Imago- zustandes geknüpft sind. Diess gründet sich auf die damit beginnende srössere Diversenz der äusseren Lebensverhältnisse. Von bedeutendstem Einflüsse auf die allgemeine Gestaltung desDarm- canals erscheint auch hier die Lebensweise, und es ist, wie sonst noch vielfach im Thierreiche, bei den Pflanzenfressern häufig eine grössere Länge des Darmrohrs vorhanden , als bei jenen , die von animalischen Stoffen sich nähren. Ein anderes in Betracht kommendes Moment bietet die Beschaffenheit der Nahrungsstoffe, wir treffen demnach einfachere Darmbildungen bei Insecten, die von Flüssigkeiten sich nähren, während feste Substanzen Verzehrende eine grössere Complication bieten. Diese Verhältnisse treten am auffallendsten bei der Vergleichung des Darmrohrs von Insectenlarven mit jenem ausgebildeter Insecten hervor, wir sehen z. B. eine Raupe (Fig. 139) mit einem weilen, den Körper ge- rade durchziehenden Darmrohr ausgestattet, und diese Einrichtung der Ungeheuern Masse täglich verzehrten Materiales angepasst, während der nur wenig und flüssige Nahrung aufnehmende Falter ein zwar längeres, aber viel schmächtigeres Darmrohr besitzt (Fig. 141). Ausserdem ergibt sich hiebei eine Aenderuug der Verhältnisse der einzelnen Darmabschnitte. Während der Mitteldarm im Larvenzuslande in der Regel der mächtigste Abschnitt ist, tritt er allmählich zurück, und in demselben Maasse gewinnt der Enddarm an Länge. Dabei ändert sich der gerade Verlauf des Darmrohrs. Das Längerwerden der einzelnen Ab- schnitte ruft Krümmungen des die Länge der Leibeshöhle übertreffenden Darmrohrs hervor, die bis zu vielfachen Windungen führen können. Diese treffen auf Mittel- und Enddarm, indess der Munddarm am beständigsten den ursprünglichen Verlauf behält. (Vergl. Fig. 139 — 141.) Mit diesen Differenzirungen verbinden sich neue an den einzelnen Abschnitten und verwischen häufig deren Grenzen. Der Mitteldarm un- terscheidet sich vom Munddarm durch seiuen Drüsenbesatz, und wo letz- terer Anhänge oder Ausbuchtungen zeigt, dienen sie zur Aufnahme und zur ferneren Zerkleinerung der Nahrung, im letzteren Falle die Bildung eines Kaumagens wiederholend. Der Enddarm charakterisirt sich endlich durch die in ihn mündenden MALPiam'schen Gefässe. Plateau, F., Rech, sur )a phenom. de la digest. et sur la structure de l'appareil digest. chez les Myriapodes. Mem. Acad. Belg. XLII. Den einfachsten, von der Larvenform am wenigsten sich entfernen- den Zustand bietet der Darm der Thvsanuren sowie der meisten Pseudo- 2S8 II. 5. Arthropoden. Neuropteren und Neuropteren dar, von denen einige (Panorpa) eine Erweiterung am Ende des Vorderdarmes als Kaumagen besitzen. Ein solcher (Fig. 142 A v) zeichnet auch die Orthopteren aus und trägt auf seiner Innenfläche Längsreihen fester Chitingebilde. Er kommt ferner bei Coleopteren Carabiden, Cicindelen, Dytisciden etc.) vor, Borsten und leistenartige Vorsprünge tragend. Auch manche Hymenopteren (Formica, Cynips) besitzen ihn, ja sogar Larven von Dipteren. Eine andere Differenzirung des bei manchen (Hemipteren) überaus kurzen Vorderdarmes besteht in einer Erweiterung desselben , die bald allseitig, bald nur einseitig vorkommt. Sie dient bei einer Betheiligung der ganzen Circumferenz des Oesophagus als Kropf ^Jugluvies) 7), der sich bei vielen Käfern und bei Orthopteren vorfindet. Diese Ausbuchtung des Vorderdarmes trifft sich bei Hymen- opteren (Wespen , Bienen) verbreitet, fungirt aber hier als ein Saugapparat und leitet damit zu einer Bildung über, die sich bei anderen Insecten als Saugmagen verbreitet findet. Derselbe stellt einen dem Verlaufe oder dem Ende des Munddarmes angefügten blasenförmigen, dünnwandigen An- hang vor, der bei Lepidopteren un- mittelbar Fig. 141 V'), bei Dipteren mittelst eines kürzeren oder längeren Stieles ausmündet Fig. 1 42. B, vs). Auch bei den Hymenopteren trifft sich die Bildung eines selbständigen, gestielten Saugmagens (Crabro) . Bei den Hemipteren scheint derselbe durch eine oft mehrfach ausgebuchtete Er- weiterung des Vorderdarms vertreten zu sein (Wanzen) . Der Mitteldarm (»Chylusmagena) bietet nicht minder mannich- faltige Zustände. Bei vielen Käfern ist er in seiner ganzen Länge oder auch an einzelnen Abschnitten mit kurzen Schläuchen besetzt, die man als »Drüsen« bezeichnet. An seinem Anfange treffen sich zuweilen blind- sackartige Ausstülpungen besonders bei Orthopteren , auch bei einzelnen Familien der Dipteren. Bei den letzteren ist er meist seiner grösseren Länge entsprechend in Windungen gelegt (Fig. 142 B v) . Dasselbe zeigt sich an dem langen Mitteldarm einiger Käfer (z. B. Melolontha), der Bie- nen und Wespen und vieler Hemipteren , bei denen neue Abschnitte an ihm sich sondern. In manchen Fällen ist der Mitteldarm blind geendigt und entbehrt des Zusammenhanges mit einem Enddarm. Dies trifft sich bei den Larven der Bienen und Wespen, der Ichneumonen, mancher Dipteren u. a. m. Fig. 142. A Verdauungseanal der Feld grille, B einer Fliege, oe Oesophagus, i Kropf- artige Anschwellung desselben. v Magen. c Anhänge desselben, r Enddarm, vm Mal- piGHi'sche Canäle. Anhangsorgane des Darmcanals. 289 Der Enddarm bildet bei den Insecten mit gerade verlaufendem Darme den kürzesten Theil desselben. Er ist sehr häufig in zwei Ab- schnitte getrennt, von denen der zweite eine Erweiterung bildet (»Rectum«) (Fig. 142 ABr). Bei Käfern (z. B. Dytiscus) erscheint der engere Vorder- theil des Enddarmes von beträchtlicher Länge, auch bei manchen Orthop- teren, wo sich eine grössere Anzahl von verschieden weiten Abschnitten wahrnehmen lässt; am längsten endlich ist er bei den Cicaden, bei allen diesen in Windungen gelegt. Da bei manchen die dem Enddarm ange- hörigen MALPiGHi'schen Gefässe sehr weit vorne ausmünden, gewinnt es den Anschein als ob der Enddarm zum Theile in den Mitteldarm über- gegangen sei , wenn nicht dieser Befund besser als Reduclion des Mittel- darms gedeutet wird. Das erweiterte Endstück dieses Darmtheiles wird bei einer grossen Anzahl von Insecten durch papillenartig nach innen vorspringende Wülste ausgezeichnet, in denen reiche Tracheenverästelungen stattfinden. Bei den im Wasser lebenden Larven der Libellen bietet derselbe Abschnitt zahlreiche in Längsreihen geordnete Blätter mit dichten Tracheenver- zweigungen. Die Lamellen fungiren bei dem durch Oeffnen und Schlies- sen des Afters erfolgenden Ein- und Ausströmen von Wasser als Athem- apparat. (Vergl. Fig. 150 B C.) Zwischen diesen Tracheenkiemen und den papillenartigen Vorsprüngen des Enddarmes kommen mehrfache Uebergangsformen (bei Phryganeenlarven) vor, so dass hier homologe Bil- dungen zu erkennen sind. Plateau, F., Rech, sur les Phönomenes de la digest. chez les Insectes. Mem. Acad. Belg. XLI. Anhaiigsorgane des Darmcanals. 1) Anhangsorgane des Mund dar ms. § 212. Am Darmcanale der Arthropoden sind an verschiedenen Abschnitten Drüsenorgane gesondert. In den Vorderdarm führende, als Speichel- drüsen bezeichnete Drüsen scheinen bei den Crustaceen nur wenig aus- gebildet. Es sind Gruppen einzelliger Drüsen in verschiedenen Abthei- lungen bekannt. Dagegen finden wir sie in grosser Verbreitung bei den Tracheaten , bei denen sie sogar differente Functionen besitzen können. Doch bestehen über das Verhalten ihrer Mündung bis jetzt noch wenig sichere Angaben. In wiefern sie am Munde selbst sich öffnen , oder mit dem Vorderdarm verbunden sind, ist grösstenteils unbestimmt. Doch werden auch die an Mundgliedmassen sich öffnenden Drüsen von Peri- patus (S. 265) hieher bezogen werden. Unter den Arachniden bieten die Scorpione zwei Paar gelappte Drüsen, die bei den Galeoden zum Theil knäuelförmig gewundene Schläuche darstellen , und bei den Araneen scheinen solche Organe gleichfalls nicht zu fehlen. Sehr entwickelt sind Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. ]9 290 H. 5. Arthropoden. die Speicheldrüsen bei den Milben , die deren mehrere verschieden ge- baute Paare besitzen, und theilweise ihr Secret wahrscheinlich als Gift- stoff verwenden. Bei den Myriapoden sind einfache schlauchförmige (Julus) oder ge- lappte (Lithobius) , sogar traubig verästelte Drüsen (Scolopendra) als Speicheldrüsen gedeutet. In sehr mannichfaltiger Ausbildung sind die Speicheldrüsen bei den Insecten vorhanden , sowohl was Zahl , Form und feinere Structur be- trifft. Man wird daraus auf eine bedeutende Verschiedenheit der Function schliessen dürfen. Nur Wenigen scheinen sie gänzlich zu fehlen, wie den Ephemeriden, Libellen und Aphiden, oder sie sind nur gering entwickelt, wie bei Myrmeleoniden und Sialiden. Bei den Uebrigen erscheinen sie bald als lange gewundene Bohren , bald als gelappte oder mannichfach verzweigte Gebilde, die denDarmcanal eine Strecke weit begleiten. Häufig kommen zwei, nicht selten auch drei Paare vor, die in ihrem Baue sehr wechselnde Verhältnisse darbieten. Was die äusseren Formen und die Vertheilung derselben auf die verschiedenen Insectengruppen angeht, so erscheinen sie als ein Paar längerer Schläuche bei den Käfern, dann bei Fliegen und Schmetterlingen. Verästelte, traubenförmig gestaltete oder gelappte Formen herrschen in den Ordnungen der Hemipteren und Or- thopteren, finden sich auch mehrfach bei Käfern. 2) Anhangsorgane des Mitteldarms. § 213. Eine andere Gruppe von Drüsenorganen sondert sich aus dem Mittel- darm. Sie werden als L e b e r gedeutet. Zwei durch ihre Verbindungsstellen mit dem Darme verschiedene Organe müssen hier aus einander gehalten werden. Das eine davon verbindet sich mit dem vordersten Abschnitte, in Gestalt einfacher oder veräslelter Schläuche, welche bei reichlicherer Entwickelung allmählich in einen zusammengesetzten Ürüsenapparat übergehen (vergl. § 208). Die Enden dieser Schläuche erscheinen als secretorische Organe, die Ausführgänge dagegen bilden durch ihr weites Lumen dem Darme zugehörige Bäume. Das Organ hat sich also noch nicht vollständig vom Darme differenzirt. Die Branchiopoden, und unter diesen besonders die Phyllopoden, weisen diese Einrichtung auf; einige besitzen jederseits einen einfachen oder verästelten Blindschlauch (Fig. 136 h), an- dere zeigen ihn in eine Leber umgewandelt (Limnadia, Apus), die vor- wiegend im Kopfschilde ihre Ausbreitung nimmt. Aehnliche Organe be- sitzen die Cirripedien. Bei den Arthrostraken sind diese Blindschläuche (Fig. 143 A h) lange, nach hinten verlaufende Organe von verschiedener Zahl. Verästelungen fehlen, werden aber durch die Ausdehnung der Länge compensirt. Unter den Thoracostraken erscheinen sie bei manchen Schizopoden jenen ähnlich, bei den meisten dagegen, wie bei allen Deca- Anhangsorgane des Darmcanals. 291 poden, stellen sie ein Paar den Cephalothorax ausfüllende, in büschelför- mige Gruppen vertheilte Drüsenmassen (Fig. 143 B h) vor. Da sie bei den Larven derDecapoden als einfache Ausstülpungen der Darmwand erschei- nen, ist zweifellos, dass sie nur weiter entwickelte Stadien jener bei vielen Enlomostraken einfacheren Schläuche sind. Eine zweite Form die- ser Leberorgane ist von der ersten durch grössere An- zahl der Einzeldrüsen und durch die weiter nach hin- ten verlegte Einmündung in den Mitteldarm unter- schieden. Andeutungen hierfür bestehen bereits bei Copepoden in mehr- fachen auf einander fol- genden Ausbuchtungen des Mitteldarms. Wir finden sie ausgebildeter bei einzelnen Isopoden (Bopyrus) , wo sie den ganzen Mitteldarm als paarweise angeordnete, verzweigte Drüsenbüschel besetzen. Aehnlich besteht auch bei denStomapoden eine grössere Anzahl (10 Paare) gelappter Drüsenbüschel an der ganzen Länge des Mitteldarms. Beide Formen können nicht direct von einander abgeleitet werden, da in der zweiten die bei der ersten die Drüsen tragende Stelle derselben entbehrt. In einer gemeinsamen Stammform mögen beiderlei Organe ver- Fig. 143. Darmcanal und Leber von Crustaceen. A von Oniscus, B von einer Palinuruslarve (Phyllosoma). t> Kaumagen. »' Chylusmagen. «After. 7* Leberschläuche. ^ einigt gewesen sein. Wir können uns hiefür den ganzen Mitteldarm mit Aussackungen besetzt denken , von wo aus zwei Drüsenreihen sich ent- wickeln , bei der einen kommt nur das vorderste Drüsenpaar zur Ausbil- dung , bei der andern bleibt das vorderste Paar unterdrückt und es ent- wickeln sich die hinteren in verschiedener Anzahl. Diese hinteren Drüsen zeichnen als zwei Paare verzweigter Büschel den Mitteldarm der Pöcilo- poden aus. Aehnliche Differenzirungen der Darmwand kommen unter den Tra- cheaten nur den Arachniden zu. Sie werden als erst in dieser Abthei- lung erworbene Bildungen zu beurtheilen sein. Die vorderen entwickeln sich nicht allgemein zu Drüsenorganen , sondern beharren als mehr oder minder weite Taschen und Schläuche, wie dieselben als Magenblindsäcke bereits des näheren geschildert sind (§ 209). Bei den Opilioniden kommt denselben eine exclusiv drüsige Bedeutung zu. Bei Scorpionen und Ara- neen münden in den hinteren Theil des Mitteldarms gesonderte Drüsen- büschel ein. Zwei bis drei Paar sind bei den Araneen (Fig. 137 h) , fünf Paare bei den Scorpionen beobachtet. 19* 292 H. 5. Arthropoden. Den Myriapoden wie den Insecten fehlen diese Anhange des Mitlei- darms, und die Gleichartigkeit der Anlage dieses Darmabschnittes zeigt, dass an ihm auftretende Ausbuchtungen eine nur secundäre Bedeutung haben. 3) Anhangsorgane des Enddarms. § 214. Bei der meist nur geringen Länge des Enddarms werden mit ihm gesonderte Drüsen kaum noch Secrete liefern, die für die Verdauung oder Aufsaugung von Bedeutung sind. Ihr Secret wird sich mehr in die Beihe der Aus wurfsstoffe stellen. Da auch der chemische Nachweis geliefert ist, dass diese Stoffe den Harnausscheidungen der Wirbelthiere an die Seite zu stellen sind, dürfen wir die bezüglichen Organe als Excretions- organe bezeichnen, womit jedoch ihren Beziehungen zu andern Func- tionen, die sie in einzelnen Fällen besitzen, kein Eintrag geschehen soll. Bei den Crustaceen finden sich am Enddarme in einzelnen Fällen Blindsackbildungen vor, z. B. bei Copepoden-Larven , doch kann über ihre Bedeutung kein sicheres Urtheil abgegeben werden. Wahrscheinlich ist, dass die in der Darmwand vorkommenden Concremente excretorischer Natur sind. Bei den Tracheaten sind allgemein excretorische Drüsenorgane in Verbreitung, die als Ausstülpungen des Darms entstehen, und als lange, einfache oder verzweigte Ganäle erscheinen, die oft vielfach gewunden oder schleifenförmig am Darmcanale aufgereiht sind, und in den letzten erweiterten Abschnitt des Darmcanals, fast immer hinter dem Mitteldarme, ausmünden. Es sind die Malpighi'schen Ge fasse, oder, mit Be- ziehung auf ihre Function, die Harncanäle. Da sie mit der vom Ecto- derm gebildeten Anlage des Enddarmes entstehen, wird es nicht unwahr- scheinlich, dass sie ursprünglich auf die Körperoberfläche mündeten, oder von Organen dieses Verhaltens herstammen. Die Zweizahl dieser Ganäle kehrt in allen Abtheilungen wieder, manchmal in der Vereinigung der Ausmündung zahlreicher Ganäle ausgedrückt, daher kann in dieser Zahl ein primitives Verhalten erkannt werden. Unter den Arachniden sind sie bei den Scorpionen einfache, zwischen den Leberlappen verlaufende Ganäle , von denen ein Paar Verästelungen besitzt. Vielfach verästelt und zu einem Netze verbunden sind die Harn- canäle der Araneen, bei denen sie sich in zwei gemeinsame Ausführgänge (Fig. 137 e) vereinigen und mit diesen in den weiten Enddarm oder den Blindsack desselben ausmünden. Zwei lange und vielfach gewundene Ca- näle stellen sie bei den Opilioniden vor, uud ähnlich erscheinen sie bei den Milben, zuweilen gleichfalls mit Verästelungen versehen. Eine ebenfalls geringe Anzahl einfacher Harngefässe kommt den My- riapoden zu, ein Paar den Juliden und zwei Paare den Scolopendern. Sie schliessen sich nicht nur durch ihre Zahl und einfache Bildung, sondern Anhangsorgane des Darmcanals. 293 auch durch ihre Anordnung am Darmcanale den entsprechenden Organen vieler Insectenlarven an. Die grösste Mannichfaltigkeit in Zahl, Anordnung und specieller Bil- dung herrscht bei den Harngefässen der Insecten. Unter den Apteren sind sie bei den Collembola vermisst, auch bei manchen Thysanuren (Cam- podea), sind dagegen bei Lepisma in der Vierzahl vorhanden. Die Func- tion der Harncanäle ist namentlich bei den Insecten mit vollkommener Verwandlung während des Larvenzustandes eine gesteigerte, wie sich nicht allein aus der mächtigen Ausbildung dieser Organe (Fig. 139 vm); sondern auch aus der während des Puppenzustandes sich massenhaft im Enddarme ansammelnden Harnmenge ergibt. Diese Erscheinung entspricht also gerade jener Periode, in welcher mit der Ausbildung des vollkom- menen Körpers die intensivste plastische Thätigkeit im Organismus zur Aeusserung kommt. Dass die Function der Malpighi'schen Canäle der Insecten nicht ausschliesslich in der Harnabsonderung zu suchen ist, dass vielmehr eine ältere Annahme, die in ihnen galleabsondernde Organe er- blickt, nicht ganz unberechtigt ist, ist durch das Vorkommen verschieden gebauter Strecken dieser Canäle, sowie durch die Verschiedenheit des Secretes an jenen Strecken begründbar. Die braungelbliche oder weissgelbliche Färbung der Harncanäle rührt von den in den Zellen der Canalwand abgelagerten Stoffen und erscheint um so intensiver, je reichlicher die Secretion von Statten geht. Zwei Paare mit einander verbun- dener Harncanäle besitzen die meisten Dipteren (Fig. 142. B. vm) und Hemipteren ; sechs trifft man bei Schmetterlingen, bei vielen Netzflüglern, sowie bei manchen Pseudoneuropteren (Ter- miten) an; vier bis sechs sind bei den Käfern vorhanden; eine grosse Anzahl kurzer Harn- canäle zeichnet die Hymenopteren aus , so dass bei diesen, sowie auch bei vielen Orthopteren (Fig. 142. A. vm) Hunderte derselben getroffen werden. Verästelungen kommen im Ganzen selten vor; dagegen finden sich häufig schlingen- förmige Verbindungen zwischen den Enden der einzelnen. Die Ausmündung findet je nach der Länge des Enddarms an scheinbar sehr ver- schiedenen Stellen statt. Sehr weit nach vorne münden sie bei den Cicaden, Fliegen und Schmetterlingen. Auch bei den Hymenopteren ist die Mündung dicht hinter dem Mitteldarm. Bei Vereinigung der Canäle zu einem gemeinsamen Ausführgang geht auf diesen eine Bingmuskelschichte über (Gryllotalpa). Ganz selten werden zerstreute Bingfasern auch an den Secretionscanälen angetroffen (Brachinus). Fig. 144. Stück eines Mal- piGHi'schen Gefässes von Musca vomitoria. tr Tra- cheen. I Lumen, k Kern. 294 iL 3- Arthropoden. Leibeshöhle. § 215. Mit der Differenzirung des embryonalen Körpers entsteht, wie bei den höheren Würmern, im Mesoderm ein zwischen Darm und Leibeswand sich ausdehnender Hohlraum , die Leibeshöhle, welche den Arthropoden allgemein zukommt. Von der bei den Annulaten aus der Metamerie des Körpers entspringenden Dissepimentbildung ist bei Arthropoden nichts vorhanden. Das lässt die Verwandtschaft mit den Annulaten mindestens als sehr fern liegend erscheinen. In allen Fällen bildet die Leibeshöhle einen Abschnitt des Blutgefässsystems , die bei vielen Würmern vorhan- dene vom Blute verschiedene perienterische Flüssigkeit wird daher bei den Arthropoden vom Blute repräsentirt. Von dem weder dem Ectoderm — zur Bildung der Leibeswand — noch dem Entoderm — zur Bildung der Darmwand — zugetheilten Form- elementen des Mesoderms erhalt sich bei den meisten Arthropoden eine Summe von Zellen, welche nicht zu bestimmten Organen verwendet wird. Solche Zellenmassen bestehen an verschiedenen Stellen der Leibeshöhle fort und finden sich häufig, wie andere Bindesubstanz der Arthropoden, zwischen den einzelnen in die Leibeshöhle gebetteten Organen. Bald bleiben alle diese Zellen auf indifferentem Zustande , und bil- den, sich unter einander verbindend, Stränge oder Netze. In der Begel gehen jedoch in diesen Zellen Differenzirungen vor sich. Es entstehen in ihnen Fetttröpfchen , welche entweder die Zellen gleichmässig ausfüllen, oder in grössere Tropfen zusammenfliessen, daher man diese Zellen als Fettkörper zusammenfasst. Zuweilen besitzt dieses Fett eine bunte (gelbe oder rothe) Färbung. Solche fetttropfenhaltige Zellen sind bei Krustenthieren beobachtet, besonders bei Entomostraken, wo sie zuweilen im Verhältniss zur Körpergrösse des Thieres recht ansehnlich sind , und eine constante, regelmässige Vertheilung im Körper besitzen. Letzteres gibt der Vermuthung Baum , dass diesen Fetttropfen auch eine hydrosta- tische Bedeutung zukomme. Am mächtigsten sind solche Ablagerungen bei denlnsecten entwickelt, wo der Fetlkörper, namentlich in den Larvenzuständen, aus ansehnlichen, mit Ausläufern unter einander verbundenen Zellen besteht, die einen grossen Theil der Leibeshöhle ausfüllen. Man darf sich jedoch keineswegs vorstellen, dass der Inhalt jener Zellen nur durch Fett gebildet wird. Dieses Gewebe ist die Ablagestätte des während des Puppenstadiums zum Theile verbraucht werdenden Materials, demnach beim ausgebildeten In- secte spärlicher vorhanden. Die Art der Verbindung der Zellen ist sehr verschieden. Sie kann eine innige sein, so dass der Fettkörper Lamellen bildet, oder zusammenhängende Lappen, welche mit Verzweigungen des Tracheensv stems in Verbindung stehen; oder die Verbindung der Zellen ist lose, und im äussersten Falle können die Zellen auch frei in der Lei- Leibeshöhle. Gefässsystem. 295 beshöhle vorkommen, wo sie nicht mit den um vieles kleineren und in- differenteren Blutzellen verwechselt werden dürfen. Die Zellen des Fettkörpers der Tracheaten dienen noch zur Ablage- rung von Excretionsstoffen, die sich als harnsaure Salze bestim- men Hessen. Diese bilden Concremente von krystallinischer Beschaffenheit, sowohl grössere, an die Nierenconcremente der Mollusken erinnernde Kugeln, als kleine Körnchen. Sie sind unter den Arachniden bei Milben, ferner bei Myriapoden (Julus, Polydesmus, Glomeris) und sehr verbreitet bei Insecten getroffen worden. Auch bei Crustaceen scheint dieses Ver- hältniss nicht ganz zu fehlen , indem Aehnliches bei Asellus beobachtet ward. Eine eigenthümliche Modification bietet der Fettkörper in denLeucht- organen der Lampyriden. Diese werden aus Platten von Zellen gebil- det, zu denen reiche Tracheenverästelungen und Nervenverzweigungen gehen. Sie werden nach innen von andern, nicht leuchtenden, aber von reichlichen Harnconcrementen durchsetzten Zellen überlagert. Die ober- flächliche Lagerung der Leuchtplatten lässt sie der Epidermisschichte (Hypoderm) zurechnen. Die Gleichmässigkeit des Cöloms in der Länge des Körpers wird durch die Muskulatur modificirt. Wo diese bedeutend entfaltet ist (im Cephalo- thorax der Crustaceen und Arachniden, wie in den Thorakalmetameren der Insecten) , bleibt nur ein geringer Raum für das Gölom. Auch die Vorsprünge des Ghitinskeletes rufen Aenderungen hervor, zunächst durch Bildung kleinerer Räume, besonders bei Crustaceen. Bei den Insecten wird durch Muskeln, welche bei manchen an die Bauchganglienkette sich inseriren, die Scheidung eines subneuralen Raumes hervorgerufen. Bei anderen setzen sich ähnliche Muskeln im Abdomen horizontal von einer Seite zur andern fort, und bilden damit gleichfalls die Abgrenzung eines Theils des Cöloms. Gefässsystem. § 216. Dieses bei den Würmern zu einer hohen Ausbildung gelangte Organ- system erscheint bei den Arthropoden in manchen Beziehungen auf einer niederen Stufe, vor allem dadurch, dass die Leibeshöhle allgemein eine Strecke der Blutbahn bildet. Es besteht daher auch keine Verschieden- heit zwischen dem Blute und einer perienterischen Flüssigkeit. Bedeutendere Ausbildung bietet meist nur ein dorsal gelagerter Gefässstamm, der als Herz fungirt und dem dorsalen Blutgefässstamm der Würmer homolog zu sein scheint, von welchem einzelne Strecken gleichfalls als Herzen fungirten. Eine Verschiedenheit gibt sich in der Ablösung des Dorsalgefässes vom Darme kund. Durch den Herzschlauch wird das Blut entweder nach vorne zu bewegt, oder nach beiden Enden des Körpers. Diesem dorsalen Herzschlauche der Arthropoden fehlen 296 H- 5- Arthropoden. jedoch zuleitende Gefässe, und das in ihn eintretende Blut nimmt seinen Weg durch spaltartige venöse 0 s t i e n. Wie sehr auch in einzelnen Ab- theilungen eine peripherische Blutbahn, sei es durch Fortsetzungen und Verzweigungen arterieller Gefässe, sei es durch Sonderungen gefässartiger Canäle aus Abschnitten der Leibeshöhle, ausgebildet erscheinen mag, so kommt doch stets dicht am Herzschlauche eine aus einem Abschnitte der Leibeshöhle entstandene Sinusbildung zu Stande. Dieser »Pericardial- sinus« erscheint als ein Theil des Cöloms, und lässt die bei vielen Arthro- poden herrschende geringe Entwickelung der Blutbahn nicht als Rück- bildung aus einem vollkommneren Zustande, sondern als einen auf geringe Ausbildung sich beziehenden niederen Zustand erscheinen. Wie und ob diese einfachere Form des Gefässapparates mit den bei Würmern realisirten Einrichtungen zu verbiuden ist , bleibt für jetzt noch offene Frage. Complicationen der Blutbahn gehen aus der Localisirung der Athem- function hervor. Wo immer gesonderte Gefässwandungen an den Blut- bahnen fehlen, geschieht die Strömung des Blutes doch stets in bestimmter, genau eingehaltener Richtung. Die Blutflüssigkeit der Arthropoden ist in der Regel farblos, nur bei einigen Insecten erscheint sie durch Färbung des Plasma grün- lich oder roth. Die geformten Bestandtheile des Blutes sind indifferente farblose Zellen von sehr veränderlicher Form und Grösse. Manchen (nie- dern Crustaceen) fehlen sie. Die Blulzellen der Insecten sind häufig durch ihren Reichthum an feinen Fettmolecülen ausgezeichnet, dürfen jedoch mit den oftmals gleichfalls freien Zellen des Fettkörpers nicht verwechselt werden. § 217. Als einfachste Form eines Kreislaufsapparates besteht bei den Bran- chiaten ein kurzes schlauchförmiges Herz (vergl. Fig. 136. c von Daph- nia), welches über dem Darmcanale im Vordertheile des Körpers gelagert, durch zwei seitliche Oeffnungen Blut aufnimmt, und es durch einen vor- deren kurzen Gefässstamm den Kopforganen, speciell den Gehirnganglien zuleitet. In regelmässigen Strömen vertheilt sich die Blutmasse durch den Körper, und gelangt, an den vorzugsweise der Athemfunction dienenden Theilen vorbei, wieder zum Herzen, wo sie durch dessen Spaltöffnungen aufgenommen wird. Diese Form des Girculationsorgans charakterisirt Copepoden und Gladoceren , kommt aber auch den Larvenzuständen der höheren Ordnungen zu und findet sich selbst mit wenigen Modificationen bei Entwickelungszuständen der Decapoden. Deshalb können die ein- fachen Formen nicht als Rückbildungen complicirterer gedeutet werden. Der Kreislauf ist ein rein lacunärer, und ausser dem Ansätze zu einem nur selten mehrfach verzweigten , vorderen Arterienstamme existiren keinerlei Gefässe. Bei manchen Copepoden (Corycaeiden) wie bei Girri- pedien sind Circulationsorgane vermisst worden. Gefässsystem. 297 Eine weitere Entwiekelung zeigt das Herz bei den Phyllopoden. Es erscheint als längerer Schlauch , der eine mehrfache Wiederholung des einfachen Herzens der Daphnien bildet, indem er eine Mehrzahl von venösen Ostien (bis zu 20 Paaren bei Artemia) besitzt. Der Herzschlauch ist somit in einzelne Kammern gegliedert, diese entsprechen aber nicht genau den Metameren , vielmehr trifft eine grössere Anzahl der letzteren auf je eine Kammer. Die Gliederung erscheint damit als eine selbstän- dige, was vielleicht als eine spätere Einrichtung anzusehen ist. Nur an dem vordersten Ende geht ein Arterienstamm hervor und übergibt das Blut der Lacunenbahn der Leibeshöhle. Das Herz der Arthrostraken durchzieht einen grossen Theil der Länge des Körpers bei den Amphipoden und Isopoden, bei ersteren in den auf den Kopf folgenden Metameren gelagert, bei letzleren weit nach hinten gerückt. Entweder wird nur ein vorderes Gefäss, oder auch noch ein hinteres entsendet. Verzweigungen kommen nur ersterem zu und sind auf die Kopfgegend beschränkt. Die Zahl der Ostien ist bei Amphipoden sehr verschieden (Phronima hat 3, Gaprella 5, Gammarus 7 Paare; . Einen einfachen Herzschlauch mit nur zwei seitlichen Ostien besitzen die Larven der Thoracostraken und damit knüpfen sie an die oben erwähnte Einrichtung an. Hieraus hervorgehende complicirtere Formen laufen nach zwei Richtungen aus. Die eine davon repräsentiren die Sto- mapoden , deren Herz sich in die Länge streckt, und unter Vermehrung der venösen Ostien anfänglich nur nach vorn und hinten einen Arterien- stamm absendet. Da nur die vordere Arterie sich verästelt, die hintere dagegen eine weite offene Mündung besitzt, so wird dadurch eine Wie- derholung der bei den Arthrostraken vorhandenen Einrichtung gegeben, bis in höheren Stadien nicht blos die vordere und die hintere Arterie reichlichere Verzweigungen bilden, sondern auch vom Herzen selbst eine grössere Anzahl seitlicher Arterienstämmchen abtreten. Den zweiten Typus bieten die Schizopoden und Decapoden. Das Herz hat auch bei dem Besitze mehrerer Ostienpaare eine concentrirtere Gestalt; eine Theilung des Binnenraumes in aufeinander folgende Kam- mern ist nicht mehr unterscheidbar. Die anfängliche Gliede- rung ist in eine einheitlichere Bildung übergegangen. Auch in der Lage der mehrfachen Spalten ist dieses Verhalten ausge- drückt: sie folgen sich nicht mehr gleichmässig, sondern sind verschie- denartig gruppirt. Das Herz der Larven tritt jedoch als ein dünnwandiger Schlauch auch hier nur mit Einem Spaltenpaare auf. und setzt sich nach vorne und hinten in einen einfachen Gefässstamm fort. Der vordere theilt sich in drei Aeste, die bei Verkürzung des Stammes auch unmittelbar vom Herzen entspringen, der hintere bleibt einfach. Das Herz erscheint entweder nur vorübergehend langgestreckt, oder sogleich in einer mehr gedrungenen Form. Seine Lage hat es sowohl bei Schizopoden als Deca- poden im hinteren Theile des Gephalothorax. Auch an der arteriellen Blutbahn bilden sich neue Abschnitte, wäh- 298 II. 5. Arthropoden. ' — a.ff rend der ganze venöse Theil nur durch Lacunen vertreten wird. Auf dieser Stufe bleibt das Gefässsystem der Schizopoden stehen (Mysis), wahrend die Decapoden die einzelnen Stadien der Schizopoden ontoge- netisch durchlaufen. An der aussebildeten Form eines lans- schwänzigen Decapoden finden wir den muskulösen Herz- schlauch Fig. 145. c) von einem deutlich ausgebildeten Pericardialsinus (pc) umgeben, aus welchem das Blut durch drei Paare symmetrisch ver- teilter Spaltöffnungen in erste- ren tritt. Vom Herzen entsprin- gen drei vordere Arterienstämme und ein hinterer Stamm. Der vordere mediane (ao) verläuft ohne bedeutende Verzweisuns zu Gehirn und Augen (o) , die beiden seitlichen (aa) vertheilen Aeste an Geschlechtsorgane, Leber und Antennen. Der vom hinteren Ende des Herzens ab- gehende Arterienstamm theilt sich in zwrei über einander lie- gende Aeste , die auch getrennt vom Herzen entspringen können. Der dorsale (ap) versorgt, bei Brachyuren gabelförmig gespal- ten, die Muskulatur des Rückens und Schwanzes. Der ventrale Ast (a) wendet sich sogleich nach seinem Ursprünge abwärts, und theilt sich in einen nach vorne und einen nach hinten laufenden Zweig, welch' beide vorzüglich für die Gliedmassen bestimmte Verzweigungen ab- senden. Ausser dem hinteren medianen Arterienstamme fin- den sich zuweilen noch zwei kleinere vor. Das sehr ent- wickelte Capillarsystem geht all- mählich in rückführende Canäle (Körpervenen) über, welche sich zunächst auf der ventralen Seite in mehrere Stämme sammeln , und damit (v) in Fig. 145. [Schematische Darstellung des Circulations- apparates vom Hummer, o Auge, ae Laterale An- tennen, ai Mediale Antennen, br Kiemen, c Herz. pc Pericardium. ao Mediane vordere Körperarterie. aa Leberarterie, ap Hintere Körperarterie, a Stamm der Baucharterie, av Vordere Baucharterie, v 'Ven- traler Venensinus, r br Kiemenvenen. — Die Pfeile deuten die Richtung der Blutströme an. Gefässsystem. 299 einen weiten an der Kiemenbasis (im sogenannten Slernalcanal) gelegenen Ventralsinus sich vereinigen. Jede Kieme (br) erhält von da aus ein zu- führendes Gefäss (Kiemenarterie). Aus den Kiemen gelangt das Blut in Kiemenvenen [vbr], deren jederseits 6 — 7 zum Pericardialsinus empor- steigen und dort häufig trichterförmig erweitert münden. Als besondere Differenzirungen des Herzens sind die Klappen der venösen Ostien anzusehen , die an den langgestreckten Herzformen zur Scheidung in einzelne Kammern beitragen. Mehrere dieser verschiedenen Formzuslände vereinigt der Circula- tionsapparat der Pöcilopoden , deren langgestrecktes Herz in einem Pericardialsinus liegt, und von daher durch 7 Ostienpaare Blut empfängt, aber nicht blos vorne und hinten , sondern ähnlich wie bei Stomapoden auch seitlich Arterienstämme entsendet. § 218. Die Kreislaufsorgane der Tracheaten zeigen mit jenen der Crustaceen mit langgestrecktem, vielkammerigem Herzen einige Uebereinstimmung, und die Verschiedenheiten begründen sich mehr auf den Grad der Ent- wicklung eines vom Herzen ausgehenden Gefässsystems. An diesem macht sich wiederum eine Beziehung zu den Athmungsorganen geltend, indem eine Beschränkung der letzteren auf kleinen Baum von einer voll- kommeneren Entfaltung von Blutgefässen begleitet wird, indess die Ver- theilung von respiratorischen Organen im ganzen Körper mit geringerer Ausbildung der Arterien sich verbindet. Auch die Protracheaten scheinen sich hierin anzuschliessen. Der Circulationsapparat von Peripatus wird , soweit bis jetzt be- kannt, durch ein »Bückengefäss« vorgestellt, ähnlich dem bei Insecten bestehenden, so dass hier im Vergleiche mit den andern Tracheaten die einfachsten Verhältnisse vorkommen. Das Bückengefäss bietet an seiner UnterQäche in der Medianlinie eine Beihe von Spalten, und scheint sich in Uebereinstimmung mit den Myriapoden längs des Körpers zu erstrecken, indess es bei Insecten auf das Abdomen beschränkt ist. Es wird hier durch »Flügelmuskeln« (Fig. 146 m) an die Leibeswand, zuweilen auch (bei Muscidenlarven) an Tracheen befestigt. Es besitzt eine, bei Larven äusser- lich oft sehr wenig deutliche Theilung in Kammerabschnitte , eine Meta- merie, die auch durch die Anordnung jener Muskeln, theils durch die Lagerung der spaltenförmigen venösen Ostien ausgedrückt ist. Die Schwankungen in der Zahl dieser Kammern sind nicht sehr bedeutend, bei den meisten stellt sie sich auf acht, selten sich darüber erhebend, häufiger darunter sinkend. Diese Verhältnisse bedürfen jedoch noch sehr genauerer Prüfung. Das durch die Ostien in den Herzschlauch aufge- nommene Blut wird durch die Kammersystole nach vorn getrieben , ge- langt somit von Kammer zu Kammer, und von der vordersten in die Körperarterie, wobei die als Klappen fungirenden taschenförmigen Ein- stülpungen der Oslienränder den Bücktritt verhindern. 300 II. 5. Arthropoden. Die Körperarterie (Fig. 146. a) ist die unmittelbare Fortsetzung des Herzens, welches im Vergleiche mit den Myriapoden die thoracalen Meta- meren verlassen hat. Die Arterie verlauft gerade nach vorn gegen das Gehirn , in ihrem näheren Ver- halten noch keineswegs genau bekannt. Ob eine für einzelne Insecten angegebene Verzweigung des Vor- derendes eine allgemeine Erscheinung ist, bleibt un- entschieden. Jedenfalls durchläuft das Blut sehr bald eine lacunäre Bahn zwischen den einzelnen Organen in regelmässigen Strömen , wie an durch- sichtigen Insectenlarven leicht zu beobachten ist, und sammelt sich wieder in der Nähe des Herzens zum Eintritte in die venösen Ostien an. Auf diesem Wege sind die einzelnen Bahnstrecken zuweilen so scharf absesrenzt, dass z. B. in den Gliedmassen s;efäss- artige Bäume zu entstehen scheinen. Indem die Flügelmuskeln nicht unmittelbar an die Herzwand , sondern an besondere dieser auflie- gende Zellen sich ansetzen, und sich zugleich in ein das Herz umgebendes Maschenwerk verflechten, ent- steht darunter ein Hohlraum, der einem Pericardial- sinus ähnlich ist. Fig. 146. Herz von Me- lolontha. a Arterie aus der vordersten Kam- mer entspringend, m Flü- gelmuskein. (Nach Bur- meister Fig. 147. Kopf und zwei Körpersegmente von Sco- lopendra mit^dem vordersten Abschnitte des Blutgefässsystems. C'Kopf. ff Oberes Schlundgang- lion (Gehirn). 0 Augen. M Mandibeln. A Antennon. A" Kammern des Herzens, m Fliigelmuskeln. o Ve- nöse Ostien. a Laterale Arterien. 6 Arterienbogen. c Kopfarterie. (Nach Newport.) § 219. ' Am Herzen der Myriapoden äussert sich durch die gleichartige Ausdehnung in der ganzen Körper- länge und die beträchtliche Ver- mehrung der Kammerzahl ein engerer Zusammenhang der äusse- ren Gliederung des Körpers mit der inneren Organisation und darin kann ein niederer Zustand erkannt werden. Die Kammern (Fig. 147. A sind wieder durch Klappen, an den einzelnen venösen Ostien (o) von einander abgegrenzt, und werden durch ansehnliche Fliigelmuskeln (1/1 befestigt. Von jeder Kammer gehen paarige besonders bei Scolo- pendern ausgebildete Arterien- stämme für die betreffenden Meta- meren hervor. Im Vergleiche zu den Insecten liegt darin eine Weiter- bildung. Diese Arterien entspringen Gefässsvstem. 301 fast in gleicher Höhe mit den venösen Ostien. Bei den Juliden sind sie doppelt, da jede Kammer aus zwei ursprünglich getrennten verschmilzt. Aus der vordersten Kammer entspringen drei Stämme, deren mittlerer (c) sich im Kopfsegmente verbreitet, während die beiden seitlichen (6) den Oesophagus umfassen. Aus ihrer Vereinigung bildet sich ein grösserer, dem Bauchmarke aufliegender Stamm , der wie bei den Scorpionen bis zum letzten Ganglion der Bauchkette verläuft und zahlreiche Aeste absendet. § 220. Bei den Arachniden treffen wir die Scorpione mit dem complicir- testen Circulationsapparate ausgestattet. Das von einem Pericardialsinus umgebene Herz erscheint im Einklänge mit der Leibesform der Thiere be- trächtlich in die Länge gestreckt und in 8 Kammern getheilt, die durch seitliche Muskeln (Flügelmuskeln) befestigt werden. In jede Kammer führt ein Paar dem Bücken zugewendeter Spalten (venöse Ostien), durch nach innen vorspringende Klappen verschliessbar. Vorne wie hinten gehen arterielle Gefässe als directe Verlängerungen des Herzens ab, wo- von das vordere Gefäss, die Kopfarterie, in den Cephalothorax eintrittr indess das hintere zum Schwänze verläuft. Ausserdem entspringt, wie bei Myriapoden , eine An- zahl lateraler Arterien o ° ^ ^° ' £. dicht an den venösen Ostien und vertheilt sich an die benach- barten Organe. Von den zahlreichen , der Kopfarterie entstam- menden Aesten stellen zwei einen den Oeso- phagus umgebenden Gefässring dar , von welchem sich eine rücklaufende Arterie (Arteria supraspinalis) auf dem Bauchmark bis zu dessen Ende unter Abgabe reich- licher Zweige er- streckt. Das venöse Blut sammelt sich ähnlich wie bei den höheren Crustaceen in einem der Bauchfläche dicht aufliegenden Behälter und wird von diesem aus zu den Athmungsorganen geführt. Ehe das Blut von daher in das Herz gelangt, passirt es den Pericardialsinus. ov Fig. 148. Circulationsorgane von Lycosa. A Das Thier von oben, B in seitlicher Ansicht, o Augen. 12 3 4 5 6 Gliedmassen. P Lunge. C'Herz. ov Venöse Ostien des Herzens. Die Pfeile deuten die Rich- tung des ßlutstroms an. (Nach Clapak£de.) 302 U. 5. Arthropoden. Bei den übrigen Aracbniden erscheint der mehrkammerige Herz- schlauch in reducirter Form und erinnert an die Verhältnisse der Insecten. Er liegt stets im Abdomen ; bei den Araneen und Opilioniden mit drei Paaren seitlicher Ostien, durch die er in Kammern geschieden wird. Von der vordersten Kammer setzt sich eine Arterie in den Cephalothorax fort, welche bei Lycosa sich in zwei Aeste spaltet (Fig. 148) und von jedem derselben Zweige für die Augen und für die Gliedmassen entspringen lässt. Die hinterste Kammer öffnet sich am Ende des Abdomens, der hier sich ergiessende Blutstrom entspricht demjenigen, welcher bei den Scor- pionen durch die Gaudalarterie vertheilt wird. Bei dem Mangel eines Pericardialsinus findet das Blut sowohl auf dem Wege zu den Athem- organen, als auch von diesem zum Herzen nur lacunäre Bahnen vor. Unter den Pycnogoniden ist dieser Apparat nur auf ein dreikamme- riges Herz beschränkt, zu welchem zweiOstienpaare führen, und bei den Milben scheint sogar das Herz nicht zur Entwickelung zu kommen. Excretioiisorgaiie. § 221. Der bei den Würmern in den Schleifencanälen bestehende Apparat findet sich in modificirter Form bei den Crustaceen wieder. Von den ihn darstellenden Organen besteht das eine aus einem gewundenen, unter dem Integumente des Kopfes gelegenen Schlauche , der an der Basis des zweiten (äusseren) Antennenpaares ausmündet. Bei den Entomostraken ist dieses Organ auf das Larvenleben beschränkt, und da in den meisten Abtheilungen nachgewiesen. Vielleicht erhält es sich bei den Cirripedien in den sogenannten »Cementdrüsenff, welche bei den Lepadiden im Stiele lagern und am untern Stielende münden , bei den Balaniden zu einem eigenthümlichen Drüsencomplexe umgestaltet sind. Persistent ist das Or- gan bei den Thoracostraken, als »grüne Drüse« beim Flusskrebs bekannt. Ein zweites hieher gehöriges Drüsenorgan besteht gleichfalls bei den Entomostraken, fehlt aber den höheren Krusten thieren. Es liegt in der mantelartigen Duplicatur des Integumentes als ein schleifenförmig ange- ordneter heller Canal, der unter dem Mantel ausmündet (vergl. Fig. 136 g). Wegen der Lagerung unter der Schale wird das Organ als Schalen- drüse bezeichnet. Nach innen ist es blind geendigt. Es bestehen demnach bei den Krustenthieren zweierlei hierher gehö- rige Drüsenorgane, deren Homodynamie jedoch zweifelhaft erscheint. Das zweite Organ dürfte den schleifenförmigen Excretionsorganen der Würmer homolog sein , und so von einer gemeinsamen Stammform her sich fort- gesetzt haben, mit Aufgabe seiner metameren Bedeutung. Diese in ihren functionellen Beziehungen noch nicht sicher zu be- urtheilenden Organe, von denen nur die grüne Drüse bestimmter als nierenartiges Excretionsorgan sich darstellt, werden bei den Tracheaten Excretionsorgane. Tracheen. 303 vermisst. Die Function der Excretion wird hier von Organen übernom- men, welche als Harncanäle oder MALPiGHi'sche Gefässe unter den An- hangsgebilden des Enddarmes (§ 214) ihre anatomische Darstellung fanden. Tracheen. § 222. Die Leibeshöhle der Protracheaten und Tracheaten durchzieht ein luftführendes Röhrensystem, welches, soweit die bis jetzt bekannten That- sachen tragen, von Integumentarorganen abzuleiten ist. Von grösster Bedeutung ist hiefür das Verhalten dieser Organe bei Peripatus, wo unregelmässig vertheilte Büschel feiner, mit Luft gefüllter Röhren sich an der inneren Fläche der Körperwand , aber auch zu den Oviducten wie an Vorder- und Enddarm verbreiten. Diesem Zustande stellten sich die Einrichtungen der Tracheaten gegen- über, bei denen die Tracheen eine regelmässige Anordnung darbieten, svmmetrisch vertheilt sind. Sie be- stehen aus einer äusseren Zellen- schicht (Fig. 149. d), die innen von einer mit dem Integumente in Zusam- menhang stehenden Chitinhaut ausge- kleidet wird. Die Chitinschichte ist die wesentlichste Bedingung der Ela- sticität, und bietet unter Zunahme der letzteren verdickte Stellen in Form eines ins Tracheenlumen vorspringen- den Spiralfadens. An einzelnen Stellen bilden die Tracheen sackförmige Er- weiterungen, dann ist jene spiralig angeordnete Verdickungsschichte un- terbrochen, d. h. ihre Ablagerung ist nur an einzelnen , unzusammenhän- genden Stellen erfolst. Diese Chitin- TD <-> schichte stellt mit ihren Spiralleislen keine specifische Einrichtung vor, denn an den Ausführgängen vieler Drüsenapparate der Tracheaten besteht ein ganz ähnlicher Bau. Die äusseren Oeffnungen (Stig- mata) der Tracheen sind bei der regu- lären Anordnung paarig zu beiden Seiten des Körpers in wechselnder Zahl gelagert und können an jedem Körpersegmente vorhanden sein. Jedes Stigma stellt eine quer ovale, von ringförmiger Verdickung des äusseren Chitinskeletes umgebene Spalte Fig. 149. A Stück eines Traclieenstammes einer Raupe mit Verzweigungen B CD. a Epithelartige Zellenschichte, b Kerne. 304 M. 3- Arthropoden. vor, die durch Klappenvorrichtuugen geöffnet oder geschlossen werden kann. Besondere Muskeln bewirken einen Verschluss. Der vom Stigma abgehende Tracheenstamm löst sich früher oder später in ein Büschel kleinerer Aeste auf, aus denen feinere, die Organe umspinnende Zweige hervorgehen. Die Art der Verzweigung wie die Länge und Stärke der Aeste ist sehr verschieden. Durch Verbindung einzelner Tracheenstämme unter einander kann ein längs oder quer gerichtetes Röhrensystem den Körper durchziehen , aus dem erst secundär feinere Verzweigungen ent- springen. Durch die Tracheenverbreitung im Körper ergeben sich die Ath- mungsverhältnisse der Tracheaten von denen der Branchiaten wesentlich verschieden. Das zu respirirende Medium wird im Organismus vertheilt, und nicht nur die überall die Tracheen umspülende Blutflüssigkeit kann den. Gasaustausch vollziehen, sondern selbst an den Geweben kann ein unmittelbarer Athmungsact stattfinden, da die Tracheenvertheilung bis iu diese hineindringt und sogar zu den Formelementen in Beziehungen tritt. Vergl.Fig. 144. tr.) Das gilt jedoch nicht für alle Fälle, indem durch eine Reduction der Tracheen eine Beschränkung und engere Begrenzung der respiratorischen Stellen stattfindet und damit die diffuse Athmung zu einer localen wird. Das Blut hat dann, wie bei den Kiemen, die Athmungs- organe aufzusuchen. In dieser Weise beeinflusst das Verhalten der Tra- cheen den Kreislauf. Ausser der Athmung dient das mit Luft gefüllte Röhrensystem der specifischen Erleichterung des Körpers und ist in dieser Beziehung bei den im Wasser lebenden Zuständen der Insecten von nicht minderem Belange als bei jenen, die des Fluges sich erfreuend, durch besondere Vorrichtungen eine Vermehrung oder Minderung des Luftvolums im Tracheensystem bewerkstelligen können. § 223. In der Anordnung des Tracheensystems findet sich eine bedeutende Mannichfaltigkeit, die jedoch von der oben erwähnten einfachen Form büschelförmig verzweigter, jedem Metamer zu einem Paar zukommender Tracheen sich herleiten lässt. Die metamere Vertheilung dieser Oraane scheint auch auf die Kopfsegmente stattgefunden zu haben, da in der On- togenie mancher Insecten auch an jenen Metameren die vom Ectoderm gebildeten Anlagen von Tracheen beobachtet sind. Von diesen Anlagen erhält sich keine bei den lebenden Tracheaten , was wohl mit der Entstehung des Kopfes in Zusammenhang steht. Für die folgenden Metameren ist gleichfalls durch eine, wenigstens für einzelne Fälle nachgewiesene Bück- bildung der Tracheenstämme eine Minderung deren Anzahl erkennbar. Bei den Myriapoden ist die Gleichartigkeit der Tracheen im gesamm- ten Körper bei aller Verschiedenheit in den einzelnen Ordnungen die Regel. Die entweder an der Bauchfläche oder mehr lateral , bei einigen sogar dorsal (Scutigera) gelagerten Stigmata führen in Tracheenstämme, die nach Tracheen. 305 der Zahl der Metameren vertheilt sind. Am einfachsten verhalten sich die Tracheen bei Julus. Von jedem Stigma geht ein Tracheenbüschel ohne jede Verzweigung zu den Eingeweiden. Bei Glomeris dagegen bieten die Tracheen Verzweigungen dar, und bei den Chilopoden gehen sie sowohl Längs- als Queranastomosen ein, und erreichen damit eine ähnliche An- ordnung wie bei vielen Insecten. Unter den Insecten scheint bei einem Theile der Aptera eine Rück- bildung der Tracheen eingetreten zu sein. Sie fehlen den Collembola fast völlig, indem nur bei Smynthurus zwei prothoracale Tracheen beobachtet sind. Unter den Thysanuren sind sie zu drei Paaren bei Campodea vor- handen (Fig. 150) und zwar im Meso- und Meta- thoracalsegment, sowie dem ersten Segmente des Abdomens angehörig. Der Mangel an Anastamosen lässt die niedere Stufe erkennen, die bei den andern überwunden ist. Meist bestehen 10 Stigmenpaare. Diese sind auch für die Pterygota die höchste Zahl des Imagozustandes, nachdem für manche Larven 1 1 Stigmen vorauszusetzen sind; denn auch das erste Rumpfmetamer ist hier zuweilen mit einem Stigma versehen, welches sonst allgemein in Wegfall gekom- men ist. Allgemein fehlen Stigmen den beiden letzten Metameren. Diese Stigmen sowie die davon aus- gehenden Tracheenstämme sind aber keineswegs immer vollzählig. In grossem Wechsel des Befundes erscheinen bald da bald dort Stigmenpaare in Rück- bildung, so dass nur 3 oder 2 derselben sich offen erhallen. Sie liegen beim Imago meist in der weiche- ren, die Körpersegmente verbindenden Membran, am Abdomen zuweilen so weit dorsal gerückt, dass sie von den Flügeln bedeckt werden (Goleoptera) . Die Zahl und Anordnung der Tracheen des Imagostadiums ent- spricht nicht jener der Puppen oder der Larven. Die Verschiedenheit der in beiden Zuständen waltenden äusseren Lebensverhältnisse beherrscht die Einrichtungen dieses respiratorischen Röhrensystemes. Die Ausbil- dung von Anastomosen , sowohl der Quere als der Länge nach , sorgt für eine gleichmässige Verlheilung des zu respirirenden Mediums. Bei Re- duction der Stigmenzahl gewinnen die Längsstämme eine grosse functio- nelle Bedeutung, indem sie den stigmenlosen Körperstrecken Tracheen- verzweigungen senden. Sowohl auf Strecken der Hauptstämme wie der Aeste und Zweige können sich die obenerwähnten Tracheenblasen bilden, deren Entfaltung mit der Ausbildung des Flugvermögens in Cau- salnexus steht. In ausserordentlicher Anzahl findet man sie bei Käfern (Lamellicornier) , minder zahlreich , aber umfänglicher treten sie bei Schmetterlingen, Hymenopteren und Dipteren auf, bei letzteren zuweilen durch ein grosses, fast das Abdomen füllendes Blasenpaar repräsentirt. Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 20 Fig. 150. Vordere Körper- hälfte von Campodea fragil is. s Stigmen. (Nach Palmen.) 306 II. 5. Arthropoden. Da die Entfaltung des Tracheensystemes an die Luftathmung und da- mit an den Aufenthalt ausserhalb des Wassers geknüpft ist, werden die bei vielen Insecten durch den Aufenthalt der Larven oder der aussebil- deten Stadien im Wasser bedingten Modificationen als secundäre Einrich- tungen aufzufassen sein. Es sind Anpassungen an die geänderte Lebens- weise. So besteht bei manchen Dipterenlarven nur ein Stigmenpaar am Hinterleibsende (Corethra). In noch weiter ausgebildeter Anpassung geht vom Abdomen im Wasser lebender Hemipteren (Nepa, Ranatra) eine Athemröhre aus. § 224. Die Anpassung an den Aufenthalt im Wasser verknüpft sich im höchsten Grade ihrer Ausbildung mit einer Rückbildung aller Stigmen und der von ihnen ausgehenden Tracheenstämme. Daraus geht das ge- schlossene Tracheensystem hervor, welches die Larven der amphi- biotischen Pseudoneuropteren auszeichnet. Hier bestehen die auch beim offenen Tracheensystem vorkommenden Längsstämme als die Haupttheile des Apparates. Sie verzweigen sich sowohl nach den Eingevveiden (Darm) wie nach der Leibeswand. An beiden Theilen rufen sie die Ausbildung von Organen hervor, an denen der Austausch der Gase vor sich geht. Die Beziehungen dieses geschlossenen Tracheensystems zum offenen erhellen aus dem Vorkommen von Strängen, welche die Längsstämme mit der Kör- pervvand verbinden, und genau an den Stellen inserirt sind, wo später die Stigmen sich finden. Die Stränge erscheinen damit als obliterirte Tra- cheenstämme. Das bestätigt sich noch dadurch, dass bei der Häutung der Larven auch die Intima eines Theiles des Tracheensystemes mittels einiger dieser Stränge nach aussen entfernt wird und dann an den Exuvien sich vorfindet (Ephemeriden , Perliden). Ein Theil dieser Stränge wird dann nach letzter Häutung wieder wegsam, und stellt, indem seine dermale Verbindung ein Stigma hervorgehen lässt, ein offenes Tracheen- system her. Die am Integumente sich verzweigenden Tracheen vermitteln wäh- rend des Geschlossenseins des Apparates eine dermale Respiration ^manche Perliden). Daran knüpft sich die Ausbildung von Oberflächenvergrösse- rungen , welche zur Bildung von Fortsätzen führt, in denen Tracheen vorzugsweise sich verzweigen (Tracheen- Kiemen, vergl. § 190;. Diese Organe bilden bald Büschel , bald Blältchen und halten bei Ephe- meriden und Perliden das Abdomen besetzt (Fig. 151 Ä) oder finden sich auch noch als Büschel am Thorax (Perliden). Die allgemeine Dermal- respiration ist hier auf bestimmte Organe localisirt. Bei der Büschelform kommt eine grössere Oberfläche zu Stande, was bei der Blattform com- pensirt wird durch die Bewegungen der Blättchen, und den damit geför- derten rascheren Wasserwechsel. Bei Ausbildung der Tracheeuverzwei- gung am Enddarme übernimmt dieser respiratorische Function. Auch Tracheen. 307 ohne das Vorkommen besonderer Organe scheint daselbst bei Epheme- riden- und Perlidenlarven ein Theil der Respiration vollzogenrzu werden, da eine Aufnahme von Was- serin den Enddarm beobach- tet ist. Ersichtlicher ist diese Function mit der Entstehung einer Flächenvergrösserung, wie sie bei den Larven der Libellen in den zahl- reichen, Längsreihen bilden- den Lamellen besteht. Zwei Längsstämme (Fig. 151 B a) verzweigen sich hinten (c) an den Enddarm, und bil- den in dessen Lamellen ein dichtes Tracheengeflecht. Durch die Bewegungen einer Klappvorrichtung an der Analötinung werden diese inneren Tracheenkiemen beständig mit Wasser be- spült. Somit fungirt hier der Enddarm als Athem- organ, wie es auch in man- Fig- 15L f Hmtertheii des^ chen anderen Abtheilungen vorkommt. Körpers der Larve von Ephe- mera vulgata. a Längstracheenstämme, b Darmcanal. c Tracheenkiemen, d gefiederte Schwanzanhänge. B Larve von Aeschna grandis. a Obere Längstracheenstämme, b Vor- deres Ende derselben, c Hinterer, auf den Enddarm sich ver- Palmen, J. A., Zur Morpho- zweigender Abschnitt, o Augen. Die mittlere Figur stellt den loc'ie des Tracheeil^VStems Darmcanal derselben Larve von der Seite dar. d Unterer seit- Hplsinofors 1S77 lieber Tracheenstamm, e Communication mit dem oberen Stamme, «6c wie in B. (Nach Sucitow.) § 225. Unter den Arachniden reihen sich die Galeoden bezüglich des Tra- cheensystems am nächsten an die Insecten, indem die einzelnen Tracheen durch seitliche Längsstämme verbunden sind. Durch nur drei Stigmen- paare wird andererseits die Verwandtschaft mit den übrigen Arachniden- Abtheilungen kundgegeben. Eine bemerkenswerthe Eigentümlichkeit besitzt das Tracheensystem in der baldigen Theilung eines von einem Stigma entspringenden Tracheenstammes in eine grosse Anzahl kurzer, lamellenartig abgedachter und wie Blätter eines Buches an einander lie- gender Aeste, wodurch das ganze Organ auf einen kleinen Raum be- schränkt wird. Solche Blättertracheen hat man als »Lungen« be- zeichnet. Vier Paare derselben münden bei den Scorpionen auf der Venlralfläche des Abdomens aus. Zwei Paare besitzen die Geisselscorpione und die Vogelspinnen. Bei den übrigen Spinnen ist nur ein Paar ausge- 20* 308 H- 5- Arthropoden. bildet, dessen Stigmen am Vordertheil des Abdomens ventralwärts liegen. Ein zweites Stigmenpaar führt bei manchen Spinnen nahe hinter dem ersten gelagert in Tracheen, die in zwei, terminal mit feinsten Röhrchen besetzte Hauptröhren endigen (Argyroneta , Dysdera, Segestria). Bei anderen ist dieses Stigmenpaar verschmolzen und liegt vor den Spinn- warzeu. Meist gehen von der Stigmahöhle vier Röhren aus, die entweder verzweigt (Thomisus) oder einfach verlaufend endigen (Tegeneria, Clu- biona, Lycosa, Epeira). Durch das Fehlen von Verzweigungen wie von Anastomosen reihen sich die Blättertracheen an den niedersten Zustand der Tracheen an, und repräsentiren eine einseitige Ausbildung derselben. Nur ein Stigmenpaar besitzen die Opilioniden, deren Tracheen durch reiche Verzweigung sich auszeichnen. Ebenso reducirt ist die Stigmenzahl bei den Milben, von denen viele (z. B. Sarcoptes) des Tracheensystems ebenso entbehren, wie die Linguatuliden und Pycnogoniden. Geschlechtsorgane. § 226. Die Fortpflanzung der Arthropoden wird ausschliesslich durch den Geschlechtsapparat besorgt, und was man hier als ungeschlechtliche Ver- mehrungsweise bezeichnet (Erscheinungen der Parthenogenesis und des Generalionswechsels), geht in allen Fallen aus geschlechtlicher Differeu- zirung hervor. Die bei den Würmern nur in einzelnen Abtheilungen vorhandene Vertheiluns; derGenerationsortjane auf verschiedene Individuen ist bei den Arthropoden zur Regel geworden; nur bei wenigen hat sich hermaphro- ditische Bildung erhalten. Die geschlechtliche Diti'erenzirung erstreckt sich bei vielen auch auf äussere Theile, auf Umfang und Gestaltung des Körpers. Die Keimdrüsen sind stets gesonderte Organe, die nicht mehr auf die Metameren vertheilt , und entweder einfach oder doch in nur einem Paare vorhanden sind, üb dies daher rührt, dass der Geschlechtsapparat sich hier von solchen Thieren vererbt hat, die ihn nur einfach besassen, ist noch nicht zu ermitteln. In der allgemeinen Anordnung der Organe ergeben sich manche übereinstimmende, höchst beachtenswerthe Befunde. Die Grundform des Apparates ist in einer einheitlichen Keimdrüse (Fig. 152 a) zu erkennen, von der bilateral ein Ausführcanal (b) sich fortsetzt. Dieses Verhalten der Keimdrüse treffen wir bei Branchiaten Fig. 152. Schemata für das Verhalten des wie bei einem Theile der Tracheaten Geschlechtsapparates der Arthropoden. (Arachniden) ausgesprochen. Die Voll- « Keimdrüsen. 6 c Ausführgang. ständige Duplicität des Ausführganges bis zur Mündung bewahren fast alle Crustaceen (A). Auch unter den Tracheaten ist dies noch bei Myriapoden vorhanden. Die Einheit der Keimdrüse beginnt unter den Crustaceen sich aufzulösen. Das Organ ver- Geschlechtsorgane. 309 theilt sich dann nach den beiden Ausführgängen (Insecten) . Durch Näherung der Mündungen der Ausführgänge kommt es zu einer gemeinsamen Oeff- nung, und daraus leitet sich ein unpaarer Abschnitt der Ausführwege ab (c). Viele Arachniden besitzen diese unpaare Strecke in Verbindung mit einem ringförmigen Theile, der von der Keimdrüse in grösserem oder geringerem Maasse vorgestellt wird (C). Der Ring ist dann durch einen ererbten (primären) Zustand : die einheitliche Keimdrüse, und einen erworbenen (secundären) Zustand: die Verschmelzung der Ausführwege, gebildet. Wie die Geschlechtsorgane der Krebse die niederste Stufe dieser Reihe vorstellen, so erscheinen die Insecten auf der höchsten, da sowohl die Keimdrüse durch ihre bilaterale Trennung als auch die Ausführwege durch ihre terminale Verschmelzung und Rildung eines gemeinsamen unpaaren Abschnittes am weitesten vom niedersten Refunde sich entfernt haben (D). Sowohl an den Keimdrüsen ergeben sich mannichfache Differenzirungen, wie auch an den Ausführwegen , an diesen am grossartigsten und zwar bald an der paarigen, bald an der unpaaren Strecke. Die Refruchlung erfolgt mit Ausnahme der festsitzenden Cirripedien durch Regattung. Dem entsprechend findet sich näher oder entfernter vom Endabschnitte der weiblichen Ausführwege ein Raum zur Aufnahme des Sperma (Recepta- culum seminis) durch eine Ausbuchtung einer Strecke der Ausführwege vorgestellt, die zu selbständigeren Anhangsgebilden sich umgestaltet. Endlich tritt noch eine Regattungstasche zur Aufnahme des Penis hinzu. Ausnehmend mannichfach sind die Organe, welche zum Schutze der bereits aus dem Körper getretenen Eier verwendet werden. Häufig ist ein Theil der Gliedmassen, besonders bei Krustenthieren, in dieser Richtung umgebildet. Aber auch ganze Körperregionen können zu Rrutbehältern umgewandelt sein. Aus diesen Reziehungen zur Rrutpflege entspringt ein grosser Theil der Verschiedenheit weiblicher und männlicher Individuen. Endlich ist noch, als ein auf alle Theile des weiblichen Apparates modifi- cirend wirkender Umstand, die Quantität der producirten Eier in Anschlag zu bringen, indem aus einer beträchtlichen Vermehrung nicht blos Er- weiterungen der ausleitenden Räume , sondern auch vielfällige Umände- rungen aller accessorischen Organe abzuleiten sind, die wieder in der Volumzunahme des Weibchens sich aussprechen. Am männlichen Apparate führen ausser den von den Ausführwegen ausgehenden Differenzirungen wieder die durch die Regattung bedingten Organe zu Gomplicationen. Wo nicht das ausstülpbare Ende der Aus- führwege zur Regattung dient, finden sich besondere Copulationsorgane, an deren Herstellung bald die Gliedmassen (Krebse), bald solche und ganze Metameren (Insecten) betheiligt sind. Den Gliedmassen kommen überdies noch manche andere Reziehungen zum Geschlechtsapparate zu, indem sie als Organe zum Einfangen und Festhalten der Weibchen dienen, und damit in Verbindung stehende Umbildungen aufweisen. So erscheint hier der Geschlechtsapparat in seiner Correlation von grösster Redeutung für die Gestaltung des Gesammtorganismus. 310 II. 5. Arthropoden. § 227. Unter den Crustaceen treffen wir bei einem Theile der Cirripedien Zwitterbildungen. Hoden wie Eierstöcke sind vielfach verästelte, äusser- lich nur durch ihre Lagerung unterschiedene Schläuche. Die Ovarien liegen bei den Lepadiden in dem durch eine Ausstülpung des Mantels gebildeten Stiele verborgen und senden jederseits ein Oviduct zur Mantel- höhle. Bei den Balaniden sind sie in den Mantel eingebettet. Die männ- lichen Zeugungsdrüsen sind in beiden Familien um den Tractus intesti- nalis gelagert und vereinigen sich an jeder Seite zu einem Vas deferens, welches, den Enddarm begleitend, mit dem der anderen Seite verbunden am Ende des Postabdomens mündet. Bei den übrigen getrennt geschlechtlichen Crustaceen zeigt die Ein- richtung von beiderlei Apparaten einen hohen Grad der Uebereinslim- mung. Nach dem paarigen oder unpaaren Verhalten der Keimdrüsen lassen sich zwei verschiedene Formen des Geschlechtsapparates unter- scheiden. Diese sind jedoch unter einander verknüpft durch Verbindung zweier Keimdrüsen zu einem äusserlich unpaaren Organe. Unpaare Keimdrüsen treffen wir bei den freilebenden Cope- poden. Ovarium wie Hoden (Fig. 4 53. t) liegt in der Medianlinie dem Mitteldarm [v] auf. Das Ovar entsendet jederseits einen Ei- leiter, der entweder einfach nach hinten verläuft, oder an seinem Endabschnitte mehr- fache als Uterus fungirende Windungen bildet (parasitische Copepoden), oder auf seinem mit vielfachen (Fig. 4 54. B) zur Aufnahme der Eier besetzt ist (Corycäiden). Der kurze Endabschnitt ist entweder in seinen Wandungen drüsig, oder es sitzt ihm eine besondere Kittdrüse an. Eine Erweiterung des Endabschnittes fun- girt als Receptaculum seminis, welches auch in vielen Fällen, z. B. bei Siphonostomen, einen zur Aufnahme des Sperma mit selbständiger Mündung versehenen besonderen Abschnitt vorstellen kann. Bei vielen Siphonostomen ist das Ovarium doppelt; beide Ovarien sind aber häufig einander genähert. Aehnliches bietet sich bei den männlichen Copepoden, von denen die freilebenden einen einfachen, bei den Corycäi- den in zwei Hälften getrennten Hoden besitzen , der jederseits in ein be- sonderes Vas deferens übergeht. Bei manchen Familien ist der rechte Samenleiter rückgebildet. Das häufig gewundene Ende des Samenleiters (Fig. 153. vd) dient als Samenblase, in der die Bildung der Spermato- phoren geschieht. Fig. 153. Darm und männlicher Geschlechtsapparat von Pleuroma. Seitliche Ansicht, oe Munddarm, r Mittel- darm, h Unpaarer Blindsack, i Enddarm, c Herz. t Hoden, vd Gewundenes Vas deferens. (Nach Claus.) ganzen Wege Ausbuchtungen Geschlechtsorgane. 311 Bei den Branchiopoden liegen die Keimdrüsen als getrennte Schläuche zur Seite des Darmcanals. Einfach sind sie bei den Cladoceren, wo sie sich unmittelbar in den wenig veränderten Ausführgang fortsetzen , der sowohl bei männlichen als weiblichen Organen nahe am Körperende mündet. Daran reihen sich die Phyllopoden. Hoden oder Eierstöcke neh- men bald nur den hintern Theil der Leibeshöhle ein, und senden dann von ihrem vorderen Ende einen rückwärts umbiegenden Ausführgang ab (Arlemia, Branchipus), oder sie beginnen weiter vorne und lassen den Ausführgang am hinteren Ende oder nahe daran hervorgehen (Holope- dium). Ein erweiterter Abschnitt des Oviductes dient bei ersteren als Uterus, ähnlich wie am Samenleiter eine Anschwellung die Samenblase bildet. Diese einfachere Form der Geschlechtsorgane geht bei den meisten Phyllopoden durch Vergrösserung der Keimdrüsen Modificationen ein. Das Ovarium von Limnadia ist mit kurzen taschenartigen Ausbuchtungen be- setzt, die bei Apus durch weiter gehende Verästelungen eine gelappte Drüse von bedeutender Ausdehnung herstellen. Dies Organ dient auch als Behälter (Uterus) für die reifen Eier. Formell ähnlich verhält sich der Hoden. Unter den Arthrostraken waltet eine Trennung der beiderseitigen, meist getrennte Ausmündungen besitzenden Geschlechtsorgane vor. Die weiblichen Organe bestehen bei den Amphipoden aus einfachen, in der Be- gel an der Basis des fünften Thoracalsegments ausmündenden Schläuchen. Bei den Isopoden (Fig. 4 54 C) sind diese Schläuche sowohl nach vorne als hinten blind geendigt und der Ausführgang entspringt im Verlaufe der- selben. Als eigentliche Keimdrüsen sind die Enden der Schläuche anzu- sehen, indess der übrige grösste Theil einem Oviducte oder Uterus gleich- kommt. Die männlichen Organe kommen damit überein, doch trifft sich für die Isopoden eine Eigenthümlichkeit, indem jederseits mehrere Hoden- schläuche (Fig. 155 B) sich zu einem besonderen Abschnitte vereinigen, aus dem ein engerer, häufig gewundener Aasführgang entspringt. Dieser nimmt entweder seine eigene Ausmündung, oder ist vor der Mündung mit dem der anderen Seite vereinigt. § 228. Unter den Thoracostraken bieten die Schizopoden (Mysis) die ein- facheren Geschlechtsorgane. Die weiblichen Organe (Fig. 154. A) be- stehen aus einer unpaaren Keimdrüse (o), an die sich seitlich Ausführ- wege, zu einem nach vorne zu blindsackartig fortgesetzten Uterus erwei- tert, anschliessen. An ihrem hinteren Ende senden sie einen kurzen Gang [od) zur Geschlechlsöffnung ab. Diese Verbindung beiderseitiger Organe besteht auch für den Hoden. *Er wird aus einer Doppelreihe von Drüsen- follikeln gebildet, welche in einen schlingenförmig verlaufenden Canal zu- sammentreten , 'der den einfachen, an der Basis des letzten Fusspaares mündenden Ausführgang bildet. 312 II. 6. Arthropoden. Die Geschlechtsorgane der Decapoden reihen sich durch die gleich- falls bestehenden Medianverbindungen an jene von Mysis an , und er- scheinen durch mannichfache Differenzirungen weitergebildet. Die weib- lichen Organe werden *B &®fo durch zwei lange, nach vorne und nach hinten ausgezogene und unter einander querverbundene Röhren vorgestellt, die theils als Keimdrüse, aber auch zum grossen Theile als Eileiter und Uterus fungiren. Beim Flusskrebs sind die beiden vorderen Abschnitte als kürzere Lappen gestaltet , indess Fig. 154. Weibliche Geschlechtsorgane von Crustaceen. A von Mysis. B von Sapphirina. C von Onis cus. o Ova- rium. od Oviduct. u Uterus. beiden hinteren zu unpaaren Stücke die einem verschmolzen sind. Ein kurzer Ausführgang begibt sich jederseits zur Geschlechtsöffnung, die bei den Caridinen wie bei den Schizopoden gelagert, bei den Macruren an den Basalgliedern des dritten Fusspaares, bei den Brachyuren dagegen an dem dieses tragenden Körpersegmente angebracht ist. Die Brachyuren sind überdies noch durch eine taschenartige Erweiterung des Ausführ- ganges ausgezeichnet (Samentasche). Der männliche Apparat zeigt die Hoden aus zwei, vielfach gewundenen, vorne der Quere nach unter ein- ander verbundenen Schläuchen dargestellt, die, wie auch die weiblichen Organe, meistentheils im Cephalothorax lagern und nur bei Pagurus ins Abdomen sich einbetten. Sie entsenden bei den letzteren zwei lange, eng gewundene , allmählich sich erweiternde Ausführgänge. Daran schliessen sich die meisten übrigen Decapoden an , doch mannichfache Eigentümlichkeiten die Windungen des Samencanals gebildeten Lappen , theils auch in der Bildung des unpaaren, beiderseitige Drüsen vereinigenden Stückes. Voll- ständiger ist die Vereinigung der Keimdrüsen bei Astacus. Ein langge- wundenes Vas deferens tritt an jeder Seite zur äusseren Geschlechts- öffnung, die in der Regel am Basalgliede des letzten Fusspaares angebracht, bei den kurzschwänzigen Krebsen jedoch am Ende eines, aus einer um- gewandelten Gliedmasse hervorgegangenen Penis sich findet. Es erhält sich also nur für den männlichen Apparat die gleiche Ausmündung wie bei den Schizopoden, während die weibliche Oeffnung weiter nach vorne gerückt ist. Im Geschlechtsapparat der Stomapoden beginnt der Hoden als feiner unpaarer Schlauch median in der Schwanzflosse, setzt sich nach vorne in eine paarige Strecke fort, aus der ein stark gewundenes Vas deferens ergeben sich theils in der Ausdehnung der durch Geschlechtsorgane. 313 hervorgeht. Jedes begibt sich zu einem der Coxa des letzten Brustfusses entspringenden Penis. Ebenda mündet eine in der Kopfbrust unpaar beginnende Drüse aus. Das Ovar erstreckt sich hinten unpaar, dann als paariger Schlauch bis zur Kopf- brust. Im dritten Thoracal- segmente geht je ein Ovi- duct ab, welches im Grunde einer medial gelegenen Tasche mündet. Es waltet hier der Decapodentypus, beim Weib- chen durch Näherung der Mün- dungen modificirt. Eine Vereinigung der bei- den in der Abtheilung der Crustaceen repräsentirten For- men bietet sich bei den Pöcilo- poden. Von der einen Form ist die Medianverbindung der bei- derseitigen Apparate , von der andern sind die mehrfachen Keimstätten vorhanden , als welche die feinen Endäste des die Geschlechtsorgane zusam- mensetzenden Netzwerkes sich darstellen. Die weiteren Strecken dienen zu Ausführwegen, bei den Weibchen zur Ansammlung der Eier beträchtlich erweitert, und jeder- seits in einen Ausführgang fortgesetzt. § 229. Unter den Protracheaten erscheint ein niederer Zustand im weib- lichen Apparate. Das Ovarium bildet einen durch ein Seplum in zwei Hälften getrennten Körper , von dem ein paariger Eileiter ausgeht, der gewunden nach vorne zieht, um dann in einen erweiterten, als Uterus fungirenden Abschnitt umzubiegen. Nach hinten fortgesetzt gehen diese Canäle erst in der Nähe der Geschlechtsöffnung eine Verbindung zu einer gemeinsamen kurzen Scheide ein. Am männlichen Apparate sind die beiden Hoden völlig von einander getrennt, jeder mit einem drüsigen Anhange ausgestattet, und in ein lan- ges, in Schleifen gelegtes Vas deferens übergehend. Aus der Verbindung beider Ausführgänge entsteht ein gemeinsamer Ductus ejaculatorius, der gleichfalls am Hinterleibsende mündet. § 230. Bei den Arachniden sind beiderlei Geschlechtsdrüsen in der Regel unpaar oder, wenn paarig , häufig transversal verbunden, und münden Fig. 155. Männliche Geschlechtsorgane. A von Homa- rus und B von Oniscus. tt Hoden, v d Vas deferens. »s Samenblasen, o Ausmündung derselben, y Be- gattungsorgane. 314 !•• 5- Arthropoden. mit getrennten oder vereinigten Ausfuhrgangen weit vorne an der Bauch- flache aus. Ausser accessorischen Drüsenorganen oder besonderen, zur Aufbewahrung und Aufnahme der Samenmassen oder der Eier dienenden Erweiterungen der Ausführgange, kommen noch äussere Apparate zur Ausleitung der Geschlechtsproducte vor, je nach den Geschlechtern als Ruthen oder Legeröhren bezeichnet. Die männlichen Organe wiederholen mit geringen Verschiedenheiten den Typus der weiblichen. Die Verbin- dung der beiderseitigen Genitaldrüsen und der daraus hervorgehende unpaare Abschnitt des Apparates erinnert an ähnliche bei den Bran- chiaten, vorzüglich bei Pöcilopoden bestehende Verhältnisse. Bei den Scorpionen stellen die Ovarien drei an ihrem hinteren Ende bogenförmig in einander übergehende und ausserdem noch durch vier Queranastomosen mit einander verbundene Längsröhren vor, in deren oft schlauchartig ausgebuchteten Wandungen die Eier entstehen. In den queren, jederseits vier weite Maschen erzeugenden Verbindungen spricht sich eine durch ihre Lage genau jener des Abdomens folgende Gliederung des Organs aus. Aus den beiden äusseren Längsschläuchen gehen spin- delförmig erweiterte Oviducte hervor, die wegen des von ihnen aufge- nommenen Sperma als Receptacula seminis fungiren, und an der Basis des Abdomens ausmünden. Auch die Hoden der Scorpione erscheinen als ein Paar schleifenför- miger Canäle mit quer verlaufenden Verbindungen. Zwei auf beide Seiten vertheilte Röhren drücken eine Duplicität aus. Das vorne aus jedem Hoden hervorkommende Vas deferens mündet, mit dem der an- dern Seite vereinigt, an derselben Stelle, an der beim Weibchen die Ge- schlechtsöffnung sich findet, nach aussen. Zu dem Vas deferens treten jederseits noch accessorische Organe , in der Regel in Form von zwei Paar verschieden langen Blindschläuchen, die theils als Drüsen, theils als Sa- menblasen fungiren. Die Trennung der beiderseitigen Keimdrüsen ist bei den Galeoden ausgeprägt, und bei den Araneen im männlichen Geschlechte allgemein. Die Ovarien stellen zwei Schläuche vor, an deren Aussenfläche sich die Eier und zwar bei den Spinnen auf stielartigen Fortsätzen entwickeln. Bei einigen (Segestria, Oletera) sind die Ovarien durch einen geschlosse- nen Ring repräsentirt. Aus der Vereinigung der beiden zur Ausleilung der Eier dienenden Ovarialröhren bildet sich ein zuweilen erweiterter Scheidencanal (Galeodes), der an seinem Ende mit einer oder zwei Sa- mentaschen besetzt ist. Solche bestehen noch bei den Araneen, oft mit selbständiger Ausmündung vor der Oeffnung der Scheide. Die männlichen Organe lassen sich bei den Galeoden von den Scorpionen her ableiten, wenn man annimmt, dass die bei jenen bestehenden Queranastomosen der Längsslämme verloren gingen. Rei den Spinnen endlich sind die Längs- schläuche auf zwei reducirt. Bertkaü, üeber d. Generat. -Apparat s. Araneiden. Arch. f. Nat. 1875. Geschlechtsorgane. 315 § 231. Sowohl bei den Opilioniden als bei Milben ist in der herrschenden Ringform der Keimdrüsen eine gemeinsame Einrichtung gegeben, die sich von der bei den Scorpionen gegebenen Querverbindung der Ovarien ableitet. In ihr spricht sich fr der unpaare Zustand der Keimdrüse aus, der als der primitivere zu gelten hat. Bei den Opilioniden (Fig. 156. B. o) ist diese Ringform am voll- ständigsten. An der Ober- fläche des Ringes bilden sich die Eier, wie bei den Spinnen und Scorpionen, in gestielten Ausbuchtungen , von wo sie in das Innere der Ovarial- röhre und von da in den Aus- Fig. 156. Geschlechtsorgane von Phalangium opilio. A Männliche Organe, t Hoden, vd Vas deferens. p Penis. m Retractoren desselben, gi Anhangsdrüsen. (Nach Krohn. B Weibliche Organe, o Eierstock, u Uterus, op Legeröhre. m Retractoren derselben. führgang gelangen , der eine beträchtliche Erweiterung (u) (Uterus) besitzt. Eine enge gewundene Fortsetzung des- selben führt zur ausstülpbaren Legeröhre (Ovipositor) (op). Den Ovarial- ring vertritt bei den Männchen ein Ringcanal, von dem nur ein Abschnitt (Fig. 156. At) den Hoden vorstellt, dessen beide Enden in die den Ring abschliessenden Ausführgänge (vd) übergehen. Diese vereinigen sich in einen knäuelförmig gewundenen Abschnitt, aus dem ein erweiterter Canal als Samenblase entspringt und sich an ein der Legeröhre ähnliches und ebenso hervorstülpbares Gebilde, den Penis fügt. Mit dessen Ende ver- binden sich noch zwei mächtige Büschel accessorischer Drüsen (gi) . Unter den Acarinen ist die Ringform der Keimdrüsen bei vielen noch vollständig erhalten. Im weiblichen Apparate wird der grössere Theil des Ringes durch Beschränkung der Eibildung auf einen kleinen Abschnitt, dem Ausführapparate zugetheilt. Am ausgesprochensten ist das bei Pen- tastomum, dessen Ovar einem Ringcanal angefügt ist. Das Ovar hat sich hier von letzterem gesondert. Von den Ausführwegen sind die in den unpaaren Abschnitt übergehenden Theile des Ringes häufig zu einem Uterus erweitert, oder dieser wird ausschliesslich vom unpaaren Ab- schnitte vorgestellt. Letzteres ist auch bei Penlastomum der Fall , dessen Uterus einen bedeutend langen gewundenen Canal bildet. Am männ- lichen Apparat ist der unpaare Abschnitt der Ausführwege meist sehr verkürzt, und die beiden in ihm sich vereinigenden Theile des Ringes sind zu Samenblasen erweitert. Mit dem unpaaren Abschnitte sind in beiden Geschlechtern Anhangsdrüsen verbunden. Die verschiedenartige Vertheilung der Functionen an demselben Ringcanale führt zu einer Tren- 316 II. S. Arthropoden. nung des Ringes in zwei Genitalsehläuche, indem in der Mitte des keim- erzeugenden Abschnittes des Ringes eine sterile Parthie auftritt. Die bei- den Hälften des Ringes vertheilen sich dann , in einzelnen Fällen noch durch einen Canal oder durch indifferentes Gewebe verbunden, nach bei- den Seiten, und so gehen Organe hervor, die nur an den Mündungen oder an einem damit zusammenhängenden unpaaren Abschnitte vereinigt sind (Ixodes) . Ganz unabhängig von diesen Einrichtungen verhalten sich die herm- aphroditischen Geschlechtsorgane der Tardigraden. Sie bestehen aus einem unpaaren Ovarium, und zwei zu Seiten des Darmcanals liegenden Hoden, welche ihren Ausführgang in einem Samenbehälter einfügen, und meist mit besonderen Drüsen in eine Cloake ausmünden. Ebenso eigenthümlich verhalten sich die Pycnogoniden , deren Ge- schlechtsproducte an der Wand der Leibeshöhle entstehen , und durch besondere (bald an allen — bald an nur einem Fusspaare vorhandene) Oeffnungen entleert werden, damit an niedere bei Annulaten bestehende Refunde erinnernd. Die bei den Crustaceen bestehende Umbildung von Gliedmassen in Regattungsorgane besteht bei den Arachniden nur unter den Spinnen und zwar sind es hier die Palpen , welche bei den Männchen als complicirt gebaute Organe die Uebertragung des Sperma auf die weibliche Genital- öffnung vornehmen. § 232. Die Geschlechtsorgane derMyriapoden stehen in Form und Anordnung jenen der Arachniden am nächsten und münden zum Theil wie jene, weit vorne am Körper, nämlicham dritten Leibessegmente aus. Die Geschlechts- öffnung der Scolopender ist am Hinterleibesende angebracht. Rei den Weib- chen sind die Geschlechtsdrüsen entweder äusser- lich einfach , einen langgestreckten Schlauch vor- stellend, an dessen Innenfläche die Eier Vorsprünge bilden (Juliden , Scolopendriden und Glomeriden) ; oder sie erscheinen doppelt (Craspedosoma) und ver- einigen sich dann an ihrem vorderen Ende, die Ovi- ducte münden von einander getrennt. Rei den Sco- lopendern ist ein einfacher Oviduct als Fortsetzung ^an ejfe Fig. 157. Männliche Ge- schlechtsorgane vonJu- lus. t Hodenfollikel. « Ausführgang. (Nach Stein.) des einfachen Ovarialschlauches die Regel, doch ist die Duplicität dieser Organe durch die an beiden Seiten des Ovarialschlauches stattfindende Eibildung ausgesprochen. Die accessorischen Organe werden aus zwei Paaren, zuweilen in die Oviducte, meistens direct in die Geschlechtsöffnung ausmündender Gebilde dar- gestellt, die theils Kittdrüsen, theils Receptacula se- minis vorstellen. Geschlechtsorgane. 317 Die Duplicität der männlichen Organe ist gleichfalls häufig auf die Ausführgänge und accessorischen Apparate beschränkt. Doch sind manche Glomeriden und Juliden mit einem doppelten Hodenschlauche ver- sehen, der in ein gemeinsames Vas deferens übergeht und durch zahl- reiche Querverbindungen zu Einem Organe vereinigt erscheint (Fig. 157). Wo nur Ein Hodenschlauch existirt, da ist er mit einzelnen Follikeln besetzt. Das Vas deferens bleibt selten einfach (einige Scolopendriden) sondern theilt sich in der Regel in zwei, entweder je auf einer kurzen Papille aus- mündende (Juliden, Glomeriden) oder sich vereinigende Aeste, die in einen am Hinterleibsende angebrachten kurzen Penis übergehen (Scolo- pendriden). Der letzte Abschnitt der Ausführgänge ist mit Erweiterungen oder Ausbuchtungen versehen, die zu Ansammlung des Sperma dienen. Dicht vor der Ausmündung inseriren sich noch mehrere Drüsenpaare. In dem Gesammtverhalten des Geschlechtsapparates sind in den getrennten Mündungen Annäherungen an Krustenthiere, in der Bildung ringförmiger Abschnitte Aehnlichkeiten mit den Arachniden unverkennbar. Stein, F., De Myriapodum part. genital. Berol. 1841. § 233. Bei grösserer Mannichfalligkeit untergeordneter Verhältnisse lassen die Geschlechtsorgane der Insecten im Ganzen einheitlichere Zustände er- kennen. Die Organe liegen mit ihren accessorischen Apparaten fast immer im Abdomen, und münden meist unterhalb oder vor der Analöffnung aus. Das achte Abdominalsegment scheint allgemein die Geschlechtsmündung zu tragen. Nur bei den Slrepsiptern ist die weibliche Genitalöffnung weit nach vorne gerückt. Die Keimdrüsen sind in der Regel paarig angelegt und beharren in diesem Zustande, doch bestehen auch Andeutungen einer ursprünglichen Einheit, oder einer Verbindung der beiderseitigen Keim- drüsen, die bei Arachniden und Myriapoden vorhanden war. Jede Keim- drüse setzt sich aas einer verschieden grossen Zahl gleichwerthiger Ab- schnitte zusammen, die meist röhrenförmig gestaltet, büschelartig gruppirt sind, und zu einem Ausfuhrgange sich vereinigen. Die Ausführgänge bei- der Keimdrüsen zeigen selten noch getrennte Mündungen. Fast allgemein verbinden sie sich nach verschieden langem Verlaufe und nehmen schon vorher, aus Differenzirungen eines Abschnitts der Wandung entstandene accessorische Organe auf. Bei den weiblichen Individuen sind diese An- hangsorgane der Ausführwege bald durch taschen- oder blasenartige Theile gebildet, die entweder zur Aufnahme des männlichen Begattungsorganes während der Copula dienen (Bursa copulatrix), oder als Drüsenorgane verschiedenster* Art (Kittdrüsen) und auch zur Bewahrung des Sperma (Receptaculum seminis) in Verwendung kommen. Beim männlichen Ge- schlechte besitzen paarige Anhangsdrüsen der Ausführwege bedeutende Ausbildung. Ausser diesen finden sich noch als Samenblasen (Vesiculae seminales) fungirende Theile. 318 II. 5. Arthropoden. Mit dem Ende der Geschlechtswege stehen äussere, meist durch Umgestaltung der letzten Metameren und deren Anhangsgebilde entstan- dene Organe in Verbindung, die bei den Männchen als Begattungsorgane erscheinen, bei den Weibchen in verschiedener Form (als Legeröhren, Legestachel etc.) erscheinen. § 234. Am weiblichen Apparate ergeben sich die bedeutendsten Modi- fikationen an dem gewöhnlich als »Ovarien« aufgefassten Complexe der Eiröhren. Die Beziehungen dieser Bohren zur Bildung der Eier sind von den sonst angetroffenen Verhältnissen etwas abweichend. Jede einzelne Eiröhre (Fig. 158] ist an dem einen Ende unter allmählicher Erweiterung an dem »Oviducte« inserirt, während das entgegengesetzte Ende zumeist dünn, häufig sogar in einen feinen fadenförmigen Fortsatz ausläuft. Bei dem Bestehen zahlreicher Eiröhren werden die freien medial gerichteten Enden unter einander verbunden angetroffen. Die Bildungsstätte der Eier trifft sich in jenen Endfäden, deren Zellenmassen die Eikeime vor- stellen, welche von hier aus allmäh- lich unter fortschreitender Differen- zirung der Eiröhre abwärts rücken. Das Ei ist zwar als Zelle bereits in der eigentlichen Bildungsstätte unterscheidbar, aber es nimmt auf seinem Wege durch die Eiröhre an Grösse zu, und man trifft demnach die grössten Eier am entferntesten von der Bildungsstätte und am näch- sten dem Oviducte gelagert, während von hier aus immer kleinere, jüngere Formationen bis gegen das vorhin erwähnte blinde Ende der Eiröhre sieh hinter einander reihen. Die ein- zelnen Eier lassen die Eiröhre in entsprechende Abschnitte oder Kam- mern getheill erscheinen. Das all- mähliche Herabsteigen der Eier ist nicht nur mit einem Wachsthume verbunden , sondern es erleidet auch die Dottersubstanz mannichfache Veränderungen , und jedes Ei erhält, Fig. 158. A Eiröhre des Flohes, o Ei. ^Keim- bläschen. B Eiröhre eines K äf er s (Carabus violacens). o Eierfach, in zwei Abschnitte gesondert, davon a die Eizelle, b das Keimlager bezeichnet. Das Ei des letzten Faches ist ent- leert, die Eiröhrenwandung collabirt (Nach LCBBOCK.) Geschlechtsorgane. 319 besonders im letzten Abschnitte der Röhre, eine äussere cuticulare Um- hüllung, das sogenannte Chorion, dessen Bildung von der Epithelschichte der Eiröhre ausgeht. Bei diesen Vorgangen erfahrt mit jedem Uebertritte eines Eies ins sogenannte Oviduct ein Theil der Eiröhre eine Rückbildung, wodurch das nächst vorhergehende Ei dem Oviducte genähert wird. Die Differenzi- rung des Eies ist vou einem terminalen Wachsthume der Eiröhre begleitet, welches die am anderen Ende stattfindende Verkürzung compensirt. Bei manchen Insecten differenzirt sich für jede Eizelle ausser der sie umge- benden Epithellage noch eine Gruppe von Zellen , die als Keimlager den hinter der Eizelle (Fig. 158. Ba) befindlichen Abschnitt (b) der Kammer (o) einnimmt, aber von der wachsenden Eizelle allmählich verbraucht wird. Eine Eiröhre oder eine Summe von solchen entspricht also keineswegs einer blos keimbereitenden Zeugungsdrüse, sondern erscheint als ein mit einer viel grösseren Functionsreihe betrautes Organ , von dem nur das blinde Ende einem Ovarium analog ist. Die Länge oder Kürze der Eiröhren steht mit der Anzahl der Eier in Zusammenhang. Am wenigsten zahlreich sind die Kammern bei den meisten Dipteren, wo nicht selten nur eine (Fig. 160 o), häufiger zwei bis drei vorhanden sind. Auch bei vielen Käfern und Hemipleren kommen nur wenige Kammern vor. Länger erscheinen die Eiröhren der meisten Hemipteren und Hymenopteren, und die grösste Kammerzahl ergibt sich bei den Neuropteren, Orthopteren und endlich bei Schmetterlingen, deren 4 Eiröhren durch zahlreiche Kammern perlschnurartig geformt sind. Gleich grosse Verschiedenheiten ergeben sich in der Anordnung der Eiröhren am sogenannten Oviducte. Bald sind sie in Büscheln vereinigt, bald in Gruppen aufgelöst, bald reihenweise angeordnet. Von den Eiern (Ova) hat man die sogenannten Pseudova unter- schieden, welche Bildungen theilweise durch den Mangel eines Keim- fleckes charakterisirt sind , wie die Producte der weiblichen Geschlechts- drüse gewisser Generationen der Aphiden und Cocciden. Da die Organe mit jenen übereinstimmen, in denen wirkliche Eizellen entstehen, und da dasselbe Individuum Pseudova und Ova zu verschiedenen Zeiten her- vorbringen kann, ist es zweckmässig, die Kluft zwischen beiderlei Pro- ducten des Eierstocks nicht für so gar tief zu erachten. Jene Gebilde gehören als Glieder in eine bei den Insecten sehr verbreitete Erscheinungs- reihe, die mit dem als Pa rthenogenesis bezeichneten Verhalten be- ginnt, und bis zu einem scheinbaren Generationswechsel hinführt. Die Gesammterscheinung beruht in einer Emancipation des Eies von der Einwirkung des männlichen Zeugungsstoffes. Im einfachsten Falle besteht an den Eiern keine anatomische Verschiedenheit, ein Theil derselben ent- wickelt sich ohne vorhergegangene Befruchtung, indess die andern der Befruchtung bedürfen. Die Parlhenogenesis der Bienen, Wespen und vieler anderer Insecten gehört hieher. Weiter sondert sich das Verhältniss, indem dasselbe Individuum nicht mehr zur selben Zeit jene Eier produ- 320 II. 5. Arthropoden. cirt, und dann sind die emancipirten Ovarialproducte meist different zusammengesetzt (Pseudova). Noch weiter vertheilt sich die Bildung jener Eier auf verschiedene Individuen, indem ganze Generationen der Einwir- kung des Samens auf ihre Zeugungsstoffe entbehren können (Blattläuse), und dabei zugleich auf eine tiefere Organisationsstufe sinken. Endlich entstehen diese Gebilde in einem noch früheren Entwickelungsstadium desThieres aus der noch indifferenten Keimdrüse, welcher Befund ebenso wie die anderen, an die er unmittelbar sich anschliesst, von einer ge- schlechtlichen Differenzirung ableitbar ist (Cecidomyia). § 235. Die beiden, meist kurzen Oviducte münden selten getrennt von ein- ander in einer Einbuchtung des Integumentes (Ephemeriden). In der Regel hat sich diese Buch- tung zu einem gemein- samen Ausfuhrgange (Fig. 159. ov) der »Scheide« weitergebildet, mit wel- cher accessorische Or- gane, Receptaculum se- minis (Fig. 159. rs) und Bursa copulatrix (bc) ver- bunden sind. Die nur selten fehlende Samen- tasche wird durch ein zuweilen mehrfach vor- handenes gestieltes Bläs- chen dargestellt. Häufig ist das Receptaculum se- minis als gleichmässig weiter, gewundener mit einer Anhangsdrüse Fig. 159. Weibliche Geschlechtsorgane von Hydrobius fus- cipes. o Eiröhren. ov Oviduct mit Drüsenanhängen besetzt. gl Schlauchförmige Drüsen, v Scheide. 6c Begattungstasche. rs Receptaculum seminis. (Nach Stein.) noch Blindschlauch gestaltet und ist zuweilen versehen. Ein zweites unmittelbar mit der Scheide verbundenes Organ ist die Begattungstasche (Bursa copulatrix) , ein weiter . wie eine Ausstülpung der Scheiden wand erscheinender Blindsack (Fig. 159. bc). Dieses Organ findet sich nur in einzelnen Ordnungen verbreitet und auch da nicht all- gemein. Am beständigsten und nicht selten von sehr beträchtlicher Aus- dehnung erscheint die Bursa copulatrix der Käfer, wo sie zumeist einen enc;en Verbindunascanal mit der Scheide besitzt. Auch bei denSchmetter- fingen mündet sie mit engem Gange in die Scheide, verhält sich aber dadurch eigentümlich, dass sie ausserdem noch einen weiteren Ausführ- gang unter die weibliche Geschlechtsöffnung sendet und ihn getrennt von jener dort ausmünden lässt. Die Begattung der Schmetterlinge geschieht durch diesen Canal , während der Uebertritt der Spermatozoon aus der Geschlechtsorgane. 321 Begattungstasche in dasReceptaculum seminis durch den vorhin erwähnten Verbindungsgang mit der Scheide vermittelt wird. Die Einmündungen beider Theile in die Scheide liegen einander gegenüber. Die accessorischen Drüsenapparate der Scheide bestehen entweder aus einem Paar einfacher und dann meist lang gewundener Canäle (Fig 160. gl) (Schmetterlinge, viele Dipteren) , oder es sind, kurze Blind- schläuche (Wanzen) . Andererseits bie- ten sie reiche Verästelungen (Ichneu- moniden und Tenthrediniden). Das Secret dieser Kittdrüsen dient zur Be- festigung der gelegten Eier , zuweilen auch zu deren Vereinigung in Klumpen. Mit der weiblichen Genitalöffnung stehen in der Regel noch einige wie Klappen erscheinende Integumentstücke in Verbindung, die in ihren Sculpturen immer genau dem männlichen Begatlungsapparale angepasst sind ; zuweilen sind sie zangenartig gestellt und bestehen aus seitlich gegeneinander wirkenden Fortsätzen. Fig. 160. Weibliche Geschlechtsorgane von Mallophagus. o Eiröhre. m Uterus, gl Drüsen. (Nach K. Lecckart.) § 236. Die männlichen Geschlechtsorgane der Insecten wiederholen in ihrer Anlage sehr häufig die Formen der weiblichen Organe, so dass auch die einzelnen Abschnitte in beiden nicht selten einander entsprechen. Die immer paarigen, selten zu einem Organe verschmolzenen Hoden wer- den ganz nach Art der Ovarien aus Blindschläuchen zusammengesetzt, die wiederum in verschiedener Zahl und Grösse, sowie in mannichfaltiger Anordnung sich unter einander verbinden (Fig. 161. 162. t). Häufig ist Fig. 161. Hoden und deren Ausführgänge von Acheta cainpestris. t Hoden, v Vas deferens. g Samenblase. Fig. 162. Männliche Geschlechtsorgane von Melo- lontha vulgaris, t Hoden. vd Vas deferens. vs Erweiterter Abschnitt desselben, gl Gewundene Anhangsdrüsen. die Vereinigung der beiderseitigen Hoden bei Schmetterlingen. Zwei ein- fache, längliche und immer getrennte Hodenschläuche besitzen Dipteren Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 2^ 322 II. 5. Arthropoden. und Strepsipteren , sowie auch manche Neuropteren. Auch bei manchen Käfern stellt jeder Hoden einen langen, knäuelförmig zusammengewun- denen, von einer besonderen Membran umgebenen Blindschlauch dar (Laufkäfer). Aus zahlreichen Schläuchen sind die Hoden der Mehrzahl der Insecten zusammengesetzt. So erscheint jeder Hoden der meisten He- mipteren bald aus mehreren, unter einander zu einem fächerförmigen Organe verbundenen, bald aus vielen getrennten Schläuchen bestehend; diese Form findet auch bei einer grossen Anzahl von Käfern Vertretung. Aus dicht aneinandergereihten und so eine einzige Masse darstellenden Schläuchen oder auch aus runden, traubenförmig gruppirten Bläschen bestehen die Hoden der meisten Orthopteren, und ähnliche Bilduugen sind auch bei den Hymenopteren vorhanden. Die Ausführgänge der einzelnen Hodenschläuche verbinden sich zu Samenleitern und diese jederseits zu einem Vas deferens (Fig. 161. v, Fig. 162. vd), welches bei enger vereinigten Schläuchen unmittelbar aus letzteren hervorgeht. Die Längenenlfallung beider Samenleiter ist zwar im Allgemeinen nur gering, doch wird sie in manchen Fällen sehr be- trächtlich, und dann fungiren die knäuelförmig gewundenen Canäle an erweiterten Strecken als Samenbehälter (Fig. 162. vs). Aus deren Ver- einigung geht ein gemeinsamer Ausführgang (Ductus ejaculatorius) hervor, der gleichfalls bedeutenden Längeverschiedenheiten unterworfen ist, und nicht minder stellenweise zur Ansammlung des Sperma dient. Die accessorischen Drüsenorgane, in der Regel paarig, erscheinen wie jene des weiblichen Apparates entweder als lange, gewundene Canäle (Fig. 162. gl) oder als kürzere büschelförmig gruppirte oder verästelte Schläuche, an verschiedenen Stellen den Ausführwegen angefügt. Die männlichen Begattungsorgane der Insecten sind den weiblichen ähnlich und werden aus sehr mannichfaltig gestalteten, die Geschlechts- öffnung umfassenden chitinisirten Leisten und klappenartigen Vorrichtun- gen zusammengesetzt. Sie theilen sich in solche , welche nur zu einer äusseren Copula dienen, und andere, welche, mit einer Ruthe vergleich- bar, die Immissio vollziehen. Die letzteren Bildungen werden entweder durch eine äusserlich angebrachte oder von innen aus hervorstreckbare Röhre dargestellt, in welche der Ductus ejaculatorius sich fortsetzt, und die an ihrem Ende häufig noch zangenähnliche Organe trägt. Bei Käfern ist dies Begaltungsorgan von einer im Abdomen verborgenen dickwan- digen Chitinkapsel umschlossen, welche häufig eine beträchtliche Grösse und zum Hervorstrecken und Einziehen besondere Muskelapparate besitzt. § 237. Die Samenelemente der Cruslaceen zeigen bei grosser Manuichfaltig- keit der Gestalt eine Uebereinstimmung in der Unbeweglichkeit; davon machen die Samenfäden der Cirripedien eine Ausnahme. Fadenförmige, aber unbewegliche Samenelemente besitzen ferner die lsopoden, die Am- Geschlechtsorgane. 323 phipoden, auch die Ostracoden, bei letzleren sogar von verhältnissmässig ausserordentlicher Länge. Unter den Schizopoden, wenigstens bei Mysis, bestehen dagegen fadenförmige, und zwar gegen das eine Ende zu haken- artig umgebogene Gestalten. Zellenartige Körper bilden die verbreitetsten Formen. Durch Fortsätze bilden sich an ihnen mancherlei Eigenthümlich- keiten aus, von denen die radiäre Gestaltung in den »Strahlenzellen« des Samen der Decapoden die bemerkenswertheste ist. Auch die Samenfäden mancher Arachniden sowie der Myriapoden scheinen unbeweglich zu sein, wenn auch bei den ersteren die Beweglichkeit innerhalb der weiblichen Geschlechtsorgane erlangt wird. Die Formbestandtheile des Sperma stellen bei den Insecten beweg- liche Fäden vor, die meist nach beiden Enden fein auslaufen. Eigen- tümlich ist die Verbindung dieser Fäden zu Büscheln, oder ihre zwei- zeilige Aufreihung an ein stäbchenförmiges Gebilde, wodurch ein sper- matophorenartiges Verhalten entsteht (Orthoptera) . 21 Sechster Abschnitt. Brachiopoden. Allgemeine Ue bei* sieht. § 238. Früher meist den Mollusken beigezählt, mit denen sie wenig mehr als den Besitz einer vom Molluskengehäuse noch dazu ganz differenten Schale gemein haben, bilden die Brachiopoden eine kleine und eng ab- gegrenzte Abtheilung , die ihren Ursprung zum Stamme der Würmer zurückverfolgen lässt. Hier sind es die Chätopoden , also schon höher differenzirte Formen, bei denen sich manche Anschlüsse erkennen lassen, aber nur manche, denn gerade in den wichtigsten Organsystemen ergeben sich so bedeutende Eigenthümlichkeiten , dass es gewagt wäre , auf jene Beziehungen eine bestimmte phylogenetische Behauptung zu gründen. Jedenfalls ist der gesammte Organismus der Brachiopoden im Vergleiche mit Chätopoden und Anneliden total umgestaltet, und lässt nur noch in einzelnen Rudimenten seine verwandtschaftlichen Beziehungen wahr- nehmen. Diese gegenwärtig in hohem Grade isolirte Stellung der Brachiopoden entspricht der geringen Maunichfaltigkeit der lebenden Formen, sowie der Thatsache, dass wir es hier mit einer in früheren Perioden reicher entfal- teten Thiergruppe zu thun haben. Schon im Silur treten einige Gattungen auf. Da uns aber auch durch die palaeontologischen Zeugnisse wenig sichere Anhaltepunkte für die Begründung eines Anschlusses an die Wür- mer geboten werden, dürfte einer Vereinigung mit jenen die selbständige Behandlung vorzuziehen sein. >) Wir unterscheiden nur zwei Ordnungen :" 1) Ecardines. Lingula, Orbicula, Crania. 2) Testicardin es. Terebratula, Argiope, Waldheimia, Thecidium. I) Eine Verwandtschaft mit Würmern wurde von mir schon in den Grund- zügen II. Aufl. dargethan. Literatur. Körperform. 325 Literatur. Owen, R., On the anatomy of the Brachiopoda. Transact. zoolog. Soc. Vol. I. 1835. — Vogt, C, Anatomie der Lingula anatina. Denkschr. der Schweiz. Gesellsch. für die gesammte Naturwissensch. Bd. VII. 4 842. — Huxley, Ann. and Mag. Nat. hist. 1854. — Gratiolet, Journal de Conchiliologie. 4 857.60. — Hancock, A. Phil. Transact. 1858. — Lacaze-Düthiers, Sur la Thecidie. Ann. sc. nat. IV. xv. Morse, E., On the systematic position of the Branchiopoda. Proceed. of Boston Soc. of nat. hist. Vol. XV. — Derselbe, Embryology of Terebratulina. Mem. of Bost. Soc. Vol. II. — Kowalevsky, Beobacht. über die Entwickelung der Bra- chiopoden. Moskau 1874. (russ.) Kör per form. § 239. Für das Verständniss der Körperform namentlich in Beziehung auf die sie auszeichnenden Charaktere ist ein Zurückgehen auf embryonale Stadien nölhig. Hier begegnen wir frühzeitig einem Zustande, in welchem der vorher einheitliche Körper in drei (bei Thecidium in vier) Metameren gesondert ist, und darin den Typus eines Annu- laten offenbart. Von der allgemeinen Cilien- bekleidung prägt sich bei Terebratulina ein terminaler Wimperkranz aus , wie er gleichfalls vielen Annelidenlarven zukommt. Am mittleren Segmente erscheinen Borstenbündel (Fig. 1 63. d), die wie bei Chätopoden bewegt werden können, während das erste Metamer (Kopfsegment) zu einer schirmförmig über die Mundöffnung sich hinziehenden Ausbreitung sich umformt, die mit langen Cilien umsäumt ist (Argiope). Auch darin ist eine Verwandtschaft mit Wurmlarven (Actinotrocha) nicht zu verkennen. Während die Larve mit dem letzten Meta- mer sich festheftet, bilden sich aus dem mittle- ren Metamer zwei Erhebungen , welche das erste Metamer einschliessen , und sich zu den beiden Mantellamellen gestalten. An die- sen entstehen die beiden Schalen, die als eine dorsale und eine ventrale zu unterscheiden sind, wo sie sich bis zu dem aus dem letzten Metamer hervorgegangenen Stiele erstrecken. Aus der Lage zum Körper ergibt sich für die Schalen eine vollständige Unabhängigkeit von jenen der Mollusken , und in dieser Gehäusebildung liegt zugleich eine die Brachiopoden auszeichnende Eigentümlichkeit. Wahrscheinlich ist auch diese Gehäusebildung ein Causalmoment für die nicht erfolgende Weiterbildung der begonnenen Metamerie , und steht Fig. 163. Larve von Argiope. m Mantel, b Borstenbündel, d Darm. (Nach Kowalevsky.) 326 U. 6. Brachiopoden. ebenso mit dem Festsitzen des Thieres in Zusammenhans, wie aus dieser Lebensweise wieder eine fernere Eigentümlichkeit, die Ausbildung der Arme verständlich wird. Wimpernde tentakelartige Fortsätze zur Seite der Mundöffnung er- scheinen bei Larven in geringer Zahl. Im ausgebildeten Zustande des Thieres sind sie bei den meisten als zahlreiche Fäden auf spiralig einroll- bare Stiele gereiht, welche beiderseits an der Mundöffnung angebracht sind. Im eingerollten Zustande werden diese Arme vorn in der Mantel- höhle geborgen (Fig. 166 /), und ihre Ausstreckung scheint durch eine Schwellung zu erfolgen. Sowohl durch die mächtige Ausbildung dieser Arme wie durch die Entfaltung der Mantellamellen wird der übrige Kör- per auf einen geringeren Umfang reducirt, zumal auch sonst in der Leibes- höhle lagernde Organe in die Duplicatur des Mantels (Mantelräume) sich einbetten können. Durch faltenarlige Oberflächenvergrösserung der inne- ren Blätter der Mantelduplicalur gewinnt der Mantel eine respiratorische Bedeutung und fungirt zugleich als Kieme (Lingula). Die den Mund lentakelartig umstehenden Fortsätze erinnern an die Tentakel der Bryozoen, die gleichfalls auf armartigen Gebilden (Lophophor) gereiht sein können , es ist aber eine Vergleichung mit diesen Gebilden ebenso wenig durchführbar als mit den Kiemenbüscheln der Tubicolen. Was endlich den Stiel betrifft, so ist dieser bei den älteren Formen (Lingula) ein langer, zwischen beiden Schalen durchtretender Theil des Körpers, der sogar beweglich erscheint, indess er bei den Testicardines kurz und grösstenteils chitinisirt ist. Integument, Schale und Arme. § 240. Da die beiden Schalen den Körper, mit Ausnahme des Stieles, be- decken , bleiben nur innerhalb der Mantelhöhle Theile der Körperober- fläche frei, bei geöffneter Schale zu Tage liegend. Mit dem Integumente verbundene Muskeln lassen auch hier das Bestehen eines Hautmuskel- schlauches annehmen. Als besondere das Integument auszeichnende Bil- dungen sind Kalkspicula verbreitet, sowohl im Mantel wie in den Armen vorhanden. Sie sind zuweilen ramificirt, auch sternförmig, oder bilden ein Netzwerk. Bedeutungsvoller sind die Borsten, welche bei den einzel- nen Gattungen in verschiedener Anordnung den Mantelrand besetzen. Sie entstehen gleich den Borsten der Chätopoden in drüsenähnlichen Einsen- kungen des Integuments, und gehören wie jene zu den Cuticulargebilden. Meist sind es einfache, fein auslaufende Gebilde, an denen eine Quer- streifung die allmähliche Abscheidung ausdrückt. Die Schale zeigt ihre beiden Klappen bei den Ecardines ziemlich gleichartig gestaltet. Dagegen ist bei den Testicardines eine Differenzirung zwischen der dorsalen und ventralen Schalenklappe deutlich hervorge- Integument, Schale und Arme. Muskelsystem. 327 treten. Gegen den Stiel zu ist zwischen beiden eine Art Schlossverbin- dung ausgebildet. Ferner ist die ventrale Klappe in einen schnabelartigen Fortsalz ausgezogen, dessen durchbohrtes Ende dem Stiele zum Durch- tritte dient. Von der dorsalen Klappe her ist ein nach innen vorspringen- des Gerüste gebildet (Fig. 164 c). Es dient als Stütze der Arme. Bei ihrer ersten Differenzirung zeigt sich die Schale als eine weiche, chitinisirte Substanzschichte, die später verkalkt. Porencanäle durchsetzen die Dicke der Schalenklappen , und werden von zottenähnlichen Fort- sätzen des Mantels ausgefüllt. Dazwischen zeigt die feste Schalensubstanz eine Zusammensetzung aus prismatischen Körpern , die bereits bei der ersten Anlage der Schale wahrnehmbar sind, und die eine schräg gegen den Schalenrand geneigte Stellung aufweisen. Durch die bedeutende OberQächenvergrbsserung, welche die spiralig eingerollten Arme der Brachiopoden in ihrem Tentakelbesatz bieten, werden sie die zur Kiemenfunction geeignetsten Organe vorstellen. Zu- nächst sind es die tentakelartigen Fädchen, welche zur Vermittelung der Athmung günstige Verhältnisse darbieten. Sie stehen mit den die Arme durchziehenden Blutsinussen in Communication. Sie werden daher in functioneller Beziehung als Kiemen gelten dürfen. An ihrer medial gerichteten Basis sind beide Arme unter einander in Zusammenhang. Eine über der Mundöffnung liegende Falte erstreckt sich beiderseits auf die Arme und hilft eine Binne abgrenzen, die sich von den Armen nach dem Munde erstreckt. An dem anderen Bande dieser Binne erheben sich dicht gedrängt die Tentakel oder Cirren in zwei Beihen bis zum Ende der Arme angeordnet. Muskelsystem. § 241. Ausser der dem Hautmuskelschlauche ange- hörenden Muskulatur , wie jene des Mantels und der Arme , findet sich bei den Brachiopoden eine Anzahl von selbständigen, die Leibeshöhle durch- setzenden Muskeln (vergl. Fig. 164), welche zum Oeffnen und Schliessen der Schale, sowie zu Dreh- bewegungen der letzteren dienen. Sie durchsetzen die Leibeshöhle je nach ihrer Function in verschie- dener Bichtung und nehmen sowohl Ursprung als Insertion von den Schalenklappen, so dass sie als mit diesen entstandene Sonderungen des Haut- muskelschlauches angesehen werden können. Fig. 164. Muskulatur von Te- rebratula. ab Die beiden Sehalenhälften. c Das Arm- gerüste, d Der Stiel, e/gh Muskulatur zum Oeffnen und Schliessen der Schale. (Nach Owen.) 328 II. 6. Brachiopoden. Nervensystem und Sinnesorgane. § 242. Das Nervensystem bietet höchst eigentümliche Befunde, die allein schon die selbständige Stellung der Brachiopoden rechtfertigen können. Es wird aus Ganglienmassen zusammengesetzt , die in der Nahe des Oesophagus 'Fig. 165. d) lagern. Ein grösseres Ganglion (n) liegt (bei Terebra- tuliden) quer unterhalb des Oesophagus, oder vielmehr bei der Abwärtskrümmung des Oesophagus hinter dem- selben. Von ihm aus gehen zwei Nervenstämme , An- schwellungen darbietend [n') , nach hinten und laufen in Nerven zum Stiele aus. Von den Anschwellungen dieser Stämme entspringen die Ner- ven der ventralen Mantel- lamelle. Aus dem grossen Ganglion dagegen geht jeder- seits ein Nervenstamm zu der dorsalen Mantellamelle, so- wie ein Nerv zu den Armen ab. Zwei feine Fädchen um- fassen den Oesophagus, um vor demselben, und damit an seiner dorsalen Seite in ein kleines Ganglion überzugehen, welches mit dem andern durch eine Commissur ver- bunden ist. Somit ist ein Schlundring hergestellt, und es fragt sich nur, ob die kleinen oberen Ganglien Cerebralganglien vorstellen. Dann fände sich die Eigenthümlichkeit, dass die Nerven für die Arme aus ventralen Ganglien entsprängen , und man könnte die Arme selbst nicht gut den Tentakelbildungen der Würmer für homolog halten , wenn nicht etwa eine Lageveränderung ganglionärer Theile im Schlundringe nachweisbar wäre. Die ventrale Ganelienmasse scheint mit einer zusammengezogenen Bauchganglienkette verglichen werden zu dürfen , doch sind zu einer Fig. 1G5. fNervensy stein von Waldheimia von der dor- salen Fläche aus. Die dorsale Schalenklappe ist entfernt, ebenso die linke Hälfte des dorsalen Mantels D. V Linke Hälfte der ventralen Mantellamelle. P Stiel, d Oesopha- gus , durchschnitten. (Ein Paar vor dem Oesophagus lie- gender Ganglien , die durch dünne Fädchen mit dem Ganglion n verbunden sind, sind nicht angegeben.) n Vor- deres, n' hinteres Oesophagealganglion. gg Geschlechts- organe, m Occlusor-Muskel. m' Divaricator. m" Ven- traler Adjustor. m'" Accessorischer Divaricator. (Nach A. Hancock.) Nervensystem und Sinnesorgane. Darmeanal. 329 sicheren Vergleichung noch genauere thatsächliche Unterlagen uner- lässlich. Die geringe Ausbildung oberer Ganglien steht im Zusammenhange mit dem Mangel höherer Sinnes Werkzeuge, der übrigens ein erwor- bener zu sein scheint, denn bei Larvenformen deuten vier auf dem ersten Segmente befindliche Pigmentflecke auf Sehorgane (Fig. 163), und lassen vermuthen, dass bei den Stammformen Augen vorhanden waren. Zwei bei einer anderen Larve dem Nervencentrum angelagerte Bläschen deuten in ähnlicher Weise auf die frühere Existenz von Hörorganen hin. Darmcaiial. § 243. Bei den Brachiopoden beginnt das Darmrohr mit der in der Mantel- höhle zwischen den beiden Armen gelagerten Mundöffnung , von wo es ohne alle accessorischen Organe als ein meist kurzer Canal in den erwei- terten Mitteldarm (Fig. 166 d') steigt, der meist als Magen bezeichnet wird. Der daraus hervorgehende Abschnitt verläuft bei Lingula in eine zur rechten Seite umbiegende Darmschlinge , welche in der Mantelhöhle zum After tritt. Dieses letzte Darmstück ist bei den Testicardines rudi- mentär, indem es mit einem gegen die ventrale Schalenklappe gerichteten Blindsack endigt, von dem zuweilen noch ein solider Strang, vielleicht ein obliterirter Darmrest, fortgesetzt ist. Zuweilen ist das Ende bulbus- artig erweitert. Als besondere Eigentümlichkeit ist die Befestigungsweise des Darms hervorzuheben. Vom Mitteldarm geht nämlich eine zur Körperwand ver- laufende Lamelle aus, das Gastroparietalband, welches damit eine Art Scheidewand in der Leibeshöhle vorstellt. Ich möchte darin ein Disse- piment erkennen , welches mit der bereits hervorgehobenen Metamerie in Zusammenhang steht. Eine Begründung dieser auf Anneliden Bezug neh- menden Deutung wird durch das Verhalten zu den Excretionsorganen ausgedrückt. Eine zweite Lamelle, das Ileoparietalband, befestigt in ähn- licher Weise den Enddarm. Von Differenzirungen der Darmwand treffen sich nur am Mittel- darme beachtenswerthe Gebilde. Sie erscheinen in der Form verästelter Schläuche, die bei Manchen mit vielen Oeffnungen (Crania), bei anderen in mehrere (4) Ausführgänge vereint (Lingula) in die oben als Magen bezeichnete Darmerweiterung oder auch hinter derselben einmünden. Bei den Angelschaligen sind sie mächtiger entwickelt auf zwei seitliche Drüsengruppen vertheilt, welche den Magen umgeben und von jeder Seite meist mit mehreren Ausführgängen mit ihm in Verbindung stehen (Fig. 1 66 h'\ . 330 II. 6. Brachiopoden. Leibeshöhle und Kreislaufsorgaue. § 244. Die Leibeshöhle zerfällt durch die in sie eingebetteten Organe, wie durch die Muskeln , die sie durchsetzen, in mannichfache mit einander verbundene Räume, welche mit dem Gefässsystem zusammenhängen und somit blutführende Bahnen vorstellen. Diese setzen sich auch in die Mantellamelle wie in die Arme als Sinusse fort, in ersterer nach der Peri- pherie zu sich theilend, und so eine regelmässige Anordnung darbietend. In solchen Räumen verzweigt sich der Gefässapparat. In der allge- meinen Disposition desselben ist nur hervorzuheben, dass die grossen Stämme dorsal auf dem Darme verlaufen, worin Anklänge an die Verhält- nisse bei Würmern gefunden werden können. Im Speciellen bedarf aber auch dieses Organsystem noch erneuter Durchforschung. Als Herz wird ein sackartiges über dem Magen liegendes Organ an- gesehen , welches einen von vorne über der Speiseröhre verlaufenden Gefässstamm empfängt und seitliche Stämme absendet. Der erstere wird als zuführendes Gefäss (Vene) betrachtet. Er scheint das Blut aus Lücken zu sammeln, welche um den Darmcanal sich vorfinden. Zwei aus dem Herzen hervorgehende seitliche Gefässe sind bei den Testicardines (Wald- heimia) eine kurze Strecke weit vereinigt. Bei den Angellosen (Lingula) treten sie erst später von einem medianen, auf dem Darme nach hinten verlaufenden Längsstamme ab. Beide Arterienstämme, die man als Aorten bezeichnet hat, theilen sich bald in zwei Aeste, davon einer nach vorne, der andere nach hinten seinen Weg nimmt. Der vordere stellt die dorsale Mantelarterie vor, die in einen medianen und einen lateralen Zweig ge- spalten, den Mantel und in ihm liegende Organe versorgt. Vom lateralen Zweige verlaufen kleinere Arterien in den Mantellacunen zum Bande und münden dort nach mehrfachen Theilungen. Der hinlere Ast der Aorta spaltet sich gleichfalls in zwei Arterien. Die eine verläuft medianwärts und bildet, mit der gleichen Arterie der anderen Seite sich vereinigend, einen zum Stiel gelangenden Arteiienstamm. Die andere Arterie wendet sich nach vorne, um wieder in zwei Zweige gelheilt im ventralen Mantel- lappen auf ähnliche Weise wie die dorsale Mantelarterie sich zu verästeln. An den beiden Mantelarterienpaaren findet sich je ein beuteiförmiger An- hang, ein accessorisches Herz. Aus den Enden der Arterien scheint das Blut in weitere, sowohl im Mantel als zwischen den Eingeweiden und um die Muskeln befindliche Lacunen zu gelangen , welche mit einem compli- ciiten, die Arme durchziehenden, in einen zuführenden und rückführen- den Abschnitt getheilten Canalsystem zusammenhängen. Da der Mantel eine secundäre Bildung vorstellt, sind danach auch seine Blutgefässe zu beurtheilen. Es treten damit die Mantelarterien in den Hintergrund und dann gelangen die dem Darme folgenden Haupt- stämme zu höherer morphologischer Bedeutung. Das Herz erscheint als Excretionsorgane. 331 eine einseitige Erweiterung des Längsstammes, und ähnliches gilt von den accessorischen Herzen der Mantelarterien. Excretionsorgane. § 245. Von den unter den Würmern vorhandenen Excretionsorganen treffen sich die an das Bestehen einer Leibeshöhle angepassten Formen auch bei den Brachiopoden in Verbreitung, und zwar unter wesentlich überein- stimmendem Verhalten. Gleich den Schleifencanälen der Anneliden be- sitzen diese Organe eine äussere und eine innere Mündung, so dass ich keinen Anstand nehme, sie jenen Gebilden für homolog anzusehen, wie auch ihre Function modificirt sei. Sie bestehen entweder zu zwei Paaren oder sind nur in einem Paare vorhanden. Im ersteren Falle gehören zwei Canäle der sogenannten dorsalen, zwei der ventralen Hälfte an (Rhyn- chonella), was auf zwei Metameren verweist, die in diesen Theil des Kör- pers übergingen. Die dorsalen fehlen bei Lingula und den Terebratuliden. Die meist in der Nähe der Armbasis nach aussen geöffneten Canäle münden nach bogenförmigem Verlaufe in die Leibeshöhle mit einer durch radiale Faltungen ausgezeichneten trichterförmigen Erweiterung (Fig. 166. r). Fig. 166. Laterale Ansicht der Organisation von Waldheimia anstralis. D Dorsale, V Ventrale Oberfläche. P Stiel. II Arme, spiralig eingerollt, br Kiemenfäden, c Vordere Wand der Ein- gewe.idehöhle. d Oesophagus, d' Mitteldarm. /; Leber, h' Mundungen derselben in den Mitteldarm. r Innere OefFnung des rechten Oviductes (vom linksseitigen sind nur einige Falten bemerkbar), e Arm- canal. m m' m" m* Muskeln zur Bewegung der Schalenklappen. (Nach A. Hancock.) Diese Mündung durchsetzt das Ileoparietalband, und wird dadurch gegen den Pericardialraum gerichtet. Das Ileoparietalband steht damit zur inneren Mündung in einem mit einem Dissepimente von Würmern über- einstimmenden Verhalten (vergl. oben § 243). 332 II. 6. ßrachiopoden. Geschlechtsorgane. Obgleich die Wandungen dieser Canäle durch Vorsprünge, zotten- artige Fortsätze oder Faltungen eine drüsige Beschaffenheit zu besitzen scheinen , so ist bezüglich ihrer Function nur ihr Verhältniss zu den Geschlechtsorganen näher bekannt, welches sie als Oviducte erscheinen lässt, und sie in dieser Weise bisher auch deuten liess. Nachdem schon bei Gephyreen und Anneliden die Schleifencanäle dem Geschlechtsapparat dienstbar wurden, kann es nicht befremden, auch hier sie in demselben Verhalten anzutreffen , wobei nicht ausgeschlossen ist. dass sie auch excretorische Verrichtungen vollziehen. 'S' Geschlechtsorgane. § 246. Bei einem Theile der ßrachiopoden sind die Geschlechtsorgane hermaphroditisch angelegt, so dass die Trennung der Geschlechter zu den Ausnahmen zu gehören scheint (Thecidium;. Die Organe bestehen nur aus den Keimdrüsen, Bildungsstätten für Sperma und Eier. Sie bilden bei den ersteren vier Drüsenmassen, zwei bei Thecidium. Bei den Ecardines lagern sie in der Leibeshöhle , theihveise den Darm und die Muskeln umgebend , bei den Testicardines sind sie als wulstförmige Massen in die Bäume beider Mantellappen (Fortsetzungen der Leibeshöhle) vertheilt (Fig. \ 65. g) , in beiden Fällen an die Verhältnisse der Geschlechts- organe der Anneliden und Gephyreen erinnernd. Bei den Getrennt- geschlechtlichen sind diese in dem einen Falle Ovarien, im andern Hoden. Auf welche Weise die ei- und samenbildenden Stellen bei den Hermaphro- ditischen sich zu einander verhalten, ist unbekannt. Die Geschlechts- producte gelangen von ihren Bildungsstätten in die Leibeshöhle. Bezüglich der Ausführwege kommen die bei den Excrelionsorganen aufgeführten Bildungen in Betracht , so dass auch hier ein ursprünglich fremder Apparat als Oviduct wie als Samenleiter fungirt. Siebenter Abschnitt, Mollusken. Allgemeine Ueber sieht. § 247. Für den Stamm der Mollusken bietet sich im allgemeinen Verhalten des Körpers wie seiner einzelnen Organsysteme eine genaue Begrenzung dar. Durch den Mangel einer äusserlich allgemein ausgesprochenen Meta- merie erscheint der Körper einheitlicher als bei Arthropoden und bei Annulaten unter den Würmern , wenn auch in mancherlei Organen noch erkennbare Spuren einer Metamerie bestehen. Die Lagerung des centralen Nervensystems über dem Schlünde, und seine Verbindung mit unterhalb des letzteren liegenden Ganglien oder den Schlund umfassenden Com- missuren ergänzt im Zusammenhalte mit einem stets dorsal gelagerten Herzen den typischen Charakter dieser Abtheilung, wozu endlich noch die allgemein verbreitete Entfaltung dorsaler Schalenbildungen tritt. Das gänzliche Zurücktreten der ursprünglichen Metamerie, sowie die selbst zwischen den einzelnen hier vereinigten Gassen bestehende Kluft, finden in dem palaeontologisch frühzeitigen Auftreten der meisten Classen der Mollusken zureichende Erklärung, welche zugleich die gegenwärtig lebenden Weichthiere als einen ausserordentlich kleinen Bruchtheil des formenreichen , nur in relativ wenigen Abtheilungen fortgesetzten Thier- stammes erscheinen lässt. Bezüglich der Phylogenie der Mollusken ist noch Vieles unsicher, allein die auf eine Metamerie des Körpers sich be- ziehenden Verhältnisse der inneren Organisation lassen verwandtschaft- liche Beziehungen mit gegliederten Organismen erkennen , die ihre näch- sten Verwandten unter den Würmern haben. Wenn wir auch die einzelnen Abtheilungen als niedere und höhere zu einander ordnen können , so ist doch bei den meisten derselben die Weiterbildung nicht für alle Organsysteme gleichmässig erfolgt, und wir vermögen bei allen, die Verwandtschaft mit niederen Formen documen- tirende Einrichtungen nachzuweisen. 334 II. 7. Mollusken. Bezüglich einer systematischen Uebersicht gebe ich folgende Dar- stellung, und bemerke dazu, dass vorzüglich betreffs der engeren Ab- theilungen manche von den älteren Auffassungen sich noch weiter entfer- nende Veränderungen sich in Aussicht zeigen. I. Placophora. Chiton, Cryptochiton. II. Con chifera l). Lamellibranchiata. A s i p h o n i a . Ostrea, Anomia, Pecten, MytUus, Area, Anodonta, Unio. S iphonia ta. Chama, Cardium, Cyclas, Venus, Teilina, Mactra, Solen, Pholas, Teredo. Scaphopoda2). Dentalium. Gaste ropoda 3). Prosobranchia ta. Chiastoneura. Zeugob ranchia. Fissurella, Haliotis. Anisob ranchia. Patella, Trochus, Littorina, Cyclostoma, Rissoa, Paludina. Turritella. Ortho neu ra. Nerita, Jrnthina, Valvata, Sigaretus, Marsenia, Cypraea, Cerithium, Strombus, Pterocera, Dolium, Cassis, Tritonium, Voluta, Harpa, Buccinum, Nassa, Purpura, Murex. Heteropoda4). Atlanta, Carinaria, Pterotrachea. Opisthobranchiata. Tect ibranchiata. Bulla, Aplysia, Pleurobranchus. 1) Für die Zusammenfassung allerMollusken mit Ausschluss derChitonen in eine grosse Abtheilung, die ich als Conchiferen bezeichne, war mir die grosse Bedeutung massgebend, welche der Schale als einer die gesammte Organisation dieser Tigere beherrschenden Einrichtung zuerkannt werden muss. Wenn aber dadurch die Placo- phoren sich schärfer abscheiden, so sehe ich darin doch keinen zureichenden Grund, sie ganz aus dem Molluskenstamme zu entfernen, da in ihrer Organisation Vieles nur mit den Conchiferen übereinstimmendes, und sie deshalb an diese anschliessendes, zu erkennen ist. Ich sehe die Placophoren als den Ueberrest einer Abiheilung an, die einerseits aus den Solenogastres (S. 135) verwandten Formen sich herausbildete, andererseits die Vorläufer der Conchiferen darstellte. 2) Die Scaphopoden bilden eine sowohl mit Lamellibranchiaten, als mit Gastc- ropoden verwandte Abtheilung, die aber keineswegs als ein einfaches Zwischenglied aufgefasst werden kann. 3) Unter den Gastropoden sind die in vielen Beziehungen ältesten Formen die Zeugobranchien. 4) Die Heferopoden sehe ich als eine von den Prosobranchiaten abgezweigte, mit den Orthoneuren näher verwandte Ordnung an, die aber Eigenthümlichkeiten ausgebildet hat, welche sie jenen nicht gleichwertig erscheinen lassen. Allgemeine Uebersicht. Literatur. 335 Nudibranchiata. Tritonia, Polycera, Aeolidia, Phyllirhoe, Doris, Phyllidia, Pleurophyllidia. Sacoglossa. Elysia, Limapontia, Placobranchus. Pulmonala1). Branchiopneusta. Lymnaeus, Planorbis, Auricula. Nephropneusta. Helix, Bulimus, Clausilia, Limax, Arion. Pteropoda2). Th ecosoma ta. Hyalea, Cleodora, Chreseis, Cymbulia. S Gy m nosomata. Clio, Pneumodernion. Cephalopoda 3). Tetrabranchia ta. Nautilus. Dibranchiata. Decapoda. Spirula, Sepia, Sepiola, Loligo. Octo poda. Octopus, Tremoctopus, Eledone, Argonauta Literatur. Cuvier, Memoires pour servir ä l'histoire et ä l'anatomie des Molluques. Paris 1817. — van Beneden, Exercices zootomiques. Fase. I. II. Bruxelles 1839. — Quoy u. Gaimard, Voyage de l'Astrolabe. Zoologie. — delle Chiaje, Descrizione e noto- mia degli animali invertebrati della Sicilia citeriore. Napoli 1841 — 44. — Sou- leyet, Voyage de la Bonite. Zoolog. T. II. Paris 1852. — Leuckart, R., Zoolog. Untersuch. III. Giessen 1854. — Gegenbaur, C, Unters, üb. Pteropoden u. Hete- ropoden. Leipzig 1855. — Krohn, A., Beitr. z. Entw. d. Pteropoden u. Hetero- poden. Leipzig 1860. — Lankester, Ray., Contrib. to the develop. of the Mol- lusca. Philosoph. Transact. 1875. — v. Jhering, Vergleichende Anatomie des Nervensystems u. Phylogenie der Mollusken. Leipzig 1877. Plaeophoren : v. Middendorff , Anat. v. Chiton. Mem. Acad. de St. Petersbourg. VI. vi. 1849. — Loven , S. , Öfvers. K.. Vet. Acad. Förhand. Stockholm 1855. (Arch. f. Nat. 185 6.) Lamellibranchiaten: Poli, Testacea utriusque Siciliae eorumque historia et ana- tome. III Tom. 1791 — 1795. — Bomnus, Ueber die Athem- und Kreislaufwerk- 1) Die Organisation der beiden Abtlieilungen der Pulmonaten scheint mir nicht so bedeutend zu divergiren, dass sie als den beiden anderen Gastropoden-Ordnungen gleichwerthig gelten könnten. Bezüglich mancher den Nephropneusten zugerechneten Gattungen, z. B. Onchidium, ist ein sicheres Urtheil noch nicht möglich. 2) Die Pteropoden geben in manchen Organisationsverliältnissen eine Verwandt- schaft mit den Cephalopoden kund , doch kann diese nur als eine sehr ferne aufge- fasst werden. 3) Den nur durch eine lebende Gattung repräsentirten Tetrabranchiaten ge- hörten wahrscheinlich die meisten der ältesten fossilen Formen an, welche uns zugleich eine bedeutende Mannichfaltigkeit beurkunden. 336 IL 7. Mollusken. zeuge der zweischaligen Muscheln. Isis 1819. 1820. 1827. — Deshayes, Art. Con- chifera in Todd's Encyclopaedia. Vol. I. 1 836. — Garner, On the anatomy of the lamellibranchiate Conchifera. Transact. zoolog. Soc. London. Vol. II. 1841. — Quatrefages, Anatomie von Teredo. Ann. des sc. nat. III. xi. — Loven , S., Bidrag tili kännedomen om utvecklingen of Moll, acephala. Kongl. Vetensk. Acad Handl. Stockholm 1850. — Keber , Beiträge zur Anatomie u. Physiologie der Weichthiere. 1851. — Davaine, C, Sur la gönexat. des Huilres. Paris 1853. — v. Hessling, Die Perlmuscheln. Leipzig 1859. — Lacaze-Dutbiers (Anatomie von Anomia). Ann. sc. nat. IV. n. — L. Vaillant, Sur la fam. de Tridacnides. Ann. sc. nat. V. iv. — Sabatier, A., Etudes sur la moule commune. Mem.de l'Acad. des Sc. de Montpellier. 1877. Scaphopoden: Lacaze-Duthiers, Hist. nat. organis. döveloppment etc. du Dentale. Paris 1858. Gasteropoden. : Nordmann, Monographie des Tergipes Edwardsü. Mem. de l'Acad. Imperiale de St. Petersbourg. IV. 1843. — Alder and Hancock, Monograph of the british Nudibranchiate Molluska. Ray Soc. I — VII. 1845 — 55. — Hancock and Embleton, On the anatomy of Eolis. Ann. and Mag. of nat. hist. XV. 1845. — Dieselben, On the anatomy of Doris. Philos. Transact. 1852. T. II. — Hancock, Anatomy of Doridopsis. Transact. Linn. Soc. XXV. — Leydig , Ueber Paludina vivipara. Zeitschr. f. wiss. Zool. IL — Huxley, On the morphology of cephalous Mollusca. Phil. Transact. 1853. — Bergh, Bidrag til en Monographi of Marsenia- derne. Kongl. dansk. Vidensk. Selsk. Skrifter. 1 853. — Derselbe, Anatomisk Undersögelse of Fiona atlantica. Vidensk. Meddelelser for 1857. — Derselbe, Anatomisk Bidrag til Kundskab om Aeolidierne. Danske Videnskab. Selskabs Skrifter. 1864. — Derselbe, Bidrag til en Monographi of Pleurophyllidierne. Naturhist. Tidsskrift. 3 Räkke. 4 Bind. 1866. — Derselbe, Bidrag til en Mono- graphi of Phyllidierne. ebend. 5 Bind. 1869. — Derselbe, Malacolog. Untersuch. Heft I — X. Wiesbad. 1870 — 76. — Claparede, Anatomie u. Entwickelungsgesch. der Neritina fluviatilis. Arch. f. Anat. 1857. — Derselbe, Beitrag zur Anat. des Cyclostoma elegans. ibid. 1858. — Lacaze-Duthiers, Anatomie du Pleurobranche. Ann. nat. sc. IV. xi. — Derselbe, Anat. et lEmbryogönie des Vermets. Ann. sc. nat. IV. xni. — Lawson , Anal. etc. of Limax maximus. Quart. Journal of micr. Sc. 1863. — Fol, H., Sur le developpement des H6t6ropodes et des Gastöropodes pulmonöes. Comptes rendus. T.LXXXI. No. 11 et 13. Archives de Zoologie T. V. Pteropoden: Eschricht, Ueber d. Clione borealis. 'Kopenhagen 1838. — Fol, H., Sur le developpement des Pteropodes. Archives de Zoologie. T. IV. Cephalopoden : Grant, Ueber Loligopsis. Transact. zool. Soc. 1835. — Owen, Me- moir on the Pearly Nautilus. London 1832. — Derselbe, Art. Cephalopoda in Todd's Cyclopaedia. I. 1836. — Valenciennes, Nouvelles recherches sur le Nau- tile flambe. Archives du Museum. 1841. — Peters, Anatomie der Sepiola. Arch. f. Anat. 1842. — Kölliker, Entwickelungsgesch. der Cephalopoden. Zürich 1844. van der Hoeven, Bijdragen tot de Ontleedkundige Kennis aangaande Nautilus pompilius. Amsterdam 1856. — Grenacher, Zur Entwick. d. Cephalopod. Zeit- schrift f. wiss. Zoolog. Bd. XXIV. S. 419. — Fol, H., Note s. 1. developpement des Mollusques pteropodes et cephalopodes. Arch. de zool. T. III. — Bobretzky, Untersuch, über die Entwickelung der Cephalopoden. Nachr. d. k. Gesellsch. der Freunde d. Naturkenntniss etc. zu Moskau. Bd. XXIV. (Russ.) Körperform. § 248. Die Gestaltung des Molluskenkörpers ist durch den Einfluss der von den Schalenbildungen beherrschten Lagerungsverhältnisse vieler Organe Körperform. 337 auf die Körperform als eine so sehr modificirte zu betrachten, dass eine den Ausgangspunkt darstellende Grundform nur aus der Vergleichung früher Embryonalzustände mit manchen ausgebildeten Formen erkannt werden kann. Für die Placophoren besteht eine wurmartige Larvenform, und bei gymnosomen Pteropoden wird durch mehrfache Wimperkranze eine ähnliche äussere Metamerie beurkundet. Die hierin ausgesprochenen Beziehungen erhalten sich bei den Placophoren im ausgebildeten Zustande wenigstens am dorsalen Körpertheile. Indem dieser vom ventralen durch eine Furche sich absetzt, werden zwei Strecken unterscheidbar, die als »Mantel« und »Fuss« für die Gonchiferen trotz vielfacher Umbildungen fortbestehen. Durch die bereits bei den Solenogastres (vergl. S. 139) an- gedeutete Sonderung einer rinnenförmigen ventralen Fläche werden ver- wandtschaftliche Beziehungen zu diesen erkannt, welche in dem Be- funde des Nervensystems Bestätigung finden. Lamellibranchiaten und Gastropoden, wie die thecosomen Pteropoden, lassen an einem der späteren Oberfläche des Kopfes entsprechenden Abschnitte einen mächtigen Wimperkranz auftreten, der später von einem besonderen symmetrisch gestalteten lappenartigen Fortsatz, demVelum, getragen wird. Aus der Verbreitung des Wimpersegels in sonst diver- genten Abtheilungen geht dessen primitive Bedeutung zur Genüge hervor, und ist von um so grösserer Wichtigkeit, als wir in diesem Organ den auch bei vielen Würmern die gleiche Stelle des Körpers umsäumenden Wimperkranz erkennen (vergl. § 107). Das Velum der Mollusken darf demnach als ein aus niederem Zustande ererbtes Organ beurtheilt werden. Unterhalb des Velums entsteht die Anlage des zur Darmhöhle führen- den Mundes. Gemeinsam mit den Placophoren tritt bei den Lamellibran- chiaten die Bildung einer dorsalen Schale der Fortsetzung des Darmrohrs zum aboralen Körperpole nicht entgegen, da dieses Schutzorgan sammt dem es tragenden Mantel bei ersteren dem Gesammtkörper angepasst bleibt, und bei den letzteren eine vorwiegend laterale Ausbildung nimmt. Es ist daher eine vom Mundpole bis zum Afterpole ziehende Hauptaxe unterscheidbar, welche von zwei verschieden differenzirten Nebenaxen gekreuzt wird: die dorso -ventrale und die transversale oder Queraxe. Dem Körper kommt demgemäss hier die eudipleure Grundform zu, die bei Würmern und Gliederthieren herrschte. Anders gestalten sich diese Verhältnisse bei den Gastropoden . deren dorsale, mülzenähnlich geformte Schale allmählich den grössten Theil des Körpers umschliesst, und ausser Kopf und Fuss nur eine kleine Strecke der Oberfläche des Leibes zu Tage treten lässt. Während im vorerwähnten Falle die Schale dem Körper sich anpasst, erfolgt hier eine Anpassung der WTeichtheile des Körpers an die einheitliche Schale. Daraus gehen asym- metrische Formen des Körpers hervor und der abornle Körperpol trägt nicht mehr den After, der in Folge einer durch die Gehäusebildung be- wirkten Krümmung des Darmes eine laterale Lagerung gewinnt. Von da aus können alle die mannich fachen, von der symmetrischen Grund- Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 22 338 ii. 7. Mollusken. form abweichenden Formdifferenzen des Gaslropodenkörpers beurtheilt werden . Die primitive Uebereinstimmung der mit dem Besitze der Schale er- worbenen Körperform erleidet schon innerhalb der Gastropoden manche Modifikationen, indem das durch das Velum ausgezeichnete Stadium nicht immer zur Ausbildung kommt, wie es auch bei den Cephalopoden bis jetzt vermisst wurde. Auch für diese Classe ist die Körperform und die Lage der Eingeweide aus einem ursprünglich allgemeinen Besitz einer Schale ableitbar. § 249. Die dem Velum zukommende Bolle ist in den einzelnen Abiheilungen verschieden. Untergeordnet ist sie bei den Lamellibranchiaten, bei denen es zwar eine Zeit lang als Locomotionsorgan fungirt, jedoch keine selb- ständige Entwickelung gewinnt und frühzeitig sich rückbildet. Das dürfte wohl mit dem rudimentär Werden des Kopfes, und dieses wieder mit dem frühzeitigen Aufgeben der freien Lebensweise dieser Abtheilung in Ver- bindung stehen (Acephala) . Dagegen erlangen zwei von der Dorsalfläche her lateralwärts sich fortsetzende Duplicaturen als Mantel eine bedeutende Ausbildung, um- schliessen den Körper und sondern auf sich die Schalengebilde ab, welche in Form und Umfang den Mantellamellen entsprechen. Zwischeu den Bändern des Mantels gelangt man in den als Alhem- höhle fungirenden Baum , in welchen die von der Körperwand entsprin- genden Kiemen vorragen (Fig. 167. A. br). Bei einer kleinen Zahl von Muschelthieren (Asi- phonia ist dieser Eingang in die Mantelhöhle eine ansehnliche Spalte , durch welche Wasser ein- und austritt und damit Nahrungsstoffe zuführt und Aus- wurfsstoffe entfernt. Bei den Meisten besteht eine Verwach- sung: der beiderseilisen Mantel- ränder, wodurch sowohl ein mehr oder minder vollkommener Abschluss des die Kiemen umgebenden Hohlraumes , wie auch eine grössere Begelmässigkeit der ein- und austretenden Wasserströme er- reicht wird. Der geringste Grad der Verwachsung lässt eine vordere grössere und hintere kleinere Oeffnung entstehen (Mytiliden). Erstere dient zum Durch- tritte des Fusses und gestattet den Eintritt von Nahrungssloffen, indess letztere, ihrer Lage entsprechend , die Fäcalmassen entführt, sowie das Wasser, welches der Athmung gedient hat. Bei den Chamaceen liegen 3 Fig. 167. Schematische Darstellung des Verhaltens von Mantel und Fuss auf senkrechtem Querschnitte. A Bei Lamellibranchiaten, B bei Cepealophoren. m Mantel, p Fuss. br Kiemen. Korperform. 339 hinter der vorderen grossen, den Fuss durchlassenden Spalle noch zwei besondere Oeffnungen, welche sich in die Zu- und Ableitung des Wassers theilen, eine Einrichtung, die in einer grossen Abtheilung der Muschel- thiere einen höheren Entwicklungsgrad erreicht (Siphoniata). Der die bezüglichen Oeffnungen umgebende Manteltheil bildet eine röhrenförmige Verlängerung (Sipho) und geht damit, ausser dpr Verwachsung, noch andere Modificationen ein. Die Athemröhren können zuweilen durch getrennte Mantelparthieen dargestellt werden ; oder es besteht eine äusserlich einfache Athemröhre, welche nur innerlich durch eine Scheide- wand in zwei Canäle getrennt wird ; oder beide Zustände sind combinirt (Fig. 168. tr. ta ), endlich kommen zwei vollständig getrennte Röhren Fig. 16S. Seitliche Ansicht der Mantelhühle eines Mactra nach Entfernung der rechten Mantel- lamelle, br, br' Kiemen, t Tentakel, ta, tr Siphonen. ma Vorderer, mp hinterer Schliessmuskel. p Fuss. c Schalenschloss. zur Ausbildung eine obere . an ihrer inneren Mündung der Afteröffnung gegenüber gelagerte, zur Entleerung des Wassers dienende, eine untere, welche die Einfahr von Wasser besorgt. Für die Regelmässigkeit der Zu- und Ableitung dient die Wimperauskleidung. Durch diese Formen hindurch gelangen wir zu jenen , bei welchen der Verschluss der Athemhöhle am vollständigsten und die Röhrenbildung des Mantels am meisten entwickelt ist. Dies wird von einer Verkleinerung der dem Fusse zum Austritt dienenden Mantelspalte be- gleitet. Die letztere ist beträchtlich enger geworden und eine ziemlich weite Strecke von den Athemröhren entfernt, so dass der grösste Theil des Mantelrandes verwachsen ist, und der Körper des Thieres demzufolge sackförmig erscheint (Bohrmuskeln). Die Oeifnung zum Durchtritte des Fusses befin- det sich am vorderen Ende . die beiden Athemröhren sind am entgegengesetzten Körpertheile angebracht. Sie setzen sich in besondere Abtheilungen der Mantelhöhle fort, indem letztere durch eine Scheidewand in einen oberen kleineren und unteren grösseren Raum getheilt wird. Das dem letzteren durch die einleitende Röhre zuseführte Wasser durchströmt die Kiemen Fig. 169. Dasselbe Thier mit einge- zogenen Siphonen und eingezogenem Fuss. tos Siphonalniuskeln. ir 340 H. 7- Mollusken. und tritt durch deren Spaltöffnungen in die Kiemenfächer oder den Intra- branchialraum, aus welchem es in die obere Abtheilung der Mantelhöhle gelangt, in welche auch der After sich öffnet. Der Mantelrand ist häufig der Sitz besonderer Ditferenzirungen , die vorzüglich in Gestalt von tentakelartigen Fortsätzen auftreten, und zu- weilen von ziemlicher Mächtigkeit sind. Die zweite Sonderung des Lamellibranchiatenkörpers findet an der ventralen Fläche statt, die bereits bei den Placophoren differenzirt ist, sohlenförmig gestaltet und als Kriechorgan dienend. Sie besteht in der Ausbildung eines muskulösen vom übrigen Körper in verschiedenem Maasse gesonderten Fusses (Fig. 167.4^), der aus der Mantelspalte, bei einigen in bedeutender Länge, hervorgestreckt werden kann. Er ist dann beilförmig oder keulenähnlich gestaltet, und fungirt als Locomotionsorgan. Die beiden seitlichen Flächen des Fusses laufen gewöhnlich in eine me- diane Kante aus, doch besteht bei einigen an letzterer Stelle, an das Ver- halten von Chiton erinnernd, eine ebene Fläche als Sohle. Viele Muschellhiere leben uuter Verhältnissen, welche eine Benutzung dieses Organs ausschliessen und demgemäss es sich rückbilden lassen, wie die festsitzenden Austern und Anomien , oder die Kammmuscheln, bei welch' letzteren dieLocomotion durch Actionen des Mantels und seiner Schalen ausgeführt wird. Den Lamellibranchiaten nahe stehend, aber einen Uebergang zu den Gastropoden vermittelnd, verhalten sich die Scaphopoden. Der von einer Schale umschlossene Körper bietet eine Mantelhöhle , aus der ein drei- teiliger Fuss hervor gestreckt werden kann. Ein die Mundöffnung tra- gender Theil erscheint kopfähnlich, entspricht aber mehr einem Rüssel, da er nicht die Nervencentren beherbergt, und wird gleichfalls in der Mantelhöhle geborgen. § 250. Das Velum erlangt die grösste Entfaltung bei den Gastropoden und beschälten Pteropoden und fehlt nur jenen, deren erste Jugendzustände einer freien Lebensweise entzogen sind (landbewohnende Schnecken) . Es gestaltet sich zu einem ansehnlichen , nicht selten in symmetrische Lappen ausgedehnten Organe (Fig. 170 ABCv), welches bei Einzelnen sogar noch längere Zelt fortbesteht und dem Körper damit die Fortdauer der schwimmenden Bewegung sichert (Macgillivraya) . Die Entfaltung dieses in niederen Zuständen nur durch einen Wimperkranz vorgestellten Organs erscheint in Zusammenhang mit der Schalenenlwickelung, in so fern durch diese die Ausdehnung der Bewimperung des Körpers be- schränkt wird. So bleibt nur der Kopftheil des Körpers frei, und com- pensirt durch Ausbildung der Cilien wie des von ihnen besetzten Randes den Mangel anderer locomotorischer Wimperorgane. In dem Maasse als die Schale die Körperlast vermehrt, vergrössert sich dann das Velum und geht manche Complicationen seiner Form ein. Körperform. 341 Mit der Ausbildung dieses Velums verbindet sich die Sonderung eines Kopfes, von dessen oberer Fläche das Velum sich entfaltet hat, und der nur unter den Pteropoden bedeutende Rückbildungen eingeht. Der Mantel erhebt sich wie bei den Lamellibranchiaten als eine die Dorsalfläche umsäumende Falte der Körperwand und lässt auf seiner Fig. 170. Larven, A von einem Gas teropo d e n. B Späteres Stadium. C von einem Pteropo de n (Cymbulia). Nach A. Krohn. r Velum. c Schale, p Fuss. op Deckel, t Tentakel. Oberfläche die Schale hervorgehen. Indem dieses von der Mantelduplica- tur umsäumte Dorsalfeld des Körpers mit der zum Gehäuse sich ausbil- denden Schale immer weiter sich ausbuchtet, stellt es allmählich einen Blindsack vor, der nach und nach den grössten Theil der Eingeweide beherbergt (Eingeweidesack), und dieselben somit unter den directen Schutz des Gehäuses gelangen lässt. Mit weiterer Ausbildung hebt sich die Mantelduplicatur freier vom Körper ab, und lässt unter sich einen weiteren, die hervorsprossenden Kiemen bergenden Raum entstehen, homolog der Kiemenhöhle der Muschelthiere (vergl. Fig. \§7 AB). Diese Entfaltung einer Hautduplicatur zum Mantel, und die damit zusammen- hängende Entstehung eines darunter gelegenen, wie eine Einstülpung von aussen erscheinenden Raumes, der Kiemenhöhle , erfährt grösstentheils von der Schalenbildung beherrschte Modificationen. Dadurch, dass der Mantel nicht mehr, wie bei den Lamellibranchiaten , gleichmässig nach beiden Seiten vorwächst, sondern nur an einer Stelle im Zusammenhang mit der Gehäuseentwickelung vorwiegend sich weiterbildet, entsteht an jener Stelle die Kiemenhöhle als ein einheitlicher Raum. Diese Stelle liegt bald unter einem hinteren Abschnitte des Mantels bei Pteropoden (Fig. 170 C), bald unter einem vorderen bei den meisten Gasteropoden (B). Die durch das Auftreten von Gehäuse -Windungen bedingte Asymmetrie gibt der Kiemenhöhle der Gasteropoden eine meist einseitige Lagerung, welche als eine Anpassung an die durch den bezüglichen Theil der Schale gebotene grössere Räumlichkeit sich darstellt. Die Entstehung der einheit- lichen und asymmetrischen Kiemenhöhle aus einer paarigen, symme- trisch sich verhaltenden Räumlichkeit ist in manchen Spuren erkennbar. Dadurch wird angedeutet, dass die Asymmetrie der Schale wahrscheinlich secundär ist. 342 II. 7. Mollusken. Von diesem Verhalten leiten sich Reihen von Rückbildungen und Ausbildungen ab. Die letzteren sind grossentheils Differenzirungen des Mantelrandes , die mit der Function der Kiemenhöhle in Connex stehen. Ein Theil des Mantelrandes wachst in eine der Zuleitung von Wasser die- nende Rinne aus, und kann durch Uebereinanderschlagen der Ränder in eine Röhre sich umwandeln, wie wir sie als Sipho bei vielen meer- bewohnenden Gastropoden in verschiedenen Stadien allmählicher Diffe- renziruug antreffen (Buccinum, Dolium. Harpa, Tritonium, Murex u. a.). Ein auf ähnliche Art gebildeter zweiter Sipho von geringerer Ausdehnung besteht meist am entgegengesetzten Ende der Kiemenhöhle und ist zur Ausfuhr des Wassers bestimmt. Mancherlei andere Fortsatzbildungen (z. B. bei Strombus, Pterocera) sowie tentakelartige Anhänge bedingen neue Gomplicationen. Rückbildungen des Mantels ergeben sich wieder im Zusammenhange mit Rückbildungen der Schale. Am meisten greifen sie in der Abtheilung der Opisthobranchialen Platz ; von denen ein Theil mit sehr verschieden- gradig rudimentären Schalen ausgestattet ist, ein anderer derselben im ausgebildeten Zustande vollständig entbehrt. Da bei allen diesen schalen- tragende Larvenstadien vorkommen, der Verlust der Schale also sogar erst während der Ontogenese erworben wird , so müssen auch die später nackten Opisthobranchiaten von schalentragenden Formen abzuleiten sein. Die Larvenschale und die damit, wenn auch gering ausgebildete Mantel- falte geben somit als rudimentäre Organe der nackten Opisthobranchiaten Zeugniss von der mit den anderen Gastropoden gemeinsamen Abstam- mung. Wo solche Schalenrudimente auch dem ausgebildeten Thiere noch zukommen, werden sie in ähnlicher Weise zu beurtheilen sein, als rück- gebildete, und nicht als erst in der Ausbildung begriffene Gehäuse, denn wieder die Vergleichung mit den Larvenformen lässt da das Gehäuse in viel höherer Bedeutung erkennen als es im Rudimente des ausgebildeten Zustandes jener Organismen erscheint, und ebenso trifft sich höchst be- deutungsvoll in der Lage des Afters wie der Genilalöffnuns; ein nur aus der mächtigeren Gehäusebildung erklärbares Verhältniss. Die Reihe der Rückbildungen zeigt sich auch innerhalb kleinerer Ab- theilungen, so bei den Heteropoden, unter denen Atlanta mit ausgebildeter Schale und entwickeltem Mantel erscheint, die beide bei Carinaria rudi- mentär, und bei Pterotrachea völlis, eeschwunclen sind. Eine ähnliche Reihe von Rückbildungsstadien findet sich bei den Nephropneusten re- präsentirt. § 251. Bedeutend umgestaltend auf die Körperform wirkt die divergente Ausbildung des Fusses ein. Derselbe erscheint bei den Larven der Pteropoden und der Gasteropoden unterhalb des Mundes ziemlich über- einstimmend als ein kurzer, konischer, meist etwas verbreiterler Fortsatz (Fig. 170. A. p). Auf der hintern dorsalen Fläche trägt dieser Körper- Körperform. 343 theil einen die Mündung des Gehäuses verschliessenden Deckel als schalen- artiges Abscheideproduct. Unter Volumszunahme, besonders in aboraler Richtung, gestaltet sich der Fuss bei Gasteropoden zu einem meist mit breiter Sohlfläche ausgestatteten Gebilde, von welchem die Bezeichnung entnommen ward (Fig. 171 . B). Bald ist er mehr in die Länge gestreckt, bald mehr scheibenförmig gestaltet. Bei den meisten Gasteropoden kommt dem Fusse nur an seinem Sohlenrande eine scharfe Umgrenzung zu. Die darüber befindliche Körperoberfläche zieht sich bei manchen der nie- dern Prosobranchiaten (Haliotis) in einen saumartigen Rand aus (Epipo- dium) , der schon dadurch, dass er auch den Kopf mit umfasst, vom Mantel verschieden sich darstellt. Selbständiger sondert sich der Fuss der Heteropoden , der als senkrecht stehende Flosse von der Bauchseite des Thieres entspringt. Der Kör- per setzt sich damit sowohl vor- , „ als rückwärts vom Fusse noch fort. Dieser hat somit vom ur- sprünglichen Verhalten sich weit entfernt, und ist keine Sohlfläche des Körpers mehr, dessen Ende jedoch bei Atlanta noch einen Deckel trägt. Der Bau der mus- kulösen Sohle des Gastropoden- fusses erhält sich rudimentär in einem saugnapfartigen Gebilde, welches bei den Pterotracheen nur dem männlichen Geschlechte zukommt. Es erinnert daran, dass auch in vollkommener Ausbildung der Gastropodenfuss als Saugnapf fungirt, indem das Thier damit sich festzuhalten im Stande ist. Noch bedeutender sind die Modificationen des Fusses der Pteropoden . Der in den ersten Larvenstadien in derselben Weise wie bei Gasteropoden angelegte Fuss entwickelt bei den Cymbulieen und Hyaleen einen medianen und zwei laterale Theile (vergl. Fig. \70.Cpp). Während der mediane Abschnitt bei den Hyaleen sich wenig ausbildet, entwickeln sich die lateralen Lappen zu zwei grossen, den rudimentären Kopf wie Flügel umfassenden Flossen, und bei den Cymbulieen geht auch der mediane Lappen eine Weiterbildung ein. Er verschmilzt bald nur an der Basis (Cymbulia), bald in der ganzen Länge (Tiedemannia) mit den beiden seitlichen, Thiere hervor. Fig. 171. Schematische Darstellung des Verhaltens von Mantel und Fnss auf senkrechtem Querdurch- schnitt. A bei Lamellibranchiaten, B hei Cephalo- phoren. m Mantel, p Fuss. br Kiemen. und daraus gehen die ansehnlichen Flossen dieser § 252, Bei den Cephalopoden ergibt sich die bedeutendere Ausbildung des Kopfes als eine wichtige Eigenthümlichkeit der Körperform, und dabei erscheinen die Verhältnisse des Mantels in einer bei den beschälten Ptero- 344 II. 7. Mollusken. Fig. 172. Scheraatiscke Darstellung für das Verhalten des Mantels. A bei Pteropoden und B bei Ce- phalopoden. p Fuss. 6»- Kie- men, t Tentakel. poden getroffenen Form, so dass sie von daher ableitbar sind. Die von einer Mantelduplicatur überwölbte Cavilät nimmt den hinteren Theil des Rückens ein, bildet also jene Körperpartie, die gewöhnlich als Bauch- fläche bezeichnet wird. Um diese Verhältnisse sich zu veranschaulichen. muss man das Thier in einer Stellung sich denken, wo das aborale Ende aufwärts , der Kopf dagegen nach vorn und abwärts gerichtet ist. (Vergleiche nebenstehende Figur 172.) Der gesammle über dem Kopfe befindliche Körper wird dann dem Rücken der Gastro- poden entsprechen. Der Mantel setzt sich vom Kopfe bald durch eine ringsum laufende Falte ab (Sepia), bald geht diese Mantelfalte an der Seite des Nackens glatt ins Integu- ment des Kopfes über (Octopus), so dass der Mantel nur über der Kiemenhöhle eine Dupli- calur bildet. Seitliche Fortsätze dieses Man- tels, bei den Sepien meist schmal, aber in der ganzen Länge vorhanden, bei den Loli- ginen breiter, jedoch nur aufs aborale Körperende beschränkt, fungiren als Bewegungsorgane (Flossen) . Sowohl die Bildung der Mantelhöhle als auch die Lage des Afters lässt schliessen, dass diese Gestaltung aus dem ursprünglichen Besitz einer den ganzen Mantel bedeckenden Schale hervorging, wie denn auch die gehäusetragenden Cephalopoden allgemein als die älteren Formen sich darstellen, und in der ausserordentlichen Divergenz der Gehäuseformen eine sehr weit zurückliegende Entstehung dieses Gebildes annehmen lassen. Dem Fusse der Gasteropoden entspricht ein an der gleichen Stelle wie bei den gymnosomen Pteropoden lagerndes Organ, der Trichter. Bei Nautilus wird es aus zwei von der Ventralfläche unter dem Kopfe ent- springenden Lamellen gebildet, die über einander gerollt, eine aus der M intelhöhle vorragende Röhre vorstellen (Fig. 175 i). Bei den Dibran- chiaten erscheint dieses Organ nur in der Anlage aus zwei seitlichen Ab- schnitten zusammengesetzt, die in dem Räume zwischen Mantel und Armanlagen auftreten. Durch Gegeneinanderwachsen und allmähliche Verschmelzung entsteht daraus eine ähnliche aber abgeschlossene Röhre wie bei Nautilus. Indem der gleichfalls muskulöse Mantel sich dann an den Umfang des Trichters legt, und durch kräftige Contractionen das zwischen Trichter und Mantelrand in die Manlelhöhle tretende Wasser austreibt, wird durch den ausgeslossenen Strom ein das Thier in aboraler Richtung fortbewegender Rückstoss hervorgebracht. So bleibt auch hier das Organ in seinen ursprünglichen Beziehungen zur Ortsbewegung. Gliedmassen. 345 Glieduiasseii. § 253. Die Entfaltung eines Kopftheiles steht auch bei den Mollusken mit der Sonderung von Fortsatzbildungen in engem Zusammenhange . die ich als Gliedmassen aufführe, weil sie mit Antennen und Fühlern der Arthro- poden und Würmer homolog sind, und bei höherer Differenzirung auch die Leistungen von Gliedmassen zu übernehmen im Stande sind. Diese als Tentakel bezeichneten Gebilde fehlen den Placophoren, auch den Scaphopoden, denn die um den Mund der letzteren geordneten Fortsätze erscheinen als eigenartige Gebilde, die nicht hieher beziehbar sind. Bei den Lamellibranchiaten sind lappenförmige Anhänge (Fig. 168 t) (sogenannte Mundlappen) am völlig rudimentären Kopfe angebracht, viel- leicht den bedeutender entfalteten Tentakeln homolog, welche bei den Gasteropoden den Kopftheii auszeichnen. Wie bei vielen Plattwürmern stellen sie im einfachsten Zustande wenig vorragende Korperfortsätze vor. die aber bedeutende Differenzirungen eingehen. Bei den Prosobranchiaten sind sie meist auf zwei beschränkt, und nehmen ihre Entstehung auf der vom Velum umsäumten Fläche (vergl. Fig. 170 B t). Bei vielen liegt das Auge an der Fühlerbasis, die zu einem besonderen Fortsatze sich ausbil- den kann. Daran schliessen sich Andere, deren Sehorgan auf einen von den Tentakeln sich sondernden Augensliel tritt, der mit dem Erlangen grösserer Selbständigkeit bei Delix, Limax u. a. vier Tentakel erscheinen lässt. Diese werden beim Zurückziehen eingestülpt, und bieten damit eine höhere Ausbildung. Ein besonders hoch entwickeltes Fühlerpaar zeichnet viele Opisthobranchiaten aus (Fig. 177 tt), aber dazu treten noch neue tentakelartige Kopfanhänge, welche nur für die einzelnen Unter- abtheilungen in Zahl und Anordnung charakteristisch sind. Unter den Pteropoden sind bei den Thecosomen Bückbildungen vor sich gegangen, denn die Tentakel fehlen gänzlich oder sind rudimen- tär tChreseis). Die Ausbildung der hier zu Flossen umgebildeten Theile des Fusses macht die Entfaltung von Kopftentakeln bedeutungslos, und erklärt damit deren Fehlen, sowie andererseits die grössere Entfernung der Flossen vom Kopfe bei den Gymnosomen eine Ausbildung von Tenta- keln gestattet. Sie erscheinen hier in mehrfachen Formen, und ausser den oberen Tentakeln finden sich noch ein oder mehrere Paare von Fortsätzen (Ceph;iloconi), die zu den bei den Cephalopoden entfalteten Tentakel- bildun«en hinführen. Bei Pneumodermon sind zwei dieser Gebilde sosar mit Saugnäpfen besetzt. § 254. Für die Cephalopoden sind zahlreiche, jederseits in reihenweisen Gruppen auf lappenartigen Fortsätzen sich erhebende Tentakel am Kopfe der Tetrabranchiaten bemerkenswert!). In yerinuer Zahl, aber mächtiger 346 II. 7. Mollusken. ausgebildet, erscheinen diese Gebilde als Arme der Dibranchiaten. Zehn Arme zeichnen die Loliginen, Sepien, Spirulen aus. Zwei längere, auch sonst von den andern verschieden gebaute Arme stehen dabei ausserhalb des von den andern acht gebildeten, den Mund umstellenden Kreises, und treten aus dem Grunde seillich am Kopfe sich herabsenkender Taschen hervor, müssen daher von den inneren unterschieden werden, die also bei allen Dibranchiaten zu acht bestehen. Die Arme der Octopoden sind wie die gleichartigen der Decapoden an der Basis durch eine saumartige Membran verbunden, mit Ausnahme des der Trichterseite nächsten Paares. Diese Verbindung erstreckt sich bei einigen Octopoden weiter, bald nur auf eine Anzahl von Armen (vier bei Tremoctopus), bald auf alle (Histio- teuthis, vollständiger bei Cirroteuthis), um sich in ganzer Länge derselben fortzusetzen. Besondere Bildungen an den Cephalopoden -Armen erscheinen als Saugnäpfe, welche meist in zwei Beihen (eine Beihe bei Eledone) die orale Fläche besetzen , nicht selten von Stielen getragen. Ihr freier Band besitzt häufig eine cuticulare Verdickung in Form eines zuweilen gezähnelten Chitinringes. Unter mächtiger Aus- bildung eines einzelnen Zahnes tritt der Saug- napf selbst zurück, und seine Stelle wird durch einen Haken vertreten (Onychoteuthis) . Einzelne dieser Arme erleiden bei vielen Ce- phalopoden besondere Umbildungen, indem sie bei dem Begattungsgeschäfte in Function stehen, die schon bei Nautilus durch die Ten- takel besorgt wird. Der zum Begattungs Werk- zeuge umgebildete Arm ist unbeständig; in der Begel ist es einer von den der sogenannten Bauchseite des Thieres angehörigen. Die Art der Umwandlung tritt in den einzelnen Abthei- lungen in sehr verschiedenen Graden auf, bald erscheint sie blos in der Veränderung einer Stelle an der Basis des Arms (Sepia), bald be- ruht sie in einer Veränderung der Saugnapf- form auf grösserer oder geringerer Länge, bald ist die Spitze des betreffenden Armes mit „„ einer löffelartiß ausgehöhlten Bildung versehen Elg. I7;i. Männchen voniremoc- od o topus Carenae. ^Oberes, t* (OctopilS, Eledone) . Der höchste Grad dieser aus einer Anpas- sung hervorgegangenen Umformung äussert sich sowohl durch eine ansehnliche Vergrösse- rung des bezüglichen Armes , als auch durch eine differente innere Organisation (Argonauta und Tremoctopus). Der »Begattungsarm« entwickelt sich nicht wie die andern frei hervorsprossend, zweites Armpaar. ^3 Dritter linker Arm. ti Unteres Armpaar, h Hecto- cotylus. x Endblase desselben, y Fadenförmiger Anhang ans der End- blase gelöst, i Trichter. lntesument. 347 'O sondern er entsteht in einer Blase , aus der er sich erst nach erlangter Ausbildung löst. Eine ähnliche Umhüllung besitzt das vielfach gewun- dene geisseiförmige Ende des Arms (Fig. 173. y), welches erst bei der Begattung frei wird. Dieser Anhang sammt der umhüllenden Membran (x) entspricht dem modificirten Armende von Eledone und Octopus. Die höher differenzirten Begattungsarme vermögen nach ihrer Ablösung in der Mantelhöhle des Weibchens noch längere Zeit fortzuleben , so dass man solche abgelöste Arme früher für parasitische Organismen (Hectoco- tylus) hielt. Steexstrup, J. J. , Hectocotyldannelsen. Kongl. Dansk. Vid. Selsk. Skrifter. V. R. 4. Bd. Integnment. § 255. Die Körperbedeckungen der Weichthiere werden von einer weichen Hautschichte dargestellt, die in der Regel so innig mit der darunter lie- genden Muskulatur verwebt ist, dass, wie bei den Würmern, eine Art von Hautmuskelschlauch entsteht. Durch vorwiegende Ausbildung der Muskulatur an gewissen Stellen des Körpers, somit durch üifferenzirung einzelner Theile des Hautmuskelschlauches, entstehen die Organe der Ortsbewegung. In den meisten Abtheilungen der Mollusken besteht während der ersten Larvenzustände eine Wimperbekleidung, wrelche auch später noch den Körper oder Theile desselben überzieht. Die bedeutendste Aus- bildung empfangen die Cilien an dem das Velum (s. § 248) umsäumenden Wimperkranze. Am meisten verbreitet kommen sie sonst an den Athmungs- Organen vor. Auch bei den Cephalopoden besteht während der Entwicke- lung eine Wimperbedeckung der Oberfläche an fast allen Stellen der Keim- scheibe (mit Ausnahme der Kiemen) und später erscheint auch am Dotter- sack Wimperepithel. Das Integument ist deutlich in Epidermis und Cutis trennbar. Eine eigenthümliche Modification der letzteren besteht bei manchen Heteropoden (Carinaria, Pterotrachea), bei denen eine mächtige glashelle Bindegewebe- schichte dem Körper nur einen geringen Grad des Gestaltwechsels erlaubt. Bei den übrigen Mollusken wird einer Form Veränderung des Körpers vor- züglich durch die vom Integumente ausgehende Gehäusebildung eine Schranke gesetzt. Färbungen des Körpers finden sich durch Pigment-Einlagerungen ins Integument bedingt. Von diesen Gebilden sind die eigenthümlichsten die bei manchen Pteropoden, wie bei allen Cephalopoden vorhandenen »Chro- matophoren«. Dies sind in verschiedenen Tiefen der Haut liegende rund- liche Zellen, mit körnigem Pigmente erfüllt und in ihrer Peripherie mit radiären Muskelfasern ausgestaltet, deren Contraction eine flächenhafte Ausdehnung der Zelle und dadurch eine Vertheilung des Pigmentinhaltes 348 "• 7. Mollusken. hervorruft, so dass sie als grössere, sternförmige, häufig verästelte Flecke dem Auge leicht wahrnehmbar werden. In einer zuweilen gesonderten Schichte finden sich plattenförmige Elemente, welche den Silberglanz mancher Körperstellen bedingen (Flitterschichte). Das wechselnde Spiel dieser mehrfachen Schichten ruft jene Farbenpracht hervor, die man an •der Haut lebender Tintenfische bewundert. Andere Einlagerungen in das Integument sind solche aus kohlen- saurem Kalk, bei Gasteropoden verbreitet; bald als einfache Körnchen oder grössere rundliche Concretionen, bald als stäbchenförmige, gezackte oder auch verästelte Formen , die oft in beträchtlicher Masse vorhanden, ein wahres Kalknetz darstellen können, bei Doris, Polycera u. a., deren einzelne Arten durch eine besondere Anordnung oder Gruppirung, sowie auch durch eigen thümliche Formation der einzelnen Kalkstäbchen ausge- zeichnet sind. § 256. Als Differenzirungen der Epidermis erscheinen Drüsen, die sich 2um Theile an die bei Würmern vorhandenen Gebilde anreihen (einzellige Drüsen). In der einfachsten Form finden sich diese Organe als Modifica- tionen von Epidermiszellen, zwischen anderen Zellen gelagert, aber durch den feinkörnigen Inhalt, sowie durch eine Mündung ausgezeichnet (Becher- zellen). Sie kommen sowohl den Muschelthieren wie den Gasteropoden zu. Bei Cephalopoden finden sie sich mehr gruppenweise angeordnet, und dehnen sich mit ihrem blinden Ende unter das Niveau der Epidermis. In weiterer Entfernung sind sie bei Gasteropoden — besonders bei Land- pulmonaten — zu treffen, wo sie tiefer ins Integument eingesenkt sind. An einzelnen Körperslellen gehen diese Drüsen verschiedenartige Modifi- cationen ein. Hierher gehören z. B. die am Manlelrande beschälter Gaste- ropoden vorhandenen, eine kalkhaltige Flüssigkeit absondernden Drüsen, mit denen auch farbstofiliefernde vorkommen. Bei Aplysia entleeren die Hautdrüsen eine dunkelrolhe Flüssigkeit. Bei Murex und Purpura besteht in der Mantelhöhle zwischen Kieme und Enddarm eine als Drüse fungirende Epilhelschichte, die aus grossen, auf der Oberfläche wimpernden Zellen gebildet wird. Das Secret dieser Zellen liefert den als »Purpur« bekaunten Stoff. Eine Eigenthümlichkeit einiger Opisthobranchiaten (Aeolidier) bildet das Vorkommen von Nesselzellen in den Enden der Bückenpapillen. Zu den selbständiger entwickelten Drüsenorganen des Integumentes gehört die Byssusdrüse der Lamellibranchiaten , ein Organ , dessen Auftreten von Modifikationen des Fusses begleitet ist. Derselbe erscheint nämlich zu einem zungenförmigen , an seiner ventralen Fläche mit einer Rinne ausgestatteten Fortsatze verkümmert. Die Hinne verläuft gegen eine an der Basis des Fusses befindliche Vertiefung, in deren Grund eine Drüse die als »Byssus« bekannte Substanz absondert. Ein solches Organ Schalenbildungen. 349 findet sich bei Pecten, Lima, Area, Tridacna, Malleus, Avicula, Mytilus verbreitet, wird jedoch als ein allgemein vorkommendes Organ gelten dürfen , da es auch bei den Embryonen der Najaden , sowie bei Cyclas vorübergehend vorkommt, Bei den Gastropoden besitzen einzelne Ab- theilungen (Helicinen, Limacinen) eine gleichfalls im Fuss gelegene Drüse, die sich vorne unter dem Munde öffnet. Ausser diesen kom- men noch manche andere aus dem Integumente hervorgegangene Drüsen- organe vor. Schalenbildungen. § 257. Eine besondere Wichtigkeit erlangt die Hautbedeckung durch die Ab- scheidung fester, in Schichten sich lagernder Substanzen , aus welchen die mannichfaltigen für den Molluskenstamm charakteristischen Gehäuse und Schalen hervorgehen. Somit sind die in dieser Abtheilung getroffenen Hartgebilde durch die Art ihrer Eutstehung von jenen anderer Thier- classen wesentlich unterschieden. Es sind vom Körper ausgeschiedene, nach aussen hin abgelagerte Producte, die als Stütz- und Schutzorgane für die betreffenden thierischen Organismen von grosser Bedeutung sind. Wie in anderen vom Integumente gelieferten Differenzirungen äussert sich- auch hier eine secretbildendeThätigkeit der äusseren Hautschichte. Wenn auch die äusseren Schichten dieser Gebilde häufig, besonders bei massiven Schalen, dem Organismus entfremdet scheinen, so stellen die Schalen doch immer Theile desselben vor, und an manchen Stellen, z. B. da, wo Mus- keln den Schalen inserirt sind, besteht beständig ein unmittelbarer und inniger Zusammenhang. Bei den Placophoren erinnert das Vorkommen verkalkender Sta- cheln an Verhältnisse, wie sie im Integumente der Solenogastres be- stehen (S. 149). Die Stacheln entstehen in Follikeln, und treten erst mit ihrer Vergrösserung an die Oberfläche, als schlankere dicht stehende feinere Fortsätze, oder derbere Gebilde über den Mantel vertheilt. Dazu kommen ansehnliche, verkalkte Platten (8), die der Quere nach ausge- dehnt eine Folge von Skelettheilen herstellen . in denen eine Metamerie ausgedrückt erscheint. Da sie bei Cryptochiton vom Mantel umschlossen sind, besteht Grund, ihre Genese gleichfalls im Mantel-Innern, in Ueber- einstimmune mit den Stacheln anzunehmen. Die Platten würden dann mächtige Entfaltungen derselben Gebilde vorstellen, die in geringerer Flächenentwickelung und nur in die Höhe wuchernd, als Stacheln er- scheinen. Diese Beziehung des Mantels zur Bildung fester, bei voluminö- serer Entfaltung Schalen vorstellender Organe wird für die übrigen Mol- lusken zu einer typischen , und überall äussert sich zwischen beiden Organen ein inniger Connex. An der Stelle der Bückenplatten der Chito- nen tritt aber eine continuirliche Bildung als einheitliche Schale, auf. So 350 iL .Mollusken. wie wir den Mantel als homologes Organ durch die Reihe der Mollusken verfolgten, ist auch die Schale als ein durch Vererbung verbreitetes, durch zahlreiche Anpassungen vielfach modificirtes Organ anzusehen. Die Substitution eines mehrlheiligen Gebildes durch ein einheitliches wird hier nicht durch eine Neubildung, sondern durch Ausbildung eines Theiles geschehen, denn es ist undenkbar, dass die Schale sofort als ein functionell bedeutungsvolles Organ, einen grossen Theil des Körpers um- schliessend, auftrat. Wenn sie aber zuerst als unansehnliches Gebilde erschien, so kann ihr nicht das Voll-Maass jener Function zugekommen sein, mittelsderen sie als nützliche Einrichtung sich durch Vererbung fort- erhielt. Es ist also zu postuliren , dass das später die Schale darstellende Gebilde seine Verrichtung ursprünglich mit anderen gleichartigen theilte und über jene anderen allmählich die Oberhand gewann. Nur so ist die allmähliche Ausbildung einer Schale verständlich , und dadurch wird zu- gleich die mehrtheilige Schalenbildung der Placophoren mit der einheit- lichen der Conchiferen verknüpft. § 258. Die erste Anlage der Schale erfolgt am aboralen Pole des embryo- nalen Körpers, an einer durch eine Wucherung des Ectoderms ausgezeich- neten Stelle. In einer hier entstehenden drüsenähnlichen Einstülpung (Fig. 1 74. s) wird eine zähe Substanz abgeschieden, welche unter allmäh- licher Ausgleichung der Einstülpung an die Oberfläche gelangt und im Contact mit dem Wasser erhärtet [s'). Mit dem Verschwin- den der Einsenkung besteht deren Rand als wulstige Erhebung fort und bildet die An- läse des Mantels , der also mit der Bildunc der Schale im engsten Connex steht. Diese, in grösseren Abtheilungen der Conchiferen nachgewiesene Einrichtung deutet auf das Gemeinsame dieserGruppe. liefert aber auch den Schlüssel zum Verständniss sehr difle- renter Schalen bildungen. Mit dem ange- führten Verschwinden der Invagination wird die Schale zu einer äusseren . wo- bei der Mantelrand entweder unter ihr bleibt, oder sie mehr oder minder überlagert. Der letztere Fall verknüpft mit den äusseren Schalen- bildungen die inneren, welche dann entstehen, wenn die Einstülpung nicht verschwindet, sondern in der ansebahnten Richtum» weiler sich ausbildet. Im Innern dieses Organs wird dann die Schale von der Wan- dung her abgeschieden, und empfängt wie die äussere für die einzelnen grösseren und kleineren Abtheilungen viele Eigenthümlichkeiten. Fig. 174. Embryo eines Hete- ropoden im Durchschnittsbilde, o Mund. rVelum. g Darmhöhle, p Fuss. s Schalenanlage. [(Nach H. Fol.) Schalenbildungen. 351 Im einfachsten Falle bietet die Schale nur gleichartig geschichtete Lamellen dar, bei manchen im niedersten Zustande von Porencanälen durchbrochen. Der einfache Zustand complicirt sich durch Hinzutritt von Schichten schräg oder senkrecht gerichteter Prismen. Das Flächenwachsthum der Schale geht am freien Rande vor sich und erfolgt hier durch schichtenweise Ablagerungen von Seite des Mantels, die sich auf der Oberfläche als concentrische Ringe zu erkennen geben. Die Verdickung der Schale wird an ihrer ganzen Innenfläche von der Aussenfläche des Mantels besorgt. Durch diesen verschiedenen Modus der Rildung entstehen verschiedene Struclurverhältnisse der fertigen Schale, deren innerer Theil bei Vielen aus zahlreichen, über einander liegendeu und gefalteten Schichten besteht, aus denen der Perlmutter- glanz sich ableitet. Auf die Perlmutterschichte folgt die äussere compli- cirter zusammengesetzte, die ihre Entstehung dem Mantelrande verdankt. Auf Rechnung des letzteren kommt auch der hornartige Ueberzug (Peri- oslracum), den viele Schalen besitzen. Die Schale der Lamellibranchiaten entfaltet sich mit dem Mantel nach beiden Seiten des Körpers , empfängt aber in der Medianlinie keine Ver- kalkung, so dass zwei, median durch den.unverkalkten Theil der Schale, continuirlich verbundene Schalenklappen entstehen. Wo diese Klappen aneinandergrenzen , entsteht das »Schloss«; die beide Schalen hier verbindende, unverkalkte, chitiuartige Substanz bildet das Schlossband. Die Schichten des Schlossbandes gehen in jene der Schalen über, und beide Klappen erscheinen nur als Theile eines einheitlich angelegten, und auch später noch einheitlichen Gebildes, das den Schalen der übrigen Mollusken homolog ist. In der Nähe des Schlossbandes gelagerte, wechsel- seitig in einander greifende Vorsprungsbildungen (Schlosszähne) der Schalenklappen dienen zum festeren Schlüsse der Schale. Die Gasteropoden- Gehäuse sind von den Schalen der Lamelli- branchiaten vor Allem durch die continuirliche Verkalkung der Schalen- anlage verschieden. Das Gehäuse tritt nicht selten als inneres auf. Dieses Verhalten bieten die meist mit rudimentärer Schale ver- sehenen Tectibranchiaten und ein Theil der Pulmonaten. Bei diesen; iHeli- tt V einen) wird das Gehäuse sehr frühzeitig zum äusseren, während es bei Anderen rudimentär im Mantel liegen bleibt (Limacinen) zuweilen nur auf einige Kalkconcremente beschränkt. Die einzelnen Stadien der Rückbildung des Gehäuses sind auch in anderen Abtheilungen vertreten, so z. B. bei den Heteropoden, wo von einem den ganzen Körper bergenden Gehäuse bei Atlanta, durch die rudimentäre Schale von Carinaria eine Vermitlelung zu dem Mangel der- selben bei den Pterotracheen gegeben wird. Bei diesen ist aber während des Larvenzustandes ein vergängliches Gehäuse vorhanden, welches, wie bei den später gleichfalls schalenlosen Opisthobranchiaten , den ganzen Larvenkörper aufnimmt. Durch seine Verbreitung erscheint es als ein 352 II. 7. Mollusken. den Gastropoden gemeinsames Erbthei], dessen sich einzelne Abtheilungen sehr frühzeitig entäussern. Die; thecosomen Pteropoden schliessen sich bezüglich der Gehäuse- bildung an die Gastropoden an. Nicht immer wird das ganze Gehäuse vom Thiere eingenommen. Bei manchen Gastropoden zieht sich das Thier mit fortschreitendem Wachsthum aus dem Ende des Gehäuses zurück und schliesst dieses sich mit einer Schalenschichte ab. Aehnliches zeigen auch einzelne Ptero- poden (Chreseis), und darin kann der Anfang einer Erscheinung erkannt werden, die bei den Cephalopoden eine hohe Stufe erreicht. Die Schalensubstanz, Absonderungsproduct des Mantels, bietet zahl- reiche Verschiedenheiten dar, von weichen, bis zu festen, soliden Bildun- gen, als welche die Gehäuse der meisten Prosobranchiaten erscheinen. Erstere Schalenformen bestehen nur aus organischer Substanz. Durch Imprägnation mit Kalksalzen werden sie fester, von hornartiger Beschaffen- heit, und beim Vorwiegen der anorganischen Substanzen gehen derbe Schalensebilde hervor. Der einfache Zustand der napfförmigen, embryonalen Schale bleibt bei einigen bestehen und wird durch gleichmässiges Wachsthum in bald mehr, bald minder flache oder konische Formen übergeführt (z. B. Pa- tella) ; bei der Mehrzahl dagegen entsteht durch ungleichseitiges Aus- wachsen eine Spiralform, die selbst wieder zahllosen Modifikationen unter- worfen ist. Da die embryonalen Gehäuse auch bei den später derselben Entbehrenden, zur Bergung des ganzen Körpers dienen , so wird hierin die Grundform zu suchen sein, von der die übrigen Schalenformen sich abzweigten. Nach der einen Seite gehen also daraus weiter entwickelte Gehäuse hervor, sowie andererseits die rudimentären Schalenformen sich hierzu als Rückbildungen verhalten. jov § 259. Die Schalenbildungen der Cephalopoden lassen gleichfalls ihre ein- facheren Formen nicht als Anfänge derEntwickelung, sondern als rudimen- täre Bildungen erkennen, die von den complicirteren und vollständigeren abzuleiten sind, wie denn auch die geologische Beihenfolge eine allmäh- liche Bückbildung der Schale erkennen lässt. Sowohl hinsichtlich der Texturverhältnisse als auch in den Beziehungen zum Körper, d. i. zu dem als »Mantel« erscheinenden Abschnitt des dorsalen Intesumentes ereeben sich Wiederholungen der bereits angeführten Einrichtungen. Wir treffen entweder gerade gestreckte diese nur untergegangenen Familien ange- hörig i, oder gewundene Gehäuse, die vom Mantel gebildet, das Thier bald vollständig umhüllen , bald in rudimentärem Zustande im Innern des Mantels verborgen sind und dann unter Aufgeben ihrer Bedeutung als Gehäuse nur noch als innere Stützoreane erscheinen. Schalenbildungen. 353 Die vollkommener ausgebildeten Gehäuse der Cephalopoden, wie sie uns bei den fossilen Ammoniten, Orthoceratiten, und gegenwärtig durch Nautilus repräsentirt entgegentreten , zeigen einen von jenem der Gastro- poden- und Pteropodengehäuse etwas verschiedenen Bau. Sie sind in einzelne hinter einander gelegene Kam mern getheilt, von denen nur die vorderste vom Thiere bewohnt wird , obgleich auch die hinteren durch eine röhrenförmige, die Scheidewände durchsetzende Verlängerung (Sipho) des Thieres mit letzterem in inniger Verbindung stehen. Das Thier (vergl. Fig. 175) bewohnt also nur die letztgebildete, jüngste Kammer. Die ein- Fig. 175. Nautilus mit dem Mediandurchsehnitt der Schale, i Trichter, t Tentakel, v Kopflappen. o Ange. b Dorsaler Mantellappen. II Verbindungsstelle des Mantels mit der Schale, s Ein Stückchen der Schale, welches mit dem rechten Mantelmuskel im Zusammenhang gabliehen ist. a Mantel s Sipho. s' Siphocanal der Schale. (Nach Owen.) zelnen Kammern entsprechen ebenso vielen Wachsthumsstufen des Thie- res, welches mit jedem neugebildeten Abschnitt der Schale vorrückt und durch Bildung einer Scheidewand eine neue Kammer entstehen lässt. Das bei Gastropoden und Pteropoden nur angedeutete und vereinzelt vor- kommende Verhalten ist hier zu typischer Ausbildung gelangt. So ver- halten sich die geraden Gehäuse der fossilen Orthoceratiten , die in einer Ebene spiralig gewundenen der Ammoniten und jene der Nautiliden. Bei den letzteren (Fig. 175) schlägt sich ein Mantellappen [b] von der Bückseite des Thieres über einen Theil der Schale hinweg und scheint zur Ver- dickung derselben beizutragen. Fast ganz in den Mantel eingeschlossen Gegenhaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 23 354 II. 7- Mollusken. treffen wir das, ähnlieh wie bei Nautilus construirte. in seinen Windun- gen jedoch nicht zusammenschliessende Gehäuse von Spirula und den lTebergang von den vollständig nur vom Mantel umhüllten Schalen zu jenen, die im Mantel verborgen sind, bilden die Gehäuse der fossilen Be- lemniten. Dieser Vermillelung wegen sind die Reste dieser wahrschein- lich zum grossen Theile inneren Schalenformationen von grosser morpho- logischer Wichtigkeit. Die Kammerbildung ist hier auf einen kleinen kegelförmigen Theil , den sogenannten Phragmoconus, beschränkt. Die einzelnen , wie horizontale Kegelschnitte über einander geschichteten Kammern , welche Abtheilungen des Phragmoconus bilden , waren auch hier durch einen Sipho untereinander in Verbindung gesetzt. Der ganze Phragmoconus wird von Verdickungsschichten umhüllt, die sich jedoch nicht gleichmässig über ihn ausdehnen, sondern hinter seiner Spitze einen mächtigen, soliden Fortsalz (Rostrum] darstellen. Der nach vorne Über die Basis des Phragmoconus sich hinaus erstreckende lamellenartig aus- gebreitete Abschnitt der Verdickungsschichten wird als »Hornblatt« be- zeichnet. Der Phragmoconus ist das Homologon der gekammerten Schalen der anderen Cephalopoden , während die von ihm ausgehende Lamelle, das sogenannte Hornblatt, wie eine Verlängerung der vordersten Kammer- wand sich darstellt und das massive, von der ganzen Schale zumeist am vollständigsten erhaltene Rostruin von einfachen, von dem umgeschlagenen Mantel gebildeten Verdickungsschichten abzuleiten ist. Eine völlig im Mantel verborgene, nicht selten mit einer hinteren Spitze hervorragende und dadurch schon an die Schalenbildung der Be- lemniten erinnernde flache Schale stellt das als »Os Sepiae« bekannte Ge- bilde der Sepiden vor. Es besteht aus mehrfachen an organischer Suit- stanz reichen Schichten, welche durch Schichten von Kalkeinlaserunsen von einander getrennt sind und erscheint somit aus übereinander gela- gerten Blättern zusammengesetzt. Die äusserste, der sogenannten Bücken- oberfläche des Thieres zuc;ewandte Lamelle ist von besonderer Festigkeit, sie zieht sich direct in die hintere Spitze aus und bildet die Grundlage für die blättrigen Ablagerungen, die sich auf der Innenfläche der schwach gewölbten Schale oft bis zu beträchtlichem Durchmesser erheben. Diese Schalen lassen sich unmittelbar von jenen der Belemniten ableiten , be- sonders wenn man jene Sepienschalen, die wie S. Orbigniana in eine starke, freie Spitze auslaufen, in Betracht zieht. Die solide Spitze ent- spricht dem Rostrum der Belemniten, während die Alveolarhöhle der letzteren, sowie das vom Bücken derselben ausgehende Hornblatt dem ganzen übrigen Theil der Sepienschale homolog ist. Die in der Alveole der Belemniten die Kammern des Phragmoconus darstellenden Scheide- wände sind in der Sepienschale durch die flach öder (loch kaum concav angesetzten Lamellen repräsentirt. Anstalt getrennt von einander Kam- mern zu bilden, folgen die Schichten unmittelbar auf einander. So isl die complicirte Schale der Belemniten durch Reduction auf eine der Sepienschale entsprechende niedere Stufe verfolgbar. Noch mehr redu- Kiemen. 355 cirt ist die Schale der Loliginen, welche nur durch ein langgestrecktes, biegsames, im Rückentheile des Mantels verborgenes Hornblatt Calanius) dargestellt wird. Seiner Mitte entlang verläuft ein nach aussen vorsprin- gender Kiel. Dieses Schalenrudiment entspricht dem äusseren, gewölbten und an organischer Substanz reicheren Theile einer Sepienschale und ist damit auch dem Hornblatle eines Belemnitengehäuses homolog. — End- lich findet man in der Gattung Oclopus, deren Mantel im Nacken nicht mehr vom Kopfe abgesetzt ist, ein Paar dünne, dem Rückeninlegumente eingelagerte Plättchen als die letzten Ausläufer einer vom Mantel aus- gehenden Schalenbildung , welche sich jener bei Gastropoden beschriebe- nen somit vollständig parallel verhält. Da auch bei Cephalopoden die erste Genese der Schale von einer Einsenkung des Mantels ausgeht (Sepia), werden innere und äussere Schalen enge verknüpft, und zugleich der Zusammenhang beider mit dem Verhalten bei anderen Mollusken auf- gedeckt. Als etwas von all' diesen durch eine streng durchgeführte Vergleichung erfassbaren Gehäusen Verschiedenes ist die Schale von Argonauta anzu- sehen, die nicht vom Mantel, sondern von einem lamellös verbreiterten Armpaare secernirt wird. Bei den Gastropoden erscheint eine besondere Einrichtung in der Bildung des sogenannten »Deckels«, welcher auf der Rückenfläche des Fussendes vieler Prosobranchiaten auftritt, dem ins Ge- häuse zurückgezogenen Thiere zum Verschlusse dienend. Hier erhebt sich die Frage, ob dieses Gebilde nicht gleichfalls von einer Platte der Placo- phoren ableitbar sei. Kiemen. § 260. Dem Aufenthalt der Mollusken im Wasser entspricht die Art der bei ihnen verbreiteten Athmungsorgane. der Kiemen, die sämmtlich Diffe- renzirungen des Integumentes sind, und demgemäss ursprüng- lich eine oberflächliche Lagerung besitzen, wenn sie auch durch Duplica- turen anderer- Hautregionen (Mantel) überdeckt, und so in besonderer Höhlung — der Kiemen höhle — geborgen sind. Die an das Integument geknüpfte Function der Athmung scheint nicht immer an homologen Regionen sich zu localisiren , so dass keineswegs alle als Kiemen erscheinende Organe morphologisch übereinstimmen. Im Allgemeinen sind die Kiemen der Mollusken seitlich am Körper befind- liche Fortsätze, die im wenigst veränderten Zustand zwischen Mantel und Fuss entspringen. (Vergl. Fig. 170. A. B.br.) Sie bieten sowohl bezüglich ihrer Ausdehnung über den Körper als auch in Bezug auf Zusammen- setzung aus einzelnen Theilen eine lange Beihe vielartiger Modificationen. Bei den Placophoren bilden sie nur eine Beihe von Faltungen oder La- mellen, welche zwischen Mantel und Fuss sich rings um den Körper 23* 356 II. 7. Mollusken. erstreckt, und als eine vom Epipodium ausgegangene Bildung angesehen werden kann (Epipodialkieme). Unter den Lamellibranchiaten stellen sie blattartige Gebilde dar, die zwischen Mantel und dem mit dem Fuss endigenden Eingeweidesack ent- springend , in die vom Mantel beider- seits umschlossene Höhle einragen Tis. 176. br. br'\. Ihr freier Rand ist \ TD J gegen die Ventralfläche gerichtet. Fast alle Muschelthiere besitzen jederseits zwei Paare solcher Kiemen, ein inneres, mediales und ein äusse- res, lateral gelagertes Paar. Das erslere ist häufig das grössere. Mit Ausnahme von Anomia, bei der durch Anpassung auch zahlreiche andere Modifikationen der Organisation entstanden sind, ist die Anordnung der Kiemen svmme- trisch. Jedes Kiemenblatt entwickelt sich aus einer Reihe neben einander hervorsprossender Fortsätze , die bei Vielen auch ferner isolirt bleiben, und einzelne parallel neben einander gela- gerte Kiemenfäden vorstellen (Mytilus, Avicula, Area, Pectunculus, Pecten, Spondylus). Bei der Mehrzahl dagegen geht die Kieme aus jenem embryo- nalen Zustande in einen andern über, indem die Kiemenfäden sich unter einander verbinden. Die Vereinigung der abgeplatteten, mit der Fläche gegen einander gerichteten Fäden oder Blättchen bildet ein Kiemenblatt, und geschieht bald durch Verkleben der Fäden, bald durch Verwachsung, indem von jedem Kiemenfaden wulstartige Vorsprünge in regelmässigen Abständen gegen einander treten und verschmelzen. Da zwischen diesen Verbindungen feine, das Wasser durchlassende Spalten übrig bleiben, erhält jedes Kiemenblatt eine gitterförmige Beschaffenheit. Jeder Kiemen- faden bildet gleich von seinem ersten Auftreten an keine solide Verlange- O tD rung, sondern vielmehr eine Schleife, und umschliesst damit einen Raum (Intrabranchialraum), der mit dem Verwachsen der Kiemenfäden das ganze Kiemenblatt durchzieht und durch die zwischen den Fäden blei- benden Spalten nach aussen communicirt. Das durch letztere eintretende Wasser sammelt sich in einem an der Befestigungsstelle des Kiemenblattes befindlichen Canal , durch den es am hinteren Körperende wieder aus- geleitet wird. Chitinstäbchen bilden für die einzelnen Kiemenfäden einen beson- deren Stützapparat. Die Oberfläche sämmtlicher Kiemen überkleidet ein Wimperepithel. Reihen grosser Cilien ziehen sich der Länge nach an den leistenartigen Fig. 178. Senkrechter Querschnitt durch eine Anodonta. m Mantel, br äusseres, br' in- neres Kiemenblatt. / Fuss. v Herzkammer. a Vorhof. pp' Pericardialhöhle. i Darmcanal. Kiemen. 357 Vorsprüngen der Kiemen herab, und dicht stehende feinere Cilien ordnen sich dazwischen und unterhalten eine beständige Wasserströmung. Am freien Rande jedes Kiemenblattes besteht eine durch Einbuchtungen jedes einzelnen Kiemenblättchens gebildete, mit längeren Cilien ausgekleidete Rinne , in der eine zum Munde führende und damit auf die Nahrungs- zufuhr gerichtete Wasserströmung erzeugt wird. Redeutende Modificalionen entstehen durch Verwachsung der bei- derseitigen Kiemen hinter dem Fusse, entweder durch unmittelbare Ver- einigung der freien Ränder, oder durch eine besondere die beiderseitigen Kiemen verbindende Membran. Am meisten ist diese Verwachsung bei den sichelförmig gekrümmten Kiemenblättern von Anomia ausgeprägt, wo •der ganze Kiemenapparat von dem sehr reducirten Eingeweidesacke sich entfernt hat, und nicht mehr auf die Seiten vertheilt erscheint. Bonnet, R. , Der Bau u. die Circulationsverhältnisse der Acephalenkieme. Morphol. Jahrb. III. § 261. Der Kiemenapparat der Gastropoden bietet bei noch grösserer Man- nichfaltigkeit der einzelnen Vorrichtungen im Allgemeinen dieselben Ver- hältnisse wie bei den Muschelthieren dar, indem er in seiner typischen Form aus parallel aneinander gereihten Rlättchen oder auch mehr cylindri- schen Fortsätzen besieht, die von der Oberfläche des Körpers vorragen, und damit vom umgebenden Medium, dem Wasser, umspült sind, wäh- rend ein Rlutslrom ihr Inneres durchzieht. Noch mehr wird diese Ueber- einstimmung durch die Lagebeziehungen zum Mantel ausgedrückt, zu welchem sie in denselben Verhältnissen wrie bei den Lamellibranchiaten getroffen werden. Sowohl in der Zahl als in der Ausdehnung ergeben sich gegen die Muschelthiere bedeutende Reschränkungen und dasselbe gilt auch vom Raue, der gegen jene bedeutend einfacher ist. Die kreis- förmig angeordnete Epipodialkieme der Placophoren tritt noch bei Patella auf, indess andere Patelliden (Lottia) noch zwei mehr dorsal gelagerte gefiederte Kiemen besitzen, und die letzteren damit als von der Epipodial- kieme verschieden erscheinen lassen. Diese beiden vorne unter dem Mantel gelagerten Kiemen besitzen ferner Fissurella und Emarginula. Auch bei Haliotis lassen sie eine paarige Anordnung wahrnehmen, sind aber mehr nach links gelagert. Sie zeichnen die Zeugobranchien aus. Daran knüpft sich bei den Anisobranchien in Anpassung an die von der Schale abhängige Asymmetrie der Kiemenhöhle eine Verkümmerung der linken Kieme und eine grössere Ausbildung der rechten. Die verküm- merte Kieme rückt meist nahe an die andere heran , und tritt in asym- metrische Laseruns, oder schwindet bei anderen Prosobranchiaten sänz- lieh (Janthina, Neritaceen, Heteropoden) . Die Ausbildung der rechten Kieme ist meist einseitig, so dass sie nur 'Ö haibgefiedert erscheint, indem die zweite Rlättchenreihe verschwindet. 353 II. 7. Mollusken. Während ganz allgemein die Blättchenstructur vorwaltet, sind bei we- nigen Calyptraea, Crepidula) fadenförmige Kiemen vorhanden, welche an die primitive Kiemenform der Lamellihranehiaten erinnern. Mit der Rückbildung des Mantels und der Kiemenhöhle tritt auch für die Kiemen eine Modifikation ein, die zum gänzlichen Schwinden der Kiemen hinleitet. Diese Erscheinung zeigt sich innerhalb verschiedener Abtheilungen. So unter den Prosobranchiaten bei den Heteropoden , v o bei Carinaria die Kieme nicht mehr vom Mantel überdeckt wird, bei Ple- rotrachea, welcher der Mantel ganz fehlt, und die Kieme völlig frei liegt. indess Firoloi'des mit dem Mantel auch die Kieme verlor. Unter den Üpisthobranchiaten sind die Verhältnisse der Kiemen nicht minder an den Zustand des Mantels geknüpft. Jederseits liegt zwischen Mantel und Fuss eine Kieme ;Pleurophyllidia), oder es ist nur eine einzige Kieme in einer Kiemenhöhle geborgen oder wird sogar nur theil- weise vom Mantel bedeckt (Teclibranchiata). Mit dem Verluste von Schale und Mantel treten kiemenartige Gebilde bei einem Theile der Nudibran- chiaten an der Rückenfläche des Körpers auf. Blattförmige oder büschelartige, ramificirle Anhangsgebilde sind bald in der Nähe des Afters (Doris), bald reihenweis über den Körper vertheilt Trilonia, Scyllaea). Wenn man in richtiger Wür- digung der Thalsache, dass die Beschalung der Larven aller Opisthobranchiaten die Ableitung die- ser Gastropoden von schalentragenden Formen nothwendig macht, auch für die Kiemen eine ur- sprüngliche Lagerung in einer Mantelhöhle anneh- men muss, so wird man in Berücksichtisuns; der gleichfalls in der Mantelhöhle befindlichen After- öffnung die Anordnung der Kiemen bei den Dori- den als eine im Wesentlichen von jenem Zustand her erworbene betrachten dürfen. Von da an ergeben sich mannichfache Cebergangsformen zu einer grösseren Vertheilung der Kiemen über den Rücken des Körpers, zugleich Modificationen der Kiemen selbst, die, wie auch ihre specielle Gestalt sein mag, immer mehr blossen Hautforlsätzen ähn- lich erscheinen. Diese Verschiedenheit in der äusseren Erscheinung der Kiemen leitet sich von ihrer oberflächlichen, der Umschliessung des Man- tels entbehrenden Lage ab. Dadurch löst sich ihre anscheinend specifische Structur auf, und ihr Aus- sehen gewinnt immer mehr eineUebereinstimmung mit dem benachbarten Integument, von dem sie mannichfaltig geformte Fortsalzgebilde vorstellen. Für diese Auffassung sind die Beziehungen jener Organe zum circulatorischeu Apparate belangreich, indem daraus für sie die völlige Uebereinstimmune mit Kiemen hervorgeht. In ihren weitest fig. 177. Auen ! a (Poly- ceraj cristata von der Rückenfläche, a Afteröffnung. br Kiemen. /Tentakel. (Nach Alder und Hancock.) Kiemen. 359 differenzirten Formen erscheinen die Kiemen dann über den ganzen Rückentheil des Körpers verbreitet , jederseits in einfachen oder mehr- fachen Reihen von Papillen oder zottenartigen Fortsätzen, die sogar wieder Verästelungen darbieten können (Aeolidier) . Der Verlust des Ge- häuses gestattet also eine grössere Ausbreitung der Kiemen , sowie die Entstehung und Ausbildung jenes Schutzorganes auf eine Beschränkung der Laye der Kiemen uewirkt hat. Bei manchen Opisthobranchiaten kommt es zu einer Rückbildung dieser Kiemen, wo dann wieder das gesammte Integument die respirato- rische Function übernimmt Phyllirhoe, Elysia, Pontolimax . § 262. Eine andere, aus der zuerst vorgeführten Einrichtung des Athmun^s- apparales hervorgehende Modification gründet sich auf die Entwicklung des respiratorischen Canalsystems in der Wandung der Mantelhöhle. Bei manchen Kiemenschuecken verbreitet sich jenes Netzwerk von Canälen über die Kiemen hinaus in benachbarte Theile der Kiemenhöhle, die in Folge dessen an der Athmungsfunction sich betheiligen kann. Dadurch wird die Mantelhöhle zur Aufnahme von Luft geeignet, und gestaltet sich zu einer Lunge. Ein solches den für das Leben im Wasser organisirten Mollusken fremdes Organ ist in einzelnen, sehr verschiedenen Abtheilun- gen angehörigen Formen von einer Aenderung der Lebensweise ableitbar. Zugleich mit einer Kieme findet sich eine Lunge bei Ampullaria , wo sie einen parallel mit der Kieme gelagerten , mit contractiler Mündung ver- sehenen Sack vorstellt. Ganz verloren gegangen ist die Kieme bei der landbewohnenden Gattung Cyclostoma. Bei Onchidium ist eine Lunge vorhanden , die aber zugleich die Niere repräsentirt. Ein solcher der Niere benachbarter und noch ihre Mündung aufnehmender Raum dient als Lunge bei Helicinen und Lima- cinen, indess bei den Lymnäen und Planorben die Mantelhöhle selbst zur Aufnahme von Luft verwendet wird. Aber bei diesen dient die kie- menlose Mantelhöhle auch zum Athmen im Wasser, da bei manchen Lym- näen ein dauernder Aufenthalt in der Tiefe nachgewiesen ist. § 203. Bei den Pteropoden scheint unter den Gymnosomen das Integument entweder gleichmässig der Athmung zu dienen vClio) oder es sind ober- flächenvergrössernde Fortsatzbildungen als Kiemen in Function (Tneu- mödermon) . Aber erst bei den Thecosomen sind in der Mantelhöhle (Fig. \1/ A br) gelagerte, und damit auf die Einrichtungen der übrigen Mollus- ken beziehbare Kiemen als gekräuselte Falten Hyalea) vorhanden . die in ihrer Lage jenen der Cephalopoden ähnlich sind. Die Kiemen der letzteren nehmen ihre Entstehung zwischen Mantel und Fuss (Fig. \1J( B br) in ganz ähnlicher Weise, wie sie bei manchen Gasteropoden dauernd 360 II. 7. Mollusken. erscheinen. Erst mit der Entwicklung des Mantels rücken sie in die Tiefe, und lagern dann in einer Mantelhöhle, die an der, bei Vergleichung des Thieres mit den Gastropoden, der Hinterseite gleich zu setzenden Flache sich öffnet. Bei allen sind die Kiemen symmetrisch angeordnet, vier sind bei Nautilus, bei allen übrigen lebenden Cephalopoden nur zwei vorhanden. Jede Kieme bietet meist eine pyramidale Gestalt dar, mit der Spitze hiteralwärts gerichtet, mit der Basis Cmedian 'Fig. 178 Br). Sie besteht . *x. : ..,..*> .-,.;.-i1;,r.- Fig. 17S. Mantelhöhle und Trichter von Sepia officinalis. Die Mantelhöhlte ist durch einen Medianschnitt geöffnet. Man sieht darin den Eingeweidesack vorragen, hinter dem zwei Muskelpfeiler m zu Trichter und Kopf emporsteigen. Br Kieme. »6»- Kiemenvene, t br' Bulbusartige Erweiterung derselben, t Tintenbeutel, r Mündung des Excretionsorganes , rechterseits geöffnet und in R die Venenanhänge erblicken lassend, y Genitalpapille, a After. ./Trichter, durch einen medianen Längs- schnitt geöffnet. * Zungenfiirmiges Organ, c Vertiefung zur Aufnahme des am Mantelrande liegenden Vorsprunges (Mantelschloss) c'. C Kopf. P Flossen. entweder aus dicht aneinander liegenden, sich allmählich gegen die Spitze hin verjüngenden Blättchen (Nautilus und die meisten Loliginen). oder aus vielfach gewundenen Hautfaltengruppen, welche zwischen den beiden am Kiemenrande sich hinziehenden Kiemengefässstämmeu ihren Ursprung nehmen (Octopoden) . Inneres Skelet. 361 Der Athmungsmechanismus combinirt sich auch hier mit der Orts- bewegung der Thiere. Bei jedesmaliger Erschlaffung der Muskulatur des Mantelrandes strömt Wasser in die Kiemenhöhle durch deren Spalte, namentlich zu beiden Seiten des Trichters, ein, und wird nach Bespülung der Kieme durch die Gontraclionen des Mantels wieder ausgetrieben. Dabei schliesst sich die Spalte der Athemhöhle , so dass nur noch der Trichter als Ausweg besteht , der nicht blos dem Wasser zum Durchtritte dient, sondern sich beim Ausstossen desselben auch activ betheiligt. Inneres Skelet. § 264. Bei der Mehrzahl der Weichthiere wird der Mangel eines inneren Skelets aufgewogen durch die in § 258 beurtheilten Schalen und Gehäuse, die auch als Stützen innerer Theile dienen. Daseaen treten selb- ständige innere Stütz- organe bei den Gastro- poden auf. Im Kopfe dieser Thiere liegen, von der Muskulatur des Pha- rynx umschlossen, zwei, zuweilen auch vier, mehr oder minder innig mit einander verbun- dene Knorpelstückchen, die für die Reibplatte und ihre Adnexa einen Stützapparat bilden und für einen Theil der PharynxmuskulaLur, besonders für die Mus- keln der Reibplatte, lnsertionsstellen dar- bieten. Reichlicher ent- wickelt treffen wir knor- pelige Stützorgane bei den Cephalopoden. Das bedeutendste derselben liegt im Kopfe und dient als Hülle der Nerven- centren . als Stütze der Seh- und Hörorgane , sowie als Ursprungsstelle einer reichen Muskulatur. Bei Nautilus wird dieser Kopfknorpel durch zwei median verschmolzene, vorne wie hinten in Fortsätze ausgezogene * />, JS/, $iq. J97G,K. Fig. 179. Durchschnitt durch den Kopf von Sepia officiualis. A" A'' Kopfknorpel. G Gehirn, go Ganglion des Sehnerven, w weisser Körper. / Linse, ci Ciliarkörper. n Cornea, p Augenlid. P Buccalmasse. m äussere, n innere Lippenhant. ( f Kiefer. r Radula. o( Oesophagus. / Arme. 302 II. 7. Mollusken. Stücke dargestellt, welche den Anfangstheil der Speiseröhre umfassen. Um vieles mehr entwickelt ist der Kopfknorpel der Dibranchiaten. Er besteht aus einem mittleren, vom Oesophagus durchbohrten Theile (Fig. 179. Ä") und zwei Seitenflügeln, welche bald nur als flache Ausbreitungen erscheinen und dann zur Bildung von Orbiten mit accessorischen Knorpel- plältchen versehen sind , bald in höherer Ausbildung auch nach oben in Fortsätze übergehen [K') und die Orbita vollständiger umschliessen. In dem vom Oesophagus durchsetzten Theile des Kopfknorpels lagert das centrale Nervensystem (Cr) . Ausser dem Kopfknorpel besitzen die Dibranchiaten noch andere knorpelige Skeletstücke. Ein Rückenknorpel ist das verbreiletste. Der- selbe liegt bei den Sepien als ein halbmondförmiges Stück im vordem Dorsaltheile des Mantels, und setzt sich in zwei schmale laterale Hörner fort, die bei Octopus, wo das Mittelslück geschwunden, selbständig fort- bestehen. Dazu kommt noch ein Knorpelstück im Nacken, sowie zwei Knorpel an der Trichterbasis : die Schlossknorpel. Sie sind weniger constant als die an der Basis der Flossen liegenden Knorpelstücke , die bei allen mit Flossen versehenen Dibranchiaten zur Befestigung der Flossenmuskulatur bestehen. Muskelsystem. § 265. Aus dem Vorkommen eines mit dem Integumente verbundenen Haut- muskelschlauches, sowie der im Ganzen, trotz der vielgestaltigen Modi- ficationen doch einförmigen Bildung äusserer Stützapparate, wird die ge- ringe Entfaltung gesonderter Muskelbildungen verständlich. Damit steht der Mangel innerer Stützorgane in den unteren Abtheilungen, oder deren relativ geringe Entwicklung in den höheren Gassen in Zusammenhang. Die Muskulatur besteht aus bandförmigen Fasern, an denen Andeutungen von Querstreifen nicht selten auf eine höhere Differenzirung hinweisen. Bei den Lamellibranchiaten sind vorzüglich Schliessmuskeln ent- wickelt , die quer oder schräg durch den Körper von einer Schalenklappe zur andern ziehen. Sie sind entweder auf zwei, weit von einander lie- gende Gruppen — eine vorne (Fig. 167 m a), die andere hinten [m j>) — vertheilt und bilden zwei getrennte Muskeln Unio, Anodonta), oder es besteht nur Ein Muskel, welcher dann dem hinteren der Dimyarier ent- spricht, und die Mitte der Schale einnimmt (Pecten, Ostrea). Zum Rück- ziehen des Fusses wirken gleichfalls besondere dein Integument verwebte Muskeln, die vom Rücken der Schale entspringen und zuweilen in meh- rere Paare gesondert sind. Diese Retractoren finden sieh wieder bei den gehäusetragenden Gasteropoden. Sie bilden hier meist einen einfachen, aber doch paarig angelegten, im Grunde des Gehäuses entspringenden Muskel, der, an Umfang zunehmend, sich zu den vorderen Körpertheilen Muskelsystem. Nervensystem. 363 begibt. Er versorgt ausser dem Fuss noch den Kopf mit dem Anfang des Darmrohrs (Schlundkopf), und gibt besondere Bündel an andere vor- streckbare Theile, so an die Tentakel und das Begattungsargan ab. Von der Spindel des Gehäuses entspringend und auch in seinem Verlaufe ihr anliegend, wird er als M. columellaris bezeichnet. Bei den Heteropoden hat er seine Endausbreitung im Kielfusse. Bei den Pleropoden strahlt er in die aus dem Fusse hervorgegangenen Flossen aus. Ausser diesen Mus- keln finden sich noch einzelne zu den Eingeweiden tretende Bündel. Mit dem Bestehen eines entwickelten inneren Skeletes wird die Mus- kulatur der Cephalopoden um vieles difierenzirter. An dem Kopfknorpel befestigen sich bei Nautilus zwei mächtige Betracloren , die seitlich in der Wohnkammer der Schale entspringen. Bei den mit innerer Schale ver- sehenen Decapoden nehmen dieselben Muskeln ihren Ursprung von der Wand des Schalenüberzuges und bei den Octopoden von einem dort lie- genden Knorpel. Von diesen beiden Muskeln zweigen sich zwei Züge für den Trichter ab. Ein anderes mächtigeres Muskelpaar entspringt im Nacken des Thieres und tritt breit zur Ventralfläche in den Trichter. Auch im Mantel ordnet sich die Muskulatur in gesonderte Logen , und die Flossenmuskeln zeigen ebenso deutlich getrennte Schichten. Endlich ist der sehr ausgebildeten Muskulatur der Arme zu gedenken, die zum Theil vom Kopfknorpel entspringt, und einen in der Armaxe verlaufenden Canal einschliesst. Nervensystem. Gen tra lorgan e und Körpernerven. § 266. Auch für dieses Organsyslem können wir bei den Würmern An- knüpfungen nachweisen. Der gesammte Centralapparat scheidet sich nämlich in eine obere dem Anfang des Darmrohrs aufliegende Ganglien- masse, die oberen Schlund- oder Cerebralganglien, und eine ventral ge- lagerte, durch Commissuren mit der ersteren verbundene Masse, die unteren oder Fussganglien. Beide sind paarig. Die erste Anlage der Cerebralganglien ist als eine Diflerenzirung des Ecloderms erwiesen, als ein Einwachsen seiner Formelemente, mit denen auch gleichzeitig die Anlage der Sehorgane erfolgt (Gasteropoden) . Durch die Beziehungen der Cerebralganglien zu den dem Kopfe zugetheilten höheren Sinnesorganen wird die Homologie dieser Ganglien mit den Cerebralganglien der Würmer (und Arthropoden) sicher gestellt. Aber auch die Pedalganglien sind von niederen Befunden ableitbar, denn wir finden sie noch bei manchen Mol- lusken durch eine Einrichtung vertreten, die dem Bauchstrange der Bingelwürmer entspricht. Von den Pedalganglien ausgehende, längs des Fusses sich vertheilende Längsstämme sind durch Querstränge verbunden und erscheinen damit in der Anordnung einer ventralen Nervenkette. 364 II. 7. Mollusken. Wenn in diesen Verhältnissen des Nervensystems somit nichts we- sentlich Neues erscheint, und selbst in dem Vorhandensein von nur zwei ventralen Ganglien (eben den Fussganglien) eine Concentrirung der auf niederer Stufe aufgelösten, eine Bauchganglienkette darstellenden Nerven- masse gesehen werden muss : so besteht doch eine bei Würmern nicht ausgeprägte Einrichtung in dem Vorkommen voluminös entfalteter Visceral- ganglien. Diese spielen hier nicht nur eine wichtige Rolle in der Zusam- mensetzung des gesammten Nervensystems, sondern treten auch durch allmähliche Verkürzung ihrer Commissuren mit den Cerebralganglien zu- sammen. Diesen Centralorganen kommen dadurch neue, ursprünglich peripherisch gelagerte Theile zu. Daher wird es zweckmässig, diese sonst dem Eingeweidenervensystem zugehörigen Ganglien schon hier in Betracht zu ziehen. Diese die Eingeweide (Herz, Kiemenapparat, Geschlechtsorgane versorgenden Theile des Nervensystems bewirken durch den Wechsel ihrer Zahl in den einzelnen Abtheilungen eine bedeutende Complication des gesammten Organsystems, und bieten der Vergleichung manche Schwierigkeiten, die andererseits auch durch die bedeutenden Modifika- tionen der Lagerung der primitiven Ganglien in Folge von Verkürzung oder Verlängerung der Commissuren entstehen. Einen der niedersten Befunde zeigt das Nervensystem der Placö- phoren. Ein aus zwei Strängen bestehendes Nervenband (Fig. 180 C) umzieht den Schlund, ohne jedoch obere Anschwellungen aufzuweisen, was aus dem Mangel von Augen und Tentakeln sich ver- stehen lässt. Der eine, innere Strang setzt sich getheilt unter den Schlund fort und seht theils in ein mildem anderseitiaien zu- sammenhängendes Subpharyngealganglion über, theils setzt er sich zu einem Fuss- ganglion (P) fort. Aus jedem dieser beider- seitigen Ganglien entspringt ein starker nach hinten verlaufender Nervenslamm. der, wie die Ganglien selbst, mit dem anderseitigen durch regelmässige Quer- anastomosen verbunden ist, und diesen Stellen entsprechend Nerven zumFusse ab- Fig. 180. Nervensystem von Chiton cinerea s. C Cerebralnervenstrang. r Pedalgaiiglien. pl Pallialnerven. p Fussnerven. B Buccalganglien. (Nach H. v. Jhering.) gibt. Der äussere, vom Schlünde herab- ziehende Strang verläuft längs der Seite des Körpers nach innen von den Kie- men, und bildet den Pallialnervenstamm [pl). Ausserdem findet sich noch eine Gruppe von vier kleinen Ganglien unter dem Schlünde (Sublingualganglien). Die beiden Stämme der Fussnerven sind stärker als die vom Nervenbande zu ihm tretenden Commissuren. Wir werden in ihnen also auch centrale Theile zu suchen haben. Sie erscheinen wie Längsstämme eines »Bauchmarkes«, welches ähnlich wie bei den Nervensystem. 365 Gephyreen seine Ganglienzellen nicht streng in einzelne Gruppen vertheill hat. Die Structur dieser Stränge bedarf jedoch noch der Untersuchung. In dem Hauptsächlichsten der Anordnung dieses Nervensystems sind die gleichen Verhältnisse wie bei den Solenogastres, speciell bei Chätoderma zu erkennen § 121). § 267. Die relativ geringe Entwickelutm der Cerebralaauclien ist bei den Lamellibranchiaten aus dem Mangel eines mit Sinnesorganen versehenen Kopfes abzuleiten. Diese Ganglien (Fig. 181 a) treten häufig so zur Seiler dass zwischen ihnen eine län- gere Commissur besteht (Lu- cina , Panopaea , Anodonta, Unio, Mytilus, Area, Cardium, Pholasu.a.). Ausser ansehn- lichen Yisceralcominissuren geben sie nur einige kleinere Zweige ab. An der Stelle der Pedalnervenstämme finden wir zwei Pedalganglien, deren Nerven ihren Verbreitungs- bezirk im ventralen Theile des Körpers , besonders im Fusse besitzen. Sie lagern an der Wurzel des Fusses, zu- weilen auch tiefer in ihn ein- gebettet. Je nach der Ent- wickelung des Fusses und seiner Entfernung vom vor- deren Theile des Körpers sind die Commissurslränge von verschiedener Länge. Bei we- nig ausgebildetem Fusse, oder wenn derselbe sehr weit nach vorne geruckt ist, können Cerebral- und Pedalganglien einander beträchtlich genähert sein (Solen, Mactra). Sogar eine Aneinanderlagerung findet statt, wie bei Pecten (Fig. 182 C), wo die durch eine weitgespannte Bogencommissur verbundenen Cerebralganglien a die kleineren Fusssianslien zwischen sich nehmen. Die voluminöse Ausbildung der Fussganglien hängt von der Entwickelung des Fusses ab. Sie sind in der Regel, ohne ihre Selbständigkeit aufzugeben, innig mit einander verbunden. Die peripherischen Nerven der Gehirnganglien haben ihre vorzügliche Verbreitung in den dem Munde zunächst gelege- nen Körperlheilen und senden auch Aeste zum Mantel. Bei einigen er- scheinen diese Mantelnerven (Fig. 18 1 /.') als zwei starke Stämme, die dann am Rande des Mantels mit anderen von den Visceralganglien kom- 0 Fig. 181. Nervensystem von Cytherea Chione. a Obere Schlund- (Gehirn-) Ganglien. 6 Fussganglien. c Eingeweideganglion. d Ganglien der Athemrühren (Siphonalganglien). ma Vorderer, mp hinterer Schliess- muskel der Schale, p Fuss. t Mantelrand, t' Mantel- randnerv, br Kieme, i Darmcanal. h Leber, r Enddarm. tr Athemsipho. ia Cloakensipho. (Nach Duvernot.) 366 II. 7. Mollusken. menden Aesten sich verbindend, entweder einen einfachen, stärkeren Randnerven, oder ein förmliches Nervengeflechte darstellen. Das Yisceral- aanßlion bildet häufig das grösste Ganglion des aiesammten Nervensystems. Es ist dem hinteren Schliessmuskel angelagert (Fig. 181 c, Fig. 182 c) und durch lange Commissuren mit den Gehirnganglien in Verbindung. Man vermas an diesem Ganslion zwei durch eine kurze Quercommissur verbundene Hälften zu erkennen, die sich verschie- den nahe rücken und zuletzt einen ein- fachen viereckigen Knoten vorstellen, je nachdem die beiderseitigen Kiemen dieser Thiere frei oder mit einander verwachsen sind. Schon aus diesem Umstände seht die Beziehung dieses Ganglions zu den Kiemen hervor ; noch deutlicher wird sie durch die starken, aus jenem hervortretenden und die Kiemen versorgenden Nervenstamme. Ausser Zweigen zu den benachbarten Parlieen des Manlels cibt es noch zwei starke Nerven ab. die bei vielen La- mellibranchiaten an den Mantelrand verlaufen und in die vorerwähnte Plexusbildung übersehen. Bei vorhandener Siphonenbildung treten von dem Yisceralganglion starke Nerven ab und verzweigen sich nicht nur auf der sanzen Länse der Athmungsröhren , sondern gehen auch noch eine besondere, an der Basis der Siphonen gelegene Ganglienbildung ein (Fig. -1 8 1 d . (Solen, Mactra, Mya, Lulraria, Cytherea u. a.) Bezüglich der vom Yisceralganglion zu den einzelnen Organen gehenden Nerven ist nur wenig bekannt. Solche Nerven sind beobachtet bei Pinna, Anomia, sowie bei Area und Solen. wo sie entweder vom Ganglion oder den Commissuren ausgehen. Wenn wir die zum Yisceralganglion tretenden Stränge (Cerebrovisceralcommis- sur) den Pallialnerven der Placophoren vergleichen , so werden wir we- sentlich in der Beziehung zu einem Ganglion ein Hinderniss erkennen, wogegen jedoch dieselben Nerven bei Chäloderma (§ 121) mit einem terminalen Ganglion verbunden sind. Mit dem Nervensystem der Lamellibranchiaten stimmt jenes der Scaphopoden fast völlig überein. Duvernoy, Sur le Systeme nerv, des Moll, acephales. Mein. Acad. des Sc. Paris. T. XXIII. Fig. 1S2. Nervensystem von Lamellibran- chiaten. A von Teredo, B von Ano- d o n t a , C von Pecten. a obere Sehlund- ganglien (Gehirnganglien). h Untere Schlundganglien (Fussganglien ). c Kie- men- oder Eingeweideganglien. Nervensystem. 367 § 268. Die Ausbildung eines Kopfes und die Entfaltung von mehrfachen, oft sehr hoch differenzirten Sinnesorganen in demselben, lässt das Nerven- vorigen Abtheilungen im der Gehirnsanslien ausse- durch eine Commissur mit System der Gasteropoden von jenem der Allgemeinen durch die grössere Ausbildung zeichnet erscheinen. Diese verbinden sich ventral gelagerten Theilen , und bieten bei den niederst stehenden Prosobranchiaten — den Zeugo- branchien — mancherlei Anschlüsse an die Verhältnisse des Nerven- systems der Placophoren. So ist bei Fissurella (Fig. 183) und Hali- otis ein Rudiment einer Bauch- ganglienkette erkennbar, indem die von Pedalganglien ausgehenden Ner- venstämme — Pedalnerven — quere Verbindungen aufweisen. Die Pal- lial nerven der Placophoren gehen zwar nicht mehr direct von den Cerebralganglien ab, sondern ver- laufen neben den Pedalnerven, mit denen sie aus einer gemeinsamen Nervenmasse zu entspringen schei- nen. Die Zweige der Pallialnerven {pl versorgen das Epipodium. Zu der Ganglienmasse , welche diese Ner- ven abgehen lässt, treten von den Cerebralganglien doppelte Commis- suren, davon die eine mit den Pedal- nervenstämmen . die andere mit den Pallialnerven, resp. mit den an gleicher Stelle ausgehenden Einge- weiderierven einen Zusammenhang bildet. Bei den übrigen Prosobranchiaten ist von der Andeutung einer Bauchganglienkette nichts mehr zu finden. Es bestehen Pedalganglien, in welche wohl die bei Haliotis und Fissurella längs der pedalen Nervenstämme zerstreuten Ganglienelemente concentrirt sind. Doch bedürfen diese Verhältnisse noch genauerer Untersuchung. Aus den secundären Pedalganglien scheint ein Ganglion lateral in die Commissuren einzutreten , welches dann sowohl mit Cerebral- wie mit secundären Pe- dalsanslien in Verbindung bleibt. Es entsendet die Pallialnerven : diese erfahren jedoch in dem Maasse Rückbildungen, als von denselben Com- missuralgangliea andere Nerven entspringen. Bei einem Theile der Prosobranchiaten sind einise solcher Nerven Fig. Is3. Nervensystem von Fissurella. C Ce- rebralganglien. es Commissur derselben, p Pedal- nerven, pl Pallialnerven. A Visceralganglion. Nach H. v. Jheking. 368 II. 7. Mollusken. schon durch ihren Verlauf Bemerkens werth. Bei llaliotis schon vorbanden gehen sie von der gemeinsamen Fussganglienmasse (denPalliopedalganglien) aus. Sonst entspringen sie aus den Commissuralganglien (Fig. 184 co). Vom rechten verläuft ein Nerv über die Einge- weidemasse zu einem die Körperwand versorgen- den Ganglion (Supraintestinalganglion) [sp] . Vom linken Gommissuralganglion tritt ein Nerv unter die Eingeweide zu einem Subintestinalganglion(s&), welches wie das erslere durch eine Commissur mit einem Abdominalganglion (A) zusammenhängt. Beide vom Commissuralganglion kommenden Nervenstränge kreuzen sich also, und bieten die bezüglich ihrer Genese noch der Aufklärung har- rende Eigenthümlichkeit, dass der rechte Nerv zur linken Seite , der linke zur rechten tritt. Wahrscheinlich liegen diesen Einrichtungen Lage- veränderungen zu Grunde, die nicht blos innere Theile betreffen, da die in jene Nerven eingelager- ten Ganglien zur Körperwand Zweige entsenden. Während ein grosser Theil der Prosobranchiaten durch jene Nervenkreuzung sich auszeichnet (Chiastoneura), ist diese bei einer andern Ab- theilung nicht vorhanden, und die zum Abdomi- nal- oder Eingeweideganglion verlaufende Com- missur nimmt einen geraden Weg nach hinten (Orthoneura), wenn das Ganglion nicht mit dem rechten Commissural- ganglion verschmolzen scheint (Nerita) . Die Commissuralganglien liegen meist getrennt von den Pedalganglien, bei den Heteropoden sogar in weiterer Entfernung (Carinaria), womit eine bedeutende Verlängerung der Commissuren verbunden ist. Eine solche ergibt sich auch für die cerebro-pedalen Verbindungen der Heteropoden. Bei den Tectibranchialen erscheint die Ausbildung einer Commissur zwischen den Pedalganglien, und damit eine mehr laterale Lagerung der letzteren. Auch die ursprünglichen Visceralganglien sind lateral gelagert, zwischen Pedal- und Cerebralganglien Umbrella, Gasteropteron) , oder es bestehen noch Commissuralganglien, ganz nach dem Typus der Proso- branchiaten, und entsenden Verbindungsstränge zu einem die Kiemen versorgenden Ganglion oder Ganglionpaare, welches dem oben erwähnten Abdominalganglion zu entsprechen scheint (Aplyisia, Acera). Das Auseinanderweichen der Pedalganglien erlangt bei den Nudi- branchiaten einen höheren Grad. Die Pedalganglien werden dadurch den cerebralen genähert (Fig. 181), mit denen auch durch Verkürzung und schliessliches Schwinden der betreffenden Commissur die Visceralganglien verbunden sind Aeolidia) Fig. 1S4. Nervensystem von Paludina vivipara. C Cerebral- P Pedal-, Co C'om- missurganglien. B Buccal- ganglien. A Abdominal- ganglion. sp Supra-, sb Sub- intestinalganglion. p Fuss- nerven. o Otocyste. (Nach H. v. Jheking ) Ganglien entsteht ein dorsal Durch engeren Zusammenschluss dieser vom Schlünde gelagerter Gangliencomplex, Nervensvslem. 369 der an jeder Hälfte die einzelnen Ganglien mehr oder minder deutlich erkennen lä'sst, und mit mehrfachen Commissuren den Schlund umfasst ^Doris, Tritonia). Wie die jeder Seite angehörigen Ganglien unter sich Verbindungen eingehen , so treffen wir endlich auch auf eine totale Verschmel- zung der beiderseitigen rGanglienmassen zu einer einzigen, und dem entsprechend auch die sonst mehrfachen Commissuren durch Eine vorgestellt (Tethvs). Damit wird ein anscheinend niederer Zustand erreicht, der aber nicht als Ausgangs- punkt, sondern als das Ende einer Reihe von Differenzirungen betrachtet wer- den muss, ähnlich wie solche Befunde auch bei den Arthropoden vorhanden sind. Wie die aus der einheitlichen Ner- venmasse hervortretenden Nerven die Abschnitte andeuten, aus denen die erstere sich zusammensetzte, so wird durch die den Schlund umfassenden Com- missuren ein Zeugniss dafür gegeben, dass ventrale Ganglien dorsalwärts ge- treten sind. Im Nervensysteme der Branchiopneusten ergeben sich Anschlüsse an jenes der Tectibranchiaten und auch bei den Nephropneusten sind solche Beziehungen erkennbar. Eine Ausbildung der Cerebralganglien in ein- zelne auch äusserlich erkennbare Abschnitte zeichnet beide Abthei- Fig. li>5. Centrales Nervensystem einer Aeolidi'e (Fiona atlantica). A Obere Schlundganglienmasse, aus den vorderen Cerebral- und hinteren Visceral- oder Branchial-Ganglien bestehend. B Fuss- ganglien. C Buccalganglien. I) Gastro- osophagealganglien. a Nerv zu den obe- ren (hinteren) Tentakeln, b Nerv zu den unteren Tentakeln, c Nerv zu den Ge- schlechtsorganen, d Fussnerven. e Com- missur der Fussganglien. e' Coinmissur der Visceralganglien. (Nach R. Beruh.) lungen aus. § 269. Die verwandtschaftlichen Beziehungen des Nervensystemes der Pteropoden zu jenem der Gasteropoden bestehen bei den Gymnosomen, während die Thecosomen durch die Länge der Cerebralcommissur aus- gezeichnet sind. Die Cerebralganglien erhalten eine seitliche Lage oder nähern sich den Fussganglien , mit denen auch viscerale Ganglien ver- schmolzen sind. Die centrale Ganglienmasse lagert also unter dem Schlünde. Für die Gymnosomen ist ein primitiverer Zustand in der obe- ren Lagerung der Cerebralganglien wie im Vorkommen von Visceral- ganglien erkennbar. Bei allen versorgen die Pedalganglien die aus dem Fusse hervorgegangenen Flossen. Bei den Gymnosomen geben die Cere- bralganglien zu den Tentakeln ansehnliche Nerven ab , die an deren Basis Ganglien bilden. Die Ganglien jeder Seite stehen unter einander durch Commissuren in Verbindung (Clio). Die drei bisher bei den Mollusken unterschiedenen Ganglienmassen kehren auch bei den Cephalopoden wieder, erscheinen aber unter Ver- Gegenlaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 24 370 II. 7. Mollusken. kürzung der Commissuren dichter an einander gedrängt. Sie bilden einen den Schlund umgebenden Ring , der bei den Dibranchiaten vom Kopf- knorpel umschlossen wird, so dass die peripherischen Nerven durch Oeff- nungen des letzteren ihren Austritt nehmen. Die obere Parthie des Schlundrings besteht bei Nautilus aus einer queren Nervenmasse (Fig. 186. aa) von der lateral die Nerven für die höheren Sinnesorgane abgehen. Sie entspricht den Cerebralganglien , die sich aber noch weit ventralwärts erstrecken (bb) und hier Nerven zu den Tentakeln entsenden [tl'). Erst das ventrale Abschlussstück dieses Ringes ist den Pedalganglien homolog , da es die Trichterner- ven abgibt. Der unteren, wie erwähnt, aus einem Theile der Cerebralganglien bestehenden Nervenmasse, fügt sich hinten eine zweite ven- tral gelagerte Masse (cc) an, die den Visceral- ganglien entspricht, und Nerven für den Man- tel (m), sowie zwei die Vena cava begleitende Stämmchen zu den Kiemen und dem Gefäss- system entsendet. Jede dieser beiden Nerven bildet ein Ganglion [d), aus dem auch der Ge- schlechtsapparat versorgt wird. Redeutender ist die Concentrirung des Nervensystems der Dibranchiaten. Die Cero- bralganglienmasse ist noch mehr seitlich und ventralwärts gerückt, bis zur medianen Ver- einigung vor dem den Pedalganglien entspre- chenden Theile. Die Visceralganglien sind den Pedalganglien vollständig angeschlossen . und nur eine die Arieria pedalis durchlassende enge Stelle drückt die Spur einer ursprünglichen Scheidung aus, wie sie bei den Tetrabran- chiaten noch vollständiger besteht. Der noch über dem Schlund liegende Theil der cerebralen Ganglienmasse ist in mehrere Abschnitte differenzirt. Der ventral getretene Theil sendet die Armnerven ab, die an der Rasis der Arme unter einander verbundene Ganglien bilden. Von den visce- ralen Massen entspringen die Mantelnerven , deren jeder an der Rildung eines grossen Ganglions (G. stellatum) sich beiheiligt. In der histiologischen Sonderung der Gentralorgane ist bei den Ce- phalopoden den übrigen Mollusken gegenüber eine bedeutend höhere Stufe erreicht, zu der die grössere Volumsentfaltung geführt hat. An allen Theilen der Nervencentren ist eine äussere graue Schichte aus Ganglienzellen zusammengesetzt . von der inneren, vorwiegend Fasern enthaltenden, weissen Markmasse unterscheidbar. Fig. 186. Nervensystem von Nau- tilus pompilius. a Obere, b untere Ganglienmassen des Schlundrings, c Visceralganglien. d Genitalganglien, m Mantel- nerven, t V Tentakelnerven. (Nach Owen.) Nervensystem. Sinnesorgane. 37 j Chkron, Rech. p. servir ä l'histoire du Systeme nerveux des Cephalopodes dibranchiaux. Ann. sc. nat. V. Ser. T. V. Ow'sjannikow und Kowalevsky, Ueber das Centralnervensystern und das Gehör- organ der Cephalopoden. Mem. Acad. de St, Pelersbourg. VII. Ser. T. XI. E i n g e \v e i d e n e r v e n. § 270. Ein Theil des Eingeweidenervensystems ward wegen seiner Be- ziehungen zu den Centralorganen des Nervensystems bereits bei jenen betrachtet, und bot zugleich ein Beispiel von der Veränderung des Werthes der Centralorgane in dem Maasse als peripherisch entstandene Ganglien allmählich in dieselben übergingen. Ausser diesem mit den Nervencentren sich vereinigenden hinteren Theile des Eingeweidenervensystems, das vor- wiegend an Circulations- und Excretionsorganen. auch an Genitalien und Kiemen seine Verbreitung findet, besteht ein zweiter, den Darmcanal ver- sorgender Abschnitt. Die Lamellibranchiaten besitzen feine, vom Cerebralganglion aus- gehende, zur Mundbegreuzung verlaufende Fädchen, als die ersten Spuren eines Abschnittes des Nervensystems , der bei den Gasteropoden weiter differenzirt erscheint. Die Ausbildung complicirter Mundorgane scheint damit in Gonnex zu stehen. Zwei vom Cerebralganglion entspringende Nerven begeben sich zu Ganglien, die der Buccalmasse angelagert und durch eine unter derselben hinziehende Commissur vereinigt sind. Diese Buccalganglien (Fig. \8% B, 183 5) versorgen die Mundorgane und senden Nerven an den Darm. Im Verhalten ihrer Commissur bestehen ziemliche Differenzen. In der Begel bleiben die Ganglien getrennt. Auch bei den Pteropoden besteht das gleiche Verhalten, und unter den Cephalo- poden ist bei Nautilus das Paar der Buccalganglien lateral noch mit Pha- ryngealganglien in Zusammenhang, wodurch es die Verbindungsstränge mit den cerebralen Ganglientheilen empfängt. Bei den Dibranchiaten ist nur Ein Buccalganglion vorhanden , hinter welchem noch ein besonderes Suprapharyngealganglion gelagert ist (Sepiai. Die von den Buccalganglien ausgehenden Nerven sind am Darme wieder mit verschiedenen kleinen Ganglien ausgestattet. Sinnesorgane. Tast- und Riechorsane. o § 271. In dem Verhalten der Sinnesorgane schliessen sich die Mollusken enge an die Würmer an. Den Gefühlssinn treffen wir überall, wo nicht Hartgebilde bestehen , an der Körperoberfläche verbreitet . und als anato- mische Vorrichtungen trifft man, an verschiedenen Körperstellen in ver- 24* 372 II. 7. Mollusken. schiedener Vertheilung, feine, borstenartige Verlängerungen von Zellen, die im Zusammenhange mit Nerven erkannt sind. Diese Gebilde finden sich am bestandigsten an Körpertheilen , die speciell als Tastorgane fun- giren und meist von ansehnlichen Nerven versorgt sind. Es sind diess die Tentakel. In grosser Verbreitung bietet der Mantelrand der Lamellibranchiaten, bald in seinem ganzen Umfange, oft in mehreren Reihen angebracht (z. B. bei Mactra, Lima, Pecten u. a.), bald nur auf gewisse Stellen beschränkt, solche Tentakelbildungen, die auch nicht selten an den Siphonen vorkom- men, und in beiden Fällen zur Controlirung der mit dem Wasser in die Mantelhöhle gelangenden Theile verwendet werden. Sie zeigen eine beträchtliche Contractilität und erhalten Fädchen vom Randnerven des Mantels. Auch die Fortsatzbildungen am Epipodium , sowie am Mantelrande vieler Gasteropoden, nicht minder die Cirren am Rücken der Nudibran- chiaten können als solche Organe thätig sein. Ob das bei den Lamellibranchiaten den Mund seitlich besetzende Lappenpaar hierher gerechnet werden darf, ist zweifelhaft, dagegen tref- fen wir an den in fast regelmässiger Verbreitung bei den Gasteropoden sich findenden Kopftentakeln jene Tastorgane in grösserer Menge ange- bracht. Sehr häufig kommen ihnen noch besondere Differenzirungen an den die nervösen Endapparate tragenden Strecken zu. Wenn es nicht sehr schwer ist, den vorhin aufgeführten Organen eine Function in der Wahrnehmung von Tasteindrücken zuzuschreiben, so ist es fast unmöglich , eine Reihe anderer Organe physiologisch zu be- stimmen, die gleichfalls mit dem Integumente verbundene Sinnesorgane sind. Es sind grösstentheils wimpertragende Stelleu , zu denen ein Nerv verläuft, der häufig dort Anschwellungen bildet. Welche Qualität des um- gebenden Mediums auf diese Organe erregend wirkt, ist unsicher, und es geschieht nur auf eine sehr entfernte Analogie hin , wenn man sie als Riechorgane auffasst. An die Nähe der Athmungsorgane sind sie bei den Gasteropoden ge- bunden, wo ich sie bei Heteropoden in allgemeiner Verbreitung auffand. Aehnlich fand ich sie bei den Pteropoden. Bei den nackten Gattungen dieser Abtheilungen liegt oberflächlich , dicht an den Kiemen, ein solches Wimperorgan, bei Pneumodermon radförmig gestaltet. Die schalentragen- den besitzen es als eine quere Leiste in dem Theile der Mantelhöhle, durch welchen das Wasser seinen Weg zu den Kiemen nimmt. Bei den Opisthobranchiaten scheint das hintere Tenlakelpaar (Rhino- phor) die Rolle eines Riechorganes zu spielen und besitzt dieser Function gemässe Umgestaltungen höchst variabler Art, wobei eine Oberflächenver- grösserung durch Leisten und mannichfache andere Vorrichtungen er- kennbar wird. Ein Wimperbesatz scheint nie zu fehlen. Wenn man be- achtet, dass hier die Athmung grösstentheils in Organen vollzogen wird, die dem Rücken des Thieres entspringen, so erscheint die Beziehung der Sinnesorgane. 373 als Riechorgane fungirenden Tentakel ähnlich wie jene der vorerwähnten Apparate, und damit mag auch die zuweilen weit nach hinten gerückte Stellung dieser Tentakel in Zusammenhans stehen. Die Cephalopoden zeigen Riechorgane in bestimmlerer Form. Es sind zwei hinter den Augen liegende Grübchen oder auch flach stehende Pa- pillen , welche mit Wimperhaaren überkleidet sind. Zwischen den wim- pertragenden Zellen treten die Fortsätze der tiefer gelegenen Riechzellen empor. Ein neben dem Sehnerven entspringender Nerv versorgt sie. Sehorgane. § 272. Sehorgane kommen allen . freierer Bewegung sich erfreuenden Ab- theilungen der Mollusken zu. Sie sind dagegen, wie auch sonst, bei den festsitzenden Formen rückgebildet , wenn sie auch während des Larven- lebens vorhanden waren. In diesem Falle finden sich die Placophoren. deren Larven in einem Pigmentfleckenpaar Andeutungen von Augen be- sitzen, die später sich rückbilden. Solche dem Nervencentrum angelagerte und dem Kopfe zugetheilte Gebilde sind bei den Lamellibranchiaten gleichfalls nur im Larvenzustande beobachtet, sogar mit einem lichtbrechenden Körper versehen, und erliegen später der Rückbildung. Aehnlich verhallen sich die Scaphopoden. Anders verhält es sich mit den Organen , die meist in hoher Ausbil- dung am Mantelrande vieler Blattkiemer sitzen, und von besonderen Augenslielen getragen werden (Area, Pectunculus, Telliua. Pinna u. a.) und bei manchen (Pecten, Spondylus) durch ihren, von einem im Augen- grunde gelegenen Tapetum herrührenden, smaragdgrünen Farbenglanz schon älteren Forschern aufgefallen waren. Obgleich in dem Baue dieser Augen manches Eigenthümliche besteht, so stimmen sie doch im Wesent- lichen mit den Sehorganen anderer Mollusken überein. Die Nerven em- pfangen sie von den am Mantelrande verlaufenden Stämmchen. In der Ausbildung dieser Organe herrschen manche Verschiedenheiten, und zu- weilen werden sie durch blosse Pigmentflecke vertreten. Diese Einrich- tung muss von dem bereits früher hervorgehobenen Gesichtspunkte aus beurtheilt werden , nach welchem Differenzirungen von Sinnesorganen aus einfachen Nervenendigungen an jeder Stelle des Integumentes möglich sind , so dass diese Augen des Mantelrandes nur functionell den sonst am Kopfe liegenden Sehorganen vergleichbar sind und morphologisch eigen- artige , aus Anpassung entstandene Bildungen vorstellen , wie ähnliche Organe bei den Würmern. Die Augen der Gasteropoden sind immer nur zu einem Paare am Kopftheil des Thieres vorhanden. Sie werden häufig durch blosse, dem oberen Schlundganglion aufgelagerte Flecke vertreten, und sind mit dem Verluste freier Ortsbewegung verschwunden (Vermetus . In der ein- 374 II. 7. Mollusken. fachsten Form lagert das Auge unter dem Integumente (z. B. bei vielen Opisthobranchiaten). Bei anderen ist es in den Hautmuskelschlauch ein- gebettet, und erhält damit eine oberflächliche Lagerung, wodurch zugleich die Bildung eines längern Sehnerven bedingt wird. Die Lage unterhalb des Integumentes wird als eine secundäre beurlheilt werden müssen, da, wie bei den Würmern, das Integument an der Genese des Auges betheiligt ist. Die das Auge tragende Körperstelle findet sich dann in der Regel an der Tentakelbasis (Prosobranchiaten), die sich zu einem besonderen Augenstiele (Ommatophor) umbilden kann. Oder es steht das Auge auf einem vom Tentakel entsprin- genden Fortsatze (Strombus, Pterocera), oder dieser Forl- satz ist vom Tentakel ent- fernt und geworden. Fig. Ib7. Oberer Theil des Nervensystems nebst Sinnes- organen von Pterotrachea. gs C'erebralganglien (Ge- hirn), c Commissuren. o Augenkapsel. L Linse, ch Pig- mentschiclite. r Ganglion-Ansbreitung des Sehnerven. a Hörorgan. damit selbständig Durch den Augen- stiel erhält das Auge Beweg- lichkeit, die bei den Hetero- poden dadurch gegeben ist, dass der von einer weiten Kapsel umschlossene Augen- bulbus (Fig. 187. o) durch Muskeln an jene befestigt wird. Die Thätigkeit der letzteren lässt den Bulbus seine Stellung ändern. Die Gestalt des Bulbus ist meist rundlich oder oval , sehr eigentümlich bei den Heteropoden (Fig. 187). Der Bulbus besitzt eine dünne äussere Umhüllung, die nach vorne in die vom Integumente gebildete Cornea (Pellucida) übergeht. An dem hinteren Umfange des Bulbus findet sich die Ausbreitung des Sehnerven häufig mit einer ganglionartigen Anschwellung (r) . Nach innen folgt die Netzhaut mit den Endapparaten des Sehnerven , die in einer gegen den Binnenraum des Auges gerichteten Stäbchenschichte angebracht, von der äusseren Netzhautschichte durch eine Pigmentlage gelrennt sind. Eine dicht hinter der Cornea gelagerte Linse füllt entweder den Binnenraum des Auges oder ist nach hinten von einer gallertigen Substanz umgeben, die eine Glaskörperschicht vorstellt. Wie die empfindende Schichte vom Ectoderm aus gebildet wird, so ist auch die Linse eine Integumentbildung, da ihre Anlage von einer Zelle ausgeht, welche die Substanz der Linse allmählich in geschichteten Lagen abscheidet. § 273. Im Anschlüsse an das Auge der Gasteropoden findet sich das Cepha- lopoden-Auge. Die allmähliche Sonderung des Organes aus dem Ectoderm ist erkannt. Bei Nautilus bildet jeder von einer Art Augenstiel getragene Sinnesorgane. 375 Bulbus eine seitliche Vorragung (s. oben Fig. 175 o), die bei einigen Di- branchiaten angedeutet ist, während der Bulbus sonst von Fortsätzen des Kopfknorpels eine Stütze empfängt, und wie in einer Orbilalhöhle lagert. Die Kapsel des Bulbus gebt bei Nautilus in den Augenstiel über . bei den Dibranchiaten legt sie sich an die knorpelige Orbita an , und unischliesst daselbst eine Ganglienbildung des Sehnerven (Fig. 188 go), die bei Nau- tilus durch eine den Bulbus in weiterer Ausdehnung überkleidende Schichte vorgestellt wird. Vorne bildet die Augenkapsel einen dünnen als Cornea bezeichneten Ueberzug (c), hinter welchem die lichtbrechen- den Medien des Bulbus lagern. Diese Cornea fehlt bei Nautilus; auch eine Linse wird vermisst. Die Augenkapsel setzt sich daher vorne unmittelbar in eine mit dem Integumente des Augenstieles zusammenhängende Mem- bran fort, die eine pupillenartige, ins Innere des Bulbus führende Oeff- nung trägt. Diese directe Communication des Binnenraums des Bulbus mit dem umgebenden Medium ist bei den Dibranchiaten durch das Vorkommen einer Linse [L) aufgehoben; da aber der durchscheinende Theil der Augenkapsel bei manchen (Loligopsis, Hi^tiotheutis etc. ) ganz fehlt oder von einer Oeffnung durchbrochen ist (Se- pia, Loligo, Octopus), so wird die vordere Fläche des von der Kapsel umschlosse- nen Bulbus noch von Wasser bespült. Die- ser nach aussen com- municirende Baum setzt sich nicht nur durch das Sehloch zur Linse fort , son- dern dehnt sich auch in verschiedenem Maasse um den Bul- bus. Bei Vielen bildet das Integument nur im Umkreise der Cornea Falten , die als »Augenlider« bald nur an beschränkter Stelle vorkommen, bald in grösserem Umfange sich erheben, und dann mit Schiiessmuskeln ausge- stattet zu einem Schutzapparate des Auges werden können. Fig. 1SS. Horizoutalschnitt durch Kopfknorpel. C Cornea. L Linse. das Auge von Sepia (Schema). KK ci Ciliarkörper der Linse. B Innere Schichte der Retina. Re Aeussere Schichte. P Pigmentschichte, o Seh- nerv, go Ganglion, k Augapfelknorpel, ik Irisknorpel, w Weisser Körper, ae Argentea externa. (Nach Hensen.J 376 II. 7. Mollusken. Die Grundlage des Bulbus bildet eine knorpelige Kapsel (Fig. 188 k), welche in dem die Pupille umgrenzenden Abschnitt des Bulbus als Iris- knoipel (//.; auftritt. Ausserhalb dieses Augenknorpels lagert hinten das Sehnervenganglion , in dessen Umkreis ein bald sehr weit nach vorne ra- gendes, bald beschranktes weissliches Organ (w) sich findet. Darauf folgt eine Längsfaserschichle von Muskeln, sowie endlich eine bis zum Pupillen- rande sich fortsetzende silberglänzende Membran (Argentea externa ; [ae) , welche den Ueberzug des Bulbus gegen den vorerwähnten Baum bildet. Nach innen von ihr liegt die Argentea interna. Am hinteren Umfange der knorpeligen Kapsel [k] treten aus dem Ganglion (go) kommende Nerven- bündel durch mehrfache Oeflnungen des Knorpels zur Netzhaut . welche nach innen von der Knorpelkapsel sich bis nahe an den Band eines die Linse tragenden Organes fortsetzt. Die Betina besteht im Wesentlichen aus denselben Schichten wie bei den Gasleropoden . einer inneren (Ri), den percipirenden Apparat enthaltenden , von einer äusseren (Re) durch eine Pigmentlage (P) geschieden. Von der Muskelfaserschichte aus setzt sich eine Bindegewebslamelle nach innen zur Linse (L) fort, und scheidet diese vollständig in zwei Theile, einen vorderen kleineren und einen hin- teren grösseren , welche beide zusammen einen ovalen Körper bilden, dessen Längsaxe der Augenaxe entspricht. Sowohl auf der vorderen als auf der hinteren Fläche jener Bindegewebslamelle lagern epitheliale Verdickungen, die zusammen ein am Bande der Linse in letztere umbie- gendes Lamellensystem vorstellen, den »Ciliarkörper« (ci) (Corpus epithe- liale). Der Baum hinter der Linse wird von einer Flüssigkeit ausgefüllt. Hensen, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XV. / Höroraane. § 274. Die als Hörorgane zu deutenden Gebilde erscheinen von den schon bei Würmern getroffenen Bläschen, Otocysten. ableitbar. Sie umschliessen Otolithen , und zeigen an ihrer Innenwand Endapparate von Nerven , die aus epithelialen Modificalionen bestehen. Diese Epi- thelien gehen aus dem Ecloderm hervor, denn die Otocyste nimmt ihre Anlage vom Ectoderm, wie bis jetzt bei Gasteropoden beobachtet wurde. Damit stimmen auch die für die Cephalopoden bekannten Thatsachen überein. Allgemein wird der Hörnerv vom Cerebral- Fig. ISO. Hörorgan von ° Cycias. c Gehörkapsei. ganglion entsendet. In der primitivsten Form ist das e Wimpertragende Epi- Hörbläschen diesem angelagert, so dass erst bei thelzellen. o Otolith. . r> .c r\ 1 1 i- ■_ A «• iNachLETDiG) einer Entfernung vom Cerebralganghon ein Acusti- cus unterscheidbar wird. Die Lagebeziehung der Otocyste ändert sich bei vielen, indem letztere zum Pedalganglion herab- rückt, wobei dann der Acusticus stets zum Cerebralganghon, zuweilen Sinnesorgane. 377 durch die Cerebropedalcommissur verfolgbar ist. Zuweilen steht diese Lageveränderung mit einem Herabrücken der Cerebralganglien selbst in Zusammenhang. Die Lameliibranchiaten und Scaphopoden besitzen die Hörbläschen dem Fussganglion angelagert, dicht, oder etwas entfernter (Najades) oder sogar weiter in den Fuss hinabgerückt (Cythera). Bei den Gasteropoden ist die Lage der Otocysten sehr verschieden, doch waltet der primäre Zu- stand, der Zusammenhang mit den Cerebralganglien, vor, und bei Hetero- poden und vielen Opisthobranchiaten bleibt die Lage jenen Ganglien benachbart. Die Otolithen sind entweder zahlreich, aus kleinen krystallinischen Gebilden bestehend, bilden eine Otoconie, öderes besteht nur ein ein- ziger, sphärischer Otolilh, der seine Entstehung von einer Zelle aus der Anlage der Wandung der Gehörblase nimmt, und ein concentrisch ge- schichtetes Concrement vorstellt. Otoconie besitzen Dentalium, die niederen Formen der Lameliibranchiaten und der Gasteropoden , sowie alle Ptero- poden. In den Larvenzuständen dieser Mollusken tritt jedoch bald die Otoconie, bald aber auch der sphärische Otolilh auf, der dann, wie es scheint, wieder verschwindet. Wo dagegen der ausgebildete Zustand durch den Otolithenbesilz sich auszeichnete, ist der Otolith schon in der Larve vorhanden, und hat niemals die Otoconie zum Vorläufer. Bezüglich des Baues der Endapparate in der Otocyste liegen bis jetzt nur vereinzelte Angaben vor. Von diesen ist die belangreichste, dass ein Theil des cilientragenden Epithels durch Zellen mit feinen stäbchenför- migen Fortsätzen repräsentirt ist, welche als Hörstäbchen zu deuten sind. Sie bilden das acustische Organ, und stehen mit dem Nerven in Zusam- menhang, indess die in Büschel gruppirlen, Gilien tragenden Zellen eine auf den Otolithen wirkende Accommodationseinrichtung vorstellen. Die Entstehung der Otocyste aus dem Ectoderm ist bei den Cephalo- poden noch im ausgebildeten Zustande nachweisbar, indem bei vielen ein feiner Ganal aus den Gehörbläschen an die Körperoberfläche führt. Bei Nautilus liegen die Otocysten dem Kopfknorpel an ; bei den Dibranchiaten sind sie vom Knorpel umschlossen. Damit ist ein häutiges und ein knor- peliges Labyrinth unterscheidbar, analog den betreffenden Theilen der Vertebraten. Die Form der Hörbläschen ist einfacher bei den Oclopoden, durch Ausbuchtungen und Vorsprünge bei den Decapoden complicirter. Zugleich ist die Verbindung mit dem Knorpel inniger, während das Hörbläschen derOctopoden ziemlich lose in seiner Höhle liegt. Der in einer wässerigen Flüssigkeit befindliche Otolilh ist verschieden gestaltet, bald flach , bald rundlich, und kann in kleinere, nadeiförmige Stücke zerfällt werden. Die Endigungen der Hörnerven unterscheidet man an einer Verdickungsstelle des Epithels als »Hörplatte«, an der die Zellen haarförmige Fortsätze (Hör- haare) aussenden (Sepia), und dann als eine meist gebogen verlaufend »Hörleiste«, die ebenfalls modificirtes Epithel trägt. 37S II. 7. Mollusken. Lacaze-Duthieks, Otocystes des Mollusques. Arch. de Zoologie. I. S. 97. — Ranke, J.; Das Gehörorgan etc. bei Pterotrachea. Zeitschr. f. wiss. Zool. XXV. Suppl. — v. Jhering, Die Gehörwerkzeuge der Mollusken. Erlangen 1876. — Simroth, Ueber die Sinnesorgane unserer einheim. Weich- thiere. Zeitschr. f. w. Zool. Bd. XXVI. Darmcanal. § 275. Die bei allen Mollusken vollzogene Sonderung der Leibeswand von der Wandung des Darmcanals lässt den letzleren in eine Leibeshöhle gebettet erscheinen. Er liegt daselbst in Windungen oder bildet Schlingen, ist; da er immer langer als die Leibeshöhle zugleich bietet er bezüglich seiner analen Mündung bemerkenswerthe Verhältnisse. Der Darmcanal durchzieht nämlich nur bei den Placophoren und Lamellibranchialen den Körper, so dass das aborale Körperende zugleich das anale ist. Bei den Scaphopoden, Gasteropoden, Pteropoden und Cephalopoden bildet er stets eine Schlinge oder Windung, indem sein Ende vom aboralen Körperende entfernt liegt. Wenn wir annehmen, dass eine symmetrische Anordnung und damit die aborale Lage des Afters auch für den Darm das ursprüng- liche Verhalten bietet, so dass also jene Lageverschiedenheit der Anal- öffnung eine nach und nach erworbene ist, so muss dieses Verhalten in einer sehr weit zurückliegenden Periode sich getroffen haben, da es auch ontogenetisch nicht mehr besteht. Das Causalmoment dieser Lageveränderung muss in der all gemein ve rbreiteten Gehäusebildung gesucht werden. Die Entfaltung des dorsalen Mantels mit der Schale und die bei den Meisten asymmetrische Aus- bildung beider macht jenen Einfluss ver- ständlich. Dabei sind zwei Verhältnisse auseinander zu halten. Erstlich wird durch die dorsale Entfaltung eines von der Schale geschützten Körperlheiles dem sich ver- längernden Darmcanal hier Raum zu seiner Lagerung geboten , die sich einfacher oder complicirter in Schlingen oder in Windun- gen darstellt. Dadurch ist also zuuächst nur die Ablenkung von einem geraden Verlaufe gegeben. Zweitens wird von der Ausbildung einer Kiemenhöhle, deren Ent- stehung wieder an Mantel und Schale an- knüpft, auch die Lage des Darms be- herrscht. Ist die Kiemenhöhle hinten aus- gebildet, wie bei thecosomen Pteropoden und den Cephalopoden Fig. 190), so ist die Afteröffnung relativ am wenigsten bezüglich ihrer Lage modificirt. Sie kann sogar mehr oder minder in der Medianlinie sich finden. Ist die Kiemenhöhle nach vorn Fig. 190. Scheniatische Darstellung des Verhaltens des Darmcanals A bei Pte- ropoden und B bei Cephalop o den. p Fuss. t Arme oder Tentakel. br Kiemen. Darmeanal. 379 gelagert, unter asymmetrischer Gestallung, wie bei der Mehrzahl der beschälten Gasteropoden , so tritt die Afteröffnung gegen diese hin, denn hier findet die Function des Afters am wenigsten ein Hinderniss. Die Sonderung des Darmrohrs in einzelne Abschnitte schliesst sich an die bei Würmern bestehenden Einrichtungen an. Obschon die ontogenelische Forschung noch zu keinem völlig über- | einstimmenden Resultate gelangte , so scheint doch die Entstehung des Mitteldarms aus dem Entoderm und jene des Vorderdarms aus dem Ecto- derm die am meisten gesicherte. Mit der Bildung des Eutoderms wird der Enddarm angelegt, der so mit dem Mitteldarm gleiche Genese besitzt. § 276. Bezüglich des Verhaltens in den einzelnen Abtheilungen zeigen die Placophoren mehrfache Windungen des Darmrohrs, aber die Lage des Afters erhält sich aboral, da die vorhin angedeuteten Bedingungen für eine Lageveränderung fehlen. Die Lamellibranchialen schliessen sich gleichfalls an die niedersten Verhältnisse an. Der Mund — bei den Dimyariern zwischen Fuss- und vor- derem Schliessmuskel gelegen — setzt sich fort in ein kurzes, als Speise- röhre fungirendes Darmslück, das in einen erweiterten Abschnitt, den Magen, übergeht. In diesen als Magen bezeichneten Mitteldarm-Abschnitt münden die Ausfuhrgänge der Leber. Bei vielen Blattkiemern ist der Ma- gen an seinem Pylorustheile durch eine blindsackartige, oft beträchtliche und durch eine Klappe versehliessbare Ausstülpung ausgezeichnet. In den Blindsackbildungen, oder, wo solche fehlen, im Darmcanale selbst, wird bei Vielen ein eigenthümliches Gebilde getroffen , welches unter dem Na- men »Krystallstiel« bekannt und als eine von dem Darmepithelium gebildete Absonderung zu betrachten ist. Der bei weitem den grössten Abschnitt des gesammlen Traclus bildende Enddarm tritt nach einfacher oder mehr- facher Windung gegen den Rücken des Thieres und ist in der Regel von gleichem Durchmesser, doch auch zuweilen in engere und weitere Strecken gesondert. Er wird von anderen Organen (Leber, Geschlechtsdrüsen) des Eingeweidesackes dicht umlagert, verläuft mit seinem Endstück unter dem Schlossrande der Schale zum Hintertheile des Körpers und durch- bohrt auf diesem Wege bei einer grossen Anzahl von Blattkiemern Herz- beutel und Herz (Fig. 176. /), um dann hinter dem hinteren Schliessmuskel auf einem frei in die Mantelhöhle ragenden Vorsprunge am aboralen Körper ende in den After überzugehen (Fig. 181 r). Diese Lage des Afters steht wieder in Zusammenhang mit dem Verhalten der Schale, welche sich zu den zwei lateralen Klappen gestaltet hat. § 277. Mit Ausnahme der Lamellibranchiaten ist bei allen Mollusken am Vorderdarme ein Abschnitt zum sogenannten Schlundkopf oder der 380 II. /. Mollusken. Fig. 191. Eine Keilie Zähnchen von der Reibplatte von Litorina littorea. a Mittlere, bed seitliche Zähnchen. (Nach Grat.) Buccalmasse difl'erenzirt , ein meist voluminöses Gebilde, dessen Structur mit der auf Ergreifen und Zerkleinerung der Nahrungsstoffe gerichteten Function in Einklang steht. Der die gesammte Einrichtung beherrschende Apparat besteht in einer von der unteren Wand sich erhe- benden Cuticularmembran , auf der rückwärts gerichtete und in Quer- reihen angeordnete Zähnchen oder Häkchen sich erheben. Die Anordnung der Zähnchen (Fig. 191. abcd), ihre Form und ihre Zahlenverhältnisse sind ausserordentlich mannichfaltig und wechseln nicht allein nach den grösseren Abiheilungen, sondern auch nach den Ordnungen , Fami- lien, bis auf die Arten herab, doch so, dass die Verwandtschaftsver- hältnisse auch in der Bildung dieser Theile ausgesprochen sind : man hat sie deshalb auch für die Syste- matik verwerthet. In der Regel ist eine mediane Längsreihe (a vor- handen, an welche seitlich symme- trische Zähnchen (bed) sich anschliessen. Das aus der Summe dieser Häkchen gebildete Organ ist die Reibplatle , Radula. Es ragt bei man- chen (Turbo, Patella), von der sackartig ausgedehnten, durch Ausstülpung der Schlundwand gebildeten Scheide umschlossen, weit in die Leibes- höhle und kann sogar die Länge des Körpers übertreffen. Auch in die Breite kann das Organ entfaltet sein und auf die laterale Wand des Schlundkopfes sich erstrecken. Bei Heteropoden zeigt es insofern eine höhere Bildungsstufe , als die äusseren der in Querreihen angeordneten Häkchen nicht allein von beträchtlicher Länge, sondern auch beweglich eingelenkt sind. Sie können so beim Hervorstrecken der Reibplatle sich aufrichten, um, beim Zurückziehen sich zangenarlig zusammenschlagend, als Greiforgane zu wirken. Zur Bewegung der Reibplatte dient eine besondere Muskulatur, die ebenso wie der Schlundkopfwand eingelagerte Knorpel (S. 361) zur voluminöseren Gestaltung dieses Organs (Fig. 200. B) beiträgt. Die Ausbil- dung der Radula steht somit mit der Entfallung jener Buccalmasse in engem Zusammenhang. Mit Ausnahme der Lamellibranchialen ist das Organ in allen Abtheilungen der Mollusken verbreitet, wenn auch bei einzelnen wenig entwickelt (thecosome Pteropoden ). Selten fehlt die Radula und mit ihr der Schlundkopf ganz Tethys . Relativ unansehnlich ist die Reibplatte bei den Cephalopoden (Fig. 192. Cr), bei welchen feste Kiefer den Eingang des Mundes auszeichnen. Es sind zwei starke, einem Papageischnabel ähnliche, mit scharfen Rändern versehene Stücke Fig. 192. C), von denen das untere {m') über das obere (m) hinweggreift. Beide Kiefer werden nur an ihrer Wurzel von den weichen Lippenrändern Gedeckt ^Fig. 179. in. n). Darmcanal. 381 Auch unter den Gasleropoden kommen derbe Belege der Wandung: des Mundes als Kieferbildungen vor. Ein oberes halbmondförmiges Stück an seinem freien Rande mit gezähnelten Leisten besetzt, findet sich bei Xephropneusten ver- breitet. Zu einem sol- chen unpaaren Stücke kommen bei manchen Branchiopneusten noch laterale Stücke, welche horizontal ge- geneinander wirken. Diese paarigen Kiefer- stücke treffen sich auch bei Prosobran- chiaten , am bedeu- tendsten bei Opistho- branchialen in Ent- faltung. Die Mundöffnung wird bei den Gastero- poden von den Lip- pen umgeben, die vor dem Eingange in den Schlundkopf ZUSam- Fig. 1 92. A Schlundkopf eines Gasteropoden ( Pleurob ran cli us) ; m^ncfiilioccon Hioco sellkrec"ter Längsdurchsehnitt. B Querschnitt von demselben an der in .4 durch eine senkrechte Linie angedeuteten Stelle, oe Oeso- Lippen bilden Dupli- phagüs. I Lippe. r Reihplatte, k Knorpel. C Schlundkopf eines CatUI'eil des Inte°U— Cephalopoden (Loligo), senkrechter Längsschnitt, t Arme, m . i- •. i Oberes, m' unteres Kieferstück. I Lippe, g Zunge. ;• Reibplatte. meines , cue mit eiern oe 0esophagus Schlundkopf sich ein- ziehen oder vorstülpen können. Bei einem Theile der Prosobranehiaten ist dieses Verhalten dahin ausgebildet, dass jene sonst die Lippen dar- stellende Duplicatur eine mehr oder minder lange Scheide bildet, in welcher ein den Schlundkopf bergender Rüssel sich bewegt. Beim Her- vorstrecken dieses Rüssels wird die innere Wand der ihn umschliessenden Scheide allmählich umgestülpt (Dolium, Cassis, Conus, Voluta, Bucci- num , Harpa, Murexetc). So erhält dieser vorderste Theil des Tractus intestinalis eine besondere Ausbildung. § 278. Aus dem Schlundkopf erstreckt sich bei den Gasteropoden der Vor- derdarm als Speiseröhre nach hinten, und bildet darauf einen weiteren Abschnitt, den Magen, von welchem der Mitteldarm, häufig in Form einer einfachen Schlinge den Eingeweidesack durchsetzend, zu dem wenig scharf abgesetzten Endslücke verläuft. 382 U. 7. Mollusken. Als Modificationen bestehen Erweiterungen einzelner Abschnitte der Speiseröhre und führen zur Bildung eines besonderen als Kropf fungiren- den Stückes. Dieser ist entweder ein spindelförmiger Abschnitt, den viele Prosobranchiaten besitzen sehr lang bei den Heteropoden], oder er er- scheint als einseitige Ausbuchtung, die sich zu einem blindsackartigen Anhang ausbilden kann Lymnaeus, Planorbis, Buccinum . Auch magen- artige Erweiterungen des Vorderdarmes kommen vor, durch Einschnü- rungen von den benachbarten Strecken gesondert. Sie bilden hinter- einander gelegene Abtheilungen. Diese Sonderung entspricht sehr deutlich einer Theiluug der Leistung, wie aus der verschiedenartigen Beschaffenheit der Cuticularbildungen der einzelnen Abschnitte hervorgeht. So besitzt Aplysia einen Abschnitt mit pyramidal geformten Stücken von knorpelartiger Härte besetzt, einen an- deren mit festen Hornhäkchen ausgestattet. Solche Hakenbildungen finden sich auch im einfacheu Magen von Tritonia . ein breiler Gürtel scharf- eckiger Platten in jenem von Scyllaea, sowie feste Reibplatten auch im Magen der mit rudimentären Mundtheilen versehenen Pteropoden vorhan- den sind. Das Vorkommen solcher Apparate beweist, dass den bezüg- lichen Abschnitten nur die Verdauuni» vorbereitende Functionen zu- kommen. Modificationen ergeben sich nicht minder an dem erweiterten Mittel- darm, sowohl was seine Gestalt betrifft, als auch hinsichtlich seiner Diffe- renzirung in einzelne Theile. Bei vielen ist derselbe wenig ausgezeichnet. Bei andern kommt es zur Bildung eines Magenblindsackes , wobei Cardia und Pylorus einander sich nähern und dieses ist die häufigere Form. Durch Theilung kann der Magen in mehrere Abschnitte zerfallen. So wird häufig Gardial-'und Pylorusabschnitt durch eine in den Magen vor- springende Längsfalte geschieden Littorina). Von Eigenthümlichkeiten des übrigen Darmrohrs ist eine dem End- darm häutig zukommende Erweiterung anzuführen. Bedeutendere Modi- ficationen erleidet der ganze Darm bei vielen Nudibranchiaten (Aeolidier , wo er in demselben Maasse Rückbildungen erfährt, als die Leber in seine Function übertritt und damit die bedeutende Verkürzung compensirt (siehe darüber unten S. 385). Mit der Analöffnung mancher Gasteropoden sind Drüsen verbunden, die zuweilen ziemlich ansehnlich (Murex, Purpura) aber in ihrer Bedeutung noch nicht erkannt sind. Die Lage des Afters ist in Zusammenhang mit der Gehäusebilduim und der Entfaltung einer Mantelhöhle lateral oder dorsal. Beim Fehlen einer Schale und damit auch einer Mantelhöhle kann der After auf der Dorsalfläche, ja sogar in der Mittellinie derselben auftreten, wie bei einem Theile der Nudibranchiaten (Doris) (Fig. 200. a). Bei anderen erhält sich die durch das primitive Bestehen einer Schale erworbene laterale Lage des Afters ^Aeolidial. Darmcanal. :\s:\ § 279. Bei den Cephalopoden geht aus dem Schlundkopf (Fig. 199. ph) eine enge Speiseröhre hervor, die nach ihrem Durchtritt durch den Kopfknor- pel entweder gleichmässig zum Magen herabläuft (Loliginen), oder auf ihrem Wege noch mit einer oft ansehnlichen kropfartigen Erweiterung versehen ist (Nautilus, Octopoden) . Ein Magen (Fig. 193. v) wird durch eine ovale oder rundliche, zuweilen (Nautilus, Octopus) mit starken Mus- kelwänden versehene Erweiterung vorgestellt. Auf jeder der beiden Sei- ten findet sich eine radiär angeordnete Muskelschichte, in deren Mitte eine sehnige, besonders bei Nautilus bemerkliche Platte angebracht ist. Der neben der Cardia gelegene Pylorus führt in den mit einem Blind- darme versehenen Mitteldarm , der anfanglich auf seiner Innenfläche gleichfalls noch Längsfaltung zeigt. Er wendet sich meist in geradem Verlaufe (wenig gewunden ist er nur bei Nautilus und den Octopoden) nach vorne zu einem kurzen Enddarm (Fig. 193 •/), der im Anfange des Trichters sich nach aussen öffnet. Um die Afteröffnung sind bei vielen Ce- phalopoden zwei bis drei Klappen oder doch klappenähnliche Vorsprünge, durch entwickelte Muskulatur ausgezeichnet, vorhanden. Die Coecalbildungen (Fig. 193. c) am Be- ginne des Mitteldarmes zeigen sowohl in ihrer äusseren Form, als auch in der Beschaffenheit der Innenfläche verschiedene Verhältnisse. Der Blind- darm ist entweder rundlich (Nautilus, Rossia, Loligopsis), oder in die Länge gedehnt und dann oft spiralig gewunden (Sepia, Octopus) . Bei grös- serer Länge kommen mehrere Spiralwindungen zu Stande (ee). Seine Innenfläche zeigt bald blät- terartig angeordnete Vorsprünge (Nautilus) , oder auch circuläre, der Spiralform folgende Falten- bildungen. Zwei der grössten Falten nehmen die Ausführgänge der Leber auf und sind gegen das Darmlumen zu beträchtlich ausgebildet , so dass sie einen klappenartigen Verschluss herstellen können. Bezüglich der Function dieses Blind- darmes ist wahrscheinlich , dass er eine secreto- rische Rolle spielt, wie er denn auch bei einigen (Loligo vulgaris) der Falten entbehrend in seinen Wandungen reichlicht Drüsen birgt. Fig. H»:i. Verdauungsapparat von Loligo sagittata. oe Speiseröhre, v Der Magen, der Länge nach geöffnet, a Eine durch den Pylorus ge- führte Sonde, c Anfang des Blinddarms, e e Spiraliger Theil desselben, i Enddarm. a Tintenbeutel, b Einmün- dung desselben in das Rec- tum. (Nach Home.) 384 \\. '. Mollusken. Anhangsorgane des Darmcanals. 1) Anhangsorgane des Vorderdarms. § 280. Von den mit dem Darmcanal verbundenen Drüsenorganen sind Spei- cheldrüsen nur mit entwickeltem Schlundkopfe verbreitet, so dass ein Zusammenhang dieser Gebilde erkannt werden kann. Sie lagern bei den Gasteropoden stets an beiden Seiten des Vorderdarms und münden in den Schlundkopf aus. Sie erscheinen bald als kurze Blindschläuche Plero- poden), die sogar in der Masse des Schlundkopfs verborgen sein können (manche Opisthobranchiaten). In weiterer Entwicklung verlängert sich der Ausführgang, so dass der secernirende Abschnitt weiter nach hinten zu liegen kommt, und da bald dem Oesophagus, bald auch dem Magen angelagert ist. Die Drüsen bilden dann rundliche, längliche, meist abge- plattete Schläuche (Prosobranchiaten, manche Pulmonaten), die sogar in einzelne Abschnitte zerfallen können, oder auch als ramificirte Organe erscheinen, wie die dem Magen aufliegenden Drüsen von Pleurobranchus. Nicht selten finden sich auch doppelte Paare , von denen entweder die Ausführgänge immer getrennt erscheinen , oder jene des hinteren Paares sich mit einander vereinigen. Auch bei nur einem vorhandenen Paare ist oft die Verschmelzung in eine einzige Masse zu beobachten, wobei die Duplicität durch die Ausführgänge bestimmt wird. Eine functionelle Diffe- renzirung bieten die Speicheldrüsen mancher Prosobranchiaten (Dolium, Cassis, Gassidaria, Tritonium), bei denen ein Abschnitt in seinem Secrete freie Schwefelsäure erkennen Hess. Aehnliche Sonderungen zeigen auch die Drüsen einiger Opisthobranchiaten (Pleurobranchus, Doris). Unter den Cephalopoden besitzt Nautilus eine noch innerhall) des Schlundkopfes gelegene paarige Drüsenmasse. Diese Drüsen sind auch bei manchen Dibranchiaten (Octopus, Eledone) und anderen, als kurze, dicht hinter dem Pharynx liesende Orsane vorhanden , aus denen ein die Pharynxwand durchbohrender Ausführgang hervorgeht Fig. 199. gls s), der sich vor der Ausmündung mit dem der andern Seite vereinigt. Dazu kommen noch hintere, welche seillich vom Oesophagus, hinter dessen Durchtritt durch den Kopfknorpel liegen. Sie sind entweder glatt oder gelappt und lassen ihre Ausführgänge in der Regel innerhalb des Kopf- knorpels zu einem einzigen Gange sich vereinigen , der vor dem Zungen- wulste in die Schlundhöhle einmündet (Fig. 199. gls i). Panceri, P. , Gli organi e la secretione dell' acido solforico nei Gasteropodi. Atti della R. Accad. delle Sc. fisiche. Napoli. Vol. III. 2) Anhangs organe des Mittel dar ms. § 281. Am Mitteldarm sind bei den Mollusken Anhangsgebilde in allgemeiner Verbreitung zu treffen; sie repräsentiren die «Leber« und sind Differen- Anhangsorgane des Darmcanals. 385 zirungen der Darmwan* aus der sie als Ausbuchtungen , durch Wuche- rungen des Entoderms eingeleitet, entstehen. Als eine den Magen und einen grossen Theil des übrigen Darmes umgebende Drüse tritt die Leber der Lamellibranchiaten auf. Sie bildet zahlreiche, in grössere Lappen vereinigte Acini, die an verschiedenen Stellen , theils in den Magen , theils in den folgenden Darmabschnitt münden. Aus einem Paare symmetrisch gelagerter, verzweigter Schläuche be- steht sie bei den Placophoren. Eine nicht minder ansehnlich entwickelte Drüse stellt sie bei den Gasteropoden vor. Bei den beschälten Gasteropoden nimmt sie den grössten Theil des im Gehäuse geborgenen Eingeweidesackes ein , immer aus mehreren grösseren Lappen zusammengesetzt und den Darm auf ver- schieden langen Strecken umlagernd. Die aus den Lappen hervortreten- den Gallengänge münden bald getrennt, bald vereinigt in den Anfang des Mitteldarms, zuweilen auch in die als Magen erscheinende Erweiterung. Die Zahl der gesonderten Leberpartieen ist, wie ihre relative Grösse, sehr verschieden. Doch lässt sich im Allgemeinen bei Vermehrung des Leber- volums eine mehr einheitliche Bildung erkennen, indessen die einzelnen getrennten Lappen um so kleiner sind, je zahlreicher sie vorkommen. Dieses Verhältniss der Vertheilung der Leber auf einen grösseren Abschnitt des Darmcanals führt bei einer Abtheilung der Opisthobran- «•hiaten zu Veränderungen jenes Darmstückes. Indem die Ausführgänge der einzelnen Leberlappen sich erweitern, bilden sie Ausbuchtungen des Magens und es entsteht an der Innenfläche des letzteren bei einer grösse- ren Anzahl ausmündender Leberschläuche ein reticuläres Aussehen 'Doris, Doridopsis . Durch diese aus der Genese der Leber leicht verständliche Umgestaltung erscheint der drüsige Theil der Leber wie ein Beleg jener unregelmässigen Ausbuchtungen. Hieraus geht der oben § 278) berührte Zustand des Verdauungs- apparates der Aeolidier u. a. hervor, und die Leber erscheint in Gestalt weiter, blind geendigter Anhänge, die von dem als Magen bezeichneten Mitteldarm (Fig. 194. m) entspringen. Die Verbindung ist entweder eine unmittelbare und die Anhänge münden direct in den Mitteldarm, oder sie ist mittelbar, wenn nämlich noch weite Ausbuchtungen des Mitteldarms vorkommen Fig. 194), die übrigens gleichfalls aus Umbildungen eines Abschnittes der Leber hervorgegangen sein können. Diese Anhänge durchsetzen die Leibeshöhle und dringen beim Bestehen von Bücken- cirren in diese mit blinden Endigungen ein. Je nach der Anzahl der Anhänge bilden jene Fortsätze mehr oder minder reiche Verästelungen, welche sogar unter einander anastomosiren können. Wie die Zahl und die allgemeine Gestaltung der Darmanhänge wechselt, so sind auch ihre Dimensionen verschieden. Bald stellen sie sich nur wie Ausstülpungen des Darmes dar, und sind durch weite Oeflhungen mit letzterem in Com- munication, auch Speisemassen aufzunehmen im Stande; bald erscheinen Gegenbaur, Grunilriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 25 386 II. 7. Mollusken. ,4) sie nur als enge Canäle , die an der Nahrungsaufnahme sich nicht direct betheiligen. Zwischen diesen Extremen finden sich Uebergangsformen. nie fehlender drü- Für die Auffassung dieser Darmbildung erscheint ein grosser Wichtigkeit. Da- siger Beleg von durch stellen sich die Verästelungen nicht blos als physiologische Aequivalente einer Leber heraus, sondern wir müssen sie auch als Modifikationen der Leber selbst betrach- ten, die hier durch Erweiterung der Lumina ihrer Canäle sich an der Vergrösserung des Darmcanals beiheiligt hat. Dasselbe Organ, welches bei den anderen Gasteropoden als Leber erscheint, tritt also bei den Aeolidiern in den Darm mit über, und behält nur an seinen Wandungen oder doch an einem Theile derselben seine ursprüngliche Bedeu- tung bei. Die Theilnahme aus dem Darme entstandener Räume an der Darmfunction erklärt die bedeutende Kürze des eigent- lichen Darmrohrs. Auch in anderen Abthei- lungen der Opisthobranchiaten erscheint die Leber in Form weiter Schläuche, z. B. bei Phyllirhoe, Lirnapontia etc. Dass in allen diesen Bildungen kein Anfangszustand der ersten Differenzirung einer Leber, sondern eine Art Rückbildung gefunden werden darf, geht daraus hervor, dass die Entwicklung der Aeolidier sie von schalentragenden Gasteropoden ableiten lässt. Bei den Pteropoden ist die Leber in eine grosse Anzahl kleiner Blind- schläuche aufgelöst. Solche sitzen bei Pneumodermon in verästelten Grup- pen dicht beisammen und die weilen Mündungen ihrer Ausführgänge durchbohren fast siebförmig die Magenwand. Einfachere Acini besetzen einen Abschnitt des Darmes der übrigen Pteropoden und bilden eine dicht geschlossene Masse, durch welche der Darm hindurchtritt Fig. 201. h). Die Leber der Cephalopoden ist immer eine ansehnliche, meist com- pacte Drüse, die bei Nautilus aus vier locker verbundenen Lappen be- steht. Jeder derselben entsendet einen Ausfuhrgang. Bei den Dibran- chiateu finden sich nur zwei Lappen, die entweder deutlich getrennt (Sepia), oder nur theilweise verbunden sind 'Rossia;. Eine engere Ver- einigung beider Lappen besteht bei Sepiola und Argonauta , und bei den Loliginen und Octopoden stellen sie eine einzige vom Oesophagus durch- setzte Masse dar. In allen Fällen treten aus der Leber nur zwei Ausfüht- giinge hervor, welche auf die beiden ursprünglichen Lappen hinweisen, und, ebenso wie bei Nautilus, stets in das Ende des Blinddarmes aus- münden. Fig. 194. Darmcanal von Aeolidia papulosa, ph Schlundkopf, m Mitteldarm mit /; den nicht bis zum Ende dargestellten Leberanhängen. e Enddarm, an After. (Nach Alder und Hancock.) Anhangsorgane des Darmcanals. Leibeshöhle. 387 Sowohl an der Mündungsstelle in den Blinddarm, als auch innerhalb der Leber selbst tragen die Ausfuhrgänge noch einen Besatz besonderer Drüsenläppchen , deren Bau von den Acinis der Leber verschieden ist. Man hat diese bald nur an der einen, bald an der anderen der genannten Stellen vorkommenden Drüsen für eine Bauchspeicheldrüse erklärt, wobei man jedoch den Mangel jeglicher näheren Verwandtschaft mit dem gleichnamigen Organ der Wirbelthiere beachten muss. Auch bei Gastero- poden (Aplysia, Doris) hat man in der Nähe der Leber noch besondere Drüsen beobachtet. 3) Anhangsorgane des Enddarmes. § 282. Als hieher zu zählende Gebilde finden sich mancherlei erst bei Gaste- ropoden vorkommende Drüsenorgane von unbekannter Bedeutung. Bei den Cephalopoden wird der unter den Dibranchiaten verbreitete Tinten- beutel hier angeschlossen werden können, der bei manchen mit dem Enddarm ausmündet (Loliginen) und daher vielleicht als ein vom End- darme her entstandenes Gebilde sich herausstellt, wenn er auch bei an- deren Cephalopoden seine Mündung neben oder hinter der Analöffnung trägt. Er stellt einen länglichen, mit contractilen, lamellös ins Innere vor- springenden Wänden versehenen Sack vor (Fig. 1 93 a) , der die bekannte schwarze Flüssigkeit absondert. Leibeshöhle. § 283. Das Auftreten einer Leibeshöhle gehört zu den frühesten Sonderungs- vorgängen des Molluskenkörpers. Werden schon durch die Windungen des in das Cölom gebetteten Darmcanals und die von seiner Wandung sich differenzirenden Anhangsorgane Complicirungen der Leibeshöhle hervor- gerufen, so steigern sich diese mit dem Auftreten anderer Organe, vor- züglich des Geschlechtsapparates, so dass die Höhlung später in zahlreiche, weitere und engere Abschnitte zerlegt erscheint. In der Begel erstreckt sich die Leibeshöhle auch in die Fortsatzbildungen des Körpers, so in die Mantellamellen der Lamellibranchiaten, wie in den Gasteropodenmantel. Auch untergeordnetere Körperanhänge bieten häufig einen Zusammenhang mit der Leibeshöhle dar. Allgemein erscheint der offene Zusammenhang des Gefässsystemes mit der Leibeshöhle, die somit einen Abschnitt der Blut bahn vor- stellt. Dieses Verhalten tritt in verschiedenen Abstufungen auf, und je nach der Ausbildung des Gefässsystemes sind es weitere oder engere Bäume, welche von der Leibeshöhle gebildet werden. Bei dem Zusam- menhange der weiteren Bäume der Leibeshöhle mit. dem Gefässsysteme 25* 388 U. 7. Mollusken. erscheinen diese Strecken der Blutbahn als Lacunen; bei fortgesetzter Theilung dieser Räume, sei es durch eingelagerte Organe, oder durch die Wandungen verbindende Gewebszüge , gehen sie in enge oft gefässartige Canäle über, welche oftmals eine regelmässige Anordnung aufweisen. Bei Lamellibranchiaten und Gasteropoden finden sich hiefür vielfach ab- gestufte Beispiele, indess bei den Cephalopoden das sehr vollkommene Blutgefässsystem rein lacunäre Räume grösstenteils auf den Eingeweide- sack beschränkt bestehen lässt. Durch die Excretionsorgane (§ 289; com- municirt die Leibeshöhle wie bei vielen Würmern mit dem umgebenden Medium. Daraus entspringt eine Aufnahme von Wasser mit Zumischung desselben zum Blute. Ausser den durch die Excretionsorgane vermittelten Verbindungen nach aussen , be- stehen noch besondere directe Communicationen durch Oeffnungen am F u s s e bei Lamellibranchiaten und Gasteropoden, wodurch der Auslass von Leibeshöhlenflüssigkeit besorgt wird. Solches ist sowohl bei Lamellibranchiaten (Mactra, Cardium,' Solen) wie Gasteropoden Pyruläf mit Sicherheit nachgewiesen. Jene Flüssigkeit empfängt eine besondere Bedeutung für die Locomotion, indem das Thier durch Wassereinlass seinen Körper zu schwellen im Stande ist. Zurückgezogene Theile vermögen dadurch hervorgestreckt, schlaffe. in den Zustand der Erection gesetzt zu werden, und die gesammte Muskulatur der Leibes- wand, vorzüglich jene des Fusses, vermag in grössere Wirksamkeit zu treten. Die Hervorstreckbarkeit gewisser in die Schale zurückgezogener Theile, besonders des Fusses, beruht auf diesen Beziehungen, die für La- mellibranchiaten und Gasteropoden, auch bei Pteropoden genauer gekannt sind , indess die Einfuhr von Wasser in die Blutbahnen bei den Cephalo- poden noch nicht völlig sicher ist. Gefässsystem. § 284. Das Gefässsystem der Mollusken bietet, mit Ausnahme der Scapho- poden, in allen wesentlichen Punkten eine übereinstimmende Anordnung dar. Diese besteht erstlich in dem Vorkommen eines dorsalen Längs- stammes, an dem ein Abschnitt zu einem Gentralorgan Herzkammer) ausgebildet ist. Zweitens stehen mit dem Längsstamme Quergefässe in Verbindung, welche bei dem Vorkommen lateraler Kiemen von diesen das Blut zum Herzen führen und gleichfalls zu Organen der Blutbewe- gung differenzirt sind, indem sie zur Herzkammer sich als Vorhöfe verhalten. In dieser dorsalen Entfaltung der Haupt- theile des Circulationssystems ist eine Uebereinstimmung mit dem Gefäss- apparate der Würmer zu sehen (vergl. S. IT!) . Die symmetrische Anordnung der Vorkammern bei einander sonst sehr ferne stehenden Abtheilungen lehrt darin eine tiefer begründete Gefässsystetp. 3S9 Eigentümlichkeit kennen, und durch das Bestehen von zwei Paaren hinter einander in die Kammer mündender Vorkammern bei den tetra- branchiaten Cephalopoden gibt sich sogar eine Metamerenbildung des Gefässapparates zu erkennen, wie sie bei den gegliederten Würmern durch die mehrfachen Querstamme ausgedrückt wird. Diese Gefässe besitzen hier noch soviel ihrer ursprünglichen Natur, dass man sie nicht als Vorhöfe des Herzens, sondern als Kiemenvenen be- zeichnet hat. Aus der Homologie der zwei Vorhofpaare mit zwei Querstämmen eines Dorsalgefässes (Fig. 195^4 und B ergibt sich ein primitiver Zu- A t ac ac\ r i - -^ a Fig. 195. Schematische Darstellung zur Vergleiehung der C irculati onsc e ntr en bei denMollus. ken. A Theil des Dorsalgefässstanimes und der Querstämme eines Wurmes. B Herz und Vorhöfe von Nautilus, C eines L araelli branchiate n oder Loliginen , D eines Octo pus. £ Herz und Vorhof eines Gas tero p öden, v Herzkammer, a Vorkammer, ac Arteria cepbalica. ai Arteria abdominalis. Die Pfeile zeigen die Richtung des Blutstroms. stand, der, die Nautiliden charakterisirend, auch mit den palaeontolo- gischen Beziehungen derselben zu den übrigen lebenden Cephalopoden im Einklang steht. Das Vorkommen nur eines Vorhofspaares erscheint dagegen als Bückbildung (Placophoren , dibranchiate Cephalopoden , La- mellibranchiaten und manche Gasteropoden), welche der Beduction der Kiemen entspricht. So finden wir also den Schlüssel zum Verständniss der Kammer- und Vorhofsbildungen bei den Mollusken, durch die Ver- gleichung mit einem indifferenteren Apparate. Wie ein Abschnitt des Dorsalgefässes zur Herzkammer umgewandelt ist, so bilden die davon ausgehenden Fortsetzungen Arterienstämme, die man da, wo sie ihren ursprünglichen Verlauf behalten haben , als vordere und hintere Aorta (Aorta cephalica und Aorta intestinalis oder abdominalis) unterscheidet (B C) . Eine wichtige Lageruugsveränderung erscheint bei einerii Theile der Cephalopoden, den Octopoden (D), wo der Stamm des Dorsalgefässes eine schlingenartige Krümmung vollführt hat, so dass beide arterielle Ab- schnitte («c und ö() noch eine Strecke weit in Einer Bichtung verlaufen. Dadurch nähern sich ihre Ursprungsstellen aus der Kammer. Aus einem ähnlichen Verhalten ist der Circulationsapparat jener Gasteropoden ableit- bar, bei denen der Ursprung eines einzigen Arterienstammes aus der Herzkammer charakteristisch ist [E). Dieser Eine Arterienstamm theilt sich in zwei in ihrem Verbreitungsbezirke genau den beiden Arterien- 390 II. 7. Mollusken. stammen entsprechende Aeste [ac und ai), die bei den Cephalopoden und Lamellibranchiaten aus den beiden Enden der Kammer hervorgehen. Erstere dürften somit aus den beiden ursprünglich in der Richtung Einer Axe gelagerten Arterienstämmen entstanden zu betrachten sein. Die schliessliche Reduction der Vorhöfe auf Einen leitet sich gleichfalls von einer Rückbildung der Kiemen ab, und verbindet sich mit der Vereini- gung des vorderen und hinteren Arterienstammes. Kammer und Vorkammer erscheinen somit aus differenten Abschnitten eines primitiven Gefässapparates hervorgegangen, der eine metamere Ein- richtung; erkennen und im Zusammenhalte mit den Besten der Metamerie des Nervensystems (S, 363) für den Molluskenstamm gegliederte Orga- nismen als Vorfahren voraussetzen lässt. § 285. Das Herz der Placophoren und Lamellibranchiaten Tig. 4 96 v) liegt in der Medianlinie des Körpers dicht unter dem Rücken von einem Peri- cardium umhüllt und von zwei seitlichen Vorhöfen (a) Blut empfangend, während vorne und hinten die oben erwähnten arteriellen Gefässstämme aus ihm entspringen. Bei den Placo- phoren ist die Lage des Herzens ziem- lich weit hinten , so dass der vordere Arterienstamm von bedeutender Länge istT Bei den meisten Muschelthieren spaltet sich das Herz in zwei den End- darm ( i) umfassende Schenkel , die nach ihrer Vereinigung die vordere Körperarterie (Aorta) hervorgehen lassen. Dieses Durchbohrtsein vom Enddarm steigert sich bei Area zu einer Duplicität der Herzkammer, in- dem diese durch zwei vollständig von einander getrennte Kammern, jede mit einem Vorhofe versehen , dargestellt wird. Jede Kammer entsendet eine Aorta, die sich vor einer ferneren Ver- zweigung mit der anderseitigen ver- einigt, so dass also dennoch ein ein- facher Arterien-Hauplstamm entsteht. Dasselbe gilt auch von dem hinteren Arterienstamme. Von den beiden Arterienstämmen verläuft der vordere bis in die Gegend des Mundes , um hier unter Verzweigungen sich in weile Blut- räume zu öffnen. Auch der hintere Arterienstamm , dessen Längen- entwickelung von der Ausbildung der hinteren, die Siphonen darstellen- den Manteltheile abhängig ist, geht schliesslich in Bluträume oder La- eunen über. Fig. 196. Senkrechter Querschnitt einer Anodonta. v Herzkammer, a Vorhöfe. p p' Pericardialhöhle. i Enddarm, m Mantel. br br' Kiemen. / Fuss. ^, -N^ww-.i ,.< ■ ■ • Ol Gefässsystem. 391 Solche wesentlich von Bindegewebe abgegrenzte Räume verzweigen sich nicht allein im Mantel, sondern finden sich auch zwischen den Ein- geweiden. Je nach ihrer Weile sind grössere oder kleinere Blutbehälter unterscheidbar, welche sowohl ein Capillar-, als ein Venensystem ver- treten. In regelmässigem Vorkommen bestehen grössere Sinusse an der Kiemenbasis , und ein mittlerer unpaarer, die Venenräume des Fusses sammelnder, erstreckt sich der Länge nach zwischen den beiden Schliess- muskeln. Alle diese Bluträume stehen unter sich in Zusammenhang und bilden ein in den verschiedenen Theilen verschieden weites Maschen- werk. Die beiden seitlichen Räume communiciren auch noch mit dem Bojanus'schen Organe (§ 290). Verfolgt man die übrigens in manchen Punkten noch nicht sicher gestellte Bahn . welche das aus den Arterien peripherisch vertheilte Blut zurücklegt, so trifft man einen Theil davou auf dem Wege zum Mantel, einen andern Theil zu dem Eingeweidesack. Von da strömt es theils in die Kiemensinusse und von hier aus entweder direct in die Kiemen, oder erst auf Umwegen durch die Bojanus'sche Drüse zu den Athmungsorganen. Letzteren Weg passirt die Hauptmasse des Blutes. Da aber zwischen den Blutbehältern an der Kiemenbasis und den Vorhöfen des Herzens auch noch eine directe Communication besteht, so wird ein, wenn auch kleiner Theil des Blutes, ohne in die Kiemen gelangt zu sein, zum Herzen zu- rückkehren. Hierzu kommt noch das Blut aus dem Mantel, welches sleich- falls direct in die Vorhöfe eintritt, jedoch wegen der respiratorischen Function der Mantellamellen nicht absolut als Venenblut betrachtet wer- den kann. Da in die Vorhöfe auch alles aus den Kiemen kommende Blut aufgenommen wird, so gelangt die ganze Blutmasse auf verschiedenen Wegen schliesslich wieder zur Herzkammer. Bemerkenswerth ist das Verhältniss des Kreislaufs zu den Bojanus- schen Drüsen. Diese Absonderungsorgane sind dem in die Kiemen tre- tenden, somit venösen Blute in den Weg gelegt, so dass durch sie eine Art Pfortaderkreislauf sich einleitet. § 286. Bei den Gasteropoden besitzt das gleichfalls von einem Pericardium umschlossene Herz bei manchen noch zwei seitliche Vorkammern (Halio- tis; Fissurella, Nerita) . Auch bei Trochus bestehen diese noch, die linke befindet sich aber im Zustande der Beduction, und bei den übrigen Gaste- ropoden ist, wie auch bei den Pteropoden, nur Eine Vorkammer vorhan- den (Fig. 197t^ Die Rückenlage des Herzens ist durch die asymmetrische Entfaltung des Eingeweidesackes modificirt; immer findet es sich den Athmungsorganen benachbart, gegen welche die dünnwandige Vorkam- mer gerichtet ist. Sie findet sich also bei den Prosobranchiaten nach vorne, bei den Opisthobranchiaten nach hinten gekehrt. Die bei Lamelli- branchiaten bestehende Beziehung zum Enddarme trifft sich bei manchen 392 H. 7. Mollusken. Prosobranchiaten wieder (Turbo, Nerita, Neritina), und seht sogar in eine Theilung der Kammer über (Haliotis, Fissurella, Emarginula). Fig. 197. Organisation von Palndina vipipara. c Kopf, t Tentakeln, p Fuss. op Operculum. o Auge, a Hörorgan, n Cerebralganglion. n' Pedalganglion, n" Kiemenganglion, n'" ßuccalganglion. (Die Commissur vom Cerebralganglion ist nicht dargestellt.) pli Pharynx, oe Speiseröhre, br Kiemen. r Niere, s Venöser Sinus, sv Venöser Sinus an der Kiemenbasis. / Kiemenarterie. at Vorhof des Herzens, ti Herzkammer, dp Hintere Arterie (Eingev.eidearterie). aa Vordere Arterie. (Nach Letdig.) Von der Kammer entspringt eine Körperarterie, die eine rückwärts verlaufende Eingeweidearterie (ap) abgibt, während der Stamm als Aorta cephalica [aa) sich fortsetzt. Diese verläuft gerade zum Vordertheile des Körpers und sendet meist einen starken Ast zum Fusse , der zuweilen als Fortsetzung des Hauptstammes erscheint. Ausserdem gibt sie auf ihrem Wege häufig noch Aeste zum Magen, zu den Speicheldrüsen u. s. w. und endet entweder einfach oder unter wiederholten Verzweigungen in der Nähe des Pharynx. Einen grössern Verbreitungsbezirk hat sie bei den Pteropoden, bei welchen der Fussast als die Fortsetzung des Hauptstam- mes erscheint, und im Kopfe in zwei grosse, in reichlicher Verzweigung in die Flosse eintretende Endaste sich spaltet. Die der hinteren Arterie der Lamellibranchiaten entsprechende Eingeweidearterie zeigt bei den Pteropoden und niederen Gastropoden nur geringe Verästelungen. Sie löst sich, wie die Kopfarterie, in grössere Bluträume auf. Sehr entwickelt und vielfach verzweigt erscheint sie bei den meisten Prosobranchiaten (op , auch bei manchen Tectibranchiaten besteht sie (Pleurobranchus), bei anderen dagegen wird sie durch mehrere kleinere Arterien vertreten (Aplysia). Zweige des Hauptstamms repräsentiren die Eingeweidearlerie bei Nudibranchialen (Doris). rif, /"-*. Die rückführenden Wege sind nach der Zahl , Form und Lagerung der Athmungsorgane verschieden. Bei manchen Nudibranchiaten sammelt sich das Blut aus der Körperhöhle in der Nähe des Vorhofs. Bei anderen, mit Gefässsystem. 393 distincten Athmungsorganen versehenen, bestehen bestimmte Canäle oder sogar mit besonderen Wandungen versehene Gefässe , welche das Blut aus den venösen Bahnen zu den Athmungsorganen hinführen. Von diesen tritt es im einfachsten Falle, ohne Dazwischentreten von Kiemenvenen, zum Vorhofe über. Dies ist auch bei den meisten Pteropoden der Fall. Bei reicherer Entwickelung der Kiemen sammelt sich das rückkehrende Blut in besondere Venenstämme, welche einzeln oder vereinigt in den Vorhof münden. Die Anordnung dieser Kiemenvenen ist immer der Ausdehnung wie der Lage der Kiemen angepasst. Bei vielen Nudibranchiaten (Aeolidia, Scyllaea, Tritonia;, gehen von den Kiemen wirkliche Gefässe ab, welche sich zu grösseren Stämmen vereinigen und einen me- dianen oder zwei seitliche Kiemenvenenstämme her- stellen, die sich mit dem Vorhofe des Herzens verbin- den. Bei Vertheilung der Kiemen über eine grössere Körperoberfläche ist dies rückführende Kiemengefäss- system ausgebildet , bei Beschränkung der Kiemen dagegen reducirt (Doris , Polycera) . Ersteres Ver- halten ergibt sich z. B. bei Tritonia (Fig. 198f, bei der zwei laterale Kiemenvenenstämme (ss) durch einen Querstamm zum Herzen führen. Der Quercanal bildet eine Art von doppeltem Vorhof (a) , der jedoch nur mit Einem Ostium in die Kammer (v) mündet. Die Wege, auf welchen das Blut zu den Kiemen gelangt, sind immer auf einem grösseren oder kleineren Abschnitt lacunär. Bei manchen Opis- thobranchiaten sammelt es sich aus der Leibeshöhle in Canäle, die im lntegumente verlaufen, von wo es in die Kiemen vertheilt wird. Dahin gelangt jedoch nicht alles Blut, ein Theil wird, nachdem er in der Haut sich vertheilte, zum Herzen zurückgeführt. Bei Helix und Limax sind die in die Athemhöhlenwand tretenden Bluträume, also schon das zu den Athmungsorganen führende Canal- system , gefässartig ausgebildet. Sie lösen sich hier in ein reiches Netz auf, aus welchem mehrere grössere, bestimmter abgegrenzte Stämme hervorkommen und sich zu einer in den Vorhof tretenden »Lungenvene« vereinigen. Man kann sich das Netz der Lungengefässe auch als einen grossen, in der Lungenwand ausgedehnten Blutsinus vorstellen, der von Stelle zu Stelle von Substanziuseln unterbrochen wird. § 287. Der Herz der Cephalopoden liegt im Grunde des Eingeweidesackes, durch eine rundliche oder quer-ovale Kammer gebildet (Fig. 195. B. C, Fig. 199. c), welche ebenso viele Kiemenvenen aufnimmt, als Kiemen Fig. 198. Ein Theil der Cireulationsorgane von Tritonia. s Venen- sinusse , geöffnet. Die Wand ist von Mündungen der Kiemenvenen durch- setzt, v Herzkammer. 394 II. 7. Mollusken. ff vorhanden sind. Bei Nautilus münden demnach vier , bei den übrigen Cephalopoden zwei Kiemenvenen in die Herzkammer. Vor der Einmün- dung zeigen die Kiemenvenen zumeist eine beträchtliche Erweiterung (Fig. 199. v. br), die der Vorkammer der Gastro- poden und Lamellibran- chiaten homolog ist. Vom Herzen entspringen regel- mässig zwei Arterien- stämme : ein stärkerer, der gerade nach vorne ver- läuft, Arteria cephalica (Fig. 199. a), und entfern- ter davon ein meist nach hinten gerichteter kleinerer Stamm , Arteria abdomi- nalis (a'j. Aus dieser all- gemeinen Anordnung geht die Uebereinstimmung mit den beiden anderen Gas- sen klar hervor und es besteht namentlich zu je- nen Mollusken ein en- gerer Anschluss, welche durch die Duplicilät der Vorkammern sich aus- zeichnen. Die Arteria cephalica gibt vor Allem starke Zweige an den Mantel, einige auch an den Trac- tus intestinalis , sowie an den Trichter; im Kopfe angekommen , entsendet sie die Augenarterien, ver- sorgt die Mundtheile und spaltet sich nach der Anzahl der Arme in grössere Aesle. Bei einigen Cephalopoden gehen die Armarterien aus einem um den Anfangstheil der Speiseröhre gebildeten Binggefässe her- vor. Die Arteria abdominalis bietet grössere Verschiedenheiten ; während sie bei den Sepien (Fig. 202. «') und Loliginen der Arteria cephalica gegenüber entspringt, und damit ganz ähnliche Beziehungen besitzt wie die Eingeweidearterie der Lamellibranchiaten, tritt sie bei den Octopoden neben der Aorta vom vordem Umfange des Herzens hervor (Fig. 199), und vertheilt sich sehr bald in mehrere Aesle für das Darmrohr und die Geschlechtswerkzeuge. Bei den Loliginen dagegen gibt sie noch zwei Aeste Fig. 199. Anatomie von Octopus. Mantelhöhle und Ein- geweidesack von der Bauchseite geöffnet, ph Schlundkopf. gls. s Obere Speicheldrüsen, 'gl s i Untere Speicheldrüsen. o Auge. » Trichter, br Kiemen, ov Ovarium. od Eileiter. c Herz. v. br Kiemenvenen, a Arteria cephalica. vc Hohl- venen, a v Venenanhiinge. (Nach Milne-Edwauds.) Gefässsystem. 395 für die Flossen ab, an welchen bei Ommastrephes noch eine besondere Erweiterung (vielleicht ein Hilfsorgan des Kreislaufs; beobachtet wurde. Der Uebergang der letzten Arterienverzvveigungen in Venen wird durch ein überall reichlich entwickeltes Capillarsystem hergestellt. Dieses vertritt wenigstens im grössten Theile des Körpers die bei den Anderen verbreitete lacunäre Blutbahn, und erscheint als eine Differenzirung der- selben. Die aus den Capillaren hervorgehenden Venenwurzeln sammeln sich in grössere Stämme, welche bald als wirkliche Venen erscheinen, bald in mächtige Räume ausgedehnt sind und so den Uebergang zu blossen La- cunen bilden. Bezüglich der specielleren Verhältnisse des Venensystems ist die Vereinigung der Armvenen in einen im Kopfe gelegenen Ringsinus anzuführen; dieser nimmt auch benachbarte kleinere Venenstämme auf und sendet einen grossen Blutcanal (Vena cephalica, auch als grosse Hohl- vene bezeichnet) (Fig. 202. u'c), abwärts in die Gegepd der Kiemen. Hier theilt er sich bei den Dibranchiaten in zwei, bei den Tetrabranchiaten in vier Venenstämme (Kiemenarterieu), welche nach Aufnahme anderer, vom Mantel und den Eingeweiden kommender Venen [vc") sich zur Kie- menbasis begeben. Bei den Dibranchiaten bildet sich an den Kiemen- arterien durch Hinzukommen eines Muskelbeleges ein contractiler Ab- schnitt, das Kiemenhe rz (Fig. 202. vc'), welches durch rasche Pulsa- tionen als Hilfsorgan des Blutkreislaufs sich bemerklich macht. Vor die- sem Kiemenherzen sind an der Kiemenarterie noch besondere Anhangs- gebilde angebracht, Ausstülpungen der Gefässwandungen, welche von dem in die Kiemen tretenden venösen Blute in gleicher Weise bespült werden , wie die Bojanus'schen Drüsen der Muschelthiere (s. Excretions- organe § 289). Wenn man auch in den erwähnten venösen Blutbehältern ein mit geschlossenen Wandungen versehenes Venensystem erkennen darf, so fehlen doch wirkliche Blutlacunen nicht. Sie zeigen sogar eine Verbrei- tung ähnlich wie bei den übrigen Molluskenclassen. Einen solchen Blut- raum stellt die Leibeshöhle vor; sämmtliche in ihr liegende Organe wer- den vom Venenblut gebadet. In diesen Blutraum münden verschiedene Venen ein, und ausserdem steht er durch zwei Canäle mit der grossen Hohlvene Vena cephalica] in Verbindung. Milne-Edwards et Valenciennes, Nouv. obs. sur la constit. de l'appareil de la circulation chez les Moll. Mein. Acad. des Sc. T. XX. u. Milne-Edw... Voyage en Sieile. T. I. § 288. Die Blutflüssigkeit der Mollusken ist in der Regel farblos, häufig mit einem bläulichen oder opalisirenden Schimmer. Doch spielt sie bei manchen Cephalopoden ins Violette oder Grüne, und einige Gasteropoden (Planorbis) besitzen rothes Blut, dessen Färbung vom Plasma herrührt. 396 H. "<■ Mollusken. Die Formbestandtheile der Blutflüssigkeit sind in allen Fällen farblos, erscheinen als indifferente Zellen, deren amöboide Bewegungen, wie bei JVIuschelthieren und Schnecken bekannt ist, mancherlei pseudopodienartige Fortsatzbildun«en auftreten lassen. Ein bei Cephalopoden längs der Kiemenarterien sich erstreckendes vs ulstförmiges Organ ist noch räthselhaft. Vielleicht liegt in ihm ein Organ vor, welches für die Entstehung der Formelemente des Blutes Bedeutung besitzt. Excretioiisorgane. § 289. Ausser den mancherlei bereits bei dem Integumente aufgeführten Organen, welche der Excretion dienen, bestehen noch andere auf der Oberfläche des Körpers mündende Organe, die in jener Hinsicht eine viel wichtigere Rolle spielen. Bei den Placophoren besteht ein nahe am After ausmündendes drü- siges Excretionsorgan , von dem jedoch ungewiss ist, ob es mit dem der Conchiferen vergleichbar. Innere Mündungen sind nicht bekannt gewor- den. Wir müssen daher dieses Organ für jetzt noch ausser der Reihe stehend betrachten, in welcher diese Organe sonst sich darstellen. Diese typischen Exe retionsorgane der Mollusken sind den unter den Würmern verbreitet getroffenen Organen homolog, die dort als nierenartige bezeichnet wurden, und bei den Annulaten als Schleifencanäle erscheinen. Sie beginnen auch bei den Mollusken mit einer äusseren Oeffnung und münden nach kürzerem oder längerem Wege in die Leibeshöhle aus. Die innere Mündung ist meist durch besondere Vorrichtungen, am häufigsten, vielleicht allgemein, durch Wimperbesatz ausgezeichnet und erinnert da- mit wieder an die Wimpertrichter der Schleifencanäle der Würmer. Die Organe vermitteln eine Communication der Binnenräume des Körpers mit dem umgebenden Medium. Dadurch dienen sie der Wassereinfuhr in den Körper und können auch, wie ihre Homologa bei den Würmern, noch manchen anderen Verrichtungen vorstehen. Zu diesen gehört die Beziehung zu den Geschlechtsorgauen , die bei einem Theile der Lamellibranchiaten noch nachweisbar ist, und auch für die Cephalopoden die Hypothese be- gründet, dass die Ausführwege der Geschlechtsproducte aus solchen Excre- tionsorganen entstanden. Ihre Beziehung zur Excretion ist daher keines- wegs exclusiv. Wo die letztere ihnen zugetheilt ist, treffen wir an den sonst einfacheren Canälen Umbildungen hinsichtlich der Wandungen , an denen ein drüsiger Bau sich erkennen lässt. In solchen Fällen können sie zufolge der chemischen Constitution ihrer Producte als »Nieren« betrachtet werden. Die mikroskopische Untersuchung weist dann Secretionszellen Excretionsorgane. 397 nach , mit einem aus granulären oder concentrisch geschichteten Concre- menten gebildeten Inhalt, wie solche auch in den Harnausscheidungen anderer Thiergruppen eine grosse Rolle spielen. Die innere Mündung führt, wo sie nachgewiesen ist, in den Pericar- dialsinus, dessen Wand sie durchbricht. Wenn das Excretionsorgan von einem Schleifencanale ableitbar ist, so wird in hohem Grade wahrschein- lich, dass die Wand jenes Pericardialsinus aus einem Dissepiment hervor- ging, wie solche bei Anneliden gleichfalls die Mündungen der Schleifen- canale tragen. Für die festere Begründung dieser Auffassung fehlen indess noch manche Thatsachen, zumal solche, welche die an jenem fraglichen Dissepimente vor sich gegangene Lageänderung erklären können. § 290. Bei den Lamellibranchiaten ist das Excretionsorgan unter dem Namen der Bojanus'scben Drüse bekannt, und liegt als eine stets paarige, zuweilen in der Mittellinie zu Einer Masse verschmolzene Drüse an der Rückseite des Körpers, der Kiemenbasis zunächst. Seine Substanz wird von einem gelblich oder bräunlich gefärbten schwammigen Gewebe gebil- det, dessen Maschenräume häufig zusammenfliessen und meist einen grösseren centralen Hohlraum darstellen. Aus diesem führt jederseits eine Oeffhung in den Herzbeutel, eine andere stellt den Ausführgang vor. Dieser liegt entweder in der Nähe der Geschlechtsöffnung, oder ist mit der Geschlechtsöffnung gemeinsam, oder endlich die Geschlechtsorgane öffnen sich in das Bojanus'sche Organ, so dass die Geschlechtsproducte durch letzteres nach aussen entleert werden (Pecten, Lima, Spondylus) . Ver- einigte Ausführgänge besitzen Area und Pinna. Getrennte Oeffnungen für Excretions- und Geschlechtsorgan zeigen Gardium, Chama, Mactra, Pec- tunculus, Anodonta , Unio u. a. Die faltig vorspringenden Wände oder das maschige Balkengewebe des Organes besitzen einen dichten Beleg von Secretionszellen , welche die erwähnten , bis jetzt freilich des charakte- ristischen Auswurfsstoffes der Harnsäure in vielen Fällen entbehrenden Goncremente abscheiden. Ceber die Beziehung zum Gefässsystem siehe S. 391. Die Scaphopoden schliessen sich durch den Besitz eines paarigen Excretionsorganes an die Lamellibranchiaten an. § 291. . In grösserer Mannichfaltigkeit erscheint das Excretionsorgan bei den Gasteropoden. Ein paariges, den Vorläufer der bleibenden Niere bilden- des Excretionsorgan ist bei Pulmonaten nachgewiesen. An ausgebildeten Thieren ist das Organ in der Regel auf einer Seite vorhanden. Diese Duplicität der Anlage deutet auf eineUebereinstimmung mit dem paarigen Organe der Lamellibranchier. Entschiedener erweist sich dieses durch 398 II. 7. Mollusken. die neuerliche Entdeckung eines paarigen Excretionsorganes bei Haliotis, Fissurella und Patella , wobei jedoch das linke mehr oder minder rudi- mentär ist. Die Rückbildung des einen Organs scheint mit Rückbildungen anderer paariger Organe, z. R. der Kiemen, in Verbindung zu stehen. Soweit nähere Untersuchungen vorliegen, mündet es mit einer Oeffnung in den Pericardialsinus, mit einer andern nach aussen. Rei der Mehrzahl der Gasteropoden ist in dem Organe Harnsäure nachgewiesen. Das gilt besonders von den Pulmonaten , deren zwischen Herz und Lungenvenen gelagerte Niere durch die meist weissliche oder gelbliche Färbung sich leicht zu erkennen gibt. Sie besitzt einen blättrigen oder schwammigen Rau und die sie zusammensetzenden Lamellen oder Ralken tragen einen Releg von grossen Secretionszeilen , in denen sich verschieden geformte feste Concretionen bemerkbar machen. Der lange . bei Helix weit hinten beginnende Ausführgang öffnet sich in die Lungenhöhle , die als ein er- weiterter Endabschnitt jenes Ganges erscheint. Rei den Prosobranchiaten liegt die Niere zwischen Kieme und Herz, eine ähnliche Lage besitzt sie bei einem Theile der Opisthobranchier. Ein Ausführgang läuft in der Regel nach vorne und begleitet den Enddarm, neben welchem er häufig nicht weit hinter der Analöffnung ausmündet. Rei manchen Opisthobranchiaten scheint die excrelorische Redeutung zurückzutreten z. R. bei Polvcera , oder es findet eine Abscheidung in flüssiger Form statt. Die Niere erscheint hier ^wie bei Phyllirhoe, Actaeon etc.) in Gestalt eines länglichen glashellen Schlauches, der, nahe am Rücken in der Mitte des Körpers gelegen , sich vom Herzen aus ziemlich weit nach hinten erstreckt. Er besitzt eine mit Wimpern besetzte Oeffnung in den Pericardialsinus und eine andere, contractile, an der Oberfläche des Körpers. Ein von dem Organe ausgehender Rlindsack empfängt bei vielen Opisthobranchiaten eine bedeutende Entfaltung, und geht, secundäre Ausbuchtungen (vergl. Fig. 200 fi) absendend, allmählich in einen verästel- l T > Vi,'. 200. Schema von Doris zur Darstellung des Excretionsorganes R. o Mund. /Lippen. B Buccal- masse. oe Speiseröhre. ! Magen, i Darm, a After, at Vorhof. v Herzkammer. (Nach A. Hancock.) ten Schlauch über. Solche einer verzweigten Drüse ähnliche Rildungen sind bei Doris, Dendronotus, Scyllaea etc. bekannt. Von der pericardialen Mündung {/') her setzt sich ein Canal \R') ins Innere des Schlauches fori. Excretionsorsane. 399 hier sich öffnend [r')} so dass die Communication nach aussen erst auf einem Umwege erfolst. Bei den schalentragenden Pteropoden . ebenso wie bei den Hetero- poden, theilt die Niere, abgesehen von der Uebereinstimmung ihrer bei- den vorerwähnten Mündungen mit jener der Prosobranchiaten die Eigen- tümlichkeit eines spongiösen Baues. Unter den Heteropoden ist sie bei Carinaria mit einem deutlichen Be- lege von Secretionszellen versehen, der bei den anderen durch eine helle Zellenschichte vertreten wird. Das Balkengerüsle der Niere erscheint starr, während es sowohl bei Atlanta als bei den Firolen contractu ist, und energische, Schluckbewegungen ähn- liche Aclionen vollführt. Auch unter den beschallen Pleropoden ist die Niere in dieser Richtung thätig, z. B. bei Chreseis Fiy. 201 re). Da im Falle des Mangels concre- menlhaltiger Secretionszellen die drüsige Natur dieses Organs zweifel- haft ist, darf um so grösseres Ge- wicht auf seine Beziehungen zur Ein- fuhr von Wasser gelegt werden , die in diesen Fällen am bestimmtesten beobachtet ist. Die vom Organe aus- geführten Bewegungen bestehen dann nicht nur in einem Oeffnen und Schliessen des äusseren Osliums, sondern auch in einem Weitertreiben des aufgenommenen Wassers und Mischung desselben mit dem aus dem Körperkreislaufe zu den Ath- mun^sorganen rückkehrenden Blute, in dessen Stromgebiete das Organ immer seine Lage hat. Wenn die Wasseraufnahme durch das Excre- Fig.'201. Organisation von Chreseis. ppDie Flossen, oe Speiseröhre. »Magen, r Enddarm. h Leher. a Vorhof. c Herzkammer, re Niere. x Innere Oeft'nung. x' Aeussere Oeffnung. & Wimperorgan. g Zwitterdrüse, g' Zwittergang. g" ßutheutasche. m Andeutung des Rückzieh- mnskels. tionsorgan nur bei den augeführten Abtheilungen direct beobachtet ward, so ist dadurch noch nicht ausge- schlossen , dass sie bei den übrigen im Wasser lebenden Gasteropoden nicht ebenfalls besiehe. Nur bei den Nephropneuslen dürfte das Verhältniss ein anderes sein, doch besitzt die Niere auch hier ganz ähnliche Beziehungen zum Blutcanalsvstem, da eine 400 II. 7. Mollusken. Entleerung von Blutflüssigkeit durch die Ausmündung der Niere erweis- bar ist. § 292. Die bedeutende Mannichfaltigkeit des specielleren Verhaltens des Ex- cretionsorganes der Gasleropoden lässt es nicht befremdend erscheinen, wenn dasselbe Organ bei den Cephalopoden wieder mit anderen Modifi- cationen auftritt. Bei allen Cephalopoden bestehen in den Eingeweidesack, eingeschlossene Säcke, welche in der Mantelhöhle ausmünden. Da die Ausführwege der Geschlechtsproducte durch die Verbindung ihres die Keimdrüsen umschliessenden Abschnittes mit der Leibeshöhle sich in Uebereinstimmung mit Excretionscanälen zeigen, wird die Entstehung dieser Ausfuhrwege aus ursprünglichen Excretionsorganen wahrschein- lich , so dass dann den Cephalopoden eine grössere Anzahl dieser Organe zukommen musste, von denen nur ein Theil in der primitiven Bedeutung sich forterhielt. Vier solcher Organe finden sich bei Nautilus, zwei bei den Dibranchiaten. Ihre Mündungsstelle liegt zuweilen auf einem papillen- förmigen Vorsprunge (Fig. 178. r). In diese Säcke ra- gen die grossen Kiemen- gefässstämme ein, wodurch die Wandungsverhältnisse sich unregelmässig gestalten. Die Wandflächen dieser Ge- fässe müssen aber, soweit sie in die Säcke einragen, als der Wand des letzteren zugehö- rig betrachtet werden. An den Kiemenarterien bietet die Wand jedes Sackes zahlreiche ins Lumen der letzteren vor- springende ramificirte An- hänge (vergl. Fig. 178. R> Fig. 202. re), welche durch blindgeendigte Ausbuchlun- gen des Gefässes , und einen darauf liegenden Drüsenbeleg gebildet sind. Bei Nautilus sind diese Anhänge der vier Venenstämme mit schlauch- förmigen Drüsen bekleidet, die in den betreffenden Sack geöffnet sind. Wie die an anderen , in den Pericardialsinus ragenden Blutgefässen vor- kommenden Anhänge aufzufassen sind, ist noch räthseihaft. Da jenerSinus indess mit der Mantelhöhle com'municirt , stellen sie vielleicht ebenfalls excretorische Organe vor. Die Dibranchiaten lassen die Venenanhänge Fig. 202. Circulations- und Excretionsorgane von Sepia. br Kiemen, c Herz, a Vordere Körperarterie (Aorta). a' Hintere Körperarterie, v Erweiterungen der Kiemen- venen, Vorhöfe des Herzens darstellend, v' Kiemenvene, an der Kieme entlang verlaufend, vc Vordere grosse Holilvene. vc' Die Kiemenarterien (Aeste der Hohlvenen). vc" Hintere Hohlvenen, re Schwammige Anhänge der Hohlvenenäste. x Ausstülpungen derselben. Die Pfeile deuten die Richtung der Bhitströme an. (Nach J. Huntkk.) Geschlechtsorgane. 401 von etwas anderem Baue erscheinen. Vorwiegend aus phosphorsaurem Kalk gebildete Concremente sind als die Producte dieses Apparates zu be- trachten, der besonders bei den Sepien (Fig. 20 t) eine bedeutende Aus- dehnung , auch auf kleinere Wurzeln jener Venen , besitzt. In dieser Einrichtung steht dieser Secretionsapparat in Beziehungen zu. dem zu den Kiemen tretenden venösen Blutstrom und erscheint damit in denselben Beziehungen wie das Excretionsorgan der Lamellibranchiaten und Cepha- lophoren. Weniger sicher ist eine innere Communication der die excretorischen Venenanhänge bergenden Säcke. Während einige Autoren eine solche mit dem Blutgefässsystem , speciell mit dem Pericardialsinus statuiren, wird dies von andern in Abrede gestellt , so dass diese Apparate noch mancher Aufklärung bedürfen. Hancock, A., On the structure and homologies of the Renal Organ in the Nudi- branchiate Mollusca. Transact. Linnean Soc. Vol. XXIV. Geschlechtsorgane. § 293. Die Fortpflanzung findet bei den Mollusken niemals mehr in einer jener ungeschlechtlichen Formen statt, die wir bei den Arthropoden auf dem Boden geschlechtlicher Differenzirung entstanden sahen. Sie ist aus- schliesslich an die volle Function von beiderlei Geschlechtsorganen geknüpft. Die Entstehung von beiderlei Organen aus verschiedenen Keimblättern ist bei mehreren Abtheilungen erkannt, indem Beziehungen der männlichen zum Ectoderm, der weiblichen zum Entoderm gefunden wurden. Diese Organe bieten für die einzelnen Glassen der Mollusken ziemlich selbstän- dige Einrichtungen , so dass die Ableitung von einer Allen gemeinsamen Grundform nur dann möglich ist, wenn letztere auf einer sehr niederen Stufe der Differenzirung gesucht wird. Bei den Placophoren ist eine unpaare Keimdrüse vorhanden, von der paarige Ausführgänge zu den seitlich und hinten gelagerten Genital- öffnungen führen. Durch discrete Ausführwege stellt sich die Einrichtung über jene der Lamellibranchiaten. Eine Trennung der Geschlechter scheint bei der Mehrzahl vollzogen. Die Vereinigung beider Geschlechter in einem Individuum findet sich bei den Lamellibranchiaten nur auf einzelne, von einander ziemlich ent- fernte Gattungen, oder auch einzelne Arten beschränkt, welche dadurch den Ueberrest eines vordem der ganzen C lasse zukommenden Verhaltens repräsentiren. Bei den Austern besteht sogar noch ein Uebergang in die geschlechtliche Trennung darin, dass die bezüglichen Organe eines Indi- viduums nicht gleichzeitig, sondern alternirend bald nur als männliche, bald nur als weibliche thätig sind. Die Keimdrüsen sind paarig, auf beide Seiten vertheilt, münden auch getrennt von einander aus. Meist nehmen Gegenbaur, Grundiiss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 2ß 2^ 402 II. 7. Mollusken. sie einen grossen Theil der Leibeshöhle ein, oft anderen Organen innig verbunden. In dem Verhalten von beiderlei Keimdrüsen unter den Zwittern eeben sich stufenweise Verschiedenheiten zu erkennen , den Weg bezeichnend, auf welchem die Trennung der Geschlechter vor sich ging. Bei einigen (z. B. bei Ostrea) ist die Keimdrüse Zwitterorgan im vollsten Sinne des Wortes. Ei- und samenbildende Follikel sind mit einander vereinigt, und die Ausführgänge für beiderlei Producte gemeinsam. Auch bei Pecten (P. varius) besteht noch das letztere Verhalten, allein die Keimdrüse selbst ist in einen männlichen und einen weiblichen Abschnitt gesondert. Er- sterer liegt vorne und oben, der letztere hinten und unten. Indem endlich bei anderen die getrennten Keimdrüsen getrennt ausmündende Ausführ- gänge besitzen, ist die Differenzirung auf einer höheren Stufe ange- langt (Pandora). Bei manchen Gattungen waltet die Zwitterbildung der einzelnen Arten vor, indess andere getrennten Geschlechtes sind (Cardium). Die Ausführgänge der Keimdrüsen sind wenig entwickelt und häufig sitzen die Drüsenläppchen noch nahe an der gemeinsamen Mündung. Da- mit fehlen auch alle accessorischen Organe. Die jederseitige Ausmündung findet auf verschiedene Weise statt. Bald vereinigt sich der Genitalcanal mit dem Excretionsorgane , erscheint damit als eine von letzterem aus- gehende Differenzirung und die Geschlechtsproducte werden durch dieses nach aussen entleert (z. B. Pecten, Lima, Spondylus), bald vereinigt sich der Genitalcanal erst mit der Mündung jenes Organes (z. B. Area, Mytilus, Pinna), bald endlich mündet der Genitalcanal für sich auf einer besonde- ren Papille (z. B. bei Ostrea, Unio, Anodonta, Mactra, Chama). Aus diesen Thatsachen ergibt sich, dass der exeretorische Apparat auch hier für die Herstellung der Ausführwege der Geschlechtsproducte eine bedeutungsvolle Bolle spielt. Der ins Excretionsorgan mündende Genitalcanal erscheint dabei als eine zu den Keimstätten der Zeugungs- stoffe ausgedehnte Differenzirung und die stufenweise erfolgende Tren- nung des Genitalcanals vom Excretionsorgane drückt eine weiterschrei- tende Sonderung aus, welche zu einer vollständigen Ablösung des Genital- canals, und damit der Geschlechtsorgane vom Excretionsorgane führt. Dieses bei den höheren Mollusken allgemein vorliegende Verhalten wird also von einer primitiven, functionellen Verbindung der Geschlechtsorgane mit den Excretions- organ en abzuleiten sein, welche Beziehung später nur in der be- nachbarten Lagerung der äusseren Mündungen dieser Organe sich spur- weise ausdrückt. Indem die Lamellibranchiaten die Wege zeigen, auf denen die Diffe- renzirung der Ausführgänge der Geschlechtsorgane geschah, entfernen sie sich in diesen Beziehungen nicht so gar weit von den Würmern oder den Brachiopoden, von denen ein Theil noch ähnliche Beziehungen aufweist, indess ein anderer, mit grossen und anscheinend selbständigen Gomplica- Geschlechtsorgane. 403 tionen der Ausführapparate ausgestattet (Plattwürmer), eine Aufklärung über diese Frage vorerst nur in grösserer Entfernung zeigt. § 294. Die Geschlechtsorgane der Gasteropoden und Pteropoden bieten eine in mehrfacher Weise fortgeschrittene Differenzirung dar. Besteht auch wie bei Lamellibranchiaten eine »Zwitterdrüse« in grosser Verbreitung, so ist der Apparat doch beträchtlich complicirt, und verbindet sich in der Regel sogar noch mit Begatlungsorganen. Ferner erscheint der Geschlechts- apparat immer unpaar, in asymmetrischer Lagerung und Ausmündung, so dass im Vergleiche zu den Lamellibranchiaten eine einseitige Rückbil- dung angenommen werden muss. Die Verhältnisse der Zwitterdrüse sind mannichfacher Art. In allen Fällen setzt sie sich aus zahlreichen Läppchen (Fig. 203. A) zusam- men , welche an ihren äus- serten blinden Enden Ei- Ä keime bilden (a), indess ent- fernter vom Ende Samen- niassen entstehen (6). Diese Stellen sind jedoch nicht von einander getrennt, vielmehr ist der gemeinsame Hohl- raum eines Läppchens die Bildungsstätte der verschie- denen Producte. Somit sind es von Epithelialbildungen ableitbare Zellen, welche an der einen Stelle zu Eiern sich gestalten, an der andern Samenfäden hervorgehen lassen. Diese doppelte Pro- duktion scheint in der Regel keine gleichzeitige zu sein , so dass dasselbe Läppchen oder dieselbe Drüse in dem einen Falle Eier, in dem anderen Sperma hervorbringt. Eine Differenzirung gibt sich an den Läppchen dadurch zu erkennen, dass die eibildenden Theile Ausstülpungen vorstellen [B.a), welche dann an dem samenerzeugenden mittleren Theile (b) rosettenförmig gruppirt sind und wie secundäre Acini sich verhalten. Die Vereinigung der ein- zelnen Läppchen unter einander begründet verschiedene Form Verhältnisse der Zwitterdrüse; so kann jedes Läppchen seinen eigenen Ausführgang besitzen und die gesammte Drüse erscheint als ein reich verästeltes Organ ;f/7*/3(Opisthobranchiaten) ; oder die Acini münden, reihenweise gestellt, an einer Seite eines Ausführganges, wie bei einigen Pteropoden (Cymbulia, Tiedemannia) ; oder sie gruppiren sich in traubenförmige oder lappige Fig. 203. Z witter drüs enf oll ikel von Gastero- poden. A Von Helix hortensis. Die Eier a, a ent- stehen an der Wand des Follikels, nach innen zu die Samen- massen 6. B Von Aeolidia. Die samenbereitende Ab- theilung (b) eines Follikels ist ringsum mit Eiersäckchen (a) besetzt, c Gemeinschaftlicher Ausführgang. 404 II. 7. Mollusken. r Drüsenmassen, die entweder in Mehrzahl auftreten Phyllirhoe) , oder eine einzige mehr oder minder compacte Drüse vorstellen (einige Ptero- poden, wie Pneumodermon, Hyalea, dann die meisten Opisthobranchiaten und Pulmonaten). § 295. Hinsichtlich der Ausführgänge sind bei den hermaphroditischen Gasteropoden folgende Einrichtungen unterscheidbar. 1) Es besteht ein gemeinschaftlicher Ausführgang für Samen und Eier, der somit Vas deferens und Eileiter vorstellt und von der Zwitter- drüse an bis zur Geschlechtsöffnung beiderlei Producte führt. Als Uterus erscheint eine blindsackartige Ausbuchtung , welche auch zur Aufnahme des Begattungsorganes dient. An der Geschlechtsöffnung tritt der Samen entweder direct auf das daneben liegende umstülpbare Begattungsorgan über, oder er wird bei entfernterem Ursprünge des letzteren durch eine wimpernde Binne diesem zugeleitet. Einige Opisthobranchiaten sind mit dieser Einrichtung versehen, die alle thecosomen Pteropoden besitzen. 2) Der Ausführgang der Zwitterdrüse ist nur eine Strecke weit gemeinsam, dann erfolgt eine Theilung, und jeder Canal nimmt seinen besonderen Weg zur Geschlechtsöffnung. Da- bei kann er sich noch mit Nebenapparaten in Verbindung setzen, oder auch einfachere Diffe- renzirungen durch Kalibermodificationen ein- gehen. Letzteres Verhalten bietet auch der ge- meinsame Ausführgang vor seiner Trennung. Sehr häufig erscheint er bei Opisthobranchiaten auf einer grösseren Strecke erweitert, und kann damit für die auszuführenden Zeusun°s- Stoffe als Behälter dienen. Bei den Nephro- pneusten (Fig. 204) besteht am gemeinsamen Ausführgange eine Trennung in zwei Ab- schnitte. Während der obere [ve] aus der Zwilterdrüse (z) kommende einfach ist, er- scheint der untere auf einer ansehnlichen Strecke der Länge nach in zwei Bäume ge- schieden, davon der eine engere, den weitern wie eine Halbrinne begleitend, zur Ausleitung des Sperma dient, indess der weitere («) dem weiblichen Apparate angehört. Er empfängt an seinem oberen Ende eine eiweissabson- dernde Drüse [Ed) und ist bei Helicinen mit Ausbuchtungen besetzt. In diesen empfangen die Eier ihre Umhüllung. Da der andere Canal gegen diesen Uterus (u) zu nicht völlig abge- schlossen ist, besteht eine nur theilweise Tren- Fig. 204. Geschlechtsapparat von Helixhortensis. z Zwitter- dTüse. ve Zwittergang, u Uterus. Ed Eiweissdrüse. d, d Anhangs- drüsen, pc Pfeilsack. Rs Recep- taculum seminis. vd Ausführ- gang des Samens, p Kuthe. ß Peitschenförmiger Anhang. Geschlechtsorgane. 405 nung. Erst am Ende des Uterus setzt sich das Vas deferens als selb- ständiger Canal (vd) zur ausstülpbaren Ruthe (p) fort, die hier einen Ab- schnitt der Ausführwege vorstellt. Die letztere Strecke des Canals liefert eine die Samenmassen zu einem Samenschlauche (Spermatophor) ver- einigende Substanz. Aus dem Uterus geht endlich ein als »Scheide« bezeichnetes Endstück des weiblichen Canals hervor , der zur gemein- samen Geschlechtsöffnung seinen Verlauf nimmt . und noch mehrfache Anhänge (ps. d) tragen kann. Von den letzteren ist (bei den Helicinen ausser einem Receptaculum seminis (Rs) eine Gruppe von grösseren Drüsenschläuchen (d) zu erwähnen, die mit einem dickwandigen Schlauche (ps) in Verbindung stehen. Letzterer ist umstülpbar und ent- hält ein als Abguss seines Binnenraumes erscheinendes spitzes Kalk- Concrement (Liebespfeil) . Bei andern Zwitterschnecken findet die Trennung von beiderlei Wegen in der Regel schon früher statt, und der gemeinsame Canal ist nur unbedeutenden Modificationen unterworfen. Sehr mannichfaltige Modificationen bieten die getrennt verlaufenden Canäle, von denen das Vas deferens bei den meisten Opisthobranchiaten eine ansehnliche Länge besitzt und demgemäss in zahlreiche Windungen gelegt ist. Ehe es zum Begattungsorgan tritt, verbindet es sich häufig mit einer zuweilen weiter oben angebrachten Drüse. Eine geringere Länge besitzt der Oviduct, dem nur selten beträchtliche Erweiterungen zukommen. Dagegen treten am Ende des weiblichen Ausführapparates mehrfache accessorische Ge- bilde auf. Die Mündung von beiderlei Ausführwegen liegt entweder in einem gemeinsamen, meist rechterseits nahe am Vordertheile des Körpers befindlichen Raum (Geschlechtscloake) , oder beide Canäle münden in eine wenig tiefe Buchtung oder auch getrennt von einander auf der Ober- fläche des Körpers aus. § 296. Die Anhangsgebilde des Genitalapparates können nach ihrer Zugehörigkeit in weibliche und männliche unterschieden werden. Von den weiblichen nimmt das Receptaculum seminis eine hervorragende Stelle ein. Es bildet eine rundliche oder birnförmige, mit hohlem Stiele der Scheide inserirte Blase, welche bei der Befruchtung ^den Samen auf- nimmt (Fig. 204 R s). Zuweilen sind zwei solcher Anhänge vorhanden (Pleurobranchusi, die dann auch entfernter von der Scheide, am engeren Oviducte vorkommen können (Doris). Bei den Pteropoden und Opistho- branchiaten besitzt die Scheide eine weite mit faltigen Drüsenwandungen versehene Ausbuchtung, die als Uterus fungirt. Ein besonderes drüsiges Organ mündet in ihn ein, in der Verrichtung der Eiweissdrüse gleich kommend. Wo letztere fehlt, scheint die Uteruswand sie functionell zu vertreten. Endlich ist noch der bei Pteropoden bestehenden Begattungs- tasche zu erwähnen, welche als Ausbuchtung der Scheide erscheint, und bei der Copula den Penis aufnimmt (Hyalea) . 406 II. 7. Mollusken. Aehnliche Organe kommen auch dem männlichen Apparate zu, und erscheinen in der einfachsten Form als erweiterte Stellen oder Blindsack- bildungen zur Ansammlung des Sperma. Die bereits oben erwähnte Ver- längerung des Vas deferens wird functionell hieher zu rechnen sein. So- wohl bei Gasteropoden als Pteropoden sind dergleichen Zustände verbreitet. Ferner gehören hieher die dem Vas deferens angelagerten Drüsenorgane, die man als Prostatadrüsen zu bezeichnen pflegt. Der männliche Apparat steht endlich mit einem Begattungs- organe in Verbindung, welches entweder das modificirte und ausstülp- bare Ende des Samenleiters ist, und im Buhezustande in die Leibeshöhle ragt, oder es ist ein besonderes, des directen Zusammenhanges mit dem Vas deferens entbehrendes Gebilde, welches einen im Buhezustande ein- gestülpten Schlauch vorstellt. Das Organ ist entweder mit der Genital- mündung vereinigt, wie bei vielen Nudibranchiaten, oder liegt getrennt davon. Weit von der gemeinsamen Genitalöffnung entfernt mündet der Penis bei Tectibranchiaten (Aplysia, Bulla, Bullaea u. s. w.) ; eine wim- pernde Binne leitet den aus der Geschlechtsöffnung hervortretenden Sa- men zum Begattungsorgane. Unter den Pteropoden ist der Penis bei Pneumodermon nur durch eine innerhalb der Geschlechtsöffnung liegende Papille vertreten, indess er bei den Thecosomen ein neben der Scheidenöffnung vorstülpbares Ge- bilde repräsentirt. § 297. Bei vielen Zwitterschnecken ist ein Altemiren der Function der Keim- drüse nachweisbar, so dass sie bald als männliches, bald als weibliches Organ sich darstellt. Darin lässt sich die Andeutung einer Trennung der Geschlechter wahrnehmen, welche bei den meisten Prosobran- chiaten vollzogen ist. Ungeachtet der geschlechtlichen Trennung sind unter den Prosobran- chiaten die niedersten Befunde anzutreffen, indem der Apparat bei man- chen nur durch die Keimdrüsen repräsentirt wird. Damit wiederholen sich Verhältnisse, die an die Befunde der Lamellibranchiaten erinnern. Bei Haliotis und Patella fehlen Ausführgänge. Die Keimdrüse scheint wie manchen Lamellibranchiaten, sich durch das Excretionsorgan zu entleeren. Dieses Verhalten hat bei Fissurella durch Verbindung des Ausführganges mit dem Excretionsorgane eine bestimmtere Gestaltung gewonnen. Die Geschlechtsorgane der männlichen und weiblichen Individuen zeigen zumeist eine grosse Uebereinstimmung in dem allgemeinen Ver- halten , so dass oft nur das Vorkommen von Begattungsorganen bei den Männchen gröbere Unterschiede bildet. Männliche wie weibliche Keim- drüsen liegen , ähnlich wie die Zwitterdrüse vieler hermaphroditischen Gasteropoden, zwischen der Leber versteckt, oder doch in der Nähe derselben. Geschlechtsorgane. 407 An den weiblichen Organen entspringt aus dem Eierstocke ein in der Regel gewundener Eileiter, der sich gegen den Enddarm wendet, um dort unter buchtiger Erweiterung einen Uterus darzustellen. Von diesem geht dann eine kurze Scheide zu der in der Nähe des Afters befindlichen Ge- schlechtsötmung. — Accessorische Organe sind bei den getrenntgeschlecht- lichen Gasteropoden nur wenig verbreitet. Wo sie genauer bekannt, be- stehen sie aus einer langgestreckten Samenlasche, die in das Ende des sackartigen Uterus einmündet, mit welchem der Ausführgang einer Eiweiss- drüse verbunden ist (Paludina) . Bei den Heteropoden ist nur die Samen- tasche vorhanden, entweder dem Ende des Uterus angefügt (Atlanta), oder vor dem Uterus mit der Scheide vereinigt (Pterotrachea) . Bei den männlichen Organen verläuft der Ausführgang (Vas deferens) entweder einfach zum Penis, oder er ist mit einer Anschwellung versehen, die als Samenblase fungirt. Das Ende des Vas deferens mündet auf der Oberfläche des Körpers rechterseits nach aussen. Ein Begattungsorgan fehlt bei Haliotis, Patella, Trochus. Sonst besteht es aus einem Fortsatze des Hautmuskelschlauches und stellt einen massiven, breiten, häufig an der Spitze gekrümmten Körper vor, welcher rechterseits am Leibe, oder auch am Kopfe an der Basis des rechten Fühlers, doch auch zuweilen (Heteropoden) in der Nähe des Afters angetroffen wird. Zu diesem Or- gane tritt ein häufig eine Strecke weit auf der Oberfläche des Körpers verlaufender flimmernder Halbcanal , der sich direct auf das Begattungs- organ fortsetzen kann, und auf ihm in Gestalt einer Rinne sich hinzieht (Dolium , Harpa, Strombus) oder das Begattungsorgan als Canal durch- setzt ißuccinum, Littorina, Paludina). § 298. Die geschlechtliche Trennung ist bei allen Cephalopoden durchge- führt. Männliche und weibliche Organe zeigen in der allgemeinen Anord- nung mehrfache Uebereinstimmung; davon ist das Wesentlichste, dass die Keimdrüsen nicht unmittelbar in ihre Ausführgänge sich fortsetzen. Diese Thatsache ist deshalb von Wichtigkeit, weil darin die Ver- wendung eines den Genitalorganen ursprünglich frem- den Apparates angedeutet erscheint. Jedenfalls besteht iu die- sem Verhalten eine ganz andere Einrichtung als bei den Keimdrüsen der Gasteropoden und Pteropoden , bei denen die secernirenden Abschnitte der Drüsen allmählich in die Ausführgänge übergehen (vergl. oben § 292). Bei den Tetrabranchiaten sind die Ausführgänge noch nicht voll- kommen continuirlich. Eileiter wie Samenleiter führen in einen weiteren Baum, aus welchem von neuem eine Fortsetzung jener Wege beginnt. Von den weiblichen Organen wird der Eierstock durch eine gelappte Drüse gebildet, die von einem besonderen Sacke umhüllt und nur an Einer Stelle mit demselben verbunden ist. Der Ausführgang (Eileiter) ist in der Regel nur einfach vorhanden. Bei den Octopoden und bei Loligo 408 II. 7. Mollusken. sagittata findet er sich doppelt (Fig. 199 od od), weist somit auf eine ur- sprüngliche Duplicität hin, die bei den übrigen — selbst bei Nautilus*1' — durch Verkümmerung des einen Oviductes verloren ging. Der Eileiter ist an die Ovarialumhülluug befestigt; die Eier gelangen also erst aus dem von letzterer umschlossenen Räume in den Ausführgang. Die Ausmün- dung des Eileiters findet sich in der Regel im Anfange des Trichters : nur bei denen, deren Männchen mit einem Regattungsarme versehen sind, ist sie weit hinten in der Kiemenhöhle, und dazu bildet eben die Hectoco- tylie eine functionelle Anpassung. Das Oviduct besitzt an einer Stelle einen wulstartig gestalteten, ringförmigen Drüsenbeleg aus radial zur Axe des Eileiters gestellten Schläuchen (Octopoden). Dieselben Drüsen sind bei Nautilus in grösserer Ausdehnung vorhanden, bis nahe an die Mün- dung verbreitet. Wo diese Drüsenorgane fehlen , werden sie durch ähn- liche, dicht an der Mündung gelagerte Secretionsapparate ersetzt. Als accessorische Organe des weiblichen Apparates erscheint ein Paar »Nidamentaldrüsen« benannter Drüsen, die aus länglichen, lamellös gebauten Schläuchen bestehen , welche auf der Vorderseite des Thieres gelagert, ihre kurzen Ausführgänge zur Seite der Geschlechtsöffnung münden lassen. Ihr Secret scheint zum Zu- sammenkitten der Eier zu dienen , welche bei den meisten Cephalopoden in traubenförmige Gruppen vereinigt werden. Vor den Nidamen- taldrüsen trifft man noch ein Paar kleinere, aus dicht gewundenen Schläuchen bestehende Drüsenorgane mit den vorigen wohl von ähn- licher Function. Eine Kapsel (Fig. 205. c). wie sie um das Ovarium sich findet, umschliesst auch den Ho- den (£'), der aus mehrfach verästelten zu einem Rüschel vereinigten Rlindschläuchen sich zu- sammensetzt. Diese sind gleichfalls an die Kapselwand befestigt , so dass auch hier die Keimstoffe erst in die Kapsel gelangen , um in das aus letzterer sich fortsetzende Vas deferens überzugehen. Dieses ist ein vielfach gewun- dener, allmählich sich erweiternder Canal (ve), der damit eine Samenblase vorstellt. In die Wandungen seines erweiterten Abschnittes sind Drüsen eingebettet und in manchen Fällen wird ein Theil der Wand zu einem grösseren Drüsenorgane umgestaltet, so dass diesem Ab- schnitte noch eine andere Function zu Theil wird. Rei verschiedenen Octopoden finden sich noch ein oder zwei dis- crete Drüsenanhänge (g). Alle diese drüsigen Differenzirungen der Wan- dung des Vas deferens liefern ein dem Sperma sich beimischendes , zur Fig. 205. Männliche Geschlechts- organe von Oc top us. V Hoden. c Hodenkapsel, ve Ausführgang. ve' Erweiterung als Samenblase dienend, g' Anhangsdrüse. bN Needham'sche Tasche. (Nach Caküs und d'Ai.ton.) Geschlechtsorgane. 409 Herstellung der eigentümlichen Samenschläuche verwendetes Secret. Aus dem Ende des drüsigen Abschnittes oder nach Verbindung mit den erwähnten Drüsen wird der Samenleiter bedeutend erweitert oder ein- seitig ausgebuchtet (Sepia , Loligo) , welche Modifikation sogar zu einem ansehnlichen Anhangsgebilde (bN) umgebildet sein kann (Octopus) . Diese »Needham'sche Tasche « dient als Behälter für die im drüsigen Theil des Samenleiters geformten Samenschläuche: Spermatophoren. Der übrige Theil des Ausführganges setzt sich in meist gleichmässiger Weise ent- weder in einen papillenförmigen, linkerseits in der Mantelhöhle gelagerten Vorsprung fort (Fig. 178. g), oder mündet an der Basis einer solchen Papille nach aussen. In welcher Weise bei vielen Cephalopoden einzelne Arme in functionelle Verbindung mit dem Geschlechtsapparate treten, ist oben (§ 254) erwähnt. Die bei den Gasteropoden , wie bei andern Abtheilungen meist ver- einzelt vorkommende Erscheinung der Spermatophorenbildung , ist bei der ganzen Classe der Cephalopoden die Begel geworden und erreicht hier ihren vollkommensten Grad. Im Allgemeinen stellt ein solcher Samenschlauch ein langes cylindrisches Gebilde vor, an welchem mehrere Hüllen zu unterscheiden sind. Der Inhalt wird nur zum Theile aus Samen- masse gebildet, denn in jedem Spermatophor findet sich noch eine eigen- thümliche, den hinteren Abschnitt einnehmende Substanz, die wir als explodirende Masse bezeichnen können. Das Sperma wird von einer besonderen Hülle schlauchförmig umgeben und findet sich im vorderen Abschnitte des Spermatophors. Dahinter liegt das vordere, stempeiför- mige Ende eines langen, spiralig aufgewundenen Bandes, welches einen grossen Abschnitt des Spermatophors durchzieht und am hinteren Ende in die äusseren Hüllen übergeht. Die Substanz dieses Spiralbandes ist die explodirende Masse. Mit Wasser in Berührung gekommen, beginnt das Spiralband sogleich sich zu strecken und treibt den samenumschlies- senden Abschnitt zum Vorderende des Spermatophors hervor. Achter Abschnitt, Tunicaten. Allgemeine U e b e r s i c h t. § 299. Indem wir der früher allgemein den Mollusken zugerechneten Ab- theilung der Tunicaten den Werth eines besonderen Thierstammes zu- theilen, setzen wir damit die bedeutenden Eigentümlichkeiten der Orga- nisation dieser Thiere in ihr Recht. Diese Eigentümlichkeiten entfernen sie nicht nur gründlich von allen Glassen der Mollusken , sondern auch von den übrigen Thierstämmen , wenn auch zugestanden werden muss, dass einige, freilich nur entfernte, Beziehungen zu manchen Würmern, den Enteropneusti, bestehen, und dass nicht minder verwandtschaftliche Verhältnisse mit niedersten Vertebraten unschwer zu erkennen sind. Auf diese Beziehungen wird bei jenen zurückzukommen sein , und hier sei nur bemerkt, dass der Mangel einer klar ausgesprochenen Metamerie des Körpers einen Anschluss an die Vertebraten nicht gestaltet, wie auch im- mer Andeutungen einer Bildung von Folgestücken an einzelnen Körper- theilen bestehen mögen. In der Lage der wichtigsten Organe und ihrem primitiven Verhalten prägen sich die Beziehungen zu den Vertebraten am deutlichsten aus. Das Nervensystem nimmt eine dorsale Lage ein. Darunter befindet sich der Darm, dessen vorderster Abschnitt zugleich als Athmungsorgan fungirt. Ein nur einer Abtheilung im ausgebildeten Zustande zukommender, bei anderen im Larvenstadium bestehender beweglicher Anhang des Körpers enthält das Stützorgan, welches mit dem primitiven Axenskelete der Ver- tebraten grosse Aehnlichkeiten besitzt. Als fernerer allgemeiner Charakter kann auch die hyaline Körperliülle gelten, die als »Mantel« oft eine be- deutende Mächtigkeit erreicht. Die einzelnen Abteilungen sind : Copel a ta 1). (Appendiculariae). Oikopleura, Fritillaria. 1) Die vorgenommene Trennung in zwei Classen hat nach deren Bezeichnung den Besitz oder den Mangel eines Ruderschwanzes zur Grundlage. Ich habe das bei- Literatur. 41 1 Acopa. 1) Ascidia e. S im plices. Cynthia, Phallusia. Molgula. Sociales. Clavellina. Compositae. Amarroecium, Botryllus. 2) Luciae. Pyrosoma. 3) Cyclo myaria. Doliolum. 4) T hal i a da e. Salpa. Literatur. Huxley, Observations on the structure of Salpa and Pyrosoma. Transact. Royal Soc. Lond. 1851. — Vogt, C, Recherches sur les animaux inferieures de la mediter- ranee. II. Memoires de l'Institut de Geneve. 1852. — Ganin, Zeitschr. f. w. Zool. Bd. XXV. Copelata: Gegenbaur, Zeitschr. f. w. Zool. VI. — Huxley, Further observations etc. Quarterly Journal of Microscop. sc. 1856. — Fol, H., Etudes sur les Appendicu- laires. Mem. Soc. de physique et d'hist. nat. de Geneve. XXI. Ascidiae: Savigny, Memoire sur les animaux sans verlebres. II. Paris 1816. — Schalck, De ascidiarum structura. Halae 1814. — Milne-Edwards, Observations sur les ascidies composees. Paris 1841. — Eschricht, Videnskab. Selsk. Abhandl. IX. 1842. — van Beneden, Memoire sur l'embryogenie , l'anatomie et la Physio- logie des Ascidies simples. Mem. de l'academie royale de Belgique. T. XX. 1846. — Metschnikoff, E., Ueber die Larven und Knospen von Botryllus. Bull. Acad. des Sc. de St. Petersbourg. T. VI. — Krohn, A., Fortpflanzung von Bo- tryllus. Archiv f. Naturgesch. 1869. — Kowalevsky, Entw. d. einf. Ascid. Mem. Acad. imp. de St. Petersb. VII. Ser. X. — Derselbe, Ueber die Knospung der Ascidien. Arch. f. mikr. Anat. X. — Kupffer, C. , Z. Entw. d. einf. Asci- dien. Arch. f. mikr. Anat. VIII. — Hertwig, R. , Zur Kenntnis des Baues der Ascidien. Jenaische Zeitschr. VII. — Giard, A., Rech, sur les Asc. comp. Arch. de Zool. 1. — Lacaze-Dutbiers, H. de, Les Asc. simples des cötes de France. Arch. d. Zool. 111. Luciae: Kowalevsky, A., Entw. von Pyrosoma. Arch. f. mikr. Anat. XI. — Pan- ceri , P. , Gli organi luminosi dei Pirosomi. Atti del R. Accad. delle Sc. fis. e math. Napoli. V. Cyclomyaria : Krohn, Ueber die Gattung Doliolum. Arch. Nat. 1852. — Gegenbaur, Doliolum. Zeitschr. f. wiss. Zool. 1854. — Keferstein u. Ehlers, Zoolog. Bei- träge. Leipz. 1861. Thaliadae: Eschricht, Undersogelserover Salperne. Kjöbenhavn 1841. ■ — Sars, Fauna litoralis Norvegiae. 1. — Krohn, A. , Ann. sc. nat. III. vi. — Müller, H., Zeitschr., f. w. Zool. IV. — Salensky, Embryonal. Entw. d. Salpen. Z. f. wiss. Zool. XXVII. — Derselbe, Ueber die Knospung der Salpen. Morphol. Jahrb. III. behalten , ohne jedoch auf jenes Merkmal einen Werth zu legen, der ihm nicht zu- kommt; denn auch bei den Acopa besitzen die Larven mancher jenes Ruderorgan. Viel tiefer ist die Scheidung beider Abtheilungen nach dem Verhalten der Spiracula. Bei den Copelaten öffnen sich diese nach aussen. Bei den Acopen sind sie in einen Raum geöffnet, der aus einem Theile der Anlage der Copelaten-Spiracula hervorgeht. Das ist das wesentlichste Charakteristikum. 412 II- 8. Tunicaten. Körperform. § 300. Die Körperform der Tunicaten erfahrt in den einzelnen Abtheilungen so bedeutende Modifikationen , dass diese Zustände, in ihren extremen Befunden betrachtet, kaum verwandt zu sein scheinen. Bei den Cope- laten, den bis jetzt bekannten niedersten Tunicaten, bietet der Körper zwei Abschnitte dar, der eine enthält die wichtigsten Organe, indess der andere einen bedeutend verbreiterten und lancen beweglichen Anhana;. den Ruderschwanz, vorstellt. Den vorderen Körperabschnitt nimmt der Tractus intestinalis, sammt seinem zur Athemhöhle umgewandelten Ab- schnitte ein. Der Darm öffnet sich mit dem ventral gelegenen After nach aussen. Zwei Spalten durchbrechen von der Athemhöhle her die Körper- wand. Im Ganzen herrscht eine bilaterale Symmetrie und demzufolge sind zwei Antimeren unterscheidbar. Der bei den Gopelaten ventral an- gefügte Schwanztheil des Körpers setzt sich ziemlich scharf vom Vorder- theile ab, und gewinnt dadurch mehr das Ansehen eines blossen Anhanges. Wie die früheren Stadien dieses Verhalten darstellen . muss abgewartet werden. Eine diesem Zustande nahe stehende Form besitzen die Larven der Ascidien, bei denen der Schwanz einfach eine Verlängerung des aboralen Körperendes bildet, und darin scheint vielmehr ein ursprünglicher Be- fund sich auszusprechen. Ein ähnlicher Fortsatz kommt auch bei Jungen von Doliolum vor, wodurch auf eine allen Tunicaten gemeinsame Ab- stammung von solchen, mit einem schwanzartigen Körperabschnitte ver- sehenen Formen hingewiesen wird. Bei Doliolum wird mit der Ausbil- dung des Schwimmvermögens durch Modifikation der Athemhöhle etc. das Buderorgan rückgebildet. Bei den Ascidien geht die Freiheit der Bewe- gung unter Bückbildung des Buderorgans verloren. Die ausgebildeten Thiere haben eine festsitzende Lebensweise angetreten. Bei grösserer Complication der Structur des Organismus erscheinen die äusseren Ver- hältnisse einfacher. Der schlauchförmige Körper bietet zwei einander ge- näherte Oeffnungen. Die Eingangsöffnung entspricht jener der Gopelaten. Eine zweite Oeffnung führt in einen als Gloake erscheinenden Baum , der durch eine von den primären Athemspalten ausgehende Umbildung ent- stand. Diese Verhältnisse gelten auch für die höheren Abtheilungen, von denen die Cyclomyarier und Thaliaden als schwimmende, durch die Action ihrer Körperwand sich fortbewegende Organismen erscheinen. Der im Allgemeinen cylindrisch gestaltete Körper besitzt an« einem Pole seiner Längsaxe die Eingangsöffnung . die aus der Cloake führende Oeff- nung ist an den aboralen Pol gerückt. § 301. Complicationen der äusseren Erscheinung der Tunicaten treten mit der bei ihnen sehr verbreiteten ungeschlechtlichen Fortpflanzung auf. Körperform. 413 welche Thierstöcke hervorgehen lässt. Die Sprossung bildet den Grundprocess. Er herrscht bei den Acopa. Bei manchen Ascidien sprosst vom Körper des ausgebildeten Thieres ein neues hervor, indem ersterer einen Ausläufer (Stolo) entsendet, der aus Formelementen des Ectoderms und Entoderms des Mutterthieres gebildet wird. Daraus differenzirt sich allmählich ein dem Mutterthiere gleichartiger Organismus. So entstehen Colonien von Ascidien (Ascidiae sociales) . Bei Anderen erscheint dieser Vorgang in seine einzelnen Stadien zusammengezogen sehr frühzeitig, und dann sprosst an der Körperanlage einer Ascidie eine zweite hervor Didemnum). Dadurch erscheinen zwei Personen mit einander verbunden. Hieraus leiten sich jene Zustände ab, in denen das festsitzende Junge eine Mehrzahl von Personen hervorgehen lässt (Botryllus). Es folgen sich hier mehrere Generationen, die alle aus Sprossung entstehen. Aus der ersten geht eine Knospe hervor, die wie bei Didemnum zwei Personen sprossen lässt, aus denen dann wieder je vier entstehen. Nach dem Untergange des Mutterthieres stehen die acht Sprösslinge durch die Cloake unter ein- ander in Zusammenhang, und bilden eine rosetten förmige Gruppe. Solche und ähnliche Vorgänge produciren jene Thierstöcke, welche die A.compo- sitae vorstellen. Die Vereinigung der einzelnen Gruppen geschieht durch ein dem Integumente angehöriges Gewebe, welches an den einzeln leben- den Personen den sogenannten »Mantel« (äusseren Mantel) darstellt. Durch besondere Gruppirung bilden die Personen der Luciae zapfen- förmige Stöcke. Die Wand des hohlen Zapfens wird von den ascidien- artigen Personen und deren gemeinsamer Umhüllung gebildet. An der Aussenfläche des Zapfens finden sich die Eingangsöffnungen , denen ge- genüber, in den Binnenraum des Zapfens mündend, die Auswurfsöffnun- gen stehen. Die Vermehrung der Personen des Stockes erfolgt durch Sprossung. Die Bildung neuer Thierstöcke wird durch die geschlechtliche Vermehrung vermittelt. Aus dem Eie entsteht ein Embryo, an welchem wieder vier Personen hervorsprossen. Sie bleiben vom Mantel des ersteren umhüllt, und repräsentiren nach ihrer Geburt einen neuen Thierstock. Indem die aus einem Eie hervorgegangenen Personen bei den zusam- mengesetzten Ascidien niemals Geschlechtsorgane entwickeln , da diese vielmehr erst bei den durch Sprossung entstandenen Personen sich bilden, ergibt sich hier die als Generationswechsel bekannte Erscheinung. Was bei den Ascidien vom Körper ausgehende Fortsätze leisten , be- sorgt bei den Cyclomyariern und Thaliaden ein besonderes Organ : der Keimstock (Stolo prolifer) . Er besteht auch bei den Luciae, aber in geringerer Leistungsfähigkeit. Bei den Cyclomyariern erscheint er als ein meist von der dorsalen Körperfläche nahe an der Auswurfsöffnung entspringender Fortsatz; bei den Salpen wie bei den Pyrosomen entsteht er ventral , und bietet nur anfänglich übereinstimmende Momente dar, um, anstatt nach aussen vorzusprossen, auf verschiedene Weise sich innerhalb eines meist in der Nähe des Darmes gelegenen Hohlraumes zu lagern. Auch in seiner Beziehung zur Knospung verhält sich der Keim- 414 II. 8. Tunicaten. stock der Salpen verschieden von jenem bei Doliolum. Bei letzterem sprossen am Keimstocke reihenweise angeordnete, zuweilen sogar dimorphe Knospengenerationen, welche mit dem Keimstocke durch kurze Fortsätze im Zusammenhange stehen. Bei den Salpen entstehen gleich- falls am Keimstocke Sprossen, aber jede derselben umfasst mit ihrer Basis die Hälfte des Umfangs des ersteren , so dass bei der Bildung von zwei Beihen solcher Sprossen, das Material des Keimstockes selbst in den Kör- per der letzteren übergeführt wird. Die Beife der kettenförmig unter einander verbundenen jungen Sprösslinge Fig. 203. n) geht demzufolge mit einer Auflösung des betreffenden Keimstockabschnittes einher. Fig. 206. Ungeschlechtliche Form von Salpa pinnata (solitäre Form). n Nach aussen tretende Embryonen- kette. Fig. 207. Geschlechtliche Form von Salpa pinnata (Kettenform), t Verbindungszapfen, a Eingangsöffnung. b Auswurfsötfnung. (Ganglion, d Kieme. / Herz, h Bauch- furche, r Leberschlauch, vir» Embryo mit Embryonal- organen. (Beide Figuren nach C. Vogt.) Diese Einrichtung führt zu einem »Generationswechsel«, indem die mit solchen Keimstöcken ausgestatteten Formen stets geschlechtslos blei- ben. Aus der Vergleichung der hier stattfindenden Vorgänge mit jenen bei Ascidien ergeben sich in jenen Keimstöcken proliferirende Aus- läufer, ähnlich wie bei den Ascidiae. Ein solcher Ausläufer ist hier auf eine bestimmte Körperstelle beschränkt. Bei Pyrosoma ist ein in den Mantel gerichteter Keimstock vorhanden, an dem je nur eine einzige Knospe sich bildet; daneben bestehen noch Geschlechtsorgane. Es kann also nicht daran gedacht werden , dass der Keimslock zum Geschlechtsapparat ge- hört. Bei den Salpen und Doliolum bilden die Keimslöcke im Gegensatze zu Pyrosoma reiche Generationen von Knospen. Damit trifft aber der Mangel des Geschlechtsapparates zusammen , der als rückgebildet zu betrachten sein wird. Diese sexuelle Bückbildung ist aus der Entfaltung des reichen Sprossungsprocesses am Keimstocke ableitbar. Bei den Salpen sind die Abkömmlinge der ungeschlechtlichen Generation stets Integument. 415 geschlechtlich entwickelt , und so entsteht eine reine »alternatio genera- tionis«, indess bei Doliolum die ungeschlechtliche Fortpflanzung erst nach mehrfachen keimstocktragenden Generationen erschöpft wird. Dennoch nähert sich das Verhalten der Cyclomyarier mehr der ursprünglichen Ascidienknospung ; sowohl durch den äusserlichen Keimstock, als durch die Art der Verbindung der Sprossen mit dem Keimstocke. Der innere Keimstock der Salpen dagegen entfernt sich ebenso durch seine Lagerung von dem Ausgangspunkte, wie durch den Verbrauch des Keimstock- materials durch die Sprossen. Integument. § 302. Die Körperhülle der Tunicaten wird im primitivsten Zustande durch eine aus dem Ectoderm gebildete Zellenschichte vorgestellt. Sie beharrt in diesem Befunde bei den Copelaten , bei denen sie sogar, wenigstens theilweise, die Körperwand zu repräsentiren scheint. Die abgeplatteten Zellen bilden hier eine einzige Laa;e. Dieses einfache Verhalten macht in den höheren Abteilungen einer Complication Platz, indem es sich nur vorübergehend in früheren Entwickelungsstadien vorfindet. Eine von den Zellen des Ectoderms abgesonderte Schichte bildet eine den Körper um- schliessende, als »Mantel« bezeichnete Hülle. Diese Erscheinung ist nicht gänzlich unvermittelt, denn es ist bei manchen Copelaten bereits ein Vor- läufer dazu nachzuweisen. Die Zellen in der Umgebung der Eingangs- öff'nung erreichen nämlich bedeutende Dimensionen und secerniren eine schleimige, aber mit 8er Bildungsstätte zusammenhaftende Substanz, welche, in bedeutender Menge gebildet, allmählich ein den Körper mehr oder minder vollständig umgebendes, napfförmiges Gebilde von relativ beträchtlichem Umfange vorstellt. Es ist von älteren Forschern als »Haus« beschrieben worden, und fungirt als Schutzorgan des Körpers (Oikopleura). Die hier nur an einer beschränkten Stelle der Körperoberfläche sich äussernde secretorische Thätigkeit ist bei den übrigen Tunicaten auf die gesammte Oberfläche ausgedehnt. Ihr Product bildet den äusseren Mantel, der in seinen einfachsten Befunden den Cuticularbildungen sich anschliesst. Indem vom Ectoderm her Formelemente in ihn eintreten, reiht sich das damit entstandene Gewebe den Bindesubstanzen an. Diese anfänglich homogene Schichte wird damit zu einer Intercellularsubstauz. Die in ihr befindlichen Zellen bieten sehr verschiedene Verhältnisse. Häufig erhält dieser Mantel das Uebergewicht über alle anderen Organe, und zeigt sich bei einer gewissen Rigidität auch als Stützorgan für die umschlossenen Theile. Die Consistenz dieser Hülle variirt von gallertiger Weichheit bis zu knorpelartiger Härte. Sie ist meist glasartig durchschei- nend, bei Ascidien nicht selten auf mannichfache Art gefärbt. Complica- 416 II. 8. Tunicaten. tionen der Mantelstructur entstehen durch Blutgefässe, die ihn bei man- chen Ascidien Phallusia) in grosser Anzahl durchsetzen. Eigenthümlich ist die Umbildung des Mantels zu zwei nach Art der Lamellibranchiaten- Schale beweglichen Klappen , die sich zu öffnen und zu schliessen im Stande sind (Chevreulius). Bei den Stöcke bildenden Formen ist diese .Mantelschichte allen Personen gemeinsam, indem sie dieselben zusammen umschliesst. Während mit der Mantelbildung die Differenzirung anderer Organe des Integumentes zurückgedrängt wird, kommt es bei den Gopelaten zur Bildung von mancherlei anderen Integumentalorganen , einzelligen Drü- sen, haarartigen Fortsätzen etc. — Aus dem Ectoderm geht auch ein Zellenhaufen hervor, der paarig in der Nähe der Eingangsöffnung gelagert bei den Pvrosomen das Leuchtorsan vorstellt. Hertwig, 0., Ueber den Bau und die Entwickelung des Tunicatenmantels. Jenaische Zeitschr. Bd. VII. S k e 1 e t. § 303. Bei der Mehrzahl der Tunicaten fungirt der Mantel durch seine Rigi- dität als Stützorgan des sonst weichen Körpers. Ausserdem treffen wir aber noch ein besonderes Organ von grösserer morphologischer Wichtig- keit. In dem schwanzartigen Ruder der Appendicularien besteht nämlich ein bis zum Vorderkörper des Thieres sich fortsetzendes Axenorgan. Es wird aus Zellen gebildet, die einen von continuirlicher Scheide umgebe- nen , ziemlich resistenten , aus homogener Substanz bestehenden Strang abscheiden , dem sie später noch in Resten auflagernd getroffen werden. Dieser Strang wirkt durch seine Elasticität, indem er den durch die Mus- kelaction bewegten Ruderschwanz in seine frühere Stellung bringt. Ein solches Axenorgan (Fig. 208 ch) erhält sich bei allen jenen Tunicaten- larven , welche den beweglichen Ruderschwanz besitzen, somit bei Asci- dien und Cyclomyariern. Mit dem Schwänze geht es verloren. Seine Lagerungsbeziehungen lassen in der Chorda dorsalis der Wirbelthiere ein Homologon erkennen, wir dürfen daher auch dieses Gebilde als Chorda bezeichnen. Muskelsystem. § 304. Die Verbreitung der Muskulatur ergibt unter den Tunicaten sehr verschiedene Verhältnisse. DieCopelaten besitzen nämlich nur am Ruder- schwanze eine ausgebildete Muskelschichte mit longitudinalen Zügen. Sie zerfällt in ein verschieden breites dorsales und ein ventrales Band, von beiden genannten Seiten her die Chorda bedeckend. Am vorderen, die Eingeweide bergenden Abschnitte des Körpers fehlen Muskeln gänzlich. Nervensystem. 417 Unter den Ascidien bildet die Muskulatur einen unterhalb der Ecto- dermschichte liegenden Schlauch, der bei Cynthia in mehrere durch den Faserverlauf unterscheidbare Lagen gesondert ist. Bei andern ist die Muskelschichte schwächer, aus sich durchkreuzenden Zügen zusammen- gesetzt (A. compositae). Den Pyrosomen kommen nur um die Ein- und Ausgangsöffnung des Körpers Muskeln zu. In einzelne isolirt verlaufende Ringbänder ist die Muskulatur bei Cyclomyariern aufgelöst, und bei den Salpen bildet sie gleichfalls Reifen, die aber theilweise unter einander in Zusammenhang stehen. Diese Reifenbildung entspringt der Differenzirung einer anfänglich continuirlichen Muskelschichte. In dieser auftretende Lücken werden allmählich grösser, woraus die Auflösung der Schichte in die einzelnen Reifen hervorgeht. An Eingangs- und Auswurfsöffnung erscheint die Muskulatur auch bei den Ascidien in vorwiegend ringför- miger Anordnung und hat die Bedeutung eines Sphincter. Die Formelemente der Muskulatur sind quergestreift. Nervensystem. § 305. Der centrale Apparat dieses Organsystems besitzt bei allen Tunicaten eine dorsale Lage und geht, nach den bei Ascidien und Salpen bekannt gewordenen Verhältnissen, aus einer Differenzirung des Ectoderms hervor. In den allgemeinen Beziehungen der Lage ergeben sich Ueber- einstimmungen mit niederen Würmern. Die Einsenkung des Ectoderms bildet einen eine Zeit lang offenen Schlauch , der sich abschnürt und bei Ascidienlarven (Molgula) in einen auf den Schwanz sich erstreckenden Strang fortsetzt (Fig. 208. n). Ein Centralcanal durchsetzt den letzteren, Fig. 208. Ascidienembryo mit nur einem Theile des Schwanzes C. N Nervencentrum, vorne eine Höhle N' bildend, hinten in n, einen Nervenstrang, fortgesetzt. 0 Auge, a Gehörorgan. K Anlage der Kiemenhöhle, d des Darmes, o des Mundes, ch Chorda. (Nach Klpffer.) und ist in die grössere vordere Masse (AT) verfolgbar. Eine Scheidung der letzteren in drei aufeinanderfolgende, durch ungleiche^ Verdickung der Wand des Schlauches gebildete Abschnitte , davon [der vordere bei Ascidien und Salpen mit der Genese des Sehorgans in Zusammenhang Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 27 41 S H. 8. Tunicaten. steht, ist auch bei den Copelaten angedeutet, bei denen die bei Ascidien- larven gegebene Anlage eine weitere und bleibende Ausbildung erfährt. Wir treffen dann das Nervensystem aus einem vorderen längliehen Ganglion (Fig. 209. n) gebildet, welches drei Anschwellungen aufweist (App. flagelluni), nach hinten in einen Strang [n] zur Basis des Schwan- zes sich fortsetzt, und längs desselben bis zum Ende der Chorda verläuft. An der Basis des Schwanzes liegt eine Ganglienanschwellung im Verlaufe des Stranges, und dieser folgen noch zwei andere (A. furcata). Die erstere scheint die constantere zu sein. Diesen, wie bei Ascidien her- vorgeht, in der Anlage continuir liehen Apparat werden wir als Gentralorgan beurtheilen müssen, zumal er bei Copelaten vom vordem Ganglion bis zum Ganglion an der Schwanzbasis einen Canal einschliesst. Die centralen Elementartheile sind aber nicht gleichmässig vertheilt, sondern bilden eben die Ganglien, zu welchen sich die übrigen Strecken des Stranges als Längscommissuren verhalten. Die Fortsetzung des Nervenstammes am Schwänze liegt links von der Chorda, wenn man die beiden Flächen des Schwanzes, wie die Beziehung zum übrigen Körper verlangt, als dorsale und ventrale deutet. Diese Asym- metrie kommt bei Ascidienlarven erst später oder gar nicht zur Ausbil- dung, sodass ein dorsal verlaufender Nervenstrang als pri- mitiver Zustand angenommen werden darf. Die Form dieses Nerven- centrums ist demnach eine höchst beachtenswerlhe, die bei keiner an- dern Abtheilung der Wirbellosen repräsentirt ist, da bei diesen alle Fort- setzungen der centralen Organe ventralwärts stattfinden. Peripherische Nerven treten vom vordem Ganglion ab, seitlich um die Eingangsöffnung der Kiemenhöhle sich verzweigend. Andere treten nach hinten zu der Spiracula. Am Schwänze gehen von den Ganglien Nerven ab, wie auch bei Ascidienlarven solche am Caudalstrange beob- achtet sind, und terminal trifft sich eine allmähliche Verzweigung. § 306. Die Bückbildung des Schwanzes oder dessen gänzliches Fehlen ruft im Connexe mit der Ausbildung der vorderen Körpertheile durch die Kie- menentfaltung eine Veränderung des Nervencenlrums hervor. Bei den Ascidien scheint der caudale Abschnitt sammt dem Nervenstamme zu schwinden und bei Pyrosomen und Salpen beschränkt sich die Anlage nur auf den vorderen Theil, der um so voluminöser sich darstellt. Die noch bei Salpen bestehende Anlage dreier blasenartiger Abschnitte weicht einer einheitlichen Ganglienmasse. Die Ascidien besitzen dieselbe zwi- schen Eingangs- und Auswurfsöffnung (Fig. 21 0 n) , und die homologe, dem Rücken zugehörige Stelle besitzt es auch bei den übrigen Acopa. Während der Abgang peripherischer Nerven bei den Ascidien sich mehr auf den vorderen und hinteren Abschnitt des nicht selten läuglichen Ganglions beschränkt, treten bei den Cyclomyariern und Pyrosomen auch von den Sinnesorgane. 419 Seiten Nervenäste ab , und bei den Salpen strahlt das Ganglion ringsum zahlreiche Nerven aus. Die Anordnung des ganzen Apparates entfernt sich weit von dem der höheren Würmer, der Gliederthiere und Mollusken, um erst bei den Vertebraten wieder Anschlüsse erkennen zu lassen , welche dort hervor- zuheben sind. Sinnesorgane. § 307. Als Sinneswerkzeuge indifferenter Natur, vielleicht dem Tastsinne dienend , sind im Integumente mancher Tunicaten (Salpa) Nervenenden darstellende Zellen beschrieben. Von solchen Zellen erstrecken sich fadenförmige Fortsätze nach der Oberfläche, z. B. an die Zacken der Eingangsöffnung von Doliolum, und an den Rand derselben Oeffnung der Salpen. Die vielen Ascidien zukommenden Fortsatzbildungen, welche um die beiden Körperöffnungen stehen , sind wohl ebenfalls Träger von sol- chen Sinnesorganen. Ein differenzirteres Sinnesorgan ist die sogenannte Flimmer- grube, welche an der der Kiemenhöhle zugekehrten Fläche des Gan- glions sich bildet (Salpen, Pyrosomen) und bei allen Tunicaten mit dem Nervencentrum in einem sehr frühzeitig gewonnenen Zusammenhang bleibt, wenn sie auch etwas vor dem Ganglion sich lagert. Durch Erhebung der Ränder dieser der Athemhöhle zugekehrten Grube kommen mancherlei, sogar gestielte Formen zu Stande , und Buchtungen der Grube rufen Mo- dificationen anderer Art hervor. Die Bedeutung dieses mit Geisselzellen ausgekleideten Organes dürfte die eines Riechorganes sein, oder doch eines Organes, dem die Prüfung des in die Athemhöhle gelangenden Was- sers zukommt. Mit grösserer Bestimmtheit sind Sehorgane zu unterscheiden. Sie sind sowohl bei Larven von Ascidien, wie bei Pyrosomen und bei Salpen beobachtet. Sie entstehen in dem vorderen blasenartig erweiterten Theile des Centralnervensystems (Fig. 208 N') und zwar am dorsalen Abschnitte der Wand dieser Blase. Eine in die Wand eingesenkte dunkle Pigmentmasse trägt einen halbkugeligen lichtbrechenden Körper, über den noch ein zweiter gestülpt ist. In der Umgebung der Pigmentmasse sind die Zellen radiär zu ihr angeordnet und repräsentiren so einen zum Auge gehörigen Abschnitt des Centralnervensystems (z. B. A. mentula, Fig. 208 0). Wahrscheinlich sind Fortsätze jener radiären Zellen in die Pigmentmasse eingesenkt, und gegen den dieser aufsitzenden lichtbrechen- den Körper gerichtet. Bei den Pyrosomen erscheint das Sehorgan wie ein Abschnitt des Ganglions, ein pigmentumhüllter Vorsprung. An einer pig- mentfreien Stelle des letzteren liegt gleichfalls ein mehrschichtiger licht- brechender Apparat. 27* 420 H. S. Tunicaten. Obschon ebenfalls dem Ganglion aufsitzend erscheint das Auge der Salpen bedeutender erhaben , und dabei in mehrfache Abschnitte geson- dert. Ob hier derselbe Typus vorliegt, wie bei den Larven der Ascidien ist noch nicht sichergestellt. Hörorgane sind bei den Copelaten, Cyclomyariern und manchen Ascidienlarven bekannt. Bei ersteren liegt ein mit einem Otolithen ausge- stattetes Bläschen der linken Seite des vorderen Ganglions angeschlossen, und hat an seiner Wandung feine, den Otolithen fixirende Härchen er- kennen lassen. Gleichfalls linkerseits aber in grösserer Entfernung vom Ganglion liegt ein solches Bläschen bei einer Generation der Cyclomyarier. Ein Nerv tritt vom Ganglion an das Bläschen heran. Bei Ascidienlarven ist in dem die Augenanlage bergenden Binnenraume des Ganglions gleich- falls das Vorkommen eines Otolithen beobachtet, der durch feine Härchen getragen wird (Fig. 208 a) . M. Ussoff, Beitr. z. Kenntniss der Organisation der Mantelthiere. Bericht der K. Ges. der Freunde der Naturforschung. Moskau 1876. (Russ.) Darmcanal. § 308. Dieses Organsystem bildet den für den Tunicatenstamm eigenthüm- lichsten Theil des Körpers , der gegen die meisten übrigen Abtheilungen des Thierreiches eine scharfe Grenze ziehen lässt. Jene Eigenthümlichkeit liegt in der Ausbildung der vordersten Darmstrecke zu einem Athem- organe , ähnlich wie wir es bei den Enteropneusten unter den Würmern sahen. Das aufgenommene Wasser führt also nicht blos Nahrungsstoffe herbei , sondern dient auch zur Bespiration , wobei es durch besondere, die WTand dieser Darmstrecke durchbrechende Oeffnungen (Spiracula) seinen Ausweg findet. Dabei bestehen eigenthümliche, die Zuleitung der in die Athemhöhle eingetretenen Nahrungsstoffe zu dem Anfange des eigentlichen Darmrohrs fördernde Einrichtungen. Die Anlage des ge- sammten Darmes erfolgt durch das Entoderm, welches jedoch zuerst nur die Anlage des respiratorischen Abschnittes vorstellt, von dem aus erst secundär der eigentliche Darm hervorsprosst. Wir betrachten daher diese beiden Abschnitte des ursprünglich einheitlich angelegten Darmcanals ge- sondert voneinander, zumal bedeutende Modificationen der Athemhöhle auch auf die Körperform modificirend einwirken. Respiratorische Vorkammer (Kiemenhöhle). § 309. Die einfachsten, bei den Copelaten bestehenden Einrichtungen müs- sen zum Ausgangspunkte dienen. Die einer Mundöffnung homologe Eiu- gangsöffnung (Fig. 209 o) nimmt den vordersten Körpertheil ein, und Respiratorische Vorkammer (Kiemenhöhle). 421 führt in einen rasch sich erweiternden , auf dem Querschnitte dreieckig gestalteten Raum (A). Die breitere Ventralfläche ist abwärts etwas vorge- Fig. 209. Eine Appendicularia in seitlicher Ansicht, n Nervencentrum. »' Nervenstrang, ot Oto- cyste. o Eingangsöffnung, k Athemhöhle. c Bauchrinne. / Flimmersauni. i Darm, a After, k' Spira- culura. t Hoden, ov Ovar, c Anfang des Schwanzes. (Nach H.. Fol.) buchtet, so dass zu ihren Seiten zwei Rinnen sich bilden. Diese senken sich je nach einem röhrenförmigen Fortsatze hin , welcher ventralwärts die Körperwand durchbricht (&'), und eine Kiemenöffnung (Spiraculum) vorstellt. Die dorsale Fortsetzung der Athemhöhle verlängert sich ohne scharfe Abgrenzung in den Anfang des eigentlichen Darmes (i) . Die beiden zur Ausleitung des Wassers dienenden Kiemenöffnunsen sind cylindrische Röhren, die aus einer Ausstülpung der die Athemhöhle bildenden Wandung und einer ihr entgegenkommenden Einstülpung der äusseren Körperwand hervorgehen. Ein Ring von Wimperzellen hält die Röhren besetzt, und erzeugt einen Wasserstrom, der, willkürlich, bald von dem Munde durch die Athemhöhle und die Spiracula nach aussen, bald in umgekehrter Richtung von aussen durch die Spiracula und den Pharynx nach dem Munde bewegt wird. Mund und Spiraculum dienen somit hier sowohl als Eingangs- wie als Auswurfsöffnung für das Wasser. An der ventralen Fläche der Athemhöhle findet sich eine tiefe , mit schmaler Spalte gegen die Athemhöhle geöffnete Rinne, die Rauch- rinne (e). Vorne gehen zwei den Eingang der Höhle umziehende und dorsalwärts tretende Wimperstreifen (/") davon aus , welche Rildungen sämmtlich mit der Nahrungsaufnahme in Connex stehen. § 310. Die Anlage der Kiemenhöhle oder des Kiemendarmes lässt bei den Acopa hochgradige Differenzirungen ausgehen, welche mit dem Verhalten der Copelaten im Einklänge stehen. Wie bei diesen zwei Aussackungen sich bildeten . welche erst secundär durch Einwachsen des Ectoderms nach aussen in Communication treten , so entstehen bei den Ascidien zwei laterale Schläuche durch Abschnürung von dem Kiemendarme. Sie 422 II. 8. Tunicaten. communiciren eine Zeit lang mit dem letzteren , sondern sich alsdann von ihm , und umwachsen dorsalwärts sich ausbreitend die Wandung des- selben, bis sie sich unter einander vereinigen. Damit findet sich um die Kiemenhöhle ein vom Lumen jener Schläuche gebildeter Raum, der Peri- branchialraum (Perithorakalraum der Autoren) . Eine Einsenkung der Oberfläche des Leibes nähert sich der Verbindungsstelle der beiden Hälften des Peribranchialraumes, und bildet nach geschehenem Durch- bruch eine Communication nach aussen, die Auswurfsöffnung. Ventral persistirt die Trennung der beiden Räume. Mit der Vereinigung der bei- den, die Kiemenhöhle umwachsenden Schläuche und der äusseren Ein- senkung wird auch die Afteröffnung in den Bereich dieses Raumes gezogen. Dieser Abschnitt bildet dann die Cloake (Fig. 210. cl). In der Wandung der Kiemenhöhle entstehen Durchbrechungen nach dem Peribranchial- raum , Kiemenspalten, welchen somit eine ganz andere Bedeutung zu- kommt, als den beiden primären Spiracula. Allmählich bildet sich die ganze Wandung der Athemhöhle zu einem Gitterwerk um, dessen feine, in Reihen geordnete Spalten von Wimpern umsäumt sind. In den Stäben des Gitterwerks verlaufen Blutbahnen. Das durch die Eingangsöffnung einströmende Wasser tritt durch die Spalten in den durch das Auswachsen der vorerwähnten Schläuche gebil- deten Peribranchialraum, von wo es zur Cloake, und von da zur gemeinschaftlichen Auswurfs- öffnung geleitet wird, setzten Ascidien sind einer Anzahl von Individuen zu einer gemein- samen Höhle vereinigt, so dass jede dieser Thier- gruppen eine einzige im Cenlrum gelegene, von den Eingangsöffnungen umgebene Auswurfs- öffnung besitzt. Der Eingang in die Athemhöhle wird beson- ders bei den Ascidien von Tentakelbildungen um- geben, die theils äusserliche Fortsätze vorstellen, theils entfernter vom Eingange angebracht sind, und gegen die Oeffnung gerichtet werden kön- nen. Das Gitterwerk der Kieme bietet theils in der Anordnung der es zusammensetzenden Stäbe , theils in der Form und Zahl der Spaltenreihen ausserordentliche Verschiedenheiten, sowie auch Vorspriinge mannichfacher Art, die bald leistenförmig, bald in Form von Papillen von ihm ausgehen , und durch anaslomosirende Fortsatzbildungen zahlreiche Complicationen hervor- rufen. Am auffallendsten sind die bei Ascidien und Pyrosomen vorkom- menden zungenförmigen Fortsätze (»Languets«), welche in einer dorsalen Längsreihe stehen. Ihnen gegenüber liegt die bereits oben erwähnte »Bauchrinne«. Bei den zusammenge- die Auswurfsöffnungen Fig. 210. Schema einer A s ci- die. o Eingangsöffnung, k Kie- menhöhle, c Bauchrinne, n Ganglion, d Darm, cl Cloake. g Geschlechtsorgan. Respiratorische Vorkammer (Kiemenhöhle). 423 Die Kiemenhöhle der Ascidien ist nach dem Geschilderten ein bezüg- lich des Baues seiner Wandung von jenem der Appendicularien sehr ver- schiedenes Organ, das erst in Folge zahlreicher Umformungen sich bildete. Dasselbe gilt im Wesentlichen für die übrigen Acopa. Die sonst den Ascidien sehr nahe stehenden Pvrosomen zeigen die aborale Laee der Cloakenöffnung in Zusammenhang mit der Anordnung der einzelnen Per- sonen in den einen hohlen Zapfen darstellenden Stöcken. Die in der Wandung eines solchen Zapfens vertheilten Einzelthiere ragen mit der Eingangsöffnung an der Aussenflache vor, indess die Gloaken in die Höh- lung des Zapfens sich öffnen, dessen an einem Ende angebrachte Aus- mündung somit als gemeinsame Oeffnung sämmtlicher Cloaken fungirt. Bei denCyclomyariern bietet der im ausgebildeten Zustande tonnen- förmige Körper einen weiten Binnenraum dar. Die schräg diesen Baum durchsetzende Kieme, eine von Spaltenpaaren durchbrochene Membran, theilt diesen Binnenraum in einen vorderen und hinteren Abschnitt. Der vordere ist die Kiemenhöhle, in welche die Eingangsöffnung führt, der hintere Baum , gegen welchen auch die Eingeweide von der Leibeswand her vorragen, stellt die Gloake vor, und entspricht dem bei den Ascidien um die primitive Kiemenhöhle her eingewachsenen Baume. Aehnlich verhalten sich die Salpen. Die Kieme ist jedoch hier vollständiger von der Wand der Kiemenhöhle abgelöst und stellt einen vorne von der Dorsal- wand der Athemhöhle schräg nach hinten zur ventralen Wand ziehenden Balken vor (Fig. 212 6/'), zu dessen beiden Seiten die Athemhöhle mit dem hinteren eine Cloake repräsentirenden Baume in weiter Communica- tion steht. Die hiervon ausgehende Auswurfsöffnung erscheint mehr in dorsaler Lage, nicht selten röhrenförmig verlängert Fig. 212 b). Bei der hier bestehenden Beduction der Kieme auf jenen Balken kommt es nicht zur Ausbildung von Kiemenspalten ; und das iu die Kiemenhöhle aufge- nommene Wasser strömt seitlich an dem medianen Kiemenbalken vorüber in die Cloakenhöhle. Die WTasseraufnahme und die Entfernung des Wassers aus dem Kör- per steht bei Cyclomyariern wie Thaliaden in enger Beziehung zur Lo- comotion. Diese ist also hier an die Athmung geknüpft, wobei die Lage der Eingangs- und Auswurfsöffnung von Belang wird. Das vorne aufge- nommene Wasser wird, nachdem es die Athemhöhle passirte, zur aboral gelegenen Auswurfsöffnung durch die Action der Muskelreifen der Kör- perwand ausgetrieben , und jeder ausgetriebene Strom wirkt als vis a tei'go, und bewegt den Körper stossweise vorwärts. In dem Verhalten der Kiemenspalten tritt bei den Acopa eine wohl beachtenswerthe Erscheinung hervor, die nur bei den Salpen durch die dort bestehenden Eigenthümlichkeiten verwischt ist. Es ist die An- ordnung dieser Spalten, die als metamere Gebilde auf- treten. Zwei Beihen querer Durchbrechungen bilden sie bei Doliolum, 424 IL 8. Tunicaten. und auch bei Pyrosomen und Ascidien ist ihre transversale Anordnung wahrnehmbar, wenn auch bei den letzteren mehrere oder viele Spalten einer Querreihe zukommen. Aeussert sich dieses Verhalten zwar nur am Darme , oder einer Strecke desselben , so kann doch in ihm ein Zustand erkannt werden, der für die Deutung dieser Erscheinung als einer Meta- merie von Belang ist. Er zeigt sie uns hier ohne Beiheiligung des Ge- sammtorganismus, und lässt verstehen, wieunter bestimmten Bedingungen auch andere Körpertheile daran theilnehmen mögen. § 341. Die nahe Verwandtschaft der Organisation aller Tunicatenabtheilun- gen findet einen ferneren Ausdruck in dem Bestehen besonderer, der Athemhöhle zukommender Organe, die mit der Ernährung des Thieres in Zusammenhang stehen. Es sind das die Bauchrinne und die Wimper- streifen. Die Bauchrinne (Hypobranchialrinne) (Fig. 211 B rih auch B Fig. 211. Schematische Darstellung des Verhaltens der Kiemenhöhle zur Bauclirinne. A hei Bahne- glossus. B hei Tunicaten. r Kiemenhöhle, n Bauchrinne. * Bauchfalten. als Endost vi bezeichnet, ist eine in der ventralen Medianlinie der Kie- menhöhlenwand befindliche , vorspringende Bänder (*) (Bauchfalten) be- sitzende Binne , welche an ihrem vorderen wie hinteren Ende in eine blinde Buchtung ausläuft. Die Wände der bei Salpen anfänglich sehr breiten , später wie bei den Uebrigen schmalen Binne senken sich nicht gleichmässig in die Tiefe , sondern bilden in den einzelnen Abtheilungen sich verschieden verhaltende Vorsprünge, die man sich als Längsleisten parallel mit der Binne zu denken hat. Dazwischen sind mehr oder min- der tiefe Furchen vorhanden, so dass die Contur der Binne auf dem Quer- schnitte jederseits durch eine mehrfach gebogene Linie dargestellt wird. Das Epithel der Kiemenhöhle zeigt schon am freien Bande der Binne be- deutende Modificationen an. Die Zellen bilden vorspringende Längswülste. Im Grunde der Binne, zwischen den beiden am tiefsten eingebetteten Wülsten finden sich Zellen mit längeren Wimperhaaren besetzt, welche sogar bis in die Kiemenhöhle vorragen können. Die Copelaten verhalten sich bezüglich dieses Organs am einfachsten. Bei manchen besteht nur Darm. 425 ein einziger Zellenwulst. Zwei sind bei Doliolum bekannt. Drei kommen mit anderen Complicationen bei Ascidien und Salpen vor. Die Ränder der Rinne liegen in der Regel aneinander, so dass die Rinne bis auf eine Stelle am vordersten Ende geschlossen ist. An dieser Stelle beginnen die den Eingang der Kiemenhöhle umziehenden Wimperstreifen. Es sind mit cilientragenden Zellen besetzte seichte Furchen , welche . dorsal- wärts verlaufend, entweder zum Oesophagus ziehen (Copelata), oder in der Nahe des grossen Ganglions in eine Spiraltour auslaufen (Doliolum), oder in einer wimpernden Grube enden (Salpen) . Eine ähnliche Sonde- rung des vordersten Abschnittes des Tractus intestinalis bestand bei den Enteropneusti (Fig. 211. A). Zwei Längsfalten (*) scheiden diesen Theil in einen respiratorischen (r) und einen nutritorischen («). Der letztere scheint der Rauchrinne der Tunicaten verglichen werden zu dürfen , die anfänglich gleichfalls einen viel ansehnlichem Abschnitt vorstellt. Die Function der Bauchrinne ist die eines Drüsen- organs. Die Zellenwülste sondern eine schleimige Substanz ab, welche durch die Cilien des Rinnengrundes nach vorne zum Ausgange der Bauch- rinne bewegt, und von da längs der Wimperstreifen weiter befördert wird. Indem die Schleimmassen fetzenartig von den Wimperstreifen ins Lumen der Kiemenhöhle einragen , gerathen mit dem Wasser aufgenom- mene Nahrungspartikel in sie , und werden mit ihnen zu einem in den Oesophagus tretenden Strange geformt. Da auch die freien Ränder der Rauchrinne mit Cilien besetzt sind, und eine Wimperreihe sich bis zum Oesophagus verfolgen lässt, wird auch aus der Spalte der Rinne vortre- tender Schleim von den Wimpern erfasst und mit den ihm anhaftenden Nahrungspartikeln zum Oesophagus geleitet. Die Bauchrinne secernirt also Schleim, der die im Wasser suspendirten Nahruugstheile aufzufangen hat, und mit diesen durch die Wimperstreifen zum Oesophagus befördert wird. Die gesammte Vorrichtung hat somit eine nutritor ische Be- deutung. H. Fol, Ueber die Schleimdrüse etc. der Tunicaten. Morph. Jahrb. I. S. 223. Darm. § 312. Im Grunde des zur Kiemenhöhle modificirten vordersten Abschnittes des sesammten Tractus intestinalis besinnt der ausschliesslich der Ernäh- rung dienende Darm. Er lässt meist mehrere Abschnitte durch Verschie- denheit der Weite erkennen. Ein vorderer, meist engerer Theil bildet einen Oesophagus, der bei Copelaten trichterförmig beginnt. Ein zweiter, meist weiterer Abschnitt wird als Magen aufgefasst, und entspricht einem Mitteldarm. Er ist bei Ascidien durch zahlreiche Falten und pfeilerförmige Vorsprünge der Wand in zahlreiche kleinere Räume geschieden, bei den Copelaten mit einer blindsackartigen Ausbuchtung versehen. Solche Ge- 426 II. 8. Tunicaten. bilde bestehen auch am Magen mancher Salpen. Der daraus hervor- gehende Abschnitt ist meist von beträchtlicher Länge bei den Ascidien und bildet eine Schleifentour, aus welcher der Enddarm hervorgeht. Diese beiden Abschnitte sind bei Copelaten von ziemlicher Kürze, ebenso bei Cyclomyariern, wo sie zugleich wie bei Ascidien wenig von einander differenzirt sind. Bei vielen Ascidien lagert sich die einfache oder dop- pelte Darmschlinge (Fig. 210 d) seitlich an der Kiemenhöhle in den dort dieselbe umgebenden Leibeshöhlenraum ; andere zeigen den Darm nur hinter der Kiemenhöhle , deren verschiedene Ausdehnung diese Verhält- nisse zu beherrschen scheint. Die Salpen besitzen den Darm mit seinen Adnexis in einer Masse vereinigt (Nucleus). Von Anhangsorganen des Darmrohrs sind ausser den schon auf- geführten Ausbuchtungen noch drüsenartige Schläuche in allen höheren Abtheilungen erkannt, die in den als Magen geltenden Abschnitt sich öffnen. Dass sie ein bei derVerdauuim verwendetes Secret liefern, dürfte nicht zu bezweifeln sein. In Form und Anordnung bieten sie ein ver- schiedenes Verhalten. Zuweilen bilden sie netzförmige Anastomosen. Th. Chandelon, Rech, sur une annexe du tube dig. des Tuniciers. Bull. Acad. Belg. XXXLX. Oefässsy stein. §313. In den Einrichtungen der Kreislaufsorgane zeigen sich die Tunicaten nach ihren beiden grossen Abtheilungen verschieden. Bei den Copelaten ist nur ein Herz bekannt, das sogar einer Gattung fehlt. Es bildet einen kurzen , mit seinen Enden zwischen zwei Zellen befestigten Schlauch, dessen dünne Wand zwei einander gegenüberliegende Längsspalten be- sitzt. Durch die Pulsationen dieses Schlauches wird der Kreislauf des Blutes besorgt, das, ohne dass Gefässe beständen, in den Bäumen der Leibeshöhle in bestimmten Bichtungen seine Ströme erkennen lässt. Bei den Acopa besieht ein mit dem Herzen in Zusammenhang stehendes Ge- fässsystem, welches stellenweise einen lacunären Charakter trägt. Es scheint dann ein Best der primären Leibeshöhle zur Blutbahn verwendet. Bei den Ascidien liegt das langgestreckte Herz in der Nähe der Ver- dauungsorgane und biegt sich an beiden Enden in je ein Gefäss um, von welchen das eine, in ventraler Richtung verlaufend, in ein das Kiemen- gerüste durchsetzendes Gefässnetz übergeht, indess das andere zum Darme wie zu den Geschlechtsorganen verläuft, und daselbst sich ver- zweigt. Derselbe Gefässstamm sendet auch einen Ast zum Mantel und Zweige zur Leibeshöhlenwand. Von diesen Theilen aus bestehen auch directe Gefässverbindunsjen mit den Wänden der Kiemenhöhle. Das in diesen kreisende Blut sammelt sich auf der Dorsalseite des Kiemensackes wieder in einen Längsstamm ; der auch Gefässe vom Darme und den Ge- Gefässsvstem. 427 Fig. 212. Circulationssystem von Salpa maxima. a Eingangsöffnung, b Auswurfsöffnung. br Kiemen- balken, br' Ansatz der Kieme, vi Eingeweideknäuel (Nucleus). c Herz, v Bauchgefässstamni. «' Rücken- gefässstaram. v" Verbindende Quergefässstämme. (Die feineren Verästelungen der Gefässe sind nicht angegeben.) (Nach Milne-Edwards.) schleehtsorganen her aufnimmt. Ob diese bei einfachen Ascidien beobach- teten Verhältnisse allgemeinere Geltung besitzen, ist noch festzustellen. Bei den Salpen ist der kurze, dünnwandige, meist durch Einschnü- rungen abgetheilte Herzschlauch (Fig. 212 c) an einem Ende mit einem grossen an der Bauchseite ver- laufenden Gefässcanale (v) in Verbindung, sowie er an dem andern Ende sich gleichfalls in einen Gefässcanal fortsetzt; der letztere geht bei den mit einem sogenannten Nucleus [vi) ver- sehenen Formen in ein diesen durchziehendes Hohlmaschen- system über, welches die Darm- gefässe der Ascidien repräsen- tirt. Bei den übrigen Salpen soll er sich in mehrere, nach dem Rücken verlaufende Zweige thei- len die in einen Längscanal sich fortsetzen. Dieses Bückengefäss [v') steht durch eine Anzahl vielfach unter einander anastomosirender Quer- canäle iv") mit dem Bauchstamme in Verbindung. Zwischen dem vor- deren Theile des Rückengefässes und dem hinleren aus dem Herzen her- vorkommenden Gefässe besteht noch eine directe Communication , die durch mehrere die Kieme durchziehende und dort sich vertheilende Gefässe hergestellt wird. Als wichtigste Eigenthümlichkeit wird bei den Tunicaten das Be- stehen der beiden längs der Kiemenhöhle ziehenden Längsstämme gelten müssen, die beide weiter nach dem Darme zu sich erstrecken. Stellt man sich nämlich , etwa von den Ascidien ausgehend , den Darm in der Bichtung der Längsaxe seines vorderen Abschnittes, des Kiemensackes, fortgesetzt, so dass der After dem aboralen Körperpole zukäme, so wäre die Anordnung des Gefässapparates ähnlich wie bei vielen Würmern , indem auch die Aeste der beiden Längsstämme sich in viscerale zu Kiemenhöhle und Darm) und parietale zur Leibeswand) schieden. Dem ventralen Längsstamm gehört das Herz an. Es stellt einen differenzirten Abschnitt desselben vor. Darin spricht sich eine besondere Verschiedenheit von allen übrigen Wirbellosen aus , bei denen das Centralorgan des Kreislaufs eine Sonde- rung aus dem dorsalen Gefässstamm vorstellt. Allein in der 'Anlage des ganzen Apparates ist ein Zusammenhang mit jenem der Würmer nicht zu verkennen. Allen Tunicaten eigenthümlich ist die wechselnde Bichtung des vom Herzen in Bewegung gesetzten Blutstromes, so dass also von einem arteriellen oder venösen Abschnitte der Blutbahn 428 II. 8. Tunicaten. nicht wohl die Rede sein kann. Wenn das Herz eine Reihe von Pulsa- tionen nach der einen Richtung hin vollführt hat, tritt plötzlich ein Mo- ment des Stillstandes ein und die peristaltischen Bewegungen des Herz- schlauches beginnen nach der entgegengesetzten Richtung. Auch dieser Zustand der Indifferenz verbietet den engeren Anschluss des Gefäss- systems der Tunicaten an eine der anderen grossen Abiheilungen , erin- nert jedoch an die bei Gephyreen (Phoronis) vorkommende gleiche Er- scheinung der Umkehr der Blutbewegung. Die Blutflüssigkeit ist allgemein farblos. Sie entbehrt bei den Copelata der Formbestandtheile, die den Acopa zukommen. s.A L Excretionsorgane sind bis jetzt bei Tunicaten nur in beschränk- ter Weise erkannt worden. Bei manchen Ascidien (Molgula. A. conchi- lega, complanata) findet sich ein nahe der Kiemen- höhle, oder auch weiter hinten im Körper gelagertes, schlauchförmiges Organ , welches unter anderen concrementartige Zellen erkennen liess. Bei einer Art ergab sich Murexid -Reaction. ,/ Organs sind unbekannt, so dass jenen Zustand zu repräsentiren scheint, in welchem Excretstoffe im Organismus sich ablagern und Con- cremente bilden , die nicht nach aussen entfernt werden. Srorafll vMA Mündungen des die Einrichtung Fig. 213. Organisation •einer Asc idi e (Amaroe- ciuni proliferum). sb Kie- mensack, v Magen. * Bann, c Herz, t Hoden. vd Ausführgang des Ho- dens, o Ovarium. o' Eier in der Leibeshöhle. Die Pfeile bedeuten die Strö- mung des Wassers an stand. B Differenzirter Zustand, d üorsalflosse. (d' Fett flösse.) c Candal-, a Analflosse, p Brust-, v Bauchflosse. § 318. Im Gegensatze zu vielen Abtheilungen der Wirbellosen, deren paa- rige Gliedmassen entweder auf Alle oder doch auf eine grosse Zahl von Metameren vertheilt sind, trifft sich bei den Wirbelthieren eine bis jetzt ausnahmslose Beschränkung dieser Gliedmassen auf ein vorderes und ein hinteres Paar. Sie geben sich als homodyname Organe zu erkennen, die im Ein- klänge mit der Verschiedenartigkeit ihrer Leistungen sich allmählich ver- schieden gestalten. 'Sie sind wahrscheinlich aus umgebildeten respirato- rischen Anhängen des Kopfes (Kiemenbogen und deren Strahlen) ent- standen, daher keine absolut neuen Einrichtungen. Den Acrania wie den Cvclostomen fehlen sie" dagegen bestehen sie bei den Gnathostomen allgemein. Wie auch innerhalb einzelner Abthei- lungen derselben eine Rückbildung dieser Gliedmassen Platz greift, so ist dieses stets ein secundärer, den vollkommen entwickelten Zustand vor- Gliedmassen. 439 aussetzender Befund. Das bezeugen die mannichfachen Stadien der Ver- kümmerung der Gliedmassen und ihrer Theile, Der bei den Fischen bestehende niedere Zustand lässt die Glied- massen als ein einheitliches, der äusseren Gliederung in einzelne grössere Abschnitte entbehrendes Ganze erscheinen, dessen Oberflächenentfaltung bei der Ruderfunclion des Organes von Bedeutung ist. Vorder- und Hin- tergliedmassen, hier als Brust- und Bauchflossen unterschieden, sind im Wesentlichen von übereinstimmendem Bau, doch hat in der Regel die Brustflosse in Zusammenhang mit ihrer Lage am voluminöseren Theile des Körpers eine bedeutendere Grösse. Ihr kräftigerer Bau wird auch aus der ihr zukommenden Initiative und dem darin liegenden functionellen Uebergewicht im Vergleiche zur hinteren Gliedmasse erklärbar. Entsprechend einer gleichartigen Bewegungsweise im Wasser kamen auch die Gliedmassen der fossilen Enaliosaurier, wie uns deren Skelet- reste lehren, mit den Flossen der Fische , wenigstens durch den Maugel einer queren Gliederung überein. Unter den Amphibien tritt eine transversale Gliederung der Glied- massen auf, indem nunmehr einzelne Abschnitte scharf von einander ge- trennt sind. Wir unterscheiden an der vorderen : Oberarm , Vorderarm und Hand, denen Oberschenkel, Unterschenkel und Fuss an der Hinter- gliedmasse entsprechen. Diese Scheidung steht in Verbindung mit der grösseren Längenentfaltung der beiden ersten Abschnitte , welche zu ein- ander in das Verhältniss von Hebelarmen treten und damit eine Winkel- stellung gegeneinander eingehen. Zu der hierin sich aussprechenden Sonderung tritt eine Differenzirung der Endstrecke, an der von nun an eine meist auf 5 beschränkte Zahl von Endgliedern in den Fingern und Zehen unterscheidbar wird. Da ein am meisten nach aussen ragender Körpertheil modificirenden Einwirkungen in höherem Grade ausgesetzt ist als ein anderer, so begegnen wir hier zahlreichen Anpassungen und wenig Körpertheile bieten so mann ichfache Veränderungen als jene Endabschnitte der Gliedmassen: Hand und Fuss. Die primitive Vereinigung der Finger wie der Zehen in eine durch Hand und Fuss repräsentirte Ruderplatte erhält sich in der Schwimmhaut auch bei manchen Reptilien , bei vielen Vögeln an der Hintergliedmasse und sogar bei einer Anzahl von Säugethieren, immer in Anpassung an die Function der betreffenden Gliedmasse als Ruderorgan. Die mit der Ortsbewegung auf dem Lande erlangte, aber bei der Locomotion im Wasser noch vielfach verwendete Winkelstellung gestaltet sich allmählich für beiderlei Extremitäten verschieden, der Verschieden- heit der Function entsprechend, welche Vorder- und Hinterextremitäl bei der Bewegung auf dem Boden besitzen. Bei den Amphibien (B) sind diese Verhältnisse bereits deutlich wahr- nehmbar, aber die Verschiedenheit der Stellung zwischen Ober- und Unterarm, Ober- und Unterschenkel, ist minder beträchtlich. Oberarm und Oberschenkel sind fast gleichartig nach aussen gerichtet. Eine 440 II. 9. Wirbelthiere. bedeutendere Differenz prägt sich bei den Reptilien [C] aus, und* erreicht bei den Säugethieren eine noch höhere Stufe , indem die Ebenen , in denen die Winkelstellung beiderseitiger Gliedmassen stattfindet , zur senkrechten Medianebene des Kör- A B 7 Fig. 215. Schematische Darstellung der Dift'e- renzirvmg und der veränderten Axenrichtung der Gliedmassen der Wirbelthiere. A Fisch. B Amphibium (die zum Vergleiche mit den An- dern nothwendige Seitendarstellung gibt den An- schein einer Erhebung des Körpers, ebenso wie in der nächstfolgenden Figur. C Reptil. D Säugethier. a Schultergürtel, p Beckengürtel. pers eine parallele Stellung neh- men. Daraus entspringt eine grös- sere Selbständigkeit der Glied- massen, die nunmehr zu Stützen des Körpers geworden sind, in- dem sie ihn vom Boden erheben. Durch jene Aenderung in der Stel- lung der Ebene, in welcher der von der Extremität gebildete Winkel liegt, kommt für die Säugethiere (D) eine totale Verschiedenheit der Winkel zwischen den gleichwerthi- gen Abschnitten zum Ausdruck, und diese verhalten sich an Vorder- und Hinterextremilät in umgekehr- tem Sinne. Der Winkel zwischen Ober- und Unterarm ist nach vorn, jener zwischen Ober- und Unter- schenkel nach hinten offen. Innerhalb des Rahmens dieser allgemeinen Modificationen der Gliedmassen finden auf engere Ab- theilungen beschränkte , aus der speciellen Verschiedenheit der phy- siologischen Leistung erklärbare Veränderungen statt. Die Hinter- gliedmasse übernimmt in überwie- gender Ausbildung die complicir- wie bei den Fröschen, oder sie so dass tere Function eines Sprungorganes kann sich vorwiegend zum Slützorgane des Körpers gestalten , dadurch die Vordergliedmasse, wenigstens für die Ortsbewegung auf dem Boden, eine untergeordnetere Rolle spielt oder in dieser Richtung ganz ausser Function tritt. Dieses Verhältniss führt sich nach mancherlei bei fossilen Reptilien erkannten vorbereitenden Stufen bei den Vögeln ein, deren Vordergliedmasse unter den Carinaten die Bedeutung eines Flugorganes gewonnen hat. Iiitegunient. § 319. Im primitiven Zustande erscheint als Körperhülle auch bei den Wir- belthieren eine Zellschichte , das äussere Keimblatt — Ectoderm. v*.^ Inlegument. 441 Mit der weiteren Entwickelung wird jener Zellenschichte noch eine aus dem Mesoderm entstandene Bindegewebeschichte zugetheilt, beide zusam- men repräsentiren nunmehr das Integument der Wirbelthiere, und sind gleich massig an dem Aufbau und der Ausbildung verschiedenartiger Or- gane betheiligt. Diesem Integumente (Cutis; kommen also seiner Genese gemäss zwei Straten zu: eine oberflächliche, den Epithelialbildungen der Wirbellosen homologe Oberhaut (Epidermis), unmittelbarer Abkömmling des Ecto- derms, und eine tiefer liegende Bindegewebsschichle, die Lederhaut (Corium), die mit ihren tiefsten, lockeren Schichten das Unlerhaulbinde- gewebe vorstellt. Mittels Durchflechlung der Faserzüge wird der Leder- haut eine derbe Beschaffenheit. In ihr verbreiten sich die Blutgefässe, ebenso die Nerven der Haut, mit mannichfaltigen sensorischen Apparaten wie mit Drüsenorganen in Verbindung stehend. Häufig ist die Lederhaut der Sitz von Pigmenten. Sowohl an Dicke als in der feineren Textur bietet sie zahlreiche Verschiedenheiten. Von diesen ist eine lamellöse Schichtung in der Haut der Fische, Amphibien und Beptilien bemerkenswert]!, wobei senkrechte Faserzüge die Schich- ten in Abständen durchsetzen. Als eigentümliche Bildungen erscheinen warzenartige Erhebungen ihrer Oberfläche, die von niedrigen Hügelchen bis zu langen konischen Fortsätzen variiren. Diese Hautpapillen wer- den in den einzelnen Abtheilungen der Wirbelthiere zum Ausgangspunkt einer Reihe mannichfaltiger complicirterer Organe. Contractile Formelemente (glatte Muskelfasern) finden sich gleichfalls in der Ledeihaut bei Vögeln und Säugethieren vor. Eine andere Modifi- kation der Cutis geht durch Texturveränderung vor sich , indem sich Theile derselben durch Verknöcherung in Hartgebilde umwandeln, entstehen in die Haut eingebettete Knochenplalten der verschiedensten Form und setzen ein Hautskelet zusammen. Endlich stehen mit der Cutis Drüsenorgane in Verbindung, die von der Epidermis her gebildet und deshalb den Epidermo'i'dalorganen beizuzählen sind. § 320. Die Epidermis ist eine einfache Lage bei Amphioxus, sonst be- steht sie aus mehrfachen Zellschichlen, welche die Lederhaut mit allen ihren Erhebungen und Einsenkungen überkleiden. Als ein Erbstück aus niederen Zuständen tritt auch noch bei Wirbelthieren ein Wimperepithel auf, beschränkt sich aber auf Embryonalstadien bei Fischen, und kommt bei Amphibien nur im Larvenzustande an gewissen Körperstellen vor. Von den einzelnen Schichten erscheinen die unteren , der Lederhaut näher liegenden , als jüngere , welche verloren gegangene Theile der oberflächlichen Schichten wiederersetzen. In der Consistenz , der Ver- bindungsweise und der Form bieten die Epidermiszellen zahlreiche Ver- schiedenheiten. Pigmentführende Zellen sind nicht selten zwischen den 442 II. 9. Wirbelthiere. anderen venheill. Durch die Bewegungserscheinungen ihres Protoplasma vermögen sie zuweilen einen Farbenwechsel zu verursachen (Chromato- phoren), der bei Fischen wie bei Amphibien beobachtet ist. Bei den im Wasser lebenden Anamnia ist die gesammte Epidermis locker, und die Weichheit ihrer Elemente verleiht der ganzen Schichte häufig eine gallert- artige Beschaffenheit, so dass sie sogar lange Zeit für eine von Drüsen secernirte Schleimschichte gehalten ward. Dem Zustande der Epidermis der Anamnia stellt sich ein anderer gegenüber, durch Verhornung der Zellen charakterisirt, bei Amphibien beginnend, bei den Amnioten verbreitet. Die Zellen bilden resistente Plätt- chen oder Fasern, die, ineinandergeschoben, in verschiedenem Maasse abgegrenzte, feste Theile vorstellen. DerVerhornungsprocess betrifft immer nur die oberflächlichen Schichten, die tieferen bleiben auch hier indiffe- rent. Mit stärkerer Verdickung der verhornten Schichten entstehen man- nichfaltige Formationen von Platten, Höckern und schuppenartigen Gebil- den (Reptilien). Die Lederhaut nimmt an diesen Gebilden Antheil, indem sie fast immer jenen Epidermisformationen entsprechende Erhebungen besitzt, die aus vergrösserteu Papillen hervorgehen. Die Schuppen von Eidechsen und Schlangen sind somit Fortsätze der gesammten Cutis. Die- ser verhornte Ueberzug hat sich bei den Vögeln nur an beschränkteren Körperlheilen erhalten, an den Kiefern als Schnabelscheide, wie an den Füssen in Form von Tafeln, Plättchen, Höckern u. s. w. In Verbindung mit einem knöchernen Hautskelete finden sich grössere Hornplatten bei den Schildkröten, unter den Säugethieren in einzelnen Familien der Eden- taten. Die in einzelnen Abtheilungen oder in noch engeren Kreisen vor- kommende Verhornung der Epidermis ist nicht direct auf die bei Reptilien bestehende Organisation zu beziehen , sie ist vielmehr aus Anpassungen an bestimmte äussere Verhältnisse hervorgegangen. Dagegen treffen wir an manchen Körperstellen Horngebilde der Epidermis, die bei ihrer grossen Verbreitung und Beständigkeit als vererbte Einrichtungen gelten müssen. Es sind die Näsel und Klauenbildunsjen an den Enden der Gliedmassen. Schon bei den Amphibien [Salamander) finden sich Andeu- tungen hiefür; bei Reptilien und Vögeln erscheinen sie allgemein; selbst an einzelnen Fingern der zum Flugorgan verwendeten Hand der Vögel haben sich nicht selten solche Nägel erhalten. In der Hufbildung vieler Säugethiere erlangten sie eine voluminösere Entfaltung. E p i d e r m 01 d a 1 g e b i 1 d e. § 321. Ausser den erwähnten Horngebilden gehen noch andere Differen- zirungen aus der Epidermis hervor. Von diesen nehmen Federn und Haare durch ihre Verbreitung in den beiden oberen Classen der Wirbel- thiere, wie auch durch ihre eigenthümliche Erscheinung eine hervor- Epidermoidalgebilde. 443 ragende Stelle ein. Man pflegt beide als sehr nahe verwandte Organe anzusehen, da sie manches Uebereinstimmende bieten. Dennoch ergeben sie sich als divergente Bildungen. Die erste Anlage für Feder wie Haar stellt eine Verdickung der Epidermis, dann einen höckerförmigen Vorsprung (Fig. 216 A) vor, i n we lchen eine Cutispapille einwächst. Beim Haar ist dieser Vorsprung unan- sehnlich , mächtiger bei der Feder. Sie sind jenen Erhebungen ähnlich, die bei Reptilien verbreitet sind. Zur Anlage der Feder wachsen die Höcker in pa- pillenförmige Fortsätze [B C) aus Feder- zolten), die aus einer äusseren Epi- dermislage [C e) und einer darunter befindlichen Papille zusammengesetzt sind. Auch die Anordnung dieser ersten Federanlagen in bestimmt abgegrenzte Felder (Federfluren, Pterylien) verweist auf Verhältnisse, die bei den Reptilien in der Anordnung der Schuppen be- stehen. Die Feder ist in jenem ein- fachen Zustande somit ein blosser Forl- satz der Epidermis und der darunter liegenden Cutis. Die Einsenkung der die Culispapille tragenden Federanlage in die Haut und die damit entstehende Bildung eines »Federfollikels« ist eine Fig. 210. Schemata für die ersten Anlagen von Feder und Haar. Durchschnitte. A Ver- dickung der Epidermis. B Erhebung zu einer Papille. C Federzotte. D Einsenkung der Epidermis. E Sonderung der Haar- anlage. F Haarbalg mit Haar, e Epidermis. p Haar, p' Wurzel des Haars, us Wuizel- scheiden. g Talgdrüsen. Der Autheil der Lederhaut ist schraffirl dargestellt. spätere Erscheinung, ebenso wie die Differenzirung der Feder in Schaft und Fahne. Diese Trennung erfolgt erst nach Abstossung der Federscheide, einer aus der ersten Anlage stammenden Epidermisschichte. In den Form- verhältnissen der Feder ergeben sich je nach der Ausbildung des Schaftes oder -der Fahne zahlreiche unseren Zwecken fernerstehende Verschieden- heiten. Die bei der Federentwickelung erst spät auftretende Bildung eines Follikels, der den als »Spule« bezeichneten Abschnitt des Federschaftes und die in denselben sich verlängernde gefässreiche Papille umschliesst, charakterisirt das erste Auftreten des Haares. Für dieses ist die papillen- artige Epidermisverdickung ein sehr frühe und rasch vorübergehender Zustand; denn das Haar legt sich nicht in jener ersten Erhebung, son- dern immer in einem von der Epidermis aus in die Cutis eingevvucherten Follikel (vergl. Fig. 216 D E) an, in dessen Grund sich dann die Cutis- papille (F) erhebt. Aus der eingewucherten Epidermis diflerenzirt sich unter Verhornung der Zellen der Schaft des Haares [F ics), andere zellige Theile des Follikels bilden die Wurzelscheiden. Die verschiedenen Formen der Haare , mögen sie als Wollhaare oder 444 IL 9- Wirbelthiere. Contourhaare, Borsten oder Stacheln erscheinen , sind nur Modificalionen eines und desselben Zuslandes der ersten Anlage. § 322. Die aus der Epidermis differenzirten Drüsen ergeben sich im ein- fachsten Zustande als Modifikationen einzelner Zellen , deren Protoplasma in feine Körnchen sich sondert, die nach aussen entleert werden. Diese zwischen den anderen Epidermiszellen vertheilten Schleimzellen (Becherzellen) stellen einzellige Drüsen vor (Fische). Sie finden sich noch bei Amphibien , bei denen bereits complicirtere Drüsenorgane ver- breitet sind. Diese erscheinen als Haschen förmige über das Integument verbreitete Schläuche , in mehreren Formen unterscheidbar. In vielen Fällen erreichen sie eine bedeutende Grösse und bilden höckerförmige, die Haut rauh oder warzig gestaltende Hervorragungen (Kröten und Sala- mander) . Zuweilen sind grössere Massen von Hautdrüsen gehäuft und werden für bestimmte Körperstellen charakteristisch (Parotiden). In geringerem Grade sind Hautdrüsen bei Reptilien verbreitet. Bei den Eidechsen führen die sogenannten »Schenkelporen« in Drüsen, welche als zusammengesetzte Schläuche erscheinen, deren Secret erhärtende, das Lumen der Drüsen ausfüllende Zellen sind. Bei den Vögeln ist das Vor- kommen von Hautdrüsen in hohem Grade beschränkt. Ein A«sresat von Drüsen stellt die besonders bei Schwimmvögeln sehr ansehnliche Bürzel- drüse (Glandula uropygii) vor, deren Secret zum Einölen des Gefieders dient. Bei den Säugethieren scheiden sie sich in zwei scharf getrennte Gruppen : Schweiss- und Talgdrüsen , die vielfach mit den Haarfollikeln verbunden sind. Beiderlei Drüsen sind mehr durch die anatomische Be- schaffenheit als durch die Qualität des Secretes, welches nur für einzelne Fälle näher bekannt ist, zu unterscheiden, wie denn eine und dieselbe Drüsenform an verschiedenen Localitäten verschiedene Verrichtungen be- sorgt. Als Schweissdrüsen werden einfachere, terminal gewundene Schläuche bezeichnet, während die Talgdrüsen mehr gelappte Bildungen vorstellen. Häufig vereinigen sich mehrere derselben an einem Haarbalg, sie können sogar im Verhältniss zu letzterem so ansehnlich entwickelt sein, dass der Haarbalg als ein Anhang der Drüse sich darstellt Ausser- ordentlich zahlreiche Modificationen erleiden die Talgdrüsen in Form, Zahl, Grösse, wie auch in der Qualität des Secretes. Sehr verbreitet lie- fern beide Drüsenapparate speeifische Riechstoffe verschiedener Art, die in der Oekonomie der Thiere eine bedeutende Rolle spielen. Solche Drüsen erscheinen in vielen Säugethierordnungen an den verschiedensten Loca- litäten der Körperoberfläche ausgebildet. § 323. Die wichtigste Differen z ir ung von Hautdrüsen erfolgt bei allen Säugethieren in der Bildung von Milchdrüsen, Epidermoidalgebilde. 445 die zur Geschlechtsfunction in Beziehung treten. Sie finden sich regel- mässig an der ventralen Körperfläche meist in symmetrischer Lagerung. Jede «Milchdrüse« besteht aus einem Complexe einzelner Drüsenschläuche, die entweder getrennt bleiben, oder ihre Ausführgänge vereinigen. Bei den Monotremen treten diese Organe noch wenig aus der Beihe anderer Hautdrüsen. Jeder der beiden hier bestehenden Apparate wird durch eine Gruppe von Schläuchen gebildet, die einzeln die Haut durch- setzen. Das die Mündungen tragende Feld ist nur durch mangelnde Be- haarung ausgezeichnet und liegt bei Ornithorhynchus in der Ebene des benachbarten Integumentes. Bei Echidna findet es sich in je einer taschen- förmigen Einsenkung (Mammartasche), die zur Aufnahme des Jungen zu dienen scheint. Bei den übrigen Säugethieren treten in der Bildung der Zitzen besondere, wohl durch das Säugegeschäft allmählich ausgebildete Vor- richtungen auf, welche dem Jungen eine günstigere Verbindung mit dem Milchdrüsenapparat gestatten, und zugleich jeden einzelnen Milchdrüsen- complex äusserlich unterscheidbar machen. In der Bildung der Zitzen ergeben sich zwei sehr verschiedene Zu- stände siges indifferentes (Fig 217. A), Für beide erscheint vor der Entstehung der Zitze ein gleichmäs- Stadium indem ein ziemlich flaches Drüsenfeld (b) an seinem Boden einzelne in die Lederhaut wachsende Drüsen aufweist, und durch eine ringförmige Erhebung (a) vom benachbarten Integu- menle sich abgrenzt. Diese Einrichtung entspricht der Mammartasche bei Echidna. Bei der Mehrzahl der Säuge- thiere besteht sie nur vor- übergehend, vielmehr flacht sie sich frühzeitig ab und das Drüsenfeld erhebt sich in seiner die Drüsenmündungen tragenden Mitte (B) zu einer Papille oder Zitze , auf deren Spitze stets eine Anzahl von Drüsengängen ausmündet. In der anderen Einrich- tung persislirt die Mammar- tasche. Durch fortgesetzte Erhebung des Drüsenwalles (a) senkt sich das Drüsenfeld immer tiefe]", der Band der Mammartasche wächst zu einer Fig. 217. Schematische Darstellung der Zitzenbildungen auf senkrechten Schichten. A Indifferenter Zustand bei ebenem Drüsenfelde. B Erhebung des Drüsenfeldes zur Zitze. C Erhebung des Drüsenfeldwalles zur Pseudo- zitze. a Wall des Drüsenfeldes. b Drüsenfeld, gl Drüsen. 446 H- 9- Wirbelthiere. Pseudo-Zitze aus, von deren Spitze dann ein einfacher Canal zum Drüsen- feld hinführt [C). Dieses Verhalten ist bei einem Theile der Ungulaten beobachtet. Uebergangsformen zwischen beiden Befunden der Bildung der Zitze lassen sich bei Beutelthieren (Halmaturus) und Nagern (Murina) wahrnehmen. Die Zahl der durch die Zitzen unterscheidbaren Milchdrüsen ist für die einzelnen Abtheilungen verschieden. Sie entspricht im Allgemeinen der Zahl oder doch dem Maximum der Zahl der gleichzeitig erzeugten Jungen. Sie schwankt selbst innerhalb einzelner Ordnungen ; auch die Lagerung ist verschieden. In der Begel bilden sie zwei Beihen, die bei grösserer Zahl von der Inguinal- bis zur Pectoralregion reichen (Carnivoren, Schweine) . Bei manchen Didelphen sind sie kreisförmig am Abdomen angeordnet. Bei geringer Zahl nehmen sie entweder eine abdominale Stellung ein, wie bei manchen Didelphen , oder sie sind nur in der Leistengegend vorhan- den (Einhufer, Wiederkäuer, Cetaceen), oder sie sind endlich auf die Pectoralregion beschränkt (Elephant, Sirenen, manche Prosimii, Chiropte- ren und Primaten) . Beim Vorkommen von mehr als einem Zitzenpaar werden zuweilen einige Drüsen abortiv, so dass neben den ausgebildeten und funclionsfähigen rückgebildete Organe bestehen , durch rudimentäre Zitzen erkennbar. Aehnlicherweise rückgebildet ist der ganze Apparat bei den Männchen. Als eine Anpassung des Integumentes an die durch Milchdrüsen ge- leistete Ernährung der Jungen sind die bei Beutelthieren bestehenden Hautduplicaturen hervorzuheben , durch welche ein die zilzentragende Fläche des Abdomens umschliessender Sack, das Marsupium, gebildet wird. Seine Ausbildung scheint zu dem Grade der Beife der neugebore- nen Jungen im umgekehrten Verhältnisse zu stehen. Haulskelet. § 324. Durch Erzeugung von Hartgebilden erhöht sich die Leistung des In- tegumentes als Schutzorgan für den Körper, und bei voluminöserer Ge- staltung jener Theile kann es sogar ein Hautskelet hervorgehen lassen. Die hier in Betracht kommenden Gebilde sind zwar in manchen Fällen be- züglich ihrer Genese unvollständig erkannt, allein sie dürfen doch alle den knöchernen Bildungen beigezählt werden, denen sie in den höheren Abtheilungen sogar vollständig entsprechen. Den Ausgangspunkt für mannichfache Formen bieten die Hautzähnchen ( PI aco'idschüppchen) , die bei Sela- chiern über das ganze Integument verbreitet sind. Man unterscheidet an ihnen eine der Lederhaut inserirte meist rhomboidal ge- staltete Basis und einen davon sich erhebenden meist in schräg gerichtete Spitzen auslaufenden Abschnitt, der von Epidermis überkleidet wird. An Epidermoidalgebilde. 447 einzelnen Stellen, wie z. B. am Kopfe, besitzen sie häufig eine gewölbte Oberfläche und liegen unregel massig, indess sie am Rumpfe nicht selten in Fig. 218. Senkrechter Schnitt durch die Haut eines Hai-Embryo. C Lederhaut, c, c, c Straten der- selben, d Oberste Lage, p Papille. E Epidermis, e Cylinderzellensehichte derselben, o Schmelzschichte. ganz regelmässigen schrägen«Reihen (Fig. 219) sich vorfinden. Sie ent- stehen auf Papillen der Leder haut (Fig. 218 p), über welche eine von der Epidermis gebildete Schichte sich hinweg- zieht, die auf dem vorspringenden Theil der Papille eine schmelzartige Substanzlage ab- scheidet, indess der Körper der Papille von der Spitze hei" ossifi- cirt. Epidermis und Corium betheiligen sich also gleichmässig an diesen Gebilden. Die ossificirte Papille bietet einen centralen Hohlraum dar, von dem aus feine verzweigte Canäle nach der Oberfläche ausstrahlen. Das Placo'i'dschüppchen zeigt somit den Bau des Zahnbeines, von Schmelz überzogen, an der Basis in eine aus Knochengewebe ge- bildete Platte forlgesetzt, und darf in dieser Uebereinstimmung mit Zahngebilden als Hautzähnchen bezeichnet werden. Bei den Rochen sind diese Gebilde entweder sjanz verloren gegangen (Zitterrochen) oder sie werden durch grössere Gebilde vertreten, die in Form von Stacheln oder grösseren Knochenzahnen gehäuft oder vereinzelt vor- kommen (Stachelrochen). Die Hautzähnchen der Haie sind bei den GanoTden ziemlich allgemein in grössere Knochenplatten umgewandelt, die bei den Rhombiferen am Körper nicht nur die gleiche Anordnung , sondern auch einen im Wesentlichen über- Fig. 219. Hautzähnchen von C'entro- phorus calceus (schwache Ver- grösserung). 448 H- 9- Wirbelthiere. einstimmenden feineren Bau besitzen. Grössere Knochentafeln mit klei- neren wechselnd finden sich bei den Stören. Sie besitzen meist noch vollständig die Rhombenform, die bei-anderen Ganoiden (den Cycliferen) verloren ging. Daran reihen sich die meist flachen und dünnen Schuppen der Teleostier. Sie erscheinen durch Mancherlei von den Ganoidschup- pen verschieden , und repräsentiren ein durch die Mannichfaltigkeit der Formen charakterisirtes Auslaufen des bei den Ganoiden bestehenden, von den Selachiern ableitbaren Typus. Bei vielen Teleostiern erleidet die Beschuppung eine Bückbildung bis zu gänzlichem Schwinden. Andererseits entstehen von der Schuppen- bildungeinigermassen verschiedene, aus Verschmelzung von Hautzähnehen hervorgehende Theile , wie die Platten und Stacheln der Plectognathen. bei denen es unter festerer Verbindung der Platten zu einer zusammen- hängenden Panzerbildung kommen kann (Panzerwelse, Ostracion, Lopho- branchier). Gleichfalls aus Goncrescenzen von Hautzähnchen ableitbare Stücke erscheinen in dem die Gliedmassen übersehenden Integumente bei Ganoiden und Teleostiern. In Compensation des rückgebildelen inneren oder primären Skeletes der Gliedmassen bilden diese Knochenstückchen reiche, terminal oft dichotomisch verzweigte Strahlen und setzen dann einen Stützapparat der Flossen zusammen (secundäres Flossenskelet). Häufig ist der den Vorderrand der Flosse einnehmende Strahl massiver, oder stellt einen mächtigen , sogar dem inneren Skelete verbundenen Stachelstrahl vor, der nicht blos die übrigen Radien überwiegen, sondern auch , wie bei den Panzerwelsen, sogar die gesammte Brustflosse reprä- sentiren kann. Hertwig, 0., üeber d. Bau u. die Entw. der Placoidschuppen u. der Zähne der Selachier. Jen. Zeitschr. Bd. VIII. — Derselbe, Ueber das Hautskelet der Fische. Morph. Jahrb. II. § 325. Von besonderer Wichtigkeit werden die Ossifikationen des lntegu- mentes an jenen Körperstellen, wo Theile des inneren Skeletes an die Oberfläche treten. Die hier vorhandenen Ossifikationen bilden sich auf dieselbe Weise wie die Knochentafeln an anderen Stellen der Körperober- fläche und sind wieder von einem in den Hautzähnchen gegebenen in- differenten Zustande ableitbar. Während den mannichfachen über den Bumpf verbreiteten Hautknochen eine auf die Fische beschränkte Bedeu- tung zukommt, besitzen andere einen höheren Werth : es sind in bestimmter Anordnung erscheinende Knochenplatteu , die besonders am Kopfe mit Beständigkeit auftreten und dort die Anfänge des knöchernen Schädels, zunächst des Schädeldaches vorstellen (vergl. Fig. 220). Diese Hautknochen gehen durch Vererbung auf alle mit Epidermoidalgebilde. 449 sich zuerst Neben den grossen knöchernem Schädel versehenen Wirbelthiere über, und verbinden sich mit anderen, erst später am Kno^pel- schädel auf tretend en Ossifica- tionen. So trifft es bei den Stören. Knochentafeln finden sich zahlreiche kleinere, von denen der grösste Theil keine allgemeinere Bedeutung bat. Die specielleren Verhältnisse werden wegen dieser Beziehungen zum inneren Ske- lete bei letzterem auseinander gesetzt werden. Uebrigens sind es nicht Schä- delknochen allein, welche aus Ossifika- tionen des Integumentes hervorgehen, auch andere Skelettheile (z. B. die Cla- vicula) besitzen einen ähnlichen Ur- sprung. Endlich nimmt noch eine Kategorie von Knochen ihre Entstehung auf die gleiche Weise aus Placoidschüppchen : die Knochen in der Begrenzung der Mundhöhle, als deren Aus- gangspunkt aus verschmolzenen Placoidschüppchen entstan- dene zahntragende nachgewiesen sind. Platten § 326. Fig. 220. Kopf von Acipenser sturio von oben , die das schraffirt dargestellte knorpelige Cranium deckenden Knoehen- schilder vorstellend. Hautknochengebilde treffen wir in den höheren Classen, bei den Amphibien und zwar bei den fossilen Archegosauriern, deren Haut- knochen in Gestalt von schildförmigen Tafeln verbreitet waren. Nur in rudimentärer Form finden sich solche Haulknochen vereinzelt bei leben- den Amphibien. Bei Ceratophrys liegt ein Knochenschild in der Haut des Bückens, bei Brachycephalus sind drei mit mehreren Wirbeln verbunden. Scheinbar ausserhalb der Beihe dieser Gebilde stehen die unter den Cöci- lien ziemlich allgemein verbreiteten knöchernen Schuppen, die in taschen- artige Vertiefungen eingesenkt sind. Ausgedehnter sind sie bei Beptilien vorhanden, die sich hiedurch dem alten Amphibienstamme nähern. Bei den fossilen Teleosauriern wie bei den lebenden Grocodilen stellen Hautknochen über das ganze Integu- ment verbreitet eine Art Panzer her, und auch bei ScincoTden finden sich aneinanderschliessende knöcherne Platten im lntegumente in allgemeiner Verbreitung. Aehnliche Hautossificationen bilden bei den Schildkröten Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 29 450 II. 9. Wirbelthiere. durch ihre Verbindung mit inneren Skelettheilen eine einseitig entwickelte aber sehr vollständige Form des Hautskelets, sowohl an der dorsalen FläGhe des Körpers als Rückenschild, wie an der ventralen als Bauchschild (Plastron) . Am Rückenschilde ist eine mediane Reihe von Knochen zu unterscheiden, die mit den Wirbeldornen verschmolzen ist, wohl auch von ihnen ausgeht. Lateral folgen grössere mit den rippenartigen Quer- fortsätzen verschmolzene Platten, wozu noch rings um den Rand des Schildes besondere Marginalplatten kommen. Diese fehlen bei Trionyx. Am Plastron sind meist 4 paarige und ein unpaares Stück unterscheidbar. Alle diese Theile zeigen eine verschiedengradige Ausbildung in den ein- zelnen Familien. Während die Hautknochen derReptilien wahrscheinlich als eine Fort- setzung des Knochenpanzers der Fische gelten dürfen, müssen wir die bei den Edentaten vorkommenden Ossificationen als selbständige, aus An- passungen hervorgegangene Einrichtungen beurtheilen. Inneres Skelet. § 327. Von grösserer morphologischer Bedeutung als die vom Integumente gelieferten Skeletgebilde ist das innere Skelet , welches einerseits An- knüpfungen an die Einrichtungen Wirbelloser bietet, andererseits durch eine lange Reihe wechselvoller Befunde sich durch alle Abtheilungen der Wirbelthiere verfolgen lässt. Als erster Zustand erscheint das innere Skelet in Form eines die Länge des Körpers durchziehenden stabförmigen Gebildes, in ein- fachster Weise aus indifferenten Zellen zu- sammengesetzt und umgeben von einer aus Abscheidung dieser Zellen hervorgegangenen Cuticularbildung. Dieser primitive Stütz- apparat ist die .Rückensaite (Chorda dorsalis, Notochord), die wir bereits bei Tunicaten trafen. (Vergl. § 303.) Die von ihr gebildete Hülle ist die Chordascheide (es) . Die erste Anlage der Chorda findet un- mittelbar unter dem centralen Nervensysteme statt, und zeigt sich nicht überall in gleicher Beziehung zu den Keimblättern, doch dürfte die mittelbare oder unmittelbare Abstammung vom Mesoderm abzuleiten sein. Das einheit- liche, anfänglich in allen Fällen jeder Gliede- rung entbehrende Verhalten der Chorda spricht für die Herleitung dieses Organes aus einem ungegliederten Zustande des Organismus, womit auch sein frühzeitiges Auftreten harmonirt. Fig. 221 a. Querschnitt durch das Rückgrat von Ammocoetes. C'h Chorda. es Chordascheide. m Rückenmark, a Aorta, v Venen. Inneres Skelet. 451 Die Chorda besitzt constante Lagebeziehungen zu den wichtigsten übrigen Organen, lieber ihr liegt das centrale Nervensystem , unter ihr findet sich der respiratorische und nutritorische Apparat. Zur Um- schliessung des bezeichneten dorsalen und ventralen Raumes erstrecken sich, von dem die Chorda umgebenden Bindegewebe Fortsätze aus und senken sich zugleich in die Körpermuskulatur ein , die dadurch in eine Anzahl hinter einander liegender Abschnitte getheilt wird. BeiAmphioxus verhalten sich diese Abschnitte insofern asymmetrisch, als sie beiderseits altern iren. Der niedere Zustand des durch die Chorda repräsentirten Axenske- lets bleibt bei den Leptocardiern bestehen , eigenthümliche gewebliche Modificationen aufweisend. Bei allen übrigen Wirbelthieren erscheint die Chorda nur für die ersten Entwickelungsstadien als ausschliessliches Axenskelet, und neue Differenzirungen lassen sie allmählich in ihrem functionellen Werthe sinken. Solche treten sowohl an der Chorda als in dem sie umgebenden Gewebe auf, welches man wegen seiner Be- ziehungen zum späteren Skelete als »skeletogene Schichte« oder als »skeletbildendes Gewebe« bezeichnet. Die Chordazellen stellen ejn dem Knorpel ähnliches Gewebe dar, und die Chordascheide gewinnt durch Verdickungen ihrer Schichten eine selbständigere Bedeutung für die Stützfunction. Mit der Bildung von Knorpel- gewebe (Fig. 221 b. k) um die Chorda tritt die vorher nur angedeutete Gliederung des Axen- skelets in einzelne als Wirbel bezeichnete Ab- schnitteauf, welche als der am Axenskelete erscheinende Ausdruck einer Meta- merenbildung des Gesammtkörpers sich darstellen und durch ihre Reihenfolge die Wir- belsäule bilden. An jedem Wirbel unter- scheiden wir den die Chorda einschliessenden Abschnitt als Körper und mittelbar oder un- mittelbar davon ausgehende, den dorsalen und ventralen Binnenraum des Leibes umschliessende Spangenstücke als Bogen. Die letzteren unter- scheiden wir nach ihren Beziehungen zu jenen beiden Räumen als obere und untere Bogen. Mit der Gliederung des Axenskeletes bildet bei den Cranioten am vordersten Abschnitte ein bestimmt abgegrenztes Stück das primitive C ra- nium. Ein unteres Bogensystem , welches den vordersten , als Athmungs- organ fungirenden Abschnitt des Tractus intestinalis umschliesst, wird als Kiemen- oder Visceralsk e let unterschieden. Cranium und Visceralskelet bilden zusammen den vordersten Abschnitt des gesammten Die hier sich anschliessenden übrigen 29* Fig. 221 b. Querschnitt durch das Rückgrat eines jungen Lachses. Ch Chorda, es Ohordascheide. m Rücken- mark, k Obere, k' untere Bo- genanlage. a Aorta, v Venen. Skelets, das Skelet des Kopfes. 452 II. 9- Wirbelthiere. Skeletbildungen werden durch die mehr oder minder gleichartig bis zum Schwanzende des Körpers verlaufende Wirbelsäule repräsentirt, deren obere Bogen in inniger Verbindung mit den Körpern fortbestehen. Von den unteren Bogen dagegen gliedern sich auf der die Leibesböhle um- schliessenden Strecke bewegliche spangenförmige Stücke ab, die Rippen. Dazukommen endlich noch Skelettheile der Gliedmassen, die durch besondere Apparate, den Brust- und den SehuUergürtel , dem Rumpfskelete verbunden sind. Der knorpelige Zustand des primitiven Skeletes wiederholt sich all- gemein auch in den höheren Abtheilungen, spielt aber hier nur eine vor- übergehende Rolle, indem Knochengewebe allmählich an seine Stelle tritt, und die Skelettheile damit auf eine functionell höhere Stufe hebt. Dem entsprechend erscheint in den morphologischen Befunden eine rei- chere Differenzirung. Aber auch für das knöcherne Skelet kommt dem Knorpel noch eine grosse Bedeutung zu. Von Belang ist auch eine durch Kalkeinlagerung bedingte Modification des Knorpels, welche nicht blös der Ossifikation knorpelig angelegter Skelettheile vorausgeht, sondern auch., als meist oberflächliche Verkalkung an den Knorpelskeleten nie- derer Gnathostomen (Selachier) eine definitive Einrichtung bildet. Wirbelsäule. § 328. Die Trennung des Rückgrates in Schädel und Wirbelsäule ist bei Amphioxus noch nicht vollzogen ; das gesammte Axenskelet wird gleich- artig durch die Chorda repräsentirt. Bei den Cranioten ist die Scheidung eingetreten. Die niedersten Verhältnisse des Rückgrates bieten Gyclosto- men, deren weiterentwickelte Chorda sammt ihrer Scheide den Haupttheil der Wirbelsäule repräsentirt. Um die Chordascheide findet sich knorpel- artiges Gewebe, welches sich sowohl in seitliche Leisten, als auch in die Wand des dorsalen Canals fortsetzt. Dieses Gewebe ist eine continuirliche Differenzirung der skeletogenen Schichte und darf nicht mit den die Wir- belsegmente begründenden Knorpeln zusammengeworfen werden. Somit besteht hier, streng genommen, noch keine Trennung des Rückgrates in einzelne Wirbel, nur Spuren hiervon finden sich bei Petromyzon, bei welchem die Wand des dorsalen Canals am vorderen Abschnitte einzelne, oberen Bogen entsprechende Knorpelstücke umschliesst, sowie auch An- deutungen unterer Bogen vorkommen. Auch bei Chimären und Dipnoi persistirt die Chorda in ihrem ur- sprünglichen Verhalten. Bei den Chimären bilden ringförmige Verkalkun- gen der ansehnlichen Chordascheide die Andeutung einer Segmentirung des Chordarohrs, allein sie kommen in viel grösserer Anzahl als die WTir- belsegmente vor, welche nur durch der Chordascheide aufgesetzte Bogen- stücke vorgestellt werden. Am vordersten Abschnitte umwachsen sie die Wirbelsäule. 453 Chorda und lassen , unter sich verschmelzend, ein grösseres einheitliches Stück hervorgehen. Bei den Dipnoi bildet sich um die primitive Chordascheide noch ein besonderes, aus der skeletogenen Schichte ent- standenes Rohr, welchem die knorpeligen, oberflächlich ossificirten Bogen- stücke aufgesetzt sind. In hohem Grade weiter ausgebildet erscheint das Axenskelet der Selachier. Um die Chorda treten die Anlagen oberer und unterer Knor- pelbogen auf, welche , die Chorda umwachsend, knorpelige, ringförmig gestaltete Wirbelkörper herstellen. Der die Chorda umschliessende Theil des Knorpels sondert sich von dem peripherischen in die Bogen sich fort- setzenden, und repräsentirt damit, ähnlich wie bei den DipnoT, eine Art von knorpeliger Scheide (skeletogene Chordascheide), welche der cuticu- laren Scheide angelagert ist. Bedeutende Verschiedenheiten im Baue der Wirbelsäule der Selachier entspringen aus der Art des Wachsthums der Chorda und ihrer Scheide. Bald stellt der Knorpel ein cylindrisch.es Bohr vor, an welchem die Wirbel nur durch die Bogen und ringförmige Stücke der skeletogenen Scheide repräsentirt sind ; bald zeigt sich ein intervertebrales Wachst hum der Chorda (Fig. 222 ß), welche da, wo der Wirbel [v] mit der Entstehung A B J) K .;. ' S~~ - '«' \ •e ' . jj % ■'; 1'. ■1? •■' •/ .'.- % y >-, ,'\ c&- 7: '■- ■■" .' '<- % ■> ■ - c * Fig. 222. Schematische Darstellung der Veränderungen der Chorda durch die skeletbildende Schichte. (Läugendurchschnitte.) c Chorda, es Chordascheide, s Skeletbildende Schichte, v Wirbelkörper. iv Iutervertehrale Partie, g Intervertebrale Gelenke. A Gleichmässig entwickeltes Chordarohr mit skeletbildender Schichte (Fische). B Intervertebrales Wachsthum der Chorda. Bildung biconeaver Wirbelkörper (Fische). C Intervertebrale Einschnürung der Chorda durch Knorpel, mit Erhaltung eines vertebralen C'horda- restes (Amphibien). D Intervertebrale Einschnürung der Chorda (Reptilien, Vögel). E Vertebrale Einschnürung der Chorda mit Erhaltung eines intervertebralen Restes (Säugetliiere). der Bogenstücke sich zuerst um die Chorda angelegt hat, auf dem früheren Umfange bestehen bleibt. Aus diesem Verhalten entstehen biconeave, (amphieöle) Wirbelkörper (B), deren Vertiefungen von der intervertebralen Chorda ausgefüllt werden. Hiedurch sind die für den Bau der Wirbel fast aller übrigen Fische massgebenden Verhältnisse angebahnt. 454 II. 9. Wirbelthiere. § 329. Bei den Gano'iden schliessen die niedersten Zustände der Wirbelsäule an die einfachste Organisation der Selachier sich an. Ausser den oberen, mit den Wirbelkörpern zusammenhängenden Bogen betheiligen sich bei den Stören wie bei Selachiern und Chimären noch besondere Schall- knorpel am Verschlusse des Bückgratcanals. Die Cbordascheide bildet bei den Stören ein ansehnliches Bohr, eine Scheidung in Wirbel wird nur durch die aufsitzenden Bogenstücke ange- deutet. Von dieser niedersten Form wird die Wirbelsäule der übrigen Gano'iden durch eine weite Kluft getrennt. Amia schliesst sich den Teleostiern an. An den Verbindungsstellen der Bogen mit den Wirbel- körpern erhält sich ein Knorpelrest, der bei Polypterus fehlt, so dass Bogen und Körper knöchern vereinigt sind. Am meisten verschieden zeigt sich Lepidosteus, bei welchem die Knorpelanlage des Wirbels intervertebrale Einschnürungen der Chorda erzeugt. An dem die Einschnürungen bildenden Knorpel entsteht eine intervertebrale Gelenkhöhle, so dass die opislhocölen Wirbelkörper mit einander articuliren. Hierin bietet sich ein Anschluss an die Amphibien, doch geht der vertebrale Chordarest später verloren und es bildet sich ein knöcherner, mit den oberen Bogen continuirlich verbundener Wirbelkörper aus. An der Wirbelsäule der Teleostier wird eine Beduction der knorpeligen Anlage charakteristisch. Diese Beduction ist als eine allmähliche nachweisbar und sogar an einerund derselben Wirbelsäule lässt sich die von vorne nach hinten vor sich gehende Abnahme der Knorpelanlage in gewissen Entwickelungsstadien erkennen. In der Begel erscheinen um die Chorda vier, oberen und unleren Bogen zugehörige Knorpelstücke (Fig. 221 b. kk'), die sich in verschiedenem Masse an der Bogenbildung betheiligen. Nur selten werden voll- ständige obere Bogen durch sie hergestellt. Mit dem Auftreten von Knochensubstanz werden diese Kuorpel meist ins Innere des Wirbelkörpers eingeschlossen und stellen dann auf senkrechtem Querschnitte ein schräg stehendes Knorpelkreuz vor (vergl. Fig. 223. kk'), dessen Schenkel gegen die knöchernen Bogen gerichtet sind. Immer findet sich interverte- brales Wachsthum der Chorda, welches den Wirbel- körper amphicöl erscheinen lässt. Fig. 223. Senkrechter Querschnitt durch die Mitte eines Wirbels von Esox lucius. ch Chorda, es Chordascheide. k k ' Knorpelkreuz , k den oberen, k' den unteren Bogenanlagen entspre- chend. 7j Knöcherner Querfortsatz, n Rück- gratcanal. § 330. ' Die Wirbelsäule der Fische ist nur in eine Bumpf- und eine Schwanzregion unterschieden. Beide sind durch das verschiedene Ver- Wirbelsäule. 455 halten der untern Wirbelfortsatze ausgezeichnet, während die oberen Bogen in Verbindung mit der Wirbelsäule ihr gleichartiges Verhalten bei- behalten und meist durch mediane Fortsätze (Proc. spinosi) ausgezeichnet sind. Die untern Bogen erscheinen am Rumpfe in Rippen und diese tra- gende Querfortsätze (Parapophysen) gegliedert. Am Schwänze erhalten sie sich bei Selachiern und Gano'iden mit dem Wirbelkörper in continuir- licher Verbindung, und laufen , ähnlich den oberen Bogen, in Dornfort- sätze aus. Bei den Teleostiern gehen die rippentragenden Querfortsätze unter allmählicher Convera;enz am Caudalabschnitte in untere Bogenbildunoen über, die, obwohl sie Dornfortsätze bilden, jenen der Selachier und Gano'iden nicht homolog sind. Das caudale Ende der Wirbelsäule läuft bei Chimären, Dipno'i und vielen Teleostiern unter gleichmässiger Verjüngung aus, zeigt aber bei den meisten Fischen bedeutende , mit der Entfaltung der Schwanzflosse zusammenhängende Modifikationen. Diese betreffen zunächst die unteren Bogenstücke, welche bei den Haien terminal bedeutend verbreiterte Dornfortsätze bilden, denen die vorzüglich ventral entwickelte Schwanz- flosse verbunden ist. Bei manchen Haien , mehr noch bei den Stören, geht dieses Schwanzskelet eine sehr ungleiche Differenzirung ein. Die mächtigere Ausbildung der unteren Dornfortsätze ist nämlich von einer Bückbildung der oberen Dornfortsätze wie der oberen Bogen der letzten Caudalwirbel begleitet, woraus eine Aufwärtskrümmung des Caudalendes der Wirbelsäule resullirt. Der bei den Haien untere Lappen der Schwanz- flosse empfängt damit eine terminale Stellung. Bei den Teleostiern tritt noch eine Verkümmerung desAxentheils der Wirbelsaule hinzu. Indem eine Anzahl der letzten meist verschmelzen- den Wirbelkörper mit ihren oberen Bogen sich unvollständig oder gar nicht mehr entwickelt, indess deren untere Bogenstücke erhalten bleiben, muss die Aufwärtskrümmung sich in demselben Masse steigern, als Zahl- und Volumsenlfaltung der un- teren Bogenstücke über die oberen das Uebergewicht gewinnt. Dieser Zustand (Fig. 224) setzt sich durch Rückbildung einer grösseren Anzahl von Wirbelkörpern hier noch weiter fort, so dass nur noch deren untere Bogen bestehen (Physostomen). Endlich verschwinden die Wirbel völlig und die Beste der unteren Bogen des Schwanztheiles verbinden sich als senkrechte Platten mit einem einzigen, das Ende der Wirbelsäule darstellenden Wirbel, von dem Fig. 224. Ende der Schwanzwirbelsäule eines jungen Cyprinoiden. v Wirbelkörper, n Obere , k untere Bogen (die knorpeligen Theile sind punktirt. c Ende der Chorda, d Deckende Knochenlamelle, r Knochenstrahlen der Schwanzflosse. 456 iL 9- Wirbelthiere. ein aufwärts gerichteter griffeiförmiger Fortsatz (Urostyl) das Ende der Chorda aufnimmt«(Acanthopteri). Mit diesen von der Wirbelsäule gebildeten Theilen verbinden sich vom Integumente gelieferte Stützorgane , die in die Schwanzflosse ein- gehen. Bei Selachiern sind das die sogenannten Hornfäden, bei Gano'iden und Teleostiern Ossificationen, welche die Strahlen der Flosse bilden. Wie die Schwanzflosse so erhalten auch die anderen unpaaren Flossen ihre Slützorgane theils vom Axenskelete, theils vom Integumente. Bei Selachiern treten von Dornfortsätzen abgegliederte Knorpelstücke in jene Flossenbildungen ein, und gewinnen allmählich eine selbständige Bedeu- tung. Bei Gano'iden und Teleostiern sind sie als »Flossenstrahlträger« discrete Knochenstücke geworden , aus dem Zusammenhange mit den Dornfortsätzen gelöst. Sie stehen mit den Flossenstrahlen in Verbindung, welche bald aus einzelnen Knochenplättchen zusammengesetzte geglie- derte Gebilde sind, bald durch solide Knochenstäbe (Stachelstrahlen) vor- gestellt werden. § 331. Bei den Amphibienwirbeln umwächst die knorpelige Anlage der Bogen die Chorda, und bildet an letzterer durch intervertebrale Wuche- rungen Einschnürungen (Fig. 222. C) . Bei vielen wird an diesen Stellen die Chorda zerstört. Bei den Anuren persistirt die Chorda in Mitte des Wirbelkörpers , wovon nur jene eine Ausnahme bilden , deren Wirbel- körper über der Chorda angelegt wird (Hyla, Bombinator, Pelobates etc.) . Aus dem intervertebralen Knorpel gehen mit dem Auftreten von Gelenk- höhlen die Gelenkenden der Wirbelkörper hervor. Unvollständig sind diese Intervertebralgelenke bei den meisten Urodelen, deren Wirbelkörper alle Stadien der Gelenkbildung erkennen lassen. Bei anderen Frodelen besitzt der intervertebrale Knorpel nur eine geringe Entwickelung , so dass die Chorda von ihm nur wenig oder auch gar nicht eingeschnürt wird. Sie erhält sich in der ganzen Länge der Wirbelsäule, abwechselnd eingeschnürt und erweitert bei Menobranchus, Siredon , Menopoma. Bei den letzteren tritt die Betheiligung des Knor- pels am Aufbau der Wirbel beträchtlich zurück und es lässt sich eine bei den Salamandrinen beginnende bis zu Proteus hinführende Beihe nach- weisen, in welcher der Intervertebralknorpel allmählich rückgebildet wird. In demselben Masse als diese Bückbildung stattfindet, wird der Wirbel durch Ablagerungen von knöchernen Schichten dargestellt, die sogar theilweise direct der Chordascheide auflagern können. Anlagen oberer und unterer Bogen sind am Rumpfe nicht mehr dis— cret, vielmehr scheinen beide hier in einer gemeinsamen Knorpelmasse zusammengetreten zu sein. So geht von hier an ein bei Fischen erkenn- bares Verhalten verloren und die Anlage des knorpeligen Wirbels wird frühzeitig einheitlich gestaltet. Wirbelsäule. 457 Die Verkümmerung des hinteren Endes der Wirbelsäule bei den Anuren lässt eine geringe Wirbelzahl zur Entwicklung kommen. Mit dem Verschwinden des Schwanzes bildet sich dann aus einigen Wirbel- anlagen ein langes, dolchförmiges, gewöhnlich als Steissbein bezeichnetes Knochenstück (Fig. 225. c), so dass mit diesem höchstens zehn Wirbelsegmente unterscheidbar sind. In viel grösserer Zahl erscheinen sie bei den Urode- len, bei Amphiuma bis über 1 00, Menopoma 48, Salamandra 42, und bei den Cöcilien gegen 230. Von den Fortsätzen der Wirbel sind die Quer- fortsätze (tr) bei Salamandrinen wenig voluminös, die vorderen meist in zwei Schenkel getheilt, an- sehnlicher aber einfach sind sie bei Anuren. Obere Dornfortsätze bestehen nur rudimentär. Gelenkver- bindungen der Bogentheile der Wirbel finden sich unter Ausbildung paariger Gelenkfortsätze in allge- meiner Verbreitung. Durch die Verbindung des Beckengürtels mit der Wirbelsäule trennt sich nicht nur der Caudal- abschnitt schärfer vom Rumpftheile, sondern es wird noch ein Sacralabschnitt durch einen Wirbel reprä- sentirt, der meist durch mächtige Querfortsätze (besonders bei Pipa) sich auszeichnet. Gegenbaur, Unters, über die Wirbelsäule der Amphibien. Leipzig 1861. Fig. 225. Wirbelsäule und Becken des Fro- sches, tr Querfortsätze, s Sacralwirbel. c Steiss- bein. ü Ilium. is Scham- Sitzbein. / Femur. § 332. Um die Chorda dorsalis bildet sich bei den Sauropsiden die Anlage der Wirbelsäule, ähnlich wie bei den Amphibien. Knorpelige Wirbel- körper senden eben solche Bogenstücke aus , die den Rückgratcanal ab- schliessen. Auch die intervertebrale Einschnürung der Chorda besteht (vergl. Fig. 222. D), doch geht die ganze Chorda (mit Ausnahme bei den Ascala- boten) zu Grunde. Die Trennung der continuirlichen Anlage in einzelne Wirbelkörper geschieht ähnlich wie bei den anuren Amphibien, und bei Eidechsen und Schlangen gehen daraus procöle Formen hervor. Bei Cro- codilen und Vögeln werden die zwischen den Wirbelkörpern des Halses liegenden Knorpelpartieen der Anlage zu einem besonderen interverte- bralen Apparate verwendet. Von den oberen Bogen erstrecken sich Gelenkfortsätze zu den nächst vordem und hintern Wirbeln. Sie sind sehr entwickelt an der Hals- wirbelsäule der Schildkröten. Obere Dornfortsätze finden sich in ver- schiedenem Masse, besonders an den Rumpfwirbeln, bei den Crocodilen und vielen Eidechsen auch noch an den Schwanzwirbeln vor. Querfort- sätze nehmen entweder vom Wirbelkörper selbst, oder doch dicht an 458 II. 9. Wirbelthiere. diesem ihren Ursprung. Sie sind an der Rumpf- und Schwanzwirbel- säule derCroeodile ansehnlich entfaltet, am meisten jedoch hei den Schild- kröten, wo sie von den im Integumente entstandenen Knochenplatten des Rückenschildes umwachsen werden. In einen oberen und unteren Theil gespalten erscheinen sie bei Schlangen. Rippen sind bei Reptilien und Vögeln längs des ganzen Rumpftheiles der Wirbelsäule vor- handen, und fehlen nur den Schildkröten. Die bei den Reptilien beweglichen Halsrippen verwachsen bei den Vögeln (Fig. 226. co) mit den Wirbeln und begrenzen mit letzteren ein Foramen transversarium. Fig. 226. Vultur Halswirbel von cinereus. c Körper, p Bogenstücke. s Dornfortsatz, co Rippen- rudiment. Untere Bogen finden sich am Caudaltheile der Wirbelsäule bei Eidechsen, Schildkröten und Croco- dilen , wo sie sich immer zwischen zwei Wirbel- körpern befestigen und zur Herstellung eines Caudalcanals beitragen. Rudimentär sind sie bei den Vögeln vorhanden. Ganz verschieden hier- von sind untere Fortsätze, die bei Schlangen, Eidechsen undVögeln direct von den Wirbelkörpern ausgehen. Die Vergleichung mit den Amphibien lässt an der Wirbelsäule der Reptilien und Vögel eine reichere Gliederung wahrnehmen. Durch die Verbindung einer Anzahl von Rippen mit einem Rrustbein son- dert sich sowohl ein Halstheil der Wirbel- säule, wie auch ein Len- dentheil schärfer. Der letztere umfassl die prä- sacrale, mit nur kurzen Rippen ausgestattete Wirbelgruppe und ist deutlich bei Eidechsen und Crocodilen. Die mangelnde Sternalver- bindung bei Schlancen lässt Brust- und Hals- abschnitt indifferent er- scheinen, wie auch eine Lendenregion nicht un- terscheidbar ist. Auch Fig. 225. Sacraltheil der Wirbel- säule eines Vogels. Fig. 227. Sacraltheil der Wir- belsäule eines Reptils mit den benachbarten prä- und postsacralen Wirbeln. Beide schematische Figuren sind von der ventralen Fläche dar- gestellt und zeigen linkerseits die Nervengeflechte. Für beido Figuren : a erster Sacrahvirbel, 6 zweiter Sacralwirbel. 1, 2, 3, 4 . . . Präsacralwirbel. 1', 2', 3', 4' ... . Postsacralwirbel (Caudalwirbel). Wirbelsäule. , 459 bei den Schildkröten bieten die Wirbel des Rumpfes ein gleichartiges Verhalten dar. Die Differenzirung jener Abschnitte ist keine scharfe, in- sofern bei Eidechsen und Crocodilen wie bei Vögeln die letzten Rippen des Halstheiles nur wenig an Länge von den nächstfolgenden an das Ster- num gelangenden verschieden sind. Aehnliches gilt vom Lendentheile der Eidechsen , der bei den Vögeln sogar mit dem eigentlichen Sacral- abschnitt sich verbindet. Der sacrale Theil der Wirbelsäule bietet eine Vergrösserung, indem bei Reptilien mindestens noch ein zweiter Wirbel (Fig. 227. a b) zu dem schon bei Amphibien vorhandenen tritt. Diese Wirbel gehen zugleich festere Verbindungen ein, und verschmelzen völlig unter einander bei den Vögeln, zu deren primitiven Sacral wirbeln (Fig. 228. a b) noch eine grössere Anzahl präsacraler und postsacraler Wirbel sich fügt, die alle mit dem Darmbein Verbindungen eingehen. Im so- genannten Sacrum der Vögel sind sowohl thorakale als lumbale wie caudale Wirbel zu erkennen, welche die Ge- sammtzahl bis auf 23 (bei Struthionen) erheben. Die beiden echten Sacralwirbel sind bei Hühnervögeln , vielen Schwimmvögeln , auch bei Raubvögeln sehr deutlich unterscheidbar. Die schwankendsten Verhältnisse bietet der Caudalabschnitt, an welchem sowohl bei Schildkröten als Vögeln eine bedeutende Reduction sich ausspricht. Unter den Vögeln tritt bei den Carinaten ausser der Reduction der Zahl auch eine Verschmelzung von 4 — 6 discret angelegten Wirbeln ein, woraus der letzte, ein grösseres Stück darstellende, gewöhnlich als »Steissbein« oder »Pflusscharbein« bezeichnete Abschnitt der Wirbelsäule hervorgeht, der in Anpassung an die Reziehung zu den Steuerfedern meist in eine senkrechte Platte sich auszieht. § 333. Rei den Säugethieren umwächst die knorpelige Anlage der Wirbel- säule die Chorda dorsalis und bildet an der je einem Wirbelkörper ent- sprechenden Stelle eine Einschnürung, so dass die Chorda sich interverte- bral länger erhält (Fig. 222 E) . Aus dem sie hier umgebenden Gewebe bildet sich die intervertebrale Randscheibe aus, in welcher der Chordarest als »Gallertkern« fortbesteht. Von den Wirbelkörpern aus erstreckt sich der Knorpel in die oberen Bogen. Sowohl im Wirbelkörper als an den Rogen entstehen selbständige Ossifikationen und die von da aus ver- knöchernden Stücke verschmelzen erst nach Abschluss des Wachsthums. Die Rogen bilden an den meisten Wirbeln Dornfortsätze. Rei den langhalsigen Ungulaten (Giraffe, Kameel, Pferd) fehlen sie an der Hals- wirbelsäule, sind dagegen am Rumpftheile bedeutend entwickelt. Letz- teres gilt auch von den Cetaceen , an deren Caudaltheil sie noch ansehn- licher sind. Allgemein bestehen Gelenkfortsätze, die nur bei den Cetaceen Rückbildungen erlitten haben. Als Querfortsätze pflegt man sehr ver- 4G0 H- 9- Wirbelthiere. schiedenartige Bildungen zu bezeichnen, die bald von den Wirbelbogen, bald von den Körpern entspringen. Den einfacheren Zustand bieten diese Processus transversi an der Hals- und Brustregion. An ersterer erleiden sie eine Complication durch die Verbindung mit Rippenrudimenten, die mit ihnen verwachsend ein Foramen transversarium umschliessen helfen. Au der Brust tragen sie gleichfalls Rippen . die ihnen ventralwärts ange- schlossen sind. Doch können sie auch terminal Rippen tragen, wie die hinteren Brustwirbel der Cetaceen. Beim Uebergang der Brustwirbel in den Lumbaltheil der Wirbelsäule erscheint in grosser Verbreitung eine Differenzirung der Querfortsätze in drei besondere Fortsätze. Nach vorne gerichtete, zuweilen sehr ansehnlich werdende Höcker bilden die Pro- cessus ma miliares, die auch auf die Wurzel der vorderen Gelenk- fortsätze rücken können. Nach hinten und aufwärts gerichtete Fortsätze stellen die Proc. accessorii vor, und ein dritter Fortsatz ist lateral, häufig auch abwärts gerichtet, und bildet die Proc. transversi (Pr. laterales) der Lendenwirbel. Die einzelnen Abschnitte der Wirbelsäule sind bei den Säugethieren schärfer als bei den Reptilien und Vögeln differenzirt. Vornehmlich ist es die Halsregion, die, durch den constanten Besitz von 7 Wirbeln ausge- zeichnet, von dem Brustabschnitte sich bestimmter abgrenzt, indem ihre Rippenrudimente zu den Brustrippen nur ausnahmsweise allmähliche Uebergänge bieten. Eine Vermehrung der Halswirbel bei Bradypus auf 8 oder 9 erklärt sich aus dem Uebergänge von Brustwirbeln in den Hals- abschnitt, ebenso wie eine Verminderung auf 6 bei Choloepus und dem australischen Manati aus einer vollständigen Entwicklung der Rippe des siebenten Halswirbels ableitbar ist. Die Lendenregion ist durch den Mangel beweglicher Rippen ausge- zeichnet. In der Sacralregion findet sich meist nur ein das Darmbein tragender Wirbel, dem sehr häufig noch ein zweiter sich ähnlich verhält. Seltener erstreckt sich die Darmbeinverbindung noch auf einen dritten Wirbel. Indem diese untereinander und noch mit einem oder einigen Caudalwirbeln verschmelzen, bildet sich ein einheitlicher Abschnitt als »Os sacrum« aus, an welchem wir also die echten Sacralwirbel von den unechten aus Caudalwirbeln entstandenen zu unterscheiden haben. Rei Edentaten wird die Zahl der Sacralwirbel durch Verbindung der Sitzbeine mit der Caudalwirbelsäule vermehrt. Auf diese Weise entsteht eine Aus- dehnung des Sacraltheiles über 8 — 9 Wirbel. Der Schwanztheil der Wirbelsäule ist auch bei den Säugethieren der variabelste, er bietet innerhalb der meisten Abtheilungen sowohl Zustände grosser Entwicklung, als auch bedeutende Rückbildungen. So erhebt sich die Wirbelzahl bei den Affen bis auf 30, um bei einigen selbst unter jene Zahl zu sinken, welche noch beim Menschen sich erhalten hat. Wie sich dadurch der letzte Abschnitt dem vordersten oder Halstheil entgegensetzt, so ist der zwischen inne liegende bezüglich der Zahlen- verhältnisse minder constant als der Halsabschnitl, aber auch minder Wirbelsäule. 461 schwankend als der Caudaltheil der Wirbelsäule. Die Zahl der Dorsolum- balwirbel stellt sich sehr hoch bei den Halbaffen (23 — 24 bei Lemur) , bei Choloepus (27), bei Einhufern (24) u. a., am höchsten bei Hyrax (29). Geringer ist sie bei den übrigen Abtheilungen. Innerhalb der grösseren Abtheilungen spricht sich die gemeinsame Abstammung der einzelnen Gattungen in einer ziemlich vollständigen Uebereinstimmung der Gesammtzahl der Dorsolumbalwirbel aus. Für die Beutelthiere und Artiodactylen ergeben sich durchgehend I 9 ; und ebenso viel oder 20 herrschen bei den meisten Nagern, den Raubthieren (21 bei Paradoxurus und Procyon) und der Mehrzahl der Primaten , während sie bei einigen der letzteren auf 18 oder 17 sinkt, womit zugleich die meisten Chiropteren übereinstimmen. Die Verschiedenheiten innerhalb der Dorsolumbalregion entspringen dann aus dem Verhalten der Rippen, deren Rückbildung eine Vermehrung der Lumbaiwirbel hervorruft. § 334. Rei den mannichfachen Differenzirungen der Wirbel sind die extre- men Zustände in der Regel durch Uebergangsformen verknüpft. Nur an den beiden vordersten Wirbeln prägt sich eine ausschliesslich auf diese beschränkte Einrichtung aus, die aus der Verbindungs- und Rewe- gungsweise des Schädels an dem Rückgrate hervorgeht. Rei den Fischen bestehen in der Verbindung zwischen Schädel und erstem Wirbel zuweilen eigentümliche Einrichtungen, bei Rochen sogar Gelenke, die auch bei Teleostiern an seitlichen Forlsätzen sich finden. An- dere Modificationen beginnen bei den Amphibien. Der erste Halswirbel ist ringförmig, indem er gewöhnlich der Querfortsätze entbehrt, die nur bei Verschmelzung mit dem folgenden Wirbel vorkommen (Pipa). Dieser erste Wirbel wird als Atlas bezeichnet. Rei den Reptilien bleibt der Körper des Atlas, vor jenem des zweiten, als Epistropheus unter- schiedenen Wirbel gelagert, von seinen Rogenstücken getrennt, und ver- bindet sich enger mit dem Körper des Epistropheus als mit letzteren. Da- bei entsteht unter diesem Körper ein besonderes, die Rogenstücke ventral vereinigendes Stück, und bei den Grocodilen findet sich noch ein dorsales Schlussstück des Bogentheils. Rei den Schlaugen verwächst in der Regel der dem Körper des Atlas entsprechende Theil mit dem zweiten Hals- wirbel, und bildet dessen Zahnfortsatz, ebenso bei den Vögeln, bei wel- chen auch die ventrale Bogenverbindung im Vergleich zu jenem »Processus odonto'i'des« eine bedeutendere Grösse erreicht. Das Verhalten bei den Reptilien repräsentirt bei den Säugethieren einen embryonalen Zustand, der bei den Monotremen länger währt, als bei denUebrigen, und selbst bei Reutelthieren häufig durch Trennung des Aliaskörpers vom Epistropheus fortbesteht. Sonst geht der Körper des Atlas vollkommen in den Zahnfortsatz des Epistropheus auf. Die untere Vereinigung der Rogen wird bei Marsupialien nur durch ein Ligament 462 H. 9. Wirhelthiere. . hergestellt oder es entsteht an dessen Stelle ein distincter Knochen , bei den Monodelphen eine knöcherne ventrale Spange zwischen den beiden Bogenhälften. Rippen. §335. Als Rippen bezeichnet man Skelettheile, die aus den unteren Bogen- stücken der Wirbel hervorgingen , vorübergehend oder dauernd mit der Wirbelsäule beweglich verbunden sind, und in der Regel einen subverte- bralen Raum spangenartig umziehen. Dieser Raum zerfällt in zwei, so- wohl nach dem Umfange, als nach den eingelagerten Organen differente Abschnitte. Der vordere ist die Leibeshöhle. Der hintere Abschnitt setzt sich in den Schwanz fort und bildet den engen, zuweilen in zwei über- einander verlaufende Theile geschiedenen Caudalcanal. So sehen wir die Verhältnisse bei Fischen , bei denen auch in der Gliederung der Körper- regionen die indifferentesten Zustände walten. Die Vergleichung der Contenta der beiden Strecken des subvertebra- len Raumes lässt eine Verschiedenheit ihrer Volumzustände wahrnehmen. Während im Caudalcanal Blutgefässe oder höchstens noch Theile der Nie- ren eingelagert sind, in allen Fällen Organe von wenig variablem Volum, werden an den Organen der Leibeshöhle bedeutende, häufig in regelmäs- siger Folge von Füllung und Entleerung sich äussernde Volumschwan- kungen wahrnehmbar. Diesem Verhalten entsprechen die an den unteren Bogen wahrnehmbaren Einrichtungen. Sie erscheinen als unmittelbare Fortsätze der Wirbel am caudalen Abschnitt , und sind unbeweglich : dagegen sind sie am abdominalen Abschnitte in Anpassung an den veränderlichen Umfang des von ihnen umspannten Raumes von den Wirbeln abgegliedert und mehr oder minder beweglich den Wirbel- körpern oder davon ausgehenden Fortsätzen (Querfortsätzen) angefügt. Somit betrachten wir die Rippen als Differenzirungen des unteren Bogensystems, von welchem je nach der Ausdehnung der Leibeshöhle längs der Wirbelsäule eine verschieden grosse Zahl von Bogenstücken in die freiere Rippenform übergeht. Diese die Genese der Rippen erklärende Auffassung lässt dann die nach Art der Rippen sich verhaltenden, aber nicht mehr die Leibeshöhle umschliessenden un- teren Bogenbildungen nicht als primitive Gebilde beurtheilen, sondern als solche, die einmal Rippen waren, und somit eine bedeutendere Ausdeh- nung der Leibeshöhle nach hinten voraussetzen. § 336. Nachdem die indifferenten unteren Bogen bereits bei der Wirbel- säule ihre Beachtung fanden, liegen uns hier nur die Bippen und ihre Derivate vor. Sie fehlen nur den Leptocardiern und Cyclostomen voll- Rippen. 463 ständig, auch den Chimären. Bei den übrigen Wirbelthieren treffen wir sie bald in rudimentärer Form, bald ausgebildet und dann auch zu einem ventralen Abschlüsse gelangend. Letzterer lässt ein besonderes Skelet- stück, das Stern um, hervorgehen. Sämmtliche Rumpfwirbel können Rippen tragen. Meist ganz gleich- artig erstrecken sie sich bei den Fischen bis zur Caudalregion. Niemals gehen sie untere, ventrale Verbindungen ein, denn wo sie hier mit ande- ren Skelettheilen zusammenhängen , gehören diese dem Hautskelet an (Clupeiden). Rudimentär treffen wir sie bei den Selachiern, meist nur durch kurze Knorpelstückchen vorgestellt, ansehnlicher sind sie bei den Stören (Acipenser). Sie finden sich nicht in der unmittelbaren Um- Schliessung der Leibeshöhle , sondern lagern mehr oder minder weit in der Muskulatur, wodurch die oben für die Entstehung der Rippen gege- bene Erklärung nicht beeinträchtigt wird. Die GanoTden mit knöchernem Skelete besitzen die Rippen in voll- ständiger Ausbildung. Am Caudalabschnitte der Wirbelsäule gehen sie wie bei Selachiern und Stören allmählich in untere Bogen über, die an- fangs auf dieselbe Weise wie vorher die echten Rippen mit den W7irkelkörpern verbunden sind. Rei den Knochenfischen bieten sich bezüglich der Rippen sehr variable Verhältnisse. Häu- fig sind sie rudimentär oder feh- len vollständig (Lophobranchier, Gymnodonten u. a. m.). Dass auch untere Bogen Rippen tra- gen können (Fig. 229. C), ist aus derselben oben beurtheilten Genese der unteren Bogen der Teleostier verständlich. In ein- zelnen Abtheilungen der Physoslomen erleiden die vordersten Rippen Umbildungen, indem aus ihnen mit der Schw immblase sich verbindende Knochen hervorgehen, die eine zum Gehörorgane leitende Kette formiren (CypiinoTden). Rippenartige Gebilde sind bei Polypterus zwischen dorsale und ventrale Seitenrumpfmuskeln eingelagert, bis zum Integumente sich erstreckend. Sie finden sich ebenso bei Amia und den Physostomen, zu- weilen sehr mächtig, so dass sie für die eigentlichen Rippen angesehen werden. Meist sind sie gleich vom Anfange an gabelig gelheilt. Unter den Amphibien bieten die Gymnophiona die vollkommenst entwickelten Rippen, die nur dem ersten und dem letzten Wirbel ab- gehen. Rudimentär treten sie bei den Urodelen auf, als kurze, mit zwei Schenkeln beweglich angefügte Stücke, nach hinten in einfachere Formen übergehend. Wie schon bei Selachiern, erstrecken sie sich in die Musku- Fig. 229. Verschiedenes Verhalten der Rippen und der Querfortsätze bei Teleostiern. c Wirbelkörper, o Obere Bogen. «Kjuerfortsätze. r Rippen. 464 H. 9- Wirbelthiere. latur. Auch der Querfortsatz des Sacralwirbels trägt ein Rippenrudi- ment, welches die Verbindung mit dem Becken' vermittelt. Bei den Anuren sind sie gleichfalls rudimentär, oder fehlen gänzlich. §337. Unter den Reptilien dürften sich die Schildkröten den anuren Am- phibien anreihen, Rippen fehlen am Halstheile der Wirbelsäule gänzlich, und von den rippenartigen Fortsätzen , die am Rumpfe mit Hautknochen sich verbinden, ist zweifelhaft, ob sie nicht den Querfortsatzbildungen zuzuweisen seien. Bei den übrigen Reptilien ist eine Verbreitung der Rippen an fast allen Rumpfwirbeln vorhanden. Eidechsen und Schlangen fehlt die Rippe des Atlas, bei ersteren auch wohl die des zweiten Hals- wirbels. Während bei ihnen ein Theil der Rumpfrippen mit einem Ster- num verbunden ist und dadurch eine grössere Scheidung der rippen- tragenden Abschnitte der Wirbelsäule bedingt, verhalten sich die Rippen der Schlangen vom zweiten Halswirbel an bis zum Rumpfende in ziem- lich gleichartiger Weise. Alle zeichnen sich durch sehr bewegliche Ver- bindung mit der Wirbelsäule aus. Die mit dem Sternum verbundenen Rippen der Eidechsen und Cro- codile sind immer in mehrere Abschnitte gesondert, von denen meist nur der obere, vertebrale, vollständig ossificirt. Die sternalen Enden bleiben Fig. 230. Hals- und Brustwirbelsäule von Crocodilus. c Rippen, c' Rippe des Atlas, st Sternum. in der Regel knorpelig und fügen sioh nur zu wenigen Paaren direct dem Sternum an. Eine grössere Anzahl verbindet sich nicht selten zu einem dem hinteren Sternalende angefügten Knorpelbogen. Die Trennung einer Rippe in zwei Stücke kommt schon an den letzten Halsrippen vor und bildet damit einen Uebergang zu dem Verhalten der Brustrippen. Die Verbindung der Halsrippenrudimente mit der Wirbelsäule führt bei den Vögeln an dem grössten Theile der Halswirbelsäule zu einer völligen Verwachsung, dagegen ist ihre Verbindung an den letzten Hals- wirbeln freier, und bildet einen Uebergang zu den das Sternum erreichen- den Brustrippen. Die letzteren treffen sich, wie bei Eidechsen, in gerin- gerer Anzahl und sind gleichfalls in ein vertebrales und sternales Stück Os sternocostale) geschieden. Die vertebralen Stücke sind durch rück- Rippen. 465 wiirts gerichtete Fortsätze (Processus uneinati) ausgezeichnet, welche an den Körper der nächstfolgenden Rippe sich anlagern und dem Thorax ein festeres Gefüge verleihen. Diese Einrichtung kommt auch manchen Sauriern (Sphenodon) zu und besteht auch bei Grocodilen. Diese Fortsätze sind nicht knorpelig angelegt, sondern sind secundäre Ossifikationen. Bei den Vögeln entbehrt der ins Sacrum aufgenommene Lumbaltheü der Wirbelsäule der Rippen , dagegen finden sich unzweifelhafte Rudimente an den echten Sacralwirbeln vor, so dass das Ilium auch hier nicht direct mit den Wir- beln, sondern mit den jenen angefügten Rippeurudiinenten sich verbindet. Aehnliche Rudimente sind auch bei Crocodilen erkennbar. Rei entwickelter Schwanzregion bestehen an demselben die gleichen, den Caudalcanal um- schliessenden Gebilde, die oben als Rippenrudimente gedeutet sind. Bezüglich der Costo-Vertebralverbindung ist bei Sauriern, Crocodilen und Vögeln eine doppelte Anfügestelle verbreitet, indem die Rippe mit einem Capitulum (ß) am Körper, mit einem Tuberculum a) am Querforlsatze articulirt. Für die hinteren Rippen bahnt sich allmäh- lich eine eiufache Verbindung an. Bei den Säugethieren sind die Halsrippen vollständig in die Wirbel aufgegangen und nur hin und wieder tritt am letzten Halswir- bel eine freie Rippe auf. Die in verschiede- Fig. 231. ThorsaWirbeivonButeo ner Zahl vorhandenen Brustrippen lassen die vulgaris, c Körper des wirbeis TP««^^.,.,„ • !• -i -l Oi.= 1 s Oberer Dornfortsatz, fr Querfort- Tiennung in die zwei oben erwähnten Stücke satz ,o Rippe a TuDercnlum. darin erkennen , dass die Verknöcherung nie § capitulum. die ganze Rippe gleichmässig ergreift, son- dern eine sternale Portion knorpelig lässt. Wenn auch diese verknöchert (Edentaten, Cetaceen), so bildet sie ein selbständiges Stück, welches bei Ornilhorhynchus an den fünf letzten Rippen, ähnlich auch bei Manis, nochmals getheilt ist. Nur die vorderen Rippen erreichen das Brustbein. Die hinteren ver- binden sich entweder mit dem Sternalende nächstvorderer, oder sie laufen frei aus, und schliessen somit an rudimentäre Formen an, zu welch1 letzteren auch die bei Cetaceen vorkommenden , sogar der Ver- bindung mit der Wirbelsäule entbehrenden letzten Rippen gehören. In der Lendenregion sind die Rippen mit den Querforlsätzen verschmolzen. Dass der Querfortsatz selbst die Rippe repräsentire , ist jedoch nicht be- gründbar. Viel bestimmter sind Rudimente von Rippen an den 2 — 3 ersten Sacralwirbeln nachweisbar, wo sie wie in den unleren Classen die Verbindung mit dem Darmbein vermitteln. Sie erscheinen hier unter der Form den Querfortsätzen angefügter ventraler Stücke. Endlich beslehen bei langgeschwänzten Säugethieren auch die als untere Rogen erscheinen- den Rippenrudimente. Die für die Halsrippen allgemeine doppelte Ver- bindung setzt sich auf den Bruslabschnitt fort, vereinfacht sich aber für die hinteren Bippen. Gegeubaur, Gruudriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 30 466 II. 9. Wirbplthiere. S t e r n u m. § 338. Das Brustbein bildet den ventralen Abschluss des durch die Rip- pen dargestellten Bogengerüstes. Es entsteht aus einer mit den Rippen gleichen Anlage, als ein die betreffenden Rippen jederseils untereinan- der verbindender Knorpelstreif. Es erscheint somit als paariger Skelet- theil, aus dessen medianer Verschmelzung das spätere Verhallen hervor- geht. Wir treffen es erst bei den Amphibien. Es lässt also für diese einen Zustand voraussetzen, in welchem die Rippen zu einer sternalen Verbin- dung gelangt waren. Von diesem Zustande hat sich hier, ausser den Rippenrudimenten, nur der die Sternalanlage vorstellende Theil erhalten, dessen Gonservirung durch die Verbin- dung mit dem Schultergürtel verständlich wird. So erscheint es bei den Salaman- drinen als eine breite dünne Knorpel- platte, die zur Aufnahme der Coraco'id- stücke des Schultergürlels tiefe Falze zeigt. Bei den Anuren (Fig. 232. p) tritt es sogar an den hinteren Rand der unter einander median vereinigten Coraco'i- dea [co) und stellt einen theil weise ossi- ficirenden Anhang des Schultergürlels vor, an dem sich das hintere Ende als breite Knorpelplatte erhält. An die breiteren Sternalformen der Amphibien schliesst sich die Brustbeinplalte der Eidechsen und Crocodile an. Man trifft sie hier meist von rhomboidaler Gestalt und in ähnlichen Be- ziehungen zum Schultergürtel (Fig. 233. s). Dem häufig knorpelig bleibenden Sternum (Eil;. 233. s) verbinden sich meist nur wenige Rip- penpaare und an seinem Hinlerrande entsen- det es einen oder zwei gleichfalls Rippen auf- nehmende Fortsätze. In dem paarigen Vor- kommen dieses zweiten Slernaltheiles ist eine Fortdauer des embryonalen Verhallens zu sehen. Das stets ossificirle Sternum der Vögel ist die weiter entwickelte Sternalplatle der Repti- lien, an welcher das hinlere Stück nicht mehr sieh ausbildet. Es nimmt gleichfalls nur we- nige (bis 6) Rippenpaare auf. Als ein breites, vorne stark gewölbtes Knochenstück trifft man es bei den Raulen. Die Carinaten dagegen sind Fig. 232. Sternum und Sehultergürtel von llina temporaria. p Körper des Sternum. sc Scapula. sc' Suprascapu- lare. co Coraooid, in der Medianlinie mit dem der andern Seite verschmolzen s. cl Clavicula. e Episternum. Die knorpe- ligen Theile sind schraffirt. Fig. 233. Sternum und Schulter- gürtel von U r o m a s t ix s p i n i - pes. .v Sternalplatte, seitlich Rippenpaare stützend, nach hin- ten mit zwei Fortsätzen ver- sehen, sc Scapula. co Coracofd. cl Clavicula. t Episternum. Die knorpeligen Theile des Sternum und der C'oracoidea sind punktirt dargestellt. Sternum. 467 cr.s von (et- Fig. 235. Sternum von Numida meleagris (von vorne), crs Crista sterni. c Coracoid. durch eine an der vorderen convexen Fläche des Brustbeins vorsprin- gende Crista (Fig. 234. crs) ausgezeichnet, welche als Oberflächenver- grösserung für Muskelursprünge dient. Die Gestalt des Sternums steht somit mit der Entfaltung, der Muskulatur in Zusammenhang, wie auch der Umfang des Ster- nums und seiner Crisla der Aus- bildung des Flugvermögens ent- spricht. Das hintere Ende zeigt sehr häufig paarige, durch Mem- branen verschlossene Oeffnungen (Raub- und Schwimmvögel) ; durch Durchbruch der Umgren- zung dieser Oeffnungen gegen den hinleren Slernalrand entstehen Ausschnitte, zwischen denen die sogen. Processus abdominales vor- springen (Fig. 235). Auch durch seine Verbindung mit dem Schul- tergürtel bietet das Sternum der Vögel enge Anschlüsse an die entspre- chenden Verhältnisse der Reptilien. Bei den Säugethieren scheint das Sternum von dem der vorhergehen- den Classen durch seine in der Ossificalion ausgesprochene reichere Gliederung ausgezeichnet. Es setzt sich, wenn auch durch continuirlichen Knorpel angelegt, aus hinter einander gereihten Knochen zusammen, die nicht selten aus paarigen Ossifika- tionskernen entstehen und häufig zu einem Stücke verschmelzen. Von Einfluss auf tue Gestaltung des Sternums ist die Beziehung zum Schullergürtel. Bei Verbin- dung mit Schlüsselbeinen zeichnet sich der vorderste Abschnitt durch grössere Breite aus, er bildet das Manubrium. Auf der Vorderfläche dieses Abschnittes bildet sich bei den fliegenden Säugethieren ein Fig. 234. Sternum Buteo vulgaris was schräg von der Seite gesehen). crs Crista sterni. / Furcula. c Coracoid. tiAfr J-U. Fig. 230. Sternum von Vesper tilio nm ri- ll u s. s Sternum. c' Crista. cl Clavicula. c Hippen. Fig. 237. Sternum von Cervus capreolus. leistenförmiger Vorspning aUS (Fig. se Rippenknorpel, x Schwertfortsatz. 236. c'), der functionell mit der Crisla der Vöcel übereinstimmt. Bei fehlenden Schlüsselbeinen ist das Vorderende des Sternums meist ansehnlich verschmälert. Das Hinterende läuft in allen Fällen in ein medianes, häufig knorpelig bleibendes Stück (Fig. 237 sc) (Processus xipho'ides) aus. 30* 468 II. 9. Wirbelthiere. Mit dem Stern um erscheint in grosser Verbreitung ein besonderer Skelettheil, das Episternum, welches in zwei nach Entstehung und Verbindungsweise verschiedenen Formen vorkommt. In der einen wird das Episternum nur durch Knochengebilde vor- gestellt, welche der ventralen Flache des Sternum aufliegen. So erscheint es bei den Reptilien als ein kreuz- oder T-förmiges Knochenstück (Fig. 233 t), dessen beide Aeste die Schlüsselbeine tragen, während das Mittel- stück sich an das Sternum schliesst, oder sogar mit ihm verwächst (Asca- laboten) . Bei deu Crocodilen sind mit den Schlüsselbeinen auch die Queräste des Episternums verloren gegangen, und bei den Chamäleon teD fehlt das ganze Episternum. Auch bei den Vögeln wird es vermisst. Der zweite Typus dieser Bildungen besieht aus knorpelig präformir- ten Skeleltheilen, die vor dem Sternum liegen. Die ungeschwänzten Am- phibien besitzen ein hieher gehöriges Gebilde (Fig. 232 e) als ein durch die Coraco'i'dstücke vom Sternum getrenntes und somit vor dem Schulter- gürtel gelagertes Knochenstück. Bei den Säugethieren bildet das Episternum stets ein Zwischenglied zwischen Sternum und Schlüsselbein. Es erscheint bei den Monotremen, als ein dem Sternum angefügter, in zwei seitliche Aeste auslaufender Kno- chen. Bei den Beutelthieren (Didelphys) bleiben die seitlichen Aeste (Fig. 238) beweglich, während das Mittelslück mit dem Sternum verschmilzt. Dadurch wird bei anderen eine Auflösune des Episternum herbeigeführt. Dann er- scheinen nur die seitlichen Stücke ent- weder als Knorpel , oder auch als knö- cherne Theile und schliessen sich dem Sternalende der Clavicula an (Nase- thiere, Inseclivoren , Edentaten). Bei den Primaten bilden diese Episternal- gebilde die Zwischenknorpel des Sterno- claviculare'elenks. Gegenbaur, C, Heber die episternalen Skeletlheile und ihr Vorkommen bei den Säugethieren und beim Mensehen. Jen. Zeitsehr. I. — Parker, W. K., Structure and developement of the Shoulder girdie and Sternum. Ray Soc. 1868. Fig. 23S. Episternum mit seinen Verbin- dungen von einer jungen Beutelratte. st Vorderes Ende des Sternums (ossifieirt). ep Episternum (knorpelig), cl Clavicula. c Die beiden ersten Rippen. Kopfskelet. § 339. Der indifferente Zustand eines Kopfes lässt bei den Acrania kein discreles Kopfskelet unterscheiden. Sowenig aber der Kopf der Cranioten als eine absolute Neubildung gelten kann, ebenso wenig kann dies vom Kopfskelet. 469 Kopfskelet angenommen werden, und wenn bei Amphioxus der vordere respiratorische Körperabschnitt potentia dem Kopfe der Graniota ent- spricht, so müssen auch die dort vorhandenen Skelettheile einem Kopf- skelet potentia homolog sein. Dies betrifft jene Chordastrecke sammt dem von ihr aus den vordem Abschnitt desCentralnervensystems umschliessen- den Gewebe, sowie das Gerüste der Athemhöhle. Bei denCranioten ist dieser vordere Körpertheil vom hintern nicht blos ventral, sondern auch dorsal diflerent, und empfangt mit der Verände- rung seines functionellenWerthes durch Beziehungen zu zahlreichen anderen Organen bedeutende Eigentümlichkeiten, die ihn als Kopf unterscheiden lassen und ihm damit eine Superiorilät über den übrigen Leib zugestehen. Er steht in Beziehung zu dem Eingange des Nahrungscanais, trägt die wichtigsten Sinnesapparate und birgt den zum Gehirne entfalteten Theil des centralen Nervensystems. Diese Beziehungen sind ebenso viele Cau- salmomente für die eingetretene Umgestaltung. An dem Kopfskelet sind 1) der Schädel und 2) das Kiemenskelet unterscheidbar. 1) Als Schädel (Cranium bezeichnet man den in der Fortsetzung des Bückgrals liegenden, ein Gontinuum bildenden Theil des Axenskelets. Er hat mit ersterem eine Beihe von Einrichtungen gemein, indem er einer Summe von Körpern und oberen Bogen von Wirbeln entspricht. Dieses lindet sich nicht blos in der Textur, sondern auch in den Structurver- hältnissen ausgedrückt, sowie in Bezug auf das centrale und peripherische Nervensystem. Die Chorda dorsalis setzt sich in den Basaltheil des Cra- niums fort, bald dauernd , bald nur vorübergehend. Durch die Ausbil- dung höherer Sinnesorgane kommt dem Cranium eine weitere Bedeutung zu. Ein hinterer Abschnitt umschliesst jederseits das Hörorgan und kann als Ohrkapsel unterschieden werden. Darauf folgt jederseits nach vorne zu eine die Augen beherbergende Einbuchtung (Orbita!, indess am vor- dersten Theile Höhlungen zur Aufnahme des Biechorgans bestehen. Der ursprüngliche Zustand dieses Craniums ist knorpelig, er bildet das »Pri- mordia lera niu m«. 2) Mit dem knorpeligen Schädel verbindet sich ein den Anfang des Nahrungscanais umschliessendes , ursprünglich gleichfalls knorpeliges Bogensystem , die Kiemenbogen, eine den Bippen der Wirbelsäule im Allgemeinen ähnliche, aber doch nicht ganz damit homodyname Ein- richtung. Die einzelnen Bogen sind verschieden gestaltet, verweisen aber sämmllich auf eine primitive Gleichartigkeit. Die Mannichfaltigkeit ihrer Form ist von einer aus verschiedenartigen Anpassungen hervorgegan- genen Differenzirung ableitbar. § 340. Die Beziehungen des Kopfskelets zur Wirbelsäule riefen Versuche hervor in ersterem eine Zusammensetzung aus einzelnen den Wirbeln 470 II. 9. Wirbelthiere. gleichartigen Abschnitten nachzuweisen , wonach das Kopfskelet nur als eine Modifikation der Wirbelsaule erschien Man glaubte dabei in dem Verhalten einzelner Segmente des knöchernen Schadeis Anhallepunkte zu jener Vergleichung zu finden, die sich jedoch in dem Masse unsicher herausstellte, als sie einen bereits sehr modificirten Zustand in Betracht zog. Zudem sind die den einzelnen 3, 4 oder ö sogenannten » Schadel- wirbeln « zugetheilten Kopfknochen sehr verschiedenen Ursprungs, und grossentheils dem Schädel ursprünglich fremde Gebilde. Die Untersuchung der Primordialcranien niederer Wirbelthiere, be- sonders mit Bezugnahme auf die aus dem Cranium tretenden Nerven, lehrt, dass am Kopfskelete allerdings noch Spuren einer ursprünglichen Zusammensetzung aus den Wirbeln homodynanien Metameren erkennbar sind , aber eben dadurch wird dargethan , dass diese Metamerie des Cra- niums mit der am knöchernen Cranium theilweise angedeuteten Segmen- tirung nicht congruent ist. Diese andere Auffassung gründet sich vorzüglich auf folgende Ver- hältnisse : 1) Es ist nachweisbar, dass die Bogen des Kiemenskelets dem Cra- nium angehörige unlere Bogenbildungen vorstellen. 2) Zwischen den Kiemenbogen und den unteren Bogen der Wirbel- säule ist eine allgemeine Uebereinstimmung zu erkennen, folglich wird 3) das Cranium einem Abschnitte der Wirbelsäule vergleichbar sein, der mindestens ebenso viele wirbelartige Abschnitte begreift als Kiemen- bogen an ihm vorkommen. 4) Am Cranium selbst besteht eine Beihe von wichtigen Ueberein- stimmungen mit der Wirbelsäule. a) Die der Wirbelsäule zu Grunde liegende Chorda dorsalis durch- setzt das Cranium in denselben Verhältnissen wie an der Wirbelsäule. b) Sämmtliche an diesem Abschnitte austretende Nerven ver- halten sich homodynam mit Bückeninarksnerven. c) Die Verschiedenheiten des Cranium von der Wirbelsäule sind als Anpassungen an gewisse ausserhalb des Cranium entstandene Einrichtungen , somit als erworbene Zustände erklärbar. Sie lassen also einen Befund voraussetzen , in welchem das Cra- nium noch nicht jene Eigenthümlichkeiten besass, somit noch nicht von der Wirbelsäule bedeutend verschieden war. 5) Die Difl'erenzirung des Craniums erscheint dadurch aus der Con- crescenz einer Summe von Wirbeln entstanden , wie solche Concres- cenzen auch an der Wirbelsäule vorkommen. Modilicationen des so con- tinuirlich gewordenen Abschnittes ergaben sich durch theils direct von aussen her, theils von innen her (durch die Entfaltung des Gehirnes) wirkende umgestaltende Einflüsse. Kopfskelet. 471 6) Da nur an dein von der Chorda durchsetzten Abschnitte des Cra- niums das Verhalten der Nerven mit Rückeninarksnerven übereinstim- mend nachgewiesen werden kann, ist nur dieser Abschnitt von Wirbeln ableitbar, und diesem gehört zugleich das Kiemenskelet an. Dieser Theil des Craniums ist somit als verlebraler von dem vordem oder ever- tebralen zu sondern, der keine Beziehungen zu Wirbeln erkennen lässt, und wohl eine seeundäro, aber vom vertebralen Abschnitte aus entstandene Bildung vorstellt. Die Zahl der in das Craiiium eingegangenen Wirbel ist bis jetzt in ihrem Minimum auf 9 bestimmbar. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass sie sogar noch viel beträchtlicher war. Mehrfache, auf eine slattgefundene Rückbildung von Visceralbogen verweisende Thatsachen im Gebiete der Verbreitung wie der Ursprungsverhällnisse der Nerven bei Selachiern verweisen auf jene Annahme. Nicht minder steht hiermit das Verhalten von Amphioxus im Einklang, wo noch eine beträchtliche Summe von Kiemenbogen fortbesteht. Der ganze längs des Kiemengerüstes sich erstreckende Abschnitt des primitiven Bückgrates (Chorda sammt peri- chordalem Gewebe) würde also dem bei den Cranioten ins Cranium übergegangenen Abschnitte des Axenskeletes homolog sein. üegenbauk,C, Untersuchungen zur vergl. Anat. der Wirbelthiere. III. Das Kopf- skelet der Selaehier als Grundlage zur Beurtheilung der Genese des Kopf- skeletes der Wirbelthiere. Leipzig 1872. Schädel. § 341. Die Schädelbildungen der Cranioten sondern sich in zwei weit von einander stehende Abtheilungen. Bei der einen ist das oben erwähnte innere Kiemenskelet ausgebildet und zeigt seine vordersten Abschnitte zu Kieferlhcilen gestaltet, die durch directe oder indirecte Verbindung mit dem Cranium dasselbe in seiner Gestaltung beeinflussen. Diese Einrich- tungen bestehen bei den Gnathostomeu. Die andere Form ist bei den Cycloslomen repräsentirl , bei denen zwar Spuren gleicher Einrichtungen des Kopfskelets wie bei den Gnathostomeu sich erkennen lassen, allein die Veränderungen sind so bedeutend , dass sichere Vergleichungen nicht für alle Theile auszuführen sind. Die Chorda setzt sich in die Basis einer das Gehirn umschliessenden, im Vergleiche zu den übrigen dem Schädel zuzurechnenden Skelettheilen beträchtlich kleinen Kapsel fort. Bei Petromyzon sind dieser Kapsel Fig. 239 d) seitlich zwei das Gehörorgan aufnehmende Ausbuchtungen (Gehörkapseln) (/') angefügt, unter welchen zwei divergirende, dann bogenförmig nach vorne verlaufende Spangen entspringen. Diese verbin- den sich vorne mit einem von der llirnkapsel ausgehenden Fortsatze. Dem vorderen oberen Theile der letzteren sitzt eine unpaare, bei Myxi- 472 II. 9. Wirbelthiere. Fig. 239. Schädel uud Anfang der Wirbel- säule von Petr omyzo n marinus. i Im Medianschnitt. B Ansicht von oben, a Chorda. 6 Rückgrateaual. c Rudimente von Wirbelhogen. ^Knorpeliges Schädelgewölbe. d! Memhranöser Theil des Schädelgewölbes. e Basis cranii. / Gehörkapsel. Dornfortsätze des vorderen mit dem Craninm verschmolzenen Abschnittes der AVirbelsäule. p Palatö-Quadratstnck. m Mandihel. Hm Hyo- mandibulare. s Symplficticum. br Kiemenbogen. c Kippeu. Hautzäh nchen bei den Selachiern treuen. Ein Theil dieser Knochen tritt an der A ussen fläche des K norpelc ra n i ums auf, bildet die Deck kn och en des Schädels (vergl. oben § 325). Es sind das im In tegumen te gebildete, durch Ve r grosse rung von Placoid Schüppchen entstandene Platten, von denen eine Anzahl bereits bei den Stören die Lagebeziehungen ein- nimmt, die ihnen von da an in den höheren Abtheilungen bleibt. Ein anderer Theil entsteht in der Schleimhaut der Mundhöhle, auf den in die Regrenzung der letzteren eingehenden Stücken der Knorpel- igen des Kieler- und Kiemenskeleles. Die Genese dieser Knochen ist bei den Amphibien aus Concrescenz zahnartiger Bil- dungen nachgewiesen, die wieder mit den IIa u tz ä h nchen Schädel. 475 gleichartig sind, und gleichfalls beidenSelachiern in der Auskleidung der Mund-r und Kiemenhöhle getroffen werden. Durch Verschmelzung einzelner Zähnchen entstehen zahntragende Platten, welche an den gebotenen primordialen SkeJetunterlagen Stütz- punkte gewinnen, und allmählich mit jenen Verbindungen eingehen. Bei einem Theile dieser Platten erhalten sich die Zahnchen, bei einem ande- ren gehen sie verloren, oder kommen gar nicht mehr zur Entwickelung, so dass ihr Product, der Knochen, allein sich fortvererbt, und dann, den Knorpel bedeckend, oder auch umwachsend, als eine perichondrale Ossi- fication sich darstellt. So vermag ein grosser Theil des knöchernen Kopf- skelets in seiner Genese aus den Beziehungen erklärt zu werden, welche Ossiücationen der äusseren Haut wie der Auskleidung der Mundhöhle zu ihm gewinnen. Für einen kleinen Theil der Kopfknochen dagegen ist die Phylogenie noch in Dunkel gehüllt. Hertwig, 0., Ueber das Zahnsystem der Amphibien. Aren. f. mikr. Anat. ßd. XI. Supplement. § 343. Bezüglich der einzelnen Knochenstücke zerlegen wir das Primordial- cranium in die oben unterschiedenen Regionen. Die Occipitalregion wird aus vier Knochenstücken zu- A sammengesetzt. In unmittel- barer Fortsetzung der Wir- belkörper findet sich das Occipitale basilare (Fig. 242. 06). Es besitzt eine mit der Chorda gefüllte hintere Gon- cavität, die der vorderen Concavität des ersten Wir- belkörpers entspricht. Seit- lich schliessen sich die Oc- cipitalia lateralia (Ol) an, welche immer den gross ten Theil des Hinterhauptloches, zuweilen es auch völlig um- grenzen. Von oben her tritt das Occipitale superius (Os) ein , meist durch eine an- sehnliche senkrecht stehende Leiste ausgezeichnet, die sich den Dornfortsätzen der Wirbelsäule anschliesst. Der folgende Abschnitt umschliesst wenigstens theil- weise das Labyrinth, wo- nach die bezüglichen Kno- Fig. 242. Schädel von Salrno Salar. A Seitliche An- sicht, b Senkrechter Medianschnitt. Die knorpeligen Theile sind schraftirt, die aus dem Primordialcranium entstandenen Knochen punktirt dargestellt. Ob Occipitale basilare. Ul Occ. laterale. Os Occ. superius. Sq Sqamosum. EpO Occip. ext. I'rO Petrosam. Sb Sphenoidale basilare. Als Ali- sphenoid. OrS Orbitosphenoid. Fa Frontale anterius. Fp Frontale posterius. Fr Frontale. Na Nasale, l's Parasphe- noid. Yo Vouicr. Px Praemaxillare. gl üelenktiäche für das Ilyomandibulare. Eih Ethmoidalknorpel. vag Austritts- öft'nung des Nervus vagus. 476 II. 9. Wirbelthiere. Fig. 24.'!. Hinterer Abschnitt eines Craniums von G ad u s (seitliche Ansicht). 1 Occipitale basilare. 2 Occ. laterale. 3 Occ. superius. 5 Parasphenoid. 6 lutercalare. 6' Squamo- snm. 7 Occip. ext. 15 Petrosum. 12 Post- frontale. 11 Frontale, c Einlenkestelle für das Hyoinandibulare. chen auch bezeichnet worden waren. Das beständigste und damit wichtigste Petrosuni ( Proolicum ) enthält die Durchlrillssteile für den Nervus Irigeminus, oder begrenzt sie doch von hinten her. Es reicht bis zu dem Basaltheile des Schädels und kann sich da auch mit dem ander- seitigen innerhalb der Schädelhöhle verbinden. Ein zweites Stück bildet das Occipitale externum7(Epioticum), welches oben an die Occipitalia late- ralis angeschlossen, meist einen Schä- delvorsprung vorstellt (Fig. 243). Ein drittes , Intercalare ( Opisthoticum , liegt meist seitlich vor dem Occipitale laterale, und erscheint ausserordent- lich variabel (Fig. 243. 6). Dieses Stück besitzt in den meisten Fällen keine Beziehungen zum Labyrinth , sowie letzteres auch sehr häufig noch andere Knochen für sich in Anspruch nimmt, z. B. die Occ. lat. Endlich gehört die- ser Region noch ein äusseres Belegstück des Primordialkraniums an, welches allmählich mit dem letzteren sich inniger verbindet. Es ist an der Arliculationsstelle des Hyoinandibulare betheiligt, und bildet meist einen nach hinten und seitlich ausgezogenen Fortsalz. Es ist das Squa- mosum (Fig. 242. Ä. Sq, 243. 6). An dem folgenden Abschnitte sind in der Ausbildung der Knochen bedeutende Verschiedenheiten bemerkbar, in Zusammenhang mit dem Ausdehnungsgrad der Schädelhöhle. Erstreckt sich nämlich i\cv Baum der Schädelhöhle weil nach vorne, so entspricht dem eine grössere Voll- ständigkeil der Wandungen des Primordialcraniums, während eine Be- duetion jenes Baumes eine Verkümmerung seiner Wandungen und eine theilweise Substitution derselben durch membranöse Gebilde hervorruft. So findet sich in vielen Fällen ein niembranösesSeptuin inlerorbitale oder es bestehen Rudimente von Knochen, die bei Andern ausgebildet sind. Als Ossifikationen dieses Abschnittes erscheinen seitlich und hinten das Ali-Sphenoid (Sphenoidale laterale posterius), vorne das Orbilo-Sphenoül (Sphen. later. anler.). Bei Amia bestehen letzlere von einander getrennt, auch bei manchen Teleostiern , während bei Anderen die beiderseitigen Stücke am Boden der Schädelhöhle zusammentreten, endlich sogar zu einem Stücke verschmelzen, oder rudimentär werden. An der Basis dieses Ab- schnittes liegt ein aus dem Knorpel des Primordialcraniums hervorgegan- genes Basisphenoid als ein meist unansehnlicher Knochen , der oben mit dem Alisphenoid in Verbindung steht. Beim Bestehen eines die Schädel- basis von der Orbita her schräg nach hinten durchsetzenden Augenmus- kelcanals bildet jener Knochen einen Pfeiler zwischen den beiderseitigen Canälen. Nicht selten scheint er ganz zu fehlen. An der Grundfläche Schädel. 477 erstreckt sich längs des Primordialcraniums das mächtige Paraspheno'ü (Fig. 242. Ps, 243. 5), welches bereits bei den Stören auftrat. Am Dache erhält sich das Priniordialcranium nur selten vollständig; in der Regel bietet es eine von Deckknochen überlagerte Lücke. Zunächst der Hinterhauptregion liegen zwei Parieta lia (Fig. 244. 7), die zuweilen durch einen vorderen Fort- satz des Occip. superius (3) von einander getrennt sind. Vor ihnen trifft man die Frontalia , häufig durch ein Frontale principale (11) vertreten. Seit- lich davon erstrecken sich die beiden Postfron- talia (12) bis zum Squamosum, und nehmen an der Gelenkverbindung für das Hyomandibulare theil. In der Ethmo'idalresion besteht ein mittleres Stück: Ethmo'idale medium (16) und zwei ihm seitlich angeschlossene Elhmoidalia lateralia (14) (Frontalia anteriora Cuvier) . Letztere bilden die Unterlage der Nasenkapseln. Häufig erhält sich das Mittelstück der Ethmoidalia knorpelig. Als Beleg- stück der Grundfläche der Ethmoidalregion er- scheint der Vomer, nach hinten mit dem Para- sphenoid in Verbindung, paarig bei Lepidosteus. Fig. 244. Schädel eines Ga- dus von oben. 3 Occipitale superius. 4 Epioticum. 0 Squamosum. 7 Parietale. 11 Frontale medium. 12 Fron« tale posterius. 14 Ethmoidale laterale. 16 Ethmoidale me- dium. § 344. Der Kieferapparat der Selachier erhält sich bei den Ganoiden und Teleostiern nur theilweise , indem an seine Stelle knöcherne Gebilde treten. Eine Complication entsteht durch die Verbindung des Hyoman- dibulare mit den aus dem Palato-Quadratknorpel hervorgegangenen Kno- chen. Dabei lassen sich die ursprünglichen Verhältnisse, wie sie in den embryonalen Zuständen bestehen , aus den Einrichtungen der Selachier ableiten. Während die vorderen Enden der Palato-Quadrata bei Sela- chiern und bei den Stören ligamentös verbunden waren, sind sie bei den übrigen Ganoiden und den Teleosliern der Seite des Primordialcraniums angelagert, und werden durch die Ethmoidalregion von einander getrennt, welche mit ihrer Basalfläche in die Umgrenzung der Mund-| höhle eintritt. Das Hyomandibulare (Fig. 245. Hm) bildet fast stets einen ansehn- lichen, mit Squamosum und Postfrontale arliculirenden Knochen. Ein von ihm abgegliedertes, bei Selachiern durch einen Fortsatz dargestelltes, bei den Stören (Fig. 241. s) bereits seihständiges Stück bildet das Syinplecti- cum , an dessen Verbindungsstelle mit dem vorigen sich der unlere Ab- schnitt des Zungenbeinbogens inserirt. Aus dem Palatoquadratknorpel geht das Quadratuni (Q) hervor, wel- ches das Unterkiefergelenk trägt. An das Quadratuni fügt sich nach vorne 478 II. 9. Wirbcltliiere. das im Winkel gebogene Ektopterygoid (Ept) und zwischen diesem und dem Hyomandibulare findet sich das platte, meist viereckige Metaptery- go'i'd [Mt] . Median von dem Ektopterygoid trifft man das EntopterygoTd, und aus dem vordersten Ende des Palato -Quadratknorpels geht endlich das dem Schädel meist beweglich verbundene Palatinum hervor. Vor dem Palatinum liegen noch zwei nicht durch Knorpel vertretene Knochen, von denen der hintere, meist dem Palatinum angefügte als Maxillare (Fig. 245. Jl/.r), der vordere Praemaxillare (P.r) benannt ist. Ang lief Fig. 245. Seitliche Ansicht des Kopfskelets von Salmo salav. (Vergl. Fig. 242. A.) Fr Frontale X Nasale, n Nasengrube. I'a Parietale. Sq Squamosum. 2' j »' t Infraorbitalknochenring. Hm Hyoman- dibulare. Si/ Sympleeticnvn (als von aussen sichtbar dargestellt). Mt Metapterygoi'd. Ept Ekto- pterygoid. Q Quadratum. Mx Maxillare. Px Praemaxillare. Art Articulare. Anr/ Angulare. I> Den- tale. Op Operculum. 1'rOp Praeopercnlum. Sop Suboperculura. .Top Interopercnlum. lig Band. Sie erscheinen als neue Theile, die von nun an eine l)edeutende Rolle spielen. Es wird aber in hohem Grade wahrscheinlich, dass die beiden oberen Lippenknorpel der Selachier die Grundlage für sie abga- ben. Bald sind sie selbständig beweglich, sogar vorstreckbar, bald schmiegen sie sich fester dem Schädel an. Das letztere gilt besonders für das Praemaxillare, welches häufig dem vordersten Theile der Ethmofdal- region fest verbunden ist. Beide begrenzen die Mundöffnung, doch kann bei längerer Gestaltung des Praemaxillare der Oberkieferknochen davon ausgeschlossen werden, sowie auch wieder die Verkümmerung des Prae- maxillare dem Maxillare einen überwiegenden Antheil an jener Beziehung zur Mundöffnung verleiht. Am Unterkiefer erhält sich die knorpelige Anlage als MECKEL'scher Knorpel am vollständigsten. An ihr entsteht das den Knorpel scheiden- artig umfassende Dentale (/)). Aus dem Gelenktheil des Knorpels bildet sich das Articulare [Art] und unter diesem findet sich das Angulare {Any). An der Innenfläche des knöchernen Unterkiefers entsieht als Belegstück des Knorpels zuweilen noch ein besonderer Knochen, das Operculare-. 9\ Schädel. 479 § 315. Von den mit dem Kieferapparate verbundenen, jedoch ihm ursprüng- lich nicht zugehörigen Skelettheilen nimmt das Skelet des Kiemendeckels eine hervorrasende Stelle ein. Bei den Selachiern finden sich an Stelle dieses knöchernen Skelets knorpelige, zuweilen verzweigte Stücke, bei- den Theilen des Zungenbeinbogens als Kiemenstrahlen ansitzend. Wie diese Knorpel, so umschliesst auch den knöchernen Apparat eine gemein- same Membran, dem letzteren angepasst, und ihn zu einer über die da- hinter liegenden Kiemenspalten sich erstreckenden Schutzvorrichtung gestaltend. Bei den Stören tritt zuerst der grösste dieser Knochen , das Oper- culum auf, dem sich bei den übrigen Ganoiden wie bei Teleostiern an- dere anfügen (Fig. 245). An dem Verbindungsknorpel zwischen Hyoman- dibulare und Symplecticum nimmt das Praeoperculum (Pv Op) seine Ent- stehung. Häufig verbindet es sich inniger mit den genannten Theilen des Kiefersliels (Welse). Nach hinten vom Praeoperculum folgt das Suboper- culum (Sop), mit dem Operculum auch bei Ceralodus vorhanden , dann unten das Interoperculum (Jop), durch ein Band [lig) mit dem Unterkiefer in Zusammenhang. Als accessorische Knochen treten noch andere aus Theilen des Haul- skelels gebildete Stücke auf, von denen die Infraorbitalia die ansehnlich- sten sind ( vergl. Fig. 245.////). Sie bilden eine den unteren Orbitalrand bogenförmig umziehende Beihe, in der das hinterste Stück dem Postfron- tale, das vorderste dem EthmoTdale laterale sich anschliesst. Eine ansehn- liche Grösse erreichen einige derselben bei den Cataphraclen (Trigla). Auch die als Nasalia geltenden Stücke gehören wegen ihrer Unbe- ständigkeit hierher, und ebenso noch manche andere , als Modifikationen von Schuppen mit dem sogenannten Schleimcanalsysteme in Verbindung stehende Stücke. Vrolik, A. .1., Ueber die Verknücherung u. die Knochen des SchädeJs der Teleoslei. Niederländ. Archiv f. Zoologie. I. — Parker, W. K., Deve- lopment of the Skull in the Salraon. Philos. Transact. 1873. § 34(5. Im Schädel der Amphibien erhält sich das Primordialcranium zu- weilen sehr ausgebildet. Doch verliert es sehr häufig seine Decke und auch noch den Boden, indem oben und unten Lücken im Knorpel ent- stehen. Mit dem Primordialcranium in unmittelbarer Verbindung steht das Palato-Quadratum , welches sich hinten an die Ohrkapsel des Schädels anfügt, und nach vorne, die Orbiten im Bogen umziehend, entweder frei ausläuft (z. B. bei Urodelen), oder in der EthmoTdalregion sich dem Cra- nium verbindet. Hinten und seitlich trägt es das Kiefergelenk. Damit sind 480 II. 9. Wirbelthiere. Verhältnisse ausgeprägt, die bei Chimären sich fanden , auch bei den DipnoT, mit welch' letzleren auch manche Ossifikationen des Craniums der Amphibien übereinkommen. Aus dem Primordialcranium geht nur eine geringe Anzahl von Kno- chen hervor. In der Hinlerhauplsregion bestehen nur Occipitalia lateralia (Fig. 246), deren jedes einen Condylus (co) bildet. Die folgende Regiou Fig. 248. Schädel des Frosches. A von ohen , B von unten , C von hinten , b seitlich. In A und B sind von der rechten Hälfte des Craniums die Deckknochen entfernt, so dass das Primordial- cranium mit seinen Ossifikationen vollständig sichtbar wird, in A mit der Lücke am Dache der Schädel- hohle. Pa, Fr Parieto-Frontale. Na Nasale. Ps Paraephenoid. Ty Tympanicum. Pt Pterygoid. PI Pala- tinum. Vo Vomer. JJugale. Mx Maxillare. Px Praemaxillare. o Occipitale laterale. Pe Petrosum. co Condylus occipitalis. Co C'olumella. fo Feuestra ovalis. Austrittslöcher von Nerven : 0 Opticus. Tr Trigeminus. Vg Vagus. Am Unterkiefer: du Dentale, n Angulare. Art Articulare. der Gehörkapsel bietet bedeutende seitliche Vorsprünge dar, welchen weiter nach aussen der hintere Abschnitt des Palato-Quadratum angefügt ist. Der vordere Theil dieses Abschnittes besitzt eine Ossifikation, das Petrosum. Es birgt nur den vorderen Theil des Labyrinthes, dessen hin- terer Abschnitt vom Occipitale laterale umschlossen wird, und lässt den Trigeminus durchtreten. Zuweilen finden sich Spuren eines Occipitale evternum. Eine Fenestra ovalis bildet an der Labyrinthregion eine Durchbrechung, welche von einem Knochenslückchen bedeckt wird. Die Orbitalregion zeigt im vordem Abschnitte theilweise Ossifika- tionen von verschiedener Ausdehnung. Sie ergreifen nur die Seitenwand des Craniums Siredon). oder stellen ein ringförmiges Knochenslüek her, welches CuvrER »Gürtelbein« genannt hat. Dieser Knochen kann in die Ethmo'i'dalregion übergreifen und bis zum Grunde der Nasenkapseln dringen. Als Deckslücke finden sich paarige Scheitel- und Stirnbeine. Bei den Anuren verschmelzen diese jederseits zu einem Parieto-Frontale [Pa Fr). Schädel. 481 Vor diesem, durch die Stirnbeine von einander geschieden, liegen die Nasalia [Na], die hier zum ersten Male als beständige Stücke vorkommen. An der Schadelbasis besteht noch das ParasphenoTd (Ps) in gleichem Ver- halten wie bei den Fischen, und vor diesem in der Ethmo'idalregion ein paariger Knochen (vo), der als Vomer gedeutet wird. Bezüglich des Palato-Quadratum treten einfachere Zustände als bei den Fischen auf. Der ganze Abschnitt erhält sich zuweilen grossentheils knorpelig. Eine Verknöcherung an der Gelenkstelle mit dem Unterkiefer entspricht dem Quadralum der Fische. Bei manchen ist das Palato-Qua- dratum in einen vorderen und hinteren Abschnitt geschieden (Triton). Die Verbindung mit dem Crauium ist keine vollständige, denn am unteren Theile findet sich zwischen ihm und der Schädelkapsel eine deutliche Articulationsfläche (Rana). Am Palato- Quadratknorpel entstehen zwei Deckknochen; der obere (Ty) , bei den Fröschen durch einen starken nach vorne gerichteten Fort- satz ausgezeichnet, entspricht vielleicht, jedoch nicht sicher, dem Squa- mosum der Fische. Da er das Tympauum tragen hilft, kann er als Tym- panicum bezeichnet werden. Der untere Knochen erstreckt sich als Ptery- go'id (Pt) längs des Knorpel bogens nach vorne. Sein vorderes Ende erreicht das quer hinter dem Vomer liegende Palatinum (PI). Bei einem Theile der Amphibien geht vor dem Unterkiefergelenk noch ein Knochen nach vorne ab, das sogenannte Jugale (Quadratojugale). Praemaxillaria (Px) und Maxiilaria (Mac) erscheinen als Belegknochen des Primordialcraniums, für welches Verhältniss bei manchen Fischen vermittelnde Zustände sich vorfinden. Das Maxillare bietet verschiedene Grade seitlicher Ausdehnung, und erstreckt sich bei den Anuren in der Regel bis zum Jugale nach hinten. Die Verbindung des Praemaxillare mit dem Primordialcranium vermittelt ein zur medianen Nasengegend empor- ziehender Fortsatz. Diese Kieferslücke bilden nicht die ursprüngliche Begrenzung der Mundöffnung, wie durch das Vorkommen besonderer, vor dem Primor- dialcranium liegender Knorpel (Rostrale und Adroslale) von Anuren- Larven erwiesen wird. Im Unterkiefer besteht der primordiale Knorpel wie bei den Fischen, und ebenso bilden sich die knöchernen Theile im Wesentlichen jenen der Fische entsprechend aus. Parkeh, W. k\, Development of the Skull in the frog. Philos. Transact. 1871. — WiEDEKSHKiM, R., Das Kopfskelet der Urodelen. Morphol. Jahrb. III. § 347. Die Schädel der Sauropsiden bieten eben so viel Gemeinsames als sie sich von der Schädelbildung der Amphibien wie von jener der Säuge- thiere entfernt zeigen. Das an seinem Dache meist unvollständige Primordialcranium ossifi- cirt viel vollständiger als bei den Amphibien und die bedeutende Enlfal- Oegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 34 482 II. 9. Wiibelthiere. Fig. 247. Schildkröten-Schä- del von hinten. 1 Occipitale basilare. 2 Occip. laterale. 3 Occip. superius. 5 Basisphe- noi'd. S Sqnamosuni. 15 Pe- trosum. 17 Quadratum. tung der an und aus dem Palato-Quadratknorpel entstehenden Knochen lässt nur einen kleinen Theil des eigentlichen Craniums zu Tage liegen Eine grössere Entfaltung der Schadelkapsel bei den Vögeln lässt dieTheile derselben deutlicher wahrnehmen, als man sie bei den Reptilien antrifft. In der Occipitalregion sind die vier schon den Fischen zukommenden Knochen unterscheidbar. Von diesen nimmt das Occipitale basilare mit den Occipitalia lateralia Theil an der Bildung eines einzigen Condylus. Die Beziehung der Knochen zum Foramen magnum ist eine wechselnde. Bei den Schildkröten läuft das Occipitale superius in eine ansehnliche Crista aus. An der knöcher- nen Ohrkapsel besieht, wie schon bei den Am- phibien , eine Fenestra ovalis. Dazu kommt noch die membranös verschlossene Fenestra rotunda. Vor dem Occipitale laterale liegt bei allen Bepli- lien und Vögeln das Petrosum (Prooticum), dessen vorderer Rand durch die Austrittsstelle des dritten Trigeminus-Astes markirt ist. Ein anderer Kno- chen (Opisthoticum) begrenzt mit dem vorher- gehenden den hinteren Theil der Fenestra ovalis, erhält sich aber nur bei den Schildkröten selb- ständig, indem er sonst mit dem Occipitale laterale verschmilzt. Dazu treten noch einzelne, bei Vögeln sogar mehrfache, kurze Zeit selbständige Ossificationen , die nicht bestimmt auf discrete Schädelknochen anderer Wirbel thiere beziehbar sind. Alle Theile der Ohrkapsel verschmelzen bei den Vögeln nicht nur unter sich, sondern auch mit den benachbarten Knochen. Als Squamosum (8g) erscheint bei den Schlangen (Fig. 249. C) ein vorragender Knochen , der das Quadratum trägt. Bei den übrigen Repti- lien wie bei Vögeln besitzt es eine ähnliche Lage, ist aber mehr zwischen Ohrkapsel, Scheitelbein und Postfrontale, theilweise im Dache der Pauken- höhle, gebettet. Der spheno'idale Abschnitt bietet je nach der Ausdehnung der Schä- delhöhle sehr ungleich entwickelte Zustände. Ein Basispheno'id ist allge- mein vorhanden, ebenso wie das meist unansehnliche Praespheno'i'd, während das Paraspheno'id nicht mehr entwickelt scheint. Doch können zwei an der Basis der Schläfengegend bei Vögeln auftretende, mit ein- ander verschmelzende Knochen (Basitemporalia), auf ein Paraspheno'id bezogen werden. Von den Theilen der seitlichen Schädelwand kommt den Vögeln sowohl ein Alispheno'id, als auch ein OrbilosphenoTd zu, letzteres wenigstens beim Strausse. Auch die Crocodile sind mit einem Alispheno'id versehen. Dagegen besteht bei den meisten Eidechsen ein membranöses Septum interorbitale, in welchem von jenem Knochen nur Andeutungen wahrnehmbar sind. Ein bei Eidechsen (Lacerta, Varanus, Podinema) vom Scheitelbein bis zum Pterygoid herablretendes Knochenstück (Columella) (Fig. 248. A.co), wird bei den Schildkröten durch eine direcl vom Parietale absteigende Schädel. 483 breite Knochenplatte repräsentirt, die hier zur Begrenzung der Schädel- hohle mit beiträgt, und bei den Schlangen ist eine ähnliche, die Schädel- höhle umschliessende Fortsatzbildung noch auf das Frontale ausgedehnt. Von Deckknochen bestehen Parietalia , bald paarig (Schild- kröten und Vögel), bald unpaar (Schlangen, Eidechsen, Croco- dile) (Fig. 248. Pa). Auch das Stirnbein ist bei den meisten Eidechsen und den Crocodilen uupaar (Fig. 248. B. fr). Paarig bei Lacerta, Monitor (A. fr), wie bei Schlangen, Schildkröten und Vögeln. Postfrontalia begrenzen bei Reptilien den hinteren Rand der Orbita (Fig. 248. Pf, 249. B. C. Pf). Die EthmoTdalregion bietet median ansehnliche Reste des Primordialcraniums (Schildkrö- ten). EthmoTdalia laleralia (Prae- frontalia) begrenzen bei den Reptilien den Vorderrand der Üibilen, und bei den Vögeln scheinen sie sich mit dem mittle- ren Theile des Ethmo'id zu ver- binden. DerVomer ist bei Schlan- gen und Eidechsen paarig (Fig. m Fig. 248. Schädel von Reptilien von oben. ^Mo- nitor. B Crocodil. Os Occipitale superius. C Con- dylus occipitalis. Pa Parietale. Pf Postfrontale. Fr Frontale. Prf Praefrontale. L Lacrymale. K Nasale. Sq Squamosum. Qj Quadratojugale. Ju Jugale. Q Quadratum. Mx Maxillare. Px Praemaxillare. co Colnmella. 250. vo). Auf der oberen Fläche treffen wir die bei den Schildkröten fast allgemein, und auch bei einigen Eidechsen fehlenden Nasalia. Ein neuer Deckknocheu an der Aussenfläche der Ethmoldalkapsel ist das Lacrymale der meisten Eidechsen, der Cro- codile und Vögel (Figg. 248. 249. L). § 348. Der primitive Palato-Quadratknorpel erleidet an seinem vorderen Ab- schnitte frühzeitige Rückbildung, so dass die ihm angehörigen Knochen- stücke sich zum Theil direct am Schädel entwickeln. Der hintere Ab- schnitt des Palato-Quadralum besteht als Quadratum (Fig. 249 Q) fort. Rei Eidechsen, Schlangen und Vögeln ist das Quadratum beweglich, während es bei Crocodilen und Schildkröten mit dem Schädel in feste Verbindung trat. Der ganze am Palato-Quadratknorpel differenzirte Kno- chencomplex ist innig und unbeweglich mit dem Cranium vereinigt, wäh- rend bei beweglichem Quadrat bein mindestens ein Theil jener Knochen sich gleichfalls beweglich erhält. 31 * 484 II. 9. Wirbelthiere. Ein anderes Verhältniss steht in Zusammenhang mit der Entwicke- lung der Nasenhöhle. (Siehe auch Mundhöhle.) Die bei Fischen zur Seile der Schädelbasis aufgetretenen Knochen gelangen gegen die Medianlinie. Fig. 249. Seitenansichten von Schädeln. ^IStruthio. ßCrocodilus. C'Pj-thon. Ol Occipitale laterale. Da Occipitale super ins. Pt Pterygoi'd. Pal Palatinum. Tr Transversmn. C'ol C'olumella. fov Fenestra ovalis. S Durchtrittsöffnung des N. trigeminus. Die übrige Bezeichnung wie in den vorhergehenden Figuren. sodass die Schädelbasis von der Begrenzung der Mundhöhle mehr oder minder ausgeschlossen wird. Die bei den Amphibien dicht am Vorder- rande des Schädels in die Mundhöhle führenden Nasenhöhlen zeigen ihre innere Oeffnung bei den Reptilien immer weiter nach hinten gelagert, indem horizontale Forlsätze von Oberkiefer, Gaumenbein, Flügelbein allmählich vor ihnen in mediane Verbindung gelangen. Damit scheidet sich die Nasenhöhle vollständiger von der Mundhöhle ab, und bildet eine über dieser liegende Räumlichkeit, deren Boden als Dach der Mundhöhle den »harten Gaumen« vorstellt. Diese Veränderungen sind am wenigsten bei Eidechsen, Schlangen und Vögeln entwickelt, mehr bei Schildkrölen und am vollkommensten bei Crocodilen. Die bei Fischen den Kieferstiel bildenden Stücke (Hyomandibulare mit Symplecticum) haben ein ähnliches Schicksal wie bei den Amphibien erlitten, indem sie die Beziehung zum Kopfskelel aufgegeben haben. Aus Schädel. 485 ihrer Anlage scheint die Columcll;» mit Adnexis gebildet: ein theils knöchernes, theils knorpeliges Skelelstück , welches in die Dienste des Hörapparates getreten ist. Bei beweglicher Verbindung des Quadratum mit dein Schädel (Ophi- dier, Saurier und Vögel) bestehen auch an den angeschlossenen Theilen des Oberkiefergaumenapparates verschiedengradig entwickelte Gelenke. Diese fehlen bei Crocodilen und Schildkröten, deren Quadratum zwischen Squamosum und den Knochen der Ohrkapsel sich eingefügt hat. Eine Uebergangsform zu diesem Zustande bildet Sphenodon , dessen Schädel zwar den Typus der Eidechsen zeigt, allein das Quadratum mit Pterygoid und Squamosum in einer festen Verbindung besitzt. A ß § 349. An das Quadratum schliessen sich, ähnlich wie bei den Amphibien, zwei nach vorne ziehende Knochenreihen. Medial findet sich das Ptery- goid (Fig. 250. Pt), bei Vögeln, Schlangen und Eidechsen an der Schädel- basis articulirend. Beide sind median durch eine Naht ver- bunden und zugleich der Schädelbasis fest angefügt bei Schildkröten und Crocodilen (Fig. 251. PL), bei letzteren umschliessen sie die Choanen. Schlangen, Saurier und Croco- dile besitzen ein das Pterygoid mit dem Maxillare verbinden- des äusseres Flügelbein (Os transversum) Figg. 250. A. Tr, 251. B. Tr). Ob es dem Ek- topterygoid der Fische ent- spricht, ist unsicher. Vor dem Pterygoid liegen die Palatina [Pal), bei Schild- kröten und Crocodilen in me- dianer Nahtverbindung , bei Schlangen, Eidechsen und Vö- geln von einander getrennt und medial die Choanen begren- zend(Fig. 250. Pal). Am Schild- krötenschädel tritt der Vomer (Fig. 251 . A. Vo) zwischen den beiden Palatina zum Dache der Mundhöhle herab , während über der Nasenhöhle beide Fig. 250. Ansicht der Schädelbasis. A von Monitor, B von Struthio. Ob Occipitale basilare. C Condylus occipitalis. Ol Occipitale laterale. Spb Sphenoidale hasilare. Q Quadratum. Pt Pterygoid. Tr Transver- sum. Pal Palatinmn. V Vomer. Qj Quadratojugale. Ju Jugale. Mx Maxillare. Mx' Medialer Fortsatz des- selben. Px Praemaxillare. 486 II. 9. Wiibelthiere. Gaumenbeine au der Basis cranii sieh vereinigen. Meist als lange und platte Knochen erscheinen die Gaumenbeine der Vögel (Fig. 250. ß.Pal), mit ihrem vorderen Ende legen sie sich einem Forlsatz des Oberkiefer- knochens (Mx) an oder A B treten auch mit einem Fortsatz des Praemaxü- lare zusammen. Die Praemaxillaria (Px) sind bei den mei- sten Sauriern (unter den Schildkröten bei Ghelys) wie bei den Vögeln verschmolzen, und bei letztern durch lange Frontalfortsätze ausgezeichnet. Ihre Ausdehnung steht hier im Verhältniss zur Länge des Schnabels, an des- sen Gestaltung sie be- deutenden Antheil neh- men. Rudimentär er- scheinen sie bei den Schlangen (Fig. 249. C. Px) , und bei den Schild- kröten sind sie unan- Fig.251. Ansicht der Schädelbasis A von Chelonia, B vonCro- sehnlich. Der Haiiptan— codilus. Ob Occipitale basilare. Ol Occipitale laterale. C Con- iUej] an fJep ßei»ren7Une dylus occipitalis. Spb Sphenoidale basilare. Opo Opisthoticuni. PI ^ ° Pterygoid. Pal Palatinnm. Vo Vomer. Q Quadratum. Qj Qua- deS Oberkiefei'raildes drato-Jugale. Tr Transversum. Mx Maxillare. Px Praemaxillare. kommt Somit dem MaXÜ- Pa Parietale. Pfr Postfrontale. [Fr Frontale. Ch Choanae. E Tuba , , ,T , , , Eustachü. Iare iMx) zu i welches bei Crocodilen und Eidechsen, am meisten aber bei Schlangen eine beträchtliche Ausdeh- nung, und bei den letzteren zugleich eine grosse Beweglichkeit besitzt. Eine laterale Beihe von Knochen beginnt am Quadratum mit dem Quadrat-Jochbein, welches den Schlangen abgehl. Bei den Sauriern entspringt es vom Quadratum an dessen Verbindungsstelle mit dem Schä- del. Es setzt sich vorne in ein zweites Stück fort, welches theils mit dem Postfronlaie, theils mit einem den unteren Orbitalrand umziehenden Ju- gale sich verbindet. Bei den Vögeln ist das Quadrato-Jugale (Fig. 230 B. Qj) ein dünnes Knochenstück, lateral vom Mandibulargelenk des Qua- dratum entspringend. Schildkröten und Grocodile besitzen es mit einer grösseren Strecke des Quadratum verbunden und das Jugale stützend, welches die Orbita begrenzen hilft. Der Unterkiefer articulirt in allen Fällen mit dem Quadratbein, und Schädel. 487 besteht noch aus denselben Theilen wie bei Fischen. Ein Supraangulare und Complementare tritt hinzu. Bei Schildkröten und Vögeln verschmelzen beide Dentalia sehr früh- zeitig , und bei den Vögeln erhalten sich für die andern Knochen meist nur Spuren der ursprünglichen Trennung. Beide Hälften sind bei den vveitmäuligen Schlangen gegeneinander beweglich verbunden. Parker, W. K. , Structure and development of the skull in the östlich tribe. Philos. Transact. 1866. — Derselbe, On the structure and develop. of the skull of the common Fowl. Phil. Transact. 1869. § 350. Am Säugethierschädel erscheint das knorpelige Primordialcranium meist nur an seinen basalen Theilen ausgebildet, und auf frühe Entwicke- lungszustände beschrankt. Der aus dem Knorpelcranium entstehende Theil des Schädels ist auch hier von den aus anderen Elementen hervor- gegangenen Abschnitten unterschieden , geht aber mit diesen innige Ver- bindungen ein. Als Gehirnkapsel weist er mit einer grösseren Ausdeh- nung auch eine grössere Anzahl zur Umschliessung beitragender Knochen auf. Seine Scheidung in einzelne Segmente tritt deutlicher als in den niederen Abtheilungen hervor, muss aber als eine secundäre Anpassung beurtheilt werden (§ 340). Am Occipitalsegment bilden die seitlichen Stücke (Fig. 252 Ol) mit je einem Theile des Occipitale basilare (Fig. 253 06) die Gelenkköpfe des Hinter- hauptes und begrenzen mit jenem das Foramen magnum indem sie oben das Occipi- tale superius [Os) zwischen sich fassen. Letzteres kann auch von dem Bande des Foramen magnum ausge- schlossen sein. Eine Ver- wachsung der vier Stücke zu Einem ist eine fast regel- mässige Erscheinung, doch können sie auch lange ge- trenntbleiben (Beutelthiere) . Bei vielen Säugethieren 'manchen Beutelthieren, Un- gulaten etc.) steigen von den Occipitalia lateralia lange Fortsätze {pm) herab (Pro- jpm Fig. 252. Seitliche Ansicht des Hirntheils eines Ziegen- schädels. Ol Occipitale laterale. 0s Occipitale superius. Jp Interparietale. Pa Parietale. Pe Petrosum. Sq Squamo- siiin. Ty Tympanicum. Sph Basisphenoid. As Alisphenoid. Ors Orbitospheuoid. Fr Frontale. Xa Nasale. L Lacrymale. Ju Jugale. Mx Maxillare superius. Pal Palatiniun. Pt Pterygoid. pm Processus paramastoideus. sl Processus styloides. cessus paramastoTdei) . In der Begion der Gehörkapsel finden sich nur im frühesten Zustande discrete Ossificationen von Knorpelpartien. Sie bilden Knochenkerne, 488 II. 9. Wirbelthiere. welche theilweise den bei Fischen und Reptilien besiehenden Knochen entsprechen und verschmelzen bald zu einem einzigen Stücke, dem Pe- trosum (Pe), dessen grösserer Abschnitt mit der lateralen Ausdehnung der Schädelhöhle an die Basis cranii rückt. Der laterale Theil des Petrosum erhält Anlagerungen von anderen, aus dem umgebildeten Kiemenskelele stammenden Knochen und wird zur medialen Wand der Paukenhöhle, an welcher sich ausser einer Fenestra ovalis noch eine Fenestra rotunda vor- findet. Der hintere, gleichfalls mit einem selbständigen Knochenkerne ossificirende Abschnitt des Petrosum ist in seitlichem Auschluss an die Occipitalia laleralia und wird als Pars mastoidea unterschieden, da er beim Menschen den Process. masto'ides trägt. Oben fügt sich an das Pe- trosum das Stjuamosuni (Sq), welches zuweilen mit dem Petrosum zum Schläfenbein (Temporale) verschmilzt, dessen »Schuppe « es bildet. Bei Einigen ist es ganz von der Schädelhöhle ausgeschlossen, bei Anderen tritt nur ein kleiner Theil zur Innenfläche des Schädels (Cetaceen, Wie- derkäuer). Erst bei den Primaten ist dieser Theil beträchtlicher und führt zu dem für den Menschen bekannten Verhalten. Ein nach vorne gerichteter Fortsatz (Processus zygomaticus; des Squamosum trägt zur Bildung des Jochbogens bei. Die vor der Schläfenbeinregion befindliche Sphenoidalregion wird aus zwei vollkommen entwickelten Segmenten zusammengesetzt, Das Basalstück des hinteren Segments (Spheno'idale ba- silare, Basispheno'id) (Fig. 253. Spb) stösst unmittel- bar an das Occipitale basi- lare, und trägt seitlich die Alae temporales (Alispbe- no'i'd). Vor dem Basisphe- noi'd liegt das Praesphenokl (Ps) mit den Alae orbita- les (Orbitosphenoid) . Die beiden medianen Stücke bleiben bei den Säuge- thieren stets oder doch sehr lange getrennt. Beim Men- schen verschmelzen sie frühzeitig zum sogenann- ten Körper des Keilbeines. Am Schädeldache treffen sich wieder die bekannten Deckslücke, die bei bedeutender Ausdehnung der Schädelhöhle an Umfang gewinnen. Die Parietalia (Figg. 252, 253 Pa) sind häufig (bei Monotremen, manchen Beu- telthieren, den Wiederkäuern und Einhufern) unter einander verwachsen. Zwischen sie fügt sich von hinten her ein an das Occipitale superius grenzendes Knochenstück, das Interparictale, welches meist wie bei den Fig. 253. Senkrechter Medianschnitt durch denselben Schädel. Ob Occipitale basilare. Ps Praesphenoid. Eth Ethmoid (senk- rechte Platte des Siebbeins , deren vorderer Rand in die hier entfernte knorpelige Nasenscheidewand sich fortsetzt). Eth' Muscheln des Ethmoid. Vo Vomer. s Sinus frontalis. Die übrige Bezeichnung wie in der vorhergehenden Figur. Schädel. 489 Primaten mit dem Occipitale superius Fi^g. 252, 253 Jp), aber auch mit den Parietalien (bei Nagern und Wiederkäuern) verschmilzt. Die Frontalia (Fr) im Anschlüsse an die Alae orbitales sind immer paarig, bei einzelnen verwachsen sie, z. B. bei Elephas, Rhinoceros, auch bei den Prosimiae, Insectivoren und Chiroptern und den Primaten. Der vorderste Abschnitt des Primordialcraniums bietet die bedeu- tendsten Modifikationen. Er entfaltet sich zur Wandung der Nasenhöhle, uuler Bildung mannichfacher lateral einragender Vorsprünge. Von unten her lagern sich an ihn Skelettheile des Kiefergaumenapparales, gegen welche eine mediane Knorpellamelle , als Scheidewand der Nasenhöhle, herabsteigt. An dieser entsteht als Belegknochen der Vomer (Fig. 253 Vo). Durch Verknöcherung beider Seitenhälften des Ethmoidknorpels und der davon ausgehenden lamellösen Fortsätze (Muscheln) entstehen zwei Eth- moidstücke. Sie begrenzen einen Theil der Schädelhöhle vor dem Praesphenoid , und sind zum Durchlass des Olfactorius durchbrochen. Bei Ornilhorhynchus sind hier nur zwei Oeffnungen, dagegen finden sich zahlreichere bei den Uebrigen, jenen Abschnitt zur Siebplalle gestal- tend. Durch Verschmelzung beider seitlichen Hälften mit dem medianen Stücke (Fig. 253 Eth) [Lamina perpendicularis] geht ein unpaarer Knochen hervor. Die Muscheln bieten ausserordentliche Verschiedenheiten und tragen durch reichverzweigte Lamellenbildung zur Oberflächenvergrösserung der Nasenräume bei. In der Begel wird der Ethmoidalabschnitt von anderen Knochen, vorzüglich jenen des Kiefer-Gaumenapparates, so überlagert, dass kein Theil seiner Oberfläche zu Tage tritt. Ausser bei einigen Eden- taten, gelangt nur bei den Primaten ein Theil der seitlichen Fläche in die mediale Begrenzung der Orbita als »Lamina papyracea«. An der Aussenflache der Ethmoidalregion finden sich als Beleg- knochen die Laerymalia und Nasalia. Erstere (L) sind minder beständig und scheinen mit benachbarten Knochen zu verschmelzen, so dass sie als discreteTheile vermisst werden (Pinnipedier). Auch den Delphinen fehlen sie. Wie bei den Reptilien und Vögeln bilden sie einen Theil der vorderen Begrenzung der Orbita , und treten gleichfalls auf der Antlilzfläche des Schädels vor, von der sie sich bei Primaten an die mediale Orbitalwand zurückgezogen haben. Bezüglich der Nasalia (Na) bestehen nur untergeordnete, theils durch eine Rückbildung (Cetaceen), theils durch beträchtliche Volumsentfaltung ausgedrückte Verschiedenheiten. Ihre Ausdehnung entspricht der Nasen- höhle, und steht mit einer Verlängerung des Gesichtstheiles des Schädels in Zusammenhang. Klein sind sie bei den Primaten. § 351 im licht weisen sich an dem vom primitiven Kieferskelete gebildeten Abschnitte. Die bedeutendsten Eigenthümlichkeiten des Säugelhierschädels er- 490 H. 9- Wirbelthiere. Kin dem Quadratum entsprechender Knochen lagert an der Aussenflache der Ohrkapsel. Er bildet ein Gehörknöchelchen, den AmbosA- Die vor dem Quadratum längs der Schädelbasis entwickelten Skelet- theile sind innig mit dem Cranium verbunden. Die PterygoTdea (Fig. 253 PI) sind meist platte Knochenstücke, welche der Innenfläche besonderer vom BasisphenoTd entwickelter Fortsätze sich anlagern. Sie umschliessen seitlich die Choanen und können sogar, im Gaumengewölbe sich vereinigend, die Choanenöffnung auch unten be- grenzen (bei Echidna , Dasypus, auch bei einigen Cetaceen). Bei den meisten Säugethieren erhalten sie sich getrennt, und auch bei den Pri- maten bleiben sie es längere Zeit, bevor sie mit den genannten Fortsätzen des Keilbeines sich vereinigen, um die medialen Lamellen der absteigen- den Keilbeinforlsätze (Processus pterygo'idei) vorzustellen. — Die Palatina bilden am häufigsten die untere Choanenumschliessung und den hinter- sten Abschnitt des harten Gaumens. Die Maxillaria erscheinen nach Maassgabe der Länge der Antlitzregion ausgedehnt, sind immer die an- sehnlichsten Kieferstücke. Bedeutendere Verschiedenheiten bieten die Praemaxillaria, welche in der Begel gleichfalls zur seitlichen Begrenzung der Nasenhöhle beitragen. Rudimentär, oder im Verhältniss zum Maxillare schwach entwickelt sind sie z. B. bei manchen Chiroptern und Edentaten. Sie begrenzen das Foramen incisivum. Bei den Affen verwachsen sie mit den Maxillaria, und gehen diese Verbindung beim Menschen sogar so frühzeitig ein, dass man lange Zeit an ihrer Existenz zweifeln konnte. Die bei Sauropsiden vorhandene, äussere, vom Quadratum zum Maxil- lare ziehende Beihe ist bei den Säugethieren auf das Jugale reducirt, wel- ches den Jochfortsatz des Squamosum mit dem Maxillare zum Jochbogen verbindet. Wenigen fehlt das Jugale (Sorex), oder es erreicht, vom Ober- kiefer ausgehend, keinen Auschluss am Jochfortsatz (Myrmecophaga, Bra- dypus). Indem es sich mit einem Fortsatze des Stirnbeins verbindet, stellt es eine hintere Orbitalumgrenzung her, und trennt damit die Orbita von der Schläfengrube, wofür viele Stadien unterscheidbar sind. Am vollständigsten ist dieser Vorgang bei den Primaten vollzogen, deren un- tere Orbitalfissur den Rest der bei den anderen Säugethieren weiten Gommunication zwischen Orbita und Schläfengrube vorstellt. An der Aussenfläche des Petrosum entsteht bei den Säugethieren als Bahmen für das Trommelfell das Tympanicum. Ob es mit dem bei Am- phibien ebenso genannten Knochen homolog ist , ist ungewiss. Immer erscheint es zuerst als ein knöcherner, nicht vollständig geschlossener Bing (Annulus tympanicus) (Fig. 254 at), der in mannichfaltige Formen auswächst. Als einfacher Annulus bleibt es bei Monotremen und Beutel- thieren, auch manchen Insectivoren u. a. Häufig erhält es sich vom Pe- trosum getrennt, am losesten bei den Walfischen mit ihm verbunden. Es bildet bei vielen eine knöcherne , in den äusseren Gehörgang fortgesetzte Kapsel. Eine solche Bulla ossea findet sich besonders bei Beutelthieren, Nagern, Ferae , auch bei den Artiodactylen , vor. Bei manchen Beutel- Schädel. 491 thieren, deren Tympanicum nicht über das ringförmige Stadium hinaus gelangt, findet sich eine anscheinend gleiche Bulla, die aber hier von einer Ausdehnung der Basis der Alae temporales gebildet wird (Dasyu- rus, Petaurista, Perameles). Indem das Tympanicum mit dem Petrosum und Squamosum verschmilzt, hilft es das Schlafenbein zusammensetzen (Primaten). § 352. Der primitive Unterkieferknorpel ändert bei den Säugelhieren schon frühzeitig die Richtung der bei den übrigen Wirbelthieren eingeschlagenen Differenzirung. Der sonst das Articulare bildende f/l // Theil wird zu einem Gehör- knöchelchen , dem Hammer (Fig. 254 m), von dem der nicht weiter sich entfaltende Meckel'sche Knorpel (p) aus- geht. An der Ausseufläche des Meckel'schen Knorpels entsteht als Belegknochen das Dentale. Es bildet mit dem anderseitigen median zusammenstossend den ge- sammten . an der unteren Fläche des Jochfortsatzes des Squamosum seine Arti- culationsstelle mit dem Schädel findenden Unterkie- fer. Somit liegt hier eine neue Bildung vor, während die ursprüngliche keineswegs verschwunden ist, sondern in anderen func- tionellen Beziehungen fortbesteht. Der Meckel'sche Knorpel (p) erhält sich noch einige Zeit an der Innenfläche des knöchernen Unterkiefers, schwindet aber dann , und nur die innerhalb der Paukenhöhle bis zur Glaser'schen Spalte gelangende Strecke bleibt durch Verknöcherung als Processus folia- nus des Hammers fortbestehen. Die frühzeitige Differenzirung, sowie die relativ bedeutende Grösse der genannten Gehörknöchelchen bestätigen, dass in ihnen auf niederen Zuständen voluminöser entfaltete Skelettheile zu erkennen sind. Beide Hälften des Unterkiefers bleiben bei einer grossen Anzahl von Säugethieren getrennt, bei anderen verschmelzen sie bald (Perissodactyle, Chiroptern, Primaten). Niedere Formzustände sprechen sich im geraden Verlauf des Unterkiefers der Monotremen aus, denen ein deutlicher Pro- cessus corono'i'des fehlt, der auch bei Anderen nur angedeutet ist (Cetaceen) . Sa, C.JT Fig. 254. Seitliche Ansicht des Schädels eines menschlichen Fötus mit den Gehörknöchelchen. Ein Theil der oberen Be- grenzung der Paukenhöhle sowie das Trommelfell ist weg- genommen, at Annulus tympanicus, von welchem ein oberer Theil entfernt ist. m Hammer, ma Manubrium des Hammers. p Processus Meckelii, an der Innenseite des Unterkiefers sich hinziehend, i Ambos. s Steigbügel, st Processus sty- loides. Ist Ligamentum stylohyoideum zum vorderen Hörn des Zungenbeins ziehend, t Foramen mastoideum. 492 II. 9. Wirbelthiere. Das aus dem oberen Abschnitte des primitiven Zungenbeiubogens hervorgehende Stück Hyomandibulare der Fische) scheint die Anlage für ein drittes Gehörknöchelchen, den Stapcs, abzugeben. Kiemenskelet. §353. Mit dem vordersten Theile des Axenskeletes steht ein ventrales Bo- gensystem in Verbindung, welches für den als Athemhöhle fungirenden Abschnitt des Nahrungscanais die Stützorgane bildet. Die Zahl der Bogen und damit die Ausdehnung des Apparates nach hinten hängt von der Ausdehnung jenes respiratorischen Baumes ab. Diese Gebilde treten in zwei sehr verschiedenen Typen auf. Der erste Typus besteht bei den Acrania (Amphioxus). Hier be- sitzt jenes Gerüste an seinem vordersten Theile einen die Mundöffnune umziehenden Knorpelbogen, der mit nach vorne gerichteten Knorpelsläb- chen besetzt ist. Der übrige Apparat ist aus einer homogenen Substanz gebildet, welche ähnlich wie bei Balanoglossus (vergl. § II 2) ein compli- cirtes Gitterwerk vorstellt. Das Kiemengitter jeder Seite besteht für sich, ohne ventralen Zusammenhang. Auf diese Einrichtung kann der bei den Graniolen bestehende zweite Typus nicht unmittelbar bezogen werden. Er wird in seinem ersten Zu- stande nur durch knorpelige Theile dargestellt, die eine geringere Zahl von Bogen bilden, und bei streng symmetrischer Vertheilung einen ven- tralen Abschluss mittels einer Copula besitzen. Bei den Cyclostomen besteht das Kiemenskelet aus complicirteren, jederseits sowohl oben zur Seite des Bückgrales, als unten unter sich in Zusammenhang stehenden Knorpelleisten , deren oberflächliche Lagerung sie als äusseres Kiemengerüste bezeichnen lässt. Von diesem sind auch noch bei Selachiern zuweilen sehr deutliche Spuren vorhanden, ob- gleich bereits ein anderer, innerer Stützapparat besteht, welcher von da an durch die ganze Beihe der Wirbelthiere sich fortsetzt. Die einzelnen Bogen be- sitzen deutliche Spuren ur- sprünglicher Gleichartigkeit, die durch allmähliche Aende- rung der functionellen Be- ziehungen in Folge einer Ar- beitstheilung einer Mannich faltigkeit wich. Von diesen Bogen mussten einige bereits Fig. 255. Schädel- and Kiemenskelet eines beim Crailium besprochen Selachiers (Schema), abc Lippenknorpel. /Kiefer- werden deren hier nur in liegen, o Oberer, u unterer Abschnitt. //Zungenbeinbogen. ///-ra/Kiemenbogen. Kürze gedacht werden soll. Kiemenskelet. 493 Der erste umzieht den Eingang in denNahrungscanal und ist in zwei Stücke gegliedert, ein oberes, das Palalo-Quadratum (Fig. 255. o), ein unteres Stück, der primitive Unterkiefer [u). Die folgenden Bogenpaare erhallen sich entweder in ihrer urprünglichen Function als Stützen der Kiemen- hogen oder sie gehen eine Reihe anderer Modifikationen ein. Diese sämmtlichen Bogen lassen sich als ursprünglich gleichartig fun- girende nachweisen. Die Beziehung zum Athemapparat scheint nicht blos an den vorderen Bogen durch deren Umwandlung zu Kiefern verloren gegangen, sondern auch von den hinteren Bogen her fanden allmählich functionelle und auch anatomische Rückbildungen statt, so dass die Wahr- scheinlichkeit besieht , dass in diesen Befunden nur die Enderscheinung eines Reductionsprocesses vorliegt, der an einer viel beträchtlicheren Bogen- zahl besann. Das Kiemenskelet der Cranioten wäre demnach der Ueberresl eines an Bogen ursprünglich viel reicheren Apparates. Diese Auffassung wird unterstützt durch die Vergleichung mit Amphioxus, sowie durch Erwä- gungen, deren bei dem Kiemenapparale und beim peripherischen Nerven- system gedacht wird. Von den Fischen bis zu den Amphibien ist an diesem Apparat eine allmähliche Entfremdung seiner ursprünglichen Beziehungen bemerkbar, und von den Beptilien an geht die Verbindung mit den Athmungsorganen gänzlich verloren. § 354. Sämmtliche Kiemenbogen stehen in ventraler Verbindung durch un- paare Stücke, die Gopulae. Die einzelnen Bogen bieten stets eine Gliede- rung in mehrfache, meist beweglich unter einander verbundene Abschnitte. Sowohl der Kieferbogen als der obere Theil des Zungenbeinbogens gewin- nen, wie oben dargelegt, Beziehungen zum Granium, und lösen sich damit aus dem Verbände mit den übrigen Bogen, denen nur der untere, oder HyoTdabschnitt des zweiten oder Zungenbeinbogens sich anschliesst. Die folgenden Bogen haben die Verbindung mit dem Granium gröss- lentheils aufgegeben, oder stehen mit ihm nur in unmittelbarem Zusam- menhange, entweder der Schädelbasis, oder bei grösserer Ausdehnung sogar dem Anfangstheile der Wirbelsäule angeheftet. Bei manchen Sela- chiern ist der Zungenbeinbogen mit den Kiemenbogen noch gleichartig gestaltet (Fig. 255/7). In der Begel zeigt er eine Vergrösserung seiner Go- pula, die eine Stütze der Zunge abgibt. Bei den Selachiern undGhimären besitzt dieser Bogen noch seine ursprüngliche Bestimmung als kiemen- tragender Skelettheil. Diese Beziehung ist sowohl bei den Ganoiden als Teleostiern zurückgetreten, da jene Kieme rudimentär ward und die Ra- dien des in Hyomandibulare und Symplecticum umgewandelten oberen Stückes durch den Opercularapparat vorgestellt werden (S. 479). Der untere Abschnitt des Zungenbeinbogens oder das Hyoidstück trägt dann an der Stelle der Knorpelradien knöcherne Strahlen (Fig. 256 1, r) (Radii branchiostegi), zwischen denen eine den gesammten Kiemen- 494 IT. 9. Wirbelthiere. apparat deckende Membran sich ausspannt. Aus dem Zungenbeinbogen geht somit ein Schutzorgan des Athmungsapparates hervor. Fig. 250. Zungenbein und Kiemenbogen von Perca flu viatili s. 1— VI Bogenreihen ; der|erste Bogen (/) zum Tragapparat des Zungenbeins umgewandelt, die vier nächsten (II— V) als Kiemenbogen und der letzte [VI] die unteren Schlundknochen vorstellend, a, l, c, ä Glieder der Bogen. Das oberste Stück (d) der Kiemenbogen stellt die Ossa pharyngea superiora dar. r Radii branchiostegi. f p' 2>" Phalangen des 1—3 Fingers. indess ein der zweiten Carpusreihe entsprechender Knorpel mit den Rasen des Melacarpus frühzeitig verwächst. In der Hand bleiben drei Finger mehr oder minder ausgebildet, die sich bei den Saururen discret erhalten, indess bei Ratilen und Carinaten das Metacarpale (wi) des zweiten und dritten , meist auch noch jener des ersten, zu Einem Knochenstücke ver- wachsen. Am dritten Finger kommt noch das Rudiment eines 4. vor. In der Zahl der Phalangen ergeben sich von den Eidechsen bis zu den Vögeln Rückbildungen. Vom ersten Finger der Radialseite bis zum 506 II. 9. Wirbelthiere. vierten besteht eine Zunahme der Phalangen von zwei bis fünf, nur der fünfte enthalt eine geringere Zahl. Bei den Croeodilen ist diese Zunahme nur bis zum dritten Finger vorhanden; bei den Vögeln besitzt meist der * zweite Finger zwei Phalangenstücke j/;, der erste und dritte nur eines (p //'), selten besteht am ersten und zweiten Finger eine Phalange mehr. Fürrringer, M. , Die Knochen und Muskeln der Extremitäten bei den schlon- genartigen Sauriern. Leipzig 1870. § 365. Die grössere Mannichfaltigkeit der Anpassungsverhältnisse an ver- schiedene Verrichtungen spricht sich beidenSäugethieren in bedeutenderen Verschiedenheiten im Bau des Armskelets aus. Die Elemente des letzteren lassen bezüglich der Zahl der Carpalia an die niederen Zustande, wie sie etwa bei Schildkröten bestehen, anknüpfen. Wenn auch durch Verküm- merung einzelner Finger viele Modifikationen der Hand bestehen, so ist doch der Extremität, selbst in unteren Abtheilungen der Säugethiere, ein mehrseitiger Gebrauch erhalten. Eine freiere Beweglichkeit der beiden Knochen des Vorderarms, sowie die Verbindung der Hand mit einem derselben (dem Radius), enthebt die Vorderextremität ihrer niederen Function als blosser Stützapparat, und lässt sie zum Greiforgane sich um- gestalten. Die letztere Erscheinung kommt sowohl bei Didelphen als auch bei Monodelphen zum Ausdruck und erreicht ihre höchste Form bei den Primaten. Der Carpus besitzt die drei primitiven Stücke der ersten Reihe. Nicht selten kommt auch noch ein Centrale vor (Nager, Insecti- voren . Halbaffen, beim Orang und, frühzeitig schwindend, beim Men- schen). Die distalen Carpalknochen bieten eine Verschmelzung der beiden ulnaren zu einem Hamatum dar (vergl. Fig. 268. 1. II). Einen besonderen, dem Ulnarrand des Carpus angefügten Knochen, bildet das Pisiforme, das bei vielen eine sehr bedeutende Grösse erreicht. Es findet sich schon bei Reptilien und ist als einziger Rest einer bei Enaliosauriern reicheren Reihe nachweisbar. Die aus dieser Formenreihe hervorgebildelen Modificationen stehen in engstem Connexe mit der Verrichtung. Wir treuen in ihnen sowohl beträcht- liche Verlängerungen einzelner Abschnitte bei der Verwendung des Armes zum Flugorgane Chiroplera), sowie auch Verkürzungen und massivere Gestaltung einzelner Theile in vielen Fällen, wo der Arm gleich- falls in vorwiegend einseitige Verwendung, wie beim Graben etc. kommt, wofür Monotremen , manche Edentaten , Talpa etc. Reispiele liefern. Der Aus- bildung, welche hier die einzelnen Theile des Arm- skelets darbieten , stellen sich die Rückbildungen Fig. 207. Vordere Extre- mität eines jungen Del- phin, s Scapula. /* Hu- merus. r Kadius. n Ulna. c Carpus. m Metaearpus. ph Phalangen. Vordere Extremität. 507 entgegen, welche der Vordergliedmasse der Cetaceen geworden sind. Sie bildet ein in seinen einzelnen Abschnitten wenig bewegliches Ruder, dessen einzelne Elemente sogar jede Gelenkverbindung verlieren können und zu einer ungegliederten tlossenartigen Masse vereinigt sind (Fig. 267). Bei einer anderen Reihe wird die Vorderextremität blosses Stütz- und Bewegungsorgan, unter Rückbildung einzelner Finger. Dass hier kein primärer Zustand vorliegt, ergibt sich aus der relativen Stellung der Vorderarmknochen , die einen Pronalion und Supination besitzenden Zu- stand voraussetzen lässt. Mit der einseitigen Verwendung der Gliedmasse geht jene Bewegung verloren, Radius und Ulna werden unbeweglich ver- bunden, was zu einer Rückbildung einzelner Theile dieser Knochen und völliger Verwachsung derselben führen kann. So erscheinen sie bei den Artiodaclylen , unter denen bei den Wiederkäuern das distale Ende der Ulna rudimentär wird. Bei den Tylopoden und Einhufern ist letzteres ganz geschwunden und der obere Theil der Ulna ist mit dem Radius zu Einem Knochen vereint. In dem Verhallen der Finger lassen sich zwei Reihen von Zuständen unterscheiden. Beiden fehlt der erste Finger , der schon bei den digiti- graden Carnivoren ausser Function tritt Fig. 268 //). Von den übrigen /•C t^Cv>. ■■I. Fig. 2jB8. Handskelete von Sau gethi eren. /Mensch. //Hund. /// Sclnvein. /l'Kind. 7 -Tapir. 17 Pferd, r Radius, u Ulna. a Scaphuid. b Lunare. c Triqnetrum. d Trape/ium. e Trapezoid. / Capitatuin. g Hämatom, p Pisiforrae. aber ist bei den Artiodactylen der dritte und vierte vorwiegend entfaltet (III. IV), so dass die beiden anderen ;2 und 5) oft nicht zur Berührung des Bodens kommen Schweine , Moschusthiere) . Dann geht der fünfte Finger verloren, so dass nur der dritte und vierte entwickelt sind und der zweite einen unansehnlichen Anhang vorstellt Anoplotherium . Das Uebergewicht des dritten und vierten Fingers wird noch bedeutender 50S II- 9- Wirbelthiere. durch die Verschmelzung der beiden Metacarpalien [IV), indess der zweite und fünfte Finger rudimentär wird (Rinder, Schafe, Hirsche etc.) . Die Reihe der Perissodactylen beginnt gleichfalls mit vierfingerigen Formen, aber hier besitzt nur Ein Finger (der dritte) das Uebergewicht (Tapire) (F); Mit Rückbildung des fünften schon im letzten Falle kleinsten Fingers (Palaeotherium schliesst sich der zweite und vierte dem dritten als An- hang an (Hipparion) und durch die Reduction der beiden seitlichen Finger auf ihre blossen Metacarpalstücke, die als »Griftelbeine« dem ansehnlichen Metacarpus des dritten Fingers angelagert sind [VI), wird der letztere zur einzigen Stütze der Gliedmasse (Equus). Die Zahl der Phalangen der einzelnen Finger bietet nur bei den Wal- thieren eine Vermehrung, bei allen Uebrigen ist sie für den ersten Finger auf zwei, für alle anderen auf drei festgestellt. Hintere Gliedmassen. Recken Gürtel. § 366. Die Verhältnisse des Reckeneürt el s stehen wieder mit der Ver- schiedenarligkeit der Leistungen der Extremität in Zusammenhang. Die Homologie beider Skeletabschnitte wird daher um so vollständiger zu er- kennen sein, je gleichartiger die Function beider Extremitäten und je nie- derer die Stufe der Differenzirung ist. Auch dem Reckengürlel liegt ein einfaches Knorpelstück zu Grunde. Dieses besitzt bei den Selachiern nur seilen eine dorsale Ausdehnung. Rei den GanoTden und Teleosliern sind beide Hälften des ossificirlen Skelet- theiles in medianem Zusammenhang. Sie erleiden bedeutende Lagever- änderungen, indem sie verschieden weit nach vorne gegen den Schulter- gürtel gerückt sein können (Pisces thoracici), und endlich sogar mit diesem sich verbinden (Pisces jugulares) . Rei den Amphibien treten beide Reckenknochen mit der Wirbelsäule in Verbindung : zusleich lassen sich an der Verbindunssstelle mit dem Femur zwei Abschnitte unterscheiden : der dorsale , einem Querfortsatze (resp. einem Rippenrudimente) angeheftete, wird als Ilium, der ventrale, median mit dem der anderen Seite verbundene als Scham-Sitzbein be- zeichnet (Urodelen). Es besteht aber Grund zur Vermuthung, dass er nur einem Sitzbein (Ischium) entspricht. Eine Modifikation erleidet diese Form bei den Anuren (vergl. Fig. 225), indem die langen und schmalen Darm- beine (//) sich mit den zu einer senkrechten Scheibe umgewandelten und unter einander verschmolzenen Scham-Sitzbeinen [is) vereinigen. Redeutender entfaltet sich das llium der Reptilien, bei Chamaeleo ist es einer Scapula ähnlich, und in ein einem Suprascapulare vergleichbares Stück fortgesetzt. Mehr in die Länge gestreckt ist es bei Eidechsen (Fig. 269. Jl), kürzerund breiter bei Crocodilen (Fig. 270. Jl . Die Rich- tung des Knochens geht nach vorne, so dass seine Recken- Beckengürtel. 509 Verbindung hinter dem Acetabulum liegt. Bei Eidechsen und Schildkröten geht der ventrale Theil des Beckens vom Acetabulum her in zwei divergente Stücke aus Fig. 269 , die eine weite Oeffnung (Foramen obluratum) umschliessen. Der vordere Schenkel wird als Schambein [P)7 der hintere als Sitzbein (Js) benannt. Beide Knochen jeder Seite zeigen verschiedene Grade der medianen Verbindung unter sich, die sogar auf- Fig. 269i Linksseitige Ansicht des Beckens von Fig. 270. Linksseitige Ansicht des Beckens von Alligator lucius. x y Zwei Aeste des Sitz- beines, welche mit rs, zwei Fortsätzen des Darm- beines eine im Pfannengrund befindliche Durch- brechung o umschliessen. Uebrige Bezeichnung wie in nebenstehender Figur. Monitor. .11 Darmbein. Js Sitzbein. P Scham- bein, a Hinteres Ende des Darmbeines, b Vor- derer Höcker demselben. gehoben sein kann. Hievon ist das Becken der Crocodile Fig. 270) in manchen Punkten verschieden , indem von der Pfanne eiu einziger Knochen (Js) ventralwärts abgeht, der mittelst zweier Fortsätze (x. y) mit dem Ilium sich verbindet. Er scheint nur ein Sitzbein vorzustellen, und ein ausserhalb des Acetabulums liegender, mit dem Sitzbeine articuliren- der Knochen (p) mit dem anderseitigen in die vordere Bauchwand con- vergirend, stellt sich als Schambein dar. Hieran reihen sich die Becken fossiler Dinosaurier, deren Ilium durch einen nach vorne gerichteten Fortsatz ausgezeichnet ist, von welchem die lebenden Saurier wie die Crocodile nur eine Andeutung (b) zeigen. Die Pfanne erscheint gleichfalls durchbrochen und verbindet sich mit einem langen, schräg nach hinten und abwärts gerichteten Sitzbeine , das mit dem anderseitigen nicht vereinigt ist. Vom vorderen Pfannenrande geht ein langes, gleichfalls frei endendes Schambein aus, in parallelem Verlaufe mit dem Sitzbein. In diesem Verhalten birgt sich schon das Wesentliche des Vogel- beckens (Fig. 271). Das Darmbein (.//) erstreckt sich hier nicht nur weit nach hinten [aa), sondern lässtauch den vorderen Fortsatz zu einer breiten Platte (bb) sich gestalten. Diese dehnt sich längs des Lendenabschnittes der Wirbelsäule, sogar noch auf den thoracalen aus, und zieht dadurch eine beträchtliche Anzahl von Wirbeln in den Bereich des Beckens. Von der 510 II. 9. Wirbelthiere. durchbrochenen Pfanne aus tritt das Sitzbein {Js) ziemlich parallel mit dem hinteren Darmbeinstücke nach hinten und ähnlich verläuft das schwache, mit einem klei- nen Abschnitte an der Pfanne betheiligte Scham- bein (P ',. dessen das Sitz- bein üb erragende Enden meist convergiren und bei Struthio sogar eine Sym- physe bilden. Zwischen Darm- und Sitzbein , wie zwischen diesem und dem Schambein treten ver- schiedenartige Verbindun- gen ein. Fig. 271. Linksseitige Ansicht eines Vogel beekens. Der punktirte Abschnitt bezeichnet den durch Knorpelwaehsthura sich nach hinten verlängernden Theil der drei Stücke des Beckens. Die punktirte Linie grenzt den ohne Betheiligung von Knorpel nach vorne wachsenden Theil des Darmbeines (66) ab. Bezeichnung wie in den vorhergehenden Figuren Bedeutend verschieden ist das Becken der Säugethiere. Die pri- mitive Sacral Verbindung liegt stets vor der Pfanne. Das Ilium ist aber von vorne nach hin- ten gerichtet . und der bei Vögeln hintere Band des Iliums entspricht dem vorderen des Säugethier- Darmbeines. Von den Amphibien aus entstehen demnach zwei diver- gente Darmbein -Stellungen. Bei den Amphibien ist es von der Sa- cralverbindung lateral und abwärts gerichtet: bei Beptilien und Vögeln schräg vorwärts, und bei Säugern dagegen schräg caudalwärts. Der ventrale Theil des Beckens um- schliesst ein Foramen obturatum, und bildet mit dem anderseitigen einen ventralen Abschluss. Fig. 272. Linksseitige Ansicht des Beckens eines Hundes, ü llium. j's Ischium. p Os pubis. tl Vorletzter Lumbaiwirbel, »r Caudalwirbel. Der primitive Beckenknorpel lässt das Ilium und Ischium hervor- gehen; das Schambein entsteht aus einer gesonderten Anlage, die mit der Darm-Sitzbein-Anlage in der Pfanne sich verbindet (Mensch). Daraus ergibt sich ein Grund für die Auffassung des Schambeins als eines selb- ständigen Skeleltheiles, der bei den Crocodilen in dieser Selbständigkeit beharrl. Das Darmbein der Säugethiere verbindet sieh mit wenigen Wir- beln. Auch das Sitzbein kann mit falschen Sacralwirbeln Verbindungen eingehen (Dasypus, Bradypus . Die Verbindung der beiden ventralen Schenkel in einer Scham-Sitzbeinfuge bei den Beutelthieren . vielen Na- gern. Artiodactvlen und Perissodactvlen bedingt eine langgestreckte Form des Beckens. Bei Insectivoren und Carnivoren beschränkt sich die Ver- Hintere Extremität. 51 t bindung mehr auf die beiden Schambeine, und in den höheren Ordnun- gen findet dies noch entschiedener statt. Als eine selbständige Anpassung besteht bei Manchen (Insectivoren und Chiroptern an der Stelle der Schambeinsymphyse eine blosse Band- verbindung, welche bei weiblichen Individuen sogar eine bedeutendere Ausdehnung erbalten kann (Erinaceus). Bei dem Mangel einer hinleren Extremität erliest auch der Becken- aürtel einer Rückbildung. Rudimente von ihm finden sich bei den Cetaceen. Vor den Schambeinen finden sich bei Monotremen und Beutelthieren noch zwei nach vorne gerichtete Knochenstücke, die Beutelknochen (Ossa marsupialia), bei Thylacinus zu unansehnlichen Knorpelrudimenten rück- gebildel. Gegenbair. C Beiträge zur Kenntniss des Beckens der Vogel. Jen. Zeiisehr. VI. — Hoffmann. C. K., Beiträge zur Kenntniss des Beckens der Amphibien u. Reptilien. Niederländ. Arch. III. Hintere Extremität. § 367. Die für die Vorderextremität geschilderten Einrichtungen greifen in ähnlicher Weise auch für die hintere Gliedmasse Platz. Sie bildet bei den Fischen die Bauchflosse. Ihr Skelet zeigt bei den Selachiern eine ähn- liche Beschaffenheit wie jenes der Brustflosse und als bedeutendste Ver- schiedenheit kann im Vergleiche mit jener ein einfacheres Verhalten der Badien angeführt werden. Gewöhnlich ist das Basale des Flossenstammes beträchtlich verlängert. Die dem Basalstück folgenden Glieder gehen bei den Männchen eine besondere Veränderung ein. die sie zu einem Begat- lungsorgane umbildet. Aus einer der Reduction des Brustflossenskelets sehr ähnlichen peri- pherischen Rückbildung ist das Skelet der Bauchflosse bei Ganoiden ab- leitbar, und von diesen jenes der Teleostier. Doch zeigt sich entsprechend der geringeren Entwickelung der gesammten Bauchflosse meist eine be- deutende Vereinfachung, sowohl im Volum als in der Anzahl der einzelnen Stücke. In beiden Abtheilungen findet dieselbe Betheiligung des Haut- skelets an der Flächen vergrösserung der Bauchflosse statt . wie es für die Brustflosse aufgeführt ward. Bezüglich der Vergleichung der Hinterext rem ilät der höheren Wir- bellhiere mit der Bauchflosse der Fische muss wieder vom Archiptery- aium ausgegangen werden, welches wie dort als der niederste Zustand erscheint. Die Gliederung der Extremität in einzelne sich folgende Abschnitte bildet eine Wiederholung des am Armskelete getroffenen Verhaltens. Wir unterscheiden Femur, Tibia und Fibula, endlich am Fusse : Tarsus, Metatarsus und die Phalangen . Die vier inneren Zehen lassen sich mit den 512 II. 9. Wirbelthiere. sie tragenden Skelettheilen gleichfalls als Glieder vou Radien betrachten, die von einer vom Femur durch Fibula zur Aussenzehe verlaufenden Knochenreihe ausgehen. Zehn Stücke setzen den Tarsus zusammen, drei davon schliessen an den Unterschenkel an, Fibulare, Intermedium, Tibiale. Zwei stellen Centralia vor, und fünf distale Tarsalia tra- gen die Metatarsusknochen. (Vergl. Fig. 265.) Bei den Enaliosauriern bilden die Skelet- theile der Hinterextremität eine vollständige Wiederholung jener der vorderen, und selbst bei einem Theile der Amphibien (den Urode- len) treffen wir im Hauptsächlichsten ein gleiches Verhalten, so dass es einer speciellen Aufführung nicht weiter bedarf. Da sich bei den meisten Urodelen die Fünfzahl der End- stücke oder Zehen der Hintergliedmassen er hält, so ist die Uebereinstimmung mit der primitiven Form noch deutlicher als am Armskelete. Bei Cryptobranchus, Menopoma u. a. bestehen sogar die beiden Centralia. Dagegen ist bei den Anuren eine bedeuten- dere Veränderung ausgeprägt : Tibia und Fi- bula verschmelzen. An der Stelle der proxi- malen drei Tarsalstücke treffen wir zwei lange aber an den Enden häufig verschmolzene Knochen , die gewöhnlich als Astragalus und Calcaneus bezeichnet werden. Auch die distale Reihe der Tarsalia bietet bedeutende Reductionen. Endlich ist noch das Vorkom- men des Rudimentes einer sechsten Zehe be- achtenswert!!. Fig. 'l'.i. Hiutere Extremität einer Larve von Salamandra macu- losa. Die punktirteu Linien sind durch die Radien gelegt, denen die einzelnen Stücke angehören. § 368. Bei den Schildkröten ist bei unwichtigen Modificationen der grösseren Stücke der Ex- tremität eine allmähliche Concrescenz ein- zelner Knochen des Tarsus bemerkbar, welche für das Verständniss des Fussskelets sowohl der übrigen Reptilien als auch der Vögel belangreich ist. Ein Intermedium ist mit dem Tibiale zu einem Astragalus vereinigt, und diesem ist noch das Centrale angeschlossen, oder auch völlig mit ihm verschmolzen. Ebenso stellt das vierte und fünfte Tarsale einen einzigen Knochen, das Cubo'id, vor. Durch die Entstehung Eines Knochenstückes aus Knochen der ersten Tarsalreihe und durch die feste Verbindung dieses Stückes mit Tibia und Fibula ergibt sich eine eigentümliche Articulations- weise des Fusses. E r b e w e g t sich in einem Intertarsalgelenk. Hintere Extremität. 513 Etwas verschieden gestaltet sich das Fussskelet der Crocodile. Tibia und Fibula articuliren hier mit zwei Knochen, davon der fibulare die grösste Beweglichkeit besitzt. Der der Tibia ver- bundene grössere Knochen entspricht jenem der Schildkröten. Ihm articulirt ein Knorpelstück , das sich enger mit dem Metatarsus verbindet, während mit dem Fibulare ein Cubo'id articulirt. Durch die Selbständigkeit des Fibulare wird eine erst bei den Säugethieren wieder auftretende Eigentümlichkeit dargestellt. Bei Eidech- sen zeigt der aus vier primären Elementen hervorgegangene Tarsalknochen (Fig. 274. A. ts) in seiner Anlage keine Andeutung seiner einzelnen Bestandtheile mehr. Er verbindet sich unbeweglich mit Tibia und Fibula, indess die distalen Tarsusstücke (ti) in verschiedenem Masse dem Metatarsus sich anschliessen. Am vollständigsten scheint dies bei fossilen Sauriern (Orni- thosceliden) der Fall gewesen zu sein. In diesen Einrichtungen sehen wir eine Vorbildung des Baues des Vogelfusses, der im embryonalen Zustande (Fig. 273. B) die bei manchen Beptilien bleibend gege- benen Verhältnisse zeigt. Die Fibula (p) reicht bis zum Tarsus. Letzterer legt sich aus zwei Knorpelstücken an, das obere (ts) ist zweifellos dem bei Beptilien aus vier Elementen sich zusammensetzenden Kno- chen homolog , das untere (ti) entspricht der distalen Beihe von Tarsusknochen. Den Metatarsus bilden ursprünglich gleich- falls fünf discrete Knorpelstücke, von denen aber nur vier (B. I — IV) Zehen tragen , indess das fünfte sehr unansehnliche völlig mit dem unleren Tarsusstück verschmilzt. Die Veränderung des embryonalen Ver- hältnisses zeigt sich am Unterschenkel in einer Bückbildung der Fibula (Fig. 275. 6'), welche später wie ein unansehnlicher, niemals den Tarsus erreichender Anhang (b ') der Tibia (b) ansitzt. Mit der Tibia verwächst der obere Tarsalknorpel und bildet ihren Gelenkkopf, der untere Tarsal- knorpel vereinigt sich mit dem durch Verschmelzung der drei längeren Metatarsusknochen entstehenden einheitlichen Stücke (c), an welchem Trennungsspuren meist nur noch am distalen Ende in den einzelnen Capitula fortbestehen (Fig. 275. e'). Das Metatarsale der ersten oder Innenzehe erhält sich selbständig und bleibt meist ein kleiner, dem tiegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 33 Fig. 274. Fussskelet eines Reptils (Eidechse) (1) und Vogels (ß), letzte- res im embryonalen Zustande darge- stellt. / Femur. t Tibia. p Fibula, ts Oberes, ti unteres Tarsusstück. m Mit- telfuss. I— V Metatarsal stücke der Zehen. 514 II. 9. Wirbelthiere. grossen »Laufknochen« (Tarso-Metatarsus; angefügter Anhang. Am Vogel- fusse sind somit bei den Reptilien ausgesprochene Einrichtungen weiter entwickelt , indem die Theile , welche dort nur feste Verbindungen zeigten, verschmolzen, aber die Bewe- gung des Fusses findet in demselben Intertarsalselenk statt. Bezüglich der Zehen treffen wir die Fünfzahl auch bei Reptilien vorherrschend ; erst bei den Vögeln sin- ken sie auf vier oder drei . sogar auf zwei (Struthio) . Die Phalangen der Zehen zeigen im Allgemeinen eine Zunahme von der aus zwei Stücken bestehenden Innenzehe an bis zur vierten Zehe, an der man fünf Phalangen zählt. Dies gilt für Eidechsen, Crocodile und Vögel. Eine geringere Zahl besitzen Amphibien und Schildkröten. Unter den Reptilien sind Re- ductionen der Gliedmasse bei schlangenartigen Sau- riern verbreitet . allgemein bei Schlangen, bei denen nur die Peropoda noch Rudimente besitzen. Gegenbaur , C. , Untersuchungen zur vergleich. Anat. I Leipzig 4864. § 369. Fig. 275. Hintere Ex- tremität von Buteo vulgaris, a Femur. 6 Tibia. b' Fibula, c Tarso - Metatarsus. c' Dasselbe Stück isolirt von vorne gesehen, dd' d" (V" Vier Zehen. Die eigentümlichen Differenzirungen des Skeletes der Hintergliedmasse der Reptilien und Vögel stellen die Säueethiere ausser Anschluss. Im Allgemeinen sind die Umgestaltungen weniger mannichfaltig als an der Vordergliedmasse. Das Femur ist bei den Perisso- daclylen , manchen Nagern u.a. durch einen dritten Trochanter ausgezeichnet. Am Unterschenkel erhält die Tibia die Haupt- rolle, die Fibula wird häufig, besonders bei den Ungulaten, rudimentär. Bei den Artiodactylen erhält sich das distale Endstück, welches mit der Tibia wie mit dem Tarsus (Astragalus) articulirt, und anscheinend dem letzteren zugetheilt wird. Auch Verwachsungen der vollständigen Tibia und Fibula kommen vor (z. B. bei Nagern. Insectivoren). Den am meisten charakteristischen Abschnitt bildet der Tarsus, der mit 2 Stücken sich dem Unterschenkel anschliesst , aber meist nur mit Einem (Astragalus) das Sprunggelenk bildet. An dem zweiten Knochen (Galcaneus) ist die bei Crocodilen angedeutete Fortsatzbildung weiter ent- wickelt. Das Centrale erhält sich selbständig, rückt aber als Naviculare an den inneren Fussrand vor. Mit dem Calcaneus bildet es bei einigen Prosimiae eine bedeutende Verlängeruns Macrotarsi . Von den fünf dista- len Knochen sind die zwei äusseren stets nur durch das Cubo'id vertreten, die drei inneren bleiben zumeist getrennt (Keilbeine . Mit der Verminde- rung der Zehen tritt häufig auch an den letzteren eine Reduction ein , sie können sogar mit dem Metatarsus verschmelzen . wie z. B. bei Bra- Muskelsy.stem. 515 dypus. Auch das Cubo'fd kann mit dem Naviculare vereinigt sein (Wie- derkäuer) . Aus der ursprünglichen Function eines Stütz- und Bewegungsorganes bildet sich auch für den Fuss die Function eines Greiforganes* heraus, und dadurch nähert sich der Fuss auch in manchen Formerscheinungen dem Ende der Vordersliedmasse : der Hand. In allem Wesentlichen seines Baues hat er dabei nicht aufgehört Fuss zu bleiben . wenn wir an den anatomischen Begriffen von Hand und Fuss festhalten und nicht die func- tionellen Verhältnisse in den Vordergrund stellen, in welchem Falle auch der Bussel des Elephanten eine »Hand« wäre. Jene Umbildung des Fusses besteht bei manchen Beutlern, den Halb- affen und den Primaten. Ihr Schwerpunkt liegt in der Ausbildung der ersten Zehe in einer dem Daumen der Hand analogen Weise. Auch beim Menschen bestehen Andeutungen dafür, dass sein Fuss früher ein Greif- organ war. Wird diese Function aufgegeben, so ist eine Verkümmerung jener Innenzehe in dem Maasse die Folge, als der Fuss bei der Locomotion nicht mehr mit der ganzen Sohlfläche auftritt. Die kürzere Innenzehe ist dann ausser Function gesetzt (DigitigradeCarnivoren . Ganz geschwunden ist sie demgemäss bei den Ungulaten, deren Gliedmassen ausschliesslich der Locomotion dienen und Stützen des Körpers sind. Das Verhalten des Metatarsus und der Zehen bietet jenem der Vordergliedmasse parallele Be- funde bei Artio- und Perissodactylen. Bei letzteren ist die allmähliche Umwandlung des Fusses aus einem vierzehigen in einen einzelligen in einer ähnlichen palaeontologischen Beihe erkannt wie das schon bei der Vordergliedmasse erwähnt ward. Muskelsysteiu. § 370. Das Muskelsystem der Wirbelthiere sondert sich in der Embryonal- anlage aus dem Mesoderm und bietet eine der Metamerie des gesammten Körpers entsprechende Gliederung dar. Vor der Differenzirung des Skelets stellt die unter dem Integumente lagernde Muskulatur mit jenem einen Hautmuskelschlauch vor, jenem gegliederter wirbelloser Thiere in vielen Beziehungen ähnlich , wenn auch nicht geradezu von einem sol- chen ableitbar. Die Beziehungen zum Skelete, die Bilduug einer Skeletmuskulatur, sind somit in dem Maasse erworben, als sie an die Ausbildung des Skelets geknüpft sind. Bei Amphioxus, dessen Skelet wesentlich in der Chorda dorsalis besteht, ist das Muskelsystem , wenigstens am Bumpftheile des Körpers, ohne jene Beziehungen und nur an dem die Athemhöhle um- schliessenden Körperabschnitte scheinen Verbindungen mit dem Visce- ralskelet zu bestehen. Die gesammle Muskulatur ist in zwei seitliche, dorsal und ventral durch Bindegewebe getrennte Längsmassen geordnet. 33* 516 K. 9- Wirbelt liiere. Diese Längsmuskelzüge sind durch bindegewebige Septa in eine Reihe von Metameren Myocommata) geschieden und jene Septa dienen ebenso zum Ursprünge wie zur Insertion der zwischen ihnen gerade verlaufenden Fasern. Während diese Muskelmasse dorsal sich längs des ganzen Kör- pers erstreckt, wird sie ventral am vorderen Körperabschnitte durch die Beziehungen zum Kiemenskelet modificirt. Auch bei den Gyclostomen ist der grösste Theil der Muskulatur nocb ohne unmittelbare Verbindung mit dem Skelete, indem die oberflächlichen Lagen wieder nur mit Bindegewebe in Zusammenhang stehen , und jene Metameren bildenden Septa über den ganzen Rumpf- und Caudaltheil des- Körpers vertheilt vorkommen. Doch erscheint sowohl am Kopfe wie am Visceralskelet eine selbständige Sonderung einzelner mit Skelettheilen verbundener Muskeln. Die Ausbildung des Skelets ruft eine Verbindung mit der Muskulatur hervor, indem Skelettheile zwischen Muskelmassen, den bindegewebigen, Septis folgend, einwachsen. Damit wird die primitive Gleichartigkeit der Muskulatur des Körpers aufgelöst, und es beginnt eine Scheidung, welche- sich einerseits in dem Auftreten einer Skeletmuskulatur, andererseits in der eigenartigen Entfaltung des uicht mit dem Skelete sich verbindenden Restes des Gesammtmuskelsystems zu einer Hautmuskulatur ausspricht. Das gesammte Muskelsystem bedarf noch sehr der methodischen Un- tersuchung, bevor es die Stufe erreicht, auf der unsere Kenntnisse des Skeletes sich befinden. Wir müssen uns deshalb in dieser Darstellung auf eine Skizze mit wenig sicheren Linien beschränken. Hautmuskeln. § 371. Indem wir die Hautmuskelu als ursprünglich mit jenen des Skelets einen gemeinsamen Complex bildend ansehen , sind jene Muskeln davon zu trennen, welche dem Inlegument als solchem angehören. Unter den Cyclostomen erscheint ein Theil der Rumpfmuskulatur durch mangelnde Verbindung mit Skelettheilen im Wesen als Hautmus- keln, und selbst bei den niederen Gnathostomen steht ein bedeutender Theil der grossen seitlichen Rumpfmuskelmassen nur durch die vom Skelete ausgehenden sehnigen Zwischenbänder mit diesem in Zusammenhang, ist daher noch nicht zur Skeletmuskulatur in dem Sinn geworden, dass Ur- sprung und Ende eines Muskelbündels Skelettheilen angefügt ist. Aus diesem mehr indifferenten Verhalten wird das Fehlen gesonderter Haut- muskeln begreiflich. Doch erscheinen wenigstens in der äusseren Wand der respiratorischen Vorkammer bei Selachiern deutliche Haulmuskellagen als Theile eines gemeinsamen Constrictors. Auch an manchen anderen Körperstellen finden sich nicht mit den grossen Seitenmuskeln zusammenhängende subcutane Muskeln, denen Muskelsystem. 517 «eine längs der Seitenlinie der Teleostier verlaufende, durch intensivere Färbung ausgezeichnete Schichte beizuzählen sein wird. Bei den Am- phibien treten Hautmuskeln theils am Kopfe zur Bewegung der Nasen- öffnungen , theils — bei Anuren — in der Nähe des Steisses auf. Die an den äusseren Nasenöffnungen liegenden Muskeln kommen reicher ent- wickelt auch den Beptilien zu. Eine functionell bedeutende Wichtig- keit erreichen Hautmuskeln bei den Schlangen , indem sie eine bei der Locomotion wirksame Bewegung der Schuppen bewerkstelligen. Die Vögel besitzen grössere platte Hautmuskeln an verschiedenen Körpertheilen ; wie bei Beptilien (Chelonier) ist eine continuirliche Muskel- schichte am Halse verbreitet, andere Hautmuskeln nehmen ihren Ursprung vom Skelete, wie z. B. die in die Flughaut tretenden , dieselbe spannen- den Musculi patagii. Auch die zur Bewegung der Armschwingen und der Steuerfedern dienenden Muskeln gehören in diese Kategorie. In höherem Grade ist die Hautmuskulatur der Säugethiere entwickelt. Meist lagert unter dem Integumente des Bumpfes ein grosser, den Bücken- theil des Körpers bedeckender und von da auch auf Hals und Kopf sich fortsetzender Muskel, der an verschiedenen Stellen der Haut mittelst seh- niger Theile sich inserirt und von seinen vorderen Partien auch eine Insertion an den Humerus abgibt. Er ist am meisten bei Echidna, bei Dasypus und beim Igel entwickelt, bei welchen er das Zusammen- kugeln bedingt. Bei den meisten Affen besitzt der grosse Hautmuskel die- selbe Ausdehnung wie bei den übrigen Säugethieren , in grösserer Selb- ständigkeit erscheint er jedoch am vorderen Abschnitt. Beim Orang und Chimpanse ist letzterer durch eine die Seitentheile des Halses einneh- mende und von da auf das Gesicht sich fortsetzende Muskel platte vorge- stellt, die beim Menschen auf das Platysma myoides beschränkt ist. Muskulatur des Skelets. §372. Die aus der Verbindung des Muskelsystems mit dem Skelete ent- springende Differenzirung der Muskeln steht mit jener des Skeletes im engsten Zusammenhange, wie sich denn beide Theile stets in einem aus der gemeinsamen Function entspringenden gegenseitigen Anpassungsver- hältnisse darstellen. So ist grösseres Volum eines Skelettheiles mit einer Volumszunahme der bezüglichen Muskeln verbunden , und die Bückbil- dung eines anderen Skeletstückes entspricht der Verkümmerung seiner Muskulatur. Ebenso ist die grössere functionelle Selbständigkeit der Mus- keln an eine bedeutendere Differenzirung geknüpft. Aus dieser Sonderung entstehen einzelne Muskelsysteme, deren jedes wieder in untergeordnete Complexe mehr oder minder discreter Muskeln zerfällt. Als solche Systeme können die Muskein des Bumpfes, die Muskeln des Kopf skelets und die Muskeln der Gliedmassen unterschieden werden. 518 II. 9. Wirbelthiere. Die Muskeln des Rumpf es , Seitenrumpf m uskeln, bilde» die bereits oben erwähnte primitive Muskulatur. Sie bestehen aus zwei,. die Seitenlheile des Körpers einnehmenden , vom Kopf bis zum caudalen Ende verlaufenden Muskelmassen (M. laterales), welche in der Median- linie des Rückens, wie in jener des Bauches von einander geschieden sind. Unter den Cyclostomen erscheint der ventrale Theil dieser Muskel- massen bei den Myxino'iden durch einen schrägen Verlauf seiner Fasern ausgezeichnet. Ob dadurch ein neues System vorgestellt wird, ist zweifel- haft. Jede Hälfte zerfällt in eine dorsale und ventrale Partie, welche in einer horizontal durch die Wirbelsäule gelegten Ebene von einander ge- schieden sind, so dass im Ganzen vier Seiten m uskeln bestehen. Jeder der vier Seitenrumpfmuskeln wird bei den Fischen durch eine den Wirbeln entsprechende Anzahl von sehnigen Blättern Ligamenta intermuscularia) in einzelne Abschnitte geschieden, welche auf der Ober- fläche durch die als Inscriptiones tendineae zu Tage tretenden freien Ränder jener Blätter leicht unterscheidbar sind. Da die Muskelfasern zwischen je zweien der Sehnenblätter stets parallel verlaufen , so bieten letztere Ursprung wie Insertion für einen Abschnitt dar. Die Muskeln stehen dadurch nur in mittelbarer Ver- bindung mit dem Skelete. Der Verlauf der sehnigen Septa ist anfänglich plan, ändert sich aber in einen gebogenen, und zwar in der Weise , dass in jedem dor- salen Muskel eine untere aus in einander steckenden, mit der Spitze nach vorn gerichteten Kegeln Fig. 276. A. a) gebil- dete, und eine obere aus Kegelstücken bestehende Schichte b) erkannt werden kann. Die Spitzen dieser unvollständigen Kegel sehen nach hinten. An den ven- tralen Muskeln ergibt sich insofern ein umgekehrtes Verhallen, als die Kegel («') oben, die Kegelslücke b') nach unten ge- lagert sind. Auf einem senkrechten Quer- durchschnitte am Schwänze eines Fisches sieht mau daher jederseits zwei an ein- ander stossende Systeme concentrischer Binge die durchschnittenen Hohlkegel;, und über dem oberen wie unter dem unteren noch kürzere oder längere Bogenlinien (die Durchschnittsbilder der unvollständigen Kegelstücke) . Aehnliche Verhältnisse bestehen im Wesentlichen noch für die Seiten- muskeln der Perennibranchialen wie der Larvenzustände der übrigen Amphibien , so dass dieselbe Zickzacklinie der Ligamenta intermuscularia nur in weniger scharfen Biegungen zu beobachten ist. Bei dem mehr ge- raden Verlauf der Ligamenta intermuscularia ist die Kegelbildung verloren Fig. 27tf. A Durchschnitt der Schwanz- muskeln von Scomber scomber. a Obere, a' untere Seitenrunipfmuskeln. 6 und V Durchschnitt unvollständiger oberer und unterer Kegelmäntel, d Wir- belkijrper. B Zickzacklinien der ober- flächlichen Enden der Ligg. intermuscu- laria am Schwänze von Scomber. (Nach J. Müller). Muskelsystem. 519 gegangen. Bei den ausgebildeten Salamandrineu ist der Bauchtheil des Seitenmuskels am Rumpfe umgewandelt und nur noch am Schwänze zeigt sich zwischen oberer und unterer Hälfte eine symmetrische Bildung; der persistirende Rückentheil dagegen verhält sich ganz fischähnlich durch Ligamenta intermuscularia in einzelne Abschnitte getrennt. § 373. In den Amnioten sind aus dem Bauchtheil der Seitenmuskulatur des Rumpfes andere Muskeln hervorgegangen, dagegen besteht er am Schwänze der Reptilien und Säugethiere unter Modificalionen noch fort, und erleidet ähnliche Umwandlungen wie der Rückentheil , der sich gleichmässig auch über den Schwanz erstreckt. Wahrend bei den Eidechsen eine Trennung des dorsalen Seitenmus- kels durch Ligamenta intermuscularia noch erkannt werden kann, hat eine weiter gehende Differenzirung bei den Uebrigen eine Reihe discreter Rücken muskeln entstehen lassen. Wir treffen diese bei Säugethieren in eine oberflächliche und eine tiefe Partie getrennt. Die erstere umfasst den nur auf den Halstheil beschränkten Splenius, der theils am Schädel, theils an Querfortsätzen vorderer Halswirbel inserirt. Dann gehört jener oberflächlichen Partie noch der Sacrospinalis an, der in eine mediale und laterale Portion zerfällt (Iliocostalis und Longissimus). Beide besitzen ge- meinsame vom Kreuzbein und Darmbein entspringende Fleischmassen. Accessorische Ursprünge treten in der ganzen Länge des Muskels bis zum Schädel auf, theils von den Rippen, theils von den Querfortsätzen kom- mend. Die Insertionen gelangen vom Iliocostalis und vom Longissimus an Rippen , von letzterem auch noch an Querfortsätze. Die tiefe Lage wird vom Transversospinalis gebildet, der aus einem von Querfortsätzen ent- springenden, zu Dornfortsätzen gelangenden System von Bündeln darge- stellt, und nach verschiedenen Schichten bald mehr bald minder gesondert ist (Semispinalis, Multifidus). Die zum Hals gelangenden Abschnitte dieser Muskeln zeigen meist eine der Beweglichkeit dieses Theiles entsprechende voluminösere Entfal- tung die sie auch als besondere Muskeln hat beschreiben lassen. Dasselbe gilt von den selbständiger ausgebildeten zum Schädel gelangenden Enden. Die Schädelportion des Longissimus ist der Trachelomastoideus , die des Semispinalis ist der Biventer und Complexus. Endlich gehören zu dieser Gruppe die Musculi spinales und die Interspinales. Den vordersten Spi- nalis bildet der Rectus capitis post. major; der Rectus capitis p. minor ist der erste Interspinalis. Kleine, die senkrechten Flossen der Fische bewegende Muskeln werden aus den primitiven Seitenrumpfmuskeln hervorgegangen anzusehen sein. § 374. Als eine aus den Seitenrumpfmuskeln hervorgehende Gruppe müssen die Inte r costa Imuskeln betrachtet werden . Bei den Fischen ist diese 520 II. 9- Wirbelthiere. noch nicht differenzirt. insofern die zwischen den Rippen und ihren Aequiva- lenten befindlichen Muskeln nochTheile der Seitenmuskeln sind: die Rip- pen selbst liegen in den Ligamenta intermuscularia. In den höheren Wirbel- thierabtheilungen findet eine schärfere Sonderung statt. Am mächtigsten entwickelt sind diese Muskeln bei den Schlangen. Auch die zwischen den mit Wirbeln verschmolzenen Rippenrudimenten oder zwischen Querfort- sätzen vorkommenden Muskeln (Intertransversarii) gehören der inter- costalen Gruppe an. Ferner gehören hieher die Levatores costarum, sowie die an der Innenfläche der Thoraxwand liegenden Muskeln (Thoracici in- terni) und die Scaleni. Die Ausbildung aller dieser Muskeln erleidet je nach dem Umfange und der Reweglichkeit der Rippen bedeutende Ver- schiedenheiten und zu den Hebern können, wie bei den Schlangen, noch besondere Rückzieher hinzukommen. Dem Systeme der Intercostalmuskeln werden wahrscheinlich auch die breiten Bauchmuskeln beigezählt werden dürfen, welche an den Rip- pen entbehrenden Stellen der Bauchwand zu finden sind. Sie bestehen aus dem M. obliquus externus, obliquus internus und transversus abdo- minis. Der Obliquus externus entspricht dem Intercost. ext., der Inter- nus dem Intercost. internus. Die bei manchen Amphibien wie bei den Eidechsen bestehenden Inscriptiones tendineae haben als Reste der primi- tiven Zwischenmuskelbänder zu gelten. Der Ursprung des Obliq. externus ist meist weit über den Thorax ausgedehnt, und bei Reptilien in mehrere Schichten gesondert. Auch ein Transversus abdominis besitzt schon bei den Amphibien eine bedeutende Ausdehnung, ebenso unter den Reptilien mit Ausnahme der Schlangen , denen er fehlt. Er erstreckt sich bis vorne in die Brust- gegend. Bei den Vögeln reicht er bis zum hinteren Sternalrande, dagegen findet er sich bei Säugethieren in grösserer Ausbreitung vor. Als ein verhältnissmässig wenigst veränderter Rest der primitiven Muskulatur erscheint der Reclus abdominis, welcher den Längsver- lauf seiner Fasern beibehält und in seinen Inscriptiones tendineae wie- derum Spuren primitiver Septa besitzt. Er tritt erst von den Amphibien an allgemein vom Brustbein bis zum Becken, jedoch bei geringerer Länge des Sternumscontinuirlich in den Sternohyoideus übergehend (Amphibien). Bei den Crocodilen ossificiren die queren Sehnenstreifen, und stellen die sogenannten »Bauchrippen« vor. Zu den geraden Bauchmuskeln muss auch der M. pyramidalis gezählt werden, der den Salamandrinen, Croco- dilen, Straussen und endlich vielen Säugethieren zukommt. Monotremen und Beutelthiere besitzen ihn in besonderer Ausbildung, so dass er, von einem Bande des Beutelknochens entspringend, nahe bis ans Brustbein reicht, und dabei den Rectus überlasen. § 375. Das bei den Fischen bestehende Kiemenskelet besitzt ein besonderes zwischen den einzelnen Abschnitten sich wiederholendes System von Muskelsystem. 52 t Muskeln. Da die primären Kieferstücke gleichfalls diesem Skelete ange- hören , so werden die ihnen zukommenden Muskeln als Differenzirunsen des Muskelapparates des Kiemenskelets zu gelten haben. Ein Theil der Muskulatur des letzteren entspringt vom Schädel, ein anderer gehört den einzelnen Bogen an. und noch andere Muskeln besitzen eine quere An- ordnung und bedingen eine Annäherung der beiderseitigen Bogen. Von den Kiemenbogen gehen Muskeln zu den Kiemenstrahlen. Bei den Sela- chiern sehr entwickelt, sind sie bei den Knochenfischen rudimentär, und erscheinen am Zungenbeinbogen in die Muskulatur des Kiemendeckels und der Kiemenhautstrahlen umgewandelt. Den Amphibien kommt wäh- rend des Larvenzustandes eine ähnliche Muskulatur zu, sie ist zum Theile aus jener der Fische ableitbar, und erhält sich bei den Perennibranchiaten. Mit dem Verschwinden des Kiemengerüstes und der dabei wachsenden Selbständigkeit des Zungenbeins geht ein Theil der Kiemenmuskulatur an dieses über. Was die Kiefermuskeln betrifft, so ist ein Adduclor der beiden Stücke des Kieferboeens bei den Selachiern in ziemlicher Differenzirune in meh- rere Theile als die Anlage des Kaumuskelapparates zu erkennen. Mit der Befestigung des Palato-Quadratums oder der an ihm gesonderten Knochen am Cranium erhalten diese Muskeln ihren Angriffspunkt am Unterkiefer. Bei Amphibien und Beptilien hat sich von der Kaumuskelmasse eine innere Portion als Pterygoideus gesondert, die selbst wieder in zwei Ab- theilungen (Pt. externus und internus) zerfallen kann (Saurier) ; auch die Scheidung des Temporaiis und Masseter ist durch Schichtenbildung ange- deutet. Das Herabziehen des Kiefers besorgt in beiden Classen ein Muskel, der einen kurzen aber mächtigen Bauch am Hinterrande des Unterkiefers bildet. Er entspricht dem hinteren Bauche des Digastricus der Säuge- thiere. Eine Vermehrung der Muskeln zeichnet die Schlangen aus, indem sowohl Adductoren der Unterkieferhälften als besondere, das Quadratbein und einzelne Knochen des Gaumengerüstes bewegende Muskeln bei den Eurystomata in nicht unbedeutender Entwickelung getroffen werden. Aehnliche Muskeln , als Heber der Flügelbeine und des Quadratbeins be- stehen auch noch bei den Vögeln und bewirken die Bewegung des Ober- kieferapparates. Von den eigentlichen Kiefermuskeln hat der Temporaiis die grösste Ausdehnung, und der in den unteren, mit beweglichen Kiefer- hälften versehenen Abtheilungen vorhandene Adductor wird durch einen quer zwischen den Kieferästen ausgespannten Muskel von anderer Bedeu- tung vertreten. Die Kaumuskeln der Säugethiere stimmen in Zahl, Ursprung und Insertion mit der menschlichen Bildung überein und weichen ausser einem allgemein grösseren Volumen nur in jenen Verhältnissen ab, die durch Form der Ursprungs- und Insertionsflächen an den betreffenden Knochen gegeben sind. 522 H. 9. Wirbelthiere. § 376. Von den paarigen G I i o d in a s s e n besitzen die Flossen der Fische sowohl an ihrem Gürtel als an dem freien Abschnitte eine Anzahl von Muskeln, die mit denen der übrigen Wirbelthiere noch keineswegs er- folgreich verglichen werden können. Sie scheiden sich in Muskeln, die zum Gliedmassengürtel treten , und in solche, die der Gliedmasse selbst angehören. Mit der Umgestaltung der Gliedmassen tritt eine Veränderung bezüg- lich der Muskulatur ein, und zwar zunächst eine Vereinfachung der Zahl, aber auch eine Vermann ichfach uhg der Leistung in Folge der grösseren Freiheit und Selbständigkeit der Skelettheile. Als bedeutendste Verschiedenheit gegen die bei den Fischen vor- handenen Einrichtungen ist die bei höheren Wirbelthieren stattfindende Ausbreitung der Muskulatur des Brustgürtels und der Vorderextre in itä t über die dorsale und ventrale Körper- fläche hervorzuheben. Die aus den oberen Seitenrumpfmuskeln hervor- gegangene Muskulatur wird von zur Gliedmasse gelangenden Muskeln überlagert, die bei den Fischen durch eine vom Kopfe entspringende Muskelpartie vertreten sind. Diese sind weniger bei den Perennibran- chiaten, mehr bei den Caducibranchiaten gesondert; und lassen die Muskeln erkennen, welche in den höheren Abtheilungen den Cucullaris mit dem Sterno-Cleidomastoideus vorstellen. Sie empfangen Nerven vom Kopfe. Dazu kommen Muskeln, die vielleicht aus der Rumpfmusku- latur hervorgingen, und theils vom Rücken, theils von der Brust her zur Gliedmasse treten. Die übrigen , den Gliedmassen selbst zukommenden Muskeln leiten sich von den bei Fischen mehr gleichartigen Schichten ab, welche die dorsale und ventrale Fläche des Brustflossenskelets bedecken. Mit der Reduction des letzteren und den Modificalionen seiner einzelnen persisti- renden Theile kommt auch der Muskulatur eine bedeutende Aenderung zu, und daraus erwächst die der functionellen Mannichfaltigkeit des Werthes der Gliedmassen gleichlaufende Verschiedenheit des anatomi- schen Verhaltens der Muskulatur in den einzelnen Abiheilungen. Für die hintere Gliedmasse bestehen zunächst durch die Verhältnisse des Beckengürtels zum Axenskelete die Muskulatur beeinflussende Fac- toren. Der Mangel eines Zusammenhanges jener Skelettheile lässt bei den Fischen eine grössere Selbständigkeit des Beckengürtels auftreten, die bezüglich der Muskulatur durch die Indifferenz der letzteren compensirt wird. Die innigere Verbindung des Beckengürtels mit dem Axenskelete bei den Aniniolen lässt gleichfalls die Beweglichkeit zurücktreten, und damit die Ausbildung einer dieser vorstehenden Muskulatur. Die der Gliedmasse selbst angehörige Muskulatur besitzt theils ihren Ursprung am Beckengürtel, theils am Gliedmassenskelet , und erscheint im Grossen in Elektrische Organe. 523 ähnliche Gruppen gesondert wie jene der Vordergliedmasse, mit den aus der functionellen Verschiedenheit beider resultirenden Modih'cationen. § 377. Eine besondere Gruppe bilden die subvertebralen Muskeln. Solche, welche unterhalb der Wirbel und ihrer lateralen Fortsätze, somit am thoracalen Abschnitt innerhalb des Thorax liegen. Einen vorderen Abschnitt der unteren Muskeln der Wirbelsäule bildet der Musculus longus, der bei Reptilien zuerst erscheint und meist schon innerhalb der Brusthöhle beginnend sich längs der Halswirbelsäule bis zum Schädel erstreckt. Er zerfällt in mehrere, nach ihrer Insertion als Longus colli et capitis unterschiedene Portionen. Eine andere subvertebrale Muskulatur scheint zur Bildung des Zwerchfells zu führen. Eine solche Einrichtung fehlt den Fischen, und auch bei den Amphibien ist es noch fraglich, ob einzelne die Speise- röhre umgreifende Muskelbündel als Anfänge eines Zwerchfells betrachtet werden dürfen. Unter den Reptilien besitzen Schildkröten einen musku- lösen Beleg der die Lungen umschliessenden Peritoneallamelle, theils von Wirbelkörpern, theils von den rippenartigen Querfortsätzen entspringend. Bei den Crocodilen fehlt ein Zwerchfellmuskel , da man in der sehr ent- wickelten Peritonealmuskulatur schon wegen ihres Ursprungs von der vorderen Beckenwand keine direct hieher beziehbare Bildung wird er- kennen dürfen. Andeutungen einer muskulösen Bedeckung der Lungen bestehen bei Vögeln, am meisten bei Apteryx ausgebildet. Erst bei den Säugethieren erscheint ein ausgebildeter Zwerchfell- muskel als Scheidewand zwischen Bauch- und Brusthöhle. Die schräge Stellung des Muskels bei Reptilien und Vögeln setzt sich damit in eine quere um. Die fleischigen Partieen entspringen theils von Wirbelsäule, theils von Rippen, und gehen in ein Gentrum tendineum über, das selten fehlt Delphine). Humphky, G. M. , Observations in Mjology. Cambridge and London 1872. — Fürbringer, M., Vergl. Anat. der Schultermuskeln. Jen. Zeitschr. VII. VIII. Morphol. Jahrb. II. — de Man, Vergl. myolog. u. neurolog. Stud. Leiden 1873. — Vetter, B. , Vergl. Anat. der Kiemen- u. Kiet'ermuskulatur der Fische. Jen. Zeitschr. VIII. Elektrische Organe. § 378. Eigentümliche, nur einer kleinen Anzahl von Fischen zukommende Apparate stellen die sogenannten elektrischen Organe vor, die in anato- mischer Hinsicht durch die in ihnen stattfindende Endigung mächtiger Nervenmassen, in physiologischer aber durch die Entwickelung von Elek- tricität wichtig geworden sind. Die Nerven bieten in ihren Endapparaten 524 II. 9. Wirbelthiere. mit jenen der motorischen Nerven in den Muskelfasern übereinkommende Verhältnisse, und auch aus der Genese dieser Organe ergibt sich manches, was auf ihre Abstammung aus umgewandelten Muskeln hindeutet. Es besteht deshalb zureichender Grund , diese Organe dem Muskelsysteme anzureihen, wenn uns auch ihr früherer Zustand, in welchem sie wahr- scheinlich Muskeln vorstellten, noch unbekannt ist. Die mit diesen Organen ausgestatteten Fische gehören zu den Gat- tungen Torpedo und Narcine unter den Rochen . Gymnotus unter den Aalen. Malapterurus unter den Welsen; auch Mormyrus besitzt ähnliche Organe. Ein pseudo-eleklrischer Apparat ist bei Raja vorhanden. Obwohl in Läse wie in ir(v t tr. dem gröberen anatomi- schen Verhalten in den einzelnen Gattungen sehr von einander abwei- chend, kommen die er- wähnten Organe darin überein, dass sie aus verschiedenartig sestal- teteu, durch Bindegewebe abgegrenzten und mit einer gallertartigen Sub- stanz gefüllten »Kästchen« zusammengesetzt er- scheinen. Zu der einen Fläche dieser »Kästchen« treten die Nerven heran., um feine Netze zu bilden, aus denen schliesslich eine die Nervenendigun- gen darstellende »elektri- sche Platte« hervorgeht. Das Verhalten dersel- ben zum gesammten Ap- parate, sowie die Be- ziehungen zu den Nerven ergibt sich in Folgendem für den Zitterrochen (Torpedo' . Das elektri- sche Organ loe liegt hier zwischen dem Kopfe, den Kiemensäcken (Fig. 277. br) und dem Propterv gium der Brustflosse, die ganze Dicke des Körpers Fig. 277. Ein Zitterrochen (Torpedo) mit dem präparirten elektrischen Organe. Rechterseits ist das Organ [01) blos an der Oberfläche frei gelegt. Auf der linken Seite sind die zum elek- trischen Organe tretenden Nervenstämme präparirt , und eine Strecke weit ins Organ verfolgt. Die geöffnete Schädelhöhle zeigt das Gehirn : / Vorderhirn , II Zwischenhirn , /// Mittel- hirn, IV Lobus electricus. r Nervus vagus. tr Nervus trigeini- nus. fr' Elektrischer Ast desselben, o Augen. / Spritzloch. t Gallertröhren der Haut, br Kiemen, rechts sämmtliche Kie- mensäcke mit einer gemeinsamen Jluskelschicht bedeckt, links die einzelnen Kiemensäcke. Nervensystem. 525 durchsetzend und von einer sehnigen Membran umhüllt, welche oben wie unten vom Integumente überzogen wird. Jedes Organ setzt sich aus zahl- reichen, parallel stehenden Prismen zusammen, die ihrerseits wiederum aus einer Reihe aufeinander geschichteter Elemente, den oben erwähnten Kästchen, bestehen. Letztere sind durch Bindegewebe inniger unter einander vereinigt; alle empfangen die in die Prismen eindringenden Nerven von unten her, und die freien Flächen der elektrischen Platten sind dorsal gerichtet. Zum Organe treten fünf starke Nervenstämme, Rami electrici, welche verschiedenen Kopfnerven, vorzüglich dem Vagusbezirke angehören, und zwischen den Prismen sich vertheilen. Bei den übrigen elektrischen Fischen besitzen die bezüglichen Organe zwar einen mit dem Geschilderten bezüglich der feineren Verhältnisse übereinstimmenden Bau, allein in der Oertlichkeit ihres Vorkommens, auch im Verhalten der »Kästchen« ergeben sich Verschiedenheiten. So liegen beim Zitteraal die Organe am Schwanztheile des Körpers dicht un- ter der äusseren Haut. Beim Zitterwels ist das Organ unter dem Integu- mente über die Oberfläche des Körpers verbreitet, und bei den Mormyren finden wir wieder den Schwanz. damit ausgestattet. Entsprechend ver- schieden verhalten sich auch die Nerven, woraus man schliessen darf, dass die genannten Organe trotz ihrer histiologischen und physiologischen Uebereinstimmung morphologisch verschieden sind. Schultze, M., Zur Kenntniss d. elektr. Org. d. Fische. Abh. d. Naturforsch. Gesellsch. Halle 1858. Nervensystem. § 379. Die Gen tra lorgane des Nervensystems lagern über der Axe des Rückgrates, in dem von dem oberen Bogensystem des Axenskelets um- schlossenen Canale. Sie bestehen aus symmetrisch angeordneten Nerven- massen, die nur bei deu Acrania in der ganzen Länge ein mehr gleich- artiges Verhalten darbieten, während sie bei den Cranioten in zwei grössere Abschnitte, das Gehirn und das Rücken ma rk , gesondert sind. Wenn auch in letzterem einige Aehnlichkeit mit der bei wirbellosen gegliederten Thieren bestehenden Ganglienkette nicht zu verkennen ist, so kann doch das Rückenmark von dieser keineswegs abgeleitet werden; vielmehr ist das centrale Nervensystem der Wirbelthiere als eine in hohem Maasse weiter entfaltete Ausbildung der oberen oder Cerebralgan glien wirbelloser Thiere anzusehen. Die erste Anlage erfolgt aus einer Differenzirung des Ectoderm. Während die daraus entstehende »Medullarplatte« bei den Wirbellosen sich nicht in der ganzen Länge der Körperanlage ausdehnt, oder wenn auch anfänglich von solcher Länge, doch mit dem weiter wachsenden Körper nicht mehr gleichen Schritt hält (Ascidien), so findet ihre Ausdehnung bei der Wirbel- thieranlage in einer deren Längewachsthum adäquaten Weise statt, und 526 1!. 9. Wirbelthiere. Fig. 27s. Schematischer Querschnitt durch die Embryonalanlage des Hühnchens (Ende des ersten Brüttages), ch Chorda, n Urwirbel. s/> Seiten- platten, m Medullarrinne. v: u. h Hornblatt, d Darmdrüsenblatt. (Nach Remäk.) bedingt damit für das Centralnervensvstem eine der Gesammllänge des TD * C Körpers entsprechende Ausdehnung. Aus der Medularplatte geht mit Erhebung ihrer in das benachbarte Ectoderm (Hornblatt (Fig. 278. h) sich fortsetzenden Ränder [w) eine Rinne hervor, die allmählich zu einem Rohre sich al)schliesst. Die- ses rückt von der Oberfläche all- mählich in die Tiefe , indem nicht nur das Hornblatt . sondern auch aus dem Mesoderm gesonderte Theile darüber wachsen. Das so gebildete Medullarrohr bleibt bei Amphioxus als ein gleichartiger Strang bestehen, an dem der vorderste Abschnitt eine Erweiterung seines Centralcanals besitzt. Rei den Cranioten dagegen treten noch vor voll- ständigem Schlüsse des Rohres am vordersten Abschnitte Ausbuchtungen (Fig. 279. a) auf, welche die Anlage des Gehirnes abgeben , in- dess der übrige Theil des Medullarrohrs unter gleichartiger Differenzirung als Anlage des Rückenmarks erscheint. Ausser der für die Vergleichung überaus wichtigen Lage hat die Anlage des Nervencen- trum der Vertebraten mit jenem mancher Everte- braten noch gewisse Reziehungen zu höheren Sinnesorganen (vorzüglich zum Sehorgan! ge- mein, und hier sind es vor Allem die Tunicaten, die nähere Anschlüsse darbieten. Wie bei die- sen schliesst sich auch bei Vertebraten das Medullarrohr nicht gleichmässig, sondern es bleibt am cerebralen Abschnitte einige Zeit eine Communication nach aussen bestehen. Rei der Vergleichung mit dem Nervensystem der Tu- f- Fig. 270. Embryonalanlage des Hundes, vom Rücken her ge- sehen, mit der Anlage des cen- tralen Nervensystems, von wel- chem die Medullarplatte (b) eine nach oben offene Rinne bildet, o Die Anlagen der drei primiti- ven Hirnblasen, u' Sinus rhom- boidalis der Lendengegend. c Seitenplatten , die Leibesanlage abgrenzend. d Aeusseres und mittleres Keimblatt. / Darm- driisenblatt. (Nach Bischoff.) nicaten ist der aus dem eigentlichen Central- organe bei Ascidienlarven und Appendicula- rien (§ 417 dorsal sich fortsetzende und auf den Schwanz übergehende Strang von Bedeu- tung, der, durch ganglionäre Einlagerungen ausgezeichnet, den Weg anzudeuten scheint, auf welchem der hintere Abschnitt des Central- nervensystems der Vertebraten sich phylogenetisch ausbildete, und allmäh- lich zum Rückenmarke ward. Da dort zwischen dem eigentlichen Central- organe und jenem Strange jedenfalls so weil eine Differenz besteht, dass letzterer nicht die gleichartige Fortsetzung des ersteren, nicht einen blos durch seine Lage verschiedenen Abschnitt desselben vorstellt, muss ange- Nervensystem. 527 uoinmen werden, dass das Gehirn, oder bei Amphioxus der vorderste Ab- schnitt des Medullarstranges, den primitiveren Theil des Nervencentrums vorstellt, wie er denn auch der in der Anlage zuerst erscheinende ist. Die Gleichartigkeit der Rückenmarksanlage mit jener des Gehirns wäre dann ein erst von den Vertebralen erworbener Zustand, welcher phylogenetisch einen von dem primären Nervencentrum sich fortsetzenden Strang, den wir heute noch bei Tunicaten wahrnehmen , zum Ausgange hat. Nach dieser Auffassungsweise würde das gesammte Medullarrohr phylogene- tisch nicht aus einer einfachen Ausdehnung eines kürzeren Nervencen- trums in die Länge, sondern aus der allmählichen Ausbildung eines an- fänglich nur einen peripherischen Apparat vorstellenden Nervenstranges hervorgegangen sein. Die Verschiedenartigkeit des Verhaltens von Gehirn (exclusive Medulla oblongata einerseits und Rückenmark andererseits be- züglich der Vertheilung von grauer und weisser Substanz kann zur fer- neren Begründung dieser Deutung dienen, für die übrigens auch noch andere Thatsachen sprechen. A. Centralorgane des Nervensystems. a Gehirn. § 380. Aus der Anlage des Gehirnes entstehen an- fänglich drei Fis. 280. a) auf einander folgende blasenförmige Abschnitte, deren Binnenräume unter sich zusammenhängen. Der letzte davon setzt sich in das ihm folgende Medullarrohr ohne scharfe Grenze fort. Diese primitiven Gehirn- blasen lassen neue Abschnitte hervorgehen , so dass man bald deren fünf unterscheidet. Den ersten bezeichnet man als Vorder hirn Fis. 280. a), der darauf folgende stellt das Zwi- schenhirn (6) dar; eine dritte Erweiterung bildet das Mittelhirn (B. Cc), auf welches das Hinterhirn (d) , sowie das unmittelbar ins Rückenmark übergehende und mit dem Hinter- hirn zusammengehörige N a c h h i r n (; e ) folgen . Das Hinterhirn erscheint als der vorderste Theil des Daches des Nachhirnes, so dass er keines- wegs die Selbständigkeit der übrigen Hirnblasen theilt. Anfänglich in dieser Reihe hintereinander gelagert, erstrecken sich die Blasen in der Fort- setzung der Längsaxe des Rückenmarks , um jedoch sehr bald gegen letzteres in Winkelstellung zu treten. Diese wird durch ungleiche Wachs- o f Fig. 2so. Senkrechte Median- schnitte durch Wirbelthier- hirne. A Von einem jungen Selachier (Heptanchus }. B Vom Embryo der Natter. C Von einem Ziegen -Em- bryo, a Vorderhirn. 6 Zwi- schenhirn, f Mittelhirn (in A zu d gehörig), d Hinterhirn. ( Nachhirn, s Primitiver Hirn- schlitz, h Hypophysis. 528 II. 9. Wirbelthiere. thumserscheinungen am oberen und am unteren Abschnitte bedingt, indem die oberen Theile bedeutender an Volum zunehmen. Minder voluminös sich entwickelnde Partieen werden durch Ausdehnung einzelner Strecken der oberen Theile bedeckt. Zwischen Vorder- und Zwischenhirn bildet sich unter Verdünnung der Wand eine spaltähnliche Stelle, an welcher von den Umhüllungen des Gehirns ein Fortsatz ins Innere sich erstreckt. Sie ist keine eigentliche Lücke, sondern wird nur durch eine allmähliche Ver- dünnung der Wandung dieses Abschnittes dargestellt. Aus einem Theile dieses Daches entwickelt sich die Epiphysis (Glandula pinealis). Der untere Abschnitt des Zwischenhirns stellt den Boden der zweiten Hirnblase dar und bildet eine allen Granioten gemeinsame als Trichter bezeichnete Ausbuchtung. Gegen sie wächst von der Unterseite des Kopfes her eine Einsenkung des Ectoderms, welche, später sich abschnü- rend, einen Theil des dem Trichter angefügten Hirnanhangs (Hypophysis) vorstellt. Die bis gegen den Eingang in die Mundhöhle rückende Stelle der Hypophysis-Einsenkung lässt in der ganzen Bildung ein dem Nerven- system ursprünglich fremdes Organ erscheinen , über dessen Bedeutung für jetzt nur Vermuthungen bestehen können. Aehnlich wie zwischen Vorder- und Hinterhirn tritt auch am Dache des Nachhirnes eine Verdünnung der oberen Wandung auf, so dass hier nur noch die äusserste gefässreiche Schichte des Nervencentrums, die Pia mater, als Decke sich erhält. Der dadurch überdeckte ansehnliche Binnen- raum bildet die Bautengrube. Wie die Bäume der Gehirnblasen unter einander communiciren , so stehen sie auch später als Hirnkammern oder Ventrikel der aus den Hirn- blasen hervorgegangenen Abschnitte mit einander in Zusammenhang. Das Gehirn der Cyclostomen bietet die einfachste Form dar, und unter diesen nehmen die MyxinoTden die niederste Stufe ein, indem die einzelnen Abschnitte ziemlich gleichartig sich darstellen. Ein vom Vorderhirn aus gebildeter, die Biech- nerven entsendender Abschnitt Bulbus oder Lobus olfactorius) erscheint meist als ansehnlicher, bei den Selachiern durch einen verschieden langen Tractus olfactorius mit dem Gehirne verbundener Lappen (Fig. 281. h). Der Binnenraum des Vor- derhirns setzt sich in sie fort. Auch Verschmel- zungen mit dem Vorderhirn kommen vor. Das Vorderhirn selbst bietet bei den Selachiern (g) eine die übrigen Abschnitte übertreffende Volums- entfaltung und zeigt Spuren einer Theilung in zwei, vier, und mehr paarige Abschnitte. Auch bei Ganoiden (Fig. 282. (j) wird es ansehnlich getroffen , indess es bei vielen Teleostiern gegen andere Hirntheile an Volum bedeutend zu- rücktritt. Fig. 281. Gehirn eines Hai (Scyllium catulus). h Lobi olfactorii. g Vorderhirn, d Zwischen- und Mittelhirn, b Hinterhirn, a Nachhirn, o Nasenkapseln. (Nach Busch.) Nervensystem. 529 Das Zwischenhirn ist bei den Selachiern (Fig. 281 d) deutlich vom Mittelhirn getrennt, bei vielen Teleosliern mit diesem enge verbunden. Der vordere Theil seines Daches trägt die oben erwähnte Spalte, und dieser Abschnitt ist nicht selten zu einer ansehnlich in die Länge gezoge- nen Strecke ausgebildet, die wie eine Längscommissur zum Vorderhirn verläuft. (Manche Haie und Gano'iden.) Der Rest des ursprünglichen, den hinleren Theil der Spalte abschliessenden Daches ist zuweilen sehr an- sehnlich und in zwei Hemisphären getheilt, so bei Selachiern und vielen Teleosliern. Der das Tnfundibulum umfassende Boden dieses Abschnittes bildet an der Hirnbasis Lobi inferiores, bei den Cycloslomen einfach und auch bei den Selachiern nur Andeutungen einer Trennung zeigend. Erst bei Teleosliern sind sie bedeutender entfaltet. Das folgende Mittelhirn erscheint unansehnlich bei den Myxino'i'den , mehr bei Pelromyzon ent- wickelt. Bei den Selachiern soll es mit dem Zwischenhirn vereinigt sein, während man einen ihm wenigstens durch die Lagebeziehungen ent- sprechenden Theil als Cerebellum deutet. Dieses erlangt hier eine volu- minöse Entfaltung, so dass es die vor oder hinter ihm liegenden Hirntheile deckt (Fig. 281 b . Eine verhältnissmässig bedeutende Grösse erreicht dieser Gehirntheil bei den Teleosliern, bei denen er zuweilen als eine nach vorne oder in die Höhe gerichtete Protuberanz erscheint. Der hinter dem Mitlelhirn liegende übrige Theil des Gehirns muss als Gan- zes betrachtet werden. Als Ur- sprungsstätte der meisten Hirnnerven kommt ihm eine besondere Wichtig- keit zu. Sein Dach ist ungleich- artig ausi^ebildet. Am hinteren grösseren Abschnitte bildet es sich nämlich frühzeitig zurück, so dass der nach vorne zu erweiterte Hinnenraum (Sinus rhombo'fdalis) nur membranös geschlossen wird. Der Rand der Rautengrube er- scheint bei Selachiern und Chi- mären nach vorne zu stark gewulstel (Lobi nervi trigemini). Bei Gano'iden und Teleostiern ist er einfacher. Bei allen aber tritt er median in eine quere Lamelle über (Fig. 282 b.c). welche die Bauten- grube von vorne her deckt und bei stark voluminösem Mittel hirn von die- sem überragt wird. Diese Ouerlamelle scheint dem Cerebellum der höhe- ren Wirbelthiere zu entsprechen, indess Boden und seilliche Theile der Rautengrube durch das Nachhirn (Medulla oblongata) gebildet sind. Von den Selachiern zu den Teleostiern ist eine Abnahme des Volums der Gegenbaur, Gmndriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 34 Fig. 282. Gehirn von Polypterus bichir. A Von oben. B Seitlich. C Von unten, h Lobi olfae- torii. g Vorderhirn. / Zwischenhirn. Tri- geminus. (j Abdueens. 7. 8 Facialis und Acustic'us. In .1 ist das Dach der rechten Hemisphäre abgetragen, so dass man in den rieitenveutrikel blickt, uud dort vorne den Streifenkörper, dahin- ter den Fornix mit dem Anfang des Pes hippocatnpi major wahr- nimmt. Nervensystem. 535 erscheinen lässt. Diese Brücke ist wenig bei Monotremen und Marsupia- lien, am meisten bei den höheren Primaten entwickelt. MniALKovics, V. v., Entwickelungsgeseh. des Gehirns. Leipzig 1877. b) Rückenmark. § 383. Das aus der Medulla oblongata continuirlich sich fortsetzende Rücken- mark entsteht durch Entwickelung der seitlichen Hallten der Wand des primitiven Medullarrohrs. In dem Maasse als die lateralen Theile ihr Volum entfalten, bildet sich eine vordere Längs- spalte aus. Der primitive Hohl- raum des Rohrs wird zum Centralcanal. Die centralen Apparate des Rückenmarks nehmen die inneren Theile ein , und bil- den eine graue Markmasse, welche auf dem Querschnitte in Gestalt seitlicher, nach hinten und nach vorne gehen- der Säulen (Hörner) erscheint (Fig. 288 d. e). Durch die Vertheilung der Fig. 2SS. Querschnitt des Rückenmarks eines Kalbes. a Vordere, b hintere Längsspalte, c Centralcanal. d Vor- dere, e hintere Hörner. / Substantia gelatinosa. g Vor- derstrang der weissen Substanz, h Seitenstraug. i Hinter- strang, k Quercomrnissuren. centralen Apparate im Innern des Rückenmarks, in den von der Nachbarschaft des Gcn- tralcanals (c) ausgehenden grauen Säulen , findet sich die weisse , aus Nervenfasern bestehende Markmasse, vorwiegend nach aussen davon, und bildet, theils durch die vorderen und hinteren Längsfurchen (a. b), theils durch die Austrittsstellen der Nervenwurzeln von einander geschiedene Längsstränge {g. h. /). Darin ergibt sich eine Eigentümlichkeit des Rückenmarks und ebenso ein bedeutungsvoller Unterschied von dem Bauchmarke der Annulaten und Arthropoden. Das Rückenmark erstreckt sich bei den Cyclo- stomen bandartig platt, ähnlich auch bei Chi- mera, sonst mehr cylindrisch geformt, durch den Rückgratcanal, gegen das Ende sich allmäh- lich verjüngend. Den Ursprüngen stärkerer Nerven entsprechen häufig besondere Anschwellungen, bei Arten von Trigla vergl. Fig. 289 B) auffallend Fig. 280. A Gehirn und Rückenmark von 0 r t h a g o - riscus mola. (Nach An- sakx.) B Gehirn und Anfang des Rückenmarks von Tri- gla adriatica. (Nach TlKDEMANN.I 536 "■ 9. Wirbelthiere. entwickelt, und in geringer Zahl das ausnehmend kurze Rückenmark von Orlhagoriscus u. a. zusammensetzend (A). Wie die vom Rückenmarke entspringenden Nervenmassen dessen Volumsverhältnisse influenziren , zeigt sich in den vier höheren Wirbel- thierclassen , hei denen die bedeutende Entwickelung der Extremitäten und die dahin gelangenden mächtigen Nervenstränge mit einer an einzel- nen Abschnitten sich äussernden voluminösen Bildung des Rückenmarks in Zusammenhang steht. Dadurch entsteht eine Hals- oder Brust- und eine Lendenanschwellung, die in einzelnen Fällen, z. B. bei Schildkröten und Vögeln, sehr beträchtlich sind. Durch Offenbleiben der in den Cen- Iralcanal sich fortsetzenden primitiven Modul larhöhle entsteht an der Len- denanschwellung der Vögel ein Sinus rhomboidalis, jenem ähnlich, wel- cher dem verlängerten Marke allgemein zukommt. Er rindet sich auch bei Embryonen von Säugethieren vorübergehend vor (Fig. u279.(/). In der Regel verläuft das Rückenmark durch den ganzen Rüek- gratcanal, doch zieht es sich bei Amphibien (Auuren), Vögeln, am auf- fallendsten aber bei manchen Säugethieren durch die Ungleichmässigkeit der Entwickelung der umschliessenden und umschlossenen Theile mehr nach vorne, so dass die für die hinteren Körperpartieen von ihm abgehen- den Nerven eine Strecke weit im Rückgralcanal verlaufen, ehe sie ihre Austrittsstelle erreichen. c) Hüllen des centralen Nervensystems. § 384. Da der Binnenraum des Schädels an das von ihm umschlossene Ge- hirn sich anpasst, so füllt letzleres anfänglich stets die Schädelhöhle aus. Das Gleiche gilt vorn Rückenmarke für den Rückgratcanal. Die Oberfläche des gesammten centralen Nervensystems wird dabei von den vom Skelele gelieferten Wandungen durch Theile getrennt, die entweder dem Skelele oder dem Nervensystem augehören oder interstitieller Natur sind. Es sind das die Hirn- und Rückenmarkshüllen. Die periostale Auskleidung der bezüglichen Skelelräume lässt die Dura matcr entstehen. Diese Membran ist in den unteren Abtheilunuen als blosse Periost- (resp. Perichondrium-) Schichte nachweisbar, und em- pfängt erst von den Reptilien an eine bedeutendere Mächtigkeil, womit sie den Anschein einer selbständigen Bildung gewinnt. In der Schädelhöhle bildet sie bei Vögeln einen Forlsatz zwischen die Hemisphären des Vor- derhirns (Hirnsichel], der auch bei Säugethieren allgemein vorkommt, und hier mit eiuem besonders in den höheren Abiheilungen ausgebil- deten, zwischen Cercbellum und Hinlerlappen des Vorderhirns eindrin- genden Forlsatze — dem Tenlorium cerebelli — zusammenslösst. Bei vielen Säugethieren (Carnivoren, Einhufern etc. verknöchert das Tenlo- rium. — Der Rückenmarksabschnitt der Dura matcr bietet geringere Nervensystem. 537 Eigen thümlici Bei Säugethieren ist er schon vom Foramen occipi- tale an vom Pe. sie gesondert und bildet einen das Rückenmark, lose umschliessenden Sack. Die dem Nervensystem angehörige Pia mater ist eine ersleres überkleidende Bindegewebsschichte, in welcher die Blutgefässe der Ner- vencenlren verlaufeu. Sie dringt in die Vertiefungen zwischen den ver- schiedenen einzelnen Abschnitten ein. Vom grossen Gehirnschlitze aus sendet sie, mit der Decke der Spalte verbunden, Gefässconvolute (Ader- geflechte) ins Innere der Seitenventrikel des Vorderhirns, lieber den Sinus rhomboidalis des Nachhirns erstreckt sie sich dachförmig hinweg, häufig gleichfalls Plexus bildend. Die grösste Mannichfaltigkeit bietet die Arach no'i'd es. Bei Fischen erscheint sie, so lange das Hirn die Schädelhohle ausfüllt, als eine dünne Bindegewebsschichte, die kaum den Namen einer Membran verdient, da sie mit Pia wie mit Dura mater gleich innig zusammenhängt. Mit der Ent- stehung eines weiteren Baumes zwischen Hirn und Schädelwand geht aus jenem Gewebe entweder ein lympherfülltes Netzwerk hervor (Squatina), oder es wandelt sich in Gallerlgewebe um (Scymnus), oder lässt Fettzellen entstehen (viele Teleostier) . Die höheren Wirbelthiere zeigen die Arach- noides meist als zarte Bindegewebsschichte, bei den Säugethieren in der vom Menschen bekannten DiH'eienziruim. B. Peripherisches Nervensystem. § 385. Die aus den Ceutralorganen tretenden Nerven werden nach beiden Abschnitten in Rückenmarksnerven und llirnnerven unterschieden, die bei den Acrania noch gleichartig sind. Nur ein vorderer stärkerer Stamm ist bei Amphioxus durch seinen Verlauf wie durch reichere Verästelung am vorderen Körperende ausgezeichnet. Er ist wohl einem der Hirnner- ven der höheren Wirbelthiere vergleichbar, doch muss hiebei beachtet werden , dass in der Gesainmlorganisation des Amphioxus den Craniolen gegenüber der Zustand der Indifferenz gegeben ist. Die übrigen Nerven des Medullarrohrs (jene für Riechgrube und Auge ausgenommen, bieten das Verhallen von Rückenmarksnerven dar, und zeigen das Eigentüm- liche des Alternirens im Abgange vom Medullarstrangc. Die Gleichartig- keit dieser Nerven lässt annehmen, dass die bei den Craniolen bestehende Verschiedenarligkeit der Cerebral- und Spinalnerven ein mit der Entfal- tung des Kopfes erworbener Befund sei. Die Nerven entbehren der Gan- glien und werden durch einfache Wurzeln gebildet, worin wieder eine bedeutende Kluft gegen die Craniolen zu erkennen ist. Da bei Amphioxus kein »Kopf« in dem Sinne besteht, wie wir solchen bei den Craniolen kennen, kann folgerichtig auch eine Scheidung in Kopf- und Spinalnerven nicht vorgenommen werden. Wir können höchstens die bis zur hinteren 538 ll- 9- Wirbellhiere. Grenze der Kiemenhöhle abgehenden Nerven ;ils die indifferenten Aequi- valente der Kopfnerveu der Cranioten gelten lassen, und die übrigen fol- genden Nerven als Spinalnerven ansehen. a) Rückenmarksnerven. § 386. Die zuerst in der Bildung von Urwirbeln auftretende Metamerie des Wirbel thierkorpers äussert sich nicht minder in dein Verhalten der Kücken- marksnerven und ihrer Vertheilung. Je einem Wirbelabschnitte entspricht ein Nervenpaar. Jeder Nerv kommt durch die Vereinigung von zwei von den Seitenhälften des Rückenmarks austretenden Wurzeln zu Stande. Die obere oder sensible Wurzel bildet vor ihrer Vereinigung mit der unte- ren oder motorischen ein Ganglion, und die daraus hervortretenden Fasern vermischen sich mit denen der unteren , um den Stamm eines Spinal- nerven herzustellen. Bei den Selachiern treten untere wie obere Wurzeln getrennt durch besondere Oeffnungen des Rückgratcanals. In der Regel verlassen die Nerven den Rückgratcanal zwischen zwei Bogen. Jeder Spinalnerv theilt sich in zwei Ilauptäste , ein Raums dorsalis versorgt Muskulatur und Haut des Rückens, ein Raums ventralis begibt sich an die Seitcntheile und die Bauchwand des Körpers und sendet einen Raums visceralis zu den Eingeweiden. Dieser letztere stellt die Verbin- dung des sogenannten sympathischen Nervensystems mit dem cerebro- spiualen her. Bei den Fischen treffen die Spinalnerven immer auf ein Ligamentum intermusculare. Sie folgen genau der Metamerie des Leibes, so lange die- selbe noch ausgesprochen ist. Die Stärke der Nerven entspricht der Ausbildung der von ihnen ver- sorgten Theile. Mit dem Auftreten von Extremitäten erlanuen die be- treffenden Rann ventrales eine besondere Mächtigkeit, und dann bildet eine Anzahl Rami ventrales vorderer Spinalnerven (Cervicalnerven) ein Geflecht Plexus brachialis); aus welchem die Nerven der vorderen Extre- mität sich ablösen , sowie aus weiter nach hinten vor dem Becken oder im Becken gebildeten Geflechten (dem Plexus lumbalis u. Plexus sacralis) die Nerven der hinteren Extremität hervorgehen. Diese Geflechtbildungen stehen wohl mit den Lageveränderungen in Zusammenhang , welche die Gliedmassen eingegangen sind. (Vergl. S. 497 u. 498.) Drei bis vier Nerven bilden den Plexus brachialis der Amphibien (bei Fröschen der 2., 3. und 4. Spinalnerv). Bei den Reptilien wird der Plexus brachialis meist aus dem 6. — 9. Cervicalnerven zusammengesetzt, der 7 . — 1 0 . bildet ihn bei Varanus, und bei Alligator kommt noch der erste Thoracalnerv hinzu. Die Vögel zeigen ihn aus dem letzten Cervical- und ersten Thoracalnerv oder aus dem 11. und 12. Cervical- oder 12. Thora- calnerv gebildet. Bei den Säugethiercn betheiligen% sich die 3, 4 oder Nervensystem. 539 5 letzten Cervicalnerven und der erste, zuweilen auch noch der zweite Thoracalnerv an der Plexusbildung. Die für die ilinlcrexlremiläten hestiminlen Nerven gehen bei den Amphibien aus einem meist durch drei Nerven gebildeten Geflechte her- vor. Ein daraus entstehender vorderer Nerv bildet den Nervus cruralis, ein stärkerer, aus fast allen in den Plexus eingehenden Ramis sich zu- sammensetzender Nerv stellt den Ischiadicus vor, welcher auch bei den höheren Wirbelthieren den Ilauptnerv der Extremität bildet. Gesonderter erscheinen Plexus cruralis und Plexus sacralis bei den Reptilien und Vögeln. Bei ersteren gehen meist i Nerven in diese Geflechte ein. Die Vögel bieten zumeist 7 — 8 grösstenteils für den Ischia- dicus bestimmte Nerven, während er bei den Säugethieren wieder aus einer viel geringeren Zahl sich zusammensetzt. b) llirnnerven. . § 387. Die von der beschreibenden Anatomie der Reihe nach aufgeführten Cerebralnerven sondern sich bei vergleichender Prüfung nach wichtigen anatomischen Verhaltnissen in zwei scharf getrennte Abheilungen. Die eine, grössere, begreift mehr oder minder mit Spinalnerven übereinkom- mende oder doch von solchen ableitbare Nerven , die andere dagegen solche, welche auch nicht die geringste Aehnlichkeit mit Spinalnerven besitzen. Die letztere Abiheilung umfasst zwei spezifische Sinnesnerven, den Olfactorius und den Opticus. Der Olfactorius wird aus einem Complexe von Nervenfädchen gebildet, die aus dem Lobus olfactorius entspringen, und in der Riech- schleimhaut ihre Verbreitung nehmen. Je nach der Lagerung des Lobus in grösserer oder geringerer Nähe der letzteren setzen diese Nerven jeder- seits einen Stamm zusammen (wie bei vielen Fischen , auch bei Amphi- bien, Reptilien und Vögeln, unter den Säugethieren bei den Monotremen) , oder sie verlassen einzeln die Schädelhöhle, indem sie eine »Lamina cri- brosa« durchbohren (Selachier und Säugethiere) . Der aus dem Zwischen- und Mittelhirn stammende Opticus bildet sich mit einem Theile des Auges aus einer vom primitiven Vorderhirn entstehenden Blase (der Augenblase), deren Stiel er vorstellt. Nach Difi'e- renzirung der Vorderhirnblase ist er mit dem Zwischen- und Mittelhirn in Zusammenhang. Bei den Cyclostomen verläuft der Opticus jeder Seite zum betreffenden Auge, und nur dicht an der Austrittsstelle ist eine Ver- bindung zwischen den beiderseitigen Nerven zu erkennen. Bei den Gna- thostomen dagegen tritt eine grössere Strecke der Opticus an der Hirnbasis hervor, und es wird hier eine Durchkreuzung der Fasern Chiasma) er- sichtlich. Die bis zu dieser Stelle verlaufenden Faserstränge stellen den 540 Ö- 9- Wirbelthiere. Tractus n. optici vor und bilden einen Theil des Gehirns j der bei den Cyclostomeo noch nicht an die Oberfläche hervorgetreten ist. Das Chiasma ist also keine Neubildung, sondern eine DifFerenzirung. Die Kreuzung ist eine vollständige bei den Knochenfischen : Der Opticus des rechten Auges tritt zum linken, der des linken zum lochten, indem der eine über oder unter dem andern hinwegläuft. Seltener tritt der eine Opticus durch eine Spalte des anderen (Clupea), oder es besteht ein mehrfacher Durchtritt einzelner Nervenbündel. Bei Selachiern und Gano'iden scheint eine theil- weise Kreuzung vorzukommen, und so verhalten sich auch im Allgemeinen die höheren Wirbelthiere. Wie diese beiden Sinnesnerven keinen einzigen der für die Spinal- nerven aufgeführten Charaktere erkennen lassen, sind sie auch nicht auf Metamcren beziehbar. Sie gehören auch jenein Theile des Craniums zu, der nicht aus Concrescenz von Wirbelsegmenten ableitbar ist (vergl. § 340) , und dürften jenen Nerven entsprechen, die wir bei Wirbellosen zu den gleichen Organen gehen sehen. § 388. Die zweite Abtheilung umfasst die nach dem Typus der Spinalnerven sich verhaltenden Nerven. Sie lassen zum Theile zwei Wurzeln unter- scheiden; ihr Ramus dorsalis ist häufig sehr gering entwickelt, in Zusam- menhang mit dem unansehnlichen Verbreitungsbezirke. Der Ramus ventralis ist dadurch der Hauptast, der an den Kiemcnbogen und deren Derivaten sich verzweigt. Der Ramus visceralis tritt zur Schi und wand. Die hiehcr gehörigen Nerven entspringen am Boden der Rautengrube, theilweise auch in deren Fortsetzung zum Aquaeducl. Sylvii, treten aus dem Nachhirn hervor und verlassen die Schädclhöhle , indem sie den vertebralen Theil des Craniums durchsetzen (§ 340). Während diese Verhältnisse an den dem primitiven Zustande am nächsten stehenden Kopfnerven der Selachier am vollständigsten sich erkennen lassen, treten um so bedeutendere Veränderungen ein, je weiter der Organismus von jener tiefen Stufe emporstieg oder in anderer Richtung sich differenzirle. An den einzelnen Nerven, d. h. so wie sie als mit Spinalnerven homodynam aufzufassen sind, nehmen wir verschiedene besondere Er- scheinungen wahr. Einzelne Aeste eines Nerven erscheinen im Ucber- gewichte über andere, die dagegen rückgebildet sind, oder die Wurzeln eines Nerven schlafen eine selbständige Bahn ein und bieten den Schein selbständiger Nerven. Während in diesem Falle ein Nerv sich aufgelöst hat, so ist an anderen Nerven eine Concrescenz aufgetreten, so dass ur- sprüngliche Nervencomplexe wie ein einziger Nerv sich darstellen. Letzteres Verhallen zeigt sich an zwei Gruppen der vorzuführenden Hirnnerven, die ich nach den in ihnen vorherrschenden Nerven als Tri- ge minus- und Vagus-Gruppe unterschieden habe. Nervensystem. 541 § 389. Die Trigeminusgruppe versorgt den vordersten und grössten Theil des Kopfes. Ihr gehören zu: erstens der Trigeminus als bedeutendster Nerv der Gruppe, der. einer mächtigen Differenzirung der Endgebiete entsprechend , einem weiter entfalteten Spinalnerven homolog ist (Fig. 290 TV). Als Ramus dorsalis besitzt er den Ramus ophthalinicus, der die Orbita wie die Ethmoidal- region versorgt. Ein hei Teleostiern vorkommender Schädelhöhlenast hat wohl gleichfalls als Ramus dorsalis zu gelten. Der Ramus maxillaris su- perior verlauft stets am Roden der Orbita und verbreitet sich mit sensiblen Zweigen in der Oberkieferregion. Sein Infraorbilalast ist besonders bei Säugelhieren der bedeutendste. Der R. max. sup. stellt mit dem Ramus maxillaris inferior einen Ramus venlralis vor, der bei Selachiefn sehr klar als Nerv des Kieferbogens sich erkennen lässt, und dadurch als der bedeutendste Abschnitt des Trigeminus erscheint. Seine Verbreitung geschieht zu den Kiefermuskeln wie zum Integumente und einem grossen Theile der Mundhöhlenschleimhaut (Ramus lingualis) . Den Ramus inte- stinalis repräsentirt ein Ramus palatinus des zweiten Astes, bei Fischen direct zum Gaumen tretend, bei höheren Wirbelthieren erst nach Verbin- dung mit einem sympathischen Ganglion (Ganglion sphenopalatinum) dort- hin gelangend. Dem Trigeminus im Ursprungs- und Verbreitungsgebiete zugehörig und wie abgelöste Theile derselben sich darstellend, erscheinen dieAugen- muskelnerven , namentlich der Oculomolorius und Trochlearis. Wenn auch die Angaben , dass bei Lepidosteus und Lepidosiren die Augen- muskelnerven vom R. ophthalinicus trigemini abgegeben würden, und bei Salamandrinen clor Trochlearis von einem Zweige jenes Nerven ver- treten sei, noch sehr der Restätigung bedürfen, so dass jenen Fällen viel- leicht mehr ein Anschluss der Augenmuskelnerven an den Trigeminus als ein gänzliches Fehlen derselben zu Grunde liegt, so ist doch damit die Annahme, dass in dem discreten Austritte jener Nerven aus dem Nachhirn Sonderungsvorgänge wirksam waren, nicht zurückzuweisen. Dass der R. I. trig. der motorischen Elemente entbehrt und dass die in seinem Rereiche befindlichen Muskeln durch selbständig erscheinende Nerven versorgt werden, bleibt immer ein schwer wiegendes Factum. Der zweite der Trigeminusgruppe beizuzählende Nerv ist der Facialis mit dem Acuslicus. Der letztere scheint einem ausschliesslich sensiblen Ramus dorsalis eines Spinalnerven homolog, und ist mit seinem Endge- biete von dem nolhwendig vorauszusetzenden ursprünglichen Verbrei- tungsniveau auf der Kopfoberfläche in dem Maasse in die Tiefe gerückt, als das Labyrinthbläschen vom Integumente sich abschnürte und in die Tiefe der Schädelwand eingetreten ist (vergl. unten über das Hörorgan). Wenn dieses den ursprünglichen Verlauf eines Ramus dorsalis aufwärts 542 II. 9. Wirbelthiere. durch die Schiidolwand voraussetzt, so harmonirt damit der Verlauf dor- saler Aeste anderer Kopfnerven , selbst der des Raums Ophthal micus trigemini. Der Facialis (Fig. 290 Fa) verhält sich als ein dem Zungenbeinbogen angehörender Raums ventralis. Ausser der Muskulatur dieses Abschnittes versorgt er auch Hauttheile, ist somit anfänglich gemischter Natur. Bei den Teleostiern echt er Verbindungen mit dem Triseminus ein, und schon bei manchen Haien verschmilzt er mit demselben. Ebenso erscheint er bei den ungeschwänzten Amphibien mit dem Trigeminus vereinigt. Diese Verbindung bildet jedoch erst im Verlaufe der Ontogenie statt. Rei den örodelen wie bei den höheren Wirbellhieren erhält er sich selbständig und bei den Säugethieren hat er seine sensiblen Elemente anscheinend eingebüsst. Hier empfangt er durch die Ausbildung der Gesichtsmusku- latur ein bedeutenderes Verbreitungsgebiet, während sein Raums slape- dius, Raums digastricus und stylohyoideus dem ursprunglichen Zungen- beinboaen- Gebiete zugehören, wie auch der Raums auricularis. Als Ramus visceralis erscheint der bei Fischen vorhandene Raums palatinus, der bei den Säugern durch den N. pelrosus superficialis major vorgestelll wird, und durch das Ganglion sphenopalatinum zur Muskulatur des Gau- mensegels tritt. Einen schon bei Fischen bestehenden Verbindungszweig des Facialis mit dem dritten Aste des Trigeminus bildet die Chorda tympani. Dem Facialis muss auch noch ein Augenmuskelnerv, der Abducens, beigezählt werden, wie aus dem Verhalten des Ursprungsgebietes hervor- geht. Fr versorgt den Recl. ext. allgemein , bei Pelromyzon auch noch den Rect. inferior. Die Lage des Rectus externus macht verständlich, dass er einem anderen Nervengebiete angehört. § 390. In der Vagusgruppe bietet deren erster Nerv, der Glossopharyn- geus, die einfachsten Refunde. Rei den Selachiern ist er discret, und scheint auch bei den Teleostiern sich allgemein so zu verhallen, dagegen verlässl er bei Chimära die Schädelhöhle mit dem Vagus, mit welchem er auch bei Cyclostomen wie bei Lepidosiren verbunden ist. Aehnlich verhält es sich bei den Amphibien, indess er bei den Amniolen in allge- meiner Selbständigkeit sich trifft. Er besitzt bei Fischen (manchen Haien einen Ramus dorsalis, der im Cranium emporsteigend sich oberflächlich verästelt. Der Hauptstamm (Fig. 290 Gp) erscheint damit als ventraler Ast, der längs des ersten Kie- menbogens sich verbreitet und als Eingeweideast einen Ramus pharyngeus zur Schlundwand schickt. Dieses Verhallen wird mit der Umwandlung des ersten Kiomenbogens dahin modilieirt, dass der Ramus pharyngeus mildem in der Zungenschleimhaut endigenden Ramus lingualis den Hnupt- theil des Nerven vorstellt. Nervensystem. 543 An den Glossopharyngeus reiht sich im Austritte aus dem Nachhirn unmittelbar der Vagus an, dessen Beurtheilung die Kcnntniss seines ein- fachsten Verhaltens voraussetzt, wie es am vollständigsten bei Haien zu erkennen ist (vergl. Fig. 290). Der Vagus wird hier von einer grossen Fig. 290. Kopfaerven von Hexanchus griseus. Rechterseits sind sämmtliche Kopfnerven in ihren von oben her sichtbaren Bahnen dargestellt. Die Schüdelhohle ist geöffnet, ebenso der Rüekgrateanal, so dass Gehirn und Rückenmark blosliegen. Das rechte Auge ist mit seinen Muskeln entfernt. Links ist mir das Dach der Orbita weggenommen, so dass der Bulbus mit den Muskeln sichtbar ist. Die rechts- seitige Labyrinth- und Occipitalregion des Craniums ist bis auf das Niveau der hier durchtretenden Nervenstämme abgetragen, vi Vordere Schädellücke. N Nasenkapsel. So Bulbus olfactorius. ZV Erster Ast des Trigeminus. a Endzweig desselben auf der Ethmoidalregion. Tr" Zweiter Ast. Tr'" Dritter Ast. tr Tiochlearis. Fa Facialis. 6p Glossopharyngeus. 7g Vagus. L Raums lateralis. ./ Ramus intestinalis. os Muse, obliq. oc. sup. ri M.rectus internus, n M. rectus e.xternus. rs M.rectus superior. S Spritzloch. Pff Palatoriuadratuni. Hm Hyomandibulare. r Kiemenstrahlen. 1— fi Kiemenbogen. brl — br v Kiemen. Anzahl discret vom Nachhirn bis ziemlich weit hinter der Rautengrube hervortretender Wurzeln zusammengesetzt, von denen die vorderen, dicht hinter dem Glossopharyngeus austretenden, die stärkeren sind. Daran schliessen sich nach hinten zu immer schwächere an. Die letzteren sammeln sich nach vorne verlaufend zu einem den vorderen sich an- 544 "• 9- Wirbelthiere. fügenden Stämmehen. Der hiervon gebildete gemeinsame Stamm verlässt die .Schädelhöhle in schräg nach hinten und aussen gerichtetem Verlaufe und sendet auf diesem Wege einen schwachen Ramus dorsalis zur Occi- pitalregion empor. Aus dem Cranium getreten lässl der Vagusstamm eine der Zahl der Kiemenbogen entsprechende Zahl von Kiemenästen abgehen (Fig. 290) Der erste Kiemenast 'br1) verläuft zum zweiten Kiemenbogen und sendet noch einen feinen Zweig zum ersten. Darin kommen die Rami branchiales des Vagus mit dem Glossopharyngeus wie mit dem Facialis überein. die gleichfalls zu den nächst vorhergehenden Bogen feine Zweige entsenden. An der Theilungsstelle jedes Kiemenasles tritt ein Ramus pharyngeus ab. Die Fortsetzung des Vagusstammes tritt als Ramus intestinalis (.7) auf den Darmcanal und verzweigt sich an Schlund und Magen , gibt auch Aesle zum Herzen. Vor der Abgabe der Kiemenäste geht vom Vagusstamme ein ansehnlicher Ast dorsalwärts nach hinten, der als Ramus lateralis /. längs der Seilenlinie des Körpers an die Haut bis zum Schwänze sich verzweigt. Während die den Vagusstamm zusammensetzenden Nervenwurzeln in einer Reihe das Nachhirn verlassen, gehören dem Vagus noch andere Wurzeln zu, die unterhalb der vorgenannten als höchstens fünf, meist nur 3 oder 2 Fädchen aus dem Nachhirn austreten, und jedes durch einen besonderen Canal in der Schädelwand nach aussen gelangen. Sie gehen theils zu Muskeln , theils verbinden sie sich mit den ersten Spinalnerven, und können als untere Vaguswurzeln bezeichnet werden, während die vorbenannten obere sind. Die Austritlsöflhungen der unteren liegen in gleicher Reihe mit den Austrittsöffnungen der unteren Wurzeln der Spinalnerven, die Auslrittsslelle des Complexes der obe- ren Wurzeln liegt höher und fällt in eine Linie mit den Durch- lässen der oberen Wurzeln der Spinalnerven. §391. Aus den vorhin aufgeführten Thatsachen ergibt sich für den ge- ammten Vagus die Auffassung als eines Complexes zahl- sei c h e r mit Spinalnerven ho m o d y n a m e r N e r v e n . Da für rsprechen einmal die mehrfachen getrennt austretenden unleren Wurzeln, dann aber vorzüglich die Verbreitung des aus den oberen Wurzeln sieh bildenden Stammes. Indem jeder Ramus branchialis des Vagus sich völlig gleich verhall einem Ramus ventralis e i n e s S p i n a I - nerven, indem ferner die von ihm versorgten Kiemenbogen als ur- sprünglich dem Cranium angehörige Bogen zu gelten haben vergl. § 340 und da endlich jeder der änderen Rogen (Kiefer-, Zungenbein- und 1 . Kiemenbogen) ebenso von je einem Nerven versorgt werden , wie eiu Metamer des Ruinpflheiles von einem Spinalnerven, so erscheint auch die Summe jener oberen Wurzeln des Vagus als das Aequivalent einer Summe Nervensystem. 545 einzelner Nerven, deren Betrag mindestens der Maximalzahl der von ihnen versorgten Kiemenbogen entsprechen muss. Diese von mir gegebene Deu- tung des Vagus findet ihre Bestätigung in derOntogenie dieser Nerven, wie sie bei Haien neuestens aufgedeckt ward. Da Gründe zur Annahme be- stehen , dass schon bei den Selachiern eine bedeutende Bückbildung der Zahl ursprünglich vorhandener Kiemen stattfand, wie ein solcher Vorgang, wenn auch nur in kleinem Maasse, noch innerhalb des Selachierslammes zu beobachten ist, so ist die Fortsetzung des Vagus auf eine Strecke des Darmrohrs weniger aus einem Uebergreifen des Nerven auf ein ihm ur- sprünglich fremdes Gebiet, als aus demUebergange einer ehedem der Kie- menspalten tragenden Wandung des Schlundes angehörigen Strecke in einen ausschliesslich der Nahrungsaufnahme dienenden Abschnitt des Tractus intestinalis zu erklären. Auch für die Herzäsle findet sich nichts Befremdendes, sobald die Entstehung des Herzens zum Theile innerhalb des vom Vagus versorgten Gebietes gebührend gewürdigt wird. Was den Bamus lateralis betrifft, so erscheint in demselben ein sen- sibler Ast des Vagus, der wohl erst allmählich mit der Ausdehnung des von ihm versorgten Sinnesapparates der Seitenlinie sich in diesem Maasse entfallet hat. Im gesammten Vagus tritt uns also, ganz ähnlich wie es in kleinerem .Maassstabe für andere Nerven, z. B. den Facialis und Trigeminus der Amphi- bien, erweisbar war, eine Vereinigung von Nerven entgegen, die sowohl in ihrem Austritte, wie im peripherischen Verhalten noch die Spuren eines ursprünglich discreten Bestandes erkennen lassen, und so gelangt diese Auffassung des Vagus mit der Deutung des hinteren Theiles des Graniums in engste Verbind uns;. Die Erscheinung der Concrescenz discreter Nerven setzt sich am Va- uus der Selachier noch weiter fort, und hebt, indem bei den meisten (allen Bochen^! die einzelnen Wurzeln dichter an einander treten, die Andeutung einer Selbständigkeit auf, welches Verhalten auch für die übrigen Fische vorwaltet. Eine Umbildung einzelner Verhältnisse erleidet der Vagus bei Te- leostiern. Von den hinteren Wurzeln desselben sind nämlich einige Fäd- chen mit einer unteren Wurzel zusammengetreten und bilden einen be- sonderen das Cranium verlassenden Nerven, der zu der Muskulatur des Schultergürtels verlaufen soll. Die Verhältnisse dieses Nerven bedürfen genauer Prüfung. Das übrige peripherische Verhalten des Vagus kommt mit dem oben geschilderten überein. Ein einem Theile der Teleostier zukommender Dor- salast des Vagus verdient besondere Erwähnung. Derselbe verbindet sich mit einem aus dem Trigeminus kommenden Dorsalast B. recurrens) und verläuft, von einzelnen Spinalnerven Verbindungszweige empfangend, zur Basis der Bückenflosse. Gegentaur. Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 35 546 H. ft. Wirbelthiere. § 392. Bei den Amphibien verhält sich der Vagus für die Dauer des Beste- hens der Kiemen in einer mit den Fischen übereinkommenden Weise und sendet sogar einen Ramus lateralis ab, der bei den Caducibranchiaten nach Rückbildung der Kiemen mit den Kiemenästen gleiches Schicksal theilt. Die Amnioten besitzen den Vagus nur aus dem vorderen Abschnitte der bei den Selachiern als obere Wurzeln beschriebenen Reihe , und der daraus gebildete Stamm nimmt seine Vertheilung am Tractus intestinalis bis zum Magen herab, nachdem durch den Mangel von Kiemen die Kie- menäste verschwanden, oder, was wohl richtiger, theilweise in Rami pha- rvns:ei umgebildet sind. Wie bei den Fischen die aus dem Darmrohre differenzirte Schwimmblase Vaguszweige empfängt, so erhält auch der eine gleiche Genese besitzende Athmungsapparat der Amphibien wie der Amnioten Nerven vom Vagus, von denen sich einzelne mit der Ausbil- dung eines Kehlkopfes und seiner Muskulatur zu constanten Zweigen ge- stalten. Auch die Beziehungen zum Herzen erhalten sich fort, und mit der allmählichen Entfernung des intestinalen Endgebietes des Vagus vom Kopfe gestaltet sich derselbe zu einem langen Nervenstamm. Der hintere Abschnitt der bei den Selachiern in den Vagus eingehen- den Wurzeln schliesst sich bei den Amnioten zu einem Nervenslämmchen zusammen , dem Accessorius Willisii , theilweise mit dem Vagus ver- bunden theilweise zu Muskeln des Schultergürtels vertheilt. Die den Nerven bildenden Wurzelfäden reichen mit ihrem Ursprünge aus der Me- dulla besonders bei Säugethieren weit nach hinten, zwischen die Austritts- stelle der oberen und unteren Wurzelreihen von Spinalnerven gelagert, und zwar beim Menschen bis zum 6. oder 7. hinab. Endlich formiren auch die unteren Wurzeln des Vagus-Gebietes bei den Amnioten einen besonderen Nervenstamm, den Hypoglossus. der die Muskeln der Zunge versorgt. Von seinem primitiven Verhalten behält er die Zusammensetzung aus mehreren und zwar getrennt aus dem Schädel tretenden Wurzelfäden bei, die auch noch bei Säugethieren zu zweien sich vorfinden. Somit trilll sich für den hinteren aus dem Nachhirn austretenden Nervencomplex die grösste Summe von Umgestaltungen. Wahrscheinlich aus einer den ursprünglichen Kiemenbogen entsprechenden Anzahl von discreten Nerven entstanden, erscheint er noch am indifferentesten bei den Selachiern, sondert bei Teleostiern einen hintern Abschnitt als besondern Nerven ab , indess bei den Amnioten aus jenem Complex drei verschie- dene Nerven gebildet sind: Vagus, Accessorius und Hypoglossus. Gegkn«ai:r, C, Leber die Kopfnerven von Hexanclius und ihr Veiinillniss zur Wirbeltheorie des Schädels. Jen. Zeitschr. Bd. VI. Sinnesorgane. 547 c) Ei n ge w e i d e n e r ven s y s t e m. § 393. Nach dem Abgange aus den Cerebrospinalnerven stehen die Einge- weideäste durch Verbindung mit den nächst folgenden unter sich in Zu- sammenhang, und bilden damit eine längs der Wirbelsäule verlaufende, auch an die Schädelbasis sich fortsetzende Commissur : den Grenzslrang des Eingeweidenervensystems oder des Sympathicus. An den Verbin- dungsstellen mit den Rami viscerales der Cerebrospinalnerven finden sich Ganglien, die Ganglien des Grenzstranges, und von da aus setzen sich die aus den dem Sympathicus eigenen Fasern und Cerebrospinalfasern be- stehenden Nerven zu ihren Verbreitungsbezirken fort. Die einzelnen, sei es direct zu den Eingeweiden tretenden, sei es erst den Grenzstrang durch- setzenden Nerven, sammeln sich meist in grössere für die Hauptabschnitte der Eingeweide bestimmte Stämme, die als Nn. cardiaci, splanchnici etc. bekannt sind. Sie bilden zahlreiche Ganglien enthaltende Geflechte, wie denn auch vereinzelte Ganglienzellen vielfach in dem Verlaufe der sympa- thischen Nervenbahnen eingeschaltet sind. Die Verbreitung dieser Geflechte findet am Darmrohr und allen aus demselben hervorgehenden Organen, sowie amGefässsystem und den Uro- genitalorganen statt. Den Acrania scheint dieser Theil des Nervensystems zu fehlen, und unter den Cycloslomen wird er bei den Myxinoiden vermisst, wo der Va- gus wenigstens das Darmgebiet des Sympathicus versorgen soll. Von den Fischen an besteht dagegen allgemeine Verbreitung dieses Nervensystems, wenn auch mit zahlreichen Modifikationen. Die dem Sympathicus zukom- menden Fasern stellen auf einer niederb Entwickelungsstufe bleibende Elemente vor, ähnlich wie die Fasern der Cerebrospinalnerven der Cyclo- slomen. Sinnesorgane. § 394. Für alle Sinnesorgane der Vertebraten bestehen Differenzirungen des Integumentes. Die Art der Betheiligung des letzteren ist nach der Qualität des Organes verschieden. Wie bei den Wirbellosen scheiden wir die Sinnesorgane in solche, welche speci fischen Wahrnehmungen vorste- hen als höhere Sinnesorgane, und in solche, welche indifferenterer Natur verschiedenartigen Wahrnehmungen zu dienen scheinen . die man sämmtlich dem Gefühlsinne unterstellt. Da unterden nicht zu den bekannten specifischen Sinnesorganen zu zählenden Apparaten manche durch eine hochgradige Differenzirung sich auszeichnen, ohne dass die Einrichtungen erlaubten, sie als einfach dem »Tastsinn« dienende Organe anzusehen, ist es nicht ungerechtfertigt, ausser den bekannten noch andere specifische Sinnesorgane anzunehmen. 54S II. 9. Wirbelthierc. Die grösstc Mannichfältigkeit der hieher bezüglichen Organe wallet bei den Fischen, und scheint mit dem Leben im Wasser in Zusammenhang zu stehen , da manche dieser Einrichtungen bei Amphibien wiederkehren. Die wichtigsten Organe dieser Art sind folgende : I. Bec her förmige 0 gane. In die Epi- angen, Fig. 201. Becherförmige Or- gane aus der Gaumensehleim- haut von Tinea, n Nerven- bündel, b Becher. (Nach E. Schulze.) dermisschichte eingebettete, grössere, von spindelförmigen Zellen umgebene Gebilde, welche stäbchenförmige Endapparate von Nerven bergen. Sie sind in der Haut von Teleosliern und vom Stör beobachtet und scheinen auch bei Amphibien ver- breitet zu sein. Auch am Kopfe von Reptilien kommen sie vor. 2. Schlei mcanäl e. Ein am Kopfe von Fischen in regelmässiger Form sich verzweigendes Röhrensystem verläuft in der Lederhaut und öffnet sich an bestimmten Stellen mit Seitenzweigen nach aussen. Nahe der Mündung enthält die Röhre den Endapparat eines Nervenzweigs. In gleichem Verhalten vom Kopfe aus erstreckt sich ein Canal längs der Seite des Körpers bis zum Schwänze. Sowohl an dieser Seitenlinie wie am Kopftheile des Röhrensystems erhallen die Nervenendigungen bei Ganoiden und Teleosliern einen vom Haut- skelete gelieferten Schutzapparat, indem sie entweder in modificirle Schuppen oder sogar auf Strecken in den Deckknochen des Kopfes einge- bettet sind. Die bei den Amphibien (Larven und Perennibranchialen: be- stehende Yerbieitumj; becherförmiger Orcane oder diesen ähnlicher Bil- düngen längs der Seitenlinien deutet auf einen Zusammenhang dieser Organe mit den »Schleimcanälen« der Fische hin. 3. Gallertröhren. Verschieden lange mit Gallerle gefüllte dünn- wandise Röhren münden mit feinen Oeffnuncen aus, und tragen am enl- gegeugesetzten Ende in einer ampullenartigen, mannichfaltig gestalteten Erweiterung gleichfalls Nervenendigungen. Diese Organe sind am Kopfe der Selachier in grosser Menge, meist in die Nähe des Rostrums gelagert, aber auch an entferntere Theile , so z. B. bei den Rochen bis über die Brustflossen erstreckt (Fig. 277. t). Bei den höheren Wirbelthieren erscheinen die Nervenendigungen im Iutegumente, mit minderen Complicationen, wie die in den Cutispapillen gelagerten Tastkörperchen, die schon von den Amphibien an beobach- tet sind. Modificationen verschiedener Körpertheile in Verbindung mit Ausbil- dung der dem bezüglichen Integumenlüberzuge zukommenden Endorgane der sensiblen Nerven lassen besondere als Tastorgane fungirende Appa- rate entstehen. Die einzelnen Vorrichluncen dieser Art sind ausserordent- Sinnesorgane. 549 lieh mannichfacb, und gehören zu den aus speciellen Anpassungen ent- standenen Bildungen, daher sie nur kurz zu erwähnen sind. Bei den Fi- schen werden solche Organe durch die bei vielen in der Nähe des Mundes stehenden »Barteln« vorgestellt, an denen Häufungen der Becher-Organe sich vorfinden. Sie treffen sich bei Stören, Welsen, manchen CyprinoT- den etc. Bei den Triglen fungiren einige von den Brustflossen abgelöste nervenreiche Strahlen vorzugsweise als Tastorgane. Bei den Vögeln hat der Tastsinn nicht selten seinen Sitz in der weichen Spitze des Schnabels ; so bei den Schnepfen, Enten etc. Dann finden wir bei den Säugethieren als Tastapparate steife, borstenähnliche, an der Oberlippe oder auch über den Augen stehende Haare, die nicht allein beträchtlich verlängert sind, sondern auch durch den Nervenreichthum ihrer Follikel von den übrigen Haarbildungen sich auszeichnen. Endlich dienen bei vielen Säugethieren die Gliedmassen selbst, sowohl durch den Nervenreichthum ihrer Volar- und Plantarfläche, als durch die Beweglichkeit ihrer Endglieder zu solchen Verrichtungen. Li.ydig, Ueber Organe eines sechsten Sinnes. N. A. Acad. Leop. Carol. Vol. XXXIV. — Jobert, Les organes du toucher. Ann. sc. nat. Ser. V. Toni. XVI. § 395. Da der Geschmackssinn sich unserer Beurtheilung in dem Maasse ent- zieht, als ein Organismus dem menschlichen entfernt steht, wird über Ge- sell macksorg an e der meisten Wirbelthieie mit wenig Sicherheit zu urtheilen sein. Es können daher nur im Allgemeinen die in der Mund- schleimhaut gelegenen Endorgane von Nerven hieher zählen. Diese bieten bei Fischen nichts Spezifisches dar, sind vielmehr mit den auch im äussern Inlegumente verbreiteten becherförmigen Organen in Uebereinstimmung. was aus der Genese der Mundhöhle leicht begreiflich wird. Am genaue- sten sind sie von der Gaumenregion bekannt (vgl. Fig. 29 I), an der bei den Cyprino'iden die Schleimhaut mit reichen Muskelfasern durchwebt ist. Bei den Amphibien erscheint die Zunge als der vorzugsweise Sitz jener Gebilde, die man auch als »Schmeckbecher« bezeichnet hat, und wenn die Zunge bei Beptilien und Vögeln in der Begel jenen Beziehungen entfremdet er- scheint, so findet sie sich doch wieder bei den Säugethieren mit denselben Schmeckbechern ausgestattet, die an den Seilen flächen der Papulae circum- vallatae angebracht sind. Riechorgane. § 396. Riech organe treten bei allen Wirbelthieren als flache, am Kopfe gelegene Gruben auf, in denen der Olfactorius mittelst stäbchenförmiger Endapparate vom umgebenden Medium Erregungen zu empfangen im Stande ist. Es ist also eine differenzirte Strecke des Intesumentes, welche 550 II. 9. Wirbelthiere. • las Sinnorgan vorstellt. Wenn wir auch bei den im Wasser Lebenden — Fischen und Amphibien — keineswegs im Stande sind, diesen Gebilden genau dieselbe Function zuzuschreiben, die sie bei den in der Luft lebeu- den nachweisbar besitzen, so muss es doch gestattet sein, sie wenigstens mit dem Namen jener Organe zu bezeichnen, da wir sie in continuirlicher Folge zu den complicirleren, bestimmt Geruchswahrnehmungen dienenden Organen der höheren Wirbelthiere übergehen sehen. Bei den Leptocardiern ist jene Riechgrube unpaar. Ebenso erscheint das Organ bei den Cyclostomen, jedoch in einen tieferen Schlauch (Fig. 230 (/) umgewandelt, der bei Petromyzon blind geendigt (gr), bei den MyxinoTden in einen den Gaumen durchbohrenden Canal umgestaltet ist7 dessen Wandungen ein Rohr von Knorpelriugen stützt. Die Gnalhoslomen besitzen paarige Riechgruben. Bei den Fischen bleiben sie meist in diesem Zustande bestehen oder erscheinen nur wenig vertieft. Vom Rande her ragen bei den Selachiern zwei Fortsätze gegen einander, durch welche die ursprünglich einfache Oefthung in eine ein- und eine ausleitende zer- legt wird. Die Knochenfische zeigen dies Verhältniss noch weiter gestaltet, indem über die Grube eine Hautbiücke gespannt ist, und beide getrennte Oeffnungen zuweilen sogar weit auseinander rücken. Reide Oeffnungen, am häufigsten die vordere, können röhrenförmig vorspringen. Die aus- kleidende Schleimhaut bildet bald radiäre bald parallele Falten, welche beträchtliche Oberflächenvergrösserungen eingehen können. Die gesammte Fläche nimmt die Endigungen des Riechnerven auf. In einer andern Mo- difikation erstreckt sich die Riechschleimbaut über eine papillenartige Vor- ragung, wobei unter Entfaltung der Oberfiächenvergrösserung nach aussen hin, die Grubenbildung aufgehoben wird. Viele Selachier und die Chimären besitzen eine Verbindung der Bieeh- srube mit der Mundöffnuns;, indem eine von ersterer ausgehende Rinne (Xasenrinne) zum Mundwinkel fühlt 'r- (Fig. 292) Die Rinne wird häufig von einer medianen Hautfalte überlagert, und gestaltet sich nicht selten zu einem tieferen Canale (Rochen). In dieser Einrichtung erkennen wir einen Schritt zu dem Verhalten der übrigen Wirbel- thiere, deren Riechgruben nur während einer frühen Embryonalperiode ober- flächlich gelagert sind. Die bei den Fischen bleibende Einrichtung seht hier vorüber, und ein während der Weiter- entwickelung sich abspielender Process lässt die Xasengruben in die Tiefe tre- ten. Dies geschieht durch bedeutendes Wachsthum der die Gruben median, vorne und lateral begrenzenden Theile, und indem auch die Ränder der Nasenrinne gegeneinander Fig. 202. Untere Fläche des Kopfes von S c y lli u m. m Mundspalte, o Eingang zur Nasengrube, u Nasenklappe in natürlicher Lage. )i' Aufgeschlagene Nasenklappe, r Nasenrinne. Die Punkte stellen Mündungen der Schleimcanäle Tor. Sinnesorgane. 551 wachsen, entsteht ein Canal, der von der Riecheruhe, und damit von aussen nach innen, zur primitiven Mundhöhle führt, und hinter dem Kieferrande sich öffnet. Dieses Verhalten repräsentiren Dipno'i und Amphibien. Die innere Oefinung des Nasencanals liegt bei den ersteren wie bei den Perenni- branchiaten sogar noch innerhalb des weichen Mundrandes. Bei Salaman- drinen und Anuren ist sie von festen Kiefertheilen umgrenzt. Die primitive Nasengrube selbst ist mit der Bildung eines Nasencanals in die Tiefe gerückt. Die Fläche der Nasengrube complicirt sich dabei durch Vorsprünge des Ethmoklalknorpels Muscheln). Bei den Amnioten kommen fernere Complicationen zum Vor- schein , durch welche der obere Theil der primitiven Mundhöhle zu einem die Nasen- grube aufnehmenden Räume sich gestaltet, in dessen oberem Abschnitte die Riech- schleimhaut ausgebreitet ist. Die primitive Riechgrube ist dabei nicht mehr als deutlich abgegrenztes Organ unterscheidbar, so dass die neue Einrichtung der Nasenhöhle am besten mit der Mundhöhle betrachtet wird. — In der Schleimhaut der Nasenhöhle diffe- renziren sich Drüsen, die bei Amphibien eine relativ bedeutende Mächtigkeit besitzen, auch bei Säugern nicht fehlen. Mit dem die primitive Nasengrube weit ins Innere ver- legenden Vorgange steht die Bildung eines Organes in Zusammenhang, welches als ein von der Nasengrube abgelöster Theil erscheint. Es ist das Jacobson' sc he 0 rga n. Ein am Boden der Nasenhöhle liegender, hinten blind geendigter Schlauch Fig. 293. jj, in dessen Wandung Olfactoriusfasern F^ndapparate besitzen. Diese Organe finden sich bei Reptilien und Säugethieren , und münden durch die Stenson'schen Gänge in die Mundhöhle aus. Fig. 203. Querschnitt durch Nasen- hohle und Jacobson'sches Organ. SM Septum. (Nach J. v. Lacerta.) Sehorgane. § 397. Das Auge der Wirbelthiere erscheint im Wesentlichsten ähnlich ge- baut wie bei höher entwickelten Abtheilungen niederer Thiere, allein schon in der Ontogenie des Organes spricht sich ein anderer Typus aus, der nicht minder in der feineren Structur wiederkehrt. Wir haben deshalb keine unmittelbare Verknüpfung mit den relativ ausgebildeten Zuständen des Sehoruanes anderer Thierstämme und treffen nur bei Tunicaten An- deutungen hiefür. Auch bei Ascidienlarven wird das Auge nicht direct vom Ecloderm her, sondern vom vorderen Abschnitte des Gentrainerven- 552 II. 9. Wirbelthiere. systcnis angelegt. Viel tiefer steht das was man bei Amphioxus als Auge bezeichnet: einen dem vordem Ende des Centralnervensystems aufge- lagerten variablen Pigmentfleck. An der Zusammensetzung des Auges betheiligt sich zunächst das cen- trale Nervensystem und seeundär das Integument, Erster«? lässt die lichl- pereipirenden, letzteres die lichtbrechenden Apparate hervorgehen. Als erste Anlage des Auges erscheint eine seitlich vom Vorderhirn sich ent- wickelnde Ausbuchtung (Fig. 294 vi. a), die sich zu einer durch einen Stiel (b) mit der Hirn- anlage (c) zusammen- hängenden Blase ge- staltet. Die »primitive Augenblase« liegt unter dem Ecloderm von dem eine die vordere Wand der Blase gegen die hin- tere einstülpende Wu- cherung ausgeht ( B . Unter dieser Wucherung wächst vom Mesoderm her ein Fortsatz gegen die Augenblase, wel- cher auch deren seitliche Wand mit der vorderen Einstülpung in Zusam- menhang bringt, Die vordere und hintere Wand der primitiven Augen- blase werden durch diese Vorgänge gegen einander gelagert, und das Ganze erhält als seeundäre Augenblase die Gestalt eines Bechers, dessen Rand die vom Ecloderm gelieferte Wucherung umfassl. Letztere bildet die Anlage der Linse (/) . Hinter derselben geht mit der Umbildung des Stieles der primären Augenblase in den Sehnerven, in diesen mit einge- schlossenes Gewebe in eine allmählich den grössten Theil der seeundären Augenblase füllende Substanz über, welche den Glaskörper vorstellt. Von dem die seeundäre Augenblase umlagernden Gewebe wird die innerste Schichte zu einer gefässhaltigen Haut, der Chorioidea, indess ausserhalb der letzteren eine festere Faserschichte als Sclerolica die seeundäre Augen- blase umhüllt, und nach vorne zu gegen die Verbindung der Linse mit dem Ectodcrm auswächst. Die Fortsetzung dieses Vorganges bedingt die Abschnürung der Linse, und ein vor derselben gelagerter durchsichtiger Abschnitt der Faserhaut bildet die Cornea, die gleichzeitig mit der vor ihr liegenden Integument an läge (Conjuncliva) sich verbindet. Wir finden so das Auge als rundliche Kapsel (Bulbus oculi), deren Hülle (Sclerotica) sowohl über den Sehnerven, und von da zur Dura maier sich fortsetzt, als auch vorne in die Cornea übergeht. Im Innern dieser Kapsel liegt die aus der eingestülpten primären hervorgegangene seeun- Fig. 294. A Senkrechter Querschnitt durch die Kopfanlage eines Fisches, c Uehirn. a Primitive Aiigenblase. b Stiel derselben. il Hautschichte. B Bildung der seeundären Augenblase, p Aeussere, »■ innere Schichte der primitiven Augenblase, e Hornblatt (Epider- mis) in die seeundäre Augenblase die Linse l sich einsenkend. Da- hinter Glaskörper. (Nach S. Schenk ) Sinnesorgane. 553 Fig. 20.5. Durchschnitt durch die secundäre Augenblase eines Fi seh embryo, senk- recht auf die »Chorioi'deal- spalte« .s. a Aeussere. c in- nere Lamelle der Augen- blase, c Glaskörper. \ gänglicher Weise. Bald besteht sie aus einer am Kiemendeckel be- festigten kurzen Blätt- chenreihe, bald ist sie an die Schädelbasis gerückt, zuweilen un- ter der Schleimhaut verborgen. Auch in diesem Zustande kön- nen noch knorpelige Stäbchen rudimentär in ihr vorkommen. Bei noch weiterer Rückbildung erscheint sie als ein drüsen- arli^es . aus einzel- nen Läppchen zusam- mengesetztes Gebilde (Esox). Mit dem gänzlichen Verluste des äusseren Kiemenskeletes ist das bei den Selachiern von jedem inneren Kiemenbogen entspringende Septum geschwunden oder auf einen schmalen Saum reducirt. Dadurch kommen die Reihen der Kiemenblättchen bei Ganoiden und Teleostiern in unmittel- bare Beziehung zu den betreffenden Kiemenbogen und werden sich dem- nach in zwei Reihen (Fig. 306 B b) an allen zwischen zwei Kiementaschen verlaufenden Bogen vorfinden. Die vordere Kiemenblättchenreihe am Kie- menbogen eines Teleostiers oder Ganoiden entspricht somit der Kieme au der hinteren Wand der Kiementasche eines Selachiers, und die hintere Blältchenreihe einer Teleostierkieme der vorderen Kieme in der Kiemen- tasche eines Selachiers. Diese Beziehungen lassen sich in folgendem Schema ausdrücken. Fig. 306. Horizontalschuitt durch die Kiemenhöhle A von Scyl- iium, B von Barbus. Der Boden dieser Höhle ist sichtbar. I Zunge, oe Speiseröhre, s Septa der Kiementaschen, h Kiemen. op Kiemendeckel. wobei b die indifferenten Zustände der Kiemenblattreihen B ihre in den ß be- einzelnen Abtheilungen differenzirte Anordnung ausdrücken soll. deutet eine in eine Nebenkieme umgewandelte Kiemenblättchenreihe. Selachier: ß ßi Ganoiden (Stör, Lepidosteus) u. Teleostier: b b B» B* ß"> fi b b b b b b b b b — ß' ß1 ß^ m ß« Durch Rückbildung der Kiementaschen-Septa wird der gesammle Kiemenapparal compendiöser, hat daher die Ausdehnung auf den Anfang der Rumpfregion, die er bei Selachiern aufwies, verloren, und lagert aus- Kiemen. 569 schliesslich an der Schädelbasis. Während aber jedes vorspringende' Septum (A.s) für die nächslfolgendeKiemenlasche ein Schutzorgan bildete, wird bei Chimären. Gano'i'den und Teleosliern ein solches von einem ein- zigen Bogen, nämlich vom Zungenbein bogen, geliefert, dessen Integument nach hinten zu auswachsend die sämmtlichen Kiemen bedeckt und bei GanoTden wie Teleostiern in den Operculasapparat und die Membrana branchiostega mit ihren verschiedenen Stützorganen sich ausbildete (§354) (Bop). § 408. Gewöhnlich sind bei den Teleostiern vier Bogen mit Kiemenblätlchen besetzt, der vierte Bogen nur mit einer einzigen Beihe, oder es bestehen nur drei Blättchen tragende Bogen. Mit dem Schwinden der Blättchen am vierten, sowie der hinteren Blättchenreihe am dritten Bogen schliesst sich in der Begel die vierte Kiemenspalte. Von den Modificationen der Blätt- chen selbst mögen die quastenförmigen Kiemen der Lophobranchier her- vorgehoben werden. Eine Umbildung der Kiemenbogen erscheint in ein- zelnen Abtheilunsjen der Teleostier aus einer auf das Zurückhalten von Wasser im Kiemenapparate abzielenden Anpassung ableitbar. Hieher gehören die Organe der Labyrinthobranchia ; Modificationen einzelner Kie- menbogen oderKiemenbogenglieder bilden gewundene, lamellenartige Vor- sprünge, durch welche ein über den Kiemen gelegener Abschnitt herge- stellt wird (Anabas, Polyacanthus) . Ein anderer Apparat kommt bei man- chen Clupeiden vor, und besteht aus einem spiralig gewundenen, als Aus- stülpung der oberen Bachenschleimhaut erscheinenden Schlauche (Kiemen- schnecke). Dieser hängt meist mit dem oberen Gliedstücke des vierten Kiemenbogens zusammen und enthält in seinen Wandungen Fortsätze die- ser Skelettheile (Heterotis, Lutodeira, Meletta u.a.). Ferner gehören hier- her dendritisch verzweigte Fortsätze von Kiemenbogen, die in besonderen Verlängerungen der Kiemenhöhle geborgen noch ein respiratorisches Ge- fässnetz tragen (Heterobranchus, Clariasj . Gleichfalls mit der respiratorischen Bedeutung dieser Räumlichkeit stehen Ausbuchtungen der auskleidenden Schleimhaut in Zusammenhang. So erstreckt sich bei Saccobranchus jederseits ein langer Schlauch von der Kiemenhöhle bis in die Seilenrumpfmuskeln, und bei Amphipnous geht jederseits hinter dem Kopfe ein solcher Sack hervor, dessen Eingangs- Öffnung oben über der ersten Kiemenspalte Hegt. Beide Bildungen ent- halten respiratorische Gefässnetze. § 409. Aeussere Kiemen sind als Integumentgebilde den Verlebraten ur- sprünglich fremd, wie denn die sog. äussern Kiemen derSelachierembryo- nen nichts anderes sind, als verlängerte, zurKiemeuspalte hervortretende Fäden innerer Kiemen. Aber es können Kiemen auch zur Oberfläche ge- langen, und sogar wie Integumentfortsätze sich ausnehmen. Dahin gehören 570 H. 9. Wirbelthiere. Befunde bei Jugendzuständen von Polyptcrus, dann das Verhalten einer Kieme von Protopterus, und allgemein die Kiemen der Amphibien. Die letzteren erscheinen als zwei bis drei Paare verästeltet" Fortsätze, welche von ebenso vielen Kiemenbogen entspringen. Bei den Perennibranchiaten bleibt dieser Apparat in Function. Bei den übrigen Amphibien Caduci- branchiaten) gehen diese äusseren Kiemen verloren, um bei den unge- schwänzten Amphibien, denen sie nur während einer kurzen Periode zu- kommen, einer Entfaltung kürzerer innerer Kiemen Platz zu machen. Eine von vorn nach hinten wachsende Membran deckt die Kiemen und lässt äusserlich eine einzige Ausfuhr-OefTnung bestehen. Durch ferneres Aus- wachsen kommen die beiderseitigen Oeffnungen einander näher, um zu einer einzigen ventral zusammen zu treten. Mit der Beendigung des Larvenstadiums trifft die inneren wie die äusseren Kiemen der Derotremen und Salamander eine Bückbilduns, und die Kiemenspalten schliessen sich bei letzteren wie bei den Anuren ganz, indess bei den Derotremen jederseits eine Spalte übrig bleibt. Nach Verlust der Kiemen wird die die respiratorische Vorkammer dar- stellende Kiemenhöhle zur primitiven Mundhöhle , in deren Begrenzung übrigens wesentlich dieselben Theile wie vorher zu finden sind. Kiemenspalten und Gaumen der A m n i o t e n . § 410. Als eine wohl von kiemenbesitzenden Stammältern ererbte Einrich- tung erhalten sich auch bei den Amniolen die Schlundwand durchsetzende Spalten während gewisser Embryonalperioden. Das Auftreten dieser wie es scheintauf die Vierzahl beschränkten Kiemen- oder Visceralspal- ten erfolgt von vorne nach hinten, doch so, dass mit dem Erscheinen der letzten, an den vorderen meist schon Veränderungen eingetreten sind. Allmählich erleiden sämmtliche eiue Bückbildung, und verschwinden gänzlich, bis auf die erste, welche in Theile des mittleren und äusseren Ohres sich umgestaltet (vergl. oben § 402). Indem schon mit der Bückbildung der embryonalen Kiemenspalten die Verbindung mit den Anamnia sich lockert, tritt durch eine Differen- zirung der primitiven Mundhöhle eine neue Eigenthümlichkeit auf. Sie führt zur Bildung der secundären Nasenhöhle und der secundären Mundhöhle. Der dahinter gelegene, nicht in diesen Vorgang mit einge- zogene Best der primitiven Mundhöhle stellt den Pharynx vor. Das bei den Amphibien breite, beide Nasenhöhlen trennende Ethmoidalknorpel- stück wächst bei den Amnioten zu einer dünnen senkrechten Lamelle aus (Fig. 307 e), der Nasenscheidewand. Zum Theile bleibt diese knorpelig, zum Theile gehen knöcherne Gebilde an und aus ihr hervor, deren beim Kopfskelete gedacht ward. Nasenhöhle. 571 Eine zweite Veränderung entsteht durch horizontale Leisten oder Fortsätze, die vom Oberkieferfortsatze des ersten Bogens ausgehen und allmählich eine, die primitive Mundhöhle in zwei Etagen theilende Platte Fig. 307. p), den Gaumen, entstehen lassen. Dieser bildet für den oberen Raum, die Nasenhöhle (»), den Boden, für den unteren [ni] das Dach. Indem die Nasenscheidewand diese Gaumenplatten er- reicht, sondert sie zwei Nasenhöhlen von einander, und in jede mündet nunmehr der Nasencaual aus, dessen äussere Oeffnung mit jener der Nasenhöhle zusammenfällt. Die durch die Gaumenplatte von der Mundhöhle, durch die senkrechte Nasen- scheidewand von einander getrennten hinteren F;g-307' s^ematische Dar- ° Stellung der Sonderling der Oeffnungen der Nasenhöhlen, Choanae, münden primitiven Mundhöhle in in den PharvnX ein. Nasenhöhle n, n und secun- n TT i ,. ]• /-, i . .. däre Mundhöhle m. v Gau- Das Verhalten dieser Gaumenplatten repra- menplatten. cNasensLide_ sentirt sehr verschiedene Stadien. Bei Schlangen, wand. Sauriern und Vögeln ist jener Scheidungsvorgang minder vollständig, die Choanen erscheinen als eine Längsspalte, indem die Gaumenfortsätze nur vorne einander erreichen, nach hinten zu aber von einander getrennt bleiben. Zuweilen sind die Choanen bei Vögeln getrennt und dann bedeutend schmal. Bei den Crocodilen sind sie am weitesten nach hinten gerückt, wie bei den Säugelhieren öffnen sie sich nicht mehr in die secundäre Mundhöhle, sondern in den Pharynx. Dieser giebt durch die gleichfalls in ihn einmündenden, aus der ersten Vis- ceralspalte hervorgegangenen Tubae Eustachii als ein der ursprünglich respiratorischen Vorkammer angehöriger Abschnitt sich kund. Den Gaumen stützen bei Reptilien und Vögeln Skeletgebilde s.oben), bei den Säusethieren wird der hintere Theil durch Weichtheile forme- setzt, welche das »Velum palatinum« bilden. Nasenhöhle. § i11- Während die Nasenhöhlen schon durch den vom Gaumen besorgten Abschluss von der Mundhöhle an Länge gewinnen, trägt hiezu noch die Ausdehnung des Gesichtstheiles des Kopfes nicht wenig bei, so dass sie in Länge wie in Höhe sich entfaltend, zu bedeutenden Räumen werden. Nur an ihrem oberen und hinteren Abschnitte findet die Endigung des Olfacto- rius statt Regio olfactoria), während der untere und vordere vorwiegend als Luftweg dient, und damit zu den Athmungsorganen Beziehungen empfängt Regio respiraloria). So zeigt sich denn auch die ganze Sonderung der Nasenhöhle in Connex mit der Ausbildung der Lungen, und deren höherem l'unctionellem Werthe. Die Oberflächenvergrösserung des Binnenraums 572 II. 9. Wirbclthiere. nimmt mannichfache Gestaltungen an. Immer hetheiligt sich daran die vom Primordialcranium gebildete laterale Wand der Nasenhöhle, deren lamellenartige, gefaltete und gewundene Vorsprünge die Muscheln (Con- chae) sind. Den Reptilien kommt nur eine Muschel zu, die von einem mit der äusseren Nasenöffnung beginnenden Vorhofe aus meist in horizontaler Lagerung nach hinten zieht, und bei den Schildkröten wenig, am meisten bei den Crocodilen entfaltet ist. Diese Muschel findet sich bei den Vögeln in grosser Mannichfaltigkeit. Bald ist sie einfach (Tauben ), bald durch Einrollung complicirter (Raubvögel), oder sie kann auch in mehrfache La- mellen sich spalten (Strauss) . Vor und unterhalb dieser Muschel kommt ein muschelartiges Gebilde im Zusammenhang mit der Nasenscheidewand vor und dadurch von den stets lateralen Muschelbildungen unterschieden. Diese Pseudoconcha scheidet der Vorhof der Nase vom innern Nasenraume. Eine andere Vorsprungsbildung liegt über der Muschel, in der Regel am oberen blinden Ende der Nasenhöhle, und entspricht einer Einbuch- tung der Nasenhöhlenwand durch einen luftführenden Sinus. Auf diesem den Tauben fehlenden Vorsprunge endet ein Theil des Olfactorius. Bei den Säugethieren werden drei Muscheln unterschieden. Die untere ent- spricht der einzigen Muschel der Reptilien und Vögel und bietet zahlreiche Verschiedenheilen durch Ramificalion und mannichfache Windungen ihrer Lamellen, z.B. bei Carnivoren (am complicirtesten bei Lutra und Phoca). Am wenigsten entwickelt sind diese Muscheln bei manchen Beutellhieren (Macropus, Phascolomys), dann bei den Allen (am einfachsten bei den Platy rinnen) und beim Menschen. Eine Rückbildung der Nasenhöhle un- ter Verlust ihrer olfaclorischen Bedeutung hat bei den Walthieren stattge- funden. Die auf der oberen Schädelflache befindliche äussere Oeffnung führt in einen senkrecht absteigenden durch die Nasenscheidewand ge- theilten Canal, der durch einen Schliessmuskel von der Rachenhöhle ab- geschlossen werden kann und von Muschelbildungen keine Spur aufweist. § 412. Der Nasenhöhle gehören accessorische Apparate an. Solche sind: 1) Nebenhöhlen der Nase. Diese entstehen durch Wucherung der Nasenschleimhaut in Theile der festen Wandung. Sie treten zuerst bei den Crocodilen auf, wo sich in der seillichen Nasenhöhlenwand ein mit der Nasenhöhle communicirender Hohlraum findet. Bei Vögeln sind Verbindungen der Nasenhöhle mit Räumen benachbarter Knochen sehr verbreitet. Bei den Säugethieren communicirt die Nasenhöhle mit einer Anzahl in verschiedenen Knochen des Schädels liegender Höhlen, von denen die Sinus frontales hervorzuheben sind. Es sind im Stirnbein lie- gende, bald einfache, bald in kleinere Abschnitte getrennte Cavitäten, die bei Wiederkäuern mächtiger entwickelt sind. Andere Communicationen finden mit der Höhle des Keilbeins statt, sehr entwickelt z. B. beim Ele- Mundhöhle. 573 phanlen, wo die Hohlräume sieh sogar durch Scheitel- und Schläfenbeine bis in die Condylen des Occipitale erstrecken. Endlich bestehen auch Verbindungen zwischen der Nasenhöhle und dem Oberkiefer, den Sinus maxillaris bildend, der bei Beutelthieren und Wiederkäuern, sehr beträcht- lich bei Einhufern entfaltet ist. Bei Primaten minder umfangreich, fehlen sie den meisten Carnivoren, den Edentaten und Nagern. 2) Drüsen. Ausser den der Nasenschleimhaut im Allgemeinen zu- kommenden drüsigen Gebilden stehen noch grössere Drüsen mit der Na- senhöhle im Zusammenhang. In entwickelterem Zustande können sie auch ausserhalb der Nasenhöhle Platz nehmen. Solche Nasendrüsen fin- den sich schon bei Amphibien, dann bei Schlangen, auch bei Eidechsen und den Crocodilen , bei den ersteren äusserlich dem Oberkiefer anlie- gend, bei den letzteren in eine Höhle des Oberkiefers eingeschlossen. Eine bald auf den Stirnbeinen, bald auf den Nasenbeinen gelegene äussere Nasendrüse ist auch bei Vögeln vorhanden. Unter den Säugethieren ist eine lateral gelagerte Drüse gleichfalls verbreitet, wenn sie auch in man- chen Ordnungen fehlt. 3) Jacobson'sches Organ. Dies ist ein am Boden der Nasen- höhle meist im Anschluss an das Septum nasale liegender, am Gaumen mit der Mundhöhle communicirender, aber gegen die Nasenhöhle abge- schlossener Canal, dessen Wandung an einem mannichfach gestalteten Vorsprunge die Endigungen einiger am Septum herablaufender Olfacto- riuszweige trägt. Bei Schlangen und Eidechsen wird der Canal theilweise vom Vomer umschlossen, und bei den Säugethieren sind diese Organe mehr in die Länge gestreckt und setzen sich als Stenson'sche Gänge durch die Canales incisivi zur Gaumenfläche fort, vorzüglich bei Wiederkäuern und Nagern ausgebildet '§ 396). M un d höhle. § *I3. Mit der durch die Gaumenbildung eingeleiteten Scheidung der pri- mitiven Vorkammer des Darmrohres in die Nasenhöhle und die Mundhöhle wird eine Anzahl der primitiven Einrichtung zukommender Organe der Mundhöhle zugetheilt, indess andere erst als spätere Gebilde sich dar- stellen. Zu ersteren gehören die Zähne, die Zunge und mancherlei Drü- senorgane. Als neu entstandenes Gebilde erscheint der weiche Gaumen oder das Gaumensegel, welches erst bei den Säugethieren auftritt. Dieser muskulöse Apparat bildet die hintere Grenze der Mundhöhle , die er vom Pharynx scheidet. Eine mediane Verlängerung des Gaumensegels stellt das Zäpfchen vor, eine wie es scheint erst den Primaten zukommende Ein- richtung. Die vordere und seitliche Begrenzung der Mundhöhle bilden bei Beptilien und Vögeln die vom Integumente überkleideten Kieferränder 574 II. 9. Wirbelthiere. mit den diesen zukommenden Hartgebilden. Bei Eidechsen und Schlan- gen stellt das Integument längs des Kieferrandes wulstartige Lippen vor. Bei den Säugethieren tritt mit Ausnahme der Monotremen das Integument von den Kieferrändern ab, und überkleidet eine von den Kiefern ent- springende, complicirte Muskelschichte, welche die Grundlage der Lippen bildet und dieselben beweglich erscheinen lasst. Dadurch entsteht ein vor der Mundhöhle liegender Baum, Vestibulum oris. Dessen seitliche Abschnitte erscheinen als Wansenhöhle, und stellen, grosser Dehnbarkeit fähig, bei vielen Säugethieren taschenartige Ausstülpungen Backentaschen der Na- ger und Affen her. Organe der Mundhöhle. § 414. Von den Organen der Mundhöhle sind die zum Ergreifen und zu Zerkleinerung der Nahrung dienenden Hartgebilde mannichfacher Art. Ein Theil davon entsteht durch Yerhornung von Epithelzellen. Die saug- napfartig gestaltete Mundöffnung der Cyclosto- men Fig. 3 08) ist mit solchen Hornzähnen be- setzt, deren auch noch an einem zunsenarti°en Organe dieser Thiere vorkommen. Aehnliche Belege der Kieferränder bestehen auch bei Amphibien . theils im Larvenzustande als vor- übergehende Bildungen durch zahlreiche dicht nebeneinandergestellte Zähnchen gebildet (Anu- ren), theils bleibend bei Siren. Etwas verschieden von diesen Hörn -Zahn- bildungen sind die ausgedehnteren Hornbelege der Kieferränder der Schildkröten , Vögel und Monotremen , im Zusammenhange mit dem Man- gel wirklicher Zähne compensatorische Ein- Wie auch diese Ge- Fig. 30S. Munddffnung von Pe- tromyzon raarinus mit den »Hornzähnen«. (Nach Heckel und Kxf.k.) richtungen darstellend. bilde zur Zerkleinerung der Nahrung dienen, so haben sie doch nichts mit den echten Zahn- bildungen zu thun , sind reine Epidermoidal- gebilde. Hieher gehören auch die Barten der Wale. Die wahren Zähne sind das Product der Mundschleimhaut, an deren Bildung sowohl die Bindegewebsschichte wie das Epithel betheiligt ist. Bei den Selachiern stimmen sie in Bau wie Genese vollkommen mit den Haut- zähnchen überein, mit denen auch grosse äussere Aehnlichkeiten bestehen, so dass bei der Continuität der Matrix beider, sowie bei der vielen Sela- chiern zukommenden Verbreitung derselben Integumentschüppchen über andere Strecken der Mundhöhlenwand, eine primitive Gleichartigkeit der Zähne mit jenen Schüppchen erschlossen werden kann. Die auf den Kieferrändern sich entwickelnden Zähne erscheinen dem- Mundhöhle. 575 gemäss nur als voluminöser gestaltete, häufig auch sonst differenzirtere Gebilde derselben Art, wie sie im Integu- menle vorkommen. Im Gegensatz zu letzteren sind ihre Veränderungen aus Anpassung an neue Functionen er- klärbar, deren erste Entstehung wohl mitderDifferenzi- rung des primitiven Kiefer böge ns zeitlich zusammenfiel. Die Ausbreitung dieser selben Gebilde in der primitiven Mundhöhle wird aus der Entstehung der letzteren durch eine von aussen her erfolgende Einstülpung verstanden. Die Anlage aller Zähne erfolgt im Wesentlichen auf die gleiche Weise, die bereits oben fS. 447) bei den Hautzähnchen der Selachier aneeaeben ward. Die bindegewebige Zahnpapille lässt aus einer epithelartigen Ober- flächenschichte (Odontoblaslen) das Zahnbein hervorgehen, auf welchem eine Epithelschicht den Schmelz absetzt. Bei oberflächlicher Bildung der Zähne sind jene Schichten mit denen der benachbarten Schleimhaut con- tinuirlich. Wo die Zahnanlage in die Schleimhaut eingesenkt ist, bildet sich eine in diese einwachsende Epithelwucherung (Schmelzleiste) , von welcher der die Zahnpapille überziehende Theil sich abschnürt und das Schmelzorgan bildet. Zu diesen zwei Substanzen kommt als dritte die sogenannte Cement- oder Knochenschichte. Wie die Verbreitungj|der Zähne in der Mundhöhle und ihre Anlage- rung an das Knorpelskelet der Wandung zur Entstehung von Knochen führt, ist oben (S. 4v>4) erwähnt. Diese Knochen leiten sich von zahn- tragenden Platten ab , daher kann jeder derselben Zähne tragen. Bei Ganoi'den und Teleostiern finden sich so , ausser an den Kieferstücken, Zähne an den Palatina, an Vomer, Parasphenoi'd, endlich an Zungen- bein und Kiemenbogen. Von den Kiemenbogen ist es meist der hinterste , der auf einfache Platten re- ducirt durch Zähne ausgezeichnet ist (Schlundzähne, Fig. 256. vi). An den oberen Gliedern der Kiemen- bogen sind Zähne in grosser Verbreitung vorhanden. Bei den Amphibien finden sich noch an Gau- menbein und Vomer Zähne, seltener am Parasphe- noi'd; Gaumenzähne und Zähne am Pterygoid be- stehen bei den Beptilien nur bei Schlangen und Eidechsen, während bei den Crocodilen die Zahn- bildung wie bei den Säugethieren auf die Kiefer- knochen beschränkt ist. Bei den Selachiern sind sie theilweise beweg- lich, in Serien verschiedenen Alters angeordnet. Bei den meisten Fischen behalten sie die oberflächliche Lagerung, und wo festere Verbindungen zu Stande kommen, gehen diese aus Verwachsung mit den be- treffenden Skelettheilen hervor. Solches trifft sich Fig. 309. Schema für die Anlage der Zähne. Von der Epithelschicht senkt sich ein Fortsatz in die Schleimhaut , und hildet über je einer Papille (^i| ein Schmelzorgan e. 576 "• 9- Wirhelthiere. auch bei den Amphibien , deren erste Zahnbildungen mit ihren Basen verschmelzend die betreffenden Knochen entstehen lassen. Bei den Reptilien entstehen die Zähne wie die späteren Zahnbildungen der Amphibien, selbständig, bald als blosse Anlagerungen ^pleurodonte Sau- rier) , bald finden Einsenkungen der sich entwickelnden Zähne in die betreffenden Kieferstücke statt. Bei einem Theile der Saurier sind die Zähne dem Kieferrande angefügt acrodonte Saurier). Bei Geckonen und Schlangen , stets aber bei den Crocodilen , werden die sich bildenden Zähne von den Kieferrändern theilweise umwachsen und somit in Alveo- len gebettet. Bei den Säugethieren besteht ein ähnlicher Vorgang. Eine in die Schleimhaut des Kieferrandes einwachsende Epithelialmasse um- schliesst kappenförmig eine Papille, auf welcher die erste Zahnanlage erfolst: indem diese follikelarti^e Bildun« vom Kiefer umwachsen wird, nimmt der Zahn seine ganze Differenzirung innerhalb des Kiefers, um erst mit seiner allmählichen Ausbildung die Schleimhaut zu durchbrechen, von welcher das ihn erzeugende Säckchen sich abgeschnürt hatte. Die Gestaltung der Zähne bietet ausserordentlich verschiedene Ver- hältnisse , so dass von breiten plattenartigen Gebilden bis zu langen und feinen stachelartigen Formen alle Uebergangszustände bestehen ; beson- ders bei den Fischen herrscht diese Mannichfaltigkeit. Grössere Gleich- artigkeit in der äusseren Gestalt bieten die Zjahne der Amphibien, die wenigstens bei den lebenden Formen meist einfach konisch gestaltet sind, oder spärliche Zacken besitzen. Unter den Reptilien bieten die Saurier grössere Differenzen, auch theilweise die Schlangen, bei denen eine Ab- theilung eine Verbindung gewisser Zähne mit einem besonderen Gift- drüsenapparate besitzt. Konische Form der Zähne herrscht auch bei den Crocodilen . bei welchen unter den bereits gebildeten Zähnen stets neue, von den älteren bedeckte entstehen. Den Vögeln fehlen die Zähne. Da aber fossile Formen, die Odontor- nithen (Ichthyornis, Hesperornis), erkannt sind, deren Kiefer einen Zahn- besatz trug, ist der Mangel eines Gebisses bei den gegenwärtig lebenden als ein erst innerhalb der Klasse erworbener anzusehen. Unter den Säugethieren tritt eine grössere Verschiedenheit der ein- zelnen Zähne hervor, so dass das gesammte Gebiss mannichfache Zahn- formen einschliesst. Diese theilen sich wieder in verschiedene Leistungen bei der Bewältigung der aufzunehmenden Nahrung und bieten zahlreiche, nach der Art der Nahrung wechselnde Eigenthümlichkeiten; nur bei den Delphinen bleibt der niedere Zustand der Gleichartigkeit aller Zähne fort- bestehen , und bei den Balaenen erfolgt nur eine Anlage von Zähnen , die in den Alveolarhöhlen sogar wieder rückgebildet werden. Ein Wiederersatz der verbrauchten und dann ausfallenden Zähne wird bei den Fischen durch fortgesetzte, neben den alten auftretende Neubildungen eingeleitet. Die Zahnbildung wird damit zu einem durch das ganze Leben des Thieres fortlaufenden , sich stets erneuernden Vor- gange. Auch bei den Amphibien und Reptilien treffen wir gleichfalls Mundhöhle. 577 Folgen von Zähnen , so dass continuirliche Neubildung das Gebiss voll- ständig erhalt. Dieser Vorgang beschränkt sich bei den meisten Säuge- thieren auf einen nur einmaligen Wechsel, indem das erste Gebiss 'Milch- zahnaebiss) durch ein zweites und an Zähnen reicheres ersetzt wird Diphyodontes). Eines solchen Zahnwechsels entbehren die Cetaceen Monophyodontes) . Bei den Beutelthieren ist das diphyodonte Verhalten nur rudimentär, indem es sich auf jeder Kieferhälfte auf einen einzelnen Zahn beschränkt. Aehnliches bietet sich auch bei manchen Anderen (Ele- phas, Ilalicore), sowie auch die Nagethiere sich hier anreihen lassen. Dadurch verbinden sich beide Reihen und der Zahnwechsel der Säuge- Ihiere kann als ein Vorgang betrachtet werden, der aus einem den Aus- gang bildenden polyphyodonten Zustand sich entwickelt hat. Tomes, Ch. S. , Manual of dental anatomy, human and comparative. London 1876. Deutsch von Hol'laender. Berlin 1877. § M5, Ein zweites Organ der Mundhöhle bildet die Zunge. Bei den Fischen ist sie meist ein durch den Schleimhautüberzug des Zungen- beinkörpers gebildeter, flacher, nur mit dem gesammten Kiemenskelet beweglicher Vorsprung, welcher wie an- dere Skelettheile der Wand jenes Binnen- raumes häufig einen Zahnbesatz trägt. Eine selbständige Muskulatur tritt in diesem Organe erst bei den Amphi- bien auf, wo es als ein dickes, bei vielen sogar vorstreckbares Gebilde er- scheint. Es ist bei Pipa und Dactylethra nicht ausgebildet. Meist ist nur das vor- dere Ende mit dem Boden der Mundhöhle verbunden, und das hintere erscheint in zwei Lappen ausgezogen als der beweg- lichere Theil. Eine muskulöse Zunge be- steht gleichfalls bei den Beptilien , bei Schlangen und Eidechsen aus einer be- sonderen Scheide hervorstreckbar. Das Epithel der meist schmalen Zunge bildet in der Begel Schuppen und Höcker an der oberen Fläche, und das vordere Ende zieht sich in zwei dünne Spitzen aus iEissilingues) (Fig. 310. z). Breit und flach ist die Zunge der Schildkröten und besonders der Crocodile. Bei den Vögeln ist das vordere Ende der Zunge in der Regel von einer verhornten Epithel- schichte bedeckt, zuweilen sogar mit seitlichen Widerhaken (Spechte^ Fig. 310. Zungenbeinapparat mit Zunge und Luftröhre von Varanus. e Medianes Stück des Zungenbeins. Ä1 Vorderes, h" hinteres Znngenbeinhoru. 'mm' Mus- keln, tr Trachea, z Zunge. Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 37 »78 II. 9. Wirbelthiere. oder feinen Borsten besetzt (Tukane), und nur bei Papageien bildet die Zunge ein massiveres fleischiges Organ. Unter den Saugethieren finden wir die Zunge durch bedeutendere Entwickelung der Muskulatur von betrachtlichem Volum und zugleich bezüglich ihres Schleimhautilberzuges mit zahlreichen Diffeienzirungen von Papillen. Die Function des Organs ist in hohem Grade an der Nahrungsaufnahme betheiligt. Bei manchen Prosimii und Chiropteren, auch bei platyrh inen Affen findet sich unter- halb der Zunge ein zuweilen sogar doppelter Vorsprung, die sogenannte Unterzunge. Mit der Mundhöhle verbundene Drüsenapparate entwickeln sich von der Schleimhaut der Mundhöhle aus , um dann bei voluminöserer Ausbildung und Lagerung ausserhalb der Schleimhaut nur ihre Ausführ- uänse dort einzusenken. Sie können somit als mächtiger entwickelte Drüsen der Schleimhaut betrachtet werden. Derartige grössere Drüsen sind bei Amphibien am Gaumen zwischen den Nasenkapseln gelagert, und können bedeutender ausgedehnt auf den Schädel sich erstrecken (Intermaxillardrüsen) . Bei den Beptilien sind die längs der Kieferränder gelagerten Lippendrüsen zu nennen (Schlangen und Eidechsen) . Ein mächtigeres Drüsenorgan bildet die Giftdrüse der Schlangen, die wohl ebenso aus einer Modifikation einfacher Drüsen hervorging. Bei den Schild- kröten kommt ein unter der Zunge gelagertes Drüsenpaar vor, welches man als Speicheldrüsen ansieht. Aehnliche Gruppen einzelner Drüsen besitzen auch die Eidechsen. Solche grössere, zur Bildung einer Mund- höhlenflüssigkeit beitragende Drüsen finden sich neben den an verschie- denen Stellen vertheilten. constant bei Vögeln und Saugethieren vor, und wTerden als Glandulae submaxillares, sublinguales und Parotides unter- schieden. Letztere münden bei den Vögeln im Mundwinkel aus, bei den Saugethieren im Vestibulum oris. Den Cetaceen fehlen diese Drüsen und bei den Pinnipediern sind sie gering entwickelt. Ihren bedeutendsten Umfang erreichen die drei Drüsenpaare bei Pflanzenfressern mit überwie- gender Ausbildung bald des einen, bald des anderen Paares. § 416. Als eines aus der primitiven Kopfdarmhöhle sich difl'erenzirenden Organes ist noch der Hypobranchialrinne und ihrer Derivate Erwäh- nung zu thun (vergl. S. 565). Ani- phioxus besitzt sie in der Länge der Kiemenhöhle. Unter den Cyclostomen ist sie nur noch während des ersten IIIPfcfc^sA Larvenzuslandes von Petromyzon J ''^f-'^j ^";. '" DHÜBilH beobachtet (Fig. 304 h). Da sie nicht längs der ganzen Kiemeuhöhle sich erstreckt , scheinen im Vergleiche zu Fijj. 311. Querschnitte durch den Körper junger Petromyzonlarven zur Demonstration der Bauch- rinne, il Kiemenhöhle. (Nach Cai.berla.) den Tunicaten schon Beductionen vorzuliegen. Mit der Differenzirung Mundhöhle. 579 des als Zunge fungirenden Organs tritt die Rinne fernere Rückbildungen ein, und geht in einen allmählich vom oberen Räume sich abschnürenden Canal über (Fig. 311), der endlich sich vollständig trennt. Reim aus- gebildeten Thiere verwandelt er sich in einen vom zweiten bis vierten Kiemensackpaar sich erstreckenden Gomplex mit Epithel ausgekleideter Follikel, und bildet damit ein, in physiologischer Reziehung räthselhaftes Organ, die Gl. thyreo'idea (Schilddrüse). Rei den Gnathostomen kommt es nicht mehr zur Bildung einer län- gere Zeit bestehenden Rinne, vielmehr schnürt sich an der homologen Stelle ein Fortsatz der Kopfdarmhöhle ab und bildet einen unpaaren von Epithel ausgekleideten Follikel. Unter allmählicher Sprossung löst sich dieser in eine Summe einzelner Follikel auf, die durch Rindegewebe vereinigt bleiben. Bei Fischen liegt das Organ wenig weit von seiner Bildungsstätte entfernt am vorderen Ende des Kiemenarterienstammes zwi- schen diesem und der Copula des Zun- genbeinbogens. Bei den Amphibien findet man die Thyreo'idea in der Kehl- gegend als paariges Knötchen (unpaar bei Proteus) an der inneren Fläche der hinteren Zungenbeinhörner, zuweilen in mehrfache Gruppen vertheilt. Unpaar, dicht vor den Aortenbogen liegend, er- scheint sie bei den Reptilien, paarig dagegen bei Vögeln (Fig. 312 t) in der Nähe des Ursprungs der Carotiden. In beiden Abtheilungen entfernt sie sich so- mit weit von der ersten Bildungsstätte, was durch das Zurücktreten der gros- sen Arterienstämme beeinflusst scheint. Unter den Säugethieren wird sie bei Monotremen . vielen Beutelthieren und manchen Anderen gleichfalls in 2 Theile getrennt, während sie sonst ihre bei- den seitlichen Massen durch eine mediane Querbrücke (Isthmus) ver- bunden zeigt. Immer liegt sie dicht unterhalb des Kehlkopfes auf der Luftröhre. Die Fortdauer dieses schon bei den niederen Wirbelthieren seine ur- sprüngliche Bedeutung aufgebenden Organs in der laugen Reihe höherer Formen wird aus phylogenetisch sehr frühzeitig erfolgter Vererbung ver- ständlich und zwar einer Einrichtung, deren Function bei Tunicaten mit der Nahrungsaufnahme in wichtiger Beziehung stand. Müller. W., Die Hypobranchialrinne der Tunicaten etc. Jen. Ztschr. Bd. VII. Ders., Entw. d. Schilddrüse. Jen. Ztschr. Bd. VI. Fig. 312. Thymus {th) und Thyreoidea {t\ eines reifen Embryo von Buteo vulga- r i s. tr Trachea. 37 580 II. 9. Wirbelthieie. Eigentlicher Darmcanal ( R u m p f d a r m ) . § i 17. Aus dem hinteren Ende des Kopfdarmes beginnt der ausschliesslich der Aufnahme der Nahrung und ihrer Veränderung dienende Abschnitt des Tractus intestinalis, das Darmrohr im engeren Sinne, nachdem an seiner vorderen Grenze ein bei Fischen in indifferenterem Verhalten als Schwimm- blase, von den Amphibien an als respiratorischer, Lunge und Luftwege bildender Apparat, sich von ihm gesondert hat. Der vorderste Abschnitt des Nahrungscanais entbehrt der scharfen Abgrenzung gegen den Kopfdarm. Da er ebenso wie der letztere vom N. vagus versorgt wird, besteht zur Annahme Grund, dass er ursprünglich aus dem respiratorischen Theil des primitiven Darmrohrs, nach Rückbil- dung einer grösseren Anzahl hinlerer Kiemenspalten hervorging, und da- mit dem hinteren Abschnitte der bei Amphioxus um Vieles ansehnlicheren respiratorischen Vorkammer entspricht. Rei den Cranioten entspringen nicht blos einige eigenthümliche Ver- hältnisse der Darmanlage sondern auch spätere Zustände der Ontogenie des Darmes aus den Reziehungen des Eies zur gesammten Embryonal- anlage und aus einer Vermehrung des Dottermaterials. Rei den Selachiern umwächst die Darmanlage den Dotter; aber nur der unter dem Axenskelete der Embryonalanlage befindliche rinnenförmige Theil derGesammtanlage wandelt sich alsbald in den Darm um, und schliesst sich allmählich gegen den übrigen dotterführenden Theil ab, welch' letzle- rer dann als ein Anhang des Darms, als Dotter sack, erscheint. Anfäng- lich scheinbar ausserhalb des Körpers gelagert, aber von einer Fortsetzung der Integumentschichte umhüllt, steht der Dottersack nur durch einen Stiel mit dem Darm in Verbindung ^äusserer Dottersack) und wird allmäh- lich in den Leib aufgenommen (innerer Dottersack). Unter allmählichem Verbrauche des Dotters bildet der Dottersack sich zurück. Eine gerin- gere Quantität dieses embryonalen Ernährungsmaterials , wie es im Dotter gefunden wird, bieten die Teleostier (und Ganoi'den) dar. Der voluminösere Dotter des Eies der Reptilien und Vögel bedingt einen ähn- lichen Gegensatz zwischen Darmcanal und Dottersack, doch empfängt der Dottersack keine Umhüllung vom Inlegumente, da die bei den Anamnia ihn umschliessenden Theile zur Rildung des Amnion und einer anderen fötalen Eihülle verwendet werden. Auch bei denSäugethieren, bei noch bedeutender Reduction des Eimaterials, schnürt sich die Darmanlage von der den Dottersack repräsentirenden Keimblase ab (Fig. 319). Deshalb kann diese Einrichtung von einem durch reicheres Dottermaterial ausge- zeichneten Zustande abgeleitet werden. In der Entwicklung der Frucht im mütterlichen Organismus, und der mehr oder minder innigen Verbin- dung der Fruchl mit dem Uterus ist die den Mangel eines reichlichen Dottermalerials compensirende Einrichtung zu suchen. Vom Dotiersacke Vorderdarm. 581 erhält sich aber doch ein Rudiment als »Nahelbläschena, welches als ein zur Ernährung des Embryo nichts beitragendes Gebilde auch nicht in die Leibeshöhle mit aufgenommen, sondern mit den Eihüllen nach der Geburt vom Körper getrennt wird. Die einzelnen Abschnitte des Nahrungscanais sind die auch bei Wir- bellosen unterschiedenen: Vorder-, Mittel- und Enddarm. Vorderdarm. § 418. Die erste Strecke des eigentlichen Nahrungscanais erscheint bei Amphioxus als ein ausnehmend kurzer Abschnitt, unmittelbar vor einer nach vorne gewendeten Ausbuchtung, welche als Leber gedeutet wird. Beachtet man, dass die Leber stets aus dem als Mitteldarm zu deutenden Abschnitt hervorgeht, an dessen vorderer Grenze sie sich bildet, so ergibt sich auch noch bei Crauioten vielfach eine ganz unansehnliche Aus- bildung des Vorderdarms. Die Gyclostomen, Chimaera, auch manche Te- leostier repräsentiren dieses Verhalten. Dem gegenüber stellen sich die übrigen Cranioten, bei denen der Vorderdarm einen ansehnlichen Ab- schnitt vorstellt, der in Speiseröhre (Oesophagus) und Magen ge- schieden werden kann. Jedenfalls erscheinen diese Theile unter den Wirbelthieren erst bei den Gnathostomen erworben. Für ihre Entstehung ist die Verbreitung des N. vagus an ihrer Wandung von Wichtigkeit. Da- durch findet die Auffassung Begründung, dass die fragliche Darmstrecke aus einem ursprünglich dem Kopfdarme zugehörigen Abschnitt sich hervor- gebildet hat. Die Reduction einer grössern Zahl von Kiemenspalten, wo- durch eine Strecke der respiratorischen Vorkammer der ausschliesslich nu- tritorischen Function zugetheilt wurde, steht damit wohl in engem Zusammen- hange. Andrerseits ist die Ausdeh- nung dieser Strecke , vorzüglich an dem den Magen vorstellenden Ab- schnitte, so wie ihre Lagerung in die Leibeshöhle von massenhaft aufgenom- mener Nahrung ableitbar. Die Abgren- zung des Magens vom Milteldarm wird fast regelmässig durch eine Falte der Darmvvand gebildet (Pylorusklappe) . A Bei den Fischen geht die sehr n.ji. weite, mit Längsfaltungen der Schleim- haut ausgestattete Speiseröhre meist ohne scharfe Grenze in den Maeen Fig. 313. Darmcaual von Fischen. A Von Gobius melanostomu s. B Von Salrao. o Oesophagus, v Magen, i Mitteldarm, ap Appendices pyloricae. r Enddarm. 582 II. 9. Wirbelthiere. über, der von letzlerer nur durch andere Beschaffenheit der Schleimhaut zu unterscheiden ist. In der Regel bildet der Masjen (Fig 3131 einen nach hinten gerichteten Blindsack, von dem ein nach vorne umbiegender engerer Abschnitt als »Pylorusrohr« unterschieden sich zum Mitteldarm (t) begibt. So bei allen Selachiern und Gano'i'den, auch bei vielen Teleostiern. indess andere durch den Mangel oder die beträchtliche Ausdehnung des Blind- sacks nach hinten mannichfache Differenzen darbieten. Unter den Amphibien finden wir bei Proleus eine niedere Stufe, in- dem hier das gerade verlaufende Darmrohr nicht einmal eine Magener- weiterung besitzt. Dagegen grenzt sich der Magen bei anderen Urodelen als ein weiterer Abschnitt ab, und dies bleibt auch für die Anuren, deren Magen zuweilen sogar in eine Querstellung übergeht (Bufo). Unter den Reptilien zeigt der Vorderdarm bei Schlangen und Eidech- sen durch grössere Weite des Oesophagus und geraden Verlauf des Magens niedere Zustände an. Doch ist bei den Eidechsen ein an das Pylorus- rohr der Selachier erinnerndes Verhalten bemerkbar, woraus eine all- mähliche Querstellung des Magens ableitbar wird. Bei Schildkröten und Crocodilen ist eine schärfere Sonderung des Oesophagus vom Magen auf- getreten, und bei ersteren zeigt sich durch bedeutendere Hebung des Pylorustheils eine grosse und kleine Gurvatur. Durch Näherung der Car- dia an den Pylorus erhält der Magen der Crocodile eine rundliche Gestalt, und wird noch durch eine auf jeder Fläche der Muskelwand liegende seh- nige Scheibe ausgezeichnet, wodurch eine Annäherung an den Magen der Vögel gegeben ist. A B Fig. 314. .1 Vorderdarm eines Kaubvogels ( Bnteo ) , B eines Huhnes, oc Speiserühre. «Kropf. ; blos vom Anfange des unpaaren Abschnittes (der Trachea) darge- stellt. (Nach Hehle.) Pneumatische Organe des Darmrohrs. 595 sciiliessende Falten. Die durch Muskeln bewirkte Lage Veränderung der Knorpel bedingt Oeffnung oder Schliessung des Eingangs zum Kehlkopfe. Sie sind daher auch functionell von grösserer Bedeutung als die mehr in- differenten als Stützen sich verhaltenden Theile. Jene Stellknorpel ruhen auf den vorderen Enden der beiden Längsknorpelleisten, welche bei Anderen durch quere, gegeneinander gerichtete Fortsätze ventralwärts sich verbinden und so bei vielen Amphibien einen unpaaren Abschnitt des Stimmladengerüstes entstehen lassen (C. c). Bei den Beptilien ist zwar die transversale Verbindung der beiden Länasleisten vollständiger, allein durch den conlinuirlichen Zusammen- hang derselben mit den Stellknorpeln wird besonders bei manchen Schlan- gen der niedere Zustand ausgedrückt. Bei Anderen ist die Ablösung jener Knorpel [D. a) vor sich gegangen. Auch bei Sauriern besteht dies Verhalten, nur dass hier der die Stellknorpel tragende Abschnitt sich zu einem meist geschlossenen Binge umgeformt hat. Dadurch wird ein zwei- ter Theil des Kehlkopfs als ringförmiger Knorpel unterscheidbar, der be- reits bei den Amphibien (C. c in Bildung begriffen ist. Bei Schildkröten und Crocodilen ist dieser schärfer vom Trachealskelet abgesetzt und er- scheint mit seinem Vordertheile in beträchtlicher Verbreiterung. Nicht selten geben sich Andeutungen einer Zusammensetzung aus mehreren Knorpelringen an ihm zu erkennen. Bei den Vögeln wird dieses ringför- mige Stück aus einem vorderen breiteren und zwei hinteren schmalen Thcilen zusammengesetzt, auf welch' letzteren noch ein kleines aufsitzt, welches die Stellknorpel trägt. Bei den Säugelhieren endlich ist das grosse Bingstück der Beptilien in zwei Abschnitte "etheilt. indem die vordere hohe Platte den Schild- knorpel (Gart, thyreo'ides) vorstellt, während ein zweites, vorzüglich hin- ten sehr massives Stück ringförmig bleibt (Gart, crico'ides) und an seinem hinleren höheren Abschnitte die Stellknorpel (Carl, arytaenoides) trägt. § 426. Diesem Kehlkopfskelet verbinden sich noch andere mehr oder min- der zur Slimmerzeu2;uni' dienende Theile. Von solchen sind lateral im Eingange des Kehlkopfs gelagerte Schleimhautfalten bemerkenswerth, die bei straffer Ausspannung und Entfaltung von elastischem Gewebe zu Stimmbändern werden. Sie fassen eine Spalte zwischen sich, die Stimmritze, welche durch die Befestigung der Stimmbänder an den be- weglichen Stellknorpeln veränderlich ist. Stimmbänder finden sich bei den meisten Anuren und unter den Sauriern (Geckonen und Chamäleonten), dann bei den Crocodilen. Den Schlangen fehlen sie. Bei den Vögeln liegt der Stirn mapparat in dem unteren Abschnitte der Luftwege, dem sogenannten unteren Kehlkopf, welcher Einrichtung der Stimmbandmangel im eigentlichen Kehlkopfe entspricht. Unter den Säuge- thieren nur bei den Walthieren rückgebildet, bieten sie im Wesentlichsten Anschlüsse an die beim Menschen bekannten Einrichtungen. 38* 596 U. 9. Wirbelthiere. Mit der Differeozirung einzelner Knorpelslücke aus dem ursprüng- lichen Laryngotrachealknorpel. treten gesonderte Muskeln zur Bewegung der frei gewordenen Abschnitte auf. Diese sind bei den Reptilien durch .einen Verengerer und Erweiterer vertreten, die auch mit einigen Modi- ficationen bei den Vögeln vorkommen. Die Säugethiere bieten eine aus einer Differenzirung der bei Reptilien einfacheren Muskulatur hervorgegangene Complication dar, die theils in der Zahl, theils in der Anordnung der Mus- keln sich ausspricht. Im Wesentlichen entsprechen sie jenen des Menschen. Eine den Eingang zum Kehlkopf von vorn her überragende Vorsprungs- bildung, Kehldeckel oder Epiglottis, ist bei Reptilien nur durch einen vom Stützknorpel ausgehenden, zuweilen nicht unansehnlichen Fortsatz ange- deutet. Er kommt auch bei Vögeln sehr entwickelt vor. Doch besitzen manche derselben eine besondere Epiglottis, deren Knorpel mit dem Stülz- knorpel nur durch Naht verbunden ist. Diese Einrichtungen vermögen aber niemals den Eingang zum Kehlkopf vollständig zu decken. Vollstän- dig getrennt ist der Epiglotlisknorpel bei den Säugethieren, wo er einen beim Vorbeigleiten des Bissens über den Eingang zum Kehlkopfsich legen- den Schutzapparat bildet. Bei den Sirenen erfährt er eine Bückbildung, während er bei den Walfischen zu einem langen rinnenförmigen Stücke umgestaltet ist, das mit den gleichfalls verlängerten Stellknorpeln einen an die innere Nasenöfihung emporragenden Kegel bildet, durch welchen die Aufnahme und Ausströmung der Luft erfolgt. Der vom Kehlkopf beginnende Abschnitt der Luftwege sondert sich bei einem Theile der Amphibien deutlicher in die Trachea und ihre beiden Aeste, die Bronch i, welche letztere unmittelbar in die Wandun- gen der Lungensäcke übergehen. Dahin erstrecken sich auch die Enden der Laryngotrachealknorpel bald als feine Ausläufer Menobranchus, Me- nopoma), bald als breitere, seitliche Forlsätze aussendende Stücke (Bufoi. Indem am vorderen Ende jener Leisten die Queräste gegeneinander wach- sen (vergl. Fig. 322. C.b), stellen sich die Anfänge von Knorpelringen dar. Solche sind an der meist langen Trachea der Beptilien entwickelt, bald ungeschlossen, bald vollständig geschlossen. In der Verbindung der Ringe unter sich vermittelst Läugsleisten wird bei Schlangen und Sauriern eine Spur des primitiven Verhaltens angedeutet. Die Trachea der Vögel ist immer durch beträchtliche Länge ausge- zeichnet und bietet die Sonderung der meist vollständig geschlossenen Ringe in ausgedehnterem Maasse. Denselben Bau besitzen die beiden Bronchi. An einzelnen Stellen finden sich an der Trachea nicht selten Er- weiterungen (Schwimmvögel), sowie auch Abweichungen vom geraden Verlaufe bei manchen Vögeln vorkommen. So bei Penelopiden, manchen Schwänen und beim Kranich. Bei den letzteren wird eine Trachealschlinse sogar vom Brustbein umschlossen. Am eigenlhümlichsten erscheint die den Carinaten zukommende Bil- dung eines un teren Kehlkopfes (Syrinx), an welchem in der Begel das Ende der Trachea und die Anfänge der Bronchi beiheiligt sind. Die Pneumatische Organe des Darmrohrs. 597 Formveränderungen dieser Abschnitte bestehen in einer seitlichen Com- pression , oder in der Verschmelzung einiger Ringe des Trachealendes, welches durch eine vom Theilungswinkel der Bronchi vorspringende knöcherne Leiste Steg oder Bügel halbirt v , wird und die Trommel bildet. An der medialen Fläche beider Bronchen ist bis zum Bügel eine Membran wie in einem Rahmen ausgespannt (Membrana tympaniformis interna). Zwischen dem letzten Tracheal- und dem ersten Bron- chialringe oder auch zwischen einem Paare von modificirten Bronchial ringen spannt sich die Membrana tympaniformis externa aus. Blasenförmige, asvmme- trische Erweiterungen der Trommel fin- den sich mannichfollig bei den Männchen der Anatiden. Bei den Singvögeln tritt noch eine vom Bügel sich erhebende Falte hinzu, die Membrana semilunaris. Durch die an beiden Bronchen vorhandenen Stimmmembranen, elastischen Falten der Schleimhaut, wird eine doppelte Stimmritze begrenzt. Die Thätigkeit einer besonderen Muskulatur ändert sowohl den Spannungszustand der Stimmbänder mannichfach und verengert oder erweitert zugleich die Stimmritzen. Mehrere Paare in die Luftröhre tretender Muskeln wirken als Niederzieher der ersteren und erschlaffen die Stimmbänder. Ausser diesen findet sich noch ein aus 5 bis 6 Paaren gebildeler Muskelapparat (Fig. 323 a — /'), der Singvögel auszeichnet. Fig. 323. Unterer Kehlkopf. Singrauskel- apparat des Gaben. A von der Seite, B von vorne gesehen, a —f Muskeln zur Be- wegung des unteren Kehlkopfes, y Mem- brana tympaniformis interna. § 427. Die an den Enden der Luftwege beginnenden Lungen erscheinen von den Amphibien an als Athmungswerkzeuge der höheren Wirbel- thicre. Sie sind das nicht sofort ausschliesslich , da bei allen Amphibien entweder während des Larvenzustandes oder auch bleibend (Perenni- branchiaten) noch Kiemen bestehen. In ihrem anatomischen Verhalten bieten die Lungen eine Reihe ähnlicher Diff'erenzirungen wie die zu ihnen führenden Luftwege. An die Stelle einfacher Säcke treten allmählich eomplicirte Organe, in denen die respiratorische Fläche durch Bildung kleinerer Binnenräume fortschreitend vergrössert wird. Unter den Amphibien schliessen sich die Lungen vollständig jenen der Dipno'i an; bei den Perennibranchiaten bietet ihr Inneres nur wenig Oberflächenvergrösserungen. Einfache, sehr lange, vorne wenig erwei- terte, dagegen mit einer Erweiterung endende Schläuche stellen sie bei Proteus und Menobranchus vor. Bedeutender sind die maschenförmiaen Vorsprünge an den Wänden der Lunge von Cryptobranchus, sehr gering 598 U- 9- Wirbelthiere. dagegen bei Triton. Auch bei anderen Salamandrinen isl dies noch häufig der Fall, dagegen ist bei den Anuren eine Sonderung in kleinere Räume durch ein reiches Maschennetz aufgetreten. Die Lunge wird dadurch geeignet, eine grössere Blutmenge dem Austausch der Gase aus- zusetzen. Dieses Verhältniss steigert sich bei den Reptilien. Obgleich viele die meisten Saurier) sehr einfache Lungen besitzen , so ist doch sowohl bei Schlangen als bei Grocodilen und Schildkröten jede Lunge in eine Anzahl grösserer Abschnitte getheilt, die wieder in kleinere mehr- facher Ordnung zerfallen. Bei den Schlangen zeigen die Lungen durch ihre lange Gestalt eine Anpassung an die gestreckte Körperform , auf welche auch die in verschiedenem Masse erscheinende Verkümmerung je einer Lunge bezogen werden muss. Die Verlängerung der Lunge ist von der Ausbildung einer Eigentümlichkeit begleitet, dass nämlich der letzte meist beträchtlich ausgedehnte Abschnitt der Lunsie unter Vereinfachung; seines Baues nicht mehr respiratorisch ist. Solche aus der Athmungs- function tretende Abschnitte kommen auch bei Sauriern vor. Wie auch bei den Schlangen ist es hier der vorderste über die Verbindungsstelle mit den Luftwegen hinausragende Theil der ein dichteres Maschenwerk trägt, während das hintere Ende nur geringe Binnenflächenvergrösserungen aufweist. Von diesem Abschnitte gehen bei den Chamäleonten besondere Blindschläuche aus, die weit in die Leibeshöhle einragen. Siedeuten eine Einrichtung an , welche bei den Vögeln andere funclionelle Be- ziehungen gewinnt. Hier entstehen während der Embryonalperiode gleichfalls zipfelför- mige Verlängerungen an der Oberfläche der Lunge, die sich aber mit an- deren Organen in Verbindung setzen und luflführende Hohlräume bilden. Dieser pneumatische Apparat wird schliesslich aus häutigen, zwischen die Eingeweide eingebetteten Säcken oder in die Skeleltheile eindringenden Schläuchen dargestellt. Im letzteren Falle treten an die Stelle des schwindenden Knochenmarks lufthaltige Räume, welche eine bleibende Verringerung des specifischen Gewichtes des Thieres bedingen. Ebenso entsteht durch die Füllung der zwischen die F2ingeweide gelagerten Säcke eine vom Willen des Thieres abhängige Gewichtsminderung, welche wie die erstere das Flugvermögen unterstützt. Bezüglich des feineren Baues wird für die Lunge der Vögel eine Verbindung der feinsten Räume unter einander angegeben. Das Lun- genparenchym besitzt eine spongiöse Beschaffenheit. Bei den Säugelhieren i^t der lappige Bau auf die kleinsten Abschnitte der Lunge fortgesetzt und ^ibt sich auch äusserlich in grösseren Lappen zu erkennen. Di der Lagerung der Lungen ergeben sich bedeutendere Eigenthüm- Üchkeilen. Die Lungen der Amphibien sowie der Eidechsen und Schlan- gen ragen in die Leibeshöhle. Jene der Schildkröten und Vögel siud an die dorsale Wand des Thorax gelagert und weiden an ihrer vorderen Fläche vom Peritonaeum überkleidet. Bei den Grocodilen liegt jede Lunge m einem serösen Sacke, von dem sie einen Ueberzug erhält. Aelmlich Leibeshöhle. 599 verhalten sich die Säugethiere, deren Lungen, mit einem Pleuraüberzuge bedeckt, die seitlichen Hälften der Brusthöhle einnehmen. Leibeshöhle. § 428. Bei allen Wirbelthieren trifft sich im Anschlüsse an das Verhalten zahlreicher Wirbellosen die Sonderung eines den Rumpfdarm umgeben- den Hohlraumes, welcher durch Spaltung des mittleren Keimblattes her- vorgeht. Es ist also eine im mittleren Keimblatte auftretende Höhle, welche nach Maassgabe ihrer Ausbildung das Darmdrüsenblatt und die von ihm aus differenzirten Organe von den aus dem äusseren Keimblatte entstandenen Theilen trennt. Die Beschränkung dieses Sonderungsvor- ganges auf den Rumpftheil des Leibes scheint mit der Kiemenspaltenbil- dung am Kopfdarme in Zusammenhang zu stehen , indem letztere einer Annäherung jenes Vorganges nach vorne zu, wenigstens lateral eine Grenze setzt. Wie bei Wirbellosen stellt das Cölom eine einem Abschnitte des Gefässsystems zugetheilte Räumlichkeit dar, insofern sie mit dem lymph- führenden Abschnitt desselben in Zusammenhang steht. Auch die hei vielen Wirbellosen bestehende directe Gommunication nach aussen fehlt nicht ganz, wenn sie auch nicht mehr in bedeutendem Maasse entwickelt ist. Sie findet sich in dem in der Nähe der Analöffnung gelegenen meist paarigen Porus abdominalis, der bei Cyclostomen , aber auch noch bei Gnathostomen vorkommt, wie bei den Selachiern, Chimären, bei Ce- ratodus, vielen Teleostiern , und in den Peritonealcanälen der Crocodile sein letztes, bei Schildkröten nur andeutungsweises Erscheinen findet. Auch ein offener Zusammenhang der Leibeshöhle mit dem exeretorischen Apparat ist beachtenswert!!, insoferne auch dadurch an niedere Zustände angeknüpft wird 's. Excretionsorgane). Die gesammte Innenfläche des Cöloms besitzt eine Auskleidung von einer Epithelschichle, die an einer bestimmten Strecke besonders entfaltet das Keimepithel vorstellt. Von ihm aus geschieht die Sonderung der weib- lichen Keimdrüsen. Im vorderen Abschnitte des Cöloms ist in den nie- deren Abtheilungen Flimmerepilhel an bestimmten Stellen verbreitet. In Verbindung mit einer unterliegenden Bindegewebsschichte constituirt das Epithel des Cöloms eine besondere Membran, das Peritonaeum, wel- ches sich von der Wandung her (als parietales Blatt) auf die im Räume des Cöloms liegenden oder in ihn einragenden Theile (Eingeweide; fort- setzt und dieselben gleichfalls überkleidet (viscerales Rlatt). Bei den Anamnia ist das Cölom eine einheitliche Cavität, und er- scheint ebenso noch bei den meisten Reptilien, doch ist bereits bei Croco- dilen die Scheidung eines vorderen Abschnittes vom hinteren angebahnt. Bei den Säugethieren ist sie vollzogen. Der Zwerchfellmuskel trennt den hinteren Abschnitt des Cöloms als Bauchhöhle von einem vorderen, der die beiden Lungen enthält, und durch eine mediane, auch den Herzbeutel 601) II. 9. Wirbelthiere. enthaltende Scheidewand in zwei seitliche, die Lunuen umschliessende Hälften (Pleurahöhlen' getrennt wird. Gefässsy stein. § 429. Die ernährende Flüssigkeit der Wirbelthiere bewegt sieh in abge- schlossenen Canälen mit selbständiger Wandung und nur selten nimmt diese Bahn einen lacunaren Charakter an. Dadurch unterscheidet sich die Bahn von jener der Mollusken, schliesst sich aber enger an die bei Wür- mern bestehenden Verhältnisse an. Ihre Hohlräume bilden ein System von Canälen, ein Gef ässsys tem. Die Entstehung desselben knüpft ans mittlere Keimblatt an, sowie denn auch die Derivate desselben wesentlich die Träger der Gefässe sind. Die Hauptstämme besitzen eine mediane Lagerung und verzweigen sich nach der Gliederung des Körpers, in der allgemeinsten Anordnung an manche Einrichtungen Wirbelloser erin- nernd. Diese Beziehungen kann man in dem Verhalten der Längsstämme zum respiratorischen Abschnitte des Darmcanals noch weiter begründet finden. Eine bedeutende Verschiedenheit tritt mit der Ausbildung eines Centralorgans für die Blutbewegung auf. Während dieses bei Arthropo- den und Mollusken wie bei den meisten Würmern aus dem Dorsalgefäss oder einem Theile desselben entsteht, sehen wir es bei den Wirbellhieren aus einem ventralen Abschnitte gebildet. Die Duplicilät der ersten Anlage des Herzens, wie sie bei höheren Wirbelthieren erkannt wurde (Kanin- chen), kann nicht auf irgend einen bestimmten Gefässapparat bezogen werden, da uns ein solcher jenem ähnlicher nicht bekannt ist. In den beiden grossen Gruppen der Wirbelthiere bieten sich bezüg- lich der Bewegunsscentren der ernährenden Flüssigkeit bedeutende Ver- schiedenheiten dar, so dass wir den bei Amphioxus vorhandenen Apparat von jenem der Craniota trennen müssen. Bei dem ersteren erscheinen alle grösseren Gefässstämme contractu und erinnern dadurch an die bei Würmern bestehenden Einrichtungen. Die Fortbewegung des Inhaltes des Gelasssyslems wird an vielen Stellen gefördert , ohne dass eine vor der andern bevorzugt wäre. Bezüglich der Anordnung dieser Gefässe ergibt sich Folgendes: Unter dem respiratorischen Abschnitte des Darm- canals zieht ein in regelmässigen Abständen Aeste zum Kiemengitter ent- sendender Längsslamm hin, diese Aeste sind Kiemenarterien. Sie sam- meln sich in einen über den Kiemen gelagerten Stamm, die Aorta, von wo aus weitere Verlheilungen im Körper vor sich gehen. Jede Kiemen- arterie besitzt an ihrem Ursprünge in einer contractilen Anschwellung eine herzartisie Bilduu16 II. 9. Wirbelthiere. ^ Zü2en sich in frühen Entwickelunasstadien als vererbte Einrichtung; wieder O *-' *— vorfindet, und als die Grundlage des embryonalen Venensvstems den Aus- gangspunkt für spatere Umgestaltungen abgibt. § 438. Bei den Amphibien und Reptilien nimmt der Venensinus die beiden Jugularvenen auf. welche das gleiche Ursprungsgebiet wie bei den Fischen besitzen. Sie persisliren von da an bei allen Wirbel- thieren , während das hintere Venenpaar, die Car- dinalvenen (Fig. 335. vc), nur während der ersten Embryonalperioden in einem mit den Fischen über- einstimmenden Verhalten vorkommt. Sie sind die Venen der Urnieren [U). Ihr vorderer Abschnitt ob- literirt, und ihr hinterer stellt, Venen anderer Gebiete aufnehmend, Venae renales advehentes vor. Schon vor dem Schwinden des in die CuviER'schen Gänge einmündenden Theiles der Cardinalvenen entstehen bei den Reptilien vier andere Stämme, welche vor- VC Fig. 335. Vorderer Ab- schnitt des Venensystems eines Schlangen- Embryo, r Herzkammer. ha Bulbus arteriosus. c Vorhof. DC Ductus Cu- vieri. vc C'ardinalveue. rj Jugularvene. vu Um- bilicalvene. V Urniere. I Labyrinthanlage. (Nach H. Ratiike.) züglich Intercostalvenen aufnehmen und als Venae vertebrales bezeichnet werden. Die vorderen und hinteren jeder Seite vereinigen sich und münden in die Jugularvene ihrer Seile ein. Die Verbindung mit der linken Jugularvene schwindet später, worauf die linken Vertebralvenen unter Entwickelung von Queranaslomosen mit den rechten sich vereinigen, und wie diese in die rechte Jugularvene einmünden. Mit dem Aufhören der Verbinduim der Cardinalvenen mit den Ciwiek- sehen Gängen erscheinen diese als Fortsetzungen der Jugularvenen, welche die von den Vordergliedmassen kommenden Subclavien aufnehmen, und als obere Hohlvenen bezeichnet werden. Die aus den Körperwan- dungen das Blut sammelnden Vertebralvenen sind nur während des Em- bryonalzustandes in grösserer Ausdehnung vorhanden und erleiden meist eine bedeutende Rückbildung. Auch ihre ursprünglich paarige Anordnung wird aufgegeben (Schlangen), und der grösste Theil ihres Gebietes ordnet sich der Vena cava inferior unter. Aehnliche Einrichtungen treffen wir bei den Vögeln. Ein Paar Jugu- larvenen. häufig in ungleicher Ausbildung, bildet die Hauptstämme für das aus den vorderen Körpertheilen rückkehrende Blut. An der Schädel- basis sind sie meist durch einen Querstamm mit einander verbunden, der iileichfalls vom Kopfe wie von der Halswirbelsäulc Venen eintreten lässl. Mit der Rückbildung der linken Jugularvene bildet dieser Querslamm die Bahn für die Ueberleilung des Blutes in die rechte. Die Vertebralvenen sind dabei zu unansehnlichen Gefässen geworden. Die Jugularvenen ver- einigen sich mit den in die Subclavien zusammentretenden Venen der Venensystem. 617 Vorderextremitätund die beiden dadurch entstehenden Stämme erscheinen wieder als obere Hohlvenen. Indem diese noch hinlere Yertebralvenen aufnehmen, gibt sich ein Abschnitt von ihnen als aus den bei den Fischen persistirenden Querstämmen (Ductus Cuvieri) hervorgegangen zu erken- nen. Diese Hohlvenen münden jedoch getrennt in den rechten Vorhof ein, da der noch bei den Reptilien vorhandene Sinus hier (Fig. 336. I. sv) Tig. \i'<&. Verhaltender grossen Vene nstä min e am Herzen. I Eeptil (Python). // Vogel (Sareorhamphus). III Be ut elthier (Halmaturus). IV Schwein. Sämmtlich von hinten darge- stellt, i Vena cava inferior, s Vena cava superior sinistra. d Vena cava snperior dextra. up Arteria pulmonalis. a Aorta, sv Sinus venosus. €inen Theil des Vorhofs bildet. Was die Vertebralvenen betrifft, so neh- men dieselben bei den Vögeln ihren Verlauf in einem von den Rippen umschlossenen Canal, so dass sie sieh dadurch schon als von den Cardi- nalvenen verschiedene Gefässe darstellen. § 439. Die Anlage des Venenapparates der Säugethiere stimmt mit jenem der niederen Wirbelthiere vollkommen überein. Zwei .lugularvenen (Fig. 334) nehmen Cardinalvenen auf, und die jederseils Gebildeten ge- meinsamen Stämme treten in einen Venensinus, der sich mit dem Vorhofe verbindet, und später in den rechten Vorhof aufgenommen wird. In letzte- ren münden alsdann zwei discrete Venenstämme, von denen jeder in einen vorderen stärkeren und hinteren schwächeren Stamm sich fortsetzt. In den vorderen (Fig. 337. A) senken sich mit der Rildung der Vorderextre- mitäten die Venae subclaviae [s] ein, und die beiden aus dieser Verbin- dung gebildeten Venenstämme werden als obere Hohlvenen (Venae cavae sup. unterschieden. Das Gebiet der Cardinalvenen wird mit der Entwickelung des Systems der unteren Hohlvenen allmählich beschränkt, indem ein Theil des durch die Cardinalvenen gesammelten Blutes der unteren Hohlvene zugeleitet wird. Dabei erleiden die Cardinalvenen selbst eine Rückbildung durch Uebergang eines Theiles ihrer Wurzeln in neue Längsvenenstämme, die wie bei den Reptilien die Vertebralvenen vorstellen, und in das in den CrviER'schen Gan" mündende Ende der Cardinalvenen fortgesetzt sind. 618 II. 9. Wirbelthiere. A Fig. S67. Schema der primitiven paarigen Venen bei Säuge- thi e ren. A Die Vertebralvenen sind au die Stelle eines Theiles der Cardinalvenen getreten, ivelche durch punktirte Linien an- gedeutet sind. B Die linke Jugularvene ist an ihrem unteren Abschnitte rückgebildet, ihr Gebiet ist durch einen Querstamm mit der rechten vereinigt. C Die linke Jugularvene ist bis auf ein dem Herzen anliegendes Rudiment verschwunden. / Jugular- vene. s Vena subclavia, es Vena cava superior. c Cardinalvene. v Vertebralvene. cor Vena coronaria. uz Vena azygos. Durch die Minderung ihres Gebietes erscheinen diese Vertebralvenen Fig. 337. A. B. v.) wie Zweige der aus den CuviER'schen Gängen und den Jucularvenen entstandenen Stämme, eben der oberen Hohlvenen. Diese bestehen bei Monotremen, Beutelthieren, vielen Na- gern und Insectenfressern fort. Bei Anderen wird durch Entwickelung der Queranastomosen ein Theil des Gebietes der linken, oberen Hohlvene [B) der rechten [es) zu- geführt, wobei der linke obere Hohlvenenstamni sich rückbildet (Nager, Wiederkäuer, Einhufer). Bei vollständiger Ausbil- dung dieses Verhältnisses schwindet der grösste Theil des Stammes dieser Vene und es besteht von ihr nur der ursprünglich den linken Ductus Cuvieri bildende, zwischen linker Kammer und Vorkammer gelagerte Endabschnitt [C. cor), in welchen die Herzvenen münden, als Sinus der Kranzvene des Herzeus fori. Eine halbringförmige Falte scheidet diesen Sinus auch beim Menschen von der eigentlichen Kranzvene, und die an seiner Mündung in die rechte Vorkammer befindliche Valvula Thebesii ist eine Zeit lang Klappe der linken oberen Hohlvene. Die rechte obere Hohlvene ist dann der ein- zige vordere Hauptstamm geworden (Getaceen, Carnivoren, Primaten). Mit der Beduction des linken oberen Hohlvenenstammes erleiden auch die Cardinalvenen oder die aus ihrem Gebiete hervorgegangenen Vertebralvenen bedeutende Veränderungen. Während sie im ersten Falle jederseits in die bezügliche Hohlvene münden (A), und auch im zweiten, durch Ausbildung einer rechten Hohlvene gegebenen Falle von der linken Seite her selbständig in den rechten Vorhof treten (B), wird mit der Be- duction der direct zum Herzen führenden Bahnstrecke eine Verbindung mit der rechten Vertebralvene eingeleitet. Die linke Vertebralvene setzt sich durch Queranastomosen mit der rechten in Zusammenhang, und diese wird nach Auflösung der Verbindung des oberen Endes mit der linken oberen Hohlvene zur Vena hemiazygos, während die rechte in ihrem früheren Verhalten wenigstens der Läse nach fortdauernd, zur Vena azygos wird (Fig. 339). Beim Bestehen zweier oberer Hohlvenen bleiben die beiden Vertebralvenen nicht immer unverändert, vielmehr überwiegt auch hier nicht selten der eine Stamm über den anderen, der bis zum Venensystem. 010 Verschwinden reducirt sein kann. Dann entsteht eine von beiden Seiten her Intercostalvenen aufnehmende Vena azygos, welche bald in den linken, bald in den rechten oberen Hohlvenenstamni oder auch in die einzige obere Hohlvene einmündet, z. B. bei Carnivoren (Fig. 337. C. an). Bei den meisten Säugethieren werden die Wurzeln der Jugularvenen aus zahlreichen, von äusseren und inneren Kopftheilen kommenden Venen gebildet, von welchen eine einen Theil des Blutes aus der Schädelhöhle durch das Foramen jugulare ableitet. Sie stellt nur ein untergeordnetes Gefäss dar, indem die Hauptausfuhr jenes Blutes durch einen zwischen Petrosum und Squamosum oder nur in letzterem gelagerten Canal (Ganalis temporalis) stattfindet. Unter Erweiterung des Foramen jugulare wird in anderen Fällen die dort beginnende Vene stärker und gewinnt allmählich über die anderen aus dem Schädel leitenden Bahnen die Oberhand, wobei sie sich zu der bei den Primaten vorkommenden Vena jugularis interna ge- staltet. Die übrigen Venen vereinigen sich allmählich zur Jugularis externa, welche bei den meisten Säucethieren die vorherrschende bleibt. ■Ö' § 440. Das zweite grosse Venengebiet beginnt sehr unansehnlich bei den Fischen, indem es dort einzig durch die Lebervenen vorgestellt wird, die zu mehreren oder in einen Stamm vereinigt in den gemeinsamen Venen- sinus einmünden. Mit der Verminderung des Gebietsumfanges der Car- dinalvenen bildet sich im Zusammenhange mit den Lebervenen ein neuer Bezirk, jener der unteren Hohlvene Amphibien). Derselbe Venen- slamm sammelt Blut aus der Niere und wird damit zur Vena renalis revehens iFig. 338.1. ci). Das Blut aus den Hinterextremitäten tritt in eine Vena iliaca [A. i), welche bei den urodelen Amphibien jederseits einen Ast der sich spaltenden Caudalvene aufnimmt. Sie bildet , in die Niere sich auflösend, eine Vena renalis advehens. Ein Zweig der Vena iliaca tritt gegen die Medianlinie des Abdomen und nimmt von der soge- nannten Harnblase Venen [A. o) auf, worauf er sich mit jener der anderen Seite zu einem unpaaren zur Leber verlaufenden, und damit dem Pfort- adersystem sich verbindenden Stamm [a] Vena epigastrica (Vena abdomi- nalis) vereinigt. Die Venen des Darmcanals und der Milz sammeln sich zu einem Pfortaderstamme, der längs der Leber sich auflöst. Auch bei den Reptilien bilden Lebervenen und die rückführenden Venen der Nieren eine untere Hohlvene B. ci), die unter der rechten oberen Hohlvene in den gemeinsamen Venensinus einmündet. In den einzelnen Abtheilungen der Reptilien bestehen jedoch mannichfache Mo- difikationen, und nur die Saurier und Ophidier zeigen noch manchen engeren Anschluss an die Verhältnisse des Venenapparates der Amphibien. Die Gaudalvene theilt sich in zwei Stämme, welche bei den Eidechsen Venen der hinteren Extremitäten aufnehmen und Venae renales advehen- tes vorstellen. Mit diesen Venen verbinden sich Venen der Wirbelsäule. 020 II. 9. Wirbelthiere. Aehnlich verhallen sich auch die Crocodile, deren Vena caudalis (B. c) gleichfalls sich theilt . dann aber einen die Venae renales advehentes (ra) absendenden Querstamm bildet. Die Venae renales revehentes bilden bei allen diesen einen vor der Wirbelsäule verlaufenden Stamm und in der Niere besteht ein Pfortaderkreislauf , der nur bei den Schildkröten zu fehlen scheint. Ein anderes Venengebiet der Reptilien wird durch die Venae epi- easlricae oder abdominales dargestellt. Mit der Enlwickelunc der C Cl <<ä&v i L#ffc R Fig. 33S. Hinterer Abschnitt des Venensystems. A vom Frosch, B Alligator, C Vogel. R Nieren, c (unpaarer Stamm) Candalvene. c Vena cruralis. i Vena ischiadiea. v Venae vesicales. a Vena epigastria (abdominalis), m Vena coccygeo-mesenterica. ra Vena renalis advehens. rr Vena renalis revehens. ci Vena Cava inferior. /; in A und C Vena hypogastrica, in B Ende der Vena epigastrica in der Leber. Allanlois bildet sich aus dem dieselbe begleitenden Gefässnetze ein Ve- nenpaar aus, welches anfänglich (nach Rathke bei der Natter) mit den Enden der CuviER'schen Gänge zusammen ausmündet. Diese Venae um- bilicales nehmen von der Bauchwand her Venen auf, und stehen auch mit der Bildung des Pfortaderkreislaufs der Leber in Verbindung. Bei den Schlangen verschwindet diese Umbilicalvene, nachdem die in sie ein- mündenden Venen der Bauchwand sich in einen Plexus auflösten, dagegen bleibt bei den Eidechsen eine der Umbilicalvenen mit ihrem Endab- schnitte bestehen und bildet mit den in sie mündenden Bauchvenen eine Vena epigastrica, die auch von der Harnblase Venen empfängt und nach vorn zur Leber zieht. Bei Crocodilen und Schildkröten bleiben die Enden der zwei l'm- bilical venenstämme bestehen und werden, da die Venen der Bauchwand sich in sie fortsetzen , zu Theilen der Venae epigastricae. Wie die ein- fachen Venen der Amphibien und Eidechsen treten auch sie zur Leber, Venensystem. (521 und verbinden sich bei den Crocodilen mit Aesten der Pfoftader. Bei den Schildkröten vereinigen sie sich von beiden Seiten her in einen Querstamm, der die hier nicht zu einem Pfortaderstamme vereinigten, einzelnen Venae intestinales aufnimmt. In beiden Fällen vertheilen sie sich in der Leber, gehören somit zum Pfortadersysteme derselben. Bei den Crocodilen wie bei den Schildkröten gehen die Venae epigastricae (B. a) aus den beiden Aesten der Caudalvene (c) hervor und nehmen die Crural- vene (c) auf, sowie vorher die Venae ischiadicae. Da aber bei den Croco- dilen auch die Venae renales advehentes aus der Caudalvene und der Vereinigung derselben mit den Venae ischiadicae entspringen, so wird ein Theil des aus dem hinteren Körperabschnitte kommenden Venenblutes in den Pfortaderkreislauf der Niere übergeführt, und das übrige in jenen der Leber. Bei den Schildkröten dagegen wird bei dem Mangel zuführender Nierenvenen das gesammte Blut aus dem hinleren Körperende in die Leber geleitet, indem in die Venae epigastricae auch noch Vertebralvenen einmünden. § 444. Manche der bei den Reptilien besiehenden Venen erscheinen bei den Vögeln als vorübergehende Bildungen. Die untere Hohlvene (Fig. 338. C. ci) setzt sich zwar noch aus zwei aus den Nieren kommendeu Stäm- men zusammen, aber diese nehmen die Venen der hinteren Gliedmassen (c) auf und können bei der Grösse dieser Gefässe als deren Fortsetzung be- trachtet werden. Ausser den in den Nieren wurzelnden Zweiten ver- binden sich mit diesen Stämmen noch zwei Venae hypogastricae (//). Sie sind an der Wurzel des Steisses durch eine Queranastomose verbunden, welche von hinten her die Caudalvene (c) aufnimmt und nach vorne eine zur Vena mesenterica ziehende Vena coccygeo-mesenterica [m) abgibt. Die letztere ist auch bei den Crocodilen als ein weiter Venenstamm vor- handen , der mit dem die beiden Aeste der Caudalvene verbindenden Querstamme anastomosirt. Durch ihn wird ein Theil des aus dem Schwänze oder aus den Hinterextremitäten kommenden Venenblutes vom Nierenpfortaderkreislaufe abgeleitet. Bei den Säugethieren ist nichts auf einen Nierenpfortaderkreislauf be- zügliches angedeutet. Die Verhältnisse der Umbilicalvenen und der Venae omphalo-mesentericae sind jenen der Beptilien ähnlich. Doch scheinen im Einzelnen, selbst für die grösseren Stämme manche Abweichungen zu bestehen. Sehr frühzeitig bildet sich die von den Nieren und den Keim- drüsen das Blut sammelnde untere Hohlvene (Fig. 339 ci) aus, welche mit den vereinigten Umbilicalvenen zusammentritt, und nach dem Schwinden der rechten Umbilicalvene die linke aufnimmt. Mit dem Ende des Hohlvenenstammes verbinden sich nach Auflösung der Cardinal- venen (c) die Venen des Beckens (hy) und der hinteren Extremität (il), und ebenso die Caudalvene. Zur Zeit, da die Umbilicalvene den grössten 622 II. 9. Wirbelthiere. Venenstamm vorstellt, erscheint die Cava inferior nur wie ein Zwei«; desselben. Fig. 339. Schema der Hauptstämme des Venensystems des Menschen, es Vena Cava snp. s Vena subclavia. je Jugularis externa, ji Jugularis interna. dz Vena azygos. ha Vena hemiazygos. c Andeutung der Cardinalvenen. ci Vena Cava inf. Ii Venae hepaticae. r Venae re- nales, ü Vena iliaea. hy Vena hypogastrica. An der Eintrittsstelle der Umbilicalvene in die Leber bilden sich Aeste in letzteres Organ . während gleichzeitig ähnliche Zweige aus der Leber in die Vereinigungsstelle der Umbilicalvene mit der Cava inferior treten; letztere stellen die Lebervenen vor. Dadurch wird der Pfortaderkreislauf in der Leber angebahnt. Indem das aus der Umbilicalvene dem Herzen zugeführte Blut den Umweg durch die Leber macht, bildet sich das zwischen ein- und ausfuhrenden Venen liegende Stück der Umbilical- vene zurück, um den Ductus venosus Arantii vorzustellen. Das die Mesenterialvenen aufneh- mende Stück der Vena omphalo-mesenterica wird dabei zum Stamme der Pfortader, während die von der Umbilicalvene in die Leber gebildeten Aeste nach Obliterirung des Ductus Arantii die Aeste der Pfort- ader vorstellen. So wird die untere Hohlvene zum hinteren Hauptstamme, in welchen die Venen des Beckens, der hinteren Extremitäten, der Nieren und der Geschlechtsorgane einmünden, indess die Venen des Darmcanals und der Milz die Pfortader bilden. § 442. Die Vertheilung der Blutgefässe im Körper geschieht in der Regel unter allmählicher Verästelung der ein- zelnen Stämme, bis dann aus den feinsten Verzwei- gungen der Arterien und Venen das Svstem der Capil- laren hervorseht, beiderlei Blutgefässe mit einander verbindend. Abgesehen von manchen eigenthümlichen Einrichtungen besonderer Organe herrscht im Blutgefässapparate mancher Körpertheile bezüglich der Vertheilung der Gefässe eine vom Gewöhnlichen etwas abweichende Weise. Eine Vene oder Arterie theilt sich nämlich plötzlich in ein Büschel feiner Aeste, die mit oder ohne Anastomosen sich entweder in das Capillarsystem verlieren, oder sich bald wieder in einen Stamm sammeln. Eine solche Gefässver- theilung bezeichnet man seit Langem als W u n d e r n e t z , Rete mirabile. Ihre Bedeutung liegt offenbar in einer Verlangsamung des Blutstroms und Vergrösserung der Wandoberfläche der Gefässbahn . woraus eine Verän- derung der Diffusionsverhältnisse der ernährenden Flüssigkeit resultiren muss. Geht aus einer solchen Auflösung eines Gefässes wieder ein Ge- fässstamm auf die gleiche Weise hervor, so nennt man das Wundernetz bipolar oder amphicentriseh. bleibt das Gefässnelz aufgelöst, so wird die Bildung als diffuses, unipolares oder monocenlrisches Wundernetz be- zeichnet. Bald sind nur Arterien oder nur Venen Bete mirabile simplex), Lymphgefässsystem. 623 bald beiderlei Gefässe unter einander gemischt (Rete mirabile geminum seil conjugatum an dieser Bildung betheiligt. Solche Wundernetze finden sich als arterielle in der Pseudobranchie. in der Chorio'fdea des Auges der Fische, dann sehr mannichfaltig an der Schwimmblase. Bei Vögeln und Säugethieren kommen Wundernetze im Bereiche der Carotiden und ihrer Zweige nicht selten vor. Sehr verbreitet sind sie an den Gliedmassen der Säugethiere (Monotremen, Edentaten). Auch im Bereiche der Eingeweidearterien bestehen Wundernetze sowohl an Arterien oder an Venen ; so bildet beim Schwein die Art. mesenterica ein arterielles Wundernelz. Allgemein verbreitet sind arterielle Wunder- netze an den Endzweigen der Nierenarterien, wo sie die M\LPiGHi'schen Glomeruli bilden, aus denen bekanntlich wieder eine Arterie zur Capillar- vertheilung auf den Harncanälchen hervorgeht. (Vergl. Fig 343 B. Lymphgefässsystem. § 443. Das Vorkommen eines mit dem Blutgefässsystem verbundenen Canal- systems, in welchem die auf dem capillaren Abschnitte des ersteren aus- getretene ernährende Flüssigkeit nach Durchtränkung der Gewebe als Lymphe wieder in den Blutstrom übergeführt wird, bildet eine beson- dere Einrichtung des Organismus der Cranioten. Sie scheint mit weiteren Ausbildungen des Körpers verknüpft zu sein, da sie bei Amphioxus fehlt, und ontogenetisch relativ erst spät aufzutreten beginnt, nachdem das Blut- gefässsystem sowohl in seinem arteriellen als venösen Abschnitte differen- zirt und in Thätigkeit ist. Eine besondere Bedeutung hat der am Darm- canale wurzelnde Abschuitt des Lymphgefässsystems, der das durch den Verdauungsprocess aus dem Chymus bereitete Ernährungsmaterial als Chylus aufnimmt uud der Blutbahn zuführt. Ausser der Rückleitung der Lymphe kommt diesem Canalsysteme noch eine andere, seine anatomischen Verhältnisse complicirende Verrich- tung zu. In seine Bahnen sind nämlich die Keimstätten der Formelemente der Lymphflüssigkeit, der Lymphzellen, eingebettet, die dem Blute zuge- führt allmählich in die Formbestandtheile des letzteren sich umwandeln. Dieses Lymphgefässsystem bietet in den unteren Abtheilungen der Wirbelthiere wenig Selbständigkeit dar, indem seine Bahn zum grossen Theile aus weiten, andere Organe, vorzüglich Arterien umgebenden Räumen vorgestellt wird. Die bindegewebige Arterienscheide umschliesst zugleich die Lymphbahn. Auch Venen können von weiten Lymph- gefässen umgeben sein ; so liegt z. B. die Abdominalvene von Salamandra in ein Lymphgefäss eingeschlossen. Ausser den Blutgefässe begleitenden Lymphwegen finden sich schon in den unteren Abtheilungen solche mit selbständigerem Verlaufe, wie in der Haut oder auch an Abschnitten des Darms und anderen Eingeweiden. 624 II. 9. Wirbelthiere. Peripherisch bilden die Lymphgefässe durch zahlreiche Anastomosen Ca- pillarnetze oder diese repräsentirende Räume. Daraus gehen allmählich weitere Räume, entweder Canäle, oder unregelmässig abgegrenzte Sinusse hervor, an deren Stelle erst bei den höheren Ab- theilungen in ihrem Raue mit den Venen ver- wandte Gefässe treten. Während die Lymphbahn von den niederen zu den höheren Wirbelthieren im Allgemeinen eine allmähliche Differenzirung aus dem Lacunen- system der Wirbellosen ähnlichen Räumen zu einem distinct gebauten Canalsysteme wahrneh- men lässt, derart dass die interstitielle Natur der Lymphwege mehr nur den peripherischen Ab- schnitten zukommt : so erhält sich doch allgemein noch eine aus niederen Zuständen ableitbare Ein- richtung in der Redeutung der Leibeshöhle als eines Lymphraumes. Die Leibeshöhle der Wir- belthiere schliesst sich damit näher an das Gölom vieler Wirbelloser an. Rei der bei manchen Fischen (Stör, Selachier) bestehenden Communi- cation der Leibeshöhle mit der Pericardialhöhle, wird auch diese hierher gerechnet werden dürfen, ebenso wie die Pleurahöhlen der Säua;ethiere, die nur Differenzirungen des gemeinsamen Cöloms sind. Fig. 340. Ein .Stück der Aorta einer Schild- kröte (Chelydra) von einem Lymphraum umgeben. a Aorta, b Aeussere Wand des Lymphraumes, bei h ' ist die- selbe entfernt, so dass das Blutgefäss frei liegt, c Tra- bekel. § 444. Rei den Fischen erscheinen die Hauptstämme in Gestalt von Lymph-' sinussen. Solcher finden sich meist zwei paarige vor, oder ein unpaarer unterhalb der Wirbelsäule. Der unpaare Stamm theilt sich nach vorne in zwei Aeste. In diese Stämme sammeln sich theils kleinere Sinusse, theils engere Canäle als Lymphgefässe. Die Verbindung mit dem Venensystem geschieht meist an zwei Stellen. Ein Lymphsinus des Schädels mündet jederseits in die betreffende Jugularvene ein , und am Schwänze ver- binden sich zwei, Seitengefässstämme aufnehmende Sinusse durch eine am letzten Schwanzwirbel zusammentretende Queranastomose mit der Caudalvene. Neben einem sehr entwickelten subcutanen Lymphraumsystem, welches besonders bei den ungeschwänzten Amphibien sich über einen grossen Theil der Oberfläche verbreitet, bildet der subvertebrale Lymph- raum der Amphibien einen gleich ansehnlichen Abschnitt. In ihn münden die Lymphgefässe des Darmes Chylusgefässev, wie der übrigen Einge- weide ein . sowie auch von den Extremitäten her Verbindungen mit Lymphgefässen bestehen. Rei den Reptilien treten unter dem Fort- bestehen mannichfacher , häufig auch subcutaner Lymphräume engere Lymphgefasse. 6^5 Beziehungen zu den Arterien auf, die Lymphgefasse bilden bald weite, die Arterien umgebende und von Balken durchzogene Räume (Fig. 340), bald stellen sie jene Blutbahnen begleitende Geflechte dar. Durch stär- kere Ausbildung jener Balken wird der Lymphraum in einzelne unter einander anastomosirende Canäle zerlegt. Der die Aorta umgebende Lymphraum theilt sich bei den Crocodilen und Schildkröten in zwei die Venen der Vorderextremität umgebende Stämme, in welche vom Kopfe und Halse wie von den Extremitäten Lymphgefasse einmünden. Aehnlich verhalten sich die Lymphstämme der Vögel, bei denen der vor der Aorta verlaufende Hauptstamm (Ductus thoracicus), wie auch die kleineren Ge- lasse eine grössere Selbständigkeit erreicht haben. Die Einmündung der Ductus thoracici geschieht wie bei den Reptilien in die oberen Hohlvenen (Venae brachiocephalicae). Eine zweite Verbindung findet sich am An- fange des Schwanzes mit den Venae ischiadicae oder den zuführenden Nierenvenen, worin Amphibien und Reptilien übereinkommen. Bei den Säugethieren sind die Lymphgefasse hinsichtlich ihrer Wand noch bedeutender differenzirt, obgleich auch hier die Arterienscheide für Theile des Lymphstroms häufig die Bahnen abgrenzt. Sie bilden auf ihrem sonst meist die Blutgefässe begleitenden Verlaufe vielfache Anasto- mosen, weitmaschige Geflechte, und sind, wie jene der Vögel , durch Klappen ausgezeichnet. Sowohl die Lymphgefasse der hinleren Extremi- täten, als die Chylusgefässe vereinigen sich noch in der Bauchhöhle in einen selten paarigen Hauptstamm . dessen Anfang häutig eine bedeu- tende Erweiterung (Cisterna chyli) auszeichnet. Daraus setzt sich ein in den Anfang der linken Vena brachiocephalica einmündender Ductus thora- cicus fort, und in dieselbe Vene münden beiderseitig die Stämme der Lymphgefasse vorderer Körpertheile (des Kopfes und der Vorderextre- mität) und der Brustwand. In der Nähe der Einmündung in Venen zeigen die Lymphgefäss- stämme meist beträchtliche Erweiterungen , deren Wand durch einen Muskelbeleg ausgezeichnet ist, und rhythmische Con- tractionen ausführt. Man bezeichnet derartige Ein- richtungen als Lymphherzen. Sie sind in verein- zelten Fällen am Caudalsinus von Fischen beobachtet, genauer dagegen bei Amphibien (Fröschen) und Rep- tilien (Schildkröten) bekannt ; bei ersteren sowohl an den vorderen als an den hinteren Einmündestellen vorhanden , indess bei urodelen Amphibien wie bei Reptilien nur hintere Lymphherzen nachgewiesen sind. Diese letzteren kommen unter den Vögeln nur noch Fig. 341. Caudaishrasa«. den Ratiten (Strauss, Casuar), und einigen Schwimm- Anastomosirender Quer- , , ... , ., »« i 11 i stamm h. Scitengefässe r vogeln zu, indess sie bei anderen ihren Muskelbeleg und ür3prung der Can. verloren haben und einfache blasenförmige Erweite- daivened. VonSiiums rungen vorstellen. Bei den Säugethieren endlich slanis fNach Hxrtl.) scheinen derartige Gebilde nicht mehr zur Entwicklung zu kommen. Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. "2. Aufl. 4 y 020 II. 9. Wirbelthiere. § 445. Was die Lymphzellen erzeugenden Apparate betrifft, so finden sich hiefür einfache Formen bei Fischen vor, wo im Verlaufe einzelner Lymph- gefässe Stellen bestehen, an denen eine Zellenproduction in den Maschen retieulären Bindegewebes vor sich geht. Bei bedeutenderer Entwicklung dieser Einrichtung werden partielle Anschwellungen gebildet, die wegen der Beziehungen der Lymphgefässe zu den Arterien diese begleiten. Selbst bei den höheren Wirbelthieren besteht dieses Verhalten, wenn auch die Arterienscheiden nicht mehr beständig die Bildungsstätten sind. Vor- züglich ist es die Schleimhaut des gesammten Darmcanals, deren Lymph- bahnen mit solchen zellenerzeugenden Stellen in Verbindung sind, die follikelarlige Anschwellungen herstellen. Sie finden sich zerstreut oder in verschiedenen Combinationen gruppirt (geschlossene Drüsenfoliikel). Am Anfange der Darmwand bilden Gruppen solcher Gebilde die bereits erwähnten Tonsillen , und auf einzelnen Stellen der Schleimhaut des Mitteldarms dichter bei einander stehend . bilden sie die sogenannten rtPEYER'schen Drüsen«, die bereits bei Beptilien vorkommen, aber erst bei Säugethieren eine grössere Verbreitung besitzen. Die Vereinigung einer Anzahl solcher einzelnen Lymph- Follikel stellt grössere Gebilde, Lymphdrüsen, vor, die gleichfalls in die Bah- nen der Lymphe eingebettet erscheinen. Bei Fischen, Amphibien und Beptilien werden eigentliche Lymphdrüsen noch vermisst. Auch den Vögeln scheinen sie nur in beschränkter Weise (am Halse: zuzukommen, und erst bei den Säugethieren treten sie allgemeiner auf, sowohl an dem chjlusführenden Abschnitte des Lymphsyslems im Mesenterium, als auch im übrigen Körper verbreitet. Bei einigen Säugethieren (z. B. Phoca, Canis, Delphinus) sind die Mesenleiialdrüsen zu einer einzigen Masse, dem sogen. Pancreas Aselli vereinigt. Zu den lymphzellener/.eugenden Organen gehört auch die Milz, die in ihrem feineren Bau von den Lymphdrüsen nur dadurch verschieden ist, dass die in ihr gebildeten Lymphzellen direct in die Blutbahn über- treten. Der letztere Abschnitt wird durch ein zwischen ein- und aus- tretende Gelasse eingeschaltetes feines Lacunensystem hergestellt, welches den grössten Theil der sogenannten Milzpulpa bildet. Mit Ausnahme von Amphioxus ist die Milz bei allen Wirbelthieren vorhanden und lagert stets in der Nachbarschaft des Magens, meist zu- nächst des Cardialsackes. Sie erscheint bald als ein längliches oder rundliches Organ von dunkelrother Farbe, zuweilen, wie z. B. bei man- chen Selachiern, in eine Anzahl von kleineren Läppchen zerfallen , von denen auch sonst einzelne als Nebenmilzen mit dem grösseren Organe vorkommen. § 446. Die allgemeine Verbreitung eines Organes, dessen Bau in einigen Punkten an Lymphdrüsen erinnert, während seine Beziehungen zum Excretionsorgane. Ii27 Lympbgefässsystem noch dunkel sind , gestattet für dasselbe kein gänz- liches Uebergehen. und so mag hier noch der Thy in us gedacht sein. Die- selbe erscheint als ein gleichfalls aus drüsenartigen Follikeln zusammen- gesetztes Gebilde , welches in grössere und kleinere Lappen gelheilt ist und seine kleinsten Bläschen mit Zellen gefüllt erscheinen iässt. Bei den Selachiern liegt das Organ auf den Kiemensäcken , zwischen diesen und der Muskulatur des Rückens. Beim Stör und manchen Teleostiern hält man ähnliche an der hinteren oberen Grenze der Kiemenhöhle vorkom- mende Follikel für dasselbe Organ. Bei den Amphibien trifft man die Thymus als ein kleines Knötchen hinter dem Winkel des Unterkiefers. Aehnlich erscheint sie bei den Reptilien , bei Schlangen und Schildkrölen über dem Herzen an der Carotis gelagert, und bei Crocodilen in Ueber- einstimmung mit den Vögeln (Fig. 312. th) vom Herzbeutel bis zum Unter- kiefer emporreichend. Der untere Abschnitt ist bei Säugethieren der ent- wickeltere, so dass sie nur selten aus der Brusthöhle heraustritt. Bei allen ist sie in den Jugendzuständen am beträchtlichsten entwickelt, erleidet dann Bückbildungen und nur selten behält sie den früheren Umfang auch im erwachsenen Zustande der Thiere bei (Pinnipedier) . Bis jetzt noch völlig räthselhaft ist ein unter den Wirbelthieren gleich- falls verbreitetes Organ, welches in den höheren Abtheilungen jederseits vor der Niere lagert und daher als Nebenniere (Glandula suprarenalis) bezeichnet ward. Bei den Anamia sind diese Gebilde durch die Umhül- lung sympathischer Ganglien mittels einer aus zeilenhaltigen Schläuchen zusammengesetzten Corticalschichle vertreten . und als gelbliche oder weissliche Körper über eine grössere Strecke vertheilt, indess sie bei den Amnioten jederseits Eine Masse darstellen, und in ihrer Marksubslanz üleichfalls noch Nervenelemente wahrnehmen lassen. Bemerkenswerth ist ihr relativ bedeutendes Volum während der Fötalperiode bei Säuge- thieren. Die Bedeutung dieser Organe, welche mit der Unterstellung der- selben unter den durchaus unklaren und daher verwerflichen Begriff der »Blutgefässdrüsen« in nichts gefördert wurde, dürfte daher in jeder Hin- sicht noch festzustellen sein. Excretionsorgane. § 447. Die als Excretionsorgane unter den Wirbellosen verbreiteten Ein- richtungen erscheinen in ihren wesentlichsten Verhältnissen auch bei den Wirbelthieren und lassen auch darin für den Wirbelthierstamm Ver- knüpfungen mit niederen , im übrigen weit entfernt stehenden Formen erkennen. Bei Amphioxus hat man zwar bis jetzt vergeblich nach solchen Onzanen eesucht, aber bei allen Cranioten bestehen sie in uemoinsameni DD/ *-" Typus. Dieser geht erst mit der allmählichen Differenzirung verloren und 40* 628 II. 9. Wirbelthiere. kann dann nur durch ontogenetische Prüfung erkannt werden. Den ein- fachsten Zustand repräsentirt ein in der dorsalen Wand der Leibeshöhle verlaufender Canal , der hinten in der Nähe des Afters nach aussen , und vorne mit abdominalem Ostium in die Leibeshöhle ausmündet. Erkennt man in solchem Verhalten bedeutende Uebereinstimmungen mit den K\- cretionsorganen der Würmer, so ist doch mit Hinblick auf die Metamerie des Wirbelthierkörpers die Eigenthümlichkeit nicht zu übersehen, dass dieser Urnierengang kein metameres Organ vorstellt, und damit auch zu den metameren Schleifencanälen der gegliederten Würmer kein vollstän- diges Homologon abgibt. Er wird demnach aus einem noch niederen, d. h. einem noch nicht in Metameren gelheilten Zustand des Organismus abzu- leiten sein und repräsentirt damit, wie die gleichfalls ungegliederte Chorda dorsalis, eines der phylogenetisch ältesten Organe. Dieser Urnierengang ist aus dem Meso- derm entstehend erkannt worden, in der Anlage bald als solider Zellenstrang er- scheinend , bald rinnenartig vom Epithel der Peritonealhöhle sich differenzirend (Teleostier). Von denselben Theilen aus entsteht auch die Anlage von Canälen (Fig. 342. t), welche bald beständig, bald vor- übergehend mit trichterartieer Mündune in die Bauchhöhle sich öffnen , und anderer- seits mit dem genannten Gange in Zusam- menhang treten (Selachier , Amphibien) . Sie stellen, auf ihrem Verlaufe in geknäuelte Drüsen auswachsend, den secretorischen Abschnitt der Urniere vor. Auf einer be- stimmten Strecke wächst in eine Aus- buchtung dieser metamer angeordneten Canäle ein arterieller Gefässknäuel (GIo- merulus) ein und bildet ein in einer kap- selartigen Erweiterung liegendes Malpighi- sches Körperchen. Diese letztere Einrich- tung kehrt in allen Gestaltungen des Nie- renorganes wieder, wie auch immer es sonst im Bereiche der Wirbelthiere modincirt sein mag. Als Grundform dieser Urniere wird ein Längscanal, welcher quere, mit Wimpertrichtern in die Bauchhöhle geöffnete Canälchen aufnimmt, angesehen werden dürfen, wie die Anlage des Apparates wesentlich bei (Jen Selachiern erscheint. Die Verbindung mit der Leibeshöhle, deren epitheliale Auskleidung jedenfalls einen bedeutenden Theil des Organ- systems hervorgehen lässt, erlaubt eine Vergleichung mit den Excretions- organen mancher Würmer, und verweist weil zurück auf jene Formen, in denen diese Organe die einzigen vom Mesoderm umwandelen Hohlraum- Fig. 342. Querschnitt eines Embryo vini Pristiurus. ikj Urnierengang. 1 Anlage eines Tricfrterorgans. d Darin. in Medullarrohr. ch Chorda, n, Aorta. v Venen. Excretionsorgane. 629 bildungen sind (Platt Würmer). Die metamere Anordnung der offenen Quercanäle bezieht sich auf die MeUimerie des Gesammtorgan ismus der Verlebraten. Sie ist deshalb nicht mit Schleifencanälen der Anneliden zusammenzustellen, oder gar davon abzuleiten, weil diese an den Meta- meren selbst ausmünden (§ 145) und nicht in einen Längscanal. Dieser ist es, der bei den Wirbelthieren schon durch sein erstes Erscheinen den Typus des gesammten Apparates bestimmt. Wie aber die excretorischen Organe einer grossen Anzahl von Wir- bellosen theilweise ihre Function aufgeben, um als Ausleitewege für die Gcschlechtsproducte zu dienen, so begegnen wir auch bei den Wirbel- thieren einem solchen, bedeutende Umgestaltungen des primitiven excre- torischen Organsystems hervorrufenden Verhalten. Dadurch löst sich, meist schon sehr frühzeitig, die ursprüngliche Anordnung auf. Wo sie auch in der Anlage nicht mehr wiederkehrt, ist das wohl gleichfalls auf Rechnung der erworbenen neuen Beziehungen zu setzen. § 448. • Ein besonderer Abschnitt der Urniere tritt bei Gyclostomen , Teleostiern und auch bei Amphibien am vordersten Ende des Urnieren- ganges auf, und verdient eine besondere Be- achtung, da er nicht nur früher als die übrige Urniere erscheint, sondern von letzlerer meist auch räumlich getrennt ist. Dieser Theil besteht aus einer geringen Anzahl mit Wimpertrichtern beginnender Ganälchen, die meist knäuel- förmig gewunden sind. Auch ein einziges Ganälchen kann vorkommen. Zuweilen ist an den Ganälchen auch ein Malpighi'sches Körper- chen bemerkbar. Eine Bückbildung dieser Vor der nie re tritt bei Amphibien ein, und bei den Amnioten scheint dieser Abschnitt gar nicht zur Anlage zu kommen. Dagegen per- sistirt er bei den Cyclostomen,. wo er mit einem Büschel in die Bauchhöhle ragender Wimper- trichter ausgestattet ist. Die Urniere selbst zeigt sich am einfach- sten unter den Cyclostomen bei Bdellostoma. Ein langgestreckter Canal (Fig. 343. ABa) ent- sendet von Strecke zu Strecke lateral verlau- fende kurze Quercanälchen (ö), deren blindes, durch eine Einschnürung abgesetztes Ende (e) einen Blutgefässknäuel (Glomerulus) (B) ein- schliesst. Die Quercanälchen bilden die secre- Fig. 34:j. A Ein Theil der Niere von Bdellostoma. a Harn- leiter, b Harncanälchen. c Ter- minale Kapsel. B Ein Stück da- von stärker vergrößert, a, c wie vorhin. In c ein Glomerulus, d eintretende, e austretende Arte- rie. (Nach J. Müller.) 630 11. 9. Wirbelthiere. lorischen Apparate (Harncanälchen), der Ucnierengang selbst erscheint hier als Sa mmel röhre , fungirt als Harnleiter. In voluminöserer Weise, allein mit ganz ähnlichem Verhalten der Harncanälchen , erscheinen die Nieren der Myxinen und Petromyzonten , die längs des hinteren Drittels der Leibeshöhle gelagert sind. Bei Beiden tritt der lateral verlaufende Harnleiter zum Bauchporus, bei den Petromyzonlen, nachdem er sich mit dem anderseitigen zu einem unpaaren weiteren Abschnitte verbunden hat. Die Beziehung zu metameren Wimperlrichtern ist noch zu ermitteln. Bei den Selachiern ist das primitive Verhalten nur auf frühe Enl- wickelungsstadien beschränkt. Die Urniere erstreckt sich längs der Dor- salwand der Leibeshöhle, aus discreten Canälchen angelegt, die mit Wimpertrich- tern (Fig. 3i4 i) von der Bauchhöhle her beginnen. Jeder Trichtercanal setzt sich, nachdem er zur Aufnahme eines Glomeru- lus (w sich abgezweigt hat, zum Urnieren- gange fort. Durch längeres Auswachsen stellt jedes dieser Canälchen ein durch Windungen gebildetes Läppchen (r) vor, so dass jede Niere aus einer Reihe solcher in den Urnierengang (u) sich sammelnder Knäuel zusammengesetzt wird. Der Ur- nierengang mündet in die Cloake. Sowohl am drüsigen Abschnitte dieser Niere wie an ihrem Ausführwege treten Veränderun- gen ein. Der vordere aus einer Anzahl Läppchen gebildete Abschnitt erfährt keine bedeutendere Ausbildung, welche dagegen dem hinteren zu Theil wird. Dieser ge- staltet sich, aus einer verschieden grossen Anzahl primitiver Läppchen zusammen- gesetzt (13 — 14 bei Acanthias), zu einem voluminöseren Organe, in welchem auch eine Vermehrung der Canälchen durch Sprossung vorzukommen scheint. Dieser Theil behält seine Function als Niere, indess der vordere eine Rückbildung erleidet, und beim männlichen Geschlechte mit der Keimdrüse Verbindungen erlangt. Die Wimpertrichter (Nephro- stomen) bestehen nur bei einem Theile der Haie fort, sie sind bei allen Rochen und vielen Haien versehwunden. Wo sie sich erhalten haben ist ihre Zahl reducirt. Von den Veränderungen des primären Urnierenganges ist eine Spal- tung desselben von grosser Wichligkeil. Sie beginnt an seinem vorderen Ende und schreitet nach hinten , so dass an seiner Stelle dann zwei Ca- Der eine davon beginnt mit dem vorderen Abdominal- Fig. 344. Ein Abschnitt der Niere eines Acanthia s-Emhryo (Schema). i Wimpertrichter. m Malpighi'sclie Körper, r Nierenläppehen. u Urnieren- gang. näle sieh finden. Excretionsorgane. 631 ostium des primären Ganges, und erscheint ferner ausser Beziehungen zur Niere. Es ist der Müller'sche Gang. Der andere Canal behält die Verbindung mit der Urniere bei, es ist der seeundäre Urnieren- gang. Auch für den seeundären Urnierengang bestehen Veränderungen, insofern er bei den Männchen zum Samenleiter wird. Die aus dem hin- teren Nierenabschnitte kommenden Ausführgänge sammeln sich dann zu einem gemeinsamen Harnleiter, der in einen Sinus urogenitalis ausmün- det, oder es führen mehrere Harnleiter mit getrennten Mündungen dort- hin. Bei den Weibchen sind auch die aus dem vorderen abortiven Stücke der Urniere kommenden Ausführgänge mit dem Harnleiter verbunden. Gano'i'den und Teleostier lassen die Niere in ähnlichen Lageverhäll- nissen wahrnehmen. Die Urniere erscheint wesentlich dem Volum nach weiter entfaltet, und die Ausfuhrwege lassen zwar jene Sonderungsvor- gänge nicht in vollem Umfange erkennen, die bei den Selachiern eine bedeutende Complication hervorriefen, allein ein bei Gano'iden dem Aus- führgange angefügter Trichter mit weitem abdominalen Ostium spricht für die eingeleitete Sonderung eines Müller- schen Ganges, so dass der Harnleiter nicht mehr dem primären Urnierengange entspricht. Bei den Teleostiern tritt der seeundäre Theil der Drüse am vorderen Abschnitte des Urnierenganges zuerst auf, und bildet jenen Abschnitt, der bei vielen bis zum Kopfe reicht (Kopfniere). Hieran schliesst sich der hintere später gebildete an. Das Ganze stellt ein com- pactes Drüsenorgan vor, welches vom Peritoneum überkleidet längs der Wirbelsäule sich hinzieht, in einzelnen Abschnitten mehr, in anderen min- der ausgebildet. Eine Sonderung in Lappen wird meist durch voluminösere Entwickelung einzelner Abschnitte ausgedrückt. Die Aus- führwege (Fig. 345. u) verlaufen bald an der vorderen Fläche, bald mehr am lateralen Bande und treten meist zu einem unpaaren Abschnitte zusammen, der unter oder hinter der Genital- öffnung mündet. An verschiedenen Stellen bieten die Ausführwege Erweiterungen , bald am gemeinsamen Abschnitte, bald am geson- derten; all' diese Gebilde fungiren zwar als »Harnblasen«, haben aber morphologisch mit der Harnblase der höheren Vertebralen keine Gemeinsamkeit. Für die Nieren der Amphibien finden sich Anschlüsse an die bei Se- lachiern bestehenden Befunde. Bei allen spielen Wimpertrichter für die Anlage der Harncanäle eine Bolle. Aus den primären Harncanälen bilden Fig. 345. Nieren von Sahno fario. R Nieren, u Ureter. v Blasenartige Erweiterung, -nr Ausführgang derselben, rr Venae renales revehentes. d Ductus C'uvieri. s Vena subclavia. (Nach Httktl.) 632 II. 9. Wirbelthiere. sich durch Aufknäuolung wiederum Läppchen. Bei den Cöcilien bleiben diese meist gleichartig, l>ei Urodelen und Anuren findet eine Ausbildung und Vennehrung der hinleren statt, so dass dieser Theil gegen den vor- deren bedeutend überwiegt. An diesem Abschnitte ergibt sich zugleich eine ansehnliche Vermehrung der Wimpertrichter, welche eine persistente Einrichtung vorstellen. Der vordere Theil der Niere nimmt bei den Uro- delen die Ausführgange des Hodens auf, während bei Cöcilien und Annren verschiedene Theile der Niere in dieser Verbindung stehen. Eine am pri- mären Urnierengange auftretende Differenzirung lässt auch hier einen Müller'schen Gang und einen secundären Urnierengang entstehen (Fig. 348) . Der letztere dient als Ausführweg für die Niere, wird Harnleiter bei den Cöcilien, Urodelen und allen weiblichen Anuren, indess bei den Männ- chen mancher der letzteren der primäre Urnierengang als solcher fortzu- fungiren scheint. Die Ausmündung findet selbständig in die Cloake statt. Müller, W., Das Urogenitalsystem der Cyclostomen. Jen. Zeitschr. IX. — Semper, C, Das Urogenitalsystem der Plagiostomen. Arbeiten aus dem zool. Institut zu Würzburg. II — Spengel, J. W., Das Urogenitalsystem der Amphibien. Ebenda. HI. § 449. Bei den Amnioten kommt die Urniere gleichfalls zur Ausbildung. Sie erstreckt sich zu einer gewissen Zeit der Entwickelung durch die Lei- beshöhle , gegen welche sie von der dorsalen Wand her beiderseits vor- ragt. Der Urnierengang (Fig. 346 ug) ist auch hier das Erslgebildete. In ihn münden die Harncanälchen (//), die den drüsigen Theil des Organes vorstellen. Der stets in der gleichen Function bleibende hintere Abschnitt der Ur- niere hat sich bereits bei Selachiern, mehr aber noch bei einem Theile der Amphibien ausgebildet , sowohl durch Vermehrung der Harncanälchen , als auch durch Gewinnung selbständiger Ausführwege. Dadurch werden die bei den Amnioten bestehenden Ver- hältnisse angebahnt. Bei Reptilien schliefst sich das nachträglich entste- hende Material von Harncanälchen zwar unmittelbar an den hinteren Theil der Urniere an (Lacerta), allein es verbindet sich nicht mit ihm zu Einem Organe, sondern stellt ein Neues vor, die blei- bende Niere. Diese besteht hier noch eineZeit lang mitder Urniere, hat aber Fig. :>lii. Querschnitt durch den Embryo eines Vogels (Hühnchen). A Amnionhelile. um Amnion, ch Chorda, a Aorta, v Cardinal- vene. u Urniere. >tg Urnierengang. e Keim- epithel. P Pleüroperitonealhöhle. I) Darm- rinne. Excretionsorgane. (J33 selbständige Ausleitewege (Ureteren) gewonnen, und übernimmt die Function der Urniere, in dem Maasse als diese sieh rückbildet oder für den Genitalapparat verwendet wird. Bei den Vögeln scheint die Anlage der bleibenden Niere selbständig zu erfolgen , und noch mehr ist das für die Säugelhiere der Fall. In der Würdigung dieser Verhältnisse erscheint also die sogenannte bleibende Niere der Anmieten als ein an- fänglich an die Urniere sich anschliessendes , einen Theil derselben vor- stellendes Organ, das sich allmählich sowohl räumlich als zeitlich von ihr sondert. Eine Anlage von Wimpertrichtern ist nicht bekannt geworden. Auch die Scheidung des Urnierenganges besteht nicht mehr wie bei den Anamnia , vielmehr besitzt der Müller'sche Gang eine gesonderte Anlage. In Lage und Ausdehnung bieten die Nieren der Reptilien und Vögel manche an die Fische sich anschliessende Verhältnisse. Sie liegen weit nach hinten, der Gloake benachbart, nur bei den Schlangen weiter davon entfernt, und zugleich mehr in die Länge gestreckt. Durch die Bildung von Lappen bietet ihre Form grössere.Mannichfaltigkeit. Bei den Vögeln sind sie in die Vertiefungen zwischen den Querfortsätzen der Sacralwirbel ein- gebettet, und zerfallen meist in drei zuweilen mit einander verbundene Abschnitte, die je einen verschiedenen Umfang erreichen können. Die Ureteren (Fig. 349 u) sind meist am Innenrande der Nieren gelagert, von Stelle zu Stelle grössere Harncanäle aufnehmend (Schlangen, Schildkrö- ten), oder sie werden vom Nierenparenchym umschlossen , um meist erst am Ende des Organs hervorzutreten (Saurier, Crocodile). Bei den Vö- geln verlaufen sie zum grossen Theil ausserhalb der Niere. Bei Allen münden sie gesondert in die Gloake aus, oder in einen auch die Ge- schlechtswege aufnehmenden Sinus urogenitalis. Die Nieren der Säugethiere bieten nach der Sonderung der als »Nie- rencanal« bezeichneten Anlage vom Urnierengange mancherlei Veränderun- gen, besonders für die Mündung der Ureteren. Die am blinden Ende des »Nierencanals« entstehenden Nieren treten nach ihrer Differenz irung hinter die Urnieren. Sie scheinen anfänglieh eine glatte Oberfläche zu besitzen, welche mit der Ausbildung des drüsi- gen Parenchyms in einzelne Lappen uneben wird. In jedem Lappen treten die Harncanälchen auf einen papillenartigen Vorsprung zusammen, an welchen sich der gemeinsame Ausführgang des Lappens anschliesst. Er bildet die Nierenkelche , und deren Vereinigung das Nierenbecken, welches den Ureter hervorgehen lässt. Sehr zahlreich (gegen 200) sind die discret bleibenden Lappen bei den Cetaceen. Eine geringere Zahl besitzen die Pinnipedier. Auch bei vielen Carnivoren bleiben die Lappen getrennt (Ursus , Lutra) , indess bei andern eine Verschmel- zung der Lappen stattfindet. Dadurch erhalten die Nieren eine höcke- rige Oberfläche (z. B. bei Hyaena, Bos , Elephas). Dies ist für Andere ein gleichfalls vorübergehender Zustand , und mit völliger Verschmelzung derCorlicalsubstanzder Lappen empfängt die Niere eine glatte Oberfläche, ö;$4 IL 9. Wirbelthiere. an dci' wohl noch einzelne Furchen die ursprüngliche Trennung in Lappen andeuten. Im Innern der Niere dagegen erhält sich die Tren- nung mehr oder minder vollständig, und man findet die Zahl der ur- sprünglichen Lappen in den verschiedengradig verschmolzenen Papillen ausgedrückt. Die Verschmelzung kann auch mehrere oder sämmtliche Lappen betreffen, so dass eine viel geringere Zahl von Nierenpapillen be- steht, die sogar in eine einzige zusammentreten können (Marsupialien, Edeutaten, Nagethiere, manche Carnivoren und Primaten) . Die aus dem Nierencanale gebildeten Ureteren senken sich nach ihrer Trennung vom Urnierengange anfänglich in den in der Bauchhöhle des Embryo verlaufenden , mit der primitiven Beckendarmhöhle verbundenen Abschnitt der Allantois ein (Urachus). Dieser bildet sich allmählich in ein spindelförmig erweitertes Organ um, die Harnblase, während die Forlsetzung des Urachus zum Nabel, und von da in den Nabelstrang, ob- lilerirt. Ersterer Abschnitt bildet das Ligamentum vesico-umbilicale me- dium. Die ursprünglich spindelförmige Gestalt der Harnblase erhält sich bei manchen Säugethieren (Robben), während sie bei anderen allmählich Modifikationen erleidet , an welche Differenzen in den Einmündungsver- hälluissen der Ureteren sich knüpfen. So öffnen sich die Ureteren bei vielen Nagern weit oben an der hinleren Blasenwand (Fig. 354. C. u . Das fernere Verhallen der Ausführwege ist mit dem Geschlechts- apparate gemein und wird deshalb bei diesem Erwähnung finden. Geschlechtsorgane. § 450. Die Organe der Fortpflanzung sind bei den Wirbeltbieren auf ver- schiedene Individuen vertheilt; die Trennung der Geschlechter ist Regel, von der jedoch bei den Fischen manche Ausnahme vorkommt. Auch in höheren Abtheilungen bestehen manche Einrichtungen welche auf Herm- aphroditismus gedeutet sind. Es scheint mir aber, dass nur die Zeu- gungsstoffe für jenes Unheil massgebend sein können, und nicht das Ver- halten der Ausfuhrwege, welche dem Geschlechtsapparat ursprünglich fremd sind. Von den Zeugungsstoffen ist die erste Genese der männlichen bis jetzt noch wenig sicher ermittelt, dagegen ist die Abstammung der weib- lichen aus der die Bauchhöhle auskleidenden Epithelschichte festgestellt. Damit erscheinen Verhältnisse wie sie bei Wirbellosen unter den Wür- mern bestehen. Bei Amphioxus bilden sich an zahlreichen Stellen der Leibeshöhle, oder in Bäumen die mit letzlerer zusammenhängen, follikel- artige , von einer Schichte des Epithels umgebene , und Ausbuchlungen der letztern darstellende Gebilde, die als die Keimdrüsen sich darstellen. Die Eier entstehen hier zwischen indifferenten platten Zellen, welche zugleich das Stroma des Orgaues vorstellen. Auch in diesem Punkte Geschlechtsorgane. 635 • stellt Amphioxus den Cranioten sich ferner, denn bei diesen ist es eine ganz bestimmte und beschränktere Localitäl, welche den Keimdrüsen Ursprung gibt. Die epitheliale Auskleidung der Bauchhöhle behält an einer der Urnierenanlage entsprechenden Strecke länger als an anderen Stellen ihren ursprünglichen Charakter, und kann von jenen als Keim- epithel unterschieden werden (Fig. 346. e). In grösserer oder geringerer Ausdehnung findet hier zur Seite des Mesenteriums durch Bindogewebs- wuchcrung eine faltenartige Erbebung statt, die Genitalfalte. Einsenk- ungen des Epithels stellen auf dieser die Anlage der Eier vor. Von efcier einwachsenden Zellgruppe entfaltet sich eine Zelle zum Ei. die andern bilden eine das Ei umgebende Zellschichte, das Follikelepithel, welches mit der es umgebenden Bindegewebsschicht den Eifollikel bildet. Bald gibt jede Einsenkung des Keimepithels nur einem einzigen Follikel Entstehung, wie es bei den Anamnia sich trifft (Selachier), bald wuchern jene Zellgruppen weiter und bilden die Anlagen zahlreicher Follikel wie bei den Amnioten. Die im Eifollikel um die Eizelle lagernden Zellen bleiben meist indif- ferent und tragen sowohl zur Ernährung des Eies wie zur Bildung der das Ei umgebenden Dolterhaut bei. Mehr oder minder bedeutende Mo- dificationen betreffen theils das Ei, theils die dasselbe umgebenden Zellen des Follikels. Diese bilden unter gleichmässigem Wachsthumc des Eies und des Follikels eine einfache epithelartige Schichte bei den Fischen, Amphibien, Beplilien und Vögeln. Bei den Säugelhieren dagegen ver- mehren sie sich bei relativ klein bleibender Eizelle und füllen eine Zeit lang den grössten Theil des Follikels aus. Unter Vergrösserung des letzteren entsteht allmählich in dessen Innern ein mit Fluidum gefüllter Raum, durch den die Zellschichte des Follikels an der Wandung sich ausbreitet (Membrana granulosa), wo sie an einer etwas verdickten Stelle das Ei umschliesst. Die die Eizelle beireffenden Veränderungen gehen vom Dotter aus, und sind von einer Volumszunahme des Eies begleitet. Dieses trifft sich schon bei Teleostiern , deren Dotterkörnchen häufig bedeutende Verände- rungen eingehen. Aehnlich verhalten sich die Eier der Amphibien. In höherem Grade findet Vermehrung und eigenthümliche Differenzirung der Dotterkörnchen in den Eizellen der Selachier, Reptilien und Vögel statt. Ihre Menge verleiht dem reifen Ei eine bedeutende Grösse. Den männlichen Keimdrüsen dient die mit dem Keimepithel überkleidete Stelle gleichfalls als Rildungsstälte, aber es scheint, dass jenes Epithel nicht an dem Aufbau der Hoden direct betheiligt ist. Die erste Differenzirung der den Hoden zusammensetzenden Drüsenschläuche (Samencanälchen) ist noch unbekannt, und die Annahme ihrer Ent- stehung aus einem Theile der Urniere führt die Schwierigkeit herbei, jene Hoden bildungen zu erklären, die keinerlei Verbindung mit der Urniere eingehen. Durch Differenzirungsvorgänge des Epithels der Samencanälchen ent- stehen die Formelemente des Sperma. Diese stellen bei allen 636 H- 9- Wirbelthiere. Wirbelthierea bewegliche, von einem verschieden gestalteten dickern Theile , dein sogenannten Köpfchen ausgehende Faden vor. Das Köpf- chen ist bald scheibenförmig oder elliptisch, wie bei vielen Säugethieren und Fischen, oder es ist langgestreckt bei Selaehiern , Amphibien, Vö- geln. Bei letzteren häufig korkzieherartig gewunden. Eine undulirende Membran zeichnet die Samenfäden mancher Amphibien (Salamandrinen und Kröten) aus. § 451. Aus den als Genitalfalten bezeichneten Bildungen gehen die Keim- drüsen hervor. Bald ist es ein grösserer bald ein kleinerer Abschnitt der dadurch zum Ovarium oder zum Hoden sich gestaltet. Die Gyclostomen zeigen die einfachsten Befunde. Die Ovarien der Petromyzonlen er- scheinen als paarige, längs der Leibeshöhle sich erstreckende, vielfach ge- faltete Lamellen , in denen die Eier entstehen. Aehnlich stellen sich die Hoden dar. Unpaar, der rechten Seite des Mesenteriums entspringend, trifft man die Keimdrüsen der Myxinen. Beiderlei GeschlechtssloHe werden in die Leibeshöhle entleert, von wo sie durch den Abdominal- porus nach aussen gelangen. An diese Einrichtung schliessen sich bei manchen Teleostiern die Ova- rien an, so z. B. beidenSalmonen, deren Eier gleichfalls in die Bauchhöhle gerathen und durch einen Abdominalporus entleert werden. Unter den Selaehiern ist dasselbe noch bei Laemargus borealis der Fall , wobei den Ovarien bei geringerer Grösse der Eier eine bedeutende Ausdehnung zu- kommt. Bei den übrigen Fischen bestehen für beiderlei Geschlechter Ausführwege , die grösstentheils — vielleicht sämmtlich — durch die an der Urniere aufgetretenen Differenzirungen (vergl. § 448) hervor- gingen. Die Gano'i'den stehen in dieser Beziehung auf einer niederen Stufe, indem ihre Keimdrüsen der directen Ausführwege entbehren , und ihre Producte in die Leibeshöhle gelangen lassen. Hier dient ein dem Müller- schen Gang homologer Apparat in beiden Geschlechtern der Ausleitung, indem dem Harnleiter (seeundären Urnierengang) ein verschieden langer mit trichterförmiger Oeffnung versehener Ganal angefügt ist , der die Ge- schlechlsproducte aufnimmt. Harn- und Geschlechtswege sind somit eine Strecke weit gemeinsam. Es muss diese Thatsache als von besonderer Wichtigkeit angesehen werden, denn wir lernen durch sie den Müller- schen Gang als eine auch im männlichen Geschlechte verw endete Einrich- tung kennen. Das Auftreten dieses Ganges in beiden Geschlechtern ge- langt damit zum näheren Verständniss, und man hat nicht nöthig die Lxistenz jener Organe bei dem männlichen Geschlecht von einer ur- sprünglich bestanden habenden Zwitterbildung abzuleiten, welche in je- nem Zustande, wie er vorauszusetzen wäre, nicht erwiesen ist. Aus den bei denGanoiden waltenden Einrichtungen lassen sich zwei andere Befunde ableiten. Der eine trifft sich bei der Mehrzahl der rfe- Geschlechtsorgane. 637 leostier, der andere bei den Selachiern, und daran im Anschluss bei Am- phibien und allen Amnioten. Die männlichen Organe aller Teleostier und die weiblichen mit der oben berührten Ausnahme, erscheinen in Schlauchform. Die keimberei- tende Stalte ist häufig auf eine Stelle des Schlauches beschränkt, und bildet von da aus je nach dem Ausbildungsgrade ihrer Producte eine mehr oder minder bedeutende Einragung. Die beiderseitigen Ausfuhr- gänge dieser Genilalschläuche 'Fig. 347. tt) verbinden sich zu einem a/i V\:t- 347. Geschlechtsorgane und Darmcanal von Clupea Haren gus. oe Oesophagus, r Magen. ap Appendices pyloricae. /Darm, a Afteröffnung, vn Schwimmblase, d.pn Luftgang, s Milz. //Hoden. vd Ausführgang derselben, ff Genitalporns. hr Kiemen. (Nach Brandt.) mit dem Genitalporns mündenden gemeinsamen Wege. Bei diesen Ein- richtungen sind die Keimdrüsen. in der Regel nicht durch den ganzen Apparat, sondern nur durch die an der Innenwand der Schläuche vor- ragenden, oft gelappt oder auch ramificirt erscheinenden Keimstätten vor- gestellt. Deren Umhüllung bildet wahrscheinlich der sich schlauchförmig umgestaltende Müller'sche Gang, was übrigens noch ontogenetisch fest- zustellen ist. Bei einer Anzahl von Teleostiern sind Zwitterbildungen beobachtet, indem dem Ovarialschlauch noch ein Ilodenschlauch anliegt. Am bekann- testen in dieser Beziehung sind Arten der Gattung Serranus. § 452. Unter den Selachiern hat sich die bei den Gano'i'den bestehende Ein- richtung für das weibliche Geschlecht erhalten und weiter ausgebildet. Die Keimdrüsen bilden sich meist nur an einer beschränkten Strecke der Genitalfalte aus, während der übrig bleibende Theil durch Wucherung des Stroma in ein eigenthümliches Gewebe (epigonales Organ) sich um- wandelt. Die Ovarien sind in der Begel paarig, ziemlich weit vorne liegend. Bei manchen wird das linke rudimentär (Mustelus, Galeus, Scyllium, Pristiurus, Carcharias). Die aus den Müller'schen Gängen ent- standenen langen Oviducte bilden mit ihren unter einander verschmol- zenen abdominalen Ostien eine weite, der bedeutenden Grösse der auf- zunehmenden Eier entsprechende Trichtermündung. Das hintere Ende 638 II. 9. Wirbelthiere. jedes Eileiters ist in einen durch grössere Weite und häufig auch durch stärkere Wandungen ausgezeichneten, bei den meisten als Uterus fun- girenden Abschnitt differenzirt, der in die Cloake ausmündet. Die Sonderuno eines drüsigen Abschnittes nahe am abdominalen Ende des Eileiters kommt den Selachiern wie den Chimären zu, deren Geschlechts- organe, wie auch jene der Dipnoi, in den wesentlichsten Punkten überein- stimmen. Die männlichen Organe werden in diesen Abiheilungen durch meist kleine Hoden repräsenlirt, deren Ausführgänge mit dem vorderen Theile der Excretionsor«ane sich in Verbindung setzten, so dass dieser Theil der Urniere sammt ihrem Ausführgange zum Ge- schlechtsapparate verwendet wird. Das Vas deferens begibt sich nach mehrfachen Windungen zur Cloake, nachdem es bei Chimära mit dem anderseitigen sich verbunden hat, uud mündet meist mit dem Harn- leiter gemeinsam in einen Sinus urogenitalis, derauf einem papillen- arligen Vorsprunge in die Cloake sich öffnet. Vom Müller'schenGaniie bleibt ein Rest mit dem Ostiuin abdominale bestehen, an der ent- sprechenden Stelle, wo dieser beim Weibchen sich findet. Auch vom hinteren Ende scheint bei Man- chen eine Strecke in Verbindung mit der Cloake sich zu erhalten. In ansehnlicher Weise erhält sich der Müller'sche Gang bei Chi- mära. Theile der Hintergliedmasse sind bei den Männchen der Se- lachier und Chimären in Begattungs- organe umgewandelt (S. 511). Die Amphibien knüpfen bezüg- lich des Geschlechlsapparates enge an die Selachier an. Die Ovarien (Fig. 348 A. ov) bilden je nach der Zahl der in ihnen zur Reife kom- menden Eier verschieden mächtige Lamellen , die in die Bauchhöhle einragen. Sie umschliessen bei den Urodelen einen Hohlraum, der bei den Anuren in mehrfache Räume getheilt ist. Der Müller'sche Gang bildet den Eileiter (od) , der weit vorne mit trichterförmiger Oeffnung Fig. 348. Urogenitalsystem der Amphibien (Triton), Schema. A Weiblich. B Männlich. r Niere. Auf deren Oberfläche sind die Nephro- stomen angedeutet, sug Harnleiter. od Ovi- duct. m MOi.LER'scher Gang, ic Aust'ührgänge der Hoden, t Hoden, ov Eierstock. « Urogenital- mündung. (Theilweise nach Svenoel.) Geschlechtsorgane. 639 beginnt und immer selbständig in die Cloake ausmündet. Zur Zeit der Geschlechtsfunction bietet er meist eine ansehnliche Vergrösserung dar. die sich auch in reichen Windungen ausspricht. Bei lebendig gebäh- renden Arten fSalamandra] funeirt der letzte Abschnitt des Eileiters als Uterus. Die Hoden verhalten sich hinsichtlich ihrer Lage den Ovarien ähnlich. Sie stellen bald ein einheitliches Organ vor, bald bestehen sie aus einer Reihe grösserer oder kleinerer und darum auch zahlreicherer Körper. Letzteres ist bei manchen Cöcilien der Fall, während Andere Uebergänge zur einheitlichen Gestaltung darbieten. Ein longitudinaler Sammelgang nimmt die Ausführgänge der eiuzelnen Abschnitte des Hodens auf, und gibt wieder Quercanäle ab, welche ebensovielen primären Abschnitten der Niere entsprechen, und mit diesen sich verbinden. Die Niere ist so- mit Ausführweg des Sperma , welches durch den Harnleiter (seeundärer Urnierengang) entleert wird. Auch bei den Anuren wird das Sperma aus dem Hoden durch ein zwischen diesem und der Niere liegendes Netz von Canälchen letzterer zuseleitet. Aber die aus dem loneitudinalen Sammel- gang in die Nieren eintretenden Canälchen durchsetzen die Niere, ohne mit Malpighi'schen Körperchen in Zusammenhang zu stehen , und mün- den direct iu den Harnleiter. Nur Bufo macht eine Ausnahme, indem ein Zusammenhang der Vasa efferentia mit den Malpighi'schen Körperchen besteht. Die Urodelen lassen nur den vorderen Abschnitt der Niere (Ge- nitalniere) in Verbindung mit dem Geschlechtsorgane erkennen. Aus einem im oder am Hoden [B. t) liegenden Sammelgange führen Quer- canäle [v. e) durch das Mesorchium meist zu einem Längscanal, aus wel- chem wieder Ganäle entspringen , die in den genannten Nierentheil ein- führen. Das Sperma durchläuft also nur einen bestimmten Abschnitt der Niere, und tritt nur durch die aus jenem kommenden Ausführgänge in den gemeinsamen Harnleiter über, der aus dem seeundären Urnierengang gebildet ist. In dem Maasse als dieser Theil der Urniere der Harnsecrelion entfremdet ist, wird er dem Geschlechtsapparate zugetheilt, so dass dann nur im Harnleiter eine Mischung beider Secrete stattlindet. Der Müller'sche Gang persistirt auch bei den Männchen vorne frei, dann meist in dichtem Anschluss an den seeundären Urnierengang. Er erscheint vollständig [m), sogar mit offenem Ostiuni abdominale, oder nur theilweise als Canal, und auf Strecken in einen soliden Strang umgewan- delt. Am meisten ist das bei den Anuren der Fall, unter denen er jedoch bei Bufo sehr ausgebildet anzutreffen ist. Bei den Cöcilien ist der hintere Abschnitt in seiner Wand mit mächtig entfalteten Drüsen versehen, welche diesen Theil noch in Function erscheinen lassen. An dem Hoden mancher Anuren vBufo) liegt ein eigentümliches, grosse, eiähnliche Zellen führendes Organ, welches früher als rudimen- täres Ovarium gedeutet wurde. Es ist in seiner Bedeutung ebensowenig sichergestellt als die sogenannten Fettkörper, die bei Anuren am Vor- derende der Keimdrüse angeheftet erscheinen. 640 II. 9. Wirbelthiere. Die Ausmündung des Geschlechlsapparates in die Gloake lässt diese auch bei der Geschlechtsfunction thätig sein. Bei weiblichen Urodelen Salamandra) nehmen die Cloakendrüsen Sperma auf, und fungiren als Receptacula seminis. Bei den Cöcilien vermag die Gloake der Männchen vorgestülpt werden und dient als Organ der Begattung. Semper, C, ürogenitalsyslem der Selachier. — Spengel, Urogenitalsystem der Amphibien. I. c. § 453. Die Anordnung des Geschlechtsapparates der Sauropsiden wiederholt in den Grundzügen das für die Amphibien Geschilderte, und zeigt dabei eine Weiterentwickelung jener Einrichtungen. Die Ovarien lagern als traubige Gebilde vor der Wirbelsäule, oder ihr zur Seite, und bilden je nach dem Reifezustande der in dieser Abtheilung sehr voluminösen Eier verschieden grosse Organe. Bei den Schlangen sind die Ovarien in ver- schiedener Hohe vertheilt. Das rechte grössere liegt meist vor dem linken. Die Vögel bieten eine Verkümmerung des rechten Eierstocks dar. Gleich- massig mit dem linken angelegt, bleibt er, indess der linke sich ausbildet, auf niederer Stufe stehen, und kann endlich ganz verschwinden. Rudi- mente davon finden sich bei Tagraubvögeln. Die Oviducte entstehen wieder aus den Müller'schen Gängen und erscheinen im ausgebildeten Zustande als ansehnliche, meist gewunden verlaufende Canäle , die mit weitem abdominalen Ostium beginnen. Die Schleimhautauskleidung bietet zahlreiche Längsfalten und ist am unteren, auch mit stärkerer Muskel wand versehenen Abschnitte vom übrigen län- geren Theile verschieden, besonders bei Vögeln durch bedeutendere Fal- ten- und Zottenbildung ausgezeichnet. Diese Difl'erenzirung des Eileiters entspricht der Verschiedenheit der Function der einzelnen Strecken, von denen die längere vordere das Eiweiss secernirt, indess vom dickwandi- geren Endstücke die Schale gebildet wird. Dieser Abschnitt verbindet sich mittels einer kurzen engeren Strecke mit der Gloake. Der Rückbil- dung des rechtsseitigen Eierstockes entspricht bei den Vögeln die Rück- bildung des gleichseitigen Oviductes, von welchem nicht selten Reste in der Nähe der Gloake angetroffen werden. Während Schlangen und Eidechsen mit den Vögeln die Ausmündungsstellen der Oviducte sjemein haben, findet bei den Schildkröten die Mündung in den Hals der soge- nannten Harnblase statt , dadurch erscheint ein Verhältniss vorbereitet, welches bei den Säugethieren typisch wird. Bei manchen Schlangen nimmt eine Ausstülpung der hinteren Cloakenwand die Ostien der Oviducte auf. — Hinter den Ovarien erhält sich (bei Eidechsen und Vögeln beobachtet) ein Rest der Urniere. Vom männlichen Apparate lagern die meist ovalen Hoden durch eine Bauchfellfalte befestigt an der Wirbelsäule , bald vor, bald median von [\vn Nieren. Ihr Volum steht mit dem Zustande ihrer Function in engem » Geschlechtsorgane. 641 GonneXj was besonders bei den Vögeln hervortritt, men sie eine den Ovarien entsprechende Lagerung rentia begeben sich zu einem meist nur aus wenigen Canälen bestehenden Nebenhoden , von dem ein Vas defe- rens sieh zur Cloake erstreckt. In geradem Verlaufe findet es sich bei Crocodilen, zahlreiche kleinere Win- dungen beschreibt es bei Schlansen, Eidechsen und Vögeln, indess es bei den Schildkröten (Fig. 349. e) ein Convolut von Windungen darstellt. Sein Endabschnitt ist bei manchen Sauriern und Vögeln , sowie bei den Crocodilen erweitert. Die Vasa deferentia münden bei Eidechsen noch mit dem Harnleiter verbunden in die Cloake aus, bei den Cheloniern in einen Sinus urogenitalis, der durch den Hals der Harnblase gebildet wird. Die Ausmündestelle jedes Samenleiters befindet sich zu- weilen auf einer papillenarligen Vor- raüunu fEidechsen, Vösiel). Vom Müller'schen Gange besteht ein* Rudiment in Gestalt eines vom vorderen Ende des Nebenhodens nach vorn verlaufenden Fadens (Eidechsen), Bei Schlangen neh- ein. Die Vasa effe- Fig. 349. Harn- und Geschlechtsorgane einer Schildkröte fChelydra serpentina). r Nie- ren, u Harnleiter, v Blase, t Hoden, c Neben- hoden und Vas deferens. ug Oeffnung desFro- genitalsinus in die Cloake. cl Cloake, von hinten geöffnet. ti Ruthe. s Ruthenfurche. re Enddarm, c e' Blindsäcke der Cloake. sowie auch noch Resle des nicht zum Nebenhoden verwendeten Theiles des vorderen Abschnittes der Urniere zu erkennen sind. § 454. Bei den Saugethieren erleidet der Geschlechtsapparat durch Ausbildung der einzelnen Abschnitte der Ausführgänge und durch das Auftreten zahl- reicher accessorischer Gebilde bedeutende Veränderungen. Beim weib- lichen Appa rate stehen diese zum grossen Theile mit den vom Embryo zum mütterlichen Organismus gewonnenen Beziehungen im Zusammen- hang. Die geringere Ausprägung der letzteren bei Monotremen bedingt daher mindere Modificationen , und damit zugleich directe Anschlüsse an die niederen Abtheilungen der Wirbelthiere, speciell an die Sauropsiden. Die Oviducte (Fig. 350 t) münden getrennt in einen Sinus urogenitalis der mit der Cloake (cl) communicirt. Das untere Ende des Eileiters ist durch dickere Muskelwand ausgezeichnet, bildet einen Uterus [m] der aber Gegenbaur, Grundriss d. vergl. Anatomie. 2. Aufl. 41 642 II. 9. Wirbeithiere. nur jenen Bildungen entspricht, die auch bei manchen Anamnien um! Sauropsideu als Uterus fungiren. Bei den Beutelthieren tritt eine äusserliche Verbindung der weib- lichen Ausführgänge auf . von denen jeder: Eileiter. Uterus, sowie als neuen Abschnitt eine Scheide hervorgehen lässt, welche in den Sinus urogeni- talis mündet. Der mit einem sehr weiten Orificium abdominale beginnende obere Abschnitt bildet einOviduct (Fig. 351 od), indess der folgende dick- wandige einen Uterus [u] vorstellt. Jeder der beiden Uteri mündet mit einem papillenartigen Vorsprung in den äusserlich gemeinsamen Abschnitt . dw Fig. 350. Weibliche Gescklechtswerkzeuge von Ornithorhynckus. o Ende des Eileiters mit Ovarium. i Eileiter, u Uterus, w' Stelle, in welcher oben das Ostium des Uterus einragt und dicht darunter die Mündung des Ureters, tu Harnblase. sug Sinus urogenitalis. cl Cloake. Fig. 35t. Weibliche Geschlechtsorgane von Hai - maturus, ov Ovarium. od Oviduct. u Uterus. et Scheidencanäle. cug Sinus urogenitalis. tu Harnblase, ur Harnleiter. * Blasenmündung. durch die Vereinigung der beiden Müller'schen Gänse entstand. Von diesem geht jederseits eine gebogen verlaufende Scheide ab 'Didei- phys) oder an der Steile des Beginnes der Scheide findet sich ein nach hinten zu ausgesackter und innerlich durch eine mediane Scheidewand getheilter , oder in manchen Fällen auch ungetheiller Scheidenblindsack. von welchem aus die getrennt verlaufenden »Scheidencanäle« [cv] henkeiförmig gekrümmt zum Sinus urogenitalis [cug] verlaufen Halm; - lurus) . Bei den monodelnhen Säugelhieren werden die Urnierengänge mit den Müller'schen Gängen zu einem gemeinsamen Strange Genitalstrang verbunden. Bei ihnön kommt die bei Hai maturus ausgebildete Ver- bindung der Ausführwege auf der Mitte ihres Verlaufs, während der Embryonalperiode an den Müller'schen Gängen vor. An diesen bildet sich eine Strecke weit eine Verschmelzung der Lumina , die vor und hinter dieser Stelle gelrennt sind, und darin liegt eine Andeutung des gemein- samen Sackes, der bei Beutelthieren die Scheidencanäle absendet. Die Geschlechtsoreane. 643 A c Fig. 52. Verschiedene Uterusformen A, B od Eileiter, r Scheid». C. v Uterus. Verschmelzung der Lumina schreitet aber bei den monodelphen Säuge- thieren gegen das Ende des Genitalstranges vor, und formt damit einen einlachen Ganal (Canalis genitalis), der in den Sinus urogenitalis sich öffnet. Somit bestehen zwei von einander gelrennt beginnende, aber dann in einen mehr oder minder langen unpaaren Abschnitt zusammen- tretende Canäle, die aus den getrennt angelegten Müller'scben Gängen hervorgingen. Durch verschiedenartige Differenz irung der Wandung ein- zelner Abschnitte entstehen die bereits bei den ßeutelthieren unterschie- denen Theile , welche wesentlich durch die grössere oder geringere Ausdehnung der Duplicität Modifikationen darbieten. Dem durch die Beziehungen zur Frucht vielen Anpassungen unterworfenen Uterus fallen die meisten Variationen zu. Zwei völlig gelrennte Uteri münden in eine Scheide bei vielen Na- gern (Lepus, Sciurus, Hydrochoerus etc. ) und bei Orycleropus ( Fig. 3ö2 A). Bei anderen Na- gelhieren vereinigen sich beide Uteri nur auf einer kleinen Strecke zu einer gemeinsamen Ausmün- dung in die Scheide (z. B. Gavia, Coelogenys, Mus'. Daraus gehen die Verhältnisse des Uterus der Inseclivoren, Garnivoren, Getaceen und Ungulaten hervor, bei denen ein einfacher Uterus in zwei getrennte Hörner ausläuft (B), die in die Ovi- ducte sich fortsetzen. Unter Verlängerung des gemeinsamen Uteruskör- pers erscheinen die Hörner verkürzt bei Ghiropteren und Prosimiae, und bei den Affen isl wie beim Menschen ein einfacher Uterus (C) vorhanden, der jederseits einen Eileiter aufnimmt. Die Länge der Hörner des Uterus oder jene des gemeinsamen Uteruskörpers zeigt sich sehr verschieden, ebenso variirt auch die Länse der Scheide, deren Schleimhaut mannich- fache Modifikationen bietet. Eine Strecke weit behält die Scheide bei man- chen Nagern (Lagoslomus) die primitive Duplicität. Ihre Mündungsstelle in den Sinus urogenitalis ist zuweilen durch eine vergängliche, als Scheiden- klappe (Hymen) unterschiedene Schleimhaulfalte ausgezeichnet. Sie ist bei Widerkäuern , Carnivoren u. A. beobachtet, bietet aber erst bei den Affen die beim Menschen vorkommenden Verhältnisse. Der ursprünglich nur zur Ausleitung der Geschlechlsproducle dienende Müller'sche Gang ist also unter Eingehen bedeutender functioneller Aenderungen in drei Abschnitte gesondert . von denen nur der erste als Fallopi'sche Tuba die primitiven Verhältnisse bewahrt. Die meist wenig umfänglichen Ovarien besitzen je nach dem Ver- halten der Eifollikel zum Siroma ovarii mannichfache Verhältnisse. Bei sehr vielen Säugethieren bieten sie eine traubige Form. Ihre primitive Lageruni' bewahren sie selten , meist rücken sie weiter gegen das kleine 44 * (j44 H- 9- Wirbelthiere. Becken hin oder treten mit den Eileitern sogar vollständig in dieses ein. Zu den letzteren oder vielmehr zu deren trichterförmig erweitertem Ostium abdominale besitzen sie immer nahe Beziehungen , indem ein Fortsatz des Ostiumrandes sich zum Ovar erstreckt. Die die Ovarien wie auch die Eileiter tragenden Bauchfellduplicaturen Ligg. uteri lata) bilden nicht selten das Eileiterostium mit dem Ovar umschliessende Taschen z. B. bei Garnivoren). VondenUrnieren und ihren in den Genitalstrang miteingeschlossenen Ausführgängen erhalten sich Reste an der Seite des Uterus oder in den die Ovarien mit dem Uterus verbindenden Peritonealduplicaturen. Reste der Urnierengänge bilden die sogenannten GARTNEii'schen Canäle, die bei Echidna die Uteri begleitend, in den Sinus urogenitalis münden , sonst nur auf Strecken bestehen. Ein in der Nähe der Ovarien liegendes lr- nierenrudiment wird als Neben e ierstock bezeichnet. § 455. Am männlichen G e s c h 1 e c h t s a p p a r a t e der Säugethiere fi n- den sich die Hoden anfänglich in gleicher Lage wie die Ovarien, am inneren Rande der Urnieren. Vom Urniereneaime aus erstreckt sich ein Strang zur Leistengegend der Bauchwand (Leitband). Nach erfolgter Verbindung eines Theiles der Urnieren mit dem Hoden stellen erstere den Nebenhoden vor. Der Urnierengang ist wie beim weiblichen Geschlechte mit dem Müller'schen Gange zu einem Genitalstrang verbunden, welcher zu dem aus dem untersten Abschnitte der Allautois entstandenen Sinus urogenitalis tritt. Er bildet das Vas deferens, indess der Muller'sche Gang verkümmert, und meist nur mit seinem Endabschnilte in ein blei- bendes, einem Sinus genitalis entsprechendes Organ, dem sogenannten Uterus masculinus, übergeht, dessen OefFnung in den Canalis urogenitalis in der Regel zwischen den Mündeslellen der Samenleiter liegt. Der in dieser Weise gestaltete Apparat zeigt an allen seinen Theilen mannichfache Modifikationen. Die Hoden bleiben nur bei den Monotre- men fast ganz in ihrem ursprünglichen Lagerungsverhällnisse vor den Nieren. Wenig nach abwärts gerückt oder unterhalb der Nieren gelagert sind sie bei den Walthieren, bei Hyrax, beim Elephanten und verschie- denen Edentaten zu treffen. Bei Anderen findet man sie in der Leisten- gegend der Bauchwand, durch welche sie hindurchtreten (bei vielen Na- gern, den Kamelen, und manchen Carnivoren iLutra, Viverral). Endlich gelangen sie bei Anderen durch den Leistencanal weiter von der Bauch- wand herab in eine vom Integumente gebildete Aussackung, das Scro- tum. Der bei der Wanderung des Hodens in das Scrotum, von dem mit dem herabsteigenden Hoden auswachsenden Perilonaeum gebildete Raum (Canalis vaginalis) bleibt bei den meisten Säugethieren offen, und lässl so einen den Hoden umgebenden Hohlraum mit der Bauchhöhle communiei- ren. Mit dem Herabsteigen des Hodens durch den Leistencanal hat der- Geschlechtsorgane. 645 selbe Theile der Bauchwand vor sich hergestülpt. Bei offen bleibendem Scheidencnnal vermag der Hoden wieder in die Bauchhöhle zurückzutre- ten, was bei vielen Säugethieren gewöhnlich zur Brunstzeit eintritt z. B. bei Marsupialien, Nagern , Chir- optern , Insectivoren u. A.). Eigentümlich ist die Lage des Scrolums bei Beutelthieren vor der Geschlechtsöff'nuim. Es ist eine selbständige Bildung, wäh- ™ o 7 rend bei den Monodelphen die Um- grenzung der primitiven Urogeni- talöffnung dazu verwendet wird. Das untere Ende des Vas de- ferens (Fig. 353 d) erhält sicli einfach bei Monotremen und Beu- telthieren, Carnivoren und Ceta- ceen. Sonst gehen von ihm Drü- senbildungen aus, die man als »Samenblasen« bezeichnet, weil sich das Sperma in ihnen ansammeln kann [gl). Diese Or- gane sind sehr entwickelt bei Insectivoren und vielen Nasern, O 7 bei ersleren häufig in mehrere grosse Lappen gelheilt , bei letz- teren mehr durch Länge und Aus- buchtungen ausgezeichnet. Auch der Endabschnilt des Vas defe- rens ist häufig drüsig gebaut. Ausser den Samenleitern, deren die Samenbläschen auf- nehmender kurzer Endabschnilt als Ductus ejaculalorius bezeich- net wird, münden bei manchen Säugethieren Rudimente der Mtil- Fig. 353. / Haru- und Geschlechtsorgane vou Cri- cetus vulgaris. R Niere, u Ureter, v Harn- blase. T Hoden. Sp Vasa spermatica. d Vas defe- rens. gl Sameubläschen. yl' iß" Prostatadrüsen. m Muskulöser Theil des Sinus urogenitalis. ic Cor- pus cavernosum penis. bc Corp. cav. urethrae. c Covvi'tu'sclie Drüsen, t Tvsox'sche Drüsen, p Praeputiuni. y Plans penis. // Blasenhals und Anfang des Sinus urogenitalis von vorne geöffnet. * Mündung der Ductus ejaculatorii. III Glans penis von vorne gesehen. ler'schen Gänge in den Sinus urogenitalis. Sie bestehen entwe- der aus einer einfachen oder paa- rigen Ausbuchtung, die einem rudimentären weiblichen Sinus genitalis oder vielmehr dem Scheidentheil desselben entspricht, daher die Bezeichnung als Uterus masculinus wenig genau ist. Zuweilen ist ein Abschnitt davon dem männlichen Sinus genitalis angehörig, indem die Samenleiter in ihm zur Ausmündung gelangen. Am ansehnlichsten sind diese Gebilde bei Nasern (Fie. 354 q) , doch fehlen sie auch Anderen nicht sanz. und werden beim Menschen durch die Vesicula proslatica vorgestellt. 646 II. 9. Wirbelthiere. Der Canalis urogenitalis isl endlich noch mit anderen Drüsenorganen den Prostata drüsen. Diese können einen bedeutenden Um- fang erreichen, als paarige gelappte Bildungen sich dar- stellend Nager, Elephas, Insectivoren [Fig. 353. gl' gl"])r oder sie sind durch zahlreiche kleinere Schläuche gebil- det, die durch Schichten glatter Muskelfasern zu einer der Wanduns des Canalis urogenitalis angefügten Masse vereinigt sind. Durch Ausbildung der auch sonst diesen Drüsen zukommenden Muskulatur gestaltet sich die Pro- stata zu einem ringförmigen Körper. § 456. Die Vereinigung der Ausführwege des Harn- und Geschlechtsapparates mit dem Endstücke des Darm- canals in den bereits oben (S. 587) als» Cloake« be- zeichneten Bau n findet sich in den unteren Abiheilungen verbreitet, es ist aber fraglich, ob dieses als primitiver Zu- stand anzusehen ist, denn es könnte als solcher auch die ge- trennte Ausmündun-e der Urosenitalorgane und desTractus intestinalis gelten, wie sie bei Cycloslomen, Ganoiden uud Teleostiern besteht. Die Afteröffnung findet sich da vor den Urogenitalmündungen gelagert, doch kommt, beson- ders bei Ganoiden deutlich, eine diese Oeffnungen auf- nehmende Vertiefung zu Stande, welche bereits die An- deutung einer Cloake abgibt. Diese ist bei den Selachiern ausgeprägt , und die sonst hinter der AfteröfFnung liegenden Mündeslellen des Urogenital- apparates finden sich hier an der dorsalen Wand der Cloake. Dieses Verhältniss bleibt von da an allgemein, und eine Cloake besteht bei Amphibien, Reptilien und Vögeln in ziemlich °leichmässieem Verhalten, bei den letzteren mit einer der Hinterwand angefügten Aus- stülpung, der Bursa Fabricii iFig. 333 b) ausgestattet. Für die Säuge- thiere muss die Cloake gleichfalls als ein gemeinsames Erbstück gelten, das aber nur bei den Monotremen wenig modificirt fortbesteht, indess es den übrigen wichtige Umbildungen eingeht. Von diesen ist die schon bei den Amphibien spurweise beginnende Beiheiligung an der Sonderung der Begattungsorgane bemerkenswerth, und den Abschluss dieser Vorgänge bil- det die Herstellung einer vom After gesonderten Urogenitalöfl'nung. Von anderen von der Cloake aus differenzirten Organen muss die Allantois hervorgehoben werden , welche von der Vorderwand der Cloake resp. des sie darstellenden Theils der primitiven Enddarmhöhle entsteht. Bei Lepidosiren und den Amphibien bildet dieses Organ ein durch einen Fig. ih\. Canalis uroge- nitalis mit Harnblase von Lepuscuniculus. A Von hinten. B Hintere Wand des Uterus mascu- inus geöffnet. C Seit- liche Ansicht, v Harn- blase, u Ureter, d Sa- menleiter, g Sinus geni- talis, ug Canalis uroge- nitalis. Geschlechtsorgane. 647 kurzen Stiel von der vorderen Cioakemvand entspringendes, bei den letzteren meist in zwei vordere Ausbuchtungen verlaufendes Gebilde, welches frei in der Leibeshöhle liegt. Man bezeichnet es als Harnblase, als welche es auch zu fungiren scheint, obschon die Ureteren entfernter von ihm münden. Auf seinen dünnen Wandungen verbreiten sich Blut- gefässe, davon die Arterien von jenen des Beckens stammen, die Venen zur Pforlader gehen. Bei den Amnioten empfangt dies Organ wahrend der embryonalen Entwicklung eine bedeutende Ausbildung, und wird zu einem volumi- nösen, weit über die Embryonalanlage hinauswachsenden, reiche Gefäss- verzweisung tragenden Sacke , welcher den vom Amnion umschlossenen Embryo umhüllt. Bei den Beptilien und Vögeln bildet er sich allmählich mit dem Schlüsse der Bauchwand zurück und verschwindet gänzlich. Nur bei den Eidechsen und Schildkröten erhält sich der in der Bauchhöhle be- findliche Theil der Allantois , und erweitert sich zu einem nach beiden Seiten ausgebuchteten Sacke (Fig. 349 v). Anders gestaltet sich dieses Organ bei den Säugethieren in seinen Beziehungen zum sich entwickelnden Organismus. Es wächst wie bei Reptilien und Vögeln zu einer Blase aus, die durch einen engen, im Na- beislrange verlaufenden Stiel mit der Beckendarmhöhle communicirt. Der in der Leibeshöhle verlaufende Abschnitt des Stieles fürachus) wan- delt sich zum Theil in ein Band Lig. vesico-umbilicale medium) , zum Theil in die Harnblase und zum Theil in einen Sinus urocenitalis um, indem die Mündungen der Geschlechtsausführwege auf ihn übertre- ten. Bei Monolremen und Marsupialien scheint der peripherische Ab- schnitt sich ähnlich wie bei Reptilien und Vögeln zu verhalten , indess er bei anderen Säugethieren zur Bildung des »Chorion« beiträgt, welches sich vermittelst zottenartiger Erhebungen mit der Schleimhaut des Uterus verbindet. Durch weitere Entwicklung jener blutgefässhaltigen Zotten kommt fötales Blut in dem von der Allantois gebildeten Chorion zur pe- ripherischen Vertheilung. Dieses tritt in Wechselwirkung mit dem in der Uterusschleimhaut vertheilten Blute, tauscht mit diesem Stoffe aus. Durch innigere Verbindung mit Abschnitten der Ulerusschleimhaut entsteht eine Place nta, bei der wieder je nach der Art und Ausdehnung der Verbin- dung des Chorion mit der Uterusschleimhaut und nach den Modiffcatioiu-n der letzteren mann ichfache Verschiedenheiten entstehen. § 457. Eine andere Reihe von Diff'erenzirungsproducten der Cloakenwand stellen die Begattungsorgane vor. Während bei den Selachiern dem Gesehleehtsapp^rate fremde Organe — Abschnitte der Hintergliedmassen — zu Organen der geschlechtlichen Copula verwendet werden, und sich dem entsprechend modificiren, begiunt , bei den Amphibien durch eine innerhalb der Cloake vorragende Papille spurweise angedeutet, die Differen- (ilS II. 9. Wirbelthiere. zirunu neuer Organe. Diese sind nach zwei Grundformen zu unter- scheiden, davon eine die Organe mit der hinteren Cloakenwand in Ver- bindung zeigt, die andere dagegen mit der vorderen. Die eine davon herrscht bei Eidechsen und Schlangen. DieBegatlungs- ■organe erscheinen zuerst als äussere Anhänge dicht hinler der Gloake und werden später schlauchförmig eingestülpt (Fig. 35;j j> . um erst bei der Begattung hervorzutreten. Im ausge- stülpten Zustande läuft jedes dieser Organe in zwei mehr oder minder stumpfe Enden von verschiedener Form aus. Auf der lateralen Seite verläuft eine etwas spiralig nachhinten, dannmedian gerichleteBinne von der Cloake her und dient zur Ueberleilung des Sperma . Von den Muskeln sind die am blinden Ende der Schläuche inserirten Rückzieher die ansehnlichsten. Nahe an der Wurzel der Schläuche münden Drüsen gl] aus. Fig. 355. Cloake von Py- thon, von vorne her ge- öffnet. R Enddarm, n Creterenmündungen. gl Drüsen , bei * ausmün- dend, p Penisschläuche, der eine der Länge nach geöffnet. Die zweite Grundform umfasst mehrfach ver- schiedene aber stets von der vorderen Cioakenwand ausgehende Bildungen, die als Modifikationen einer und derselben Einrichtung anzusehen sind. Eine Form dieser Organe findet sich bei den meisten Ballten, dann bei Penelopiden und Schwimmvögeln lAnser). Sie besteht in einem durch zwei fibröse Körper gestützten Bohre, welches ausgestülpt eine aus der Cloake leitende Binne bildet. Ein elastisches Band bewirkt die Betraction des Endstückes des Organes. Eine andere Form ist bei Schildkröten undCrocodilen sowie beiStru- thio repräsentirt, und wird durch die mangelnde Ausstülpbarkeit von der vorisen unterschieden. Das Oraan hat gleichfalls zwei eng mit einander verbundene von Schleimhaut überkleidete fibröse Körper zur Grundlage (Fig. 349 p)\ An der dorsalen Fläche befindet sich zwischen beiden eine Binne [s], die bei.Crocodilen und Schildkröten am Anfange, beim Slrausse längs ihrer ganzen Ausdehnung mit cavernösem Gewebe ausgekleidet er- scheint. Indem dieses Gewebe vorn am Ende der fibrösen Körper (beim Strausse aus der Fortsetzung eines elastischen dritten Körpers, der unter den beiden fibrösen liegt, hervorgegangen; reichlicher wird, bildet sich ein schwellbarer Wulst, der eine Buthe vorstellt. Besondere an die fibrö- sen Körper sich inserirende Muskeln wirken als Bückzieher der Buthe. die bei Struthio noch eigene Hebemuskeln besitzt und in einer Ausbuch- tung der Gloake geborgen wird. Der zweiten Grundform gehören auch die Begattungsorgane der Säu- gethiere an , unter denen die Monotremen sich schärfer von den übrigen sondern. Ihre Begatlungsorgane bestehen aus einem, von zwei Schwell- körpern gebildeten kurzen Penis, der in einer in die Cloake einmünden- den Tasche liest. Vermittelst eines Muskels kann dieser dem Urogenital- Geschlechtsorgane. 649 canal genähert werden , und durch eine an seiner Wurzel in der Nähe der Mündung des Sinus urogenitales befindliche Oellhung Sperma aufneh- men. Aus einer einseitigen Diff'erenzirung eines Theiles der Cloakenwand hervor^esansen tritt dieses Organ ausschliesslich in Beziehungen zum Ge- schlechtsapparate, indess der Harn durch dieCloake seinen Abfluss findet. Mit der Sonderung der Cloakenmündung in zwei Oeffnungen erlan- gen die Begattungsorgane engere Beziehungen zum Sinus urogenitalis. Während des embryonalen Zuslandes beginnt um die Cloakenöffnung eint' Falte sich zu erheben, und an der vorderen Wand der Cloake wächst ein Höcker hervor , der auf seiner hintern Fläche eine zur Mündung des Uro • genitalcanals führende Rinne trägt. Bei fortschreitendem Wachsthume des Embryo wird dieCloake seichter, und die Scheidewand zwischen derOeff- nung des Enddarms und dem aus dem unteren Ende desUrachus gebilde- ten Canalis urogenitalis tritt schärfer hervor. Endlich finden sich die früher im Grunde der Cloake befindlichen Oeffnungen an der Oberfläche. Die vor- dere an der Basis des Genitalhöckers gelegene Spalte bildet die Mündung des Sinus urogenitalis, die hintereOeffnung stellt den Anus vor. Bei vielen Säugethieren bleiben beide Oeffnungen nahe bei einander und werden so- gar noch von gemeinsamer Haulfalte umzogen, und beim weiblichen Ge- schlechte bildet die Nachbarschaft beider Orificien die Begeh Am meisten ist dies bei Beutelthieren (wo noch ein gemeinsamer Sphincter für Anus und Urogenitalöffnung besteht) und bei Nagern der Fall , findet sich bei diesen sogar noch beim männlichen Geschlechl verbreitet. § 458. Der Sinus urogenitalis bietet in beiden Geschlechtern verschiedene, aus den Functionen des betreffenden Geschlechts hervorgegangene Ausbil- dungszustände. Beim männlichen Geschlechte wächst der Sinus uroge-' nitalis mit dem Genitalhöcker in einen engeren, aber meist langen Canal (die sogenannte Harnröhre, Urethra aus, mit dessen Wandungen sich Schwellorgane verbinden. Sie stellen den Penis dar. Sowohl für dieses Organ als für seine Seh wellkörper bestehen beim weib- lichen Geschlechte die gleichen nur minder mächtig entwickelten Theile , durch welche ein dem Penis entsprechendes Organ, die Clitoris, gebildet wird. Die Schwellorgane werden bei den Beutelthieren durch zwei aus dem Genitalhöcker hervorgegangene, den Canalis urogenitalis umfassende Gebilde herge- stellt, die theilweise mit einander verschmelzen, bei Einigen auch an ihrem freien Ende getrennt sind (Fig. 356 a b) und mit diesem die Eichel des Penis bilden. Der Canalis urogenitalis setzt sich auf jede Hälfte als eine Rinne [s] fort, die bei Aneinander- schliessen beider einen Canal herstellen kann. Bei Anderen (Halmaturus) verbinden sich diese Schwell- Fig. 356. Gespaltener Penis von Didelphys philander, a b Hälften der Eichel, s Furche mit" der Innenfläche dersel- ben, x Umgebung des hinter der Yorhautöff- nung gelegenen Afters. (Nach Otto.) <)50 II- 9- "Wirbelthiere. Geschlechtsorgane. körper mit zwei anderen und begrenzen, mit ihnen einen cylindiischen Penis bildend, den Urogenitalcanal." Die erst erwähnten Schwellkörper verschmelzen bei den übrigen Säugethieren meist sehr frühzeitig zu einem , den Urogenitalcanal (Urethra) umfassenden Corpus cavernosum urethrae, dessen vorderstes, sehr verschieden gebildetes Ende die Eichel vorstellt. Die beiden anderen Schwellkörper (Corpora cavernosa penis), bei Beutelthieren noch ohne festen Zusammenhang mit dem Becken, ge- winnen Verbindung mit den Sitzbeinen und verlaufen über dem Cor- pus cavernosum urethrae, ohne in die Wand des Canalis urogenitalis ein- zugehen. Bei den meisten Säugethieren erstreckt sich der so zusammen- gesetzte Penis von der Schambeinfuge längs der Medianlinie des Bauches nach vorne, und endet mehr oder minder weit vom Nabel entfernt; bei Anderen (Chiroptera, Primates) ist er frei und hängt von der Schambein- fuge herab. In beiden Zuständen bildet das Integument einen Ueberzug des Penis, der vorne eine auf die Eichel sich umschlagende Duplicalur, das Praepulium, vorstellt. Beim weiblichen Geschlechte erreicht der Genitalhöcker niemals die Ausbildung, die er beim männlichen Geschlechte erlangt, er stellt die Clitoris vor, die auf ihrer unteren Fläche die von seitlichen Falten be- grenzte Oeffnung des Sinus urogenitalis trägt. Meist ist die embryonale Entfallung der Clitoris bedeutender als im erwachsenen Zustande, indem sie aus der Schamspalte ragt, und später in dieselbe zurücktritt. Doch setzt bei manchen Affen (Ateles) die Clitoris ihre Ausbildung fort, und ge- staltet sich zu einem umlänglichen Organe. Zwei Schwellkörper (Corpora cavernosa urethrae) liegen in der Wand des Sinus urogenitalis und um- fassen denselben bis zurClitoris, welcher ebenfalls ein Schwellkörperpaar zu Grunde liegt. Meist ist das Ende der Clitoris mit einer Eichel ausge- stattet, über welche gleichfalls ein Praeputium sich hinwegschlägt. Ein- zelne dieser Organe besitzen eine besondere Muskulatur die grossentheils wie die Muskeln der Schwellkörper aus einem gemeinsamen Schliess- muskel der Cloake sich gesondert haben, wie sich noch bei Beutelthieren erkennen lässt. Dazu treten bei vielen Säugethieren noch Hebemuskeln und Retracloren des Penis. In den Sinus urogenitalis beider Geschlechter münden Drüsen- organe ein. Von solchen finden sich ausser den (S. 646) erwähnten Pro- statadrüsen noch andere , die bald einfach , bald mehrfach, bis zu vier Paaren ( Beutelthiere) vorkommen und am Anfang des Penis liegen (Fig. 353. c). Sie verbinden sich als CowPER'sehe Drüsen mit dem vom Schwellkörper umschlossenen Abschnitt. Bei Manchen hat man sie ver- misst (Cetaceen , Carnivoren). Beim weiblichen Apparat münden sie in den Scheidenvorhof aus (DivERNEv'sche oder BARTnou>'sche Drüsen). — Der Vorhaut angehörige Drüsen (TvsoN'sche Drüsen ) entwickeln sich bei manchen Säugethieren zu ansehnlichen Apparaten, besonders bei Na- gern , unter denen die von Caslor am meisten entfallet sind (Fig. 353 t) . II e g* i s t e r. Abdomen der Gliederthiere Augenflecke 163. Centralkapsel der Radiola- 251. Augenlider 556. rien 86. Abdominalporus 599. Augenmuskeln 556. Cephaloconus 3 16. Acalephen 99. Ausbildung des Organismus Cephalopoden 335. Acrania 430. 57. 65. Cephalothorax 2 5 9. Adrostrale 4SI. Ausführgänge der Drüsen Cercarien 140. Alisphenoid 476. 482. 488. 24. Cerebelluni 534. Allantois 646. Avicularien 1 41 . Cestoden -137. Ambulacralfüsselien 212. Axen des Körpers 6 1 . Chelonier 432. Ambulaeralplalten 216. Axencylinder 34. Chitinpanzer 263. Ambulacralrinne 209. Choanae 571. Ambulaerum 209. Basisphenoid 476. 482. Chorda 416. 450. Ammoniten 353. 488. Chordascheide 450. 453. Ammonshorn 533. Basitemporale 482. Chorioidea 554. Amöben SO. Bauchganglienkette 159. Chromatophoren Moll. 347. Amphibien 432. 267. Vertebr. 442. Amphidisken 113. Bauchgefäss 177. 179. Chylusmagen 284. Analogie 66. Bauchmark 159. Cirren 143. 144. Augulare 478. Bauchrinne 421. 565. 578. Cirripedien 249. Anneliden 134. Bauchspeicheldrüse 588. Cirrusbeutel 193. Anpassung 8. 60. Becherförmige Organe 548. Clavicula 501. Antennen 252. 258. Becherzellen 4 44. Clitoris 650. Anthropolomie 2. Beckengürtel 508. Cloake 4 12. 587. 646. Anlimeren 63. Belemniten 354. Complementare 487. Appendices pyloricae 585. Bindegewebe 24. Cölenteraten 95. Arachniden 251. Bindesubstanzen 24. Coelom s. Leibeshöhle. Arbeitstheilung 14 Blasenwürmer 139. Coenenchym 1 07. Archiplerysium 497. 501. Blättertracheen 307. Coenosaik 1 07. Arme der Cephalopoden Blinddarm 587. Coenurusl40. 346. Blindschläuche des Darmes Condylus occipitalis 480. Arterien 5'.. 168. 172. 482. 487. Arthropoden 241. Blut 183. 296. 395. 428. Conjugation 92. Articulare 478. Blutkörperchen der Wirbel- Conjunctiva 552. Ascidien 212. thiere 602. Conus arteiiosus 603. Ästenden 209. Blutzellen 30. Coraeoid 501. Atlas 461. Bogengänge 559. Corium44l. Atrioventricularklappender Bojanus'sches Organ 397. Cornea 552. Säugethiere , Entstehung Borsten der Würmer 149. Cornea-Linse 279. derselben 609. Brachiopoden 324. Corpus striatum 533. Auge der Cölenteraten 117. Bronchi 596. Correlation 59. Würmer 165. Bryozoen 137. Corti'sches Organ 56 I . Echinodermen 224. Buccalganglien 3-71 . Cranium 469. 471 . Arthropoden 27S. Buccalmasse 380. 3S8. Crinoiden 211. Mollusken 373. Bürzeldrüse 444. Crustaceen 247. -Tunicaten 419. Byssusdrüse 348. Cuticula 23. Vertebraten 551. Cuticularbildungen der Augenblase, primitve 552. Capillaren 54. Würmer 147. Augenblase, seeundäre 552. Caipus 504. der Arthropoden 263. 052 Register. CuUspapillen 4 43. Cuvier'sche Organe 230. Cyclostomen 430. C.\slicercus 140. CyLode 15. Darmbein 508. Dtirmcanal 49. der Cölenteraten 118. Würmer 166. Echinodetmen 2-24. Arthropoden 283. Brachiopoden 329. Mollusken 378. Tunicaten 4 25. Wirbelthiere 563. 1) .ii uikiemen 174. Deckstüek 102. Dentale 478. Dermalporen 1 19. 125. DilTerenzirung 14. Dimorphismus 101 . Dissepimente 177. Dottersack 580. Dotterstock 191. 194. Drusen 23. , einzellige 23. Drü-engewebe 23. Drüsenmagen 5S3. Ductus endoh mphaticus 558. Duodenum 5Sß. Dünndarm 584. Echinococcus 140. Ecliinodermen 205. Echinoiden 21 0. Ectoderm 36 Eierstock 55. Eifollikel 035. Eileiter 5fi. Eii obre 3 ! 8 Eizelle 56. Eingeweidenerven 161. Ektopterygo'iii 478. Elastisches Gewebe 26. Elektrische Organe 524. Elytren 143. Endapparate der Nerven 4 4. Enddarm 50. Endostyl 4 24. Enloderm 37. Eulomostraken 24S. Entopterygoid 478. Epidermis 4 41 . Epiphysis 528. Epipodium 3 4 3. Episternum 468. Epistropheus '>6i. Epithelien 21. Elhmoidale 477. 483. 489. Excretionsorgane 48. Excrelionsorgane der Wür- mer 183. Ecliinodermen 237. Arthropoden 4 03 Brachiopoden 331. Mollusken 396. Tunicaten 428. Wirbelthiere 627. Faserknorpel 27. Faserzellen, contraetile 32. Federn 4 '.3. Federfluren 443. Fenestra ovalis 480. Fettkörper 294. 639. Flagellum 22. 257. Flossen 438. Flossenskelel , secundares 503. Flügel 261. Flügeldecken 262. Flügelmuskeln 300. Foraminiferen 80. Fortpflanzung der Proto- zoen 92. Fortpflanzung, geschlecht- liche 54. , ungeschlechtliche, der Gölenteraten 99. 102. — Würmer 138. Arthropoden 319. Tunicaten 413. Forlptlanzungsorgane 54. Frontale 477.' 480. 482. 489. Frontale anterius 477. posterius 477. Funiculus 191 . Furehungsprocess 20. Furcula 50 1 . Fuss (Moll. 337. 351. der Wirbelthiere 515. Fussganglien der Mollusken 365. 367. Fussstununcl 14 3. Gallertgewebe 24. Gallertröhren 548. Gallertscheibe 114. Ganglien 160. Ganglienzellen 34. Ganoiden 43 1 . Gastraeatheorie 37. Gastralfilamente 126. Gastralsx stem 1 18. Gastropoden 33 4. Gastropar.ietalband 3 29. Gastrovascularsystem 1 19. Gastrula 37. Gefasssystem 52. der Würmer 177. Ecliinodermen 234. Arthropoden 295. Gefasssystem der Brachio- poden 330. Mollusken 388. Tunicaten 426. Wirbelthiere 600. Gehirn 49. 527. Gehirnganglien 155. Gehirnhüllen 536. Gehörknöchelchen 49 i . 562. Geisselzellen 22. Generationswechsel 100. 1 40. 319. 414. Genitalplatten 24 0. Gephyreen 134. Geschlechtscloake 4 05. Geschlechtsorgane der Gö- lenteraten 127. Würmer 100. Ecliinodermen 238. Arthropoden 308. Brachiopoden 332. Mollusken 401. Tunicaten 42S. Wirbelthiere 634. Geschmacksorgane 45. Gewebe 21 . Gewölbe 533. Giftdrüsen 265. 578. Gliederung der Würmer 138. Gliedmassen der Arthropo- den 251 . der Vertebraten, vor- dere 501 . hintere 51 4. Gonophor 1 00. (iregarinen 80. Grundformen derThiere 6 I . Haar 4 43. Hand 506. Harder'sche Drüse 557. Harnblase 634. 647. Harncanäle 292. Hauptaxe (il . Hautkieme 47. Haulknochen 448. Hautmuskelschlauch 4 1 . 11 »utmuskeln 51 6. Hautskelet 214. 263. Hautzähne 446. Heclocotylus 3 47. Hermaphroditismus 56. Her/ 53. 179. 181. 388. 4 27 60 1. Hinterhirn 534. Hoden .">.">. Holothurien 2 1 2. Homodynamie 67. Homologie 66. Homonomie 67. Homotypie ,67. Register. 653 Hörbläschen 46. Hürleiste 377. Hörorgane 46. Hörorgane der Cölenteraten 1 17. Würmer 166. Arthropoden 276. Mollusken 376. Tunicaten 420. Wirbellhiere 557. Hörplatte der Cephalopoden 377. Hornblatt 35S. Hydro'idpolypen 99. Hvdranth 99. Hyoid 493. Hyomandibulare 473. 477. Hypophysis 528. Jacobson'sches Organ 551. 573. lleoparietalhand 33 t . Infraorbitalia 479. Infusorien SO. Insecten 251 . Integument 39. [ntegument der Cölentera- ten I 10. Würmer 1 4 5. Echinodermen 214. Arthropoden 262. Brachiopoden 326. Mollusken 317. Tunicaten 4 1 4. Wirbelthiere 440. Interealare 476. Intermaxillardrüsen 578. Interoperculum 479. Interparietale 488. [ntervertebralk'norpel 4 56. Jugale 486. Kalkskelet 215. Kammern der Cephalopo- denschalen 353. Kaumagen 283. 288. Keimblätter 22. 35. Keimschlauch 1 41 . Keimstock 413. Kern 15. Kiefer der Würmer 173. der Mollusken 380. Kieferfüsse 253. Kiemen 48. 51. 144. 254. 355. 420. 566. Kiemenbogen 493. 567. Kiemendarm 420. 424. Kiemendeckelkieme 568. Kiemenherz 181. 395. Kiemenhohle 565. Kiemenschnecke 569. Kiemenspalten 570. Kiemenstrahlen 473. Kittdrüsen 321. 317. Knochengewebe 28. Knorpelgewebe 27. Kopf 64. 343. 436. Genese desselben 469. Kopfskelet 468. Kopfdarm 564. Kopfganglion 266. Kopfknorpel 361. Kropf 288. 382. 582. Kryslallkegel 164. 279. Krystallstäbchen 164. Labialknorpel 472. Labyrinth 4 6. 558. Labyrintbläsehen 558. Labyrinthkiemen 569. Lacrymale 483. 489. Lamellibranchiaten 334. Lamina papyracea 489. Larvenzustand 6. Larynx 594. Laterne des Aristoteles 228. Leber 51. 175. 290. 385. 588. Leder haut 441. Leibeshöhle (Coelom) 52. der Würmer 136. Echinodermen 230. Arthropoden 294. Brachiopoden 330. Mollusken 387. Wirbelthiere 599. Lemniscus 186. Leuchtorgane 295. 416. Liebespfeil der Pulmonaten 4 05. Linse 555. Lipogastrie 120. Lipostomie 120. Lophophor 143. Luceinarien 109. Luftgang 592. Luftsack 104. Luftwege 594. Lungen 52. 229. 307. 594. Lymphe 601 . Lymphbahnen 601. 623. Lymphdrüsen 626. Lymphherzen 625. Madreporenplatte 218.234. Magen 50. Magenröhren 122. Malpighi'sche Gefässe 292. Malpighi'scheGlomeruli62S. Mammartasche 4 45. Mantel d. Cirripedien 250. Brachiopoden 325. Mollusken 338. Tunicaten 415. Markscheide 34. Marsupium 4 46. Maxillare 478. 481. "486. Meckel'scher Knorpel 'i7s. 491. Med ulla oblongata 529 531. 53 4. Medusen 100. Medullarrohr 526. Membranen, und ulirende90. Mesenterium .190. Mesoderm 38. Mesogastrium 590. Metamerie 64. Metapterygo'id 478. Metazoen 72. Milchdrüsen 44 4. Milz 626. Mitteldarm 50. Mittelhirn 529. 530. 531. 534. Mollusken 332. Müller'scher Gang 631. 635. 640. Mundhöhle, primäre 570. secundäre 573. Muskelgewebe 31. 32. Muskelmagen der Würmer 173. Muskeln 40. Muskelmagen der Vögel 5S3. Muskelsystem der Cölente- raten 1 1 5. Würmer 151 . Echinodermen 221. Arthropoden 265. Brachiopoden 261. Mollusken 362. Tunicaten 416. Wirbelthiere 515. Myophane s.5. Myriopoden 251. Nabelbläschen 581. Nachhirn 329. 531. 534. Nasalia 479. 4S0. 483. 489. Nasenhöhle 571. Nasenmuscheln 489. 572. Nasenrinne 55 0. Nauplius 247. Nebenaxen 62. Nebenhoden 641. 644. Nebenniere 627. Needham'sche Tasche 409. Nemathelminthen 134. Nemertinen 134. Nervengewebe 34. Nervensystem 42. der Cölenteraten 1 1 6. Würmer 154. Echinodermen 222. Arthropoden 266. 654 Register. Nervensystem der Brachio- poden 328. — — Mollusken 363. Tunicaten 417. Wirbelthiere 525. Netzbeutel 591. Nesselzellen III. 34S. Nervus recurrens 275. Neuromuskelzellen 31. Nidamcntaldrüsen 4 08. Niere 397. 62S. Nickhaut 556. Nucleolus 93. Nucleus (derlnfusoriei); 93. Occipitalebasilare 475.482. 487. Occipitale externum 476. Occipitale laterale 475.480. 482. 487. Occipitale superius 475. 482. 487. Odonloblasten 30. Odontornithen 576. Ohrmuschel 563. Olfaclorius 539. Ontogenie 2. Operculare 4 TS. Operculum 479. Opliidier 433. Opliiuren 210. Opticus 5 39. Oi bitosnhenoid 476. 482. 48S. Organ 13. 35. Organapparat 39. Organismus 13. Organsystem 39. Osteoblasten 29. Otoconie 377. Otocysten 4 6. Otocysten der Würmer 166. Ololitlien 166. 377. 420. Ovipositor 3 15. Pallialnerven 364. Palato-Quadratum 472. 479. Parapodien 1 '>3. Parasphenoid 4 77. 481. Parietale 477. 480. 482.488. Parieto- frontale 480. Parlhenogenesis 319. Paukenhohle 56-2. Paxillen 217. Pedicellarien 219. Penis 197. 312. 405. Penisscbeide 1 93. Perisom 214. Perislom 80. Petrosum 476. 482. Phragmoconus 354. Pbylogenie 2. 5. Pinnulae 2. 7. Placenta 647. Placoidschüppchen 4 4 6. Placophoren 334. Plattwürmer 100. Pociiopndeii 24 3. Polfelder 118. Pc li sehe Blasen 234. Polymorphismus 102. Polystomie I i i. Porencanäle 23. Poriferen 9S. Porus exeretorius 184. Postfronlaie 477. 483. Praefrontalia 4 83. Praemaxillare 478. 481. 486. Praeoperculum 479. Praesphenoid 488. Primoidialcranium 473.469. Processus abdominales 4 67. accessorii 460. mammillares 4 60. mastoides 4 88. paramastoides 4 87. stylonles 496. transversa 460. Procoracoid 50 I . Protisten 7 I . Protoplasma 15. Protozoen 72. Pseudobranchie 567. Pseudonavicellen 92. Pseudopodien 82. Pseudova319. Pteropoden 334. Pterygoid 4 81. Pterylien 4 43 Pylorusrohr 5S2. Quadrato-lugale 486. Quadratum 4 77. 481. Querfortsatze 4 53. Radiärcanäle 123. Radiolarien 80. Radula 380. Randbläschen 117. Randkörper 117. Receptaculum seminis 4 05. Recessus labyrinthi 558. Redien 168. Reduction 5S. Reptilien 432. Retina 555. Retinula 279. Rhabdom 279. Riechgrube 373. 549. Riechorgane 45. Rippen 462. Roslrale 48!. Rückbildung 58. Rückengefass der Insccten 294. " der Würmer 179. Rückenmark 44. 535. Rudimentäre Organe 9. 59. Rüssel der Nemertinen 149. Sacculus 559. Salpen 4 12. Samenleiter 5fi. Samenzellen 55. Sarkolemma 33. Sattel der Lumbricinen 1 ."> I . Saugmagen 288". Saugnapfe 153. 346. Säugelhiere 4 33. Saurier 4 32. Scalae 56 i . Scäphopoden 334 . Scapula 500. Schale 321. 350. Schalendrüse der Crusta- ceen 302. der Cestoden) 194. Schambein 508. Scheidengang der Tlalt- wüimer 195. Schleifencanal l 88. Schleirocanäle 548. Schleimgewebe 23. Schloss 351. Schlossband 351. Schlundganglien 43. Schlundkopf 50. Schlundring 1 55. 1 57. Schmeckbecher 549. Schnecke 560. Schultergürtel 498. Schweissdrüsen 444. Schwimmblase 592. Schwimmglocken 102. Scrotum 64 4. Segment 64. Sehhügel 533. Sehorgane 46. Seitenfeld 1 52. Seitengefasse 177. Seitenlinie der Fische 548. der Nematoden 152. Seitenrumpfmuskeln 518. Selachier 4 3 I. Semitae 2 14. Senkfäden 110. Sinnesorgane 44. Sinus rhomboi'dalis 529. 536. Sinus urogenitalis 647. Sipho 177. 342. 339. 354. Siphonophoren 1 02. Sitzbein 508. Skelet 4 0. der Protozoen 85. Register. 655 SkeletderCölenteraten 11-2. Würmer 1 51. Echinodermen 214. Arthropoden 262. Brachiopoden 320. Mollusken 361. Tunicaten 416. Wirbelthiere 450. Solenogastres 139. Speicheldrüsen 50. 1 75. 2S9. 3S4. 587. Speiseröhre 50. 581. Spermatophoren 204. 409. Spiculum 1 12. Spinndrüsen 265. Spiralklappe der Fische 5S5. Spritzloch 473. Sprossenbildung 54. Squamosum 476. 482. 488. Steincanal 234. Stemma 281. Stenson' scher Gang 551. 573. Sternum 463. 466. Stigma 303. Stimmorgane der Insecten 264. Stockbildung 99. 107. Strobilation 106. Stützlamelle 114. Suboperculum 474. Subumbrella 123. Supraangulare 487. Sympathisches Nervensy- stem derVertebraten547. Symplecticum 477. Syncytium 18. Syrinx 596. Systematik 69. Talgdrüsen 4 44. Tapetum lucidum 55 4. nisrum 552. Tarsus 512. Tastborsten 162. Taststäbchen 162. 275. Tastwerkzeuge 45. Teleostier 431. Temporale 488. Tentakel 108. 141. 345. 372. Theilung 17. Thtänendrüsen 557. Thränenrinne 557. Thorax der Arthropoden 251. Thymus 627. Thyreoidea 579. Tintenbeutel 387. Trachea 596. Tracheaten 243. Tracheen 303. Tracheenkiemen 261. 306. Transversum 435. Tremaloden 133. Trichocysten 84. Trichter 125. 314. Triseminusgruppe 541. Trommelfell 562. Tuba Eustachi! 562. Tunicaten 41 0. Turbellarien 133. Tympanicum 481 . Tympanum 278. Typus 69. Unterkiefer 472. 491. Unterzunge 578. Urachus 647. Ureter 631. Urniere 49. Urnierengang 628. Urorgane 38. Urost\l 456. Uterus 56. der Säugethiere 643. Utriculus 559. Vacuolen 91 . Vagusgruppe 542. Varolsbrücke 53 4. Velum der Medusen 100. der Mollusken 338. 346. Venen 54. Venenanhänge derCepha! - poden 400. Vererbung 4. Vergleichung 66. Verhornung 442. Vermehrung 1 7. Verwandtschaft 70. Vibracularien I 41 . Vögel 433. Vomer 477. 483. 485. Vorderdarm (Munddarm 50. Vorderhirn 529. 531. 533. Wachsdrüsen 265. Wassergefässe 232. Wimperkammern 119. Wimperkranz 1 46. Wimperschnur 146. Wimperstreifen 425. Wimpertrichter 1S7. 188. Wimperzellen 23. Wirbelbogen 4 51 . Wirbelkörper 453. Wirbelsäule 452. Wirbelthiere 4 30. Wundernetz 622. Zähne 574. Zelle 16. Zitzen 445. Zootomie 2. Zunge 517. Zungenbeinbogen 473. Zwischenhirn 529.531. 533. Zwitterbildung 56. Zwitterdrüse 403. Druck von Breitkopf nnJ Härtel in Leipzig- ■79D9W