Scan 11) BE LEN IRNRE R FArS DA = ae \ ray ENTE TER SR Ser‘ rl ER, SET RN ERE u „nt ESP IH ERFEER, EN LER #5 eV u . € En ge IR 25 > v Y . ° ’ “ 5 I; ER BRIAN Kann 2.0.7 2 NEE u. k Pe INNE ER . = N ge i E | \ N x " B>; % d 2 A u Ar 5 . A > F w/ 5 a 2 = Fe > _ 3 = 5 N jrp- Dr i u - En ic “ “ g N & ; Pr. ur] = k e i i | De Le aka NR a j Pi Des Ey u IL Ba Ze Hrundzige deutidien Agrarpolitik unter befonderer Würdigung der Fleinen und großen Nlittel. en Don Dr. A. Buchenberger, Präfident des Großherzoglich Badifchen Sinanzminijteriums. Berlin Derlagsbuhhandlung Paul Parey, Verlag für Landwirtichaft, Gartenbau und Forftweien. SW., Hedemannftraße 10. 1897. Alle Rechte vorbehalten. Dorwort. Es find fait drei Sabre her, daß der Verlagsbuchhändler Herr Dr. Barey im Berlin die Anregung gab, es möge der Stoff des von mir als Teilwerf der AU. Wagner’schen Bolitifchen DOfonomie verfaßten Buches: „Agrarweien und Agrarpolitif” (in 2 Bänden 1892 und 1593 bei E. 5. Winter in Leipzig erichienen) in fürzerer, volfstümlicher Daritellung bearbeitet und zugleich zu dem im den legten Jahren be- jonders heftig entbrannten Streit über Bedeutung und Wirkfamtert der „großen“ und der „Elemen“ Weittel im Gebiet der Agrarpolitik Stellung genommen werden. sch bin erit nach wiederholter Einladung und auc) nach erfolgter Zulage nicht ohne Widerftreben an die erbetene Arbeit herangetreten, einmal weil meine jeßigen Berufsarbetten nur in geringem ‚Maße Zeit für literarische Ihätigfeit übrig lafjen, jodann auch deshalb, weil ich mir darüber jehr wohl im flaren war, daß in einer leiden- chaftlich erregten Yet eine Schrift, die nach dem wirtjchaftspolitischen Standpunkt ihres Berfalfers feine andere Aufgabe verfolgen fan, als die, zur Nubhe und Belonnenheit zu mahnen, auf geringes Entgegen- fommen gerade von jeiten derjenigen fich werde Nechnung machen dürfen, an die fich die Schrift in eriter Neihe wendet. Sch habe Diele Bedenfen Ichlieglich überwunden und bin der Abfaffung der Schrift näher getreten; die Arbeit konnte aber infolge der auf dem BVerfaffer laitenden vielfältigen fräftiger Mitverwendung der Urlaubszeiten ihrem Ende entgegengeführt werden. Cine Weihe von Fragen, die erjt in den legten Jahren ihre befondere Bedeutung erlangten und die in meinem Handbuch der Agrar- politif entweder gar nicht oder mr flüchtig behandelt jind, haben in diefer Schrift nunmehr ebenfalls Behandlung und Windigung erfahren. Dagegen wurde auf Litteraturangaben im Hinblie darauf durchweg ver- zichtet, daß das Buch fein jtreng wiljenichaftliches fein Soll, jondern zur Aufgabe jich jebt, die agrarpolitiichen Fragen gemeinveritändlich zu er Örtern umd den weitejten Streifen der Landbevölferung in dem Srrgarten agrarpolitiicher Fragen ein Führer und Wegweifer zu fen. Die vorliegende Schrift joll gegenüber manchen irreleitenden Aus- führungen den dreifachen Nachweis führen: einmal, daß amgefichts einer unzweifelhaft gegebenen jehr jchiwierigen Lage des landwirtjchaft- lichen Gewerbes die landwirtjchaftlihe Staatsfürforge zu feiner Zeit IV Vorwort. fräftiger und planmäßiger ihres Amtes gewaltet hat, als in der Gegen= wart; zum andern, daß die neuerdings jo jehr verichmähten oder gering- ihäßig beurteilten „gleinen Wüttel” in ihrer Gejamtheit eine große Heilkraft in fich Ichliegen und jolche bewiejen haben; zum dritten, daß mindeitens ein Teil jener VBorjchläge auf wirtichaftspolitiichem Gebiet, die man gemeinhin als „große Mittel“ zu bezeichnen -pflegt, entweder überhaupt unerfüllbare Anforderungen an die Staatsgewalt itellt oder, wenn erfüllbar, nur unter jtarfer Schädigung der nterejfen anderer Berufsitände zu verwirklichen ift. Biele unzutreffende Urteile würden nicht gefällt werden, mancde auffällige VBorichläge unterbleiben, wenn in landwirtichaftlichen Kreiien der Hiitoriiche Sinn, d. h. die Einficht in und das Verjtändnis für das geichichtlich Gewordene mehr gepflegt würde, und wenn als Frucht diejer Einficht und diefes VBeritändnijfes die Erfenntnis Wlab greifen wollte, daß alle Reformen in gutem Sinn, liegen te auf politiichem oder wirtichaftlichem Gebiet, jtets nur ee zu reifen pflegen und über- jtürzende Halt jederzeit mehr Schaden als Nuben angerichtet hat. Wejent- (ich hieraus it auch das Entitehen des Srrtums zu begreifen, als ob der jtaatlichen Gejeggebung eine Art magischer Kraft innewohne, Schäden und Ubelitände, die oft das Erzeugnis verwideltiter wirtichaftlicher VBer- hältnijje und im leßter Linie häufig das Broduft welhwirtichaftlicher 2 Vor- gänge Find, gewiljermaßen von heute auf morgen durch einen einzigen ‚sederzug bejeitigen zu £önmen. Gegen diefe Überichägung Ttaatlicher Meachtmittel in Bezug auf rajcheite und nachhaltig wirfjame Löjung vers wicelter wirtjchaftlicher Probleme fann nicht entichieden genug Stellung genommen werden, da nichts jo jehr wie der in der Gegenwart ver- breitete, fat myitiiche Glaube an die Wunderfraft des jtaatlichen Geleb- gebungsapparats geeignet it, Das Vertrauen in die eigene Kraft zu er= ichüttern und den Genejungsprozeß zu verlangjamen. Danach bedarf es faum eines Hinweijes, daß in diefer Schrift eine Anzahl gerade in neuerer Zeit von agrariicher Seite gejtellter und mit bejonderem Nachdruc vertretener Forderungen abgewiefen werden mußte. Abgelehnt wurde von dem Verfaffer zivar nicht etwa eine proteftiontitiiche Wirtichaftspolitit überhaupt, die, wie für die wejtenropätjchen Staaten, jo auch für Deutjichland mutmaßlich für längere Zeit Ichlechthin nicht zu entbehren tjt, wohl aber jede Art von Hochjchuß, die auf eine jtaatliche Nentengarantie hinaus fäme; abgelehnt wırde mit aus diefem Grund der Antrag Kanib, wie jede Verftaatlichung des Getreidehandels. Ablehnend jteht die Schrift ferner den auf grundjägliche Änderung unjerer Währungs- einrichtungen gerichteten Bejtrebungen gegenüber, da die für eine folche Anderung bis jegt geltend gemachten Gründe als hinreichend ftichhaltig und beweisfräftig nicht erachtet werden fünnen. Dagegen tft betreffs der - Hetreidve-Terminhandelsfrage die Schrift zu einem die befannten Neichs- tagsbejchlüffe im wejentlichen billigenden Ergebnis gelangt, ohne daß jle Vorwort. V übrigens, wie faum betont zu werden braucht, die auf unzureichender Kenntnis der Vorgänge beruhende grundjägliche Bekämpfung des Getreide- bandels und der Produftenbörjen fich angeeignet hätte. Auch mit Abweilung eines erheblichen Teils der jogenannten „großen Mittel“ bleibt genug Raum Für eine erfolgreich ihres Amtes waltende Agrarpolitif, und dies nachzumeilen tt die Hauptjächliche Aufgabe geweien, die ich in diefer Schrift mir geitellt Habe. Dabei bin ich mir jehr wohl bewußt, daß tünenden Schlagworten gegenüber eime ruhige, müchterne, maßvolle Betrachtungsweile, die in ihren Vorjchlägen die „goldene Witte“ einzuhalten fich bemüht, einen jchweren Stand hat. Aber ich zweifle nicht daran, daß auf die eraltierten Augenblisitimmungen und Augenblids- vorichläge auch wieder eine Zeit müchterner Auffafjungsweile und fühler VBeritändigfeit folgen wird. Diejer Zeitpunkt mag noch nicht allzu nahe jein, aber er wird fommen, und je cher er fommt, um jo bejjer wird es für die gedeihliche Weiterentwiclung desjenigen wichtigen Berufsitandes jein, in dejjen Intereife die nachfolgenden Betrachtungen entitanden und niedergejchrieben find. Karlsruhe, Herbit 1897. Buchenberaer. * BR Un UND YR YUR YR v0) UR UN -] 8) 10. ISnbalt. Erites ftapitel. Srundeiaentumsverfafjuna und Sandwirtichaftsbetrieb in ihrem aejcbichtlichen Werdeaana. Die Sandwirtfchaft der Gegenwart und die Aufgaben des Staats. Allgemeinfte Würdigung der a und der Se rechte am Grund und Boden . Die Bejtedelung des A Bodens EN dn8 5 Stuecht d ber äfteren Zeit rk: me N Die rechtlichen Besiehungen Den bäuerlichen Bevölferung zum rm und Boden; Freiheit und Busbet in älterer Seit; die 108. N Sejeßgebung - + * 3 Brivatbejig und Semeinjhaftekeit (Gemeinpeiten ee Almenden); ($e- meinheitsteilungen Baba Re O0 Fu Gebundenheit und Freiheit des Süterverfehrs - .. . Große, mittlere und Fleinere Güter; das on einer guten Srnndeigen: maggre lung ER SONO Die Betriebsformen in a Sanbiwirtichaft: Kolleftiowirtfe yaft ih Eingel- unternehmung; Be a und . en Sala) insbejondere - - Das private Srrmdeigenhum nn Dr ee auf X ee des Grund und Bodens; ne und a ua der Bejig der toten Hand - Die Entwiclung des Sandwirtfehaftsbetriebs; Standort bei oe ichaftszweige; rang un und intenjiven Betriebs; Be- triebsigfteme - + - 0,0, 8.00 10,.01.0 Eigenproduftion und roduftion Kir St tab; Naturals, Seth u Streditwirtichaft; SC uneL Kama SO und Ein- richtungen Gannbanbennltering a Sandwich in ne Segenwart, "Die Auf gaben des Staats Selbithilfe und Staatshilfe; alfgemeinfie Srundiär Dr Sandwich t9- politif; große und Feine Mittel - «» - - Od 00 Der Staat und die landwirtichaftliche Oontevetfenwerttettine edit ichaftliche Vereine und Genoffenjchaften; die Forporative Organijation Der Landoimirticgaft.= > oem 0 in Ve Jule Zasra en ee har: Bmertes R.mHrbel Der Grund und Boden im Güterverkehr. Beeinfluffung des Güterverfehrs und der Grundeigentumsverteilung durch die Gefegebuna, insbefondere im Wege der immeren Kolonijation und des landwirtjchaftlichen Erbrechts. Allgemeinjte Witrdigung der für die de des Grund und Bodens maßgebenden Faktoren - - - Spa tgke Me rar o Die Abweichungen des Verefrsmentes reis) des ne und Bodens von dem Ertragsmwert » - -» . Ip Umfang des Verkehrs im Seunb fen Beer Mürdigung Be Sreiheit des Güterverfehrs; Statijtif der Srundeigentumsverteilung EEE FE SE Seite Qs 20 50 [v 77) [80} 180} 6} [89] n un N) = 8 28. un WM YRUR S 34. 30. 31. 32. 33. Snbalt. . Bolizeiliche und verwaltungsrechtliche Hemmungen der Freiheit des Grundeigentumsperfehrs; Stücichluß; geiebliche Unteilbarfeit; Be- fümpfung der Güterichlächterei - . Fortjegung; ftaatlicher Eingriff im Die £ Sehnung © Grundeigentum verteilung durch das Mittel der inneren Kolonijation Hemmungen der Freiheit des Grundeigentumsverfehrs und der an eigentumsverteilung durch das Erbrecht; die Fideifommifie insbejondere . Hortjeßung; das bäuerliche Anerbenrecht (Hecht der Einzelerbfolge) - Fortjegung; Würdigung der naturalen ug des le rn lajjes; abjchliegende Betrachtungen Ge 2 e Drittes Kapitel. Grund: und Betriebsfapital, Grund und Betriebsfredit; Der- jchulduna und Entichuldsuna des Grundbefißes. Die einzelnen Arten des Kredits; Die ana und das wirt- ichaftliche Ailifo des Beltgfredits insbejondere or Die ländlichen Schuldverpflichtungen der Gegenwart im Zeraleic mit früher; die Würdigung von Grundfreditverpflichtungen im allgemeinen ; gurächweijung pejlimiftijcher Auffaijungs Sucien: ir die Grundfrediti 2 ein jchlechthin zu meidendes libel? Die Bejchränfung der Freiheit im Stundtreditverfehr: Schluß Ber Hhpothefenbücher und Einführung von Verschuldungsgrenzen Nechtliche Ordnung des Grumdfredits ee); Sandbud wejen; Kapitaljchuld und Nentenichuld Die wirtjchaftliche Organijation des Grund- (Supothefar- ) Rrebits, (Un- fiindbarfeit und Amortijation; Verfnüpfung der Pan mit der Lebensverjicherung; Zinsfuß; Beleihungsgrundjäße.) Formen der Kreditorganijation: Genofjenjchaftlich organifierte und staat- liche Streditinftitute. Die Monopolifierung des Grundfredits Der landwirtjichaftliche Berjonalfredit und jeine Or nn ee! des Perjonalfredits; der Wucher insbejondere - . Schuldnot und Amangsvollftretung: Beitrebungen auf Mirderung des Bmangspollitrefungstechts; die Heimftättebewegung insbejondere. Yb- ichliegende Betrachtungen Guest er ua il 5 Meier, 0 eleinie 0 > Biertes Kapitel. Sandwirtichaftliche Betriebstechnik und der Einfluf; der jtaat- lichen Kandwirtichaftspfleae. Allgemeinfte le. eines allen ea in den Yandwirt- ichaftsbetrieb Kulturjchädliche Hinderniffe un deren Befümpfung Durch Se e Mal nahmen der Landesfultur . Landwirtjchaftliche Betriebsjünden Bildungsmittel des Yandwirts und utnBe Sörberungsmittel Dei Tonb- wirtichaftlichen Produftion - SR LEO, Fünftes Rapitel. Ausaaben und Kajten des Tandwirtichaftlichen Betriebs; Arbeitslöhne, Unfalle und Derficherunaslajten, jowie öffent: liche Abaaben insbejondere. Abhängigkeit der Ausgaben und Lajten des landwirtichaftlichen Betriebs von der wirtichaftsgejchichtlichen Entwidlung im allgemeimen; jinfende Tendenz einer Anzahl et des ln ra in der Gegenwart » - «..- VEN Seite vl [0 77) UR UN URYR YNn IV 72 un UR UR YR N LP YR UN URN UR UR 39. 40. Spalt. Die Arbeit im landwirtichaftlichen Betriebe; Zujammenhang der Agrar- verfajiung mit dem Arbeitsangebot und der Lohnhöhe; Maßnahmen zur Befjerung der Wrbeiterverhältnifje; Landpolitif und Wohlfahrts- einrichtungen inSbejondere » »- » re rennen Unfälle und Schäden im landwirtichaftlichen Betriebe; Bedeutung der landwirtjchaftlihen Berficherung; Verhältnis von PVerjicherung zur Zandwirtichaftspolizei- - - » - ren nenne Fortiegung; Hagelichäden und Hagelverjicherung insbejondere - - - - Unfälle im Tierbejtand und die Verficherung landwirtichaftlicher Nuß- au oe ana De ren ts Unfälle im landwirtjchaftlichen Betriebe und ihre Verhütung und Unter- drüdung durch die Maßnahmen der Landwirtichaftspolizgei » » » - Die öffentlichen Abgabe des Landwirts » » - «ern n ne Sechites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs; die Marft- preisbilduna landwirtjchaftlicher Erzeuanijje und ihre Be einjlujjuna durch die allaemeine Wirtjchaftspolitif. . Holgewirfung von Preisrüdgängen im allgemeinen und die Stellung- nahme des Staats zu jolhen Borgängen; Agrarkriien - » « :- - - Die Preisummälzungen der Gegenwart und deren Urjachen ; die Gejeße der Preisbildung landwirtichaftlicher Erzeugnifie; Einfluß der modernen Berfehrsmittel auf Abja und Preisbildung »- » «nenne. Getreidepreije und Erzeugungsfojten; die Folgewirfungen der neuzeit- lichen Preisummälzungen, insbejondere bei Getreide; Verjchiedenheit der Wirkungen nad) Produftionsrichtung und Größenkflajjen des Betriebs - Die Marftpreisbildung und die ET Würdigung der Getreide- zölle insbejondere IE EEE Dh Era ara een 0,5 Die Marftpreisbildung des Getreides und die Handelsverträge Der Einfluß von zollfreien Getreidelägern auf die Marftpreisbildung und den Abjaß des Getreides; Maßnahmen zur Verbejjerung der Marft- fähigfeit und Abjatmöglichkeit des inländijchen Getreides; Bedeutung der Fleinen und mittleren Meühlenbetriebe für den Getreideabjaß; ge- nofjenjchaftliche Abjagorganijation und Stornhäufer; Aufhebung des Spentitätsnachweiles für Getreide - - » - ernennen Die Marktpreisbildung des Getreides und die Berjtaatlichung der Ge- treideeinfuhr (Antrag Kanik) » «rennen Die a und die Börje; der Getreideterminhandel ins- befondere = = ı » 2 Sul al hie a a leh a sat elle ER = Die Marftpreis bildung Tanbtwirtfehaftficher Erzeugnijje und der Zmwijchen- handel; Möglichkeit jeiner Zurüddrängung »- » » nen. . Die Marftpreisbildung landwirtjchaftlicher Erzeugnifje unter dem Ein- flug des Wettbewerbs von GSurrogaten und PBerfälichungen; die Kahrungsmittelpolizei insbefondere - » = rennen Die Marftpreisbildung und das Geld-(Währungs-)weien » » - + + - Schlußbetrachtungen. Snterefjenfämpfe der Gegenwart; agrarijche und antiagrariiche Strömungen; Nüdblid und Ausihau »- » «+ +. +» Ceite 161 Erftes Kapitel. Grundeigentumsverfaflung und Sandwirtichafts- betrieb in ihrem gefchichtlichen Werdegang. Die Sandwirtichaft der Gegenwart und die Aufgaben des Staats. $ 1. Allgemeinjte Würdigung der Grundeigentumsperteilung und der Befigrechte am Grund und Boden. Für die wirtichaftliche und politische Entwicklung eines Landes ift die Art und Weile der Berteilung des Grund und Bodens unter die Bevölferung und find die Bejtgrechte diefer Bevölkerung am Grund und Boden von wejentlicher Bedeutung. Es it allo feineswegs gleich- gültig, ob der Grund und Boden nur einer fleinen Anzahl be= vorrechteten Berjonen gehört, wie im englischen Snjelreich oder in zahlreichen Provinzen ‚staliens, Länder, in denen die Grundariitofratie ihre Güter in der Negel nicht einmal jelbjt bewirtjchaftet, jondern im Weg der Pacht und ähnlicher Lofer Kontraftverhältniffe zu nuben pflegt; oder aber ob die Mehrzahl der Bewohner des flachen Landes Eigentumsrechte am Grund und Boden hat, wie in Deutjchland, wo zugleich Ddiefe zahlreichen fleinen, mittleren und größeren Güter von ihren Eigentümern jelbjt bewirtichaftet zu werden pflegen und die Vers pachtung zu den Ausnahmen zählt. sn Ländern der erjtgenannten Art, d. 5. in jolchen mit artito- fratiicher Örumdeigentumsverteilung und vorherrichendenm Groß- grundbejiß, verteilt jich das Einfommen aus dem Grumdbelig unter einen verhältnismäßig kleinen Bruchteil des Volkes, die große Mafle der auf dem flachen Lande lebenden Menjchen it von den Segmumngen des Grundbefiges und der werbenden jelbjtändigen TIhätigfeit am Grund umDd Boden ausgeichlojjen umd Die Gegenjäße von Neich und Arm, von übermäßiger Häufung von Vermögen auf der einen, von Armut auf dev anderen Seite treten bejonders grell zu Tage. In Ländern mit jolcher Grundbefigverteilung beiteht aber auch: häufig die Neigung oder die Iot- wendigfeit, die ausgedehnten Ländereien unter Aufwendung don wenig Buchenberger. 1 > Erjtes Kapitel. Grumdeigentumsverfajjung und Landwirtichaftsbetrieb 2c. Kapital und Arbeit, d. h. thunlich ertenjiv zu bewirtjchaften, 3; B. ımter Vernachläffigung des Körnerbaus Weidewirtichaft zu treiben, oder man läßt gar anjehnliche Teile des Landes als Jagdgründe oder Barts liegen, weil der Neichtum der Grundartiitofratie einer bejonders itarfen Ausnugung des Bodens durch landwirtichaftliche Ihätigfeit ent- behren fann. Ganz anders bet der zweitbeiprochenen mehr volfstümlichen Art der Grumdbejißverteilung. Penn einmal wird hier die Ein= fommensvertetlung eime günjtigere jein, da an den Erträgnifjen der bodenbewirtichaftenden Thätigfert eine große Menge von Menjchen teil- haben umd für grelle und unvermittelte Vermögensunterjchiede auf dem flachen Yande wenig Naum tt. Sodann aber muß bier allgemein das Beitreben Tich geltend machen, unter Aufvendung von beträchtlich viel Stapital und Arbeit, d. bh. thunlichit intenjiv zu wirtichaften, um dem Grund md Boden von einer gegebenen Cinheitsfläche möglichit viele Bodenerzeugnije abzuringen; denn nur bei diefer Art von Wirt- ichaftsiweife wind eime Kamilie auf Eleinen und mittleren Gütern ihren Unterhalt finden fünnen. Das wichtigite und dringendite Bedürfnis des Meenichen it aber das Nahrungsbedürfnis, vor allem das Bedürfnis nach Brot, Fleiich und Milch. Für die Befriedigung Ddiejes Bedürnifes it aljo offenbar da, wo infolge der Aufteilung des Grund und Bodens unter eine Vielheit von Menjchen Anreiz zur jorgfältigiten Ausnüßung der Bodenfräfte gegeben tft, am beiten gejorgt, während ein Yand pie das englische snielveich auf die Zufuhr von großen Mengen von Nahrungse mitteln von anderen Yändern her angewielen it umd fich dadurch tm den Zultand weitgehenditer wirtjchaftlicher Abhängigkeit von diefen Ländern begtebt. Die Jorgrältige Deitellung des Bodens wird ferner in der Negel mehr gewährleiftet jein, wenn der Wirtichafter zugleich Eigen- tümer, als wenn er blog Bächter tt oder wenn er gar in rechtlicher oder wirtichaftlicher Abhängigkeit von dritten Berjonen jich befindet. Denn nur der freie Eigentümer auf freiem Grund und Boden hat die Gewiß- heit, die ‚Früchte feiner Arbeit am Boden, namentlich joweit es jich um bodenverbejjernde Arbeiten handelt (Drainagen, Bewäljerungsanlagen, Baumpflanzungen 2c.), nicht bloß jelbit zu genießen, jondern fie auch jeinen Sindern zu Tichern; wo dagegen die Beziehungen des Wirtjchafters zum Boden loje Tind, greift infolge der Unficherheit des VBerbleibs auf dem Gute nicht jelten eine bodenberaubende Wirtjchaftsthätigfeit NMaub- wirtichart) Pla oder die bodenbebauende Bevölkerung verfällt in einen Zuitand der Schlaffheit oder Mutlofigkeit. Umgefehrt erzeugt das enge Berwachjenfein des jelbjtwirtichaftenden freien Eigentümers mit dem Grund und Boden Die Tugenden des ‚zleiges und fraftvoller Bethätigung, aber auch Anhänglichkeit an die von Gejchlecht zu Gejchlecht Fich Fortvererbende Scholle und in Verbindung damit jtarfes Heimatsgefühl und Liebe $ 1. Mllgemeinjte Würdigung der Grundeigentumsperteilung 2c. 3 zu der größeren Gemeinjchaft, dem Staat, unter dejien Schuß und Schirm der Landbewohner jeiner Erwerbsarbeit am Boden fich hin- geben fann. Heben dem volfswirtichaftlichen Borzug der möglichit umfang- reichen Erzeugung von Nahrungs und Genußmitteln haftet daher der Aufteilung des Landes unter thunlichit viele Bodeneigentümer auch der wichtige politijche Borzug an, daß eine große Menge ftaatstreuer, vaterlandsliebender Elemente im Lande vorhanden tt, die jich als feite Stüßen der Drdnung und einer ruhigen, friedlichen Fort- entwicdlung erweilen. Man vergleiche den jeiner überwiegenden Mehr: zahl nach noch immer fonjervativ am den überlieferten Ordnungen umd Einrichtungen feithaltenden, taats- und fünigstreu gefinnten deutichen Bauernitand der Gegenwart mit dem unfreten und infolge jeiner gedrückten Lage zu Aufitänden geneigten Bauernitand des Wüttelalters und Der ipäteren Sahrhunderte oder mit der in dem unsicheren Befisverhältnis des Teilbaus lebenden, politisch unzuverläfligen und vielfach der Soctal- demofratie verfallenen ländlichen Bevölkerung Italiens und man wird das Gejagte betätigt finden. Schon die vorjtehenden furzen Andeutungen lafjfen aljo erfennen, ein wie großes jtaatliches Sutereiie an die Erhaltung einer guten Grumdbejigverteilung und an die Behauptung des Grundbefiges Durch zahlreiche kleine und mittlere Wirtichaften gefnüpft ericheint. Haben denn nun aber die Befitverhältnitie und die Nechtsverhältniiie am Grund und Boden, wie wir fie heute in Deutjchland vorfinden, von jeher bejtanden? Dder find fie das Produkt einer langjamen gejchicht- lichen Entwicklung aus anders gearteten Belit- und Nechtsverhältnifjen ? Auf diefe Fragen Toll zumächjt Antwort erteilt werden, ehe jenen zahl: - reichen wirtjchaftlichen Fragen näher getreten wird, die Die ländliche Bevölferung berühren und mit deren Erörterung und Löjung die Gegen- wart bejchäftigt it. Denn man fann die Gegenwart und das, was ihr not thut, Doch erjt dann recht begreifen und würdigen, wenn man Tich flav geworden it, wie und warum jich das Gegenwärtige aus der Vergangenheit entwidelt hat. $ 2. Die Bejiedelung des deutfhen Bodens und das Flurrecht der älteren Seit. Bei der urjprünglichen Aufterlung des deutichen Grund und Bodens unter Die Genojjen des das Land in Bejiß nehmenden Bolfsitammes erhielt jeder Stammesgenofje innerhalb des bejiedelten engeren Gebiets der Dorfgemeinde einen bejtimmten Anteil an Acer, Weide und Wald zu- geteilt; Diejer Anteil hieß die Hufe. Cigentumsrechte gewährte diejelbe zunächit nicht, jondern nur Nugungsrechte, denn der Boden wurde als im Eigentum der Dorfgenofjenjchaften jtehend angejehen. Erjt allmählich, 1* 4 Erites Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und Landwirtichaftsbetrieb ac. vom 6. Sahrhundert unjerer Zeitrechnung ab, wandelte fich das Nugungs= vecht an den Acdergrundftücen der Feldflur zu Eigentum um; wogegen Wald und Weide und jelbit einzelne Zeile der unter den Pflug genommenen ‚seldmarf auch jpäter noch im Eigentum der Dorfgenofjenjchaft verblieben und diefer Gemeinschaftsbeiig mit Kußungsrechten der Gemeindeangehörigen an dem Gemeinjchaftsbeits ich als jogenannte Allmende gegendiweije bis in Die Gegenwart erhalten hat. an nimmt an, daß Die Hufen urjprünglich von gleicher Größe und Beichaffenheit waren; Dies würde auch dem Grundgedanfen der alten politischen Stammesverfaflung entiprochen Haben, innerhalb deren jeder Stammesgenofje gleiche Nechte und Pflichten haben jollte. In welcher Weije die Aufteilung des Landes in den einzelnen Öemarfungen urjprüng- lich Sich vollzogen hat, entzieht fich umjerer Kenntnis. Es genügt zu willen, daß bei Diejer Aufteilung, mag jie in einem Zuge oder, was wahrjcheinlicher it, nach und nach erfolgt jein, die einzelnen Hufen in den Hauptabteilungen (Gewannen) der Feldflur je mit Teilabjchnitten bedacht wırrden; da Ddieje ZTeilabjchnitte etwa die Größe hatten, die das lügen des Felditreifens in eimem Tag oder Vormittag ermöglichte, jo A ie Tagewerfe, Morgen. Das Eigentümliche diejer Yand- anfteil ung war demnach, daß die einzelnen Teile der Hufe in den zahlreichen Gewannen der Feldmarf zeritreut lagen; es ergab fich alfo jener Zuftand in der Lage der Adergrunditüce zu einander, den man als Gemengelage oder Streubejiß bezeichnet. Die in Diefer Were zujammengefeßten Hufen nennt man Gewanınhufen; und mit der ‚Slurverfaljung der Gewannhufen ging das Zufammenvohnen in mehr oder weniger gejchlojjenen Dörfern Hand in Hand. Selbit der Grumdbefiß der VBornehmeren des Stammes, die mit größeren Yandes- teilen als die jonitigen Voltsgenofjen bedacht zu werden pflegten, fügte Jich diejer ‚Slurverfaflung ein, wies alfo die gleiche Art der Gemengelage auf wie die Hufe des gemeinen Mannes. Diefe Gewannhufen find aber nicht die einzige Form der Befiedelung des heimischen Bodens; es findet fich in beträchtlichem Umfange auc) das Syitem der geichloffenen Einzelhöfe, bei denen das Yand bloc= oder ftreifenartig, oder Doch in zulammenhängenden, wenn auch unregelmäßig geformten Flächen Haus und Hof umgiebt. Weit Diejer Art von Hufen geht die zerjtreute Lage der Dörfer Hand in Hand. Das Haufen in Einzelhöfen findet ich vornehmlich in den dentichen Yandesteilen weitlich der Wefer, ferner in den meisten Gebirgsgegenden Mittel und Süddeutjchlands; es war die Form der feltifcherömijchen Befiedelung, die von den machritckenden deutichen Stämmen übernommen wırde und nach- mals auch bei der Bergebung von Köntgsland zur Leihe an Dienft- mannen md Unfreie vielfach zur Anwendung gelangte. Die in dem größten Teile Dentichlands vorherrichende Befiedelungs- weile in der Korm der Gewannbhufe mit der ihr eigentümlichen Ge= $S 2. Die Befiedelung des deutjchen Bodens und das Flurrecht 2c. 5 mengelage der Grundjtüce ijt bedeutungsvoll auch für die jpätere Zufunft deshalb geworden, weil fie von einem Flurrecht begleitet war, als dejjen hervoritechendes Merkmal die rechtliche und wirtjchaft- liche Gebundenheit des landwirtichaftlichen Betriebes ich dar: jtellt. Bei dem Mangel an Feldiwegen und bei ihrer meist unzwec- mäßigen Anlage ergab jich nämlich die Notwendigkeit, die Beitellungs- arbeiten umd ebenjo die Ernte in den einzelnen Feldfluren von allen in denjelben Begüterten gleichzeitig vornehmen zu laffen, auch in derjelben Jlur nur ein und diejelbe Frucht anzubauen, weil die gleichzeitige Vor- nahme der Ernte auch eine gleichzeitige Neifezeit vorausjeßte. Diejes als Slurzwang be a und vielfach bis auf den heutigen Tag fort- beitehende, von den Organen der Gemeinden im einzelnen geregelte Flur: recht hinderte aljo den Einzelnen an der beliebigen Nubung feiner Felder, mötigte jeden, der einmal gegebenen Ordnung md Negel jich zu unter- werfen, und verlieh dem landwirtichaftlichen Betrieb eine gewilje Ein- fürmigfeit, einerlei, ob diejer dem Syitem der Dreifelder- oder der Feld- graswirtichaft angehörte. Unjchädlich, Tolange bet dünner Bevölferung und niedrigen Bodenpreifen ein im diefen jchematischen Negeln fich voll- ziehender einfacher Betrieb immer noch lohnend für den Wirt fich erwies, wurde im Laufe der Zeit und mamentlich in der Gegenwart Diejer Slurzwang mehr und mehr als eine Läftige Fellel empfunden, zumal da, wo die Weglotigfeit der Feldflur dem immer wichtiger werden- den Anbau von Hacfrüchten und Futterfräutern Hindernijje bereitete ; Daher diejenigen gejeglichen Maßnahmen, die auf die Schaffung aus= reichender Slurwege und emes planmäßigen, jedes Grunditüc zu= gänglich machenden Wegenebes, und welche a Lu auf die ZJu-= jammenlegung (Berfoppelung, Mrrondierung, 2 Bereinddung) der tt Der eldflur zerjtreut liegenden Grundjtücde abztelen (Feldbereinigungs- oder DBerfoppelungsgeieggebung!), in der Gegenwart eine jo große Bedeutung erlangt haben, wie dies unten noch näher beleuchtet werden Wird. Eine Eigentümlichfeit des älteren Slurrechts waren ferner Die Weiderechte, die den Ddorfanjälligen Grundbefigern wechjelfeitig auf den Brad und Stoppelfluren — neben dem SE LEnnsung Let auf dem Allınendeweideland — alten. und deren Zeit, Art und Umfang eben- falls die Gemeinde regelte. Die Bejeitigung jolcher Grumdpdienitbarfeiten, wo fie als fulturhindernd Jich erwiefen, hat die neuere Gejeßgebung ebenfalls zu ermöglichen gejucht, um auch im Ddiefer Hinficht eine unges hinderte Ausnußung des Grund und Bodens durch den Cigentümer herbeizuführen. Die Frage, ob das Wohnen in gejchlojjenen Dörfern ungeachtet der jich meist hier vorfindlichen Gemengelage, oder ob das Hofiyiten mit arrondiertem Befiß aber zerjtrentem Wohnen auf der Gemarkung den Vorzug verdiene, wird verschieden beantwortet; Doch dürften dem erjts [6 Erjtes Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und Landwirtichaftsbetrieb ıc. erwähnten Dorf und Hufenjyitem die überwiegenden Vorzüge anbaften, zumal die Schattenfeiten der Gemengelage durch die Feldbereiniqungs- unternehmungen Sich ihrer jtärfiten Nachteile entfleiden lajien.. Die Kachtetle des Hofiyitems treten nicht bloß darin zu Tage, dab wegen der zerjtreuten Lage der Gehöfte die Verwaltung der politischen Ge- meinde und die Handhabung der Baus, Feuer, Sicherheits: und Straßenpolizet mit Schwierigkeiten zu fämpfen hat, sondern auc) darıı, daß Die meisten Wirte infolge ihres tolierten Wohnens und des Dadurch bedingten felteneren Memungsaustaufches erfahrungsgemäß viel zäher an den altüberfommenen vwoirtichaftlichen Gewohnheiten und Yebensweiten feithalten, als die in ftetem amvegendem Gedanfenaustaufc itehenden Bewohner geichloffener Dörfer. Das landwirtichaftliche Ver: eins, vor allem auch das wichtige landwirtichaftlichde Genofjenjchafts- weien, beides jo mächtige Hebel eines gefunden Landyvirtichaftlichen ‚sortichritts, finden in den gejchloffenen Dürfern meilt einen empfänglicheren Boden als in den Gegenden des Hofiyitems. Diejen Erwägungen ijt «3 wohl auch zuzufchreiben, daß bet der Schaffung neuer Anfiedelungen in dei ojtelbischen Provinzen, imsbejondere in Bojen, dem Dorfiyftem vor dem Hofiyitem der Borzug eingeräumt worden ift, indem man hier das Land den Anfiedlern zwar im eimem zufammenhängenden Streifen amwies, die Hofitücte jelber aber in Entfernungen, die fich Durch ihre jeweilige Breite ergeben, längs der Dorfitraße aneinanderreihte. $ 5. Die rechtlihen Beziehungen der bäuerlihen Bevölkerung zum Grund und Boden; Freiheit und Unfreiheit in älterer Seitz die jog. Ablöfungs:Befesgebung. Auf der dem einzelnen Stammesgenofjen zugeteilten Hufe jaß in alter Zeit der Wirt als freier Mann auf freiem Grund und Boden und jeder Hufenbefißer war der gleichen politischen Nechte teilhaftig ; und auch im der Gegenwart genießt jeder Angehörige der ländlichen Bevölfe- rung bis zum fleinjten Stellenbefißer und Tagelöhner das gleiche Maß perfönlicher und wirtichaftlicher Freiheit und vollite Gleich- berechtigung mit den anderen Berufsitänden Aber dem war nicht immer jo, und e3 liegt eine lange Zeit inmitten, in der die große Wealfe der Bevölkerung des flachen Landes perfönlich unfrei und politiich abhängig, und wo jie jelbjt und wo der von ihr bewirt- \chaftete Grund und Boden zu wirtichaftlichen Leitungen und Abgaben rein privaten Charakters an bevorrechtete Angehörige des Srumdbeligeritandes in nicht jelten dDritckendem Umfang rechtlich verpflichtet gewejen it. Diejes Zurückiinfen der ehemals freien Banernfchaft tr Die Berhältuilfe von Unfreiheit und wiederum die Nücgervinnung dev perjönz lichen ‚sreiheit umd der woirtjchaftlichen und politischen Gleichberechtigung. haben zwar heute mur noch gejchichtliches Snterefle. Aber ein Niückblick auf den Werdegang des wirtichaftlichen Lebens auf dem flachen Lande 83. Die Erz Beziehungen der bäuerlichen Bevölkerung zum Grund und Boden. 7 würde doch eine erhebliche Yüde aufveiien, wenn er an jenem merk: würdigen und für die nachmalige Art der Grumpdbelißverteilung be- Deutungsool (en Brozep itillichwergend vorübergehen wollte. Den deutjchen BVBolfsjtämmen war der Zuftand der Unfreiheit von Anfang an nichts fremdes; Ktriegsgefangenichaft oder auch Zahlıngs- unfähigkeit, Geburt von umfreien Eltern und Heirat mit Unfreten führte zur Snechtichaft (Xeibeigenichaft), und der tm jolcher Sinechtichaft Befind- liche wurde als Sache behandelt, fonnte verkauft, verjchentt, jelbjt getötet werden, war zu jeder Dienitletitung verpflichtet, euwarb nichts für Tich, jondern alles für den Herim, durfte ohne Zultimmung des leßteren Tich nicht verehelichen. Unter der Eimwirfung des Chriitentums milderte jich allmählich Diejes ältere, jtrengere Necht, und es bildete fich ein Zus ftand aus, den man als Hörigfeit, Schollenpflichtigfeit, Guts= unterthänigfeit bezeichnet. Bon dem eriterwähnten Zuftand der Yeib- od unterjcheidet er Jich im weientlichen Dadurc, daß die Keiitungen des Unfreien (Hörigen, Grundhalter) gegenüber dem Herrn auf bejtimmtes Maß feitgeitellt, VBermögenserwerb gejtattet, Das Bertreiben des Hörigen vom Hof ohne triftigen Grund umitatthaft war, ja daß die den Hörigen zur Bewirtichaftung gegen bejtimmte Abgaben und Leitungen zugeiwiejenen Grundjtücde vom Bater auf den Sohn Sich vererbten; auch boten ein befonderes Necht: das Hofrecht, und bejondere Gerichte: Hofgerichte, gegen willfürliche Ein= und Übergriffe der Herren (Grundherren) gewille Bürgschaften. sn die Reihen diejer Hörigen traten im Laufe der Zeit auch ehe mals vollfreie Bauern ein, mden fie ihre Güter wogend einem VBornehmen des Landes, vielfach auch der Kirche (Bilchöfen, SKöitern 20.) anboten, um gegen ähnliche Leistungen und Abgaben wie die Hörigen angeleht zu werden. Die Gründe für jolche Freiwillige Ergebung im em Verhältnis der Abhängigkeit und Unfreiheit lagen teils in der Schugbedürftigfeit dev bäuerlichen Bevölkerung im vechtsunficherer Zeit gegen Gewaltthat umd Ilbergriff vonfeiten mächtiger Nachbarn, teils in dem Beitreben, fich den vielfachen, mit dem DBelib einer Hufe verfnüprten öffentlich en, bejonders den militärischen Dienftpflichten entziehen zu können, für die ber den Schuß übernehmende Grundherr als Gehenleitinng eilt trat. Auch verarınte oder völlig landlos gewordene VBollfrete verjtärkten die Reihen der Hörigen, jo daß allgemach) — vom 9. Sahrhundert ab — die ehemals Unfreien und die ehemals Freien zu einem einzigen, tn ihren äußeren VBerhältniffen nicht mehr unterjcheidbaren Stand balb- freier Bauern zujanmenjchmolzen. Nachmals erfuhr die Lage der bäuerlichen Bevölkerung eine Ver- Ihlimmerung, indem unter den Emflüffen des zur Aufnahme gelangenden römischen Nechts die rechtlichen Beziehungen der Bauern zu dem von ihnen bewirtichafteten umd zu Gumjten ihrer Schußheren mit Dienjten und Abgaben belajteten Gute vielfach eine den Bauern abträgliche, den 8 Erites Kapitel. Grundeigentumsverfaffung und Landwirtichaftsbetrieb 2c. Grundherren günjtige Deutung erfuhren. Während nämlich im Anfang diefer Entwiclung die Grundherren über die bäuerlichen Güter nur mehr eine Art Dbereigentum in Anjpruch genommen hatten, wobei das Necht der Vererbung des Bauernguts vom Vater auf den Sohn aner- fannt blieb, ariff allmählich in verschiedenen Ländern eine andere Auf- aflung Plat. Man gejtand nunmehr dem Bauer irgend welche eigen= tumsartige Nechte an dem Hofe überhaupt nicht mehr zu, erblickte in jeinem Verhältnis zu dem weltlichen oder kirchlichen Grundheren mehr das eines Erb=- oder gar nur eines Zeitpächters und leitete daraus das Necht des Grumdheren nicht bloß zur beliebigen Steigerung der Abgaben und Dienitleiitungen, jondern auch zur Entjegung des Bauern vom Hofe ab. Solche Befigentjegungen famen denn auch, namentlich jeit dem 16. Jahrhundert, in und außerhalb Deutichlands mannigfac vor; Banernland wurde zum gutsherrlichen Land eingezogen, und diejes jog. „Xegen der Bauernhöfe” it im vielen Gegenden Anlaf einer ganz anders gearteten Beligvertetlung geworden; die grundangejejjene bänerliche Bevölferung wurde jtarf gemindert oder verjchwand als jolche wohl auch gänzlich, d. h. jie wandelte fich zu einer grundbefislofen, von den Grundherren rechtlich und wirtichaftlich abhängigen QTagelöhnerbe- völferung um. Doch find im größeren Teil von Deutichland Ddieje be- danerlichen Borgänge glüclicherweile Ausnahmen geblieben, danf dem bauernfreumdlichen Eingreifen weitblictender und wohlmeinender Füriten ; und es it Diejer Bolitif des Bauernjchuges, wie er vom Throne herab zur maßgebenden Nichtichnur verfündet wurde, insbejondere zu= zuichreiben, daß nach den Stürmen des Dreißigjährigen Krieges das Ein- ziehen mafjenhaft herrenlos gewordenen Banernlandes zu grundherrlichem Lande verhindert, ja jogar die Wiederbejegung des Witt: und Odlandes mit Bauern obrigfeitlich fräftig in die Hand genommen wurde. Daher in emer Zeit, in der das damals unter jchwedischer Herrichaft Itehende Bommern, ferner England und Schottland, jeinen Banernitand ziemlich einbüßte, Ddiefer in großen Zeilen von Deutichland, wenn jchon unter den erwachienen Berhältnifien rechtlicher und wirtichaftlicher Abhängig- feit, neu eritarfte. Man nennt die gejchilderte Berfafjung, unter der die Bauern in dem größten Teile Curopas bis an die Schwelle diejes Sahrhunderts lebten, die Grundherrlichfeitsverfaifung; und deren Wejen bejteht aljo darin, daß das Eigentum am Grund und Boden fein freies und unbejchränftes war und daß häufig die Beligrechte des Bauern mehr jenen der Pacht als des Eigentums ähnelten; daß jelbit da, wo eine Bererbung des Bauernquts rechtens blieb, Doch die Gutsherrichaft das echt in Anipruch nahın, den Bauer aus bejtimmten Gründen vom Hof zu entfernen (ihn „abzumeiern“); daß der Negel nach die Zerteilung, der Gitter, ebenjo deren Berjchuldung ohne Zufltimmung des Grund- herein unzulällig war; daß der Bauer beitimmte Hand und FJuhrdienite a $3. Die rechtlichen Beziehungen der bäuerlichen Bevölferung zum Grund und Boden. 9 (Frohnden) für das qutsherrliche Gut und nebjtdvem Abgaben verjchieden- jter Art (Zehnten, Bodenzinjen, auch Vermögensabgaben beim Guts- wechjel oder in Erbfällen) zu leiiten hatte; endlich daß dem Grumdherrn die Gerichts: und Bolizeigewalt über die Grumdeingejejienen des Grund- herrichaftsbezirfes zuitand. Andererjeits freilich — und Dies it die nicht zu überjehende freundliche Ntehrjeite diejer VBerfaffung — lagen dem Gutsheren auch eine Anzahl weitgehender Berpflichtungen gegenüber den grundangejejlenen Bauern ob: Er war in Unglücsfällen, bei Hagelichlag, bei Mißernten, bei Brandfällen verbunden, ihnen Hilfe zu leiften, ev mußte ihnen auch in Tagen der Stranfheit und des Alters feine Unterjtügung angedeihen lajjen, und zweifellos it da, wo mild und gütig aefinnte Grumdherren Ddiejen Berpflichtungen in billiger Were nachfamen, das bäuerliche Abhängigfeitsverhältuis weniger drücend empfunden worden, als es uns heutzutage ericheinen mag. Eben wegen diejer in gewiljem Sinne väterlichen Fürlorge, die dem Grundherrn feinen jchußbefohlenen Bauern gegenüber oblag, jpricht man auch von einer patriarchaliichen VBerfaffung; und Ddiefe Kehrieite des Verhältnifjes erklärt es, warım an jich menjchenfreundlich geiinnte Staatsmänner und Gelehrte (wie Suftus Möfer und andere) noch am Ausgang des vorigen Jahrhunderts für Diefe patriacchaliiche BVBerfaffung Worte des Lobes und der Ilner- fennung gefunden und deren Aufhebung widerjtrebt haben. Die Bewegung, welche zu Gunjten des Bauernitandes im Stimme der Gewährung voller perjönlicher Freiheit und der Schaffung des vollen und freien Eigentums an dem von der bäuerlichen Bevölferung bewirt= chafteten Grund und Boden einjeßte und die mit der Ablöjung und ichließlichen gänzlichen Dejeitigung aller auf dem bäuerlichen Grund und Boden lajtenden Dienste und Abgaben zum Borteil dritter Be- vorrechteter, jowie mit der Aufhebung der qutsherrlichen Gerichts- und Bolizeigewalt abichloß, Danerte in Deutichland etwa von Der Mitte des vorigen bis zur Mitte diefes Jahrhunderts, allo nahezu 100 Sahre. Die Gejeßgebung, die Ddiefer in allen Staaten fajt gleich- zeitig auftretenden Bewegung zu Gunsten des Bauernitandes ihre Ent: jtehung verdanfte, heißt Ablöjungsgejeßgebung, deren Ziel und Zwed aljo die Befreiung des Bauernjtandes aus der rechtlichen und wirtichaft- lichen Gebundenheit der alten Grumdherrlichfeitsverfaffung war; daher das Werk jelbit wohl auch das bäuerliche Befreiungswerf genannt wird. Einen mächtigen Anitoß zu diefem großen Gejebgebungswerf hat, neben dem Beitreben auf Herjtellung voller bürgerlicher Gleich- heit und Gewährung gleicher politifcher Nechte an alle Yırge- hörigen des Volfes, auch die volfswirtichaftlihe Betrahtung gegeben, daß die freie Arbeit der erziwungenen unter allen Umfjtänden vorzuziehen jei, und daß deshalb das volfswirtichaftliche mterejje an 10 Erites Kapitel. Grumdeigentumsverfafjung und Landwirtichaftsbetrieb 2c. möglichiter Steigerung der Bodenproduftion durchaus einen freien Bauern- ftand auf fretem Grund und Boden fordere. Heute am Ausgang des 19. Jahrhunderts find in Deutich- land auch Die lebten Spuren der alten Yorrtichaftlichen und politischen Unfveiheit und Abhängigkeit verwiicht, die völlige jtaatsbürgerliche Fret- heit und politische Gleichheit aller Staatsangehörigen ift verwirklicht und die bänerliche Bevölferung tit als vollberechtigtes Glied der Bolfsgemeinjchaft zur Mitarbeit im öffentlichen Leben, im Selbitverwaltungspdienit der Gemeinde und in der Vertretung des Volkes in gleicher Weije berufen, wie das Glied eines jeden anderen Standes. Selbitgerühl und Bertrauen in die eigene Straft it jettdem auch in den Streifen der bäuerlichen Bevölkerung mächtig gefördert worden. uch die ehemalige ichroffe Gegenfäglichkeit der Suter- eyjen zwilchen bäuerlicher Bevölkerung und Großgrundbeiig tt, jeitdem diefer lebtere jeiner ehemaligen bevorrechteten Stellung gegemüber der bäuerlichen Bevölkerung entfleidet wurde, nicht mehr vorhanden; beide — der Großgrundbejis und der bänerliche Befig — fünnen fich vielmehr in der Gegenwart in friedlichem Zujammenarbeiten den gemeinlamen Yıf- gaben des Berufslebens hingeben und mit vereinten Sträften für Die Sntereffen des Grumdbeliges und für die Schaffung günftigerer Dajeins- bedingungen eintreten. Die Art der Durchführung des Befreiungswerts in PBreupen nahm, wie bier eingeschaltet jein möge, für die bänerliche Bevölkerung insbejondere der Öftlichen Provinzen injofern nicht durchweg einen günstigen Verlauf, als dafelbit nicht alle Banernftellen, jondern nur die jpanıts fähigen umd diejenigen, die jchon jeit 1760 vorhanden waren, für „vequs lierungsfähig”, d. H. zur Verleihung des Eigentums befähigt erklärt wurden, während die anderen von der Wohlthat der Negultierung aus= geichloffen und demgemäß teils zum Herrenland eingezogen, teils in Zeit pachtitellen, teils in „Dienjtetabliffements” (Oärtnerz, Snitenjtellen) ver wandelt wurden. Der Beitand der öftlichen Provinzen an bäuerlichen Beligungen it infolge davon mumerisch jehr gejchwächt worden; und das ungünstige Verhältnis, in dem bis in die Gegenwart in den Öftlichen Brovinzen die Zahl der Bauernftellen zu dem größern Belis fteht, Hat fich) dev wirtichaftlichen und focialen Entwicklung in Ddiefen Provinzen io abträglich ewwiejen, daß eine neuerliche Gejeßgebung (Anfiedelungs- und Nentengutsgefeße), auf die unten noch näher einzugehen tt, Die Schaffung neuer zahlreicher Banernitellen geradezu zur beitimmungsges mäßen Aufgabe ich gejeßt hat. uch die dem preußiichen Diten eigenz tiimliche Arbeitsverfaffung, die im wejentlichen auf eine eigentumsloje Tagelöhnerjchaft fich jtüßt, aber bei der mafjenhaften. Abwanderung diejer Elemente mehr und mehr \ich unzureichend erweilt, den Arbeitsbedarf zu deefen, hängt mit der beiprochenen Art der Ablöjungsgejeßgebung tn diejen Provinzen aufs engite zujammen. 4. Privatbejig und Gemeinjchaftsbejtig 2c. 11 Auch das darf nicht unbetont bleiben, daß die Gewährung vollen Eigentums und voller wirtichaftlicher Freiheit an die bänerliche Bevölkerung als Folge dev Ablölungsgeieggebung nicht überall und nicht jofort Die gewünjchten Früchte trug, weil von der Freiheit zur beliebigen Verfügung über das Grundeigentum im Wege des Taujchs, Berfaufs, der Zerjtücelung, und weil ebenjo von der gewährten Freiheit im Streditverfehr (VBerichuldungsfreiheit) nicht immer der richtige maßvolle Gebrauch gemacht wurde Das Befreiungswerf, wie e8 in Preußen durch Die grundlegenden Edifte vom 9. Dftober 1807 und 11. September 1811 und durch ähnliche Gelege in anderen Ddeutjchen Staaten eingeleitet wurde, enthielt deshalb eine Yücfe, infofern e3 ver: abjäumte, zugleich mit der Niederreigung der als drücend und ungerecht empfundenen Schranfen der alten Grundbeiigverfaffung auch folche Nechts- einrichtungen und Organijationen, namentlich im Gebiet des Erbrechts und des Streditweiens, zu geben, die fich geeignet erwiejen hätten, einen Wipbrauch der wirtichaftlichen Freiheit zu verhüten. Und es blieb einer jpäteren Zeit, und es bleibt in verjchtedenen Beziehungen jogar noch der Gegenwart vorbehalten, Das in den Tagen des Be= jreiungswerfs Berfäumte nachzuholen. $ 4 Privatbefis und Gemeinfhaftsbefis (Gemeinheiten oder Allmenden); Gemeinheitsteilungen. Wie in S 2 dargelegt wurde, verblieben in den bäuerlichen Dorfge- menden auch dann, als das Ackerland und Wiefenland in Privatbeiit übergegangen war, ein Teil der Feldflur, nämlich das Weideland umd die Waldungen, im Gemeinjchaftsbejiß. ‚serner beitand von alters her in der Wirtichaftsweife eine Art Feldgemeinichaft, indem die gegenjeitige DBefahrung der abgeernteten Felder und der Brachflur mit Vieh zum Zwede der Beweidung zugelajfen und von allen Gemeinde- angehörtgen und Grunmdeingejelfenen — das grumdherrliche Yand nicht ausgenommen — geduldet werden mußte. Und der alte Gemeinjchaftsbeiik erhielt jich gegendenweise jelbjt dann noch, als einze (ne Teile des Weidelandes zu Acer und Wiejenland ungebrochen umd tr Itändige Kultur genommen worden waren. Kur daß in diefem Fall jelbitverjtändlich feine gemeiniame (kollektive) Nusung möglich jich erwies; vielmehr wurde diejes feldimäßig bewirtjchaftete ehemalige Weideland in Loje eingeteilt und wırden diefe Yofe den Gemeindeangehörigen auf fürzere oder längere Zeit, nicht jelten jelbit auf Lebenszeit, nach einem beitimmten Turnus unentgeltlich) oder Doch nur mit einer mäßigen Öenußauflage belaftet zur Nusung überlafjen. Der alte Name „Allmend“ hat fich fir die beiprochenen Arten von Ge- meinschaftsbeiis vornehmlich in Siddeutichland erhalten, während im Mittel- und Norddeutichland die gemeinfam genußten Ländereien mit dem Kamen „Semeinheiten“ bezeichnet zu werden pflegen, gleichviel ob es jich) um gemeinjam genußtes Gemeinde- oder Privatvermögen handelt. 12 Erites Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und Landwirtjchaftsbetrieb 2c. Es it mu feineswegs zufällig, daß in derjelben Zeit, als die Landesregierungen die der Grundherrlichfeitsverfaflung entipringende rechtliche umd wirtichaftlicde Gebundenheit des bäuerlichen Bodens zu be= jeitigen unternahmen, die Öffentliche Meinung nicht minder fräftig die Se uuun? der „Semeinheiten“ umd jeder Art von Feldgemeinjchait forderte. Die Gründe aber, mit denen man die Aufteilung des ge- Ichichtlich überfommenen und gemeinjam genüßten Gemeinjchaftsbefites zu Sondereigentum, und mit denen man die Aufhebung gemeinjamer Ber nugung von Brivatländereien vechtfertigte, waren vorwiegend folche des volfswirtichaftlihen Broduftionsintereijes, d. h. folche Gründe, die mit der Möglichkeit der Steigerung der Bodenproduftion als Folge diefer Maßregeln rechneten. sn der That zeichneten fich die als gemein- james Weideland gemüsten Ländereien vielfach durch mangelnde Pflege, rückjichtslofefte Ausmügung des Weidebetriebes und Übertellung mit Weide- vieh aus; die Erträgniffe der Werdeländereien waren jehr gering und meit Itarf im Nüdgang begriffen, die Ernährung des Weideviehes und Die Nußungen aus demjelben fünmerliche, Die Düngererzeugung wegen des Düngerverluftes während der Weidezeit eine unzureichende, der Weide- betrieb alfo auch für Die ken gegenüber der Stallfütterung mit Vachteilen begleitet. Fir diefe Stallfütterung war zudem durch die im vorigen Jahrhundert erfolgte Einführung des Kleebaues, aljo einer von dem BVBorhandenjein von Wiejen und Weiden unabhängigen utterer= zeugungsquelle, weithin die Vorausjegung gejchaffen worden. Ebenjo aber jchten der mit der jteigenden Volfszahl zunehmende Bedarf an Brot- früchten auf eine lohnendere Verwendung des jeitherigen Weidelandes Durch dejjen Umwandlung in Fruchtland mit Notwendigfeit hinzuweisen. Endlich) war die auf dem Boden laftende Grumpddienjtbarfeitt von Weide- vechten Dritter eine Feijel für die intenfivere Ausmügung des Bodens und mußten jolche Weiderechte namentlich der Einführung von Hvifchen- fulturen jorwie der Einbürgerung von Handelsgewächten hinderlich Tich erweiien. Solche, vom Standpunft der VBolfswirtjchaft und vom Standpunft der PBrivativirtichaft wenig befriedigenden Zuftände brachten es mit fich, day die Aufteilung der alten Gemeimbeiten zu Sondereigentum nicht bloß etiva regierungsfeitig anempfohlen, jondern zunächit vielfach zwangsweise eingeführt (defretiert) wurde, wie namentlich in der Regierungszeit ‚sriedrich des Großen; wogegen allevdings die jpätere Zeit weniger ge waltjam verfuhr, indem munmehr die Durchführung der Weaßregel von der Antragitellung eines oder mehrerer Beteiligter (jog. BProvofations- verfahren) oder von einem Mehrheitsbeichluß abhängig gemacht wurde. Und fir dieje, die Beleitigung der alten Gemeinheiten und jeder Art von Feldgemeinjchaft anitrebende Geießgebung find namentlich) die preußt- Iichen Gemeinheitsteilungsordnungen des vorigen Sahrhunderts, die jpäter in dem preuß. Gejeß vom 7. Juni 1821 einheitlich zufammengefaßt S 4. PBrivatbejig und Gemeinjchaftsbejit 2c. 13 wurden, maßgebend für die Ordnung des Gegenftandes auch in anderen deutjchen Staaten geworden. Die Berteilung der Gemeinheiten unter die jeitder Nußungs- berechtigten zu Eigentum erfolgt nach Diejer Gefeßgebung meilt unter Berücklichtigung des mittleren, im den legten DSahren gehaltenen Bich- tandes. Sm der Regel geht mit dev Aufhebung der Gemeinheiten auc) eine Aufhebung und Ablöjung von läjtigen Grunddienitbar= feiten (namentlich Weiderechten) Hand in Hand, und endlich jollen die bei der Gemeinheitsteilung und der Ablöfung von jolchen Grumddienit- barfeiten beteiligten Beliger die ihnen zuzumweilende Landentichädigung thunlichjt in zufammenhängender, wirtjchaftlicher Lage erhalten, in welch leßterem Falle, wenn und joweit aljo die Gemeinheitsteilungen mit Zujfammenlegungen verbunden find, die Unternehmungen auch wohl Specialjeparationen genannt werden. Die Aufteilung von Waldungen, in denen gemeinjame Nubungs- vechte bejtehen, it im Gegenjaß zu Dem gemeinfamen Weideland und zu dem mit Weidejervituten belajteten Yand meist überall an erichwerende Borausjeßungen gefnüpft und in der Negel nur injoweit für zuläflig er flärt worden, als die einzelnen Anteile zur foritmäßigen Benugung ge eignet bleiben oder vorteilhaft als Äcker oder Wiefen benubt werden fünnen. Heutzutage jind in der überwiegenden Anzahl aller Gemeinden die „Semeinheiten“ (Allmenden) jo ziemlich bejeitigt und das verbliebene Ge= meinvermögen beichränft jich meilt auf Wald, und wo Aeker= und Weide- land als Gemeinvermögen bejteht, pflegt e3 wie der Wald auf Rechnung der Gemeinde verwaltet zu werden. Wejentlich mır in Süddentjchland (ebenfo in der Schweiz und einzelnen Provinzen Ofterreichs) haben ih noch umfangreichere Nefte des alten Allmendbeiiges erhalten, teils in Gejtalt von gemeinjam genugten Gebirgsweiden, teils in Form von Acer und Weideland, das in der eingangs erwähnten Weije den Ge- meindeangehörigen tm der Form der Zuteilung von Acerlojfen zur naturalen Kugung auf Zeit (micht jelten auf Lebenszeit) überlafjen wird. Welche Gründe find es num aber, die diejen abweichenden Berlauf veranlaßt haben ? Soweit es jih um Gebirgsallmendeweiden handelt, erklärt ji) der abweichende Verlauf teils dadurch, daß deren Umwandlung in Ackerland nach den Boden- und Klimaverhältniffen ich als unthunlich erwies, teils dadurch, daß eine Nugung diefer Yändereten zu Weideziwecen verjtändigerweife überhaupt nur in Form gemeinjamen YAuftriebs umd unter Aufitellung gemeinjamer Hirten, d.h. nur in den Kormen folleftiver Wirtichaftsweile denkbar it. Was aber die fog. Feld- (Mder- und Wiejen-) Allmenden anlangt, jo erblictte man in dem VBorhandenjein von jolchem Allmendevermögen und in der Möglichkeit der Zunveilung von Allmendenußungen an die Ortsbürger eine in verichtedenen Nichtungen 14 Erites Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und Landwirtjchaftsbetrieb 2c. wertvolle Gemeindeeinrichtung. Denn der jedem, auch dem ärmiten Orts- bürger in gleicher Weije zuitehende Anjpruch auf Allmendegenuß bildet einen fejten Kitt zwiichen der Gemeinde und den Bürgern und hält den Abzug der Bevölkerung nad) auswärts einigermaßen in Schranfen. Die Zuteilung von Allmendegenuß giebt den Kleinen Leuten in der Gemeinde einen jtarfen yoirtichaftlichen Nüchalt und bewahrt vor dem Hinabgleiten in den Zuftand völliger VBerarmung. Der Genuß einer Anzahl Allmendes (oje, die für die älteren Bürger reichlicher als für die jüngeren bemejjen zu werden pflegen, ermöglicht und erleichtert Die Bermögens-Auseinanders jegungen zwilchen Eltern und Siudern. sn Fabriforten endlich gewährt der Allmendegenuß in wohlthätiger Weile der anfälligen Arbeiterbevöülfe- vung Die Möglichkeit der Erwirtichaftung eines Teils ihres Haushaltsbes Darts und mildert die Nachterle des reinen Fabrifiyitems. Und da der Allmendeberechtigte nur unter beitimmten Borausjeßungen (3. B. wegen Berwahrlojung des Allınendegrumdjtücs) aus dem Allmendegenuß entießt werden fanı, jo hat man nicht mit Unrecht mit dem Allmendegenuß den Begriff der „Heimftätte” verbunden. — Ähnliche Vorzüge weilt der Zus jtand auf, wenn die Gemeindeangehörigen allmendeähnliche Nubungen am Gemeindewald, d. h. Anfprusch auf beitimmte Mengen von Brenn oder NKubholz (Gabholz) haben. — Erwägungen der voritehenden Art und die Emficht, daß in der Einrihtung des Allmendewejens eine Stärfung des wirt ichaftlich Schwachen Teils der Landbevölferung zu erbliden und von ihrem Fortbejtand eine Fernhaltung von Stlafiengegenfäßen auf dem flachen Lande zu erwarten jet, haben in Süpddeutichland em planmäßiges Gemeinheitsteilungswejen der oben beiprochenen Art nicht anffommen Laien, vielmehr dazı geführt, die Aufteilung des Allınendes befißes an erichiverende Borausjeßungen (Zuftunmung des größeren Teils der Nugungsberechtigten, wohl auch Staatsgencehmigung) zu fnüpfen ; und auch in den Ländern der eigentlichen Gemeinheitsteilungen hat man nachmals in einzelnen Staatsgebieten jchärfer als früher zwilchen dem gemeinsamer NKugung unterliegenden Gemeindegut (Bürgervermögen) und dem gemeinjam genußten PBrivatvermögen unterjchteden md die Teilungen fortan auf le&teres bejchränft (Preußische Deklaration vom sahre 1847). Die wohlthätigen Wirkungen der Gemeinde Allmendes einrichtung haben fich bis auf den heutigen Tag bewährt, und nur da, wo der Gemeinde-Allmendebejiß im Verhältnis zum Brivateigentum ein übergroßer it und ein jehr reichlicher Allmendegenuß einer jorglojen Ge= jinmung Borjchub leiitet, fan man von Machteilen der Emwichtung Iprechen; in Solchen Fällen nimmt man wohl auch eime übertriebene „Schollenfleberei” und in deren Gefolge Erjcheinungen der Über: völferung in den betreffenden Yandgemeinden wahr. Der zu Allınende- jeden bejtimmte Teil des Gemeindevermögens joll alfo, wenn die Vor- s 5. Gebundenheit und Freiheit des Güterverfehrs. 15 züge der Einrichtung nicht ins Gegenteil umfchlagen jollen, immer mur in mäßigen Grenzen Jich halten. Dit diefen Eimjchränfungen werden alfo Diejenigen Landgemeinden, die noch Neite des alten Gemeinjchaftss Allmende-) Befißes ich bewahrt haben, recht daran thun, diejen Befiß dauernd Feitzubalten, jolche Gemeinden aber, deren Allmendebelik im Laufe der Zeit verloren gegangen it, ziveck- mäßig darauf jehen, bei pajjender Gelegenheit einen Allmendebefig fich wieder zu bejchaffen. Eine Gelegenheit hierzu bieten mitunter Jvangs- verfäufe; denn es liegt gewiß mehr im „snterejle der Gemeindeangehörigen, daß die Gemeinde jelber als Käufer der unter den Hammer fommenden Anwejen oder von Teilen jolcher auftritt, ftatt daß jolche Anweien von gewerbsmähigen Güterjpetulanten oder Geldverleihern erworben werden. Meanchen ımerfreulichen Vorgängen im Grundeigentums- verfehr, Die fich an den Ipefulativen Güterhandel und an das Gewerbe der jogenannten „Süterjchlächterei” fmüpfen, fünnte durch eine der: artige Suterventtionspolitif der Gemeinden wirfjamer vielleicht als durch geießliche Maßnahmen die Spige abgebrochen werden. $ 5. Gebundenheit und Freiheit des Güterverfehrs. Die gleichmäßige Verteilung des Grundeigentums unter die Stammes genojjen, wie fie von den deutichen Völferfchaften bei der erjten Befib- nahme des Bodens angejtrebt wınde (S 2), hat ich nicht lange Zeit aufrecht erhalten lafjen; jchon gegen das Ende des eriten SJahrtaufends umjerer Zeitrechnung it Diele ehemalige Beligesgleichheit gänzlich ges ihwunden, Dd. h. es findet Fich jchon Damals eine bunte Miichung von großen, mittleren und £leineren Gütern. Zum Entitehen großer und übergroßer Güter gaben Beranlaffung teils die von den gürjten und Vornehmen im alten Narkland vorgenommenen Nodungen und die Einbeziehung des gerodeten Yands zum vorhandenen Bermögens- beiis, teils Die umfangreichen Yandjchenfungen der Könige an ihre Bafallen und an Die Kirche, teils Die zahlreichen Stiftungen von Gütern zu fommen Zweden; in jpäterer Zeit wohl auch die widerrechtliche Ein- ziehung von Bauerngütern zu Gunsten von Grumdherrichaften; auch der freihändige Ankauf von Hufen verarmter Beliger jeitens reicher Nachbarn üt hier zu erwähnen. Bon ganz bejonderem und nachhaltigem Einfluß auf die Wandlungen in der Grumdeigentumsverteilung aber mußten fich die Bermögens- auseinanderjeßungen im Erbgang erweiien, und zwar bald wiederum bejighäufend, wo im natürlichen Erbgang oder durch legten Willen jetther getrennt bejejfene Güter in eine Hand famen, bald bejißver- fleinernd, wo mangels eines legten Willens fraft des beftehenden Erbrechts der Grumdbejig unter mehrere Erben Sich teilte. In diefer Hinficht ift wohl zu beachten, daß den meiften älteren deutjchen Stammes- 16 Erites Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und Landwirtichaftsbetrieb ze. rechten das, was wir heute Vererbung nach Anerbenrecht nennen, d.h. ungeteilter Übergang des Guts an einen Erben (Einzelerbfolge oder Individualfucceffion) fremd war; gleich nahe Erben hatten aljo nicht mur gegenüber der jahrenden, jondern auch gegenüber der liegenden Habe gleiches Erbrecht. Daher jchon um die Wende des 13. Jahrhunderts in vielen Teilen Deutjchlands, namentlich in dem dichter bevölferten Süden und Weiten, eine jtarfe Zerjplitterung in der Grund: eigentumsvertetlung fich bemerfbar machte und ein deutscher Foricher bemerfen fonnte, daß um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts 3. B. im der Miojel- und NAheingegend nicht mehr die Hufe, jondern die Vierteldufe das Normalgut geworden war. Hufen fleineren Umfangs waren übrigens jchon früher jehr zahlreich) von den Grundherrichaften in dem von ihnen gerodeten Markland ausgethan und mit ihren hörigen Yeuten bejeßt worden, welch legtere, hingejehen auf die Gegenleiftungen der Grundherrichaft in Naturalten, auch auf jolchen fleinen Gütchen jehr wohl bejtehen fonnten, ja den landwirtichaftlichen Betrieb wohl nur als Kebenbeichäftigung verfahen (jo namentlich in den jogenannten Wald- folonieen). Das ältere deutiche Erbrecht, das in der gejchilderten Were der naturalen Teilung der bäuerlihen Anwejen im Erbgang Hindernilie nicht in den Weg legte, erfuhr nachmals eine tief greifende Umgeitaltung. Das Intereffe nämlich der Grundherrichaften an der Erhaltung der Spannfähigfeit der frohnpflichtigen Bauern anmejen und ebenjo das ntereffe der Landesherren an der Erhaltung der jtaatsjteuerlichen Leijtungsfraft der Landbevölferung führte allgemach dazu, weitere Teilungen der Bauerngüter oder Teilungen unter ein gewilies Maß im freihändigen Verkehr und auf den Todesfall zu verbieten und den Erbgang an einen Erben zu verordnen. Diejer Zus Itand der rechtlichen Gebundenheit des bäuerlichen Grundeigen- tums, dem eime ähnliche Ordnung bei den Gütern der Bornehmen ent= Iprad) — Einrichtung des Stammauts=- und Fideifommißwejens der adligen Güter —, verjchaffte fich mit der Zeit in dem größten Teil von Deutjchland Geltung; und er blieb rechtens bis in den Anfang diefes Sahrhunderts, wo gleichzeitig mit den Schranfen der grundherr: lichen VBerfaffung — Siehe S 3 — dieje gejeßlichen Hindernifje der Vers fügungsfreiheit über die Subitanz des Bodens meist ebenfalls fielen, d.h. eS gelangte der Grundjaß der Freiheit des Güterverfehrs (der Mobiliiierung des Grundeigentums) zum Durchbruch. Die wirt ichaftliche und joctale Bedeutung der bis dahin beitandenen recht: lihen Gebundenheit im Liegenjchaftsverfehr aber it darin zu erblicten, daß ohne Ddiefe Gebunmdenheit mittlere und größere bäuerliche Hüter heutzutage wohl nur in jehr viel geringerem Umfang, als es wirklich der Fall it, erhalten geblieben wären. $ 6. Große, mittlere und Fleinere Güter ıc. 17 Darüber, ob heutzutage das Syitem der jtrengen Gebunden- heit (gejegliche Unteilbarfeit) der Güter oder aber ob das Syitem der Freiheit des Güterverfehrs (Bodenmobilijierung) im allge meinen den Vorzug verdiene, it jchon in S 1 eine vorläufige Antwort gegeben worden; denn Dort wurde ausgeführt, daß jener Zuftand der Grumdeigentumsverteilung — und zwar jowohl vom Standpunkt der Bodenfultur, wie im „utereffe einer gedeihlichen Fortentwiclung des Staatslebens der eritrebenswertere jei, bei dem möglichit viele Staatsangehörige im Beliß von Grund und Boden jich bes finden. Daraus folgt zugleich, dag im Ländern mit rasch jteigender Bevölferungszahl, wie Deutichland, die Zahl der jeweiligen Grunde eigentumseinheiten, entiprechend der Zunahme der Bevölkerung, ebenfalls wachen, m. a. W. daß die vorhandenen Grundbejißungen mit der Zeit fleiner werden müfjen. Weit diejer Forderung tft aber jelbitredend die unbedingte Feithaltung an der gejchichtlich überlieferten Grundeigen- tumsvertetlung, d. 5. die jtarre Aufrechterhaltung der rechtlichen Gebundenheit, die jede Berfleinerung der überfommenen Anmejen durch) am im Srundjah ausjchließt, nicht vereinbarlid. Danac würde in Deutjchland der jeit den Tagen der Ablöjungs- gejeggebung, aljo jeit mehr als 3—4 Generationen mit wenigen Yus- nahmen zu Recht beitehende Zujtand der Freiheit des Gütervers- fehrs beizubehalten jein, eim Ergebnis, das fich) im wejentlichen mit den Anjchauungen und Wünjchen des größeren Teils der ländlichen Be- völferung det. Diejes Ergebnis jchließt indes nicht aus, daß unter bejtimmten Bejonderheiten der Bodenbejchaffenheit, der Yage und des Klimas und im Hinbli auf die dadurc bedingten Bejonderheiten des Landwirtichaftsbetriebs Ausnahmen von der Negel der Freiheit im Güterverfehr zwedmäßig lab greifen; ebenfo fanı die Schaffung bejonderer Garantieen gegen eine allzu weitgehende Zer= jplitterung der landwirtichaftlichen Anwejen im Erbweg unter Umftänden nötig oder nüßlich Tich erweiien, wie dies im Verlauf der Darftellung näher zu begründen jein wird. $ 6. Große, mittlere und Pleinere Güter; das Hiel einer quten Grundeigentumsverteilung. Aus dem Sab, daß möglichht viele Menichen Eigentumsrechte am Grund und Boden haben tollen und daß deshalb mit dem Anwachien der Bevölkerung — da ja der Grund und Boden jelber einer Vermehrung nicht Fähig it — die Zahl der Beligeimheiten Fich zu mehren und Die vorhandenen Güter fortichreitend Tich zu verkleinern haben — aus diefem Sat darf nicht gefolgert werden, daß die völlige Aufteilung aller großen und mittleren Güter in fleine und £leinite Anweien ein erjtrebenswertes Ziel jet; vielmehr it zu wünjchen, daß Diejer Aufteilungsprozeß sich in gewillen Grenzen halte und die großen und Budenberger. 2 18 GErites Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und Landmwirtichaftsbetrieb 2. mittleren Güter nicht gänzlich verjchwinden. In Ddiefer Hinficht it namentlich folgendes zu beachten: 1. Wenn jchon das jehr jtarfe Vertretenjein des Groß- grundbejiges in einem Lande unerwünjcht und wenn es geradezu gejellihaftswidrig (antijoctal) tft, wenn die Landbejigungen einzelner zu übermäßiger Größe fich herauswachlen, d. h. das Wejen von Yati- jundien annehmen — man vergleiche Schottland, wo das ganze Yand S00—900 Familien gehört —, jo wäre doch auch das völlige Verihwinden großer Güter, d. ti. Güter von folcher Ausdehnung, daß fie zu ihrer Bewirtjchaftung einen Wirt der gebildeten höheren Stände vorausjegen, beflagenswert. Das Vorhandenjein von großen Gütern, d. h. jolchen, die im Weüttel einen Flächenraum von über 100 ha einnehmen, bleibt vielmehr aus zwei Gründen wünjchenswert. Einmal aus Gründen des landwirtjchaftlihen Produftionsprozelles, weil erfahrungsgemäß alle oder die meisten technijchen Fortichritte im Ackerbau und in der Tierzucht, in der rationellen VBerwendung des Majchinenwejens 2. von den suhabern der großen Güter ausgegangen ind. Dies hängt teils mit der größeren Betriebsfapitalfraft zahlreicher snhaber diejer Yandgüter, teils mit der grümdlicheren fachwillenjchaftlichen Ausbildung, teils damit zujammen, daß Diejer Teil der Grundbeliger zu den jeweiligen Forichungsergebniffen der Wiljenjchaft auf landwirtichaft- (ichem Gebiet, eben wegen ihrer höheren Allgemeinbildung, einen vor= urteilsfreieren, unbefangeneren Standpunft emzunehmen pflegt, als Die Inbaber fleinerer und mittlerer Betriebe. Größere Güter jollten aber auch aus politiihen Gründen nicht gänzlich fehlen. Der größere Srundbeiig it Durch die wirtichaftliche Unabhängigkeit jeiner Inhaber in bejonderem Maße befähigt und berufen zur ehrenamtlichen Thätigfeit im Bolfsleben, in der Gemeinde und in größeren Verwaltungsverbänden ; auch die Volfsvertretung fann ihn nicht gut miljen, zumal ohne eine erite Kammer, in der der größere Grundbejiß das fonjervative Element des Staatslebens zu vertreten hat, eine für die ruhige Fortentwiclung des Staatsganzen nachteilige Lircfe zu verzeichnen jein würde. Ju vers langen aber it von dem Großgrundbefiß, daß er den vorbezeichneten Aufgaben auch yoirflich nachfomme, aljo den mittleren und fleineren Gütern durch muiterhatten Betrieb ein rühmliches Beriptel gebe, einer eimjeitigen Vertretung der jpeeifiichen Großgrundbefiginterejjen Tich enthalte, vielmehr Tich der Anterefjen gerade auch der fleineren Standesgenofjen fräftig annehme und den Aufgaben der Selbjtverwaltung umd der politiichen Aufgaben mit Hingebung ich widme. 2. Das itarfe Vorhandenjein auch von fleinen und £lein=' iten Gütchen, alio etwa jolchen von einer Größe von 2 ha abwärts im Süden und Weiten, von 5 ha oder 10 ha an abwärts im mittleren und nördlichen Deutichland, it an Tich aus drei Gründen erfreulich und anzustreben: politisch, weil die Grundangejeilenheit zahlreiche Yeute mit S 6. Große, mittlere und Fleinere Güter 2c. 19 dem Beitand der Staats und der gejellichaftlichen Ordnung verfnüpft; wirtjchaftlich, weil ein jelbjt Eleiner Grundbefig vielen, in ihrer Lebensitellung abhängigen oder nach ihrer Berufsitellung nicht ausfönme lich geficherten Berjonen — Tagelöhner, kleine Handwerker ze. — einen wertvollen wirtjchaftlichen Nüchalt gewährt; jocialpolitijch, weil da- Durch SKlafjengegenfäge auf dem flachen Land verhiütet werden. Da: gegen wäre das ausjchliegliche Vorkommen jolch fleiner Betriebe als Folge fortgejeßter Auftetlung der großen und mittleren Güter, aljo ein Zultand vollendeter „Bejtßzeriplitterung“ jchon deshalb unerwünicht, ja nachteilig, weil dieje Kleimvirte, um eritieren zu fünnen, vielfach auf den Betrieb von hochwertigen Specialfulturen — NWebbau, Obft- umd Gemüfebau, Tabak, Hopfenban — angewiejen und deshalb nicht in der Lage jind, zur Erzeugung der für die Ernährung der übrigen Be- völferung notwendigiten Produfte — Getreide, Kartoffeln, Fleiich — wejentliches beizutragen. Es fommt dazu, daß, je fleiner die landwirt- ichaftlichen Betriebe find, fie um jo mehr von dem jeweiligen Ausfall der Ernten in ihrer Lebenshaltung abhängig zu fein pflegen, um jo eher in Zuftände finanzieller Bedrängnis und der Schuldnot geraten, um jo leichter dem Wiurcher verfallen, namentlich dann, wenn alles jo zu jagen auf eine Karte gejegt it, wie in den ausgejprochenen Handelsgewächs- oder Nebgemeinden. Das ausschließliche Borfommen von Zıverg- wirten jebt daher den Staat leicht von Zeit zu Zeit Wohlitandserjchütte- rungen aus oder veranlaßt häufige Notitandsaftionen. (Bgl. die Futter- not des Sahres 18931) Weil es ferner an Beilpielen vationeller lohnen der Betriebsweilen in Gebieten mit ausjchlieglichen Stlemmvirtichaften fehlt, bleiben die Bemühungen um Hebung der landwirtichaftlichen Technit vielfach ohne Erfolg oder jeßen jich Doch nur jehr langjam in die Wirt- lichfeitt um. Endlich aber ift bei jolcher Befisvertetlung eine große Anzahl Stleimvirte in einem Teil des Jahres zu unfrenvilliger Unthätigfeit verurteilt, weil nicht überall Gelegenheit zur Nebenbejchäftigung auf größeren Gütern oder Anmwejen gegeben tt. Hausindujftrielle Bejchäftigung erweilt fich häufig als unlohnend, Arbeit in FJabrifen it nicht immer möglich und, wo jie möglich ift, mitunter gefundheitsichädlich und daher nicht Durch- weg ein eritrebenswerter Ausweg. 3. Deshalb darf man wohl jene Grundeigentumsverteilung als die beite (als das Sdeal) anjehen, in der neben großen Gütern und in der neben zahlreichen fleinen und F£leiniten Anwejen auch Die Bauerngüter mittlerer Größe (je nach) Boden und Klima zotichen 3—100 ha jchwanfend), alfo jolche landwirtichaftliche Anvejen, die ihren Ssuhabern eine austömmliche wirtichaftliche Lebensjtellung und dement- Iprechend auch eine feite gejellichaftliche Stellung ermöglichen, in jtatt- liher Zahl vorhanden jind und in feiner Gemeinde gänzlich fehlen. Denn die Inhaber Diefer Banerngüter mittlerer Größe Yind recht eigentlich berufen, die technischen Fortichritte von den Großgütern DE: 20 Erites Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und Landwirtjchaftsbetrieb ac. su Übernehmen und fie nach den f£leineren Gütern hin zu vermitteln; diefe Inhaber von Banerngütern mittlerer Größe find daher neben den Beligern größerer Güter die geborenen Stügen des landiirtichaftlichen Vereinslebens in den Dorfgemeinden, aber auch aller genofjenjchaftlichen Beitrebungen; der Gemeindeverwaltungsdienit in den Landgemeinden findet in ihnen feine hauptjächlichiten und beiten Organe, und wo der fleine und £leinite ländliche Betrieb häufig auf Specialfulturen fich ange= yielen Sieht und jedenfalls von eigentlichen Nahrungsmitteln (Körnerfrüchten, Kartoffeln, Fleiich) wenig für den Marft zu er= zeugen vermag, find es dieje mittleren und größeren Bauermoirtichaften, denen zujammen mit dem Großbefis im wejentlichen die Nahrungs- mittelbejchaffung für die übrigen Berufsitände obliegt. Mean darf wohl jagen, daß in dem größeren Teil von Deutjchland die thatjächlichde Grundeigentumsverteilung dem voritehend aufgeitellten Speal leidlich entipricht; nur im Norden und namentlich im Nordojten it der Großbejiß, im Südweiten der Fleinite Belig gegendwetle jtärfer vertreten, als erwünjcht ericheint; dort wäre alfo durch Aufteilung einer Anzahl Großgüter für Vermehrung der bäuerlichen Stellen Sorge zu tragen, hier (im Süden und Südweiten) mindeitens einem weiteren Fort ichreiten der Belißzeriplitterung vorzubeugen. sin welcher Weile dies ge= ichehen fann, bildet den Gegenitand bejonderer Darjtellung (Kap. ID). $ 7. Die Betriebsformen in der Sandwirtichaft; Kolleftivwirtichaft und Einzelunternehmung; Eigenbewirtihaftung und Padt (Erbpacht, Feitpacht) insbefondere. Daß jemals, auch in den Anfängen der Gejchichte unjeres Volkes, bei den zum Feldbau benußten Ländereien eine Art Kolleftivwirts ichaft, d. h. gemeinjame Beltellung des Landes, Verteilung der ges wonnenen Erzeugnifje unter die Angehörigen nach bejtimmten Mapßjtab oder auch Verwertung der gewonnenen Erzeugnifje auf gemeinjame Rechnung — Stattgefunden hat, it jchr unwahrjcheinlich; vielmehr dürfte jelbit zu der Zeit, wo das Land noch als Eigentum des Stammes anz gefehen wurde, die Berirtichaftung der den einzelnen Stammesgenofjen zugewiejenen Yandesteile eine durchweg privatwirtichaftliche gewesen jein, alfo in der Form der Einzelunternehmung jich abgejpielt haben. Kur Weide und Wald wurden. gemeinfam (£olleftiv) gemüßt, umd während Ddieje Art der Nugungsweije fich bei dem Gememdeweideland aus naneliegenden Gründen (S. 13) bis auf den heutigen Tag ziemlich ante verändert erhielt, hat bei den Gemeimdewaldungen eine geregelte forjtliche Verwaltung die alten folleftiven Nugungsweten (freie Waldweide, Nechte auf Holznusung nach Maßgabe des ‚Kamilienbedarfs 20.) längit mehr und mehr verdrängt, und es jind nur noch Neite jolcher folleftiver Nußungss , weren am Wald in Form genau zugemeflener Gabholzverabreichungen aus dem Gemeindewald übrig geblieben. — Ein ganz vereinzelt gebliebenes 8 7. Die Betriebsformen in der Landwirtichaft, Erb- und Zeitpacht 2. 21 Beripiel land» und foritwirtichaftlicher Nußung auf der Grundlage des Gemeinjchaftsbetriebes bilden die Gehöferichaften des Negterungsbezirts Trier und die Hauberggenosjenjchaften des Negierungsbezirts Arns- berg (Kreis Siegen); es ift aber zweifelhaft, ob man es hier wirklich mit Überbleibjeln einer in uralter Zeit etwa allgemein herrichend gewejenen Feld- und Waldgemeinjchaft und nicht vielmehr mit einer erit im NWeittel- alter entitandenen Betriebsgemeinichaft von grumdherrlich angejeßten hörigen Bauern zu thun hat. — Außerhalb Deutichlands find als Beiipiele von auf gemeinjame Nechnung geführten Landiwirtichaftsbetrieben befonders die jüdjlaviihen Hausfommunionen zu nennen (jo namentlich in Serbien ımd Kroatien), deren allmähliche Auflölung indes ebenfalls jeit Sahrzehnten zu beobachten tt. im Landwirtichaftsbetrieb erflärt jich leicht aus dem Wejen der menjch- lichen Natur, das zur kraftvollen Geltendmachung der eigenen Perjöns fichfeit, zur DBethätigung der perjönlichen Vorzüge amd Eigenjchaften hin- drängt und nicht gerne freiwillig auf die Unabhängigkeit des Schaltens und Waltens innerhalb des gegebenen Wirtjchaftsrahmens verzichtet. Diefer Drang nach freier wirtichaftlicher Bethätigung der perjönlichen Kraft Steht auch völlig im Einklang mit den Forderungen der Wirtjchaft- lichkeit und des Kulturfortichritts; denn nur die Wirtichaftstührung auf eigene Nehnung und Gefahr giebt einen hinreichend itarfen Anreiz zur Höbhitmöglichen Entfaltung der wirtichaft- lihen Fähigkeiten und Qugenden. Die landwirtjchaftlichen Produftivgenojjenichaften find aus diefem Grunde unter den ver: ichtedenen Arten genofjenjchaftlicher Unternehmungen bis auf den heutigen Tag jehr vereinzelt geblieben, und wo fie vorfommen, umfaljen fie niemals das Ganze des landivirtjchaftlichen Betriebes, jondern nur einzelne Teile desjelben, wie etwa das Molfereiwejen oder die Wererzengung. Die Produktivgenofenjchaft ift eben nur ausnahmsweile, nämlich da am Plab, wo entweder die Schwierigkeit und Kojtipieligfet der Einzelver- arbeitung und des Einzelabjages beitimmter Erzeugnilfe oder die Neöglich- feit der Kofteneriparnis bei gemeinfamer Verarbeitung beitimmter Erzeug- niffe unter Benügung majchineller Einrichtungen dem Stolleftivbetrieb (der „Semeinwirtichaft”) Borzüge einräumt, die der Einzelunternehmung und namentlich der Einzelunternehmung in der Zorm des Kleinbetriebes abgehen. Im Bereich der Einzelunternehmung jelber aber darf als die natur gemäßejte Form der Nugung des Grund und Bodens bezeichnet werden Diejeniges durch den wirtjchaftenden Eigentümer jelber, d. i. die Form der Eigenbewirtichaftung oder der Selbitverwaltung; fie Schten in den eriten Sahrhunderten der Gejchichte unjeres VBolfes etwas jo jelbjtverjtändliches, dab fie jogar erite VBorausjeßung der Bewahrung der Befigrechte überhaupt bildete; d. h. derjenige, der nicht das Gut jelber 22 Erites Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und ZYandwirtichaftsbetrieb ıc. bewirtichaftete, ging Ddesjelben an andere Glieder der engeren Verwandt- ichaft verlujtig. Es it bemerfenswert, daß Ddiefer Grundjaß des Nücenbeiiges auch in die neuere amerifanijche Heimitättengejeß- gebung übergegangen it, indem auf den Schuß des Heimjtättenrechts gegen Zwvangspollitrefung nur der Rüdenbefiser Anfpruch erheben fann. Dit dem Aufkommen zahlreicher Großgüter bürgerten jich allmählich neben der Selbitverwaltung des Grumdbejiges durch den Cigentümer andere Formen der Bewirtichaftung ein; einmal das Syitem der Ad= miniltration durch eingejeßte Verwalter, aber doch nur in bejchränfterem Umfange und metit nur auf den füniglichen Gütern und den dem Staat gehörigen Domänen, jodann und in größerem Umfang und das Syjtem der Admintjtration mehr und mehr verdrängend das Syitem der Vers pachtung, und zwar lebteres zunächit in der Form der Erbpadt. Das Wejen der leßteren bejteht darin, daß dem Wächter (Erbbe- itänder) ein erbliches Nubungsrecht an der Liegenjchaft gegen Ent- richtung eines jährlichen Entgelts (Kanons) und einer jeweils beim Ars tritt des Nußungsrechts zu entrichtenden Anerfenntnisgebühr (Erbbeitand- geld, Handlohn) zuiteht. Wie jchon in der jpäteren römischen Staifer- zeit, jo bildete die Erbpacht auch im ganzen Mittelalter eine jehr bes (tebte Bewirtichaftungsform, die insbejondere bei den firchlichen Gütern, aber auch bei den Gütern fürjtlicher Gejchlechter und des hohen Adels, jowie bei den Kolontjattionsunternehmungen in den Marjchgegenden Nord- deutichlands und den Gebietsteilen rechts der Elbe gerne angewendet wurde Und da mit dem Berfall der bäuerlichen Freiheit die alten Eigen tumsrechte der Bauern an der Hufe allgemach ebenfalls zu Erbleihvers hältniffen sich ummandelten, jo erichten jchlieglich in Deutichland Die mittelalterliche Wirtichaftsorganijation, ja jelbit diejenigen der jpäteren Sahrhunderte im wejentlichen auf der Einrichtung der Erbleihe auf- gebaut. Erjt die Ablöjungsgejeßgebung, die nicht nur die Befreiung von läitigen Abgaben und Dienjten und die Heritellung voller perjönlicher Frets heit, jondern die auch die Wiederverleihung voller und möglichit unbe= ichränfter Eigentumsrechte an die bodenbebauende Bevölferung jich zum Ziel jeßte, räumte wie mit den übrigen Schranfen der Grundherrlichfeits- verfafjung, jo auch mit dem Inftitut der Erbpacht auf; ja fie unterjagte zumeiit deren Wiederbegründung, jo daß heutzutage das Smjtitut nur noch vereinzelt, nämlich in Mecdlenburg- Schwerin und in einigen fleineren mitteldeutichen Staaten, rechtlich zugelaffen it und in Geltung beiteht. Als Borzüge gegenüber dem Eigentum fann man der Erb- pacht nachrühmen, daß fie der Anftitution des Eigentums nahe fommt, ohne doch den Erbpächter beim Eintritt in das Erbpachtverhältnis zur Aufwendung jo großer Kapitalmittel wie beim eigentlichen Yanderwerb zu nötigen; ein Vorzug gegenüber der Zeitpacht tit der, daß wegen Der Möglichkeit der Bererbung des Erbpachtguts auf die Nachkommen des Erbpächters die bei der Zeitpacht mit deren jeweiligem Ablauf möglichen $S 7. Die Betriebsformen in der Landmwirtichaft, Erb- und Zeitpaht x. 23 Bachtzinsjteigerungen entfallen; endlich bieten die in den Erbpachtverträgen vorgejehenen Beichränfungen der Verfügungsfreiheit dem Obereigentümer (Erbpachtgeber) eine Handhabe, in Bezug auf Teilung und beliebige Ber- Ihuldung der Erbpachtgüter umvirtichaftlichen Dispoftttionen des Erb- pächters hindernd entgegenzutveten. Wo die bäuerliche Bevölkerung jeit- her mit einem Niindermaß von Beligrechten auf der Scholle jaß etiva nur als Zeitpächter —, wird fie den Übergang zur Vererbpachtung Ficher als eine Wohlthat empfinden, wie j. 3. in Mecklenburg; aber es tit doc) jehr zweifelhaft, ob sie jich auf die Dauer in der Stellung von Erb- pächtern gegenüber Derjenigen von DVolleigentümern behaglich Fühlen wirde Wer den itarf entwicelten Unabhängigfeitsprang unferer bäuer- lichen Bevölkerung fennt und weiß, wie jehr fie darauf abhebt, auf dem Grund und Boden möglichjt uneingejchränft fich bethätigen zu fünnen, wird eine Wiedereritehung der Erbpacht in größerem Umfang faum für wahrjcheinlich oder auch nur Für wünschenswert halten; und Gründe diejer Art find es denn auch geweien, die in Preußen dazu geführt habeı, bei der jeit Jahren im Gang befindlichen inneren Kolonijation im Diten von Deutjchland, d. h. bei der Neubegründung von Banernitellen auf den Ländereien ehemaliger Großgüter, nicht die Form der Erbpacht, jondern die des Nentengutes zu wählen, dejien Wejenseigentümlichfeiten ipäter noch erläutert werden. Aus Ddiefen Gründen ijt denn auch mit der Zeit überall da, wo der Eigentümer an der Bewirtichaftung des Grund und Bodens gehindert it, oder wo jich der Grund und Boden im Eigentum des Staats, der Kirche, der Stiftungen, der Gemeinden und anderer jurtitiicher PBerjonen befindet, Die Zeitpacht die mit Vorliebe angewendete Bewirt- Ichaftungsform geworden, und Diejelbe hat, wie jchon bemerkt, im bejonderen auch die Jorm der Adminiitration durch Berwalter mehr und mehr verdrängt. — Der Borzug des Zeitpachtwejens beruht auf der Möglichkeit, ohne großen Kapitalbefi landwirtichaftlicher Ihätigfeit ih Hingeben zu fünnen, und weil es eimer Kapitalhinauszahlung, wie im Fall des aufs, nicht bedarf, jo fan das vorhandene Kapitalvermögen in den Betrieb jelber verwendet werden. Dies hat die weitere günitige Folge, daß auch minder vermögende Leute Arbeitstraft und Wiljen im den Dienjt größerer landwirtichaftlicher Unternehmungen jtellen fünnen; unter allen Umpjtänden fördert die Möglichkeit der ausschließlichen Widmung vorhandenen Kapitalvermögens für die Zivedfe des Betriebes die Inten= jität der Wirtjchaftsführung und ermöglicht manche Betriebsver- bejjerungen, zu deren Durchführung jolchen Gutseigentümern, Die einen Teil ihres Vermögens für die Zwede des Anfaufs hingeben mühlen, die Mittel vielfach fehlen. Daher denn auch nicht jelten die Erjcheinung zu verzeichnen it, daß manche Landwirte al3 Pächter beijer gedeihen wie jelbitwirtichaftende Gutseigentümer und zahlreiche Bachtwirtichaften durch mufterhaft geführten Betrieb geradezu vorbildlich geworden jind. 24 Crites Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und Landwirtichaftsbetrieb zc. VBorausjegung für einen lohnenden Bachtbetrieb bleibt freilich eme jolche Ausgeftaltung der Bachtbedingungen, daß dem Bächter eine möglichit freie Bewegung gewährleiitet und namentlich die Dauer der Bachtzeit nicht zu furz bemeijen tft (micht unter 12—18 Jahre), da nur unter Diefer Vorausjegung der Gefahr einer bodenberaubenden (detertorierenden) Wirtichaftsiweile vorgebeugt und eine Garantie für pfleg- liche Behandlung des Bodens gegeben jein wird. Cine weitere Vorauss jegung üt, daß die Vergütung für den Pachtgenuß, der Bachtzins, in richtigem Verhältnis zum Wert des Vachtobjeftes fteht. Über die Höhe des Bachtzinjes enticheidet aber gemeinhin nicht jowohl die Wert: abychäßung des einzelnen Bachtluitigen als vielmehr der freie Wettbewerb aller um das betreffende Bachtobjeft Konfurrierenden; und da hier nicht immer fühle Bejonnenheit und vorjichtige Veranjchlagung der mutmap- lichen Erträgnifje den Ausschlag giebt, jo ind Bakhtüberzahlungen leider nicht jelten und wohl noch häufiger vorfommend, als Überzahlungen beim Grundeigentumserwerb, weil das Eingehen eines Bachtvertrages ein geringeres finanzielles Nififo als der Abjchluß eines Kaufvertrages be= deutet. sn Diejer leichten Möglichkeit von Bachtüberzahlungen liegt der Iihwache Bunft des Zeitpachtwejens, der nur dann überwunden werden fan, wenn in höherem Grade, als es noch immer der Fall tt, die Kenntnifje von der Abjchägung von Landgütern auf ihren Noh- und Neinertrag Tich Eingang verjchaffen. (Wichtigkeit eines guten fachwirt- Ichaftlichen Unterrichts, mamentlicd auch im Gebiet der Betriebs: und Tarationslehre!) sür Angehörige der bäuerlichen Bevölkerung fommt im Hinblick auf das hier vertretene Maß von Ktapitalkraft und landwirtichaft- licher Kachbildung die Großpacht, d. h. die Anpachtung von ganzen land- vwirtichaftlichen Anwejen, jeltener. in Betracht, vielmehr handelt es ich, wo die bänerliche Bevölkerung als Pächter auftritt, meift um Zupacht von einzelnen Grunditüdsparzellen zur Ergänzung eines eigen- tümlich bejellenen, aber für den Unterhalt der Familie unzureichenden SGrundbeiiges. Die wirtichaftlich wohlthätigen Folgen der Möglichkeit jolcher Zupacht find an sich nicht zu bejtreiten, aber Jicher tjt, daß, je fleiner die zur Verpachtung ausgebotenen Grundparzellen find, um jo größer Die Gefahr von Bakhtüberzahlungen tft. Denn einmal pflegt Jich mit der Stleinheit des Bachtobjeftes der Kreis der zahlungsfähigen Be= werber zu erweitern, jodann aber mangeln gerade in den bier vorwiegend als Bachtbewerber auftretenden Streifen der fleinbäuerlichen Bevölterung die VBorausjegungen Für eime richtige Abichägung des Bachtwerts in der Hegel am allermeiiten; auch verschaffen Tich bei den abgegebenen Geboten perlönliche Stimmungen und Empfindungen: Wißgunft, Eiferjüchtelet, Nenommilteret und faljches VBrogentum („was der bietet, fan ich auch. bieten”) nicht jelten in höherem Grade als rem fachliche Erwägungen Einfluß. Es kommt dazu, daß die Vächter beim jedesmaligen Ablauf $S 7. Die Betriebsformen in der Landtwirtichaft 2c. 25 der Pachtzeit, um im Genuß des Bachtobjeftes jich zu behaupten, Häufig zu wejentlich höheren Bachtpreifen als den vordem gezahlten fich veritehen mühjen. Daher jtändiges Steigen der Bachtpreije jelbjt in Zeiten eines Sinfens der Bodenerträgnifje ein der Barzellenpacht eigentüm- liches Merkmal ijt und Häufig die Erjcheinung verzeichnet werden fan, daß Parzellenpächter troß angeftrengteiter Arbeit und forgfältigiter Deitellung zu feimem vechten Gedeihen fommen. Die in der Ausbietung kleiner Parzellen liegende Tendenz zu Pachtüberzahlungen läßt eben dem Pächter regelmäßig nur eimen jchr dürftigen Unternehmergewinn, oder richtiger gejagt, Arbeitslohn übrig. Vom Standpunft ipefulativfter WVer- wertung des Grund und Bodens mag die Parzellenpacht für den Eigen- tüimer die vorteilhafteite Art der Bewirtichaftung fein, ja jelbft die Ber: ihlagung von Großgütern zweds Vergebung in Barzellenpacht unter jenem Gefichtspuntt müßlich ericheinen (Srlamd!); aber der nachhaltige Vorteil der Barzellenpächter jelber geht damit feineswegs immer Hand in Hand. Ihatlächlich fiecht und fümmert denn auch in Ländern, wie in Srland, wo die Barzellenpacht die voriwiegende Berpirtichaftungs- form tt, Die Landbevölferung jeit langer Zeit dahin, während in Deutich- (and, wo die Barzellenpacht glücklicherweile im allgememen nur die Aıus- nahme bildet und meilt nur als Warzellen- Zupacht zu vorhandenen Stlemeigentum auftritt, ein Yandproletariat wie das irische nicht eut- Itehen fonnte. Eine Abmilderung der Nachteile, die dem Ausbieten des Landes zu Bachtgenuß in fleinen Barzellen anhaften, läßt jich ex reichen, wenn Den jeitherigen Bächtern der Verbleib im VBachtgenuß auch nac) Ablauf der Bachtzeit zu dem früheren Bachtzins oder — im Fall neuer FeitleBung — zu eimem nach Nücjichten der Billigfeit gebildeten Bachtanichlag gefichert, alfo nicht regelmäßig zu neuer Ausbietung der Bachtloje im Wege des öffentlichen Wettbewerbs (dev Beriteigerung) ge= Icehritten wird. Die wirffamjte Löfung freilich bejtände darin, den Barzellenpächtern den Erwerb der jeither in Bacht gehabten Grumdjtücke unter leidlichen Bedingungen zu Eigentum zu ermöglichen, ein Yiel, dem die irische Kandgejeggebung unter Amvendung jelbit von Jwangs- mitteln gegen den woiderjtrebenden Großbeiiß jeit Jahren zuftvebt.. Su Deutichland, wo die Barzellenpacht in der Negel nur da vorfonmt, wo Domänenbefiß oder Liegenjchaftliches Eigentum von Storporationen (Stiftungen 20.) in Form von Barzellen im Gemenge liegt, bedarf es, Ihon des nur vereinzelten VBorfommens der Barzellenpacht halber, be= jonderer gejeßgeberischer Aktionen nicht; Doch dürfte die allmähliche Ab- togung jolchen Barzellenbefiges in einer die jeitherigen Bachtbefigverhält- nilfe ichonenden Weije, d. h. thunlichht unter Eimweiung der Barzellen= pächter jelber in den Eigentumsbeiig und unter Gewährung billiger Zahlungsbedingungen (Zulaffung der Abtragung der Kaufichuld in mäßigen Naten, Annuitäten), wohl angezeigt ericheinen. Die Domänen- 26 Erjtes Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und Landwirtjchaftsbetrieb 2c. politif des Staats fann fich daher pofitiv in einer für die bänerliche Bevölferung nubbringenden Weije bethätigen, indem fie der Itarfen Nachfrage nach Yand feitens der kleineren und fleinjten Wirte jolchergeitalt mit dem dem nachhaltigen Bedürfnis entiprechenditen Mittel, nämlich durch Landüberweiiung zu Ddauerndem Genuß (zu Eigentum) entgegenfommt. Auf Ddiefem Wege wird dann auch erreicht, daß eine duch verbefjerte Bodentechnit und jorgfältigere Arbeit am Boden erfolgte Steigerung der Neinerträgnilfe den Bewirtjchaftern des Grund und Bodens jelber zu gute fommt und nicht, wie im Gebiet des Bacht- wejens umd namentlich in dem des Barzellenpachtiwejens jo Häufig Der Fall, dem Bodeneigentümer gewillermaßen als unverdientes Öes ichenf in den Schoß fällt. Unverdient fan man diefe Einfonmtensbes veicherung deshalb bezeichnen, weil die veimertragsiteigernde, verfeinerte Bodenarbeit der Pächter ohne Zuthun des verpachtenden Boden= eigentümers fich vollzieht, gleichwohl aber die Folge hat, daß beim jedesmaligen neuen Ausbieten des Bodens zur Pachtvergebung die durch die Fortichritte der Bodenkultur geichaffenen günstigeren Anbaubedingungen Anveiz zu Höheren Bachtangeboten geben und damit VBeranlajjung werden, die Anteile an dem Ertrag der bodenbewirtjchaftenden Thätigfeit jtändig zu Gumften der nichtiwirtichaftenden Bodeneigentümer und zu Unguniten der Bewirtichafter (der Wächter) zu verichteben. $ Ss. Das private Grundeigentum und die Beftrebungen auf Der: ftaatlihung des Grund und Bodens; Kandbevölferung und Socialdemofratie; der Befis der toten Hand. Wit der Betrachtung am Schluß des vorigen Paragraphen it ein befonders wichtiger Gejichtspunft für die Würdigung Der SGrundeigentums=- und Bewirtjchaftungss gormen gewonnen worden. Denn e8 entipricht dem Gebot der wirtjchaftlichen Gerechtigkeit, daß die Früchte der Arbeit am und im Boden thunlich uneinges ichränft der werbenden Arbeit jelber und nicht zum Teil einem Dritten zufallen. Diejem Gebot wird vollfommen nur da entiprochen jen, wo Eigentümer und Wirtichafter im einer Perfon fich vereinigen, in unvollfommener Weile da, wo, wie bei der Pacht, Eigentümer und Wirtichafter fich trennen und jener für die Überlaffung des Guts eine bejondere Vergütung — den Bachtzins — zu beanjpruchen hat. Das Zujammenfallen des Eigentümers und des Wirt- jchafters in einer Berjon ift aber mur im Bereich einer Gejellichafts: oronung möglich, die das private Eigentum am Grund und Boden aufrecht erhält; unmöglich dagegen im Bereich einer Gejellichafts: ordnung, die das private Eigentum am Grumd und Boden durch jeine Überführung in Staatsbefit aufheben wirde; denn die Berwirts ichaftung und Nubbarmachung diejes veritaatlichten Grund und Bodens würde angefichts der wirtichaftlichen Mängel, die einer Bewirtjchaftung x $ 8. Grumdeigentum und Bodenverftaatlichung 2c. 97 durch Beamte oder gar einem jtaatlich organiierten Semeinjchaftsbetrieb anbaften, nur im Wege der Berpachtung denkbar jein. Die So= ctaldemofratie jchließt daher jchon aus dem Grunde eine den Interefjen der Yandbevölferung Ichädliche Gedanfenrihtung in fich, weil fie mit ihrer Forderung der Berjtaatlichung des Grund und Bodens die naturgemäßejte yorm der Bearvirtichaftung, die Eigenbewirtichaftung, gänz- (ich bejeitigen und die Jjämtlichen Angehörigen der Landbaunbe- völferung zu BZeitpächtern umwandeln würde Mit diefer Ume wandlung zu Heitpächtern wäre aber die Wirtichaftslage und Lebens- itellung der Ländlichen Bevölkerung nicht mehr von ihrer werbenden Ihätigfeit am Boden allein, jondern ganz vorwiegend von dem zufälligen jevetligen Ausfall der in kurzen Zwijchenräumen jich vollziehenden Pacht- verjteigerungen und von der Ddabet fich ergebenden Wachtzinshöhe ab- hängig. Der Hinweis der Socialdemofratie darauf, daß auch die heutige Gejellichaftsordnung das Zeitpachtweien fennt und aus den obenerwähnten Gründen daran jejthalten muß und daß viele Wächter nicht nur vor: trefflich wirtjchaften, alfo auch dem allgemeinen Broduftionsintereije dienen, jondern auch gedeihen, fan jelbjtveritändlich feinen Grund ab- geben Für eine ausmahmsloje Bejeitigung der Eigenbewirt- ichaftung. Und zwar tft jener Himwveis jchon deshalb unzutveffend, weil das Bachtiwejen jeine guten Seiten doch wejentlich nur dann auf- weilt, wenn umd joweit es fich um Pachtgüter mittleren und größeren Umfangs Handelt, die einen mit Hinveichenden Kapitalmitteln ausge Itatteten und zugleich intelligenten Pächter als Wirtjchafter voransjegen. sn dem }Bufunftsitaat der Socialdemofratie wäre indefjen eine jolche arıjtofratifche Aufteilung des Landes in Bachtgüter mittleren und größeren Umfangs undentbar; der der Bewegung auf Verjtaatlichung des Grund und Bodens wejentlich mit zu Grumde liegende Demofratijche Gedanfe der Genußbeteiligung möglichjt vieler Mitglieder der Gejellihaft am Grund und Boden müßte vielmehr auf eine mit der wachjenden Bolfszahl zunehmende Berkleinerung der Bacht- einheiten hindrängen. Daraus würden alle jene Wipitände entitehen, die nach den Ausführungen im vorigen Paragraphen das Barzellen- pachtwejen jederzeit noch begleitet haben; d. 5. unter der Verwaltung des verjtaatlichten Grund und Bodens jähe fich die auf die Pacht am Grund und Boden angewiejene Bevölkerung zu Iteter Verkürzung der Pachtzeiten, zu wachjender Umficherheit des Verbleibs im Pachtgenuß und zu Iteigenden Pachtzinfen mit der Folge zunehmender Auswucherung zu Guniten der Gejamtheit verurteilt. Als ein hervorragender politifcher und gejellichaftlicher Vorzug des en ur und Der a uns fonnte im S 1 Diejer Daritellung das feite VBerwachienfein des Wirt- Ichafters mit der bebauten Scholle und die daraus entipringenden Tugenden 28 Erites Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und Yandwirtichaftsbetrieb ac. des Heimatsgerühls und der Anhänglichfet an die Volfsgemeinschaft, den Staat, bezeichnet werden. Weit der völligen Verdrängung der Eigen- bewirtichaftung und der jyitemattiichen Umwandlung aller Yandwirte in Zeitfleinpächter füme dagegen in das landwirtichaftliche Berufs- und Er- werbsleben ein Element der Unruhe und Beweglichkeit, das für die Bewahrung jener Tugenden gewiß nicht förderlich wäre; jedenfalls müßten Die der jebigen Yandbevölferung anhaftenden Eigenichaften der Stetigfeit und £onjervativen Beharrlichfeit verloren gehen, die mit ihre beiten Charafterzüge find, weil in diejen Eigenjchaften vorwiegend ihre jtaatserhaltende Gejinnung wurzelt. Ferner träte an die Stelle der jeitherigen Landeigentümer, die der Mehrzahl nad) ihre Scholle von Generation zu Generation vererben, mit der Veritaatlichung des Bodens eine häufigem Drtswechjel unterworfene Bächterbevölferung, deren Da- jeinsbedingungen von dem jeweiligen zufälligen Ergebnis der veriteigerungs- werien Ausbietung der Pachtparzellen abhängig und deshalb von Bacht- periode zu Bachtperiode unficher und jchwantend wären. Die Ktleinpächter lähen fich daher notgedrungenermaßen zu rüdiichtslojer Ausbeutung der Bakhtobjefte gedrängt, gegen die auch die jIchärfiten Pachttontrafte vergeblich anfämpfen würden. Wiederum jehr im Gegenja zum Syjtem der Eigenbewirtichaftung in der heutigen Gejellfchartsordnung, in der Der Wirt in höchitem Grade daran intereliert it, Die Produftionsfraft des Guts dauernd Tich zu fichern und jeder mit diefem Ziel in Wider- jpruch befindlichen Wirtichaftsweiie (Naubwirtichart!) jih zu enthalten. Es giebt eben feine Wirtichaftsform, die der Regel nad) einen gleih hohen Anreiz wie die Eigenbewirtichaftung gewährt, einen Betrieb auf die jeweils erreichbare höcdhite Intenjitäts- itufe emporzubeben, d. h. den Boden mit Nähritoffen möglichit zu bereichern, Die jegenipendende Kraft des Wafjers für die Bodenkultur nugbar zu machen, dauernde, wertiteigernde Kulturen einzuführen 2c. Die Eigenbewirtichaftung leiitet daher auch unter dem Gelichtspunft der volfswirtichaftlichen PBroduftionsinterejjen, d. h. der größtmög- lichen Erzeugung von Nahrungs und Genußmitteln mehr als irgend eine andere Bewirtichaftungsform; und feine Änderung unferer Gejell- ichaftsordnung würde daher die Negelmäßigfeit, Stetigfeit und Ausreichend- heit der Nahrungs und Genufmittelverforgung fir das Bolt mehr gefährden als die von der Socialdemofratie erjtrebte Überführung des Bodens in den Gemeimjchaftsbeiis und ‚die Umwandlung aller jettherigen Bodeneigentümer in eine Klafje kleiner und fleinfter, in ihren Einfommens verhältnifien von den Yaunen der künftigen Gejellichaftsleitung und von wechielnden Pachtbedingungen abhängiger, daher zum Naubbau förmlich hingedrängter Zeitpächter. Die Socialdemofratie jeßt fich alfo nicht nur mit den Wünschen der Yandbaubevölferung nach gefeitigten Dajeinsbedingungen in jchärfiten MWideripruch, würde nicht nur deren vornehmijte Charaktereigenjchaften $ 8. Grundeigentum und Bodenverftaatlichung 2c. 29 gründlich zeritören, Tondern fie ift auch in ihren Endzielen unve reinbar mit einer ruhigen Fortentwidlung des Volfs- und Staats= [ebens, weil fie die wichtigite VBorausiegung hierfür, die höchite An= ipannumg der Bodenfräfte im Dienjte der Gejamtheit, jchwer gefährdet. Aus politiichen wie aus jocialen umd volfswirtichaftlichen Gründen tit daher die Socialdemofratie Ihon wegen ihrer Bodenverjtaatlichungsziele zu befämpfen, und die Yandbaıs bevölferung Hat allen Anlaß, in den Neihen der Befämpfer der Socialdemofratie in vorderiter Linie zu itehen. Diefe Ausführungen treffen nicht minder Die Anhänger der aus an jich volfsfreundlichen Gejinnungen bevvorgegangenen Bewegung der joctalen Bodenreformer; denn auc Diefe fordern, wenn te auc) zunächit nur Die Überführung des Itädtiichen Beliges in Gemeinichafts- bejig anjtreben, im Endziel doch auch die Beritaatlichung des landwirtichaft- lichen Grund und Bodens. Das von den joctalen Boden- oder Yard reformern angeitrebte Ziel, daß der Grund und Boden fein ausjchliegliches Borrecht (Monopol) weniger bevorzugter yamilien fein, daß vielmehr der Genuß am Boden und daß die Aırteilnahme an dem mit der fortichreiten- den Kultur wachienden Grundrentenbezug möglichjt vielen Angehörigen des Volks zugänglich werde, it auch im Bereich der privaten Grumd- eigentumsordnung erreichbar; hierzu it mur notwendig, daß das geltende echt der Möglichkeit des jederzeitigen Eigentumserwerbs Durch fauf- kräftige Verjönlichfeiten feine rechtlichen Schranfen entgegenfeßt. Solche Schranfen haben allerdings früher, nämlich in der Zeit der Herrichaft der rechtlichen Gebundenheit (S 5), beitanden. Sm der Gegenwart aber find diefe Schranfen meiit gefallen und es ijt heutzutage nahezu überall in Deutjichland auch dem ärmften Tagelöhner der Erwerb einer fleinen Scholle Land ermöglicht. Und wo gegendweile die jegige Grundbefiß- verfajjung und ein bejonderes gamilienrecht dem Grumdbefigerwerb der fleinen Leute noch Hindernifje bereiten (in den Provinzen öitlich der Elbe), iit man bemüht, jolche Hindernilfe durch beiondere Gejeggebungsafte Der jogenannten LZandpolitit (Gejeggebung der inneren Kolontjatton, Nenten- gutsgejeße in Preußen!) mehr und mehr zu bejeitigen. Auch Die geschichtliche Betrachtungsmweije führt im gleicher Weile wie die vorausgegangenen allgemeinen Betrachtungen zu einer völligen Abweifung der Bodenveritaatlichungspläne, mögen diefe num von der Direft jtaats- und gejellichaftsfeindlichen Soctaldemofratie oder von der Richtung der jog. Bodenreformer ausgehen. Die wirtichaftsgeichicht- liche Forichung zeigt nämlich, daß bei allen Kulturvölfern urjprünglich Brivateigentum an Grund und Boden unbefannt war; nur allmählich und zwar zunächit an Haus und Hof und an den in befondere Kultur genommenen Hausgrundjtücen bildeten sich Itrengere Belitrechte aus, während die Feldflur noch periodiich in Lojen zur Bertetlung umd Kusung auf Zeit gelangte (wie noch jegt in großen Teilen Nußlands!). 30 Erites Kapitel. Grumdeigentumsverfajjung und Landwirtichaftsbetrieb 2c. sn Laufe der Zeit wurden dann aber jelbit dieje periodischen Landver- lojungen (von der fich Neite in dem zerbrödelten Allmendewejen Süpd- deutichlands und der Schweiz erhalten haben) eingeitellt, und es ent- itanden an den ehemals zur Verlojung gelangenden Teilen der Feldflur nach) und nach freie, ausjchliegliche, vererbbare Befigrechte. Wenn eine jolche Entwielung bei allen Bölfern, die eine gewilje niedrige Stufe der Bodenkultur und des allgemeinen Bildungszuftandes überwunden haben, vorfindlich it, jo darf man fie nicht als eine zufällige oder gar natur- widrige, Jondern man muß jte als eine jolche anjehen, die wirtichaftlich und gelellichaftlich gleich notwendig war. Und diefe Notiwendig- feit it im Die Augen jpringend, weil die jorgfältigere Beitellung des Bodens, d. h. die Hineinverwendung von mehr Arbeit und Kapital in den Boden da nicht wird geleijtet werden wollen, wo eine Sicherheit für die dauernde Belafjung im Belt nicht beiteht. Die allmähliche Ume geitaltung des urjprünglichen Gemeimjchaftsbeitges in vollen Brivatbeiit it Daher nichts anderes als der Ausdruf für die Notwendigkeit jorg- fältigerer Bodenarbeit als Folge der wachjenden Bolfszahl, einer jorg- jältigeren Bodenarbeit, für die die Bejeitigung der alten Feldgemeinichaft erite Vorausjegung bleibt. Daher der ländliche Gemeinjchaftsbeiig in Nupland (der jog. Mir) mehr und mehr ebenfalls der Abbrödelung entgegengeht und, joweit er noch in ungeänderter Neinheit jich erhalten hat, als wejentliche Urjache des Tiefitands der Bodenkultur in Ddiefem Neich, der häufigen Mibernten und der Mafjenarmut der dortigen Land- bevölferung angejehen werden darf. Solch ruiftischen Zuitänden würde unzweifelhaft mit der VBenwirklihung der Pläne der Socialdemofratie und der Bodenreform auch das weitlichde Europa entgegengehen. Daß dies nicht gejchehe, daran hat nicht nur der Staat, jondern daran hat vor allem die Yandbevölferung jelber das allergrößte ntereffe. Diefe handelt daher jelbjtmörderisch, wenn je, wie da und dort leider der Fall, mit der Socialdemofratie liebäugelt; ihrem innerjten Wejen und Empfinden nah muß vielmehr die YLandbevölferung die Socialdemofratie als ihren Todfeind betrachten und zu befämpfen juchen. Dieje Betrachtungen werden dadurch nicht Hinfällig, daß im den meilten Kulturjtaaten einzelne Teile des Grund und Bodens im Belit des Staates, der Gemeinde, der Stirche, jonjtigen Korporationen und, joweit Dies zutrifft, außerhalb des Verfehrs fich befinden. Man fann auf Diejen gejamten außerhalb des Verfehrs befindlichen Belig den Begriff der „toten Hand“ ammvenden, obwohl nach dem gewöhnlichen Sprach: gebrauch darunter nur der firchliche Belit verjtanden wird. Das Vor: handenjein jolchen Beliges der toten Hand ift für die Beweisführung der Bodenverjtaatlicher deshalb nicht maßgebend, weil es fich dabei zum überwiegenden Teil um foritwirtichaftliches Gelände handelt, diejes aber wegen der Bejonderheit der Wirtjchaftsweile Tich ganz bejonders zur Bewirtichaftung durch den Staat oder Storporationen, d. h. durch $ 9. Die Entwidlung des Landwirtichaftsbetriebs 2c. 31 PBerjönlichkeiten von ewiger Dauer eignet. Als jolche Bejonderheiten der foritwirtichaftlichen Wirtichartswetie jinDd namentlich aufzuführen: lange Umtriebszeiten, die eine Bewirtichaftung auf größeren zufammenhängen- den Flächen vorausjegen, Notwendigkeit einer den Grundjägen der Nach- haltigfeit Nechnung tragenden Wirtjchaftsführung, Koftipieligfeit mancher Waldfulturen ; ferner das allgemein jtaatliche Snterefje an der Erhaltung eines gewiljen Waldbeitandes aus Gründen des Klimas und der Wajjer wirtichaft, namentlich joweit es fih um Schugwaldungen handelt. Dieje Iutereffen find jedenfalls am sicherten gewahrt, wenn ein wejentlicher Teil der Waldungen und wenn mindeitens alle Schußwaldungen vom Staat oder — nach den Grundjäßen des Staatsbetriebs von Stor= porationen bewirtichaftet werden. Das im Staats= oder Korporationsbeiis befmdliche landwirtjichaftliche Gelände bildet dagegen überall mur einen jehr Kleinen Bruchteil des gefamten landwirtichaftlichen Grumd und Bodens ıumd ift eher in der Abnahme als in der Zunahme begriffen. Dem Volfsgefühl hat auch von jeher eine Häufung landioirtichaftlichen Geländes im Befiß der toten Hand widerjtrebt, und diefem Bolfsgefühl entiprechend it die allgemeine Staatspolitif jolchen Belis-Häufugen jederzeit entgegengetreten, wofür die Gejchichte allev Völker vielfältige Beripiele liefert. Die Ber a den finden alfo in dem ortsweilen Borfommen von außerhalb des Verfehrs befindlichen Liegen ichaftlihem Eigentum feinerlei Stüße. Den innerjten Grund aber für jenes Widerftreben gegen Vermehrung des Bejiges Der toten Hand wird man darin zu erfennen haben, daß der Belis von Grund und Boden nicht nur wirtschaftliche Nechte, jondern auch ein Stüe gejellichastliher Macht im Sich jchließt, welch leßtere je nach) Lage der VBerhältniffe jehr wohl dazu Führen fanı, Die bodenbewirt- ichaftenden Klaffen in ein Verhältnis weitgehender jocialer Ab- hängigfeit von den grundbeiigenden Korporationen zu verjegen. Würde nach dem Endziel der Socialdemofratie oder der Bodenveformer die Umwandlung des gefamten landwirtichaftlichen Grumdbejiges in den Bei der toten Hand, d. h. des Staats vollzogen jein, jo ergäbe fich daraus naturmotwendig eine Staatsallmacht, die politijch ficher noch größere Nachteile zeitigen müßte als die oben gejchtlderten Nachteile wirtichaftlicher Art, von denen die Herabdrüdung der Grund- eigentümer zu Zeitpächtern ala Folge der Berjtaatlichung begleitet wäre. $ 9. Die Entwillung des Kandwirtichaftsbetriebs; Standort der Sandwirtjchaftszweige; Dorausfegungen ertenfiven und intenfiven Betriebs; Betriebsiyiteme. Die Anfänge der Bodenkultur jedes Volkes iind in Duntfel gegültt. Erjte Vorausjegung derjelben bleibt, daß die Völker oder Stämme fich jeßhaft gemacht, alfo im Gegenjab zu dem jchwerfenden Xeben der Jäger oder Nomadenvölfer eine dauernde Verbindung mit dev Mutter 32 Erftes Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und Yandwirtichaftsbetrieb zc. Erde eingegangen haben. Erit von diefem Zeitpunft ab find die Bes dingungen für em räumlich begrenztes Gemeindeleben und durch Zus jammenjchluß der einzelnen Gemeindewirtichaften auch die Borausjeßungen zur Errichtung größerer staatlicher Gebilde gegeben; im Landbau wurzelt daher recht eigentlich, wie jeder Kulturfortichritt, fo auch jede jtaatliche Organijation. Die Fortjchritte der Bodenfultur zeigen fich darin, dal; ein= mal Zahl und Art der nugbaren Pflanzen und Tiere ficd mit der Zeit mehrt, jodann darin, daß nicht nur auf Steigerung des Ertrages, jondern auch auf Verbejjerung der Belchaffenheit der Erzeugnilje Hingearbeitet wird. Dieje Fortichritte vollziehen Fich zumächit auf empiriichem Wege, d. h. unter Benügung von Negeln, zu denen die Erfahrung und Beob- achtung allmählich hingelettet hat; jpäter und namentlich in der Gegen- wart führt fich als Lehrmeiterin auch die Wiffenjchaft eim und giebt handwerfsmäßig betriebenen Landwirtichaftsgewerbe eine feite, auf jorgs fältiger Beobachtung der Naturvorgänge beruhende Unterlage, auf der jugend die Technit des Landwirtichaftsbetriebes in unjeren Tagen eine in früheren Zeiten nicht erreichte Höhe erlangt hat. Ungeachtet der wirffamen und früher unbefannten Hilfsmittel, Die die Wiljenjchaft dem Landiwirtichaftsgeiwverbe, namentlich) im Gebiet der Bodenchemie (Bereicherung des Bodens durch fünftliche Düngemittel!), ges bracht Hat, ijt Ddasjelbe doch in weitgehendem Maße abhängig von den Bergältnifien des Klimas und der Bodenbejchaffenheit, dergeitalt, daß nicht überall alle Bodenerzeugniffe oder wenigjtens nicht überall in gleicher Güte erzeugt werden fünnen; infolge dev Berjchtedenheit von Boden und Stlima vollzieht fich daher eine räumliche Sonderung und Scheidung einzelner Broduftionszweige und es bilden fich für jeden derielben natürliche Standorte aus; jo tft das Gebirgsland und eben= io das miederschlagsreiche Küftengebiet der natürliche Standort für Die Weide, Milch: und Maftwirtichaft, das jonnige Nheinthal für ausge Dehnten Wein= md Handelsgewächsbau, die jandigen Böden Norddeutich- lands für die Noggen- und Kartoffelfultur und die auf diefen Stulturen beruhenden Vebengewerbe. Bei den auf regelmäßigen Abjab der Produkte angewiejenen Wirt: schaften vollzieht Fich daneben eine weitere Sonderung und Scheidung einzelner Broduftionszweige im Anjchluß an und bedingt durch bejtimmte wirtschaftliche VBerhältniffe und Beziehungen, jo daß man auc) von eimem wirtichaitlichen Standort bejtimmter Produftionsziweige iprechen fan. Weil beifpielsweile die Milch Transporte auf längere Zeit nicht verträgt umd Gleiches für feinere Objtarten (mamentlich Beeren= Früchte) zutrifft, pflegte fich die Milchwirtichaft und ebenjo die jeinerg Opftkultur Schon Fehr frühzeitig im Umfreife größerer Berfehrsmittelpunfte anzufiedeln. Weil ferner in diefen leßteren jederzeit Nachfrage nach friichen s 9 Wirtjchaftlicher Standort der Produftionszweige 2c. ww ww Gemüjen vorhanden tt und Diele ebenfalls einem längeren Transport widerjtreben, tt aus diefem Grund für die Entiwidelung eines blühenden Gemüjebaues im Umfreis jolcher Berfehrsmittelpunfte ebenfalls eine Vor- ausjeßung gegeben, und Ddiefe Entwicelung wird durch den erleichterten Bezug jtädtiicher Fsäfalten jehr gefördert. Weil weiterhin da, wo die Bevölkerung eine dichte tt, wegen der jtets großen YLandnachfrage auch die Bodenwerte am höchjten jtehen, jo find die Kandywirte in Gegenden einer gewiljen Bevölferungsdichtigfeit mit befonderer Dringlichfeit auf die Kultur Hochwertiger Planzen, aljo auf Tabaf-, Hopfenbau, Gemüfe- Dbjtfultur, auf die Kultur feiner Speilefartoffeln und ähnliches, d. bh. wiederum auf eime mehr gartenartige Kultur angewiejen; häufig Fallen dieje Gebiete mit jenen des vorherrichenden Kleingrumdbeliges zufammen. Der Anbau minder lohnender Früchte, wie namentlich der Nörnerfrüchte, wird mehr und mehr in diefen Gebieten auf die Bedürfnifje des eigenen Haushalts eingejchränft; für gewilfe Arten der Tierhaltung, die zu ihrer Ernährung das Borhandenjein großer Brachfluren vorausjegen, wie die Schafhaltung, it im Gebieten diefer landwirtichaftlichen Hochkultur über- haupt fein Raum mehr („Das Schaf weicht dev Kultur“); all dies im Gegenjab zu den größeren Wirtichaften, im denen der Fruchtbau (neben der Biehhaltung und VBtehmait) die vorherrjchende Produktionsrichtung bleibt und bleiben muß. Mit jeder tiefergehenden Anderung wirtichaftlicher Wer- hältnifje und Beziehungen pflegt daher innerhalb der durch Boden= md Stlimaverhältniffe gegebenen natürlichen Standorte fich) eime örtliche Verjchtebung bejtimmter Broduftionszweige zu vollziehen, d. h. eine Anpafjung der Bodenfultur an diejenigen wirtichaftlichen Änderungen einzutreten, wie fie durch Zunahme der SE ul durch Steigen der Bodemwerte, Durch Bildung neuer oder Vergrößerung vorhandener BVerfehrsmittelpuntte geichaffen werden. Ob Diele Nır- pajjung, und in welchem Grade jte Sich vollzieht, tit zugleich ein Brüfitein für das Maß der in der ländlichen Bevölkerung vorhandenen Sutelligenz und jachwirtichaftlichen Ausbildung; manche Leiden der Gegenwart entipringen mit dem Umitand, daß der ländlichen Bevölferung da und Dort diejes Anpafjungsvermögen in er forderlichem Waße abgeht. Und es zählt zu den wichtigeren Aufgaben der landwirtichaftlichen Staatsfürforge, diefen Prozeß der Anpaflung au Die veränderten BVBerhältnifje durch geeignete Fürderlihe Maßnahmen, die im wejentlichen mit den Aufgaben der technijchen Yandwirtichafts- pflege zujammenfallen, thunlichht in die Wege zu leiten. Wenn, wie aus diefen Betrachtungen zu entnehmen it, für den wirtjchaftlichen Standort einzelner Produftionszweige Die Yage zum Markt, insbejondere die Nähe des Marktes, die leichte Erreichbarteit desjelben wejentlich mitbejtimmend it, jo geht daraus zugleich hervor, von welchem Einfluß jede Verbeiierung der Berfehrswege, Die Die entfernter liegenden Peobuftionsgebiete gewiljermaßen dem Markt väıımlich Budhenberger. 3 34 Erites tapitel. Grundeigentumsverfafjung und Landwirtichaftsbetrieb ıc. näher bringen, für die Öejtaltung des landwirtjchaftlichen Berufslebens fich erweilen muß. se entlegener (marftferner) eine Gegend von dem Hauptabiagort it, je weiter der Transport dahin, je größer die Trans- portfojten, um jo größer tft der Preisabzug, den die Landwirte jener Gegenden an den zur DVerjendung dorthin bejtimmten Produkten jich gefallen lajjen mühjen; und bei jehr großer Entfernung ijt möglicherweije ein Abjag und deshalb auch eine für den Abjab arbeitende Produktion unmöglich, weil und jofern die VBerjendungsfoften einen den Produftions- foiten entiprechenden Erlös dem Produzenten nicht mehr übrig lajjen. Als ichlagendes Beijpiel mag Argentinien angeführt jein, das erit mit der Erichliegung des Landes dur Eijenbahnen an eine Nußbarmachung jeines Bodens durch Weizenbau denken konnte. Marktferne Produftions- gebiete haben deshalb das naturgemäße Beitreben, durch VBerbefjerung der Verfehrswege (Bau von Straßen und Eijenbahnen), durch Herbei- führung billiger Transportgelegenheiten (Heritellung von Kanälen), durch) Ermäßigung der Eifenbahn= und Kanalfrachten den Nachteil der entfernten Lage zum Markt auszugleichen, d. h. in größere Nähe des Marktes su rücken. Mit Erfüllung Ddiefer Wünjche erwächlt dann aber der im Umfreis diefer Hauptabjagorte betriebenen Landwirtichaft ein bis dahin nicht gefannter Wettbewerb, und dieje fonfurrenzierten Landesteile iind Daher bemüht, jolche markt: und abjaßverjchiebenden Änderungen des Werfehrsweiens thunlichit hintanzuhalten, wie dies bei dem befannten Kampf gegen die mit der woachjenden Entfernung fallenden Tarife (Staffeltarife!) vonjeiten der weit: umd jitddentichen YLandwirtichaft zu Tage getreten it. Em Vorgang, der darthut, daß nicht immer und überall innerhalb eines und desjelben Wirtichaftsgebiets die Interejien aller Xandwirte zujammenfallen, ja jich oft gegenjeitig freuzen, und der zugleich zeigt, im welche jchiwierige Lage mitunter die Negierung eines Landes verjegt jein fan, weil jede Ent: jcheidung, wie fie auch erfolgen mag, einen Teil der Snterefjenten unbe= jriedigt lalfen wird. — Marft- und Abjagveriägtebungen der bezeichneten Art, wie fie fic) auf die vorbezeichnete Weile innerhalb Deutichlands abipielten, haben fich jeit Jahrzehnten im Gebiet Des internationalen Verfehrs infolge Verbilligung der transpceantichen Wafferfrachten und der Eifenbahntarife in denkbar größtem Umfange verwirklicht. Die ehemals wegen ihrer Marktferne gänzlich unjchädlichen großen LYändergebiete Rußlands, Amerifas, Jndiens, Auftraltens find uns räumlich nahe gerückt worden und haben infolgedejlen große Preisum- wälzungen nahezu auf dem ganzen Gebiet landwirtichaftlicher Erzeugung veranlaßt. Und dieje Preisummvälzungen find nicht nur zur Haupturjache der Notlage eines Teils der deutichen und europätichen Yandwirtichaft geworden, fie haben auch — neben jonjtigen mißlichen Folgen (Sinfen der Grumdrente, Zunahme der VBerichuldung 20.) — eine Reihe wirt- ichaftlider Standortsverjchiebungen — örtliche Ausdehnung ein= s 9. Vorausjegungen exrtenjiven und intenjiven Betriebs. 35 zelmer Zweige des Handelsgewächsbanes, wie namentlich des Nübenbanes, Zurücdrängung anderer Zweige des Handelsgewächsbaues, Yvie namentlich des Flachs>, Hanf und Tabakbaues, Bermehrung des Ackerfutterbaues auf Koiten >= Kürnerbaues, Emjchränfung der Schafhaltung — zur Folge gehabt, Verjchiebungen, Die auch heute noch fortdauern. ie in jedem Gewerbe, jo it auch in dem landwirtichaftlichen Gewerbe für den Erfolg der wirtjchaftlichen Ihätigfeit nicht bloß die Frage, was erzeugt wird, jondern auch Die weitere Frage, wie, d. h. mit welchen Mitteln erzeugt wird, und nach welchen Grundjäßen der land» wirtichaftliche Betrieb zum Zwec der Erzeugung von Broduften einge: richtet it, von entjcheidender Bedeutung. Zu der Erzeugung landwirt- ichaftlicher Erzeugniffe bedarf es aber neben der Arbeit am und im Boden eines gewillen Maßes von apital, insbejondere zur Beichaffung des Lebenden und toten smoventars, zur Zahlung von Löhnen, zur An= ihaffung von Saatgut, zur Bornahme von bodenverbejjernden Arbeiten u. dgl. mehr. Wo fic) der Landwirtichaftsbetrieb in einfachen Formen bei jorglojer Beltellung der Felder und unter Zuhilfenahme eines gerade dürftig ausreichenden Bichitandes, d. bh. ohme erhebliche Arbeits: md Sapitalaufwendungen vollzieht, Ipricht man von ertenjivem, im ıumtge- fehrtem Falle und bei jtarfem Arbeits= und sel: von intenjivem Betrieb. ener herrjcht vor umd tt berechtigt, fo lange die Bevölkerung dimm tft, das Land in reichem Maße und billig zur Berfügung fteht, und wo Die verhältnismäßig geringe Wroduftion gleichwohl ausreicht, der Landbevölferung emme ausfümmliche Erijtenz zu gewähren und Diefe, nebjt den übrigen Soltsklafjen, mit den ls Nahrungs und Genuß: mitteln zu verjorgen. se mehr aber die Bevölkerung wächit, der Grund und Boden eben deshalb jeltener und teurer wird umd die Grundbelit- einheiten Jich verkleinern, mithin jchon aus diefem Grunde ftärfer aus- genußt werden mühjen, wenn fie ihren Inhabern ein Austommen gewähren und Der vermehrten Sefamtbevölferung Die nötigen Nahrungs und Genußmittel liefern jollen, erfolgt allgemach der Übergang zu inten- fiveren Betriebsweifen, ein Übergang, der in dem allmählichen Eriat der uralten Feldgraswirtichaft Durch die neuzeitlichen verbejjerten Stoppel- wirtichaften, der ebenfalls uralten Dreifelderwirtichaft mit reiner Brache und Weidegang Durch die verbejjerte Dreifelderwirtichaft mit angebauter Brache' und Stallfütterung, und durch die noch höher itehenden mehr: felderigen Wirtichaftsiyiteme zum Ausdruck kommt. sn eime Würdigung der einzelnen Wirtichaftsiyfteme — ihrer Bor: züge und Mängel — tt in diefem Zujammenhang nicht einzutreten, wohl aber darauf aufmerffam zu machen, daß jedes verbefferte Syitem erhöhten Arbeits- oder Kapitalaufwand oder aud beides zugleich erfordert. Dieje erhöhten Arbeits- und Slapitalver- wendungen stellen wirtjchaftlich ein Opfer dar, das mr danı gebracht werden faun, wenn es in höheren Noh- und Neinerträgniiien 2% 3° 36 Erites Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und Landwirtjchaftsbetrieb zc. jeinen vollgültigen Erjaß findet. Nun tft aber die Möglichkeit der Steigerung der Bodenerträgniijfe von der Jlächeneinheit feine unbeichränfte und der Grad der Steigerung überhaupt von der Gunjt der die Ernte- ergebnifje beeinflufjenden DE ‚saftoren: Bodengüte, Wärme, Feuch- tigfeit wejentlich abhängig. Dem Übergang zu inteniiveren Syjtemen find Daher auf minder fruchtbaren Böden und in rauberen en gervilie Schranfen gejeßt, und es erklärt ich daraus, daß Jelbjt in Ländern mit hoch- entwicelter Yandwirtichaftstechnif, vote Deitichlanp, extenfive neben inten= jiven Wirtichaftsiyitemen fortbeitehen, wie namentlich in den rauhen Ges birgsgegenden, jowie auf zahlreichen ausgejprochenen Noor= und Sands böden. Weil ferner der wirtichaftliche Erfolg einer mit größerem Arbeits- und Kapitalaufwand betriebenen Produktion nicht bloß von der Steigerung des Ernte-Ertrags, jondern in eimer für den Markt arbeitenden Wirt- ichaft auch von dem Martterlös der verfauften Erzeugnifje abhängig ift, Fo bildet für den Übergang zu intenfiveren Betriebsiyitemen und für die Feithaltung diejer Syiteme der Preisjtand der land- wirtjchaftlichen Erzeugnifie eine wesentliche Borausjegung. Diünne Bevölkerung, Ichwache Nachfrage nach landwirtichaftlichen Broduften, relativ niedrige Bodenwerte, exrtenfiver Betrieb und geringe Breife der Boden produfte bedingen jich aljo ebenjo gegenfeitig, wie Dichte Bevölferung, jtarfer Begehr nach Bodenproduften, hohe Bodenwerte, intenfiver Betrieb und ein relativ Hoher Verfaufspreis der Bodenprodufte. Daher, wenn ein be= itimmmter Intenlitätsgrad des Landwirtichaftsberriebs erreicht it, nichts ichmerzlicher jich Fühlbar macht, als ein zumal plögliches Her untergehen der PBroduftenpreije von ihrer jeitherigen Höhe, weil darin eime der VBorausjeßungen enthalten ift, die für Die arbeits- oder fapitalintenfive Wirtjchaftswetje bejtimmend waren, und weil die ‚Forts führung der Wirtichaft im der jeitherigen Weife nunmehr direft verluft- bringend zu werden droht. Ebenjo bildet aber em jolches Sinten der Broduftenpreije ein Hindernis für die bis dahin minder intenfiv betriebenen Wirtichaften, zu intenfiveren Betriebsweijen fortzufchreiten oder gar foit= ipielige Melivrationen vorzunehmen, beides zum Nachteil nicht bloß der betreffenden Wirtichaften, jondern der ganzen Volfswirt- ichaft, deren ntereffen ja doch auf die größtmöglichite Nugbarmachung der Bodenfräfte Himverien. Für die Negierungen ergeben fich aus diejer Betrachtung Fingerzeige, die bei der Art und Richtung der einzufchlagenden Yandwirtichaftspolitif nicht umberickfichtigt bleiben dürfen und ins= befondere auch bei der Gefjtaltung der Zollpolitif Beachtung erheifchen $ 10. Eigenproduftion und Produktion für den Abfas; Yatural-, Geld: und Kreditwirtichaftz Kortdauer naturalwirtfchaftlicher Bräuche und Einrichtungen, Urjprünglich it die Produktion landwirtichaftlicher Erzeugnifje aus= schließlich oder doch ganz überwiegend Eigenproduftion, d. 5. zur Ss 10. Eigenproduftion und Produktion für den Abjaß 2c. 37 ausschließlichen Befriedigung des Haushaltsbedarfs des Wirts und jener Angehörigen bejtimmt Weil und jolange es feine jtädtiische Devölferumg giebt, eine berufsitädtiiche Gliederung aljo fehlt, insbeiondere Gewerbe: und Handelsthätigfeitt nicht oder nur notdürftig entwicelt it, fehlt es auch an der Vorausjebung eines Marktes, d. h. a der regelmäßigen Abjab- möglichkeit für landwirtichaftliche Erzeugniffe. Seder Bauerz und jeder größere Gutshof bildet in Diefer Zeit ein abgeichloffenes Wirt: Ichaftscentrum, innerhalb defjen Sich Wroduftion und Bedürfitisbe- frtedigung abjpielen. Wet anderen Worten: der Bauer erzeugt mit jenen Angehörigen das zum Unterhalt der Familie gerade nötige Bedarfs- quantum an Nahrungsmitteln und darüber hinaus landwirtichaftliche Produfte nur injoweit, als ihm Lieferungen von Naturaltien an Dritte: den weltlichen oder kirchlichen Grundherrn und an den König, obliegen ; der Flachs= oder Hanfbau, das Spinnrad und em einfacher IBebjtuhl jorgt für die Bedürfniffe der Kleidung, den Brenn: md Baubedarf liefert der im Befib der Gemeimdegenojjen befindliche Wald oder es greift naturale Verabreichung aus den Waldungen des Grundherrn Blab; die vorfommenden Baus, Tijchlere und die Neparaturarbeiten im Haus und Hof werden ebenfalls von den Bauern vorgenommen; eine Arbeits: teilung fehlt, jeder Bauerhof führt ein wirtichaftliches Sonderleben. hn- (ich) auf den großen Gutshöfen dev Grundherren und des Königs, nur daß bier die Arbeiten im Feld und auf dem Gutshof, einschließlich der Verarbeitung der Erzeugniffe, hörigen Leuten obliegen, denen dafür Woh- nung, Sleivung und Soft gegeben wird. Diejes wirtichaftlide Sonderleben des Gutshofs mit jeiner ausgeiprochenen gamilien= oder Hauswirtichaft erleidet allmählich Umgeitaltungen; die urjprünglich ven ländliche Be- völferung wird im Yaufe der Zeit von eimer jtädtiichen durchjeßt; in Den Städten, aber auch auf dem flachen Lande, bildet jich ein Stand berufs- mäßiger Handiwerfer aus, die wenigjtens für einen Teil ihres Haushalts- bedarfs auf den Ankauf von Brotfrüchten, von Fleisch und Holz angewiejen find; es beginnen Austaufchbeziehungen zwilchen dem flachen Land und den Städten und zwijchen den landwirtichaftlichen und den gewerblichen Haushaltungen, und weil nun der Bauer oder Gutsherr für die aus der Wirtichaft abzugebenden Naturalien Gegenwerte erhält, mit denen er Die gewerblichen Leitungen Dritter eintaufchen fan, wird darauf verzichtet, alle und jede Bedürfnifie des Lebens auf dem Hofe jelber herzuitellen; die VBorausjeßung hierfür bildet aber die Erweiterung der landivirtichaft- lichen Produktion über den eigenen Bedarf hinaus, d. h. die Produktion wird neben und an Stelle der ausschlieglichen Eigenproduftion zugleich eine für den Markt arbeitende Produktion. Und je vorteilhafter die Austaufchbeziehungen für den Hofinhaber fich geitalten, um jo mehr entivicelt jich das Beitreben, Menge und zugleich Beichaffenheit der land- wirtichaftlichen Erzeugniffe den Bedürfuifien des Marktes anzupafjen. 38 Erites Kapitel. Grundeigentumsverfajjung und Landwirtichaftsbetrieb ac. Erweiterung der Taujchbeziehungen, Möglichfeit des Markt abjages und Hebung der Bodenfultur jtehen daher in innerem Zufammenhang. Daher eine jorgfältigere Bodenkultur überall da zuerit einjegt, wo em aufblühendes jtädtiiches und gewerbliches Leben einen größeren Markt und günjtige Austaujch- (Abjag=) Beziehungen im Gefolge hat, d. h. im Süden und Weiten Deutjchlands wejentlich früher als im Norden ımd Nordojten, in der Umgebung der Städte in höherem Grade als in den abjeitS gelegenen Wirtichaftsgebieten. Der Austaufch zwiichen der Yandbaubevölferung und der jtädtiichen und gewerblichen Bevölkerung vollzieht jich anfänglich in natura; der Weber oder Schmied erhält aljo jeinen Gegenwert in Wroduften der Landiirtichaft, in Kom und Fleifch; das Hofgefinde wird ebenfalls in natura abgelohnt, im diefer Form auch öffentlich-rechtlicher Abgabepflicht Genüge geleijtet. Und dDiejer naturalwirtichaftliche Verkehr hat jich zum Teil bis im die neuere Zeit, ja bis in die Gegenwart hinein er halten; noch im Anfang unjeres Jahrhunderts wurden die meijten Ab- gaben an den Staat in naturaler Form — Getreidezehnte, Weinzehnte, Blutzehnte! — entrichtet, wie der Staat jeinerjeits die Beamten, zum Teil wenigitens, mit Naturalien entlohnte; und die Auslöhnung des Gelindes erfolgt auch heute noch in großen Teilen Norddeutjchlands in der Korn der Zumerlung von Aecergrundjtücden oder der Weidegeitattung für ein oder mehrere Tiere oder von Anteilen am Drujchergebnis, und auch in anderen Teilen Deutjchlands wird wenigitens ein Teil des vereinbarten Lohnes in Form der Gewährung von Schuhwerf, Leinwand, Ktleideritoffen gegeben. Ein Geldverfehr, d. 5. die VBermittelung der Taujchbeziehungen der Wirtichaften untereinander unter Zuhilfenahme geprägten Geldes als allgemeiniten Wertmaßitabes, bildet jich zuerjt in den Städten aus, ergreift aber jchon jehr frühe auch den Verfehr der Yandbevolferung unter= einander und mit den Städten; auf dem Markt entiteht ein in Geld aus- gedrückter Marktpreis für die zum Verkauf gelangenden Waren, und mit dem Geldgegenwert, den der Produzent erhält, it er in der Lage, Gegen jtände der Handwerfsthätigfeit oder die von weiterher durch den Handel vermittelten Bedarfsgegenftände einzutaujchen. Wie die Erzeugniffe, jo erhält nun auch der Grund und Boden Geldwert, und von diefem ZJeitpunft ab wird der Grund und Boden jelber Gegenitand des Verkehrs, fanır verfauft, d. h. in Geld umgejeßt werden. Die Arbeitsleiltungen des Gejindes werden nunmehr größtenteils, die Staatsjteuern und Gemeindeabgaben mit der Zeit ganz in Geld entrichtet; es entwicelt jich alle in jedem, auch dem fleinften bäuerlichen Haushalt ein bejtimmtes Geldbedürfnis, und diejes Geldbedürfnis zwingt nunmehr jeden, auch den fleiniten bäuerlichen Wirt, fürden Verfehr zu produzieren, d. h. einen Teil jeiner Wrodufte auf dem Markt in Geld umzujegen. Auf dieje Weile ent- jteht eine im den ältejten Zeiten unbefannte Abhängigfeit vom $ 10. Natural», Geld- und Kreditwirtichaft 2c. 39 Markt, und zwar jowohl nach der Seite dev Abjaßmöglichfeit über: haupt hin, wie nach der Seite der Breisgeltaltung, von deren Höhe die Größe der Geldeinnahmen abhängig tit Sobald der Gutshof aus der wirtichaftlichen Bereinzelung der ältelten Zeit heraustritt, mit dem Berfehr in Beziehungen gebracht und in Die Geldwirtichaft einverflochten wird, in diefem Yıurgenblic wird der land- wirtjchaftliche Produzent Inhaber von Bermögensrechten und Ber= mögensverpflihtungen, deren Befriedigung und bezw. Erfüllung tits dejfen nicht immer Zug um Zug erfolgt, jondern häufig auf einen jpäteren Zeitpunft verlegt wird. Der landwirtichaftliche Produzent erscheint alfo bald als Gläubiger für Forderungen aus dem Berfauf landwirtichaftlicher Erzeugniffe, bald als Schuldner für den Kaufpreis der von ihm bezogenen Waren oder Leitungen. Neben dem baren Seldverfehr und Hand in Hand mit demfelben entwickelt Ttch allo auch em Rrehiinerfehr auf dem flachen Lande, und der Streditverfehr mußte jich bet der landwirtichaftlichen Bevölkerung jchon deshalb frühzeitig ei= bürgern, weil die Zahlungsverpflichtungen des landwirtichaftlichen ro- duzenten zeitlich nicht Durchweg mit dem Zeitpunft des Kruchtverfaufs landwirtjchaftlicher Exzeugnilje, d. H. mit der Zeit nach dev Ernte zus Jammenfallen. Se blühender die Bodenkultur fich entfaltete, je mehr Kapital (Geld) in den Boden verwendet wurde, um eine höhere Erträglichfeit des- jelben zu erzielen, um jo lebhafter mußten fich auch die Sreditbeziehungen der Landbaubevölferung geitalten. Dabei trat mit der Zeit neben dem regelmäßigen Fall des Überganges des Gutshofes im Erbgang auch der jenige durch Kauf nicht gar jelten ein; Durch Tolche Gutstäufe wurden — neben den SKreditbedürmilfen aus Anlaß des Betriebs und der Yır= forderungen des täglichen Kebens — ganz neue Streditverpflichtungen geichaffen; nicht minder durch die jtrengere Ausgeftaltung des Familten- rechts, das dem Gutserben Auszahlungen an die Gejchroiiter auferlegte, denen oft nicht jofort in einer Summe genügt werden fonnte; wo Wih- ernten, Hagelichlag, Viehiterben, riegsichagungen die rechtzeitige Tilgung eingegangener Berbindlichfeiten hinderten, mußte ebenfalls Zahlungsauf- hub erbeten, d. 5. Kredit in Anspruch genommen werden. sn dem Kreditverfehr der Yandbaubevölferung fonnte man daher allgemach den Betriebs- und Haushaltsfredit, den Grund- und Jamilienfredit und den Notfredit unterscheiden. So wınde, wenn auch nicht in der raichen Entwidelung wie in den Städten, jo doch ummwiderjtehlich md mehr und mehr auch die Kandbaubevölferung durch den Ülber- gang zur Geldwirtichaft in einen ausgebildeten Sireditverfehr verflochten, und Ddiejer Streditverfehr und Die aus ihm entitehenden Ber= pflichtungen zur Zahlung von Schuldzinjen und Schuldfapitalien mußten die Abhängigkeit der landwirtichaftlichen Produzenten vom Markt und von der Marftpreisbildung, wie fie fich bereits unter 40 Erites Kapitel. Grundeigentumsverfafiung und Landwirtjchaftsbetrieb 2c. n der Herrichaft des Geldverfehrs ausgebildet hatte, weiter erhöhen und verichärfen. Mit dieien gejchichtlich gewordenen und durch die Ber: fehrsbeziehungen der Menjchen untereinander bedingten Ber= hältniiien iit zu rechnen, und es muß daher, wie das gewerbliche Berufsleben, jo auch die landwirtjchaftliche Berufsthätigfeit den Bedürf- nilfen des langjam zu immer größerer Entwicdelung gelangten Geld- und Streditverfehrs und im Zujammenhang damit auch den Bedürfniffen des Marftverfehrs entiprechend angepaßt werden. Wer anders handeln, wer dDiefem notwendig gewordenen Anpaljungsprozeh fich entziehen, allo beiipielsweije auf Hochwertigitem Gelände Schafhaltung treiben oder feine Erzeugnifjfe dauernd im emer den Käufern nicht genehmen Bejchaffenheit auf den Markt bringen wollte, wirde umerbittlic) von den Rädern Des Berfehrs zermalmt werden. Auch der Staat fann mit den ihm zu Gebote jtehenden Machtmitteln das Nad der Zeit nicht zurüd- ichrauben; jeine Aufgabe muß fich vielmehr darauf bejchränfen, auch hier den Anpaliungsprozeß zu fördern, Auswüchje zu bejeitigen, jolchen Drganijationen den Weg zu bahnen, welche eine zwecmäßige Funftio- nierung des Näderwerfs der landwirtichaftlichen Betriebsthätigfeit, gerade auch Tomweit der Streditverfehr mit hereinjpielt, verbürgen. Dies im einzelnen auszuführen wind eine Hauptaufgabe der Daritellung in den folgenden Kapiteln ein. smmerhin follte wohl beachtet werden, daß auch heute noch — inmitten eines alle Verhältniffe beherrichenden Geld- und SKreditverfehrs — gerade auf dem flachen Lande für den naturalwirtichaftlichen Berfehr der Bevölferung untereinander ein gewiller natür= licher Spielraum übrig geblieben ift, der freilich bedanerlicher Weije ohne zwingenden Grund fich immer mehr einengt. Im jehr vielen Teilen Deutichlands beiteht zwar auch heute noch die Gepflogenheit, das fir den eigenen Bedarf des Haushalts nötige Getreide auf die Mühle zu verbringen und gegen eimen bejtimmten Bruchteil der Mehlausbeute ver: mablen zu lafjen; aber Dieje Übung bröcelt fichtlich ab, indem man Die gejamte Körnerernte umd zwar auch jeitens der fleinjten Landwirte zum Verkauf bringt, um dann mit dem Erlös den Mehlbedarf beim Händler einzufaufen; und doch würde die Beibehaltung der alten Übung die Ab- hängigfeit des Produzenten vom Markt und vom Marktpreis wefentlich abjchwächen. Ein erheblicher Teil der Getreidevorräte, die nach der Ernte in den einzelnen landwirtichaftlichen Haushaltungen lagern und auf einen Auffänfer von außen her warten, fönnte ferner jehr wohl innerhalb der Dorigemeinde Abjag und Verwendung finden, wenn die Tagelöhner und fleiniten Wirte das von ihnen benötigte Juschußgguantum von Korn und Diehl den snhabern größerer Wirtichaften abnehmen oder wenn Ste für ihre, Dienite fich in natura abfinden lafjen wollten, jtatt den zu beanjpruchene den Seldlohn in Die Hand des Meehlhändlers oder Bäckers wandern zu Ss 10. Fortdauer naturalwirtichaftlicher Gewohnheiten ac. 4] (ajjen, der in leter Linie damit vielleicht die Arbeit des nordamerifaniichen oder argentinischen Getveideproduzenten vergütet. Die zahlreichen Tage unfrenvilligen Müßtggangs in kleinen und mittleren Wirtichaften während der Winterszeit, wo die ‚Feldgejchäfte ruhen, fünnten endlich jehr wohl zum Ausdrufch des Getreides nugbringend verwendet werden, \vo jeßt bis im die entlegenjten Ortichaften hinein die Dreichmaschine die Arbeit des Aus- dDruschs auch für den fleiniten Landwirt zu verrichten pflegt. uch die Spimmjtube und damit Die eigene Verarbeitung des jelbjtgewonnenen lachjes und Hanfes it mehr und mehr verjchwunden und au deren Stelle verjorgt der Haufierer das Leinmwandbedirfnis der ländlichen Bevölkerung, die mittelbar Yoiederum auf diefe Werfe dem ruffischen oder italtentichen slahs- Produzenten Abjab verschafft. Große Geldjummen wandern auf dDiejen Wegen aus den Landorten hinaus, die bei vernünf- tiger W uacen eripart werden fünnten, d. D. an erit auf den weitläufigen Weg des ZJumarftebringens der WBrodufte und des Ein tauschS gegen Geld mühlam und in jteter Abhängigkeit vom Markt md der Marftpreisbildung bejchafft werden müßten. „ltvätertiiche” Ge- wohnheiten und Übungen der früheren Zeit, wie fie vorftehend nur beiipielsweile angedeutet wurden, verdienen daher in höherem Maße fonjerviert zu werden, als es der Fall ift, und der fonfer- vative - Sinn der bäuerlichen Bevölferung würde nach diefer Seite hin jedenfalls mehr Berechtigung für Fich in Anspruch nehmen dürfen als im Gebiet der landwirtichaftlichen Wroduftionstechnif, wo SL dem „Jug der Zeit“, dem VBorwärtsichreiten zum Bejern und Vollfommenen nicht jelten das fonjervative Feithalten an eingelebten Betriebsweijen den größten und zähejten Wideritand bereitet. Eine ausgejprochene Geld- und Kreditwirtichaft erfordert einen gewiljen faufmänniich und pefulativ geichulten Sinn, aber gerade diejer ijt bei der ländlichen Bevölkerung, namentlich in den unteren und mittleren Belisichichten, noch feineswegs überall entjprechend vorhanden und eben deshalb ein unvermittelter oder ralcher Übergang in die Geld» und Streditwirtichaften nicht ohne Ge- fahren. Dies jollte die bäuerliche Bevölkerung beherzigen und daher nicht ohne zwingenden Grund Arbeitsleiftungen oder Bedarfs: gegenjtände einfaufen, die fie jelber herzuitellen in der Lage ijt; denn fie vermehrt damit ihren jährlichen Geldbedarf, ohne doch immer in der Lage zu jein, der thatjächlichen Geldfnappheit durch den Abjat ihrer Brodute zu lohnenden PBreilen abzubhelten. Bei alledem it ein guter Bruchteil der ländlichen Bevölfe- rung auch heute noch im Zuitand einer gewiljen familienwirt- Ichaftlichen Cigenproduftio ı verblieben, und je kleiner die Wirtichaften find, um jo größer ift der Bruchteil der Erzeugnifie des Feldes md Hofes an Kartoffeln, Gemiüje, Korn, Fleisch, Milch, Eiern, Fett, Ge- tränten —, der nicht auf den Markt gebracht, jondern in dem eigenen Haushalt verbraucht wird. Wejentlich aus diefem Verhältnis heraus ift es zu 42 Erit Kor) 3 Kapitel. Grundeigentumsperfafjung und Yandwirtichaftsbetrieb zc. erklären, wenn im Heiten jtarfer Marktflauheit und eines Nücganges der Breije landwirtjchaftlicher Erzeugnilje (3. B. der Körnerfrüchte) die Wirt: jchartslage der bäuerlichen Wirte minder jtarf oder doch minder gefährlich durch jolche Marftvorgänge beeinflußt wird als diejenige der Inhaber großer und größter Betriebe, bei denen die geordnete Weiterführung des Betriebs durch die Möglichkert des Abjages der ganzen oder des weitaus größten Teils der Produktion gegen angemejjene PBreife bedingt it. Wan muß diefe Thatlache jich gegenwärtig halten, um zu veritehen, daß eine durch PBreisdprucdk erzeugte augenbliklihe Notlage unter Umjtänden in jchärferem Maße unter den Suhabern größerer Betriebe zu Tage treten fann als bei fleinen, und daß das Snterejie der fleinen und Fleiniten Betriebe an der Wreis- hbebung beitimmter Erzeugnijje nicht Dasjelbe zu jein braucht wie bei den Inhabern großer Betriebe. $ I. Kandbaubevölferung und Sandwirtfchaft in der Gegenwart. Die Aufgaben des Staats. Die vorausgegangene Daritellung zeigt, daß in der Entiwidlungs- geichichte unjerer Yandbaubevölferung vorwärtsjchtebende und zurüds dDrängende Kräfte Tich wiederholt im Laufe der Jahrhunderte geltend gemacht haben. Wenn aber, ungeachtet aller Wirrjale und Bedrängniffe, mit denen die Yandbaubevölferung jeit den Tagen des Mittelalters zu ringen hatte, diejelbe gleichwohl vor dem Schiefjal bewahrt blieb, in all gemeines Siechtum und Mafjenelend zu verfallen, wie in einzelnen romanischen Staaten — Spanien, Stalten —, oder von eimem über: mächtigen Großgrundbeiig gänzlich aufgelogen zu werden, wie in England und Schottland, jo darf diejes gütige Gefchief der innerlich gejunden, zähen, widerftandsfähigen Natur unjeres deutschen Banernitandes, nicht zum geringjten Teil aber auch der fürjorgenden Bolitif einfichts- voller Negenten zugejchrieben werden. Und Ddieje WBolitif Des Dauernichußes gewinnt in unjeren Tagen abermals erhöhte Bedeutung, da ein Julammentreffen eimer Anzahl widriger Umstände die Yage des landwirtichaftlichen Gewerbes, und zwar für alle Befiggruppen, große und fleine, zu einer bejonders jchwierigen gemacht hat. Bergegenwärtigen wir uns nochmals, daß durch eine Gejeggebung großen Stils, wie ie die Ablöjungsgejeggebung war, die große Waffe der ländlichen Bevölkerung ztemlich unvermittelt aus dem Zuftand einer gewilfen oirtichaftlichen und joctalen Abhängigkeit in diejenige volliter Unabhängigkeit und nahezu jchranfenlojer woirtichaftlicher Freiheit verlegt worden tit; es fann faum befvemden, daß von diejer Freiheit, zumal tm Hebiet Des Kredits, nicht überall jorort ein vernünftiger, maßvoller Ge- brauch gemacht wurde. sn Diejer jelben Zeit einer auf dem Grundjaß jreielter wirtichaftlicher Bewegung aufgebauten Ordnung brach die ohnehin vielfach Dirrchlöcherte, wejentlich auf dem nachbarlichen Berfehr beruhende $ 11. Landbaubevölferung und Landwirtjchaft in der Gegenwart ac. 43 Katuralwirtichaft ziemlich zufammen, und an deren Stelle trat eine ver- wicelte Geld und Krediiwirtichaft, die jeden, auch den kleinjten Produzenten in eine weitgehende Abhängigfeit vom Markt und der Marftpreisbildung brachte. Das Anziehen der Bodenwerte drängte überall zu eier inten= jiveren Wirtichaftswetie Hin, die indellen nicht allen Wirten, mangels der erforderlichen Kapitalfvaft over auch mangels der wünjchenswerten Emficht und Fachbildung, gelang. Die Abhängigkeit vom Markt erheiichte eine jorgfältigere Bedachtnahme auf die Anpalfung der Qualität dev Bodenz= erzeugnilfe an die Anforderungen des Mearfts, welche Anpaflung aus ähnlichen Gründen nicht überall rechtzeitig erfolgte. Die Entiiclung der Snduitrie und das rasche Amwachien der nichtländlichen Bevölferung ichuf zwar erweiterte Abjagmdalichfeiten, aber dieje jelbe Entwiclung brachte auch ein überall wahrnehmbares Anziehen der Arbeitslöhne; bier- durch und Durch Die wachjenden jteuerlichen umd jonitigen Yalten, auch durch Die unmerfbar, aber auch unaufhaltfam geitiegenen Bedürfnijje der allgemeinen Yebenshaltung vermehrten Tich die Produftionstojten des land- wirtichaftlichen Betriebs; Zinslaften für den im Anfpruch genommenen Boden= umd Betriebsfredit, zu dejjen ordnungsmähiger Befriedigung nicht durchweg gemügende Organtjationen zur Berfügung standen, traten als ein betriebsvertenerndes umd den zFortichritt zu intenjiveren Wirtichafts- weten hemmendes Element hinzu. Bon folgenjchweriter Einwirkung aber und die jtürmtjche Bewegung, in der jich das landwirtichaftliche Gewerbe unter jolchen Umftänden ohnehin befand, noch weiter jteigernd war die in der Wirtichaftsgefchichte der Völker ohnegleichen Daitehende Ent- wiclung des neuzeitlichen Berfehrsweiens. Weit abgelegene und deshalb bis dahin völlig unbeachtet gebliebene Produftionsgebiete wurden durch Eijenbahnen, jowie durch die Verbejferungen des Schiffahrtsiweiens den heimischen Märkten plöglich nahe gerückt und eine völlige Marktverichtebung war die Folge; die Abhängigkeit vom nächjten Markt wandelte jich in eine Abhängigkeit von entfernt gelegenen Märkten, ja vom Weltmarkt um; wicht mehr entichied Angebot und Nachfrage der näheren Umgebung der Broduftionsitätte über den Preis der Ware, jondern Angebot und Kachfrage der weiteren Wirtichaftsgemeinichaft, ja der ganzen Erde; nicht mehr der Ernteausfall der einzelnen Gegend oder des einzelnen Landes, jondern in vielen und den wichtigiten Erzeugniffen — Getreide, Handels- gewächje — war nun der Ernteausfall der verichiedenen Weltteile maß gebend für die Preisgeitaltung. Diejer auf den Haupthandelsplägen — London, Chicago, New-Yorf, Odejja ze. — notierte Weltpreis, der nach den billigiten Bezugsmöglichfeiten jich vequlierte, erjtreckte jenen Einfluß bis im die abgelegenjte Dorfgemeinde; die Abhängigfeit des Preijes von den heimtichen oder örtlichen Erzeugungsfoiten war damit verichwunden und, wo eime Anpafjung der Erzeugungsfojten an die veränderte Preis- lage nicht oder nicht rechtzeitig erfolgte, die Unterlage für eine Fortführung des Betriebs ins Wanfen gekommen. 44 Erites ftapitel. Grundeigentumsperfafjung und Landwirtfchaftsbetrieb ac. Dieje Entwidelung vom ehemals örtlich gebundenen Ber- fehr zum Weltverfehr, von der Abjabwirtichait auf engem Raum zur Weltwirtichaft, eine Entwidelung, die mit der Ein: führung der Dampffraft und der durch jie ermöglichten Mafjenbewegung der Güter auf weitejte Entfernungen in fürzejter Zeit zu billigitem Preis wie Urjadhe und Wirfung zujammenfällt, faun unmöglich aufgehalten oder gar zurüde geichraubt werden. Hier giebt es nur Eimes: den Landivirtichaftsbe- trieb und jeine wirtichaftlichen Grundlagen den veränderten B Verhältniffen anzupalien. Diejen Anpafjungsprozeß herbeizuführen, it im eviter Neihe Aufgabe der a lelber; aber ihn zu erleichtern und zu Fördern, die zur Stüße des landiirtichaftlichen Gewerbes dienenden Drgantjationen zu verbejfern und, wo jte fehlen, neu zu jchaffen, tit zu= gleich Aufgabe des Staats. Eine Aufgabe des Staats zur Linderung und Heilung der Schwierigfeiten, mit denen die Landbaubevölferung in der Gegenwart zu fümpfen bat, liegt jchon deshalb vor, weil der Staat nach der neuzeitlichen Aufrafjung des Staatsbegriffs Die höchite Sr u Daritellt, in der jedes einzelne Glied des vielgeitaltigen % Organismus ‚sörderung feiner wirtichaftlichen wie fittlichen Zecke RO) den Staat und jeine Machtmittel erwarten und beamipruchen darf. Die Aufgabe des Staats, jördernd, heilend, helfend einzugreifen, tft aber auch deshalb gegeben, weil, wenn die Yandbaubevölferung, wie bei uns, einen jo jtarfen Bruchteil der Boltsgemeinichaft Daritelt, das Wohlergehen Der erjteren eine wejentlihe VBorausjegung der Erhaltung der wirtichaftlichen Kraft und der politiichen Machtitellung Des Staates bedeutet; weil insbefondere die Wehrfähigfeit des Staates weientlich Durch das Vorhandenjein oder Nichtvorhandenjein einer fräftigen Yandbaubevölferung bedingt tit, weil ferner die breite Wiafje der Land baubevölferung einen jehr leiftungsfähigen Konjumenten für die Erzeug- nille der heimischen Gewerbethätigfeit daritellt und weil die Erhaltung diefer Ktonjumtionskraft, d. i. die Sicherung eimes großen inländischen Marktes, eine wejentliche Vorausjeßung für das nachhaltige Gedeihen der Handels- und Gewerbsthätigfeit bildet („Hat der Bauer Geld, hat's Die ganze Welt”). Die heimijche Induftrie würde in der That auf jehr ichwanfendem Untergrund ruhen, wenn fie vorwiegend auf den Abjaß nach außen jich angewiejen Jähe, und nicht mit Unrecht hat man Groß: britannien, das in diefer Lage jich befindet, mit einem Kolo% verglichen, der auf thönernen süßen ruht. Bor allem aber tit nochmals an die volfswirtichaftliche und politiiche Bedeutung einer innerlich geiunden und leijtungs: fräfttigen Yandbaubevölferung unter dem Gejichtspunft der Erhaltung einer gefunden Grundeigentumsperteilung im Sinne von S 1 und S 6 zu erinnern; Ddiefe Erhaltung, jo wejentlich für Die $ 11. Landbaubevölferung und Landwirtjchaft in der Gegenwart ac. 45 fulturelle Fortentwiclung des ganzen Boltslebens, wäre mit der Unter: grabung der Eriftenzbedingungen der heimischen Yandivirtichaftsthätigfeit ernitlich bedroht, namentlich dem Auffauf jchwächerer Wirtjchaften durch fapitalfräftige Hände, d. h. eimer ungejunden Belithäufung des Bodens, wahricheinlich auch eimer unerwünjchten Vermehrung des Befiges der toten Hand, alles unter Schwächung der Zahl der Landbaubevölferung, der Weg geebnet. Wit dem Dahinfiechen der Landbaubevölferung nad) Zahl und Beichaffenheit ihrer Glieder wäre aber die bürgerliche Ge= jellichaft jelber in empfindliche Mitleidenichatt gezogen. Denn die jtändige Durchjegung und Untermichung der jtädtiichen Bevölkerung durch) einen veichlichen Bevölferungsitrom vom flachen Land her darf nicht unterbunden werden, wenn die jtädtiiche Bevölferung körperlich und getitiq auf normaler Stufe erhalten bleiben joll; wie denn eine aufmerfiame Beob=- achtung geichichtlicher Hergänge darzuthun jcheint, daß bei einer Neihe von Bölfern der eingetretene Niedergang der jtädtischen Bevölkerung und damit der fulturelle Niedergang überhaupt mit der Schwächung oder Vernichtung des Bauernitandes im eriichtlichem Zufammenhang iteht. Unter diejem Gejichtspunft erhält daher die Frage nach der Erhaltungswürdigfeit einer wohlgedeihenden Landbaubevölferung eine neue Beleuchtung; denn wenn die Yandbaubevölferung danac) gewilfermaßen als der „Jungs brunnen“ für die VBolfsgemeimfchaft Sich daritellt, wenn man fie nicht mit Unrecht den „unerjeglichen Borratsbehälter für den Wenjchenbe- dars aller übrigen Stände” genannt hat, die fich rascher verbrauchen als die auf dem flachen Lande lebenden Geichlechter, jo ericheint eiıre Schwähung der Landbaubevölferung als dem allgemeinen Gejelljchaftsinterejje unmittelbar zuwiderlaufend und umgefehrt die Stärfung der Landbaubevölferung Durch Diejes allgemeine Gerell- ichaftsinterefje dringend geboten. Wit diefem Ergebnis aber findet dann auch eine die „intereffen der Landbaubevölferung wahrende Bolitit der Itaatlichen Fürlorge d. 5. eine kraftvolle Yandwirtichaits- (Marar->) Politik ihre innerliche Begründung. Die auf eine fräftige Handhabung der Landwirtichafts- (Ilgrar=) Bolitif jich richtenden Beitrebungen werden heutzutage dann und wann Durch den Hinweis auf die meuzeitliche, in weitgehenden Forderungen Tich ergebende Agrarbewegung in Mißfredit zu bringen verjucht. Mean bemängelt insbejondere, daß die Ziele diefer Bewegung darauf hinaus- laufen, die Machtmittel des Staats in eimjeitiger, die Snterejfen der anderen Gejellichaftsitände mißachtender Weile in den Dienit landwirt- Ichaftlicher (agrariicher) Snterefien zu itellen; und man jpricht in diejem Sinn von „agrariichen Begehrlichfeiten“ und bei beionders „miaß- lojen“ Forderungen und Wünfchen wohl auch von „Agrardemagogie”. Richtig ijt, daß, wie in allen Sntereffenfämpfen, jo auch in der Er- fämpfung bejjerer landwirtichaftlicher Dajeinsbedingungen vonjeiten Der Angehörigen der Yandbaubevölferung und beitimmter politischer Bartei- 46 Erites Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und Landiwirtjichaftsbetrieb 2c. richtungen und gerade in der Gegenwart viele bedanerliche Über: treibungen unterlaufen und daß mitunter Forderungen an die Staats- gewalt geitellt werden, denen in einer auf der ‚Freiheit des Erwerbs und auf der Freiheit des Bodeneigentums aufgebauten Gejellfchaftsordnung überhaupt nicht entiprochen werden fann. Unrichtig wäre es dagegen, aus jolchen Übertreibungen und Mißgriffen in der Aufitellung von PBro- grammen den Schluß zu ziehen, daß eine landwirtichaftliche Frage über: haupt nicht vorhanden jei, und daß der Staat gut daran thue, den Um: bildungsprozeß, in dem das landwirtichaftliche Gewerbe ich befindet, jeinem natürlichen Verlauf zu überlajien. Gegenüber diejem frei- händleriichen Standpunkt des Gehen=- und Geichehenlasiens tit vielmehr die Notwendigfeit einer aftiven Fürjorgepolitif immer und immer wieder zu betonen, freilich zugleich jorg: fältig zu prüfen, innerhalb welcher Grenzen dieje PBolitif der sürjorge jich zu halten habe. Von den Gegnern einer den landwirtichaftlichen Suterefjen wohl: wollenden Staatspolitif pflegt auch der Thatjache Gewicht beigelegt zu werden, daß die landwirtichaftliche Bevölferung im Deutjchland feines- wegs mehr an Zahl gegenüber den anderen Berufsitänden überwiege, im Gegenteil mit jeder Zählungsperiode eine Abnahme aufwetie, wogegen die in Imduitrie und Handel thätigen Bevölferungselemente in vajchem Wachstum begriffen jeien. Die Thatjache jelbjt it richtig, indem ich die (andwirtichaftliche Bevölferung jeit 1882—1895 von 19,2 auf 18,5 Millionen gemindert hat; auf 100 Erwerbsthätige im Hauptberuf entftelen 1882 noch 43,38%, in der Landivirtichaft Thätige, 1895 aber nur noc) 36,19 %/,. Aber auch mit diefem numerischen Nücgang fteht die Yand- bevölferung immer noch unter den Produftivjtänden in eriter Neihe, und die wirtichaftliche, foctale und politiiche Bedeutung der mit dem Grund beiig in Deutjchland verknüpften Interejfen it im der Gegenwart cher eine erhöhte als eine verminderte. Auch ift zu beachten, daß der Abfluf von Glementen der Landbaubevölferung zu imodujtriellen Enwerbsarten fich nach der 1895er Berufsitatiftif nicht aus dem Streis der im Der Landwirtichaft jelbitändig Thätigen, jondern aus dem treis der dienenden Bevölferung vollzogen hat; es entfielen von 100 in der Landwirtichaft Thätigen: 1882 1895 von den Gelbjtändigen . . . . 27,78% 3.0.0, von dem höheren Berfonal . . „ 0,81, als von dem niederen Berfonal. . . 1A, DT Yu im Bereich der leßteren tt alfo eine Abnahme zu verzeichnen. Aus der neuesten Berufsjtatiitif fann daher die Folgerung, als ob die Land: baubevölferung eimen jeiner Bedeutung nach abnehmenden Beltandteil der Gelamtbevölferung daritelle, nur als jehr bedingt zutreffend bezeichnet . umd jedenfalls ein Beweisgrund gegen eine thatkräftige Agrarpolitif nicht abgeleitet werden. s 12. Selbithilfe und Staatshilfe Grundjäge der Agrarpolitik ac. 47 $ 12. Selbithilfe und Staatshilfe; allgemeinfte Grundfäte der KSandwirtichaftspolitif; aroße und Fleine Mittel, Bei dem im der Gegenwart bejonders heftig entbrannten Streit über die Ziele, die eine wohhvollende Negierung in ihrer Yandivirtichafts- politit jich zu jeßen habe, jollte man mie vergejlen, daß der Betrieb Der Landwirtichaft eine Gewerbsthätigfeit daritellt, deren Erfolg nicht bloß von den äußeren Borbedingungen des Bodens und Klimas und deimenigen Borbedingungen, die Durch Die allgemeine Ordnung des Staatslebens gegeben find, jondern auch und zwar nicht zum geringiten Teil von dev moralischen und intelleftuellen Beichaffenheit des Wirts, m. a. W. von Deijen geichäfte liher Tüchtigfeit abhängig bleibt. Wan jollte namentlich te ver: gejjen, daß die Erwerbsarbeit am Grund und Boden auf einem Zufammenz wirfen von Natur, Arbeit und Kapital beruht, daß der Zweck diefer Er- werbsarbeit die Herjtellung marktfähiger Erzeugnifle it, und daß darüber, ob die Produktion als eine lohnende fich erweilt, nicht ausschließlich der jeweilige Marftpreis, jondern auch die von der Flächenemmheit erzielte Produftenmenge und deren Beichaffenheit und der thatjächliche Betriebsaufwand entjcheidet. Für die Höhe des von den Feldern und aus dem Stalle erzielten Nohertrags, ebenjo für die Höhe des DBe- triebsaufivands und vor allem für die Qualität der für den Marft ber: geitellten Erzeugnifje, d. 5. deren inneren Wert, bleibt aber wejentlich maßgebend Die Art der Betriebsführung, d. h. das Maß der Bes fähigung des Wirts, die im Grund und Boden wirfenden Sträfte Der Natur mit dem möglichit geringen Aufvand von Wütteln zur höchitmüg- lichiten Steigerung zu bringen. Ohne technisches Wilen und Können, ohne wirtichaftliches Zuratehalten der Produftionsmittel, ohne verjtändiges - Verfnüpfen der verjchiedenen Arten von Betriebsarbeiten, ohne jederzeitige Anpaflung der Broduftionsrichtung an die Bedürmnilje des Marktes nac) Gattung und Beschaffenheit der Hauptabjaßerzeugniffe würde, auch bei im übrigen lohnenden Breifen, die landwirtichaftliche Produktion des Erfolgs gleichwohl entbehren. sr einer Zeit, in der der Meinung Vorschub geleiftet werden möchte, day alle und jede Hilfe vom Staat und jeiner gejeßgeberiichen Ihätigfeit zu fommen habe, ijt es deshalb nicht überflüflig, zu betonen, daß jede, auch Die wirfjamite und umfasjendfte jtaatliche Aktion ver- jagen müßte, wenn jte nicht zugleich von verjtändiger, auf technijches und wirtjchaftliches Wiljen und Können jich jtüßen- der Betriebsthätigfeit des Wirts getragen ijt. Statt aus- ichweifende Hoffnungen an das Eingreifen des Staates zu Gumnften der Produktion zu fmüpfen, jollten vielmehr die Angehörigen der Yandbaube- völferung zu Der nüchternen Erfenntmis jich verjtehen, daß auch Die dDurchgreifenditen jtaatlichen Aktionen doch nur Die private Wirtichaftsthätigfeit ergänzen, niemals aber die energiiche SKraftentfaltung des Einzelwirts eriegen fönnen. 48 Erites Kapitel. Grumdeigentumsverfafjung und Landwirtichaftsbetrieb ze. Das alles Liegt eigentlich Kar zu Tage und doch begegnet man heutzutage jo häufig der Anficht, als ob es nur einer Anzahl Gejebe und des guten Willens, Diefe zu erlaflen, bedürfe, um allen Schwierig: feiten mit einem Schlage Herr zu werden. Dieje fait myjtiiche Auf- faljung von der Wunderfraft gejeßlicher VBorjchriften im Ans jehung der Wirtichaftsthätigfeit fan gar nicht genug befämpft werden, weil jie auf Faliche Wege Hinz und von den richtigen Wegen ableitet. Betz jpielsweife würde jelbit Die denkbar vollfommenite Ordnung des Kredit wejens Doch nie verhüten fünnen, daß ein Wirt von dem im Wege des $tredits beichafftten Kapital eimen unrichtigen Gebrauch macht; oder joll vielleicht auch die Art des Gebrauchs der freditierten Kapitalien vorge- zeichnet umd deren Verwendung im einzelnen überwacht werden? Die bejte Organijation des Verficherungswejens ferner würde demjenigen Wirten nichts nmüßen, die es ablehnen, Sich jolcher Einrichtungen zu bedienen; oder joll etwa für alle irgend möglichen, überhaupt verficherungsfähigen Schäden ein Berficherungszwang verfügt werden? Auch die Schaffung der geieglichen und verwaltungsmäßigen Vorbedingungen für gemopjjen= ichaftliche Ihätigfeit müßte Schall und Nauch bleiben, wenn und jofern die Einficht von der Notwendigkeit genofjenichaftlichen Zufammenschluffes umd der gute Wille zur Bethätigung genofjenjchaftlichen Sinmes fehlen jollten. Ob endlich die Felder große oder F£leine Erträgnilje abwerfen, ob die Beichaffenheit dev Felderzeugnifie und die Produkte des Stalles gute oder schlechte Find, hängt — \oweit nicht Witterungseinflüfle mitz ipielen — ausschließlich von der Hand des Wirtes ab; oder joll etiva im Sinn des mittelalterlichen Dorfrechts Ort, Zeit und Art der Bornahme der Feld und Erntearbeit durch polizeiliche Ordnung auch heute noch vorgejchrieben und überwacht werden? Und ähnlich auf vielen anderen Hebieten. Das in der Gegenwart jo häufig verjpottete Wort, daß jeder jenes Glückes Schmied ei, birgt noch immer einen Kern von Wahrheit in Sich. Und die im Diefem alten Spruch enthaltene Mahnung zur Selbithilfe, d. h. zur Aufraffung aller moralischen und intelleftuellen , Tugenden gilt eben, wie für jeden Wirtichafter, fo auch für die Yandbaus bevolferung. Freilich nicht Selbithilfe allein, jondern eine Selbithilfe, Die im Nahmen eimer richtig geleiteten Wirtjchaftspolitif fich entfalten und von einer jolchen Bolitif Förderung, Unterjtügung, Beihilfe evivarten darf, Fein Gehen und Gefchehenlaiien im Stimme der freihändleriichen Ylufs taffıng einer längit übermwundenen Wirtichaftslehre, Jondern Stüßung des Wirtichaftslebens durch eine Nechts- und Wirtfchaftsordmung, die nicht bloß den Gejchiefteiten und Begabteiten, jondern die auch dem minder Heichieften und Begabten die Behauptung im Dajeinsfampf ermöglicht ; fein gleichgültiges AYulehen, Jondern hilfreiche Unterftügung der: produftiven Thätigfeit Durch vorbeugende, verhütende, unter Umftänden $ 12. Selbithilfe und Staatshilfe ze. 49 auch unterdrücdende Maßnahmen der Gejeggebungs: und Berwaltungs- thätigfeit. Alio Selbithilfe gepaart mit Staatshilfe! Aus diefen Säben folgt, daß, wenn immer diefe Staatshilfe Pla greift, fie von einem beherrjchenden Grundgedanfen getragen fein muß: das Gefühl der wirtichaftlichen Selbjtverantwortlichfeit muß in den wirtichaftenden Sudtviduen aufrecht erhalten, Die Rerantwortlichkeit fir die Folgen wirtichaftlichen Thuns oder Unterlafjens darf nicht von den Einzelnen auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Niemals darf die Richtung der Wirtichaftspolitif den Schein eriweden, als ob 3 Aufgabe des Staats jein fünne, jedem eme ausfönmliche Griitenz zu gewährleiiten, gleichviel, über welches Maß von Einficht und Arbeitskraft er verfügt. Dede Art von Politik, die von diefem Grund- ja abwiche, wäre jchon deshalb zu verwerfen, weil fie zu einer unerträg- lichen Neglementierung des wirtichaftlichen Lebens von oben führen und in ihren legten Zielen an Stelle der freien Berufsarbeit und einer auf Freiheit wirtichaftlicher Bewegung Tich gründenden Gejellichaftsordnung den jocialiftiichen Zwangsitaat jeßen wide. Das im umferer ländlichen Bevölkerung itarf entwicelte Unabhängigfeitsgerühl könnte Fich mit einem von Staats wegen reglementierten Berufsleben am allerwwenigiten be= freumbden. Auch davor ift zu warnen, als ob es gewilfermaßen ein einziges Allheilmittel, ein Univerjalmittel gäbe, das landwirtichaftliche Gewerbe und die Landbaubevölferung in durchweg befriedigende Berhältniie zu verjegen. Wie auf das Gedeihen des landwirtichaftlichen Berufslebens eine große Menge von Einzelfaftoren emmirft, jo jeßt jich eben auch die „landwirtichaftliche Frage“ aus einer Menge Einzel- fragen zujammen, die alle ohne Ausnahme ihrer Löjung bedürfen. Die landwirtichaftliche Frage it alfo nicht mur eine Frage der Grund- eigentumsperteilung oder nur eine jolche des Streditrechts oder des Erb- rechts oder eine jolche der Betriebstechnif, jondern jie it ein Gemisch zahlreicher Unterfragen; und wenn jchon zeitweile die eine oder andere diefer Fragen bejonders jtarf in den Vordergrund geritctt erjcheint, wie dermalen die Frage der Preisgeitaltung landwirtichaftlicher Erzeugniffe unter dem Einfluß des überjeeiichen Wettbewerbs, jo wäre es doch jehr verfehrt, deshalb andere Fragen zu überjehen und die ihrer Yöfung dien= lichen Mittel gewiljermaßen als „die fleinen Mittel” im Oegenjaß zu den „großen Mitteln“ gering zu achten. Nicht jelten find es gerade die „großen Mittel“, die im gewilfem Sinn verjagen, weil mit ihrer Anempfehlung dem Staat unlösbare Aufgaben geitellt fein würden, oder die schon deshalb, weil fie mit den Interejjen anderer Volfsfreije in offenen Wideripruch treten, im emer alle Bolfsinterejjen gleich- mäßig wahrenden Staatspolitif feinen Raum finden fünnen, wenn anders erbitterte, das Voltsleben in dem inneriten Grund aufregende Sinterejlen= fänpfe vermieden werden jollen. Das Grenzgebiet, auf dem jolche Snter- Buchenberger. | 4 50 Erites Kapitel. Grundeigentumsverfajjung und Landwirtichaftsbetrieb 2c. ejlenfämpfe von jeher am meijten ich abgejpielt haben, it dasjenige der Brot- und FFleiichveriorgung des inländischen Marktes, und der Staats- politif jind deshalb gerade auf Ddiejfem Gebiet gewilje unüberjchreitbare Schranfen gezogen oder es tit ihr Doch eine gerifje vorJichtige Burüd- haltung auferlegt. Ein gewiljenhaftes brägen in jolchen Fragen it durch Die Natur der Dinge gegeben und an eime die laut gewordenen YSüniche nicht voll berüchichtigende Staats-Bolitif jollte deshalb nicht jofort der Vorwurf einer „Preisgabe landwirtichaftlicher Sntereffen” ge= früpft werden. Die nachfolgenden Betrachtungen jollen darlegen, in welcher Werje Selbithilfe und Staatshilfe zulammen wirfen fünnen, um dem Ziele der Erhaltung einer gefunden Yandbevölferung näher zu fommen; und wenn dabei nicht alles, was die Landbaubevölferung jelber eritrebt, gebilligt werden fann, jo mögen die Leer aus landiwirtichaftlichen Kreifen daraus den Anlaß entnehmen, auch ihrerjeits ernithaft zu prüfen, ob je jich mit ihren Wiünfchen und Forderungen denn durchweg auf dem richtigen ege befinden. „Prüfet alles und das Beite behaltet!“ $ 15. Der Staat und die landwirtichaftlihe Interefienvertretung ; landwirtichaftlihe Dereine und Genoffenichaften; die Forporative Drganifation der Kandwirtichaft. Dem Staat wirde in Bezug auf die Behandlung landwirtichaft- licher Fragen eine jchwer lösbare Aufgabe gejtellt jein, wenn er nicht auf das verjtändnisvolle Mitwirfen jachverjtändiger Glieder des landwirt- Ichaftlichen Berufsitandes im orgamiftert SJichergeitellter Form rechnen fönnte; und die Landwirtichaft himwviederum müßte häufig für ihre Wünjche und Forderungen tauben Ohren begegnen, wenn je nicht Drgane hätte, die berechtigt und verpflichtet find, als Vertreter landiwirt- ichaftlicher Sntereifen jolche Wünjche und Forderungen in amtlicher Jorm den Regierungen zur Kenntnis zu bringen. Aber auch für die Entwid- lung des landwirtichaftlichen Berufslebens an ji) und abgejehen von den Beziehungen der Landwirtjchaft zur jtaatlichen Gejeggebung umd Berwaltungsthätigfeit ift der organische Zujammenjchluß der Ölieder des landwirtichaftlichen Berufsitandes zu förperjchaftlichen Bildungen (Vereinen, Genojienichaften, Snnbieirichanekaniren) von großer Bedeutung gewejen, und es tit daher nötig, am Schlufje diejer Einleitung diejer förperjchaft- lichen raunaet, furz zu gedenfen und fie in ihrem Wirfen zu würdigen. Zu einem mächtigen Hebel für die Fortjchritte in der Technif und Ofonomie des landwirtichaftlichen Betriebs, aber auch für die Fortbildung des Agrarrechts und für die nachdrücliche Vertretung der landwirtichäft- lichen ntereffen im Staatsleben find vor allem die landwirtichaft- lichen Bereine geawerden, Deren erite Entitehung in die Mitte des vorigen Jahrhunderts Fällt, die im Laufe diejes Sahrhunderts in allen deutichen Staaten eine reiche Ausbildung ihrer Organijation erfahren $ 13. Landwirtichaftliche Vereine und Genofjenichaften 2c. 51 haben umd regelmäßig aus Staatsmitteln Dotationen zur Förderung ihrer VBereinszwede zu erhalten pflegen. Der Aufgabenfreis der landwirt- ichaftlichen Vereine it gemeinhin ein dreifacher: 1. fie find Organe der Belehrung, Aufklärung und Aufmunterung in allen Gebieten der Land- wirtichaftstechnif; 2. fie find frenvillige Organe der jtaatlichen Landivirt- Ichaftspflege, indem fie bei den pfleglichen Veranftaltungen der oberen Landrirtichaftsbehörde mitwirten; 3. fie find jachverftändige Organe der Regierung in allen das landwirtichaftliche Berufsleben berührenden Fragen und im Diefer Cigenjchaft zugleich nterefjenvertretungsförper. — Keben diefen landwirtichaftlichen Vereinen haben fich überall landwirt- Ichaftliche Specialvereine zur Förderung bejonderer Zeige des landiwirt- Ichaftlichen Gewerbes gebildet (Prerdezucht>, Geflügel-, Bienenzuchtvereie, Vereine für Molkerenvejen, Objt-, Weinbaus, Gartenbauvereine, Vereine fir Hebung der Nioorfultur). Eine erfreuliche Erweiterung hat die landwirtichaftliche VBereins- organtlation durch die 1885 vollzogene Gründung dev Deutichen Land: wirtichaftsgejellichaft erfahren, die vor allem die Pflege des Aus- Itellungswejens zur Aufgabe fich jeßt, Daneben aber auch als vermittelndes Gentralorgan bei dem Bezug von landwirtichaftlichen Bedarfsartifehn funftiontert und dem technischen Fortichritt unter Fernhaltung wirtichafts- politiicher Fragen zu dienen bejtrebt it. Bon großer Bedeutung für das landwirtichaftliche Berufsleben neben den landwirtichaftlichen Vereinen haben fich endlich die landwirt- Ihaftlihen Genojjenschaften eviwiejen; ja es bedeutet geradezu einen Markitein in der Geichichte der Yandwirtichaft, ala der Gedanfe der „Bergejellihaitung im Erwerb” von den Städten aus mehr md mehr Wurzeln auch im den Dorfgemeinden jchlug und entiprechend der mannigfachen VBerzweigung des landwirtichaftlichen Gewerbes zu einer großen Mannigfaltigfeit von Einzelbildungen (Genoffenichaften) sich verdichtete. Als jolche meuzeitliche Schöpfungen find insbeiondere die der Befriedigung des Kreditbedürfniiies dienenden ländlichen Kreditvereine (Darlehenstajjen), ferner die Einfaufs- und Verfanfsgenojien- Ihaften (ländliche Konjumvereine) zu nennen, von denen noc) jpäter näher zu veden jein wird. Ar diefer Stelle fan die allgemeine DBemerfung genügen, daß durch dieje neuzeitlichen Genofjenichaften nicht eva nur das voirtjchaftliche Erwerbsleben, fondern auch das geiftige und fittliche Sein der im Bereich der Genojjenschaft thätigen Mitglieder in günftigem Sinne beeinflußt worden tft. Und zwar nicht bloß deshalb, weil für den Fortjchritt im geiftiger und fittlicher Himficht die Empor- hebung zu einer höheren Stufe wirtschaftlichen Wohlbefindens jtet3 vegel- mäßige VBorausjeßung jein wird, jondern auch, weil die Zugehörigkeit zur Genojjenschaft und das Arbeiten im ihr und für fie eine Schule der Selbjtzucht, der opferwilligen Hingabe und des Gemein- ftıns it und weil das genofjenichaftliche Zufammenwirfen auf die Genoiien 4* 52 Erites Kapitel. Grundeigentumsverfafjung und Landwirtichaftsbetrieb zc. wie ein verjtärfter Anjporn zur Entfaltung von Betriebjamfeit und geichäftlicher Intelligenz einwirft. Die Ausficht, durch ver= einte Kraft wirtichaftliche Ergebnifje zu erzielen, auf die der Einzelne in jeiner Sioltertgeit verzichten müßte, hebt zugleich mächtig das Selbit- bewußtjein und das Vertrauen auf die eigene Kraft. Länger als in anderen Erwerbsitänden der all, it die breite Mafje der grundbes figenden Bevölferung in einem Zuitand wirtichaftlicher und joctaler Ylb- hängigfeit feitgehalten worden, deren nachteilige Wirfungen auch nad) ertolgtem Abjchluß des bäuerlichen Befreiungswerfs und der Ablöjungs- gejeggebung noch geraume Zeit fich geltend machten; und mehr als die anderen Erwerbsitände jteht die bäuerliche Bevölferung im Bann der Tradition und damit des Worurteils und des Miühtrauens gegen ‚sremdes und Neues, auch wenn e3 beijer it als das Alte. Sn beiden Nichtungen verheigt das Genofjenichaftsiwweien bedentungsvoll zu werden, indem 08 zu größerer wirtichaftlicher Selbjtändigfeit erzieht und wirffam die Lehre predigt, daß die Erwerbsitände nicht alle Hilfe von außen ber, durch den Staat, jeine Gejeßgebung und jeine Verwaltungsthätigfeit erwarten jollen, jondern daß jeder Einzelne zunächit Jich jelber verantwortlich bleibt für die Folgen jeines Thuns und Yajjens, und indem eS weiter der imdolenten Selbjtgenügjamfeit mit dem Be- itehenden durch das gelungene Betjpiel wirtichaftlicher Erfolge Ttegreich entgegentritt.- So wird die in dem Agrarrecht und der Agrarpflege Tich verförpernde Staatshilfe gerade durch die im Genofjenschaftsiwejen Tich bethätigende Selbithilfe in wirffamiter, aber auch notwendiger Weije ergänzt, da schließlich jede noch jo Ichöpferiiche Agrarpolitif ohne die werfthätige Mitarbeit des Yandvolfs leerer Schall bleiben müßte. Wie jehr nun auch, gerade in Deutichland, das Genofjenichafts- weien in den legten Jahrzehnten eine erfreuliche Entwicelung aufwetit, jo zeigt doch die verhältnismäßige Yangjamfeit diejer Entwide- (ung, dat die ländliche Bevölkerung für das Welen des genojjenjchaft- lichen Zujammenarbeitens recht eigentlich zu erziehen ilt, und Daß, ehe der Genofjenichaftsgedanfe zu einem das ganze Berufsleben beherrichenden ‚saftor werden fann, vor allem gewilje, dem Genofjenjchaftsweien hemmend entgegentretende Charaftereigenichaften zumal der bäuerlichen Elemente: Vorurteil und nörgelnde Bellerwillerei, Mihtrauen gegen Die eigenen Standesgenofien und Bejorgnis vor Übervorteilung, Mangel an opfer- williger Hingabe für die gemeinfamen Standesintereffen — langlam über: wunden werden müjjen. Wit Weachtworten der Gejebgebung tt ein Er: folg auf diefem Gebiet am allerwenigjten auszurichten, und der in einem Nachbaritaat (Dfterreich) beitandene Plan, auf gejeßgeberiichem Wege Jwangsgenojjenjchaften des Grumdbefiges zu schaffen, muß io lange als ein verfrühter ericheinen, jo lange nicht die ländliche Ber völferung in ihrer Mehrheit von dem Genofjenichaftsgedanfen lebendig, $ 13. Die forporative Organijation der Landwirtichaft 2c. 53 erfüllt und deshalb gewillt und befähigt Üt, innerhalb des Nahmens der en die ihr angefonnenen Aufgaben auch wirklich zu er= füllen. Die forporative B a des Grumdbefiges auf dem Wege der Gejeßgebung behufs Löjung der verjchiedenen für das Er- werbsleben der Landwirte wichtigen Aufgaben im Bereich der Technik des Betriebs, des Kredit und Berficherungsiweiens, des Einkauf und Abjab- wejens muß zwar als Endziel der jebigen genojjenjchaftlichen Be- wegung gelten, da die dermalige Vielheit und Buntichedigfeit der Einzel genofjenjchaftsbildungen und des land. VBereinsweiens, die die einzelnen Landwirte nötigt, zwei, drei und mehr Genofjenjchaften oder Vereinen anzugehören, unmöglich dauernd befriedigen fan. Und erit immerhalb einer forporativen Verfajjung des gejamten Grundbejiges des Einzelftaats mit Bezirts- und lofaler Gliederung od der fruchtbringende und jchöpferiiche Gedanfe der Afjociation zur vollen Entfaltung fommen, wird der Grundbefig die Fähigkeit und die Kraft zur jelbitändigen bejjeren Verwaltung feiner wirtichaftlichen Angelegenheiten und der nachdrücdlichen Vertretung feiner Intereffen finden fünnen. Ein erfolgveriprechender Ir jag zu jolcher forporativen Berfafjung it mit Schaffung von Yands wirtjchaftstammern in Preußen gemacht worden, die auf Grund des Gejeßes vom 30. Juni 1894 in den meiiten preußijchen Provinzen an die Stelle der ehemaligen landwirtichaftlichen Provinzialvereme getreten find und von den älteren landwirtichaftlichen Vereinen außer durch ihre ftraffere Organifation Tich inSbejondere auch dadurch unterjcheiden, daß fie innerhalb gewilfer Grenzen das Necht zur Umlageerhebung zugermiejen erhalten haben. Das Wirken der Landwirtichaftsfammern wird um jo erfolgreicher fich geitalten, in je engerer Fühlung diejelben mit den durch ihre Gründung organijattionsmäßig nicht berührten lofalen landwirtichaft- lichen Vereinen und Genofjenschaften jich halten und deren Aufgaben und Ziele in verjtändnisvoller Weije zu fürdern jich bemühen. Übrigens ift nicht zu elle daß eine jehr naturgemäße Ber- treterin der gemeinjamen Standes und Berufsinterejjen der grumdbejigenden Bevölferung die Dorfgemeinde jelber iit, wie denn in der That viele Jahrhunderte hindurch gerade die Dorfgemeinde es war, die mit ihrer Die Virtjchaftsfüh rung der einzelnen Dorfgenofjen itreng regelnden BVBerfaffung „einen kleinen, eigenartigen Staat mit jelbit- geübte echt“ gebildet und für die Entwidelung des Bevupßtjeins bürgerlicher Sitte und Gejeglichfeit wie woirtjchaftlicher Drdmung und Einficht fich Fürderlich erwieien hat. Die neuere Zeit hat zwar die che- malige Autonomie der Dorfgemeimden in ihrer Eigenjchaft als „Ge nojjenichaften zum Landesanbau und zur Landesnußung“ in der Ordnung des örtlichen Wirtichaftsrechts bejeitigt oder ihr doch ver- hältnismäßig enge Grenzen gejeßt, aber noch immer it die Gemeinde als jolche in eriter Neihe eine Gemeinschaft zur Förderung Der wirtschaftlichen Zwecde ihrer Angehörigen. Und zwar fommt Dieje 54 Erjtes Kapitel. Grundeigentumsverfafiung und Landwirtjchaftsbetrieb 2c. wirtschaftliche Thätigfeit der Gemeinde nicht etwa nur in der Anlage und Unterhaltung von Wegen und Wafjerläufen, in der Ordnung und Hand» habung der Feldpolizet und der Beitellung der Felddut, in der Pers waltung des Gemeinde und Allmendvermögens, jondern auch in weiter- greifenden DVeranftaltungen: Aufjtellung von männlichem Zuchtmaterial für die VBiehzuchtziwede der Gemeindeangehörigen, Bermittelung von Ab- jaßgelegenheiten (Vieh, Frucht und Objtmärften), Darbietung von Ein- vichtungen zur Förderung des Handels und Wandels (Aufitellung von Gemeindewagen und Gemeindetrotten, Errichtung von Weinfellern zur gemeimjamen Lagerung von Moft und Wein, Errichtung von Viehleih- fajjen, Sparfaffen, Bolfsbibliothefen 2.) zum Ausdrud. Freilich it im Laufe der Zeit vielen Yandgemeinden die wünjchenswerte Einficht in Dieje Seite der Gemeindeverwaltungsthätigfeit entichwunden und — teilweile im Zufammenhang mit den aus anderen Urjachen geitiegenen Anjprüchen an Die jtenerlichen Leitungen der Gemeindegenofjjen (für Schulzwede, Gejundheitszwecfe 20.) — allmählich eine ängjtliche Zurückhaltung wirt Ichaftlichen Aufgaben gegenüber eingetreten, die fich für die Weiterent- wicelung diejer Gemeinwejen feinesiwegs nüglich erwielen hat. Vielfach it ein Wirfen der Dorfgemeinde im Interefjfe der ihr angehörenden land- wirtschaftlichen Grundbefiger mit der Zeit freilich auch deshalb erichwert worden, weil die Bevölkerung Tich mit anderen Elementen — Hand- werfern, Sndujtriellen, Kaufleuten, Arbeitern — mijchte und dieje eben= falls jtenerzahlenden Elemente der Verwendung von Gemeindemitteln im eimjeitigen „snterefje eines einzelnen Berufsitandes naturgemäß; yoideritreben. Smmerhin muß daran feitgehalten werden, daß in der Dorfgemeinde als jolcher der natürlichite Verband der Grundbefißer für Förderung ihrer Wirtichaftszwece gegeben tft, und es bleibt daher zu wünjchen, insbejondere jo lange es nicht zu einer forporativen VBerfallung der Grundbefiger fommt, daß, che man zur Bildung bejonderer Vereinigungen für wirtjchaftliche Zwecke fchreitet, jtets erwogen werde, ob nicht das Ziel einfacher, vajcher, mit geringerem Aufwand an get und Geld, in Anlehnung an die gegebenen Organe der Gemeindever- waltung, nötigenfalls unter Aufbringung des Aufwands im Wege der Ntoiten= vepartittion (Vorausbeiträge) unter die die betreffende Einrichtung Benugenden (itatt im Wege der geordneten Stenererhebung), erreicht werden fan. „it dem Wejen jeder ntereffenvertretung, nicht bloß der land- ywirtichaftlichen, hängt es wie Urjache und Wirkung zufammen, daß in den der Wahrung der jtandichaftlichen Interejfen dienenden Vereinen und Sstörperjchaften fich mitunter eine gewilfe Ausjchließlichfeit der Ziele und Forderungen geltend macht, namentlich bei Erörterung von ‚sragen, Die das Gebiet der allgemeinen Wirtjchaftspolitit (Steuer:, Zoll, Währungsfragen 2c.) berühren. Die unverblümte und rückhaltloje Geltend=- machung der eigenen Berufsintereffen it aber an ich etwas Naturges mäßes und Die Beichaffung der Möglichkeit hierzu jedenfalls politifch $ 13. Der Staat und die landwirtjchaftliche Interejienvertretung 2c. 55 flüger und beilfamer für den Staat, als die gefliffentliche Sgnorterung von Übeljtänden oder eine jyjtematiiche Schönfärberei. Auch it in fon= Ititutionellen Staaten mit einer geordneten parlamentariichen Bertretung im allgemeinen nicht zu bejorgen, daß unter dem Einfluß einer eimjeitigen eine Negierungsweile Blab greife, Die als eme dem Wohl des Staats- ganzen nicht entiprechende Bolttif von Sonderintereijen einzelner Berufsitände ich Ddarjtelt. Der aus freihändlerischen Streifen nicht jelten gegen die landwirtichaftlichen Snterelfenvertretungstörper gerichtete Borhalt, daß jie gewohnheitsmäßig fir Die Verfolgung eimfeitiger agra= riicher Sntereffen mit Hintanjegung anderer berechtigter sntereffen aus- genüßt würden, trifft in diefer Allgemeimbeit feinesfalls zu. VBtelmehr darf und muß amerfannt erden, daß Die veformatoriche Fort umd Ume bildung des Agrarrechts und der Agrarpflege in gutem Stimm zu einem erheblichen Teil den wertvollen Anregungen und Anträgen dev Vertreter des Grumdbeliges in diefen Körperschaften und der bingebungsvollen Arbeit diejer Körperichaften überhaupt zu verdanfen tt. Much haben die zunächit allerdings im eigenen Standesintereffe vertretenen Wünfjche auf dem Gebiet der allgemeinen Wirtichaftspolitif Doch auch zur Aurhellung und Klärung der hier einichlagenden vielumftrittenen Fragen wefentlich beigetragen und nicht in leßter Yinie veranlaßt, daß die unter den Berhältnifjen der Gegenwart für die mitteleunropätichen Völker unmögliche Bolitif des Freihandels mehr und mehr in eine jolche eines maßvollen gollichußes fich umgewandelt hat. — Sm übrigen üÜt es begreiflich, daß jede einjeitige Sntereffenvertretung Gegendrucd von anderer Seite hervor: ruft, und zwar um jo kräftiger, je maßlofer die Forderungen im gegebenen Fall fich darjtellen und je empfindlicher durch fie andere Snterefjentenfreife — nduftrie, Handiwerf, Handel — berührt werden. Gewifje meuzeits liche Snterejfenveremigungen, wie etwa der 1393 in Deutjchland gebildete „Bund der Landwirte” oder einzelne Bauerndvereine und Deren Programme jind wohl an jich beachtensiwert als jymptomatiiche Er- icheinungen dafür, daß im weiten Streifen des Yandvolfs beitinmmte Richtungen der allgemeinen Wirtjchaftspolitif als bejchiwerend angejchen werden, fünnen aber unter Umftänden der landivirtichaftlichen Sache mehr jchaden als nüßen, weil und jofern eine in Übertreibungen jich ergebende agrariiche Bropaganda leicht auch berechtigte Jorz derungen disfreditiert oder Doch der wirfjamen Verfolgung jolcher Abbruch tQut. Daher mit eimer maßvollen Vertretung der agrarijchen Sonderinterejjen, zumal in Staaten mit gemifcht induftriellzagrifolem Charafter, durch welche Art von Vertretung fich im grogen umd ganzen die jeitherigen landwirtichaftlichen Intereljenvertretungstörper ausgezeichnet haben, einer befriedigenden Fortentwicklung der agrariichen Berhältiiie jicher am meisten gedient tft, nicht aber mit lärmenden Akttionsprogrammen, die jelten anders als mit jchweren Enttäunfchungen enden. Hweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverkehr. Beeinflufjung des Güterverfehrs und der Grundeigentums- perteilung durch dte Gejeggebuna, insbejondere im Wege der inneren Kolonijation und des landwirtjchaftlichen Erbrechts. $ 14. Allgemeinjte Würdigung der für die Preisbildung des Grund und Bodens maßgebenden Faktoren. Die natürliche Unterlage der landwirtichaftlichen Unternehmerthätig- feıt bildet der Grund und Boden, der unter der Emmvirfung menjch- licher Arbeit, erforderlichenfalls nach vorgenommener NHerrichtung Des Bodens (Nodung, Ebnung, Entwällerung 20.) genötigt wid, bejtimmte pflanzliche Stoffe in regelmäßiger Aufeinanderfolge zu liefern. Der Erfolg der am und im Boden fich abjpielenden Thätigfeit it daher jehr wejent- (ih von der Bejchaftenheit des Bodens und zwar jowohl jener phylifaliichen wie bodenchemischen Bejchaffenheit bedingt. Ziwiichen den Ertremen der jehr fruchtbaren und dev ganz unfruchtbaren Böden liegt aber eine lange Neihe von Zwilchengliedern mit fajt unmerflichen Uber- gängen. Ie weniger günftig die Böden sich darftellen, jet es in ihrer physifalischen Bejchaffenheit, wober namentlich die Durchläfligfeit in Betracht fommt, jei e3 in der Jufammenjeßung der chemischen Bejtandteile, wobei namentlich das Vorfommen oder Fehlen von Kalk oder Phosphorjäure zu erwähnen ist, um jo einfeitiger, je günitiger dagegen in phyfifalischer und bodenchemiicher Hinficht die Böden find, um fo vieljeitiger fann jich die Benübungsmweiie geitalten; d. 5. es giebt Böden, die wejentlich nur auf Noggen, Hafer und Kartoffeln, nicht aber zugleich auf Gerite, Weizen, Zucerrüben genüßt werden fünnen; folche, auf denen die fleeartigen Semwächle, und jolche, auf denen diefe nicht gedeihen; Jolche, Die in be= jonderem Mae Für hochwertige Handelspflanzen wie Tabat und Hopfen und Ypieder andere, Die fiir die Obft: oder Nebfultur jich vorzugsweile eignen. Aus maheliegenden Gründen wind die landwirtichaftliche Berufs- thätigfeitt da vorteilhafter gebettet fein, wo die Beschaffenheit dev Böden $ 14. Allgemeinjte Wirdigung der für die Breisbildung maßgebenden Faktoren. 57 und die Gunit des Klimas eine Vielfeitigfeit der landwirtjchaft- lichen Kultur ermöglicht; demm im diefem Fall Ichliegt die Wirtichafts- weile eine Art Selbjtverficherung nicht bloß gegenüber dem möglichen Ernteausfall einzelner Gewächje, jondern auch gegenüber der ungünftigen Preislage für das eine oder das andere Erzeugnis in fich; außerdem ge: währen gute Böden überhaupt mehr Sicherheit für eine gewijie Gleich mäßigfeit der Ernten von Jahr zu Jahr als minder gute. Und unter jolchen Gefichtspunften der Möglichkeit des Anbaus wertvollerer Gemwächje, der Möglichkeit einer vielfeitigen Anbaus und Benügungsweije und der Möglichkeit des Bezugs geficherter Ernten vollzieht Tich die Wertihäbung des Bodens, und das Ergebnis diefer Wertichägung find Die Bodenwerte, Die daher, entiprechend der zahllojen Verjchieden- beiten der Bodenqualttät, jchr beträchtlich vartieren und im einer langen Stufenleiter niedriger, mittlerer und hoher Wertziffern mit zahllojen Zwiichengliedern zu Tage treten. Dieje VBariierung der Boden-= werte wird durch VBerhältnilfe und Beziehungen, die abjeits der Boden: qualität liegen: regelmäßige oder unvegelmäßige Form des einzelnen Grundjtücks, Lage desjelben zum Wirtfchaftshof, leichte oder jchwere Zur- gänglichteit, Nähe oder Entferntheit des Marftorts, Art der Verbindung zu (egterem, Höhe der Überführungstoiten der Brodufte zum Markt (Land, Eijen- bahn, Wallerfracht), bald in wertiteigernder, bald in wertmindernder Weife beeinflußt und hierdurch wiederum ein Grund für weitere zahlloje Preis- abjtufungen geichaffen. Eine große Unterschtedlichfeit der Boden= werte it freilich immer erit auf entiicelteren Stulturjtufen vorfindlich als Folge der funitvolleren Bodentechnif, der weitgehenden Wannigfaltig- feit der Bodenbenügung und der Kompliziertheit der Abjabverhältniffe, während auf niedrigen Kulturjtufen mit primitiven Anbawveilen beim Borwalten einfürmiger Bodenbenügung und einfach und feit abgegrenzter Abjabverhältniffe eine verhältnismäßig geringe VBerichtedenheit der Boden werte zu Tage tritt. — Einen Boden nach jeiner Ertragsfähigfeit und nach den für die Bodenbenügung und den Produftenabjaß mapgebenden Berhältnifjen und Beziehungen richtig zu beurteilen und zu bewerten (zu tarieren), it nach dem Öejagten eine Schwierige Aufgabe, für die die wiljenjchaftlichen Grundlagen und die auf Erfahrung beruhenden Negeln zu liefern Sache der Tarationslehre üt, Die deshalb einen be= jonders wichtigen Beltandteil des landwirtichaftlichen Unterrichtswejens daritellt, leider aber in ihrer Bedentung von den praktisch ausibenden Landwirten noch immer zu wenig gewürdigt wird. Der zahlenmäßige Ausdruck für die Bewertung (Taration) eimes Grundjtücks oder Landguts tit dejfen Taujch- (Verfehrs-:) Wert oder Preis. Eine Breisbildung fann jich aber erjt dann vollziehen, wenn und joweit Grumdjtüde und Landgüter Gegenstand von Berfehrsopera= tionen, alfo gefauft und verfauft werden, nicht allo Schon dann, wen, wie bei der eriten Befiedelung eines Landes und geraume Zeit nachher, 58 Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverfehr 2c. Grund und Boden in Hülle und Fülle für die eriten Anfiedler und die unmittelbar nachrücdenden Generationen zur Verfügung jteht. in Diejen Zeiten fann man wohl von einer Berichtedenheit des Gebrauchswerts des Bodens, hingejehen auf das verjchtedene Maß jener Erträglichteit, iprechen, der Taufch- Markt) Wert tft aber gewiljermaßen noch gebunden. Um ihn aus diefer Gebundenheit zu löfen, bedarf es einer Nachfrage nach Grund und Boden vonjeiten jolcher, die fich in den Belig von Yand jegen wollen, und des Angebots entiprechender Grundjtücde vonjeiten der jeitherigen Beliger. Nm werden zwar für die Größe der Preisbemejjung die oben erwähnten, dem Gebrauchswert des Grundjtücds oder Yandguts entnommenen Wertichägungen in erjter Weihe, aber doch feinesiwegs endgiltig maßgebend jein; denn ein jehr dringlicher Be= gehr nach Land fann VBeranlafjung werden, einen über den inneren Gebrauchs= oder Ertragswert hinausgehenden Preis anzubieten, und umgefehrt fann eine dringliche Veranlaffung zum Verfauf auf jeiten des bisherigen Befigers diefen veranlajjen, mit einem unter dem Er- tragswert bleibenden Preis jich zu begnügen. Die wechjelnden Berhältniiie von Angebot und Nachfrage bedingen aljo bald größere, bald geringere Abweichungen von dem normalen, durch Den Ge= brauchs=> (Ertragss) Wert bejtimmten Breispunft, d. h. es fünnen, jobald der Grund und Boden Gegenftand des Marktverfehrs geworden it, nach dem jeweiligen Verhältnis von Angebot und Nachfrage jowohl Unterzahlungen als Überzahlungen eintreten. Dieje unvermeid- liche Abhängigkeit der Bodenpreisbildung von dem Berhältnis des Bodenangebots einer=-, der Bodennachfrage andererjeits it wohl zu beachten, weil hierdurch für die Breisbildung eim Element wirfiam wird, das mit dem inneren Gebrauchs- oder Ertragss wert des Bodens lediglich nichts zu thun hat. Wird zumächit von diefen, durch das Verhältnis von Nachfrage und Angebot bedingten Abweichungen von dem inneren Wert abgejehen, jo itellt Fich der Geldiwert oder Preis eines Grundftüds oder YLandguts als der fapitalifierte Betrag der aus demjelben zu ziehenden veinen Sahresnugungen dar; die Klapitalifierungsziffer jelber aber richtet Tich nach der Größe des Leihzinfes der verleihbaren Geldfapitalien. Wäre der vente Kusungswert eines Yandauts DOOO ME. md der Zinsfuß von Leihfapitalten betrüge 5°/,, jo wide als Stapitalifierungsziffer ich Die Zahl 20 ergeben, umd der VBerfäufer erhielte als Kaufpreis 20 ><5000 ME. = 100 000 ME., welches SHrundfapital ihm die jeitherige Nente von 5000 Me. fichert ; wäre aber der Amsfuß mur 49/,, jo müßte der Verkäufer jtatt 100 000 DE. einen Kaufpreis von (25 > 5000 —) 125000 Me. beanfpruchen, um jich auch fernerhin in Genuß einer Nente von 5000 Me. zu jegen. Hieraus ergiebt fich aljo ein weiteres Abhängigfeitsmoment für die Bodenpreisbildung, das in der jeweiligen Höhe des Zinsfußes für Leihfapitalien begründet ift, umd das feine Wirfung in der Weije geltend macht, daß $ 15. Die Abweichungen des Verfehrswertes von dem Ertragsmwert. 59 mit dem Steigen des Zinsfußes der Geldfapitalwert des Grund und Bodens jich verringert, mit dem Sinfen des Jinsfußes da= gegen Jich erhöht. Auch Ddiejes für Die Bodenpreisbildung wichtige Moment ift wohl zu beachten; denn es hat Veränderungen im dem Geldfapitalwert des Bodens im Gefolge, denen der jeweilige Beliger völlig einflußlos gegemüberiteht, das aljo ohne des Leßteren Zuthun bald vermögensbereichernd, bald vermögensmindernd wirft ımd infolge hiervon auch die jeweilige Beleihungsfähigfeit des Bodens erweitert oder eimengt. Dieje Betrachtungen zeigen alfo, daß Tich zwar in einem gegebenen Zeitpunkt umd unter gegebenen Wirtjchaftsperhältniffen für jedes Grund- jtüc ein ganz bejtimmter, wejentlich durch Ertragsfähigfeit und Lage zum Marftort gegebener Gebrauchswert im Verhältnis zum Gebrauchswert anderer Grumdftücke feititellen läßt, daß aber der diefem Gebrauchswert entiprechende Geldfapitalwert (Verkehrswert, - Preis) feinesiwegs em umveränderlicher ijt, vielmehr dem Schwanfen des HZinsfußes auf dem allgemeinen Geldmarkt zu folgen gezwungen tt, und daß das neben auf die Höhe des jeweiligen Bodenpreijes oder Berfehrsiwerts alle jene zahlreichen und häufig jchiwer erkennbaren Einflüffe Tich voirfjam eriwerjen, die durch die, orts= und zeitweile in den Dentbar verschiedenten Stärfegraden auftretenden Berhältniffe von Angebot und Nach frage veranlagt werden. Deshalb it denn auch die Bodenpreisges italtung jo Häufig Anderungen unterworfen, ohne daß fich Anderungen in dem Gebrauchs- oder Ertragswert des Bodens Yelber ergeben ; und treten nicht jelten Bodenpreife zu Tage, die jo jehr im Wideripruch mit den Ertragswertverhältniffen jtehen, daß fie nur aus den Verhält- niljen von Nachfrage und Angebot auf dem Grumndmarft md anderweiten dabei thätigen bejonderen Sträften oder Einflüffen erflärt werden fünnen. Dies nachzuweiien, wird die Aufgabe des nächjten Baragraphen je. $ 15. Die Abweichungen des Derfehrswertes (Preifes) des Grund und Bodens von dem Ertragswert. Eine vergleichende Betrachtung der Güter: und Grunditücspreie innerhalb einer Gemarkung, jowie von Ort zu Ort und von Yand zu Land zeigt, daß in befremdlichiter Weile eine mehr oder minder große Verjchiedenheit der u zu Tage tritt, ohne daß Dieje Berjchiedenheit durch eine entiprechende Berjchiedenheit der Bodenqualität, der Yage zum Markt und der anderen, die Neinerträgniife beeinfluffenden Ihatbeitände ih ohne weiteres erflären ließe. Ferner zeigt R die geichichtliche De- trachtung, daß im Laufe der Zeit Steigerungen in dem Preis des Grumd und Bodens jich vollziehen, die unmöglich durch die in derjelben Zeit geitiegene Rentabilität der Güter allein veranlaßt jein fünnen; ja daß diefe Bodenpreisiteigerung jelbjt dann noch sich fortießt, wenn durc) 60 Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverkehr 2c. Sinfen der Produftenpreile, Steigen der Erzeugungsfojten die Nentabilität thatjächlich im Sinfen begriffen it. Die Fälle find nicht jelten, daß zu der- jelben Zeit in nebeneinanderliegenden Gemarfungen mit gleichen oder ähnlichen Bodenverhältnijien und gleichen oder ähnlichen Abjagverhält- nijjen die Preije für Acer oder Wiesland zwiichen 2000 und 3000 Me. pro Hektar jchwanfen. Auch fonnte man lejen, daß em Gut in Hol- item im Laufe diejes Jahrhunderts zu folgenden Breiien umgejeßt wurde: 1819 zu 84000 WE, 1852 dagegen zu 260000 Wf., 1862 zu 510000 ME, 1571 zu 855000 ME, d. h. es tjt im Ddiefem Beijpiel die Vreisbewegung nach oben, bezogen auf den Preis von 1819, in den ange- gebenen Jahren mit den Brozentzahlen 285,5, 607,1, 1017,35 zum Aus- druck gefommen. un it aber gewiß einleuchtend, daß weder die in den obener- wähnten Fällen zu Tage tvetende Breispdifferenz von 50%, bei verjchtedenen Grundjtücen derjelben Bodenqualität, die in der gleichen Zeit zum VBer- fauf famen, noch die an einem und demjelben Amvejen im Laufe Diejes Sahrhunderts in dem zweitangerührten Beilptel zu Tage getretene, bis zu 1000°/, aufiteigende Wertjteigerung aus der örtlichen oder zeitlichen Berichtedenheit der Ertragsverhältnifje erflärbar it. Man bat es alio hier mit unregelmäßigen, „anormalen“,d. h. ohne genügende Rücklicht auf den thatlächlichen Bodenreinertrag verwirklichten Breisbildungen zu thun. Und das Borhandenfein jolcher anormaler PBreisbildungen wird vielleicht Tinnfälliger noch als durch die oben gewählten Beilpiele durc) die Thatjache außer Zweifel gejegt, daß in Gegenden mit geringen Boden und ungünstigen Stlimaverhältniijen häufig gleich hohe, ja jelbit Höhere Bodenpreije jich eingebürgert haben als in günstiger fituterten Gegenden. Die Urjachen diejer anormalen Breisbildungen, d. h. des Abipringens des laufenden Berfehrswertes des Grund und Bodens von dem fapitalilierten Wert des mittleren Neinertrags (Gebrauchs- oder Er- tragswert) zu erörtern und aufzudecken tt wichtig; denn wenn, wie Die jpäteren Betrachtungen über die Berjchuldung zeigen werden, ein em pfindlicher, unter Umständen gefährlicher Berichuldungsitand gerade auc) mit diejen anormalen PBreisbildungen wie Wirkung und Urjache zujammens hängt, jo wird man in der Aufdecung diefer Ürjache zugleich ein wichtiges Mittel zur Beleitigung eines Teils dev VBerichuldungsurjachen jelber ges funden haben. Als Uriachen anormaler Breisbildungen und damit zugleich als Urjachen der zeitweije auftretenden empfindlfchen Bodenverjchuldung jind aber namentlich die folgenden zu erwähnen: l. Die Wertabjchägung eines einzelnen landwirtichaftlichen Grund- jtückes oder gar eines ganzen landwirtichaftlichen Anwelens nach feinen mittleren Neinerträgen, d. 1. die Ermittelung des Neinertragswertes voll zieht ich nicht fo leicht und einfach wie etwa die eines jtädtiichen Meiets- gebäudes; im Gegenteil erfordert die Ermittelung des durchichnittlichen , Wertes und des nach Abzug aller auf dem landwirtichaftlichen Betrieb laitenden Ausgaben jich ergebenden Neinertrages große Sachfenntnis und $ 15. Die Abweichungen des Verfehrsmwertes von dem Ertragswert. 61 Erfahrung, und zwar wegen der Schwierigfeit der zuverläfligen zeit jtellung der Bodenbonität und der daraus jich ergebenden mittleren Erntes ziffern jowie der von Ort zu Ort und von Gegend zu Gegend nicht jelten beträchtlich vartierenden Erzeugungstoiten. Srrungen find daher, zumal beim Mangel einer exakten landwirtjchaftlichen Buchführung, der jelbjt bei großen Gütern zu beobachten it, feineswegs ausgejchlojfen, nicht einmal bei eigentlichen Jarations-Sachveritändigen, geichweige denn bei der großen Anzahl von Angehörigen des landwirtichaftlichen Berufs aus den Kreifen des fleineren, mittleren und größeren Grumdbefiges, die ber Er: werb von Grund und Boden, ohne mit den Elementen der Taratioır- (ehre näher vertraut zu jein, auf ihr eigenes, häufig recht wenig jach- veritändiges Urteil sich zu verlajien pflegen. DOberflächliche Beur- teilung und mangelnde Sachfenntnis, willfürliche Übertragung von jog. Erfahrungszahlen auf beitimmte Bodenobjefte, während doch dieje leßteren vermöge ihrer bejonderen Beichaffenheit oder Yage eine Korrektur jener Erfahrungszahlen unbedingt erheiichen würden, verleiten daher manchmal zu Wertfeititellungen, die von der Wirflichfeit — jet es nach unten oder nach oben — mehr oder weniger beträchtlich abweichen. 2. Neben Irrungen der vorerwähnten Art tritt jehr häufig als ein die Nichtigkeit der Schägung beeinträchtigender Faktor die Neigung zur Berallgemeinerung einzelner ausgezeichneter Betriebsergebs nilie auf; d. h. der Käufer ijt verjucht, aus der Thatlache, day in einem oder mehreren befannten Einzelfällen eine ungewöhnlich Hohe Nente erzielt wurde, den Schluß zu ziehen, daß eine jolche Ausnahmsrente die Regel bildet, während fie vielleicht doch nur als Folge des Zulammentreffens bejonders glüclicher Umftände — 5. DB. vorzügliches technijches und öfonomisches Geichiel, große Betriebsfapitalfraft eines bejtimmten Guts= leiterg — jich daritellt. Auch wird nicht jelten überjehen, daß technilche Betriebsfortichritte, deren gejchiefte Aneignung Höhere Neinerträgniije tm Gefolge zu haben pflegt, nicht auf allen Bodenarten mit gleichem Errolg in Anwendung gebracht werden fünnen, oder daß die Vorbedingung jolcher Betriebsfortichritte oder die Einführung bejonders rentabler Kulturen auf manchen Böden eine vorherige foitipielige Melioration zur Borausjegung hat. Zwiichen der Möglichkeit von renteniteigernden Betriebs=- jortichritten, zu der durch die Yandwirtichaftsiehre der Weg erichlojjen worden it, und der thatlächlichen Berwirflichung jolcher renten= jteigernder Detriebsfortichritte erhebt jich deshalb manchmal eine uns überiteigbare Scheidewand, jei es, daß der Grund hierfür im der einer bejonders intenfiven Bodenkultur hinderlichen Bodenbejchaffenheit, jet es, daß er in der mangelnden Betriebsfapitalfraft des Beligers und der daraus jich ergebenden Unmöglichkeit der ausreichenden Meliorierung des Bodens wurzelt. Solche unzuläfiigen Verallgemeinerungen erzielter Bes triebsergebnijje als Folge möglicher Betriebstortichritte in Verbindung mit einer optimiitiichen Überfchäßung der eigenen Unternehmer: 62 Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverkehr 2c. thätigfeit bilden danach) eine zweite Duelle für Jrrungen in der Bodenbewertung und äußern fich in UÜberzahlungen, d. i. in der Be- willigung von Bodenpreilen, hinter denen Die thatjächlich zu erzielende Bodenrente mehr oder weniger beträchtlich zurücbleibt. 3. Ebenjo wird gar nicht jelten eine im Gebiet der Bodenproduftion jich einjtellende günjtige Konjunftur als Folge gejtiegener BProduften- preije injorern überjchäßt, als dieje günstige Konjunktur als eine dauernde und die diejer Gunjt zu Grumde liegenden Tendenzen als nachhaltig wirfjam angejehen werden. Eine jolche Überfhäßgung der augen= bliklichen Abjagfonjunfturen und die Srrungen über die mut- maßliche Dauer derjelben find gerade in den leten Jahrzehnten zur wirfjamiten Urjache anormaler PBreisbildungen auf dem Grundmarft ge worden. D. 5. die Notlage, in der jich zahlreiche Beliger von Gütern in allen Teilen Deutichlands heute befinden, hat zu einem wejentlichen Teil darin ihren Grund, daß das erhebliche Steigen der Getreide- und anderer PBroduftenpreife in den jechziger und anfangs der jtebenziger Jahre, gegendenweile auch die wachjende Rentabilität einzelner Spectal- fulturen, wie namentlich) des Zucerrübenbaues, des Tabaf- und des Hopfenbaues, und die Annahme des Verharrens in diejey Preislage oder gar weiteren Steigens der Produftenpreije zur Bewilligung ungewöhnlich hoher Bodenpreife geführt hat, deren Unvereinbarfeit mit dem durchichnittlichen, d. i. den Preisverhältniffen einer längeren Bertode entiprechenden Ertragswert hinterher und in dem Augenblick aufs grellite su Tage treten mußte, als die Produftenpreisbeiwegung nach oben plöß- lich zum Stillitand fam oder gar, wie inzwijchen geichehen, Tich ins Gegenteil verfehrte. sn Ddiefen Fällen darf man aljo wohl von einer durch Faliche Spefulation veranlaßten Bodenüberzahlung Iprechen, it, namentlich dann ihre empfindliche und unter Umständen gefahrdrohende AWirfung ausüben wird, wenn, wie es doch die Negel bildet, die Kauf: preife nicht bar erlegt, jondern zum größeren Teil (bis zur Hälfte, zwei Drittel) Hypothefariich eingetragen worden find. 4. Neben jolchen Irrungen und Fehlichlägen im der jpefulativen Be= wertung der näheren oder ferneren Zufunft treten als preisiteigernde ‚zaftoren jene ummwägbaren und unmeßbaren Negungen des Seelen- lebens auf, die jich bei dem Begehr um Grund und Boden wegen der mit dejjen Belit verfnüpften foctalen oder politischen Borteile in oft jehr exaltierter Weije geltend machen. Meittel- und Großbauern 3.8. verjtärfen die Nachfrage auf dem Grundmarfte jehr häufig, nicht jowohl deshalb, weil ihr Befiß an fich unzureichend wäre, als weil jte Die De- hauptung des jtandesmäßigen Anjehens in der Gemeimde überlieferungs- gemäß mehr mit einem möglichjt großen als mit einem bejonders jorg- rältig bewirtichafteten, wenn schon fleineren Befib in Verbindung zu jegen gewöhnt jind. Auch Vertreter des größten Grundbefißes $ 15. Die Abweichungen des Verfehrswertes von dem Ertragswert. 63 und Angehörige der geldfapitalijtiichen reife beteiligen ich nicht jelten mit ihrer meist jehr zahlungsfähigen Nachfrage auf dem Grund- marft, weil jie von solchen Käufen eine Verjtärfung ihrer joctalen Stellung oder ihres politischen Einflufjes erhoffen, oder weil fie die Ans lage von Geldfapitalien in Grumd und Boden als eine bejonders ge= jicherte anjehen. Aber gerade in Ddiejen Streifen tritt, gegenüber der mit dem Erwerb eines größeren Grundbefiges verfnüpften joctalen oder politischen Machtitellung, die Frage nach der mutmaßlichen Nentabilität oft gänzlich zurüd, und es werden infolgedejjen reife bewilligt, die den fapitalifterten Nemertragswert um ein Beträchtliches überjteigen. So ungefährlich nun auch in vielen diefer vorgenannten Fälle die thatlächliche Überzahlung des Grumd und Bodens für die einzelnen Käufer jein mag, jo bleibt doch das allgemeine Urteil über die Höhe des Boden= werts von jolchen Vorgängen auf dem Grundmarft nicht us berührt; denn Ddieje thatjächlichen Überzahlungen fönnen jehr wohl Die Meinungen und Anfichten über den inneren Bodenwert im Stimm einer Überichäßung des legteren, aljo iwrig, beeinfluffen und viele Argehörige Des landwirtjchaftlichen Berufsitandes verleiten, ähnlich Hohe Bodenprete zu zahlen, obwohl fie, angewiejen auf die Erträgniffe des zu erwerbenden Gutes und nicht im Belig überreichlicher Mittel, allen Anlay hätten, mehr als den fapitalifierten Nemertrag nicht zu bewilligen. Die oben unter Ziffer 1, 2 und 3 erwähnten Sünden, die jo oft beim Ankauf von Grund und Boden unterlaufen, jollten daher jchon deshalb zu ver meiden gejucht werden, weil die thatjächliche Geftaltung der Boden preije in einer Neihe von Fällen aus den vorjtehend erwähnten Gründen häufig eime irreleitende if. Die Mahnung zur Bethätigung größter Vorjicht beim Ankauf von Grund und Boden fan des= halb, gerade weil jie in den legten Sahrzehnten jo oft ungehört verhallt it md Der Hujanmenbruch einer Neihe von landwirtichaftlichen Ertjtenzen in legter Linie im der Bewilligung unverjtändig hoher Kaufpreife wurzelt, nicht eindringlich genug wiederholt werden. 5. Die eben erwähnten bejonderen jeeliichen Einflüffe, Die zeit umd gegendiweije eine bejonders lebhafte Nachfrage nach) Grund und Boden zeitigen, werden Übrigens nur dann ganz veritändlich, wenn man ih vergegenwärtigt, daß der Grund und Boden zu den unpermehr- baren Broduftionsmitteln zählt und daß er nebenbei eine UÜber- tragbarfeit von einem Ort auf den anderen nicht zuläßt, Jomit auch fein Mangel an Land an dem eimen Ort durch Überfluß an einem anderen nicht oder Doch nur auf dem Weg der Berfonenbewegung (lus- wanderung, Drtsjigverlegung) ausgeglichen werden fan. Num tt es aber ein befanntes Gejeß der Wreisbildung, daß bei unvermehrbaren Gütern für die Höhe des Preifes die Dringlichfeit der Nachfrage ichlieglich das enticheidende Moment it; das rasche Anfteigen der Baus grunmditücke in aufblühenden Städten zu oft jinnlojer. Höhe bildet hierfür 64 Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverfehr ac. ein Ichlagendes Beiipiel. Man Ipricht in Jolchen Fällen von Selten- heits-, Not- oder Monopolpreifen, und auch bei landwirtichaft- lich benugtem Grund und Boden werden daher die Preije die Keigung haben, die Eigenjchaft von Seltenheits-, Not= oder Monopolpreijen anzunehmen, Jobald die Bevölkerung allen Grund und Boden in thatlächlichen Belit genommen hat und für die nach= wachienden Gejchlechter die Möglichkeit, ebenfalls in den Befiß von jolchem zu gelangen, mehr und mehr jich eimengt. Auch it £lar, daß die be= jondere Art von Wertichägung, die man dem Belig am Grund und Boden im den verschiedenen joctalen Schichten entgegenbringt, in gleichem Berhältnis jteigen muß, als es jchwiertg wird, den Wiünfchen auf Ylır= teilnahme am Grumdbelig Befriedigung zu verichaffen. Die in der vor= ausgegangenen Ziffer erwähnten wertiteigernden Tendenzen werden aljo in Dichtbevölferten Staaten bei jtetig zunehmender Devdlferungszahl be= jonders häufig in die Erjcheinung treten; Daher itehen in den Dichtbe= völferten und teihweife übervölferten Landgemeinden des jüdlichen Deutichland die Bodenpreije, unter jonjt gleichen VBerhältniffen der Bodenkultur, erheblich höher als in dem jchwächer bevölferten Norden, und Differieren jelbit im Süden von Gemarkung zu Gemarkung Die Bodenpreife in einem höheren Brozentverhältnis, als durch die Vers ichtedenheit der Bonität, des Klimas 2c. gerechtfertigt wäre, Differenzen, Die gar nicht anders als durch die DVerjchiedenheit der Dichtigfeit der Bevölferung und die dadurch bedingte Verschiedenheit im Stärfegrad der Bodennachfrage fich erklären laffen. Am beftigiten pflegt die Bodennach- frage mit dem Gefolge ungewöhnlich hoher Bodenpreife da zu jein, mo sreiteilbarfeit beiteht, die Anwejen alfo im Erbgang auseinander- fallen; denn da viele Wirte auf den im Exrbweg verfleinerten Ammejen ihren Unterhalt nicht mehr finden, find fie mit einer gewifjen zwingenden Notwendigkeit auf die allmähliche Wiedervergrößerung des ihnen zuges jallenen Beligtums angewiejen. Um jede dem Verfauf ausgejebte Boden= parzelle wird aljo ein heiger Wettbewerb entbrennen und diefer „Yande hunger“ pflegt dann vor dem Ertragswert als äußerjter Grenze des Bodenpreijes jelten Halt zu machen. Aus diefem Landhunger von Bes jigern der im Erbweg verfleinerten Anwejen erklärt fich denn auch die an fich auffällige und bereits oben geitreifte Thatfache, daß Gemarkungen mit ungünstigen Boden- oder Ktlimaverhältnilfen nicht jelten höhere Bodenpreife aufweiien, als jolche mit günstigeren Boden= oder Klimas verhältnifjen; denn weil dort, wegen der geringeren Erträgnijje von der ‚slächeneinheit, zur Ernährung einer Familie eine größere Wirtichaftsfläche notwendig it, jo muß auch die Nachfrage nach Yand in landivirtichaftlich ungünftiger fituterten, aber jtarf bevölferten oder übervölferten Xandes- teilen im allgemeinen in dringlicherer Weile in die Erjcheinung treten als anderwärts. — Die abentenerlichiten Preisbildungen pflegen YUR Fl ot Die Abweichungen des Verfehrswertes von dem Ertragsmert. 65 ich dann zu ergeben, wenn beitimmte Kulturarten, 3. B. Wiefen, mur in jehr bejcehränftem Umfang in einer Gemarfung vertreten find. Die Gejamtheit der vorjtehenden Betrachtungen ergiebt, daß die in dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage nach Grund und Boden begründeten anomalen Preisbildungen in gevilfem Stimm unab- wendbar jind im Gegenjab zu denjenigen anomalen Breisbildungen, die Durch umrichtige Bewertung, Faljche Schlußfolgerungen und jonitige Ssrrungen vonjeiten der Käufer veranlagt werden. Und doch faun von einer gänzlichen Unabwendbarfeit der aus der Unvermehrbarfeit des Grund und Bodens für die Preisbildung entjtehenden Gefahren nicht wohl geiprochen werden. DBeiipielswerie it eine Abhilfe in dem regel- mäßigen Abzug eimes Teils der Bevölferung aus den übervölferten Landgemeinden in minder bevölferte, jei es des Anlands oder des Auslands, gegeben; d. h. die Binnenwanderungen und die Wan- derungen in das Ausland tragen jehr wejentlich dazu bei, die ürt- liche Nachfrage nach) Land periodiich zu entlaften und die Boden-Preis- bewegung in normalere Bahnen einzulenfen, und eine planmäßige Aus= wanderungspolitif fällt daher unter diegenigen politischen Maßnahmen, die auch vom agrarspolitiichen Standpunft aus fräftig zu vertreten iind. su der gleichen Richtung wohltgätig winfiam fanın das Auf- blühen von gewerblicher und Handelsthätigfeit wirfen, weil nunmehr mafjenhaft Arbeitskräfte, die andernfalls landwirtichaftlich hätten thätig jein und die Nachfrage nach Land hätten verjtärfen müffen, in andere lohnende Beichäftigungswerien, jet es im jelbitändiger, jei es in umjelbjtändiger Stellung, abgezogen werden. Sm, Ländern mit vajch wachjender Bevölkerung ift daher das Aufblühen von Industrie und Handel — von vielen anderen Gelichtspunften abgejehen — gerade auch) wegen Der Dadurch bedingten Entlajtung der Dodennachfrage und der Hintanhaltung weiteren ungejunden Steigens der Boden- preije bejonders bedeuntungsvoll, und es zeugt von geringem Ber- tändnis für den inneren Zufammenhang der Dinge, wenn diefes Auf- blühen gerade in agrarischen Streifen jo oft mit mißgünftigen Augen an= gejehen wird. So unerwünscht num auch für die nicht bejigenden, alfo auf den Beliserwerb von Grund und Boden abhebenden Bevölferungsteile es ift, wenn als Folge der relativen Seltenheit des PBroduftionsinftru- ments Boden, gewijjermaßen naturgejeglich, Bodenpreife ich ergeben, die den fapitalifierten Betrag des mittleren Neinertrags überjteigen, fo mag ein Trojt für Diele Entwicklung der Dinge in der Betrachtung liegen, daß Ddiefe Tendenz zum Steigen der Bodenpreife auf die Dauer sein fulturichädliches, jondern ein fulturförderndes Element in fich ichließt. Denn je höher die Kaufpreishingabe für ein beitimmtes Gut, um jo jtärfer auch die Anforderungen, die an den Erwerber in Bezug auf geichiefte Bewirtichaftung des Guts geitellt werden, um jo dringlicher Budhenberger. 5) 66 Bmweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverfehr 2c. die Notwendigkeit, Die Kräfte des Bodens zur Hervorbringung organijcher Subjtanz aufs äußerjte anzujpannen, d. hd. auf das „sutenfivite zu wirt- ichaften und Durch Ddiefe intenfive Hochkultur die Behauptung des Beliges troß eines hohen Anlagefapitals zu ermöglichen. Wet anderen Worten: niedrige Bodenpreife gehen in der Negel mit wenig jorgfältiger und metft ertenjiver, hohe Bodenpreife dagegen mit befonders jorgfältiger und denf- bar arbeits und fapitalintenfiver Bodenkultur Hand in Hand. Ein Land mit jtetig wachjender Bevölferungsziffer bedarf aber, wenn es in Bezug auf Nahrungsmittelverforgung nicht jchlechthin in Abhängigfeit von dritten Staaten fommen joll, einer jtetig wachjenden Sntenfität der Bodenbewirtichaftung. Und vielleicht hat die Borjehung fein wirt jameres Erziehungs- und jtetes Aneiferungsmittel, um tn diejer Nicbtung thätig zu Jen, gefannt, als jenes Gejeß der Bodenpreise bildung, das infolge der Unvermehrbarfeit des Bodens und jeiner Eigenjchaft als einer Seltenheitsware die Bodenpreife immer ein weniges iiber den bis dahin erreichten Nentabilitätspunft hHinauszuheben beitrebt it umd eben dadurch diejenige Neaftion des jeweiligen Befibers hervor- ruft, die den Ausgleich für die Überzahlung auf dem Weg einer Steigerung Der Nentabilität, d. 5. gerade auf demjenigen Wege hucht, der dem allgemeinen Fortjchritt der Menichheit am beiten dient. $ 16. Umfang des Derfehrs im Grund und Boden; Würdigung der Freiheit des Güterverfehrs; Statiftif der Grundeigentums: . verteilung. Beribesverfchiebungen im Grund und Boden find zu allen Zeiten und in allen Sulturjtufen zu verzeichnen gervejen, aber in den älteren Zeiten waren doch solche Befißesverichiebungen in Ermangelung (ebhafteren Berfehrs im Grund und Boden nicht eben häufig. Beliß- wechjel, wo fie vorfamen, hatten im jener älteren Zeit vorwiegend in Überschuldung, Die zu freihändigen oder Zwangsverfäufen Veranlafjung gab, oder in der A El ne von Gütern der Frau oder aber in den mit dem Tode des jeitherigen Befigers in Verbindung itcehenden Befigwechjeln, alio in Erbübergängen ihre verurjachende Begründung. Daneben jpielten — vom 15. Jahrhundert ab — mit den Verfall der bäuerlichen Freiheit und dem Erjtarfen der grumdherr- lichen Gewalten zeitweife auch die Befigentjeßungen bäuerlicher Wirte und die Einziehung ihrer Yändereien zum grundherrlichen Stanımz vermögen gegendweile eine nambafte Nolle. Sm großen und ganzen aber wird jich ein umfangreicher Verfehr in landwirtjchaftlichem Srund und Boden unter Yebenden in den meisten Teilen Deutich- lands im älterer Zeit nicht abgeipielt haben, und vom Ausgang des Writtelalters bis an die Schwelle unseres Jahrhunderts Ichon Deshalb nicht, weil die Güter der Grundherren vermöge befonderen gamiltenrechts, $ 16. Umfang des Verfehrs im Grund und Boden. 67 die bäuerlichen Güter aber vermöge der Eingliederung in die Grundherr- (ichfeitsverfallung regelmäßig weder im ganzen noch im einzelnen frei veräußerlich waren. Ein lebhafterer Verkehr im Grundeigentum entwicfelte fich naturgemäß erit dann, als in der eriten Hälfte diejes Sahrhunderts hin- jichtlich der adligen Güter das jtrenge Familienfideifommißrecht der älteren Zeit gemtldert, in eimzelnen Staaten auch ganz befeitigt und betreffs der bäuerlichen Güter jede Art von Obereigentum aufgehoben wurde und mit der Verleihung des vollen und freien Eigentums an dem Belig auch die jeitherigen Schranfen der Beräußerungsfreiheit fait überall in Wegfall famen; ferner als mit der Berfündigung des Grundjages der bürgerlichen Gleichheit vor dem Gejeß der Erwerb größerer Güter (Nitter- güter) nicht mehr ein VBorrecht der adligen Gejchlechter verblieb; endlich als mit der fajt allenthalben erfolgten Aufhebung der jtrengen Formen der alten Gebundenheitt — geleßliche Unteilbarfeit — überall die recht- liche Neöglichkeit beitand, neben ganzen landwirtichaftlichen Anwejen auch Einzelgrundftüce dem Berfauf auszujegen. Wit eimem Wort: erit Die mit der Bejeitigung Der alten Grumdherrlichkeitse und Grundeigentums- verfafjung Hand in Hand gehende Mobilifierung des Grundeigen- tums, d. h. die Freiheit des Bodenverfehrs jchuf die VBorausjegung für eimen umfangreicheren, lebhafteren Berfehr in landwirtichaftlichen Grunditücen überhaupt. Entgegen eimer landläufigen Annahme ift mun aber feitzuitellen, daß troß der Freiheit des Güterverfehrs diejer niemals den Anlauf genommen hat, ich ins jchranfenlofe zu entwideln; die jtatiftischen Hiffern beweijen es, und jeder Kenner ländlicher Berhältnifje weiß es auch ohne jolche Ziffern, daß Die jährlich Durch Kauf und Berfauf umgejebten Liegenschaften immer nur eimen fleinen Bruchteil der Gelamtfläche Dar- itellen. Dies it auch jehr begreiflich; wer Grund und Boden bejibt, pflegt ihn zähe jeitzuhalten und nur aus zwingenden Gründen Jich jener zu entäußern; das trifft jedenfalls dev Regel nach für den Banernjtand, jicher auch für den größten Teil der dem mittleren und Großgrundbeiiß zugehörigen Streije zu. Die Freiheit des Güterverfehrs, d. h. die rechtlich bejtehende Möglichkeit, jederzeit und überall Grund und Boden zu verfaufen umd zu faufen, auch über den Liegenschaftlichen Befit von Todeswegen inner: halb der durch das Bflichtteilsrecht gezogenen Schranfen zu verfügen, hat zweifelsohne volfswirtichaftlich und jocialpolitifch im großen und ganzen nach den jeßt vorliegenden Erfahrungen eines Jahrhunderts über wiegend gümjtig gewirkt. Sn zahlreichen Fällen find infolge jener Möglichkeit Grumditücde und ganze landwirtjchaftliche Anwejen in Den Deis von Wirten gelangt, die dem landwirtichaftlichen Beruf ein be- jonderes Berjtändnis und Gejchtef entgegenbrachten und zur Bervoll- fommmung des landwirtichaftlichen Betriebs nach der technijchen und be= 5* 68 weites Kapitel. Der Grumd und Boden im Güterverkehr ac. triebsöfonomifchen Seite wejentlich beigetragen haben. Dies trifft nament- (ich für den größeren und mittleren Grundbeiiß zu, und viele Betjpiele lajfen sich dafiir anführen, daß eine Menge von KFortichritten der Hodenfultur durch Landwirte, die fi aus nichtlandwirtichaftlichen Streifen refruttert haben, herbeigeführt worden find. Nicht immer it eben derjenige, dem durch den Erbgang ein landwirtichaftliches Gut zugefallen it, Durch Neigung oder Geichiet dazu berufen, ausübender Landwirt zu jein umd der Aufgabe eines Yandwirts mit Erfolg Tich zu unterziehen. Auch Für das landwirtichaftliche Gewerbe it Blutauffriichung wünjchens- yvert, md der oft gehörte Wunjch „von der Bewegung des beiten Wirtes zum Gut“ bliebe im vielen Fällen ohne Die Freiheit des SHiüterverfegrs umerfüllbar. Hierzu fommt, daß Die einmal gegebenen Größenverhältniiie der einzelnen landwirtichaftlichen Beltungen vielfach das Produkt zufälliger Umstände find md daß fein Bedürfnis be- iteht, Ddieje Größenverhältniijfe ein für allemal dauernd zu bewahren. Im Gegenteil fann der Fluß der wirtjchaftlichen Entwicke- (ung eine Verkleinerung der größeren und mittleren Güter häufig rätlich er= icheinen lafjen, beijpielsiweile wenn die Betriebsfapitalfraft des gegebenen Belibers gegenüber einem ererbten Belit nicht ausreichend Jich erweilt, um das Gut in der durch die Zeitverhältnifle bedingten Intensität Des Betriebes zu bewirtichaften. Auch der Mangel an Arbeitskräften oder Die Höhe des Arbeitslohnes fan es überwiegend müßlich erjcheinen lafjen, größere und mittlere Güter durch Abtrennung einzelner Teile untriebs- fähiger zu machen; im vielen, ja den meisten Fällen hängt eben Die Größe des Neinertrages nicht Jowohl von dem Flächeninhalt des Ylır= yeiens, als von der Stapital- und Arbeitsintenfität des Betriebes ab. Ssedenfalls darf man, vom volfswirtichaftlichen Standpunkt der Neuzeit gemefjen, die Wietät vor dem gejchichtlich Überfommenen nicht jo weit treiben, daß man um ihretwillen die gegebenen Größenverhältnifje der Süter schlechthin umangetaitet ließe, jelbit um den Preis einer minder intenjiven Wirtichaftsiveile, Die mit einer Winderproduftion von landwirts ichaftlichen Erzengnifjen gleichbedeutend wäre Enpdlich tft der joctal- politische Borzug der möglichiten Jugänglichmachung Der Yırs teilnahbme am Beliß von Grund und Boden an weitejte Volfs- freie nicht zu unterjchäßen, worauf jchon früher (S 1) bingewiejen wurde; eine starre Bindung der einmal gegebenen Grumdeigentumsper: teilung wirde neben der im Befiß befindlichen Grumdbefißersfaite ein eigentumslojes Yandproletariat mit all den üblen Folgen, die ihm auz haften, jchaffen und den Zug in die Großjtädte vom flachen Lande weg ins ımngemeljene vermehren. Auch den bejcheidenften Eriitenzen auf dem flachen Yand jollte die Erwerbung eines Stüdchens Boden rechtlich und thatjächlich nicht unmöglich gemacht jein; denn Diefer Eintritt in die beiigende Slate Schleift vorhandene Gegenjäße ab, ermöglicht ein weiteres Aufklimmen auf der joctalen Stufenleiter, und. Ss 16. Würdigung der Freiheit des Güterverfehrs. 69 die Ausficht des wirtschaftlichen VBorwärtsfommens auf der eigenen Scholle erzeugt evjt oder verjtärft doch jene wirtichaftlichen Tugenden des Fleiges und der Sparjamfeit, die eine wejentliche Borbedingung auch der fittlichen Lebensführung bilden. Als eine Schattenjeite der Freiheit des Güterverfehrs hat man bezeichnet, da die Aufterlung der vorhandenen landwirtichaftlichen Anmwejen in umvirtichaftlicher Wetje Tich vollziehen, alfo eimerjeits weit= gehende Bejigzeriplitterung („Pulvertifierung” oder Atomijterung“ des Bodens), andererjeits eine Häufung des Delißes tm der Hand einzelner Berjonen zu übergroßen Beligungen (Latifundien) als jchließ- liche Folge ich ergeben fan. Al diefem Einwand tit jovtel richtig, daß gegendenweile die ZJerjtücelung des Grund und Bodens \owohl was einzelne Barzellen als ganze landwirtichaftliche Aımvejen anlangt — weiter gediehen ift, als aus technischen Gründen oder aus Gründen der Be- hauptung eines jelbitändigen Nahrungsitandes erwünfcht erjcheint, und daß wiederum gegendenweile der übergroße Belis eine zu weitgehende Aus= Dehnung auf KKoften des bäuerlichen Beliges erfahren hat. Aber im großen und ganzen it Doch die Defisverteilung in Deutichland auch heute noch und jelbjt in jolchen Gebietsteilen, in denen jeit Sahrhunderten eine große Bewegungsfreiheit im Grund- md Bodenverfehr Nechtens war, wie namentlich im Süden und Welten, eine gejunde, und hat fich nament- (ich die Bejorgnis einer wohlitandgefährdenden Belibzeriplitterung als Folge der Freiheit des Güterverfehrs als übertrieben herausgeftellt; reis (ic) find, was aber an ich nur zu begrüßen, heutzutage viel mehr Eriftenzen auf dem flachen Lande und Grumdeigentümer, als je vordem der Fall war. Sn Deutichland wırden nach der Berufsitatiitif von 1882 5,2 Millionen landwirtichaftliche Betriebe gezählt, welche 31,5 Wüllionen ha Land bewirtichafteten, und zwar wurden damals 3061831 Betriebe unter 2 ha (58°/, der Gejamtzahl) mit 1825938 ha Wirtichaftsfläche (5,7°/, der Gelamtfläche), ferner 2189522 Betriebe von 2—-100 ha (41,5°/, aller) mit 22256771 ha (69,99%), der Gelamt- fläche), endlich 24991 Betriebe über 100 ha (0,5 °/, aller) mit 7 786763 ha (24,4°/, der Gejamtfläche) ermittelt. Nahezu die Hälfte aller Betriebe entfallen alfo auf die zweite Befißgruppe von 2—100 ha, d.h. auf den bäuerlichen Bejis, der an der landwirtichaftlichen Fläche mit fait drei Biertel beteiligt it, und mur ein fleiner Teil der Wirtichaftsfläche it in £leinjte Barzellenbeiige (unter 2 ha) zeviplittert (und Yo). Aber jedenfalls darf man es als einen erheblichen gejellichaftlichen Borteil ers achten, daß rund 3 Millionen Meenjchen, die größtenteils Yandarbeiter, zum fleineren Teil Fabrifarbeiter, Handwerker find, an den Segmungen des Srundbefiges teilnehmen. Scheidet man jelbjt die Gruppe von 2 bis 5 ha aus, weil zu eimem Teil noch unfelbitändige, zu einem anderen Teil noch bäuerliche Zwergbetriebe enthaltend, jo verbleiben als mitt- lere und größere bäuerliche Betriebe (von 5—20 ha und von 20 70 Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverfehr zc. bis 100 ha) immer noch 1208115 (21,9 %/, aller) mit einer Wirt- ichaftsfläche von 19066 568 ha, die 59,9 9%, der gelamten landwirt- ichartlichen Bodenfläche gleichfommt. Allerdings tft Diefer wichtigite Teil der bäuerlichen Betriebe in den einzelnen deutichen Staaten feineswegs gleichmäßig vertreten; am jhwächiten in Meclenburg, wo auf ie 34 °/,, am jtärfiten in Bayern, wo auf fie 80,4 9/, der Wirtjchafts- fläche entfallen; in Preußen, Baden, Eljaß-Lothringen fommt Die von diejer Beligesgruppe (5—100 ha) bewirtichaftete Fläche dem Neichs- durchichnitt (59,9 9/0) ziemlich nahe; über dem Neichsdurchjchnitt jtehen, betreffs des Anteils Diejer Gruppe an der Wirtichaftsfläche, außer Bayern insbejondere noch Sachjen (70,1%,), Württemberg (64,1°%/,), Hellen (62,0 9/,); auch in den £leineren mitteldeutichen Staaten überwiegen Die mittel- und großbäuerlichen Betriebe. sm allgememen läßt jich jagen, daß das Deutjche Neich etwa in der Linie der Elbe derart zweigeteilt tt, daß weitlich der Elbe die fleineren und mittleren, öjtlich der Elbe die größeren Betriebe überwiegen. Der Großbejiß (über 100 ha) tt in den ditlichen preus Biichen Provinzen, wo er bis zu 57 °/, der gefamten landwirtichaftlichen zläche einnimmt (Bommern), jowie in den beiden Mecklenburg (56 und 599/, der Fläche), der größere bäuerliche Befit (20—100 ha) nament- (ih in Oldenburg, Braunjchweig, jowie in den preußiichen Provinzen Schleswig-Holitein, Hannover, Brandenburg, auch in Dit: und Weit: preußen, der fleine und mittlere bäuerliche Bejit (2—20 ha) vor= wiegend in Bayern, Sachjen, Württemberg, Baden, Helen, Eliaß- Lothringen, der fleinite Befit (unter 2 ha) namentlich in den 4 lebt- genannten Staaten am jtärfiten vertreten. $ 17. Polizeilihe und verwaltungsrechtlihe Hemmungen der Frei- heit des Grundeigentumsperfehrs; Stükfhluß; aefesiiche Unteil- barfeit; Befämpfung der Güterfchlächterei. Der Grundjaß der wirtichaftlichen Freiheit des Grund- eigentumsverfehrs, wie er im Anfang des Jahrhunderts in Preußen durch die Stein-Hardenberg’iche Gejeßgebung und ähnlich im den metten anderen deutichen Staaten verfündet und im die Wirklichkeit über: jet wurde, hat neuerdings durch den Hinweis auf die Möglichkeit eines Mipbrauchs Diejer Freiheit manche Bekämpfung erfahren. um it zwar eine unzweitelhafte Thatjache, daß in einzelmen Gegenden, jei es durch freihändigen, durch Zwangsverfauf oder im Erbweg, land wirtichaftliche Anmwejen und Einzelgrunditüce unter das Maß verkleinert worden jind, bei welchem eine ausfömmtliche Lebenshaltung oder eine vorteilhafte Beitellung noch möglich ich erweilt, und daß in anderen Gegenden im Laufe diejes Sahrhunderts zahlreiche bäuerliche Betriebe ganz verichwunden find, jet es, daß deren Zerichlagung auf dem Weg des ipefulativen Güterhandels, jei es, daß Deren Auffauf Durch Den 17. Hemmungen der Freiheit des Grundeigentumsverfehrs, Stükihluß 0. 71 2 g privaten Großgrundbeiit oder durch andere fapitalfräftige, phyliiche oder juriftiiche PVerfonen jtattgefunden hat. Aber aus diefen an fich bedauer- lichen Ihatjachen kann ein hinreichender Beweisgrund für die Beleitigung der Freiheit des Güterverfehrs nicht abgeleitet werden, da man damit ich zugleich all der Vorzüge berauben winde, die inhaltlich der vorausge- gangenen Betrachtungen mit diejer Freiheit des Güterverfehrs aufs engite verfnüpft find. Es fanı fich vielmehr nur darum handeln, unter grunds jäßlicher Aufrechterhaltung der Freiheit des Güterverfehrs Schranfen gegen einen Mißbrauch diejer Freiheit aufzurichten. Als polizeiliche und verwaltungsrechtliche Maßnahmen, Die diefem Zwec entiprechen würden und im verjchtedenen Staaten zur Aımvendung gelangt jind, verdienen namentlich die folgenden eine Erwähnung: 1. Dem Nachteil einer übermäßigen Berklemerung einzelner Grund jtücsparzellen läßt Tich durch den jog. Stükjchluß, d. h. Durch eine gejegliche Anordnung begegnen, mittelit deren Teilungen von Yiegenjchaften unter ein bejtimmtes Flächenmaß (z.B. von Acker md Wiefenland unter 10 oder 20 a) verboten iind. Sind gegendenwetle durch Tortgejegte Teilungen zahlreiche Grundftücde auf ein umvirtichaftlich Kleines Wab gebracht worden, jo fann die Bejeitigung der daraus Jich ergebenden Übelftände nur durch Zufammenlegung derjelben zu größeren Grund: jtitefgeinheiten, d. h. nur im Weg der Feldbereinigungs- und Ber- foppelungsgejeßgebung (vergl. Kap. IV) jich vollziehen; it dann mittelit diefes gejeglichen Verfahrens die Anzahl der Grundjtücsparzellen auf einer Gemarfung vermindert und eine entiprechende Größe der Parzellen hergeftellt worden, jo würde in Ermangelung von VBorjchriften über Stücd- ichluß möglicherweife jchon nach furzer Zeit durch abermalige Teilungen der Parzellen (freihändige oder im Erbweg) der alte Zujtand wieder auf (eben; der „Stückichluß“ bildet daher ein nötiges Gegenstück der Feld- bereinigungsgejeßgebung. 2. In einzelnen Staaten oder doch Für bejtimmte Gebietstetle einzelner Staaten (Sachjen und andere mitteldeutjche Staaten, badijcher Schwarzwald) hat jich jogar die Gejchlofjienheit (gejeßliche Unteil- barfeit) landwirtichaftlicher Anmwejen bis auf den heutigen Tag er: halten, und es fragt Tich, ob für die Aufrechterhaltung jolch weitgehender Einjichränfungen der perfönlichen Berfügungsfreiheit über das Grundeigentum durchichlagende Gründe fich geltend machen lafjen. Dieje Frage tt eine vielumjtrittene, fie fann aber aus den früher erwähnten Grimden (S 16) doch wohl nur ganz ausnahmsweiie im Hinblick auf Bejonderheiten des Klimas, der Bodenverhältniffe und der dadurch bedingten Bejonderheit der Wirtjchaftsweife mit „Sa“ beantwortet werden. Solche eine Sonder- itellung im Grumdeigentumsrecht wohl vechtfertigende Beionderheiten liegen in der That vielfach in Gebirgs- und Waldgegenden vor, 100 Der Landwirtichaftsbetried in durch Höhenlage, Klima, Bodenverhältniie gegebenen jehr einfachen extenfiven Wirtjchaftsformen ich abiptelt und 72 Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverkehr 2c. eine Steigerung der Brutto- und Nemerträgniffe über eine gewilje, nicht jehr weit gezogene Grenze jchlechthin ausgeichlojlen it, und wo deshalb fiir die einzelnen landwirtichaftlichen Anmwejen die Grenze der Unterhalts- möglichfeit für die darauf fißenden bäuerlichen Jamtlien bet Zulallung der reiteilbarfeit jehr bald erreicht bezw. überjchritten jein würde. NWeeift bilden auch in diejen Gebirgs- und Waldgegenden die Anwejen (Höfe) in ihrer Miichung von Acer, Wiejenland, Werdefeld und Wald derart eine voirtichaftliche Einheit, dag die Zugehörigkeit Diefer verschiedenen Kulturarten zu emem Hof fich gegenfeitig bedingt, aljo nicht vwoillfürlich der eine oder andere Gutsteil abgetrennt werden fan, wenn wicht Die Aufrechterhaltung eines geordneten, dauernd lebensfähigen Betriebs er- ichwert oder unmöglich gemacht werden joll. Die wirtichaftlich ungünstige Lage, in der eme große Anzahl Ddeutjcher Gebirgsdürfer (im jüd- lichen Schwarzwald, im Bogelsberg, im Nhöngebirge, im Wejterwald, Taunus 20.) Fich jeit langer Zeit befinden, hängt augenjcheinlich mit der weitgehenden Aufteilung des Grumdbeiiges in Diefen Gegenden, wobei für die vorhandenen und die neu zugehenden Haushaltungen der Nahrungs- ipielraum fich mehr und mehr verengte, wie Wirkung und Urjache zu= jammen. Die Unmöglichkeit, auf den verfleinerten Almvejen die Ylrbeits- fräfte der Familien hinreichend zu bejchäftigen, und die Unzureichendheit des Wirtjchaftsertrags der verkleinerten Amvejen für die Beltreitung des Haushaltsbedarfs drängte die Kleimwirte mit Notwendigkeit zum Anfjuchen von amnderweiten VBerdienjtgelegenheiten, insbejondere auch in der ‚Form der Hausindufstrie, ohne daß imdeljen in der Weehrzahl der Fälle diejer Ausweg dauernde Beljerung verschaffte. Denn meilt it der auf diejem Wege zu erlangende Verdienit ein äußerit färglicher (jo in der Hause weberei, Strohflecht-, Spielwareninduftrie) und manche Hausinduftrien icheinen überhaupt wegen der Schwierigkeit der Abjasverhältnijie oder der wachjenden Anfprüche des Konjums an die Qualität der Waren faum mehr eriltenzfähig, Ywoie wiederum die Hausweberei, zum Teil auc) die einfacheren Schnißereiarbeiten und die Küblerei. Sehr häufig tt der Verlauf der geiwejen, daß zwar zumächit die Einbürgerung einer Hause industrie den betreffenden Gegenden eme woirtjchaftliche Erleichterung gebracht hat, daß aber infolge der nun um jo rascher vor jich gehenden Vermehrung der Bevölkerung, die von weiterer Zerjplitterung des Grund eigentums begleitet war, jene Erleichterung nach wenigen Generationen ins Gegenteil umschlug. Man muß daher enmwäumen, daß die Zulaffung des Grundiabes der Freiteilbarfeit im Gegenden der vorbeiprochenen Art nicht ohne gewichtige Bedenfen ist, indem fie leicht zu einer Vermehrung der amläjligen Familien über das dich die Erwerbsperhältniije bedingte Mab, d. bh. zu AZuftänden örtlicher Übervölferung führt, denen durch Beichaffung von Nebenverdienit (Waldarbeiten, hausinduftrielle Beichäftigung) höchitens orts- oder zeitweise mildernd begegnet, im der Mehrzahl der Fälle aber dauernd nicht abgeholfen werden fan. Und $ 17. Gejegliche Unteilbarfeit; Bekämpfung der Giüterichlächteret. 73 weil aus diefen Grümden tr jolchen Gegenden Wert darauf zu legen tt, das die Anzahl der grundangejeilenen Samtlien Sich nicht wejentlich ver- mehre, jo läßt Sich die Aufrechterhaltung der Gebundenheit des Grundeigentums, welche die beliebige Verkleinerung der Anwesen im Wege des Verfaufs und auch die Aufterlung im Erbgang hindert md eben deshalb mittelbar einen Auswanderungszwang gegenüber einem Teil der nachwachienden Generation in Jich Schließt, wohl rechtfertigen. Dies gilt mindeitens für jo lange, als nicht etwa Großinduftrie in jolchen Gebtrgs: und Waldgegenden Sich angeltedelt hat und hierdurch die Erwerbsverhältniife der anfälligen ländlichen Bevölfe- rung in eime Nichtung gedrängt werden, die eine ängitliche Bedachtnahme auf die thunliche Erhaltung der bejtehenden Grundergentumsvertetlung nicht mehr in dem früheren Maße erforderlich ericheinen läßt. Doch wide jelbit in Ddiejen Fällen an Stelle der grundjäßlichen Beleitigung der Gebundenheit deren Beibehaltung, aber unter Lliberaler Anwendung der BVBerwaltungsbefugniffe imbetreff der Zulallung von Teilungen vor- zuziehen jein. — Daß nach dem Gelagten die Julafjung der Freiteil- barfeit in vielen, heutzutage Durch vorherrichenden PBauperismus Der Bewohner jich auszeichnenden Waldgegenden Deutichlands wenig au- gezeigt war, fan nicht wohl in HZwerfel gezogen werden; Dies gilt auch von der in den jechziger Jahren unterichtedslos erfolgten Aufhebung der Gejchlojienheit (des fogen. „Beltiftungszwangs”) im dem üjter- reichiichen Alpenland. Umgekehrt fan man Zweifel hegen, ob im einem nach der Technit des Landwirtichaftsbetriebs jowohl wie nach der imduitriellen Seite hin hochentiicelten Yande wie Sachen die allgemeine Aufrechterhaltung der Geichlofjenheit, alfo auch augerhalb der Gebirgs- und Waldgegenden, noch ein Bedürfnis it. 3. Wo Freiteilbarfeit beiteht, it eS gar nicht jelten das Treiben gewerbsmäßiger Güteripefulanten, das zu emer Berichlagumg („ Zertriimmerung”) ganzer landwirtjchaftlicher Amwelen Anlaß giebt, in= dem verjchuldete Höfe angefauft und im Parzellen ausgeboten werden, für die es jelten an entiprechender Nachfrage fehlt; wird dabei, vote üblich, durch raffinierte Meüttel (Verabreichung von Getränten 2.) die Kaufluft der Bieter fünftlich zu jteigern verjucht, jo Sind drücdende Schuldver- pflichtungen der Bieter gegenüber dem verfaufenden Spekulanten im der Mehrzahl der Fälle ebenjo jehr die unausbleibliche Folge jenes Treibens, wie das Berjchhwinden ganzer Höfe und deren Auflöfung in einzelne Stücke von meilt unzwecmäßiger Größe Cine Abhilfe gegenüber jolchen Geichäftsgebahrungen liegt teils auf gewerbepolizeilichem Gebiet (Unter= itellung des gewerbsmäßigen Güterhandels unter die genehmigungs- pflichtigen Gewerbebetriebe, Möglichkeit der Unterfagung diejes Betriebs, falls Unzuverläfiigfeit in Bezug auf die Ausübung des Gejchäftsbetriebs vorliegt), teils auf dem rein polizeilichen Gebiet (5. B. durch Erlafjung eines Verbots der Abhaltung von Beriteigerungen in Wirtshäufern), teils 7A Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Giüterverfehr zc. auf dem Gebiet des Wucheritrafrechts (falls die aus den Verjteigerungen jich ergebenden Kaufichuldverbindlichfeiten wucherartig ausgenußt werden); und es ijt wichtig und bemerfenswert, daß in allen Diefen Hinfichten durch die neuere deutiche Gejeßgebung auf dem Gebiet des Gewerbe- und Straf- rechts vorbeugende und unterdrüdende Borschriften erlaffen worden find. sn die Neihe der hierher zählenden vorbeugenden oder verhütenden Maß- nahmen zählt es ferner, wenn, wie in Württemberg Nechtens it, der Wiederverfauf der erworbenen Grundjtüde vor Ablauf eines mehrjährigen . Zeitraums verboten bezw. unter Strafe geitellt tft. Ausjchreitungen auf diefem Gebiet fann auch dadurch vorgebeugt werden, daß die Gemeinden als Käufer für feile Anwejen auftreten und dadurd) die Thätigfeit gewerbsmäßiger Güteripefulanten lahmzulegen fich bemühen, worauf jchon wüher aufmerfiam gemacht wurde (S. 15); auch der Staat als Domänenfisfus fann unter Umjtänden eine ähnlich eriprießliche Thätig- feit durch Ankauf von Anwejen, deren Zerichlagung zu bejorgen it, entfalten, jet es, daß er die Anwejen behält und dauernd verpachtet oder zu gelegener Zeit ganz oder in jchieflichen Abjchnitten wieder in den Berfehr bringt. $ 18. Fortiegung; ftaatlicher Einariff in die Ordnung der Grund: eigentumsperteilung durch das Mittel der inneren Kolonifation. Das Gegenftüdf zu den Zuitänden weitgehender Befißzeriplitterung bildet die Bejißhäufung des Grundbejiges in einzelnen Händen; und Diejenigen jtaatlihen Maßnahmen, die darauf abheben, an Stelle dDiefer einjeitigen Befißverteilung eine günftigere im Weg der Schaffung neuer landwirtichaftlicher Befigeinheiten herzuftellen, bezeichnet man als innere Kolonijation (Anjiedelungspolitif). In den Maßnahmen der inneren Ktolonijation vollzieht fich daher eine unter Umständen jehr einjchneidende Korreftur der geichichtlich überfommenen Befisverhältniffe. Die Heranziehung von Kolonijten in jchwach bevölferte Gegenden hat in der preußiichen Gejchichte, aber auch in anderen deutichen Staaten, nament= lich) nach den verwüjtenden Stürmen des dreißigjährigen Krieges periodens weile einen wichtigen Bejtandteil der allgemeinen Staatspolitif gebildet; es braucht nur an die mit erheblichen jtaatlichen Geldopfern durch den großen KHurfüriten und jpäter duch Friedrich den Großen be= jonders in den öitlichen Provinzen (im Dders, Warther und Weichjels gebiet) gegründeten Bauernfolonien, deren Elemente aus allen möglichen Yändern fich refrutierten, erinnert zu werden; die Zahl der im 17. und 18. Sahrhundert auf diefem Wege geichaffenen neuen Stellen fanın man gut auf 30—40000 jpannfähige Bauerngüter und 100—120000 Ktlein= betriebe veranjchlagen, jo dat die ganze Grumdeigentumsverteilung der öftlichen preußiichen Provinzen durch dieje Akte der Ktolonijation aufs jtärfite beeinflußt worden it. Die neue preußische Anfiedelungspolitif hat an dieje ältere Politif in glücklicher Weije angefnüpft. Sie verfolgt ein dDoppeltes Ziel: u. $ 18. Grundeigentumsverteilung und Anfiedelungspolitif. 75 fie will gegenüber den in einzelnen preußischen Provinzen jeit Jahren in veritärftem Maße hervortretenden polonifierenden Beltrebungen durch Ylır= jegung deutjcher Kolonijten ein wirffames Gegengewicht jegen; Tie vorll aber vor allem im den Gegenden des vorherrichenden Großgrundbeiißes durch Bildung großer, mittlerer und kleinerer Bauernitellen eine güntigere Srumdeigentumsverteilung herbeiführen und jociale und wirtichaftliche UÜbelftände bejeitigen, die jich aus der jeitherigen einseitigen Belivers teilung ergaben. Dieje Übelitände find namentlich in folgenden Nichtungen zu Tage getreten: die Unmöglichkeit für die auf dem flachen Land lebenden unjelbjtändigen Elemente (Tagelöhner), Grundeigentum zu erwerben und fich allmählich zu einer wirtichaftlich und jocial unabhängigeren Stellung emporzuarbeiten, hat, jeit die Gejeßgebung über Freizügigkeit und Ylus= wanderungsrecht der Abrwanderung diefer Elemente nach anderen Gegenden oder nach dem Ausland Hinderniffe nicht mehr bereitete, zahlreiche Leute veranlaßt, der Heimat den Nücen zu fehren, und dem an jich dinmen Bevölferungsitand jener Provinzen Jahr für Jahr tarfen Abbruch ges than; mit dem Umjichgreifen diefer Bewegung tt es für die Gropgüter fortgejeßt jchwieriger geworden, das zur Bewirtjchaftung erforderliche Berjonal an Gefinde und Tagelöhnern fich zu bejchaffen; und nicht mit Unrecht wird die Notlage der öjtlichen Provinzen zu einem guten Teil auf Ddiefe Landflucht der Fleinen Leute und das allmähliche Verliegen eines entiprechenden Arbeiterangebots zurücgeführt. Unter diejer Bes völferungsabnahme leidet jchlieglich aber nicht nur der Gropbeiis, jondern auch das anjällige Gewerbe und die Hamdelsthätigfeit, weil die Zahl der Abnehmer der Erzeugnifje des Gewerbfleies fich itetig mindert und weıl eine ausichlieglih auf den Ertrag von Tagelohn angewiefene Yand- bevölferung emen fauffräftigen Konjumenten überhaupt nicht Ddarjtellt. So Sind allgemein politiiche mit volfswirtjchaftlichen, jocialen und privatwirtichaftlichen Gejichtspunften zufammengetroffen, mit der Folge, daß am Ausgang des Jahrhunderts der Weg der Yln- jiedelungspolitif in großem Styl von Nenem bejchritten wurde. Bei der Anjegung von Bauernjtellen in den Gebieten des Grop- grumdbeliges fann man entweder jo verfahren, daß der Staat Großgüter auffauft, fie parzelliert und in entiprechenden Größenabjtufungen an die Bewerber um jolche Stellen abgiebt; oder auch jo, daß die Großgrund- bejiger jelber — mit oder ohne Mitwirfung des Staats im Bereich ihres Grumdbefises das Anfiedelungswert vollziehen. Den Ddurch- greifenditen Erfolg wird man auf dem eritgedachten Weg zur ver zeichnen haben, zumal der Staat in diefem Fall auf die Auswahl der Koloniiten ıumd die Art und die Bedingungen ihrer Anjegung den maßgebenden Einfluß behält; er ift gewählt worden in dem Gejeß vom 26. April 1886 über die Beförderung deutjcher Anfiedelung in den preußischen Provinzen Weitpreußen und Bojen. si dem zweiten Fall hängt der Umfang des Anfiedelungswerts von der Geneigtheit des Grop- 76 Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverfehr 2c. grumdbejiges ab, Bodenmaterial zur Anfiedelung bänerlicher Wirte zur Verrügung zu stellen; und Dieje Geneigtheit wird aus naheliegenden Gründen nur dann in größerem Umfang zu Tage treten, wenn unter dem Druck wirtichaftlicher Verhältnilfe die Verkleinerung des Wirtichafts- Areals auf eine der Betriebsfapitalfraft des Beligers entiprechende Größe, ferner Die Möglichkeit der Schuldabjtoßung mitteljt der eingehenden Grund jtücfserlöfe, endlich die Anfähfigmachung fleiner und mittlerer Wirte und die damit verfnüpften bejonderen Vorteile (Schaffung und Erhaltung landwirtichaftlicher Arbeitskräfte, Verhinderung der Abwanderung vom flachen Yand) als überwiegend nüßliche Maßnahmen für den Großgrund- beit Tich darjtellen. Ber der Schwierigfeit eines ausschließlich privaten Vorgehens auf diefem Gebiet und bei dem allgemeinen jtaatlichen In= terejfe, das an die ‚sernhaltung und Beleitigung einfeitiger und an die Herbeirührung gejunder Bodenbejisverhältnifie lich fmüpft, thut der Staat jedenfalls wohl daran, dem privaten Anfiedelungswerf durch die Gejeß- gebung unterjtügend und fürdernd zur Seite zu jtehen; und jolchen Er- wägqungen jind die preußischen Gejege vom 27. Sunt 1890 und 7. Juli 1891 entiprungen, Die eime jehr umfaljende jtaatliche Hilfsaftion in die Wege leiten jollen und wegen der bejonderen Nechtsform, unter der der Eigen- tumserwerb der nen zu Ichaffenden Bauernitellen sich vollzieht, den Kamen Nentengutsgejege führen. — (Ein ähnliches Anftedelungs- werk wie es in Preußen nunmehr im Gange tft, hat jih in Medlen- burg-Schwerin auf Grund einer landes sherrlichen Verordnung dom 16. November 1867 thatjächlich vollzogen, indem in Ddiefem Lande eine Menge lediglich mit Zeitpachtrecht ausgeitatteter bäuerlicher Wirte unter Erbpachtrecht geitellt und daneben zahlreiche Kleinitellen (Büdneritellen) neu geichaffen wurden.) Die wichtige Frage, welche Beligrechte den Anftedlern auf den neun zu Ichaffenden Stellen einzuräumen jeten, tt Durch die preußilche Gejeggebung, abweichend von Medlenburg, nicht im Sinn der Erb- pacht (vergl. ©. 22), jondern im Sinn der Übertragung zu Eigentum entichieden worden. Dabei hat der Gejeßgeber in bemerfenswerter Weile auf das altdeutiche Nechtsinititut des Nentenfaufs zurücdgegriffen, d. h. die Erwerbung des Eigentums it nicht, wie jeither nach gemeinen echt, an die Zahlung des Kapitalwerts der Liegenjchaft oder an die Ein- gehung einer Kapitalichuld gebunden, jondern diefer Eigentumserwerb wird jchon durch die Verpflichtung zur Zahlung einer jährlichen Nente wirfjam. Die grundjägliche Bedeutung diejer Neuerung, welche an Stelle der Napitalverichuldung die Nentenjchuld jet, wird päter noch ihre bejondere Würdigung finden; hier genügt es, darauf Hinzumeiien, dal die Möglichkeit, Durch Zahlung einer aus den Erträgnifjen des Guts zu erwirtichaftenden Nente liegenschaftliches Eigentum zu erwerben, das Anfiedlungsiwerf ebenjojehr erleichtert wie in jeiner joctalpolitiichen Trag- weite veritärft hat, weil die mit der Übernahme einer Kapitaljchuld jeder: ne $ 18. Grundeigentumsverteilung und Anfiedelungspolitif. EZRT zeit verfnüpften Gefahren und Nachteile vermieden werden umd iveil der Kreis der anliedelungsluitigen Bewerber Tich wejentlich erweitern fan, wenn ein vorhandener Kapitalbeiig nicht in eriter Nethe für Die Bewerbung um Anfiedlungsitellen ausjchlaggebend it, jondern wenn auch minder vermögliche, aber geichiefte und fleigige Elemente als Bewerber um jolche Stellen auftreten fünnen. Sm SIutereiie der Nachhaltigkeit des unternommenen Ansiedlungswerfs und der dauernden Sicherung der damit er itrebten Zwecke, insbejondere zur Fernhaltung umwirtichaftlicher DBer= fleinerung der neu geichaffenen Stellen hat die preußifche Nentenguts- gejeßgebung die Nentengüter neuerdings dem Anerbenrecht (liche S 20) unterjtellt und bereits in der grundlegenden Gejeßgebung von 1890/91 die Abveräußerung von Teilen der Anfiedelungsgüter oder deren Terlung von der Genehmigung des zum Bezug der Nente Berechtigten ab- hängig gemacht, diefem auch im Fall eines Berfaufs ein VBorfaufsrecht eingeräumt; auch it zu diefem Behuf die Ablösbarfeit der Nente oder doch eines Teils derjelben von der Zuftimmung beider Teile abhängig gemacht worden; die Nente fan aljo unter Umftänden den Charakter einer ewigen Rente annehmen. In diejer Art dev Negelung liegt nichts, woran an fich ein Anfiedelungsiuftiger Anjtand nehmen müßte; md jelbit die jcheinbare Härte, welche der Unterordnung der eigenen Entjchliegung unter diejenige eines Dritten betreffs der Vornahme von Tetlungen oder Abveräußerungen vielleicht vom Gefichtspunft des Angefiedelten anhaften ’ mag, ericheint dadurch wejentlich abgeichwächt, daß die von dem privaten Großgrundbefiger verjagte Genehmigung zu einem das Nentengut be treffenden Nechtsaft durch die Staatsbehörde erteilt werden fan; noch mehr dadurch, dag der Staat vermittelit der Einrichtung einer bejonderen Banforganiation (Rentenbanfen!) in die Nentenforderungen eimzutreten befugt it und im diejem Fall die dem Nentenberechtigten eingeräumten Berugnifje ausichlieglich handhabt. Umgefehrt erwetit fich dieje Übernahme der Nentenforderungen auf die jtaatliche Nentenbanf auch für den folo- nifierenden Großgrundbeiig als wertvoll, weil er als Gegenwert für Die abgetretenen Nentenanjprüche deren Stapitalwert erhält, aljo jofort in den Befis Füffiger Mittel zur Dedkung von Schulden oder zur Verjtärfung des Betriebsfapitals gelangt. Die Begründung von Nentengütern tt msbejondere nach der rechtlichen Seite Hin dadurch wejentlich durch die preußtiche Geleß- gebung gefördert worden, daß, joweit es fich um hypothefariich belajtete Großgüter. handelt, auf Anjuchen die Generalfommiflton in den Formen des Auseinanderjegungsverfahrens die Begründung unternimmt, 1nS= beiondere aljo die Hypothefenverhältnifje ordnet und die Einwetlung des Anfiedlers in das von allen Privathypothefen befreite und nur mit der Nentenbanfrente belafjtete Nentengut beiorgt. Weiter fanıı das Yır- jiedelungswerf durch Erleichterungen, die dem Anjiedler gewährt 73 Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverkehr 2c. werden, mannigfache Förderung erfahren; dahin zählt insbejondere Die Einräumung emmer Anzahl Freijahre, in denen die Entrichtung der Rente ruht, ferner die Übergabe des Guts in einem betriebsfähigen Zujtande, die Überlaffung von Baumaterialien zur Errichtung der Baulichkeiten zu mäßigem Preis, die Überweifung von Wirtjchaftsvorräten zur Dedung des nächiten Bedarfs bis zur Erzielung der eriten Ernte und anderes mehr. In diejer für die Anftedler wertvollen Weije pflegt bei dem Yln= jiedelungswerf in Bojen und Wejtpreußen unter Snanipruchnahme der hierfür bejonders bewilligten großen Geldmittel LOO Mill. DE) verfahren zu werden, während ein ähnliches Vorgehen in den anderen preußtichen Provinzen mangels entiprechender Staatsfredite zur Zeit ausgejchlofjen tt. Die Bedeutung des Eingriffs in die beitehende Grund- eigentumspverteilung, wie er ich im Wege der bejchriebenen Anfiedes (ungs- und bezw. Nentengutsgejeßgebung jeit einigen Jahren vollzieht, (iegt Klar zu Tage; und diefe Bedeutung bejchränft fich nicht auf den Bereich der preußiichen Monarchie, Jondern greift viel weiter. Be fanntlich leiden einzelne Teile Mittel- und namentlich) Süddeutichlands an Zuitänden einer thatjächlichen Übervölferung und dieje leßtere führt alljährlich Taujende von fräftigen Leuten beiderlei Geichlechts über das Meer, um unter fremden Himmelsjtrichen eine neue Heimat jich zu gründen; dem Deutichtum und dem Vaterlande gehen diefe Auswanderer fait ausnahmslos verloren. Wenn nun in Deutjchland jelber, nämlich in dejjen öjtlichen Provinzen, noch für Hunderttaufende von Bauern- familien Naum ijt, jollte es da für die Auswanderungsluftigen nicht rätlicher jein, ihr Heim in jenen neu erichlojfenen Anfiedelungsbezirfen aufzujchlagen, jtatt irgendiwo jemjeits des Meeres ihr Glüc zu verjuchen! Zumal in der Gegenwart, wo die beiten Anfiedelungsgründe in Nord- amerifa längit vergeben find und hier wie in anderen transozeantichen Ländern die Bedingungen vworrtichaftlicden Gedeihens lange nicht mehr jo günstig liegen als vor 20 und 30 Jahren. Schon find eine Anzahl jüddeuticher Gemeimdeniederlafjungen im öjtlichen Deutjchland entitanden; e3 wäre zu wiünjchen, daß dem gegebenen Beiipiel andere bänerliche aus: wanderungsluitige Elemente folgten, jtatt, was noch immer die Negel bildet, mit ihrem bejcheidenen Hab und Gut einem unficheren Schicjal weit draußen in der Fremde entgegenzugehen. Auch die wirtichaftlihe Nüdwirfung des in Nede jtehenden Gejehgebungswerts auf die Yage des Großgrundbejiges, insbejondere des verjchuldeten, ift nicht zu unterjchägen; und die große Menge der bei den jtaatlichen Behörden (Generalftommiiiionen) eimlaufenden Anträge auf Nentengutsbildungen ipricht in diefer Hinficht deutlich genug. Die Abitogung eines Teils des Gutsareals, meiit der Außenwerfe, ermöglicht einen um jo intenjiveren Betrieb auf der verbliebenen Reitfläche, und Die erzielten Kaufichillinge, fjoweit fie nicht zur Tilgung der drücenditen Schuldenverbindlichfeiten Verwendung finden müljen, liefern die für Diejen $ 19. Hemmungen der Freiheit des Grundeigentumsverfehrs durch das Erbreht. 79 intenjiveren Betrieb erforderlichen Wüttel; in den Familien der anges jegten Anjiedler wächit allmählih ein Stamm tüchtiger Arbeitsfräfte heran, d. 5. die Arbeiternot wird mit der Zeit ihre jebige Schärfe verlieren, der ganze Yandwirtichaftsbetrieb der üftlichen Gegenden mit der zunehmenden Dichtigfeit dev Bevölkerung des flachen Landes an Stetig= feit und nachhaltiger Kraft gewinnen. Bon einem „fleinen Mittel“ jollte man daher im Hinblict auf die zur Durchführung Ddiefer Ziele be- reitgeitellten Machtmittel des Staats (Behördenorganismus der Generals fommiflionen und der Anftedelungsftommiliton in WBojen und Weit: preußen; NRentenbanforganijation und Übernahme der Nentenjchulden auf dieje Banken) nicht reden; vielmehr jteht Für die beteiligten Gegenden ein „großes Mittel“ in zrage, deilen Wirfjamfeit freilich der Natur der Sache nach erit nach längerer Zeit fich voll erweisen fanı. $ 19. Hemmungen der Freiheit des Grundeigentumsperfehrs und der Grundeigentumsverteilung Surh das Erbrecht; die Fideifommifje insbefondere. Wie bereits erwähnt, find von tiefgreirenderem Cimfluß auf Die Srundeigentumsverteilung als die Nechtsafte unter Yebenden die auf den Todesfall wirfjam werdenden Nechtsporgänge Denn die Auf- teilung des Grundbejiges unter eine Vielheit von Staatsangehörigen, die möglichite Zugänglihmachung des Grundeigentums für Jedermann fann nicht icherer bewirft werden, als durch Übertragung des Grundiaßes der ‚sreiheit des Giüterverfehrs auf die Vermögens-Nuseinanderjegungen, Die der Tod des Familienoberhauptes nötig macht. Uingefehrt giebt es fein wirfjameres Mittel, die einmal beitehende, d. hd. geichtchtlich überfommene Grundeigentumsverteilung zu erhalten (zu fonjervieren), als die Aufer: legung rechtlicher Bejchränfungen betreffs des Grundbelises für Die Ver: fügungen von Todeswegen. Der große Einfluß des geltenden Erbredhts auf die Vorgänge im Grundeigentumsperfehr und auf die thatjächliche Grundeigentumsverteilung liegt aljo flar zu Tage; und der alte und ewige Gegenjaß von Freiheit und Beichränfung, von einer mehr liberalen oder mehr fonjervativen Ausgejtaltung des Nechts- (ebens it auch auf diefem Gebiet des Erbrechts gerade in der Gegen wart wieder erneut in die Erjcheinung getreten. Denn wenn die Bes jonderheit des Erbrechts von fo tief einjchneidendem Einfluß auf den Verlauf des Grundeigentumsverfehrs fich erweilt, jo fanın augenjchein= (ih das Erbrecht zu einer jehr fräftigen Waffe gegen befürd)= tete Auswüchje der „sreiheit dDiejes Verfehrs gejchmiedet werden; und je jchärfere Schranfen gegen perjönliche Willfür des Beligers für den Fall jeines Ablebens aufgerichtet werden, um jo jtärfer werden Die Hemmungen jein, die fich Anderungen der beitehenden Grundeigentums verteilung in den Weg Itellen. s0 Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverfehr ze. Seine jchärfite Ausgeitaltung im Sinne umveränderter Er- haltung der gegebenen Grumdeigentumsverteilung erfährt das Erbrecht dann, wenn es zuläßt oder verordnet, daß Güter von dem jeweiligen Eigentümer auf deijen Gejchlechtsnachfolger bis zum Ausgang des Ge- jchlechts oder doch bis zu einem bejtimmten Zeitpunkt ungeteilt überzu- gehen haben, wenn ferner den jeweiligen Beligern die Veräußerung oder Herfleinerung, ja jelbit die VBerichuldung des Beliges gar nicht oder nur unter erichwerenden VBorausjegungen gejtattet it, wenn endlich jolche Güter den Nechtsvorzug genießen, daß auf ie niemals die Zwangsver- jteigerung, jondern nur die Zwangsverwaltung Anwendung finden fann. Hüter, die einem jolchen Sonderrecht unterliegen, heißen Fideifommitie (auch Stammgüter, immerwährende Majorate) und das ihre Ber: fallung regelnde Necht Fideifommißreht. Das Fideifommiß bildet alfo auf der langen Linte der Erbrechtsentvicdlung den jchärfiten Gegen- jab zu dem Grundjaß der zsreiteilbarfeit und die nachhdrüdlichite Hemmung der Freiheit des Güterverfehrs; die Gebundenheit des Eigentums tt in diefem Snititut in vollendetitem Maße verwirklicht und eine fivetfommiljariiche Feitlegung des gejamten Grumdbeliges würde einer VBerewigung der einmal gegebenen Grundeigentumsverteilung gleich- fommen. Das Fivetfommiß tt nicht, wie man glauben fünnte, auf dem Boden der deutichen Nechtsentwielung entitanden, die vielmehr auch im Bereich der Großgüter Ichon sehr frühe der naturalen Teilung zuneigte (S. 16), jondern aus den romaniichen Staaten (vermutlich aus Spanien) nach Deutjchland verpflanzt worden. Im Laufe diejes SJahr- hunderts, unter der Eimwirfung der Ideen der bürgerlichen Nechtsgletch- heit vielfach befämpft, hat das Fideifommißrecht mannigfache Wandlungen durchgemacht, it in einzelnen deutjchen Staaten aufgehoben, in anderen in der einjchränfenden Kraft jeiner Nechtsnormen mehr oder weniger abgejchwächt worden; legteres insbejondere in der Nichtung, dab der Srundjaß der Unteilbarfeit, Unveräußerlichfeit und Unverjchuldbarfeit vielfach gemildert, auch die Haftung des Guts für bejtimmte Arten von ‚ideifommißjchulden nicht mehr jchlechthin ausgeichlofjen wurde. Uberall endlich ift die Errichtung neuer oder die Vergrößerung beitehender Fidei- fommißgüter von der Genehmigung der Staatsbehörde abhängig gemacht worden. Der der Einrichtung zu Grunde liegende Gedanke, ein Gut im Belig einer Familie zu erhalten und den Glanz beitimmter Gejchlechter, der mit dem Befig von Grund umd Boden auch nach heutigen Ans ichauungen untrennbar verfnüpft ericheint, dauernd zu bewahren, tt an fich nicht abzulehnen; mindeitens nicht von jenen, die das Vorhandenjetn einer bejtimmten Anzahl Großgüter in einem Staat und die dauernde Erhaltung sjolcher Großgüter als wertvoll in politiicher und volfswirt- ichaftlicher Hinficht anjehen (ehe ©. 18); und man wird grundjäßliche $ 19. Die Fideifommifje insbejondere. Ss1 Bedenken gegen die Nechtseinrichtung namentlich) dann zurücdrängen dürfen, wenn von der Eimräumung des in den Augen anderer Grund bejiger ein amitößiges Privtlegtum bildenden Nechtsvorzugs der abjoluten Nichthaftbarfeit des Guts für Schulden abgejehen wird, wie meiit jeßt der Fall it. Weit der wiederholt vertretenen Forderung einer volfstiimz lichen Aufteilung des Grund und Bodens im Gegenfag zu einer aus= geiprochenen ariitofratiichen (S. 2, 17) würde dagegen eine große Vielheit von thatlächlich und rechtlich außerhalb des Verkehrs Itehenden Fidei- fommißgütern nicht im Einklang fein; und es ergtebt ic) daraus die Folgerung, nicht nur, daß die Errichtung von FJidetlfommißgütern der Itaatlihen Genehmigung bedarf, jondern auch, daß von Diejer Ge- nehmigung überall nur ein Iparfamer Gebrauch zu machen und Diele jedenfalls zu verjagen it, wo in beitimmten Landestetlen bereits eine nennens- werte Anzahl jolcher Güter beiteht, die Grundeigentumsvertetlung alfo das einjeitige Bild des vorherrichenden Großbeiiges auf Noten des mittleren und kleineren Grundbeiißes bereits aufvetit. Nicht nachteilig, Jondern volfs- wirtichaftlich nüßlich wird jich das Fidetfommiß dam erwetien, wenn den wejentlichiten Beitandteil des ‚Fideiftommißvermögens Waldungen bilden, da Privatwaldungen im allgemeinen nur in der Hand des Gropbefiges rationeller Bewirtichaftung unterliegen und die jchonliche Behandlung und Erhaltung des privaten Waldbeitandes jedenfalls im Syitem des Fidei- fommißrechts am beiten gewährletitet tt. sn Deutichland tit der Fidetfommiljarisch gebundene Grundbeiig im großen und ganzen nur mäßig vertreten, verhältnismäßig noch am jtärfiten im Ddeutichen Nordojten, obwohl auch hier die Fidetfommiß- (und Lehen=) Güter doch nur 6—7°/, der ertragsfähigen Fläche bilden. Dagegen it im Großbritannien nahezu der ganze Großbefit einem dem deutjchen Fideifommißrecht verwandten, wenn jchon wejentlich abgejchiwächten Ssamilienrecht (Necht der jog. Entails) unterworfen und es macht die Dadurch bewirfte Starrheit der Grumdeigentumsverteilung um jo nachteiliger fich geltend, als ohnehin die Belibverteilung durch übermäßiges Über: wiegen des Groß und übergroßen (Latifundien=) Beliges eine denfbar eimjeitige Ausgeitaltung aufweilt. Gehört doch in England und Wales über ein Viertel des ganzen Landes 374 Berfonen mit einem Grund- renteneinfommen von 240 Will. DE, m Schottland gar nur 580 Ber: jonen drei Viertel des Grund und Bodens mit einem jolchen Einfommen von SO Wü. ME. und in Srland 744 Berionen die Hälfte des ganzen Landes mit einem Einfommen ähnlicher Höhe. Es darf nicht Wunder nehmen, daß angejichts diefes Wüßverhältmifjes, in dem die thatlächliche Bodenbejisverteilung mit dem berechtigten Wunfch auf thunlichite Verall- gemeimerung der Beligrechte am Grund und Boden jteht, in dem xsnjel reich die anfänglich nur gegen die Befeitigung der Entatls Sich vichtende Bewegung allmählich zu einer jolchen auf Nattonalifierung (Beritaat- lichung) des Grund und Bodens ausgewachjen it, ein bemerfenswertes Buhenberger. 6 82 Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverfehr zc. Zeichen, wie jehr in heutiger Zeit dem Empfinden weiter Bolfs- freiie die Monopolifierung des Grund und Bodens in den Händen weniger wideritrebt. Das deutiche Fideifommip wie das verwandte englische Entail ift eine dem Familien= und Standesbewußtjein der Bornehnten des Volfs entiprungene und daher dem Großgrundbejiß angepaßte Einrichtung; fie tt entitanden in Neaftion gegen ein die Gleichberechtigung der Gejchwiiter ausiprechendes und die Teilung der Güter fürderndes Volfsrecht; und um des Jedes willen, dem das Fivetfommiß jene Entitehung verdanft: den Glanz und das Anjehen der gamilte aufrecht zu erhalten, jcheute man nicht Davor zurüd, den nachgeborenen Gejchwiltern des zur Nachfolge berufenen Majorats- (Stammguts-) Herun weitgehende Opfer durch Ber- weilung auf fnappe Abfindungsrenten Alpanagen) aufzuerlegen. Schon diefe Betrachtung ergiebt, daß eim ähnliches Necht aus der bäuerlichen Bevölferung Heraus Jich nicht entwicdeln konnte, weil eben im Diejen Kreiien alle Vorausjegungen für ein jolches Necht fehlen. Weder tft hier der Familienfinn, der mit einer jpäteren Zukunft rechnet, jo mächtig entivicelt, da Tich der jeweilige Suhaber des Guts im sntereffe fonmender Generationen weitgehende Bejchräntungen jeiner Berfügungsfreiheit über das Gut frenvillig auferlegen möchte, noch auch it jenes Maß von Selbjtverlengnung im Streis der Familtienangehörigen vorhanden, Ddefjen es bedarf, wenn auf die Erbanfprüche zu unten eines bevorzugten Erben vonjeiten aller anderen im wejentlichen verzichtet werden joll. Es bat daher nichts auffälliges, daß der in einzelnen Staaten (Bayern 1855, Helfen 1858) unternommene Berjuch, durch eine befondere Gejeßgebung der Errihtung von bäuerlichen Fideifommißgütern mit VBeräuße- vungs-, Teilbarfeits- und Berjchuldungsbeichränfungen Eingang zu ver ichaffen, völlig fehlgeichlagen it. Ein ftarf ausgeprägter Sinn für yirtichaftliche Ungebumdenheit, das Bedürfnis, gegenüber den nächjten Angehörigen in Angelegenheiten des Haujes und der Dfonomie jeine Unabhängigkeit zu wahren, find eben jo jehr wejentliche Werfmale des bäuerlichen Charakters, daß jede Gejeßgebung von vornherein dem weit gehenditen Miftrauen und pafliven Widerjtand begegnen wird, die darauf rechnet, dab ich der Bauer freiwillig eimem Nechte unterordnet, das das gerade Gegenteil jolcher Charaktereigenjchaften zur umnerläßlichen Borausjegung hat. Sehr verjchieden von dem Fiveifommigrecht und Fiveitommikähne lichen Nechtseinrichtungen find jene Nechtsnormen, welche lediglich dars auf abzielen, die naturale Teilung der Landgüter im Erbweg zu ers ichweren, die aljo der Einbürgerung der Einzelerbfolge Vorjchub leiiten wollen. Dieje Nechtseimrichtungen zu erörtern, joll im folgenden Paragraphen unternommen verden. S 20. Das bäuerliche Anerbenrecht. 33 $ 20. Fortjegung; das bäuerliche Almerbenrecht (Recht der Einzelerbfolae). Der im Anfang diejes Sahrhunderts nen verfümdete und durch die Gejeßgebung verwirflichte Grundjab der Freitetlbarfeit der Güter (Mobilifierungsfreiheit) führt in jeiner Anwendung auf den Verkehr von Todeswegen zur naturalen Berteilung des Liegenjchaftlichen Nachlaijes, beeinflußt allo die Grundeigentumsperteilung im Stimme der Zugänglichmachung des Grumdeigentums an thimlichjt weite Streife der Boltsgemeinjchaft in witjamster und nachhaltigiter Weife. Untgefehrt muß ein Erbrecht, welches darauf abhebt, die landwirtichaftlichen Ylır wejen in Exrbfällen in ihrer Subjtanz unangetaftet, alfo fie ungeteilt vom Bater auf mur eim Kind unter den miterbberechtigten Sindern oder auf einen jonit mächjtverwandten Erben übergehen zu laljen, wefentlich fonjervierend auf Die gegebene Grumdeigentumsverteilung wirfen und den mit der Freigebung der Teilbarfeit der Güter ver- fnüpften Abfichten einen jtarfen Riegel vorjchieben. Und es fragt Sich auch hier wieder, ob und inwieweit die Einjchaltung einer jolchen Hemmung in die Freiheit des Güterverfehrs nach den vorliegen- den Erfahrungen angezeigt und nötig jet. uch diefe Frage it eine vielumjtrittene; das Machjolgende wird zur Klärung der Frage bei- zutragen vermögen. : Wo wegen der Bejonderheit der landivirtichaftlichen Betriebsver- hältniffe die uneingejchränfte Julallung der Freiteilbarfeit grumdiäßlichen Bedenken überhaupt begegnet, wie in Gebirgs- und Waldgegenden, für die die Beibehaltung der Gejchlojfenheit (rechtlichen Gebundenbeit) der älteren Zeit nach den Ausführungen auf S. 71 ff. auch heute noch jich empfiehlt, muß diefe Gejchlofjenheit folgerichtig auch für den Erb- gang aufrecht erhalten bleiben; das Syjtem der Einzelerbfolge, d. h. die Übernahme des Anwejens durch einen der Erben (den jog. Anerben), iit daher in Ddiefen Gegenden die naturgemäße Folge der Gejchlofjenheit jelber. Und weil, wo diefe Gejchloffenheit bejteht, eine Teilung des liegenschaftlichen Iachlapvermögens unter die mehreren Erben, jelbft im Weg der legtwilligen Dispofition des Erblafjers, schlechthin ausgejchlofjen it, fann man Ddiefe Form des Nechts der Einzelerbfolge wohl als „Hwangsamerbenrecht” bezeichnen. Diejes Zwangsanerbenrecht fommt in der Gegenwart mur noch jehr vereinzelt vor (Sachen und andere mitteldeutjche Staaten, badijcher Schwarzwald), es ift aber chemals, jeit dem Ausgang des Nüttelalters, das im Deutjchland für die Vererbung bäuerlicher Anmwejen vorherrjchende Erbrecht gewejen und bis zum Anfang des Jahrhunderts das vorherrjchende geblieben. Ein „volfstüm- liches” Recht in dem Sinne, daß es aus dem Nechtsbewußtiein der bäuerlichen Bevölkerung jelber ich entwicelt habe, faın man es gleich- wohl nicht mennen; vielmehr it es im vielen Gegenden im Gegenjab zu dem herrjchenden Erbrecht, das zur Naturalteilung himeigte, durch die 6* s4 Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverfehr 2c. SGrundherren und nachmals durch die Territorialherrichaften der im Grunde herrlichfeitsverband jtehenden bäuerlichen Bevölkerung aus Gründen, die vorwiegend mit der guten Erfüllung der Spanus, Frohn- oder Abgabe- pflicht der Bevölkerung zufammenbingen, aufgenötigt worden (jiche S. 16). Diefe Entitehungsweile der Gejchlojjenheit bäuerlicher Anwejen mit Swangsanerbenrecht darf indejfen nicht zu der Folgerung verleiten, daß die Nechtseimrichtung, wenn fie Schon zumächit vorwiegend privativirt- Ichaftlichen und fisfaliichen Erwägungen ihre Entitehung verdanfte, volfs- wirtschaftlich feinem Bedürfnis entiprochen babe. Dies war vielmehr für die vüchvärts liegende Zeit ficher der Fall, weil damals die Technif des Betriebs im allgemeinen noch wenig entwicelt, deshalb die Brutto- und Neimertägniffe der landwirtichaftlichen Berufsarbeit niedrige waren und Daher jedes Gut wegen der berrjchenden extenfiven Betriebsweie eine gewilfe anjehnliche Größe haben mußte, wenn eine bäuerliche ‚samtlte darauf jollte beitehen („haufen“) fünnen. Num machte ich aber im Mittelalter in vielen Gegenden als Folge der üblichen Naturaltetlung im Erbgang eine weitgehende Befiszeriplitterung zum Schaden einer wohl- Itändigen Entwiclung des flachen Landes mehr und mehr bemerkbar. Dhne das Eingreifen der Grund- und Yandesherren würde diefer Prozeß mutmaßlich immer weiter um ich gegriffen Haben. Die Aufrichtung einer Schranfe gegen den wachjenden Zeriplitterungsprogzeß, d. 5. die in jenem echt gegebene VBorjorge dafür, daß in weiten Umfang „pannfähige” und auch Iteuerlich leiitungsfähige („präftationsfähige”) Güter erhalten blieben, darf daher für jene Zeit eime in ihren Wirfungen volfswirt- Ichaftlich wohlthätige genannt werden (vergl. auch S 17 Ziffer 2). Seit der Sprengung des Grumdbherrlichkeitsperbandes, der Ablöjung der bäuerlichen Lajten, der Zurücgabe der vollen perjönlichen Freiheit an die bäuerliche Bevölkerung Sind nahezu überall die Teilbarfeits- bejchränfungen der älteren Zeit und it damit auch die Nechtseinrichtung des Zwangsanerbenrechts gefallen, zum Teil freilich erjt in neuerer Zeit (Hannover, Oldenburg, Braunjchweig, ebenfo in Dfterreich). Gleichwohl hat jich das Syjtem der Einzelerbfolge (das Anerbenrecht) gewohnbheits- mäßig im weiten Streien der bürgerlichen Bevölkerung erhalten und es wird diefe Anerbenrechtsiitte durch Übergabe des Amvejens durch einen Nechtsaft unter Lebenden (Hutsübergabeverträge, Kindsfäufe) zu jichern gejucht; und länderweife hat das Syjtem der Einzelerbfolge eine Diejelbe regelnde Ordnung durch Die Bejeggebung jelber erfahren. Dieje Gejeßgebung stellt gegenüber den allgemeinen Erbrechtsnormen, die jedem gleich nahen Erben em gleiches Erbrecht auf die Hinterlaffenichaft und folgerichtig demmach auch einen gleichen Anteil an der hinterlafjenen liegenichaftlichen Habe einräumen, ein Sonderrecht dar, über dejjen recht: liche Ausgeltaltung das Folgende zu jagen it: Das neuzeitliche Anerbenrecht Sieht von jeder privatrechtlichem Beichränfung der VBerfüqungsfreiheit des Eigentümers über das Gut ab, $ 20. Das bäuerliche Anerbenrecht. te}5) läßt aljo eine Teilung oder Verkleinerung des Guts durch Nechtsafte unter Lebenden oder auf den Todesfall zu, hindert insbeiondere den Guts- bejiger nicht, Durch jolche Nechtsafte (Gutsübergabeverträge, lebtiwillige Berfügungen) das Gut auch unter mehrere Erben zu verteilen; vechtlich wirfjam wird vielmehr diefes neuzeitliche Anerbenrecht nur in dem Fall, daß der Erblafjer betreffs des Nachlafjes nichts verfügt bat, aljo ab intestato vererbt wird; das dem Anerbenrecht unterworfene Gut darf in Ddiefem Kal im Erbgang nicht in natura geteilt, jondern muß ums geteilt dem nach näherer Beltimmung des Gejeßes berufenen Erben (dem Anerben) übergeben werden. Ergreift das Anerbenrecht fraft Gejetes beitimmte Kategorien von Gütern eines Staats oder einer Provinz, To ipricht man von direftem Iuteltatanerbenrecht; wird aber die Ylır= wendung des Anerbenrechts von einem ausdrüdlichen Willensaft des Belißers, daß er jeim Gut dem Anerbenrecht unterwerfen wolle, abhängig gemacht, jo Ipricht man von indireftem oder fafultativem Anerbenrecht, und da Ddiefer Willensaft gemeinhin durch Eintrag Des Guts in eine bei den Gerichten zu Führende öffentliche Nolle („Höferolle”) lich bethätigen muß, jo hat man Diefes legtere Erbrechtsiyitem auch kurz als „Syitem der Höferolle” bezeichnet. Das erjtere Syitem ift in Draumjchweig und einigen anderen kleineren mitteldentichen Staaten, ferner in Diterreich, das Syitem der Höferolle in Breufen zur Anwendung ge= langt; jenes it augenscheinlich das wirfjamere, weil e8 die Amvendung des Anerbenrehts nicht erjt von eimem ausdrüclichen Willensaft des Belisers, das Gut in die Höferolle eintragen zu lafjfen, abhängig macht. Es verdient daher da, wo die Erhaltung der Einzelerbfolge befonders wichtig ericheint, den Borzug; zumal die Erfahrung in Preußen gezeigt hat, daß vielfach die bäuerlichen Landwirte aus Gründen verichiedenjter Art: aus Lälligfeit, aus Scheu vor peinlichen Auseinanderjegungen mit den nächjten jamitlienangehörigen oder auch wegen der Abneigung der Befiter, Tich vorzeitig der Verfügung über das Gut zu entziehen, den Eintrag in die Höferolle unterlafjen, Erwägungen, denen es zuzuschreiben it, daß für die Nenten- und Anfiedlungsgüter das preußische Gejeß vom 8. Juni 1896 das Anerbenrecht kraft Gejeges wirfjam werden läßt. — Die Erbfolge: ordnung tit in den menzeitlichen Anerbenrechtsgefegen meist jubjidiär geregelt, d. h. dem Beliter tt im der Berufung des Anerben freie Wahl gelaffen und nur in Ermangelung einer bezüglichen Bejtimmung des Erblafjers tritt die im Gejeß feitgeitellte Succeilionsordnung ein, wobei dieje entiweder nur auf die Abfümmlinge oder, was ziwecdmäßiger, auch auf die Ahnen und Gejchwilter und deren Nachkommen ausgedehnt fein fan, wohl auch dem überlebenden Ehegatten ein Exrbfolgerecht oder doc) eine Sibgerechtigfeit eingeräumt it und im übrigen die Erbberechtigten weiblichen Gejchlechts zwar nicht grundjäßlich ausgeichlojfen werden, aber doch in der Negel den in gleichem Grad verwandten männlichen Erben nachitehen. Die Frage, ob unter den Nachkommen des gleichen Grads Ss Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverkehr ze. der ältejte (Emrichtung des Majorats) oder der jüngjte (Einrichtung des Weinorats) als Anerbe zu berufen jei, wird die Gejeßgebung am beiten im Einklang mit der Landesfitte enticheiden, da entjcheidende Vorzüge oder Nachteile weder dem Majorat nach dem Weinorat anhaften. Einen wichtigen und zugleich jchwierigen Bunft der Ord- nung bildet die Feitiegung Des Übernahbmewerts des Guts (Die Gutstare), zu dem der Anerbe behufs der Auseinanderjegung mit den Witerben das Gut zu übernehmen hat; jchiwierig namentlich deshalb, weil hierbei zwei Tich widerjtreitende Interejfen: einmal des Anerben an einer mäßig bemejjenen Taxe, um im Befit des Guts jich behaupten zu fünnen, und jodann das „sntereffe der Gejchhoiiter an einer möglichit gerechten Abfindung ihrer Erbanfprüche sich Ichroff gegemüberitehen. Aus den früher erwähnten Gründen (S 15) würde die Zugrundelegung des laufen= den DVerfehrsiwerts, weil diefer jo häufig in anormaler Weife auf Grund zufälliger Berhältnifje von Nachfrage und Angebot jich bildet, jedenfalls nicht in Betracht fommen fünnen, jondern der auf Grund vorzunehmender Neinertragsberechnungen zu ermittelnde nachhaltige Ertragswert für Die Vermögensauseinande viebungen als maßgebend erklärt werden müljen ; und im Diefem Sinn it denn auch gemeinhin Die gejeßliche a erfolgt. Sie tft aber hierber meilt nicht Itehen geblieben, jondern hat, Übernahme älterer Nechtsnormen oder geltender Exrbrechtsfitten, dem Gute» iibernehmer (AUnerben) meift noch ein „Boraus” (Bräcipuum), d. 5. be> jondere Bergünftigungen eingeräumt. Diejes Voraus tt entweder jo geordnet, daß das Hofinventar oder daß der Gebäudewert nicht in Anz ichlag gebracht, jondern vorweg dem Anerben zugeichrieben wird, oder jo, daß die ermittelte Gutstare um einen bejtimmten Prozentbetrag ermäßigt, d. h. das Gut um einen jogenannten „Eindlichen Anjchlag“ überlafjen wird. Daneben pflegen wohl auch dem Anerben billige Abzahlungstrüten gewährt oder beitimmt zu werden, daß die eingetragenen Erbantetle während der Minderjährigfeit der Miterben nicht gekündigt werden dürfen, wohl auch während diefer Zeit nicht verzinft zu werden brauchen. Wo der Anerbe gegenüber u Witerben jolche VBergümnitigungen genießt, Die natürlich nicht zu einer Verkürzung der Pflichtteile führen dürfen, it ver- einzelt den Weiterben im Fall des Berfaufs des Guts durch den Alrerben für eine Anzahl Jahre ein VBorfaufsrecht oder doch em. Anfpruch auf Übererlös gegenüber der Anjchlagstare, zu der das Gut dem Anerben überlajjen war, eingeräumt worden. Um zu einer richtigen und unbefangenen Würdigung diejes neuzeitlichen Anerbenrechts zu gelangen, tft es gut, ich vor Augen zu halten, daß die in Nede Itehende Geleggebung lediglich diejenige Nechts- übung im die gejchriebenen Formen des Nechts gegofjen hat, die, und zwar im Gegenjag zu dem gemeinen Erbrecht, bei der bäuerlichen Bevölkerung jelber in vielen Teilen Deutjchlands, im Süden wie im Norden, fonfer= viert worden ijt. Man darf aus diefer zähen Feithaltung einer im a $ 20. Das bänerliche Anerbenrecht. 87 Segenjah zu dem herrichenden Erbrecht befindlichen Erbrechtsfitte, wie fie in den Übergabeverträgen zu Tage tritt, folgern, daß die bäuerliche Be- völferung bierbet von wohlerwogenen Berufsftonde- und YJamilieninter- ejfen ich leiten läßt. Und zwar wird man die inneriten, fir die Au rechterhaltung jener Sitte Iprechenden Erwägungen der ländlichen Be- völferung nicht etwa num auf das Beltreben des Hofbeligers zurückzuleiten haben, das ihm von feinen Vorfahren überfommene Gut ungeichmälert auch nach feinem Tod erhalten zu jehen, fondern vor allem auch auf die Erwägung, daß, wenn ein Gut gerade groß genug Üt, um einer Familie Arbeit und ausfömmlichen Unterhalt zu gewähren, eine Aufteilung des- jelben unter mehrere Kinder mutmaßlich zu einer Herabdrücdung der Lebenshaltung jeden einzelnen Kindes führen müßte, was dem natürlichen Empfinden der Eltern wideritrebt. Su vielen Fällen erjcheint die Auf- teilung eines Guts den Beteiligten umpirtichaftlich auch deshalb, weil die vorhandenen Gutsgebäude in einem richtigen Berhältnis zu dem ver- fleinerten Gutsteil Desjenigen Erben, der die Gebäude übernehmen joll, ic) nicht mehr befinden würden, alfo die Gutsrente a en hoch durch das Gebäudefapital Verzinfung, Unterhaltung, Berficherung) belajtet wäre, während die andern Erben zum Bau neuer Gutsgebäude jich genötigt jehen. — Dieje Erwägungen haben augenjcheinlich eine über reine PBrivatinterejien hinausgehende allgemeine volfswirtichaftliche nen an ui nn Din! it a der AuLı,, S aus iges unerwünjcht tt, vielmehr die a Des Rleinbefipes mit Gütern mittlerer Größe den Vorzug verdient (S. 19 ff.), und zwar nicht am wenigjten auch deshalb, weil die Inhaber kleiner Güter Fiir die Kahrungsmittelverjorgung der übrigen Stände, insbejondere joweit es jih um den Getreidebedarf handelt; wenig zu leiten vermögen, ein fort: gejegter Aufteilungsprozeß aljo Land und Bolf in wachjende Abhängig- feit Hinfichtlich des wichtigiten Nahrungsmittels von dem Ausland ver- jegen müßte. Wo der Landwirtichaftsbetrieb nach Boden und Klima im wejentlichen auf Getreide, Kartoffelbau und Bichhaltung angewiejen tit, und das trifft für weite Landesitreeden in Deutichland zu, muß an und für fich die Guts- (Wirtichafts>) Fläche eine wejentlich größere jein, wenn fie den Wirten eine jelbitändige Erijtenz gewährleiiten joll, als im Be- reich der auf den Bau hochwertiger Spectalfulturen jich jtüßenden Wirt Ihaften. Weindeitens für alle diejenigen zahlreichen Betriebe, die gerade an der Grenze der Unterhaltsmöglichkeit jtehen, würde deshalb in jolchen Gegenden des vorherrichenden Getreidebaues eine weitere Verkleinerung der Anmwejen im Erbweg umnratjam jein. Allerdings ermöglicht jeder sortichritt im der Technif des Betriebs eine Abminderung der Größen- einheit der Betriebe, und in dem Make, als jener Fortichritt fich vollzieht, fann unbejchadet der Erhaltung wohlitändiger Verhältniffe auf dem flachen Land eine jolche Berkleinerung, die mit der Zunahme der Zahl s8 Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverkehr 2c. der Wirte, aljo der Vermehrung der Bevölkerung des flachen Landes gleichbedeutend it, Pla greifen. Aber jolche technische Fortichritte pflegen fich nur langjam zu vollziehen und die Verkleinerung der Ammwejen und Die Bevölferungszunahme auf dem flachen Lande wird Daher zweemäßig diejen Fortichritten nicht vorauszueilen haben, jondern ihnen nachtolgen. Andernfalls könnten leicht Zujtände der örtlichen Über- völferung Plaß greifen, die hinterher nur jehr jchwer zu heilen find. Durch die Bejeitigung der jtarren Gebundenheit der älteren Zeit it dem mit der Zunahme der Bevölkerung an und für jich wünjchenswerten Auf- teilungsprozeß des Grund und Bodens freie Bahn gegeben und eine dann und wann befürwortete allgemeine Nücfehr zu jener Itrengen Gebunden- heit der älteren Zeit it unbedingt abzuweilen; aber ficher liegt fein Grund vor, jener mildeiten Korm der Gebundenheit gegenüber, wie jie in der thunlichen Aufrechterhaltung der ungeteilten Übergabe der Güter in den Formen des Anerbenrechts zu Tage tritt, jich ablehnend da zu verhalten, wo dieje den Rechtsüberzeugungen der Bevölferung entjpricht und eine den gegebenen örtlichen und zeitlichen Wirtichaftsbedingungen gemäße tit. Der Widerjpruch gegen das meuzeitliche Anerbenrecht richtet jich denn auch weniger gegen die Suititution der Einzelerbfolge als jolche, jondern gegen jenen Teil des Anerbenrechts, der durch Felt jebung eimes „Voraus“ Den Anerben gegenüber den miterbenden Ge- ichwiitern privilegiert. Su Diejer Privilegierung des Anerben liegt allerdings ein Ihwacher Bunft des Anerbenrechts, über den man jich nicht ohne weiteres durch die Betrachtung hinwegiegen darf, daß auch in den Gebieten der Anerbenrechtsiitte diefe Bevorzugung des Aır= erben bis in die Gegemvart durch die Eltern geübt oder doch zu üben verjucht wurde. Dem Getit der Zeit, dem - stets jtärfer hervortretenden Sleichheitsgefühl wideripricht die vermögensrechtliche Bevorzugung eines einzelnen Kindes; und je mehr die egoiltiichen Negungen innerhalb der bäuerlichen Ktreife die Oberhand gewinnen, um jo jchwerer, aber auch um jo bedenflicher wird es, die vermögensrechtliche Bevorzugung des einen Kindes zum Nachteil aller anderen zum Nechtsjaß zu erheben. Sndeljen über: jehen diejenigen, die aus Jolchen Bedenfen heraus zu einer völligen Ablehnung des „Voraus“ gelangen, daß die Anwendung der gemeinrechtlichen Erb- teilungsvorjchriften auf die Auseimanderjegung zwijchen Anerben amd Sejchwiitern, d. h. die Behandlung aller Kinder auf völlig gleichem Fuß, den Anerben häufig jchon beim Gutsantritt in eine wenig beneidensiwerte Yage verjegen müßte; bedingt ja doch das Vorhandenjein von vier Ge- jchwiltern die Belajtung des Guts mit drei Bierteln, bei fünf Gejchwiitern mit vier Fünfteln des Gutswerts. Ohne ein mindeitens mäßiges „Voraus“ iit deshalb eim Anerbenrecht, wenn der Anerbe joll beitehen fünnen, in, der Negel der Fälle, d. h. dann, wenn neben dem Liegenjchaftsvermögen jonjtiges Barvermögen nicht vorhanden it, jchwer durchführbar; ja es $ 20. Das bäuerlihe Anerbenrect. 59 it in mäßiger Begrenzung Die in der Gewährung des „Voraus“ Liegende Vergünitigung Ichlieglich auch im nterejje der Gejchwiiter jelber gelegen, weil die Miterben Doch nur im Fall des Gedeihens des Anerben ihre auf das Gut eingetragenen Gletchitellungsforderungen als gelichert erachten, nur in Ddiefem Fall mit Sicherheit auf eine Erwirtichaftung der Zinjen und Kapitalbeträge ihrer Forderungen Durch den Anerben jih Nechnung machen fünnen. Wollte man anders verfahren, To bliebe in der Negel der Fälle nur übrig, das elterliche Gut dem VBerfauf auszujeßen und den Erlös unter alle Miterben zu verteilen. Der Samilie als jolcher ginge dann aber das Gut verloren, und ob im Fall eines Verkaufs zu wejentlich höheren Breifen, als die Anerbentare beträgt, der neue Erwerber num auch wirklich für die eingetragenen Kaufjchillingsforderungen unbedingt jicher ijt, bleibt ungewiß. Den grundiäglichen Bedenfen gegen das „Voraus“ des Anerben wird daher nur injoweit jtattzugeben jein, daß das „Voraus“ in einem mäßigen PBrozentjaß des Gutswerts zu bejtehen habe. Unter allen Umftänden wird aus den obigen Grimden (S 15) zu vermeiden jein, daß der zufällige Wert des Guts im Augenblic des Gutsüberganges, aljo der Berfehrswert, der Bermögensauseinanderjegung zu Grunde gelegt werde, wie denn auch das neue bürgerliche Gejeb- buch für die vermögensrechtlichen Auseinanderfegungen der Weüterben zu dem Anerben den Ertragswert für maßgebend erflärt hat. Auch mit Ddiefer Ordnung bleibt die Lage des Anerben in all den ‚sällen, in denen nicht außer dem Gut Barvermögen vorhanden it, um daraus die Erbportionen der miterbenden Gejchwilter zu bejtreiten, rijifo- reich genug; ift er doch im NAugenblict des Gutsantritts jofort mit einer erheblichen Schuldenlaft behaftet, deren Zins und Tilgungslait an dem Reinertrag der Gutswirtjchaft zehrt. Dieje Zwangsverichuldung des Anerben ift freilich eine mit dem Inftitut des Anerbenrechts, mag die Regelung der Abfindungspflicht wie immer geartet jein, untrennbar ver- fnüpfte Begleitericheinung und die durchjchnittlich höhere Verjchuldung der Güter in Anerbenrechtsbezirfen gegenüber anderen Gegenden daher wohl erflärlich. Zu einer grumdjäglichen Verurteilung der Anerbenrechts- inftitution braucht diefer Verfchuldungszwang gleichwohl feinen Anla zu bieten, wohl aber allen Anlaß, Die Übertragung diejer Inftitution auf Gebiete zu umterlaffen, für welche das Anerbenrecht als eine zwingende Notwendigkeit ich nicht daritellt (fiche nächjten Paragraphen). Der fo oft erhobenen Forderung der Notwendigkeit einer Berallgemeinerung der Anerbenrechtseinrichtung tit Daher zu widerjprechen. Weiter aber ift Klar, wie wichtig gerade für die unter Anerbenrecht lebenden und der Zwangsverschuldung mit Erbabfindungs- anjprüchen unterworfenen Wirte eine gute, die langjame Abtragung der Erbabfindungsichulden ermöglichende Organijation des Nealfredits und ferner eine Solche Geftaltung des VBerjchuldungsrechts Fich erweiit, das dem Schuldneriichen Anerben in Fällen augenbliclicher Jahlungs- 90 Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverfehr zc. verlegenheit einen gewillen Schuß gegenüber den äußerjten Eventualitäten des Crefutionsverfahrens gewährleiitet; und ebenjo erhellt für die unter Anerbenrecht Stehenden die Wichtigfeit des Vorhandenjeins einer guten Berjicherungsorgantjattion, die den Anerben vor den Folgen unvor- hergejehener Jchädigender Ereigniffe und Zwtichenfälle thunlich behütet. Sa 68 darf die Frage aufgeworfen werden, ob jolche Ausgejtaltungen des Agrarrechts oder doch einzelner Teile desjelben, um hinreichend wirkfam zu je, nicht mit gewilfem ZJwangscharafter auszuftatten jeten (Tilgungszwang für die eingetragene Erbabfindungsichuld, Berficherungs- zwang!), da man immerhin einigermaßen bezweifeln darf, ob durchweg in den bäuerlichen Samtlien der Anerbenrechtsgebtete ein hinveichendes Wa von wirtichaftlicher Einficht, Pflichtgefühl und Samtlienvorjorge vertreten ift, um Die jederzettige mein (lige, regelmäßige Schuldabtragung und die freivillige Berficherungsnahme, le&tere bejonders auch in der Form der Lebens- und Ausjtattungsverficherung, nachhaltig zu verbürgen. Die in der Zwangsverjchuldung des Anerbenrechts liegenden Ge= jahren werden abgejchiwächt, wenn der Anerbe feiner Abfindungspflicht, statt durch Hingabe von Kapital, durch Leiftung einer Nente an die Miterben Genüge leilten fann, wenn er aljo an Stelle einer Kapital- verpflichtung Lediglich eine Nentenverpflichtung einzugehen braucht. Das Syitem der Abfindung der Witerben in Nenten jtatt in Kapital it erit- mals für die preußischen Nentene und Anfiedlungsgüter durch Gejeh vom 8. Sunt 1896 zur praftiichen Verwirklichung gelangt, wober tm Interefje der Witerben die Ablöfung ihrer Erbabfindungsrenten in Kapital ducch VBermittelung der jtaatlichen Nentenbanfen auf Wunfc) ker } fan. Auf die grumdfäßliche Bedeutung diefer Neuerung und auf das Wefen der Nentenichuld gegenüber der SKapitalfchuld wird noch \päter eingangen werden (Stap. III S 25). Diejenigen, welche jede auch minimale VBergünftigung des Anerben als ein bitteres und nicht zu vechtfertigendes Unrecht gegenüber den mits erbberechtigten Gejchwiltern anjehen md daher grumdjäßliche Gegner einer Anerbenrechtsgejebgebung find, vertreten mitunter die Meinung, man jolle die alte Einrichtung der „Samiliengemeinschaft“ zu erneuern Jich bes mühen, derart, daß das in die Exrbjchaft fallende Anwejen von eimem oder auch mehreren der Erben auf Nechnung aller Erben verwaltet und die Erträgniffe geteilt würden; eS3 jchwebt dabei eine Nechtsermrichtung vor, die fich in einzelnen Slavischen Völferichaften an der unteren Donau in orm der jogenannten „Hausfommunionen“ erhalten hat, aber Doch auch jeit geraumer Zeit dem Verfall entgegenzugehen jcheint. Une möglich it eine jolche Löjung nicht, aber doch nur als Ausnahme dent- bar; in der großen Mehrzahl der Fälle wird die Yandbevölferung einem jolchen „Zufammenhaufen” schon deshalb wideritreben, weil es zur Unelle zahllojfer Streitigkeiten unter den zujammenbhaufenden Familien werden u Ss 21. Würdigung der naturalen Teilung des Liegenjchaftsnachlaifes. 9] müßte; auch verträgt der heutige Kandwirtichaftsbetrieb mit jeinen gefteigerten Anforderungen an Intelligenz und Thatkraft des Wirtichafters das Drein- reden vieler nicht; „Eimer muß Herr im Haufe jein“, wenn die Wirt- ichaft gedeihen joll. Ginge es auch zur Not in der eviten, jo Doc) jchwerlich in der zweiten oder gar dritten Generation. Der Wunsch, die naturale Teilung von Amwelen im Erbgang bintanzuhalten, fan daher anders als im Syitem der Einzelerbfolge und eines dieje fodifizievenden Anerbenrechts praktischer Erfüllung nicht wohl entgegengeführt werden. $ 21. Fortjesung; Würdigung der naturalen Teilung des Liegen: ihaftsnachlaffes; abichließende Betrachtungen. Nuht die Bedeutung des Anerbenrechts in der Verhütung allzu weitgehender Aufteilung des Grundeigentums in Gegenden, im Denen diejer Aufteilungsprozeß nach den allgemeinen Bedingungen des Yandwirtichafts- betriebs ungünstig wirken fünnte, jo wurzelt umgekehrt Die Bedeutung der naturalen Teilung des Liegenjchaftsvermögens unter die Miterben in der Ddadurc) begünitigten Berallgemeinerung der Grundeigentumsanmvartichaften. Dies jollte nicht allzu gering ange- ichlagen werden, weil, wie früher bereits betont wurde, nichts geeigneter it, die jocialen Gegenjäße auf dem flachen Lande zu verföhnen, aber auc) den Zug vom flachen Yand weg in die Städte einzudänmten, als die Möglichkeit der Grundanläiitgmachung möglichit vieler Familien. Die Nachlakregulierung auf der Grundlage der Naturalteilung it auch nicht etwa, wie manchmal angenommen wird, evt em Ergebnis der revolutionären Bewegung am Ausgang des vorigen Jahrhunderts, jondern gutes, altes deutiches Necht; und insbefondere haben die fränfischen und thürimgischen Stämme jchon jehr frühzeitig diefev Art des Erbrechts gehuldigt (S. 16). Es ijt auch nicht richtig, day die Zulaflung diefer ‚zorm des Erbrechts mit der Zeit zu einer völligen „Pulveriiierung” des Du an a, A, iur ıı lesen umd feit ehren, mülje; Die iche Being und die Woh itand slage der Yandbevölferung im jenen Teilen Deutichlands, in denen jeit Jahr: hunderten nach geltendem Necht die Naturalteilung die Negel bildet, jteht mit jener Annahme feineswegs im Einklang. Dies erklärt fich da- durch, daß jederzeit innerhalb Ddiefer Gebiete jehr wirfiame Gegen- tendenzen jich geltend machen, die dem Zerbrödelungsprozeh, wie ihn das Syjtem der zFreiteilbarfeit an fich immer von neuem eimleitet, Hindernd in den Weg treten; und zwar in der Weife, daß jeder Beliger der im Erbgang veritücelten Amwejensanteile das natürliche Beitreben hat, durch allmählichen Zukauf jeinen Erbichaftsanteil wieder auf einen den Familien- und Hausjtandsbedürfniffen entiprechenden Umfang hinanfzuheben. An der Möglichkeit diefes Zufaufs fehlt e8 aber in diefen Gebieten der Frei- teilbarfeit nicht, da Sahr für Jahr infolge äußerer Veranlaffungen: Weg- 92 Zweites Stapitel. Der Grund und Boden im Güterverfehr ac. zug, Todesfall, Übergang einer Anzahl Erben zu anderen als landwirt- Ichaftlichen Berufsarten — Grundjtüce zum Verkauf gelangen. Weit mehr als in den Anerbenrechtsgebieten it Daher in den Gegenden der naturalen Teilung ein bejtimmter Teil des Grundeigentums in Bewegung begriffen; mittlere und größere fallen auseinander, aber fleine und Zleinite Anweien wachjen allgemach zu jolchen mittlerer Größe wieder empor. Als eine Bejonderheit der naturalen Teilung des Liegenichaftsnach- lajjes gegenüber der Einzelerbfolge it zu bezeichnen, daß die Belaftung mit Grbabfindungsanjprüchen an Gejchwiiter, aljo Die bedenkliche Zwangsverichuldung des Anerbenrechts wegjällt; etwaiges Bar- vermögen, das zur Verteilung fommt, fanın daher als Betriebsfapital der fleinen Wirtichaft dienen, und die intenjivere Wirtichaftsweije, Die den Gebieten der ‚sreiteilbarfett eigentümlich it, iteht damit im engiten Zujammenhang. Das Streben der Wirte der Freiteilbarfeitsgebiete, ihren Grundbejis durch Zufauf zu vergrößern, hat freilich jehr häufig Schuld- verbindlichfeiten (Kaufichillingsreite) im Gefolge; es bedingt aber einen erheblichen Unterjchted, ob eine Schuldverpflichtung eine erzwungene üt und mit dem Gutsantritt zeitlich zufammenfällt, wie im Gebiet des Anz erbenrechts, oder ob das Eingehen einer Schuld von dem Belieben des Wirts abhängt, ob insbejondere Diefer in Bezug auf den Zeitpunkt des Eingehens von Schuldverpflichtungen jich ganz von jeinen eigenen freien Entjichliegungen leiten lafjen darf. Die Kaufluft in den Ge- bieten der zsreiteilbarfeit fan und wird aljo reger jein in Sahren reicher Ernte und guter Broduftenpreife, die es geitatten, jofort einen Teil der Kaufichuld für Grumdjtücszufäufe abzutragen; fie wird zum Stillitand fommen, wenn die Kaffe des Wirts minder gefüllt it. Die wefentlich geringere Gejamtverjchuldung der ländlichen Bevölkerung in den Gebieten der sreiteilbarfeit gegenüber den Anerbenrechtsbezirfen darf daher zu einem guten Teil auf Nechnung des geltenden Erbrechts zurückgeführt werden. Auch wirft die Berjchuldung aus den angegebenen Gründen weniger drücend, häufig geradezu erzieheriich im Sinne einer Zwangsiparfajie. Endlich überjieht man bei der Wirrdigung der Freiteilbarfeitsverhältnifje jo häufig, daß die Anlage kleiner Erjparnilje in der Form des Grumder: werbs, aljo gewiljermaßen als Smmobiliarnotpfennig, in vielen Fällen wirtichaftlich richtiger fich erweiit als die jonitige Nußbarmachung, etwa in ‚Form einer Sparfafjen-Anlage; denn die Kapitalanlage in Grund und Boden, jelbjt wenn fie mit Schuldverbindlichkeiten in Form von Kaufjchillingse reiten verfnüpft ijt, verheißt nicht nur Zinsgenuß, jondern darüber hinaus — durd Ermöglichung der Verwertung der Arbeitsfraft auf dem er- worbenen Grundjtüc — auch Arbeitsverdienft, auf den jonjt hätte ver: zichtet werden miüjjen. Die jo häufig vorfindliche pejlimiitiiche Be- urteilung der Berjchuldungsziffern der SFreiteilbarfeitsgegenden bedarf daher der Korrektur; in Wahrheit erweiien ich die Smmobiltarjchulden hier $ 21. Würdigung der naturalen Teilung des Liegenjchaftsnachlafjes. 93 viel weniger bedenklich als die Gleichitellungsgelder in den Anerbenrechts- gebieten und gelangen erfahrungsgemäß auch raicher zur Tilgung. Richtig it, daß im Laufe längerer Zeit das Syitem der naturalen Exrbteilung zu einem VBorherrichen des Kleinbejiges führt; und au) das ijt nicht zu leugnen, daß Die durch dieje Erbrechtstorm veranlaßte Begünftigung der Anjälfigmachung immer neuer Wirte möglicherweie zu einer Vermehrung der Zahl der Eriitenzen auf dem flachen Yand über den durch Die landwirtjchaftliche Berufsarbeit gewährleijteten Nahrungs= ipielraum hinaus, d. h. zu einer Übervölferung mit allen diejer an- haftenden Nachteilen Beranlafjung geben kann und ortsweile gegeben hat. Ganz unbedenklich tit Daher das Syitem der Naturalteilung mur dann, wenn die Gunst des Klimas und der Bodenverhältniije einen Betrieb ermöglicht, der auch auf kleiner Wirtichaftsfläche einer Familie Hinveich n Arbeit und Unterhalt giebt, wenn aljo insbejondere die VBorbedingungen zı einem mit hochwertigen Specialfulturen (Handelsgewächle, Neb-, Objt- a Gemüjebau) ausgejtatteten Betrieb oder zu Jonjtigem Nebenerwerb gegeben find. Einen jehr naturgemäßen Blab behauptet diefes Syitem da, wo der lohnende Abjab der Erzeugnifje der Klemwirtichaften infolge der Kähe fauffräftiger Konjumtionsmittelpunfte (großer und gewerbsreicher Städte) jederzeit gewährleijtet tft, oder wo eime blühende und auf das flache Land jelber überjiedelnde Snduftrie den auf dem Anwejen der Eltern nicht hinreichend bejchäftigten Angehörigen der Stleinwirte eine Anzahl lohnender VBerdienitmöglichfeiten außerhalb der landwirtichaftlichen Berufs- arbeit eröffnet. Ungünjtig wirft das Syitem der Naturalteilung infolge allmählichen VBerichwindens eimer Anzahl Amwvelen umfangreicherer Aus= Dehnung injofern, als der Getreidebau gegenüber anderen Kulturen zus ricftritt und Die thatlächliche Getreideproduftion gerade allenfalls noch) zur Ernährung der ländlichen Bevölkerung jelber ausreicht, aber darüber hinaus für die Verjorgung der anderen Berufsjtände mit Getreide fee oder nur unerhebliche Mengen liefert; Das jtändige Getreidedeftzit des Weitens und Südweitens von Deutichland, das durch) Zus= fuhr von anderen deutichen I vorwiegend aber durch Zufuhr von auerdeutjchen X Ländern her gedeckt werden muß, führt in Ddiefer Hinficht eine beredte Sprache. Aus diefem Grund, in Ver- bindung mit den obenerwähnten, eignet jich Deshalb das Syitem der Naturalteilung ebenjowenig zur Berallgemeinerung, wie das im vorigen Baragraphen gejchtilderte Anerbenrecht; wohl aber hat es neben Ddiefem jeine qute Erijtenzberechtigung und es tft nicht unwabhricheinlih, daß es mit der wachjenden „sntenlität des Betriebs und der dadurch bedingten Möglichkeit der Entnahme größerer Ernten von demjelben Flächenraum, ferner mit dev weiteren blühenden Entwid- (ung der Smdujtrie mit der Zeit eher an Ausdehnung gewinnen als zurücgehen wird. Dies wird durch die 1895er Betriebsitatiitif beitätigt; von 1882 bis 1895 hat Sich in Breußen die Zahl der Stleinbetriebe 94 Zweites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverfehr 2c. (1 ha bis 5 ha) von 495104 auf 522994, die Zahl der Müttelbetriebe (5 ha bis 100 ha) von 602 852 auf 658 367 erhöht, dagegen it die Zahl der Sroßbetriebe (100 ha und mehr) von 20051 auf 19199 zurückgegangen. Eines freilich jollte man gegemüber dem Syitem der Naturalteilung nicht vergeiien, daß es, wie alle auf dem Grundjaß freieiter Bewegung beruhenden Gejeßgebungswerfe, ein zwetichneidiges Schwert daritellt und daß es einem Vol dann jchwere Wunden jchlagen fann und muß, wenn diejes nach der Allgemeinbildung jeiner Yandbevölferung für dieje äußerite ‚sreiheit der Bewegung im Grumdeigentumsverfehr noch nicht veif it. M. a. W. es müflen, bevor das Syitem der Naturalteilung und Die ‚sreiheit des Güterverfehrs überhaupt rechtlich zugelaijen wird, jene Tugenden der wirtichaftlichen Borficht, der Bedachtnahme auf die Zukunft, der Jamilienvorjorge entiwicelt jein, die verbürgen, daß von der Freiheit in der Teilung des Grundeigentums em maßvoller Gebrauch gemacht werde. Worausjegung Mt alfo nicht nur etwa, daß die Landbevölferung iparjam lebt, fondern jene Tugenden werden jich vor allem auch in der veritändigen Heiratspolitif, die das gemeinfame Einbringen von Grund- bei in die Ehe anitrebt, aber auch in der rechtzeitigen Abjtogung der überflüfigen Bevölkerung in andere DBerufsarten zu bethätigen haben. icht zum geringjten it notwendig, daß das Yandvolf in den Gebieten der reiteilbarfeit ein gewilles nicht zu niedrig gegriffenes Maß von Lebensgenuß zu behaupten willens it, aljo lieber auf einen eigenen Haus jtand verzichtet, als einen jolchen zu begründen, der ökonomisch nicht hin= reichend Jichergeitellt ericheint. Wo, wie in den größten Teilen des weit: lichen und jüdlichen Deutichlands, dieje Tugenden vorfindlich find, ijt Die Belitverteilung, ungeachtet des VWorwiegens des Sleinbejiges, doch überall feidlich befriedigend geblieben, im Unterjchied beijpielsweile zu Italien, defjen agrariiche Yeiden in der Mehrzahl der Provinzen nicht am wenigiten damit zufammenhängen, daß durch eine bis zum Umverjtand getriebene Aufz teilung des Yandes in fleinjte Befigfegen die bänerliche Bevölferung im Yaufe der Zeit zu einer elenden Waffe proletarischer Schein-Eriitenzen hers abgejunfen it. — Das neue bürgerliche Gejegbuch für Deutjchland hat davon abgejehen, das Erbrecht in landwirtjchaftlichem Grundeigentum grund jäßlich auf der Balis des Anerbenrechts zu ordnen; vielmehr gelten, auch wenn zu eimem Nachlaß landwirtichaftliche Grunditücde gehören, prinzipiell die für alle Erbjchaften maßgebenden Vorjchriften, wonac) der Nachlaß gemeinichaftliches Vermögen der Erben ift, jeder Mliterbe jeder: zeit die Auseinanderjegung verlangen kann und Ddiefe durch Teilung der Erbichaftsitüde in Natur und, jofern eine jolche Teilung ausgejchlojjen iit (bei kleinen Grunditücen, bei Gebäuden 2c.), durch Verkauf des Gegen: jtandes und Verteilung des Erlöjes zu erfolgen hat. Das neue bürger: EEE ES s 21. Abjchliegende Betrachtungen. 95 liche Gejeßbuch Hat aber die Erlaffung eines Sondererbrechts in Landgüter der Landesgejeßgebung freigeftellt, alio die Beibehaltung der beitehenden Anerbenrechtsgejege und die Erlafjung jolcher, wo fie noch nicht betehen, rechtlich ermöglicht. Met diefer Ordnung der Sache, die der Berjchteden- artigfeit der woirtjchaftlichen und der Nechtsentwiellung in den einzelnen Staaten gebührende Nechnung trägt, fann man fich auch vom Landwirt ichaftlichen Standpunft aus einverjtanden erflären; denn es bleibt danad) dem Ermeijen der einzelftaatlichen Negierungen und Volksvertretingen überlafjen, immwieweit fie nach den gegebenen Verhältniifen des Einzel- itaats eine Korreftur der allgemeinen Erbrechtsporjchriften betreffs der Vererbung des landwirtichaftlichen Grund und Bodens Fir angemejjen und nüßlich erachten. Abichließende Betrachtungen.) Überblictt man den Gang, den die Beurteilung der Vorgänge und den die thatjächliche Nechtsentwiclung im Gebiet des Grundeigentumsverfehrs unter Yebenden und auf den Todesfall im Laufe der legten Jahrzehnte genommen hat, jo wird eine unberangene Wirdigung einräumen müfjen, daß im Ddiefer Zeit eine wejentliche Bertiefung der Anfchauungen über die Natur des Örumndeigen> tums und feiner Bedürfniiie Jich vollzogen hat und mit jener ein= jeitigen, der liberalifierenden Richtung der VBolkswirtichaft entiprungenen Auf jajjung, welche in der Nechtsbehandlung der beweglichen und unbeweglichen Güter einen Unterjchied nicht anerfennen wollte, gründlich gebrochen worden it. Die Einficht in die Bedeutung der Art und Weije des Grumdeigens tums it im Diefer Zeit eine gereiftere geworden und dieje gereiftere Ein- licht hat jich im den verjchiedenjten Nichtungen zu gejeggeberiicher Ylır erfennung verholfen. Die Ausdehnung des Wurcheritrafrechts auf den Srundeigentumsperfehr, die Neubelebung der altdeutichen Nechtsetnrichtung der Verichuldung gegen Nente beim Kauf von Gütern, die Erlafjung von Anerbenrechtsgejegen und die Bemühung der Gejeßgebung, den Anerben vor denjenigen wirtichaftlichen Nachteilen zu bewahren, die jic) aus Der Anwendung der gemermrechtlichen Borjchriften über die Nachlaßregulierumg und die Schägung des Vachlafjes ergeben fünnten, endlich die Bedacht- nahme auf Stonjervierung der Anerbenrechtsgewohnheiten, wo immer dieje den wirtjchaftlichen Verhältniffen bejtimmter Landesteile entiprechen, bieten einen vollgültigen Beweis, wie auc auf? dDiejem Gebiet die Gejeh- gebung der Gegenwart mit den Suterejjen des Grunmdbefißes jich in Einklang zu jeben jich bemüht hat, und daß der oft gehörte Borwurf einer grumdjäßlichen Preisgabe diefer Intereifen auch hier des Grundes gänzlich entbehrt. Snjofern die neuere Gejeßgebung betreffs der Abihägung der Güter in Erbfällen mit dem gemein (wömijch-) rechtlichen Ver= fehrswertsprinzip gebrochen und an dejjen Stelle den Grundjaß Der Abihäßung nach dem Ertragswert gejeßt hat, hat jie uıs= mittelbar jcyuldverhütend gewirkt; und diefer Bruch des neuen, 96 Ameites Kapitel. Der Grund und Boden im Güterverfehr 2c. in der Erbrechtsgejebgebung zum Ausdruck gelangten Agrarrechts mit den alten juriftiichen Überlieferungen ericheint um jo bedentungsvoller, als erwartet werden darf, daß Die bei Erbesauseinanderjegungen im ebiet des fodifizierten Anerbenrechts zur Anwendung gelangenden Abihäsungs- grundjäge mit der Zeit auch die Feititellung der Gutswerte bei den zahl- verfehr unter Lebenden jelber beeinfluffen werden. Bergegenwärtigt man fich endlich, daß die Notlage, in welcher viele Hofbefiger in Anerbenrechts- bezivfen jeit Jahrzehnten fich befinden, offenfundig auf zu hoch bemejjene Gutstaren zurüczuführen it, jo ermißt man leicht, um welche Errungen= ichaft es fich Handelt, wenn, wie nunmehr geichehen, richtigere Abfindungs- grumdjäge eingeführt worden find, die nicht bloß, wie das gemeine Necht gethan, nur oder vorwiegend die Erbaniprüche der Weüterben, jondern ebensojehr die Perjon des Anerben berücjichtigen und diefem nicht mehr zumuten, als er nach Lage der Sache leiiten fan. Und die in dem folgenden Kapitel zu gebende Daritellung über Berfchuldung und Schuldnot und die tiefiten Urjachen der Verichuldung in der Gegen wart werden befonders deutlich erweien, wie richtig es gewejen ilt, daß die gemein= (römijch>) rechtlichen Nechtsgrundjäße gerade auf dem Gebiet zurücdgedrängt worden jind, auf dem fie, wegen der Umvereinbarfeit des Verfehrswertsprinzips mit dem Jwed des Anerbenrechts, unzweifelhaft bejonders nachteilig gewirkt haben. Man hat daher, mag immerhin die Wirfung der veränderten Sejebgebung eine langjame jein, allen Grund, fie unter die „großen Mittel” einzuweihen, und es würde geringe Einficht in die Bedürfnifje des Grundbefies verraten, wenn das von der Gejeßgebung auf diefem Gebiet Geleiitete als etwas für den Grundbejiß Unerhebliches angejehen werden wollte. Drittes Kapitel. Grund: und Betriebsfapital, Hrund: und Betriebs- fredit; Derjchuldung und Entichuldung des Grundbeiißes. $ 22. Die einzelnen Arten des Kredits; die Inanspruchnahme und das wirtjchaftlihe Rififo des X Bei sFredits insbefondere, Unter den VBermögensbeitandteilen eines landwirtichaftlichen Betriebs muß man eimerjeits den Grund und Boden einjchlieglich der darauf be- En ichen Baulichfeiten, andererjeits die zur orduungsmäßigen Führung des landwirtichaftlichen Betriebs erforderlichen Geldmittel und Emrichtungs- gegenftände (lebendes und totes Inventar) unterjcheiden ; die eriterwähnten Beitandteile begreift man unter dem Namen „Grundfapital”, Die legteren unter dem Namen „Betriebsfapital”. Wer, ohne im Bett von Grund und Boden zu jein, der land- wirtjchaftlichen Berufsarbeit fich widmen will, hat in eimem befiedelten Land, in dem berrenlofe Güter fich nicht mehr vorfinden, feine andere Wahl, als Grund und Boden zu pachten oder zu faufen. Ob die Ent- Iiheidung zu Guniten der Bacht oder des Kaufs ausfällt, jollte verjtändigerweile jtets nur von dem Maß der zur Berfügung Ttehenden Wittel abhängig gemacht werden. Smd dieje Mittel eben gerade aus- veichend zur Beichaffung des für ein Amvejen bejtimmter Größe erforder: lichen Betriebsfapitals, jo wird nur von der VBacht die Nede jein, an einen Kauf alfo erit dann gedacht werden fünnen, wenn das Barver: mögen auc die Mittel zur Erlegung des Kaufichillings oder doch eines erheblichen Teils Ddesjelben Ddarbietet. Nun it aber die Ausretchendheit der Mittel zum Kauf und zum Betrieb eines landwirtichaftlichen Ans wejens neben der Bejchaffenheit vor allem von dejjen Größe bedingt; und es bildet daher weiter einen Gegenjtand der Überlegung, ob es vor- teilhafter tjt, ein fleineres Gut zu erwerben, zu Ddeifen Ankauf und Be- trieb die Mittel reichen, oder aber ein größeres Gut, obwohl diefe Meittel zur Zahlung des Guts oder zu dejjen ordnungsmäßigem Umtrieb nicht als ausreichend ich erweilen. Fällt die Enticheidung in leßterem Sinne aus, jo muß der Käufer einen Teil des Kaufichillings jchuldig bleiben md Budhenberger. 7 98 Drittes Kapitel. Grund» und Betriebsfapital 2c. hat möglicherweife nicht einmal mehr die für die Beichaffung des Be- triebsfapitals nötigen Summen ganz zur Verfügung; er muß aljo jeinen Kredit in Anfpruch nehmen. Der Kredit heißt Grumndfredit oder Bodenfredit, auch Defisfredit, wenn er für Zivede des Beligeriwerbs des Grundfapitals, und er heißt Betriebsfredit, wenn er zum ‚iwede der Beichaffung oder Ergänzung des Betriebsfapitals in Anfpruch ge nommen Wird. Die Gründe, welche den Einzelnen veranlafjen, ungeachtet der Unzulänglichfeit der Wettel, zu faufen jtatt zu pachten und im Fall des Staufs für die Wahl eines größeren Guts mit Eingehen von Streditver- pflichtungen Itatt für die Wahl eines Fleineren fich zu entjcheiden, find nicht immer leicht zu erfennen; aber jte müljen jedenfalls von erheblichem Einfluß jein, wenn fie die an fich und der Natur der Sache nach gegen das Eingehen von Schuldverbinpdlichkeiten bejtehenden Bedenfen zu über- winden vermögen. Wan geht wohl am wentgjten fehl mit der Annahme, daß es, neben gelegentlichen Öfonomijchen Srrungen, wejentlich Standes- anichauungen, wohl auch Standesvorurteile jind, die über die rein wirtichaftlichen Erwägungen häufig den Steg dDavontragen. se größer das Gut, Ddeito angejehener, einflußreicher auch die Stellung des Gutsinhabers ; daher alfo die den jog. bejjeren oder gebildeten Ständen angehörigen jungen Ofonomen, um nicht in der focialen Stufenleiter herabzuiteigen, regelmäßig für die Wahl eines größeren Guts jich entjcheiden und ge neigt jein werden, dem größeren vwoirtichaftlichen Nilifo, das an den Er- werb unter Streditinanipruchnahme jich fnüpft, eine entjcheidende Bedeutung nicht beizumeljen. Solche jtandesmäßige Erwägungen neben dem Wunsch, eine dauernde Eriitenzgrundlage für jich und die Nachfommen zu be= ichaffen, geben wohl auch in vielen Fällen den Ausjchlag zu Gunjten des Kaufs jtatt zu Gunsten der Bacht, indem auch hier die Erfahrung, daß Fapitalfräftige Pächter regelmäßig beijer prosperieren als betriebs- fapitalfchwache Eigentümer, minder fräftig wirkt, als Die entgegenftehenden, den Standesverhältnifjen entnommenen Betrachtungen. Sedenfalls erhellt aus diefen wenigen Säben, um wie folgenjchiwere Entjchliegungen es Tich in ‚sällen der beiprochenen Art handelt; md wer vor der Wahl iteht, Jich in Diejer oder jener Nichtung zu enticheiden, Jollte ich darüber Klar jein, daß Die woirtichaftlichen Folgen jeiner wie immer gefaßten Ent- chliegung ihm nicht abgenommen werden Finnen. Es berührt daher einigermaßen jeltfam, wenn mit Zultänden landwirtichaftlicher Berschul- dung ganz allgemein, alio ohne Unterjchted der Art der Berfchuldung und der Schulduriachen, Worte wie: „Schuldfnehtichaft”, „Nlb- hängigfeit vom Geldfapital”, „Auspowerung des Grund- bejiges“ jo häufig gerade auch im Munde derjenigen verfnüpft werden, die mit vollem Borbedacht in diefe „Schuldfnechtichaft”" Sich begeben. haben, indem te Itatt zu pachten Jich anfauften oder Güter von einer $ 22. Das Nijifo des Belibfredits. 99 ihre Barmittel weit überjteigenden Größe, d. bh. unter jtarfer Inanfpruch- nahme ihres Kredits zu erwerben fich entichlofjen. Was hier von dem Ankauf ganzer landwirtichaftlicher Anwvelen gejagt it, gilt Ähnlich auch von dem Anfauf einzelner landwirt- ichaftliher Grumndjtüce, wie er im Kreife der bäuerlichen Bevölferung zur Erweiterung des bereits innehabenden Befiges jo gerne geübt wird (S. 62 unten); doch wird im allgemeinen ein jolcher unter Kreditinanfpruch- nahme erfolgender bloßer Grunditücdszufauf ein minder erhebliches wirt- Ichaftliches Rifito als der Ankauf eines ganzen Guts in fich jchließen, und zwar ein um jo geringeres Nififo, je fleiner das zugefaufte Grundjtüd im Vergleich zu dem vorhandenen Anwejen it. Umvirtjchaftlich \ind jolche Grundftückszufäufe jedenfalls dann, wenn die Wirtjchaft mit Betriebs- fapital noch ungenügend ausgejtattet it; denn das Beitreben des Wirt- ichafters müßte in diefem Sal vor allem darauf gerichtet fein, alle Wirt- ichaftserübrigungen auf eine Verjtärfung des Betriebstapitals zu verwenden, Itatt jie im Zufauf weiterer Grumdjtüde zu verzetteln, deren Hinzutritt zu dem vorhandenen Grundvermögen das Betriebstapital noch unzureichen- der als früher erjcheinen läßt. Daß aber in diefer umwirtichaftlichen Weije nicht jelten gefündigt wird und namentlich in den jechziger und jiebenziger Jahren gefündigt, dadurch aber die Möglichkeit des Überganges zu intenfiverer Wirtichaftsweile, d. 5. zu einem lohnenderen Betriebe ab- gejchnitten wurde, wird fein Stenner ländlicher Berhältniffe in Abrede jtellen fünnen. Das in dem fremvilligen Eingehen von Kaufichuldverpflichtungen begründete wirtichaftliche Niftfo erfährt eine Steigerung, wenn und injoweit bei dem Anfauf Srrungen über den Wert des Guts zum tachteil des Näufers unterliefen, alfo Wertüberihäßun gen vorgefommen find, Die den Käufer mit einem Schuldbetrag belaften, der in der Extrags- fähigfeit des Gutes oder Grumdftüces feine Unterlage findet. Die Yage eines Käufers, der für ein um 20—30 °/, überichäßtes Gut nur 30 bis 40%, Anzahlung zu leiten imitande ift, würde jelbit in einer Zeit wirt- Ichaftlich aufwärtsgehender Bewegung eine nicht unbedingt Jichere fein, in Betten minder günftiger Erwerbsausfichten it fie jchon vom QTage des Kaufs ab als eine fait verlorene anzujehen; und — jo umvahr: Icheinlich dies den Ferneritehenden dünft — jolche Fälle unüberlegter Gutstäufe jind in den legten 20 Jahren feineswegs nur vereinzelt ge= blieben. Db es jich empfiehlt, im Wege der Gejeggebung Schranfen gegen derartige VBerirrungen im Gebiet der Gutsfäufe aufzurichten, bedarf einer bejonderen Erörterung (S 24); aber jelbjt beim Beitehen jolcher Schranten würde ein größerer oder fleinerer Nejt wirtichaftlichen Nififos doch in allen den Fällen bejtehen bleiben, in denen bei Nüäufen nicht mit der erforderlichen Überlegung, Klugheit und Umficht verfahren wırde. Unter allen Umständen lajjen die vorjtehenden Betrachtungen wiederum Die große Wichtigfeit der an Tarationslehre als Tr 100 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital 2c. derjenigen Fachwifjenichaft erfennen, die die Bildung eines zutreffenden Urteils über die Nentabilität eines beitimmten Guts und über den danad) fich ergebenden Kaufwert, der äußeritenfalls geboten werden darf, ermög- lichen Joll. Weinder frei wie der Erwerber eines Guts oder Grundjtüds im Weg des Kaufs jteht derjenige, der ein jolches im Weg der Erbichaft zu übernehmen bat; häufig tft er nicht oder nur jchwer in der Yage, den Gutsantritt auszujchlagen, 5. DB. weil er der einzige männliche Erbe it, oder weil er einen andern Beruf als den landwirtichaftlichen nicht erlernt hat, oder weil er von den vorhandenen Erben der tauglichite zur Über- nahme it und jeine Weigerung den Verfauf des Guts zur Folge hätte 2c.; und auf die Feitießung der Gutstare it er regelmäßig ohne jeden oder doch ohne erheblichen Einfluß. Gerade Diefe eigentümliche Zwangslage aber, in der fich der Gutsübernehmer (Anerbe) befindet, welche Lage be- vechtigt, von einer durch die Gutsübernahme bedingten Zwangsver- ihuldung zu iprechen, rechtfertigt grumdjäglich ein intervenierendes Eintreten der Gejeggebung zum Schuß des Gutsübernehmers, und in welcher Form dieje Art der Intervention fich zu bethätigen habe, it im vorigen Kapitel (S. 86 ff.) bereits eingehend dargelegt worden. er immer Kredit in Anjipruch nimmt, jet es Grundfredit (in der dreifachen Form des Kauf, des Erbabfindungs- und Melivrations- fredits) oder Betriebsfredit, muß dem Streditierenden (Berfäufer, mit- erbberechtigten Gejchwijtern, Darleiher) Sicherheit dafür bieten, daß Die eingegangene Schuldverbindlichfeit rechtzeitig werde eingelöft werden. Dieje Sicherheit kann eine reale jein, im welchen Falle man von Neal fredit umd je nach der Art des Objefts der Sicherheitsbeitellung (ob es umbeweglich oder beweglich it) von Liegenjchaftspfand= (auch Hypothefarfredit, Smmobiliarfredit) oder FJauftpfand= (auc) Mobiliar-, Yombard-) Kredit jpriht. Die Sicherheit fann aber auc) in der perjönlichen Bertrauenswürdigfeit, jei es des Streditmehmers, jet es eines Dritten für die Schuld fich Verbürgenden beruhen, man jpricht in Ddiefem Falle von Berjonalfredit, und zwar leßterenfalls von Birgihaftsfredit. — Beim Eingehen Hypothefariich ficher zu itellender Schuldverbindlichfeiten find bejtimmte Nechtsfürmlichkeiten zu erfüllen (Eintrag zum Grundbuch); das Eingehen der Berjonalfreditver- pflichtungen vollzieht Fich meiit in der einfachen Form der Schuldjchein- verjchreibung oder in der Form der Wechjelausitellung. Wegen der Strenge des Wechjelvechts und der Unkenntnis eines großen Teils der Landbevölferung mit den Einzelheiten diefes Nechts ist der Wechiel mindestens für die bäuerliche Bevölferung feine zwedmäßige Form der Streditnahnte. Der Grumdfredit it meilt eim durch liegenichaftliches Unterpfand gelicherter und fällt daher gemembin mit dem Nealfredit (Hypothefar= fredit) zujammen. Der Betriebsfredit it meist Perjonalfredit, tritt aber $ 23. Die ländlichen Schuldverpflichtungen der Gegenwart im Vergleich mit früher. 101 auch, namentlich dann, wenn der Berjonaltredit bereits in hohem Nabe geichwächt ericheint, in der Form des faujtpfändlich oder hypothefarijch geficherten Kredits auf. Doch bildet dies jo jehr die Ausnahme, daß, wenn man von ländlichem Nealfredit Ipricht, darunter vegelmäßtg der Grundfredit im den verjchtedenen ‘Formen feines VBorfonmmens ver= jtanden wird. $ 25. Die ländlihen Schuldverpflichtungen der Gegenwart im Dergleich mit früher; die Würdigung von Grundfreditverpflichtungen im allgemeinen; Zurücdweifung peffimiftifcher Auffaffungsweifen; ift die Grundfreditfichuld ein fchlechtbin zu meidendes Ubel? Es wäre ein großer Irrtum, zu meinen, daß evit in der Gegenwart eine landwirtichaftliche „Kredit und Berschuldungsirage” entitanden jei; die Wahrheit it, daß es zu allen Zeiten neben jchuldenfreien und mäßig verjchuldeten hochverjchuldete Grundbeliger gegeben hat, bei den Bölfern des Flaffischen Altertums jo gut wie bet jenen Deutjcher md romanischer Zunge im jeder PBeriode ihrer Entwicklung. Winde man eine Statijtif der Sreditverpflichtungen früherer Betten beiigen umd ste mit den Itatiitiichen Schuldziffern der Gegemwvart in Vergleich een, To würde allerdings ein aufßerordentliches Anwachlen des Geldwerts der Schuldverpflichtungen feitzuftellen jeim. Diejes Anwachjen ist aber zu einem Teil wenigjtens ein nur jcheinbares, da im Laufe der Zeit auc) der Bodenwert um ein Vielfaches geitiegen ift. Ferner ft zu beachten, daß unter der Summe der Kreditverpflichtungen auch der landwirtichaftliche Berriebsfredit enthalten it md heutzutage zweifelsohne eine viel größere Nolle jpielt wie früher als Folge des Übergangs zu intenjiveren Betriebs- weifen und des Verdrängens der naturahvirtichaftlichen Formen des Des triebs durch die Geldwirtichaft. Aber als „öfonomijcher” Stredit des Yandwirts ift er ein jo notiwendiges Erfordernis jeden landirt- ichaftlichen Betriebs, wie der faufmännijche Kredit für die industrielle und Handelsthätigfeit, und die aus ihm fich ergebenden Sreditverpflichtungen haben deshalb an fich nichts beunruhigendes; denn er wirkt, falls jich jeine Befriedigung nur unter angemefjenen Formen vollzieht und auf Die nötigen Bedürfniffe der landwirtichaftlichen Unternehmerthätigfeit bejchränft bleibt, betriebsfürdernd und die Unternehmerthätigfeit befruchtend. Die nach) Ausfcheidung Diejer Kreditverpflichtungen übrig bleibenden find Die jenigen des Grundfredits; diefer bildet mu freilich die breite Meafje der Kreditverpflichtungen, mag es fich um Beitfredit einschließlich des Erb- abfindungsfredits oder um Familienausjtattungs- oder um Erholungs- fredit (zur Erholung von Unglücsfällen, wie VBtehiterben, Mißernten und uam handeln, für welch leßteren jeiner Größe wegen die liegen- Ichaftliche 2 Verpfändung ebenfalls häufig vorfünmmt. Die Frage, ob im Verhältnis zum Liegenjchaftswert die Grumd- freditverpflichtungen heute im Vergleich mit der rückwärts liegenden Zeit 102 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital 2c. erheblich gewachjen find, und in welchem PBrozentja dies der Fall ift, läßt sich mangels ausreichender Itatijtiicher Unterlagen mit Sicherheit leider nicht beantworten. Man fann nur joviel mit Beitimmtheit jagen, daß es im der rüchvärts liegenden Zeit Perioden gegeben hat, wo der Srundbejiß ähnlich hoch verjchuldet war wie heute; jo namentlich am Ausgang des vorigen und Anfang diejes Sahrhunderts, wie dies die unten mitgeteilten Ziffern erfennen lafjen; auch die fritiiche Zeit der zwanziger Sabre diejes Sahrhunderts mit feinen „beilpiellos“ niedrigen ©etreide- preifen war unzweifelhaft eine WBertode jtarfer Schuldzunahme Die folgenden Sahrzehnte zählen als eine Zeit des allmählichen Eritarfens der Ddeutichen Yandwirtichaft, die bis in die Mitte der fiebenziger Sabre reichte; es folgte dann der befannte Nücjchlag; und Sicher tft in den legten Sahrzehnten und namentlich in den lebten Jahren, injonderheit in den Gegenden des vorwiegenden Getreidebanes, der Schuldenstand wieder erheblich angewadlen. Ber einem Vergleich der Gegenwart mit der älteren, der jog. „guten“ Zeit jollte man indejjen nie außer Betracht laffen, daß der Drud von Schuldverpflichtungen nicht bloß durch die Höhe des Schuldfapitals, jondern jehr wejentlich auch durch die Bedingungen des Darlehnsver- trags bejtimmt wird, imsbejondere aljo durch das Maß der jährlichen Zinsverpflichtungen. Ber einem Zinsfuß von 6°/, laftet eine Schuld in Höhe von 50000 Me. betreffs der aufzubringenden Schuldverbindlich- feiten genau jo jchiwer auf der Wirtjchaft wie eine jolche von 100000 WE., für welche ein Zins von nur 3°/, vereinbart ift. Es it leicht einzu= jehen, daß eim Vergleich des Geldbetrags der Schuldverpflichtungen der Gegenwart, denen durchweg ein im Verhältnis zu früher mäßiger Zinsfuß zu Grunde liegt, mit jolchen vergangener Bee ichon deshalb nicht ohne weiteres jtatthaft ift, weil und jofern die beiderlet Zinsfüre mehr oder weniger erheblich Ddifferieren. Wenn man lieft, daß im Meittelalter ein Zinstuß von 12°/, nichts Seltenes war, häufig aber auf 20 und mehr Prozent anitieg, und daß noch vor gar nicht langer Zeit für hypothefariiche Darlehen 5 und 69%), gezahlt werden mußten, jo fällt ein jolcher Ber: gleich nicht zu Gunsten der rüchvärts liegenden Zeiten aus; und Dieje Zeiten gewinnen auch dadurch nicht, wenn man fich vergegenwärtigt, daß noch im vorigen Sahrhundert mangels jeglicher landwirtichaftlicher Streditorganiiation in den meisten Staaten der Kreditbedürftige lediglich auf die Dienite von Privatfapitalijten angewiejen war. Die fritiflofe Bewunderung „der guten alten Zeit“ hält daher gerade im Hinblid auf die Kreditverpflichtungen des Grundbejiges der hellen Wirflichfeit der Thatjachen gegenüber nicht jtand. Wie jehr aber im Ausgang des vorigen und am Anfang diejes Jahr: hunderts gegendenweife der Ländliche Grundbeiig verjichuldet war, mag aus folgenden Angaben erjehen werden: In Mecklenburg befanden ic) 1775 em Ichtel aller Nittergüter in Ktonfurs, und zwilchen 1800 und $ 23. Die Würdigung von Grundfreditverpflichtungen im allgemeinen. 103 1804 betrug der Preis aller meclenburgischen Nittergüter SI Millionen Thaler, auf denen mindeitens halb jo viel Schulden ruhten. Su Preußen ichwanfte 1805 das Berichuldungsprozent (im Verhältnis zum Tax oder Erwerbswert) zwijchen 25,9 und 75,4°/, bei ritterlichen Gütern und betrug im Durchichnitt aller Brovinzen 58,0%,, bei den bäuerlichen Gütern zwiichen 28,9 und 56,3°/, und betrug im Durchichnitt aller Provinzen 38,1%). Eine im Jahre 1883 in 52 Antsgerichtsbez irfen vorge= nommene rmittelung der Hypothefenjchulden hat eine Durchichnittlich höhere Belaltung im Vergleich zu der Zeit am Anfang des Sahrh nicht ergeben. Aus neuejter Zeit liegen Ermittelungen über Ber: Ihuldung des ländlichen Grundbelißes nur für Bayern, und Didenburg vor. Für Bayern wurde feitgeitellt, daß unter 24 Erhebungss gemeinden die VBerichuldung (Hypothefartiche Berichuldung) in 9 Gemeinden zwilchen 5,21 und 17,25°/,, in weiteren 8 Gemeinden zwiichen 20,93 und 29,92°/,, in weiteren 6 Gemeimpden zwijchen 34,78 und 39,72°/, Nic bewegt, und daß nur eine Erhebungsgemeinde eine Berjchuldung über 40°, (nämlich 76,04°/,) aufweilt. Die badische, auf alle Yandwirte des Landes ausgedehnte Schulderhebung des Sahres 1896 eritrecdte Tich auf die Schuldverpflichtungen jeglicher Art, alfo auch auf diejenigen des Berjonalfredits. Sie ergab, daß in 52 Amtsbe; ivfen das Berichuldungs- prozent der rein landwirtichaftlichen Betriebe, gemefjen am Vermögens wert, zwilchen 7 und 44,7°/, jchwantt, in 34 Amtsbezivfen unter 20%, bleibt, in 10 Amtsbezirken zwiichen 20 und 30°/, Sich bewegt umd nur in 8 Amtsbezirfen 30°%/, (mit einem Höchjtbetrag von 44,7°/,) über- Iteigt, und daß die Verichuldung im Durchichnitt aller vein landwirt- ichaftlichen Betriebe und Amtsbezirte 17,79/, beträgt. Für Oldenburg ergaben jtch unter Benugung 1 Einfommenftenerftatiftif für 1894/95 folgende bemerfenswerte Ziffern: Auf je 100 jelbitändige oder nahezu jelbjtändige Landwirte entfallen a) jolche ohne Kapital und Schulden 41,1°/0, b) jolche nur mit Kapital 21,2°/,, e) mit Kapital und Schulden 11,2%, U nur mit Schulden 26,5°%,, alfo nur 38 Landwirte unter 100 jind mit Schulden behaftet, und unter den mit Schulden behafteten noch ein erheblicher Teil, der nebenbei Kapitalvermögen befißt. Koch günftiger geitaltet fich das Verhältnis der Verichuldeten zu den Uns verjchuldeten, wenn die gejamte ländliche Bevölkerung, allo einjchlieglich der landwirtichaftlichen Stleimbefiger und DTagelöhner, ins Auge gefaßt wird, denn auf 100 Angehörige der ländlichen Gemeinden fommen alsdann nur 10, welche mit Schulden behaftet find. Der Brozentiaß der Ber: Ihuldung der verjchuldeten jelbitändigen Yandwirte (einjchließlich der zugleich Kapitalvermögen bejigenden) it zu 23,5°/,, und derjenige der verjchuldeten Landwirte ohne Stapitalvermögen zu 34,5°%/, ermittelt worden. Alfo auch Diele Hifern, ie Diejenigen für Bayern oder Baden ermittelten, haben feineswegs eine allgemeine Berjchuldung, noch weniger eine allgemeine Überfchuldung in die Ericheinung treten lafjen. 104 Drittes Kapitel. Grund» und Betriebsfapital 2c. Gegemüber einer mit zunehmender Häufigkeit und voller Bejtimmt- heit auftretenden Meimung, daß die Berfhuldung des ländlichen Grundbejiges wejentlich ein Broduft der Neuzeit jei, ımd der Verwertung Diejer Memung zu Angriffen auf den modernen Staat unter gleichzeitiger Anpretfung rüchvärts liegender Zeiten und gegenüber einem Iyitematisch gezüchteten Pejjimismus, der unter Hinweis auf die behauptete durchgängige Überjchuldung des ländlichen Grumdbefißes den völligen Zujammenbruch der ganzen deutichen Landwirtichait bereits vor Augen jieht, it es gewiß nicht überflüilig, ausdrücklich feitzujtellen, 1. daß ein vergleichsweile hoher Schuldenftand unzweifelhaft zeitweile auch früher zu beobachten war, 2. daß die Vorausjegung für die Wahrjcheinlichfett des angekündigten Zujfammenbruchs: die durch- gängige Hohe und übermäßige Berjchuldung der ganzen deutichen Landbevöl- ferung bis jebt in feinem eimzigen deutjchen Staat jtatiftiich nachweisbar gewesen tjt, wohl aber daß 3. joweit Jolche jtatiftische Schuldermittelungen vorliegen, zwar im bejtimmten Gegenden und Gemeinden der Berjchul- dDungsprozentjaß ein hoher tit, daß aber dieje verichuldeten Gemeinden überall mit jolchen durchjeßt find, die eine vergleichsweile geringe oder jedenfalls unbedenfliche Höhe der Berfchuldung aufweilen. Die übermäßig pellimiftische Auffaflung, die in der Gegen- wart anfnüpfend an die Streditverpflichtungen des Grundbeliges in der Tagespreife, in der Litteratur, in den Barlamenten jich Geltung zu verichaffen jucht, wurzelt teilwerfe in der Meinung, daß jede Ber- ihuldung vom Übel jei, und diefe Auffaffung erblickt aljo in dem Vorhandenjein jeder Art von Grumdfreditverpflichtungen einen dem Grumdbefiß Ddireft jhädlichen Zujtand. Sede Srumdfveditverpflichtung it gleichbedeutend mit der Nötigung, aus den laufenden Wirtjchaftseimnahmen Deefungsmittel zur VBerzinfung und Tilgung einer Schuld zu gewinnen, deren Aufnahme — im Gegenjat zu den Verbindlichfeiten des Betriebsfredits — zur Steigerung der Wirtichaftserträgniiie nichts beizutragen vermag. Der Inhaber eines Guts im Wert von 100000 ME, das mit 50%, diefes Werts hypothefariich mit Kaufjchillingsreiten oder Erbabfindungsanfprüchen be= lajtet it, muß jährlich an Zinjen 2000 NE. an den Gläubiger abführen, aljo Die Früchte jeiner Unternehmerthätigfeit mit einem Dritten teilen; und je höher er verjchuldet ift, je größere Teilbeträge der Gutsrente durch die abzuführenden Zinjen verschlungen werden, um jo mehr wandelt jich das Eigentum am Grundbeji um in einen Zujtand, der der Berwaltung des Guts für fremde Nehnung gleichfommt Wan hat diefes Arbeiten des verjchuldeten Srumdbejiges für den Gläubiger unter Entlehnung von Borstellungen, die an die alte Grumdherrlichkeitsverfafjung anknüpfen, mit der bei agrar- politijchen Erörterungen heutzutage nicht jelten zu beobachtenden Über: treibung nicht jelten als „ Zinstnechtichaft” oder als „Unterwerfung $ 23. Zurücweifung pejlimiftiicher Auffaffungsmeien. 105 des Grundfapitals unter die Herrichaft des Geldfapitals” bezeichnet; in Wahrheit liegen wirtichaftliche Abhängigfeitsverhält- nilie vor, die dem ländlichen Grundbejig nicht ausschließlich eigen jind, Sondern überall vorkommen, wo eme Unternehmer: thätigfeit nicht bloß auf das eigene Kapital, jondern teilweile auf das entliehene Kapital Dritter aufgebaut tt. Diejenige Auffallung, welche in den Berpflichtungen des Grunde £redits ein jchlechthin zu meidendes Übel jieht, fan des über- treibenden Charafters, der ihr innewohnt, leicht entfleidet werden. Denn augenscheinlich it der verjchuldete Grumdeigentümer, der aus den Wirtichaftsüberichüffen jährlich Zinfen und Tilgungsraten an den fredi- tierenden Gläubiger abführen muß, unter dem rem finanziellen Gelichts- punft in feiner anderen Lage als der Bächter, der aus den Wirtjchafts- überichüffen den Bachtzins an den verpachtenden Eigentümer zu entrichten hat. Die finanzielle Leitung emes Pächters, der von einem Gut im Wert von 100000 WE. 3000 NE. Bachtzins, und diejenige des Eigen- tümers eines mit 60°, des Werts, d. h. mit einer Schuld von 60000 ME. belajteten Guts gleicher Größe, für welche Schuld jährlich 4%, an Zins und 1°/, für Tilgung zu zahlen find, it geldlich völlig die gleiche... Zu behaupten, daß ein jolches Gut, für das ein Pächter mit gutem Gewiljen 3000 ME. bezahlen fan, von dem Eigentümer mit 3000 DE. Zinjen und Tilgungsraten nur unter Gefährdung feiner Eriftenz belaitet werden fönnte, würde gleichbedeutend damit jein, der Emrichtung des WBacht- wejens die Eriitenzberechtigung abzujprechen. Crachtet man aber Die Bacht als eine wirtjchaftlich berechtigte Form landwirtjchaftlicher Unter: nehmerthätigfeit, und zeigt die Erfahrung, daß viele Bächter prosperieren, obwohl jie die ganze Grundrente als Bachtzins abzuführen haben, jo fann jedenfalls die Übernahme von Grumdfreditverpflichtungen in einer Höhe, daß legtere nach ihrem Jahresbetrag an Zinfen und Tilgungsraten hinter dem Betrag der Grumdrente zurücbleiben, nicht an jich eine den Grundbeliger und jeine Erijtenz bedrohende, aljo nicht eine Ichlechthin abzulehnende, weil unbedingt Schädliche Berpflichtung Jein. Wäre jelbit die Schuld jo hoch, daß ihre Sahresleiitungen dem üblichen Bachtzins gleichfämen, wie in dem oben angeführten Beriptel, jo hätte der verjchuldete Eigentümer vor dem Bächter doch immer noch voraus, daß er, entiprechend jeiner „Sahresleiitung (Zins und Tilgungsrate), nach 40 Sahren als freier unverjchuldeter Eigentümer auf dem Gute Tißt, während der Pächter durch eine denjelben Geldbetrag erreichenden Sahres- leiitungen, und wenn er Zeit feines Lebens Pächter bleibt, auch nicht einen einzigen Quadratmeter des von ihm bewirtichafteten Landes zu Eigentum erwerben fanı. Die Durch Sreditverpflichtungen gejchaffenen Abhängigfeitsper- hältnifje des Schuldners zum Gläubiger werden aljo nicht immer, jondern jtets nur unter beitimmten Borausjeßungen verhängnisvoll für 106 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital 2c. den Schuldiier werden, nämlich dann, wenn wider Erwarten die aus dem Gut zu ziehenden Erträgniffe zur Berzinjung und allmählichen Til- gung der Schuld ich unzureichend erweiien, alfo das als Unterpfand eingejeßte Objeft dem Gläubiger zu verfallen droht. Diejer Fall kann ichon bei mittlerer Verichuldung eintreten, jobald aus Gründen, deren Bejeitigung nit vom Wirtjchafter abhängt, die Gutsrente beträchtlich jinft; er wird mit Sicherheit eintreten, wenn hohe Ver vihuldung mit dem Sinfen der Nente zeitlich zujammentrifft. Wo alfo im Zus Itand der Nicht u oder der mäßigen Berfhulung auch minder inehtine Wirte Jich zu halten und jelbjt Eritiiche Zeiten zu überwinden in der Lage find, wird im Zultand hoher Berfchuldung möglicherweile jelbjt der tüchtigite Wirt beim Eintritt ungünjtiger Zeiten weggefegt werden. Eine Bejigentjegung zahlreicher grundbejigender Kamilien it aber nicht bloß ein privates Unglücf derjenigen, die es angeht, jondern greift in jeinen Wirfungen viel weiter. m der Negel geht der Be- ligenthebung im Weg der Zwangsvollitrefung ein Zuitand längeren Siechtums voraus, der Ti) in allmählicher Entblößung des Guts von suventar und, beim Mangel der nötigen Geldbetriebsmittel, in einem Nüdgang der Wirtjchaftsführung im Se äußert (rüclichts» (oje Ausnüßung der Bopdenfraft bei ungenügender Düngung und Bes itellung der Felder und unzureichender Unterhaltung der Gebäude), jo daß das Gut der Berwahrlojung entgegengeht und es hinterher jahrelanger Bemühungen bedarf, um es in den Zultand normaler Ertragsfähigfeit zurüczuverjeßen. Häufig gelangen jolche Güter in den Belit von Spe= fulanten oder untauglichen Wirten, und jedenfalls ergiebt jich für Die unter jolchen Berhältnifjen befeffenen Güter eine fürzer oder länger dauernde Übergangszeit, in der wegen des eingetretenen Zuftandes der Berwahrlojung und erichöpfter Bodenfraft die nationale Produktion Not leidet. Kann man über jolche Vorgänge hinwegjehen, falls fie vereinzelt auftreten, jo erwächit aus ihnen dann ein nationalwirtichaftlicher Nachteil, wenn je an einer großen Zahl von Gütern und landiwirt- Ichaftlichen Anwejen fich abjpielen ; die Krifis der fünfziger Jahre in Süd: deutichland mit den mafjenhaften Zwangsverfäufen, dem Sinfen aller Grunde werte, der herrichenden Mutlojigfeit jpricht in diefer Hinficht eine beredte Sprache. Eine dDurhhgängig mittlere oder gar hohe Berichuldung trägt aljo immer den Keim jchwerer Grundbefigfrijen in jich; und an den obigen Einwendungen gegen die Grundkreditverpflichtungen üt daher jo viel richtig, daß die legteren thunlich in mäßigen Grenzen Jich halten jollen und jede Kreditüberjpannung zu vermeiden fei. Die Bejorgniffe, die an das Beitehen von Grundfreditverpflichtungen jich fnüpfen, der Wunjch, von dem Grundbejig auch in Zeiten einer finfen- den Nente jede Art von Krijis fernzuhalten, haben den Vorfchlag gezeitigt, durch völlige Schliefung der Hypothefenbücher für den länd- lichen Grumdfredit oder doch durch Einführung von Ber: $ 24. Die Beichränfung der Freiheit im Grundfreditverfehr. 107 jhuldungsgrenzen Erjcehütterungen auf dem Grumdmarft als Folge einer allgemeinen Vers oder Überschuldung ein für allemal fernzuhalten. Und die Frage it nun, was von jolchen Vorjchlägen zu halten jet. $ 24. Die Befchränfung der Freiheit im Grundfreditverfehrz; Schluß der Kypothefenbücher und Einführung von Derfhuldungsarenzen. Um zu einem Urteil darüber zu gelangen, von N Yirfungen das Verbot begleitet jein würde, ländliche Grumditüce mit Verpflichtungen des Grumdfredits fernerhin zu belaiten, muß man ich die beiden Haupt: formen der Snanjpruchnahme des Grundfredits (für Liegenjchaftstäufe und Erbabfindungen) gegenwärtig halten. Sm Bereich des Liegenichafts- verfehrs unter Yebenden wäre die Wirfung unzweifelhaft die, daß ein Erwerb von ländlichen Liegenjchaften nur noch gegen Barzahlung, d. h. nur noch jenen möglich wäre, Die fapttalfräftig genug find, Der Forderung der Barzahlung zu genügen. Die Forderung der Barzahlung fann alfo jehr leicht dazu führen, tüchtigen, fleigigen, Itrebjamen Elementen der Landbevölferung das Emporflimmen auf der joctalen Staffel über Gebühr zu erjchweren und den Yanderwerb zu einem Privileg der augen= blieflich Vermöglichiten zu machen, ohne daß Dieje lebteren immer Die nötigen Garantien, tüchtige Wirte zu jein, bieten würden; jelbjt die Auflangung ländlicher Befigungen durch ftädtiiche SKapitaliiten, die die erworbenen Güter in der Form der Zeitpacht, vielleicht gar der Barzellen- pacht auszunügen juchen werden, wäre eine Gefahr, mit der man wohl rechnen müßte Debt pflegen in den Gebieten der Freiteilbarfeit an Liegenjchaftsfäufen die Inhaber der im Erbweg verfleinerten Amvejen, ferner Tagelöhner, Fabrifarbeiter fich zu beteiligen, und die Negel tt, daß ein Drittel des Kaufichillings angezahlt wird, zwei Drittel im Nücitand bleiben; die verbleibenden Kaufichillingsreite find ‚häufig groß genug, aber e8 zählt doch zu den Ausnahmen, wenn die Abtragung derjelben nicht rechtzeitig erfolgt oder über Gebühr fich verzögert. Alle Dieje der= malen auf dem Grundmarft auftretenden faufluftigen Elemente würden mit der Berwirflihung der Forderung der Barzahlung zu einem guten Teil zu Guniten vermöglicherer Elemente der Yandbevölferung verdrängt, die Grundjälligmachung wäre mithin den unbemittelteren Leuten gegen jeßt erheblich erichwert. VBollends der Ankauf ganzer landwirtichaftlicher Anwejen oder gar großer Güter wäre nur den wirklich Neichen im Lande möglich, ob immer den Tauglichiten, Gejchieteiten bliebe zweifelhaft. Könnte Danach durch die grundfägliche Nichthypothecierbarfeit von Kaufichillingsreiten jehr leicht herbeigeführt werden, daß die Belit- verhältnifje auf dem Lande durch Ausjchluß der minder vermöglichen Elemente von der Anteilnahme am nationalen Grund und Boden eine Berichiebung in antifocialem Sinn erleiden, und daß die Be- wegung von der Eigentumswirtichaft zur Bachtwirtichaft eine unerwünichte Stärfung erfährt, jo würde die Nichthypothecier- 108 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital 2c. barfeit von Erbabfindungsgeldern von ähnlich ungünitigen Wir- fungen begleitet jem. Wird nämlich jeitens der Gejeßgebung eine Haftung des Anerbenguts für die Erbanjprüche der Miterben grundjäglich ausgeichlojfen, jo führt Dies zur VBerfürzung der Erbportionen der mit- erbenden Gejchwiiter überall dann, wenn nicht das Barvermögen des Erblafjers ausreicht, die Nüterben zu befriedigen, aljo in vielen Fällen zu emer derart vermögensrechtlichen Bevorzugung des Anerben, daß fie die Miterben als jchreiende Ungerechtigkeit empfinden müfjen. Dem joctalen Frieden würde eine jolche Ordnung des Grundfreditrechts, dem eine nach umjeren deutjchen Anrchauungen und Empfindungen jchiwer ver: itändliche Anderung des Exbrechts im Sinn der Bejeitigung des Pflicht: tetlrechts vorausgehen müßte, augenjcheinlich wenig dienen; denn das neue Necht befände jich mit dem jocialen Nechtsbewußtjein weiteiter Stretfe im ausgeiprocheniten Widerjpruch. Die Hoffnung, der fi) die Freunde Ddiefer Ordnung bingeben, daß der Ausschluß der Miterben von der liegenichaftlichen Hinterlafjenichaft dem Vater eine Vorjorge für dieje Kinder in anderer Form, insbejondere durch Anjammlung von Bar: vermögen oder durch Abjchluß von Ausitattungs= und Lebensverficherungs- verträgen in dringlicher Weile auferlege, wird fich in zahlreichen Fällen als trügertich erweifen. Man müßte aljo eine Verpflihtung zur Berjicherungsnahme für die bezeichneten Biwede den ländlichen Guts- bejigern auferlegen, begäbe jich aber mit der Einführung eines jolchen generellen Verficherungszwanges auf einen Weg polizeilicher Bevor= mundung, der den metiten ländlichen Grundbefigern unerträglich er: Icheinen dürfte. Dieje Betrachtungen werden genügen, um Ddarzuthun, daß Die ‚Forderung der Bejeitigung des Grundfredits, d. h. die gejegliche Er= zwingung der Barzahlung bei allen liegenjchaftlichen Verfehrs- gejchäften unter Lebenden und die VBerweifung der Miterben auf etwa vorhandenes Barvermögen unter Ausjchluß oder doc unter Kürzung ihrer Erbanjprüche an das liegenjchaftliche Kachlafßvermögen nur unter Eintaujfchung anderweiter jchwerer Nachteile zu verwirflihen wäre und daher die bezüglichen Forderungen und Wünihe aus dem Programm praftijcher Agrarpolitif auszujcheiden find. Die voritehend gegen eine völlige Bejeitigung des Grumdfredits durch Schluß der Hypothefenbücher erhobenen Bedenken treffen nur in ab- geichwächtem gegenüber ei Vorichlägen zu, die auf die Felt: legung einer Verjchuldungs- (VBerpfändungs-) Grenze abztelen derart, daß nur innerhalb dieier Grenze Einträge auf ein ländliches Grund- stick jollen gemacht werden fünnen. Immerhin it folgendes zu beachten: Fit die Verichuldungs-Grenze verhältnismäßig hoch gegriffen, 3. DB. bis zu 50 oder 60°), des Ertrags- oder Beleihungswerts, jo wird die Verz wirflihung des Vorichlags eine erhebliche Wirkung auf die Verfchuldung $ 24. Schluß der Hnpothefenbücher und Einführung von Verichuldungs-Grenzen. 109 nicht ausüben, da nach allen vorliegenden Itattittichen Nachwetien auch jeither nur der kleinere Teil ländlicher Beligungen über jenes Maß verichuldet war; würde man aber die Verjchuldungs-Örenze, um jede nennenswerte Grumndfreditbelaftung auszuichliegen, niedrig greifen, 3. Bd. auf 20 oder 30%, des Ertrags- oder Beleihungswerts, jo würden jich beengende Wirkungen ergeben, die nicht viel jenen nachjtehen, welche nach obigen Ausführungen als Folge der völligen Ausichliegung des Grundfredits zu erwarten jind. Jun Hat aber eine wie immer geordnete Ichematische, d. d. für alle landwirtichaftlichen Grumditüce und Anwelen in gleicher Höhe bejtimmte Feitlegung einer oberen Verschuldungss(Berpfändungss) Grenze das weitere Bedenfen gegen fich, Daß fe der augerordentlichen Btelgeitaltig- feit der Verhältniffe, unter denen der einzelne ländliche Grundbefiger wirt- ichaftet und lebt, nur jehr ungenügend Nechnung tragen kann. Es wäre nämlich ein großer Irrtum, anzunehmen, daß landwirtichaftliche Grund- itüicfe oder Anmwejen von dem gleichen Ertrags- oder Deleihungswert die gleiche Beleihungsfähigfeit befigen; denn legtere it in hohem Grade nicht bloß durch Größe und Bonität des Guts, jondern auch durch Die Berjon des Wirtichafters und Die befonderen YLebensumftände, unter denen er lebt, bedingt. Kine bäuerliche Befißung, Die der Befißer mit jeinen eigenen Famitlienangehörtgen betreibt, fan ein Maß von Stredit- verpflichtungen ohne Gefahr eingehen, das für einen Beliger eines An= wejens gleicher Größe, welches mit fremden Arbeitsfräften bewirtichaftet werden muß, bereits eine bedenkliche wäre. Db der Lebensunterhalt im einer zamilie ein frnapp zugejchnittener oder ein jtandesmäßtg reichlicher it, ob für längere Zeit hinaus Mittel zur Ausbildung der Kinder aus der Wirtichaftsfalle abfliegen oder ob Ddiejes nicht der Fall, beeinflußt ebenfalls in hohem Grade die Höhe der gefahrlos zu übernehmenden Ktreditverpflichtungen. Db endlich der Wirt für jenen Beruf hervorragend oder mittelmäßig begabt it, ob danac) das landwirtichaftliche Anwelen nach der betriebstechnischen und öfonomijchen Seite erfolgreich oder minder erfolgreich bewirtichaftet wird, tt für das Maß der Streditverpflichtungen und für die Möglichkeit der jährlichen Abführung eines größeren oder geringeren Geldbetrages für Zinien und Tilgungsraten von ganz ent- icheidender Bedeutung. Man vergißt eben bei der ganzen Würs dDigung der Grundfreditfrage jo leicht, daß auch beim Grund: fredit das perjönliche Moment eine Nolle jpielt, daß allo nicht ausschließlich Größe und Beichaffenheit des Guts, jondern auch die Art der Lebens- und Wirtichaftsführung des Befiters des Guts Maß und Höhe der gefahrlos zu übernehmenden Sreditverpflichtungen wejentlich mit beeinflußt. Eine ihematiiche, für alle landwirtichaftlichen Beligungen in gleicher Höhe beitimmte Berichuldungs- (Berpfändungs-) Grenze jcheitert aber auch deshalb an den Forderungen des 110 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital 2c. praftiichen Lebens, weil unvermutet und ohne Schuld des Wirt- ichafters die Notwendigfeit plößlicher Kreditinaniprudhnahme fidh ergeben fann (Studiengelder für Söhne, Ausitattungsfoiten für Töchter, Baus, und Snitandjegungs:, Meliorations-Koiten, Folgen elementarer Schäden und dergl. mehr). Sit in jolchen Fällen der Berjonalfredit bereits erjchöpft, jo erübrigt nur die Aufnahme eines unterpfändlich gelicherten Darlehens; it auch dies unmöglich, weil das Gut bis zur Verfchuldungsgrenze be= reits belaitet ift, jo müllen jene Ausgaben zum Schaden der zamilien= angehörigen bezw. (wenn fie zum Nuten des Guts jelber verwendet werden jollen) zum Schaden der Wirtjchaft unterbleiben; unter Umz jtänden und wenn die Ausgaben ganz bejonders dringlicher Natur find, 3.B. die Familienehre auf dem Spiele jteht, jtände die Veräußerung des Guts jelber in Frage Dieje Unvereinbarfeit einer jhematiich geordneten Berfchuldungsgrenze mit den nicht vorauszujehen- den Bedürfniiien des Lebens bedingt daher die Notwendigkeit aus= nahmsiweiier Überjchreitung der Verfchuldungsgrenze mit Genehmigung der Staatsbehörde; in dem Entwurf eines Heimjtätterechts, mit dem fich der deutjche Reichstag wiederholt in den legten Sahren befaßt hat, findet fich in der That ein jolcher Vorbehalt. Doch werden alle Bedenfen auch mit Einfügung diejes Vorbehalts nicht bejeitigt, im ©egenteil neue vers anlaßt; denn an Stelle des über das Maß feiner Kreditverpflichtungen frei beitimmenden Eigentümers tritt num die jtaatliche Behörde, an Stelle der Freiheit der Entjchließung die polizeiliche Bevormundung. Die Behörde fann umd wird in vielen Fällen die angemejjene Entjcheis dung treffen; aber die Fälle, daß fie ih irrt und ohne gemügenden Grund die nachgejuchte Genehmigung zur Schuldaufnahme verjagt, Tind nicht ausgejchloffen. Und wie lältig und peinlich müßte vielfach das durch die Prüfung des Gejuches um Aufnahme eines Darlehens ver- anlafte amtliche Eimdringen in die innerjten Familienverhältnije em pfunden werden. Nach diefen Ausführungen fann von der Feitiegung einer für den ganzen Grundbejiß ohne Ausnahme verpflichtend wirt- jamen oberen Verfchuldungs- (VBerpfändungs=:) Grenze nicht wohl die Nede jein. Annehmbar erjcheint eine jolche Ordnung nur in folgenden zwei Fällen: einmal als örtlich begrenzte Inititution, z.B. mit Beichränfung ihrer Anwendung auf Anfiedelungsgebiete, jofern es zweds Gelingens des Anfiedelungsgebiets nötig ericheint, die Anfiedler für längere Zeit einer Art väterlicher Kuratel zu unterwerfen; die Ein- engung der Verschuldungsfreiheit ericheint dann als eine der Bedingungen des Anfievelungsvertrags, denen fich der Anfiedler gleich allen andern Bedingungen zu unterwerfen hat. Zum andern als jafultativ ge= dachte Imititution, d. h. jo, dab die Eimengung der Berjchuldungs- freiheit nur jenen Gütern gegenüber wirfjam wird, deren Inhaber fich diejem bejonderen Grumdfreditrecht Freiwillig (durch Eintrag des Guts s24. Schluß der Hypothefenbücher und Einführung von Verichuldungs-Örenzen. 111 in eine bejondere Rolle) unterworfen haben. Zu einem jolchen frenvilligen Verzicht auf die Entjchliegungsfreiheit in Sachen des Kredits fann em wirfiamer Anreiz durch Cinräumung bejonderer Privilegien gegeben werden, namentlich durch die Beitimmung, daß die diefem Sonderrecht unterrvorfenen Güter im Zvangsvollitrekungsverfahren eine Ausnahmes jtellung einnehmen, 3. DB. niemals der Zwangsveräußerung, jondern jtets nur der Zwangsverwaltung unterliegen. Gleichwohl bleibt zweifelhaft, ob ein jolches auf der Grundlage freiwilliger Unterordnung aufges bautes Sonderrecht, hieße es nun Heimjtättenrecht oder Stamm gutsrecht, in ländlichen Streifen, ungeachtet jener wohlmeinenden Wto- tive, großen Anklang finden wird. Was oben (S.82) betreffs der bäuerlichen Fivetfommißgüter gejagt wurde, gilt einigermaßen auch hier. KHochver: ichuldete Eigentümer, d. h. jolche, bei denen die thatlächliche Belaftung die gejeliche VBerichuldungsgrenze bereits überjchritten hat, fommen ohne= hin nicht in Betracht. Unverjchuldete oder mäßig verjchuldete Eigen tümer werden im allgemeinen das Bedürfnis zur frenwilligen Unterorpnung unter ein Verhältnis der jtaatlichen Bevormundung nicht empfinden und — pie die menjchliche Natur nun eimmal it — Sich ftarf genug fühlen, ihren Belig auch außerhalb diefes Sonderrechts zu behaupten. Nur eine fleine Meinderheit wird danach vermutlich von ihm Gebrauch machen, eine Wirfung ins Breite und in die Waffen Hinem bliebe ihm verjagt. Wie jeiner Zeit bei der Erörterung der Frage der Berfehrsfreiheit im Liegenschaftsverfehr die Wirrdigung des „Fir“ und „Wider“ zu dem Ergebnis hinleitet, daß im Grundiag Ddiefe Freiheit des Liegenjchaftsver- fehrs aufrecht zu erhalten jet (S 16), jo haben die vorjtehenden Bes trachtungen zu eimem ähnlichen Ergebnis bezüglich der Freiheit des SKreditverfehrs geführt; md Ddiejes Ergebnis wird jedenfalls injolange unanfechtbar fein, als nicht nachgewiejen it, daß die jeit Anfang des Jahr: hunderts bejtehende sreiheit durch ihre mißbräuchliche Ausnugung auf diefem Gebiet in ganz überiwiegendem Maße Ichädlich gewirkt und eme allgemeine Überichuldung oder doch eine in ihren Folgen verhängnisvolle weitgehende Berichuldung herbeigeführt habe. Bis jet ift diejer Nach- weis für fein Ddeutjches Yand erbracht worden. Wit diefem vorwiegend negativen Ergebnis wird aber die große Wichtigkeit der Kredit: md Berichuldungsfrage feineswegs mit verneint. Vielmehr erhebt fich die stage, ob e3 nicht — bei grundfäßlicher Aufrechterhaltung der Ssteiheit im Kreditverfehr — möglich it, gegen den Mißbrauch Diejer Freiheit jolche Dämme aufzuführen, innerhalb deren der Strom des Kredits gefahrlos abfliegen kann, ohne daß man doch in den Ssehler verfällt, diefe Dämme jo hoch zu türmen, daß die Zugänglichkeit des Stromes auch für müßliche und angemejjene Zwece übermäßig er- ichwert würde. Dieje Frage ift zu bejahen. Und zwar bietet der zu eritrebende vwirffame Schuß gegen Mißbrauch der Sreditfreiheit einmal eine zwecfmäßige Organijation des ländlichen Kredits, zum andern 112 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital zc. eine den Bedürfniifen des nn De chnung tragende Ordnung des Zwangspollitrefungswejens. Diejen beiden Materien ift daher zunächit näher zu treten. $ 25. Redtlihe Ordnung des Grundfredits (Bypothekarfredits); Grundbuchmwefen; Kapitalfchuld und Rentenfchuld, sm Sinne der voritehenden Betrachtungen ift der Grundfredit nicht an jich, fondern nur das Übermaß feiner ISnanipruch- nahme jchädlih; Aufgabe und Ziel einer vernünftigen Agrar- politif bleibt aljo, dem ländlichen Grundbefit innerhalb der berechtigten Grenzen den von ihm benötigten Grundfredit ohne große often und Umständ- lichfeiten zu einem der jewetligen Lage des Klapitalmarktes entiprechenden Zinsfuß und unter jolchen Bedingungen zugänglich zu machen, daß das mit dem Eingehen eimer Schuld unter allen Umständen verfmüpfte wirt- ichaftliche Nififo ein erträgliches bleibe. Und wenn in diefem Sinne verfahrend Gejeßgebung und jtaatliche Verwaltungsthätigfeit ich bemüht haben, rechtliche Ordnungen und VBerwaltungseimrichtungen zu jchaffen, die ebenjo auf leichtere Zugänglichkeit des Grumdfredits wie auf deijen angemejjene Befriedigung abzielen, jo fann nur eine den Verhältnitien des Yoirklichen Lebens a d. h. verkehrte Betrachtungswetie dazu gelangen, diefe Politif als „Akte der Unterwerfung des Grundbe- jißes unter die Herrichaft des Kapitals” und als „den Anfang der Bernichtung des Grundbelißes durch das Kapital” zu fenn- zeichnen. Vielmehr tft das Ergebnis einer nüchternen Betrachtungsweife das folgende: Der Grundbefig it in dem modernen Wirtichaftsleben auf die Dienite des Geldfapitals vielfältig angewiejen; in den weitaus metiten Fällen der Exrbichaftsauseinanderjeßung fann die Kapitalbejchaffung tm Lege des Ktredits gar nicht vermieden werden, wenn anders der Liegen Ichaftsbefig nicht in fremde Hände gelangen soll: zahlreiche Angehörige der Bolfsgemeinjchaft fünnen nur unter Zuhilfenahme des Kredits Anteil am vaterländiichen Grund und Boden fich erwerben; eine rechtliche Seitaltung des Hypothefenwejens, die das Öeldfapital dem Grundbeiig und deiien Inhabern in Fällen des nötigen De: dDarss ohne zu große Schwierigfeiten zuführt, wird daher durd) das eigenste Intereffe der Grundbefiger jelber gefordert. Von diefem Gedanfengang it im der That die eine Reform des Hypothetene rechts anbahnende Gejeßgebung der legten Jahrzehnte beherricht geweien, wenn fie mit den gejeglichen und jtillfchweigenden Hypotheten aufräumte, das Eintragungsprinzip Itreng durcchführte, ferner die Bez itellung der Hypothek nur an bejtimmten, genau umjchriebenen Grunde ftücken zulieh (Specialitätsprinzip), endlich dem Grundjab zur Vers wirflihung verhalf, daß jede frühere Hypothefenbeitellung der jpäteren im Nang vorgehe (Necht der Priorität). Mit anderen Worten, das nenzeitliche Hypothefenrecht hat fich bemüht, dem Gläubiger zu ermög- $ 25. Nechtliche Ordnung des Grumdfredits. ala) lichen, die auf einem Grundjtüce bereits haftenden Laiten £lav zu erjehen, hat ihn zugleich der Gefahr entrüct, daß fein Detreibungsrecht durch das Borhandenjein gejeßlicher und jtillichweigender Hypothefen beein= trächtigt werde, und hat endlich das Nangverhältnis zwilchen mehreren, dasjelbe Grumdjtüc belaitenden Nechten tm einer jeden Zweifel aus- Ichliegenden Weile geregelt. Der jederzeitigen Erfennbarfeit der rechtlichen Beziehungen der Grundjticke — der Eigentumsrechte, Grunddienstbarfeiten, Ifandlaften — wird durch den Eintrag Diejer Dinglichen Nechtsverhält- nilfe in öffentliche Bücher (Grundbücher) genügt; die Einträge tr Die Grumdbücher genießen öffentlichen Glauben (Bubliettätsprinzip); Der Erwerb Dinglicher Nechte a Liegenschaften (Eigentumsübertragung, Hypothefenbejtellung) it von dem Eintrag in das Grumdbuch abhängig gemacht und nur die in dem Griumdbuch eingetragenen dinglichen Nechte haben Dritten gegenüber Geltung (Eintragungsprinzip); fen Eintrag in das Grundbuch darf ohne das VBorhandenfein der gejeglichen Voraus- jegungen erfolgen (Yegaltitätsprinzip). Diefes moderne Grundbuch- Iyitem, in Preußen und anderen deutichen Staaten jchon jeit geraumer Zeit Nechtens, wird mit der Einführung des neuen bürgerlichen Gejeß- buchs allgemeines Necht in ganz Deutjchland werden und mit Ddiejer Drdnung in allen deutjchen Staaten die rechtliche Unterlage für eine angemesijene Befriedigung des Hypothefarfredits ge- geben jein, eine nicht hoch genug anzuichlagende Errungenschaft überall da, wo jeither das Grumd- und Pfandbuchweien einer klaren Ordnung noch ermangeltee Eime gute Landesvermeflung und Sartierung der einzelnen Bodenparzellen bildet für die Durchführung des Grundbuch- yitems die unerläßliche VBorausjeßung, welcher Forderung bis zu dejjen Einführung wohl überall entiprochen fen wird. sn der modernen Wirtichaft vollzieht Fich regelmäßig die Aufnahme von Darlehen des Grumdfredits in der Form der Verschuldung für em bejtimmtes Geldfapital und demgemäß die Belaftung von Liegenfchaften mit Hypotheken in der Form der Napitalbypothefk; doch ift diefe Form der SKtapitalverichuldung und Kapitalhypothget nichts der modernen Wirt: Ihaft Eigentümliches, jondern die jeit langer Zeit herrichende. Im Gegenjaß hierzu hatte fich im Mittelalter, im Zufammenhang mit den Eicchlichen Verboten des Zinsnehmens bei Geld-Darlehen, die Verichul- dung gegen Nente ausgebildet, und zwar in der Form des Nenten- faufs, d.h. der Belaftung eines Grundftücs, das im Befit des Schuld- ners blieb, mit einem Ddinglichen Zins zu Gunjten des Gläubiger, wober nur der Schuldner, nicht auch dev Gläubiger kündigen durfte und der Schuldner oder dejjen Erben durch Nüczahlung der Schuld die auf dem Grumdjtück haftenden Nentenverpflichtungen jederzeit ablöfen konnten. Aır diejes mittelalterliche Iuftitut des Nentenfaufs, das mit der Zeit mit der größeren Freiheit im Geld und Darlehensverfehr gänzlich in Nb- nahme fam, anfnüpfend, hat fich in der Gegenwart eine lebhafte Be- Budhenberger. 8 114 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital ze. wegung für Einführung der Verfhuldung gegen Nente ftatt gegen Kapital bemerfbar gemacht. Zur Begründung diefer Forderung wurde darauf verwiejen, daß die Berihuldung in der Form der Slapital- verishulßdung der Natur des ländlichen Grundbefiges Ywideritrebe md deshalb ein diefem „feindliches Brinzip” Ddaritelle. Denn im Stimm diejer Auffaflungsweiie it der Grund md Boden jelbjt fein Kapital, jondern ein Nentenfond; und da er nur Nenten, nicht aber Stapitalteile hervor= zubringen vermag, jo it es widerfinnig, die Verjchuldung in Ktapitalforın zuzulaffen, da der Grund und Boden als Rentenfonds der Forderung der Kapitalrüczahlung Doch niemals gerecht werden fan. Indem Die Gejeßgebung dem Grund und Boden im Widerjpruch mit jener Natur Kapitalgualität aufnötigte und die VBerichuldung gegen Kapital zulieh, hat fie nach Ddiefer Meinung Die Notlage Des u recht eigent= (ich verichuldet; denn mit der Auferlegung der Berpflichtung von Kapital ichulden nötigt fie, etwas, nämlich Stapttaltetle, abzutreten, was in Wahr: heit gar nicht vorhanden it. Dem Wejen des Cam und Bodens als „Nentenfonds”, d. H. als der Unterlage jährlich zu erzielender Renten, entipricht alfo nicht die Kapitalichuld, Tondern die Nentenjchuld; erit wenn mit dem Prinzip der Stapitalgnalität des Bodens und demgemäß mit dem Prinzip der Kapitalverichuldung und der Ktapttalhypothef ge= brochen und die Nentenschuld als die einzige rechtlich zuläfltge gorm der HBodenverichuldung zugelaflen it, wird die Schuldnot des Grumdbefißes bejeitigt ein. An Ddiejer von Nodbertus eritmals vertretenen und nach ihm auc) von anderen Schriftitellern befürworteten urfaljung 1 it richtig das Eine, daß eine zu Zwecken des Grumdfredits aufgenommene Stapitalichuld der Hegel nach nicht aus den Crträgniljen einer oder mehrerer Wirtichafts- pertoden abgetragen werden fan und daß der infolge plößlicher Klüns digung der Schuld erwachjenden Verpflichtung zum Nüczahlung in der Pegel nicht oder nur in der Form der Aufnahme eines neuen Darlehens jich genügen läßt; daß alfo, wo leßteres nicht gelingt, der mit der Schuld belaltete Beiß nicht behauptet werden fann und der JZwangsvoll- itreefung verfällt. Dieje Einwendungen find nicht zu beabreden, aber ebenjo unbeitreitbar it, daß der Grumdbeiig diefer Gefahr da, 100 die Schuld unfündbar eingegangen wurde, entriict it. Zuzugeben tit ferner, daß Die Dircchichnittliche Höhe der Grundrente und des landivirt- ichaftlichen Unternehmergewinnes tn Der Aa richt ausreicht, größere Abzahlungen auf einmal zu leiften, die Verichuldung in der yorm der Mente alio an fich eine dem WWelen des Grundbeliges jehr gemäße gorm ” der Schuldverpflichtung daritellt; umnrichtig aber it, daß der Grundbefiß ganz umd gar zu eimer allmählichen Tilgung der Schuld, etwa in Form der Entrichtung einer ZJuichlagsrente, unfähig jet; die tägliche Erfahrung beweist Das Gegenteil. Diele erleichterte Form der Schuldabtragung tt aber auch im Bereich der Stapitalverichuldung möglich, nämlich tr der $S 25. Stapitaljchuld und Nentenjchuld. 115 Form der Amortifationsjchuld, d. 5. der Abtragung der Schuld in fleinjten Beträgen. Unvichtig it ferner die Meinung, die Einbürgerung der NRentenjchuld an Stelle der Kapitalverichuldung bilde die einzig wirf- jame Schranfe gegen eine aus Überschuldung entipringende Notlage: denn in der Endivirfung it es für die Lage des Grumdbeliges ohne Be- deutung, ob er bejtimmmte Bruchteile des Nenteneinfommens in der Form von Nentenantetlen oder in der Form von Slapitalzinfen an Dritte ab- geben muß; gerade im Syitem der „Ewigrente“ müßte jogar infolge der unvermetdbaren Umftände, die zur Auflegung neuer Nenten nötigen (wie bei jedem neneren Erbfall), mit Sicherheit Tchlieglich eine Überichuldung eintreten, welcher das herrjchende Kapitalverfchuldungsprinzip durcch die ihm eigentümliche Nüczahlungspflicht fortwährend zu begegnen fucht. Aus diefen Gründen jchiegt die Forderung, die Form der Kapitalverichuldung grundjäßlich auszujchließen und nur noch die Nentenjchuld als die einzig zuläilige Berihuldungsform rechtlich fernerhin zuzulafjen, in diejfer Allgemeinheit offen: bar über das Ziel hinaus; wohl aber fpricht vieles dafitw, auch diefe legtere gorm der Verjchuldung als rechtlich ebenbürtig neben der Kapital- verichuldung zuzulajjen; das neue bürgerliche Gejegbuch hat diejer Forderung entiprochen. Die Anwendung der Nentenjchuld ericheint namentlich in zwet Nichtungen beachtenswert und bedeutfam: einmal da, wo, wie in Anjtedelungsgebieten, die Anfiedelung auch fapital- Ichwächerer Elemente, wenn fie im übrigen die für Stolonijten nötigen wirtschaftlichen Eigenschaften m erwünscht erjcheint und vermieden werden muß, daß das vorhandene $ Barvermögen der Anfiedelungsiuitigen im en fejtgelegt werde, jtatt im Betrieb der nenen Wirtjchaft jelbjt Verwendung zu finden (S. 76 u. 77); in der Zulafjung auch minder be= mittelter Elemente zum Erwerb nationalen Grund und Bodens ohne das Kifiko der Kapitaljchuldverpflichtung liegt zugleich eine verfühnende und deshalb jocialpolitiich bedentjame Nebenwirfung der Nenten= Ichuld, die nicht gering angejchlagen werden jollte. Zum zweiten wird die Anwendung der Nentenjchuld bedeutiam in den Fällen der Erbjchafts- aunseinanderjeßung des Anerben mit den Miterben, weil die Nötigung zur Barauszahlung der Sleichitellungsgelder den Anerben leicht in die Zwangslage verjeßt, unter ungünjtigen Bedingungen ein Darlehen aufnehmen zu miüljen, und unter allen Umftänden die Betriebskapitalfraft des den Belis des Guts nen Antvetenden zum Nachteil der guten Wirt Ihaftsführung jchwächt. Wo der Grundjab der Nentenjchuld gegenüber Nüterben mit rechtlich verbindlicher Wirkung Plab greift, muß diejen aber die Möglichkeit eröffnet werden, im Bedarfsfall ohne allzugroße Unt- itändlichfeiten oder Opfer den Sapitalwert ihrer Forderungen fliifig machen zu können. Die Einführung des Prinzips der Nentenichuld er- fordert daher die Errichtung von bejonderen itaatlichen SKreditiniti- tuten, die auf Wunfch der Detheiligten an Stelle der jeitherigen Nenten= g* 116 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital zc. gläubiger in das Verhältnis der Nentenjchuld eintreten und Senen auf Verlangen die dem Betrag der Nente entiprechenden Stapitalobligationen (Nentenbriefe) aushändigen. sn Breußen, wo durch die Nentenguts- geiege von 1890 und 1891 (jiche S 18) eritmals die vechtliche Möglich- feit eröffnet wurde, den Ankauf von Liegenjchaften durch Belaftung des gefauften Guts mit einer Nente (Jtatt der Hingabe von Kapital) zu voll stehen, und wo durch eim jpäteres Gefeß vom 8. sunt 1896 auch für Die Abwicklung der Erbanjprüche der Miterben an Nenten= und Anfiedelungs- gittern die Abfindung in Nenten (ftatt in Kapital) verfügt worden tt, dienen jener WVermittlerrolle zwischen Nentengläubigern und Nenten- ichuldnern die j. 3. für die Zwede der Neallaftenablöjfung begründeten jtaatlichen Nentenbanfen. In den Gegenden der Freiteilbarfeit und der Naturalteilung des Grundbefißes in Erbfällen wird das Bedürfnis nach Einbürgerung der Nentenschuld Sich Ichwerlich geltend machen. Die Schuldverpflichtungen — meit Kaufichillingsrefte — Ind nicht von jolcher Höhe, daß Die Ylb- tragung Ddiefer Sapitalfchuld in einer Anzahl Termine in der Mehrzahl der Fälle den Erwerbern beionders jchwer fiele. Auch pflegt gerade der fleine und mittlere bäuerliche Beits der Belaltung des Grundeigentums mit Nenten em itarf ausgeprägtes Wißtranen entgegenzubringen. Das Anwendungsgebiet der Nentenschuld wird daher auf Die preußiichen Ylır jiedlungsgebiete und allenfalls noch auf die Gegenden des Arerbenrechts beichränft bleiben. $ 26. Die wirtfhaftlihe Organifation des Grund: (Hypothefar-) Kredits. (Unfündbarfeit und Amortifation; Derfnüpfung der Schulden- tilaung mit der Kebensverficherung; Sinsfuß; Beleihunasgrundfäge.) Weit der rechtlichen Ordnung des Hypothefenrechts allein it es nicht gethan; es ijt ebenjo wichtig, daß die Darbietung und die Snanjpruch- nahme des Grundfredits unter Bedingungen und VBorausjegungen erfolge, die dem Wefen des Grund und Bodens und der an leßterem Tich ab= ipielenden landwirtichaftlichen Unternehmerthätigfeit angepaßt jind, md daß organische Einrichtungen getroffen werden, welche die Erfüllung diejer Bedingungen und Vorausjegungen jederzeit gewährleiften. Welcher Art dDiefe Bedingungen und VBorausjegungen find, bedarf daher einer Darz Itellung. 1. Unfündbarfeit des Grundfredits. Schon oben ijt betont worden, daß dem ländlichen Grundbefig mit einer nur vorübergehenden, zeitlich fur; bemejjenen Eröffnung von Grundfredit nicht gedient it. Mag e3 Sich um Inanipruchnahme von Befißfredit (Kauf, Erbesübernahme) oder um diejenige des Melivrationsfredits oder um jonftige smveltierung von feften Kapitalien (Gebäuden) in den Grund und Boden handeln, in allen Fällen reichen die Erträgniffe eines oder mehrerer Jahre nicht hin, um eine Tilgung der Hypothef herbeizuführen. Die Kündigung einer auf S 26. Die wirtjchaftliche Organijation des Grund- (Hypothefar-) Kredits. 117 unbejtimmte Zeit beitellten Hypotbef wird daher Häufig von der Wirkung begleitet jein, daß zur Befriedigung des Gläubigers entweder ein Teil des Guts verfauft werden muß, in welchem Fall der urjprüngliche Zivec Des hypothefariichen T Darlehens wieder verloren gebt, oder daß der Schuldner zur Aufnahme einer anderen Schuld jchreiten muß, was nicht immer leicht gelingen mag. Die in der Kimndbarfeit hypothefarischer Darlehen liegende Gefahr it um jo größer, je mehr der Gläubiger das Ausleihen von Geldfapitalien rein jpefulativ betreibt, daher auf Nücforderung der aus- geliehenen Summen jofort abheben wird, jobald eine anderweite Kapital- anlage einträglicher dDünft. Zumal der wucheriiche Gläubiger bat in Dem jederzeitigen Kiündigungsrecht ein denkbar jtarfes Breiftonsmittel gegenüber dem Schuldner. se vieljeitigere Anlagemöglichkeiten fich für das Kapital darbieten, je weniger es darauf angewtejen tt, Sich dem länd- lichen Grundbeiig zur Verfügung zu Itellen, um jo bedenflicher wird eine jederzeit fiündbar eingegangene Schuld; denn in Zeiten jehr Itarten Napital- bedarfs (vonjeiten des Großhandels und der Sropimduftrie), ferner im Fall der Wiöglichkeit lohnender Anlage von Geld in Eijenbahn=, Suduitrie= und ähnlichen Werten droht dem ländlichen Grundbelig Die Gefahr mafjen- hafter Kündigungen oder Zinsfußerhöhungen, was leicht zu einer Kris führen fann. Die „Grumdfreditnot” der jechziger Sabre bietet in diejer Beziehung ein jehr bemerfenswertes Beifpiel. Deshalb wird mit ab: in der Einführung der Unfündbarfeit Hypothefariicher Darlehen ein befonders wichtiger Schritt zur Anbahmung gefunder Stredit- kr erblickt und werden deshalb Jolche Organtjattonen erjtrebt, die Diejer Forderung zu entjprechen vermögen. Dieje Forderung it jchlechthin uns erfüllbar, jolange im Srundfreditverfehr der einzelne Gläubiger und der etit- zelne Schuldner fich gegenüberitehen, jener alfo tm der Forin der Sndiidual- Hypothek jich vollziegt; erfüllbar vielmehr nur da, \0o bejondere Kredit- inftitute fir die Bedürfniffe des Grundfredits bejtehen und Schlechthin vollfommen erfüllbar nur innerhalb einer öffentlich-vechtlichen, d. bh. von Nüdjichten des allgemeinen Sntereijes erfüllten Streditorganijation, weil für ein privates, d. bh. |pefulativ betriebenes Streditinstitut die jeweils günftigite Kreditanlage jtets leitendes Gejchäfts- prinzip bleiben muß. 2. Die allmähliche Tilgung (Amortifation) der Grundfredit- ihulden jollte jtetS mit der Unfindbarteit Hand in Hand gehen, da nur in diefem Fall der Zuftand einer allmählichen Überjchuldung der einzelnen landwirtjchaftlichen Anwefen verhütet werden fan. Und zwar wäre das spdeal das, daß die mit dem Befigantritt übernommene Schuld längitens innerhalb des Zeitraums, während dejjen jemand vorausfichtlich im Belt eines Guts zu jeim pflegt (25—40 Jahre), getilgt wird, das liegenjchafts liche Nachlafvermögen alfo dem Erben bezw. dem Gutsnachfolger (Alırs erben) thunlich chuldenfrei übergeben made fann. Die in Quoten der Schuldfumme Annuitäten) fich vollziehende Benafriree Nüczahlungs: 1482 - Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital zc. weile jollte daher bei Hypothefarischen Darlehen als Regel vertrags- mäßig bedungen oder noch bejjer als Bedingung der Darlehensgewährung vonjeiten des freditierenden „Initituts aufgeitellt werden; auch im Syitem der Nentenjchuld jollte grumdjäslich die Nentenhypothet durch Zahlung einer Zujchlagsrente der allmählichen Ablöjung entgegengeführt werden. Die Ableugnung der Möglichfeit der Abtragung einer HSppothefenjchuld im mäßigen Natenzahlungen beruht auf einer Ber: fennung der thatjächlichen Berhältnilje Nur jo viel fann eingeräumt werden, daß die vertragsmäßige Einhaltung der Amortijation je nach den bejonderen Wirtichaftsverhältniien bald leichter, bald jchwieriger fich ge- italtet, und dab deshalb die Amortijationshypothef nicht in allen Fällen die zwechmäßigite Korm der Schuldverpflichtung bildet (3. B. da nicht, wo die Erträgnifje bejonders unsicher find, wie im den vorwiegend auf Nebbau angewiejenen Wirtjchaften). In jenen Wirtichaften aber, deren Erträgnijje der Regel nach) in ftabilen, gleichmäßigen Bahnen jich bervegen und die gleichzeitig im Vergleich mit dem Handelsgewächsbau nur mäßige Nenten gewähren, in denen aljo Getreidebau und Viehhaltung dominieren, Jind nicht nur die natürlichen Borbedingungen für eine jähr- liche mäßige Abzahlung gegeben, jondern es ift diefe auch — eben wegen des lebterwähnten Umjtandes die einzig mögliche Form der Stapital- abtragung überhaupt. Ganz bejonders bedeutungsvoll wird die vertrags- mäßig zu übernehmende Pflicht zu regelmäßiger Amortijation für Die Gegenden des Anerbenrechts, mag e3 ji) um Kapital oder Nenten= Ki handeln; denn eine angemejjene Abfindung der Mit: und eine erträgliche Lage des Anerben wird immer wejentlich dadurch bedingt jein, daß im Zeitpunkt der Gutsübernahme das Anwejen nicht aus älterer Zeit her erheblich mit Schulden belajtet it. Sa, man fan jehr wohl die Frage aufwerten, ob dem Anerben gegenüber nicht ein Amors tijationszwang gejeblich zu jtatuieren fjei, etwa in der Art, dab die hypothefariiche Sicheritellung der Miterben nur in der Jorm der Amortiiationshypotgef für zuläffig erklärt wird. Sn Preußen, wo bet NKenten- und Anfiedelungsgütern die Übernahme von Erbabfindungs- venten auf die jtaatliche Nentenbanf von der Zahlung einer Zujchlags- vente durch den Schuldner (IAnerben) behufs Tilgung der Nentenjchuld abhängig gemacht it (Gejeß vom 8. Juni 1896), hat diejer Gedanfe der Zwangsamortijation von Erbabfindungsjchulden eritmals gejeß- geberischen Ausdruck gefunden. — Eine gewijje Beweglichfeit der Amortijation jollte durch den Darlehensvertrag ermöglicht, d. h. es jollte gejtattet jein, eimerjeits in günftigen Jahren größere Kapitalab- sahlungen zu leiiten, andererjeits im Bedarfsfalle Darlehen mit größerer Amortifationsquote in jolche mit geringerer Amortifationsquote (tie umgefegrt) umzıvandeln; ebenjo jollte dem Aufjchube und der zeitlichen‘ Berjegung einzelner Tilgungsquoten durch den Darlehensvertrag die Möge lichfeit eröffnet werden. — Betreffs der im Hinbli auf die Shwanfungen yon $ 26. Die wirtichaftliche Organtjation des Grund- (Hypothefar-) Kredits. 119 des Zinsfußes gegen die Amortifattionsdarlehen erhobenen Bedenken tt geltend zu machen, daß der Schulöner jedenfalls beim Steigen des Zinsfußes die Vorteile des feiner Jeit gewährten niedrigen Zinstußes bis zur völligen Tilgung des Darlehens ich Tichert; und mit Necht wird betont, da gerade hierin eines der jtärfiten Argumente zu Gumiten der Annuitätendarlehen gegeben tft, da bet jederzeit fündbaren Darlehen der Gläubiger veranlaßt jein wird, bei Meidung der Kündigung den höheren Zinsfuß zu verlangen. Beim Sinfen des Zinsfußes fann allerdings der Schuldner, der mit Eingehung des Amortifationsdarlehens a den Damals geltenden Zinsfuß gebunden bleibt, in Nachteil dann geraten, wenn ihm der Vertrag das Necht der Kimdiqung des Amorttattonsdar= (chens ein für allemal verichliegen wollte; daher die Gewährletitung des Kündigungsrechts em nötiges Erfordernis aller Amortijations- darlehensverträge bildet, auf das der Schuldner nicht verzichten jollte. Die dargelegten Borteile der Amorttjationsdarlehen fünnen nicht durch den Himveis entfräftet werden, daß tn beitimmten Fällen Die Amortifation nicht eingehalten werden will oder faın, oder daß Der Schuldner -im der Lage fich befindet, die jeweilige Tilgung durch Auf nahme neuer Darlehen ihrer Wirfung zu berauben; jolche Ausnahmes fälle bejtätigen höchjtens, daß der in den Amortijationsdarlehen liegende moralische und rechtliche Zwang zur jährlichen Abführung von Tilaungs- raten innerlich gerechtfertigt it. Die erzieheriiche Wirfung des Ab- zahlungszwangs, die den Amortifationsdarlehen anhaftet, it gerade auch gegenüber der bäuerlichen Bevölkerung nicht hoch genug anzuichlagen; denn leßtere Huldigt im Gebiet geldlicher Berpflichtungen vielfach dem Grundjag einer weitgehenden Ungebundenheit, veritößt gerne auch in günftigen Sahren gegen die Nüczahlungspflicht zu Gunjten anderweiter Verwendungsmöglichfeiten von verfügbaren Überjchüffen (Yandankäufe!) und leidet dann im ungünftigen Sahren unter dem Drucd der vers mindert gebliebenen Schuldenlait um jo empfindlicher. — Die Durhführung der Amortilationsichuld tft von dem Beitehen bejonderer Kreditorganijationen abhängig, die vermöge der banfmäßigen Einrihtung des Geichäftsbetriebs für die ei gehenden Amortijationsraten eine jofortige Anlagemöglichfeit haben, und die überhaupt nach der Art der Aufbringung ihrer Mittel eine auf längere Dauer jich erjtrectende Tilgungsweiie zuzugeitehen vermögen. Wo daher der hypothefarische Darlehensverfehr auf die Dienite des privaten Kapitals in der Form der Sndividualdypothef und jelbit, wo er auf die Dienite fleinerer Kreditinstitute, die ihre Betriebsmittel vorwiegend im Wege des Depofitalverfehrs fich beichaffen, angewiejen tft, wird dem Grund- beiig die WohHltyat der Amortifationshypothef in der Negel verichlofien bleiben. Die in der Gegenwart in einer Neihe von Staatsiveien immer dringlicher erhobene Forderung der Schaffung von den fpecifiichen landwirtichaftlichen Interejien dienenden Kreditorganifationen 120 | Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital 2c. erhält daher im Hmblie auf die nur durch jolche befondere Organijationen gegebene Möglichfeit der Einbürgerung der Amortifationsdarlehen ihre yirfjamjte Begründung. 3. Xebensverjicherung und Schuldentilgung. Einen unter Umjtänden bemerfenswerten Erjab für die Amortijationshypothet, und zwar gerade wieder im Gebiet des Anerbenrechts, bietet die Vebensver- jicherung. Hatte nämlich der VBorbefiger nicht gejpart, jondern dem Anerben die volle Abfindungslait für die Gejchwilter aufgebürdet, jo winde diefer — falls ihm der Eintritt in die Lebensverficherung möglich und (nach jenen Altersverhältniifen) günftig it — unter Umjtänden bejjer die als Hypothefenjchuld auf jein Gut gelegten Abfindungen durch eine entiprechende Berficherungsjumme tilgen, als durch eine möglicher- weise noch auf Kind und Enfel übergehende Amortifationshypothef. Ein Beiipiel mag dies klar machen: Ein 25 jähriger Yandwirt, welcher 20 000 ME. Hypothefenfapital zur Abfindung jener Gejchiwiiter aufzunehmen genötigt it, steht vor der Wahl, Ddiejes Kapital auf Amortifation und zwar zu 31/50/, Grundzins und 11/,°/, Amortijation (Tilgungszeit 42 Jahre) aufzunehmen oder Ddasjelbe auf feite Berzinfung zu 3Y/8°/, anzuleihen und die Tilgung der Schuld durch die Lebensverjicherung zu beichaffen. sm erjten Fall hat er jährlich 4?/,%/, von 20000 ME. = 950 Mi. zu zahlen, d. h. in 42 Fahren 39800 ME.; im zweiten Fall entrichtet er jährlih an Zinfen 7OO WE. und außerdem die Prämie für ein Ber: jicherungsfapital im Betrag von 20000 ME, zahlbar beim Tode oder nach Erreichung jeines 69. Lebensjahres, wober fich die Gejamtleiltung auf 28000 DE. Zins und 6124 WE. Prämie = 34124 ME., d. h. auf 5676 DE. weniger berechnet als im Jalle der Amortijation. Sn diefem Beripiel fordert alfo der Abjchluß eines Lebensverficherungsvertrags zum Zwede der Schuldentilgung geringere Opfer als die Aufnahme einer Amortiiationshypothef. Aber Ddiejer Vorteil it nicht einmal der aus- ichlaggebende; denn itärfer noch fällt die unbedingte Gejichert- heit der Nachfommen des Gutsbejigers gegen die Wechjelfälle des Lebens bei dem Abichluß eines Lebensverjicherungspers trags ins Gewicht. Mag der Tod des Beligers wann immer erfolgen, er hat die tröftliche Gewißheit, daß der Belit jchuldenfrei auf die Kinder übergeht, während bei der Amortifationsichuld die Amortifationspflicht beim vorzeitigen Tode des Befißers einfach weiter läuft und zu Diejer Yait des Anerben die weitere der Abfindung der Gejchwilter Hinzutritt. 4. Zinsfuß und Zinsbelaftung Den Folgen der Schwanz fungen des Zinsfußes fann der Grumdbejiß jo wenig wie jeder andere Erwerbsitand ich völlig entziehen; und die nicht jelten gehörte Forderung, daß dem Grundbejiß die ihm benötigten Darlehen jederzeit zu einem jeinen Nentabilitätsverhältniffen entiprechenden Zinsfuß jtaatsjeitig zu=. gänglich gemacht werden, bedeutet nichts anderes, als daß das Niliko ungünitiger Erwerbsverhältniije auf Stoiten der Allgemeinheit vom Staat $ 26. Die wirtjchaftliche Organijation des Grund- (Hypothefar-) Kredits. 121 übernommen würde, was nur im eimem joctaliftiich organifierten Staats- wejen denkbar wäre. Wohl aber fan der Grumdbefig mit Jug und Necht Kredit-Organtlationen beanspruchen, mit deren DBeltehen die Vor: teile eines Sinfens des Jinsfußes alsbald dem Grundbejiß zugänglich gemacht werden. sn lebterer Himficht tft zu beachten, daß dem Grumd- bejiß beim, Sinfen des Zinsfußes eine Zinsentlajtung nicht ohne weiteres als Gejchenf in den Schoß zu fallen pflegt; denn das private Heldfapital Iträubt ich jo lange als möglich, bei neuen Darlehen von den früheren Darlehensbedingungen abzugeben. Die Vorteile des Sinfens des Zinsfußes werden deshalb nur da möglichht vajch dem Grundbeiiß zugänglich gemacht werden, wo das freditierende Snjtitut von Erwerbs: rücjichten gänzlich frei, aljo genofjenjchaftlich oder jtaatlich organifiert, am wenigiten valch, wo der ländliche Grundbeiig ausichlieglich oder vor- wiegend auf die Hilfe privater Geldverleiher angemwielen it. Die nambaften Zinsreduftionen, Die 5. B. der preußiiche Grundbeiig im Be- reich) der Landichaften in den achtziger und neunziger Sahren infolge Konvertierung der Landichafts-Prandbriefe genoß, find dem Grundbeiit in anderen Staatsgebieten und namentlich dem bäuerlichen Grundbejiß entweder ganz verjagt geblieben oder Doch nur jehr zögernd und langjam eingeräumt worden; und jehr bezeichnend it, daß jelbit Ende der achtziger Sabre, wie vielfache amtliche rmittelungen darthun, jelbjt für an eviter Stelle eingetragene hypothefariiche Darlehen von Sparfafjfen, Stiftungs- und ähnlichen Fonds noch immer 41/,, 5 und jelbit mehr als 5°%/, er= hoben wurden. 5. Beleihbungsgrundjäße Die Größe der im Ben all einzugehenden Grundereditverpflichtung wird zunächht Durch das Bedürfnis des freditbedürftigen Grundbefigers, Dagegen der wirklich in Anfpruch ges nommene Kredit durch die Entjchliegung des Gläubigers bejtimmmt, die ihrerjeits von Größe und Beichaffenheit, d. hd. vom Wert der zum Einjaß zu gebenden Liegenschaften bedingt tt. Sterbei bildet der günftigenfalls im Zwangsverfaufsiweg zu erlöjende Wertbetrag die äußerfte un der Kreditgewährung; da aber im Vollitreelungsweg jelten der volle Wert einer Liegenjchaft zu erzielen it, jo pflegt ftets nur eim Bruchteil des Werts (die Hälfte bis zwei Drittel) beliehen zu werden. Die Grund- jäße, von denen die einzelnen Streditinjtitute bei Beleihung von Liegen- Ichaften fich leiten laffen, weisen mancherlei Berjchiedenheiten auf; gemein= Hin werden nur gegen VBerpfändung an eriter Stelle und meift nur bis zur Hälfte des Taxwerts Darlehen bewilligt, Weinberge in der Negel nur bis zu eimem Drittel beliehen, Waldungen nicht jelten von einer Beleihung ganz ausgejchlojfen. Im allgemeinen wird man jagen dürfen, daß, je vorlichtiger em Streditinftitut in der Beleidung ver- fährt, je größere Gewifienhaftigfeit insbefondere auf die Ermittelung des Der Darlehensgewährung zu Grunde liegenden QTarwerts der zu verpfändenden Liegenjchaft verwendet wird, um jo mehr das Anftitut 1993 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital 2c. im wahren Snterefje des Grumdbefißes jelber verfährt; denn diefem Iu- terejje entjpricht nicht eine |chranfenloje Ausnügung des Kiredits, Jondern mr dejjen Snanfpruchnahme in jolchen Grenzen, die einerjeits durch zoingende Bedürfnifje des Beliters, amdererjeits durch defjen Fähigkeit zum jederzeitigen Erfüllung der durch das Darlehen erwachienen Werbind- lichfeiten gegeben jind. Much aus diejen Gründen wird das Grund- freditbedürnis im allgemeinen am beiten feine Befriedigung finden bei Sftituten, die jedes jpefulativen Charakters bar find, die aljo fein Iu- terejje daran haben, in unter Umjtänden gewagte Sreditgefchäfte fich ein= zulafjen, jondern die in ihrer Verwaltung und Gejchäftsgebarung einzig und ausjchließlich durch die wahren Interefjen des Grumdbefiges jelber Tich leiten lafjen. — Bergegemvärtigt man jich, daß der VBerfehrswert (ämd- licher Liegenjchaften im allgemeinen das Streben zeigt, dem Ertragswert vorauszueilen (S 15), daß aber nur der leßtere ein maßgebendes Urteil über die Einträglichfeit des Guts, d. h. in lebter Linie über die zur Verzinfung md Tilgung einer Schuld dem Wirtfchafter zur Verfügung bleibenden Überjchüffe geitattet, fo leuchtet ein, daß auch wur der nad)- haltige Ertragswert den alleinigen richtigen Maßitab für die Höhe der Beleihung abgeben fann. Die Veleihungsfäh igfeit auf der Grundlage des Ertragswerts zu beurteilen, ijt mithin eine fait jelbft verjtändliche Forderung; umd die zahlreichen thatfichlichen Streditüber- jpannungen rühren meijt von einer VBerfündigung gegen dieje Yor- derung, d. 5. davon her, daß der von zufälligen Umftänden beeinflufte umd zeitweise hochgeichraubte Verkehrswert der Darlehensgewährung als Unterlage diente. Der Erfolg, den die Befürworter der Einführung einer oberen VBerjchuldungs- (Berpfändungs-) Grenze anitreben, läßt Jich daher einigermaßen jcehon dadurc) erreichen, dab die Beitimmung des Tarwerts einer zu verpfändenden Liegenjchaft von der Ermtittelung des Nein- ertrags ausgeht, und daß weiter eine Beleidung des Guts nur innerhalb jolcher Grenzen des Tarwerts grundjäglich zugeltanden wird, dab unter normalen Berhältnifjen die Aufbringung der Zinjen md Tilgungsraten Schwierigfeiten dem Wirtjchafter nicht bereiten fann. Dabei ift nicht zu vergejjen, daß Die Umpftände, unter denen die einzelnen Grundbefiker leben und yoirtichaften, denkbar verjchteden ind; diefe Verfchieden- artigfeit der Wirtjchafts- und Yebensweije beeinflußt aber jehr wejentlich die Größe der zur Abführung von Zinjen und Til» gungsraten verfügbar bleibenden .Überjchüffe. Eine fchablonen: haft gleichmäßige Behandlung der zu beleihenden Grumdftücke, ohne jede Nüchicht darauf, wie ein Grumdbefißer und unter welchen Umständen ex wirtichaftet und lebt oder nach Standesrückfichten zu (eben gewohnt oder genötigt tft, würde daher häufig der Gefahr verfallen, dag mehr Kredit gegeben wird, als nach Yage der Sache in Wirklichkeit verantwortet werden fan. Em Gut, das einen Gefamtüberichuß (Grunde, Betriebs: fapitalvente und Unternehmergewinn) von 4000 ME. abwirft, fann von $ 26. Die wirtichaftliche Organtjation des Grumd- (Hhpothefar-) Kredits. 123 einem Beier, der für jenen perjönlichen X Lebensunterhalt nur 3000 ME. verbraucht, unbedenklich mit einer Schuld von 20000 ME. belaltet werden, da die 44/, %/, Annuität 32 %/, Zins, 19/, Tilgung) die nad) obigem für Dedung von Yinjen und mesiuien verfügbare Summe von 1000 ME. noch nicht einmal erreicht; im Bel eines Wirtichafters, der jene 4000 WE. ganz oder großenteils für die Yivede der eigenen Haushaltung verbraucht, wäre die Belaltung des a jelbit mit eier ver= hältnismäßig geringeren Summe beveits bedenklich. Des o, alb fann eine Ihematische Negel über das im Einzelfall zuläflige Döchit- maß der Beleihdung nicht gegeben werden; nur joviel wird richtig jein, daß Zins und Amorttlation zufammen den Betrag Der unter mitt leren Berhältnifjen aus einem Wirtichaftsbetriebd abzuführenden Bacht- vente nicht überjteigen jollten (ehe Seite 105). Wit anderen Worten: Die verjchuldeten YLandeigentümer fjollten äußeritenfalls in der Lage von PBächtern Sich befinden; ein Gut im Wert von 100 000 Mark, für das em Bachtwert von 3000 Ni. ermittelt it, jollte danac) höchitens mit einer Schuld von 55—60 000 ME. belaftet fein, für welche Zins und Amortifation beiläufig einen diefem Bachtwert gleichfommenden Betrag erreicht. Dieje Betrachtungen laffen erfennen, Daß der wirfjamite Schuß gegen Kreditüberipannungen nicht in der Aufitellung Jchema-= tiicher Negeln, jondern in der forgfältigiten Behandlung des Einzelfalles Durch das Snititut zu finden tit. Diefer Schuß gegen Kreditüberipannungen verfagt freilich da, wo ohne Dazwijchentreten eines Snjtituts Grundfreditichulden entitehen, wie namentlich in den zahlreichen Fällen von Liegenichaftsfäufen mit nur teilweifer Anzahlung und Verpfändung des gekauften Objektes mit den unbezahlt gebliebenen Stauf- ichillingsreiten. Ihatlächlich rührt ein erheblicher Teil der Grundfredits verpflichtungen gerade aus jolchen Kaufichillingsveiten her, und wenn heuts zutage gegendenwetje die Verjchuldung als befonders drücdend empfunden wird, jo tit die Urjache wejentlich darin zu juchen, daß in zahlreichen Kauffällen die Anzahlung im le zur Größe der Kaufichuld zu gering, oder daß Der Kaufpreis im 2 Vergleich mit dem yoirflichen Wert der Liegen ichaft zu hoch war. Wer für ein Gut mit eimem Ertragswert von 30000 ME. S0O000 ME zahlt und eme Anzahlung von 40000 ME. leiftet, ijt Scheinbar nur zur Hälfte, in Wirklichkeit aber mit vier Fünftel des Gutswertes verschuldet, alfo in bedenflicher Werje überjchuldet; und die Yage dejjen, der im Barbefib von 30000 ME. ein Gut im Werte von 100000 WE. kauft, allo 70000 ME. fchuldig bleibt, fann unmöglich eine gegen alle Wechjelfälle des Lebens geficherte fein; in beiden Fällen hat aber doch nur ein VBeritoß gegen das Gebot wirtichaftlicher Borjicht, und zwar dort die Unkenntnis über den Wert des Guts, hier das leichtherzige Eintreten in ein Gutsbeiigerverhältnis mit ungenügenden Mitteln die bedentliche Lage verichuldet. Die Folgen jolcher wirtichaft- 194 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital ac. licher Srrungen und Berfehlungen fünnen ebenjowenig den Beteiligten nachträglich abgenommen werden, wie es jchwer ift, jolchen Srrungen und Berfehlungen auf dem Gebiet wirtichaftlicher Spekulationen durch Wttel der Gejeggebung von vornherein wirffam zu begegnen; man müßte denn ein Syitem jtaatlicher Bevormundung des freihändigen Öüter- verfehrs unter jtaatlicher Normierung der Güterpreiie, die äußeritenfalls beaniprucht und bezahlt werden dürfen, einführen wollen, woran im Ernite ebenjo wenig zu denfen tt, wie an die Einführung einer für den gejamten Srundbejig geltenden oberen Berfchuldungsgrenze (vergl. S 24). $ 27. Formen der Kreditorganifation: Genoffenfhaftlih organifierte und ftaatlihe Kreditinftitute, die Mionopolifierung des GrundEredits. Als unentwideltite gorm der Hypothefar- (Grund-) Kredit- vermittelung tüt die Befriedigung im Weg der Darlehensgewährung durch PBrivatperjonen zu bezeichnen, und wo jich der Hypothefarfredit vorwiegend auf Dieje Form der Darlehensgewährung angewiejen Tieht, muß er offenbar an Gebrechen bejonders jchiwerer Art leiden. Und zwar ichon deshalb, weil es hier offenbar vielfach von Zufälligfeiten abhängt, daß Gläubiger und Schuldner einander finden und daß fie fich möglichit leicht und paßlich zu einander finden. Dann aber aus dem weiteren Grunde, weil auf einen unfündbaren Kredit jich das Privatfapital ebenjo wenig einlajjen wird, als auf die Abtragung in fleineren Raten, deren Einzug und Wideranlegung für den Empfänger mit übermäßigen Schwierig- feiten verbunden wäre Der private Hypothefarfredit fann daher als Negel nur ein fündbarer und furzfriitiger jein; der Grundbeiit wird dadurch in jteter Abhängigkeit vom PBrivatfapital und in einem läjtigen Zuitand der Unsicherheit erhalten. Der Fortichritt liegt in der Erjegung des privaten Hypothefarfredits durch den Anjtaltsfredit, aljo in der Schaffung von Kreditanjtalten, die das Ausleihen von Heldfapital auf den Grundbeji zur beitimmungsgemäßen Aufgabe Tich jegen. Dieje Kreditanitalten find entweder unvollfommene oder voll- fommene; unvollfommene, wenn fie jich die Betriebsmittel in Form von fündbaren Anlehen oder in Form von jederzeit rücziehbaren Depo- jiten bejchaffen, und daher anderen als fündbaren Kredit zu geben nicht im der Yage find; und als wichtigiter Nepräjentant diejer techntjch unvollfommenen Kreditinftitute jind die. Sparfafjen zu nennen. Als vollfommen organijiert dagegen find diejenigen Kreditinftitute anzus jehen, die ihre Betriebsmittel in Form von jeitens der Gläubiger unfündbaren oder doch nur bedingt fündbaren Schuldver= ichreibungen (Brandbriefe) beichaffen und deshalb jede Art des Stredits, fündbaren und unfündbaren, zu geben vermögen, und die gleichzeitig. vermöge der räumlichen Ausdehnung und der banfmäßigen Form Ihres SHejchäftsbetriebes Die jederzeitige verzinsliche Anlage der vorhandenen $ 27. Formen der Kreditorgantjation: Genofjenichaftliche und ftaatliche Inititute. 125 Kafjenbeitände in Austicht nehmen und deshalb auch auf die amorti=- jationsweije Nüdzahlung der Schuldfapitalten in Form kleiner Raten jich eimlafjen fünnen. Als befonders wichtige Errungenschaft diejer voll- fommenen Kreditorgantjation it der Era der nur im Wege der Gejjton übertragbaren Individualhypothef durch die als Inhaberpapiere aus= gefertigten Vrandbriefe anzujehen, Die ohne Geiltion als geldwerte Ware aus einer Hand in die andere gehen können; denn weil fie mit dem Wor= teil ihrer Cirfulationsfähigfeit den einer durchaus ficheren Stapitalanlage verbinden, jind fie geeignet, das Geldfapital für die Anlage im Grund und Boden geneigter zu machen, was um jo wichtiger it, je mehr Tich die Kapitaliiten an die Bequemlichkeit der Staatsjchuldicheine auf den suhaber gewöhnt haben und je weniger fie deshalb jich den taujend Vlacereien des Wartens, Mahnens, Prozeilterens werden ausjegen wollen, wie fie im Berfehr des Hypothefar-Einzelgläubigers mit jenen Privats ichuldnern nun einmal unvermeidlich Tind. Unter den verichiedenen in Betracht fommenden Kreditorgantiationen vollfommener Art fünnen nicht die ipefulativ betriebenen Sreditanitalten, wohin die Aftienhypothefenbanfen zählen, jondern nur die auf den Grundfäßen der Gemeinwirtichaftlichfeit des Betriebes aufge bauten yetifarionen den Forderungen des Grund bejiges voll genügen. Denn weil bei legteren der Sefichtspunft des Er- werbes gänzlich zurückgedrängt it, ind auch nur fie in der Yage, dem Grund- beiiß alle mit der Sicherheit des Snftituts irgend verträglichen Crleichtes rungen und Vergünftigungen i in Bezug auf Zinshöhe, zeitliche Bemeffung der Schuld und Tilgungsweile SL LNEN. Auch bieten nur je zugleich Gewähr, daß fie vermöge der herrichenden Berwaltungsgrundjäge über Beleihungs- wert und Beleihungsgrenze einerjeits das jachlich gebotene Streditbedürf- nis zu befriedigen zwar jederzeit geneigt find, amderjeits aber für jede Art ungejunder Ausnugung des Kredits jich unzugänglich eriweifen. Nier= her zählen die auf genojienschaftlicher oder forporativer Grund: (age beruhenden oder die durch den Staat jelber oder größere Xom-= munalverbände geichaffenen Grumdfreditimititute, d. 5. eimerjeits Die Breugiichen Landichaften, amdererjeits die Yandesfreditfafjen, ftaatlihen Nentenbanfen, Brovinzialbilfsbanfen ze. Die Entwiclung landwirtichaftlicher Hypothefarfreditinititute in den einzelnen deutschen Staaten hat ich nicht gleichmäßig vollzogen; im all gemeinen aber läßt jich jagen, daß nach der Seite der Entwicklung zu gemeimwirtichaftlich verwalteten Kreditinitituten hin Miittel- und Nord: deutichland gegenüber Süddeutichland einen erheblichen VBoriprung hat. su Breußen jtehen die „Yandichaften” im Vordergrund, eine Schöpfung Friedrichs des Großen, die zu den ruhmvolliten jener Ihaten auf dem Gebiet innerer Verwaltungspolitif zählt, weil bier zum eritenmal der Grundjag förperichaftlicher Zujammeıns Ihliegung des Grundbeiiges zur Erreichung gemeinjamer Biele 126 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital ac. praftiiche Verwirklichung und zwar auf dem wichtigen Gebiet der Kredit- befriedigung gefunden hat. Und der Grundgedanfe der „Land- ichaften“: Die forporative (förperichaftliche) al des Grund bejiges” mit jtellvertretender Haftung der Mitglieder der Landjchaft und unter jelbjtherrlicher Berwaltung der Kreditorganifation durch die Mit- ee jelber wird für alle neuzeitlichen Neformbeitrebungen auf dem Gebiet des Grundfredits vorbildlich bleiben müjjen. sr £ritiichen Seiten, jo namentlich für Schlefien nach dem jiebenjährigen Krieg, als Die a 10 und mehr Prozent betrugen, wie aud) ipäterhin haben jich die Landichaften, wie amtliche Denkichriften betonen, weithin als „Netter in der Not” eriwielen und „die Fenerprobe qut beitanden“. Die Berfalfung der jüngeren Landichaften tt im Vergleich zu den eritmals ins Leben gerufenen (Schlefien, Kur- und Neumark, Pommern, Weitpreugen, Bojen) eine fretere ; fie entbehren des Charakters von Zwangsforporationen, fie find vielmehr Afjoctationen, - die auf dem Grundjaß freiwilligen Eintritts beruhen; auch haben jte meift an Stelle der für die älteren Yandichaften charafteriitiichen „Seneralgarantie“ (un= beichränfte Haftung der förperjchaftlich vereinigten Grundbejiser für alle von der Landjchaft gewährten Darlehen) eine bejchränfte Öarantie (vielfach nur im der Form eines von den Wütgliedern geitellten Sicher: heitsfonds) treten laffen. Als bedeutungsvoll für den Umfang der Wirk- jamfeit Ddiefer Kreditinftitute in neuerer Zeit it zu erwähnen, daß Tie mehr und mehr die ariftofratiiche Bejonderheit ihrer Berjajlung abgeitreift haben und im Eimflang mit den Wünfchen der Landwirt: ichaftsverwaltung und der oberiten landiwirtichaftlichen Interejjenvertretung dem Kreditbedürfnis des gefamten Grundbelites, aljo auch des bäuer- lichen, dienen. — Außerhalb Breußgens haben jich Kreditinititute auf ähnlicher Grundlage in Sachen, Braunjchweig und Wedlenburg gebildet. Sn Bayern tt die Errichtung eines Kreditinitituts auf ges nojjenichaftlicher Unterlage neuerdings verwirklicht worden. sn einer Anzahl mitteldeuticher Staaten vollzog fich Die orga= nische Befriedigung des Hypothefarfredits durch Errichtung jtaatlicher Streditanitalten (Xandesfreditfaijen), indem man die uriprünglich für die Zwede der Neal-Lajtenablöjung geichaffenen Smititute zwec- mäßigerweile nachmals in den Dienjt des Hypothefarfredits jtellte (jo in den meijten thüringischen Staaten, jo ferner in den ehemaligen Staaten Hannover, Heljensftajjel, Naljau, nach) deren Emverleibung in die Preußische Monarchie die betreffenden Kafjen in Provinzialanitalten umgewandelt worden find); Oldenburg und Hejien find diefen Bei: ipielen durch Gründung jtaatlicher Kreditanftalten in neuerer Zeit gefolgt. Die Bedeutung Ddiejer Inititute für die gedeihliche Entwicklung der Stredit- verhältniffe, insbejondere durch Verwirklichung des Grundjaßes der Jwangs= amortilation der gegebenen Darlehen, wird von allen Kennern Hoch anz geichlagen. Und wenn innerhalb des Gejchäftsbereichs diejer Injtitute, $ 27. Formen der Kreditorganijation: Landes-Ktreditfajjen. 127 d. 5. in einem räumlich immerhin nicht jehr weit gezogenen Teile Deutjch- lands 1889 418 Millionen WE. zum großen Teil in Form von Amor= tijationsdarlehen gegeben waren und fortwährend neu jolche Darlehen fontrahiert werden, ein großer Teil des ländlichen Grumdbefiges aljo vertragsmäßig der Pflicht zur ratenweifen Abtragung - der eingegangenen Berbindlichkeiten freiwillig jich unterzogen hat, jo liegt darin ein im großen Stil gegebener Beweis für die Möglichkeit der Schuldab> tragung auch unter den heutigen Berhältniifen und die treffendite Widerlegung jener von ertremsagrariicher Seite aufgeitellten Behauptung, daß der Banernitand, weil er die zur Tilgung der Grundjchulden erforderlichen Mittel nicht zu erwirtichaften vermöge, „rettungslos dem Untergang geweiht fer“. Die üfo- nomijch leidliche Lage, in der fich die Bauernjchaft z. B. in Hannover, in Braunjchweig 2c. befindet, gegenüber jener in anderen Teilen Deutjch- lands, it gewiß zu einem wejentlichen Teil diefem wohlthätigen Amortijationszwang zu verdanfen, der bewirkte, daß Die in den vor= ausgegangenen Dahrzehnten fontrahierten Schulden im Yugenblid des Einbruchs einer verjtärften transoceanischen Sonfurrenz nicht mit Der vollen Schwere der urjprünglichen Höhe auf den landwirtichaftlichen Ars wejen lajteten; wogegen der Zulammenbruch vieler bäuerlichen Exrtitenzen in anderen Gegenden jeit den jiebenziger Jahren jehr wefentlich Folge der TIhatjache ift, daß man jelbit in guten Jahren an eime auch nur mäßige Abtragung der Schuld nicht dachte, eher durch planloje Zufäufe die im Exrbiweg übernommenen Berbindlichkeiten fortgefegt häufte. Und es fann daher die erzieheriiche Seite der Yandesfreditfajjen der mittel-e und morddeutichen Staaten und Staatsgebietsteile angelichts der unleugbar vorhandenen Abneigung der bäuerlichen Bevöl- ferung, ihre Bodenkreditichulden durch ratenweile Abzahlungen langjam abzuitogen, gar nicht hoch genug veranschlagt werden. sn einzelnen jüddeutjichen Staatswejen it es zu jtaatlichen Landesfreditfaffen und — von Bayern abgejehen — auch zu fürpers ichaftlich organtjierten Hypothefarkreditinjtituten bis jet nicht gefommen. Speciell in Württemberg, Baden, Eljaß-Lothringen, bis vor furzem auc) in Bayern, find es außer einzelnen Hypothefenbanfen vorwiegend Die Sparfafjen, die in der anitaltsmäßigen Vermittlung der Hypothefar- freditbedürfniije die Hauptrolle ipielen. Doch vermögen te, bet allem guten Willen der Sparfafjenleiter, nicht dasjelbe wie jtaatliche oder ges nojjenichaftliche oder förperschaftliche Streditinftitute zu leiten, da fie nad) der Art ihres Gejchäftsbetriebs Doch nur einen £leineren Teil der. Spar= fajiengelder unfündbar und auf Annuitäten ausleihen fünnen. Sie vers jagen deshalb gerade in denjenigen beiden Nichtungen, an die eine Öe= jundung der Grumdfreditverpflichtungen in erjter Neihe anfnüpfen muß. Der Wideritand, den die Sparfajjen der Schaffung bejonderer Boden freditinftitute (jet es als jtaatliche Smititute oder auf genofjenschaftlicher 128 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital 2c. Unterlage) entgegenitellen, tt begreiflich, aber jehr bedanerlich, wenn diejer Iiderjtand in den parlamentarischen Körperjchaften Unterftügung findet, wie leider immer noch zu beobachten ift. Wenn übrigens jeither in den Kreijen der landwirtichaftlichen Bevölkerung jelber ein lebhaft Fich äußerndes Bodirmis nach einer anderweiten Organijation des Hypothefarfredits nicht hervorgetreten üt, jo mag dies damit zufammenhängen, daß in den Gegenden des Lleinbänerlichen Beliges, der im Sidweiten von Deutichland vorherricht, der Sypothefar (Neal:) Sredit gegenüber dem Berjonal- (Betriebs-) Kredit an Bedeutung und Wichtigkeit nachiteht. Wie Jchon angedeutet (S. 100), tritt der Grumdfredit auch in der ‚zornm des Meliorationsfredits auf, d. h. zum Zwece der Klapital- bejcehaffung für Vornahme von Gutsmelivrationen. Zur Befriedigung diefer Sonderart des Grundfredits find in einzelnen Staaten (Sachen, Bayern, Helfen, ferner in eigenen preußiichen Provinzen) beiondere Kreditorgantjationen gejchaffen worden, die jog. Yandesfulturrenten- banfen, deren Darlehensgewährungen ebenfalls den Grundjägen der Unfündbarkeit und der Möglichkeit langiamer Amortilation fich anpafjen, und Denen vielfach bejondere WBrivilegten (Beitreibung der Nenten im Verwaltungsziwangsperfahren; Stempel- und Gebührenfreiheit, Übernahme der Verwaltungskojten auf die Staatsfajje) eingeräumt ind. Doch it eine erhebliche Snanipruchnahme diefer Banken bis jeßt nirgends zu Tage getreten, und zwar, pie man annehmen darf, nicht deshalb, weil etwa die Kapttalaufwendungen für Yandesfulturzwece nachgelafjen hätten, was nicht zutrifft, Tondern deshalb, weil viele Unternehmungen diejer Art aus laufenden Mitteln bejtritten zu werden pflegen, und weil, auch wo dies nicht der Fall, die beitehenden anderweiten Kreditorgantjattionen auc) für die Befriedigung diejer bejonderen Art des Grumdfredits mit Erfolg in Anspruch genommen verden fünnen. Die Bemerfung wird zum Schluffe nicht überflüjfig jein, daß es mit der Darbietung vollfommener Streditinftitute allein micht gethan üt; die Grundbejißer müfjen auch gewillt jein, die Dienjte der ihnen zur Verfügung jtehenden Kreditinjtitute in Anfpruch zu nehmen. Leider zeigt die Erfahrung, daß dies nicht immer und überall der Fall, und daß namentlich die bäuerliche Bevölkerung aus Kurzfichtig- feit und Unverjtand oder aus Lälligfeit und Bequemlichkeit in dem Ver: hältnis findbarer Darlehen mit 4'/,; und jelbjt D%/yiger VBerzinfung jelbit dann verbleibt, wenn durch die bejtehenden Organijationen Die Umwandlung diefer Darlehen in unfündbare und mit einem einschließlich der Amortifation nicht höher Tich ftellenden Gejamtzinsfuß eumöglicht wäre. Dieje Erfahrung ungenügender Benusung woblthätiger ins richtungen ijt freilich auch auf anderen Gebieten der Agrarpolitit zu machen, 3. B. auf demjenigen der landwirtichaftlichen Versicherung. Das wirfjamste Korreftiv gegen jolche bedanerliche Zurüchaltung wäre in der mehrfach geforderten Schaffung eines Hypothefenmonopols $ 28. Der landwirtichaftliche Perjonalfredit und feine Organifation. 129 zu erbliden, jei es zu Gunsten eines jtaatlichen, jei es zu Gunften eines genofjenjchaftlich organisierten Suitituts, deifen Aufgabe alfo wäre, in alle beitehenden Hypothefariichen Verpflichtungen einzutreten, wie es auch allein im der Folge Hypothefariichen Kredit zu geben befugt wäre. Gegen eine jolche Monopolifierung des Hypothefarfredits mit zwangsweifer Ein- gliederung des gejamten Grundbeliges in die zu jchaffende Ziwangsfredit- organilation sprechen imdejjen zwei jchwer zu überwindende Bedenken: Dem snhaber des HypotbefenmonopolS wäre eime Allmacht dem Grundbejig gegenüber gegeben, die für die Entivielung der land- wirtichaftlichen Verhältniffe weder in politiicher noch jocialer Hinficht ratjam wäre. Aber auch mit der Gefahr einer büreaufratiichen Ver: fnöcherung des Verwaltungsapparates und der Handhabung in der Stredit- gebarung mühte man rechnen, einer Gefahr, die überall auftritt, wo der heilfame Sporn der Konkurrenz fehlt. Die Forderung der Begründung eines pie irgend immer geitalteten Hypothefenmonopols wird daher ab- zunveilen jein. $ 28. Der Iandwirtichaftlihe Perfonalfredit und feine Organifation; Ausartungen des Perjonalfredits; der Wucher insbefondere, Während der Grundfredit entweder den Zwecken des Befigerwerbs (Kauf und Erbabfindungsfredit) oder der Verbejjerung der Subjtanz des Guts (Meliorationsfredit) dient, mitunter auch für Zwede der Familien- ausjtattung und der Erholung von Unglücdsjällen in Anfpruch genommen wird, joll der Berjonalfredit dem landwirtichaftlichen Unter- nehmen als jolchem dienen; er joll die ungeftörte Fortführung des Betriebs durch Flüfligmachung der zur Beltreitung der Betriebsfoiten nötigen Mittel ermöglichen, und er joll darüber hinaus durch veritärfte Anwendung von Betriebstapital eine höhere Erträglichfeit der landiirt- Ichaftlichen Unternehmung herbeiführen. Da die freditierten Weittel nach der ihnen gegebenen Zwecbeitimmung bei ordnungsgemäßem Verlauf der Produktion in regelmäßigen Ziichenräumen envirtichaftet werden, aljo eine öfonomische Verwendung finden, jo it der Betriebsfredit ähnlich vie der Meliorationsfredit als ökonomischer Kredit wejentlich verschieden von dem Befigfredit, dejfen Wejenseigentümlichkeiten in der Abitogung von Gutswertteilen und in jeiner den Wirtichaftsertrag lediglich negativ beeinflufjenden Wirkung beitehen. Während deshalb bei leterem Stredit- überjpannungen leicht jo verhängnisvolle Folgen nach jich ziehen und daher die Zurücführung des Beligfredits auf eim bejtimmtes, nicht zu weit gegangenes Maß erites Erfordernis für die Erhaltung gefunder Ver- hältnifje ift, fann jelbjt eine weitgehende Inanipruchnahme des Betriebs- fredits, eine veritändnisvolle Verwendung der freditierten Wüttel voraus- gejegt, für den Erfolg der Unternehmerthätigfeit fich als in hohem Grade nüßlich erweilen. Hieraus erflärt jich die Strömung der Gegenwart, Die u Amfehung des Beiigfredits (Grundfredits) auf deijen tyunliche Ein- Buchenberger. S) 130 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital 2c. engung, in Anjehung des Betriebsfredits auf Ddejjen thunliche Erleichterung und auf eine Berallgemeinerung der ihm dienen= den Einrihtungen abhebt. Zum Unterjchted von dem Grundfredit fan der Betriebstredit ein furzfriitiger Jen, weil die freditierten Mittel im jehr viel vajcherer Were durch den Gang des Betriebs wieder erzeugt werden, als dies bei Wieliorationen oder gar bei der Abitogung von Gutswertteilen im Weg des Belißfredits der Fall it. Der landwirtichaftliche Betriebs- frvedit ähnelt alfo dem faufmänntichen Stredit; gleichwohl fünnen die dem leßteren Sredit dienenden Strediteinrichtungen nicht ohne weiteres für das landwirtjchaftliche Gewerbe nugbar gemacht werden, weil der in faufmännischen und imdujstriellen Betrieben übliche Dreimonatsfredit für den landwirtichaftlichen Unternehmer viel zu furz bemeijen it. Die ISejenseigentümlichfeiten des landiwirtichaftlichen Betriebs bringen es mit ich, daß das umlaufende Betriebsfapital in der Negel nur einmal im Sabre Tich ummfeßt und das Itehende Detriebstapital Mußtiere, Wachinen, Heräte) Jogar mehrere Sabre zu jener allmählichen Amortifattion bedar. Hieraus erhellt Die Notwendigkeit der Bereititellung bejonderer (andwirtichaftlicher Betriebsfreditorganifationen; es folgt nicht minder aus obigen Süßen, daß das häufig geitellte Verlangen auf ausgiebigite snodtenstitellung der Notenbanfen, insbejondere der Neichsbanf, für die Zwede der Landwirtichaft ein jchwer errüllbares tt, da bei den Notenbanfen, in Einhaltung der durch Die Sicherheit des Notenumlaufs gebotenen Gejchäftsgrundjäße, die Stredits jriiten nicht jo lang bemejjen werden fünnen, als der landwirtichaftliche Betrieb jener Natur nach erheiicht. Bon einer guten Organijation des landwirtichaftlichen Yetriebsfredits, insbejondere für die Zivece der bäuerlichen Bevölkerung, muß dreierlei verlangt werden: Öemeimvirtichaftliche Berwaltung derStredit- anjtalt, d.h. Abgabe der Darlehen zum Selbitfoftenpreis; ferner Anz paflung der Darlehensbedingungen an die Wejenseigentümlich- feit des landwirtichaftlichen Betriebes, dem mit einem auf einen Zeitraum von weniger als ein Jahr bemefjenen Kredit in der Negel nicht ge= dient it; endlich, wenigitens in Anfehung der Snhaber kleinerer und mittlerer Betriebe, leichte Erreichbarfeit der Kreditanjtalt durch den Sredit- nehmer im Sntereffe von Zeit und Slojteneriparnis und behufs Ermög- lichung einer zutreffenden Beurteilung der perjönlichen Kreditwürdigfeit. Bejonderes Gewicht it auf das leßtere Moment, d. H. auf die thunlich örtliche Organijation der Streditveranftaltung zu legen, mit welcher der umjoliden Borgwirtichaft und noch mehr der Snanjpruchnahme privater Gelpverleiher zweifelhafter Beschaffenheit erfahrungsgemäß am erfolgreichjten entgegengewirft werden fan. Fir die rechtliche Nuss geitaltung einer jolchen Streditorganijation aber empfiehlt fich am meiften. die Form der mit den Eigenschaften einer juritischen Berjünlichkeit aus- $ 28. Der landwirtichaftliche Perjonalfredit und feine Organifation. 131 geitatteten Genojjenjchaft; daher eine gute, die Nechte und Pflichten der Genofjenjchafter flar vegelnde und durch zwecfmäßige Vorfchriften über die Haftbarfeit der Genojjen für die Streditfähigfeit der Genofjenichaft aus- reichend jorgende Gejeßgebung, wie wir fie in Deutjchland in dem Reichs: geieß vom 1. Mat 1889 befisen, Die wichtigjte VBorbedingung für eine in obigem Sinn anzubahnende Ordnung des Betriebsfreditiwejens bildet. In der Bildung jolcher Kreditgenojjenichaften fanır ich zugleich die Selbit- hilfe der ländlichen Bevölkerung auf einem bejonders wichtigen Gebiet ihres Snterefjenfreifes in erfolgreicher Weile bethätigen, worauf bejonderer Wert zu legen it, wetl diefe Schöpfungen der Selbithilfe eine Schule es bürgerlichen Gemeinjinnes jind und den Gert der jtandichaft- lihen ZJujammengebhörigfeit jtärfen. Die wirtichaftliche Stärfe der Genojjenichaften wurzelt im Der gegenfeitigen Haftung der Genojjen für die eingegangenen VBerbindlichkeiten; die Solidarhaft, in allevdings ver- ichiedener rechtlicher Ausgeitaltung im einzelnen, bildet daher die unent- behrliche Unterlage der Stredit- und ähnlicher, den Erwerbs- zweden ihrer Witglieder dienender Genoifenjchaften. Die Art und Weife der Entwiclung der dem ländlichen Betriebs- fredit dienenden Krediteinrichtungen it nicht nur wegen der wohlthätigen Eimvirfungen auf das landwirtichaftliche Berufsleben bejonders bedeutian, jondern auch noch aus einem anderen Grunde Dieje Entwiclung zeigt nämlich in bejonders jchlagender Weile, daß im Gegenlab zu dem jtädtijchen Erwerbs: und Berufsleben KFortichritte auf dem flachen Lande jelten Durch Die eigene „Suitiative der unmittel- bar Beteiligten Jich vollziehen, daß es vielmehr jtarfer Einwirkungen von außen her bedarf, wenn mit eingelebten wirtichaftlichen Gewöhnungen gebrochen werden joll. Die u dem Begründer der deutjchen Genofjen- Ihaftsbewegung (Schulze=- Deligich) befünworteten VBorihußfalien, in den Streifen Des en anele und Handwerfs alsbald als wertvolle Errungenjchaft begrüßt, brachen ji) Bahn, ohne daß es hierzu jtaats- jeitig bejonderer Aneiferung bedurft hätte; wogegen die ländliche Be= völferung den Anregungen auf Schaffung Ipecifiich ländlicher, d. h. den landwirtichaftlichen Betriebsverhältnifien angepaßter Krediteinrichtungen zumächit und längere Zeit mißtrautich und ablehnend gegenüberitand, und es jahrelanger Bemühungen und Zufprechens opferwilliger Berfönlichkeiten aus den Streifen von Nichtlandwirten md fortgejeßter Anregung von landwirtichaftlichen Vereins und Staatsbehörden jorwie der umermüdlichen Thätigfeitt landwirtichaftlicher Wanderlehrer bedurfte, bis das Eis der Borurteile gebrochen war. Die Borihußfalien, als die älteren Schöpfungen auf dem Gebiet des genojjenschaftlich organilierten Perjonalfredits, werden zwar nicht un= beträchtlich auch von Landwirten in Anipruch genommen, erfüllen aber nicht vollitändig die oben an ein ländliches Berjonalfreditinititut geitellten Anforderungen. Der Kredit, den jie gewähren, tjt vielfach em für länd- g* 132 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital 2c. liche Verhältnifje etwas teurer; als dividendenzahlende Anitalten unter: liegen fie der Gefahr, ji) in gewagte Kreditgejchäfte einzulafjen, und Zulammenbrüche von unjolid geleiteten Borjchußfaiien ziehen dann auc) die landwirtichaftlichen Mitglieder in Mitleivenichaft, die in der Regel doch ohne allen Einfluß auf die Verwaltung der ihnen räumlich ent- rücten Kafjen find. Vor allem aber ijt es diejes räumliche Entferntjein des Sites der Kafjje von dem Wohnort des Darleihnehmers, das Die Borichußfaffen in minderem Maß als Berjonalfreditinititute für Yand- wirte eigiet. Die zunächit in der Aheinprovinz ins Leben getretenen jogenannten in anderen Teilen Deutichlands errichteten ländlichen Kreditvereine weijen gegenüber den Borjchußfafjen folgende wejentlichen Vorzüge auf: Sie ind örtlich organifiert, aljo den Beteiligten leicht erreichbar; die Kafjenvoritände können die Kreditwürdigfeit des Darlehensbedürftigen ohne Zeitaufenthalt ermitteln, alfo Darlehensgejuche rasch erledigen; eine dauernde Überwachung der öfonomifchen Lage der Schuldner ift leicht durchführbar, bei eventuell zu bejorgendem VBermögenszerfall fann die Kaffe rechtzeitig ihre Forderungen einflagen, das Nififo iit aljo ein ge mindertes, wie denn Berlufte bei ländlichen Darlehenskajjen jelten und Zujammenbrüche, joweit befannt, bis jegt überhaupt nicht zu verzeichnen ind. Da jede Art von Dividendenzahlung ausgejchlojfen it, fann der Darlehenszinsfuß auf den Betrag der Selbitkojten der Darlehensaufnahmen des Vereins fich jtellen, alfo ein mäßiger fein; und indem Überjchiüife dem Nejervefond zufallen, wächit diejer verhältnismäßig vajch) an, was wiederum die Haftbarfeitsgefahr der Mitglieder mindert. Durch die häufige Verbindung der Darlehensfafjen mit jparfafjenartigen Einrichtungen geben je den Mütgliedern Gelegenheit zur jederzeitigen Anlegung von Bar: beitänden und fördern den Sparjamfeitsfinn; durch Verbindung mit land- wirtjchaftlichen Konjumvereinen erleichtern fie leteren die aus Anlaß der Warenbezüge fich ergebenden geldlichen Abwiclungen; durch Zujammen- Ihluß der einzelnen Kafjen zu Yandes- oder Provinzialverbänden tt für gegenjeitigen Meinungs- und Erfahrungsaustaufch, jowie für jach- fundige Belehrung der Einzelgenofjenjchaften durch die Verbandsorgane die Möglichkeit gewährt. — Die ländlichen Kreditgenofjenjchaften gewähren Darlehen auf längere Zeit al3 3 Monate, meift auf 1—3 Jahre, tragen mithin den jpecifiichen Verhältnifien der landwirtichaftlichen Betriebsthätig- feit Nechnung. Das Bedenfen, daß aus diefer Dauer der Darlehens- gewährung für die Stallen Berlegenheiten entitehen fünnen, weil die von den Kafjen für ihre Zwede aufgenommenen Anleihen regelmäßig in fürzeren sriiten fündbar jind, als die von den Kafjen gegebenen Darlehen, hat jich nicht als begründet erwiejen; und man fann über den Einwand, daß Diejes Nichtzufammenfallen der beiderjeitigen KündigungssFrilten gegen die oberiten banktechniichen Grundjäße veritoße, als über einen vorwiegend S 28. Der landwirtichaftliche Berjonalfredit und feine Organijation. 133 theoretischen jchon deshalb himwegjehen, weil durch eine bejondere Drga= nilatton, nämlich durch die Schaffung von jogenannten Geldausgleichs- itellen, innerhalb der erwähnten Verbände den Verlegenheiten, die durch die umzeitige Kündigung der der Genofjenjchaft überlajjienen Geldbeitände entitehen fünnten, die Spige abgebrochen ift. Die Aufgabe jolcher Geldausgleichsitellen it nämlich eine doppelte: fie haben einerjeits die bet den einzelnen Kafjen augenblicklich entbehrlichen Ktafjenbeitände als verzinsliche Depofite anzunehmen und jte haben andererjeits jenen Klaffen, die augenblicklich größerer Mittel bedürfen, als ihr Kafjenvorrat beträgt, die nötigen Mittel gegen Berzinfung darzuleihen; wober übrigens, jowohl was die Berpflichtung zur Annahme von Depofiten als was die Ver- pflichtung zur Gewährung von Darlehen anlangt, ein gewiljes verein- bartes Höchitmaß nicht überjchritten werden darf. Als Beweis, vie jehr man gewillt it, jtaatsjeitig die auf Errichtung von Streditgenofjen- Ichaften gerichtete Bewegung zu fürdern, mag dienen, daß in Preußen durch bejonderes Gejeß vom 31. Sult 1895 eme Gentralgenojjen- Ihaftsfajje mit einem jtaatlichen Grundfapital von jet 20 Millionen Darf gejchaffen worden it, die beitimmungsgemäß die Aufgabe hat, den einzelnen Ktafjenverbänden (nicht den einzelnen Genofjenfchaften), desgleichen den landichaftlichen (ritterjchaftlichen) Darlehenstafjen, Torwie ähnlichen, von PBrovinzialverbänden errichteten Berjonalfreditinitituten verzinsliche Darlehen zu geben und Gelder diejer Jämtlichen Vereinigungen und Einzel imititute verzinslich anzulegen. Die VBerbandsprgantijation der Streditgenofjenichaften hat Tich übrigens nicht bloß wegen der Schaffung von „Geldausgleichungsitellen“ als Bedürfnis und wohlthätig eviwiejen; eine wejentliche Aufgabe der Ver- bände und der Berbandsleitungen („Generalamwaltichaften“) beiteht, wie bereits angedeutet, auch darin, die einzelnen Genofjenjchaften zu belehren und zu unterweien, Wüpbräuchen in der Gejchäftsgebarung entgegen zutreten, ferner den vom Genojjenjchaftsgejeß geforderten „Nevijor” für die Nevilion der Genofjenjchaftsrechnungen zu bejtellen, endlich der Pflege des Genofjenjchaftsweiens überhaupt und der Ausbreitung genofjenjchaft- licher Bildungen unausgejegt jich zu unterziehen. Daraus ergiebt fich, daß Die Verbände im Interejfe wirfjamen Eingreifens nicht eine zu große Anzahl Genofjenichaften in jich vereinigen jollten, und daß der provinzielle bezw. landesitaatliche Zujammenjchluß vor eimer centralilierten, über ganz Deutichland sich eritreefenden Organilation, wie jolche der Neuteder hat, entjchteden den Vorzug verdient. eben den Direften Wohlthaten leichter und billiger Befriedigung des Werjonalfreditbedürfnifjes ergeben ich indirefte Wirfungen er- freulichiter Art, die mit der genojjenjchaftlichen Organijation als jolcher zufammenhängen! Die itrenge Überwachung der Wirt Ichaftsgebarung, wie jie die örtliche Sreditorganilattion ermöglicht, er 134 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital 2c. yweiit jich für manche minder charafterfeften Wirte heilljam und wohlthätig; an Stelle des gewohnheitsmähßigen Schlendrians in Abwicklung der Geld- verpflichtungen tritt Ordnung und PBünfktlichfeit; die Sparjamfeit und der Erwerbstrieb erhalten durch die Möglichkeit, auch fleine Geldbeträge ver= inslich anlegen zu fünnen, eimen erhöhten Anreiz; in der gemeinjamen Verwaltung der Genojjenichaftsangelegenheiten jtärkt jich das Bewußtiein von der Solidarität der bäuerlichen Snterejien, bietet jich Gelegenheit, die Tugend der Selbitlofigfett, der Hingabe der eigenen Berjönlichkeit an die gemeinfamen Standesinterefjen zu bethätigen; das in Diejen Kleinen Kreditgenofjenichaften geweckte Berjtändnis für die Bedeutung der forpo- rativen Zujammenfafjung der bäuerlichen Bevölkerung und die wachlende Erfenntnis von der Straft des Genojjenichaftsgedanfens bilden Ausgangss punkte für die Ausdehnung der Genofjenjchaftsthätigfett auf andere Ge- biete des bäuerlichen Wirtichaftslebens; und- gar nicht jelten find Die Fälle, daß aus dem Stamm der örtlichen Sreditgenojjenichaft ein weit- verzweigtes Syitem verjchtedenartigiter Genojjenjchaftsbildungen für Die ‚sörderung des Abjagiwejens, für die Berrtedigung der Bedürfnilje Des Haushalts und des landwirtichaftlichen Betriebes allgemach herausges wachjen ift. Bedeutjam nicht in legter Linie bleibt, daß in diefen „Bil= dDungsjtätten der ländlichen Bevölkerung“ em ebenjo lohnendes, wie auch bei gutem Willen nicht übermäßig jchwer bebaubares Gebiet der Selbithilfe gegeben tft, zumal triftige Gründe dafür Iprechen, Die ländliche Bevölkerung fort und fort daran zu mahnen, daß die jorglamite Pflege ihrer Intereffen durch eme verjtändig waltende Agrarpolitit und daß jede, noch jo wirfjame zu Gunjten des Grumdbejigeritandes einjegende jtaatliche Snterventionspolitif gleichwohl verjagen muß, wenn nicht dDiejer äußere Nahmen des Agrarrechtes und der Agrarpflege durch energiiche Sraftentfaltung der beteiligten Kreije im Wege der Einzel- und der Öenosjenichaftsjelbithilfe den nötigen snbhalt erfährt. Endlich darf man zu den ohne Zweifel jegensreichiten ‚solgen der IThätigfeit örtlich organifierter Sreditfafjen die Befämpfung des Wuchers rechnen, Diefer Schmarogerpflanze am Störper unferer Bolfswirtichaft; zahlreiche Beiipiele lafjen fich dafür anführen, daß mit der Gründung örtlicher Sreditgenojjenichaften nicht bloß dem Darlehens: wucher, jondern auch anderen bejonders gefährlichen Wucherpraftifen, jo insbejondere dem VBiehwucher (durch rechtzeitige VBerichaffung von Wütteln zum Ankauf von Bichjtücen) und ebenjo dem Wucher mit Kaufichillingsreiten durch planmäßigen Erwerb der bezüglichen Nejt- forderungen (Güterzielern) erfolgreich. begegnet wurde. An der Befämpfung jener grelliten Auswüchje im Ktredit- verfehr, die man als Wucher zu bezeichnen pflegt, und die in legter Linie als eme brutale Übervorteilung und wirtichaftliche Ausbeutung augenblicklich in Not befindlicher Wirte fich fennzeichnen, beiteht ein all gemeines snterefle; und die manchejterliche Auffaffungsweile, daß „Die $ 28. Ausartungen des Perjonalfredits; der Wucher insbejondere. 135 Dummen nicht alle werden“ und jedenfalls fein genügender Grund vor: liege, dem Einzelnen in Art und Umfang frewillig übernommener geld- licher Leiftungen Schranfen zu jegen, ift glüclicherweije ein überwundener Standpunkt. Freilich it an jenen Ausartungen des Streditverfehrs, die als MWucher fich darjtellen, der Bewucherte jelten ganz ohne eigene Ver= Ihuldung; naive Unerfahrenheit in Geldjachen und Ungewandtheit in der Beurteilung von lage einfachiter Art gebt häufig mit einer Ichiwer begreiflichen 2 Vertrauer nsjeligfeit gegenüber Geldleuten ziveitelhafte- ten NRufs Hand in Hand; dazu em thörtichter Bauernjtolz, der Lieber dem Suden als dem Nachbar oder einem Kallenvoritand fich anvertraut; oft auch eine jaliche Schamempfindung, rechtzeitig einzugeitehen, daß man übertölpelt worden tt, und die nicht jelten dem Bewvucherten jelbit im Gerichtsjaal noch den Weund verschließt. Aber diefes Selbitverichuldungs- moment aufjeiten des Bewucherten macht die Handlung des Wıcherers jelber nicht entichuldbarer, und mit Necht hat jich Die neuere Gejeß- gebung auf den Standpunft gejtellt, daß eine Handlungsweije, die nac allgemeiner Nechtsüberzeugung als moralisch verwerflich gilt und mit den Gejegen guter Sitte jich in Wideripruch jebt, dem itrafenden Arme der Gerechtigkeit nicht entzogen bleiben dürfe; und daß es anjtößig wäre umd die Achtung vor der Nechtspflege erjchüttern müßte, wenn die Gerichte gehindert wären, ein gejchäftliches Treiben, das der Bolfsüberzeugumng als Wurcher gilt, zu ahnden, oder gar genötigt wären, dem Gläubiger für jeine der Ausbeutung des Schuldners dienenden Nechtsgeichäfte Die itaatliche Hilfe zu gewähren. Das ältere Necht hat in eimer allzu ichablonenhaften Behandlung der wirtichaftlichen Vorgänge jede Uber: ichreitung des jtaatlich normierten Zinsfußes bei Darlehensgeichäften als Wucher gekennzeichnet und mit civil- oder jtrafrechtlichen Folgen bedroht; die neuerliche Gejebgebung, in tieferer Erfaffung des Wucherbegrifts, hat jedes Gejchäft, das in jeiner Eimvirfung darauf abzielt, behufs Er- zielung übermäßigen Gewinnes die Not, den Yeichtjinn ober die Gejchäfts- unerfahrenheit des Schuldners auszubeuten, als Wucher gebrandmarft und mit Strafen bedroht und die Pflicht der Zurücerjtattung der vom Schuldner geletjteten übermäßigen Vermögensvorteile verfügt. Das in diefem Sinne ergangene deutiche Wucherjtrafgejek vom 24. Mai 1880 und die Novelle vom 19. Juni 1893, welch’ legtere den Wucher- begriff auf Nechtsgejchäfte jeglicher Art eritrectte (im Unterjchied von dem eriteren Gejeß, das den Thatbeitand des Wuchers auf Darlehensgeichäfte beichränft hatte), bedeuten deshalb eine Fortentwicdelung unjeres Strafrehts in jocialreformatorijchem Sinne, die angefichts der Verbreitung des Wuchers in den vwoirtichaftlich fjchwächeren Teilen der Bevölkerung (nicht bloß der ländlichen, jondern auch der jtädttichen) ihwer in die Wagjchale fällt. Die unterdrücdende und verhütende Wir- fung Diejer wucherjtrafgejeglichen VBorjchriften hat eine Veritärfung weiter dadurch erfahren, daß nach) legterem Gejeß die gewerbsmäßigen privaten 136 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital 2c. Seldverleiher gehalten jind, dem Schuldner alljährlich über die Höhe jeiner Berbindlichfeiten einen rechnungsmäßigen Auszug zuzuftellen und daß im gewerbepolizetlichen Verfahren denjenigen, die die Viehveritellung, den Biehhandel und den Handel mit ländlichen Grunditücen oder die Ver- mittelung von Immobiliarverträgen und Darlehen gewerbsmäßig betreiben, der Gewerbebetrieb unterjagt werden fan, wenn Thatjachen vorliegen, welche die Unzuverläffigfeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf den be- treffenden Gewerbebetrieb darthun. Sehr wirfjam, nicht bloß als frei= willige Agenturen der Staatsanwaltichaften, jondern auch als em zur Verhütung wucherlicher Gejchäfte dienender Apparat, haben fich die „Schußvereine gegen wucheriiche Ausbeutung“ und die zu uns entgeltlichen Nechtsbelehrung und Durchführung von Wucherproz N da und Dort beitehenden , ‚Rechtsausichüje‘ eriwiejen, deren weitelte Ver- breitung zu wünjchen tt. Allen diejen im Wege der Gejeßgebung und Verwaltung getroffenen wohlneinenden Abwehrmaßregeln wird freilich ein dDurchichlagender Erfolg überall da nicht bejchieden jein, wo die ländliche Bevölkerung nach dem Allgememftand vwirtichaftlicher Einficht und Intelligenz einen bejonders fruchtbaren Boden für die übervorteilenden und ausbeutenden Praftifen der Wurcherer Ddarbietet. Daher denn die Wucherfrage wejentlich eine Erziehungsfrage it umd micht im leßter Linie von der Verbreitung bejjerer tenntniffe, richtigerer Einficht in die Haushalts und Wirtichafts- führung, mit anderen Worten von der Hebung des geiitigen Niveans der ländlichen Bevölferung Heilung von dem Übel des Wuchers erwartet werden darf. $ 29. Schuldnst und Swangspvollitrefung; Beftrebungen auf Nilderung des Swangsvolltrefungstehts; die Heimftättebewegung insbefondere; abjchließende Betrachtungen. Geht man von dem in den vorjtehenden Erörterungen als richtig erwiejenen Standpunft aus, daß der Grundbeiiß des Hypothefarfredits und der landwirtichaftliche Unternehmer des Betriebstredits nicht entbehren fann, jo gelangt man zu der Folgerung, da das unbeitreitbar vorliegende Kreditbedürfnis ein Schuldrecht erheiiche, das dem Gläubiger größtmögliche Sicherheit jeiner ‚Forderungsrechte verbürgt, da nur in diefem Falle der landwirtichaftliche Kredit in ea verjchtedenen Erjcheinungsformen auf Derriedigung rechnen fann. Daraus ergiebt fich, daß das Schuldrecht ein jtrenges Necht jein muß, wenn anders es dem Zived, der Auf- rechterhaltung jolider Kreditbeziehungen zu dienen, nicht entfremdet werden joll. Und auf die äußerjte ‚Folge eingegangener Kreditverpflichtungen, die Zwangsvollitrefung in das Vermögen des Schuldners, fönnte daher ein Schuldrecht mur unter Preisgabe der Grundlagen verz, zichten, auf Denen jeder Stredit beruht. Wenn diefe äufßerjte Folge ein- tritt, it es natürlich immer jchmerzlich für den davon Betroffenen, und -r s 29. Schuldnot und Ziwangspollitredung. 13% wenn jie häufig eimtritt, auch unter dem Gefichtspunft allgemeiner Snterefjen beflagenswert (S. 106); aber e3 wäre eine grobe VBer= fennung der Wirklichfeitsporgänge, zu meinen, daß die äußerjten Folgen wirtichaftlichen Thuns gerade auf dem Gebiet des Kredits dem Grumndbejiß und jeinen Suhabern grundjäglic abgenommen werden fünnten. Der Stredit teilt die Eigenschaft mancher an ich müßlicher und wertvoller Gejellichaftseinrichtungen, daß er in gepijfem Sinn ein zwetichneidiges Werkzeug it, und daf diejes Werkzeug unter Umständen denjenigen, der es zu müßlichen Zwecken verwenden wollte, tödlich verwunden fan. ber wie verfehlt wäre es, aus Diefem Grunde das Werkzeug jelber in Acht und Bann thun zu wollen! „Werkzeuge“, meinte einer der befannteiten deutschen National- öfonomen, „die Für den schlechten Wirt gar nichts Gefährliches haben, fünnen auch dem guten Wirt nicht viel nügen, und wo eim gutes, Die streditnahme zu nüglichen und gebotenen Zweden ermöglichendes Hypothefen- und Kreditivefen nicht bejteht, werden die bürgerlichen Gewerbe dem Land- bau leicht noch vajcher über den Kopf wachjen, als es ohnedem der Fall lt.“ Daß em zum Unterpfand gegebenes Grundjtück im Falle der Süumigfeit des Schuldners von dem Gläubiger zur Zwangsvollitredfung gebracht werden fann mit der Nechtsfolge, daß Die an eriter Stelle ein= getragenen Forderungen vorzugsweilen Anipruch auf Befriedigung aus dem Zwangserlös haben, folgt aus der Natur der Unterpfandsbeitellung. Aber auch gegenüber den Verpflichtungen des Berjonalfredits fanın auf die Zwangspollitrefung und zwar nicht bloß gegemüber der fahrenden, jondern auch gegenüber der liegenden Habe aus naheliegenden Gründen nicht grumdjäglich verzichtet werden. Denn wenn auch der Berjonalfredit in erjter Neihe auf der perjünlichen Vertrauenswürdigfeit des Schuldners und jeiner Bürgen beruht, die tiefite Unterlage eines ausgebildeten Berjonal- freditweiens bildet doch die Überzeugung von der rechtlichen Möglichkeit der zwangsweiien Betreibung der Forderung in das Gejamtvermögen des Schuldners. Die Solidarhaft der Berfonalfreditgenofjenjchaften würde beim Mangel eines Die Zwangsvollitrefung in das Vermögen Der Schulöner jichernden Schuldrechts ein wejenlojfer Schein fein; und Der Kreditwürdigfeit Ddiejev Genofjenichaften, der Möglichkeit, mit fremden Kapital zum Nußen der Genofjenjchaftsmitglieder zu arbeiten, väre mit dem Fortfall des Zwangsvollitrekungsrechts für die WBerjonalfreditver- bindlichfetten der Einzelmitglieder der Boden völlig entzogen. sm Laufe der rechtsgeichichtlichen Entwicklung hat ich, wie auf anderen Nechtsgebieten auch, in der Ausgeitaltung des Schuldrechts eine Wandlung von einer uriprünglich faft brutalen Härte Diejes Nechts zu größerer Milde und billiger Rüdjichtnahme gegenüber dem Schuldner vollzogen und diefe Entwicklung dürfte noch feineswegs abgejchlojfen fein. Das Schuldrecht der ältejten Zeit ergriff Leib und Leben des zahlungsunfähigen Schuldners; die Berjegung 138 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital 2c. des zahlungsunfähigen Schuldners in den Jultand der Unfreiheit wandelte jich Ipäter in Schuldhaft um; endlich wurde auch dieje bejeitigt, es ver- blieb bet dem Zugriff der liegenden und fahrenden Habe; und die neuere Nechtsentwiclung jchloß jogar von diefem Zugriff die notwendigiten Be- Darfsgegentände und Arbeitswerfzeuge (die jogenannten Kompetenzitüce) aus, eine Entwicklung, die im Berbot der Beichlagnahme des Arbeits- lohns ihren jeßigen Höhepunkt erreichte. Dieje Entwiclung des Schuld- rechts zu größerer Wilde tt von. dem Gedanfen beherricht, daß Durch die Erefution niemand in jener wirtichaftlichen und gejellichaftlichen Eriltenz gänzlich vernichtet werden joll und daß das Betreibungsrecht des Gläubigers da jeine Grenze hat, wo durch die rückichtsloje Geltend- machung Ddesjelben die wertichaffende Arbeit jelber bedroht wäre. Unter diefem Gejichtspunft tft es auch zu beurteilen, wenn im neueren Necht dem Nichter die Befugnis eingeräumt it, im liegenschaftlichen Boll itrefungsverfahren an Stelle der Zwangsveräußerung die Zwangsver- waltung zuzulaljen; denn was anderes joll mit der Zulafjung der Zwangsverwaltung erreicht werden, als zu verhüten, daß dem in augen blieflicher Zahlungsnot befindlichen Schuldner unter allen Umständen der Belt verloren gehen joll! Und in derjelben Nichtung einer Die Häufigfeit der HZwangsveräußerungsfälle bintanhaltenden Neform hat jich Die meueite Deutiche Öejehgebung bewegt, wenn jie den im Nang nachitehenden Hypothefengläubigern die Beantragung und Durchführung des Liegenschaftlichen Zwangsvollitreeungsverfahrens durch die Vorjchrift erichwert bezw. unmöglich macht, daß das Zwangs- verfahren unter Auferlegung der Kojten auf den betreibenden Gläubiger vom Nichter einzujtellen it, wenn der Erlös bei der Zivangsveriteigerung nicht ausreicht, Die ‚Forderungen aller dem betreibenden Gläubiger voranz= gehenden Gläubiger zu decden. Zwar verfolgt diefes Syjtem des Zwangss vollitrefungsrechts — jogenanntes Deeungsiyitem — zunächit den Zved, den an eriter Stelle eingetragenen Gläubigern den ruhigen und jicheren Belig ihrer Hypothefenrechte gegenüber den Betreibungsabjichten nach- jtehender Gläubiger zu wahren; aber mit diefem Schuß, mit dem es Die Borhypothef umgiebt, wird es zugleich eine Stüße des joliden Kredits. „Indem es das auf jolide Anlage abhebende Kapital geneigter macht, der Beleihung des Grundbeiiges fich zuzwvenden, bildet es zus gleich eine Schugwehr des Schuldners gegenüber rücdjichtslojer oder frivoler Ausübung des Betreibungsrechts nachitchender Slänbiger, jchwächt dadurch allerdings die rechtliche Stellung der Nach- Hypothek ab, erichwert aljo die Aufnahme von nachhypothefarischen Dar: leihen; aber gerade dDieje frediteinengende Wirfung des Dedfungs= Iyitems gegenüber Darlehensaufnahmen zu zweiter oder dritter Stelle, die jo häufig einen bedenflichen Charakter haben, ift eine jehr mügßliche Nebenwirkung; denn es wird damit in mittelbarer Weife angeftrebt und erreicht, was zur Verhütung leichtfertiger Ver- und Überjchuldung neuer $ 29. Beitrebungen auf Milderung des Ziwangsvollitredungsrechts. 139 liche Agrarpolitifer durch Einführung von Schuldverboten oder VBerschuldungs- bezw. Berpfändungsgrenzen Diveft umd in ichematischer Werle, d. b. auf einem, pre früher nachgewielen wurde (S 24), jcehwerlich gangbaren Wege erreichen möchten. Diejenige Strömung, die die Neform des Jwangsvollitrefungsrechts in Dem voritehend angedeuteten Sinn als halbe Arbeit anlieht und den ländlichen Grundbeiig gewilfermaßen als „unantajtbaren Samtlien- beit“ behandelt wiljen, alfo der Möglichfertt der Avangsvollitrekung thunlichht ganz entrückt jehen möchte, überlieht zweierlei: einmal, daß es, wie jchon bemerkt, auch den nüßlichiten Kredit verjperren hieße, wenn der Släubiger auf die ultima ratio des Betreibungsrechts, den Zwangsverfauf, verzichten müßte; zum andern, daß der bedingungsloje Schuß gegen Zwangspollitrefung eine Brämtierung der Yälligfeit und Uns wirtichaftlichfeit wäre, wofür in eimem gefunden, von dem Grund gedanfen der Selbitverantwortlichfeit und jtrengen Bflichterfüllung der Einzelnen getragenen Gemeinwejen unmöglich Naum it. So hat denn auch einer der bauernfreundlichiten Schriftiteller des vorigen Sahrhunderts, Ssuftus Möfer, die Anficht vertreten, daß nur der tüchtige, leiftungs- fühige Wirt verdiene auf dem Hof erhalten zu werden, und daß Die „Nometerung“ des schlechten, überjchuldeten Wirts ic) als Gebot Der allgemeinen Staatsflugheit erweije. Mit anderen Worten: man fan von dem Schuldrecht und dem Necht der Zwangsvollitredung, wie joctal- freundlich es immer gejtaltet jein mag, immer nur eine Abihwäcdhung der Schuldnot, niemals aber eine völlige Außerfraftiegung der rehtlihen Wirkungen der Berjchuldung erwarten; umd Die jenigen ergehen jich in Utopien, die in einem an fich begreiflichen Wtit- gefühl für den in Schuldnot Befindlichen an die Gejeggebung mit weiter: gehenden, weil unerfüllbaren Forderungen herantreten. Aus guten Gründen hat deshalb auch die oberite landwirtichaftliche Snterefjenvertretung, der deutiche Landwirtichaftsrat, der Übertragung einer nordamerifanifchen Nechtseinrichtung, der Ausbildung eines Heimftätterechts mit dem proflamterten Stel, dem Zugriff des Gläubigers im Grumdjaß entzogene („unantaitbare”) zamiltienheimitätten zu schaffen, ernitlich widerraten. Und zwar nicht bloß und nicht einmal vorwiegend deshalb, weil in dem dem Neichstag wiederholt vorgelegten Entwurf eines Heimftättenrechts an eimer jchematischen VBerichuldungss (Berpfändungs-) Grenze, ferner an der Unteilbarfeit der Heimjtätteammejen und daran feitgehalten war, daß gegen die Heimftätte nur die Form der Zwangsverwaltung zuläflig em joll (obwohl die Ywangsverwaltung gegenüber fleineren und mittleren Anwejen, die regelmäßig nicht oder doch nur wenig mehr abwerfen, als der Unterhalt des Schuldners erfordert, augenicheinlich undurchführbar it). Sondern dieje ablehnende Haltung war vor allem darin begründet, daß der geplante Ausschluß des Zwangsvollitrefungsverfahrens betreffs aller nac Errichtung der Heimstätte eingegangenen Schuldverbindlichteiten, 140 Drittes Kapitel. Grund- und Betriebsfapital 2c. insbejondere- jolcher des Berjonalfredits, wahrhaft frediterichütternd hätte wirfen, auch den nüßlichiten Stredit hätte verjperren müjjfen. Und diejer Einwand ijt fein bloß theoretischer; denn gerade in Nordamerifa hat das Heimftätterecht, indem es die Zwangsvoll- itrefung nur für bypothefariich geficherte Forderungen zuläßt, eine Berjonalfreditiperre denkbar jchädigenditer Art gezeitigt; it doch dajelbit ein Zinsfuß von 12 und mehr Brozent für Darlehen des Berjonalfredits gegenüber Heimjtättebefisern feine Seltenheit, die Negel aber, daß jelbit für £leine Beträge überhaupt fein Berjonalkredit gegeben, jondern hypothe- farische Sicherheit begehrt wird, für welchen Fall dann aber der Schuß des Heimjtätterechts verfagt. So daß es nicht Wunder nimmt, wie die Krifis der achtziger Jahre Taufende diejer amerifanischen Heimitätten im Widerjpruch mit allen auf Ddiefe Heimftättegejeggebung gegründeten, zum Teil jehr ausjchweifenden Hoffnungen hinweggefegt hat. Die er hoffte Wirfung und die thatlächliche Wirfung von Gejeßen ijt eben häufig eine jehr verichtedene; umd Diejenigen befinden jich in einem großen Srrtum, die an die Möglichkeit eines Grundfredit- rechts glauben, das den jchuldneriichen Grundbejiß vor den Wechjelfällen des Lebens unbedingt jicheritellen fünnte, ohne zugleich die Quellen des unbedingt nötigen Sredits jelber zu verjchließen. (Abichliegende Betradhtungen) Das Ergebnis der voritehen- den und der in Ddiefem Kapitel überhaupt niedergelegten Betrachtungen it ungeachtet des Umistandes, dag eine Anzahl agrarischer Forderungen abgewiejen werden mußte, gleichwohl fein unbefriedigendes; denn unzweifelhaft tjt in dem ganzen Gebiet des neuzeitlichen Kre- Ditwejens und der meuzeitlichen Öejtaltung des Schuldrechts ein reformatorijcher Fortichritt teils Ihon vollzogen, teils angebahnt, der einer freundlihen Würdigung vonjeiten der landwirtjchafttreibenden Bevölferung wohl würdig ilt. Zu einer lobpreiienden Verherrlichung der jog. „guten alten Zeit“ auf often der Gegenwart liegt gerade betreffs des landwirtichaftlichen Kreditverfehrs am allerwenigiten Anlaß vor. Dieje „gute alte Zeit“ hat zwar die Ver- Ichuldung gegen Nente und das Snititut von Verschuldungsbeichränfungen ausgebildet, fie läßt aber bis zum Ausgang des vorigen Jahrhunderts pojitive Yeiltungen auf dem Gebiet der Organijation des Stredits gänzlich vermilien, verweilt vielmehr den Grundbeji auf die gelegent- liche Anbietung des PBrivatfapitals und leiltet Damit Der wucher= mäßigen Ausbeutung des Grundbejiges weientlichen Vorjchub, der gegen über die alten Zinswuchergejege ebenjo wie die jog. VBerjchuldungsverbote jich ziemlich machtlos erwielen. Die jo wichtige anitaltsmäßige Bermittlung des Kredits, die Ausbildung des Grundjaßes der Uns fündbarfeit der Schuld in Verbindung mit langjanter Schuldabtragungs- lt Ss 29. Abjchliegende Betrachtungen. 141 möglichfeitt gehört durchaus der neueren, die Ausbildung des landwirt- Ichaftlichen Betriebsfredits und jeiner Organtjationen jogar der aller jüngiten Zeit an. Sn feinem Sahrhundert deuticher Wirtichafts- geichichte jind dem Grumdbeiik gleich zahlreiche Snititute, Die jeinem Kreditbedürfnis in rationeller Werte zu dienen berufen jind, dargeboten gewejen, wie in der Seen dit: niemals it es dem Grundbejiß jo leicht möglich gewejen wie in der Gegenwart, Die Vorteile des jinfenden Zinsfußes in feinen Kreditbeziehungen alsbald aus zumüßen. Das Kapital jtrömt dem Grumdbeiis, troß der Ungunst, mit der das landwirtichaftliche Gewerbe als jolches zu fämpfen hat, willig zu, und jener fritiiche Zuftand eimer „Kreditnot“, in dem jich der deutjche Grundbejiß im den fünfziger und jechziger Jahren im größeren Teil von Deutjchland befand und der eine Fülle von Litteratur über die Möglichkeit der Bejeitigung Ddiejer Streditmot jchuf, it längit überwunden. Die allmähliche Ausbildung eines die Nechtsverhältnife am Grund und Boden F£larlegenden Grundbuche und Sypothefenrechts hat am diejem Fortjchritt ebenjo Anteil, wie die im diefe Zeit fallende Vervielfältigung der Kreditdarbietungsgelegenheiten, wie jehr auch dieje legteren in einzelnen Staaten, namentlich Süddeutichlands, noch der Berbefjerung und rattonelleren Ausgeltaltung fähig jein mögen. Den Ausartungen des Kredits, insbe jondere der wuchermäßigen Ausbeutung der fapitaljchwachen Beitandteile der Bevölkerung, hat eine bejondere Gejeggebung zu begegnen jich bemüht und zwar mit einem Erfolg, den die ältere Zeit nicht aufzınveiien verz mag. Das Betreibungsrecht des Gläubigers tt nicht jtrenger, Jondern gegen über früher fjehr viel milder geworden; und das mit Emführung des neuen bürgerlichen Gejegbuchs gleichzeitig In are tretende Geleb über liegenschaftlicde Zwangsvollitrefung wird infolge der Ilmahme des jog. Dedungsiyitemes in vernünftiger Weile eimerjeits frediteinengend wirfen, andererjeits frivolen Betreibungen einen wirffamen Riegel vor= ichieben. Eine der weientlichen Urjachen der Beligfreditverichuldung, Die Zwangsverichuldung des Anerbenrechts, it durch befondere Anerbenrechts- gejeße und durch die im bürgerlichen Gejegbuch erfolgte Anerkennung des Grundjages der en der Gejchwilter auf Grund des Er- tragswertes (an Stelle des Verfehrswertes) für die Zufunft wejentlich abgefchwächt. Alle dieje teils durchgeführten, teils im Fluß befindlichen Akte der Gefeßgebung und Verwaltung thun unzweideutig dar, dab der ländliche Grundbefiß, weit entfernt, das „Aichenbrödel“ der Gejeß- gebung zu jein, im Mittelpunkt einer Aktion Tich befindet, die in leßter Linie darauf abhebt, ein den Bejonderheiten des ländlichen Grundbeiißes gerecht werdendes Berwaltungsrecht zu ichaffen. Und nur eine den Thatiachen und den Wirklichkeitsverhältniffen fich völlig verschließende Betrachtungsweile kann dieje Aktion als „Eleines Mittel” fennzeichnen, während fie in Wahrheit in erter Linie zu den „großen 142 Drittes Kapitel. Grund» und Betriebsfapital zc. Mitteln“ im Kampf der Ddeutjichen Landiwirtichaft mit den widrigen Berhältniifen der Gegenwart zählt. Mit der Abweilung jener Neformvorichläge, die auf weit gehende fünitlihe Eimengung des landwirtichaftlichen Stredits abheben und im Gefolge diefer Mabregel eine weitgehende jtaatliche Bevor- mundung der auf Ddiejen landwirtichaftlihen Kredit ange: wiejenen Bevölferungsichichten im Gefolge haben müßten, tritt man den Snterejjen der ländlichen Bevdlferung nicht zu nahe; eher tit die Annahme auszufprechen geitattet, daß Die Bevülfe- rung des flachen Landes, und die bäuerliche nicht in le&ter Linie, einer auf fünftliche Beichränfung des Kredits abhebenden Agrarreform, wenn nicht geradezu abweilend, jo Doch innerlich fühl gegenüberjteht. Wer jolche Mittel gleichwohl vorjchlägt, überjieht jehr, dag die Landbewohner von heute in Selbjtändigfeits- und Freiheitsgerühl, in Selbitbewußtiein und Unabhängigfeitsdprang den Landbewohnern von ehedem wett voraus- geeilt jind. Andere Zeiten, andere Mittel! Mit einer Fixierung des Kreditagrarrechts innerhalb der in Ddiejem Stapitel geitecften Grenzen wird der vorurteilslofe Betrachter der Dinge auch deshalb fich begnügen müfen, weil tiefeinschneidende Ande- rungen der Gejeggebung gerade auf diejem Gebiet ohne große Erihütterungen der beitehenden Schuldverhältniiie jchwerlicd Durhführbar wären; alle extremen VBorjchläge, die auf eine wejentliche Abjchwächung der rechtlichen Wirkungen bereits eingegangener Schuldver: bindlichfeiten oder gar auf die zeitliche oder dauernde Siitierung Diejer Wirkungen abheben, entbehren daher jchon deshalb der Berwirklichungs- fähigkeit. Diejen Verzicht auf „wealite Löjung“ braucht man nicht all- zu tragisch zu nehmen; denn die Lage des dentichen Grundbefiges tt feineswegs eine hoffnungslofe jchon deshalb, weil, wie in der Vergangenheit, jo auch in der Gegenwart und Jufunft mit einem beitimmten Maß von Ktredit- verpflichtungen gerechnet werden muß (ehe S 101 ff.). Der Drud diejer Streditverpflichtungen hängt ja auch nicht bloß von der Höhe der Ber- pflichtungen, jondern jehr wejentlich von der Fähigfeit der Wirt: ichafter ab, aus den Erträgniilen der Wirtihatt Mittel für Schuldzwecde Flüjiig zu madhen. Wie wichtig daher auch das Ber: waltungsrecht des Kreditwejens und Die dem Kreditweien dienenden be= londeren Organijationen find, nicht minder wichtig tt es für die that- Jächliche Schwere des Schulddruds im Einzelfall, die wirtichaftende Arbeit am Grund und Boden jo zu geitalten, daß dem zeitweile gejteigerten Schulddruf eine geiteigerte Fähigfeit zur Erzielung von Wirt: ihaftsüberschüjien zu Schuldzweden zur Seite geht. Alle Be= trachtungen, von welchem Gelichtspunfte aus jie immer angeltellt jein mögen, leiten daher immer wieder auf die Thatjache zurüd, daß der ländlihe Grundbejiß von der landwirtichaftlichen Unters nehmerthätigfeit nicht zu trennen ijt, und daß mithin neben Der Ss 29. Abjchliegende Betrachtungen. 143 Ausbildung einer den suterefjen des Grundbefizes Nechnung tragenden Agrarverfaijung (hHauptjächlich im der thatjächlichen Beligverteilung, im Erbrecht und in der Ordnung des Streditiweiens zu Tage tretend) die Hebung der landwirtichaftlichen Unternehmerthätigfeit, die Förderung der diejelbe günftig, die Hintanhaltung der Dies jelbe ungünftig beeinflufienden Faktoren immer von bejonderer Bedeutung bleiben wird. Daß auf Ddiefem Gebiet, joweit Die Hebung der Technif des Betriebs in Frage Iteht, noch manches zu bejlern it, und daß die fürdernde Eimvirfung des Staats in Bezug auf Herbeiführung jolcher VBerbejjerungen der Betriebstechnik als eine bejonders dantbare Aufgabe jich erweilt, it unbejtritten; die Ausführungen hievwegen (Kap. IV) fünnen jich daher furz Halten. Schwieriger Schon tft Die Frage, imvieweit jich zum Nußen des landwirtichaftlichen Gewerbes die jtaatliche Eimvirfung auch nach der Seite der die Ergebniffe der landwirtjchafts lichen Berufsarbeit beeinflufienden Ausgaben und Lajten und weiter nach der Seite der diefe Ergebnije nicht minder Itarf beeinflufjenden Marftpreisbildung der Hauptverfaufsfrüchte bethätigen fann; der Erörterung Ddiefer Fragen werden die Stapitel V und VI gewidmet jein. Diertes Kapitel. Sandwirtichaftliche Betriebstechnif und der Einfluß der Staatlichen Sandwirtichaftspflege. $ 50. Allgemeinfte Würdigung eines ftaatlihen Eingreifens in den Kandwirtichaftsbetrieb. Neben der Wichtigkeit dev Agrarverfaliung eimes Landes für die Wohlfahrt der Landbevölferung, wie fie jich namentlich in der Grumdbejigverteilung und in der Gejtaltung des dieje wejentlich be= einflufienden Erbrechts jowie des Grundfreditrechts äußert, Jollte man die Bedeutung der Yandwirtichaftspflege nicht gering achten. Unter Landwirtichaftspflege im weiteiten Sinne verjteht man aber Dies jenigen gejeglichen oder VBerwaltungsmaßnahmen, die teils darauf abztelen, rechtliche, wirtichaftliche oder durch die Natur gegebene Beichränfungen in Bezug auf die Beitellung und Nubung des Grundeigentums zu be= jeitigen, teils die Vervollfommnung der landwirtichaftlichen Betriebstechnik in allen Einzelzweigen der Yandwirtichart mit dem End- ziel höherer Erträglichfeit des Grund und Bodens anftreben. Man pflegt die erjtgedachten gejeglichen und Berwaltungsmaßnahmen unter dem ge- meinjamen Begriff der „Bolitif der Landesfultur”, die legteren unter dem Begriff der Yandwirtichaftspflege im engeren Sinn zujammen= zufaflen; dorthin zählt aljo beifpielsweife, neben den jchon erwähnten „Semeinheitsteilungen“ in Verbindung mit der Ablöjung läftiger Srumdpdienitbarfeiten (8 4), diegenige Gejeßgebung, die die Bejeitigung der aus der Gemengelage der Grundftüce und deren Wegelofigfeit entjpringenden Nachteile bezweckt (Zujammenlegungs- oder Feldbereinigungs- geießgebung); ferner gehören dahin die auf dem Gebiet der Wafferwirts ichaft liegenden gejeglichen und Verwaltungsmaßnahmen, aljo die Sorge für die Ausnugung der befruchtenden und düngenden Eigenjchaften des Wajjers und die Hintanhaltung von Schäden durch ein Übermaß von Wafjer (Ent: und Bewällerungsweien, Wafierfchuß). Im den Bereich der Yand- wirtichaftspflege im engeren Sinn dagegen fallen alle Berwaltungs- maßnahmen, die, wie das landwirtichaftliche Unterrichts- und Verfuchsweien, das Ausstellungs und Prämiierungsweten, $ 30. Allgemeinjte Würdigung der technischen Landwirtichaftspflege. 145 die Hebung der Betriebstechnif und Betriebsöfonomie in allen ihren VBerzweigungen zur Aufgabe fich jeßen. Häufig bedürfen dieje pfleg= lichen en zu ihrer Ergänzung beitimmmter gebietender oder ver= bietender Borjchriften, wohin z.B. die dem Gebiet der Yandwirtichaits- polizei angehörenden Gejeßesvorschriften über Körung der landwirtichaft- lichen Haustiere zählen. Bei der nicht jelten gerade in heutiger Zeit zu beobachtenden Unterihäßung Diejer teils abwehrenden, teils fürdernden und pfleglichen, teils gebtetenden und verbietenden Thätigfeit des Staats und jeiner Organe it es nicht überflüfltg, nochmals daran zu erinnern, daß die Yand- wirtichaft ein Gewerbe tjt, in dem durch das vereinigte Jufammen= wirfen von Natur, Kapital und Arbeit marftgängige Erzeugnifje herge- jtellt werden ; woraus folgt, daß nicht bloß von dem jeweiligen Marktpreis, jondern auch von der von der Flächeneinheit erzielten Broduftenmenge und von dem thatlächlichen Betriebsaufwand der wirtichaftliche Erfolg der Produktion bedingt it. Damit hängt zujammen, dab auch die theoretijch vollfommenjte Agrarverfaflung das Gedethen der in ihr wirtichaftenden Be- figer nicht ohne weiteres verbürgen fan, jondern nur dann, wenn diejen zugleich Die erforderliche Deirieberechniiche Gerne und betriebsöfonomtjche Erfahrung zur Seite Iteht. Für die Nichtigkeit diejes Sabes ijt der beite Beweis die Thatjache, daß, wie zahlreiche Unter: juchungen über die Lage der Landwirtichaft ergeben haben, Die Wohl- Itandslage — auch bei vorhandener Gleichheit der äußeren Broduftions- bedingungen — von Ort zu Ort oft jehr erhebliche Unterjchiede aufweiit, die vielfach nicht anders als durch die höhere geiitige Negjamfeit und An- pafjungsfähigteit hier, durch Mangel an Negjamfeit und gleichgültiges Beharren im alten Schlendrian dort erflärt werden fünnen. Betriebs- technische Geichieklichfeit und betriebsöfonomische Erfahrung gewinnen um jo mehr an Bedeutung, je mehr im Sinne der vorangegangenen Cr örterungen (S 10) für jede, auch die fleinite Wirtjchaft, eine Nötigung beiteht, für den Markt, d. h. marftfähige Ware zu erzeugen und die Er- zeugungsfojten dem Marktpreis anzupafjen. An der Entwiclung jener Eigenjchaften, die allein eine gute und zugleich privatwirtichaftlich vor- teildafte Bewirtichaftung des Bodens verbürgen, haben zwar die Yand- wirte jelber das nächite und ımmittelbarite Sntereile, es fnüpft Tich aber daran auch das mationalwirtichaftliche ntereffe a der aus reichenden Verjorgung des VBolts mit Nahrungsmitteln und an der Bewahrung einer gewilen Unabhängigkeit des Bolfs in Bezug auf diefe Nahrungsmittelverforgung von dem Ausland. sn dem Vorliegen eines jolchen nationahvirtichaftlichen nterefjes it zugleich der Necht- fertigungsgrund gegeben für ein gejeßliches und verwaltungss mäßiges Eingreifen des Staats auf diefem Gebiet und für Die Baratitellung reichlicher Geldmittel zur Durchführung Diejes Ziels; lebteres namentlich da, wo die bäuerliche Bevölferung über: Saleiberger. 10 146 PViertes Kapitel. Landiv. Betriebstechnik und ftaatliche Landwirtichaftspflege. wiegt, da die Angehörigen der legteren, entiprechend ihrem allgemeinen Bildungsitand und dem Maß der ihnen zur Verfügung itehenden Geld- mittel, den Kortichritten der Bodenfultur aus eigener Sraft meist mur G a ; 3 Ze ; lanalam zu folgen vermöchten. Die Landwirtichaftspflege wird aus Q h) Ä [Eee 7 DLEDIEEE diejem leßteren Grund überhaupt am beiten den bäuerlichen Wirtichafts- verbältnilien vorzugsweiie angepaßt werden, da nur in diefem Fall ee = : 5 3 ER ER q z Wirfung ins große und in die Weajjen hinem erwartet werden Darf. YSejen und Bedeutung der wichtigiten Maßnahmen auf den por= beiprochenen Gebieten joll nachitehend beiprochen, Doch dem Zweck dieler Y i nr ’ Schrift entiprechend auf Einzelheiten nicht eingegangen werden. $ 51. Kulturfhädlihe Hindernifje und deren Befämpfung durch die Maßnahmen der Kandesfultur. Überall, wo im Laufe der geichichtlichen Entwicklung als Folge der eriten Aufterlung des Landes und des herrichenden Erbrechts Die jogenannte Gemengelage (Streulage) der Grumpdjtücke jich ausgebildet hat, fommt eine bejondere Wichtigkeit den „Julammenlegungen“, auch als „Berfoppelungen”, „Feldbereinigungen“, oder „Bereinödungen“ bezeichneten Unternehmungen zu. Zweck Diefer Unternehmungen it es, eine bejjere Ausnugung des Grund und Bodens durch Zufammenlegung der im Gemenge liegenden Grunditüce, jorwie durch Anlage eines Nebes ausreichender Feldwege behufs Zugänglichmachung jedes einzelnen Grunde jtüicks herbeizuführen; fie erjtreben alfo nachträglich einen jolchen Zujtand der Feldflur im mehr oder minder vollfommener Weile an, der im Gebiet des Hofiyitems, bei dem die Kändereten um den Wirtjchaftshof gruppiert liegen, von Anfang ab ewreicht war. Die Nachteile der Gemengelage, äußerlich hervortretend in weitgehender Zerjtücelung als Folge von Erbteilung, Verkauf, Schenfung, ferner in der Unzugänglichfeit eines Teils der zeldflur jorwie in Dem Beitehen zahlreicher, zu jtändigen Streitigfeiten Veranlaffung gebender Über- Tahrtsrechte, haben die Itaatlichen Behörden im Laufe diejes Kahrhunderts in den meijten Staaten Deutjchlands eine bejonders eifrige Ihätigfeit auf Ddiejfem Gebiet der Landesfultur entfalten lafjfen, in Nord: und Wiüttel- deutjchland meist im Anjchluß an und in zeitlicher Verbindung mit den Operationen der Gemeinheitsteilung, im den jüddentichen Staaten unab- hängig von diejen Gemeinheitsteilungen in befonderem Berfahren. sumers hin entbehren auch heute noch am Ende des Jahrhunderts zahlreiche SHememmden Der Borteile, die ee Bereimgung der Gemarkung Ddurc) Anlage rationeller Feldiwege und Schaffung von Grumdjtücen mit vegels mäßigen Formen und entiprechender Größe für die Bewirtichaftung mit ich bringt. Weit Mecht wird daher diefen Unternehmungen jeitens der nit der Pflege der landwirtichaftlichen Sntereffen betrauten Behörden ein ganz bejonderer Wert beigelegt und mit Unrecht werden diejfe Unter: nehmungen jettens Der Beteiligten als „Eeine Mittel” gefennzeichnet. $ 31. Kulturfchädfiche Hindernifje und deren Bekämpfung 2c. 147 Die Berjäummis an Zeit, die mit der Bewirtichaftung einer großen Anzahl räumlich) vom Wirtichaftshof weit abgelegener Barzellen verfmüpft it, Die VBerzettelung der Arbeitsfräfte, die fich daran ergiebt, die Notwendigkeit, für die Bewirtjchaftung derjelben Flächeneinheit ein höheres Maß menschlicher oder tierischer Arbeitsfraft auf- zumenden, jollte in den Augen aller Yandwirte gerade heutzutage doppelt ichwer ins Gewicht fallen, wo wegen des Preisfalls einer Anzahl land- wirtjchaftlicher Produkte die Berbilligung der Broduftionsfoften für den wirtichaftlichen Erfolg wejentlich entjcheidend ift. Es fommt dazu, daß die Gemengelage in Verbindung mit der Wegelofigfeit zahl- reicher Grumdjtüce emen thatjächlichen Slurzwang jchafft, alfo die Landwirte in der freien Wahl der Kulturpflanzen hindert, jo daß ins- bejondere Kartoffeln, Rüben, Handelsgewächje nicht jtets auf den hierzu ji) am meisten eignenden, jondern mur anf den gerade zugänglichen Grumdjtücen angebaut werden fünnen umd vielfach jelbjt der wichtige Sileebau in weiterem Umfange an der Unzugänglichkeit der Grunditüce icheitert. Bielfach hängt die Kortdauer der alten Dreifelderwirt- Ichaft mit reiner Brache mit dem Zultande der Wegelofigfeit wie Wirkung und Urjache zujammen; auf Durchgreifende Bodenmelivrationen, namentlich Ent und Beräfjerungen, muß, weil die Anlage eines Graben- neßes Die vorherige Ausführung eines Wegeneßes zur Borausjegung hat, oftmals verzichtet werden. Gemengelage, Wegelofigfeit, weit- gehende Grumdftüdszerjplitterung Jind deshalb ZYujtände, Die in grellitem Widerfpruch mit den Anforderungen der Gegen: wart an den landwirtjchaftlichen Betrieb und Die Betriebs- organijation jtehen, indem jte die wirtichaftstechniiche Berfügungs- freiheit über den Grund und Boden jo gut wie ausjchliegen. Den durch eine befondere Gejebgebung, jowie durch Zuwendung itaatlicher Geldimittel und länderwetie durch Errichtung befonderer Streditveranftaltungen (Yandes- fulturrentenbanfen) geförderten Feldbereinigungsunternehmungen tt daher ein möglichit rajcher Fortgang zu wünjchen. Crleichtert wird deren Zus Itandefommen überall durch Aufitellung des auch auf anderen Gebieten der Landwirtichaftspolitif maßgebenden Wajorijterungsgrundjaßes, inhaltlich dejjen die Jultimmung mur eines Teils der am Zujtandefommen Ssuterejfierten den anderen widerjtrebenden Teil zur Mitwirkung verpflichtet; ein jehr wichtiger und micht zu entbehrender Grundjaß, da ohne diejen die meilten Unternehmungen Ddiejer ud ee Art au der mangelnden Eimjicht, Nechthaberei, Berangenheit oder eigenfinnigen Dppofition einzelner jcheitern müßten. Vicht minder bedeutungsvoll für die Erfolge landwirtichaftlicher Betriebsthätigfeit Tind Diejenigen YLandesfulturmaßnahmen, die auf Die bejjere Nußbarmahung des Wafjers und feiner befeuchtenden md düngenden Eigenjchaften, jorwie auf die Kernhaltung feiner jchäd- lihen Wirkungen (Überichwenmung, , Berfumpfung), allo auf Die 10* 148 Viertes Kapitel. Landw. Betriebstechnik und ftaatliche Landwirtichaftspflege. Hebung der Bodenprodufttonsfraft jelber unmittelbar abzielen. Durch die geiteigerte Anwendung fünftlicher Bewäfferung auf Wiejen und Futter jeldern wird wegen der Steigerung der Futtererzeugung und Dünger: produktion der ganze Wirtichaftsbetrieb wohlthätig beeinflußt und unab- hängiger von dem Gang der Witterung (Futternotjahr 1893!) geitellt. Die Borteile der Entwällerung Dur) das Mittel der Drainage zeigen Jich in bejjerer Durchlüftung und Durchwärmung des Bodens in Verbindung mit energiicherer IThätigfeit der bodenchemijchen Brozefje und Hintanhaltung fauliger Gärung im Boden, in der Erleichterung der Bodenbearbeitung und der Möglichkeit frühzeitigerer Beitellung im Früh- jahr, in der bejjeren Wirffamfeit fünitlicher Düngemittel, im Verschwinden von Unfräutern, in der Hintanhaltung häufigen Auffrierens des Bodens, und die Draimage erweilt fich deshalb in allen Fällen als eine jchr ventable Anlage. Dramage in Berbindung mit der Anwendung mine- raliicher Düngemittel vermag jelbit ausgeiprochene Moorböden in den Zuftand höchiter Erträglichteit zu verjeßen; eine landwirtichaftstechniiche Errumgenjchaft, die bei dem zahlreichen VBorfommen von ausgedehnten Wioorflächen in Deutjichland von allergrößter Bedeutung ist. I beiden Nichtungen it zwar im Laufe der lebten Jahrzehnte, unteritübt durch eine Jachgemäße Ordnung des Wafjerrechts und gefördert durch eine be= jondere Berwaltungsorganiation — Ausbildung und Anftellung bejonderer Stulturtechnifer auf Staatsfojten —, jowie durch Bereititellung reichlicher Geldmittel, vieles gejchehen, aber eine Menge diefer Unternehmungen, die wiederum jehr mit Unrecht zu den „Lleinen Mitteln“ gezählt werden, harren noch immer ihrer Ausführung. sedenfalls wäre es unrichtig, angelichts der Sorgjamfeit, mit der überall das interelle der Yandes= fultur wahrzunehmen, die einjchlagende Gejeßgebung zu verbefjern und weiterzubilden und Durch bejondere Berwaltungsorgantationen und geld- liche Zuwendungen jede Art von Landestulturunternehmen zu fürdern geluscht wurde, von einem VBerfäummis jtaatlicherjeits zu jprechen. Auch daran darf erinnert werden, daß Durch die feinere Ausbildung der Strom= bautechnif, die es ermöglicht, die Hochwäller im Vergleich mit früher gefahrlofer abzuführen, jowie durch die zahlreichen jtaatlichen Auf jorjftungsmaßnahmen in den Quellengebieten der Flülle, die ebenfalls unter Aufwendung beträchtlicher Geldmittel jeit Sahrzehnten thatfräftiger als früher in die Hand genommen werden, die Landwirt: Ichaft ebenfalls eine wertvolle Förderung ihrer Intereffen erfahren hat. $ 52. Kandwirtichaftliche Betriebsfünden. weifellos hat in den lebten Sahrzehnten der Yandwirtichaftsbetrieb nach Der technischen Seite erhebliche Fortjchritte gemacht. a in einzelnen Teilen Deutjchlands, namentlich) da, wo der größere Befig überwiegt und wo in Verbindung mit dem Landwirtichaftsbetriebe techniiche Kebengewerbe (Zucerrübenfabrifation und Branntieinbrennerei) Tich ent- Ss 32. Landwirtjchaftliche Betriebsjünden. 149 wickelt haben, wırde ein Hochitand der Bodenanbantechnif erreicht, wie ihn faum ein zweites Kand — England und Nordamerifa nicht aus- genommen — aufweilen dürfte. Diefev IThatjache gegenüber darf aber ebenjowenig verjchiviegen werden, dab diejes VBorwärtsjchreiten zum Beljern und BVBolllommmeren doch jehr ungleihmäßig in den einzelnen Teilen Deutjchlands eingetreten tft, und daß noch immer manche Gegenden unjeres Baterlandes vorhanden find, in denen imsbejondere der mittlere und kleinere Grundbefiger das Bodeninftriiment in einer dem jegigen Stand der Bodenanbautechnif entiprechenden Werje noch nicht zu Hand: haben verjteht. Noch immer harren da und dort beiler fonjtruierte, arbeit iparende Geräte und Majchinen (Hackmajchinen, Furchenzieher, Häufel- pflüge, Grubber, Untergrumdhaden, Walzen 20), ferner Melcheentrifugen und =-Separatoren der wünjchenswerten Berbreitung, und find in vielen Gegenden, wiederum namentlich da, wo die bäuerliche Bevölkerung überwiegt, manche die Sicherheit und Menge des Ertrags in befonderem Maße ver- bürgende Kulturen, wie die Drillfultur, kaum dem Namen nach befannt. Die Sammlung und Behandlung der tieriichen Düngeftoffe it vielerorts in den Landorten noc) eine gänzlich primitive umd zählt allein der jähr- liche Berluft an Stickjtoff, der infolge jorglojer Behandlung des Düngers umiderbringlich im die Luft entweicht, nach vielen Millionen; die Be- deutung der mineralischen Beidünger bricht ich zwar mehr und mehr Bahn, doc ilt deren Verwendung und zwar abermals zumeiit in den bäuerlichen Wirtichaften auch heute noch vielfach eine unzureichende oder wird überhaupt noch nicht hinreichend gewürdigt. Die Neinigung Des Saatguts und die Auswahl der jchweriten Körner zur Ausjaat hat fich noch feineswegs allgemein verbreitet; die Vertilgung der Unfräuter wird noch immer an zahlreichen Orten in der jorglojeiten Weije gehandhabt, zum großen Nachteil des Ertrags in Menge und Güte; die Einerntung des Heus umd OHmds findet oft zu Tpät, nämlich evft dann ftatt, wenn die Gräjer anfangen Jich zu verholzen und das Futter hierdurch jorwie durch den Samenausfall an Nährwert erheblich eingebüßt hat; die Vers abreihung und die Mischung der Futterjtoffe gejchieht nicht Itets im ökonomischer Weife; bei der Einitellung der Zucht: und Nubtiere it häufig zum Schaden der Nachzucht und der Erträgnifje aus dem Stall die richtige Auswahl zu vermiffen; die zum Berfauf bejtimmten Erzeug- nilje entbehren — wiederum zumeit in den bäuerlichen Wirtfchaften — jehr oft der erforderlichen Herrichtung, und das aus den bäuerlichen Wirt= ichaften jtammende Getreide fommt nicht jelten in einem denkbar tadelns- werten Zuftand der Verunreinigung mit Unfrautjamen und erdigen Beitandteilen auf den Markt. Aus dem VBorhandenjein jolcher betriebs- technischen Sünden, die im vorjtehenden natürlich nur beilptelsweile ans gedeutet wurden, erklären fich denn auch die auf den erjten Blick äußerit auffälligen VBerjchiedenheiten in der Höhe der Bodenerträgnile, die nicht jelten um 50—100°/, jelbit da differieren, wo die Bodenverhältnifie 150 Viertes Kapitel. Landw. Betriebstehnif und jtaatliche Landwirtjchaftspflege. völlig die gleichen find, umd ebenjo die ortsweife Verjchtedenheit der Breife, namentlich im Gebiet des Handelsgewächsbaus — Tabaf, Hopfen — und des Weinbaus, VBerichiedenheiten, die meijt auf die Unterjchiede in der Qualität der Erzeugnitfe zurücdzuführen find, welche Uualitätsunters ichiede aber wiederum ganz vorwiegend mit dem verjchiedenen ah von Sorgfalt und Anfmerffamfeit zufammenhängen, die der Aberntung und nachherigen Behandlung des geernteten Produkts zugewvendet werden. Zu den betriebstehniihen Sünden gejellen Sich vielerorts betriebsöfonomijche Fehler und ® serirrungen ichweriter Art und ichleppen fich jahrelang jchon deshalb fort, weil es in vielen Wirtjchaften, jelbft im größeren, an einer ordentlichen Buchführung gebricht, infolges dejjen sich die Wirtjchafter über die Ertragsverhältnifje der einzelnen Sweige ihrer irtichaft jelten im flaren find und über die Gutsreinerträge im ganzen irrige Vorjtellungen jich feitjegen, die leider gar nicht jelten zu verhängnisvollen Entichlüffen Anlaß geben. Als häufigit vorfommenz des Beripiel hierfür mag die Bewilligung unveritändig hoher Kaufe und Bachtpreife angeführt jein, wobei auf die früheren Ausführungen (S 19) zu verweilen ift; im vielen Fällen muß in dem Vorhandenjein jolcher Überzahlungen der tiefite Grund des Siechtums zahlreicher Wirtichaften erblickt werden. Ebenjo find jüngere, erjtmals in die Selbitändigfeit ein= tretende Landwirte häufig über die Größe des zum vationellen Umtriebe eines Landguts bejtimmten Umfangs erforderlichen Betriebsfapitals gänz- (ich im unflaren und miüfjen aus diefem Grunde jcheitern. sn manchen bäuerlichen Wirtjchaften wird das N SHrumd=- md Gebäudefapital und die allzu lururiöje Anlage der Ofonomtegebäulichkeiten, die die laufende Nechnung ungebührlich mit Unterhaltungsktojten umd jonitigen Ausgaben belaften, die Urjache des geichäftlichen Nüßerfolges. In eben diefen Wirtichaften verleitet nicht jelten ein falicher Bauernitolz zur Verwendung von Pferden zur Gejpannarbeit, wo Ochjengeipanne die Arbeit ebenfalls und mit größerem Nuben für den ea verrichten fönnten. Much diefe Beijpiele betriebsötonomifcher VBerirrungen Liegen jich leicht nambaft vermehren. Berichärft werden dieje betriebstechniichen und betriebsöfonomijchen Simden gegendenweife durch das Feithalten an der alten Dreifelder: wirtichaft, d. H. der gewohnheitsmäßigen Verteilung der Früchte auf drei Fluren (Sommerflur, Winterflur, Brachflur). Die im Laufe des Sahr: hunderts eingetretene Verbejjerung der Dreifelderwirtichaft durch Einbauung der Brachflur mit Hacfrüchten oder Handelspflanzen und die Einjchtebung von Stleeichlägen it nicht ausreichend, weil auch innerhalb diejfer joge: nannten verbeilerten Dreifelderwirtichaft zwei Salmfrüchte aufs einander folgen, wodurcd) die richtige Ausnügung der bodenchemischen Beltandteile der Aekerfrume gehindert, Die Verumfrantung der Felder außer: ordentlich gefördert wird. Der Übergang zu einer Fruchtwechjelwirt- $ 33. Bildungsmittel des Landwirts und jonftige Förderungsmittel 2c. 151 Ihajt mit einer größeren Anzahl von Schlägen itößt aber, namentlich im Bereich der bäuerlichen Wirte, immer noch auf große Hinderniffe. sn einer Zeit, in der man die jogenannten „Eleinen Mittel” zur Hebung der Landivirtichaft jo vielfach geringichäßig zu beurteilen geneigt it, und wo daher die Gefahr bejieht, daß Ddieje „Eleinen Mettel” bei den Beteiligten etwas in Wüfredit geraten, erjcheint es Sicherlich nicht über: flüjjtg, an das Vorhandenjein zahlreicher Betriebsjünden und daran zu erinnern, wie jehr deren Fortbeitehen teils die Erträgniife des Bodens und des Stalls, teils das Konto der Wirtichaftsausgaben ungünstig be= einflußt; und erjcheimt daher auch die Mahnung feneswegs überflüllig, daß unjere Landwirte über den großen Jragen der Wirtichafts- politif Dieje nächitliegende Seite der landwirtichaftlichen Be- triebsführung nicht aus dem Auge verlieren möchten. Wenn em Berharren in unvolltommenen Betriebsweilen bei völlig Schuldenfreiem oder mäßig belajtetem Belit füglich ohne Schaden für den Befiger ertragen werden fann, jo it es Doch gewiß unbejtreitbar, daß diejes Verharren jich überall bitter rächen muß, wo der Befit ein verjchuldeter it und wo zu der Verihuldung noch jonjtige ungünjtige Konjunfturen, wie Fallen der Breije, Steigen der Yühne und anderer Wirtichaftsausgaben, fich hinzu- gejellen. Sind jolche Betriebsjünden, wie angedeutet, zumeiit noch beim bäuerlichen Belit anzutreffen, auf deiien Inhaber daher die Mafnahmen der technischen Landwirtichaftspflege vorzugsweiie zuzufichneiden find, jo ind fie Doch auch in größeren Wirtichaften feineswegs vereinzelt, weil es eben auch manchen Leitern größerer Güter an der erforderlichen fach- lichen Ausbildung und betriebsöfonomischen Erfahrung gebricht. $ 55. Bildungsmittel des Kandwirts und fonftige Förderungs- mittel der landwirtichaftlihen Produktion. Die im vorigen Paragraphen angejtellten Betrachtungen ergaben, daß auf betriebstechniichem und betriebsöfonomischem Gebiet troß aller in Ddiefem „sahrhundert vollzogenen Fortichritte ein weiteres Vor- wärtsjchreiten möglich und daß Ddiefes VBorwärtsichreiten gerade unter den heutigen, jo jehr viel jchwieriger gewordenen Berhältnifien eine bejonders dringliche Notwendigfeit geworden tit. Diejes weitere Vorwärtsichreiten zu ermöglichen, it eine der danfenswerteiten Aufgaben der Negierungen und der mit der Pflege der landwirtichaft- lichen Sntereffen betrauten bejonderen Organe; und die Yandwirt- Iihaftspflege, die diefem Teil der landwirtichaftlichen Staatsaufgaben dient, und die Art und Weije ihrer Ausübung werden daher gerade in der Gegenwart von bejonderer Wichtigkeit. ‚sn der älteren Zeit war eS die ordnende Thätigfeit dev Gemeinde als Wirtichaftsverband, die die Art der landwirtichaftlichen Betriebs- führung bis ins einzelne hinein vegelte und auf Diele Weile alle in der 152 Viertes Kapitel. Landiw. Betrrebstechnif und jtaatliche Landwirtichaftspflege. Gemarkung Angejeffenen zwang, der in Übung beitehenden und durch) ‚eldbauvorjchriften genau umjchriebenen Feldordnung fich einzufügen. Solche Zwangsvorjchriften (über die Art des Feldbaues, über die Statt- haftigfeit bejtimmter Kulturen, über Art und Umfang der landwirtichaft- lichen Tierhaltung 2c.) find bis auf wenige Nefte, die ich in jog. Herbit- ordnungen über den Begtmm umd Die Art der Weinleje erhalten haben, ver- Ichwunden und Dr Aufgabefreis der Gemeinden hat Jich auf Erlafjung feld= polizeilicher Borjchriften eingejchränft, Die die Aufrechterhaltung der Drdnung und Sicherheit in der Feldgemarfung zum Gegenitand haben, insbejondere alfo die Ausübung der Feldwirtichaft und die auf dem freien Feld jtehenden Erzeugnilje gegen folche Störungen und Bejchädigungen Ihüten jollen, die dur) Denjch enhand, Durch Haus und andere Tiere, insbejondere auch durch jog. Bilanzenjchädlinge hervorgerufen werden fönnen. Noch weniger als die Gemeinde jelber hält jih der Staat als jolcher heutzutage berufen, „Defretierend“ und „reglementierend“ in die Einzelheiten der Wirtjchaftstührung einzugreifen; allerdings jehr im Gegenjab zu dem Bolizetitaat der vergangenen Jahrhunderte, Der zuc Anbahnung vermeintlicher oder wirklicher Betriebsfortichritte auch die Wiittel des jtaatlihen Jwangs nicht jcheute, beijpielsweije die Ein- führung neuer Kulturpflanzen (Stlee, Tabak, Kartoffeln) mit Bolizeiges boten verordnete, Zahl und Art der zu pflanzenden Objtbäume feitjegte 2c., alles in der Abjicht, die „Unterthanen“, wenn es nicht anders ging, auch mit Gewalt glücklich zu machen. Heutzutage würde eine jolche be- vormundende Thätigfeit des Staats von der ländlichen Bevölfe- rung als unerträglich empfunden und zurücdgewiejen werden; und die moderne Staatsfürjorge, joweit fie Fortjchritte der Bodenkultur Ai bejchränft jic) daher darauf, Ddiejes Ziel der Negel nach dur) Darbietung von der freien Benügung offenstehenden förderlichen Beranjtaltungen jowie Durch die Mittel der Beiehrung und Aufmunterung zu erreichen. Eine auch nur annähernd erichöpfende Aufzählung oder gar Dar- itellung der überaus zahlreichen, in das Gebiet der Yandwirtichaftspflege fallenden Beranftaltungen und Maßnahmen joll in diefem Zulammens hang nicht gegeben werden. Doch mag daran erinnert fein, wie überall in Deutichland jeit Mitte des Sahrhunderts unter Führung des großen Shemifers Liebig das landwirtichaftliche VBerfuchswejen aufblühte, durch die Ergebnifje feiner IThätigfeit die landwirtjchaftliche Betriebs- thätigfeit in tiefgehender Wetje beeinflufjend; wie das landwirtichaft- liche Unterrihtswejen eine wachjend feine und den Belißverhältnifjen der Landwirte entiprechende Ausbildung und Gliederung erfuhr (land- yirtichaftliche Fachichulen, Gutsafademien, theoretiiche und praftijche Acerbaufchulen, Winter und landwirtichaftliche Fortbildungsichulen, Fachichulen für Obit:, Garten-, Gemüje:, Weinbau, Molfereiweien, Haus: haltungsichulen für weibliche Angehörige der landwirtichaftlichen Bevöl- >» $ 33. Bildungsmittel des Landwirts und jonjtige Förderungsmittel 20. 153 ferung); wie ferner im Anjchluß an diefe Unterrichtsanftalten auch eine (andwirtichaftlihde Wanderlehrthätigfeit organiftert wurde. Alles Beranftaltungen, Die in Berbindung mit der belehrenden Thätigfeit der landwirtjchaftlichen Bereine und landwirtichaftlichen Fac- blätter es ermöglichten, das Wiljfenswerte aus dem Gebiet der Betriebs- technif und Betriebsöfonomte der Ländlichen Bevölkerung jederzeit jofort und in gemeimverjtändlicher Form zugänglich zu machen. sn wirfjamiter Weije findet diefe belehrende Wirfjamfeit eine Unterftüßung durch ein ausgebildetes Syjtem von Brämiierungen für Einzel: und Stol- leftivleijtungen, meijt im Anfchluß an Ausstellungen, jowohl auf dem Gebiet der Bflanzen-, als auch und bejonders auf dem der Tierproduf- tion, und wird gerade der Bervollfommmung der legteren in allen ihren Zweigen durch zahlreiche weitere Beranftaltungen: Erlaljung von Kür: ordnungen, Aufitellung von edlen männlichen Zuchttieren auf Staats- fojten oder doch Gewährung von Itaatlichen Zujchüflen zur Anjchaffung jolcher, Errichtung von Aufzuchtitationen für junge Tiere, Förderung von Zuchtgenofjenjchaften und vieles andere in thatkräftigjter Weile VBor- ichub geleiitet. Den jprechendften Ausdruck für die landwirtichaftliche Staatsfürjorge auf allen Gebieten landwirtjchaftlicher Erzeugung ein- ichlieglich der landwirtjchaftlichen Nebengewerbe bieten die landwirt= ichaftlichen Budgets, deren Anforderungen jelbjt im deutichen Staaten £leineren und mittleren Umfangs jährlich auf Summen jich belaufen, Die einen erheblichen Bruchteil der von der ländlichen Bevölferung aufge brachten Steuern daritellen. sn hohem Maße wäre zu bedauern, wenn unter der Eimvirfung einer Bewegung, die auf weitausjehende große gejeßgeberijche Aktionen abzielt, die Aufmerfjamfeit der ländlichen Bevölkerung von den vorjtehend bejprochenen nüglichen VBeranftaltungen und Einrichtungen abgelenkt werden jollte. Diejer Gefahr einer Ablenkung der ländlichen Bevölkerung von den Wegen einer langjam, aber ficher erfolgenden Aufwärtsbewegung durch die Wüttel des betriebstechniichen Fortichritts wird jedenfalls am jicheriten und erfolgs reichjten begegnet werden, wenn — umnbefümmert um die abjälligen Urteile - über die Erfolglofigfeit der jog. „Lleinen Wättel” — Die Negierungen der ihnen auf landwirtichaftspfleglichem Gebiet gewiejenen hochwichtigen Aufgabe der Aufklärung, Belehrung und Unterrichtung mit verdoppelter Sorgjamfeit nachfommen und wenn auf Ddiefe Weile Die Früchte jolchen pfleglichen Waltens überall in augenfälliger Werle in die Erjcheimung treten. Wäre in den Streifen der Landbevölferung die Er- innerung an Vergangenes lebendiger, als fie es vielfach tft, jo winde Jie leicht zu dem Ergebnis gelangen, daß faum im eimem der Hinter uns liegenden Zeitabjchnitte eine jo eingehende, weitverzweigte, auch an den £leiniten Erjcheinungen des ländlichen Berufslebens nicht achtlos vorüber- gehende fürjorgende Ihätigfeit auf landwirtichaftlichem Gebiet Blab ges 154 PViertes Kapitel. Landw. Betriebstechnik und jtaatliche Landwirtichaftspflege. grifren hat als gerade in der Gegenwart. Möge daher unjere Ländliche Bevölkerung gegemüber den Wortführern der agrariichen Bewegung ihren nüchternen Stimm jich bewahren; jich nicht dazu verleiten lallen, in der Sagd nach jchtimmernden Zufunftsbildern die nächjtliegenden Aufgaben zu vernachläiiigen; niemals vergeffen, daß der Verfaufspreis der landwirt- ichaftlichen Produkte zwar ein wichtiges, aber feineswegs das einzig aus- ichlaggebende Element für den gejchäftlichen Erfolg tft, und fich immer gegemvärtig halten, daß jich Die Ddeutjche und europätiche Landwirt schaft in einem Übergangsstadium befindet, zu dejjen Überwindung agrar= politiiche Maßnahmen großen Stils allein nicht ausreichen, wenn ich nicht zugleich die Technif des Landwirtichaftsbetrieb den veränderten ımd in unaufbaltfamem Fluß begriffenen Berhältniffen des Marktes nach Wiöglichfeit anpakt. Zu den Mitteln, diefen Anpafjungsprozeh gerade auch im Kreis der bäuerlichen Bevölferung — herbeizuführen, zählen ‚aber in ganz hevvorragendem Mabe Diejenigen, Deren Diejes Kapitel Erwäh- nung that; und nichts wäre verhängnisvoller, als wenn unter dem be= jtechenden Einfluß verheigungsvoll jcheinender, aber bei näherem Zufehen jchwer realilierbarer Brogrammpunfte die ländliche Bevölkerung jich ab- jeits der Wege jtellen wollte, die eine Gejundung der landwirtichaftlichen Berhältnilfe zunächit von innen heraus, d. h. im Bereich der eigenen Wirtichaft jelber mit den Mitteln der mit Staatshilfe gepaarten Selbit- hilfe anftreben. Sünftes Kapitel. Ausgaben und Saiten des landwirtichaftlichen Betriebs; Arbeitslöhne, Unfall und Derficherungs- laiten, jowte öffentliche Abgaben insbejondere. $ 54. Abhängigkeit der Ausgaben und Kaften des landwirtichaft- lihen Betriebs von der wirtichaftsaeihichtlihen Entwiklung im allgemeinen; finkende Tendenz einer Anzahl Ausgaben des land: wirtichaftlihen Betriebs in der Gegenwart. Es zählt zu den im allgemeinen unbeitritteniten Sägen, dag im Laufe der Zeit die Ausgaben und Laiten des landwirtichaftlichen Betriebs „unaufhaltiam” geitiegen find, und daß gerade Ddiejes in der Negel dem Einfluß des Wirts entzogene Wachjen des Ausgabenfontos der durch andere ungünitige Berhältniffe (Sinten eimer Anzahl Broduftenpreiie) ges ichaffenen jchwierigen Lage der landwirtichaftlichen Unternehmerthätigteit ihre eigentliche Schärfe erit gegeben habe. Insbejondere wird auf das Steigen der Gejinde- und jonitigen Arbeitslöhne, auf die zahlreichen, von Jahrzehnt zu Sahrzehnt jteigenden Verficherungsverpflichtungen und nicht minder auf den wachjenden Druck der öffentlichen Abgaben (Staats- Iteuern und Gemeindeumlagen) verwiejen. Dieje Daritellungsweiie tit zwar im allgemeinen richtig, leidet aber an einer für den Stenner der VBerhält- nilje offensichtlichen Cinjeitigfeit. Denn um den Einfluß der Ausgaben und Lajten des landwirtichaftlichen Betriebs auf die Ergebniffe der Unter: nehmerthätigfeit vollfommen und in einer von fehlerhaften Schlüffen freien Weife würdigen zu fünnen, darf man nicht nur einen Teil diefer Yırs= gaben und Yalten herausgreifen, jondern muß fie in ihrer Gejamtheit betrachten; wobei unzweifelhaft jich ergiebt, daß in wejentlichen Beziehungen manche und zwar wichtige Ausgaben und Lajten, mit denen früher der landwirtichaftliche Betrieb zu rechnen hatte, als Folge einerjeits der allgemeinen fulturellen Entwicklung, andererjeits befonderer agrarpolitiicher Mahnahmen und Einrichtungen nicht geitiegen jind, jondern Ttch vermindert haben. Richtig ift, um obige Säße nur an einzelnen Beiipielen zu erhärten, daß heute die Geldlöhne für die in der Landwirtichaft thätigen Arbeits- 156 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Lajten des landwirtjchaftlichen Betriebs zc. fräfte im Vergleich z.B. mit dem Anfang oder jelbit der Mitte des Jahr: hunderts um vielleicht nahezu das Doppelte bis Dreifache größer find, aber ebenjo richtig, daß Diejes Steigen in jehr vielen Wirtjchaften, zu einem Teil wenigitens, nur ein jcheinbares tjt, weil, wie in der \nduitrie, jo auch in der Yandwirtichaft, Durch die Einführung von Majchinen- arbeit zahlreiche Arbeitsfräfte entbehrlich wurden. Dies trifft namentlich für den landwirtichaftlichen Großbetrieb zu, der in der Gegen- wart in eimem Umfange arbeitiparende Majchinen — beim Pflügen, Ernten, Drejchen, Gräbenziehen 2c. — anwenden fann, wie es noch vor einem Menjchenalter, wegen der ungenügenden Entwiklung einer land- wirtichaftlichen Majchineninduftrie und der hohen Preife quter Majchinen, undenfbar gewejen wäre. zerner find überall da, wo Feldbereinigungen der Gemarfungen ohne oder in Verbindung mit Gemeinheitsteilungen vorgenommen, d. h. die Gemengelage der Grundjtüce bejeitigt oder doc) verringert, der Einzelbefig mehr arrondiert, die Zufahrt zu den Einzel- grundjtücen verkürzt oder erleichtert worden tjt, ebenfalls wejentliche Arbeitserijparniije, und zwar jowohl an menjchlichen Arbeitskräften wie an Geipanntieren, die Folge diejer Kulturunternehmungen gewejen. it doch die nugloje Verzettelung von Arbeits und tierischen Zugfräften das hervoritechendite Merkmal jener von jtarfer Parzellen: zeriplitterung und Wegelojigfeit begleiteten Slurverfaffung, die man als Gemengelage bezeichnet (liehe S 31), wie denn über die günjtigen Nüd- wirfungen zwecdmäßig durchgeführter Unternehmungen diejer Art gerade auch nach der Seite der Arbeitsfojteneriparnis hin eine Wienge beweis- fräftigiter Zahlenbelege vorliegen. Unter den Koiten des landwirtichaftlichen Betriebs jpielen, neben denjenigen für menschliche und tieriiche Arbeitskräfte für Beitellung und Ernte, die Koften für Anjichaffung von Futter: und fünjtlichen Düngemitteln eine erhebliche Rolle. Der Zufauf von fünjtlichen ‚Futtermitteln tft zwar heutzutage fait nirgends ganz zu entbehren, in den Milch und Maftwirtichaften aber jedenfalls ein Ausgabepoiten von er: heblicher Bedeutung. Nun find die meijten diejer fünftlichen Futtermittel im Bergleich mit der Zeit vor 20 oder 30 Jahren ganz nambaft billiger geworden, was mit der Entwicklung und Ausdehnung bejtimmter Sn= Duitrien zulammenhängt, die Nücitände liefern, die anders als zur Berfütterung nicht oder nur jchwer zu verwerten find (beilpielsweie jeien genannt Die Nübenjchnigel der Zucdermduftrie, ferner die Abfälle in Brauereien, Brennereien, Kartoffelitärferabrifen umd nicht in legter Linie die Nückitände der ausländische Olfämereien verarbeitenden Olinduftrie), wozu noc) die Möglichkeit des billigen Bezugs wertvoller anderweiter ‚suttermittel aus dem Auslande (Neismehl 2.) fommt. Es leuchtet ein, wie jehr infolge des Heruntergehens der PBreije Ddiejer fünit: lihen ‚suttermittel die Erzeugungsfoiten von Fleiih und Milch in günstiger Weile beeinflußt worden jind. Etwas Ahn- $ 34. GSinfende Tendenz mancher Betriebsausgaben 2c. 197 (iches trifft für die fünitlichen Düngemittel zu; auch Hier hat der wachjende Wettbewerb einer aufblühenden, diefe Düngemittel heritellenden Industrie eine jolche Berbilligung zur Folge gehabt, daß auch die fleiniten und betriebsfapitalichwächiten Wirte den Ankauf derjelben heutzutage nicht zu jcheuen brauchen. An die Stelle der teuren Guanodünger jind mehr und mehr die heimischen Phosphatdinger getreten; in dem Ihomasmehl hat Sich eine bejonders wohlfeile Phosphoriäures, im den Abraumfalzen der mitteldeutichen Steinjalzwerfe eine ebenjo wohlferle Naltwingergquelle erichlojien. Im den Superphosphaten tt der Preis der wajjerlöslichen PhHosphorjäure in den legten 20—25 Jahren um etwa 23°%,, tm den Ammoniakfjalzen der Preis des Stiditoffs um etwa 34°/, billiger ges worden. Wenn nun heutzutage eine Wirtjchaft mit demjelben Aufwande eine wejentlich größere Menge Kunftdünger verwenden fan, als noch vor wenigen Jahrzehnten möglich war, und wenn die Wirkung Ddiejer vermehrten Kumnftdüngerverwendung auf Acerfeld und Wiejen im der Steigerung der Noh- und Neinerträgniije zu Tage tritt, jo hat man es auch hier in leßter Linie mit einer dem allgemeinen Fortichritt in Wifjens ichaft und Technif zu verdanfenden produftionsfojtenmindernden Wirkung von nicht ganz geringer Bedeutung zu thun. Einen bejonders tiefgehenden und nachhaltigen Einfluß im Sinne der Herabminderung der Produftionstoiten hat die Ausbreitung des Genojjenichaftswejens geübt, insbejondere in der Form der land= wirtichaftlihen Einfaufsgenofjenjchaften (Konjumvereme). Die Spejen des Zwijchenhandels werden für den jeine Bedarfsartifel (Kraft futtermittel, Düngemittel, Sämereien, Mafjchinengeräte 20.) durd) Ber- mittelung der Genofjenichaft beziehenden Landwirt eripart umd zu dem Vorteile, zu Engrospreijen zu beziehen, gejellt ich der weitere des Bezugs unter Garantie guter Beichaffenheit. Diejer lebtere Punkt it von bes jonders großer Bedeutung, da bei den meisten der in Betracht fommenden Artikel und namentlich bei Sämereien Verunreinigungen und Fälichungen in Menge vorfommen, für den Stäufer aber jchwer erfennbar find, viel mehr erit nach erfolgter Ingebrauchnahme, d. d. dann, wenn Schadens- erfaganfprüche nicht mehr möglich find, zu Tage treten. Welche Summen mit der Vervielfältigung des Netes der Einfaufsgenofjenichaften Direkt und indireft den landiwirtichaftlichen Unternehmern Sahr für Sahr eripart werden, entzieht fich jeder Berechnung, aber daß die auf diefem Wege mögliche Entlastung des Ausgabefontos eine beträchtliche it und manche Ausgabejteigerung auf anderen Gebieten aufviegt, fan nicht wohl bezweifelt werden. Einen nicht unwesentlichen Teil der Erzeugungsfoiten im weiteren Sinne bilden jene Stojten, die durch die Zuführung der PBrodufte zur Marftitätte bezw. zum legten Konjumtionsort entitehen, da auch dieje Kojten dem Produzenten zur Yait bleiben. u je mangels hafterem Zufitande die Straßen Tich befinden, je ungünftiger die Geräll- 158 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Lajten des landwirtichaftlichen Betriebs zc. verhältnifie find, deito größere Arbeitsletitungen find zur Übenvindung der Entfernungen und Höhendifferenzen Durch die Gejpanntiere aufzu= wenden, dejto rascher werden je aufgebraucht, deito länger den jonjtigen Arbeiten und Nubzweden entzogen, dejto höher aljo jind die das Wirt: ichaftsfonto belaitenden Ausgaben. Beachtet man dies, jo läßt Tich leicht auch ohne zahlenmäßige Feltitellung ermeijen, wie jehr die in den legten 50 Jahren mit einem Aufwande von ungezählten Willionen Mark erfolgte Berbeijerung der Lande», PBrovinziale und Gemeindeitraßen produftionsfojtenmindernd, direft durch Erjparnis von Fubhrlöhnen, indireft durch größere Schonung der Gejpanntiere, gewirft hat. Sm noc) itärferem Verhältnis mußte Ddieje Minderung des Ausgabefontos der Einzehoirtichaften für die Abrührung der Produkte zur Marftitätte Plab greifen, als zu der planmähigen Berbejjerung des Wegenebes das neue Kommunifationsmittel der Eijenjchtienenwege hinzutrat und eine Verbilligung der Frachten brachte, die die Entfernungen im Naume auf emen fleinen Bruchteil der Yandjtraßenentfernungen herabminderte, damit aber den Abjagkreis der landwirtichaftlichen Wrodufttion aufer- ordentlich erweiterte, ja für gewilje weitere Entfernungen überhaupt erit möglich machte. Die zunehmende Berbejjerung der Schiffahrtswege (in Form von FFlußforreftionen und SKanalanlagen) hat in ähnlicher Wetje frachtenmindernd gewirkt. Wie fühlbar für die Rente eines Guts- betriebs die Beichaffenheit der zur Verfügung Itehenden Kommunifattons- mittel in die Wagjchale füllt, mag aus folgenden Jahlenangaben erjehen werden, die zeigen, bei welchen Entfernungen des Transports auf ges wöhnlichen und auf Kunjtitragen der Wert der Ware durch die Höhe der Iransportfojten aufgejogen wird. ie Ware verliert (nach) Settegait) ihren gefamten Wert bei einem Transport von Meilen: D) Auf öhnliche ET mm Sul aliiee Tau erriege ME. Grünfutter . . . 0,50 2,67 4 Zuderübn . . 1— 6,67 10 Kartoffeln, 2,25 2 25750 10,— 15 Te 13,34 20 SeHicH, =. 016 Son 27,34 40 Noggen, GSerite, | 750 Zuge 75 Hafer J £ 4 Weizen . . . .. 10,— 66,67 100 Stommt diejen Zahlen, weil auf mittleren Annahmen beruhend, mur Anipruch auf Bean. Nichtigkeit zu, jo lajjen jie doch die Wichtigfeit der Beichaftenheit der VBerbindungswege zwilchen Produftionsjtätte und Ilb= Jasort jehr Deutlich erkennen. Produfte wie Kartoffeln, die im Verhält- nis zum Volumen nur einen geringen Wert haben, Grzeugnijje wie $ 34. Sinfende Tendenz einer Anzahl Ausgaben des landiw. Betriebs x. 159 Milch, die ihrer Beichaffenheit nach einen zeitraubenden Transport überhaupt nicht ertragen, find auf größere Entfernungen hin überhaupt erjt mit Der Errihtung der Schienenwege transportfähig geworden; ähnliches gilt von Heu und DObit. Kine bejjere Ausnüßung der Marktfonjunttur hat jich an diefe Emanzipation des Guts von der nächitgelegenen Markt Ntätte unmittelbar angejchloflen. Alles Borteile erheblicher Art, die manchen Berjchlimmerungen gegenüber, die die Gegenwart im Vergleich mit früher gebracht hat, nicht unbeachtet bleiben dürfen. Sede Ermäßigung der Eijenbahnfrahhttarife jteigert die produftionsfoitenmindernde Wirfung der Schienenwege; joldhe Ermäßigungen find namentlich im Suterefje erleichterten Bezugs gewiljer landwirtichaftlicher Bedarfsartifel, wie Kunits Dünger, Kraftfuttermittel 2c., wertvoll und werden mit Necht ange- jtrebt. Frachtermäßigungen für Verfaufsprodufte wirfen abjaberweiternd und haben deshalb für Gegenden, die nach der Art ihrer Produftton md der Lage zum Markt auf eine Verfendung auf weitere Streden ange- wiejen jind, bejondere Bedeutung. Aber eben wegen diejer abjagerweitern= den Wirfung greifen jie leicht in bejtehende Abjagverhältniife empfindlich ein umd rufen dann landwirtichaftliche Interejjenfonflifte hervor, wie fie aus Anlaß der Einführung der jog. Staffeltarife in jtürmijcher Weile zu Tage getreten jind (vergl. auch ©. 34). Weiterhin ijt daran zu erinnern, daß in verjchuldeten Wirtichaften die Größe der Zinsverpflihtungen für die Höhe des Ausgabe fontos jehr wejentlich ins Gewicht fällt. Das jeit den jiebziger Jahren wahrnehmbare beitändige Heruntergehen des Zinsfußes für Hypothefartiche und Berjonalfreditdarlehen von ehemals 5 auf 4 und weniger Prozent hat das landwirtichaftliche Budget jehr erheblich entlajtet; am rajchejten und wirffamften da, wo zwecfentiprechende Kreditorganijattonen dem länd- lichen Grundbeiiß zur Verfügung jtanden. Auch die auf diefem Weg eriparten Summen jind feineswegs unbeträchtlich. Die Größe der zur Heritellung eines Produktes aufzınvendenden Koften ift nicht in leßter Linie auch durch die gejchäftliche Organi- jation des Betriebs jelber bedingt, alfo durch die planmäßige und innvolle VBerfnüpfung der zur Bewältigung der Broduftionsarbeit nötigen Einzelverrichtungen, jowie durch Inhalt und Richtung der geichäftlichen Dispofitionen in den Einzelitadien der Produktion; und weiter bedingt durch die ökonomisch richtige Ausnügung und Verwertung aller bei der Produktion zur Verwendung fommenden Roh und Hilfsitoffe, Geräte und Einrichtungen. Das Geheimnis, daß unjere Großindujtrte, un- geachtet der Tendenz jteigender Löhne und jinfender Preife, im allge- meinen ein blühendes Aufiteigen aufweist, it zu einem erheblichen Teil jedenfalls auch darauf zurüczuführen, daß hier die jorgfältigite Dis- pojition über die menichliden und majchinellen Arbeitskräfte mit der denfbar peinlichiten Ausnüßung der Rob- und Hilfs 160 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Laften des Iandwirtjchaftlichen Betriebs zc. itoffe Hand in Hand geht und daß auch die unjcheinbariten Abzallitoffe nußbringender Verwendung entgegengeführt werden. Daß in diefen Hinfichten Die techniiche Organilattion des Betriebes im Bereich der Landivirtichaft vielfach noch immer eine gewilie Nüd- jtändigfeit aufwetit, fann nach allem, was die landwirtichaftlichen Erhebungen der achtziger Jahre aufgedeckt haben und was Vertreter des landwirtjchaftlichen Berufs jelber jahraus jahrem ihren Fachgenofien predigen, faum bezweitelt werden. Das Elafliiche Werf von Settegait über die Yandwirtichaft und ihren Betrieb und andere Werfe ähnlichen Inhalts bringen hierfür, jowohl was die Dispofition über die Arbeit im Pro- duftionsbetrieb, als was die Art der’ Verwertung und Ausnügung der ‚sutteritoffe, ferner der natürlich produzierten ee und der Alb- tallitoffe anlangt, eine Anzahl der Iprechendjten Belege. Daß, um mur eines anzuführen, troß der Sticitoffarmut der meiiten Böden ein erheb- licher Teil des im natürlichen Dünger enthaltenen Stieitoffs in jo vielen Wirtichaften durch Fehlerhafte Behandlung des Düngers im Stall und auf der Dungjtätte immer no in die Atmojphäre entweicht und daß infolgedejjen der Wirtjchafter genötigt tit, das auf diefem Weg Verlorene mit erheblichem Aufwand durch Zufauf fünstlicher Stiefitoffdünger zu ers jegen; daß, ungeachtet des Borgangs von Schulz-Lupik und jeimer glänzenden PBroduftions-Erfolge, die Gründüngung mit dem Ziel: den unerichöprlichen Stiefitoffvorrat der Atmojphäre durch Anbau beitimmter Pflanzen mit billigitem Aufwand dem Aderland zuzuführen, verhältnts- mäßig noch wenig Verbreitung gefunden hat, ja in vielen Gegenden gänzlich unbefannt it, find nur einzelne, aber für Beleuchtung Des Gejagten immerhin beachtenswerte Beiipiele. Jedenfalls mag das in diefem Paragraphen Angeführte genügen, um darzuthun, einmal, daß in der Gegenwart nicht bloß produftionsfojtenmehrende, jondern doc) auch einzelne produftionsfojtenmindernde Tendenzen wirfjam jind, und zweitens, daß der landwirtichaftliche Unternehmer manche Mittel und Wege bejigt, um die ungünitigen Wirs tungen der erjtbezeichneten Art durch entiprechende geichäft- liche Organtjation des Betriebs zu mildern und abzujchwächen. Unter den regelmäßigen Ausgaben und Laiten des landivirtichaft- lichen Betriebs find es namentlich die Löhne für das Gejinde und die Tagelöhner, ferner die Ausgaben und Lajiten, die mit Ichädigenden Ereignilien im JZujammenhang itehen, endlich Die öffentlichen Abgaben, welche das Ausgabefonto jedes landwirtichaft- lichen Betriebs in erheblichiter Weile beeinfluffen. Es it daher einer näheren Unterfuchung bedürftig, ob und in welchen Beziehungen die Gegenwart im Vergleich mit der Vergangenheit eine Steigerung oder eine Minderung diefer Ausgaben und Yaiten gebracht hat und welche Folgerungen ans den feitgeitellten Ihatjachen jich ergeben. S 35. Die Arbeit im (andwwirtichaftlichen Betriebe. 161 55. Die Arbeit im landwirtfchaftlihen Betriebe; FZufammenhang der Agrarverfafjung mit dem Arbeitsangebot und der Kohnhöhe; Maßnahmen zur Befjerung der Arbeiterverhältniffe; Kandpolitif und Wohlfahrtseinrichtungen insbefondere, Das ganze Mittelalter hindurch bis im den Anfang dieles Sahr- hunderts war die ländliche Arbeitsverfaffung Durch das Weerfmal der Unfreiheit gefennzeichnet, d. h. es beruhte der landwirtichaftliche Groß- betrieb auf dem Arbettszwang der der Herrichaft der Bornehmen unter: worfenen Bewohner des flachen Landes (Hand- und Spannfrohnden der einem Grundherrlichfeitsvperband angehörigen Bauern und Gejindezwang der Söhne und Töchter der Bauernfamilien, Siehe S 3). Und weil mit der Vergrößerung des Herrenlandes eine Steigerung des Produftions- fojtenaufwandes infolge der tm wejentlichen fojtenlos zur Berfügung itehenden unfreien Arbeitsfräfte nicht verfmüpft it, To Iteht Die unfreie Arbeitsverfallung der älteren Zeit und das Streben nach iteter Wer- größerung des Herrenlandes mittelit Auffaufs oder Einziehens („Legens“) von Bauernland in einem gewillen urjächlichen Zufammenhang. Necht- (ich gewährleiitet war dieje unfreie Arbeitsverfaflung durch die gejeglichen Erjchwerungen der Abzugsfreihett (Schollenpflichtigfeit!), thatläcdh- (ich durch) den mangelhaften Zuitand der Kommunifations- mittel, ferner durch Die infolge der ftädtischen ZJunftverfallung bedingte Schwierigkeit der Überliedlung in die Städte und der Ergreifung anderer (Handwerfsmäßiger) Berufsarten. snfolge der ummälzenden Gejeßgebung diejes „Sahrhunderts, Die mit der Löjung des Bauernitandes aus den Feileln des Grundherrlich- feitsverbandes einjeßte und in der Verwirklichung der Freizügigfeit und der Niederlaljiungsfreiheit ausmündete, it in der Gegenwart jedem Staatsangehörigen die freie Verwertung feiner Arbeitskraft an dem nach freiem Belieben gewählten Ort verbürgt und das Verhältnis des Arbeitgebers zum Arbeiter in ein freies Vertragsperhältnis umges wandelt worden. Dies hat für den landwirtjchaftlichen Arbeitgeber zweierlei Wirfungen im Gefolge. Die Auslöhnung der im freien Wettbewerb jich anbietenden und einzuitellenden Arbeitsträfte bildet von nun an eimen wejentlichen Beitandteil der PBroduftionsfoiten des landwirtichaftlichen Betriebs; und weil die ländlichen Arbeiter beliebig in andere Gegenden abitrömen oder andere als landwirtichaft- liche Berufsarbeiten ergreifen fünnen, jo it jeither mit der Möglich- feit des Anziehens der ländlichen Arbeitslöhne als Folge des geringeren Arbeitsangebots, ja jelbjt mit der Möglichkeit zeitweiien Arbeitermangels auf dem flachen Yande zu rechnen. Und dab in den legten Decennien diefe Möglichkeit in Wirklichkeit fich umfeßte, daß Diejes Anziehen der Arbeiterlöhne und der ortsweife zu Tage tretende Arbeiter- mangel mit dem Sinfen der Preife einer Anzahl Produkte zeitlich zu= Budhenberger. 11 162 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Lajten des landwirtjchaftlichen Betriebs 2c. jammenfiel, hat der durch diefen Preisjturz verurjachten „Krifis“ im landwirtichaftlichen Gewerbe ihre bejondere Schärfe gegeben. Bon Ddiejen Nüchvirfungen einer freien Arbeiterverfaflung im Gebiet des landwirtichaftlichen Großbetriebs blieben auch die mittleren und fleineren bäuerlichen Betriebe nicht unberührt; Doch war die Wirkung hier eine minder tiefeinjchnetdende, weil im Ddiejen bäuerlichen Wirtichaften die Mitarbeit der eigenen ‚Samtltienangehörtgen eine jo wejentliche Wolle iptelt. De £leiner die Wirtjchaftsbetriebe, um jo mehr tritt die Arbeit als Broduftionsfojtenfaftor und die Abhängigkeit der Wirtichaft vom Arbeitsmarkt in ihrer Beeimfluffung des Wirtichaftsergebnijjes zurüd; und es erflärt ich daraus, daß jo viele fleinbänerliche Wirtichaften, uns geachtet techniicher Mängel des Betriebs, bejfer gedeihen als größere Be: triebe, ımd daß in dem Maße, als die Verhältniffe des Arbeitsmarktes jchwieriger werden, die Tendenz zur Berfleinerung der Wirt- ichaftseinheiten immer [chärfer hervortritt. Man darf insbejondere annehmen, daß die Geneigtheit zahlreicher Großgrundbefißer des dDeutichen Nordoitens, eines Teils ihres Grumdeigentums behufs Errichtung von Mentengütern (S 18) Sich zu entäußern, nicht bloß mit der ökonomisch mißlichen Yage diefer Beliger an Jich, jondern auch zu einem jehr wejent- lichen Teil mit den gerade in jenem Teil Deutichlands befonders jchivierigen Berhältnijen des ländlichen Arbeitsmarktes im Zujammenhange jteht. Und ebenjo ift die im den legten Jahrzehnten in den Waldgebieten des jüdlichen Deutjchlands (ähnlich in Dfterreich!) zu Tage ge tretene umfangreiche Abjtogung bäuerlicher Befigungen unzweifel- haft im ganz vornehmlicher Weile durch den Arbeitermangel veranlafßt, an dem dieje Waldhöfe mehr noch wie die Wirtjchaften anderer, milderer Gegenden leiden. Die Arbeiter- und Gejindenot auf d dem flachen Lande wird dadurch zu einer Ericheinung von allgemein wirt= ichaftlicher und joctaler Bedeutung; und es fragt Sich, was gejchehen fann, um in diefen Berhältnifjen allmählich wieder eine Beljerung herbei= zuführen. Die Urjachen der Erjcheinung aber, daß ungeachtet der jeit Decennien zu beobachtenden Steigerung der Yöhne auf dem flachen Lande jo ehr em Mangel an zuverläfjiigen, tüchtigen Arbeitsfräften lich geltend macht, Sind fait überall die gleichen: Es it die fürperlic) minder amjtvengende Beichäftigung in den Fabriken oder im jtädtiichen Helindedienjt, Die ungebundenere Lebensweile dajelbit und der Neiz, den das jtädtische Yeben und jeine der Unterhaltung dienenden Anjtalten aus: üben, was immer von neuem alhährlich Taufende von jungen Leuten beiderlei Geichlechts der Arbeit in der Landwirtichaft entfremdet. sm Zwammenhang damit jteht der leidige häufige Wechjel im Gejindes und Halbgejindedienst, zumal beim Mangel an zum Gefindedienjt tauglichen Berjonen der Wiedereintritt in ein anderes Dienitverhältnis regelmäßig unschwer ich bewerfitelligen läßt. Ganz allgemein ijt Die $ 35. Urjachen der Abwanderung vom Land in die Städte. 163 Stlage vonjeiten der ländlichen Arbeitgeber, dal das das Gelinde erfüllende Bewußtiein einer gewilien Unentbehrlichteit die Lohnansprüche ms Uır- gemeljene jteigere und eine el Unbotmäßigfeit und Widerjpenitig- feit zeitige, welche gleichwohl die Dienjtderrichaften metjt ruhig hinnehmen müßten, da ein jtrenges a ln mit Son mann des Dienites oder jelbjt mit fündigungslojem Verlajjen des Dienjtes beantwortet zu werden pflege. YVelches im übrigen immer die Beweggründe jein mögen, die all- jährlich Taujende von jungen Yeuten beiderlet Gejchlechts zum Abzug in die Städte oder Snduftriecentren veranlafjen, jedenfalls wird unter dDiejen Beweggründen die thatjächliche oder erhoffte Berwirkflihung beilerer Erwerbsbedingungen eme erhebliche Nolle jpielen. Die höchitmögliche Verwertung der eigenen Arbeitskraft tft eben jo jehr ein in der menjchlichen Natur begründetes Streben, daß es jeder Zeit mit unbejiegbarer Gewalt jich Geltung verschaffen wird. um bedarf die in der Gegenwart überall aufblühende und jedes Jahr an Ausdehnung ge winnende Großindujtrie nicht nur eines von Sahr zu Sahr Nic mebhren- den Arbeiterfontingents, Dieje Großmduftrie it auch in der Lage, hohe Arbeitslöhne zu bezahlen. Und mit Diefer aufblühenden ISmduftrie in einen Wettbeverb um Arbeitskräfte einzutreten, Tieht Tich das landiirt- ichaftliche Gewerbe zu einer Zeit genötigt, in der es wegen der Ungunit der gejchäftlichen Konjunktur eime Mehrbelaitung des Ausgabefontos eigentlich am allerwenigiten verträgt. Dies tjt der jpringende Bunt der Srage, aus dem zugleich aufs Flarjte jich ergiebt, Daß dem Staat und jeinen Machtmitteln gerade auf dDiejem Gebiet für eine intervenierende TIhätigfeit wenig Raum verbleibt. Auch Die Hoffnung, daß das Fortichreiten der Großindujftrie fünftig in ehvas lang- jamerem Iempo Jich vollziehen, der Begehr nach neuen industriellen Ar- beitsfräften jich allmählich mindern, alfo mit der Zeit ein gewiljer Gleich- gewichtszuftand zwijchen dem Arbeiterbedart des landwirtjchaftlichen Ge- werbes und der Großinduftrie jich wieder eimitellen wird, tjt feinesiwegs eine unbedingt feit begründete, jedenfalls aber mit diefem Ausblick in Die Zufunft der Gegenwart und ihren Leiden nicht geholfen. Und es fan Daher nicht wundernehmen, daß die Yandarbeiterfrage fortgejeßt jeit Sahren im Vordergrund der Erörterungen jteht und zahlreiche Bejjerungs- und SHeilvorichläge gezeitigt hat, Die freilich zu einem erheblichen Teil begründeten Zweifeln hinsichtlich ihver Durchführbarfeit begegnen. Abzuweijen jind vor allem jene Forderungen, die, um das Übel an der Wurzel N für eine Einjchränfung der Nieder- laljungsfreiheit und Sreizügigfeit der Landarbeiter, aljo für eine Wiederverfümmerung eines Teils der jocialen und twirtichaftlichen Ase heitsrechte der Arbeiter eintreten, die ihnen vor langer Zeit eine von echt liberalem Gedanteninhalt getragene Gejeßgebung eingeräumt hat. Es tit unmöglich und wirde allen joctalpolitiichen Anjchauungen der Gegenz 11* 164 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Lajten des landwirtichaftlichen Betriebs zc. wart zuwider jein, wenn man einen Teil der Bevölferung (die Arbeiter) in jenen Freiheitsrechten deshalb verfürzen wollte, damit ein anderer Teil der Bevölferung (die Arbeitgeber) in den Stand gejegt würde, unter günstigeren Bedingungen zu wirtichaften. Cine Gejeßgebung, die gerade den ärmiten Teil der Bevölkerung des Nechtes berauben wollte, jeine Ar- beitsfraft nach freieftem Ermeljen zu verwerten, d. h. über Die Art der Beichäftigung und den Ort der Bejchäftigung jelbjtändig zu beitimmen, wirde fich als einjeitigite Klafiengejeggebung daritellen, aljo Die eriten Gebote einer vernünftigen Socialpolitif verleugnen, die doch auf Abihwächung und Milderung der Klafjengegenjäge abzielt. „ene For= derung überfieht auch, daß es eine Anzahl Formen des landwirtichafts lichen Großbetriebs giebt, bei denen auf die periodische Heranziehung einer größeren Anzahl Arbeitsfräfte (jog. Wanderarbeiter) nicht verzichtet werden fann (jo namentlich die Zucferrübemwirtichaften), und daß zahl- (oje Landgemeinden vorfindlich find, in denen es für einen Teil der nach= wachjenden Generation an Gelegenheit zu lohnender Verwertung der Arbeitskraft gebricht, für die alio die regelmäßige Abwanderung dDiefer Bevölferungsteile eine Lebensfrage bildet. Dies trifft namentlich für einen großen Teil der Landgemeinden des jüdlichen, weit lichen und jelbit mittleren Deutjchlands zu, namentlich für alle, in denen die Aufteilung des Bodens bereits jo weit fortgejchritten it, daß mit der Anjähligmachjung neuer Jamilten die Grenze des natürlichen Nahrungs= ipielraums überjchritten würde (S. 93). Mindeitens zweifelhaft ihrem Erfolg nach it zu beurteilen Die Forderung, welche die Herbeiführung itrafrechtlicher Ahndung des böswilligen Kontraftbruches vonjeiten der eingeitellten Arbeiter be= zwedt. Zur Begründung diejer Forderung wird geltend gemacht, daß im Fall vertragswidriger Yöjung des Arbeitsvertragsverhältnijjes dem Arbeitgeber mit der Beichreitung des Wegs der civilrechtlichen Klage bei der Vermögenslofigfeit des Gelindes regelmäßig wenig gedient jet, und daß es als eine „öffentliche Kalamität“, die gegen das Nechtsbes wußtiein verjtößt und deshalb eine Abwehr herausfordert, empfunden werde, wenn unter Schädigung wichtiger Produftionsintereffen böswillige Kontraftbrüche fich häufen. Gegen ein jolches Vorgehen jprechen indejjen, abgejehen davon, ob es grumdiäglich zuläflig it, daß aus einer Ber: jäumnmis in einem rein ciilrechtlichen Verhältnis jtrafrechtliche Folgen gezogen werden, mancherlei wichtige Erwägungen. Die jtrafrechtliche De- Drohung des Kontraftbruches könnte bei den Landarbeitern nicht Ttehen bleiben, jondern wäre gegenüber allen Arbeitern, auch den induftriellen, in Geltung zu jeßen, weil eine Ausnahmebehandlung der Yandarbeiter deren Abjtrömen in die Städte geradezu fördern müßte. Dieje Stonje= auenz werden aber die gejeßgebenden Faktoren jchon deshalb nicht ziehen . wollen, weil in die ohnehin mehr als wünschenswert geipannten Bes ziehungen ziwiichen industriellen Arbeitgebern und Arbeitern ein neuer Ss 35. Maßnahmen zur Bejjerung der Arbeiterverhältnifie. 165 Zündftoff füme. Auch wenn man hierüber jtch hHinwegiegen wollte, bliebe der Erfolg einer jtrafrechtlichen Bedrohung des Kontraftbruchs unter allen Umjtänden ein jehr problematticher; demm die wenigiten Arbeitgeber würden die Widermwärtigfetten eines strafgerichtlichen Berfahrens auf fich nehmen wollen. Bei Mafjensstontraftbrüchen würde der jtrafgerichtliche Apparat ohnehin verjagen. icht überflüffig it es, im diefem Zufammenhang daran zu er: inmern, daß viele Kontraftbrüche doch nur deshalb möglich find, weil es den fontraftbrüchigen Arbeitern jo leicht gemacht tft, jederzeit die ver= lafjene Stelle mit einer anderen zu vertaufchen; der unjchönen Fälle nicht zu gedenfen, wo Arbeitgeber durch Anbietung höherer Löhne ihren Standes- genpjjen Arbeitsfräfte geradezu abjpenjtig machen. Der einmütig und gervijjenhaft bethätigte Wille der ländlichen Arbeitgeber eines größeren Bezirks, jede Sudienititellung fontraftbrüchiger Arbeiter abzu= lehnen, dürfte daher in viel wirfjamerer Weile als die durch Gejeß verfügte Androhung einer Geld- oder Freiheitsitrafe dem Kontraftbruch die Lebensfajern unterbinden. Und die Bildung von Arbeitgeber: vereinigungen zu dem bejagten Zved, als em berechtigter Akt der Selbjthilfe gegenüber beflagenswerten Ausjchreitungen im Gebiet des länd- lichen Arbeiterwejens, jollte daher überall thatkräftig in die Hand ge nommen werden. (Solche Bereinigungen beitehen bereits in einzelnen Teilen Müitteldeutichlands, jo im Königreich Sachjen, in der preußiichen Provinz Sachien, Sachjen-Weimar, und haben jich gut bewährt.) Bon grundlegendem Einfluß auf die Berhältnijje des Arbeiterangebots und der Lohnhöhe erweiit jich die Art der Agrarverfaijung, d. h. die wirtichaftlichen und rechtlichen Beziehungen, in denen die Yandarbeiterbevölferung zu dem Grund umd Boden jich be= findet. Dieje Beziehungen fünnen derart jein, daß fie gegenüber der Zugkraft jtädtiich-induftriellev Bejchäftigungs- und Lebensweije das Uber: gewicht behaupten, aljo auf die Abwanderung hemmend, auf die Größe des Arbeitsangebots günitig eimvirfen; fie fünnen aber auch derart jet, daß fie die Abwanderung vom flachen Yande geradezu begünftigen. Nım hat jich nach allen in den legten Jahrzehnten angejtellten eingehenden Beobachtungen die ländliche Arbeiterfrage zu einer eigentlich recht fritijchen nur da geitaltet, wo der Landarbeiter von dem Befib an Grund und Boden völlig losgelöjt ijt, wie im emem großen Teil der ojtelbijchen Gebiete; minder fritiich, ja im ganz erträglicher Weile, wo auch der Kleinste und Armjte grumdangeieifen it. Dies ift auch leicht evflärlich; denn nichts macht den Menschen jehafter, „Feilelt ibn mehr an Die Scholle”, als eben der Beliß einer Scholle Landes und die Aussicht, durch Fleiß und Sparjamfeit diefen Schollenbefiß zu mehren; ijt man Doch geneigt, in den Gegenden der Sreiteilbarteit geradezu von einer „Schollenfleberei” der fleinen Leute im Sinn einer Übertreibung jeßhafter Gejinnung zu jprechen. Es it aljo fein Zufall, daß in den Dichteitz 166 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Laften des fandwirtichaftlichen Betriebs 2c. bevölferten Gegenden Süddeutjchlands die Ab- und Auswanderung von jeher in geringerer Ausdehnung Tich vollzogen hat, wie in dem an Sich jchwachbevölferten Meclenburg, jowie in den menjchenarmen preußiichen Provinzen ditlich der Elbe Während in den Jahren 1885— 1890 die leßtere Staatengruppe durch Wanderung emen Berluft von rund 600000 Menjchen erlitten hat, beträgt diefer durch Wanderung entitandene Berluft in Bayern, Württemberg, Baden, Helfen, Eljaß- Lothringen in derjelben Zeit nur 154000 Köpfe. Hier im Süden von Deutichland it aber recht eigentlich Die Heimat des grundanges jelienen ländlichen Arbeiters, ebenjo wie der dDeutiche Nordoiten typisch tit als das Land des eigentumslojen Gutstagelühners. Im ganzen jüdlichen Deutjchland bildet aber weiter der ländliche Tage- (öhner feine im ich abgeichlojjene, durch eine tiefe jociale Kluft won dem Arbeitgeber getrennte Stlafje. Der Tagelöhner it jelber Bauer und zählt mit zur bäuerlichen Bevölkerung, von denjenigen Groß= und Wittelbauern, die ihn beichäftigen, wejentlic nur durch die Größe des Beliges Tich unterjcheidend; vielfach Find es Angehörige der bäuerlichen jelbjtändigen Wirte jelber, die gelegentlich auch dem Tagelöhnerdienit nachgehen; tn jeinen politischen Nechten, in den Nechten und Anjprüchen, die fich aus dem Gemeindeverband ergeben, jteht der Tagelöhner dem Bollbauer in nichts nach. So fnüpfen diefen grumdangejejjenen, freien Arbeiter im Süden von Deutjchland, der fich auch gegenüber dem Großgrundbeiiger nur verdingt, wenn und joweit es ihm beliebt, nicht bloß die Scholle, die ihm eigen it und die er Jahr um Jahr zu mehren ich bemüht, jondern Hundertfältige Suterejjen an die Gemeinde, der er durc) Geburt angehört und im der er wirtichaftlich und gejellichaftlich wurzelt. Ahnlic) überall da, wo eine Dorfverfafjung und ein mannigfach gegliederter bäuerlicher Bejiß die Grundeigentumsverfafjung fennzeichnet, wie dies auch für das Gebiet zwiichen Wejer und Elbe zutrifft. Und Ddieje auf dem Untergrund einer breiten bäuerlichen Bevölferung und des Dorfiyitems ruhende Arbeitsverfaijung hat bis jebt auch den Anfprüchen des größeren Grundbefiges nach Arbeitskräften leid- lic) Genüge gethan, weil zu dem Arbeitsfontingent der eigentlichen Tage- (öhner in diefen Banerngemeinden zahlreiche weitere Arbeitsluftige aus den SKreifen der Familienangehörigen fleiner und mittlerer Wirte treten, die feinen Anstand daran nehmen, in fremdem Dienit zu arbeiten, joweit die eigene Wirtichaft es zuläßt. Eine verwandte und deshalb ebenfalls bis in die Gegenwart leidlic) befriedigende Arbeitsverfaflung it in dem Gebiet zwijchen der holländischen Grenze und der Wefer, dem eigentlichen Weitfalen, heimifch, die Heuer= (ingsverfajiung. Der Henerling it der Tagelöhner des weitfäliichen Hofbauern; er it gegen pachtweiie (nicht eigentumsweife) Überlaffung eines Stücks Yandes verpflichtet, dem Arbeitgeber feine Arbeitsfraft für eine Anzahl Tage des Jahres zu einem billigeren Lohne, als jonjt der Tage- S 35. Zujammenhang der Agrarverfafjung mit dem MArbeitsangebot auf d. Lande. 167 (ohn beträgt, zur Verfügung zu jtellen; die Spannarbeit wird dem Heuer- ling von dem Arbeitgeber bejorgt; die Löhnung des Arbeiters it alfo eine aus Geld und naturahvirtichaftlichen Elementen gemifchte. Sierbei finden beide Tetle ihre Nechnung, und der Umstand, dag das Henerland nicht gefündigt, Jondern „gewiljermaßen als Eigentum des darauf Sibenden angejehen“ zu werden pflegt, hat eine große Stetigfeit in die beiderjeitigen Arbeitsbeziehungen gebracht, Die derjenigen in den gejchlojfenen Bauern- Dörfern Siüdpdeutichlands und des Landes zwiichen Weler und Elbe nicht viel nachiteht. Ganz anders im Deutjchen Kordoiten, dem das grumndbeliglofe Gutstagelöhnerweien (das jogenannte Suitenweien) eigentümlich tt. Zwar findet auch den snften gegenüber eine Kombination von Geld- und naturalwirtichaftlicher Löhnung jtatt (Zuveifung des Erträgnifjes eier Anzahl Morgen Feldes, Anteil am Druschergebnis), aber der natural wirtjchaftliche Teil der Yöhnung tritt jett Jahren mehr und mehr zurücd; insbejondere wird e8 mehr und mehr Megel, daß der Suitmann eine eigene Landwirtichaft (abgejehen von der Beitellung des angewiejenen fleinen Gartenlandes) nicht mehr Führt; jelbit die Kuh, die er hält, Iteht vielfach im berrichaftlichen Stall, oder man liefert ihm gar jchon die Wilch ins Haus. sn Diefer Art von Dienjtverhältnis und bei der that- jächlichen oder rechtlichen Gejchlofjenheit des Großgrundbeliges, inmitten dejfen Yanderwerbungen £leiner Leute feinen Naum haben, tft den Dienen- den augenscheinlich das wirtjchaftliche VBorwärtsfommen jehr erichiwert, und jenes Gefühl der Zufriedenheit, das den Ffleinjten Zwergwirt im Süden infolge des Bewußtjeins erfüllt, Herr auf eigener Scholle zu jein, fan bei dem Snitmann niemals auffommen, auch wenn für jeine mate- riellen Lebensbedürfniffe der Dienjtvertrag reichlich Sorge trägt. Was Wunder, wenn mit der Lockerung, die das ehemalige patriarchaliiche Ver: hältnıs zwiichen Grundheren und Suitmann im Yaufe der geit ohnehin erfahren hat, die Beziehungen des legteren zum Herrengut immer lojere wurden, wenn die „Flucht vom Lande” in die Städte oder der Ein- tritt in die Reihen der Wanderarbeiter immer jtärfere Ausdehnung ges wonnen haben. Nicht wenig wurde diefer Prozeß auch Dadurc gefördert, daß in dem Maß, als die Großbetriebe des Ditens mehr und mehr zu kapitalistischen Wirtichaften fich ausbildeten und infolge hiervon der natural= wirtichaftliche Teil der Löhnung der Inftleute (Anteil am Druschertrag, Ertragsanteile an bejtimmten Morgen Feldes) mehr und mehr fich ein- engte, auc) die ehemalige Gemeinjamfeit der vwoirtichaftlichen nterellen zwijchen Gutsherın und Injtmann ihre Bedeutung einbüßte Das wirf- lamjte Heilmittel jolchen Ericheinungen gegenüber erblickt man mit Necht in jolchen Maßnahmen, die geeignet jcheinen, dieje jeither landlojen und deshalb landflüchtigen Elemente mit größerer ı Anhänglichfeit an den Boden der Heimat zu erfüllen, d. h. in der Verichaffung der Möglichkeit der Anjähigmachung diefer Elemente in Bauernfolonieen, 168 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Lajten des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. die die Gegenden des Großgrundbefiges in ähnlicher Weile, wie in anderen Teilen Deutichlands der Fall, zu Durchjegen hätten; alfo in neuen SGemeinwejen, in denen auch dem Tagelöhner die Ausjicht auf Erwerb einer kleinen Landitelle offen jteht, in denen er als Glied eines Gemeinde: verbandes vwoirtichaftlich und politiich Tich bethätigen und in jolcher Be- thätigung mit dem neuen „Mutterboden” feit verwachlen fann. Ob die bloße Emporhebung des Initmann zum Landeigentümer, ohne ihn gleich- zeitig der Vorteile des Lebens und Wirtjchaftens in einer Dorfgemeinde teilhaftig zu machen, binreichen würde, wirfjam Abhilfe zu ichaffen, er- icheint nach früheren Beobachtungen zweifelhaft. Die „innere Koloni- jation“, wie fie in Breußen durch das mehrfach beiprochene Unfiebelungs- gejeß und Die en eingeleitet worden it, und die vor allem berufen ericheint, die Yandarbeiterfrage der öltlichen Gegenden Deutjchlands in bejjere Wege zu leiten, hebt aus obigen Gründen mit Necht auf dorf- mäßige Anjebung der Kolonijten und darauf ab, daß im den neuen stolonieen Yanditellen verichtedener Größe vertreten find. Denn nur mit dem Nückhalt, den zahlreiche jelbitändige Bauernfamilien ihm geben, fann auch der Tagelöhner moraliich und wirtichaftlich gedeihen. Beachte man wohl, daß eine Yandpolitif ihr Ziel: Beichaffung und Feithaltung von Arbeitermaterial für die großen Betriebe, mit Sicherheit nur dann erreicht, wenn die Art der Yandpolitif auch der jittlihen und intelleftuellen Hebung der Landarbeiter die Wege ebnet. Man fan aber bei den Tagelöhnern auf dem Lande die Tugenden der Wirtichaftlichkeit und Sparjamfeit gewiß auf feinem jichereren Weg entiwiceln und fejtigen, als imdem man fie der SNoliertheit ihres Standes entzieht, in das Gefüge eines bauernichaftlich organisierten SGemeinwejens eimgliedert und eben Dadurch auch ihnen die Möglichkeit des allmählichen Emporflimmens auf der jocialen Stufenleiter innerhalb der Bauerngemeinde eröffnet; während der ausjchlieglich inmitten jeiner joctal gleich nieder Itehenden Standesgenojjen lebende Gutstagelöhner und zumal der zur dauernden Yandlojigfeit verurteilte Gutstagelühner fait jiher der Gefahr verjällt, wirtichaftlih und moralisch zu verfommen. sn Ddiejen Kreifen eines Fluftuierenden landlojen Yandarbeiteritandes finden auch erfahrungsgemäß Die joctaldemokratiichen VBerführungsfünite einen denkbar fruchtbaren Boden, müljen die Schlagworte von Aufhebung des SHrumdeigentums ganz bejonders zündend wirfen. Die bevorrechteten grumdbejigenden Klafjen in denjenigen Gegenden, wo Tradition und Vor- urtetl jeither der Anjähligmachung fleiner Leute ängjtlich widerjtrebte, jollten fich der Eimficht nicht verschließen, dab ihr Anus Beliß um jo jicherer für Die Zukunft gewährleiitet ijt, eine je größere Mannigfaltigfeit die joctale Stufenleiter des Grundbefiges auf dem flachen Lande aufweiit; und daß, je vollfommener die beitehende gejellichaftliche Ord= , nung jedem, auch dem Armiten und Kleinjten einen Anteil an der Mutter Erde gewährleijtet, mit jedem diejer Anteilseigner S 35. Landpolitif und Wohlfahrtseinrichtungen ingbejondere. 169 eine weitere treue Stüße eben diejer Gejellichaftsordnung ge= wonnen wird. Wohlfahrtseinrichtungen.) Kann, wie die Verhältmmifje liegen, der ländliche Arbeitgeber den industriellen in der Bewilligung von Arbeits- (öhnen jchwerlich überbieten, und it eS gar feine Frage, dal; die land- wirtichaftliche Berufsarbeit an die Arbeitsfraft des Gefindes umd der Tagelöhner periodenwerje erheblich größere Anforderungen jtellt als die Fabrifarbeit, jo beiteht gewiß ein bejonders zwingender Anlaß jeitens der ländlichen Arbeitgeber, zwilchen ihnen und dem Gefinde jowie den Tage- (öhnern Beziehungen berzuitellen, die hinreichend wertvoll erjcheinen, um die Vorzüge der Beichäftigung in Ttädtiichen Fabrifen und den Neiz jtädtiichen Lebens einigermaßen aufzumwiegen. Aus Ddiefem Grunde jtehen unter den Mitteln zur Yöjung der ländlichen Arbeiterfrage diejenigen, Die ih die Befräftigung warmer, werfthätiger Anteilnahme an der Lebensführung der Arbeiter durch Schaffung geeigneter Wohlfahrtseinrichtungen zur Aufgabe jegen, mit in vorderiter Linie Dab der ländliche Arbeiter jeinen Lohn jparamı verwende und das Erjparte qut umd jicher anlege; daß er im Fälle der Kot ein augen- bliekliches Kreditbedürfnis bei joliden Kreditanftalten zu befriedigen ver- möge und nicht Wurcherern in die Hände falle; daf er ohne Weitläuftg- feiten und erhebliche Koften in Die a fomme, jeine Habe, zumal jeinen fleinen Biehjtand, gegen Unfälle in Verficherung zu geben; daß ihm Die Ynfehoffung jeiner hauswirtjchaftlichen Bedürmmilje leicht gemacht und jeiner Bewucherung und Übervorteilung Durch Krämer 2. vorgebeugt werde; Daß den Frauen der Arbeiter eine Erleichterung in der Wartung und Prlege der Kinder während der Tagesarbeit zu teil werde und neben diefer Sorge für das wirtichaftliche Vorwärtsfommen der Arbeiter auc) die Brlege ihrer geijtigen snterejjen nicht fümmere, find Jorderungen, deren Erfüllung mit der wachienden Verfchärfung der joctalen Gegenjäße fein Arbeitgeber jich entziehen follte, und zu deren Berwirflichung gerade auch die Ländlichen Arbeitgeber beizutragen um jo mehr Anlaß haben, je mehr eine joctale VBorjorge diejer Art in den indujtriellen Beichäftigungsarten Blaß greift und den tn- dDujtriellen Arbeiter mit jeinem Loje milder zu jtimmen ge- eignet ilt. Das Hinwirfen auf die Errichtung von Spar= in Berbindung mit Berjonalfreditanitalten auf dem flachen Lande, das Himmirfen auf die Gründung von Lebensbedürfnis-Vereinen, auf die Schaffung von Viehleid- und Viehveriicherungsfajfen, auf das Entitehen von Kindergärten und ähnlichen Veranftaltungen, auf die Verbreitung eines belehrenden und jittlich anregenden Lejeitoffs und ähnlicher Wohlfahrts- einrichtungen erheiicht in der Negel feine erheblichen Geldopfer vonfeiten des Arbeitsherrn, Sondern lediglich eim thatfräftiges Eintreten jeiner Berjönlichfeit und die Imdienititellung eines fleinen Bruchteils feiner Arbeitskraft für die gute Funftionierung des Gejchaffenen; aber ein jolches 170 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Laften des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. Eintreten erfüllt die arbeitende Bevölferung mit dem tröftlichen Bewußt- jein, daß die Beziehungen zu dem Arbeitgeber, über das rein privatrecht- liche Verhältnis der Arbeitsleittung und Lohnzahlung Hinausreichend, ihren eigenen Lebens- und Wirtichaftsverhältniffen einen gewiljen Ficheren Nück- halt verleihen. Die IThatjache des Beltehens eines bejonderen Bereins, der, in der Abjicht, die Dajeinsbedingungen der Ffleinen Lente auf dem flachen Lande freundlicher zu geitalten, die Schaffung von Wohltahrts- einrichtungen der angedenteten Art zur Aufgabe fich gelegt hat, bewetit, wie jehr neuerdings im+weiten Streilen die Wichtigkeit jolcher Emrichtungen erfannt wird. Das Ergebnis der in Bezug auf das ländliche Arbeiterverhältnis vor- itehend niedergelegten Betrachtungen it injofern fein jehr befriedigendes, als staatliche Mittel, Die geeignet ericheinen, der „Arbeiternot” auf dem flachen Lande vajch und wirfjam abzuhelfen, augenjcheinlich nicht auffindbar find. Eine gejegliche Eimvirfung auf die Yohnhöhe it aus= geichlofien; das Necht der Freizügigkeit und der freien Berufswahl kann den Bewohnern des flachen Landes jo wenig wie anderen Staatsanges hörigen verjchränft werden; wie denn jede Drdnung, die die länd- lichen Arbeiter im Verhältnis zu den im Gewerbe Beichäftigten in Nachteil verjeßte, jich Schon deshalb verbietet, weil damit dem Abjtrömen vom flachen Kande lediglich VBorjchub geletitet würde. Die Geleßgebung fann nur mittelbar auf den vorbezeichneten Wegen einer verjtändigen Landpolitif intervenieren, und auch) diefe Wab- nahmen fünnen in ihrem Erfolg nur jehr langjam wirfen. Weit einer VBerihärfung der gefindepolizeilichen Vorjchriften oder gar mit jtrafrecht- lichen Androhungen (Bejtrafung des SKontraftbruchs) wäre mutmaßlich am allerwenigiten geholfen, würde cher die gegenteilige als die erwartete Wirkung herbeigeführt werden. Der ortsweije Arbeitermangel in Vers bindung mit hohen Löhnen wird deshalb unzweifelhaft auch in der nächiten Zukunft zu Tage treten. Daß eine gewilfe Beijerung der Zus itände im Wege der Selbithilfe (umfangreichere Verwendung von Majchinen- arbeit, Durchführung von Jufammenlegungs- und Feldbereimigungsunters nehmungen) möglich und deshalb mit vollen Kräften anzuftreben tt, ywirde bereits hervorgehoben (S. 156); inwieweit eine folche Bellerung auch von Einführung beitimmter Kohnjyfteme erwartet werden darf (itärfere Betonung des Aecordiyitens, Einführung von Tantiemen md Prämien, Anteilnahme der Arbeiter am Gutsrod=: oder Neinertrag), Ttnd äußerst beitrittene Fragen, die größtenteils noch im Stadium des tajtenden Verfuchs Fich befinden und deren Erörterung daher hier nicht Pla greifen joll. Eines jedenfalls ift gewiß, daß ohne die feitere Verknüpfung des Landarbeiters mit dem Boden feiner Heimat der beflagenswerten Flucht vom Lande nicht begegnet werden fann. Es muß aljo die thatjächliche, und rechtliche Möglichkeit des Landerwerbs auch gegenüber den fleinen und fleiniten Leuten auf dem Lande gegeben fein, und die früheren Bes $ 36. Unfälle und Schäden im landwirtichaftlichen Betriebe. 174 trachtungen über die wohltgätigen Wirfungen der Freiheit des Güter: verfehrs haben daher auch unter dem Gefichtspunft der Yandarbeiterfrage Bedeutung. $ 56. Unfälle und Schäden im landwirtfchaftlihen Betriebe; Bedeutung der Tandwirtichaftlihen Derficherung; Derhältnis von Derficherung zur Kandwirtichaftspolizei. Sn viel höherem Maße als andere gewerbliche Unternehmungen iit der landwirtichaftliche Betrieb |hädigenden Einflüffen der äußeren Natur und im deren Gefolge einer jtarfen Belajtung des Aıus= gabefontos mit Unfallverluften ausgejeßt. Dies hängt teils damit zufammen, daß der Produftionsprozeß in der Landwirtichaft zu eimem itberwiegenden Teil außerhalb geichloffener Räume jich abjpielt und des= halb jchügende Vorkehrungen gegen \olche Einflüffe, wie im Handwerf, der Großinduitrie oder dem Handelsgewerbe nicht getroffen werden fünnen, teils damit, daß die landwirtichaftliche Broduftionsthätigfeit Die Erzeugung von Se (Bilanzen und Tieren) zum Gegenjtand hat, welche während der ganzen Dauer ihrer Entwiclungszeit bis zum endlichen Übergang in den VBerfehr unausgejegt, wie jeder lebende un, von den mannig- fachiten Fährlichkeiten bedroht erjcheinen. Die oft gehörte Meinung, daß die Landwirtichaft als ein relativ jicheres Gewerbe, im Vergleich etwa mit Smduitrie und Handel, jich Ddaritelle, tit daher wenig zutreffend; denn fie befindet fich (egteren gegenüber in der umvorteilhaften Yage, daß eine Gewißheit für das Gelingen des Pro- duftionsprozefjes jelber — auch bei Anwendung der gebotenen gejchäft- lichen Voriicht — nie beiteht, weil unvorbherzujehende und unabwendbare ihädigende Eimwirfungen der äußeren Natur (Unbeitändigfeit der Witterung, elementare Schäden, Auftreten von Seuchen und Pflanzenfranfheiten 20) in jedem Stadium des Produftionsprozeßes hemmend und verluftbringend eimwirfen fünnen. Und es tt Daher dem landwirtichaftlichen Betrieb der Charakter einer gewilien Unberechen- barfeit des Erfolges der PBroduftion in viel höherem Mabe als anderen Erwerbszweigen aufgeprägt. Wenn e3 die Aufgabe der Berficherung it, die wirtichaftlichen Folgen von mit Wertminderungen oder Wertvernichtungen verknüpften Unfällen für den davon let unfühlbar zu machen, jo hat aus vorjtehenden Gründen Die Berficherung gerade im (andwirtichaft- lihen Gewerbe offenbar eine erhöhte Bedeutung und erfordert wegen der jpecifiichen Art von Schäden, die diejes Gewerbe und nur es berühren, befondere Berjicherungsorganijationen, für welche in anderen Gewerben eine Nötigung nicht vorliegt. Solche zur VBerficherung nötigenden Schäden werden jelbit in niederen und mittleren Kulturituren nicht leicht empfunden, und es reichen deshalb die gegen diejelben gerichteten Berficherungsporfehrungen teilweile in eine frühe Zeit zurück (Kuhgilden 172 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Lajten des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. des Mittelalters); aber noch um vieles Ichwerer lajten fie auf den Höhe: punkten der Stultur, wo infolge gejtiegener Bodenpreife, vermehrten Be- triebsaufwands, weitverziweigter Kreditverpflichtungen und eines bis in Die fleiniten Betriebe hinein Tich eritrecfenden namhaften Geldbedarfs im Gegenjab zur Naturabvirtichaft früherer Zeiten — jeder irgend erhebliche Ausfall in den erwarteten Erträgnilien das Wirtjchaftsbudget alsbald in bedenfliches Schwanfen bringt und den Inhaber der Wirtjchaft zur jo- fortigen Imanipruchnahme von Stredit, d. hd. zur Häufung neuer Geld- verbindlichfeiten mötigt. Geht man auf Art und Beichaffenheit der den landwirtichaftlichen Betrieb bedrohenden Unfälle im einzelnen näher ein, jo ergtebt jich, daß unter diefen Unfällen manche der Verficherung nicht oder nur ihwer fähig find. Hierzu gehören insbejondere jene, die jeder Perto- Dieität des Auftretens Ipotten und daher eine auch nur annähernd richtige Beranjchlagung der durchichnittlichen Bertragshöhe der Verficherten u= möglich machen (wie Orkane, Sturmfluten, Hochwaijer 2c.); ferner jolche, die erfahrungsgemäß jederzeit an bejtimmte Ortlichfeiten gebunden find, innerhalb diefer aber ganz allgemein auftreten, jo daß die Gejchädigten und Verficherten im wejentlichen ein und diejelben Berjonen jein würden und eine Entichädigungsmöglichfeit ichon deshalb entfiele (wie wiederum betreffs obiger Ereignifjfe meist der Fall it); endlich jolche, die im Fall ihres Auftretens weithin mit gleihmäßiger Stärfe fich geltend machen, jo daß aus diefem Grunde die Berficherungsgemeinschaft ihre Dienjte jofort verfagen müßte (wie bei allgemeinen Migernten infolge von Dürre, Näfle, Auftreten von Pilanzenkrantheiten 2c.). Sn jolchden Fällen erübrigt nur das Eintreten der Staatshilfe zu Öunjten der von joldhen Stataftrophen Betroffenen, in Anwendung des Sabes, daß der Staat als höchite Wohlfahrtsgemeinschaft die Pflicht hat, unverjchuldete Not- itände feiner Angehörigen mit den Mitteln dev Allgemeinheit zu lindern, jowie die Vorfehrung von verhütenden, vorbeugenden Maß: nahmen, joweit überhaupt menschliche Kraft und Eimficht den Eintritt von Sataftrophen oder Schäden der gedachten Art Hintanzuhalten bes tähigt ericheint. Als Beifpiele jolcher verhütender, vorbeugender Schuß: maßnahmen find die Klorreftion der Ströme, die Anlage von Deichbauten, die Verbannung der Wildbäche in den Gebirgsgegenden, die Anlage von Schugwaldungen, endlich die polizeiliche Befämpfung der Pflanzen und Tierichädlinge zu nennen. Und jolche Maßnahmen erden um jo mehr eine dringliche Staatsaufgabe, je mehr die Bodenkultur vor- ichreitet, je wertvoller die von jolchen Ereigniffen bedrohten Geländes fomplere find umd je mehr daher mit dem ntereffe der Bewahrung Einzelmer vor ımverichuldeter Not allgemein volfswirtichaftliche Snterefjen jich verfmüpfen. Much der anipruchsvollite Vertreter landiirtichaftlicher Intereifen wird nicht in Abrede stellen wollen und fünnen, daß zu feiner Zeit in eimem jolchen Umfang und mit jolchen Mitteln ftaatliche At S 36. Bedeutung der landwirtichaftlichen Verficherung. 173 tionen der gedachten Art zur Abwendung oder Abjchwächung der land- wirtichaftlichen Unfallgefahren verjchiedeniter Art getroffen worden find, als in der Gegenwart, und im Jujammenhang mit den jtaatlicher- jeits ins Leben gerufenen oder geförderten Verficherungsper- anjtaltungen eine Entlaitung des Unfallfontos der landwirt- Ichaftlichen Betriebe herbeigeführt haben, Die einer noch nicht weit zurücdliegenden Zeit undenfbar erjchtenen wäre. Unter den Schäden, welche das landwirtichaftliche Gewerbe be= jonders bedrohen, find die am meiiten wiederfehrenden die durch Hagel- ichlag und die durch Krankheiten und Unfälle der landwirt- Ihaftlihen Nugtiere verurjachten, und die HDagelverjicherung und die Tierverjicherung jind deshalb auch die wichtigiten und bis jeßt nahezu ausjchlieglich herrichenden Formen des landwirtichaftlichen Ver= jicherungsmeiens. Die mehrfach vorgeichlagene Organitierung einer VBerficherung gegen Mißernten oder gegen die von Injeftenjchädlingen und PBflanzen- franfheiten herrührenden Verlufte it jchwerlich ausführbar. Wegen der Größe der jährlich eintretenden Verlufte an Erntewerten fünnte Die Verficherungsorganijation nur unter der Vorausjegung dev Anjammlung hoher Fonds, in Form von Zwangsbeiträgen der Beliger in günstigen Sahren und mit Gewährung ftarfer Zufchüffe aus Staatsmitteln, d. ). nur unter Bedingungen lebensfähig ich erweifen, die einen jtarf jocia= liitiichen Beigeihmad haben. Wichtiger noch it das Bedenken, daß die Aussicht, für Ernteausfälle als Folge von Witterungsverhältniffen oder Pflanzenjchädlingen entjchädigt zu werden, ein bedauerliches Hinder- nis für die energiichite Bekämpfung der die Ernte ungünftig beeins Huffenden Faktoren vonjeiten der einzelnen Grumdbeiiger werden müßte. Eine Verficherungsveranitaltung aber, die, weil fie die zleigigen umd Umfichtigen cbenjo wie die Trägen und Ungejchieften behandelt, jchliep- (ich alle auf das gleiche Niveau wirtichaftlicher Sorglojtigfeit herunterziehen würde, fann unmöglich im allgemeinen „Interejfe wünschenswert jein. Daraus ergiebt Sich, daß die Folgen der Witterungs- ertreme, foweit ihnen nicht durch die Art der Bodenbearbeitung und meliorierende Maßnahmen (Ent und Bewällerungen) begegnet werden fann, der Einzelne auf fich behalten muß; und daß der Schub gegen die Verluste, die das Auftreten von Pflanzenichädlingen mit Fich bringt, nicht auf dem Boden der Verficherung, fondern auf dem der nachdrücklichen Bekämpfung der Schädlinge, d. bh. mit den Mitteln der Yandwirt- Ichaftspolizet (fiehe unten) zu juchen it. In einer Neihe von Fällen bedingen jich eine fräftige Hand- habung der Landwirtichaftspolizei und eine gute Junttio- nierung der VBerficherungsveranftaltung gegenjeitig. Cine Ver- jicherung gegenüber anfteefenden Tier- oder leicht übertragbaren Pflanzen= q franfheiten ohne gleichzeitige Vorfehrung für Berhütung und Unterdrüdung / h ) 2 x © 174 Fünftes ftapitel. Ausgaben und Lajten des landwirtjchaftlichen Betriebs 2c. dieier Krankheiten müßte ich bald als undurchführbar erweiien; Denn der Anipruch auf Schadloshaltung würde die Einzelnen tt der thatfräftigen Bekämpfung der Krankheiten und Schädlinge erlahmen laljen; eine je größere Sorglofigfeit aber eine Verficherungsgemeinjchaft erzeugt, um jo größer müfjen mit dev Zeit Die verficherungsfähigen Schäden werden, bis fie ichlieglich eine Höhe erreichen, bet. der jich die Fortjegung der VBerjiche- vungsgemeinichaft von jelbjt verbietet. Mean vergegemwärtige ich 3. B. die Folgen, die jich ergeben würden, wenn eine VBerficherungsgemeinjchaft gegen die Verheerungen der Wurzelreblaus ohne gleichzeitige VBorfehr für Ausrottung diefes Schädlings errichtet werden wollte. Und wie Diejes Berjpiel zeigt, daß bejtimmte landwirtichaftliche VBerficherungsarten Die unterjtügende Thätigkeit der Yandwirtichaftspolizei nicht entbehren fünnen, jo fann umgefehrt einem energiischen Vorgehen der Kandwirtichaftspolizei die Zurfeiteitellung eines DVBerficherungsapparates jehr dienlich und be= hiflich fein. Dies trifft 5. DB. für das Gebiet der Tierjeuchenpolizet zu. Denn wenn der Staat die Koiten und Berlufte, die durch Berhütung und Unterdrüdung von Seuchenfranfheiten für den betroffenen Befißer jich ergeben, lediglich diefem zur Lat jegen wollte, jo würde Dies nicht nur eine unbillig einjeitige Belaftung der zufällig Betroffenen fein, jondern auch in häufigen Fällen, um ein infchreiten der Seuchenpolizeibehörde hintanzuhalten, zur Verheimlichung des Ausbruchs von Seuchen Anlaß geben, aljo die polizeilichen VBerhütungs- und Unterdrüdungsmaßnahmen in bedenklicher Weile lahm legen. $ 57. Fortfesung; Bagelfhäden und Hagelverficherung insbefondere. Die Möglichkeit der Berjicherung gegen Hageljchäden it aus zwei Gründen bejonders wertvoll: einmal weil die Hagelichäden im Gegenjage zu den Schäden, welche durch Feuer oder durch Krankheiten der Tiere entitehen, gänzlich unabwendbar find, aljo eine verhütende (vorbeugende) und abwehrende Ihätigfeit ausgejchloffen ericheint; jodanı weil im gegebenen Fall, je nach der Intensität des Auftretens eines Hagel- wetters, Die ganze Sahresernte in Frage geftellt jein fanıı. Doppelt befremd- lich muß es deshalb ericheinen, daß länder= und gegendenweije noch immer von der Hagelverlicherung ein verhältnismäßig geringer Gebrauch gemacht wird, ımd daß faum em „Sahr vergeht, in dem nicht durch das Nieder: gehen schwerer Hagelwetter der Wohlitand eimes Teils der ländlichen Bevölkerung infolge unterlafjener VBerficherung auf das Schwerite gejchädigt und ebenjowohl Staatshilfe wie private Wohlthätigfeit in Bewegung gelegt wird, um wenigitens den jchlimmiten Folgen der Ktataftrophe ent- gegenzutreten. Die Urjachen, die einer umfangreicheren Benußung Der HDagelverlicherungsgelegenheiten entgegenwirken, hängen zu eimem nicht geringen Teil mit der eigenartigen Natur der Hagelerjcheimungen zujammen, mündlich mit der Unregelmäßigfeit und Unberechenbar: ii $S 37. Hagelichäden und Hagelverjicherung insbejondere. 175 feit ihres örtlichen Auftretens, die Die Landivirte beitinmter Gegenden in eine Häufig nur zu trügeriiche Hoffnung wiegt, indem fie die Memung unbedingt hageljicherer Diitritte hervorruft, wie oft auch diefe Meinung hinterher jich irrig erweilt. Zu diefem Optimismus in Bezug auf Die relative Hagelungefährlichfeit der eigenen Felder gejellt fich vielfach em den Hagelverficherungsunternehmungen entgegengebrachtes Wiptrauen, namentlich joweit die bäuerliche Bevölferung in Frage fommt; nicht jelten liegt aber auch infolge der für bejtimmte Gegenden bejtehenden unerjchiwing- lich hohen Prämienfäße eine thatjächliche Unmöglichkeit der Vers jiherungsnahme vor. Vicht eben günftig für die Unterhaltung regel mäßiger VBerficherungsbeziehungen it endlich die furze Dauer der hagel- gefährlichen Zeit und die Notwendigkeit zjährlicher Erneuerung des Berlicherungsantrags. Die großen Berjchiedenheiten der zeitlichen Hagelgefahr lajien jich aus folgenden Zahlen leicht entnehmen: In Preußen jchwanften die Hageljchäden in den 5 Jahren 1883/87 zwijchen 16 und 39 Weil (ionen Mart, in Baden gar zwijchen 0,7 und 4,5 Willionen Wart; und die örtlichen Schwanfungen vollziehen ich in noch wejentlich größeren Abjtänden. Aus diefer VBerjchiedenheit der Hagelgefahr nach Zeit umd Drt umd der Unberechenbarfeit des Auftretens von Hagelvettern über: haupt erhellt die große Schwierigfeit der Aufitellung eines jowohl den finanziellen Bedürfniffen der Verficherungsunternehmungen wie den Aniprüchen der Verficherten gleichmäßig Nechnung tragenden Brämten- tarifs. „it der Tarif zu niedrig gegriffen, jo jteht die Berficherungsunter- nehmung, wenn fie Aftiengejellichaft it, in Sahren mit jtarfen Hagel jchäden möglicherweile vor der Notivendigfett der Liquidation, und wenn fie eine VBerficherung auf Öegenjeitigfeit it, vor der Notwendigfeit der Erhebung jtarfer, vor weiterer VBerficherungsnahme abjchreefender Nach- ichußprämien. Alnderjeits würde ein jehr hoher, die Berlicherungsunter- nehmungen gegen alle Wechjelfälle thunlich jchügender Tarif ein jtarfes Hindernis allgemeiner Verficherungsbeteiligung fein. Die richtige Mütte zu finden, ift offenbar jchwierig, zumal das Hagelverficherungsiejen erit jehr jpät fich entwicelt hat und verficherungsitatijtiiche Erfahrungen von ähnlicher Zuverläffigfeit wie auf anderen Gebieten des VBerficherungswejens (Feuer=, Lebensverjicherung 2c.) nicht vorliegen; die häufigen Anderumgen in den Prämientarifen der Hagelverficherungsgejellichaften find eine Folge diejer Unsicherheit. Der Staat fan deshalb dem Hagelverficherungs- weien jchon dadurc) eine gewilje Förderung zu teil werden lafjen, wen, wie jeit Jahren in den meisten deutschen Staaten geichieht, der Statijtif der Hagelwetter erhöhte Aufmerkjamfeit zugewendet und zugleich Sorge dafür getragen wird, daß die in Betracht kommenden vwoiljenjchaftlichen Snjtitute die Urjachen der örtlichen Hagelhäufigfeit und Hagelintentität, jowie die meteorologiichen Zujammenhänge zwilchen Hagelgefahr und der geographischen Beichaffenheit einer Gegend aufzudeden jich bemühen. 176 Fünjtes Kapitel. Ausgaben und Lajten des landwirtichaftlichen Betriebs ıc. Die örtlichen Berjchiedenheiten der Hagelgefahr und die zeitlichen Schwanfungen des Auftretens der Hagelwetter bedingen vor allem Die möglichite Ausdehnung des Berjicherungsgebiets, weil nur in diefem Fall günftige, minder günftige und ungünftige Riiten thunlic gleichmäßig vertreten jein werden und Die „wechjelnden Chancen der Hagelericheinungen“ sich einigermaßen auszugleichen vermögen. Wie wenig lebensfähig eine Hagelverlicherungsorganifation auf eng ums ichriebenem Gebiet tft, zeigt der }. 3. erfolgte Zufammenbruch der Hagel- verlicherungsvereine in Württemberg und Helfen und die Thatjache, daß fleine Gegenjeitigfeitsgejellichaften häufig außerordentlich Itarfe Nachjchüfle erheben müfjen (3. B. Ceres in Berlin in den 4 Sahren 1887/90: 175, 99, 133/53, 100°/, der Borprämie). Das Auftreten von fapitaliitiich organilierten und nach dem Borbild anderer VBerficherungen im großen Stil und mit großen Mitteln arbeitenden Hagelverjicherungs- unternehmungen, die zunächit die Korm von Aftien=, päter auch und vorwiegend die Form von Gegenfeitigfeitsgejellichaften annahmen, be= Deutet Daher den bedeutjamfsten Wendepunft in der Weiterent- wicelung des Dagelverjicherungsweijens. Exit von da ab datiert eine durch die Ausgleichung der Nififen auf einem ausgedehnten Vers ficherungsgebiet ermöglichte Berbilligung des Tarifs, die die erite VBorbedingung emer jtärferen Beteiligung an der Verficherung war umd mit dem Eintritt Diefer jtärferen Beteiligung die Möglichkeit weiterer Tarifermäßigungen in Sich Ichlop. Aus ähnlichen Gründen, wie te bei der Erörterung der Organijations= formen im Gebiet des Grundfredits geltend gemacht wurden, wird man der Gegenieitigfeitsgejellichaftsform vor der Korm der Afttenges jellichaft auch im Bereich der Hagelverficherung den Borzug einzus räumen haben; wie denn eritere jeßt jchon in Deutichland die leßteren überflügelt haben (Berficherungsfumme in Deutjchland 1861 und 1892: bei den Aftiengejellichaften 303 bezw. 983 Wüllionen Warf, bei den _ Gegenfeitigfeitsgejellichaften 280 bezw. 1203 Wüllionen Mark). Die Segenjeitigfeitsgejellichaften vertreten, weil ihnen das jpefulative Motiv abgeht, das Wrincip der Gemeinwirtjchaftlichfeit jedenfalls in höherem Grade als die Aftiengejellichaften; Ddieje als den Aktionären verantwortliche Erwerbsunternehmungen haben wohl em nterelle an der umfänglichiten Erweiterung des Gejchäftsgebiets, aber feineswegs an der Annahme gefährlicher Nififen; und es tft nicht aus= gejchlofien, daß Ddiefe Erwerbstendenz mitunter auch in der Art der Schadensregulierung, bewußt oder unbewußt, jich Geltung verjchaffen wird. Den Gegenjeitigfeitsgeiellichaftten dart Dagegen nachgerühmt werden, daß fie auch gefährliche Nififen nicht qrundfäßlich mieden, mannigfache Erleichterungen im Berficherungsabichlußg (Zulaffung von Solleftivverz , jicherungen mit Brovifionsermäßigungen) gewährten, den Berlicherten durch Schaffung einer Vertretung in den VBerwaltungsförpern einen Ein- $ 37. Hageljchäden und Hagelverficherung insbejondere. 177 Hug auf die Handhabung der Verwaltung eimräumten, auch der Aufficht von Organen der Selbitverwaltung oder von landivirtichaftlichen Vereinen, namentlich in Anjehung der Schadensregulterung, freiwillig \ich unter- warfen. Wurden nun auch von einzelnen Aftiengejellichaften ähnliche Wege eingeichlagen, jo bleibt Doch Itets das Bedenfen bejtehen, dak das PBrivatfapital nur infolange der Hagelverlicherung ich zuwenden wird, als es auf eine im Vergleich mit anderen Berwendungsarten angemefjene Berzinfung fich Nechnung machen darf, und einzelne Vorgänge beweijen, daß der Fortbeitand der Aftiengejellichaften in Bertoden hagelveicher Sabre in der That ernitlich) gefährdet it. Es iit aber flar, daß ein jo wichtiger Zweig der landwirtichaftlichen VBerficherung in jeiner Befriedigung nicht von der Geneigtheit oder Abgeneigtheit des privaten Kapitals, dDiefem Bedürfnis Jich dienitbar zu machen, abhängig jein fanı, und daß deshalb diejes Bedürfnis nac)- haltig jicherer, aber auch billiger, durch Die Vereinigung der verjicherungsbedürftigen Streije jelber, d. h. eben in der Form der Gegenjeitigfeitsgejellichaft befriedigt wird. Das Bedürfnis emer jtaatlichen Organtlation des Hagel verlicherungsmwejens it angefichts der guten Verwaltung, Durch die jich die Mehrzahl der Hagelverlicherungsgejellichaften auszeichnet, bis jebt nur in Süddeutjchland Hervorgetreten, und zwar im Zulammenbhang mit der ausgejprochenen Hagelgefährlichfeit einzelner Gegenden Ddafelbit, die entweder eine Meidung Diejer Gegenden durch die bejtehenden Ge- jellichaften oder aber Prämtenjfäge von faum erjchwinglicher Höhe im Gefolge hatte. Meitbejtimmend für ein Itaatliches Vorgehen war das in Siüddeutichland gegen die Berlicherungsnahme bei privaten Gejellichaften weit verbreitete Mißtrauen, das durch die unjauberen Gejchäftspraftifen einiger mit dem Aushängejchtld der „Segenfeitigfeit“ arbeitenden „Schwin= delgejellichaften” mit Necht erregt war. sn Bayern führte die DBe- wegung zur Errichtung emer von der staatlichen Bratdverjicherungs- fammer mitverwalteten Hagelverlicherungsanitalt (Gejeß vom 12. Fe bruar 1884). Freivilligfeit der Beteiligung ohne Ausichluß der Privat: gejellichaften, Vergütung der Schäden auf Grundlage der Gegenfeitigfeit, feite Beiträge ohne Nachichüffe, alfo unter Umständen Bund der Ent- Ihädigungszahlungen find neben thunlichiter Einfachheit der X serwaltung, namentlich auch im Abichägungsverfahren, die Grundlagen des mit einem Stammfapital von 1 Wüllion art und eimer Sahresdotation von 40000 Warf ausgejtatteten Unternehmens, das Sahr für Jahr eine Zus nahme der Verficherung aufweist und nicht ohne Grund „eine Wohl: fahrtseinrichtung eriten Nanges“ genannt wurde — 1 Daden hat Die thatjächliche Berlicherungsnot beitimmter Gegenden zu eimem Itaatlichen Abfommen mit der größten deutjchen Gegenfeitigfeitsgejellichaft geführt (dev Norddeutichen Allgemeinen), inhaltlich deifen über den für Baden zu erlaljenden Tarif die Negierung zu hören umd den Organen Budhenberger. 12 178 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Lajten des landwirtichaftlichen Betriebs zc. der Streisverwaltung eine Vertretung im Auflichtsrat eingeräumt, die Be- itellung der VBertrauensmänner (Schäger) und die ganze perjonelle Orga- nilation des Agenturwelens den SKreisorganen überlaffen it und Der Negierung endlich das Necht zufteht, eine dauernde- Kontrolle über die Sejellichaft auszuüben. Um die bei den Landwirten gegen die VBerficherung bei Gegenjeitigfeitsgejellichaften bejtehenden Bedenklichfeiten, Die im der Ungewißheit über die Höhe der Nachjchußprämien wurzeln, ein für alle mal zu bejeitigen, werden jowohl jeitens der Streife, wie jeitens der Ne= gierung nambafte Geld-Beihilfen zur Verfügung geitellt zur Bildung von ‚Fonds, aus denen Die den VBerficherten zur Yalt fallenden Nachichuß- prämten bejtritten werden. Dieje hier nur furz angedeutete Organtjatton, mit Deren Verpmflihung die Hagelverficherungsanträge im den hagelges fährdeten Gegenden Badens eine bemerkenswerte Zunahme erfahren haben, leitet offenbar ähnliches wie eine fürmliche Staatsanftalt; Ddemn die Gejellichaft, mit der die Negterung in einem derartigen Vertragsper- hältnis steht, erjcheint gleich einer Staatsanjtalt vom öffentlichen Ber: trauen umfleidet, wird alfo nicht leicht dem üblichen Wißtrauen begegnen. st ein Staatsgebiet ein fleines, jo fann der Abjichluß von Bereinbarungen der bezeichneten Art mit eimer joliden Gejellichaft möglicherweile jogar die relativ beite Yöjung der Hagelverjicherungsfrage jein; Die Schaffung eines bejonderen verantiwortungsreichen neuen jtaatlichen Wer- waltungsapparats pird vermieden, eine bereits vorhandene Organijatton für Die heimifchen Interejfen nugbar gemacht und das Nififo der Vers fiherung in angemejjener Weile auf eine größere Verficherungsgemein- chart verteilt, jo daß das aus Mitteln der Allgemeinheit etwa zu bringende Opfer in verhältnismäßig engen Grenzen jich bewegen fan. Erwägungen, die bejtimmend dafir waren, daß Württemberg dem Vorgang Badens in den legten Jahren gefolgt ilt. — sm großen und ganzen fanı man mit der Entwidlung des deutschen Hagelverjicherungswejens wohl zufrieden jein; Die Ausichreitungen einzelner Gejellichaften find jeltener, die Berficherungs: bedingungen von sahrzehnt zu Sahrzehnt günstiger, Die Abwiclung der Entichädigungsanfprüche fulanter geworden. Hierzu hat nicht nur Die gelunde stonfurrenz zwischen den verschiedenen VBerficherungsunternehmungen, jondern auch Die zeitiweife drohende Gefahr einer völligen VBerjtaat- lihung des Hagelverficherungswejens, aber auch die Ihatkraft bei= getragen, mit der Durch die oberjte landiwirtichaftliche Snterefjenvertretung in Deutichland, den deutichen Yandwirtichaftsrat, der Standpunft der Verficherten jederzeit gewahrt und Mängel des Berficherungsmweiens, 10 sie Tich zeigten, Sofort in scharfe kritische Beleuchtung genommen worden TinDd. 3 38. Unfälle im Tierbejtand und die Verficherung landw. Nugtiere. 179 $ 58. Unfälle im Tierbeftand und die Derficherung landwirtichaftlicher Mustiere. Das Bedürfnis, gegen plößlich eintretende Berlufte im Stalle gedeckt zu jein, it eim jo augenfälliges, daß die der BViehverficherung dienenden Beranjtaltungen (Kuhladen, Kuhgilden) bis in das 16. Jahrhundert fich zuricverfolgen laffen. Im Unterjchied von der Hagelverficherung, deren Wichtigkeit mit der Größe der Wirtichaftsfläche wächit und von der daher in den mittleren und größeren Wirtjchaften vorwiegend Gebrauch) gemacht wird, wächit das Bedürfnis einer Beriicherung gegen Unfälle im Stall mit der zunehmenden Stleinheit des landwirtichaftlichen Betriebes. Beim Borhandenjein eines großen VBiehitandes wird das zeitweile Umistehen oder die zur Not- Ichlachtung Führende Erfranfung eines Tieres füglich ohne nennenswerten Einfluß auf die Bermögensverhältnifie des Wirts bleiben und die Selbit- verjicherung, d. h. die jährliche mäßige Abjchreibung von Betriebs- fapital des lebenden Suventars im allgemeinen vorteilhafter jich ewweiten, als die eigentliche VBerlicherungsnahme. Im Eleineren Wirtjchaften da- gegen, wo nur wenige Tiere gehalten werden und wo jedes Tier, jei es wegen der Geipannarbeit oder der Mülchnugung oder der Dünger: erzeugung unentbehrlich tft, wird der Berluft jelbit nur eines Stüces jehr leicht von Störungen bedenflichiter Art begleitet fein. Wegen der viel fach vorhandenen Betriebsfapitalarmut der hierher gehörigen Wirtichafter fann die Ergänzung des Abgangs meist nur unter Snanjpruchnahme des Berjonalfredits erfolgen, wodurc dem unjoliven VBiehhandel die will fommenjte Handhabe zu drücenden Berfaufsverträgen geboten und einem Syitem geldlicher Ausbeutung und wircherartiger Erprejjung der denkbar Itärfite VBorjchub geleijtet wird. Bor allem die befannten VBtehverftel- (ungsverträge, bei denen. der bäuerliche Wirt im wejentlichen für Nechnung des Händlers arbeitet, indem er nur einen Teil der Nugung des Tieres hat umd jeden Augenblick dejien Wegnahme und Erjab durch) ein geringiwertigeres Stück zu gewärtigen hat, dürfen in ihrem Urjprung vielfach auf augenblicliche, Durch Unglük im Stalle bedingte Geldver- legenheiten zuriicgerührt werden. Aber auch wenn dieje bejtimmte Folge nicht eintritt umd dem gejchädigten Yandivirt es gelingt, das zur Neu- anjchaffung eines Tieres erforderliche Kapital unter erträglichen Bedin- gungen zu erhalten (Bedeutung von örtlichen Darlehens oder Biehleih- fajjen!), wirft die neue Schuldbelajtung, zu vorhandenen Schuldver- bindlichkeiten Hinzutretend, lähmend und jchhwächend und jedenfalls das am meilten verhindernd, was unter den nmenzeitlichen Schivierigen Berhält- nijjen vor allem Not thut, nämlich die Führung eines fapitalintenfiven Betriebs. Aus diefen Gründen fommt daher, namentlich unter dem Gejihtspunfte der Ssutereiien bäuerlicher Wirtjchaften, der Ber: ficherung der landwirtichaftlichen Nußtiere eine große Bedeutung zu, md 12* 180 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Laften des landwirtjchaftlichen Betriebs 2c. war namentlich im Gebiete der Nindvieh- und Schweinehaltung, an der ja auch der Eleinjte Wirt teil hat. Einen bemerfenswerten und für Ddiefe Lölung jchiwer ins Gewicht fallenden Unterschied von der Hagelverlicherung weist die Vich- (Pferde, Nindvich-, Schweine>) Verficherung darin auf, daß hier der Unfall mit dem Merkmal des Unabwendbaren nicht jo abjolut behaftet üt, wie dies für Hagelfchäden zutrifft; aufmerffame und gute Pflege und Fütterung, jowie Borjorge für rechtzeitige Heilbehandlung vermögen Un- fälle hintanzuhalten, gewinnjüchtige Abficht andererjeits fann jolche Uns fälle abfichtlich herbeiführen. Die Biehverficherung bedingt deshalb be= jondere Borfehrungen, um gegen Leichtfinn oder Betrug Schuß zu ges währen. uch jteht damit im Zufammenhang, daß jo viele LYandivirte, und namentlich die größeren, welche ihren Tieren eine bejjere Wartung zu teil werden lafjen fünnen, Anftand nehmen, an einer VBiehverlicherung fich zu beteiligen, und daß die an fich verficherungsöfonomifch wünjcheng- werte Ausdehnung des Berficherungsgebiets nicht Dasjelbe leiltet, wie bei der Hagelverficherung, weil mit diejer Ausdehnung Die ausreichende Kon= trolle der Versicherten erichwert und die Gefahr einer durch Jahres läffigfeit oder böswillige Abficht herbeigeführten Häufung der Berlufträlle gefteigert wird. Wenn diefe Verhältniffe mit Notiwven= digkeit zur Erlaffung fomplizierter VBerjicherungsbedingungen hin= drängen, Deren Nichtbeachtung den Verluit der Entichädigung nach fich zieht, jo it damit unmjoliden Gejellichaften freilich eine bejonders reichliche Gelegenheit zu mißbräuchlicher Armvendung diejer Bedingungen, insbejondere alfo zu woillfürlichen Kürzungen oder VBerfagungen der Ent- Ichädigungsanjprüche gegeben. — Wie auf den Gejundheitszuftand Der Haustiere überhaupt, jo iit auch auf die Geitaltung des Vichverficherungs= weiens die Eimrichtung des Beterinärwejens und der Veterinärges jeßgebung und namentlich die Art der Seuchenbefämpfung von nachhaltigem Einfluß. Und wo, wie in den mitteleuropätfchen Staaten, durch die Seuchengefege für an Seuchen gefallene oder auf polizeiliche Anordnung getötete jeuchenfranfe oder jeuchenverdächtige Tiere (im Fall der Noßfranfheit bei Pferden, der Ninderpeft, der Lungenjeuche und Des Wilzbrandes bei Nindvieh), Tei es unmittelbar aus der Staatsfaffe, jei 5 Durch Zwangsumlegung der Entjchädigungskoften auf die Gejamtheit der beteiligten Tierbefiger Entichädigung gewährt wird, ift der Streis der der Verficherung zufallenden Berluitfälle wejentlich eingeengt, die Durch= führbarfeit von Bichverlicherungsorganijationen alfo vereinfacht und er: leichtert worden. Die bei den jonjtigen DVBerficherungen üblichen Formen der Or: gantation (als Aktiengeiellichaft oder Gegenjeitigfeitsgejell: Ichart) haben gegenüber der Verficherung landwirtichaftlicher Nußtiere. im großen umd ganzen verjagt. Das große Nififo der Berficherung (ebender Tiere, deren Berluft mit dem Eintritt der Berficherung Tich $ 38. Unfälle im Tierbeitand und die Verjicherung landiw. Nußtiere. 181 jteigert, weil der Beliger an der Erhaltung des Berficherungsobjeftes häufig fein Intereffe mehr hat, bot feine Anziehungskraft für das private Kapital; die Form der Aktiengejellichaft tit daher bet der Tievverlicherung ohne jede Anwendung geblieben. Soweit aber Gegenjeitigfeitsgejell- ichaften das Feld der Verficherung bebauten, tt nur ausnahmswetle deren Tätigkeit eine einwandfreie gewejen. Der Berjuchung, der techniichen Schwierigkeit der Tierverlicherung durch winfelzügige, unklare Abfaffung dev Berficherungsbedingungen jowie durch doloje Auslegung derfel eu au be= gegnen, haben nur wenige diefer Gejellichaften Widerjtand geleitet. Vielfach hat fich gezeigt, daß manche Gejellichaftsgründung lediglich dazu bejtimmt war, einer Anzahl Leute, die auf anderen Gebieten Schiffbruch erlitten hatten, eine ausfömmliche Erxiitenz zu verjchaffen, wobei, um fich Vers ficherungen zu verichaffen, auch) „Banernfängerei im großen Stil“ nicht immer verihmäht wırde. Wenn es noch eines Beweijes bedurfte, Daß nicht jede unter der Firma der „Gegenjeitigfeit“ arbeitende Gejellichaft vertrauenswert tit, jo tt diefer Beweis durch die gejchäftlichen Want: pulationen einer Anzahl VBerficherungsgejellichaften, durch frivole Prozeß- führungen, iloyale Kürzung vertragsmäßiger Anjprüche, rigorofe Hand- habung der Kiündigungsporjchriften jedenfalls im bimdigitev WVeije er- bracht worden. Unter diefen VBerhältniffen würde ohne die zahlreichen örtlichen Versicherungsvereine das Bedürfnis der Verficherung der landwirt- ichaftlichen Haustiere und namentlich der Nindviehbeitände jeder geord- neten Befriedigung entbehrt haben. sofern entipricht das Beltehen und Wirken jolcher, metit freilich nur eine jehr (oje Organijation auf: weijender ee ingsvereine einem dringenden Bedürfnis, und deren Wirfjamfeit wird jeitens vieler Landwirte jchon dann hoch angeichlagen, wenn die VBereinsaufgabe fich darauf beichränft, daß in Füllen der Not- ichlachtung von Tieren der geniegbare Teil des Fleifches von den VBereins- mitgliedern in einem in der Negel nach der Größe des Tierbeitandes Tich richtenden Verhältnisja gegen einen mäßigen Anjchlag übernommen wird. — Die Mängel diefer örtlichen VBerficherungsvereine liegen in der Sleinheit des VBerjicherungsgebiets begründet, infolgedejjen es an einer angemejjenen Ausgleichungsmöglichfeit für die Schadensfälle fehlt und alle durch die Zufälligfeiten zeitlicher und örtlicher Berhältnifje ver- urjachten bejonderen Gefahrmomente (z.B. ungünitiger Ausfall der Futterernte und dadurch veranlaßte Häufung von Berdauungskranfheiten) innerhalb des fleinen Verficherungsgebiets mit unverminderter Schärfe zur vollen Geltung fommen. In fleinen Gemeinden mit geringer Biehitüc- zahl liegen deshalb von vornherein die Ausfichten für eine gedeihliche Ihätigfeit nicht jehr günstig, aber jelbit in größeren en jedenfalls dann nicht, wenn ein erheblicher Teil des Viehbejtandes der VBerlicherung entzogen bleibt. Auch zeigt die Erfahrung, daß oft Sa in vajcher Folge auftretende Unfälle hinreichen, die übernommene Lajt den Wlts 182 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Lajten des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. gliedern als eine allzu drücende erjcheinen lafjen, und es erfolgen Aus= trittserflärungen, die den Fortbeitand des Vereins in Frage stellen. — Ein Schuß gegen jolche Fahnenflucht und deren üble Folgen für den Fortbeitand der Vereine wäre in der Schaffung einer Rüdverjiche- vungsmöglichfeit gegeben durch Zujammenjchliegung aller oder zahl- reicher Drtspiehverlicherungsvereine eines Landes zu einem Berjicherungss verband mit dem Ziel, einen Teil der jährlich erwachlenden Schäden dem Verband als jolchen zur Laft zu jegen. Die glattejte Yöjung aber würde wohl die jein, alle Aindviehbeiiger eines Yandes oder einer Provinz zu einer Zwangsperjicherungsgemeinschaft zu vereinigen, weil inner: halb Ddiejer Gemeinjchaft die wirfjamite Ausgleihung der NRiütfen und deshalb Die. denkbar billigite Verficherungsmöglichkeit geichaffen wäre. Sn diefer Weife it man in Belgien (1893) vorgegangen. sn Deutjch- land wurde der erite Verfuch einer öffentlich-rechtlichen Organijation des Viehverjicherungswejens in Baden unternommen (Gejeß vom 26. Sunt 1890); die mit einem bedingten Zwangscharafter ausgeitattete, auf Lofaler Gliederung und verbandsmäßiger Zulammenfafjung der ürt- lichen Berficherungsanftalten beruhende Organijation it jeit 1892 in TIhätigfeit und die Prämien bewegen fich, verglichen mit den Tarifen der Gegenjeitigfeitsanitalten oder den thatjächlichen Xeiftungen und Gegenleiftungen der älteren lofalen Verficherungsvereine, in erträglichen Grenzen. Der Anjtalt wurde für Nejervefondszwede ein Staatsbeitrag von 200000 Mark bewilligt. — sn ähnlicher Weile tt man in Bayern im Jahre 1896 vorgegangen, nur mit dem Unterjchiede, daß in der Dr: gantjation der gegründeten Landesverjicherungsanitalt jede Art von Beis trittszwang fehlt. Mit der zunehmenden Ausbreitung des Verkehrs in Schlachttieren hat ich die Notwendigkeit einer Schlachtviehverjicherung ergeben. Und zwar ift das Bedinfnis hierzu durch die wachjende Strenge in der Handhabung der Fleifchbejchau veranlagt worden, weil munz= mehr in jehr viel häufigeren Fällen als früher eine polizeiliche Beichlag- nahme von Fleisch in den Schlachtitätten jtatthat, jet es wegen Des Vorhandenjeins beitimmter Krankheiten, an denen das Schlachttier litt (beionders Tuberfulofe), jei es, weil auch ohne Erfranfung des Schlacht- tiers das Fleisch oder Fleiichteile als verdorben, gejundheitsichädlich oder efeldaft und deshalb als ungeniegbar erflärt werden. - Die aus der polizeilichen Beichlagnahme von Fleifch ich ergebenden Berlufte treffen den Produzenten überall dann, wenn ein gejeglicher Währjchaftsmangel Beranlafjung für die Ungeniegbarfeitserflärung wurde (3. B. bei Lungen= und Berljucht), in anderen Fällen den Händler oder Mebger, eS jet denn, daß jeitens des verfaufenden Produzenten Garantie für Geniehbarfeit des Fleiiches umeingejchränft geleiitet war. Immer aber wirft die durd) . die gejundheitlichen Nückichten veranlagte unnachfichtige Handhabung der leiichbeichau mittelbar auf das landwirtichaftliche Gewerbe nachteilig $ 38. Unfälle im Tierbeftand und die Verjicherung landw. Nugtiere. 183 zurück, da fie in den VBerfauf von Schlachttieren ein Element der Uns ficherheit bringt, und nicht minder jtövend erweilen Tich die aus Anlah polizeilicher Beichlagnahmen 0 hlveich erhobenen, meiit unerquidlichen und fojtipieligen Nechtsitreite. — Die neue badische VBerficherungsorganijation hat deshalb mit gewiljen Vorbehalten auch die Schlach) toichverficherung in den Kreis der Verficherungsaufgaben eimbezogen; und an einigen großen Konjumtionsplägen Berlin, Breslau, Leipzig) Ind bejondere Des= fallfige Verficherungsvereine ins Leben getreten, die freilich durchweg mit der Schwierigkeit zu rechnen haben, daß die Beliker von Schlachttieren an der Anmeldung anderer als verdächtiger Tiere zur Berficherung fein Intereffe haben und infolgedejjen der Verficherung überwiegend jchlechte Nififen zufallen. Unter den Krankheiten, die in den weitaus meiiten Jällen zur polizeilichen Beichlagnahme des Fleiiches geichlachteter Tiere Veranlafjung geben, jteht die Tuberfuloje (Berljucht) obenan. Aus diefem Grumd wird die Einbeziehung der Tuberfuloje, Diefer „Ichleichenden Weltjeuche”, in die Seuchenbefämpfung neuerdings angeitrebt (Alus= merzung tuberfulöjer Tierbejtände im Wege jeuchenpolizeilicher Tötungs- verordnungen, Zubilligung einer Entjchädigung an die verluitigen Tier befiger und Umlegung der Entjchädigungen in Form von Zwangsbeiträgen auf alle Beliger von Tieren der Gattung Rind). Unzweifelhaft wäre mit diefer Erweiterung der Seuchengejeßgebung die Haupturjache der gegen= wärtigen Schlachtverlufte weggefallen, zugleich aber der wirffamite Erjah für die Schlachtviehverficherung gegeben. Einer aufmerfjamen Verfolgung der Vorgänge im deutjchen Ber= ficherungswejen fann — Dies jei zum Schlufje noch bemerft — nicht entgehen, da manche beflagenswerte Schäden aus dem Mangel eines dDeutjchen Bersicherungsrechts und einer centralen Aufjicht über das VBerjiherungswejen zu erklären find. susbejondere iit Diejem Mangel zuzuichreiben, daß das Entitehen von wenig leiltungsfähigen, weil zweifelhaft fundierten Gejellichaften nicht immer zu hindern oder doch nicht immer die Handhabe geboten ijt, unfoliden, die VBerfichernden als Ausbeutungsobjefte behandelnden Gejchäftsgebarungen nachdrücklich entgegenzutreten. Ferner hat jelbit da, wo nach partifularen Necht ein Konzellionszwang beiteht, eine eingelebte milde Handhabung des Sons zejlionierungsrechts die leidige Folge gehabt, dag Gründungen bedenflicher Art entjtanden find; und fonnten weiterhin bei dem Mangel einer die Gejchäftsgebarung jachverjtändig überwachenden Gentralinitanz Wüß- bräuche jahrelang fortdauern oder mußten doch einen jchon jehr verfäng- lichen Charakter annehmen, bis zu dem Mittel der Konzellionsentziehung gejchritten wurde. Nun treten aber die Nachteile erleichterter Gründung jragwürdiger Gejellichaften gerade auch darin zu Tage, daß Tte aufjeiten der legteren vielfach einen mit unehrlihen Mitteln (Brämienunter- bietungen) geführten Konfurrenzfampf, unter dem auch das jolide 184 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Laften des Tandwirtichaftlichen Betriebs 2c. Geichäft zu leiden hat, und fonftige unjaubere Braftifen zeitigen (Feithaltung der gewonnenen Kumdichaft durch den Austritt erichiwerende Bedingungen, Unklarheit und Zmweideutigfeit der Enjchädigungsnormen, um der Entichädigungspflicht Tich zu entziehen oder fte herabzudrüden), alles zum Nachteil der Verbreitung des Berjicherungsweiens, weil eim Teil der einmal getäufchten VBerlicherungsftundjchaft im Unmut dem Berjicherungsmwejen überhaupt den Nücden fehrt. Die Erlaljung eines deutschen Verjicherungsgejeßes und die Schaffung einer centralen jachverjtändigen Auffichtsbehörde muß Deshalb als Bedürfnis angejehen werden; die Befriedigung desjelben liegt auch tim Sntereffe der soliden Gejellichaften jelber, und nur die umjoliden haben Uriache, „dieien neuen jtaatlichen Eingriff in die wirtichaftliche Bewegungsfreiheit”, wie die übliche Eimwendung gegen die Schaffung guter Ordnung im Wirtichaftsleben zu lauten pflegt, zu jcheuen. $ 59. Unfälle im landwirtfchaftlihen Betriebe und ihre Derhütung und Unterdrückung durch die Maßnahmen der Kandwirtichaftspolizei. Die Landwirtichaftspolizei jtellt fich dar als der Subegriff der behördlichen Anordnungen und Borjchriften, die teils die Fernhaltung von Störungen und Benachteiligungen des landwirtichaftlichen Betriebs durch schädliche bezw. rechtswidrige Handlungen oder Unterlafjungen, teils die Bekämpfung von Schädlingen der landwirtichaftlichen Haus: tiere und Bilanzen zum Gegenitand haben. Aus den früher angegebenen Srimden hat die landiwirtichaftspolizeiliche Thätigkeit des Staats gerade in der heutigen Zeit eine bejondere Bedeutung erlangt, und zwar nicht nur deshalb, weil manche den Landwirtichaftsbetrieb bedrohenden jchäd- lichen Ereigniffe gegenüber früher viel häufiger eintreten, was mit der Zunahme des Verkehrs innerhalb des Landes und von Yand zu Yand zufammenhängt, Tondern auch deshalb, weil heutzutage der Wert der land» wirtjchaftlichen Erzeugniffe ein um vieles gefteigerter ift und daher Werts verlufte, zumal in Zeiten finfender Gutsrente, Doppelt jcehmerzlich empfunden werden. Die ausgeprägte Abneigung der ländlichen Bevölkerung gegen jede Art von Bevormundung und Zwang erichiwert leider das Funktionieren des landwirtichaftspolizetlichen Apparats orts= umDd zeitweile sehr, injorern den landwirtichaftspolizeilichen Anordnungen bald aftiver, bald pajliver Widerftand entgegengejeßt wird. Aber auch Vor: urteilen umd vorgefagten Meinungen ift e3 zuzujchreiben, daß die Lands yirtichaftspolizei nicht stets die gewinjchten Erfolge zu verzeichnen hat. Man fann daher wohl jagen, daß die landwirtichaftliche Bevölferung einer Gegend um jo aufgeflärter Fich erweist, je williger fie dem aus all gemeinen Gründen der Landesfultur in landwirtichaftspolizeilichen QVorz . schriften enthaltenen Zwang an Ger und Verboten fich fügt; um jo ums \ aufgeflärter und bildungsbedürftiger, je mehr fie durch aftiven oder pajjiven S 39. Unfälle im landwirtjchaftlichen Betrieb und ihre Verhütung ze. 185 Wideritand die landiwirtichaftspolizetlichen Maßnahmen und ihre beab- jichtigten Wirfungen zu durchtreuzen bejtrebt tjt; der unverjtändige Kampf Taufender von feinen Winzern in Deutichland und Frankreich gegen Die landwirtichaftspolizetlichen Anordnungen zum Schuß gegen die Neblauss franfheit bildet hierfür ein typiiches Betipiel. Das in weiten Streifen der Landbevölferung herrjchende Mißtrauen gegen polizeiliche Eingriffe in ihre Erwerbsthätigfeit und Die daraus entipringende Unluit zur Befolgung ergangener Bolizeivorichriften darf natürlich nicht abhalten, das als not- wendig Erfannte anzuordnen und durchzuführen. Wohl aber empfiehlt jich bejondere VBorjicht in der Betretung diejes Gebiets, und jollte feinenfalls eine polizeiliche Mabregel in Geltung gejeßt werden, die nicht Durch ein unzweirelhaftes Bedürfnis veranlaßt, als jolches von land- wirtichaftlichen Sachverjtändigen amnerfannt it umd hinsichtlich Deren praftiicher und erfolgverbürgender Durchführung alle etwa geltend zu machenden Zweifel behoben find. Andernfalls würde das polizeiliche Bor- gehen jeinen offenen und heimlichen Gegnern die wirfjamjten Alngriffs- waffen liefern. Ss dvorderiter Neihe jtehen, neben einer guten Ordnung des joge: nannten Feldpolizenvejens und einer zwecentiprechenden Organtilation der selddut, die Maßregeln zur Befämpfung der Brlanzen= und Tier: ihädlinge, von denen diejenigen, die dem Prlanzenjchub dienen, ver= hältmismäßig neueren Datums find, während für die Seuchenpolizei Ichon im vorigen Jahrhundert Anjäge der Ausbildung zu beobachten find. Nm hat freilich die Befämpfung der Brlanzenichädlinge mit ganz bejonderen Schwierigfeiten zu rechnen, Die einigermaßen erklären, daß, die Yand- bevölferung meilt mur widerwillig an diejen Bekämpfungsarbeiten Tich beteiligt, wobet indejjen, wie jchon angedeutet, auch Untenntnts, Borurteil oder eine gewifje fataliftische Ergebenheit in das jcheinbar Unabänderliche als hemmende Faktoren mitjpielen. Die Schwierigkeiten der Bekämpfung der zahlreichen Pflanzenichädlinge liegen teils in der Mafjenhaftigfeit des Auftretens begründet, jo daß nur eine auf weitere Entfernungen hin gleich- mäßig organifierte Tilgungsmaßregel Erfolg verjpricht, teils in der Stlein= heit des Schädlings und in der Art feines VBorfommens (in jchwer er- reichbaren Schlupfwinfeln), was einer gründlichen Tilgung mancher Schädlinge (z.B. der Objtkultur) fich Hinderlich erweilt, teils endlich darin, daß Die ungeheure Vermehrungsfähigfeit mancher Schädlinge (Blatt und andere Läufe, ferner Schädlinge pflanzlicher Art, wie Bilze) dem tilgenden Eingreifen der Menjchenhand von vornherein zu jpotten jcheint. Es fommt dazu, daß bei manchen PBflanzenfrankheiten (Kartoffelfrankheiten, Stranfheiten der Neben) die jachverjtändigen Ansichten über die zwecd- mäßtigite Art der Bekämpfung nicht immer feititehen, oder daß Doch Diele Bekämpfung nur unter großem Aufwand von Geldmitteln möglich tt — man Ddenfe an die Bekämpfung der Phylloreraplage! — oder doch nur bei jahrelang iyitematisch Fortgejeßtem Tilgungsverfahren ausjichtsvoll 186 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Lajten des landwirtichaftlichen Betriebs zc. ericheint. Endlich it zu beachten, daß wegen der meist über zahlloje Objekte ich evitredkenden Verbreitung der Schädlinge die Kontrolle über die richtige Ausführung der vorgeschriebenen Tilgungsmaßregeln häufig ehr erichwert it. So wächit nicht jelten der obrigfeitlich empfohlene oder gebotene Kampf mit bejtimmten Schädlingen zu emem Kampfe zwijchen den Organen der Bolizeiverwaltung und der Yand- baubevölferung aus, und es erfordert oft lange Zeit, bis die legtere von der Zwecmäßigfeit und Notwendigkeit eines freiwilligen oder gar polizeilich zu erzwingenden Befämpfungsverfahrens ich überzeugen läßt. Beijpielswerfe haben jelbit die nach vielen Wüllionen zahlenden VBerluite, welche durch die Blattfallfranfheit der Neben (Peronospora) jahr- weile hervorgerufen wurden, und bat jelbit der äußerlich in ftchtbariter Were zu Tage tretende Erfolg der Behandlung der jo erfranften Neben mit Stupferfalflöjungen noch keineswegs überall die weit verbreitete Yällig- feit der bäuerlichen Winzer gegenüber diejer nach der Neblaus verheerenditen aller Nebfranfheiten zu bejeitigen vermocht, und der Bollzug des da und dort polizeilich verordnneten Befämpfungsverfahrens jtößt ortsweiie noch immer auf den größten Wideritand der Beteiligten. Ühnlich im Bereich der zahlreichen Schädlinge der Objtfultur, der Unterdrückung der Oro- banchenarten und vieler anderer Unfräuter. Solcher auf Ummwiljenheit, Aberglaube, Eigentiun oder fataliltticher Anjchauung beruhenden Unthätigfeit und Läffigfeit der Beteiligten gegen- über fann nicht jcharf genug betont werden, daß wiederum gerade in der Gegenwart mit ihrer Tendenz zu jinfenden Neinerträgniifen doppeltes Bedürmis ‚beiteht, jeden VBerluit an Erntewerten dur PBrlanzen- Ihädlinge mittelft jyitematischer Befämpfung hintanzubalten, und zwar umfjomehr, je mehr eimerjeits infolge des gejteigerten internationalen DVerfehrs in lebenden Pflanzen neue, bis dahin unbe- fannte Schädlinge in die alten SKulturländer Europas eingejchleppt werden (Nebwurzellaus, Bilzfrantheiten, Stoloradofäfer 2c.), andererjeits offenbar eine Neihe einheimischer Stulturpflanzen, wie namentlich die Nebe, in dem Zuftand der Überfeinerung, in dem fie fich infolge einer hoch- gejteigerten Kultur und der üblichen Art der Vermehrung befinden, jehr viel an natürlicher Widerjtandsfähigfeit gegen die Schädlinge eingebüßt zu haben scheinen. Unter Ddiefen Umständen ift den landwirtichaft- lichen Berjuchsanitalten in Aufjuchung der beiten und billigiten Tilgungsmethoden ein ganz neues und jehr danfenswertes Arbeitsfeld erwachjen, das gar nicht Nozgialng genug bearbeitet u fann, während die landwirtichaftlichen WBerwaltungsbehörden alle Beranlaffung haben, teils im Weg der Belehrung, auch Durch Verteilung von Alugjchriften in den Schulen, teils im Weg des polizeilichen Zwangs das Betämpfungs- verfahren Iyitematijch einzurichten. Ein polizeiliches Jwangsverfahren. wird namentlich da angebracht jein, wo nach der Natur des Schädlings die Yäjligfert des Einzelnen nicht nur ihn jelber, jondern auch alle $ 39. Unfälle im landwirtichaftlichen Betrieb und ihre Verhütung ıc. 187 andern in Mitleidenschaft zieht, und wo die Unterlafjung der Betfämpfung an der einen Stelle das Anfämpfen an anderer Stelle immer von neuem in ‚srage itellen würde; Daher denn auch gegenüber der Neblausfrankheit, der Naupenplage und anderen Objtbaumjchädlingen (Blutlaus), ferner gegenüber gewillen Unfräutern (Sleejeide, SKleewürger 2.) fait überall polizeiliche Zwangsanordnungen für notwendig erachtet wurden und er= gangen find. Ein wichtiges Seitenjtüc der Schädlingsbefämpfung it ein veritändig geordneter Schuß der injeftenfreijenden Bögel, wobei neben der Erlafjung von entiprechenden Bolizeiverordnungen wiederum die belehrende Aufklärung, namentlich auch in der Schule, von bejonderer Bedeutung it. sm Hinblie auf die zahlreichen Wandervögel iit ein internationaler Bogelihug anzujtreben, der dem mafjemweiien Hinmorden nüßlicher Vögel auf deren Zug in jüdliche Gegenden ein Ziel jegen würde. sm -allgemeinen vorurteilsfreier als dem beiprochenen Gebiet jteht die ländliche Bevölkerung der Seuchenpolizei, d. H. den zur Abwehr und Unterdrüdung von amitecenden Krankheiten der landwirtichaftlichen Haustiere dienenden gejeßlichen und Berwaltungs-Maßnahmen gegenüber, und es befumdet eine erfreuliche Zunahme des Verjtändnifjes Fir diejen Zweig der Landwirtichaftspolizei, daß im den legten Jahren wiederholt das Verlangen nach einer jchärferen Ausgeitaltung einzelner jeuchenpolizei- (icher Vorjchriften zu Tage trat. Diejes bejjere Verjtändnis für Die Wichtigfeit einer guten Ordnung der Seuchengejeßgebung und eines wirk- jam funftionierenden Berwaltungsapparats erklärt jich leicht aus der hoch- gradigen Empfindlichkeit, die gegenüber Kapitalverluften und nament- (ih gegenüber jolchen aus den Tierbeitänden beiteht; beziffern fich doch diefe Verlufte jelbit in fleineren Staatswejen jahrweife manchmal nac) vielen Millionen, und ijt es feineswegs jelten, daß infolge jolcher Berluite die einzelnen davon betroffenen Wirtjchaften dauernden Sitechtum en Mit der Vervielfältigung dev neuzeitlichen a der wachienden Berbilligung des Transports, der Offnung der Landesgrenzen für den internationalen Verkehr it die Gefahr der rajchen Berjchleppung der Seuchen bei der ohnehin meiit jehr flüchtigen Natur des Aniteefungsitoffs auf weithin eine gegen früher jehr geiteigerte, iind deshalb jahrweile die Seuchenherde zahlreicher, die Einbußen größer, it aber auch die Auf- gabe der Seuchenpolizei eine jchiwierigere geworden. insbejondere fällt für die Wirfjamfeit der jeuchenpolizeilichen Kontrollen mißlich ins Gewicht, daß fie auf zahlreiche, jehr häufig in Ortsveränderung begriffene Tier= individuen fich eritredfen müfjen, diefe Transporte aber, namentlich joweit es Landitraßentransporte find, jich leicht der ausreichenden Beobachtung entziehen; ferner, daß von der Anfteekung eines Tieres bis zum Ausbruch der Krankheit ein fürzerer oder längerer Zeitraum (Infubationsdauer) verjtreicht und daher Tiere unter Umständen als jeuchenfrei gelten und behandelt werden, die den Kranfheitsfeim bereits in ich aufgenommen 188 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Laften des landwirtichaftlichen Betriebs zc. haben. Auch bei der trefflichjten Organiation der Seuchenpolizei jind - daher Seuchenausbrüche und it eine VBerfchleppung der Seuchenherde nicht immer zu vermeiden, zumal auc, Unwihjenheit, böjer Wille oder Gewinns juccht, legtere namentlich auf fetten der gewerbsmäßigen Viehhändler, Die Abjichten der Seuchenpolizeibehörde manchmal durchkrenzen. — Die jeuchen= polizeilichen Maßnahmen find im großen und ganzen dreierlet Art: ein= mal jind es den Tierverfehr innerhalb des Landes umfafjende polizei=- lihe Zwangsmaßregeln verhütender oder vorbeugender Art, wie die Hof- und Gemarfungsiperre, die Transportfontrolle, die Marft- verbote, die Pflicht zur Löjung von Gejundheitsjcheinen 2.; zweitens unterdrücdende Zwangsmaßregeln, nämlich für den Fall des Aus- bruchs bejtimmter bejonders gefährlicher Seuchen (Ninderpeit, Yungenjeuche, Noß 2c.) die Inanjpruchnahme des Nechts zur Tötung der verjeuchten Beitände behufs rajcheiter Tilgung der Seuchenherde; drittens die Aır= ordnung völliger Grenziperren gegen die zeitweife Einfuhr von Vieh aus dem Ausland. Von diefem Necht der Grenziperre gegen Ein- fuhr fremden Viehs it im Deutichland gerade in der Gegenwart der denkbar unfajfendite Gebrauch gemacht worden, ohne daß freilich Die Einjchleppung einzelner Seuchen und deren Weiterverbreitung immer hätte gehindert werden fünnen (jo namentlich betveffs der Maul- und Klauenjeuche). Das Verlangen landwirtjchaftlicher reife nach einer dauernden Grenz iperre gegen alle angrenzenden Staaten, auc) dann, wenn dieje jeuchen- frei Sind, steht mit handelsvertragsmäßigen Abmachungen im Widerjpruch, würde den landwirtichaftlichen Grenzverfehr in Vieh jchwer jchädigen und überfieht, daß jahrweie die deutiche Yandiwirtichaft das für das ‚sleiichbedürfnis der großen VBerzehrsmittelpunfte nötige Quantum au gutem Schlachtvieh feineswegs zu liefern vermag. Nicht zu gedenfen Der Neprejjalien, mit denen eine jolche Abjchliegungsmaßregel von anderen Staaten beantwortet und von denen die Landwirte der auf den Export von Zucht und Maitvieh angewielenen Gegenden jchiwer betroffen werden würden. Im allgemeinen bejtand friiher bei Seuchenfällen der Grundjak, daß den Schaden aus Anlaf von Seuchen und der zu ihrer Befämpfung erforder- lich werdenden polizeilichen Maßnahmen der Beliger umd zwar jelbit dann zu tragen habe, wenn das verjeuchte Tier behufs rascher Tilgung des Seuchenherdes polizeilich getötet wird. Die Erwägung indejjen, daß viele Befiger, um fich vor diefem Zwangseingreifen der Seuchenpolizeibehörde au schüsen, geneigt fein werden, den Seuchenausbruch zu verheimlichen, hat dazu geführt, für gewifle Seuchenfranfheiten — Ninderpeit, Rob, Lungenjeuche, Milz: und Raufchbrand — bei deren rechtzeitiger Anzeige fr den Fall der Tötung, bezw. für den Fall eines nach erfolgter Anzeige eingetretenen Verluites eine Entichädigung zujuerfennen; injoweit Dies der Fall iit, kann ich alio der Befiger gegen den Verluft aus bejtimmten Seuchenfällen für versichert erachten, und man jpricht deshalb da, wo Die $ 40. Die öffentlichen Abgaben de3 Landwirte. 189 Entihädigungsleiitungen auf die Oejamtheit der Tierbefiger umgelegt werden, von einer Seuchenzwangsverlicherung. Dem Wunfche der ländlichen Bevölkerung, daß in diefe Seuchenzwangsverficherung auc) andere Seuchenfranfheiten, wie namentlich die Berljucht des Nindes und die Notlaufjeuche der Schweine, mit der Zeit einbegriffen werden, it Erfüllung zu gönnen. Eine vielveriprechende Hilfe gegen eine Anzahl Seuchen jcheint neuerdings in den Schugimpfungen zu entitehen, ins- bejondere gegenüber der Lungenjeuche, dem Wilze und Naujchbrand, der Vocenjeuche der Schafe, und mit Necht werden deshalb in den meilten Staaten dDurchgreifende Verjuche mit jolchen Schugimpfungen unternommen. Die Wirffamfeit diejer Verjuche vorausgejegt, würden die Schugimpfungen mit der Zeit ein jehr wichtiges Glied in der Seuchenbefämpfungstechnif bilden und unter Umständen in dem jeitherigen, mit vielerlet Unbequeme lichkeiten und often Für die Beteiligten verfnüpften Mechanismus der x Seuchenpolizei eine wejentliche Bereinfachung ermöglichen fünnen. $ 40. Die öffentlihen Abgaben des Kandwirts. Es it nicht überflüllig, daran zu erinnern, daß das heutige Ab- gaberwejen, joweit die landwirtichaftliche Bevölkerung in Betracht fonımt, in nicht unwejentlichen Beziehungen vorteilhaft von demjenigen früherer Zeiten fich unterjcheidet. Alle Abgaben des modernen Staats (Staats- itenern, Steuern und Umlagen der Gemeinden und größerer Selbjtver- waltungsförper) find öffentlichsrechtlicher Natur und fußen auf den politiichen und wirtjchaftlichen JZujammenhängen, die zwijchen einem poli- tiichen Gemeinmvejen und den Angehörigen diefer Gemeinwelen beitehen ; Zweck diejer Abgabenerhebung iit allemal und ausnahmslos die Befrie- digung eines öffentlichen Bedürfnifjes. Dagegen find die auf der (andwirtichaftlichen Bevölferung lajtenden Abgaben der älteren Zeit nur zu einem Teil öffentlich-rechtlicher, zu einem andern Teil aber privatrechtlicher Natur gewejen, deren Uriprung und weitere Ausbildung auf Gutsumtertgänigfeitsverhältnifie zurüczuführen it (Binfen umDd Gülten, jowie Naturalabgaben verjchiedenfter Art, Die Durch die im grundherrlichen Verband befindliche bäuerliche Bevölkerung an die Guts- herrichaft entweder jahrweiie oder aus bejonderem Anlag zu entrichten waren); und die Erhebung diejer Geld- und Naturalabgaben erfolgte nicht oder doch nicht vorwiegend zu öffentlichen, jondern auch) zu privaten Zwecden der Gutsherrichaft. Aber noch im eimer zweiten Hinficht unterjcheidet fich der moderne Staat vorteilhaft von dem Staat der rüc- wärtsliegenden Zeit: diejelbe Gejeßgebung, die alte dieje Abgaben und Laiten privatrechtlichen Charakters zur Ablöjung oder Aufhebung brachte ($ 3), hat auch den wichtigen Grundjaß der jtenerlichen Gleich- heit aller vor dem Gejeb verfündet, d. hd. mit den früher im ausges dDehntem Maß bejtandenen Steuerfreiheiten bevorrechteter Samilien aufge: 190 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Laften des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. yaumt umd nur eine Steuerfreiheit der Armen und wirtjchaft- ih Schwachen anerfannt. Überblict man die Steuergejeßgebung der legten Jahrzehnte in den verichiedenen deutichen Staaten, To jtellt fich als überemitimmender, Diele SGeleggebung beberrichender Zug das Streben dar, dem Grundjabß der Beiteuerung nach der wirtichaftlichen Leiftungsfähigfeit immer mehr gerecht zu werden. Bis im die zweite Hälfte Diejes Sahrhunderts waren die Grund», Gebäude- und Gewerbeiteuer ziemlich überall Die einzigen Arten direkter Steuern; und da die älteren Gewerbeitenern nac) ihrer technischen Konftruftion die großen industriellen Betriebe nur mangel- haft erfaßten, jo lag der Schwerpunkt der Iteuerlichen Erhebung in den beiden eritgenannten Steuerarten. Bor allem war die Grunditeuer das Nücdgrat des Steuerjyjtemes, und aus den von der Landwirte jchafttreibenden Bevölkerung aufgebrachten Ddiveften Steuern wurde ein anjehnlicher Teil des Staatsaufwands bejtritten. In der Gegemvart hat, zufolge der überall vollzogenen Steuerreformen, diefes Bild Jich jehr ver: wandelt. Cinmal hat eine jeinere Steuertechnif es veritanden, gewerb- liche und Handelsunternehmungen in eimer ihrer Itenerlichen Leiltungs- fähigkeit entiprechenderen Weile zu veranlagen; zum zweiten hat überall eine Beltenerung auch des beweglichen, aus Kapitalzinfen und Nenten fliegenden Einfommens jtattgefunden ; drittens und endlich hat die Ylus- bildung eimer eigentlichen Einfommensjteuergejeßgebung es ermöglicht, jede Art von landwirtichaftlichem, gewerblichen, Nenten= und jonjtigem Ein- fommen jtenerlich zu erfallen, it ferner Durch die Einführung des Grund- jaßes der progreiiiven Belteuerung die verhältnismäßig jtärfere Bejteue- rung der größeren Einfommen erzielt und endlich Durch die Geitattung des Schuldabzugs und die jtenerfreie Belafjung von kleinen Einkommen den Iteuerichwächeren Elementen der Bevölferung im demjelben Maße eine Entlaftung gewährt worden, als die jteuerfräftigeren Elemente jchärfer zu den Staatsbedürfniijen herangezogen wurden. Dieje von volfstim- lichem eilt getragene, auf thunliche Abmilderung der Stlaljengegenjäbe gerichtete, aljo recht eigentlich in jocialpolitiicher Richtung Tich bewegende Neform=Gejeßgebung des Staatsjteuerweiens hat in der prenßiichen Steuerreform vom Sahre 1893, die die feitherigen direkten Staats- Iteuern (Grunde, Gebäudes, Gewerbes, Bergwerfsiteuer) aufhob, Diele Stenerquellen den Gemeinden überwies und durch Eimführung einer mäßigen VBermögensitener (als Ergänzungsitener der Cimfommensbe- jtenerung) erjeßte, ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. st mn auch der reformierende Gang der Steuergejeßgebung, wie er vorjtehend angedeutet Yourde, im erjter Neihe auf allgemeine jteuer- politiiche umd stenertechniiche Erwägungen zurüczuführen, fo bat doc) aus Diejer Entwiclung ganz vorwiegend die Bevölferung Des flachen Yandes Nugen gezogen. Mehr als in früheren Zeiten haben die lebten 3 Jahrzehnte eine außerordentliche Zunahme der Staatsaus= $ 40. Die öffentlichen Abgaben des Landwirts. 191 gaben für die verjchtedenjten Zwecke, insbejondere für Unterrichts und Wohlfahrtszwece jeder Art, gebracht; mit den Weütteln des älteren Steuer: iyitems hätte diejem vermehrten Ausgabebedarf nicht oder nur unter be trächtlicher Erhöhung der Steuerjäße der einzelnen Steuern genügt werden fünnen. Solche Erhöhungen haben inDdejjen, namentlich joweit Die ipecifiichen landwirtichaftlichen Stenerarten (Grumdjtener) in Betracht fommen, nicht jtattgefunden, d. h. die Wüttel zur Dedung des jtaatlichen Mehrbedarfs haben, wozu die veränderte Stenergejeggebung die Miöglich- feit bot, wejentlich die in vaicher Entwicdlung begriffenen ander- weiten Einfommensarten (aus gewerblichen und Handelsgeichäften, freien Berufsarten, aus Zinfen und Nenten) geliefert. Sn einer Reihe von Staaten hat mit Einführung der Eimfommenjteuer ee weitgehende Ermäßigung Der bejtehenden jonjtigen Direften (Neal- oder Ertrags-) Stenern jtattgefunden; und da bei der Einfommenftener das Necht des Schuldabzugs Plab greift, jo it deren Eimführung für die verjchuldeten Grundbejiger jogar von einer pofitiven Steuerentlaftung begleitet gewegen. sn bejonders namhaften Maße iteuerentlaftend hat die neueite preußiiche Steuerreform gewirkt; eine amtliche Denffchrift berechnet die dem länd- lichen Grumdbeiig zu teil gewordene Erleichterung jeiner Itaatsitenerlichen Prlichten auf jährlich rund 28,5 Millionen Mark, ein Zahlenergebnis, das Durch Die jtärfere Heranziehung der Nealjtenern fir die Zivecdfe der Semeindebejtenerung nicht wejentlich geändert wird. — Die allmähliche VBerichiebung der Stenerlait zu Gumiten des landwirtichaft- lichen Gewerbes ijt auch aus folgenden Zahlenangaben zu entnehmen: Sn Baden brachte die jtaatliche Grundjtener im Jahre 1882 4,1 Wülltonen Mark oder rund 39%, Des gejamten Ertrags an Diveften Steuern; im Sahre 1896 dagegen war der Ertrag der Grumdjtener eimjchließlich der von den rein landwirtichaftlichen Betrieben aufgebrachten Einkommen jteuer nur noch 2,9 Wüllionen Mark oder rund 22°/, des gefamten Er- trags an direkten Steuern. Das Nücgrat des badischen Steueriyitems it dermalen die Einfommenstener, die im tat von 1896 mit rıumd 7 Wüllionen Markt veranichlagt, d. bh. an einem Gejfamtauffommen au direften Steuern von 13,2 Millionen Mart mit 53%, beteiligt erjcheint. Die Einfommenfteuer brachte 1886 mur 4,6 Willionen Wearf, fie it allo in 10 Jahren in ihrem Ertrag um 2,4 Millionen Warf geitiegen; das Mehrerträgnis it aber zum ganz überwiegenden Teil den nicht land- wirtichaftlichen Eimfommensquellen entiprungen. Auf 100 Warf Em- fommen entfiel im Jahre 1894 in Baden ein Stenerbetrag: bei den rein land- wirtichaftlichen Betrieben von nur 0,68 Mark, dagegen bet den Gewerbe- unternehmungen und Handelsbetrieben von 1,02 Mar, bei allen jonitigen Stenerpflichtigen (Kapitaliiten, Beamten, Trägern liberaler Berufsarten) 1,16 Marf. An dem Steuerauffommen aus der Beitenerung des Zins- und Nenteneinfommens it die Bevölkerung des flachen Yandes in Baden ganz unerheblich beteiligt; 1895 brachten allein die 24 größeren Städte 192 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Laften des landwirtjchaftfichen Betriebs ac. des Landes 70°/, der SKtapitalventenftener auf. — Zahlen wie die vor= jtehenden lajlen Nüchchlüffe auf den Anterl, den die ländliche Bevölferung an dem direkten Steuerauffommen hat, auch auf andere Staatsiweien zu, in denen im ähnlicher Weile wie im Baden die Stenergefeßgebung eine Ausbildung im Sinne der Erfaffung des Zins und Nenteneinfommens und der Einfügung einer Einfommenstener in das Stenerjyftem erfahren hat. Und jedenfalls darf den voritehenden Betrachtungen entnommen werden, daß jtaatsjeitig das ernite Deitreben beitanden hat und beiteht, der geminderten steuerlichen Leiltungsfähigfeit der landwirtichafttreibenden Bevölferung gerecht zu werden. Steuerreformen im großen Stil, wie fie in Preußen und anderwärts in die Wege geleitet wurden, dürften da= her jeitens der ländlichen Bevölkerung einer anerfennenden Wirdigung wohl begegnen. Einzuräumen it, daß länderweile manche Neformen auf jteuerlichem Hebiet noch der Berwirflichung harren. Wo beiipielsweile neben den jonitigen Neal» (Ertragss) Steuern eine bejondere Grunditener noch erhalten geblieben tt, bildet dteje jeit längerer Zeit Gegenstand lebhafter Stlage, und zwar einmal wegen der mangelhaften Art ihrer Veranlagung, zum anderen, weil bei der Grumdjtener jo wenig wie bei den anderen Nealitenern der Abzug der Schulden zugelaflen it. Beiden Bejchiwerden fann Die Berechtigung nicht völlig abgeiprochen werden. Es it em augenjcheinlicher Mangel der Grumditener, daß ihre VBeranlagungsgrund- lagen rasch veralten, aber wegen der großen Slojten einer neuen Kataltrierung Doch nur im langen Zwilchenräumen erneuert werden fünnen; und mit den Grundjäßen der Beitenerung nach der wirtichaftlichen Leiltungsfäbig- feit befindet fich die Erhebung der Grunditener ohne jede Berücklichtigung der Belaftung des grumditenerpflichtigen Objetts mit Schuldverbindlich- feiten nicht ganz im Einklang. ‚smmerhin tt in legterer Hinficht darauf zu verweilen, daß die Nichtberüchichtigung des Schuldabzugs bei den Nealitenern ihre größte Härte durch die Einführung der Einfommenjteuer, bei welcher ein Schuldenabzug zugelaflen it, eingebüßt hat, und daß die Weängel des Grumditeuerfataiters als solche an fichtbarer Wirkung ver- lieren, wenn der Stenerfuß der jtaatlichen Grumditener ein mäßiger it, wie dies für die meilten Staatswejen zutrifft. Cime Befeitigung der er- wähnten Bejchwerdepunfte wird aus diefen beiden Gründen jehr erheb- liche Wirkungen in Bezug auf den Umfang der jtenerlichen Pflichten der Einzelnen nicht auszuüben vermögen; gleichwohl jollte die an fich als gerecht erfannte Neform nicht dauernd abgelehnt werden. Der Weg der Merorm dürfte Durch das Vorgehen der preußischen Gefeßgebung vorge: zeichnet, d. h. es wird die Umbildung der älteren Neal: (Ertrags:) Steuern zu VBermögensitenern, die ihrer Natur nac) eine Schuldentilgung zulaffen, anzujtreben jein. Eine Neihe von Anzeichen jprechen dafür, daß in verjchiedenen deutichen Staaten in diefer Nichtung Tich bewegende gejeggeberische Neformen im Yaufe der nächiten Jahre zu erwarten jind. S 40. Die öffentlichen Abgaben des Landwirte. 193 Weitaus bedentender in ihrer Wirfung auf die Nente landivirt: Ichaftlicher Betriebe als die Staatsjteuern find die den landivirtichaftlichen Grumpdbefig belajtenden Gemeindeabgaben. Im Gegenjaß zu den eriteren jind die Gemeindeabgaben in den legten Jahrzehnten fait überall Itarf gejtiegen, und es tit deren zunehmender Druck durch das Hinzutreten der Abgaben für größere Selbitverwaltungsförper (Streife, Brovinzialverbände) und Durch Die Laften der fjoctalen Berficherungsgeleggebung wefentlich verjchärft worden. FZür die Staatsauffichtsbehörden ergiebt jich Daraus Die wichtige Aufgabe, nac) dem Make des ihnen zufommenden Einflujfes auf eine Hintanhaltung weiterer Steigerung und joweit möglich auf eime allmähliche Wänderung der Gememdeausgaben Hinzinvirfen. Hierzu it feineswegs jelten die Möglichfeit gegeben. u vielen, elbit fleinen Landgemeinden wird mitunter beim Bau von Schul und Nat- häujern ein baulicher Luxus entfaltet, Dev mit den ökonomischen Kräften diejer Gemeinden in Ichretendem Wideripruch Iteht. Andere Gemeinden haben jich Durch Ausführung monumentaler iieehenbauten auf Generationen hinaus eine jchwere Schuldenlaft auferlegt, die bei einer Bejchränfung auf einfachere und gleichwohl einer würdigen Gottesverehrung Rechnung tragende Bauweifen minder drücend hätte gejtaltet werden fünnen. Eine fräftige Einwirkung auf die jtaatlichen Baubehörden und auf die Ge- meinden jelber, die Baulichkeiten in den YLandgemeinden mit den öfonomijchen Kräften der legteren thunlichht im Einklang zu halten, fünnte manchen unerfreulichen Zuftänden des Gemeindefinanzwejens woirfjam begegnen. Wittelbar faun der Staat auch dadurch aufwandmindernd wirken, daß das Tempo von Maßnahmen, die aus allgemeinen polizeilichen Gründen eripünjcht ericheinen (namentlich im Gebiete der Gejundheits: und Neinlich- feits-Polizet), verlangjamt, und daß die aus bygienijchen Niückichten zu erlaffenden allgemeinen Borjchriften auf dem flachen Yande den Lebens- bedingungen Dafelbit, die ja wejentlich gümitiger liegen als in den Städten, angepaßt werden. sn allgemeinen fann man jagen, daß, je £leiner die Landgemeinden, je weniger günftig die Erwerbs- und Wirtjchaftsverhält- nilje jmd, unter denen die Eimvohner leben, je mehr die landwirtichaft- liche Unternehmerthätigfeit überwiegt und jede andere Erwerbsthätigfeit zurücktritt, dejto ungünftiger Tich die Gemeimdebeftenerungsverhältnifje geitaltet haben. Denn in Gemeinden diejer Art it die Summe des jteuer- pflichtigen Vermögens oder Einfommens verhältnismäßig gering, Die prozentuale Belajtung alfo verhältnismäßig groß, und da ein Anwachjen der Steuerwerte nur langjam oder auch gar nicht erfolgt, bei rein land- wirtichaftlichen Gemeinden unter Umständen jogar Nüchchläge aufweiit, jo pflegt jedes Anjchwellen des Gemeindeaufwands von einem jofortigen jehr empfindlichen Anziehen der Stenerjchraube begleitet zu jein. Wejentlich der Nücjichtnahme auf dieje jtenerichwachen Landgemeinden ijt e8 denn auch zuzujchreiben, daß im lebten Bierteljahrgundert fait überall in Deutichland eine Entlaitung des Gemeindeaunfwands durch Zus Budhenberger. 13 194 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Lajten des fandwirtichaftlichen Betriebs 2c. weijung von Staatsbeiträgen herbeizuführen verjucdht wurde, wie namentlich) im Gebiete des VBolfsichulwejens, des Stragenneubau- und Unterhaltungsweiens; und daß mit der Zeit in fait alle Staatsbudgets erhebliche Summen im jtets wachjendem Maße zur Subventionierung jolcher Gemeinden bet Ausführung nüßlicher Unternehmungen (insbejondere auch von Wafjerleitungen) eingeitellt worden find. In Preußen 5. B. betragen allein die Staatszujchüfle (Die gejeglichen und die auf Grund des Etats gewährten) für die Beitreitung der Volksjchullaiten in den Landgemeinden jährlich zwiichen 30 und 40 Millionen Mark. Mit der Behauptung der „einjeitigen Bevorzugung jtädtijcher Intereijen auf Kojten des flachen Kandes“, die für viele Bewohner des legteren nahezu zu einem Ölaubensjab geworden tjt, jtehen thatjächliche ‚seititellungen der vorerwähnten Art nicht ganz im Einflang; die Wahrheit tft, daß eim nicht unbeträchtlicher Teil der allgemeinen Staatseinfünfte, die in jteigendem Maße das nicht land wirtichaftliche Berufseinfommen liefert, zur bejjeren Befriedigung Lofaler Bedürfnifie des flachen Yandes und zur teilweiien Entlajftung von dem Drud lofaler Gemeindeiteuern parat geitellt wird. Dies it in der Ord- nung, entipricht dem Wejen des modernen Staats und erfordert feine bejondere Anerkennung, jollte doch auch aber im Streit des Tags über Bergünitigung oder VBernachläfligung beitimmter Erwerbsfreiie nicht gerade als unmejentliche Kleinigkeit bezeichnet werden. Die im allgememen ungünftige Entwidlung, die vielfach das Ge- meindeiteuerivejen auf dem flachen Yand gewonnen hat, läßt es begreif- (ich ericheinen, daß die neuen Lajten der VBerjicherungsgejeße, Die gleich einer Vermehrung der jonitigen öffentlichen Laiten wirfen, gegenden= weile recht jchwer empfunden werden; und man fan deshalb dem dann und wann im ländlichen SKreiien laut werdenden Unmut über diefe neue Belaltung um jo mehr eine milde Beurteilung zu teil werden lafjen, als der überwiegende Teil der ländlichen Bevölkerung nicht gewillt it, zu eimer Ddireiten Gegnerichaft gegen die Gejege als jolche und deren Zielpunfte überzugehen. Eine unbefangene Würdigung wird einräumen müjen, daß für Snduftrie und Handel die Aufbringung der joctalen Berjicherungstosten wejentlich leichter fällt, als für das landwirt- ichaftliche Gewerbe, das jeit vielen Jahren einer Summe ungünjtiger Erwerbsbedingungen begegnet; und daß der Zeitpunkt des Snslebentretens der joctalen Gejete und insbeiondere des Gejetes über Alters: und SIne validitätsverficherung für das landwirtichaftliche Gewerbe nicht gerade bejonders günstig fiel. Cine Nüdgängigmachung diejer Gejeße tft — das werden jich alle veritändigen Yandwirte jelber jagen — nicht möglich und zwar jchon wegen der Folgen nicht, die eine Schlechteritellung der ländlichen Arbeiter gegenüber den indujtriellen auf den ländlichen Alrbeits= marft ausüben müßte Und auch in der Art der Verteilung der Vers jicherungslaften zwijchen Arbeitgebern und Arbeitern, ebenjo in der Ord- $ 40. Die öffentlichen Abgaben des Landwirte. 195 mung des Zufchußweiens vom Neich werden wejentliche Änderungen fich nicht erzielen laffen. Wit den Berficherungslaften tt daher wohl im großen und ganzen als dauernden Laften zu rechnen. Cine reine Wehr: belaltung des Ausgabefontos jtellen Die vom Arbeitgeber zu zahlenden Berficherungsbeiträge übrigens deshalb nicht dar, weil die munmehr gegenüber den Arbeitern geübte joctale Fürjorge den Armenaufwand der Gemeinden im Sinne der Minderung, aljo günstig beeinflußt. Dieje Wirkung fan allerdings erit allmählich eintreten. Abichliegende Betrahhtungen. Die in diefem Stapitel nieder: gelegten Betrachtungen zeigen, daß die aus der ungünitigen Geitaltung des Ausgabefontos hergeleiteten Klagen umd Bejchwerden der ländlichen Bevölkerung im zwei wejentlichen Beziehungen begründet find: die Ar- beitslöhne find, bei qualitativem Nücgang des Arbeitermaterials und zu= nehmender Schwierigkeit in der Beichaffung ausreichender Arbeitskräfte, geittegen und micht minder weilen die öffentlichen Abgaben und Lajten, ungeachtet der mäßigen Abgabefäge für Staatszwede, wegen der Steige rung Des Gemeindeaunvands und des NHinzutretens der jocialen Wer- jicherungslaften in emer großen Anzahl von Gemeinden eine Zunahme auf, die manchmal wohl recht drücdend empfunden wird. sn Berbindung mit dem noch zu erörternden Sinfen der Getreidepreile und der reife anderer Bodenerzeugnije hätte jolche Steigerung wejentlicher Broduftions- fojten längit eine fir das landwirtichaftliche Gewerbe gänzlich uns hbaltbare Lage jchaffen müljen, wenn nicht eine Anzahl Faktoren mit aufwandsmindernder Tendenz gleichzeitig in Aktion getreten wären und jene ungünftigen Wirkungen zu eimem Teil abgejchhwächt hätten. Micht nur, daß eine Menge landwirtichaftlicher Bedarfs- artifel (wie landwirtichaftliche Majchinen, Straftfuttere und Dünge- mittel). gegenüber früher wohlfetler geworden find, nicht nur, daß Durd) den Ausbau des Straßen:, Schienen- und Kanalneges die Frachten für den Bezug und für den Berfandt ich verbilligt haben, nicht nur, daß eine Folge der vielgejchmähten fapitaliitiichen Entwicklung — das Geld wohlfetler und der Zinsfuß für Darlehen in jtändigem Weichen begriffen it, eS bat die neuzeitliche Entwicklung auch ermöglicht, viele Schäden und Unfälle, die ehemals die Yandwirtichaft bedrohten und jchwer auf ihr lajteten, entweder ganz bintanzuhalten oder doch in ihren nachtheiligen Wirfungen auf ein gegen früher erträglicheres Maß abzujchiwächen. Ver: heerende Tierjeuchen, die früher weithin die Beitände in ganzen Provinzen zu vernichten pflegren, haben heute ihren ehemaligen Schreden eingebüßt; fie treten zwar Jahr für Jahr auf, aber mehr und mehr gelingt deren Lofalifierung, und die Schäden, die fie zurücklafjen, bleiben in der Mehrzahl der Fälle nicht ohne Vergütung. Diefem Erfolge der Seuchenvolizei Itehen ebenjolche Erfolge auf dem Gebiet des Pflanzenjchußes zur Seite; aucd) hier werden durch das landwirtichaftspolizeiliche Eingreifen des Staats 13% 196 Fünftes Kapitel. Ausgaben und Laften des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. ährlich Millionen von Werten gerettet, die ehemals der Landwirt voll jeinem Verluftfonto zur Laft jegen mußte. Wo aber das landiwirtichaftss polizeiliche Eingreifen etwa verjagt, tritt eine mit jedem Sahr jich gedeih- licher entwidelnde Verficherungsorganijation in die Lüde, für den erlitte- nen naturalen Verlust den Erjat in Geld gewährend. Diejelbe Entwid- (ung des modernen Staats, die auf der einen Seite nicht immer günitig für den Landwirtichaftsbetrieb jich erwies, hat aljo nad) anderen Seiten hin doch auch vielfachen Gewinn gebracht; nicht nur Mehrbelajtungen, auch Entlaftungen des landwirtichaftlihen Ausgabefontos iind zu verzeichnen, was mehr, als gemeinhin gejchteht, von der land- wirtichaftlichen Bevölkerung anerfannt werden dürfte. Die Schwierigkeiten des landwirtichaftlichen Gewerbes wurzeln nun freilich nicht allein, ja nicht einmal vorwiegend in der gegenüber früher in einzelnen Beziehungen ungünftiger gewordenen Gejtaltung des Yıts- gabe>, jondern auch des Einnahmefontos infolge weichender Preife, deren Drucd durch zeitweife Abjasichwierigfeiten, ja jelbit Abjasitörungen noch verjchärft wird. Es joll Aufgabe des legten Kapitels jein, zu prüfen, ob dem Staat die Möglichfeit zu einem interventerenden Ein- greifen mit dem Ziel: die Abjab- und Preisverhältnijje wieder günstiger zu geitalten, gegeben ijt und welcher Art bejahendenfalls die diefem Ziel dienenden agrarpolitiichen Einrichtungen und Maknahmen jein fünnen. Scehftes Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs; die Marftpreisbildung landwirtfchaftlicher Erzeug- nilje und ihre Beeinflufiung durch die allgemeine Wirtichaftspolitif. $ 4. Beurteilung von Preisrüfgängen im allgemeinen und die Stellungnahme des Staats zu folhen Dorgängen; Aararkrifen, Das Endztel jeder landwirtichaftlichen Unternehmerthätigkeit it auf eine befriedigende Öeitaltung der Rentabilität gerichtet, denn nur ventable Unternehmungen, d. h. jolche, in denen das angelegte Kapital eine dem allgememen Zinsfuß entiprechende Berzinjung trägt und Die Arbeit des Unternehmers als jolche angemejjene Vergütung erhält, find (ebensfähig, und nur unter der Vorausjegung der Nentabilität it Die Erhaltung der wirtjchaftlichen Selbjtändigfeit des Unternehmers und Die Behauptung des ererbten oder erivorbenen Belibes denkbar. Ein anhaltend ungünftiger Stand der Bodenrente jchiwächt die Kaufkraft der ländlichen Bevölkerung und beeinträchtigt ihre Iteuerliche Lerftungsfähigkert, Führt Giüterteilungen, nötigt zur Aufgabe des Guts im freiwilligen oder YZiwangs- weg, hat Berfchiebungen in der Grundbefigverteilung im nachteiligen Sinn im Gefolge und erjchüttert jchlieglich denjenigen Erwerbsjtand im Bolf aufs tiefite, auf dejien Stabilität vor allem die Gleichmäßigfeit und Stetigfeit der Fortentwiclung der jtaatlichen Gejellfchaft beruht. Dauernd ungünstige Rentabilitätsverhältnifje, die mit dem Siechtum der bodenbewirtjchaftenden Klajien gleichbedeutend find, fann daher fein Staat, ohne Schaden am fich jelbjt zu nehmen, ertragen. Die Nente aus dem Grundbefiß, d. 1. der nach Beltreitung aller Betriebsausgaben und der auf dem Grund und Boden lajtenden öffentlicherechtlichen und privatsrechtlichen Verpflichtungen zur Verfügung des Wirtichafters bleibende Überjchuß ift ein Endproduft zahlreicher Einzelfaftoren. Einzelne diejer Faktoren unterliegen der Einwirkung des Einzelwirts, andere dagegen find solcher privaten Cimpirfung ent- 198 Sehites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs zc. zogen, dagegen in gewiljem Grade der Eimvirfung der jtaatlichen Gejeß- gebung oder ftaatlicher Verwaltungsthätigfeit zugänglich. Nun wird gerade in der Gegenwart von Vertretern der Landwirtichaft der Einfluß der Beriönlichfeit des Wirtichafters auf das Wirtichaftsergebnis in ungerechtfertigter Weije oft unterjchäßt, und es fehlt nicht an Auffafjungen, die die wirtichaftliche Verantwortlichkeit des Wirtichafters Diefem im wejent- (ichen abnehmen und auf die Allgemeinheit abwälzen möchten. In derz selben iibertreibenden Werfe wird in nichtlandwirtichaftlichen Streiien der Einfluß von Faktoren, die ji der Einwirfung des Wirt- ichafters entziehen, unterfhäßt und im ungerechter Weile dem Wirt- ichafter zur Lait gelegt, was die Folge einer von dem Willen und Ver- mögen des Wirtjchafters unabhängig jich vollziehenden VWirtichaftsent- wielung it. Aus diefen einjeitigen Betrahhtungsweijen hat ich dann folgerichtig im Streife der Landwirte ein UÜbermaß von Forderungen an die Staatsgewalt entwidelt, die in letter Linie für den gejchäftlichen Mißerfolg verantwortlich gemacht werden möchte, während man umgefehrt im gegneriichen Lager jedes Eingreifen des Staats zu Gunften des landiwirtichaftlichen Gewerbes als verwerfliche, gegen das Gemeinwohl verjtogende Begünftigung von Slafjen- intereiien zu fennzeichnen beliebt und abfälligiter Beurteilung unterwirft. Dieje einjeitigen Betrahtungsweijen treten ganz bejonders gegenüber den die Einnahmen des Landwirts beeinjlujjenden Faktoren zu Tage. Nun find gewiß die für die Höhe der Geldeinnahmen in eriter Neihe maßgebenden Bruttverträgnijie ganz vorwiegend das Ergebnis der Einzelbetriebsthätigfeit, alfo davon abhängig, in welchem Umfang die einzelnen Wirte die technijchen und öfonomijchen Betriebs- fortichritte fich anzueignen verjtehen. Keine Beweisführung wird daher die Wahrheit des Sabes je zu erichüttern vermögen, daß Die größere oder geringere Rentabilität, joweit fie von der Größe oder der Stleinheit der Bruttoerträgniffe abhängt, zu einem erheblichen Teil Verdienjt oder Schuld der landwirtichaftlichen Unternehmer jelber it. Im einer vorherrichend dem Geldverfehr unterworfenen Wirtichaftsorganijation jpielt aber neben dem Bruttoertrag einer Wirtjchaft der Marktwert der zum Verkauf ge- langenden Erzeugniffe, weil die Höhe der Geldeinnahmen bejtimmend, eine ebenfalls wichtige, keineswegs freilich eine jchlechthin ausjchlaggebende Rolle. Ein Heruntergehen des Marktpreijes fann unter Umftänden durch Steigerung des Produftionsertrags wett "gemacht werden, und in jedem Fall it der Preisitand im Einzelfall mitbedingt durch die Qualität des Produfts, deren Gradunterichiede durch die Behandlung des Produfts von der Saat bis zur Ernte und von der Art der Herrichtung zum Verfauf in mahgebender Weile beeinflußt werden. Diefe durch Die Berichiedenheit der Qualität bedingten Preisunterjchiede find durchaus nicht. unerhebliche; beijpielsweife wurden-in Hamburg am 10. März 1896 ge= zahlt: für holiteinevr Roggen 120—126 ME, für altmärter Roggen $ 41. Beurteilung von Preisrüdgängen; Stellungnahme des Staats. 199 130—140 ME, für hHoljterner und meclenburger Gerite 120—125 WE., fir Saales, jchleiiiche und DOderbruch gerite 140—205 DE.; für Gerite aljo Preisunterjchiede bis zu Bd ME. Es tft deshalb ein Srrtum, wenn man in landwirtichaftlichen Streifen neuerdings von der Beeinfluffung der Marktpreisbildung durch den Staat allein jchon und unter allen Umständen eine Beljerung der Abjat- und damit der Nentabilitätsverhältniiie enivartet; jelbjt ein jtaatlich organilierter Abjaß würde die Abnahme qualitativ ungenügender oder nur mangelhaft ee Vrodufte nicht oder Doc) nur unter Breisabzügen verbürgen. Dies gilt beijpielsweife von der Braugerite, die nur dann auf Abnahme zu lohnenden reifen rechnen darf, wenn fie den von den Brauereien zu Itellenden Anforderungen an Stärfegehalt, Keimfähigfeit 2. entipricht; Dies gilt in befonderem Nahe von allen Handelspflanzen, wie Tabat, Hopfen, Hanf. Daraus erhellt, daß die Vreisfrage zwar eine für die Nentabilität des Betriebs wichtige, aber doch nicht die einzig entjcheidende iit, und daß es deshalb auf einer Verfennung der thatlächlichen VBerhältnifje beruht, wenn nur den die Preisbildung günjtig beeinflufjenden Maßnahmen des Staats die Eigenjchaft von „großen Mitteln“, allen anderen, außer halb des Bereichs der Breisbildung ich bewegenden jtaatlichen ‚Fürderungs- maßnahmen aber, 5. B. jolchen, die auf dem Gebiet der landwirtichaft lichen Betriebstechnif liegen oder dem Bereich der Yandwirtichaftss md Sceuchenpolizei, des BVerficherungsweiens, der Streditorganilatton, Der Regelung des Grundeigentumverfehrs unter Lebenden und auf Todes- fall, der Verfehrs- und Stenerpolitif ze. angehören, in geringichäßtg urteilender Weije die untergeordnete Bedeutung „Fleiner Mittel“ beis gemejjen wird. Die für den wirtjchaftlichen Erfolg oder Wüßerfolg einer landwirtichaftlichen Unternehmerthätigfeit maßgebenden Faktoren find außer- ordentlich vielfältiger Natur, und man begeht eine Willfürlichkeit, aus diefer großen Zahl von Einzelfaftoren nur einen — die Marftpreisbildung — herauszugreifen und die Agrarpolitif eines Landes nach dem Maß der fünftlichen Beeinfluffung der Marktpreisbildung von Staatsiwegen zujtims mend oder abfällig zu beurteilen. Bei diefer Art einfeitiger Beurteilung iit eine Verjtändigung über die Zielpunkte einer vernünftigen Agrarpolitik zwijchen den jene Muffaljungen feithaltenden Vertretern der Yandwirtichaft und der die Intereffen aller Berufsftände und Bevölferungsklafien pflicht- haft abmejjenden Staatsraifon jchwer möglich. Es kommt Hinzu, dab der jtaatlichen Beeinfluffung der Marftpreisbildung für jenen Teil der landwirtichaftlichen Berfaufsprodufte, der nicht etiva dem mehr oder weniger entbehrlichen Genußverzehr dient, jondern notwendige Xebens- bedürfnisje befriedigen joll, beitimmte Schranfen gezogen find, wie fie fich) insbejondere aus der Nücdlichtnahme auf die wirtichaftlich Tchwachen Teile der Bevölkerung in betreff der Brotverjorgung ergeben. Und es iit augenscheinlich ungerecht, wenn aus jolchen, in der heutigen Zeit icharfer Stlaffengegenjäße zwingend gebotenen Nücjichtnahmen auf Die 200 Cechites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs zc. Intereffen anderer Bevölferungstetle der jchiwere Vorwurf der „Preisgabe (andwirtichaftlicher Sntereifen“ immer und immer wieder ab- geleitet wird. Die Einjeitigfeit der Auffaljung nihtlandwirtichaftlicher Kreije tritt umgekehrt darın zu Tage, daß ebenfo Necht wie Bedürfnis zu einem jtaatlichen Eingreifen auf die Warftpreisbildung zu Gunjten der Produzenten grundjäglich geläugnet wird. Im Sinn Ddiejer, der frei- händleriichen Denfweife entnommenen Betrachtungen entjcheidet über die Marktpreisbildung einzig und allein das freie Spiel der natürlichen Kräfte, wie es in dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage in die Erjcheinung tritt; Demm diejer natürliche Negulator der Preisbildung jorgt Schon von jelbit dafür, daß den durch den unaufhaltiamen Gang der wirtichaftlichen Entwiclung bedingten Preisveränderungen die Produktion jich anpaßt, und um jo rascher, je weniger der Staat durdy Eingreifen den natürlichen Berlauf der Dinge hemmt. Aus Ddiejer Anjchauung heraus wird dann wohl die Forderung abgeleitet, daß dem jtets im Snterejie der Konjumenten gelegenen Sinfen der Broduftenpreife die Produzenten durch Erjparnis an den Broduftionsfojten oder durch Eimengung der Vroduftion, die das Angebot entiprechend herabjeßt, zu begegnen fich bemühen jollen; find Tte dazu nicht imjtande, jo möge das Näpderwerf des Berfehrs mit Necht über jie hinweggehen. Diefer „Konjumentenitandpunft” it offenbar noch eimjeitiger, als derjenige der Produzenten, wenn Dieje verlangen, daß die Machtmittel des Staats zur fünitlichen Beeinflufjung der Wlarkt- preisbildung in Bewegung gejebt werden; denn er verfennt die großen wirtichaftlihen Störungen, die die dauernd ungenügende Nentabilität wichtiger Broduftionszweige für das Wirtichafts- und Erwerbsleben weiteiter Ktreiie nach ich zieht („wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit!”); er verfennt die Aufgabe des Staats als höchiter Wohlfahrtsgemeinschaft, jeine Machtmittel in den Dienjt aller Interejfen, nicht bloß derjenigen der Konjumenten zu stellen; er verfennt vor allem die große nationale Bedeutung des landwirtichaftlichen Berufsitandes als Des Erzeugers der notwendigiten Nahrungsmittel, dejjen Träger jtaatlihen Schuß und Fürjorge mit Necht Iichon deshalb er=- warten Dürfen, weil feine noch jo blühende Entwidlung von Handel und Industrie für das Siehtum der breiten Mafjen der Yandbevölferung Erja gewähren fann, wober auf die Aus- führungen in dem einleitenden Abjchnitt (S. 44 ff.) zu verweijen ift. Endlich) widerjtreitet eS aber auch dem fittlichen Empfinden, wenn der Staat dauernden Notitänden lediglich deshalb, weil fie mit Veränderungen der Preis- lage zujammenhängen, mit verjchränften Armen fich gegenüberjtellen wollte. Aus diejen Gründen fann die Berechtigung zu einer ftaat- lichen Einwirfung auf die Marftpreisbildung landwirtichaft-, liher Erzeugnijje an jich und grundiäglich nicht beanstandet werden, jofern Dieje Marftpreisbildung in einer die Erijtenz $ 42. Die Preisummälzungen der Gegenwart und deren Urjachen. 201 des landwirtichaftlichen Berufsitandes gefährdenden ung ich vollzieht und der ungünstigen Wirfung Diejer Berändes rungen in der Breisbewegung nicht auf anderm Wege begegnet werden fann. Ob md im welchem Umfang legteres möglich üt, üt eine Ihatjrage, und die Frage der Notwendigkeit jtaatlicher Intervention im Gebiet der Marftpreisbildung fann und muß danac) länderweile ver- ichieden beantwortet werden. Auch wenn eine Beahung der Frage ich ergiebt, jo ilt damit für die Löjung des Problems jelber noch nicht viel gewonnen. Denn es frägt jich weiter, in welcher Weife eine jolche jtaat- liche Beeinfluffung möglich und ausfichtsvoll ericheint und welcher eg zur Erreichung des Ziels danach einzufchlagen Üt. Der heftige Tages= itreit, wie er jeit Jahren in eimer früher faum dagewejenen Schärfe ges führt wird und die Wellen der Erregung im immer weitere Streije der Landbevölferung trägt, dreht jich denn auch weniger um das DOb?, als um das Wie? Dad eine Bellerung des Breisitands der landwirtichaft- lichen Erzeugniffe und befonders der hier Hauptlächlich in Betracht fome menden Getreidefrüchte erwünscht je, wird, hingejehen auf Die jtarf ge= minderte Konjumtionsfähigfeit der getreidebauenden Bevölferung, heute jelbjt in weiten Streifen des Handels umd der Smdujtrie nicht mehr tm Abrede gejtellt, nur über die Wege zum Ziel entfacht jich mehr und mehr der Kampf. Das Urteil hüben und drüben wird begreif- licherweile durch die Meimung, die man fich über die Urjachen Des Preisjturzes gebildet hat, wejentlich beeinflußt. Es it daher zumächit die Entwicklung, die die dermalige Umwälzung in den Pretjen tm Gefolge hatte, prüfend ins Auge zu faljen. Erit mit der Gewinnung einer rich- tigen Erfenntnis in diefe Entwicklung und ihre Begleitumjtände wird über die Zwecmäßigfeit und den Erfolg von Heilmaßnahmen des Staats im Gebiet der Marktpreisbildung landwirtichaftlicher Produkte ein zus treffendes Urteil ermöglicht jet. $ 42. Die Preisumwäßungen der Gegenwart und deren Urfachen; die Befetse der Preisbildung landwirtichaftliher Erzeuaniffe; Einfluß der modernen Derfehrsmittel auf Abjas und Preisbildung. Agrarfriien, d. hd. Zuitände, die ich durch anhaltenden, die Bes hauptung des Befiges erjchwerenden, die große Mafje der bodenbewirt- ichaftenden Klafien in Weütleidenschaft ziehenden Nüdgang der Bodenrente fennzeichnen, fönnen durch eine Neihe aufeinanderfolgender jchlechter Ernten (wie nicht jelten in Nufland und Smpdien), Durch das ver= heerende Auftreten von PBilanzenjchädlingen (Vernichtung des jüdfranzöfiichen Nebbaues durch die Wurzelveblaus!), ferner durch Störungen im Streditverfehr infolge Mangels von Kapital zur aus= reichenden Befriedigung des landwirtichaftlichen Kredits bei maljenhafter Kimdigung von Hypothefenforderungen (Kreditfrijis der jechziger Jahre in Mittel- und Norddentichland!), endlich durch anhaltenden Tiefjtand 202 Schhites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. der Preije aller oder einzelner landwirtichaftlicher Wrodufte, d. H. durch Breisrevolutionen veranlaßt jen. Dieje legteren Srifen find in der Negel die empfindlichiten, wel fie im Gegenjaß zu den duch Nüßernten oder Störungen im Streditverfehr veranlaßten die große Mafje des land- irtjchaftlichen eu la zu ergreifen pflegen, ferner weil fie häufig einen jchleichenden Verlauf nehmen, eben deshalb aber dem Wohlitand der beteiligten Kreife die Jchwerjten Wunden jchlagen. ine jolche dur) ungewöhnlichen Tiefitand der WBreife der Körnerfrüchte verurjachte Krifis trat im Deutjchland in den 20er Jahren auf, und es fehlt nicht an Stimmen, die jene Agrarfiiis mit der jebigen in Bergleich jeßen und aus dem Werlauf der eriteren Schlüfle auf die Gegenwart ableiten zu Dürfen glauben. Diejer Vergleich it indejjen ein nicht ganz glüclicher; die Urjache der Krifis der 20er Jahre liegt wejentlich in der ımunter- brochenen Me guter bis jehr guter SKürnerernten in dem größten Teil von Deutichland und in dev Unmöglichkeit der Unterbringung diejer Ernten, jeit nach Erlafliung des englischen Storngejeßes von 1815 die Ausfuhr von morddeutichem Getreide nach England unterbunden war und auch Frankreich nach Beendigung der Napoleonischen Striege und ebenjo Schweden und Spanten der Einfuhr fremden Getreides jich mehr und mehr verjchloifen, der Getreidehandel alfo jehr ins Stoden geriet. Die ungenügende Ausbildung des Kommunifationsiweiens jener Zeit, welche Eijenbahnen noch nicht fannte, während Doc Landtransporte von Setreide auf längere Streden ausgejchlofjen find (Hehe S. 158), verschärfte den Zuftand der Abjaglofigfeit, deren fritiicher Charakter in den mafjen- haften Kapitalfündigungen und Jwangsvollitreefungen bet jtarfeın Iteder- gang der Bodenpreife deutlich zu Tage trat und abenteuerliche VBor- ichläge und Heilmittel (zwangsweile Vergrabung der überjchüffigen Ktornvorräte, um das Sornangebot zu mindern!) zeitigte. Die jeßige Krifis in einem großen Teil der Landwirtichaft tt zwar wejentlich auch durch den Tiefitand Der Getreidepreije verur: jacht, die Erklärung für diefen Tiefftand aber nicht in vorübergehenden Urjachen (vajche Aufeinanderfolge ungewöhnlich guter Ernten), jondern in Urjachen von mehr dauerndem Charakter zu juchen, nämlic) darin, daß neue, große, jeit Sahrzehnten an Ausdehnung gewinnende Ktornproduftionsgebiete dem Welthandelsverfehr erjchloffen worden jind und vermöge der günftigeren Erzeugungsbedingungen die alten Stulturs länder nachhaltig im Preis zu umterbieten vermögen. Auch wird Die jeßige Krifis durch eine Anzahl mißlicher Begleitumftände (Beichräns fung des Preisiturzes nicht auf das Getreide allein, jondern auf eme Anzahl anderer Erzeugniffe: Flachs, Hanf, Wolle, ni 2c., zeitliches Zujammenfallen des PBreisiturzes mit Schwierigkeiten des LYohnmarktes) nicht umvesentlich verschärft. Um die Agrarfrifis der Gegenwart und ihre Kriegen richtig zu begreifen, it es micht überflüflig, Sich die Borgänge der $ 42. Die Gejeße der Preisbildung landwirtjchaftlicher Erzeugniffe. 203 Marktpreisbildung für Getreide jebt im Vergleich mit früher vor Augen zu halten. Sn der rüdwärts liegenden Zeit bis zur Mitte des Jahrhunderts vollzog Sich die Preisbildung des Getreides, wie bei andern landwirtichaftlichen Erzeugnifjen auch, in engiter Wechlehvirfung mit dem Ausfall der Ernten. Die Breife waren hoch bei einem schlechten, niedrig bei einem guten Ernteausfall, eriteres, weil die fornbedürftigen Gegenden die erheblichen Koiten des damals noc) überwiegenden Landtransports tragen mußten, leßteres, weil dem Wüttel, einem lofalen Kornüberfluß durch Abjab auf weitere Entfernungen zu begegnen, dasjelbe Hindernis der Transportfotenbelajtung der überjchüfligen Getreidemengen entgegenjtand. im Export von Getreide in größerem Umfang und auf weitere Entfernungen fonmnte jich im allgememen mur da entwickeln, wo der billige Wafjerweg zur Verfügung Itand, beijpiels- weile aus den Slornproduftionsgebieten Norddeutichlands nach Dei fandinaviichen Staaten und nac) England. War tm Diefer Art der Marktpreisbildung für die brotfonjumterende Bevdlferung ein uıs erwünjchter Zuftand weitgehender Abhängigfeitvon lofalen Bro- dDuftionsverhältniiien begründet, jo jchuf fie für die ornprodus senten jelber einen wertvoll empfundenen Ausgleich für Die zufälligen Schwanfungen der Jahreserträgniije Dem Auf- umd Niederichwanfen der Getreidepreile, die den Schwanfungen der Korn= erträgnifje innerhalb ziemlich engumschriebener Grenzen folgten, war, jo lange diefe Art der Preisbildung fich behauptete, für die Produzenten die gefährliche Spite genommen und in der Art der Preisbildung eine Art natürlicher Bersicherung gegen die YZufälligfeiten der Sahreswitterung und der Ernteausfälle jelber gegeben. Sn der Gegenwart, wo nicht bloß etwa mur die Gebietstetle des Einzelitaats untereinander, jondern alle, jelbit die entlegeniten Staaten durch Schienenwege und die Möglichkeit billigen Wafjertransports räumt= lich fich außerordentlich nahe gerückt find, fann der lofale Ernteausfall auf die Preisgeitaltung einen Einfluß nicht mehr ausüben. Vielmehr itreben die Getreidepreije von Land zuLand einer gewillen Gleich- jörmigfeit zu umd find auch die zeitlichen Unterfchiede geringer geworden als chedem, weil für die Berforgung der einzelnen Yänder mit Getreide nicht mehr das zufällige territoriale Ernteergebnis, jondern das Ernteergebnis der ganzen Erde in Betracht kommt, letteres aber jahrweije infolge der Ausgleichung der Witterungsverhältnifje nur vers hältnismäßig geringen Schwanfungen unterliegt. Die Preisbildung vollzieht jich daher nicht mehr jowohl regional und national als international, und beitimmend für die jeweilige Preislage einer einzelnen Getreideart ilt das jeweilige Welternteergebnis und der Berfehrs- bedarf der Haupteinfuhrländer, jo daß als Gentralmarft 5. B. für Weizen England anzufehen it und die engliichen Weizenpreife für den= jenigen des europätichen Kontinents ebenfalls maßgebend werden. — Die 204 Sechites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs ıc. allgemeine Breisregel, daß die Höhe des Preies für eine Ware fich nach den Erzeugungsfoften derjenigen Broduftionsjtätten richtet, die unter den ungünftigiten Bedingungen produzieren, deren Produftionsergebnis aber zur Befriedigung des Bedarfs des Marftorts noch notwendig iÜt, trifft heute im Gebiet der Getreideproduftion faum mehr zu, indem jeit der Erjchliegung der großen Kornfammern des europätichen Oftens und der transatlantiichen Ländergebiete die dortigen Erzeugungstojten zuzüg- lich) der Eifenbahn= und Seefrachten die Grundlage für die Bildung des Setreidepreifes für die mittel- und wejteuropäiichen Staaten bilden, während die Höhe der Erzeugungsfoften in den leßteren felber auf die Breisbildung einflußlos geworden tt. — Der VBorjprung aber, den die vorgenannten Yändergebiete vor den Ktornproduzenten in Mittel- und Vejteuropa voraus haben, gründet Jich auf das geringe Anlagefapital in Grund und Boden und die verhältnismäßig niedrigen Be=- itellungsfoiten; in dem Haupttonfurrenzgebiet für Getreide, den Ver- einigten Staaten von Nordamerifa, konnten bis vor furzem die im Belit der Union befindlichen Ländereien von den Anfiedlern um einen Preis, der wenig mehr als die Eigenfchaft einer Nefognitionsgebühr hatte, euiworben werden, md eim großer Teil der in Beltellung genommenen Weizen- und Waisfelder trägt ohne Düngung viele Jahre hindurch reiche Ernten; die ebene, von Steinen und Wurzeln freie Bechaffenheit des PBräriebodens ermöglicht Daneben in großartigitem Maßitabe die Anwendung arbeits- parender Nafchinen (Dampfpflüge, Erntemafchinenze.). Die Erzeugungs- fojten für Getreide find deshalb um ein vielfaches niedriger als in den alten Kulturjtaaten, wo infolge der hohen Bodenpreife, der Notwendigfeit regelmäßiger Düngung, der hohen Arbeitslöhne 2c. Die Produftionsfoiten eine ausgeiprochene Tendenz zum Steigen aufveilen, jo daß der Wettbewerb von außen her doppelt jchwer auf ihnen lajten mußte. — Diejer Wettbewerb Iteht aber mit der Ausbildung Des Eijenbahnnebes und eines vervollfommmeten Frachtenwejens zu Yand und zu Wafler und mit der Thatjache der jtufemveilen Herab- jegung der Eijenbahn: und Wafjerfrachten für die Weafjenbeförderung von Getreide wie Wirfung und Urjache in immigjtem Zulammenbang; und die Berfrachtungsmöglichfeit des Getreides auf weitejte Entfernungen hin hat hinwiederum der rapiden Beliedelung der ungeheuren Territorien Kordamerifas und deren Einbeziehung in die etreideproduftton, Des: gleichen der wachjenden Zunahme des Weizenbaues für Zwecde des Erports in Britiich-Dftindien, in Auftralien, in einzelmen füdamerifanischen Staaten (Argentinien) mächtigen Vorjchub geleistet. Co daß man wohl Jagen darf, es jei Die technische Berwertung der Dampffraft in diejem Sahrhundert für die ZJwede der Güterbeförderung in eriter Linie gewejen, die eine Nevolutionierung der Öetreidepreile und Damit eine tiefgreifende Umgeftaltung der Abjabverhält- nijje in den Ktornländern der alten Kiulturfjtaaten im Gefolge $ 42. Die Gejeße der Preisbildung landwirtichaftlicher Erzeugniffe. 205 hatte, wie jte in Ddiejer Ausdehnung nach Naum und Zeit die Wirtihaftsgeihichte faum je aufgewielen haben dürfte. Wie jehr die überjeeiiche Konkurrenz (Nordamerifa, Argentinien, sndien), desgleichen die Konkurrenz der Getreidvebaugebiete des Füdlichen Nußlands via Odelja jchon allein duch die tete Herabjeßung der Wafjerfrachten an Ausdehnung gewinnen mußte, läßt ich den folgenden Zahlenangaben deutlich entnehmen: Es ftellten jich die durchjchnittlichen Srachtläge für Getreide mit Dampfer von New=N)orf bis Hamburg für 100 Bid. engliih (= 45,359 kg) im Jahre 1889 auf 0,78 ME, da- gegen 1895 auf 0,57 DiEf., von der unteren Donau nah Hamburg für eine Tonne im Jahre 1870 auf 37, 1895 auf 11 ME Die Waffer- jracht Chicago — New-N)ort— Hamburg (10000 km) betrug 1895 für eine Tonne Getreide 18,99 ME. (alfo für den Doppelzentner rund 1,90 WE); Diejer Betrag von 18,99 ME. wirde einer Bahnfracht auf Deutichen Bahnen für 396 km entiprechen; es fünnen alfo Broduftions- gebiete, Die weiter als 396 km von Hamburg entfernt liegen, mit Chicago, troß jeiner Entfernung von 10000 km, die Ktonfurrenz nicht mehr auf- nehmen. Diejer Seefrachtenrücdgang hat Tich jelbit in den legten Jahren noch fortgejegt; Die Fracht von Indien nach Notterdam und Ant- werpen berechnete jich 1895 auf 20,70, 1896 dagegen mur noch auf 12,16 DE. Nach eben diejen PBläben war im Jahre 1896 der Fracht- lat pro Tonne: ab Schwarzes Meer 11,61 ME, ab New=Mort 10,72 ME., ab La Blata 15,25 DE. Berücfichtigt man, dal die Waflerfracht Notterdam— Mannheim auf 7,46 Wi. fich ftellt, jo fojtete alfo der Transport eines Doppelzentners Weizen nach Mannheim: ab Schwarzes Meer 1,91 ME., ab New-Norf 1,52 ME, ab La Plata 2,28 ME. — Als bejonders bemerkenswert in diefer Hinficht mag noch angeführt fein, daß die often der Beförderung von 1000 kg indiichen Weizens von Sawnpur am Ende des Gangesfluffes bis nach Hamburg ich jtellten: 1876/80 auf 83,26 M£f., 1891/95 dagegen auf 42,64 ME, d.h. um 44,61 ME. im lebten HYeitrauım niedriger; der Preis mdischen Weizens in Hamburg ohne Zoll war 1876/80 203,30 WE, 1891/95 dagegen 167,80 WE., d. bh. um 55,50 ME. niedriger, jo daß nicht weniger als >/, der Breisermäßigung des indiichen Weizens auf Nec- nung der verminderten Iransportfoiten gejeßt werden muß. Angefichts diejer Ziffern, in Verbindung mit einer an’s Wunderbare grenzenden Ausbreitung der Schienemvege in der alten und neuen Welt (in Nordamerifa Länge der Eifenbahnen 1860: 49016 km, 1891: 274497 km), haben die folgenden beifpielsweiien Zahlenangaben nichts Überraichendes mehr: 1869 betrug in der nordamerifaniichen Union die IWeizenfläche nur I Mill, 1889 aber nahezu 16 Will. ha, die jährlichen Weizenerträgnifle 1850 35,4, 1870/79 109,9, 1890/93 169,7 Mill. hl, die Ausfuhr 1841/50 0,46, 1871/80 26,6, 1881/90 25,2, 1891/94 36,8 Mill. hl. 206 Sedites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. Argentinien hat in der Zeit von 1895—1895 jein Weizenareal von 240000 ha auf 2,4 Will. ha erweitert, d. h. verzehnfacht; die Weizen- ausfuhr Diejes Landes, vor wenigen „Jahren noch ganz unbedeutend (1859 450000 Btr.), hat 1893 die Höhe von 20 Mill. Ztr., 1894 von 32 Dill. Ztr. erreicht. Rußland führte in den fünfziger Jahren nur etwa 6 Mill. hl, 1889 dagegen 37,7 Mill. hl Weizen aus. Auch die Ausfuhrfähigfeit Indiens ijt jeit der Aufichliegung diejes Neichs durch Schienenwege und infolge der Verbilligung der Wafjerfrachten jehr ge- ittegen, wennjchon die jährlichen Produftionsziffern in großer Abhängig- feit von dem rechtzeitigen Eintritt der Negenperiode itehen; 1876/88 wurden Durchjchnittlich jährlich 4,5 Mill. engl. Ztr. Weizen (= 58,8 kg) und 21,4 Will. Ztr. Neis, 1888/89 dagegen 17,6 Mill. Ztr. Weizen und 22,7 Mill. Ztr. Neis ausgeführt; 1892 ftieg die Ausfuhr von indiichem Weizen jogar auf 30,3 Mill. engl. Zr. Diefer bis in die legten Jahre raitlos jich vollzichenden Ausdehnung des Körnerbaues in Yändern mit niedrigen Bodenpreifen, darunter jolchen mit eimer denfbar anjpruchslojen Bevölkerung (Rußland, Indien), Ddiejer taschen Aufichliegung neuer und alter Getreidebaugebiete durch Schienen- wege und Wafjeritragen bei jtändig fallenden Frachtiägen, und diejem mit wenigen Unterbrechungen jtets veichlichen Angebot von Getreide folgt mit zwingender Notwendigfeit ein Sinfen der Getreidepreije. Es jtellen fich z.B. für Preußen die Jahresmittelpreiie in Mark für 1000 kg: IV Sn den Fahren: Weizen: Noggen: Gerite: Hafer: 1861/10 72 2 a a 2043 154,7 138,2 134,5 EST KL] 1 a a U 55) 172,7 166,4 1570 1831/90 ° 2°... =, 181,0 1520 SaTasr lee 1891... or 8980 N, Vo HE TOIZE 9 SU 178,0 146,0 149,0 Er BE ADDEN 135,0 143,0 158,0 18941. 7.7 2729771320, 11707 110 0M 1899" 92, ser Des) 119,0 122,0 119,0 Sebt man den Durchichnitt der Preife für die Periode 1861/70 gleich 100, jo verhalten fich die Preife, in Prozenten diejes Durchichnittes ausgedrüdt, zu einander wie folgt: sn den Jahren: Weizen: Noggen: Gerite: Hafer: LSTL/B0: I Er ET NIS 111,6 120,4 1467 [3100 Are 88,9 98,2 106,5 105,3 Boah aD 2 134,4 123,7 127,8 ke Pr PR ER PERRE, 92,6 ua 105,6 110,7 Kara N as 74,5 87,2 103,4 117,4 t0,0 2 WS 9 64,6 15; 101,3 107,4 > ER RN BE re I DEE 76,2 88,3 58,4 8 42. Einfluß der modernen Verfehrsmittel auf Abjag und Preisbildung. 207 Ahnlich Die Preisbewegung in Süddeutichland; z.B. wurden am Plage Mannheim für 1000 kg folgende Preije notiert: Sn ben Sahren: ne a ie a Be... ...0,249,9 212,9 194,3 212,7 LES NS oe 2 es >: 609) 218,6 156,9 99) mo... 9045: 1888... 1684: 128,4 SS re ER No) 0) 154,6 177,3 122,3 Be 2 150,7 130,3 153,3 116,2 Based... .? 151,3 128,7 157,8 Kol 1596 IX ;8, 4 132, 8) 61,7 94,7 Wie aus ehebenber Tabelle zu entnehmen, hat die jeit 1891 einjegende jtark vücläufige Bewegung der Getreidepreife jeit 1895 einer freilich nun bejcheidenen Preisbejjerung Plab gemacht. Dies trifft nicht nur fir Mannheim, jondern auch für andere Hauptgetreidehandels- pläße zu, nur Noggen hat in Norddeutichland im Jahre 1896 die Preis- bejjerung des Sahres 1895 nicht behauptet. Es jtellten jich die Preife für 1000 kg: a DBeizen. Noggen. Sr NEE Berlin: Danzig:!) München: Berlin: Danzig:?) München: en: Br. DM. m. SI BE. 1891. . 224,2 178,1 239,3 211,2 208,1 210,4 180202007. 100,4 158,1 205,5 176,3 174,2 181,9 13032 el, 125,8 174,0 133.7 123,4 145,1 894, 7°°5601 102,6 155,8 1148 120,4 122,5 18997. 2 142,5 107,9 164,3 149,8 116,2 134,7 1990.. = :=196,2 117,9 174,5 118,8 111,8 146,8 Wenn im Sinne der voritehenden Ausführungen die Haupt urjachen diefes aus den vorstehenden Tabellen mit aller Deutlichteit zu entnehmenden Kiedergangs der Ve : im legten Jahr: zehnt in einer durch die gejunfenen Bahız und Wailerfrachten ermöglichten außerordentlich rajchen der Welt-Ge- treideproduftion, der die Zunahme des Welt-Getreideverbrauchs nicht in gleichem Tempo folgte, aljo in einer mindejtens jahrgangweije her- vortretenden thatlächlichen Überproduftion liegen, jo wird man nicht ohne Grund annehmen dürfen, daß die Preije fich wieder heben werden, wenn nur erit einmal Produftion und Bedarf auf der Erde fich wieder werden ins Gleichgewicht gejeßt haben. Infolge der rajchen Zunahme der Bevölkerung eines Teils der europäiichen Staaten und namentlich) in Deutschland jelber, desgleichen infolge des Anwachjens der Bevölfe- rung in Nordamerifa müijen die für den Weltbedarf verfügbaren Getreideporräte mit der Zeit fleiner werden, und diefer Jeitpuntt (iegt vielleicht gar nicht jo fern. Denn in Nordamerifa find die beten D) ») Tranfit unverzolt. — ?) Ware zum freien Verkehr. 208 Sectes Kapitel. Die Einnahmen des Tandwirtfchaftlichen Betriebs 2c. Getreideländereten längjt in Benußung genommen Yporden und die wach: jende Bevölkerung nimmt jährlich Itets größere Mengen der in Amerika gebauten Brotfrucht auf. Hat doch in Nordamerika, einschließlich Kanada, die zur Ausfuhr verfügbare Menge zwifchen 1893 und 1895 jich um 15°/, vermindert. Sn Rußland und Indien aber jind eimer jtarfen weiteren Zunahme des Getreidebaus, Dort durch die relative Dinnheit der Bevölkerung und den immer noch großen Mangel an Kommunifationss mitteln, der noch lange nicht gehoben jein dürfte, Hier Durch Elimatijche Berhältniffe Mangel an Negen in weiten Flächen diejes Neichs) beitimmte Schranfen gelegt. Hierzu fommt, daß die brutale Art des Naub- baus, wie er auf jungfräulichen Böden eine Neihe von Jahren möglich it, mit der allmählichen Erjchöpfung der Böden von jelbjt aufhören und einer geregelten, aber auch fojtjpieligeren Wirtjchaftsweiie (Notwendigkeit regelmäßiger Düngung!) weichen muß. Sobald diefer Wendepunkt eintritt, muß entweder die Wroduftivn auf den ausgebeuteten Getreideländereten aufgegeben oder die Möglichkeit der Fortführung des Getreidebaus durch Yewilligung höherer Getreidepreife gegeben werden. sn dem einen wie in dem andern Fall, ebenjo mit der allmählichen Zunahme der Löhne in diefen transozeanischen Ackerbauftaaten, die für Argentinien und smodten lich jebt Ichon bemerkbar macht, it mit einer Erhöhung des Weltmarkt: preijes für Getreide zu rechnen und nur der Zeitpunkt des Eintritts diejer Erhöhung entzieht Sich jeßt noch menschlicher Berechnung.) ‚sreilich wird der Anficht, daß die Urjache der niedrigen Getreide- preife vorwiegend in einer thatjächlichen Überproduftion zu finden jei, jeit Sahren in landwirtichaftlichen Streifen vielfach wideriprochen; doch it diefe Meinung mit der Thatjache, daß die Heranziehung beliebig großer Kornmengen aus dem Ausland in das snland in feinem der rückliegenden Jahre auf Schwoierigfeiten gejtoßen tt, nicht wohl in Ein- flang zu bringen; und es wird auch nicht hinreichend beachtet, daß jelbjt verhältnismäßig fleine Plusvorräte im Getreide, die an irgend einer Stelle des Weltmarfts umnterzufommen juchen, eine preisermiedrigende Wirkung ausüben fünnen. Mean beachte, daß in Deutjchland in den Jahren 1891/96 an Weizen 905332, 1296213, 703453, 1153 837, 1338178, 1652705 Tommen, an Roggen in demjelben Zeitraum 842 054, 548599, 214262, 653 625, 964802, 1030 670 Tonnen eingeführt worden find; Yahlen, die im Zufammenhang mit der That- jache, daß im den neunziger Sahren Deutjchland jelber wiederholt reiche Hetreideernten hatte und day die Breife von 1891— 94 jtändig gefallen find und Die Preishebung von 1895 ab nur eine jehr mäßige tft, Doch mur unter der Borausiegung erflärbar find, daß die Entnahme jolcher großen Smportmengen vom Weltmarkt irgend nennenswerten Schwierigkeiten nicht begegnete. Gleichwohl erfordert die Frage, ob neben einer noch immer vorhandenen veichlichen Weltproduftion am Getreide, die den Schwanz ", Sn der II. Hälfte des Kahres 1897 ift bereits ein bemerfenswertes Anziehen der PBreije erfolgt. $ 43. Getreidepreije und Erzeugungsfoften. 209 fungen des Getreidebedarfs der einzelmen importbedürftigen Länder Sich leicht und mühelos anzupafjfen vermag, nicht auch noch andere Faktoren auf die Öetreidepreije preiserntedrigend eimpirfen, eime jorgfame Wirdi- gung; zumal eine Neihe neuerer agrarpolitiicher Forderungen gerade eben auf dieje behauptete preiserntedrigende Tendenz einer Anzahl anderweiter, abjeits der Getreide-Produfttonsverhältnifje liegender Faktoren sich Ttüßt, wobei namentlich das VBorhandenjein zahlreicher Getreidelagerhäufer, in denen das eingeführte Getreide zollfvet lagern darf, ferner der börien- mäßige Terminhandel in Getreide umd -die geltenden Wäh- rungsperhältniife im Ddiefer Beweisführung eine Nolle jpielen. Die unten folgenden Darlegungen werden zeigen, daß nur bezüglich des Ter- minhandels in Getreide die behauptete ungünjtige Eimwirfung auf die Breije einen gewilfen Grad von Wahrjcheinlichfeit hat; fie werden aber weiter zeigen, daß der ungünstige Preisitand für Getreide (und für andere landwirtjchaftliche Erzeugniffe) gegendenweile auch mit Mängeln md Lücen der Produktions und VBerfaufsweile im Zufammenhang jteht. $ 45. Getreidepreife und Erzeugungsfoften; die Folgewirfungen der neuzeitlichen Preisummwälzungen, insbefondere bei Getreide; Derfchieden: heit der Wirkungen nah Produftionsrihtung und Größenklaffen des Betriebs. Betrachtet man die Zahlen der auf Seite 206 abgedrucdten Tabelle, wonach, verglichen mit den Breifen von 1861/70, für den Bereich Breußens die Weizenpreife 1894 und 1895 im Verhältnis von 100 : 64,6 und 67,6, die Noggenpreife im Berhältuis von 100 :75,5 und 76,2 gefallen find, eime ähnliche Breisbewequng überall in Deutjchland zu beobachten und Die jeit 1895 eingetretene Preishebung nur eine mäßige it, jo darf nicht wundernehmen, daß jeit langer Zeit die lagen über Die mangelnde Nentabilität des Getreidebaues ganz allgemein hervortreten, bejonders lebhaft aber in den legten Jahren (jeit 1893) zum Ausdrucd famen, wo ein Tiefjtand der Breije jich einitellte, der nur von der fritiichen Yeit der 20er Sahre übertroffen wurde. Bon welcher Breisgrenze ab der ©etreidebau eine Nente nicht mehr ab- wirft, läßt fich freilich mit Beitimmtheit nicht behaupten; denn die De- dingungen, unter denen die Landwirte wirtichaften, ind vielleicht nirgends die ganz gleichen, vielmehr je nach Güte der Böden, Lage der Grund- tüde zum Wirtichaftshor und Diejes zum Markt, Größe des Anlage- fapitals 2c. ganz außerordentlich verjchieden. Berechnungen über Die Broduftionsfojten von Getreide fünnen deshalb immer nur auf annähernde Nichtigkeit Anjpruch machen. Für ein größeres in Hannover gelegenes Gut hat eine Autorität auf dem Gebiete land- wirtichaftlicher Betriebslehre (Drechsler) die Broduftionstoften pro Jentner (Aufwand für Arbeit, Düngung, Einjaat, Ernte, Versicherung, allgemeine Wirtichaftskoften, Zinjen von Betriebs- und Grundkapital) berechnet wie Budhenberger. 14 210 Sehites Kapitel. Die Einnahmen des Yandwirtichaftlichen Betriebs zc. folgt: Für Weizen auf 8,85 ME, für Noggen auf 7,08 ME., für Hafer auf 6,8 ME, und bei 14 anderen Wirtichaften jchwanften die Broduftionsfoiten für Weizen zwiichen 6,53 und 9,6 WE, bei 12 Wirt: ichaften für Roggen zwilchen 5,36 und 8,26 Mi. Für das Slönig- veich Bayern wurden im Durchjchnitt verjchiedener Gegenden als Broduftionsfojten ermittelt: für Weizen 7,82 ME, Roggen 7,80 ME, Hafer 6,09 MeE., Gerjte 5,46 DE. Wieder andere Berechnungen, unter Zugrumdelegung mitteldeuticher Verhältnifje, jtellten als Pro- duftionskoiten für Weizen einen Sab von 8,40 und für Noggen von 7,32 DE. jeit. Nenerliche bejonders jorgfältige Berechnungen über eine Anzahl Güter in Norddeutichland (von Hoppenjtedt-Hannover herrührend) weten überzeugend nach, daß “reife, wie fie in den Sahren 1894 und 1895 beitanden haben, einfach ruinös find und daß jelbjt der Durchichnittsitand der Breite des Sahrzehnts 1886/95 eine ungenügende Berzinjung der werbenden Kapitalien brachte. — Sit alfo zwar in allen Nentabilitätsberechnungen eine gewilje Unterjchied- lichfett der Ergebnifje vorfindlich, jo lafjen jene doch den bejtimmten Schluß zu, daß in einer Anzahl rückwärts liegender Jahre in vielen Wirtjchaften der Getreidebau eine lohnende Nente nicht ergeben hat. Nur jollte man freilich fich immer gegenwärtig halten, daß nicht jeder Nüdgang der PBreije eine thatlächliche Eimnahmeeinbuße für den Broduzenten bedeutet; in reichen Erntejahren fann jehr wohl das gegenüber dem Durchichnitt erzielte quantitative Mehrerträgnis einigen Erjab für allenralliigen PBreisrücdgang gewähren. Wenn beijpielsweile in Deutjchland im Sahre 1891 an Noggen 4782804 Tonnen, 1893 aber 7460383 Tonnen oder 2677579 mehr geerntet wurden, wenn ferner die Ernte an Hafer 1893 3242313 Tonnen, 1894 aber 5250152 Tonnen, aljo 2007 839 Tonnen mehr betrug, jo wird Der Schluß gejtattet jein, daß der von 1891 auf 1893 und vezw. 1894 etn- getretene Preisfall im den beiden ©etreidearten zwar eine Einnahmeein- buße, aber feineswegs im vollen Betrage der Preisdifferenz zwijchen dem Sahrgang mit höheren und jenem mit niedrigen PBreifen verurjacht hat. Iroß Diefer einjchränfenden Bemerfung wird nicht bejtritten werden fünnen, daß Breisummwälzungen der beiprochenen Art, in verhältnis- mäßiger furzer Zeit über die europäische Landwirtjchaft hereinbrechend, das Gerüge des landwirtichaftlichen Betriebslebens jtarf erjchüttern mußten, zumal im landwirtichaftlichen Gewerbe viel weniger als in der Sudujtrie die Borausjegungen gegeben find, die Produftionsrichtung und den Produftionsprozeß in furzen Zeiträumen durch entiprechende Un: gejtaltung Den veränderten Konjunfturen anzupafien. Für eine enge Böden tt ohnehin die Kulturweiie durch deren Beichaffenheit und die flimatiichen Berhältnifje ein für allemal gegeben; jpeciell eine Ein- ichränfung des Getreidebanes zu Gunsten befonderer Kulturen fann schon aus Diejem der Bodenbejchaffenheit und dem Klima entnommenen Grunde $ 43. Die Folgewirfungen der neuzeitlichen Preisummälzungen 2c. 211 immer nur in jehr bejchränftem Umfange erfolgen; aber überhaupt wird der Getreidebau wegen der Eigenjchaft des Getreides als einer landwirt- ichaftlichen Zwilchenfrucht (Notwendigkeit der Abwechstung tief umd flach- wurzelnder Gewächje) und wegen der nötigen Stroherzeugung tn jedem größeren Betriebe jtets das Nüdgrat der Wirtjchaft bilden müfjen. Deshalb haben diejenigen Produftionsgebiete Deutjchlands, in denen nac) Boden- und Klimaverhältnifien von jeher der Körnerbau überwiegt und eine nennenswerte Emjchränfung des Körnerbaues zu Gunjten anderer Kulturen ausgejchlofjen ift, unter den veränderten Verhältniffen am meiiten gelitten; im minderen Maße diejenigen Gegenden, wo eine gewijje Viel jeitigfeit der Kultur für den Ausfall der Einnahmen aus Getreide Erfah gewährte (wie in vielen bäuerlichen Wirtichaften des Südens und Weitens) oder die Bedingungen für eine lohnende VBiehhaltung und Neilchwirtichaft gegeben waren, wie dies namentlich für die norddeutichen Marichgegenden, aber auch außerhalb Dderjelben in Mittel und Siüddeutjchland, und wiederum namentlich in den bäuerlichen Betrieben zutrifft. Die bis in die jüngjte Zeit günftigen Konjunfturen des Zucer- und Branntwein- marftes boten den Zucerrübene und Startoffelbau treibenden Diitriften ebenfalls einen wertvollen Ausgleich für die Einbuße am Körnerbau, gaben aber gleichzeitig den Anreiz zu eimer jolchen Ausdehnung der Produktion mit Überführung des Marktes, daß jener Ausgleich neuerdings fih mehr und mehr zu verflüchtigen droht. Außerhalb der Stöße des ojtenropäiichen und transoceanischen Wettbewerbs in Körners früchten jtanden im wejentlichen nur die landwirtichaftlichen Betriebe der Wald- und Gebirgsgegenden, da hier Viehzucht und Waldbau die Hauptquelle, häufig die einzige Uuelle der Wirtjchaftseinnahmen bildet; zum Teil auch die Gegenden ausgeiprochenen Handelsges wächs- und Nebbaues, bei denen die Getreidefrüchte in der Neihe der zum Verkauf gelangenden Erzeugniffe (Tabak, Hopfen, Cichorien, Zucker rüben, Wein, Objt 2c.) ebenfalls eine vergleichswetie unbedeutende oder gar feine Nolle jpielen. In ähnlicher Lage befinden fich die fleinjten landwirtichaft- lichen Betriebe, insbejondere die Tagelöhner und viele Kleinbauern, wie überhaupt die Wirtijchaftslage durch Preisummwälzungen um jo weniger tief beeinflußt wird, je mehr der naturalwirt- ichaftliche Verzehr des in Feld und Stall Erzeugten eine ver- gleichsweije große, die Menge des auf den Markt gelangenden Produftenguantums eine vergleichsweije geringe Bedeutung hat (vergl. ©. 41). An diefer Betrachtung wird auch dam nichts geändert, wenn, was leider freilich nicht jelten der Fall, Tagelöhner und Kleinbauern die erzeugten Eleinen Getreidemengen zum Berfauf zu bringen fi) bemühen, um ihren Bedarf an Meechl dann ebenfalls im Leg des Kaufs zu deeen; denn niedrigen Getreidepreifen entiprechen niedrige Weehl- preife und umgefehrt. Diejen fleinbäuerlichen Wirtichaften kommt weiter 14* 212 Sehites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs 2c. u statten, daß der Erlös aus dem Nindvich- und Schweineitall, der Berfauf von Kartoffeln, Gemüje, von Wil, Butter, Käje, d. h. von Broduften, deren Preife noch immer befriedigende ind, das Einnahme- budget der Haushaltung jtärfer beeinflußt, als das regelmäßig zum Vers fauf gelangende Quantum der Körnerernte nach Abzug des Bedarfs Fr die Mehl und Brotverjorgung im eigenen Haushalt. Ganz anders in den mittleren und größeren Wirtichaften, wo der Negel nach der Haupt- erlös dem etreideverfauf entjtanınt, dem gegenüber die anderen Eins nahmen zurücktreten. Man fanın daher wohl jagen, daß die Wirkung des Preisiturzes in Getreide am intenjiviten in den großen und mittelgroßen Betrieben jich geltend macht, und daß Ddiefe Wirkung mit der zunehmenden Kleinheit der Betriebe an Sue tensität verliert, um fich auf den unterjten Stufen gänzlich zu verflacen. Die Frage der Getreidepreisbildung it alio nicht, im Sinne der landläufigen freihändlerischen Lehre, eine nur den Großbetrieb be= vührende Frage, jie ergreift vielmehr in den mannigfachiten Schat- tierungen auch die mittleren Betriebe, insbejondere alfo aud einen erheblichen Teil der bäuerlichen Betriebe; und nur eine ichr befangene Betrachtungsweile fann aus dem Umftand, daß Die Wirkung niedriger Getreidepreife die einzelnen landwirtichaftlichen Betriebe nach ihren Größenverhältniffen verjchieden beeinflußt, die gänzliche Uns interejfiertheit der nicht den oberjten Größengruppen angehörigen Betriebe an der Höhe der Getreidepreije herleiten. Solcher Anjchauung wider- ipricht Schon die tiefe und nachhaltige Erregung der Vorgänge auf dem Setreidemarft auch in den Streifen des mittleren Beliges, befonders auch in bäuerlichen Streifen; dem widerjpricht die Erfahrungsthatjache, daß ichon bei Wirtjchaften von 5 ha aufwärts regelmäßig Getreide in erheb- lichen Mengen zum Berfauf gelangt, und man jollte nicht überjchen, daß auf Diefe Betriebe von 5 ha aufwärts ein Areal von 84%, auf die mittleren Betriebe von 5 bis 100 ha ein Areal von 60°/, der gefamten landwirtichaftlichen Fläche entfällt. Endlich ift der Umstand zu beachten, daß ein anhaltend niedriger Wreisitand der Getreidefrüchte jehr wohl Veranlafjung zum verjtärften Anbau anderer, lohnender erjcheinender Erzeugnifje werden und infolge hiervon von einer Überführung des Warftes mit leßteren begleitet jein fanı, wobei insbejondere die Kultur der Zucerrübe, des Tabafs, des Hopfens 2c: zu erwähnen it. Erjcheinungen jolcher durch Uberproduftion und Marftüberführung veranlaßten Breisverbilligung als Folge der Abnahme der gejuntenen Nentabt- lität des Getreidebaus find in der That feit Jahren zu verzeichnen; von dem Nücgang der Nentabilität jener Spectalfulturen wird aber ganz vor: nehmlich auch der landwirtichaftliche Kleinbetrieb in Mitleidenschaft gezogen. Und injofern kann man betreffs jelbjt der Eleiniten landwirt= jchaftlichen Betriebe, auch wenn diefe wenig oder fein Korn auf den S 43. Berjchiedenheit der Wirkungen des Preisfalls des Getreides. 213 Markt bringen und daher an der Kornpreisfrage Ddiveft zunächit nicht oder nur wenig beteiligt ericheinen, von einem wenigitens mittelbaren Sntereije auch diejes Teils der Produzenten an der Höhe der Getreide- preile jprechen. Nichtig tjt dagegen, daß im allgemeinen die mittleren und fleineren Betriebe im Vergleich mit den größeren Betrieben gegenüber den weichenden Breifen eine größere Widerjtands- fäbigfeit bewiejen haben. Dies geht unverfennbar aus der De= wegung der Bacht- und Naufpreife, die im großen und ganzen als leid- licher Ausdruck der jeweiligen Nentabilität des Grundbefises gelten Dürfen, aber auch aus dem Verlauf der Berschuldungsbewegung und der Statijtif der Jwangsvollitrefungen hervor; Borgänge, Die einen jehr verjchiedenartigen Verlauf eimerjeits in den Gebieten des vorherr- ichenden fleinen und mittleren Befiges, anderjeits in den Gebieten Des größeren Beliges genommen haben. In den ausgejprochenen Gegenden des Großgrundbeiites 3. B. m Weftpreußen tt (nach Conrad) die VBacht 1884/89 um 25°%/,, 1890/94 gar um 47°), zurüdgegangen, in Schlejien 1890/94 um 26,8°/,, im dem andern öitlichen preußiichen Provinzen um 18°,, in den wejtlichen Provinzen dagegen, wo der mittlere und fleinere Grundbefis überwiegt, nur um 1,3% Auch im Süden und Südwelten von Deutjch- (and it der Nücdgang der Bachtpreije ein im ganzen nicht erheblicher; in Baden 5. B. betrug der mittlere Bachtzins von Acderland 1880 92 ME, 1894 87 ME. pro ha. Ia in lebterem Land weiit die Ber wegung der Kaufwerte im Durchichnitt des ganzen Staatsgebtets eher auf eine Befejtigung des Vertrauens in die Nentabilität als auf eine Erichütterung hin; nach Ausweis des ftatiftiichen Sahrbuchs hat der mittlere Kaufwert von Acderland 1880 auf 1867 WE, 1892 dagegen auf 2133 Mt, 1894 auf 2263 ME. fich geftellt. Aynlich in Dlden- burg, wo die mittleren Bodenpreije in der PBeriode 1879/85 zu 1437, 1884/88 zu 1332, 1889/93 zu 1642 DE. ermittelt wurden. — Und wie der Nücgang des Bodenwerts in den öjtlichen Provinzen am jtärfiten war, jtellen die Gegenden des vorwiegenden Großgrundbejiges auch das jtärfite Kontingent im Bereich der Zwangsvollitrefungen; 1881 famen im Dften 86000 ha unter den Hammer, im Weften mur 20000 ha, 1893 dort 80700 ha, hier nur 13500 ha; im Wejten tt alfo im Gegenjag zum Diten eine beträchtliche Abnahme der Jvangss vollitrefungen eingetreten. ine jolche Abnahme dev HZwangsvoll- jtrefungen tft, und zwar nach der Zahl der Fälle wie der Fläche, auch in anderen deutichen Staaten, in denen der kleinere und mittlere Grumnd- bejis überwiegt, zu verzeichnen. u Bayern janf die Zahl der Fälle zwilchen 1880/93 von 3739 auf 823, Die verjteigerte Fläche von 30059 ha auf 6718 ha; ähnlich) in Baden, wo 1883 1785 ha, 1891 nur noch) 1116 ha landwirtichaftlicher Fläche dev Zwangsvollitredung 214 CSehites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. N und 1894 die im Zwangsweg veräußerte Öejamtfläche ein- Beionderg deutlich aber tritt die verhältnismäßig größere Widerjtandsfähigfeit der fleinen und mittleren Betriebe in den VBerichuldungsziffern zu Tage In VBreußen haben (nad) Conrad) in der Periode 1886/93 die hypothefartschen Eintragungen die Löfchungen um 1093 Millionen Mark überitiegen, aber der Prozentjah der Steigerung der eingetragenen Schuld beträgt für die öftlichen Provinzen 61,6, für die weitlichen nur 38,4°/,. Cine fjolche Zunahme der Ver= ihuldung wie im deutjchen Dften it für andere deutjche Staaten, inS= bejondere für die mittel- und jüddentichen Staaten nicht feititellbar, wohl aber gegendenweile eine vergleichsweile geringe Zunahme, wie Dies die nenerlichen Schulderhebungen in Bayern, Baden und Oldenburg dargethan haben (fiehe S. 103). Dieje Behauptung größerer Wideritandsfähigfeit der bäuerlichen Betriebe und der Betriebe mittleren Umfanges im Gegenjab zu den Groß- betrieben jteht freilich mit landläufigen Anfchauungen, die gerade den Bauernitand als vorwiegend gefährdet, ja als verloren erflären, in Wideripruch; ie jteht auch nicht ganz in Einflang mit der Erfahrungsthatjache, daß wirtichaftstechniich, in Ausnügung der boden= technischen Betriebstortichritte, fait durchweg der Großbetrieb dem £leinen und mittleren Betriebe überlegen it. Und doch fällt die Erklärung der an Fich auffälligen Ihatjache nicht jonderlich jchwer. Sie liegt einmal in der dem Großbetriebe innewohnenden größeren DER. der Be- triebsrichtung auf Körnerbau gegenüber einer gewiljen Bieljeitigfett des Betriebs in fleineren Wirtjchaften, in denen aljo nicht der ganze Pro= duftionserfolg wejentlich auf die eine Karte des Körnerbaues gejeßt üt; fie liegt ferner darin, daß in den bäuerlichen Betrieben die Geldwirtichaft die Naturahvirtichaft noch nicht völlig verdrängt hat, die Abhängigkeit vom Marfte demgemäß eine geringere ift, als in den größeren Betrieben (vergl. ©. 41 u. 42); fie liegt auch in der Erjparnis am Arbeitsfojtenfonto, da der Bauer Betriebsleiter, Gutsverwalter und Arbeiter in einer Berjon it und häufig billige Arbeitskräfte in jeinen Familienangehörigen bejist; fie liegt vielleicht aber auch darin, da im Bereich der Großbetriebe Ülber- zahlungen bei Gutsfäufen vielleicht häufiger noch als bei kleineren und mittleren Betrieben in den letten Jahrzehnten vorgefommen oder daß doch in einem das Wirtichaftsfonto höher belaitenden Umfange erhebliche Kaufichillingsreite jtehen geblieben find, zu deren VBerzinfung und Tilgung die geminderte Einnahme aus der Fruchternte jest nicht mehr ausreicht (vergl. das auf S. 123 Ausgeführte). Diejes Ergebnis einer vorhandenen gewiljen Widerjtands- fähigkeit der bäuerlichen Betriebe, insbejondere der f£leinen und mittleren bäuerlichen, gegenüber ungünjtigen Zeitläuften im Vergleich mit größeren bäuerlichen Betrieben und mit den jonftigen Ss 43. PVerjchiedenheit dev Wirkungen des Preisfalls des Getreides. 215 Großmwirtichaften it ein jehr bemerfenswertes. Wlan darf daraus Jchliegen, daß im Gegenjag zu den Borgängen, die fich zwiichen Großindujftrie und Handwerk abjpielen, der landwirtichaftliche Wittelftand der Gefahr der Auflaugung durch den Großgrumdbeitg tr minderem Grade ınter- porfen ijt, weil die Natur des landwirtichaftlichen Betriebs den Groß- betrieben, troß der Überlegenheit in der Technif des Betriebs, feinesiwegs auch eime woirtjchaftliche Überlegenheit jichert. So vollzieht Tich denn auch, von einzelnen Ausnahmen abgejehen, die ganze meuzeitliche Ent- wiclung nicht in einer Aufjaugung der fleinen und mittleren Betriebe durch die großen, jondern im Gegenteil in einer Ber- fleinerung der großen Wirtichaftstlächen und Bettgeinbheiten zu Öunjten des Entitehens neuer Betriebe fleineren und mitt leren Umfanges; und Ddiefer Brozeß, erwünjcht aus politifchen, joctalen und volfswirtichaftlichen Gründen (S 1), wid tm der Zukunft aller ISahricheinlichfeit nach noch viel ftärker einjegen. Die meuzeitliche Stolonijattonspolitif im preußtichen Diten, wie fie fich in Der auf Grund der Nentengutsgejege erfolgenden mafjenhaften Abitogung von Gutsteilen von Großgütern behufs Anfiedelung neuer Bauernfamilien zu erfenmen giebt, it der jprechende Ausdruck diefer Entwiclungser: icheimung, und nur unter der Annahme der wirtichaftlichen Ebenbürtigfeit der fleinen und mittleren Betriebe mit den großen tt Diefe Anfiedelungs- politif zu veritehen und ihr Erfolg zu begreifen. Was im Bereich Des Handwerks ungeachtet aller Bemühungen jo ichwer gelingen will, nämlich eine von Sichtbarem Erfolg begleitete „Mittelitandspolitif”, d. h. eine Bolitif, die die Erhaltung und Sträftigung der breiten Wiüttel- ichicht Der eviwerbenden Stllaffen Tich zum Biele Test, it aus obigen Gründen im Bereich des landwirtichaftlichen Gewerbes jehr viel leichter und ausjichtsvoller; eben deshalb aber auch um jo mehr eine durch die höchiten Snterefjen des Staats gebotene Bolitif, weil diejen staatlichen Interefen ein von Exrtremen ich fern haltender, in allmählichen Übergängen sich vollziehender Aufbau der Belisichichten am beiten entipricht. Aus vorstehenden Betrachtungen it aber auch das zu ent= nehmen, daß eine dem breiten bäuerlichen Mitteljtande und den unteren Gliedern diejes Standes dienende Bolitif unmöglich in der Deeinflujjung der Marftpreisbildung des Getreides Jich erichöpfen fann, weil eben der Getreidepreis in dem breiten Nahmen des landwirtichaftlichden Wettelftandes doch nur emen und in vielen sällen nicht einmal den ausschlaggebenden Faktor der öfonomijchen Ge- Jamtgebarung daritellt. Die bedauernswertejte Erjcheimung der Gegenz- wart auf landwirtichaftlichem Gebiete, der frenvillige und Zwangsverfauf von bäuerlichen Anwejen, jpielt ich gegemwärtig in eimer Neihe von Gegenden Deutjchlands nicht in den Gebieten des vorherrichenden Frucht: baues, jondern in den Wald- und Gebirgsgegenden ab; aber Die UÜrjache diejer Erjcheinung wurzelt nicht in dem Wreisjtande des Ge= 216 Sedites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs zc. treides, Ddeiien Anbau und Verfauf in den Bauernhöfen des jüddeutjchen und mitteldeutichen Gebirgslandes, ebenjo des Hiterreichiichen Alpenlandes untergeordnete Bedeutung hat, jondern in ganz anderen saftoren, von denen der chrontiche Gejinde- und Arbeitermangel, die jtarfe Belaftung mit ©leichitellungsgeldern, die allmähliche Erichöpfung des Weidelandes, diefer Hauptitüge der Gebirgswirtichaften, wohl die verbreitetiten ind. Für QTaujende fleimerer Wirtjchaften it ferner die Beichaffung billigen Kredits und die Bewahrung vor wuchermäßiger Ausbeutung durch Geld- verleiher, Güter- und Vichhändler, desgleichen vor den Folgen landiirt- ichaftlicher Unfälle (Biehiterben, Hagelichläge 2c.) jehr viel wichtiger als die Frage, ob fie für die wenigen Zentner Getreide, die fie zum Verkauf bringen, einige Mark mehr oder weniger erlöjfen. Aus allen diejen Gründen entipricht es den thatjädhlichen DVerhältniijen des Lebens nicht, wollte man nur den die Marftpreisbildung für Getreide günitig beeinflujjenden Mapnahmen die Eigenjchaft „großer Mittel“ zuerfennen, dem gegenüber alle anderen Map- nahmen fürjorgender Landwirtichaftspflege eitel Raud) jeien Die Agrarpolitif eines Yandes jest ji) alfo mit den Interejjen der breiten Maije der Landbaubevölferung nicht in Widerjpruch, jondern fürdert Dieje Intereffen, wenn fie einer Neihe anderer landwirtichaftspolitiicher Wlaß- nahmen diejelbe Bedeutung wie der Beeinfluffung der Marktpreisbildung des Getreides durch staatliche Maßnahmen, gegendenweife jogar eine überwiegende Bedeutung beimift, und wenn fie einem angeblichen Gegenjaß von großen und fleinen Mitteln die Anerfennung verjagt. Wie jehr die landwirtichaftliche Bevölterung jelber mehr und mehr zu diejer Einficht fich durchringt, zeigt in beredter Weife die auferordent- liche Anjtrengung, mit der allenthalben jeit der Abnahme der Rentabilität des Getreidebaues die Verbeijerung und Vermehrung des Vieh- beitandes angejtrebt wird; man it eben mit Necht bemüht, die im Ackerbau und befonders im Getreideban jich ergebenden Wiindereinnahmen, wo immer die Verhältnifie des Bodens und die Abjasverhältniije es geitatten, durch Steigerung der Nente aus dem Stall einigermaßen wett zu machen. Die Statijtif der Viehbeftände im deutjchen Neiche läßt Dieje jeit längerer Zeit einjeßende Bewegung deutlich erfennen. Es wurden gezählt in 1000 Stüd: Pferde: Rinder: Schafe: Schweine: Ziegen: 1. Dezember 1892 . . 3836 17555 13589 12174 3091 10:-Sanuar 1883. .„ 3522 457632249383 9206 2640 10. Sanuar 1874 . .. 3352 15776 25999 7124 7.2320 Anfang der 60er. . 3193 14999 28016 6462 1818 Die Pferde Bene in den zwanzig Jahren von 1863 bis 1883 um 329000 Stück zugenommen, in der folgenden nur halb jo langen Beriode Een um 314000 Stüd. Ninder nahmen in der erjten Periode nur $ 44. Die Marftpreisbildung und die Hollpolitif. 217 um 769000 Stüc zu, im der zweiten um 1787000 Stüd. Die Zahl der Schafe ift zwar jeit 1863 auf die Hälfte herumtergegangen, die der Schweine hat jich Dagegen verdoppelt. Der Wert diejes Viehitandes ift für 1883 und für 1892 wie folgt berechnet worden: Wert in Millionen Mark. 1883: 18928 Sunahme: ae eroe 40% 248, 10108 1850 202 inner er... 3074 3D47 473 ea... 306 217 — 89 Schwene. . . #76 684 208 EDER. nal 39 48 9 Zujammen 5573 6376 303 Um 803 Millionen Weart bat Tich allo der Verfaufswert Des deutichen VBiehitandes innerhalb zehn Sahren gehoben, und man jollte bet der Beurteilung der Öejamtlage der deutichen Yandwirtichaft jolchen Ziffern nicht, wie es manchmal gejchieht, eine nur untergeordnete Bedeutung zus erfennen oder gar die in diefen Ziffern zum Ausdruc gelangenden Forts ichritte zum Befjeren gegenüber den dumfeln Seiten der landwirtichaftlichen Betriebsthätigfeit gänzlich unbeachtet lafjen. $ 44. Die Marftpreisbildung und die Hollpolitif; Würdigung der Getreidezölle insbejondere. Um emem die inländische Produktion jchädigenden Wettbewerb von außen zu begegnen, fann man die Einfuhr der betreffenden Waren mit Eingangszöllen belegen; man erjtrebt damit eine Hebung des inländijchen Breisjtandes über den Weltmarftpreis im Betrag des aufgelegten Zolls. Deshalb erichten angefichts des Wettbewerbs ausländiichen Getreides das einfahite und wirfjamjte Mittel dasjenige, welches im Bereich der Zollpolitif gelegen ift, und in der That wurde ber Anprall der ojtenropäischen und überjeeiichen Stonfurrenz in Getreide in den meisten Kontinentalftaaten jehr bald mit der Einführung von Getreidezöllen beantwortet; in Deutjchland geichah dies eritmals 1879 in Verbindung mit der allgemeinen Nevifion des Zolltarifs. Aurperhalb der landwirtfchaftlichen Schußzollpolitit hat fi von Anfang an das englifche Infelreich geitellt umd bis jegt an diejer Politif der Nicht- intervention im Bereich der Getreideproduftion feitgehalten. Es bühte aber diefe Volitif des Gehen» und Gejchehenlafjens mit dem wirtjchaft- lichen Ruin Taufender von Pächtern und einem jtarfen Nidgang des Weizenbaues, jo dat die Abhängigfeit Großbritanniens in der Getreide verforgung vom Ausland von Jahr zu Jahr größer geworden it. Die Vachtlofigkeit zahlreicher Pachtfarmen, die Umwandlung ausgedehnter Acerländereien in Weideland, der Übergang von intenfiver Aeerbaus zu ertenfiver Weidewirtichaft macht ununterbrochen Fortichritte; die zunehmende 218 Sechjites Kapitel. Die Einnahmen des landiwirtichaftlichen Betriebs 2c. Entvölferung des flachen Landes geht damit Hand in Hand. Gewiß feine Entwidelung, die für die fontinentalen Staaten nad- ahbmenswert wäre! Die ältere Zollvereinspolitif und die Hollpolitif nach Gründung des deutjchen Neichs war im Grundjab eine dem Freihandel zugeneigte, und imsbejondere jind die Gegenitände landwirtichaftlicher Erzeugung — Noh- und Hilfsitoffe fir Suduftrie, Nahrungsmittel — in der vüchvärts- liegenden Zeit bis zu dem bedeutungspollen Sahr 1879 entweder ganz zollfrei oder Doch nur mit ganz mäßigen Zöllen belegt gawejen; wo höhere Zölle Bla griffen, wie gegenüber Tabat, Wein 2c., hatten fie den Charakter von Finanzzöllen, d. H. die Erzielung eimer finanziellen Ein- nahme, wicht die jchügende Wirkung gegenüber dem Auslandsangebot war Die veranlaljende Urjache der Zollauflegung. Ein entjcheidender Umjchwung vollzog Tich im Sabre 1878 durch das unmittelbarite Ein- greifen des damaligen Neichsfanzlers, Fürjten Bismard, und das grund legende Zolltarifgeleb von 1879, das gleichmäßig dem imduftriellen wie dem landwirtichaftlichen Schugbedürfnis Nechnung zu tragen fich bemühte, leitete nunmehr eine Beriode der Schußzollpolitif ein, die freilich von heftigen, auch in der Gegenwart noch nicht verjtunmmten Kämpfen begleitet jein jollte. Sm Weüttelpunft der fich befehdenden Intereffen jtand dabei von Anfang an der Kampf um die Höhe der Öetreidezölle. ‚sn dem Tarifgefeb von 1879 erjchienen diefe Getreidezölle noch in dem mäßigen Betrag von I ME. für den Doppelzentner Weizen, Speb, Roggen, Hafer, von 50 Bfg. für Gerjte, Buchweizen und Mais; aber die Zoll: tarifnovellen der Jahre 1885 und 1897 brachten für die Hauptgetreides jrüchte (Weizen, Spelz, Noggen) eine Verdreifachung und bezw. Verfünf- fachung der 1879er Süße. Wie fir Getreide hatte das Zolltarifgejeb von 1879 auch für andere landwirtichaftliche Erzeugniffe, desgleichen für land- ywirtichaftliche Nußtiere, endlich für Produkte der Waldwirsschaft erhebliche Zollerhöhungen gebracht. eur betreffs gewilfer NRobitoffe der Textil- industrie — Wolle, Flachs, Hanf — wırde an dem Grundjaß des zoll- freien Eingangs fejtgehalten; dies wird wohl auch in der Zukunft jo bleiben müfjen, weil diefe Geipinftitoffe in Deutichland in einer dem induftriellen Bedarf ganz ungenügenden Werle erzeugt werden umd Das durch Zollauflegung zu erjtrebende Ziel der Preishebung diefer Nohitoffe nur auf Ktojten der Erhaltung der stonfurrenzfähigfeit dev deutjchen Tertils industrie auf dem Weltmarft erreicht werden fünnte. Eine bemerfenswerte Anderung der Hochichußzollbewegung der 80 er Jahre brachten die Jahre 1892 und folgende aus Anlaß des Ab- ichluffes neuer Handelsverträge mit Ofterreich, Italien, Belgien, der Schweiz, ferner mit Rußland, Numänien und anderen Staaten; dem in diefen Berträgen wurden den erwähnten Staaten neben zahlreichen Zoll: ermäßigungen auf induitriellem Gebiet auch folche für eine Anzahl land- wirtjchaftlicher Erzeugniffe zugeitanden, und von diejen legteren ZJugejtänds s 44. Die Marftpreisbildung und die Zollpolitif. 219 niljen insbejondere die Körnerfrüchte betroffen, deren HZollfaß für die erwähnten Hauptgetreidearten von 5 WE. auf 3 WE. 50 PBfg. ermäßigt wurde. Auch griffen dDieje zugejtandenen Zollermäßigungen in ihrer Wirkung über die Bertragsitaaten hinaus, indem fie gegenüber allen Staaten jofortige Geltung erlangten, mit denen Deutjchland direkt oder indireft auf dem Fuß der Meiitbegünstigung lich befand, insbejondere alio gegenüber der nordamertifaniihen Union, Kanada, Sudien, Argentinien. Eine Daritellung der landwirtichaftlichen Zölle nach ihrer geichicht- lichen Entwielung und jegigem Stand tft a diefer Stelle nicht zu gebe; Doch mögen für eine Anzahl der wichtigeren landwirtichaftlichen Erzeug- nie Die teils auf Grund des HYolltarifgefeßes, teils auf Grund Der geltenden Handelsverträge thatlächlich in Geltung befindlichen Zollläge mitgeteilt werden; dabei tt zu beachten, daß Die Zollfäße, joweit ie Gegenitand handelsvertragsmäßiger Abmachungen waren, für die Dauer der Handelsverträge, d. h. bis Ende 1903 gebunden, aljo einer einjettigen Abänderung durch die Deutiche Gejeßgebung nicht zugänglich Tind. Es beträgt nach dem Tarif bezw. nach den beitehenden Verträgen der geltende Zoll von 100 kg für: ME. ME. Weizen, Speß, Roggen . 3,50 MSTBEDen u nee 2 Hafer .. 2,80 — bis zu 2 Jahren . . 10,— Buchweizen, Gerite, Mais 2,— Dchienzr 102 2 2:22..2.22550 Mühlenfabrifate 2.130 Sa a Kaps und Rübjaat. . . 2,— Sungvieh bis zu 1/,Sahren 5,— Bun. „ld Kälber unter 6 Wochen . 3,— Hob-rabat . . . . 85, — a Te A a Gichoriemwurzeln, Frifche . zollfrei Shwene a. rer dd Z — s9BaLe .. . . 2,— Shafieh -. -. . . 2... 1— — gebrannte od. gemahlene 4,— Geflügel, lebend. . . . fi er... ...36— — ander . . . .. 1220 mer in... 16 Gere la in ad De... 18,— Wein in Fällen. . . . 20,— Roter Wein >. Berfchneiden 10, n— Wem in Slaihen . . 4880 Unter diefen landwirtichaftlichen „Zöllen stehen, aus den tu den vorhergehenden Paragraphen entwicelten Gründen, die Getreidezüölle im Vordergrund aller Erörterungen ; denn weil einerjeits der Getreidebau unter allen Acdererzeugnifjen den vorherrichenden Blab einnimmt (1895: 53,4°/, des Ackerlandes), andererjeits die verjchiedenen Getreidearten das wichtigite und umentbehrlichite Nahrungsmittel liefern, müfjen Die Meinungsgegenjäge zwiichen den Gegnern und Freunden des 320 Sechjites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. Zollichußges gerade im Punkt der Getreidezölle am beftigiten ji geltend machen. Die nachitehenden er fünmen jich daher auf eine Würdigung Ddiefes Teils der landwirtichaftlichen Schußzölle um jo mehr beichränten, als mit den Zollfägen auf andere landwirtichaftliche Erzeugnife, ferner auf landwirtichaftliche Haustiere Freunde und Gegner des Zollichußes ich im wejentlichen abgefunden haben und weiterhin die für die Würdigung der Getreidezölle in Betracht fommenden allgemeinen Erwägungen in gewijjen Sinne auch für die fonjtigen landiirtichaftlichen Schußzölle Geltung beanjpruchen dürfen. Das wichtigite und eindrudsvollite Argument, dejjen Jich die grund- jäßlichen Gegner der Getreidezölle bedienen, wurzelt in der durch ie bewirften VBerteuerung der Mehl: und Br otpreije. Landiwirt- ichaftliche Zölle und vor allem Getreidezölle erjcheinen tm Sinme dieler Auffallung unvereinbar mit dem Staatszwed; denn dem Staat fünne es nicht fommen, daß andere Bevölferungstlaffen und vor allem die hand- arbeitenden Stlafjen, d. h. die wirtjchaftlich Ichiwächiten, ii der Beichaftung des wichtigiten Nahrungsmittels a zu Gunsten eines Bruchteils der Bevölkerung Fich auferlegen jollen. Die Vertenerung der Lebenshaltung der unteren Bolfsjchichten wirfe antijoetal und verichärfe Die vorhandenen Stlaffengegenfäße; trete aber mit der Zeit als Folge der gejteigerten Yebenshaltung eine Erhöhung der Yöhne ein, jo leide darunter die Sms duftrie, Die im Wettfampf mit den nicht zollgefchügten Staatsweien (Großbritannien!) ihre Konfurrenzfähigkeit auf dem Weltinarkte bedroht jehe. Angefichts der thatjächlichen Preisbewegung der Körnerfrüchte unter der Herrichaft der Stornzölle fanır imdes Diefer Betrachtungsweiie em entjcheidendes Gewicht nicht beigelegt werden; denn Die Sornpreife find im großen und ganzen jeit Anfang der achtziger Sahre nicht teurer, londern billiger geworden (vergl. Die | Angaben auf ©. 206 ff). Nur joviel it richtig, daß die Korn und Meehlpreife in den tigen Staaten um den X Betrag des Zolls oder doch um Bruchteile des Zolls höher Jich jtellen, als in den nicht zollgeichüßten. Die Wirkung der landiwirtichaft- lichen Schußzollpolitif hat ich aljo darauf bejcehräntt, ein eben jo jtarfes ‚sallen der Getreidepreife, als es in den des Zollichußes entbehrenden Staatswejen zu beobachten ift, Hintanzubalten; zu einer Berichlechte- rung der Lebenshaltung der brotfonjumierenden Bevödlferung it es aber nicht gefommen. Der begreifliche Wunjch der Brot: fonjumenten auf wachjende Verbilligung der Nahrungsmittel hat unges achtet der betehenden Schubzölle in erfreulichem Wabe Berpirflichung erfahren; aber jener Wunsch Hat feine Berechtigung, als politijcher Anipruch auf möglichit billiges Brot jich geltend zu machen, und jedenfalls finden folche Ansprüche ihre Schranfen, wo fie mit Pro= duftionsintereffen wichtiger Art in Widerjtreit geraten. um it Die Aufrechterhaltung der Getreideproduftion für jeden Staat eine nationalpolitiiche Forderung eriten Nanges; man fann ji $ 44. Würdigung der Getreidezölle insbejondere. 221 feine größere Abhängigfeit denfen als diejenige, die in der Abhängigkeit der VBerjorgung des inländischen Marftes mit Getreide und Mehl von fremden Staaten bejteht, weil Die ges wohnten Bezugsquellen gelegentlich auch einmal verfiegen fünnen, jei es infolge von Mißernten oder von Krieg, oder infolge des Umijtandes, dat die jeitherigen Exportgebiete infolge Anwachjens ihrer eigenen Bevölkerung erhebliche Getreidemengen in den Weltmarkt nicht mehr überzuführen vermögen. Eine jolche Abhängigkeit Deutjchlands von dritten Staaten in Bezug auf die Getreide und Mehlverjorgung beiteht freilich dermalen ichon, weil der nachhaltigen Vermehrung der Volfszahl die inländische Getreideproduftion nicht zu folgen vermochte. Um jo mehr bleibt es ein wichtiges Ziel, zu verhindern, daß der Grad diefer Abhängigkeit Tich mehre; vielmehr it anzujtreben, daß durch denkbar jtärfite Intenjität des Betriebs allmählich ein Gleichgewichtszuitand zwilchen Produktion und Konjumtion fich wieder heritelle, was feineswegs undenfbar jcheint; für die Anbahnung größerer Intenfität des Betriebs als Voraus= jegung reichlicherer Getreideernten bilden aber jtarf OS Preije das denkbar jtärfite Hindernis (©. 35 u. 36). Sir diefen Zus jammenhange aufgefaßt hat die einer namhaften Einjchränfung des Getreidebanes, wie jie in Großbritannien jich vollzog, vorbeugende landwirtichaftlide Schußzollpolitit in Deutjch- land und anderen Kontinentaljtaaten die Bedeutung einer den höchiten Staatsintereiien jich förderlich erweiienden Bolitit; während freilich jene, welche in landwirtichaftlichen Schugzöllen mur eine Bereicherung der Produzenten auf Kojten der Konjumenten erblicen und an der tieferen Bedeutung jolher Schußzölle als des Mittels der Erhaltung und Feitigung eines im nationalen Suterejfe gelegenen Produftionszweiges achtlos vorübergehen, leicht zu einer grundjäglichen Berwerfung jeglichen Schußzolls gelangen. Mit größerem Necht, als den voritehend angedeuteten Eimvendungen zufommt, fünnte man fragen, ob die bejtehenden landyirtjchaftlichen Schußzölle, weil zu niedrig bemefjen, angelichts der Wreisbewegung auf dem Weltmarft jeit 1892 dauernd genügen werden, und man macht jich mit jolchen Fragen noch feinesiwegs einer wirtjchaftspolitiichen Tod= jünde gegenüber jtädtiichen Snterefjen schuldig. Eine beitimmte Formel aufzuitellen dafür, welche Zollfäße zu einer gegebenen Zeit Die richtigen ind, um dem Schugzwed zu genügen, it eine müßige Sache, weil Zoll- jäge jtets ein Kompromiß der im der Zollpolitit überhaupt ich befehden= den Nichtungen daritellen. Nur joviel wird jich jagen lafjen, daß jehr mäßige Öetreidezölle in ihrer Wirfung meift verfagen werden, da das exrportierende Ausland, um jeine Vorräte [os zu werden, tn Der Regel geneigt fein wird, den mäßigen Zoll auf fich zu behalten; dab aber jehr hohe Setreidezölle Doch nur einem dauernd jehr niedrigen Weltmarkftpreis gegenüber aufrechterhaltbar er= 222 GSecdhites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. jcheinen, nicht aber, wenn bei ungenügenden Öetreideernten der Welt- marftpreis jteigt und nunmehr außerdem noch ein hoher Zollichuß feine preisvertenernde Wirkung im zollgejchüßten Inland ausübt. Die Preis- bildung des Jahres 1891 mit dem ungewöhnlichen Hnaufichnellen der Weizen und namentlich der Noggenpreiie tt für die Möglichkeit jolcher Borgänge jehr lehrreich; ft doch damals yelbit im landwirtichaftlichen Streifen die Frage der zeitwetligen Sujpendierung des FünfMark-Zolls ernithaft erörtert worden. Solche Borgänge lehren, daß im Bereich der Nahrungsmittel Sich die Hollpolitif jeden Landes vor Übertreibungen jorgiam zu hüten habe, und dab eine landwirt- ichaftliche Schußzollpolitif jchon dann leicht Gefahr läuft, der öffentlichen Verurteilung zu verfallen, wenn durch Übertreibung des Schußprinzips auch nur eim einziges Mal Mehl- und Brotpreife auf einen für die Nab- rungsinterejfen der unteren Bolksklajjen bedrohlichen Stand emporgehoben werden jollten. Ein oft vernommener Einwand gegen landwirtichaftliche Schußzölle und insbejondere gegen Getreide und Wehlzölle it der Betrachtung ent- nommen, daß Die Durch den Schußzoll bewirkte Steigerung der Nenta= bilität ein Anziehen der Bodenpreile im Gefolge haben werde; hier: durch werde den augenbliclichen Bejigern ein unverdientes Napital- geichenf zu teil, für die jpäteren Erwerber aber, denen der Grund md Boden tenerer zu jtehen fomme, bleibe der Zoll ohne jeden Nuten, da der höheren Bodenrente als Folge des Schußzolls eine entiprechende Mehr: belaltung an Zinjen als Folge des höheren Boden-Anlagefapitals gegen= ütberjtehe. Diele Betrachtungsweije beachtet nicht hinreichend, daß Belig- wechjel im Bereich des landwirtjchaftlichen Grund und Bodens Doc) immer nur einen verhältnismäßig kleinen Bruchteil der landwirtichaftlichen Gejamtfläche zu ergreifen pflegen (S 16), die große Mehrzahl der Be= figer aljo im ruhigen Genuß der durch den Schußzoll erhöhten Rente verbleibt; und fie it auch deshalb eine wenig glückliche, weil aus dem jelben Grund jede durch technische Betriebsverbejjerungen erzielte dauernde Neimertragsiteigerung, die in ähnlicher Weile eine nachhaltige Hebung der Bodenpreife im Gefolge hat, vom Standpunft der ipäteren Erwerber ebenfalls als ein vergebliches Bemühen erflärt werden müßte. Etwas anders liegt die Sache im Fall der Pacht, weil mit Ablauf der jedes- maligen Bachtzeit der neue Wächter durch den gejteigerten Mitbewerb auf dem PBachtmarft leicht zu einem höheren Bachtichilling gedrängt werden wird, die Vorteile des Zollichußes alfo den Bewirtichaftern des Grund und Bodens nur verhältnismäßig furze Zeit gewahrt bleiben ; aus welchem rund fich vielleicht mit die Abneigung gegen landwirtichaftliche Schub sölle im englischen Infelreich erflärt, weil bei dem Ülberwiegen des Pacht- wejens in Ddiefem Land landwirtichaftliche Schußzölle in ihrer Wirfung nur auf eine Bereicherung der verpachtenden und ventenbeziehenden Grund S 44. Würdigung der Getreidezölle inZbejondere. 233 eigentumsariftofratie, nicht aber auf eine nachhaltige Beijeritellung der bodenbearbeitenden Klaifen jelber der Pächter) hinauslaufen fünnen. Viele einfichtsvolle und vorurteilsfreie Schriftiteller und Politiker gelangen zu einem der landwirtichaftlichen Schußzollpolitif abträglichen Ergebnis vielfach auch deshalb, weil für fie nur der Grund und Boden als unzerjtörbares und umverlierbares Produftionsinitrument in Betracht kommt, die augenblicliche ökonomische Lage aber der den Boden that jächlih Bebauenden als etwas gleichgültiges angejehen void. Weit anderen Worten: die landwirtichaftliche Schußzollpolitif pflegt nicht zum wenigiten mit dem Hinweis befämpft zu werden, daß der Staat nur ein Intereife an dem landwirtichaftlichen Gewerbe als jolchem habe, nicht aber an den dasselbe zufällig Ausübenden, und dab es nichts verichlage, wenn die dermalen im Belis Bermdlichen von der Bildfläche verichhwinden, da fie jedenfalls alsbald von tüchtigeren, leiftungs- fähigeren, gejchiefteren, zur Überwindung der Krifis befähigteren Wirten abgelöft werden würden. Dieje lebtere Aımahme findet imdejjen im der Wirklichkeit nicht durchweg eine Stüße; auch lehrt die Entwiclung des engliichen Acerbaus feit dem Auftritt der überjeeiichen Getreidetonfurrenz, daß die Verfagung eines Schußes leicht Produftionsverjchtebungen im Gefolge haben fan — Übergang vom Getreidebau zur Weidewirtichaft —, die vom Standpunft der nationalen Ernährungsintereffen feinesiwegs gleichgültig Find, vielmehr zu den ernfteften Bejorgnifen Anlap geben. Endlich aber wideripricht es der Auffafjung des modernen Staats als höchiter von fittlichen Ideen erfüllten Nechtss und Intereffengemeinschaft, dat das wirtichattende Subjeft als folches etwas für den Staat gleich: gültiges jei, an dejfen Wohl und Wehe er feinen Anteil zu nehmen brauche, wo doch die Staatsgemeinjchaft von den in ihr Lebenden nicht zu trennen und „das Maf der Entwiclung des Ganzen jederzeit Durch) das Maß der Entwicklung des Einzelnen gegeben ift”. Soweit aber die Gegner jedweden landwirtichaftlichen Zollfcygußes auf Selbjthilfe verweilen, wird augenscheinlich überjehen, daß die Wege der Selbithilfe um jo ichwerer gangbar fich erweifen, je mehr ein Erwerbsjtand in jeiner Eriftenzgrumdlage erjchüttert ift, md daß eine Neihe von zur Hebung und wirtjchaftlichen Kräftigung des landwirt- ichaftlichen Standes beftimmten agrarpolitijchen Einrichtungen und Beranftaltungen nur unter der Borausjeßung leidlicher Nentabilitätsverhältnifie ihrem Zwed entiprecdhend funftio- nieren fönnen. Beilpielsweife müfte das Anerbenrecht mit feinem Erbverichuldungszwang die ihm zugedachte Wirkung, das Gut im der Familie zu erhalten, verjagen, wenn dem Anerben die Erwirtichaftung der Zinjen und Amortifationsquoten der Erbjcehuld infolge anhaltend gedrückter, eine genügende Nente nicht mehr gewährender Produftenpreiie unmöglich gemacht wäre; das Aınuitätenfyftem im Grumdfreditverfehr müßte aus dem gleichen Grunde für den Befiger zur läftigiten Feilel, 224 Sedjites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs 2c. ja fönnte leicht geradezu verhängnisvoll werden; von den zahlreichen Einrichtungen des Verficherungsweiens fünnte fein oder nur bejchränfter Gebrauch gemacht werden, für die Aneignung der nur mit Aufwendung von Stapitalmitteln möglichen Betriebsfortichritte fünnte wenig oder nichts geichehen; nicht Davon zu reden, daß ein in Berzagtheit, Mut- (ojigfeit und Belltimismus verjunfener Grundbejißersitand für alle an die Werfe der Selbithilfe appellierende Mahn: worte unzugänglich oder Doch nur Jchwer zugänglich jein wird. Schließlich jollte auch die finanzielle Wirfung der Getreides zölle nicht ganz außer acht gelajjen werden. Die Zolleinfünfte aus Getreide, Hüljenfrüchten, Malz find im Laufe der Sahre auf über 100 Dill. ME (1895 108951000 DE.) geitiegen, stellen alfo nahezu ein Sechstel des Auffommens aus Zöllen und Verbrauchsiteuern dar; jie reichen hin, fast ein Viertel der Ausgaben des Reihsheeres (1896/97 = 479 Will. ME) zu bejtreiten. Und diefe Einnahmen fonnten erzielt werden, ohne daß eine Verjchlechterung in der Lebens- haltung derjenigen Volfsklaffen hätte einzutreten brauchen, bei denen der Brotfonjum eine befonders wichtige Nolle ptelt; denn die Mehl- und Brotpreife jind unter der Herrichaft der Getreidezölle nicht teurer, jondern billiger geworden. Mit dem Wegfall der Getreide und Mehl: zölle müßten entweder beitehende Neichsiteuern oder aber Die Watrifularbeiträge erhöht werden; leßteres wäre mit einer Erhöhung der direften Steuern gleichbedeutend, die gerade von der breiten Waffe der Bevölferung bejonders drücdend empfunden zu werden pflegen. Allen Eimwendungen gegen landwirtichaftliche Schußzölle, insbe- jondere joweit fie fich als Nahrungsmittels(Getreide-) Zölle daritellen, tft nur infoweit eine Berechtigung einzuräumen, als dieje Einwendungen gegen eine Übertreibung des Schugprinzips Stellung nehmen. Der in landwirtichaftlichen Kreifen dann und wann geltend gemachte Ylırs jprucch auf einen Getreidezollichuß, der unter allen Umftänden Sahr für Sahr den Höchititand der Vreife des Sahrhunderts jichere, tft daher abzuweten. Und zwar jchon deshalb, weil die jtaatliche Garantierung einer beitimmten Nentenhöhe mit den jocialwirtichaftlihen Bilichten des Grundbefiges in Widerfpruch jich jegen würde. Denn wenn das Grundeigentum wie jedes private Eigentum an PBrodufttonsmitteli das Vorrecht genießt, daß ihm die günstigen Konjunfturen und Der Kuben aus techniichen Fortichritten in Höheren Erträgnilien bs in der Bodenwertsiteigerung zu gute fommen, jo entipricht diefem Vorrecht Die Pflicht, zeitweile auch ungünftige Konjunfturen zu tragen. Nur ein unerträgliches Übermaß ungünjtiger Konjunfturen fann und joll dem Grundbejiß abgenommen werden; wogegen das Ber= langen der Abnahme des gejamten Nifitos auch nur in Bezug auf einen einzelnen landwirtichaftlichen Produftionszweig unvereinbar wäre mit einer auf dem Grundjaß der wirtichaftlichen Selbftverantwortlichfeit auf- Di» s 44. Würdigung der Getreidezölle insbejondere. 995 gebauten Wirtichaftsverfaffung und jeine Erfüllung nur in dem jocial- demofratischen Zufunftsitaat, der fein Brivateigentum, jondern mur Öe- meinjchaftsbeiiß fennt, finden fünnt. in Agrarhbohichug mit dem Ziel jtaatlicher Nentengaranttie ift daher unerfüllbar; ja man fann jagen, daß in Staaten mit-vajch wachjender Bevölkerung es dauernd nur mäßige Agrarzölle oder überhaupt feine Agrarzölle geben fanır. Denn wie jeder Zollichuß, jo darf auch der landwirtichaftliche Zollichuß nicht eine den eigentlichen Zielen der Schußzollpolitif entgegen- wirfende Folge erzeugen; das tel jeder Schußzollpolitif aber it auf jolche Kräftigung der durch auswärtigen Wettbewerb bedrohten Snlands- produftion gerichtet, daß mit der Zeit Die lebtere der auswärtigen SKonz- furrenz Sich ebenbürtig erweile. Diejes tel wirde niemals erreicht, wenn durc eine jtaatlich garantierte Höchitrente die Wirte der Pflicht äußeriter Straftentfaltung ich entledigt jähen. Auch der landwirtichaft- lihe Schußzoll joll, gleich allen Schußzöllen, nichts anderes als Nampf- und Abwehrmittel, Aneiferungs- und Aufmunterungsprämie jein; nicht zur Stagnation, jondern zum KFortichritt führen; nicht eine dauernde Widerjtands- und Stonfurrenzunfähigfeit vorausjeßen, jondern zur Wideritands- und Konfurrenzfäbigfeit langlam erziehen. sn diejem Sinne behauptet der landwirtichaftlihe Schußzoll in einem Syitem veritändiger Agrarpolitif einen guten PBlaß, während er als Hohichußzoll die grundbeivirtichaftenden Elemente als bevorzugt erjcheinen läßt, die wirtichaftlichen Kämpfe und Die Stlafjen- gegenläge verjchärft, Durch Einwiegen der landwirtichaftlichen Berufsitände in jJorgloje Sicherheit das Endztel jeder richtigen Agrarpolitif: die Empor- hebung des landwirtichaftlichen Betriebs zu einer Höheren Stufe der Boll- fommenbeit, möglicherweie vereitelt. Die voritehenden Betrachtungen ergeben, daß auf Die Frage, in welcher Höhe äußeritenfalls ein Getreide und Mehlzoll feitgefeßt werden darf, fich eine zahlenmäßig genaue Antwort nicht geben läßt. Wohl aber iit folgende allgemeine Negel aufzuitellen: Der Zoll joll nicht jo hoch gegriffen jein, daß er fich mit den Ernährungsinterejjen der arbeiten: den Bevölferung in empfindlichen Widerfpruch jeßen wirde; er Darf am allerwenigiten ein Brohibitivzoll, d. h. von jolcher Höhe jein, daf er die Einfuhr fremdländiichen Getreides unmöglich machte, da Deutjch- land wohl jtets in den Hauptgetreidefrüchten auf die Einfuhr bejtimmter Wengen von Getreide angewiejen jem wird; ev Joll auch micht jo hoch gegriffen jein, daß Ddiefer Höhe halber der fünftige Abjchluß von Handels- und Tarifverträgen oder die Aufrechterhaltung bes Itehender Handelsverträge mit europäijchen und außereuro- päilchen Staaten, welche als Erportmärfte für Erzeugnifie der deutjchen ‚suöuftrie wejentliche Bedeutung haben, unmöglich gemacht wäre. Dana) wird die Meimung auszufprechen gejtattet jein, daß bei ‚Fort- dauer der jegigen Weltgetreideproduftionsverhältniffe der Zoll für Ges Budhenberger. 15 226 Sedjites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. treide und Mehl fauım unter die jeßt beitehenden Zolljäge wird herunter: jinten fönnen, amderjeits aber auch die Säbe der Zolltarifnovelle vom sahre 1887 (DB DE. pro 100 kg Weizen und Noggen 2c.) wohl jtets als äußerjte Grenze der Zollbemeffung zu gelten haben werden. Dem jelbit von extremzagrarifcher- Seite zugegebenen Bedenken, daß hohe Getreidezölle beim zeitlichen Zufammenfallen mit ungünftigen Ernten einen umerträglichen Breisjtand fir Mehl und Brot im Gefolge haben fünnen, joll durch Die empfohlene Einfü rung beweglicher Zölle Die Spige abgebrochen werden, d. 5. durch eine gejegliche Borjchrift, wonac) der geltende Eingangszoll beim Sinfen der Getreidepreife entiprechend zu erhöhen und beim Steigen der Getreidepreiie entiprechend zu ermäßigen üt. „sn Diefer Weile das Interejfe von Produzenten und Stonjumenten in Einklang zu bringen, tt lange Zeit hindurch das Ziel der engliichen Kornzollpolitif gewejen, und es erhielt diefe Richtung der Politik ihren fonjequenteiten Ausdruck in eimem Gejeß von 1828, wonach die Einfuhr von Getreide jederzeit erlaubt war, die Zölle aber derart beweglich Teitgejebt wurden, daß fie beim Preis von 66 Schilling pro Quarter 20%, Schilling betrugen, und daß mit jedem Schilling, um welchen der Preis unter diefe Grenze jant, der Zoll um einen Schilling Itteg, anderjeits beim Steigen der ornpreie über jene Sa der Zoll, und zwar in emen jtärferen PBrozentverhältnis, fiel. Diejes Syitem der gleitenden Zollifala erwies ich indellen als gänzlich ungeeignet, einen mittleren Preisjtand des Getreides herbeizuführen, im Gegenteil waren Die „smportipefulationen, zu denen das Syitem Anlaß gab, Die Urjache bejonders Jtarfer Breisichwanfungen. Auch den Snterejfen Der roduzenten war mit Ddiefem Syjtem beweglicher Zölle nicht gedient. Ganz regelmäßig war zu beobachten, daß die Spekulanten durch eine vorübergehende Steigerung der Getreidepreife im Inland eine Ermäßis gung der Zölle herbeizuführen trachteten, um alsdann den Inlandsmarft mit großen Wengen ausländischen etreides zu überjchiwemmen, was Itarfen Breisdrud, wenn nicht Unverfäuflichfeit der Snlandsfrucht zur ‚solge hatte. Einem Wiederaufleben der gleitenden Bollifala muß Daher gerade auch im Sutereije der Getreideproduzenten widerraten werden. $ 45. Die Marktpreisbildung des Getreides und die DBandelsverträae, Die Getreidezölle haben die von ihren Befürwortern erhoffte Wirz fung einer nachhaltigen Hebung der Snlandspreife, etwa auf einen den jtebziger „Sahren entiprechenden mittleren Stand, nicht ausgeübt; denn unter der Herrichaft der Getreiveichußzölle find die Weltmarftpreife in einem die Schußzölle noch überiteigenden Betrag zurüdges gangen; ıhre Wirkung hat Tich alfo darauf bejchräntt, die Anlands- prere um den Betrag des Zolls über die Preife im zollfreien Ausland $ 45. Die Marftpreisbildung des Getreides und die Handelsverträge. 227 zu heben, aljo einen noch jtärferen Niedergang der Snlandspreije, als er jonjt eingetreten päre, fernzuhalten. Nam verrät es eimen augenjchent- lichen Mangel an Einficht, wenn in lamdwirtichaftlichen Sreren aus diefem Nücdgang der Weltmarktpreife eine Berfäummis der heimischen Wirtichaftspolitif hergeleitet wind. Denn es vollzieht fich ja doch die Bewegung des die Inlandspreije beeinflufjenden Weltmarftpreifes gänzlich unabhängig von der Wirtichaftspolitif des Einzelitaats ; beijpielsweile tt der Weltmarktpreis für Weizen, Noggen ze. das Ergebnis der jeweiligen WeltsJahresernten und der Jahresnachfrage nach Getreide in den ge= treidebedürftigen Staaten. Ob in den Vereinigten Staaten oder in Ylr= gentinien oder Nufland einige Millionen Hektar mehr oder weniger mit Getreide bebaut werden, ob die Getreideernte in diejen erportierenden Staaten reichlich oder minder reichlich ausfällt, ob die überjeeischen oder ruslüichen Getreideproduzenten ihre Getreidevorräte zurüchalten oder auf den Markt werfen ıumd ob danach die Bewegung der Breife nach oben oder unten beeinflußt wird, bleibt dem Einfluß der Getreideimportländer völlig entzogen. Es ijt alfo augenscheinlich unbillig und ungerecht, die Bolitif des Einzeljtaats für die jeweilige Öejtaltung der Getreide= preife, 5. B. für das niedrige Preisniveau der Gegenwart verantivortlich zu machen. In dem verjtändigeren Teil der Landwirte verjchliegt man Fich auch jolcher Einficht feineswegs. Wohl aber wird ein heftiger Vorwurf daraus abgeleitet, 1. daß in den anfangs der 90er Jahre abgejchlofjenen Handelsverträgen die Getreidezölle eine Ermäßigung erfahren haben (3. B. bei Weizen und Noggen von 5 Mf. auf 3,50 WE); 2. daß in- folge Diefer Handelsvertragspolitif die Getreidezölle Für lange Zeit (12 Jahre), d. h. bis 1903 feitgelegt worden find, im Der Sroijehenget alfo ihr Erhöhung ausgejchlofjen ericheint. Diefen mit jteigender Leiden- ichaftlichfeit in den legten Jahren erhobenen Vorwürfen gegen die neueite Handelsvertragspolitif wurde im Neichstag von Vertretern verjchtedener, auch agrarfreundlicher VBarteien, jowie regierungsfeitig nicht ohne Grumd folgendes entgegengehalten: a) Allerdings hat der Nücgang der Getreidepreife alsbald nach dem Abjchluf der Handelsverträge eingejeßt, aber die Ermäßigung Des Schußzolls um 1,5 DE. auf den Doppelzentner oder um 15 ME. die Tonne fann daran nur emen verjchwindend fleinen Teil haben, wenn man bedenft, daß Weizen und Noggen noch im Herbit 1891, d. h. kurz vor Abschluß des deutjch-öfterreichiichen Handelsvertrags, 230—240 ME., im November 1892 dagegen 140—150 ME, d. hd. YO ME. weniger notierten ; denn eine Zol (differen; von 15 Dif. für die Tonne fan wımoög- (ich een Preisrüchchlag um jechsfachen Betrag zur Folge gehabt haben. Es ift alfo wenig angebracht, für den Preisrücdgang, wie er jich voll- zogen hat, in vollem Umfang die Handelsverträge verantwortlich zu machen. 15* 228 Sehites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. b) Die im Sabre 1887 erfolgte Erhöhung des Zolls für Weizen und Roggen von 3 ME. auf 5 ME. hat ihre Entjtehung nicht jomwohl einem damals in erhöhtem Maße zu Tage getretenen Schugbedürnis, als dem handelspolitiichen Bedürfnis verdankt, beim Abjchluß neuer Handelsverträge im Bejit eines ausreichenden Nompenjationss objefts zur Herbeiführung handelspolitiicher Zugeltändnifje donjeiten dritter Staaten fich zu befinden. Wenn daher in dem erjten, mit Diter- veich-Ungarn abgeichlojjenen Zoll und Handelsvertrage deutjcherjeits das Zugejtändnis der Herabjegung des Weizen- und NRoggenzolls von 5 NE auf 3,50 ME. gemacht worden it, jo fan man mit ausreichenden Gründen nicht behaupten, daß „die deutiche Yandwirtichaft die Kojten diejes Vertrags bezahlt habe’. Der jebige Zoll tt immer noch um 50 Pr. höher als der im Jahre 1885 beichloffene, und Zweifel Darüber, ob ein Zoll von IMeE. in Deutichland längere Zeit fich aufrecht erhalten laffe, find auch in landwirtichaftlichen Streifen von Anfang ab laut ge- worden; war doch im Jahre 1891 die Frage einer zeitweiligen Ermäßigung oder gänzlichen Sujpendierung der Getreidezölle nahe gerüdt. Die Er- mäßigung der Zölle auf 3,50 ME, ohne welche der Handelsvertrag mit Dfterreich-Ungarn mutmaßlich nicht zuitande gekommen wäre, durfte auch angefichts der zur Zeit des Abjchlufjes diefes Handelsvertrags be- itehenden verhältnismäßig guten etreidepreiie unbedenklich ericheinen; jedenfall® war eine Senfung des Preisniveaus der Getreidefrüchte, wie jie jeit 1892 fich bemerfbar macht, nicht vorauszufehen, wie auch nichts der Annahme entgegeniteht, dal fich das Preisniveau in einigen Jahren wieder heben wird. e) Der Vorwurf, daß die Ofterreih-Ungarn zugeftandene Zoll- ermäßigung im weiteren Verlauf der Dinge auch Rußland eingeräumt wurde, jtatt diefem gegenüber die früheren höheren Bo Ihäbe oder gar den Kampfzoll von 7 ME. aufrecht zu erhalten, läßt außer acht, daß Dirferentialzölle — aller zolltechnijchen BL Vorkehrungen ungeachtet —_ leicht umgangen werden können, aljfo in ihrer Wirkung verjagen. Solange beiipielsweife rufliiches Getreide einen höheren Emgangszoll zu zahlen hat, als öjterreichiiches oder rumäniches, wird der rufliiche Erporteur bemüht fein, das ruffiiche Getreide zumächit nach Dfterreich oder Numänien zu verbringen und jodann als öfterreichiiches Getreide zu dem niedrigen goljas nach Deutjchland einzuführen; die rusfische Herkunft jolchen via Dfterreich oder Numänien eingeführten Getreides im Einzelfall nachzu= weijen, würde nicht immer leicht möglich fein. Dedenfalls wäre die Unter- bringung ruffiichen Getreides in Deutichland in Form von auf öjters reichiichen oder ungarischen Mühlen hergeitellten Mehles jederzeit möglich. Aber auch von jolchen Umgebungen abgeiehen, würde das auf den Welt- marft getworfene ruifiiche Erzeugnis an Weizen oder Roggen eine ent= iprechende Menge diefer Früchte aus den Vertragsitaaten für die Einfuhr nach Deutichland verfügbar gemacht Haben. Selbjt ruflischer S 45. Die Marftpreisbildung des Getreides und die Handelsverträge. 229 Roggen hätte Durch vermehrte Einfuhr aus den Donanftaaten oder Nordamerifa erießt werden fünnen. Aus diefen Gründen war man im Reichstag jeiner Zeit nicht tm Zweifel, daß die Genehmigung des deutjch- russischen Handelsvertrags nach erfolgter Genehmigung des deutjch-öjter- reichtichen und der anderen SHandelsverträge folgerichtig nicht verjagt werden fünne. Der bet der jeßigen Wreislage des Getreides aus landwirtichaft- lichen Kreifen bejonders in den Vordergrund geitellte und an jich noch veritändlichjte VBorhalt gegen die neuen Handelsverträge, daß die land- wirtichartlihen Zolliäße auf lange Zeit gebunden find, richtet lich im legten Ende gegen jede Art von HandelSsvertragspolitif in gorm des Abichlufjes von Tarifverträgen, weil jolche Tarif- verträge veritändigerwetje jtets auf längere Zeit unfündbar abgejchlofjen werden müljen, wenn anders der Zweck der Handelsvertragspolitif, eine gewilje Stetigfeit in u Ein und Ausfuhrbeziehungen zu erzielen, er: veicht werden joll. Dieje grundfäßliche Defümpfung einer Er= neuerung der Genhelaneriragepolitif nach Ablauf der gegenwärtigen Verträge, gleichviel welches der Suhalt der fünftigen Handelsverträge jein möge, jteht gegenwärtig fait im Centrum der landwirtichaft- lihen Bewegung, fann aber aus folgenden Gründen als berechtigt und ausfichtsvoll nicht angejehen werden: Keben der Yandwirtichaft hat ich im Laufe Ddiefes Kahrhunderts und namentlich in dem lebten Drittel des Jahrhunderts in fraftvoller Were eine Großssndufstrie entwidelt, die längit aufgehört hat, nur für den Inlandsmarkt zu arbeiten, vielmehr eine im großen Stil arbeitende Erportinduitrie geworden tit. Ungeheure Kapitalwerte find in diejen induitriellen Unternehmungen angelegt, Millionen von Angeitellten und Arbeitern finden in ihnen Unterfommen und Berdienit; die Ausfuhrwerte dDiejer Industrie nähern jich der vierten Milliarde Man kann den Vertretern landwirtichaftlicher Intereffen einräumen, daß dieje Ent: wicklung Deutichlands nach) der großindujtriellen Seite hin mancherlei Schattenjeiten gezeitigt hat: BVerjchiebungen auf dem Arbeitsmarkt zum achteil des flachen Landes, Schaffung einer unzufriedenen Fabrifarbeiter- bevölferung, Berichärfung des Gegenjaßes zwilchen Kapital und Arbeit, zwilchen Neich und Arm. Aber man follte auf jener Seite nicht jo ein- jeitig jein, zu leugnen, daß die von Sahr zu Sahr wachjende Stapitalfraft Deutjchlands zu einem jehr erheblichen Teil die Frucht der Unternehmer: thätigfeit der Großinduftrie und des an ihrem Aufichwung teilnehmenden Großhandels it, und daß mit diefer zunehmenden Stapitalfraft auch die Steuerfraft gewachien und eine Verschiebung der jtenerlichen Belaftung zu Gumiten des landwirtichaftlichen Gewerbes eingetreten tft, worauf bereits früher hingewiejen wurde (S. 191). Mean jollte fi der Einficht nicht verjchliegen, daß ein Neich mit jo rajcher Bevölferungszunahme, wie jie das deutjche Neich jeit Jahrzehnten aufweilt, der Gefahr, dem Zujtand 230 Sechjites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs ac. der Übervölferung zu verfallen, nur durch diefe gewaltige Zunahme industrieller Ihätigfeit mit ihrem jtarfen Arbeiterbedarf bis jest letdlich entgangen it, und daß, wenn in einem Neich wie Deutjchland nicht Jahr um Zahr Hunderttaufende der nachwachjenden Generation zur Auswanderung genötigt werden jollen, eine induftrielle Entwicklung nötig war, Die diejen hunderttaufenden von Arbeitskräften Beichäftigung im Inland bot. Es tit aber volfswirtichaftlich richtiger und bejjer, nicht Menjchen, jondern die aus Menjchenhand gefertigten Waren zu erpor= tieren. Dieje kräftige Entfaltung auf imdujftriellem Gebiet it zudem weit entfernt, dauernd einen Nachteil‘ für die landwirtichaftlichen Intereflen darzustellen; wie man denn im Süden und Weiten von Deutjchland, wo jegt Schon in zahllojen Yandgemeinden die Bevölkerung dicht gedrängt fitt und gegendenweile die Symptome- der Übervölferung deutlich zu Tage treten, die Ausdehnung industrieller Thätigfeit viel unbefangener zu würdigen weiß, wie etwa im deutichen Dften. Im jenen Gegenden erachtet man e8 gerade auch in den bäuerlichen Wirtichaften für einen Gewinn, an einer zahlungsfähigen Arbeiterbevölferung einen regelmäßigen Abnehmer für die Kleinerzeugnifje der YLandwirtichaft: Milch, Butter, Gemüfe, Obit, zu haben; man jchägt es hoch, dal ein Teil des Familiennachwuches industrieller Beichäftigung nachzugehen Gelegenheit hat und die Wirt: ichaftseinnahmen der YJamilie verbejjert; man erachtet es als öfonomtjche Wohlthat, wenn der in übervölferten Kandgemeinden chronische YLanddunger mit der Begleitericheinung übertrieben hoher Bodenwerte durch Dieje Gelegenheit zu induftriellem Arbeitsverdienit gemäßigt, und wenn durch die hierdurch herbeigeführte Entlaftung des Grundmarfts von einem Teil der Nachfrage nach Grund und Boden normalere Bodenwerte angebahnt werden (jiehe ©. 65). Die durch die bewundernswerten Errungenschaften der Technik ge förderte großindujftrielle Entwicklung, die deuticher Intelligenz, IThatfraft und Solidität ein glänzendes Zeugnis ausitellt, ijt eine Thatjache, mit der die deutjche Wirtjchaftspolitif nicht minder zu rechnen hat, wie mit den Intereijen des landwirtichaftlichen Berufs tandes. Zwar bedarf diefe Großinduitrie, um fich auf ihrer jegigen Höhe zu erhalten, feiner ftaatlichen Subventionen, feiner den techniichen ‚ortichritt Fürdernden bejonderen pfleglichen VBeranftaltungen, wie jolche im Sinn der vorausgegangenen Abjchnitte zu Guniten des landwirtichaft lichen Gewerbes und ebenfo zu Gunsten des Kleinhandiwerfs mit Necht beitehen; aber fie bedarf, da ihre Produktion entiprechend dem Menjchen- material, das fie bejchäftigt, den Inlandsbedarf weit überjteigt, der Er=- Ihliegung und Difenhaltung ausländischer Abjabquellen. Nun hängt es mit der verhältnismäßig jpäten Zufammenfafjung Deutjchlands zu einem einheitlichen politiichen Gebilde zujammen, daß wir eines großen Kolonialreihs, das der natürliche Abnehmer eines Teils der Produfte des Indujtriefleißes des Heimatlandes Ss 45. Die Marftpreisbildung des Getreides und die Handelsverträge. 231 wäre, gleih Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden entbehren; umjer in eimem leßten günftigen Augenblick erworbener Kolonialbefig wird diejen Dienjt mutmaßlich evit in einer fernen Zukunft leiiten fünnen. Deshalb it Deutjchland für den Abjag feiner Smduitries produfte auch auf Die Märkte fremder Staatsweien, europäiicher und außereuropäticher, mit Dringlichfeit angewielen, und daher tt eine Bolitif, die fich die Erjchliegung Tolcher auswärtigen Abjabivege angelegen jein läßt, nicht eine fehlerhafte, Jondern eine durch die Macht der Verhältmifie und Die unaufhaltiame Entwiclung der Produktion gebotene Bolitif. Am erfolgreichiten aber wird jich dieje Bolitif im Weg des Abichlujjes von Handels- und Zollverträgen bethätigen, durch) welche der Zutritt heimischer Erzeugnilie in fremde Staaten für emme Neihe von Jahren, die eine von Augenbliesüberrafchungen befreite, Fichere faufmänniiche Kalkulation zuläßt, gewährleiitet wird. Und wie wertvoll eine jolche Art von Handelsvertragspolitif gegebenenfalls jich erweiit, it angelichts des Umjtandes, daß England für jich und feine Kolonieen die zwilchen ihm und dem Ddeutjchen Neich geltenden, aber Nahr für Ssahr Ffündbaren Handelsverträge (Meijtbegünjtigungsverträge) plöglich gekündigt hat, Elar zu Tage getreten. Denn von diejer Kündi- gung wird möglicherwere nicht bloß Die Ddeutjche Imduftrie, Tondern auch Die Deutjche YLandwirtichaft in Mitleidenjchaft gezogen, weil der englifche Markt den größten Teil des Ddeutichen Nübenzuefer- erports aufnimmt. Aus diefen Gründen tt nicht anzunehmen, daß das deutjche Reich in der Zukunft auf eine Handelsvertragspolitif mit vertragsmäßiger Bin- dung der Zollfäße für eine Anzahl wichtiger Waren und damit auf den Schuß der nationalen Arbeit, joweit Se in der Erportinduftrie wurzelt, verzichten wird; denn ein Auftand der Bertragslofigfeit im Handels und Hollverfehr führt leicht zum Handels- und Zollfrieg, der wie dem fremden, jo auch dem hHeimiichen Gewerbefleiß jtets die empfindlichiten Wunden jchlägt. Zu Ddiefer Einficht muß fich auch die landwirtichaftliche Bevölferung durchringen; jte muß jich mit dem Gedanfen be= freunden, daß neben den landwirtjchaftlichen Intereiien auch die Suterefien der Großindufstrie und der in dDiejer verwende: ten Arbeitermafjen Anjpruch auf jtaatlihden Schuß und Für- jorge haben. Die in freihändleriichen Kreifen vertretene Memung, dap Deutjchland den Ubergang vom Agrifulturjtaat zum Smduftriee und Handelsitaat bereits vollzogen habe und deshalb über die landwirtichaft- lichen Snterejien zur Tagesordnung übergehen fönne, leidet offensichtlich an größter Eimfeitigfeit, und es tjt nicht zu bejorgen, daß der tn Ddiejer Meinung zum Ausdruck fommende einjeitige FJabrifanten- und Kaufmannsitandpunft je in abjehbarer Zeit von der deutjchen Wirt- ichaftspolitif geteilt würde. Allezeit wird der landwirtjchaftliche Berufs- Itand in Deutjchland feine anjehnliche Stellung und Bedeutung bes 339 Sechites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. baupten. Aber joviel it richtig, daß Deutjchland aufgehört hat, ein veiner Agrifulturftaat zu jein. Daher fordern auch die großen umd induftriellen Handelsinterefien ihr Necht; denn die Behauptung nationaler Macht und Größe des deutihen Reichs wäre ohne die Erhaltung einer blühenden Großinduitrie und eines fräj- tig entwidelten Großhandels neben dem Untergrund einer breit entwidelten Zandwirtichaft dauernd nicht denkbar. Die Frage, in welcher Weife bei einer Erneuerung der Handels- verträge die Forderungen auf erhöhten Zollichug zu behandeln jind, ijt eine TIhatfrage und ihre Enticheidung von der Entwidlung des Weltver- fehrs in landwirtichaftlichen Produkten in den nächiten Jahren abhängig zu machen. Sollte wider Erwarten der jeitherige Tiefitand des Welt- preiles fir Getreide als dauernd fich erweilen, jo wäre die Erhöhung der Getreidezölle unbedenflid vom Standpunkt der Stonjumenten aus und daher, weil durch die Interejfen der landwirtichaftlichen Produktion geboten, anzuftreben; anders, wenn jener Tiefjtand eine vorübergehende Ericheinung bildet; haben ja doch gerade in jüngiter Zeit die Preije jich nambaft gebejjert. Ein bejfonderes Augenmerk wird in der Folge der Jrage zuzus wenden jein, ob es vorteilhafter oder nachtetliger it, mit einzelnen Staaten, jtatt Tich durch Handels: und Zollverträge zu binden, lediglich auf dem Fuß der Meijtbegünftigung zu verfehren, d. h. jolchen Staaten die irgend einem Vertragsitaat eingeräumten HZolljäße ohne weiteres ebenfalls zuzugeitehen. Infolge des Bejtehens jolcher Meijtbe- günftigungsverträge haben einzelne überjeeiiche Staaten (nordamerifa- nische Union, Kanada, Indien, Argentinien) die in den mit europäischen Staaten abgeichlojjenen Handelsverträgen zugeitandenen land= wirtichaftlichen und anderen Zollermäßigungen ohne weiteres, d. h. ohne bejondere Öegenleijtungen ihrerjeits eingeräumt erhalten und jih zu nuße machen fünnen. Die aus der Metit- begünftigungsflaufel ich ergebenden Berpflichtungen jind zwar gegen= jeitige, aber dies ändert nichts an der Thatjache, daß die Vorteile der Einrichtung manchmal nur dem einen Teil zu jtatten fommen. Die Meiit- begünitigungsflaujel it im den jechziger Jahren aufgefommen, d. h. in einer Zeit, in der die europätiche Staatspolitif unter der Führung Frant- reich von dem Syitem eines gemäßigten Schußzolls zu dem des ge= mäßigten Freihandels überzugehen jich anjchiefte; hierzu erwies fich die Klausel der Meiftbegünftigung als bejonders wirfjam, weil jede im Lauf der Jahre von einem VBertragsitaat irgend einem dritten Staat eingeräumte Zollermäßigung jorort allen VBertragsjtaaten gegenüber Pla griff. Nach: dem jeit Ende der jiebziger Jahre die allgemeine Wirtjchaftspolitif und zwar nicht bloß in Deutichland, jondern in den meisten europätjchen und gerade auch in außereuropätichen Staatswejen (amerifaniiche Union) eine Umfehr im jchußzöllneriichen Sinn vollzogen hat, bejteht $ 46. Der Einfluß von zollfreien Getreidelägern auf die Preisbildung . 233 zwiichen diejer unter der Flagge des Schuges der nationalen Produktion wirffamen Bolitif und der Aufrechterhaltung der Metijtbegünitigungs- £lanjel ein augenjcheinlicher Wideripruch. Denn wenn im Sinne der neueren Wirtichaftspolitif Zollermäßigungen am dritte Staaten nur Zug um Zug, d.h. nur gegen entiprechende Einräumungen von der andern Seite her zugeitanden werden, jo fehlt ein augenjcheinlicher Grund, diejen BZollermäßigungen ohne entjprechende Gegen- leijtwing eine unter Umitänden ganz unerwünjchte Verallge- meinerung lediglich deshalb geben zu müljen, weil aus früherer Zeit eine Anzahl Staaten den las Anjpruch dar- auf haben, auf dem Fuß der Metitbegünitigung behandelt zu werden. Es iit deshalb fein unbilliges Berlangen landwirtjchaftlicher Kreife, mit denen übrigens in diefer Hinficht viele Bertreter der Smduitrie Hand in Hand gehen, daß beim Abjichlug neuer Handelsverträge vor jeder Tariffonzeifion an einen Vertragsjtaat jorgjam geprüft werde, welche Tragweite der Zollermäßigung infolge ihrer Einräumung an Meijtbes en zufomme, und ob Grund vorliege, den Meijtbegünitt- gungsjtaaten jolche Einräumungen ohne namhafte Gegenfonzejitionen ihrerjeits zuzugejtehen. Am beiten wäre offenbar den moujtriellen umd landwirtichaftlichen Interefjen gedient, wenn es gelänge, die reinen Meiitbegünitigungsverträge in Tarifverträge mit gewilfer nicht zu fur; bemejjener Dauer umzuwandeln. Denn die reinen Meetit- begünftigungsverträge, die regelmäßig mit Sahrespriit fündbar ind und eine gegenfeitige Bindung von Tarifjägen nicht vorjehen, gewährleiiten augenscheinlich jehr wenig die wünjchenswerte Stetigfeit der Handelsver- hältniffe. Hat Doch gerade im legten Jahrzehnt mehrfach bei einzelnen der mit Deutschland im Meiftbegünitigungsverhältnis befindlichen Staaten die durch feinen Tarifvertrag beichränfte Autonomie im Gebiet des Zolltarifwejens in einer denkbar rüdjichtslojen, launen= und jprunghaften Handhabung der Zollpolitif jich geäußert wofür namentlich einzelne überjeeische Staaten es an verblüffenden Beilpielen nicht haben fehlen lafen. Solange aber mit einer jolchen Unberechenbarfeit der Zollpolitit zu vechnen it, darf gewiß die Frage aufgeworfen werden, ob dem Fortbejtand eines Meitbegünitigungsverhält- niljes (ohne Tarifvertrag) ein erheblicher Wert noch zukommt. $ 46. Der Einfluß von zollfreien Getreidelägern auf die Markt: preisbildung und den Abjas des Betreides; Maßnahmen zur Der: beiferung der Marktfäbigfeit und Abfasmöglichfeit des inländischen Getreides; Bedeutung der Pleinen und mittleren Nlühlenbetriebe für den Getreideabfas; aenoffenfhaftlihe Abfasorganifation und Korn: häufer; Aufhebung des dentitätsnachweifes für Getreide, Gleichzeitig mit Erlafjung des neuen Holltarifgejeßes von 1879, das eritmals wieder einen Zoll für Getreide einführte, ijt die gejeßliche 234 Sedjtes Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs ac. Ermächtigung erteilt worden, ausländiiches Getreide bis zu jeiner Wieder- verjendung in das Ausland oder bis zur Verbringung in den freien Berfehr des Zollinlandes zollfrei lagern zu dürfen. Dieje Getreide- läger find entweder reine Tranjitläger, aus denen das lagernde Öe- treide nur in das Zollausland, oder gemischte Tranfitläger, aus denen das Getreide nach freier Wahl des Lagerinhabers entweder in das Ausland oder das Inland verbracht werden darf. Beitimmend für die Zulafjung von jolchen Getreidelägern war der Wunjch, den ehemaligen Iranfitverfehr in Getreide von dem Ausland durch Deutjchland nach dem Ausland über die alten Hauptumschlagspläge an den Hafenpläßen der Ditiee jowie im Binnenland (Nheinhäfen) auch nach) Einführung der Setreidezölle zu erhalten. Denn diefer ITranlitverfehr wäre augenjchein- (ich gefährdet gewejen, wenn für jedes ins Inland verbrachte Getreide- quantum, auch wenn e3 ganz oder teilweile mit der Abjicht der Wieder- ausfuhr eingeführt war, der Zoll hätte erlegt werden müjjen, zumal nad) den damals geltenden zollgefeglichen Vorschriften eine Nücvergütung des Zolls bei der Ausfuhr an den Nachweis der SDdentität des ein- und ausgeführten Getreides gefnüpft war, ein Nachweis, der nicht in allen Fällen und namentlich dann nicht zu führen: war, wenn eine Mischung des ausländischen Getreides mit dem inländischen jtattgefunden hatte. Mit der jpäteren Erhöhung der Getreidezölle in den Sahren 1885 und 1887 galten dieje für die Zulafjung von Goetreidelägern der in Nede stehenden Art j. 3. maßgebend gewejenen Erwägungen in verjtärftem Mate. Gleichwohl unterliegen diefe Läger, auf denen Getreide lagern darf, insbejondere die jog. gemijchten Tranjitläger, von denen aus jeder- zeit das Getreide in das Ausland oder in den mländiichen Berfehr über- geführt werden fann, jeit Jahren lebhaften Anfechtungen in landwirt- ichaftlichen Streifen. Man macht imsbejondere geltend, daß das Bor- handenjein großer etreideläger im Inland einerjeits abjagerjchwerend, anderjeits preisdrücdend wirft, und man jeßt es daher ganz bejonders auch der Einrichtung des Getreidelagerweiens zur Lajt, wenn Die Ge= treidezölle in ihrer Wirkung zeitweile verjagt haben. Diejer Auffaflung entiprechend wird daher die Bejeitigung der gemijchten Privat- Tranditläger, mindeitens aber die Bejeitigung der jeitherigen Zollfreditgewährung gefordert, in lebterer Hinficht alfo verlangt, daß Die Zölle mit dem Tage der BVerbringung des Getreides im den freien DBerfehr des Inlandes bar erlegt bezw. für die angejchriebenen Zollichuldigfeiten bis zum Tag ihrer Berichtigung Zins bezahlt werde. Die gegen die Getreideläger erhobenen Klagen find indejjen mur bedingt als begründet anzujehen; auch wird bei dem Verlangen nad) durchgängiger Bejeitigung die wirtichaftliche Funktion, die jie erfüllen, nicht hinreichend gewürdigt. Die Inhaber der an den Häfen der Ditjce beitehenden gemijchten Läger (im Danzig, Stettin, Königsberg) beziehen vielfach rufisches £leberreiches Getreide, das auf den Lägern mit fleber- 8 46. Die Aufhebung der gemiichten Getreide-Tranfitläger. 235 armer inländischer Frucht gemischt und nach erfolgter Mischung vornehmlic) in das Ausland (Skandinavien, England) ausgeführt wird, oder e8 wird auch umgefegrt inländische Qualitätsiware mit vufliicher Frucht geringerer Qualität gemischt, um lettere verfaufsfähiger zu machen. Auf Ddiejen Lägern vollzieht fich daher eine Art VBeredelungsverfehr mit dem Erfolg, die jeweiligen Sahresernten durch entiprechende Wüschungen in den Zuftand beiter marftgängiger Beichaffenheit zu verjegen. Air Diejer für die Getreidebauproduzenten des preußischen Oftens wichtigen Funktion der gemischten ITranfitläger wird dadurc nichts geändert, daß ein Teil der gemischten Frucht, joweit Bedarf vorhanden tft, in dem Inland jelber abgejegt wird. Der unterjchiedslofen Aufhebung der Läger an den Stüften- orten der Ditjee wird daher auch von emfichtigen Vertretern der Yand- wirtichaft jelber, weil den ee landwirtichaftlichen Snterejfen ab- träglich, entjchieden widerraten. Die Maßregel dürfte zudem des Erfolges gänzlich entbehren, weil der in den Lägern der Dit feeftapelpläe lich ab- ipielende Handel mit ausländiichem Getreide entweder nach rufliichen Häfen (Libau, Niga) oder im die Freihafengebiete der deutichen Hanja= jtädte (Hamburg 2c.) verlegt werden würde. Der. einzige Erfolg wäre aljo die Schädigung einer Anzahl Küftenpläge zum Vorteil anderer, und die Yandiwirte des Ditens wären mit diefer Verlegung des Geiteinehannels aus Vlägen, die die natürlichen Exportpläße der öftlichen Getreidefammern find, nicht am wenigjten jelber gejchädigt. sm Unterjchted von den im Ddeutjchen Norden und Norbdoiten, d. 5. in den eigentlichen Kornfammern Deutichlands bejtehenden Hetreide- lägern it Die Aufgabe der an der Nheinitraße und im jüpdlichen Binnenland beitehenden Getreideläger neben der Vermittlung des Tranfitverfehrs ins Ausland vornehmlich die Verforgung Ddiejes jtärfjtbevölferten Teils des deutichen Neichs mit jenem Getreideguantum, für das die jüddeutiche Landwirtichaft nicht völlig aufzufommen vermag. Das Defizit in Getreide im Weften und Süden von Deutichland, das durch Zufuhr, jei es aus anderen Teilen Deutichlands, jei es von außen her, gedeckt werden muß, it aber ein jehr beträchtliches und jeiner Zeit (von Leris) für das „Sahr 1886 für Württemberg, Baden, Helfen, die Pfalz, Hohenzollern, die drei fränfifchen Bezirfe Bayerns, ferner für die preußischen Provinzen Heilen-Nafjau, die Aheinprovinz und Weitfalen und Eljaß-Lothringen auf und 13 Wüllionen Doppelzentner berechnet worden, mittlerweile infolge der raschen Be- völferungszunahme in diefem Teil Deutichlands jedenfalls noch geitiegen. Sür Baden allein wurde anläßlich der landwirtichaftlichen Erhebungen von 1883 das Defizit an Brotforn, damals mäßig gerechnet, auf 1!/, Millionen Doppelzentner veranichlagt. Behufs ficherer und gleich- mäßiger VBerforgung des weitlichen und jüdlichen Deutichlands ift daher das Vorhandeniein von Getreidelägern mindejtens jehr wünschenswert; jie leilten dasjelbe, wie die jtaatlichen Getreidemagazine der älteren 236 Sehites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs zc. Zeit, die ja auch nichts anderes bezwedten, als örtlichem Getreidemangel jederzeit nachdrüdlih und ohne daß eine örtliche Spekulation Diejen Setreidemangel ich hätte zu nuge machen fünnen, zu begegnen. Auc) das militärische Interejje im Fall einer Mobilmahung läßt das Borhandeniein ausreichender Getreideläger im Innern erwünjcht ericheinen. Aus diefen Gründen hat die Forderung einer völligen Bejeitigung der gemifchten Iranfitläger jchwerlic) Ausfiht auf Erfüllung. Auch betrefts diefer im Süden und Weiten von Deutjchland befindlichen Tranfit- (äger gilt im übrigen das Gleiche, was betreffs der Aufhebung der ge mischten Tranfitläger an der Dftjeefüjte bemerft wurde, daß nämlich mit deren Aufhebung lediglih ein PBlabwechjel an den Örenzen des Reichs Tich vollziehen würde. Mit anderen Worten: an Stelle der (ängs der Nheinitraße befindlichen Getreideläger würden jolche in Rotterdam oder Antwerpen, an Stelle jener in Lindau und Friedrichshafen jolche in Rorschach und Romanshorn, an Stelle jener in München jolche an irgend einem bayrijch-öfterreichtichen Grenzort entitehen, und es fünnte von Ddiejen Grenzorten aus jederzeit, joweit Bedarf vorhanden ijt, im derielben rajchen Weile das Getreide nach Deutjchland gebracht werden, wie jet von den innerhalb der deutichen Grenzen gelegenen Lägern aus. Die Folge der Aufhebung der Yäger im Innern wäre jonach nicht eine Befeitigung der leichten Importmöglichfeit von Getreide, jondern Die Folge wäre lediglich die, daß die betreffenden KHandelsgeichäfte und Handelsfapitalien in das Ausland verlegt, und daß ein Teil des Tranfit- verfehrs von deutichen Handelsplägen und deutichen Bahnen abgelenkt würde, alfo wirtichaftliche und finanzielle Schäden fich ergäben, denen ein entiprechender Vorteil für die inländiichen Produzenten nicht gegemüber- jtände. Die Meinung, dat das VBorhandenjein von etreidelägern eine preisverbilligende Wirfung erzeuge, it jedenfalls nicht ohne weiteres einleuchtend. Der Getreidehändler, der ausländiiches Getreide einlagert, um es wieder zu verfaufen, jet es in das Ausland, jei es in das Inland, der aljo effeftive Getreideabjchlüjie und nicht etwa jolche in Papier- weizen und Bapierroggen macht, hat fein Interejje an niedrigen, jondern an hohen Getreideverfaufspreijen. Er muß, um nicht zu Schaden zu fommen, für fein zum Verkauf gejtelltes Getreide einen Preis berechnen, der den Anfaufspreis des Getreides, die Koften der Frachten bis zum on. ferner Die nicht unbeträchtlichen Kojten der Lagerung, es Schwunds, der Verficherung und andere Spejen det; er muß Tich ferner Die Berzinfung des im Getreidehandel jtecfenden Kapitals und den Lohn seiner eigenen Arbeit berechnen und endlich den von ihm zu ents richtenden Eingangszoll dem Selbjtkojtenpreis des Getreides zuichlagen. Koftenvertenernd Für den Handel in ausländiichem Getreide wirft dabei auch der Umstand, daß nach den herrichenden Wiancen Getreide am Welt- marft nur gegen bare Zahlung angefauft werden fann, und die Zahlung $ 46. Bevorzugung der ausländischen Frucht durch die Großmühlen. 237 nicht etwa erjt beim Eintreffen der Ware, jondern gegen Aushändigung des Konofjements zu leiten it, die meilt früher erfolgt, als die Ware eintrifft; der Weiterverfauf des Getreides im Inland aber erfolgt gegen dreimonatiges Ziel. Der Getreideimporteur im effeftiver Ware hat alio ein Dringendes Ainterejle an jteigenden, nicht an fallenden Preifen, joweit er nämlich als Berfäufer auftritt, und nur in jener Eigenschaft als Käufer hat er ein Snterefle an billigen Einfaufspreiien. Er wird aljo jeweils an jener Stelle jeine Abjchlüffe machen, von der aus ich die Einfaufspreife zuzüglich der See und Bahnfrachten am niedrigiten falfulieren. Auf die Gejtaltung der Einfaufspreife in den in Betracht fommenden ojtenropätichen oder überjeeischen Wläßen tft aber der Smporteur gänzlich einflußlos; in le&ter Linie ift es aljo immer wieder der Weltmarftpreis, der für die Breije im Binnenlande maßgebend iit, und nicht das Belieben der suhaber von Getreidelägern. Jedenfalls aber würde an der jegigen Preisgeitaltung in feiner Weife Dadurch etwas geändert, daß mit Aufhebung der gemijchten ITranfitläger diefe an die Grenze des deutjchen Neichs ins Ausland verlegt würden. Die an ich auffällige Erjcheinung, Do zur jelben Zeit, in der ee rege Nachfrage nach der in inländischen Yägern befindlichen ausländischen srucht vorhanden it, die einheimische Frucht gar nicht oder nicht zu Dden= jelben Preifen, wie die ausländische Frucht Nachfrage findet, wird in der Negel in landwirtichaftlichen Kreifen mit einer \pefulativen Über- führung des Marktes mit ausländischem Getreide in Verbindung gebracht. Doch haftet diefe Erklärung etwas an der Oberfläche und giebt auch feine Antwort auf die Frage, aus welchen Gründen denn diefe in übergroßen Mengen eingeführten Getreidemengen jederzeit Ichlanfen Abjak aljo thatjächlichen Borzug vor der inländischen Frucht er= fahren. Die tiefiten Urjachen der beflagten Bevorzugung der ne kanbithen Srucht Liegen einmal in den geiteigerten Anforde- rungen des Konjums an em im ‚zarbe, Trodenheit und Geruchlofig- feit, vor allem aber an ein betreffs der Badfähigkeit tadellojes Wiehl und in dem jcharfen Wettbewerb auf dem Mehlmarft infolge des Entjtehens zahlveicher Großmühlenbetriebe, die da und dort zu wahren Niejenbetrieben ich ausgewachlen haben; je jchärfer aber der Wett: bewerb, um jo größer das Bedürfnis der Anpafjung der berges ttellten Mehljorten an das Gejchmadsbedürfnis des Bublifums, um jo nötiger Vorficht und Sorgfalt im Ankauf des Getreides. um wird mit Necht oder Unrecht — feitens der Grogmühlenbetriebe — die Anz- jicht vertreten, daß die an Stelle der früheren Yandweizenjorten jeit Jahr: zehnten wegen Der gran quantitativen Erträge gegendenweile jtarf au- gebauten engliichen Weizenjorten ein für die Bedürmnifje des Marktes geeignetes Mehl nicht I und es werden von den Mühlen die harten und £leberreichen Weizenjorten des Auslands — insbejondere der Weizen der Donaugegend, der ruffiiche (Saronfa-Weizen), der amerikanische 238 Sedhites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs ze. (Red winter Wr. II oder Walla-Walla-Weizen), endlich) der La Plata- Weizen — bevorzugt, weil dieje Weizenjorten eine höhere Ausbeute an feineren und weißeren Mehljorten gewähren und die aus jenen Weizenjorten bergeitellten Mehle Durch größere Badfähigkeit jich auszeichnen jollen; und man verwendet daher in den meijten diefer Mühlen Mifchungen, beitehend aus ?/, ausländiichem und !/, in- (ändiichem Weizen. Und da jene Anficht nicht bloß von den Meüllern, jondern auch von den Bädern geteilt wird und daher auch le&tere mit Borliebe ihren Mehlbedart aus den Großmühlen dedfen, jo fanı auch in DSahren reicher und qualitativ guter Inlands-Ernten der jtarfe Smport ausländischer Brotfrucht an jich nichts Überrafchendes haben. Die Bevorzugung ausländiicher Jrucht durch die Groß- miühlenbetriebe hat freilich noch emen anderen Grund. Und Diejer Grund tjt darin zu juchen, daß für die Meühlenbetriebe der Bezug der Brotfrudht in großen Boiten aus einem oder mehreren etreidelägern denfbar bequem und vorteilhaft ijt gegenüber den Weitläufigfeiten des Anfaufs in eimer Anzahl fleinerer Bartieen bei Hunderten von einzelnen Getreideproduzenten; wozu noch fommt, daß auf den Getreidelägern die betreffende Weizen oder Noggenjorte meijt in gleichmäßiger Be: ichaffenheit erhältlich it, während die inländische Frucht, namentlich in den Gegenden des vorherrichenden bäuerlichen Befites, diejer Gleichartig- feit häufig entbehrt, ja vielfach von Gemarkung zu Gemarkung eine denf- bar große Mannigfaltigfeit der Sorten aufweist. Auch die Reinigung der Frucht vor dem Berfauf von Unfraut-Sämereien und anderen Bei- mengungen läßt in den bäuerlichen Betrieben vielfach zu wünfchen übrig. Und diefem Umpjtand ijt e$ mit zuzufchreiben, daß für ausländijche Srucht, ihrer größeren Gleichmäßigfeit halber und wegen der tadellojen jonjtigen Beichaffenheit, die ihr durch die Manipulationen des Sortierens, Neinis gens 2zc. auf Den Getreidelägern zu teil wird, häufig und gerne höhere reife jeitens der Großmühlen angelegt werden, als für eimheimijche ‚srucht. Es iit ohne weiteres eimleuchtend, daß die Bejeitigung der Ge- treidetranfitläger im Innern von Deutichland für die Großmühlenbetriebe fein Hindernis wäre, nach) wie vor ausländische Frucht zu bevorzugen und zu vermahlen, da fie, um dieje zu beziehen, auf das Beitehen von im snland befindlichen Getreidelägern nicht angewiejen find; giebt es Doch nicht wenige diejer Niefenmühlenbetriebe, die ihre Einkäufe direkt In Ddejja oder Chicago oder in den La PBlata-Staaten bewirken. Daher it, wenn unjere Getreideproduzenten auc die Großmühlenbetriebe zu ihren regelmäßigen Abnehmern für ihr ganzes Getreidequantum gewinnen oder mit andern Worten, ihren Früchten eine größere Marftfähig: feit zurüderobern wollen, ein doppeltes nötig. Die im Inland gebauten Körnerfrüchte müjjen in höherem Maß dem Bedürf- nis des Konjums angepaßt werden, d. h. es müfjen wieder die guten S 46. Genofjenjchaftliche Abjagorganijation und Kornhäufer. 239 alten einheimischen Eleberreichen Getreidejorten in größerem Umfang zum Anbau gelangen; ferner muß Der Auswahl des Saatguts größere Sorgfalt und Aufmerfjamteit mit thumlicher Anpajjung an die Erforders nilfe des Marktes zugewendet und überhaupt auf größere Gleich- mäßigfeit der Sorten an Stelle der jegigen Sorten=duntjchedig- feit abgehoben werden. Die Veranitaltung von Saatgutmärften für Die einzelnen Gegenden, die Abgabe von Saatgut bewährter Sorten an tüchtige Landwirte in den einzelnen Gemeinden, Die Prämtterung von Saatqutzüchtern in Verbindung mit fortgejegter belehrender Emwirfung vermag in diefer Hinficht vieles zu leiften, wofür es an aufmunternden Beripielen feineswegs fehlt. Zum zweiten aber — und das tt eben jo wichtig — muß an Stelle des verzettelten Einzelverfaufs eine Kon= zentration der Berfaufsweije eintreten durch) Sammlung der Ges treidevorräte dev Produzenten in Getreide-Magazinen (Kornhäufern), in denen zugleich die Sortierung und Neinigung des Getreides erfolgt. Den großen Lägern ausländijchen Getreides jind aljo Yäger mit inländischer Frucht an die Seite zu jtellen, aus denen im ähnlich beguemer Weije der Mühleninhaber wie aus den erjteren jeinen Bedarf zu deden vermag. Solche zur Lagerung inländiichen Getreides bejtimmten Magazine (Kornhäufer, Silos) fünnen und werden jich auch mit anderen regel- mäßigen Käufern von Getreide — PBroviantämtern, Ttaatlichen Anjtalten, Konjumvereinen ze. — in Berbindung jegen; der Zwifchenhandel fann in Wegfall fommen, die Zwijchenhandelsipejen bleiben eripart, häufig muß- lojer Transport des Getreides wird vermieden, alles zum Vorteil des Produzenten. Das Himvirfen auf den Anbau einheitlicher und zugleich marftgängigerer Sorten fann von jolchen Unternehmungen thatkräftigit in die Hand genommen, der Bezug geeigneten Saatquts vermittelt werden; hat doch die Kornhausverwaltung durch die Annahme oder die Verwergerung oder die Deflaffierung beitimmter Getreidejorten die jtärkite Handhabe, um die qualitative Hebung des Getreidebaus herbeizuführen. Sornhänfer fönnen gemeindeweile oder für die Bedürfniije mehrerer Gemeinden errichtet werden; jie dürfen jedenfalls nicht zu flein fein, weil jonjt die allgemeinen Berwaltungstojten zu hoch jich berechnen; te werden zwecmäßig an Orten mit Bahnverbindung oder an Walleritraßen angelegt werden; die genofjenjchaftliche Form des Unternehmens wird fich am meiiten empfehlen. Für die technische Organijation des Kornhaus- betriebs bieten jich zwei Wege: Entweder, und das ijt die einfachere Löjung, behält jich das Weitglied der Kornhausgenofjenjchaft das DVer- fügungsrecht über das Getreide vor, wobei die Einlagerung, Neigung und Trocknung durch die Gejchäftsleitung bejorgt wird und das Mitglied das Getreide entweder jelbjt zum Verkauf bringt oder innerhalb einer mit der Gejchäftsleitung vereinbarten Preisgrenze durch dieje verfaufen läßt. Oder aber, und das tft die vollfommenere Löjung, die Nornhausverwaltung 240 GSecjites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. übernimmt die Frucht nach eingejchieften Proben, reiht die Frucht in eine der im Statut vorgejehenen Uualitätsflaffen unter Berücfichtigung von Sorte, Neinheit, Heftolitergewicht, Farbe und Gebrauchswert des Getreides ein und bringt das Getreide auf Nechnung des Einlieferers zum Verkauf. Die Einliefever haben in beiden Fällen der Kornhausverwaltung nach beitimmten Tarif für die Einlagerung des Getreides und die durch die Lagerung und den DVerfauf bedingten often Gebühren zu bezahlen. — Ein wichtiger Nebenvorteil des Kornhausweiens it Die Möglichkeit der Beleihung des Getreides durch Die Yagerhausverwaltung (bis zur Hälfte oder zivei Drittel des Werts); der fait noch gar nicht ausgebildete Yombard- fredit findet auf Diefe Weile eine angemejjene Befriedigung, und weil der einliefernde Landwirt jofort in den Befig von Bargeld gelangt, it er der Notwendigkeit, alsbald nach erfolgtem Ausdrufch des Getreides zu verfaufen, vielleicht zu einer nach der allgememen Wearft- und Breislage ungünstigen Zeit, enthoben. Ganz allgemein pflegt der Getreidepreis nach der Ernte am miedrigiten zu ftehen, um gegen das Frühjahr und den Sommer hin langjam anzuziehen; am Berliner Blab war der Wochen durchjchnittspreis für Weizen am 11. November 1895 135 NE., am 9. sebruar 1896 dagegen 158 ME; Noggen notierte in diefer Zeit 115 und 127 DE. Es it allo wichtig, die für den Verfauf günftigite Zeit abwarten zu fünnen, und ein großer Vorteil des Kornhauswejens beiteht num gerade darin, daß eine bejjere Ausnügung der Marftfonjunfs turen Durch Zivarten mit dem Berfauf und Verteilung der gelamten Berfaufsmenge auf einen größern Zeitraum ermöglicht it, welchem VBor- teil freilich auch die Übernahme eines gewiljen NRifitos, falls die Breisentivieflung hinterher eine weichende werden jollte, zur Seite gebt. Auch an bemerkenswerten Borgängen Ddiefer Art fehlt es jeßt Ichon nicht, und welche Wichtigkeit man der Errichtung von Kornhäufern mit gemeimjamer Magazinierung der Frucht im Intereffe des vejferen Abjabes des heimischen Getreides beilegt, it dem Umjtand zu entnehmen, daß in Breußen durch Gejeg vom 3. Juni 1896 3 Dill. ME. zur Errichtung derartiger Anlagen auf geeigneten Bahnhöfen und Wafjerumfchlags- pläßen der Negterung zur Verfügung geitellt worden find. Es it zu wünschen, daß Diefer Bewegung auf genofjenschaftliche Organtjation des Hetreideabjaßes — nicht bloß des Brotgetreides — auch anderwärts fräftige Unterjtügung zu teil wird. Sp wichtig num auch die Forderung größerer Konzentration der Berfaufsweije ift, jo wird man doch raiche Erfolge faum erwarten, alfo nicht der Hoffnung fich Hingeben dürfen, daß auf diefem Weg in abjehbarer Zeit eine durchgreifende Anderung der jeitherigen Verkaufs: weise des Getreides — Einzelverfauf an den Getreidejchrannen oder im Ort jelbjt an Getreivemafler, die die einzelnen PVoiten auf Wiederverfauf übernehmen, oder direkter Berfauf an der Börfe — Tich einjtellen wid. Es Itehen, zumal im Bereich der bäuerlichen Bevölkerung, Tolchen S 46. Genojjenjchaftliche Abjagorganijation und Kornhäufer. 241 anderweiten Organijationen die jeitherigen VBerfaufsgewohnbeiten hHindernd im Wege; die Notwendigkeit, bet der Einlteferung des Getreides in Klorn- häufer eine Sortierung nach Qualitäten vorzunehmen, yoirft innerhalb dDiefer Sreife jedenfalls gegenüber der vollfommeneren Art des Kornhaus- betrieb von vornherein abjchredend ; das Nififo eines Jolchen genofien= Ichaftlichen Unternehmens tt unter allen Umständen fein kleines; nur bei hervorragend tüchtiger Leitung in technischer md kaufmännischer Hiunicht wird eine Wrojperität fichergeitellt jein und werden Enttäufchungen fern bleiben. Am eheiten wird auf ein von Erfolgen beglettetes thatfräftiges Vor- gehen in den Gegenden des größeren und mittleren Grundbeitges, Die auch mit den jog. Öetreideüberichußgebieten zujammenfallen, alfo im nörd- lichen und mittleren Deutjchland zu rechnen jei. sm mindern Maß in den Gegenden des ausgejprochenen bäuerlichen, namentlich des flein= bäuerlichen Beliges, zumal es biev auch viel jchwteriger fallen dürfte, die zur Leitung der Genofjenschaft in technischer umd faufmännticher Hinficht geeigneten Berjönlichkeiten überall und jeder Zeit zu gewinnen. Jedenfalls jollte in den Gegenden des bäuerlichen Belibes zunächit mur die einfachere Sa der a Lull DIoc: — Entgegennahme des Getreides zur Lagerung, das zur Dispofition des Einlieferers verbleibt — zur Anwendung gelangen. Bielfach wind ein wejentlicher Fortichritt ihon darin zu erblicden fein, daß ein landwirtichaftlicher Konfunmverem — örtliche Einfaufsgenofjenichaft — für jeine Mitglieder auch den Vers fauf von Getreide wie anderer landiirtjchaftlicher a vermittelnd in die Hand nimmt. Unter allen Umftänden empfiehlt jich vorjichtiges, Ichrittweijes Vorgehen, bis weitere Erfahrungen über die Erfolge ges nofjenjchaftlicher Verwertung landwirtichaftlicher Brodufte vorliegen. Eine bemerfenswerte Abjagmöglichfeit Für einzelne Getreidearten, insbejondere Hafer, Ddesgleichen für Heu und Stroh, it in den leßten Jahren durch das Entgegenfommen der Militärverwaltung neu er ichlojjen worden, indem legtere zu unmittelbaren Gejchäftsabjchlüffen mit einzelnen Getreideprodnzenten oder auch mit örtlichen Konfumvereinen, die namens ihrer Wütglieder abjchliegen, ich bereit erflärt hat. Auch Civilbehörden haben ich in einzelnen Staaten für die Bedirfnifje ihrer Verwaltung in Staatsanftalten 2c. Ddiefem Vorgehen der Wülttärverwal- tung angejchlojjen. Vorbedingung bleibt auch hier die Lieferung einer guten, gereinigten, trocenen Ware (Bedeutung der Aufitellung von Srucht- pugmajchinen durch die Gemeinden oder landwirtichaftlichen Konfım- vereime, um fie gegen mäßige | Vergütung den Produzenten zur Benußung zu überlaffen!). Freilich fanıı es fich im allen diefen Fällen immer mır um die Aufnahme verhältnismäßig Kleiner Getreidemengen handeln. Sind jebt und wohl auch in der Zukunft die großen Wühlen- betriebe e3 vorwiegend, von welchen die Nachfrage nach ausländiicher Brotfrucht ausgeht, und find es erfahrungsgemäß die mittleren und fleinen Mühlenbetriebe, welche immer noch am regelmäßigiten als Buhenberger. 16 242 Scchites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. Auffäufer Direft oder durch Vermittlung der Eleineren Getreide-Pro- vinzialhändler für die Inlandfrucht auftreten, jo folgt daraus zweierlei: einmal, daß dieje die Vorräte der einzelnen Landwirte auffaufenden und zu größeren Bartieen vereinigenden Fleineren Getreidehändler eine wichtige Funktion mindejtens injolange verrichten, als der genofjenjschaftliche VBerfauf des Getreides nicht in die Wege geleitet ijt, zweitens, daß die Erhaltung und Kräftigung der mittleren und fleineren Mühlenbetriebe eine ganz bejondere Bedeutung für alle jene Getreideproduzenten hat, die nicht jehr große, jofort in den Getreidegroßhandel oder in die Großmühlen übergehende Berfaufsguantitäten erzeugen. Leider werden diejen mittleren und fleineren Miühlenbetrieben durch die Grogmühlen mehr und mehr die Bedingungen ihrer Eriftenz abgegraben; hat fic) doch die Zahl der Mühlenbetriebe zwiichen 1887 und 1895 um 5,2°/, vermindert. Es tjt freilich nicht leicht zu jagen, was gejchehen joll, um die kleinen und mittleren Mühlen- betriebe gegenüber dem Wettbewerb der großen eriftenzfähig zu er: halten; jedenfalls jollte jtaatlicherjeits alles unterbleiben, was jenen den Konfurrenztampf erichwert. Hierzu zählt jedenfalls, wenn nach den gelten= den EijenbahnsFrachttarifen Getreide und Mehl troß des viel höheren Werts des Mehls die gleichen Srachtfäge zahlen, weil hierdurch den Srogmühlen es leicht gemacht it, in den unmittelbaren und natürlichen Berfaufsbereich der Fleinen Weühlenbetriebe vorzudringen. Wenn ferner der Dajeinsfampf der £leineren Meühlenbetriebe, wie nicht unwahrjchein- (ich it, auch durch das Beitehen von Getreideterminmärften erjchwert werden jollte (vergl. unten), jo würde dadurch zu den jonjtigen Er- wägungen, die für Aufhebung des börfenmäßigen Oetreideterminhandels iprechen, eine weitere von nicht ganz geringer Erheblichfeit hinzutreten. Die Landwirte ihrerjeits haben zur Untergrabung der Eriitenz= fähigfeit der Kleinmühlen dadurch beigetragen, daß Die frühere Gewohnheit, das zum eigenen Bedarf erforderliche Brotforn in den Weühlen der Nachbarichaft (Kundenmühlen!) gegen Entgelt vermahlen zu lajjen, mehr und mehr aufgehört hat; vielfach pflegt man jebt das ganze Erntequantum zum Berfauf zu jtellen und den Mehlbedarf für die Haus- haltung anzufaufen (vergl. ©. 40). Da aber die Miehle meiit von den Sroßmühlen heritammen, jo leiiten dieje Landwirte dem Abjah auswärtiger Ktörnerfrüchte mittelbar geradezu Borjchub, und indem Tie den fleinen Mühlen (Kundenmühlen) ihre frühere Kundjchaft entziehen und fie eines Verdienites berauben, tragen jie jelber zur wirtichaftlihen Schwächung derjenigen bei, die ehedem Die beiten Abnehmer der von ihnen gebauten Brotfrüchte waren. Auch Die Bevorzugung, welche neuerdings die Landwirte ausländijchen fünstlichen Futtermitteln vor den durch die Mühlen im Inland hergeitellten Futtermitteln (Stleie, Futtermehle, Malzfeime, Napsfuchen) angeveihen lajjen, erjchwert das Gedeihen vieler fleiner Mühlenbetriebe ; S 46. Aufhebung der Zollfredite für ausländijiches Getreide. 243 it Doch zwiichen 1886 und 1895 die Einfuhr von Mais und Dari von 169390 auf 323823 Tonnen, von Klete, Malzfeimen und NReisabfällen von 190 745 auf 396 014 Tonnen (1893 er Einfuhr jogar 493370 Tonnen), von Dlfuchen von 132132 auf 316199 Tonnen geitiegen. Das Ergebnis diejer Betradtungen it alfo dieles: Es it jchwer erweislich, ob die im den zollfveten Getreidelägern jeweils vor= handenen Borräte ausländischer Frucht thatjächlich einen PBreisdruck aus- üben, wohl aber richtig, daß Diefe Läger gegebenenfalls abjaßer- jchwerend für Die inländische Frucht wirten; Ddiefe Abjaberichwernis fann indejjen nicht Durch Beleitigung der gemischten Iranfitläger erreicht werden, weil deren Ihätigfeit alsdann lediglich an ausländische Grenz- orte des Neichs verlegt würde; und Die unterjchtedslofe Aufhebung dDiejer Läger tit deshalb, zumal unter dem Gefichtspunft der regelmäßigen Brotgetreideverforgung und der Möglichkeit der Erhöhung der Ausfuhr- fähigkeit ausländischer Frucht, als eine empfehlenswerte und zum Biel führende Maßnahme nicht zu bezeichnen. sn höherem Maße als ablab- fördernde Weüttel jtellen sich die Veranjtaltungen dar, welche auf größere Anpafjung der Qualität der Berfaufsfrüchte an die Bediürfnifje des Kton- jums und welche vor allem auf eine größere Konzentration der Berfaufs- weile durch Errichtung von Kornhäufern abheben. Nicht zu unterjchägen it endlich die thunliche Erhaltung der kleineren und mittleren Weühlen- betriebe, insbejondere auch der jog. Kımdenmühlen. Die für den zzall der Beibehaltung der gemifchten Iranfitläger geitellte Forderung aus landwirtichaftlichen Streifen, daß für das auf Iranfitläger gebrachte ausländische Getreide und ebenjo gegenüber den Deühlenbetrieben (Inhabern von Weühlenfonten) Zollfredit jernerhin nicht zu gewähren jei, würde jedenfalls die Wirkung nicht haben fönnen, eime nennenswerte Breishebung des inländischen Getreides her: beizuführen. Allerdings werden infolge der Notwendigkeit, von den Ichuldigen Zöllen auch Zinfen zu entrichten, die Spejen des Getreide: handels jich erhöhen, der Abgabepreis des Getreides Tich alfo etiwas höher falfulteren als jebt. Doch fann es jich immer nur um weıtige Prennige vom Doppelzentner handeln, da die den „snhabern der Yüäger und Meühlentonten gewährte Zahlungsfriit jeit der im Sabre 1894 ge- troffenen Anordnung vierteljährlicher Abrechnungen der Zollfredite äuperiten= falls 3—4 Wionate beträgt und nach der mittleren Dauer der Lagerung der Frucht im großen Durchichnitt länger als 6—8 Wochen nicht in Aniprucd genommen zu werden pflegt. Die Bedeutung des in Nede Itehenden HZollfvedits wird deshalb in landwirtichaftlichen Streifen Tehr überschäßt, auch meiltens überjehen, daß Zollfredit nur gegen Sicher: heit eingeräumt wird, die Stellung der Sicherheit aber für den Yager- inhaber jelber wieder Kojten verurjacht. Cinzuräumen tit, Daß Durch) die Einrichtung der Zollfvedite der Smporteur auswärtiger Frucht gegen= über dem Händler oder Auffäufer imländischer Frucht etwas begünitigt 16* >44 Sechites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs 2c. ericheint, da leßterer mit der Zahlung des um den Zoll höheren Preijes Hier die Inlandsfrucht mittelbar zugleich den Zoll mitzuentrichten hat, während eviterer zunächit und bis zur Verbringung der Frucht vom Lager von der Entrichtung des Holls befreit it, aljo mit einem verhält- nismäßig geringeren Betriebstapital zu arbeiten vermag. Ob aber der Fortfall der Zollfredite und die dadurch bewirkte Spejenerhöhung einen hinreichend wirffamen Anreiz bilden wird, die snlandsfrucht vor der aus= (ändiichen mehr als feither zu bevorzugen, aljo den etreideimport ein= zudämmen, evjcheint wohl mehr als fraglich). In Sehr viel wirfjamerer Weije, als im Gebiet des Getreides lagerwejens möglich jein wird, wurde der Abjab von inländiichem Getreide durch das Neichsgefeg vom 21. April 1894 gefördert, wodurch der jo= genannte Identitätsnachweis des Getreides als VBorbedingung der Zollriivergütung bei der Ausfuhr von Getreide bejeitigt und die Wiöglich- feit der Bonififation allen Getreides bei der Ausfuhr, ob ausländischer oder inländiicher Herkunft, geichaffen wurde. ine bemerkenswerte Begleit- ericheinung der Einführung neuer Getreidezölle im Jahre 1879 umd der ipäteren Erhöhung diejer Zölle in den Jahren 18855 und 1887 war nämlich die, daß der Schußzoll nur im Weiten und Süden von Deutjch- (and voll, dagegen in den nördlichen Produftionsgebieten, namentlich in den großen Getreideproduftionsgebieten der oftelbiichen Provinzen, nicht im vollen Betrag in den etreidepreifen zum Ausdrud gelangte; die reife itanden alfo in den legteren Gegenden, verglichen mit den Welt marftpreifen, nur um Bruchteile des Zolls höher. ine zweite bemerfens- werte Erjcheinung war, daß unter der Herrichaft der Getreidezölle die ehemals blühende Ausfuhr norddeutichen Getreides nach England und den Tfandinavischen Staaten und ebenjo die Ausfuhr aus anderen Teilen Deutichlands in die Nachbarländer (Schweiz 2c.) fajt ganz aufhörte. Dies erflärt fich jo, daß durch den Schußzoll der Inlandspreis des Getreides auf einen Betrag gehoben wurde, daß das inländische Getreide auf fremden Märkten mit ruflichem, amerifanischem 2c. Getreide nicht mehr fonfurrieren fonnte; jelbjt der Export von Mifchware mit ausländischer Frucht, wie man fie früher in den Dftjeehäfen als gejuchte Erportware hergerichtet hatte Mischung ruffiichen Weizens oder Noggens mit imländiicher Ware), litt unter folchen Verhältniffen, und dieje jahrzehntelang mit Erfolg be= triebene Art des Veredelungsverfehrs in Körnerfrüchten famı daher zum Schaden der heimischen Produzenten ebenfalls zum Stillftand. Die Yır= jammlung der nicht mehr exportfähigen Getreidemafjerp des nordöftlichen Deutichlands bedingte eine Verflanung der Preife in den Produftionse gebieten und nötigte zur Aufjuchung anderweiter Abjagwege nach dem Weiten und Süden, was mit Hilfe der Staffeltarife auch leidlich gelang, hier aber als höchit unbequene Zugabe zu der Konkurrenz ausländifcher , sruccht empfunden wurde. $ 46. Aufhebung des Jdentitätsnachweiies für Getreide. 245 Durch das erwähnte Neichsgefeß wurde bejtimmt, Daß bei der Aus= juhr von Getreide, Hüljenfrüchten, Naps und Nübjaat im Wemdeitgquantum von 500 ke auf Antrag des Warenführers Einfuhricheine ausgejtellt werden, die den Inhaber berechtigen, innerhalb der Frilt von längitens 6 Monaten eine dem Zollwert der Scheine entiprechende Menge der nämlichen Warengattung einzuführen. Die VBergünitigung, die Ausstellung jolcher Einfuhricheine zu begehren, fanın auch Weühlentinhabern bet der Ausfuhr von Fabrifaten für eine dem Fabrifat entiprechende Menge Getreide eingeräumt werden. Es tjt geitattet, die Einfuhricheine bet der Zolgahlung anderer Waren als Zahlungsmittel zu verwenden, bezw. in Anrechnung zu bringen. Die günftige Wirkung Diefes Gejeßes zeigte ji in einer als- baldigen Wiederbelebung des Getreideerportes, insbejondere aus den nordoitdeutichen Broduktionsgebieten. Während die Ausfuhr von Getreide jeit 1879 jtändig zurückgegangen und jchlieglich auf wenige Hundert Tonnen zufammengejchrumpft war, hob fich diejelbe jchon im Sahre 1894 auf rund 170000 Tonnen, im Jahre 1895 auf rund 210000 Tonnen Getreide im Wert von beiläufig 25 Mill. NE, darunter 70000 Tonnen Weizen. Die Ausfuhr ging größtenteils nach England, Schweden- und Dänemark, zum fleineren Teil in die Schweiz. Eine zweite günftige Folge zeigt fich in der Hebung des mittleren Preismiveaus der getreide- ausführenden Broduftionsgebiete; der Berliner Preis für verzollten Weizen mottert jeit Aufhebung des Sdentitätsnachweties um den Betrag des Jolls (zwiichen 30 und 40 We.) höher als der nicht verzollte, was früher regelmäßig nicht der Fall war; 3.8. war in den 4 lebten Wionaten des Sahres 1893 die Wreisdifferenz zwijchen verzolltem und unverzolltem Getreide nur 24,6, 17,10, 12,1 und 13,3 DE, in den Monaten Juli bis September 1894 Dagegen 38,15, 37,85, 37,94. Erit die Auf: hebung des „sDentitätsnachweifes und die Gewährung der Ausfuhrvergütung hat die Wirkung des Getreideichußzolls auch Für den deutjchen Nordojten in die Erjcheinung treten lajjen. sufolge diejer Hebung der Öetreidepreife in Norddeutjchland hat fi) eine größere Gleichmäßigfeit der Breife in Deutichland ergeben; in den 4 Monaten vor Aufhebung des Sdentitätsnachweiles war die Preis- Differenz zwilchen Berlin und Mannheim 23,1 ME, in den unmittelbar an die Aufhebung sich anichliegenden Monaten nur noch 10,3 Wit. — Die Einfuhrjcheine find ein Handelspapier geworden, das, jolange die Getreideeinfuhr die Ausfuhr nambhaft überwiegt, jtets einen dem Nominal- wert von 3 ME. nahefommenden Breis behaupten wird und bis jet auch behauptet hat. Die Bejorgnis, daß die Zulafjung des Syjtems von Einfuhricheinen den bejtehenden Zollfichuß von Getreide mindern fünnte, hat jich danacı) nicht als begründet eriwiefen. Einen Erjab für die Ein- richtung der gemiichten ITranfitläger fünnen übrigens die Einfuhricheine nicht bilden, weil jie bei der immer noch relativ geringen Ausfuhr 246 Sechftes Kapitel. Die Einnahmen de3 landwirtichaftlichen Betriebs 2c. entfernt nicht in eimer dem Einfuhrbedürfnis entiprechenden Menge cirfulieren. $ 4. Die Marftpreisbildung des Getreides und die Derjtaatlihung der Getreideeinfuhr (Antrag Kanis). Die Getreidezölle haben zwar im großen und ganzen die von Schußzöllen zu erwartende Wirfung einer andauernden Hebung des ins (ändischen Getreidepreijes über den Weltmarftpreis gehabt, aber aus den früher erwähnten Gründen die in landwirtichaftlichen Streifen gefaßten Hoffnungen auf Heritellung eines den mittleren Produftionstojten ent= iprechenden Preisjtandes nicht erfüllen fünnen. Zur Benwirklichung jolcher Ziele ift der Schußzoll feiner Natur nad) auch gar nicht geeignet; in jeder in den Weltverfehr einbezogenen Wirtjchaftsgemeinjchaft mühjen die Inlandspreife den Weltmarftpreiien folgen und jedes Weichen der leßteren muß auch einen Sturz der Inlandspreife zur Folge haben; die Auf- richtung von Zollichranfen fann immer nur die eine Wirfung haben, dem Produzenten des zollgejhüßten ISnlandes einen um den Betrag des Schußzolls höheren Preis zu fichern, als er dem Produzenten oder jonjtigen Verfäufer auf einem zoll- freien Markt, z.B. England, zu teil wird. Mit anderen Worten: die Schwanfungen im Weltmarktpreis eines Erzeugnifjes übertragen Tich auf die Inlandspreife eines jeden Landes, das nicht Durch unüberjteigbare Bollichranfen oder Einfuhrverbote von dem Weltverfehr fich abgejchlojjen hat, aljo nicht ein völlig ioliertes Wirtjchaftsleben führt. Preisienkungen, die in der Weltwirtichaft fich vollziehen, pflanzen fich demgemäß wellen= artig in alle durch die nenzeitlichen Verfehrsmittel untereinander ver bundenen Staatsweien fort, und Eingangszölle fünnen wohl die Wucht diefer Wellenftöße abjchwächen, aber deren Wirkung nicht völlig aufheben. Bei diefer Sachlage und weil jeit dem Jahre 1892 die Weltmarkt preife für Getreide ganz außerordentlich zurücgewichen find, it in land» wirtichaftlichen Streifen nicht nur das Vertrauen in die Kraft landivirt- ichaftlicher Schußzölle jehr ins Wanfen geraten, jondern auch das Verlangen wachgerufen worden, Die ungenügende Funktionterung des Schußzolls durch einen Apparat zu erjegen, mitteljt Ddejjen das jedem Getreideproduzenten einer Ware erjtrebenswerte Ziel! „die Be= feitigung der PBreife auf mittlerer Höhe“, d. h. die Herbeiführung von den mittleren Produftionsfoften ertjprechenden und zugleich von Jahr zu Iahr thunlich gleichmäßigen Preifen feiner Erfüllung entgegen= geführt werden fünnte. Diefe Strömung auf Erreichung bejjerer und zugleich den Schwankungen des Weltmarftes entzogener Preife hat in der 1894er Sejlion des Neichstags zu einem von dem Graf Kanig und Senoijen eingebrachten, in der Folge mehrfach abgeänderten Antrag ich verdichtet, der im woejentlichen ein auf folgender Grundlage aufgebautes Neichsgeie über den Handel mit ausländiichem Getreide erjtrebte: $ 47. Die Verjtaatlihung der Getreideeinfuhr (Antrag Kanib). 947 1. Der Eine und Berfauf des zum Verkauf im Zollgebiet beitimmtten ausländischen Getreides mit Einjchluß der Wühlenfabrifate erfolgt aus- jchlieglich für Nechnung des Neichs; 2. die von den Organen des Neichs jeftzuiegenden Verfaufspreiie des emgeführten ausländischen Getreides werden nach den inländischen Durchichnittspreifen der Periode von 1850 bis 1890, die DVerfaufspreife der Weühlenfabrifate nach dem wirflichen Ausbeuteverhältnis, den Getreidepreiien entiprechend, bemefjen; 3. Die aus dem DVerfauf des Getreides und der Meühlenfabrifate zu erzielenden Überichüffe Mtehrerlös gegenüber dem Einfaufspreife) finden derart Ber- wendung, daß alhährlich eine den Durchichnittlichen Getreidezolleinnahmen jet 1892 gleichfommende Summe an die Neichstaffe en Daneben ein Nejervefonds gebildet wird, um im Seiten hoher Silands- und Muse landspreife die Zahlung der an die Neichsfalfe Jährlich abzuführenden Summen ıumd den Berfauf des ausländischen Getreides zu den unter Züfer 2 feitgefegten Breifen unter allen Umständen, alfo auch beim Vor- handenjein höherer Einfaufspreie zu ermöglichen. Selten hat eine agrariiche WBrogrammforderung eine gleich werbende Kraft aufzuweien vermocht, wie die in dem Antrag Kaniß enthaltene; jelten tt in den lebten Jahrzehnten die getreidebautreibende Bevölferung Deutjchlands, zumal in den Hauptgetreide= fammern, durch irgend eine Tagesfrage im gleicher Werje in jtiirmifche, ja leidenjchaftliche Erregung verjeßt worden. Das große Problem, dem weder Durch Zollihus, noch Durch Tonitige agrarische oder allgemein yirtichaftspolitiiche Maßnahmen beizufommen war, jchten mit einem Schlag gelöit; alle anderen die Yandwirtichaft berührenden TQTagesfragen, ein= ichlieglich der in jo beitechendem Gewand einherjchreitenden Währungss frage, traten mit einmal in den Hintergrund. Denn hier war mit jcheinbar verblüffend. einfachen Mitteln der Weg gezeichnet, der jofort und ficher aus allen Wirrnifjen der Gegenwart, aus dem unerträglichen Jultand ungemügender WBreile, finfender Nente, zunehmender VBerfchuldung und VBerarmung im das gelobte Land eines von den Preissfonjuntturen des Tages gelicherten Dajeins führen werde. Die Stöße der auswärtigen Konkurrenz jchienen mit einem Schlage überwunden, mit der Befeitigung der Breife auf mittlerer Höhe die Grundrente jelbit und damit auch der Srundbejigerjtand wieder befeitigt, die verloren gegangene gufriedenl yeit Dieles Standes zurücferobert und eine Aera des Wohlergehens für Die dentiche Landwirtichaft in glückverheigenditer Weije eingeleitet. Der uneingejchränfte und laute Beifall, dem der Antrag Kanib rings im Lande in den Streifen der landbaubetreibenden Bevölkerung begegnete, fand indejjen, zur großen Enttäufchung der Antragiteller und ihrer. Gefolgjchaft, bei den Beratungen in den parlamentariichen Störper- Ichaften, insbejondere im Neichstag, nur ein Ichwaches Echo, und jelbjt im DdDeutjchen Yandwirtichaftsrat, Diejer oberjten Bertretung Der landwirtjchaftlichen Sntereffen des Neichs, wurde dem Antrag nur mit 248 GSedjites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs :c. jchwacher Mehrheit zugeitimmt. Der preußifche Staatsrat hatte mit übermältigender Mehrheit jchon vorher gegen die Tendenz des Antrags und Ddejjen Ausführbarfeit in nachdrüdlichjter Form fich erflärt; Die- jelbe bündig ablehnende Haltung nahmen die oberiten Vertreter der Reichs vegierung umd der preußijchen Yandwirtichaftsverwaltung ein. Die in allen diefen Beratungen einen breiten Raum eimnehmende Stage, ob die beitehenden Handelsverträge der Begründung eines jtaatlichen Einfuhrmonopols für ausländijches Getreide, worauf der Antrag Kanit abhebt, entgegenjtehen, ijt an fich zu be- jahen, aber nicht von enticheidender Bedentung, da diejes in Staats- verträgen begründete Hindernis mit jedem Jahr, das ums dem Ablauf der neuen Handelsverträge entgegenführt, an Bedeutung verliert. Ach diegenigen allgemeinen Erwägungen, die man vom freidändleriichen Stand- punft aus, ie gegen jede fünitliche Erhöhung von Warenpreifen durch Mittel der jtaatlichen Bolitit, gegen die Einrichtung eines Getreideeinfuhr- monopols ausgejpielt hat, fünnen unbeachtet bleiben, weil die Frage der Zuläfligfeit fünftlicher Preishebungen durch die Schußzollpolitif des Reichs grumdjäglich bereits bejaht ift und daher folgerichtig aus diejer Prinzipienfrage nichts gegen die grumdjägliche Zuläffigfeit der Verwirk- lichung des Antrags Kanit bewiejen werden fan. Die Ablehnung diejes Antrags it aljo in anderer Weije zu begründen. Berechtigte Gründe der Ablehnung jind dann als vorhanden zu betrachten, wenn jich zeigen jollte, daß der Zwed des Antrags mit den vorgejchlagenen Mittelm nicht zu erreichen, oder daß diejer Zwed nur auf Wegen und mit Mitteln erreichbar it, Die jich als überwiegend Jchädlich für das Gemeinwohl daritellen oder dem Staat eine mit dem Staatszwed unvereinbare Aufgabe zuweijfen würden. Und dieje ‚ragen Sind im der That zu bejahen, wie jich aus nachitehenden Er- Örterungen ergeben wird. 1. Es it mehr als fraglich, ob der Zweck des Antrags, der gleicher: weile auf die Herbeiführung nachhaltig jchlanfen Abjabes der Sulands- ernten, wie auf Defeitigung der Getreidepreije in mittlerer Höhe gerichtet it, mit dem vorgejchlagenen Mittel einer Monopolifierung des Handels in ausländiichem Getreide allein erreicht werden fann. an denkt jich die Ausführung des Getreideeinfuhrmonopols etwa jo, day die Neichsmonopolverwaltung das im Ausland angefaufte Getreide jofort an den Eingangsitationen mit einem jolchen Zujchlag, daß die Abgabepreife auf die Durchichnittspreife der Periode 1850/90 fich ftellen, an Händler oder an Müller weiterverfauft, oder auch jo, daß die im Ausland eingefauften Getreidemengen von der Monopolverwaltung in Yagerhäufer verbracht und erjt von da mit jenem Zufchlag, der jich in diejem ‚zall um den Betrag der Lageripejen erhöhen würde, nach Bedarf verfauft werden. Wan nimmt aljo an, daß, wenn beijpielsweife an irgend einem Bunft des Neichs (Stettin oder Mannheim) von der Monopol= $S 47. Die VBerjtaatlichung der Getreideeinfuhr (Antrag Kanib). 249 verwaltung der Abgabepreis für die Tonne ausländischen Weizens auf 215 ME. jejtgeitellt werde, auch für inländischen Weizen des benachbarten ProduftionsgebietS jederzeit Käufer zu Ddiefem Wintmalpreife ich finden werden. Der wirkliche Berlauf der Dinge wird indejjen jolcher Aır= nahme feineswegs entiprechen, weil diejenigen Gründe, welche dermalen die Getreidehändler und namentlich die Großmühlenbetriebe veranlafien, bei ihren Käufen ausländiiche Frucht zu bevorzugen (S. 237), an ihrem Gewicht dadurd nichts eimbüßten, daß das ausländische Getreide durch Drgane des Neichs gefauft und in das suland verbracht worden tt. Su der Menge auswärtigen Getreides, welches jebt in den Mühlen verarbeitet wird, fan augenscheinlich die Thatjache der Verftaatlichung der Getreide- einfuhr an und für fich eine Änderung nicht hevvorbringen und ebenjo- wenig zur Melderung des Drucdes beitragen, den diefe Bevorzugung des ausländiichen Getreides auf den inländischen Getreidemarft jeither aus- geübt hat. Die Meinung, durch die Übertragung der Einfuhr ausländijchen Setreides an Organe des Neichs werde das inländische Getreide abjab- fähiger gemacht und jeine Preisbildung günftig beeinflußt, wäre nur dann als richtig zu bezeichnen, wenn entweder 1. die Einfuhr ausländtichen Getreides in den verichiedenen Getreidejorten und Qualitäten Jahr für sahr jo bemejjen würde, daß das Einfuhrguantum zuzüglich der mut- maßlichen Snlandsernte das mutmaßliche Konjumtionsbedürfnis für das laufende Jahr gerade fnapp decfte, oder aber 2. wenn eine Abgabe von ausländischer Frucht, troß vorhandener Nachfrage nach jolcher, injolange nicht oder nur in ganz bejchränftem Umfang jtattfände, als noch unver- faufte Inlandsfrucht im Lande vorhanden it. Es it flar, daß weder in der einen, noch in der anderen Weije verfahren werden fünnte. sn der eritgedachten Weije nicht, weil jede Fehlberechnung der snlandsernte umd des Ssulandsbedarts und jede daraus jich ergebende Fehlmenge in aus- (ändijchem Getreide jofort zu den empfindlichiten Störungen in der Wehl- und Brotverforgung führen müßte; um den verantwortungsreichen Folgen jolcher Srrung sich zu entziehen, fünnte die Neichsmonopolverwaltung auf die Barathaltung von erheblichen, über den Bedarf einer Anzahl Monate hinausreichenden Vorräten in den Neichsgetreidelägern vor- fichtigerweife nicht verzichten; es müßte aljo mit dem Vorhandenjein von großen Getreidelägern ausländijcher Frucht, ähnlich wie jeßt, nach wie vor gerechnet werden. In der zweitgedachten Wetje vorzugehen, ericheit deshalb ausgeichloifen, weil jolches Vorgehen zur Vorausjegung hätte, daß Die zujtändige Neichs-Gentralitelle in der Lage wäre, Tag für Tag über die Vorräte an imländtichem Getreide in allen Gemeinden des deutjchen Reichs in genauer Kenntnis ich zu erhalten. Niemand wird zu behaupten wagen, daß ein jolcher Nachrichtendienft, der ja nicht bloh die Gewichtsmenge der einzelnen Getreidearten, jondern auc) die Qualität der lagernden Getreidearten nachzumweiien hätte, in einer für die Entjchliegungen und Maßnahmen der Gentrale auch nur annähernd zuverlällig maß- 250 Sechites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs 2c. gebenden Weile organiliert werden fünnte. Alle Schwierigkeiten im Abjat des inländischen Getreides, die aus der Beichaffenheit der Inlandsfrucht oder aus der verzettelten Art des Angebots der Inlandsfrucht fich ergeben, werden daher auch nach erfolgter a der Einfuhr des aus= (ändischen Getreides fortbeitehen; ste fünnen vielleicht etwas gemildert werden, aber feinenfalls als völlig bejeitigt gelten. Eine Sicherheit dafür, daß auch die Snlandsernte Sahr für Sahr Ichlanfe Abnehmer findet, wäre aus diejen Gründen nur dann als gegeben zu erachten, wenn der dem Neich durch den Antrag Kanit zugewiejene Aufgabefreis auf den Anfauf der Snlandsernte ausgedehnt würde; das Neich müßte, mit anderen Worten, unter Ausschaltung der Dienste des freien Oetreidehandels, den gefamten Einfauf des Getreivebedarfs an inländischer und ausländi- icher Frucht für die HZwede der inländischen Mehle und Brot- verjorgung an Sich ziehen, aljo für jämtliche bei den ©etreideprodus zenten entbehrlichen ‚Snlandsvorräte als Käufer auftreten, diefe Vorräte zujammen mit den nad) Bedarf vom Ausland importierten etreide- quantitäten in die Neichs-Getreideläger überführen und in Ddiefen Lägern den Käufern und onjumenten der Öetreidefrüchte Mühlenbefigern, Bauern, Vferdebefigern 2c.) zur Verfügung halten. Daß dieje äußerjteXonjequenz einer Berjtaatlichung des gejamten Getreidehandels, des aus= ländifchen wie des inländischen, zur jicheren Durchführung der mit dem Antrag Kaniß erfolgten Zwede zu ziehen wäre, haben nicht etwa nur die grumdjäßlichen Gegner diefes Antrags, jondern auch ‚sreunde dDesjelben eingeräumt; wiederholt it in den Beratungen über den Antrag auch von agrarfreundlichiter Seite dem Zweifel Ausdruck gegeben worden, ob nicht bei einer auf die Berjtaatlichung der Einfuhr ausländischen Setreides Jich bejchränfenden Aktion „der Bauer und überhaupt der fleinere und mittlere Getreideproduzent nach wie vor auf jeinen Hetreidevorräten jigen bleiben werde”. Diejes erite Ergebnis eimer nüchternen Be- trachtung des Antrags Kanig it wohl im Auge zu behalten; man darf aljo, wenn man diefem Antrag näher treten will, vor der thatjäc)- lihen Monopolijierung des gejamten Getreidehandels nicht zurücichreden und muß über alle jchiverwiegenden Folgen eines jolchen Staatsmonopols für das Neich als jolches und die daraus fich ergebenden Beziehungen zu den Wroduzenten und Konjumenten Jich in völliger Klar: heit befinden. 2. Zunächit und bevor dieje Folgenjch en Tragweite einer Wiono- polilierung des gefamten Getreide-Ein- und Verkaufs dargelegt wird, it noch darauf hHinziwveilen, daß die Durchführung des Antrags Kanig in der von jeinen Anhängern geplanten Gejtaltung die Hoffnung auf eine „Hebung und Befeitigung der Getreidepreije der Inlandsfrucht auf mittlerer Höhe“ nicht nur aus den ebenerwähnten Grimden, fondern noch auch aus eimem anderen, den Gejeben der Breisbildung landwirtjchaft: $ 47. Die Verftaatlichung der Getreideeinfuhr (Antrag Kanib). 351 licher Erzeugniije entnommenen Grund in feiner Weile zu erfüllen vermöchte. Ein Blif auf die PBreistabellen für Getreide zeigt, daß Die Getreidepreije in Deutichland eine ganz außerordentliche VBer- ichiedenheit aufweisen und im allgememen in den Anbau=Gebieten mit etreidedefteiten (Weiten und Süden von Deutjchland) höher stehen, als in den jogenannten Überschußgebieten (Norden und Nordoiten), dat aber auch innerhalb der einzelnen Hauptproduftionsgebiete die Getreide: preife von Ort zu Ort, je nach der Lage derjelben an einer Eiienbahn oder Wafjerjtraße und je nach der Entfernung zu den Hauptmärften, um fleinere oder größere Beträge variteren. Ebenjo it unbeftritten, daß auc) die Erzeugungsfojten für Getreide gegendenweije, ortsweise, ja von Broduzent zu Produzent die allergrößten Berjchieden- heiten aufweilen (S. 210), wie demm die Beantwortung der Frage, welches im Deutjchland die mittleren Erzeugungstoiten eines Zentners Weizen, Noggen, Hafer oder Gerjte jeien, wegen der VBerjchiedenheit der Bodenpreife und der jonftigen PBroduftionsbedingungen als eine ganz unlösbare Aufgabe jich erwielen hat. Das eigentliche Ziel des Antrags Kanig, den Getreidepreis Durch irgend eine staatliche VBeranjtaltung mindeitens bis zum jeweiligen Betrag der Broduftionsfoften zu heben, it Daher in der Anwendung auf die einzelnen Wirtichaften überhaupt nicht, jondern wur etiwa derart erreichbar, daß eine Preishebung auf einen Betrag ins Auge gefaßt wird, von dem man mit Necht oder is recht annehmen zu Dürfen glaubt, daß er den mittleren Erzeugungstojten gleichkomme. Su Diefem Siune hatte der Antrag Nanit, in jeiner ur=- jprünglichen Fallung, als jolche für die Berfäufe der Monopolverwaltung maßgebende Minimalpreiie 215 DE. für Werzen, 165 ME. für Noggen, 155 Mi. für Gerite und Hafer ins Auge gefaßt. Aber es it jchwer einzujehen, wie eine allgemeine Zufriedenheit der Broduzenten mit folcher Preisnormierung heritellbar jein jollte. Berjpielsweile müßte ein Preis, der den Getreideproduzenten des deutjchen Nordojtens genügt, den Brodu- zenten im Süden von Deutjchland, wo die Bodenpreife um das Doppelte und mehr höher fich Itellen, auch die Arbeitsfojten höhere find, als gänz- (ih ungenügend erjcheinen; wogegen eine WBreisnormierung, Die den Produzenten im Süden gerecht würde, für den Produzenten im Nord- ojten einen ungerechtfertigten Plusprofit bedeutet. Hat doch der Verband ojtelbiicher Yandiwirte im Sahre 1893 die Produftionsfoiten im Durch- ichnitt für Weizen auf 160, für Noggen auf 140, für Hafer auf 120 X. für die Tonne, d. h. auf 55, 25 und 35 ME. weniger berechnet, als der Antrag Kanig in jeiner urfprünglichen Fafjung gefordert hat. Die Sakhwidrigfeit der vorgejchlagenen PBreisnormierung, Die in der Endwirfung zu einer totalen Berjchtiebung der Boden- werte in Deutjchland führen müßte, wird dadurc) nicht beijer, dab im Sinne der jpäteren Modififationen des Antrags Kanit die Abgabe- preile des Getreides aus den jtaatlichen Magazinen den inländischen 252 Sedhites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs ac. Vofodurchichnittspretiien der Bertode 1850/90 angepaßt werden, leßtere reife allo auch für die den inländischen Getreideproduzenten zu garan- tierenden Wintmalpreiie maßgebend jein jollen. Denn jeit 1850 haben jich vie überall, jo auch in Deutichland, die allergrößten Beränderungen in den Berfehrsbeziehungen der Orte untereinander und mit den Haupt- ttapelplägen vollzogen; die metiten Gegenden ind im Diejer Zeit au das Eijenbahn- oder Walleritraßenneg angegliedert worden und mit Diejer Bellerung ihrer Abjabverhältnilfe haben sich die örtlichen WBretje überall gehoben. Diejenigen Gegenden und Orte, für die erit in den lebten Sahr- zehnten oder gar erit in jüngjter Zeit diefe Abjagverbefferung und Breis- hebung eingetreten it, winden durch die Wreisregulierung auf Grund eines LOjährigen Zeitraums, weil in diefen Zeitraum auch) die niedrigen Breije der früheren Bahre mit ungünftigeren Abjatverhältniffen fallen, mehr oder minder geichädigt; nicht am wenigiten gejchädigt würden bei diejer Weodififation des Antrags im Gegenjaß zur eriten Fallung — die öjtlichen Brovinzen, die verhältnismäßig am jpätelten durch Schienenwege aufgeichlojfen worden find, und Die ganze wertvolle Preisbeiferung in eben Ddiefem Teil des Neichs, welche als Folge der im Sabre 1894 er= tolgten Aufhebung des ndentitätsnachweiles für Getreide eingetreten ift, füme falt gar nicht zur Geltung. Das 40 jährige Breismittel als Unter: lage der fünftigen WBreisregulterung für die einzelnen Getreidefrüchte er= weit Jich aber auch aus dem Grunde als unbrauchbar, weil in diejfem langen Zeitraum im den Wreifen der einzelnen Getreidearten untereins ander — Noggen, Weizen, Gerite, Hafer — jehr erhebliche Berfchiebungen eingetreten jind. Gerite und Hafer find im minderem Maße im Breife gewichen als Weizen und Noggen; es träte alfo eine Begünftigung der einen Frucht auf Koiten der anderen ein, die lebhaftem Wideripruch der Hafer= und Geritenproduzenten begegnen müßte. 3. Die thatjächliche und rechtliche Monopolifierung Des ganzen Getreidehandels in inländischer und ausländijcher Frucht jtellt den Staat vor eine geradezu ungehenerliche Aufgabe Wan Itellt Jich in den Kreien der Anhänger des Antrags Kaniß die Durchführung der Berftaatlichungsidee viel zu leicht vor, während es fich in Wahrheit um eimen ebenjo fojtipieligen als dentbar verwicelten Berwaltungsmecha= msmus handelt, der vielleicht in einem FXleinen Land leidlich genügend fumftionieren mag, in einem großen Neich mit den denkbar verjchiedenten Produftionse, Abjaß- und Stonjumverhältniiien unter allen Umftänden Ichwerfällig arbeiten und Mißerfolgen Schritt um Schritt ausgejeßt fein würde Die Anfaufsoperationen im Ausland nach Menge, Sorte md Qualität Sind von den mutmaßlichen Inlandsernten abhängig zu machen, es joll nicht zu viel, aber in feinem Zeitpunkt auch zu wenig eingekauft werden ; die Einkäufe im Ausland follen nicht nur im Menge und Quas Iität entiprechen, ie jollen auch faufmännifch richtig, d. h. in billigiter Werje Jich vollziehen, der richtige Zeitpunkt des Eimfaufs joll nicht ver= $ 47. Die Berftaatlichung der Getreideeinfuhr (Antrag Kanib). 353 jäumt, das Produktionsland des Einfaufs, je nach dem Welternteausfall, richtig gewählt, es jollen der billigite Transportweg und die für Die weitere Berteilung der Vorräte zweckmäßigiten Hafen= und Yagerpläße jederzeit ange- mejjen beitimmt werden. Eine große Anzahl zuverläfligiter Agenten in den Haupterzengungsländern des Auslands, ei Generaljtab. der erprobteiten und geichäftsgewandteiten Berjönlichketten im Inland für die Berterlung der Vorräte im Innern, für den Anfauf der Ssnlandsfrucht, für die Abgabe der Vorräte an die Kumden, für die von Jahr zu Jahr wechjelnde Breis- normierung, em ganzes Heer von Unterbeamten für die Bedienung der zahllojen Lagerhäufer, für die Witwirfung beim Cinfaufsgejchäft, für die zahllojen VBerwaltungs:, Nechnungss und Kafjengeichäfte wäre nicht zu entbehren, und jeder Mißgriff in der Wahl der ausländtichen Agenten, der leitenden Berfonen im Simern, jede bureaufratiiche Schwerfälligkeit oder PBedanterie im Gejchättsvollzug hätte finanzielle Berlufte, Störungen im Abjab und Verbrauch, Bejchwerden und Klagen teils der Brodus zenten, teils der Sonjumenten unausbleiblich im Gefolge. Wan irrt Sich eben jehr, wenn man meint, daß die Technit des Getreidehandels, der zu den jchiwierigiten Zweigen der Handelsthätigfeit von jeher gezählt Hat, auch von einer jtaatlichden Bureaufratie unichwer zu handhaben jet, und daß die Summe von faufmännischer Sntelligenz, technischem Wilfen und Geichie, langjährigen Erfahrungen, über welche ein aus Taujenden jelbjtändiger Firmen jich zufammenjegender Apparat der freien Handels- thätigfeit verfügt, ohne weiteres auf einen jtaatlichen Apparat fich über- tragen läßt. Man kann sich Schwerlich eine Aufgabe voritellen, die dem Staat eine gleich Schwere finanzielle und allgemeinpolitiiche Berantwortlichfeit aufbürdet, als dieje delifateite aller Aufgaben, Die in der Getreideverforgung eines großen Neichs beiteht. Das Odium für die fleinjte Unvegelmäßigfeit in der Funftionterung des Getreideverjor= gungsapparats fiele mit voller Wucht auf den Staat; die Angriffspunfte, mögen fie num der Unzufriedenheit eines Teils der Inlandsproduzenten über eine jchlechte Ernte und erzielte geringe Erlöje, oder den Stlagen der Mühlenbefiger oder der Bauern oder Brenner über die Qualität der ihnen gelieferten Ware, oder den abjälligen Urteilen der Konfumenten entnommen jein, wiüchjen ins Unermeßliche; auch wo gar fein Berichulden der Monopolverwaltung vorläge, für alle Folgen jchlechter Witterung, für alle Sünden von Meüllern, Bauern, Bädern würde die Weonopol- verwaltung herhalten müfjen; die parlamentarischen Erörterungen, Klagen und Angriffe wirden fein Ende nehmen. Wit einem Wort: Der Staat hätte die Nolle wirtjchaftlicher Vorjehung auf dem Gebiet der snlandsproduftion in Getreide, der Getreidepreisbildung und Des Getreideverzehrs zu jpielen. Fürwahr, wer nicht den Staat zum Spielball heftigjter und leidenichaftlicher Kämpfe, unfruchtbariter und Doch) gefährlichiter Zänfereien machen will, wird gut daran thun und jeine polittiche Klugheit bethätigen, wenn er ihn vor der Zunveifung jolcher Aufgabe bewahrt. 254 Sechjites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs zc. Dabei jollte man aud die Nüdwirfung einer fünfjtlidhen Preishebung auf die Stimmung der an billigen Brot- und Mehlpreiien interejiierten Bevölferungsteile, die größtenteils zu den wirtichaftlid Schwachen zählen, nicht gering achten. Es bedingt doc einen gewaltigen Unterjchied, ob eine Preishebung auf dem natür- lichen Weg von Angebot und Nachfrage Ti vollzieht, aljo aus Gründen der Produktion und des Marktes, denen Jedermann, auch der AÄrmite jich beugen muß, oder durch ein unmittelbares Eingreifen der Staatsge- walt jelber; und es bedingt ebenfalls einen Unterjchied, ob eine fünitliche Preishebung im Syitem einer vom Schuß der gejamten nationalen Bro= duftion getragenen Zollpolitif, die lediglich einen annähernden Ausgleich der Verjchiedenheit der Produftionsbedingungen im Ins und Ausland bezielt, oder aber ob jie im Weg eines Weonopols und mit dem aus= geiprochenen Ziel der Garantierung einer Mindejtrente an alle (andwirtichaftlihen Unternehmer erfolgen joll, gleichviel ob fie zu den Großen oder Stleimen zählen, gleichviel ob fie nach ihren Belik- und Einfommensverhältniffen einer jolchen Itaatlichen Nentengarantie be= dürfen oder nicht. Man müßte jchon, um den zu erivartenden unges rechtfertigten Preistreibereien auf dem Mehl und Brotmarft entgegenzus treten, in folgerichtiger Ausgejtaltung des Getreidehandelmonopols zu einer Monopolifierung auch des Mühlen- und Bädereigewerbes fortichreiten, d. h. man dürfte vor einer Enteignung von beiläufig 160 000 Betrieben mit einem Berjonal von 300000 Berjonen nicht zu= rücfichreden. Es it jchwer glaublich, dal eine Negierung oder ein Par: lament Ddieje äuferite, aber notwendige Konjequenz der Verjtaatlihung des Getreidehandels wird ziehen wollen. 4. Das eigentlich Ausjchlaggebende in der vorliegenden srage liegt imdejjen nicht einmal in den vorerwähnten Punkten, nicht in dem Zweifel, ob das Preisproblem für Getreide auf dem Wege der Wonopolifierung des Getreidehandels befriedigend gelöjt werden fanıt, nicht in dem Zweifel, ob der Staat der ihn gejtellten Aufgabe gewachjen it und ob er nicht in unabjehbare Interefjenkonflifte und Kämpfe, Die jeinem Anjehen jchädlich find, verwicelt werde, jondern darin, daß der Staat mit der geforderten Monopoliiierung des Getreidehandels zum Zwed der VBerbürgung einer Minimalrente den denkbar verhängnis- volliten eriten Schritt auf der Bahn eines gefährlichen Staatsjocialismus vollzöge, bei-dem es fein Aufhalten mehr giebt. Im Syitem einer auf dem Boden des Privateigentums und des Eigentums an Produftionsmitteln stehenden, von dem Grundjaß der vollen privatwirtichaftlichen Verantwortlichkeit des Einzelindividuums beherrichten Gejellichaftsordnung ift für die Forderung einer jtaat- lihen Nentengarantie fein Naum, dieje Forderung vielmehr dem ertremiten Staatsjocialismus entnommen, augenscheinlich aber mit dem woirtichaftlichen und fulturellen Fortjchritt unvereinbar. Die Ges $ 47. Die Verftaatlichung der Getreideeinfuhr (Antrag Kanip). 255 währleijtung einer Minimalrente für irgend einen Zweig der Produktion hebt die privatwirtichaftliche VBerantwortlichfeit auf; fie wäre eine Brä- miierung des Unfleißes, des wirtjchaftlichen und technijchen Schlendrians, des Berzichts auf die Aneignung der wilien- ichaftlichstechniichen Fortichrittsmöglichfeiten. Sie wäre eine Ichreiende Ungerechtigfeit gegenüber allen andern, von jolcher Nentengarantie ausgejichlojjenen Produftivjtänden, jowie gegen- über allen Konjumenten, die jchließlich mit u Mitteln für die garantierten Nentenleiitungen aufzufommen hätten. Dieje Nentengarantie in der Form der Preisregulierung, wie es der Antrag Kanib will, durch: zuführen, wäre nicht minder eine Ungerechtigkeit gegenüber jenem Teil der Produzenten, die durch Ungunft der Witterung oder jonjtiger elemen- tarer Ereignifje nicht in der Lage ind, nennenswerte Mengen auf den Markt zu bringen; diefe Nentengarantie würde endlich jenem Teil der Zandbaubevölferung gegenüber gänzlich verjagen, bei der der Schwerpunft der Broduftion nicht im Getreidebau, jondern in anderen Erzeugniljen ruht (Kleinwirte, VBiehwirtichaften, Gegen- den des Nebbaus, des Handelsgewächsbaus). Mafjenhaft müßte die eine Konzejlion andere zeitigen, lawinenartig würden die Anfprüche und Be- gehrlichfeiten aller in den freien Wettbewerb des Marfts und in den Kampf um die Marftpreisbildung geitellten Erwerbsitände wachjen. Mit welchem Mecht fünnte der Tierzucht und Tierhaltung verjagt werden, was man dem Getreidebau einräumte; wie jollte man den Anfpruch der Tabafs-, Hopfen=, Hanf, Slachs:, Weinproduzenten auf ebenfallfige Alb- nahme ihrer zeitlich unter dem Druck des Wettbewerbs und niedriger Breife leidenden Wirtichaftsziweige zurüchweifen fünnen; wie wäre e8 möglich, dem Berlangen der lohnarbeitenden Klaffen auf Heritellung eines Iormallohnes, ja der Forderung des Nechts auf Arbeit noch weiter Wideritand entgegenzujeßen ? Wurde doch im Der Franzöftichen Kammer der von dem joctaliitiichen Abgeordneten Naures im Jahr 1894 eingebrachte, ähnlich wie Der Antrag Kanig auf Weonopolifierung Der Getreide- und Mehleinfuhr abztelende Antrag ganz folgerichtig mit Der sorderung eines Minimallohnes für die ländlichen Arbeiter ausgeitattet! 5. sn einer großen Selbittäufchung ind die die Verftaatlichung des Getreidvehandels fordernden landwirtichaftlichen Sreije befangen, wenn fie wähnen, daß die Stellung, in die jie durch Diejes jtaatlihde Monopol zum Staat geraten, auf ihre wirtjchaftliche, gejellichaftliche und politiijhe Unabhängigkeit einflußlos bliebe; vielmehr würde das gerade Gegenteil die notwendige Folge der aus dem etreidehandels- monopol folgenden staatlichen Verantwortlichkeiten jein miülfen. Wenn einmal der Staat die Aufgabe übernommen hat, Jahr für Jahr für die ausreichende Brot= und Mehlverjorgung der Bevölkerung re muß er ji) auch in die Yage verjeßt jehen, diefer Aufgabe alle Zeit, unab- hängig von den Auslandsernten, gerecht werden zu Fönnen‘ Es fann 256 Sehjites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs 2c. ihm alio nicht gleichgiltig fein, in welchen Mengen, Arten und Qualis täten der inländische Ackerbau dem Getreidebau ich widmet, es wird vielmehr ein jtarfes jtaatliches Iuterefle daran beitehen, daß von jeder Hetreideart in den erforderlichen Qualitäten em Windeitquantum that- jächlich zum Anbau gelangt, das auch bei ungenügenden Auslandsernten die Deeung des Ssulandsbedarfs leidlich verbürgt. Cine obrigfeitliche Neglementterung der Wirtjehaftsrihtung, mindejtens in den Hauptgetreidefammern Deutjchlands, wäre mit der Zeit und in dem Maße, als die Weltgetreidevorräte, entiprechend der überall au= wachjenden Bevölferung, fnapper werden md Jahrweie mit Weltgetreide- erntedefteiten zu rechnen jein jollte, gar nicht zu entbehren. Die lebte Ktonjequenz der Schaffung eines für den Öetreidesssnlandsbes Darf verantwortlichen Staatlichen Apparates wäre aljo die Wiv- nopolifierung der Getreideproduftion jelber, und jedenfalls wäre die von einem Vertreter des landwirtichaftlichen Berufsitandes mit Klang- vollem Namen (von NathufinssHundisburg) gezogene Konfequenz nicht hintanzuhalten, daß jeder Getreideproduzent, der nach Verwirklichung des Antrags Kanik noch mit eimer Unterbilanz arbeitet, auf dem Weg der Erpropriation von jeinem Beligtum zu entfernen fer, weil jedenfalls nur tüchtigen, fleißigen, \oliden Produzenten gegenüber eine jtaatliche Nenten= garantie Sinn hätte und verantivortet werden fünnte. Als Auffänfer der gelamten Inlandsernte träte dev Staat weiter in jo enge und übermächtige Beziehungen mit der getreidebautreibenden Bevölkerung, day diefer Zuitand von emem auf die Wahrung jeiner ‚sreiheit und Unabhängigkeit bedachten Berufsitand jehr valch als uner- träglich befunden wide Im Bezug auf die Anfaufswürdigfeit der zum Berfauf angebotenen Früchte, die Einreihung der Früchte in verschiedene Qiralitätsklafjen, die Preisnormierung müßte den jtaatlichen Anfaufs- fommiflionen naturgemäß ein weiter Spielraum eröffnet werden, md diejes freie Ermeljen in der Handhabung des Anfaufs würde, auch wenn die damit gegebene Machtitellung von jedem Mißbrauch fich fern bielte, jedenfalls oft der Wihpentung und üblen Nachrede ausgejeßt fein. Unter allen Umständen aber würde der Staat als einziger oder Hauptauffäufer der Getreidefrucht in einen thatlächlichen Juitand wirtjchaftlicher Allmacht den Landwirten gegenüber verjeßt, der für fie wahr: haftig wenig beneidenswertes hat. in gejunder WBolitifer und guter Batriot wird dem Staate gönnen, was -des Staates tft; aber man jollte nie vergelien, daß eine Allmacht des Staates in wirtjchaftlichen Dingen unmöglich dem Staatswohl frommen fann, weil die wirtjchaftliche Abhängigkeit noch jederzeit die politische Abhängigkeit nad) lich gezogen hat. Eine in ihrer Art viefengroße, verantwortungsjchivere, die höchiten Anforderungen in technischer und faufmännischer Hinficht jtellende, mut einem emmaligen Hundertmillionenaufivande für die erite Emrichtung S 47. Die Verftaatlichung. der Getreideeinfuhr (Antrag Kanib). 957 und mit einem Weilltonenaufwande für den laufenden Betrieb verfnüpfte, den jeitherigen privaten Getreiehandelsmechanismus im wejentlichen be= jeitigende neue jtaatliche Aufgabe dem Staate anzufinnen, fünnte ernit- hafter Were Doch überhaupt nur dann ins Auge gefaßt Yverden, wenn volle Gewißheit in zwei Hinfichten bejtände: einmal, daß jener bedrohliche Tiefitand des Getreidepretes, wie er jeit 1892, d. h. jeit einer verhält: nismäßig nicht langen Zeit beiteht, eim dauernder wäre, und jodann daß ebendeshalb eine Kataltrophe über den Deutichen Grumdbeiigeritand mit Notwendigkeit hereinbrechen müßte, weil alle anderen fürdernden, helfenden, Ihüsenden Maßnahmen der Agrar und allgemeinen Wirtichaftspolitif verjagen. Weder das Eine noch das Andere it als vorliegend anzujehen, und insbejondere vermag niemand zu jagen, ob der jeßige Tiefitand Der Getreidepreife als eim Dauernder anzujehen it, oder ob nicht vielmehr die jeit 1895 eimiegende Preisbewegung nach oben tm der Folgezeit noch) fräftiger einjeßen wird. Wie aber fünnte es verantwortet werden, einen Niejenapparat der bezeichneten Art voll der verhängnisvolliten Tragweite einer PBreisfonjunftur halber ins Leben zu rufen, die möglicherweie in gar nicht ferner Zeit in das Gegenteil umjchlägt! Das geforderte Ge- treidehandelsmonopol it alfo auch aus diefem Grunde zu veriwerfen, und unfere getreidebautreibende Bevölkerung wird ich Daher mit dem Gedanten befreunden müfjen, daß der Schußzoll, jo mangelhaft er auch zeitweise funktionieren mag, doch unter allen jtaatlichen Mitteln der fünjt- lichen Breishebung das relativ wirfjamite bleibt und ein Er- ja der landwirtjchaftlichen Schußzölle durch eine Wonopoli=- jierung des Getreidehandels aus politifchen, wirtjchaftlichen und jocialen Erwägungen, und weil mit dem Staatsinterefie unvereinbar, nicht in Betraht fommen fann. Die Bedenken, die gegen den Antrag Kaniß beitehen und dejjen Annahme hindern, jtehen jedem anderweiten Borjchlag entgegen, der auf jtaatliche Garantierung eines Mindeitpreifes für Ges treide hinausliefe; beiipielsweile wenn im Sinne eines menerdings gemachten Vorjchlags, unter Aufrechterhaltung des Getreidehandels, für die einzelnen Getreidegattungen ein „Normalpreis“ feitgejeßt und bes itimmt werden jollte, daß an Zoll bei der Einfuhr derjenige Betrag zu entrichten ift, um welchen der Preis des Getreides auf dem Weltmarkt hinter jenem Normalpreis zurücbleibt. Diefem Antrag haften zudem die Nachteile an, die mit dem Syjtem beweglicher Zölle verknüpft iind (S. 226). Beiipielsweije fünnte jede jpefulativ herbeigeführte augen= blickliche Erhöhung des Weizenpreijes auf dem Londoner Markt, die von einer entiprechenden Ermäßigung des Weizenzolls begleitet wäre, zu einem vermehrten Weizenimport und einer Erjchwerung des Abjages inländischen MWeizens Anlaß geben; und je größer in einem gegebenen Zeitpunkte Der mutmaßliche Vorteil von Getreideimporten zu ermäßigten HZollfägen ver anfchlagt wide, um jo größer wäre der Anreiz, zeitweilige reis- Buhenberger. 17 258 Sedhites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. erhöhungen auf dem Weltmarkt herbeizuführen. Der Nuten der Ein: richtung für die Produzenten wäre jonac) ein äußerjt problematijcher, und es tit deshalb auch diefer Vorschlag abzuweijen. $ 48. Die Miarftpreisbildung und die Börfez der Getreide: terminhbandel insbefondere. sn eimer Durch die modernen Berfehrsmittel aufgejchlojjenen und mit anderen Produftionsgebieten in regelmäßiger Verbindung itehenden Nirtichaftsgemeinjchaft it überall nicht das lofale Angebot und die lofale Nachfrage für den Preis einer Ware entjcheidend, jondern bei der jeder: zeitigen Möglichkeit des Bezugs von dritter Stelle wird für die Breislage im Einzelfalle das Verhältnis von Angebot und Nachfrage im weiteren Umfange der großen Wirtichaftsgemeinjchaft, ja, injoweit diefe in die Weltwirtichaft verflochten und der Berfehr mit fremden Wirtichaftsgebieten nicht Durch Einfuhrverbote oder durch hohe, die Emfuhr ausjchliegende Zölle geiperrt it, das Verhältnis von Nachfrage und Angebot auf dem Weltmarft jelber zum entjcheidenden Faktor. Dies trifft für Getreide und zzleiichvieh ebenjo wie für Hanf und Slachs, für Hopfen und Tabaf, für Wein und Objt zu und gilt nicht minder für die Verarbeitungsprodufte landwirticpaftlicher Nohitoffe, für Butter, Käfe, Branntwern umd Zucder. Nur bei jolchen Erzeugniljen, Die einen längere Zeit in Anjipruch nehmenden Iransport nicht vertragen, wie bei Milch, frischem Gemüfe 2c., bleibt dem Verhältnis der örtlichen Nachfrage zum örtlichen Angebot ein jtarfer Einfluß auf die Preisgeitaltung auch heute noch gewahrt, obwohl jelbit hier jeit der Möglichkeit vajcheren Berfandts mittelit der Eifenbahn diejer Einfluß gegenüber früher an Stärfe erheblich) eingebüßt hat. sunerhalb eines jeden Wirtichaftsgebiets wird aljo die Preislage, wie fie ich in den großen Handelspläßen unter Beachtung der Des wegung der Weltmarftpreiie thatlächlich geitaltet, gewilfermaßen Der Tınft jein, von dem aus die Breislage der einzelnen Drte und Gegenden ıhre allgememe Richtung nach oben oder unten erfährt, gleichviel, wie Die Berfaufsiweile organiiert ijt, ob unter Zuhilfenahme von Zwijchenhändlern oder aber unter Ausichaltung legterer auf genofjenschaftlichem Wege unter möglicher Eriparung von Zwiichenhandelsipejen. Es bejteht aljo mit anderen Worten Die denkbar größte Preisabhängigfeit jeden Tunftes des Wirtichaftsgebiets von demjenigen Punkte, an dem jich die größte Nachfrage und das größte Angebot jeder: zeit begegnet und von wo aus eine Warenvermittlung überallhin im ‚salle eintretenden Bedarfs erfolgen könnte. Kaufmännische Veranjtaltungen in den Brennpunften des Verfehrs, in denen ein regelmäßiger Zus jammentritt von Käufern und Verkäufern einer Ware zum Zvede des geichäftlichen Berfehrs erfolgt, heien Börjen; in dem börjenmäßigen Freije eimer Ware hat man aljo in legter Linie den Negulator für $ 48. Die Marftpreisbildung und die Börje; der Getreideterminhandel. 259 mie die Preisgejtaltung im weitejten Umfange des Wirtichaftsgebiets zu erblien und an diejer Thatjache fan auch Die vollfommenfte landwirt: ichaftliche Abjaborganifation nur wenig oder nichts ändern. Die Höhe der Preisabjchlüffe an der Hopfenbörje in Nirnberg wird mafgebend für den Einzelabjcehluß in Hopfen für alle Hopfenorte Süddeutjchlands; die in Bremen notierten Breile für ausländischen Tabaf, die in Mannheim notierten WBreile für inländichen Tabaf bilden die Nichtichnur für die Breife, die der Tabafshandel im übrigen Teile Deutichlands für Tabate anzılegen willens it; jo it jeither für den jüodwestdeutjchen Getreidemarft die Preisbewegung in den rheinischen Broduftenbörjenplägen (Duisburg, Frankfurt, Mannheim), für den ganzen mittel- und norddeutichen Getreide- markt die Preisbewegung an der Berliner Börje ausschlaggebend gewejen. Die täglichen Börjenpreisberichte find es dDemgemäß, die den Preis der einzelnen Erzeugnifje im Bereich des ganzen Wirtjchaftsgebiets diftieren, und von deren Inhalt in legter Linie Wohl und Wehe des Produzenten abhängt. Ar den Einrichtungen der Börfe, an der Art und Weile, wie fich die Preisbildung an der Börje vollzieht und wie die Berichte über die Gejchäftsabjchlüffe und die dabei erzielten PBretfe zuftande fommen, hat daher die Landwirtichaft em außerordentlich großes snterejfe. Und da einerjeitS der Getreideverfehr den beträchtlichiten Zetl des Verfehrs an den Wroduftenbörjen zu bilden pflegt, andererjeits die Getreideabjaß- und Getreidepreisbildungsfrage und die Damit ummittelbar verknüpfte Getreideanbaufrage jelber ein nicht nur landwirtjchaftliches, jondern ein Interefje allgemeinjter Bedeutung Ddarjtellt, jo tt ganz natırrgemäß jeit Jahren die Frage der Börjenorganijation und der jtaatlichen Beauflichtigung des Börjenverfehrs in den Vordergrund der Tagesfragen getreten. Wie jede Art von Abhängigkeit ein Gefühl der Unbehaglichteit, des Mißtrauens, ja der Gegnerichaft zu erzeugen pflegt, jo wird es leicht erflärlich, daß die landwirtichaftlichen Produzenten angelichts dev domt- nierenden Stellung der Broduftenbörien im Marftverfehr und ihres preise Diftierenden Einflufjes im Zuitande der Voreingenommenheit fich befinden und für jede ihnen ungünftige Wreisbewegung die Erklärung zumächit nicht in Veränderungen der Marktlage jelber, jondern im ımlauteren Machinationen der an der Börje thätigen Kräfte juchen. Dieje in itinftive Abneigung gegen das Börjenwejen, dejjen inneres Ges triebe jich der öffentlichen Wahrnehmung entzieht, muß wachjen, wenn gelegentlich die Preife an der Börje in jprimghafter Werje jich bewegen und den Charakter der Willfüiv anzunehmen jcheinen; fie fan fich zu ausgeiprochener Gegnerjchaft jteigern, wenn offenkundig der tierite Grund augenblicklich ungünjtiger Preisbewegungen nicht etwa in Ande- rungen der Marktlage an ich liegt, jondern ein ve jpefulativer war, wenn gar, um folchen Spekulationen zum Siege zu verhelfen, gelegentlich auch unlautere Düttel zur Anwendung gelangen, und wenn femer an 17* 3650 Sechites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs ze. der Börie nicht etwa nur chrenwerte, jolide Vertreter des Kaufmannss itandes, jondern auch Leute von zweifelhafter moraliicher Qualität ver- fehren und troß ihrer Anrüchigfeit geichäftlich fich bethätigen ünnen. Man muß fich in die Stimmung der durch jolche Vorgänge und Wahr: nehmungen erregten Bevölferung des flachen Landes verjegen, um den in den legten Jahren nicht jelten gehörten Ruf nicht bloß etwa nad einer Neform, jondern nach völliger Bejeitigung der Börje — „als einer am Lebensmarf der Produftivjtände zehrenden Schmaroger- pflanze”- — wenn nicht entichuldbar, jo Doch mindeitens begreiflich zu finden. Die Wahrheit tft, daß die Börjen, die jchlieglich nichts. anderes als die fonzentrierteite Form des Marftverfehrs dar= itellen, im Interejie nicht minder des Produzenten wie des Abnehmers der Ware liegen. me richtige, den Verhältnifjen ans gemejjene Preisbildung wird fich allemal um jo leichter vollziehen, je vegelmäßiger eine Gelegenheit zum Kauf und Verkauf gegeben it umd eime je größere Anzahl von Käufern und Berfäufern fich gegemüberiteht. Denn mit der Bielheit der Anbietenden und Nachfragenden gewinnt das Urteil über die zu fordernden umd zu bewilligenden PBreife an ZJuverläffigkeit, und Srrungen der Einzelnen, mögen jte auf thatlächlicher Unkenntnis der Marktlage oder auf Unerfahrenheit beruhen, erfahren ihre baldige Korrektur Wenn Schon gewöhnliche Wiarktveranitaltungen in diefer Nichtung wirken. und in ihrer Wichtigkeit von den Produzenten nicht verfannt werden, jo: muß Dies in noch höherem Grad von den Börjen als der höchiten und feinsten Ausbildung des Marftverfehrs gelten, wo jederzeit Die umfangreichhte Nachfrage und das umfangreichite Angebot fich begegnen und daher nicht nur stets Gelegenheit gegeben tt, beliebige Mengen einer Ware zu faufen und zu verfaufen, jondern wo auch zugleich für die Yıldıng angemeljener Breife die Ddenfbar beite Gewähr beiteht. Die Borteile eines börjenmäßigen Verfehrs gerade auch in landwirt= ichaftlihen Erzeugniiien fteigern Jich mit dem wachjenden Ver- fehr und deijen Entwicklung zum Weltverfehr, weil der einzelne Produzent und ebenjo der provinzielle kleine Auffäufer die Bewegung der reife nicht einmal im Großhandel des eigenen Landes, geichweige dem. im Welthandel tagtäglich zu verfolgen in der Lage ift und deshalb ohne Die fortlaufende Kenntnis der an den größeren Handelsplägen gezahlten. reife über die beim Verfauf oder Einfauf zu fordernden und bezw. zu be= willigenden Breije völlig im Dunfeln tappte. Der tägliche börjfenmäßige Umpaß eines Erzeugnifjes in großen Mengen an den Haupthandelspläßen und Die Bekanntgabe der notierten PBreife enthebt die Gejamtheit der Produzenten und ihrer unmittelbaren Abnehmer diejer Ungewißheit, giebt den Käufern und Verkäufern auf den Provinzialmärkten und den außer; halb der Märkte abzuichliegenden Staufgejchäften die umentbehrliche Stüße und jebt an Stelle der zufälligiten Willfür, von der die provinztelle S 48. Die Marftpreisbildung und die Börje; der Getreideterminhandel. 261 Preisbewegung, bald zum Nachteil, bald zum Vorteil des einen oder anderen Kontrahenten beherrjcht jein wirde, eine feite, untrügliche und richtige Norm. Der Ruf nach Beleitigung der Broduftenbörjen, wie man ihn im legten Jahrzehnt in landwirtichaftlichen Streifen nicht Velten vernommen bat, it Ddemmach ein unveritändiger. Nur an dem Stüßpunft, den eine Börfe gewährt, und im unmittelbariten Anihluß an die großen, an der Börje abgejchinfienen Handels- geichäfte fann Jich ein gedeihlicher, jtetiger, launenbafter Willfür und unberechenbaren Jufälligfeiten entfleideter PBro- vinzialhbandel entwideln, mag diejfer nun in den Händen von Zwiichenhändlern liegen oder Durch gemolienfchaftliche Drga- nijationen bejorgt werden. Die an den WBroduftenbörjen sich abipielenden Geichäfte waren uriprünglich ausjchlieglich Tolche, mit denen em thatsählicher Umfaß des Kaufgegenjtandes erzielt wurde; man nennt fie Gejchäfte in effef- tiver Ware, auch kurz Effeftivgejchäfte Mit der Zeit famen indeljen auch jolche Gejchäfte auf, bei denen nicht diefer thatlächliche Warenumiaß, jondern die Spekulation auf Breis- und urspdifferenzen den eigent- lichen Zwec des Gejchäftes bildet, mögen immerhin die betreffenden ee ihvem suhalt nach auf wirkliche Abnahme und Lieferung der Ware laufen. Die mit jolchen Spefulationsgejchäften jich Abgebenden ind entweder Haujjiers oder Bailliers. sene, die Haufiiers, rechnen auf eine Breisiteigerung (jpefulieren a la Hausse) und jie engagteren ich in der Weile, daß fie auf einen jpäteren Termin kaufen, in der Erwartung, das gekaufte Quantum vorher zu höherem Breite zu verfaufen; Dieje, Die Batjjters, rechnen auf eine Breiserniedrigung (d. 5. jpefulteren & la Baisse) und fie engagieren fich in der Weile, dat fie auf eimen jpäteren Termin verfaufen, in der Erwartung, das ver- faufte Quantum noch vorher zu niedrigerem Breife anfaufen zu fünnen. Das Bezeichnende diefer Art von Börlengejchäften it, daß die Abwicklung des Gejchäfts, Itatt in Gejtalt der wirklichen Lieferung und der wirklichen Abnahme der Ware, der Regel nach durch bloße Zahlung der Breis- Differenzen erfofgt, wie fie jich aus dem Wreisitand des Anfangs- und Endtermins des Gejchäfts ergeben ; derjenige der beiden Kontrahenten, deiien Erwartung entiprechend der Preisbewegung verlaufen it, gewinnt, Dder- jenige, Ddejjen Erwartungen nicht zugetvoffen find, verliert die Preis- Differenz. Weil Derartige Gejchäfte die Abwicklung des Vertrags auf einen jpäteren Hielpunft (Termin) verlegen, heißt man fie börjen= mäßige Termingeichäfte, und injoweit diefe Termingeichäfte nicht durch thatjächliche Annahme und Lieferung, jondern durch Zahlung der Sturs- oder Preispifferenzen abgewicelt werden, Differenzgeichäfte oder auc) Blanfo-Termingeichäfte, im Gegenjaß zu den Gefchäften in effef- tiver Ware. >62 GSechjtes Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. Termine oder Zeitgeichäfte, d.h. Kauf oder Verfaufsgeichäfte, in denen die Erfüllung des Vertrags auf einen jpäteren Zeitpunkt verlegt wird, müjjen nicht notwendig Differenzgeichäfte fein, te \ptelen vielmehr gerade auch im Effeftivgeichäft als jogenannte Lieferungsgejchäfte eine bedeutiame Nolle. Getreidehändler 3. B. werden in einer Yeit jteigender Preife auf einen jpäteren Termin zu verfanfen fich bemühen, um jich dadurch vor dem Nachteil eines etwa in nächiter Zeit eintretenden Preisfalls zu bewahren; Müller werden in einer Zeit, die für den Ein- fauf des Getreides günitig it, ihre nötigen Vorräte im Weg des Heitz geichäfts (Lieferungsgeichäfts) Tich bejchaffen, wodurch ste fic) vor den Chancen einer etwa in nächiter Yet eintretenden Preisiteigerung Tichern; Produzenten fünnen im Weg des Yeitgefchäfts (Lieferungsgejchäfts) eine vor der Ernte günftige Breisfonjunftur ausnüßen, imdem fie ihr Setreide auf den Zeitpunkt, wo es in ablieferungsfähigem YZuftande (d. h. geerntet und gedrojchen) Tich befindet, verfaufen. Solchen Zeit- geichäften fommt die ganz allgemeine Bedeutung zu, eine preisaus- gleichende Wirkung örtlich und zeitlich auszuüben. Indem das Zeitgejchäft mit dem Verlauf der Ereigniffe in der Zukunft rechnet, aljo die Chancen einer zu erwartenden günftigen Ernte ebenjo wie die einer minder günjtigen oder eimer Wißernte in den Streis der Berechnungen zieht und danacı) den Umfang der Zeitfäufe oder Zeitverfäufe bemißt, bes hütet es vor jenen WBreisüberrajchungen, die eine plößliche Leerung oder Überfillung des Marktes nach fich ziehen nrüßte. Indem weiter das Zeitgejchäft bei jeinen Kalfulationen nur den Ausfall der heimischen Ernte, jondern die Möglichkeit des Bezugs von überall her ins Auge jagt, wirft e8 vorratausgleichend; es mindert an der einen Stelle ein Übermaß des VBorrats und ergänzt an anderer Stelle ein ungenügendes ab des Angebots. Die durch elementare und andere Ereignifje bedingten Unterjchiede zwiichen WProduftenvorrat und Wroduftenbedarf — örtlich und zeitlich — werden auf Ddieje Weile in das Eingreifen von Yeits geichäften Eleiner, als wenn fich der Handel lediglich mit der allernächiten Gegenwart beichäftigen wollte. Das Blanfotermingejchätt (Differenzgejchäft) hat jich aus dem Sffeftivzeitgefchäft entwickelt, it aber verhältnismäßig neueren Datums; Termingejchäfte in Getreide an der Berliner Börje datieren in erheblicherem Umfang erit jeit den 50er und eine wirkliche Internationalität des Getreidetermingeschäftes erft feit den 70er Jahren, wo neben Berlin der Getreideterminhandel auch in Wien, Belt, Paris, Amjterdam, Liver- pool und auf amerifanischen Börfenpfäben (New-Mort, Chicago 2.) aufs zublühen begann. Neben Getreide wurden mit der Zeit auch Spiritus, Aunder, Kaffee und Kammzug Gegenftände des börienmäßigen Terz minhandels. Mehrfach führte fich das Blantotermingejchäft unter jtarfen, wenn jchon vergeblichen Broteiten eines Teils der an der Börje verfehrens den Iutereffenten ein, jo der Kaffeeterminhandel an der Hamburger Börje, $ 48. Die Marftpreisbildung und die Börje; der Getreideterminhandel. 263 dejfen Einführung (15387) „hervorragende Stauflente, alte angejehene Firmen hartnäckigen Widerjtand leisteten“. Db im gegebenen ‚Fall Der Außen oder der Schaden überwiege, den die Blanfotermingejchäfte, vom allgememen volfswirtichaftlichen Standpunft aus betrachtet, haben, it auch heute noch Gegenstand lebhaften Streites. Hinfichtlic) des Die Landwirtjchaft in erjter Neihe intereffterenden börfenmäßtigen Dlanfo- terminhandels in Getreide wınde diefe Streitfrage im Börjengefe vom 22. Juni 1896 vom Reichstag im zweiten Sin, d. h. dahin ent= jchteden, daß der Schaden überwiege, und es tt demgemäß diejer bürjen- mäßige Getreideterminhandel verboten worden. Darüber, ob ausreichende Gründe zu emem jolchen Verbot vorgelegen haben, dauert auch heute noch der Streit fort, der übrigens vielfach Dadurch verdunfelt wird, daß der aus ganz anderen Gründen entjtandene „Strife”“ an der Ber- liner Broduftenbörje und die durch Diefen Strife veranlaßten Wiiß- tände im morddeutjichen Getreidehandel von den Gegnern Der Börjengejeßgebung wejentlich auf Nechnung des Terminhandel-Ber- botS gejeßt werden, während in Wahrheit diefe Vorgänge an der Ber: (iner Wroduftenbörjfe mit Ddiefem Berbot nur jehr loje zufanımenhängen umd im wejentlichen Durch Meinungsverjchtedenheiten über die Art der Vertretung der Landwirtichaft im VBorjtand der Berliner und anderer preußiicher Produftenbörjen veranlagt find. Wo, wie in der Mehrzahl der Deutichen Broduftenbörien, Ddiefe Streitfrage durch verjtändiges Ent- gegenfommen von Handel und Landwirtichaft ihre glatte Yöjung fand, hat die Ihätigfeit dev Vroduftenbörjen durch das Börjengeleg und ins= beiondere Durch das Terminhandels-Verbot feinerlet Abbruch erfahren. Es entipricht alfo dem Sachverhalt nicht, wenn im Julammenhang mit dem erlafjenen Verbot in antilandwirtichaftlichen Streifen von einer „Yer- ftörung bewährter Handelsorgantiationen” gejprochen zu werden pflegt. Im übrigen it zur Würdigung des jeither bejtandenen börjenmäßigen Getreideterminhandels das Folgende auszuführen: 1. Eine Bejonderheit des börjenmäßigen Blanfotermins handels bejteht darin, daß nicht mdividuell bejtimmte Waren, wie im jonftigen Broduktenverfehr, den Gegenjtand des Umfages bilden, daß auch nicht auf Probe gefauft und verkauft wird, jondern daß Gegentand des Gejchäftes lediglich beitimmte Mengen einer beitimmten Warengattung ind, aljo vertretbare (fungible) Sachen, wie Wertpapiere, ferner Getreide, Mehl, Baumwolle, Staffee, Betroleum. Man fauft und ver- fauft aljo nicht beitimmte Serien und Nummern eines Wertpapieres, jondern eine bejtimmte Anzahl Stüce diefes Wertpapieres; man fauft und verfauft nicht 50 Tonnen eines beitimmten Vorrats von Weizen oder Weizen einer bejtimmten Provenienz (La Plata-Weizen) und ver einbarter Qualität, jondern der Gegenitand des Kaufs und Verfaufs ind 50 Tonnen Weizen, gleichviel, woher fie ftammen und wen fie gehören. Dem Umitand, daß bei Naturerzeugniljen der lebtbezeichneten Art 2654 Sechites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. Quralitätsunterjchtede vorfindlich ind, wird dadurd) Nechnung ge= tragen, daß dem Börjenverfehr in diefen Waren bejtimmte Muiterjorten Typen) ein für allemal zu Grund gelegt werden. Wer aljo an der Börje Noggen Ffauft, muß Tich damit zufrieden geben, daß ihm die ge faufte Menge Noggen in der börjenmäßig vereinbarten Durd- Ichnittsaqnalität geliefert wird; und wer Noggen verkauft, entledigt fich jeiner vertragsmäßigen Berpflichtung, indem er dem Käufer Roggen von börjenmäßiger Qualität anbietet, es müßte denn ausdrüclich in den Kauf und Berfaufsofferten etwas anderes vereinbart worden jein. Die ‚seititellung der börjenmäßigen Lieferungsqualität einer Ware hat dabei offensichtlich praftiiche Bedeutung nicht nur fir Die une mittelbar an dem Börjengejchäfte beteiligten Berjonen, jondern, wegen des preisbejtimmenden Einflufjes der Börje, eine Bedeutung weit über deren Bereich hinaus; und es find daher jchon vor geraumer Zeit die Vorjchriften über die Lieferungsgualität des Getreides, insbejondere durch Erhöhung des Lieferbarfeitsgewichts, wejentlich verjchärft worden. Denn je geringere Aıprüche die Börje an die Liefe- rungsgualität des Getreides jtellt, zu um jo niedrigeren Breiten fan das Termingetreide offeriert werden, umd Ddiefe niedrigen Breile müljen die Preislage des im Lande im Effeftivgejchäft umgejeßten Getreides ebenfalls nach unten, alfo ungünstig beeinfluffen. Der in der Aufjtellung verschärfter Lieferbarfeitsnormen liegende Schuß der inländischen Getreides produftion muß natürlich verfagen, wenn die zur Handhabung der Ktonz= trolle über die Lieferungsqualität berufenen Börjenorgane ihrer Aufgabe in laxer Weije nachfommen und daher Lieferungsiware pajlieren lafjen, die der börjenmäßig feitgejtellten Lieferungsqualität nicht entipricht, Die allo nicht das vorgejchriebene Denn. hat, Die nicht gelund, nicht trocken, nicht frei von Darrgeruch it ze. Zur Disfredi- tterung des SHetreidetermingejchäftes hat nun, wie a jeßt ichon bemerft fein mag, gar nicht wenig ne auch der Umjtand bei= getragen, daß nach einwandfreien Benrfundungen der im Sabre 1895 berufenen Börjen-Enguetefommilfion gar nicht jelten jelbjt mit Waren \chlechtejter Qualität („reiner Schundiware”) angedient werden fonnte, ohne daß jolche Verstöße jeitens der zuitändigen Börjenorgane in Hin= reichend yoirfjamer Weile geahndet und ihre Wiederholung unmöglich gemacht worden wäre. 2. Der Blanfoterminhandel hat fich-aus dem effektiven Lieferungss geichäft entwickelt und die oben diefem letteren nachgerühnten Vorzüge fommen Daher an fich auch dem eriteren zu; ja es findet Die jchon Durch das einfache Lieferungsgejchäft in gewijiem Sinne ermöglichte Ber: jicherung gegen die wechjelnden Chancen der Breisbewegung (S. 262) in einem lebhaft individuellen Blanfoterminhandel ihre voll-. fommenste Berriedigung, wie denn das Bedürfnis der Berficherung gegen PBreisichwanfungen und der Wunsch, die aus jolchen Schwankungen $ 48. Die Marftpreisbildung und die Börje; der Getreideterminhandel. 265 jich ergebenden Nachteile auf andere Schultern abzuladen, einen jehr weientlichen Anteil an dem Auffommen von Terminmärften gehabt haben wird. SI welcher Weile die Betetligung am Terminhandel eine Art Berfiherung gegen unerwartete Breisbewegungen in Jich jchließt, läßt Sich an folgenden Beijpielen leicht nachweilen: Wenn einem Ge- treidehändler im März eines Jahres em Angebot auf ein größeres Quarz tum ausländijcher Frucht, lieferbar im September, zu einem Preis vor= liegt, den er an fich Für annehmbar erachtet, jo wird er, bevor er auf jene Offerte hin abichließt, diejes jelbe Quantum am der Terminbörje zu eimem Wreis, der ihm einen gemügenden Gewinn abwirft, zu ver- faufen juchen. Sit ihm dies gelungen, jo hat ex die Wahl, die von ihm gefaufte Ware entweder an der Terminbörje jelber zur Ablieferung zu bringen oder, falls anderweite günitigere Verfaufsmöglichfeiten vorliegen, die Ware an dieje anderweiten Orte zu Ddirigieren ; leßterenfalls fauft er dann an der Börje das verfaufte Onantum zurüd. Der Händler bleibt auf diefe Weije unter Benußung der Terminbörje vor den Folgen emes etwa im der Zeit zwilchen März und September eintretenden Preisrüd- gangs schlechthin gejichert; „die Terminbörfe wird ihm zur Aifefuranz- anjtalt, die ihm das Nififo eines Preisrücgangs abnimmt; der Schluß: Ichein, dev über den Berfauf auf den Septembertermimn ausgeftellt wird, ijt jeine VBerficherungspolice”. Ahnlich fan fich der Müller durch Bes teiligung am Termingeichäft gegen die Chancen der Preisbewegung auf dem Getreide und Mehlmarkt verfichern, und zwar wiederum in wirfungs- vollerer und vollfommenerer Weife, als in den Formen des einfachen Lieferungsgejchäfts. Hat er Mehl auf Lieferung verkauft, jo fauft er gleichzeitig Getreide auf Termin; a er Getreide auf Lieferung gekauft, jo verfauft er auf Termin Mehl; VBorausjeßung für die Beteiligung am Termingefchäft ift natürlich allemal, da zwijchen Getreideanfaufss und Wehlverfaufspreiien jolche there jich ergeben, daß dem Müller noch ein entiprechender Fabrifationsgewinn übrig bleibt. Die wirkliche Yb- nahme des im Termin gefauften Getreides und die wirkliche Lieferung des auf Termin verfauften Mehl3 findet, wie im obigen Fall des Ge- treidehändlers, immer nur dam ftatt, wenn fich nicht anderweit eine günftigere Anfaufsgelegenheit für Getreide beziehungsweile günitigere Berz faufsgelegenheit für Mehl bietet. Bietet fich dieje, jo werden die einge gangenen Termingejchäfte an der Börje durch Abrechnung erledigt, d. h. die Terminverbindlichkeiten werden gelöit, imdem das an der Börje gekaufte Getreide wieder im Termin verkauft, das an der Börje verfaufte Diehl wieder zurücgefauft wird. Die Bedeutung diefer Aifeturanzmöglichfeit, welche ein großer Terminmarft bietet, an dem jeden Tag beliebige Mengen einer Ware auf Termin gekauft und verfauft werden fünnen, wird dadurd nicht unmwefentlich abgeichtwächt, daß in der Negel nur die größten Firmen und meit nur die am Siß der Terminbörje anjäjligen 266 Sedhites Kapitel. Die Einnahmen des. landwirtichaftlichen Betriebs zc. Firmen von Termingejchäften Gebrauch machen. Mittlere und £leinere Getreidehändler, ebenjo mittlere und fleinere Mühlenbetriebe beteiligen jich gar nicht oder nur jelten an der Terminbörje, weil ihr Sahresumjag nicht groß genug tt, um die Provifionen zu ertragen, die an die die Termin- geichäfte vermittelnden Kommiffionäre zu zahlen jind; andere Mühlen- betriebe bleiben dem Terminmarkte fern, weil fie Bedenken gegen die Iermingualität des am Terminmarft gehandelten Getreides haben (S. 264), für das im Fall der Notwendigfeit der Abnahme eine Verwendungs- möglichkeit in ihren Meühlenbetrieben nicht gegeben it. Aber auch große ‚sirmen im Getreidehandel und Großmühlenbetriebe halten fich) vom Ierminmarft angefichts der Ausartungen des Terminhandels in neuerer Zeit, worüber noch zu reden tit, grumdjäglich fern oder beteiligen jich an ihm nur ausnahmsweile, wofür die Verhandlung der Börjen- engquete umnzweideutige Bewerte erbracht hat. Man entnimmt Diejer Enquete in der That, daß viele jelbit große Getreidehandelsjirmen und Mühlenbetriebe in den verjchtedeniten Teilen Deutjchlands von den Termingejchäften an der Berliner Börjejelten oder nie Gebraud) machen. In München joll, wie in der Engquetefommiliion betont wurde, der Blanfoterminhandel gänzlich unbefannt fein; jedes Gejchäft wird „nach Mujfter”, „auf Probe” abgejchlojjen. Einer der Münchner Sroßmühlenbejiger glaubte jogar das Termingejchäft als ichlechthin „derz werflich” und die Mühleninduftrie „Ichädigend“ bezeichnen zu müjjen, und ein Vertreter dev Mühleninduftrie aus anderen Teilen Deutichlands ber= trat die Meinung, daß wegen der jchlechten Bejchaffenheit der Termins ware jenes Wiljens von den 30000 deutjchen Mühlen nur jehr wenige das Termingejchäft zu dem Zwed benugen, um jich die Ware auf dem Terminmarft zu fichern. Angelichts jolcher Feititellungen wird man gut daran thun, den Wert der Ajjefuranzmöglichfeit, welde ein großer Terminmarft gewährt, in ihrer thatjächlichen Trag-= weite nicht zu überjhäßgen. Wenn und injoweit aber an dem Ter- minmarft wejentlich nur die großen Handels: und Mühlenbetriebe fich zu beteiligen vermögen, jo fann jehr wohl die Wirkung eines Terminmarftes auch die jein, die wirtichaftliche Überlegenheit, die diejen Grofbe- trieben gegenüber den mittleren und fleineren ohnehin zufommt, zu jteigern. Auch in Schriften, die die Emrichtung von Terminmärften grumdjäglich qutheigen, wird diefe Möglichkeit zugegeben, ja die ausges Iprochene Gegnerjchaft der fleineren und mittleren Gejchäfte gegen den Terminhandel mit der Bejorgnis diejer Kreife in unmittelbare Beziehung gebracht, das ihre wirtjchaftliche Wideritandsfähigfeit gegen den Wettbe= werb der Großbetriebe durd) die Einrichtung von QTermimmärkten eine weitere Schwächung erfahre. Dieje Wirkung des Bejtehens von Getreide- terminmärften würde num aber nicht nur aus dem allgemeinen Grund, daß eine Schwächung des gewerblichen Mittelitandes erfolgt, jondern bejonders auch deshalb zu bedauern jei, weil für die Abjagfähigkeit $ 48. Die Marftpreisbildung und die Börje; der Getreideterminhandel. 267 der inländischen Frucht, namentlich in den Gegenden des bäuerlichen Befiges, das Vorhandenjein fleiner und mittlerer Mühlenbe- triebe und eines £leinen Brovinzialhandels wejentliche Boraus- jegung tt, da im wejentlichen nur dieje, nicht auch der Getreidegroß- handel und die Grogmühlenbetriebe die Abnehmer des Getreides der fleineren und mittleren Öetreideproduzenten zu jein pflegen (S. 237 ff., 241 ff.). 3. Die Wirkung jeden großen Marktes, preisausgleichend zu wirfen, wird dem Terminmarft an und für fich zuzubilligen fein, und die Verfechter der Einrichtung, ob fie jchon zwar einräumen, daß infolge der täglich erfolgenden Umjäße und des jich hierbei abwicelnden Spiels von Angebot und Nachfrage die Preisihwanfungen häufiger ge= worden jind, glauben jedenfalls einen bejfonderen Vorzug des Termin- bandels in der Abnahme der Sutenfität der Breisihwanfungen erblicen zu dürfen; ja Tte erflären ihn wohl als „ein in der modernen Bolfswirtichaft unentbehrliches PBräctitonsinftrument zum voll tändigen Ausgleich des Wellengefräufels der Breiie”. Dieje preis= ausgleichende, und wenn fie eintritt, unter allen Umjtänden wohl- thätige Wirkung wird dem Terminmarft indejjen nur injolange zuzu= billigen jein, jolange der Terminmarft ausschließlich oder vorzugsweile den Vertretern des effektiven Gejchäftes der betreffenden Warenbranche als eine Art Nücendefung für ihre geichäftlichen Abjchlüffe dient, d. h. den Charafter einer Ajjefuranzanjtalt bewahrt. Die preisausgleichende Wirfung fann verloren gehen, ja zeitweie in das Gegenteil umjchlagen, jobald zu dem ITerminhandel Elemente jich herandrängen, von denen der Terminhandel nicht, um jich feiner als Afjefuranzmöglichkeit zu bedienen, jondern vorwiegend oder gar ausjchlieglih in der Abjicht der Ein- heimjung von Spefulationsgewinnen aufgejucht wird. So- bald nämlich am Terminmarft das gejchäftliche Interefle vieler Nontra= henten rein oder vorwiegend auf die Größe der Differenz zwijchen den PBreifen am Tag des Abichlufjes und dem der Nealijierung des Geichäfts jich fonzentriert, die große Mehrzahl aller Geichäfte von vornherein unter der jtillichweigenden VBorausjegung abgejchloijen wird, daß weder geliefert noch bezogen zu werden braucht, gegebenen- falls das Beitehen auf Erfüllung des Vertrags jogar als faufmänntjch umehrenhaft angejehen wird, wird leicht eine Entartung des Ter- minmarftes in zwei Beziehungen eintreten: Erjtens werden, weil die von dem Berlierenden oder Unterliegenden zu zahlende Preispdifferenz immer nur einen Bruchteil des gehandelten Warengquantums daritellt, an dem Terminhandel auch Elemente mit wenig Mitteln fich beteiligen, und Dieje mittel- und nicht jelten jehr jfrupellojen Elemente werden der Verfuchung nicht immer wideritehen, auch erheblich über ihre Mittel hin- aus in Terminengagements jich einzulalfen ; zweitens werden wiederum dDiefe in der Regel abjeits des Effeftivhandels oder der Fabrikation jtehen= den, geichäftlich) ganz oder vorwiegend an der Erzielung von Differenz: 268 Sedhjites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs ıc. gavinnen interejlierten Elemente verjucht jein, alle Hebel in Bewegung zu jeßen, um möglichjt intenjive Breisbewegungen hervorzus rufen, die zu der rl, Endwirfung möglichit großer Preisipanmungen hinführen. Much die 2 Berteidiger des Terminhandels können nicht in Ab- rede stellen, daß jolche, auf ein Steigen oder Sinfen der Wreife jich vichtenden Bemühungen der Haufjer oder Bailjepartei zur Durchführung ihrer Abfichten gelegentlich auch moraliich bedenkliche, ja jchlecht- hin verwerfliche Mittel nicht verschmähen: Berbreitung faljcher Nachrichten, Beeinfluffung von Organen der Brejje im Sinn der Haufe oder Bailjebewegung, Heranjchleppung von Vorräten von an fich unver: fäuflicher Beichaffenheit, Abjchluß von Scheinfäufen und Scheinverfäufen, Vornahme von Scheinfündigungen; alles dies, um bald den Schein des Überfluffes, bald den des Mangels und dadurd eine Preisbewegung nach unten oder oben fünftlich hevvorzurufen. Zu bejonders trauriger Berühmtheit unter diefen unlauteren Mitteln der fünitlichen Preisbeein- Huflung find die „Korners” („Schwänze“) gelangt, darin bejtehend, daß die Haufje- Partei möglichit große Mengen der Terminware in ihren Defib zu bringen („einzujperren“) jucht, um die Gegenpartei (die Batffiers) zu nötigen, am Exrfüllungstag die Warenmenge, die jie j. 3. in blanko verfauft haben, zu den höchjten Preijen den Snuffies abzunehmen. Sn jriichejter Erinnerung steht die jeitens eines Haufliers am Berliner Ter: minmarft behufs Durchführung einer fünftlichen PBreisiteigerung bewirkte Anmietung der Berliner Kornjpeicher, wodurch die Baijliers gehindert wurden, Getreide rechtzeitig heranzufchaffen. Se ausgejprochener ein Ter= minmarft jich dahin entwicelt, zahlreichen weniger bemittelten Elementen des Handelsitandes Gelegenheit zu Spefulationsgewinnen in Form der Erzielung von Preisdifferenzen zu verjchaffen, um jo mehr wird das Ter- ‚mins oder Differenzgejchäft zum Differenzipiel, und je heftigere Leiden- Ichaften das Spiel erzeugt, je größere Verluft: und Gewinnchancen auf dem Spiel jtehen, um jo mehr wird einer nüchternen, bejonnenen Be- urtetlung Der Wreisbewegung der Boden entzogen werden, um jo weniger aber der Terminmarft feiner Aufgabe, ein thunlichit getreues Spiegelbild der Wirflichfeitsporgänge aufdem Wareıs marft zu fein, gewachjen jein. Daher denn gar nicht jelten, abweichend von der Theorie der Preisbildung an großen Märkten, jtatt einer ruhigen, gleichmäßigen Breisbeiwegung, gerade im Bereich der dem Terminhandel au= gehörenden Waren überraschende, launenbhafte, verblüffende Breis- bewegungen mach oben oder unten beobachtet werden fünnen, förmliche Preisjprünge, die geeignet ind, die vorjichtigite Borauss berechnung der Produktion und des Handels jeden Augenblick über den Haufen zu werfen. Die abfällige Beurteilung, der der Terminhandel vielfach im Schoß der Börjenenquetefommilfion und außerhalb , derjelben begegnet it und noch begegnet, hängt zum nicht geringen Teil gerade mit diejer Umberechenbarfeit der PBreisbewegung als Folge $ 48. Die Marftpreisbildung und die Börje; der Getreideterminhandel. 269 leidenichaftlicher Kämpfe der am Terminmarft ich gegenmüber- jtehenden Barteten aufs engite zufammen. Dies trifft, pie für den Getreideterminhandel, jo auch für andere Arten des Terminhandels zu. Beripielswerle find nach den Feititellungen der Börjenenquete die Binnen händler in Kaffee jeit der Einführung des SKaffeeterminmarftes an der Hamburger Börie nicht mehr imftande, große Staffeelager zu halten, weil fie die PBreisbewegungen nicht mehr überjehen, die Komunfturen ts folge dejjen nicht mehr entiprechend ausnügen fünnen, es jet denn, daß fie fich im Terminmartt verfichern, was aber mur bet jehr großen Ume jägen ausführbar erjcheint; damit hängt zufammen, daß jelbit die größten Provinzialhändler in Staffee auf direfte Importe aus den Produftions- (ändern mehr und mehr verzichten müfjen und jich genötigt jehen, von Hamburg aus fich zu verjorgen, das freilich auf Ddiefe Weile eine den ganzen deutjchen Kaffeemarft beherrichende Stellung fich erobert hat. su Ihlimmfter Lage befinden fich die Detailhändler in Staffee, weil die auf ihre jeweiligen Geichäftsabjchlüffe fich gründenden Breistalfulationen infolge der rajchen Schwanfungen der Saffeeterminpreife jeden Tag Tich als unzutreffend erweilen fünnen. An bemerfenswerten Beijptielen jtarfer Breisichwanfungen gerade auf dem am diefer Stelle allen interejfierenden Gebiet Des Ge= treideterminhandels fehlt es micht. In Chicago, dem vielleicht größten Terminmarft der Welt, itieg im Sabre 1888 der Weizenpreis von April bis September um 281,6 °/, um im Jahre 1389 von Februar bis Juni wieder um 144°, zu fallen; im Jahre 1893 fiel er von April bis Juli um 162,9 %,, 1895 ftieg er von Februar bis Juni um 165,3 9/0. sn Berlin gelang es 1891 der Haufje-Barteı, den Noggenpreis von 180 auf 255 ME. zu treiben, worauf er im „Sabre 1892 wieder auf 130 ME. jant. Im den Sahren 1879/80 jchiwanfte dev Noggenpreis au der Berliner Börje zwiichen 120—216 Wt., 1881/82 zwiichen 216 und 134 ME. Im Dahre 1895 gelang es einigen Bailliers, den Noggens preis derart zu werfen, daß Noggen an der Berliner Börje pro Tonne in der Zeit von Juni bis November niedriger notierte: um 34 Wi. gegen München, um 2I ME gegen Wien, um 28 ME gegen Belt, um 16 Mk. gegen Baris, um 11 DE. gegen Lübek, um 10 ME. gegen Stettin, um IS ME gegen Amsterdam, im Durchichnitt um 19 DE. gegenüber dem Weltmarftpreis. Derartige, auf einen Sieg bald der Haufjes, bald der Baifjepartei Hindentende erhebliche Breisichwanfungen pafjen, wie bemerkt, nicht ganz in den Nahmen der Theorie der preisausgleichenden Wirfung der Terminmärfte. Sie find zwar, wie zugegeben werden fan, nicht not= wendige, aber fie find erfahrungsgemäß nicht feltene DBegleit- ericheinungen der Terminbörje von dem Augenbli an, wo tmfolge des Vorhandenjeins zahlreicher jpefulierender Elemente der Terminhandel zu einem Differenzipiel auszuarten beginnt. Und die jtarfe Ylb- 270 Sedhites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. fenfung der jeweiligen Preife von der Linie einer mittleren PBreisbewegung wird namentlich dann eintreten müfjen, wenn an dem Terminmarkt nicht mehr der jeweilige effektive Vorrat an einer Ware und der effeftive Bedarf nad) einer Ware, jondern wenn das Angebot von und wenn die Nachfrage nah rein imaginären Borräten Die für die Preis- bewegung maßgebenden Faktoren zu bilden beginnen. Dieje Erjcheinung it aber im Berlauf der Entwidlung der Terminmärfte regelmäßig zu beobachten. Denn da die Gewinnjte aus dem Differenzipiel um jo größer jind, auf je größere Bojten die Engagements lauten, jo wird der zum Differenzbörjenjpiel ausartende Terminhandel Anlaß einer von den wirflihen VBorrats- und Bedarfsverhältniiien gänzlich abs jehenden, aljo in rein imaginären Warenmengen (Bapter- weizen, Bapierroggen!) jich bewegenden Gejchäftsipefulation. Nicht der Borrat und nicht dev Bedarf an einer bejtimmten Getreide: gattung bildet deshalb in diefem Stadium der Ausartung die Grenze des Termingejchäfts, jondern ausjchlieglich die Kapitalfraft oder der Kredit der Kontrahenten; daher denn, wie ein Schriftiteller fich ausdrüdt, „Das eigenjte Wejen des Terminhandels heute darin beiteht, daß es im jedem Augenblic Faft ungemeijene Angebote oder Nachfragen aus einem Nichts hervorzaubert, eime Ungemefjenheit, die ihre Bejchränfung einzig in dem Slapital oder dem Stredit findet, die zur eventuellen Zahlung der Differenzen zur Verfügung itehen“. Se fapitalfräftiger oder je fredit- fähiger aljo der eine der Stontrahenten ijt, um jo leichter wird es ihm werden, die von ihm erhoffte Preisbildung zu erzwingen. So fonnte es fommen, daß an den Getreidebörjen in Berlin, Wien und Nerv=J)orf an Wapierweizen und WBapierroggen jahrweife Mengen im Terminhandel ums gejeßt wurden, die das Vielfache der ganzen Sahresernte der Erde betragen; daß der Umjag im Kaffeeterminhandel in Hamburg, Havre und Ylt: werpen 1888 über 33,5 Millionen Sadf Santosfaffee betrug, während jich die wirkliche Ernte nur auf 3,5 Millionen Säce belief; daß, wie ein nordameritaniiches Blatt gelegentlich jchrieb, zwei dortige befannte Ge- treide-Bailjeipefulanten zur jeweiligen Menge der Sichtbaren etreides vorräte eine Zugabe von 15 Millionen Bujhel bilden, und dab das Ergebnis der Preisbewegung nicht zweifelgaft jein fünne, wenn ein fiftives Angebot in diefer Höhe fortgejegt auf dem Markt lajte und zahl- reiche weitere Getreide-Batjjiers in ähnlicher Nichtung thätig jeten. Es jteht wohl! ganz bejonders im Yufammenhang mit diefer fünjtlichen Be= einflufjung der Breife duch Scheinumjäße, wenn der Terminhandel nicht nur im den Streifen der unmittelbar und mittelbar beteiligten Gejchäfts- welt, jondern auch in woillenjchaftlichen Streifen mehrfach eimer ab= fälligen Beurteilung begegnet it und wenn jelbjt ein freiliinniger VBolfs= wirt, wie W. Nojcher, im Zufammenhang mit dem DTermins um Differenzgeichäft von eimer „Wolfe von Schwindelei, die Die reellen Handelsgejchäfte umbülle”, Iprechen zu müjjen glaubte. Pe” Te. Pe 5 © sc ee Ba $ 48. Die Marftpreisbildung und die Börje; der Getreideterminhandel. 271 4. Die Meinung landwirtichaftlicher Streife, daß der Terminhandel regelmäßig zu eimer Verbilligung der Warenpreije führe, und daß die Senfung der Getreidepreije ausjchlieglich oder doch vor- wiegend mit den Borgängen an der Terminbörje zujammen- hänge, it im beiden Richtungen, in folcher Allgemeinheit ausgejprochen, fiher eine unhaltbare. An jeder Terminbörje find bald aufwärts-, bald abwärtsgehende Preisichwanfungen, entiprechend der Ktampfitellung der jich gegemüberjtehenden Berfonen (der Haufjer und Baijje- Partei) zu beobachten und das tiefe Herumtergehen der Öetreidepreife tt in erfter und hauptjächlichiter Neihe auf eme thatjächliche Überproduftion und auf das jtarfe Weichen der Schiffsfrachten zwilchen den über- jeeiichen Produftionsgebieten und dem europäiichen Feitland zurüczuführen (S. 205 ff). ene Behauptung einer durchweg preisermäßigenden Wirkung des Terminhandels findet auch in der Kıursbewegung der Effeftenbörfe, welche die Ericheinungen des Termingeichäftes vielleicht am meisten und augenfälligiten wiederjpiegelt, feinerlet Stüße, denn aufvärts- und ab- wärtsgehende Kurje Löjen jich hier in ziemlich regelmäßiger Folge ab. An jener Behauptung einer preisermäßigenden Virfung des Terminhandels it nur joviel richtig, daß in Heiten, in denen eine Ware in einer den Bedarf jederzeit jchlanf. deefenden oder gar diejen Bedarf überjchreitenden Werje erzeugt wird, die Durchführung von Baifjeipefulationen jehr viel größere Aussichten auf Erfolg haben wird, als die Spefulation in entgegengejegter Richtung, aus beim einfachen Grunde, weil dem Batjjier die beliebige Heranjchaffung von Ware auf. den Terminmarft im jolchen Zeiten regelmäßig feine oder nur geringe Schwierigfeiten bereiten wird. Aus eben Diefem Grumde ift im jolchen geitläuften umd bei jolcher Lage des Warenmarftes die Lage der Haufjiers eine erjchwerte und rijiforeichere, weil dieje alle Ware aufnehmen müßten, die die Bailjiers herbeizufchaffen im der Lage find. Kicht aus dem Beitehen eines Terminmarftes an fich, jondern aus den augenblilihen thatjäcdhlichen Produftionsverhältnifien in Getreide erflärt es fich, daß jeit Nahren auf dem en die Gewinnchaneen für die Baifjiers jehr viel, günftiger als für die Haufliers find, und es hat daher jeinen guten Grund, wenn in der Börjenengquete mehrfach hervorgehoben wurde, daß der Berliner Hetreide- terminmarft vecht eigentlich „auf die Bailje; ‚ugejchnitten gewejen ei“. Das Bezeichnende des Terminhandels in Getreide liegt allo nicht darin, daß er jederzeit den Preis der Ware wirft — bei veränderten Ver- hältnifjen des europäischen Getreidemarftes fanın die jegige Baiffe-Tendenz jehr wohl in eine jtarf umgefehrte Richtung umfchlagen —, Tondern darin, daß die in den jeweiligen bejonderen Weltproduftionsver- hältnifjen des Getreides liegende Tendenz zu einer Senfung des Preisniveaus durch den gerade in jolchen Fällen erfolgreich A la Baisse jpefulierenden Terminhandel leicht eine Verftärfung 272 Sechites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs 2c. erfährt. Diefe Thatjache tit feitzuhalten; denn fie zeigt, daß Die ihügende Wirfung der Getreidezölle beim Beitehen des etreide- terminhandels gerade in jolchen Zeitläuften möglicherweile lahıngelegt werden fann, in denen die volle Schußwirtung bejonders dringlich zu winichen ült. Eine preisverbilligende Wirfung wird der Getreidetermins handel ferner dann haben, wenn im Sinne der obigen Ausführungen die thatfächlichen Anforderungen an die Qualität der Termimmware hinter der börienmäßig feitgeltellten Liererungsqualität zuricbleiben, weil eben ‚Ichlechte Ware nicht nur die Preife für jchlechte, Jondern auch für qute Ware herabdrüdt”. Es it eben wohl zu beachten, daß die Zwecke der Importe der Getreideterminhändler einers, derjenigen des Effeftiv-Ge- treidehandels anderjeits häufig feineswegs zufammenfallen. Lebterer bezweckt mit jeinen Importen die Verjorgung des Inlands mit Früchten, die das Meihlengewerbe und in legter Linie der Konjum erheifcht; die Importe des Effeftivgetreidehandels müfjen alfo Qualitätsware und jedenfalls der Verwendung im Mühlen und jpäter im Bäcergewerbe zugänglich fein. Anders beim Getreideterminhandel; denn ihm dienen die Importe vielfach lediglich oder vorwiegend zur Durchführung von Spefulationszweden, um in beitimmter Weile auf die Breife einzwvirfen; hierbei fommt es aber nicht Towohl auf die Qualität der eingeführten Srucht, jondern mehr darauf an, die Früchte in jolchen Mengen heranzuziehen, daß die beab- fichtigte Wirfung auf die reife eintritt. Die thatjächlichen Zufuhren fönnen sich freilich begufs Herbeiführung jolcher Wirfungen manchmal innerhalb jehr mähiger Grenzen bewegen, und häufig muß dasjelbe Ge- treidequantum mehrfachen Termingejchäften als Unterlage dienen. Man fann daher Getreideterminhändler jein und Doc) über jehr wenige Ge= treidelagerräume verfügen, während der Effeftivgetreidehandel umgefehrt nur im Belit großer Lagerräume feiner Aufgabe der Verteilung der be zogenen Getreidevorräte in die Bedarfsgebiete gerecht werden fan. Man denfe an die riefigen Getreidelagereimrichtungen in Mannheim umd anderen rheinischen Wläten und die auffällige Kärglichfeit, mit der der Berliner Pla mit jolchen Einrichtungen ausgejtattet it. Bapierweizen und Bapierroggen, jagt ein Schriftiteller, braucht man eben nicht zu lagern, sondern an den Getreideterminmärften lagert ein nicht unbeträchtlicher Teil des gehandelten Getreides in Form von „Schluß- noten” in den Kaflenjchränfen der Terminhändler. Vom Standpunkt Jener aus, welche arundfjäßliche Gegner (andwirtichaftliher Schußzölle find und die jelbjt in der dentbar größten Verbilligung des Getreides eine Überwiegend wohlthätige Preis: entwicklung erbliden, wird man natürlich geneigt fein, dem Getreide terminhandel, weil er unter Umständen die jchüßende md preishebende Wirkung der Zölle zu durchkrenzen vermag, die Funktion eines be= ionders wertvollen Handelsinitruments zuzinveilen, und man wird jeiner Aufhebung mit aus diefem Grund oiderjtreben; wogegen eine Auffaflung, $ 48. Die Marktpreisbildung und die Börje; der Getreideterminhandel. 273 die für jeßt und wohl noch für geraume Zeit Die Getreidezölle für eime Kotwendigfeit erkennt, umgekehrt zu einer dem Getreideterminhandel minder günstigen Schlußfolgerung binleiten mup. 5. Bei der thatlächlich nicht ehr ausgedehnten manipruchnahnte Ss Berliner Terminmarfts vonjeiten der nicht in Berlin anjälligen Firmen nn I n- und der Mühlenbranche fanın man jedenfalls von einen durch die Aufhebung des Getreideterminhandels bedrohten gemeine jamen Intereije der Getreidehandels- und der Mühlenbrande nicht jprechen, umd wer dies gleichwohl thut, befindet fich mt der Nirflichfeit nicht im Einklang. Wohl aber tt es ganz begreiflich, dab alle vom Getreideterminhandel der Berliner Börje berührten Streife derjen Aufhebung heftig wideritrebten und nachdrücklich dejjen Wiedereinführung anjtreben werden. in Ddiejen nterejjentenfreis gehören vor allem die in ımd außerhalb von Berlin anfäjligen Getreidehandels- umd Miühlenfirmen, welche den Terminmarft jeither im ganz legitimer Weije als Ajjefuranzanftalt im Sinne der früheren Ausführungen benust haben; hierher zählen weiter die eigentlichen Terminjpefulanten, die im dem Differenzgeichäft als jolchem eine Erwerbsquelle gefunden haben; jener der Kreis der Aufenftehenden (ontsiders), aus verjchtedenjten Streifen des Kapitaliftenpubliftums fi) zujammenjegend, Die an der Börje (im Effeftene und Warenterminhandelsgejchäft) zu spielen pflegen, freilich häufig genug den Kürzern ziehen; endlich und nicht zum geringjten Teil das anderweiter lohnender Verwendung augenblicklich harrende, aljo für die Abwicklung von Termingefchäften disponible Kapital von Banken und nen. Nie man einer neuerlichen, auf die Börfen- engquete fich ftügenden Veröffentlichung über den Terminhandel entnehmen fann, ift diefe Beteiligung des Groffapitals an den verjchteden= iten Formen des Terminhandels jahrweije eine auferordent- lich itarfe. So namentlih am Spiritusterminmarft; was imner> halb der eriten 4—5 Monate der Brennereifampagne an Nohipirituse mengen erzeugt wird, pflegt durch VBermittelung der Kommijjionäre von Banken und Kapitaliften aufgefauft, eingelagert und auf jpätere Termine verfauft zu werden. Ahnlich auf dem Zucermarft. Hier wie dort dient der Terminmarft zur Anlage flüffiger Gelder ; die Differenz zwiichen dem Preis während der Kampagne und dem Preis des jpäteren Termins, der jogenannte Report, bildet den Preis, den das in Zuder vorübergehend angelegte Kapital abwirft. Am Getreideterminmarft beteiligt Jich das Kapital in umfangreicher Weife durch Gewährung von Kredit am Die im Terminhandel unmittelbar thätigen reife; dadurch wird den Termins händlern möglich gemacht, ihre Spekulationen in einer ihre eigenen Mittel weit überjteigenden Weile durchzuführen. Erfolgt die Streditge- währung an Baifliers, jo leiltet das Kapital der von den Batjjiers cv itrebten PBreisbewegung mittelbar Borichub. Buhenberger. 18 274 Schites Kapitel. Die Einnahmen des Tandwirtichaftlichen Betriebs 2c. Ein Sntereffe an der Aufrechterhaltung eines Terminmarftes hat nicht in legter Linie die Berliner Börje jelber. liberall wo der Ierminhandel an eimer Börje auffam, Hat dies zur Folge gehabt, da} der betreffende Börjenplag einen großen Teil des Provinzialgejchäftes au jich gezogen hat; man fann den Terminmarft Hinfichtlich Ddiefer jeiner Anziehungskraft eva mit eimem Magnet vergleichen, dejjen Eimvirfung auch weitabliegende Märkte jich nicht entziehen fünnen. VBom Hamburger Staffeemarft it befannt, daß erit von der Zeit der Emführung des Kaffee termingeichäfts ab das SKafreeimportgeichäft mehr und mehr am dortigen lab monopolifiert worden 1t und andere norddeutiche Wläße in ihrer Bedeutung als Staffeeimportmärfte jehr zurücdgegangen find. So it es’ auch mit dem etreideterminmartt; zu jenen Gunjten büßen andere Broduftenmärfte leiht an Bedeutung und Wichtigkeit en. So bejtehen 3.9. neben Berlin zwar auch Terminmärfte in Stettin und Danzig, aber die an diejen legteren Plägen abgejchlojienen Termingejchäfte gehen zu Gunsten des Berliner Blabes Jahr für Sahr zurüd. Man fann daher wohl jagen, daß die dominierende Stellung der Berliner Broduftenbörje im mittel und norddeutichen Getreideverfehr wejentlich mit auf Nechnung jeines großen Terminmarftes zu jegen tt. Snterejliert an der Aufrechterhaltung des Getreidetermins handels it allo nicht, wie 7Ferneritehende meinen fünnten, Das ge= jamte Getreidehandels- und das Mühlengejchäft, jondern nur jener fleinere Bruchteil des Getreidegroßhandels und der großen Mühlen betriebe, der den Terminmarft für jeine Gejchäftsabjchlüffe zur Eindedung, d. h. als Ajletwranzanftalt gegen die wechjelnden Chancen der Preisbe- bewegung thatjächlich benußt hat; nicht interejfiert it das landwirt- ichaftliche Gewerbe, für das wohl das Beltehen einer oder einer Ylırs sahl großer PBroduftenbörjen von Wichtigkeit ift, nicht aber das Beitehen von Terminmärkten, deren Einwirfung auf die Preife mindeitens an der Gegenwart häufig eine den utereffen der Getreideproduzenten abträgliche jein fanıı; wejentlich interejiiert jind eine Anzahl jpefu= (ativ=fapitaliftiicher Interejien, vertreten teils durch die außerhalb des Kreifes des eigentlichen Getreidehandels jtehenden Terminipefulanten, teils duch das nach lohnender und zugleich leidlich Ticherer Anlage juchende Großfapital. in der Börjenenguete war man jeitens der überwiegenden Ars zahl aller vernommenen Sachverjtändigen der Meinung, daß im Termine gejchäft, jowohl im Effeftene wie im Warengeichäft, Mipftände umd Ausjchreitungen in nicht geringer Zahl jeit Dahren zu beobachten find; man glaubte aber durch eime Neform der Börje an Haupt und Hliedern diejen Ausjchreitungen begegnen oder fie doch auf ein erträg- liches Maß herabjegen zu können und gelangte daher nicht zum Bor= ichlag der Aufhebung der Termingejchäfte. Der dem Reichstag vorgelegte Sejebentiwurf über die Börjenreform stellte fich auf denjelben Standpuntt; - $ 48. Die Marftpreisbildung und die Börje; der Getreideterminhandel. 275 der Neichstag jeinerjeits aber, von der Arficht geleitet, day mindeitens betreffs des Getreideterminhandels die Nachteile die Vorteile überwiegen und daß wirfjame Mittel, Entartungen und Ausschreitungen des Getreide terminhandels Hintanzubalten, nicht auffindbar jeten, Iprach ich, wie oben be= veits bemerkt, mit großer Mehrheit fin ein bündiges Verbot aus, und es hat diejes Verbot danach in dem Börjengejeß vom 22. Sunt 1896 Aufnahme und ein langjähriges Verlangen landwirtjchaftlicher reife damit jene Erfüllung gefunden. Die Wirkungen des Verbots von börjenmäßigen Getveidetermin= geichäften werden jich erit nach längerer Zeit feititellen lafjen. „Seden= falls würde es voreilig fein, die Thatjache, daß die Berliner Ge- treidehamdelsfirmen alsbald nach Verkündigung des Börjengejeßes den Verkehr an der Produftenbörje gänzlich eingeftellt haben, amtliche Preis- notierungen über den Getreideverfehr an dem Berliner Plab jeitdem nicht mehr ericheinen und infolge hiervon der Broduftenhandel in Preußen ud den angrenzenden Gebietsteilen einem Zujtand gewiljer Umficherheit ver- fallen ift, zu der Schluffolgerung zu verwerten, daß das Börjengejeh durch) jenes Verbot einesteils lediglich zeritörend gewirkt, andernteils den Getreideproduzenten nichts genüßt, jondern gefchadet hat. An eimem durch) Lage, Eifenbahn- und Schiffahrtsverbindungen von jeher vecht eigentlich zum Centrum des Getreidehandels bejtimmten Bla wie Berlin fann das Wiedererjtehen einer Getreidebörje nur eine Frage der Zeit jein. Auch braucht die Bedeutung des Berliner Plabes für den Getreidehandel Nord- und Mirteldeutichlands durch den Wegfall des Terminmarftes nicht notwendig zufammenzujfchrumpfen; es bedarf nur eines Himweijes auf den nach Berlin bedeutendjten Getreidehandelsplaß Dentichlands, Mannheim Der Plab Mannheim hat nie einen Öe- treideterminmarft bejeflen und trogdem eine achtunggebtetende, den ganzen Getreideverfehr Sid- und Südwejtdeutichlands einjchlieglich der Schweiz beherrichende Stellung fich erobert. Dabei war die Beteiligung Mamt- heimer Getreidehandelsfirmen an Termingejchäften der Berliner Börje jederzeit eine geringe und gerade feitens der größten Firmen joll der Terminmarft guumdjäßlich gemieden worden jein. Das Vorhanden- jein eines Terminmarfts ift aljo nicht die unentbehrliche Vor- ausjeßung für die blühende Entwicklung eines Getreidegroß- handels, wofür gerade die Gejchichte des Mannheimer Getreidehandels das beweisfräftigite Zeugnis ablegt. Auch in London und Antwerpen beiteht ein großes Getreidehandelsgejchäft ohne das Vorhandenjein eines Terminmarftes. Daf die hier vertretenen Anschauungen auch in Streifen des Handels geteilt werden, it den Ausführungen einer Handelsfammer im Königreich Sadjen in deren Sahresbericht für 1896 zu entnehmen, wo es wörtlic) heißt: „Das Präfidium wies Schon früher darauf hin, daß die Grimde für Beibehaltung des Börjentermingejchäfts met mr für das durch Ver- 18° 276 Schites Kapitel. Die Einnahmen des fandwirtichaftlichen Betriebs ıc. bot nicht getroffene effektive Liererungsgejchäft in Öetreide zu= treffend jind, ein börjenmäßiges Termingeichäft in nennenswertem me fange aber mr in Berlin, und auch dort nicht in Gerjte, dem großen Bedarfsartifel der Brauereien, bejteht, Der größte Teil der Geichärte aber ipefnlative Scheingejchäfte jind, die in feinem Zus jammenhang mit dem natürlichen Angebot und der Bedarfsnachtrage itehen, jedoch fünstliche Wretsverjchtebungen herbeiführen und den Händler und Müller zum Börjenjpiel veranlaljen, obwohl die Börfen- ware oft gar nicht den Anforderungen des Müllers an die Unalität entipricht. Da sich das Scheingejchäft vom börjenmäßigen effektiven Lieferungsgeichäft aber nicht unterjcheiden läßt, jo bleibt, da die Nach- ' teile des Scheingeichäfts jehr groß find, nur übrig, das Börjens termingejchäft in Getreide überhaupt zu verbieten, was um jo unbedenklicher geichehen kann, als Durch ein derartiges Verbot das Jolide effeftive Yieferungsgeichäft in feiner Weile gehindert. wird und das Verbot vorausjichtlih zur Gejundung des XLofal- geichäfts erheblich beitragen würde.“ Die Wiederfehr normaler Verhältniffe an dem Berliner Pla und an anderen Getreidebörfen in Weittel- und Norddentichland — im Süden und Weiten hat man jich jeitens der Getreidebörfen mit den Beltim- mungen des neuen Börjengejeges abgefunden — wird um jo rascher Tich vollziehen, je mehr die landyirtichaftlichen Sreije jelber es vermeiden, durch Aufftellung immer neuer Begehren „OL ins Fener zu gießen“. Die jeıt Erlafiung des Börfengeleges gemachten Erfahrungen dürften die landwirtichaftlichen Streife hinreichend darüber unterrichtet Haben, daß Die Setreideproduftion und zwar gerade auch in den eigentlichen Kornfammern Deutichlands und in den Gegenden des größeren Grundbejiges der Dienite des Getreidegroßhandels und der Funktionen von Broduftenbörien als Centren des Getreide-Ein= und VBerfaufs und als Injtrumente normaler und maßgebender Breisbildung ichlechthin nicht entbehren fann. Bis die „Afjociation des Kornangebots“ und bis die „Kornjilos” den Verfauf der deutjchen Setreideernte in die Wege geleitet haben werden, wird noch manches Jahr vergehen. Es wäre daher nicht mehr als flug, wenn die ause geiprochene Kampfitellung, in der fich in einem Teil von Deutjch- land der Grundbefig zu dem Getreidegroßhandel gejtellt hat, zu einer ruhigeren Beurteilung der Dinge einlenfen wollte. Auch dürfte davon abzuitehen jein, faum daß das Börjengejeß, das doch in allen wejentlichen Hinfichten den Wünschen landwirtichaftlicher Streife entiprochen hat, erlafien it, im Bezug auf den Getreidehandel neue, zudem jchiwer erfüllbare und daher des Zwecks entbehrende Begehren zu erheben. Zu Forderungen diefer Art zählt es beijpielsweile, wenn das Borhandenjei, der an der Börje fortan ja allein noch zuläfligen Gejchäfte in eG Ware von dem Nachweis abhängig gemacht werden will, daß der Vers $ 49. Die Marktpreisbildung landiw. Erzeugnifje und der Zwiichenhandel. 277 fäufer im Augenblic des Abjchlufjes bereits das VBerfügungs- recht über das dem Abjchlujje zu Grunde liegende Getreide oder Mühlenfabritat bejißt oder daß er den Ort der Yagerung Des zu verfaufenden Getreides ze. nachzuweiten habe, oder daß ein zur Yies jerung von Getreide oder Mehl ich verpflichtender Yandivirt oder Müller über höhere Mengen nicht abjchliegen dürfe, als er nach Größe jenes‘ Betriebs innerhalb der bedungenen Yieferfriit thatlächlich zu liefern tms ftande it. Solche Beichränfungen in den jog. Anjchaffungsges ichäften find praftiich weder durchführbar noch vereinbarlich mit dem Wejen des Getreidehandels und der freien Beweglichkert, deren vor allen der internationale Getreidehandel bedarf, wenn er jeiner Aufgabe der aus= veichenden und raschen Verforgung des heimischen Bedarfs gerecht werden joll; aber auch ohne jeden Nuben für die landwirtichaftlichen Suterejjenten, da, wie in einer Sigung des Börjenausjchuffes vom Jahr 1896 richtig betont wırrde, der Forderung des Befiges während der ganzen Jet bis zur Erfüllung der Lieferung durch Schiebungen der betreffenden Setreide- Duantitäten von Hand zu Hand leicht genügt werden fönnte. $ 49. Die Marktpreisbildung landwirtihaftliher Erzeugniffe und der Swifchenhandel; MiöglichFeit feiner Zurückdränaung. Im Kampf um die Marktpreisbildung, und zwar nicht bloß des Getreides, jondern aller landivirtichaftlichen Exzeugniffe, iptelt die Frage, ob der Produzent thunlichjt auf direfteftem Wege jein Erzeugnis in Die Hand des Großhandels oder des legten Komjumenten bringt, oder aber ob er fich dazır beitimmter Zwijchenglieder als Vermittler der Ktaufss operation — Makler, Agenten, Sleinhändler 2c. — bedienen muß, eime erhebliche Nolle. Denn da diefe Berjonen des Anmesenfanbele für ihre vermittelnde Handelsthätigfeit eine Vergütung zu beamfpruchen haben, jo mindert jich der Verkaufspreis, den Der Produzent nach der Wearftlage zu erhalten Ausjicht Hat, um jo mehr, eine je gröpere Yu zahl vermittelits der Zwiichenglieder die Ware bis zur Überführung in den Konjum zu durch- laufen bat. Auf ging des Zwiichenhandels, ja auf völlige Bejeitigung desjelben, um den Produzenten die volle Gunst der Marktlage ausnugen lafjen zu fünnen, wird deshalb in landwirtichaftlichen Kreifen jeit langer Zeit mit befonderem Nachdrud Hinzuarbeiten verjucht. Dies auch aus dem weiteren Grunde, weil der unteriten Stufe des BZwiichenhandels im Ankauf landwirtichaftlicher Erzeugnifje und Tiere — Makler, Agenten, Viehhändler — nicht jelten anrüchige, unzuverläflige, wenig jfrupulöje Leute angehören, weil infolge Ddeyjen Übervorteilungen und Detrügereien bei diefen Kaufsgeichäften ziemlich häufig vorfommen und Die Beziehungen, zu denen dieje Geichäfte Veranlafjung geben, hinterher vielfach zur Einleitung wucheriicher Operationen die Hand- babe bieten. 378 Sedhjites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjichaftlichen Betriebs zc. Den Beitrebungen, joweit fie auf Zurücdrangung eines entbehrlichen Zwiichenhandels gerichtet find, wid mit Necht auch jeitens der jtaatlichen Landivirtichaftspflege Förderung und Unterjtügung zu teil, und es fehlt nicht an bemerfenswerten und jchönen Erfolgen auf diejem Gebiete, jet es, daß landwirtichaftliche Komfumvereine ihre zumächit auf den Einfauf landwirtjchaftlicher Bedarfsartifel gerichtete Ihättgfeit auch dem genojjens ichaftlichen Verkauf einzelner Erzengnifje Milch, Kartoffeln, Hafer, Stroh 2c.) zugewendet haben, jei es, daß für die geapinnbringende Zumarftebringung beitimmter Erzeugnifje befondere Genofjenichaftsbildungen entitanden find, wie Molkereis, Winzer: Genosjenichatten, Abjat = Genojjen- ichaften für Zuchtvieh. sn neuerer Zeit haben jich namentlich bes züglich des Getreides Diefe Beftrebungen in mannigfachiter Weije Seltung verichafft, wobei an das auf Seite 239 7}. Ausgeführte erinnert jein mag. Eine umnbefangene Betrachtung der Dinge wird fich imDdeljen auc) auf diefem Gebiete hüten, das Kind mit dem Bade anszujchütten, und Jich jedenfalls hüten, Dem gelamten Srifchenhandel mit jetner weitver- zweigten DO Be den Srieg zu erklären, bevor es gelungen it, etiwas Beljeres, Bollfommmeres an dejjen Stelle zu jegen. Gerade auf dem Ge- biet der, eine SR NGEN des Zwiichenhandels bezwedenden genotlens ichaftlichen X seranjtaltungen werden Die Früchte jtets nur langlam reifen. Aber auch immere Gründe Iprechen Dagegen, den Zwilchenhandel in Bauch und Bogen zu verwerfen; denn nicht jede Art des Handels als vermittelndes Glied zoiichen Wroduftion md Konjumtion tt eine Schmaroßerpflanze im Simm extremsagrarifchev Betrachtungsweite, fan vielmehr zeitweife und gegendemwere jehr wohl müßlich, ja bis zu einem gewilien Grad ımentbehrlich erichemen, jo daß dejjen plößliche Be- jeitigung nicht anders als nachteilig auf das landwirtichaftliche Gewerbe eimvirfen müßte Man darf eben auch hier nicht von Swylagw örtern jich leiten laffen, und es wid darmac) die Stellung zu der Frage Des Amifchenhandels bei genauer Abwägung der thatlächlichen Verhältnifle je nach dem eine verschiedene jein fünnen, wie fich Dies aus den folgenden Betrachtungen ergiebt: Eine relative Unmentbehrlichfeit des. Zwiichenhandels tt insbejondere da anzuerfennen, wo em landwirtichaftliches Wroduft etıe Art VBeredelungsprozet durchzumachen hat, che es marftfähtg wird, md 100 Ddiefer Umformungsprozeß des Produkts bejondere technische Kennt= nije oder den Belib großer Napitalten u eben deshalb auc) mehr oder weniger vififoreich Tich geitaltet. Dies trifft z.B. beim Wein zu, aber auch beim QTabaf, bei welchen Broduften fich die Arbeitsterlung gemeinhin im der Weile vollzieht, dal der Winzer den Moft an den Weinhändler, der Tabatpflanzer den getrocneten Tabaf an den Tabaf- händler weitergiebt, und num erjt in den Händen der Leßteren der Wer jene mehrjährigen Prozefie des Gärens, Nachgärens und Abfüllens, Der * K UR 49. Die Marftpreisbildung landw. Erzeugnifjfe und der Ziwijchenhandel. 279 Tabak jene wiederholten Fermientattonsprozeffe durchmacht, nach deren glücklicher Beendigung der Übergang des Werns in Die Hand des Slon= jumenten, des Tabafs in die Hand des Kabrifanten jich vollziehen fanı. Es liegt freilich nahe, auch in Jolchen Fällen die Genotlenichaftsthätigkeit an Stelle der vermittelnden Handelsthätigfeit treten zu lallen. YWenn dies bis jeßt nur jehr ausnahmsweije gejchehen tjt, wober an Die ver einzelten Winzergenofjenichaften im Ahrthal und in der Mojelgegend, in Württemberg, Baden und tim Nheingau erinnert fein mag, jo liegt der Grund offenbar darin, daß in bäuerlichen Streifen nicht überall die zur Leitung jolcher Unternehmungen befähigten, mit den erforderlichen technijchen und faufmännichen Eigenschaften ausgejtatteten Berfönlichkeiten anzutreffen ind, daß die Aufipeicherung, Eintellerung, weitere Bearbeitung und end- liche VBerichleigung des Produkts die Snveittierung großer Kapitalien erfordert umd bei der Übernahme emmes jolchen komplizierten Gefchäftes ebenjo gut Hunderttaujende für die Meitglieder verloren gehen wie ges wonnen werden fünnen; endlich, daß die Zinverfung der Erlösantetle m jo mehr ein Zankapfel in der Genofjenichaft werden fan," je größere nalitätsunterjchiede bei einem Wroduft infolge der Verichtedenhett der Böden, der Anbamveile, der Ernte 2c. vorfommen, vie Dies wiederum gerade bei Wein umd den meiiten Handelsgewächien der Fall zu jein pflegt. Vo ferner, wie in großen Teilen Deutichlands der Fall, der £leie und mittelbäuerliche Betrieb vorherricht, dev nur verhältnismäßtg kleine Deengen verfanfsfähiger Waren produziert, hat jeither der Jwijchens handel die an und für jich volfswirtichaftlich nüßliche Junftton geübt, Dieje fleinen und fleiniten Mengen von Getre iDe, tag toffeln, Dbjt bei den einzelnen Wirten sujammenzufaufen, lie su Jortieren und zu großen Boten gleichmäßiger Qualität vers einigt in den Großhandel überzuführen Wan muß daber wohl beachten, daß eine Aufjuchung von Märkten durch die Landwirte doch mu da, vo das Berfaufsproduft einen im Verhältnis zu den Stoften des Marftbejuchs entiprechend hoben Wert hat, Tich lohnt 6 %. bein Abja des Viehs), daß aber, wo Menge und Verfaufswert gering tt, leicht aller Produftions- gevinn durch die Koften des Marftbefuchs aufgelogen wird, woraus ih ja auch Die - zunehmende Verödung vieler jtädtiicher Oetreide= ichrannen erklärt. Bielfach Eranfen gewilfe Produktionszweige überhaupt jehr viel weniger daran, daß der Gewinn der Produzenten durch einen Ichmarogenden Zwiichenhandel verfüimmert wird, als daran, daß ei faufmänniich organifterter Zwilchenhandel überhaupt no ) gar nicht beiteht oder doch noch in den Windeln liegt. Su Amerika 5. B. tft Die gewaltige Dbjtproduftion doch nur deshalb jo rajch eritarkt, weil fie an einem in großem Stil organifierten Zwviichenhandel, der immer neue Abjabwege mit faufmännischer Findigfeit zu erichliegen verjtand, den denkbar ficheriten Rückhalt gerunden hat; mochten immerhin alle Jahre Hunderttaujende von Zentnern DObjt mehr produziert werden, der amerifaniiche Objthandel 280 Sechjtes Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs 2c. nahın Tie jederzeit willig auf und jorgte für deren rajche Unterbringung. So fonnte es fommen, daß jeit Jahren amerifantiches Obit alle europäischen (auch die deutjchen) Märkte überflutet, während man bier zu Lande in objtreichen Jahren nicht weiß, wohin mit dem Segen. Die Frage fann aljo nicht die fein, den Zwilchenhandel alsbald gänzlich zu verdrängen und den Abjab bis tm die Streife der Konjumtion hinein für alle Brodufte der YLandwirtichaft genofienjchaftlich zu organisieren, jondern das Hauptaugenmerf ut auf die Bejeitigung der Auswüchie des Jwiichenhandels zu richten, alfo insbejondere dDarnac zu Itreben, den Produzenten unabhängiger von dem unzuverläffigen Weafler= md Agentemvejen zu Itellen. Und die genojjenjchaftliche Bereinigung der Yandwirte it em jehr geeignetes Mittel Hierzu, iden jie ermög- (icht, daß nicht mehr der einzelne Wirt als jolcher, jondern die orga= nilterte Bereinigung von Wirten als Verfäufer von Produften dem Handel gegemübertritt, dadurch aber dem Produzenten eine jehr viel ebenbürtigere Stellung auf dem Markt und die Erzielung günftigerer reife Tichert. Bei diefer Art von Alfoctation des Angebots fünnen wohl auch beitimmte Glieder des Handels ganz ausgejchaltet, auch der jchwerfällige Einzelverfehr des Produzenten mit dem Stonjumenten ver mieden werden, Wobei yoieder an die Thätigfeit der Wiolfereigenofjenjchaften erinnert jein mag, bei denen der Abjah der Produkte (Butter und Käfe) nicht an die Einzelfoniumenten als Negel, fondern an zuverläffige Handels- firmen erfolgt und die eben dadırd) vieler Mühe und Umftändlichteiten, aber auch der Gefahr mancher Verlufte enthoben find. sn ähnlicher Seife fönnen örtliche Genofienichaften der Sammlung, Sortierung, Towie der ‚Berpadung von Obft, Gemüje, von Erzeugniffen des Geflügelitalls, je nach dem auch von Getreide, Kartoffeln, Handelspflanzen ze. Jich unters ziehen, um Diele Erzeugniffe an größere Handelsfirmen abzujeßen. Das gegen jollte an die jpefulative Magazinterung diejer PBrodufte (Stornhäufer) oder gar an die Verarbeitung und Umformung diejer Brodufte (Errichtung von Mühlen zum Meahlen des Getreides, von Nteltereien zur Herjtellung von Wein, Heritellung von ‚Fermentationsränmen für Tabaf, von Darranftalten für Hopfen und fir Gerite, Errichtung von Schlächtereien Für Verwertung von Schlachtvieh 20) unter allen Umständen mit größter Vorjicht und nur danı herangetreten werden, wenn die Mitglieder in der Lage find, den größten Teil der erforderlichen Ktapitalien aus eigenen Mitteln — nicht etwa im Wege der Schuldaufs nahme — aufzubringen umd wenn die ausreichende Qualität der zu ge winnenden Gejchäftsleitung in technischer und faufmänniicher Hinsicht außer allem Zweifel jteht. Andernfalls wären Wiperfolge, wie fie beifpiels- weile bei den Schlächtereigenofjenichaften zu Tage getreten ind, damit aber auch eine weitgehende Disfreditierung der Genojjenichaftss, bewegung, umausbleiblich. Eine wejentliche VBerftärfung ihrer Bofitton fönnen die Abjabgenoflenjchaften Sich übrigens auch dadurch verjchaffen, Ss 49. Möglichkeit der Zurücddrängung des Zwijchenhandels. 281 daß tie gleichzeitig große leiftungsfähige Abnehmer ihrer Brodufte außer: halb der Ktreife des Handels zu gavimmen fich bemühen, 5 9. Ttädtiiche Lebensbedürfnisvereine, Garnionsanftalten 2e., und die in Deutjchland jeit sahren in wachjendem Maße zu Tage getretene DBereitwilligfeit der militärischen Berwaltungsbehörden ED der erwähnten Verente, Direkte Vertragsabjchlüfje mit länpdlichen X Verfaufsgenofjenjchaften, ja Nelbit mit einzelnen Kandwirten über Lieferung von Hafer, Strob, Butter, Stonferven 2. herbeizuführen, it im snterejfe der Anbahnung gelunder bjat ;beztehungen auf das Lebhafteite zu begrüßen. Am leichtejten dürfte bei gutem Willen der Beteiligten die Yurlc- Drängung des Jviichenhandels auf dem Gebiet des VBichhandels gelingen, md Ste jollte um jo mehr gerade hier angejtrebt werden, als der Viehhandel, wie wiederholt betont, dem Wircher im den Landgemeinden am meijten in die Hand arbeitet und weil ev nebjtdem auch vom Stand- punft der Viehzuchttechnit und der Beterinärpolizei aus Jich läftig md nachteilig erweist. Als Weittel zur Erreichung diejes Zivedes dienen Die zahlreichen Viehmarktveranjtaltungen j jeder Art, indireft auch die verichtedenen, im „sitereffe der Beterinärpolige erlaffenen Berordnnungen, welche den Haufierhandel mit Bitch weitgehenden polizeilichen Be= Ichränfungen unterwerten. Much bei Eimrichtung großer jtädtiicher Bichhöfe haben die Unternehmerinnen durch Erjtellung von Bichver- fanfshallen und Emrichtung von Fleisch und Nußviehmärften den mög- lichit unmittelbaren Verkehr zwischen der Yandbevölferung unter Fich und nit dem Meeggergewerbe — unter Ausschluß geverbsmäßiger Unter: händler — zu fürdern gejucht. Endlich fanır noch die Aufitellung von Kommifitonären in größeren Städten in Frage fommten, die die Vers fäufe von Schlachtvieh gegen eine bejtimmte Provifion zu u haben. Kin diveft wirffames Mittel, die Benugung Folcher VBeranjtal- tungen herbeizuführen, giebt es allerdings nicht, und es Mt immerhin be= zeichnend für die ummwirtichaftlichen Gewohnheiten eines großen Teils Der ländlichen Bevölkerung, daß fie, ungeachtet jener VBeranftaltungen, an der Gewohnheit, bei ihren VBiehein= und sverfäufen fich dev Vichmakler zu bedienen, noch weithin feithält. Mihtvanen der Yandleute untereinander, Unsicherheit in der Bewertintg des zu verfaufenden oder anzufaufenden Biehitüces und alte Gewohnheit wirken hier zufammen, gegendenweile immer noch eime Einrichtung zu erhalten, die jo unverftändtg und ummiß wie möglich it; denn Die Wrovifion, welche als jogenanntes „Schmus= geld“ dem Unterhändler (Schmufer) gezahlt werden muß, it ein ganz unproduftiver Aufwand, der Jahr für Jahr Ticherlich zu einer hoben Ge- jamtjummte jtch addiert. 282 CSedjites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. $ 50. Die Miarftpreisbildung landwirtichaftliher Erzeuanifje unter dem Einfluß des Wettbewerbs von Surrogaten und Derfälfhungen; die Mahrungsmittelpolizei insbefondere, Die Fortjchritte der Chemie, namentlich der organtichen Chemie, haben es ermöglicht, geilen Naturerzeugniffen Kuniterzeugniiie au die Seite zu jegen, Die, weil fie in Ausjehen und Gejchmad erjteren ähneln, mit ihnen in Wettbewerb getreten find. - Dies trifft namentlich für Wein und gebrannte Wafjer, Honig und Butter zu, Die in dem Kunftwein und im den durch Zuderzufaß und andere Zuthaten vers bejjerten Weinen, jowie in der Nachahmung beitimmter Sorten von Duralitätsbranntweinen, die ferner in dem Kumfthonig und der Kumits butter (Margarine) Konkurrenten auf dem Genuß- und Lebensmittelmarft erfahren haben. Die Wirfung diejer Konkurrenz zeigt Jich teils in einer Einengung des Abjaßes, teils in einer Herabdrüdung des PBreijes, weil die Herjtellungsfojten der Surrogate regelmäßig niedriger find, als Diejenigen des umverfälicht in den Handel kommenden Naturprodufts. An der Frage der unbehinderten Zulaffung jolcher Surrogate oder VBerfälichungen oder der polizeilichen Beichränfung ihrer Heritellung oder ihres Vertriebs hat num nicht bloß der Produzent der Naturware, jondern auch der Konjument ein Sntereffe. Denn jeder Käufer einer Ware hat füglich ein Necht darauf, zu willen, ob er em Yatur= oder ein Kımitproduft fauft, ob aljo das einer Ware gegebene Yus= ichen (die Benennung, Bezeichnung, der Schein) ihrem Wejen entipricht oder ob etwa das fünjtliche Fabrikat Fälichlicherweile als Naturproduft ausgegeben wind; ferner ob der Ware abjichtlich der Anfchein einer befleren Beschaffenheit gegeben worden it, als ihrem Wejen entipricht, oder eine fünftliche Verjchlechterung der Ware verheimlicht, verdeckt oder nicht erfennbar gemacht wird. Diejes Konjumentenssnterejje hat in erjter Linie dazu Anlaß gegeben, die Heritellung und den Vertrieb von Lebens und Genußmittelfurrogaten polizeigejeglich zu ordnen, wobet nicht am wenigiten auch gejundheitspolizeiliche Nüdfichten mits ipielten, wie namentlich bei den Weinjurrogaten. Daneben wirkte aber auch das BProduzentens‘\nterejje mapgebend ein, weil man es mit Necht fir eine Aufgabe der Gejebgebung erachtete, Ehrlichfeit, Treue und Glauben in der Wroduftion gegen wumehrliches, unjolides Treiben, gegen unlauteren Wettbewerb zu jchügen. Mit einer jolchen Schußgeieggebung fünnte fich fügfich auch der Bertreter emes freihändleriichen Standpunftes verfühnen, für den das Konjumenten=is terejje ja jtets jo gewichtig in die Wagjchale Fällt; denn je raffinierter die Technif der Surrogatenheritellung unter Zuhilfenahme der anges wandten organischen Chemie fich geitaltet, deito jchwerer muß es offen= bar für die Konjumenten werden, das Surrogat als jolches zu erfeimen, , und m jo häufiger wird der Fall eintreten, daß der Stonjument,beim Einkauf bejtimmter Erzeugniffe zum Nachteil feines Geldbentels odergjelbit .. Ss 50. Beeinflufjung der Preife durch Surrogate 2c. 283 jeiner Gejundheit über die Surrogatbejchaffenheit des den Schein des Naturerzeugnilfes wahrenden Nunftproduftes fich täuscht. Bom Produzentenitandpunft aus wird man leicht verfucht jein, zu emem völligen Berbot der Surrogatheritellung zu gelangen oder diejfer Doch durch denkbar weitgehende verjchränfende und belältigende Stontrollvorichriften Die Yebensadern zu unterbinden, um auf diefem direkten oder indireften Weg, mit einem Schlag oder allmählich, eines Läjtigen Wütbewerbers ledig zu werden. Augenjcheinlich it Ddiefes Verlangen ein einjeitiges und deshalb nur bedingt berechtigtes; es Mt berechtigt nur in- joweit, als das Surrogat geiundheitsjchädliche Beimengungen enthält, unbe- rechtigt infoweit, als es — im Vergleich zum Naturproduft — nur minder wertig tjt, aber als gefumdheitsichädlich nicht erfannt werden fan. Das völlige Verbot der Heritellung und des Vertriebs von Srrogeten fan ichon deshalb nicht in Frage kommen, weil dann den ärmeren Schichten der Bevölferung Häufig ein billiges Genußmittel entzogen würde. Dies gilt nicht blog von dem aus Windertalg und Dlen hergestellten fünstlichen Buttergett — der Margarine —, jondern auch von dem durch Aufguß auf Nofinen und Storinthen, jowie von dem aus Traubentrejtern berge- itellten KRunjtwein; denn es bat Sich Diefer Kumftwein im weiten Streifen Unbemittelter, ja jelbit in landwirtichaftlichen Streifen, da wo es an Gelegenheit zum Erwerb von billigen Naturwernen oder zur Her itellung von Objtwein fehlt, als Haustrunf für die Jamtlie und Das Gejinde jeit Jahren eingebürgert, und jelbit in Nebgegenden tt es gar nicht jelten, daß der fleine Winzer jein ganzes oder den größten Teil jeines Naturerzeugnijjes verfauft und jenen Haustrumfbedart mit units wein befriedigt. Bielfach it der lebtere an Stelle der Verabreichung von Branntwein jchlechtejter Qualität (Fufel) getreten, welche Wirfung aus hygienischen umd fittlichen Gründen gar nicht hoch genug veranschlagt werden fann. Aus diefen Gründen fanı daher ein jtriftes Verbot der Heritellung und des Vertriebs von Survogaten nicht in Frage fommen. Wohl aber ift von der Gejehgebung im Intereffe des Kionjumenten auf zweierlei Bedacht zu nehmen: einmal, daß die Berwendung von gejund- heitsichädlichen Zuthaten bei der Surrogatheritellung verhindert, zum andern, daß die Erfennbarfeit des Surrogats als folchen jedem Käufer der Ware leicht ermöglicht, alfo Täufchungen des Bublifums beim Eins= fauf der betreffenden Ware hintangehalten werden. Bon Ddiejem ver= mittelnden Gejichtspunft aus ijt denn auch der Gegenjtand in Deutichland bis jeßt gejeßgeberiich behandelt und find Die auf völlige Verdrängung der Surrogate vom Markt abzielenden Beltrebungen eines ertvemen Broduzentenitandpunftes jtets mit Necht abgelehnt worden. Die allgemeine Grundlage für ein polizeiliches Einjchreiten auf den Gebiete der Nahrungs: und Genußmittelpolizei bietet das Neichsgeleß vom 14. Wat 1879, das fich aber nicht ausreichend evivies, den Ylus- wüchjen der Surrogatheritellung, insbejondere im Bereich der Wein 284 Sechjtes Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs 2c. bereitung und der Heritellung fünftlicher Butterjtoffe, mit Erfolg entgegenzutreten; Die Litcfen wurden durch die Neichsgejeße vom 20. April 1592 über den VBerfehr mit Wen und vom 12. Suli 1887, neneitens erjegt Durch Neichsgefeß vom 15. Sum 1897 über den Verkehr mit Erjfagmitteln für Butter Margarine) ausgefüllt. Das Chavrakteriftiiche beider Gelege Liegt in der Emführung des Deflarationszwangs für Kachahmungen des Weines und der Naturbutter; diefe Nachahmungen dürfen alfo mr unter einer das Surrogat als jolches fennzeichnenden Boeichnung: Kumftwen, Treiterwenn, Nofinemven, Margarine feilgehalten werden; auch verbietet Das Margarinegejeß die VBermifchung von Butter oder Butterfchmalz mit Margarine md anderen Speifefetten zum Zwed des Handels mit diefen Mifchungen und das gewerbsmäßige Berfaufen und ‚zeilhalten von jolchen, und eine der Hauptivirfungen des Margarine geleßes war Denn auch Die Jurücdrängung der Jogenannten Wilchbutter: tabrifatton, Die emerjeits zu den guöbiten Täujchungen des faufenden Lubliftums Anlaß gab, andeverjeits für die Naturbutter zu einem bejonders gerährlichen Gegner erwachlen war; während die Jabrifation von Margarine jelber, worauf auch die Abfichten Des Gejeßgebers nicht abztelten, eime Eimdäammung nicht erfuhr. — su der Behandlung der Weinfrage hat, worauf noch Hinzwweifen übrig bleibt, der Standpunft des joge- nannten Burismus, welcher durch Jede Juthat zum Wer, der nicht Dem Iraubenfaft jelber entitammt, den Wein als Kumjtwen charafteriiiert und darauf den Deflarationszwang angewendet jehen möchte, mit Necht eine Berüchichtigung durch) das Gejeß nicht gefunden. Die Entjäuerung des Sees mit reinem fohlenfauren Kalt (Chaptaliftierung), ferner Die Zwleßung von rvemem ZJucer zum Moft tm beitimmten Mengen (Oalli- jterung) tt deshalb geitattet, ohne daß ein Devart verbeilerter Wein als jolcher beim Werfauf deklariert werden müßte Der Grund für Diele Dehandlungsweie liegt darin, da Die Kumft der chemmchen Aralyje Zufäße der bezeichneten Art nicht nachzwveiten vermag, Jwviderhandlungen gegen em derartige Zuläbe verbietendes oder mir gegen Deklaration geitattendes Gejeß der Ttrafrechtlichen Ahndung allo Doch entzogen blieben. serrer Itrenge Purismus im der Weinfrage tit aber auch aus wirtichaft- lichen, den Produftionsverhältniiien des Wernbaus jelber zu entnehmenden Sründen wenig gerechtfertigt. Nicht Jedes Jahr wird unter umferen klimatischen VBerhältniffen an allen Orten eine Traube gezeitigt, Die ein Ichmachaftes und nach dem natürlichen Maß von Säuregehalt im Moit zugleich zuträgliches Getränf zu liefern vermag. Die Feititellung eines Itreng puritiichen Standpunftes, der jede Abjtumpfung eines Uber: maßes von Säure durch künstliche Machhilfe und jede Schmachaftermachung des Weins durch Zujaß von ZJucer zu der gärenden Flüffigfeit im Grund jab ausjchliegen oder durch Einführung eines Deklarationszwanges den Warft der verbeilerten Weine eimengen wollte, würde Jahrgangweile Die x Iraubenernte beitimmter Gegenden entiwerten. Bon Vorteil wäre eine 285 Ss 50. Die Nahrungsmittelpolizet insbejondere 2c. jolche itreng purttiiche Gelebgebung wohl mur für die Befiger der von Natur bejonders begümitigten, von Nachteil fir die Beliger der nad Boden ımd Klima minder begünitigten Lagen; die legteren Lagen \ind aber vorwiegend im Beltg der Eleinbäuerlichen Nebbevölferung und eine Itreng piriftische Gejeßgebung würde daher leicht die Folge haben, das ohnedies vorhandene wirtichaftliche Übergewicht der großen Nebbeiiber über die fleinen in nachteiligev Were zu veritärfen. Dem Bedenfen, daß die Zulafjung einer maßvollen Kunftnachhilfe, vie fie fich insbejondere in der Form des Zucderzwiaßes zur gärenden YWeinflüffigkeit darjtellt, zu einer Bermehrung der natürlichen Weinproduftion umd — wegen des vermehrten Angebots — zu eimer nachteiligen reisgeitaltung führen würde, ijt entgegenzuhalten, daß diejenigen Gebiete, in welchen in häufiger ‚solge eine mangelhafte Ausreife der Trauben durch die Ungunst dev Zemperaturverhältniffe fich einftellt — Deutjchland, mittleres Frankreid), nördliche Schweiz, ein großer Teil von DOfterreich — regelmäßig ihren eigenen Bedarf an Wernen nicht zu deden vermögen, allo auf Zufuhr von Weinen aus anderen, jüdlicheren Gegenden ich angewiejen jehen; von einer Überführung des Marktes mit Weinen als Folge der Kımit- nachhilfe fann daher nicht, Tondern höchitens von einer Herabminderung der Weinzufuhren von weiterher die Nede jein. Ausschlaggebend mul aber schließlich der Gejichtspunft jein, Daß, jolange in den einzelnen Weinbaugebieten der Welt nicht eine völlige Einheitlichfeit im der gejeß- geberischen Behandlung der Weinfrage erzielt tft, die einjeitige und ver- einzelte Feithaltung an eimem jtreng purtitiichen Standpunkt die Wein- produzenten des betreffenden Staatsgebiets in offenbaren Nachteil veriebt, weil tie, im Wettbewerb mit den von außen eingeführten, durch Kunt- nachhilfe verbefjerten, in ihren Zufäßen der chemischen Analyje nicht zu= gänglichen, alfo unbeanitandet bleibenden Weinen, für ihre minder jchmac- haften Weine entiveder feinen Abjaß oder nur jolchen zu gedrückten PBreijen erhoffen fünnen. Bieles jpricht daher dafür, daß das Kompromiß im Der Weinfrage, wie e8 durch das Neichsgefeb vom 20. April 1892 gejchaffen worden it, eine unter den obwaltenden Berhältnifien relative gute Ordmumg Des Gegenjtandes daritellt. Wenn die Wein- und Margarinegefeßgebung in ihrem auf Fer- haltung unlauteren Wettbewerbs gerichteten Beltreben den Produzenten des Naturweins und der Naturbutter durch fünitliche Einengung des Marktes für gewijje Surrogatheritellungen mittelbar und unmittelbar ich förderlich erweilt, jo it das Gleiche nicht der Fall bei dem durch gefund- heitliche Nücjichten veranlaßten polizeilichen Eingreifen in Bezug auf den Verkehr mit Schlachtfleiich, wie es in der jogenannten Fletich- Ichau zum Ausdruck gelangt. Denn nach den beim Handel von Schlacht: tieren üblichen Abmachungen md nach den über die Währjchaft im Tier- fauf geltenden Normen trägt den durch die Ungeniegbarfeitserflärung von Echlachtfleifch ich ergebenden Schaden regelmäßig nicht der Händler. oder 286 Sechites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs 2c. Dieegger, Jondern dev Produzent, und je Ichärfer die Fleiichbeichau im ‚sntereffe des fonjumterenden Bubliftums gehandhabt wird, um jo mehr jchwebt der Produzent in Gefahr, daß der von ihm bei der Heranziehung eines Schlachttiers gemachte Aufwand an Kapttal und Arbeit ganz oder teihveife ummvergütet bleibe. ine jehr rigorofe Handhabung der Fleijch- Ichau fann daher für die landwirtjchaftliche Bevölkerung recht verluit- bringend werden, und im Syitem einer trengen Fleischichau gewinnt Die Nichverficherung, insbejondere in der Form der Schlachhtviehver- jicherung, bejondere Bedeutung. Zu den verbreitetiten Krankheiten der Schlachttiere aus der Öattung Rind zählt jeit Jahren die Tuberfuloje (Berlfucht); wollte man in einer Übertreibung des geiundheitlichen Ver- waltungsprinzips jedes auch nur unbedeutend mit Perlen bebaftete Schlachttier polizetlich abjprechen, jo würde man jich geradezu einer Ver- jchwendung wertvoller Nahrungsmittel Ichuldig machen. su der zFleijch- ichau jollte daher nicht bloß zwischen jchlechthin geniegbarem und fchlecht- hin ungenießbarem Fleisch unterjchieden werden, jondern man jollte Fleiich, das, wenn es jchon von beanjtandeten Tieren herrührt, doch noch genteßbar it, umter gewillen Eimjchränfungen, die das minderwertige Fleiich als jolches erfennbar erjcheinen laflen, zum Verkauf zulaffen, jei es, daß es in rohem Zuftande nur auf befonderen Freibänfen feilgehalten, jet es, daß Ddasjelbe nur in abgefochtem Zuftande abgegeben werden darf. Die wirtschaftliche Bedeutung einer derart in verjtändigen Grenzen Sich Haltenden ‚sleiichjichau fann man daran ermefien, daß 3. B. im Baden jährlich das Fleiich von etwa 5000 Tieren auf die zFreibänfe gelangt, die ohne dieje Ein- richtung hätten polizeilich abgeiprochen werden müljen, und daß, wenn man den Wert der landiwirtichaftlichen Schlachttiere nur zu 100 WE. anmimmt, der auf diefe Were jährlich gerettete Wert auf 500000 Mek. jich beziffert. $ 51. Die Marktpreisbildung und das Geld: (Währungs-) wejen. Auf der Suche nach Gründen, welche den auffälligen Preisfall des Getreides md anderer landwirtichaftlicher Erzeugnifje erklären jollen, wurde insbejondere von jolcher Seite, die eine thatlächliche Uberproduftion in Getreide leugnen zu fünnen meint (Seite 208), auch die Gejeßgebung über die Emrichtung des Geldwelens (Währungsfrage) herangezogen, und thatjächlich steht denn auch die Währungsfrage in der Gegenwart, und zwar nicht bloß in Deutichland, jondern auch im anderen Stulturs jtaaten, im Brennpunft des öffentlichen "Intereffes. Man knüpft daber gemeinhin an zweierlei Erjcheinungen an, um die Unhaltbarfeit umfjerer jegigen Währungsverhältniffe darzuthun: erjtens an den in der Weinz- geichichte früherer Zeiten unerbörten Breisfall des Silbers und zweitens an den ebenfalls beträchtlichen Breisfall einer Anzahl land= wirtichaftlicher Nohprodufte und Erzeugnijje des Gewerbe: rleißes in Verbindung mit einer zunehmenden Ausfuhr diefer Erzeugnijje aus Yändern mit einer von der umfrigen abweichenden Währung. Denn 51. Die Markftpreisbildung und das Geld-(Währungs-) wejen. Dan U weil diefe Erjceheinungen gleichzeitig zufammentrafen, glaubte man Grund zu haben, fie in einen inneren Zujfammenhang bringen zu müjjen; d. D. es wınde der Breisfturz des Silbers auf Nehnung der Einfüh- rung der Goldwährung in Deutjchland und anderen Ländern, wonit große Mafjen Silber außer Funktion gejeßt worden waren, gejeßt; es wurde ferner wegen der durch die Einführung der Goldwährung ge jteigerten Nachfrage nach Gold eime Wertjteigerung des Goldes be- hauptet, die, weil nunmehr dasjelbe Goldquantum eine größere Kauffraft wie früher daritelle, in der beklagten Berbilligung der Warenpreife in die Erjcheinung trete; e3 wurden endlich für die wachjende Mus fuhr einzelmer Erzeugnifje (Getreide) aus überjeeifchen Ländern ebenfalls dieje Änderungen in der Preislage der edlen Metalle Silber und Gold verantwortlich gemacht. Denn durch die Möglichfert des Ein- faufs mit dem entwerteten Metall Silber in den Silbevrwährungsländern und des Verfaufs in den Goldwährungsländern jei den „snportenven eine Prämie in Höhe des Wertrüdgangs des Silbers gewährt, womit die Ausfuhr aus den Silberwährungsländern jelber prämitert ericheine, was namentlich von Indien und dem indischen Öetreide gelte. Und weil unter dem Preisdruc eines Teils der Nohprodufte (Ge- treide, Wolle, Handelsgewächje) wejentlich das landwirtichaftliche Gewerbe leidet, jo hat die auf die Befeitigung der Goldwährung, Die Hebung des Weltjilberpreifes und die Einführung dev Doppehvährng (Bimetallismus) gerichtete Bewegung (bimetallijtiiche Bewegung) ziemlich ausnahmslos in landwirtichaftlichen Streiien ihre Stüße gefunden, im Gegenjaß zu den Streifen des Handels und der smduijtrie einichließlich der Banfwelt t, die, wenigitens in Deutichland, vorwiegend auf dem entgegengejeßten Standpunkt verharren, d. h. für Beibehaltung unjerer Währungsemmrichtungen eintreten. Auf die Geichichte und die Einrichtungen unjeres deutjchen Münzwejens fann in diefem Jujfammenhang nicht näher eingetreten werden; 68 genügt darauf hinzuwveifen, daß der Buntichecigfeit dev Mnz- iuiteme in Deutichland, wie fie vor der Gründung des deutichen Reichs zum Nachteil von Handel und Wandel beitanden hatte, durch das Neichs- gejeß vom 9. Juli 1873 ein Ende gemacht und mit dem Übergang zur Goldwährung zugleic) em einheitliches Münziyiten gejchaffen wırde. Das Wejen unserer Goldwährung aber beiteht darin, day Gold das eigentliche Währungsgeld it, daß aljo alle Zahfungsverbindlich- feiten mit Ausnahme der kleineren Zahlungen bis zum Betrag von 20 WE, die in Silber geleistet werden können, in Gold erfüllt werden müjjen, daß die Silbermünzen minderwertig ausgeprägt, d.h. Scheidemüngen find, und daß die Negel der Goldwährung nur injoweit durchbrochen Üt, als die noch aus den früheren Währungsverhältnifjen herrührenden Thaler ebenfalls als Währungsgeld erklärt, alfo unbejchränft in Zahlung anzus nehmen find. Aus legterem Grund befteht zur Zeit feine reine Öold> 2SS Sedites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs ze. währung in Deutjchland, jondern em gemijchtes Währungss Initem, das man mit „Hinfender Währung“ zu bezeichnen pflegt. — Als im Jahr 1873 die Amahme der Goldwährung erfolgte, war dafiir wejentlich der Grund maßgebend, daß Gold verglichen mit Silber em bequemeres, handlicheres und bei Zahlungen nach dritten Orten zugleich geringere Kojten verurjachendes Zahlungsmittel des mitt- (even und großen Verkehrs jet; daß ferner im internationalen Berfehr die Abwicklung der Zahlungsverpflichtungen in Gold bevorzugt werde und Daher dasjenige Land, das jederzeit in Gold zahlen fünne, jich handels- politiich im bevorzugter Stellung befinde. Db diefe Gründe mit zwin= gender Notwendigkeit zur Eimführung der Goldwährung binleiteten und ob nicht, wie die Gegner der Goldwährung behaupten, die Annahme der Doppelwährung diejelben Vorteile im örtlichen, interlofalen und inter- nationalen Zahlungsverfehr tm Gefolge gehabt hätte, mag dahingeltellt bleiben. Aber immerhin tft der Hinweis nicht überflüffig, daß Schon im Jahre 1567 in einer internationalen Weünzkonferenz in Paris fich eine entjchiedene Strömung für Einführung der Goldwährung geltend machte, daß Frant- reich vor 1870 ernitlich dem Gedanken des Übergangs zum Goldwährung näher getreten it und daß, als Deutichland im Nahre 1873 diejen Uber- gang thatjächlich bewerfitelligte, diefe währungspolitische Aktion im Sinne der Goldwährung nichts weniger als eine übereilte oder unüberlegte NWap- regel war, jondern damals in allen Streifen der Erwerbswelt als etwas Selbjtveritändliches angejehen wurde. sedenfalls aber tft zu jagen, daß das jeweils geltende Währungsiyitem eine jo fundamentale Grundlage der gefamten VBerfehrsoperationen, der fleinen und der großen, bildet md jede Anderung des Geldweiens von jold) heftigen Erjchütterungen des Verfehrslebens begleitet zu jein pflegt, daß nur die allerzwingendften Gründe Änderungen beitehender Währungseinrichtungen rechtfertigen fünnen. Die Frage faın daher nur die jein, ob eine grumdjägliche Aufgabe unjerer Goldwährung und die Annahme eines anderen Währungsiyitems mit unbedingter Sicherheit die von diefer Anderung für das Gemeinwohl erwarteten Vorz teile bringt. Kann diejer Beweis unzweifelhafter großer Vorteile für Die Volfswirtichaft nicht erbracht werden, bejtehen gar erhebliche Zweifel an der Schlüffigfeit der gegen das geltende und für das neue Währungs- juitem ins Feld geführten Beweisgründe, fo wird eine auf Erhaltung des Beitehenden gerichtete, aljo fonjervative Währungs-Bolitif den Vorzug verdienen vor einer- jolchen, die einen Schritt ins Dunkle bedeutet, indem fie mur möglicherweile fich niüßlich erweiit, möglicherweife aber auch jchwere Nachteile und Gefahren im Gefolge der Währungsänderung für das wirtichaftliche Leben der Nation heraufbeichwört. Kein Gebiet der Bolfswirtjchaft eignet jich eben weniger zu gejeßgeberischen Erperimenten, als das Geldweien, und die traurigen Erfahrungen, die in den legten Jahren das Erwerbsleben der nordamerifanischen Union JE Ss 51. Die Marftpreisbildung und das Geld- (MWährungs-) weien. 289 als Folge jolcher Währungserperimente durchtoften mußte, jollten auch für Deutichland nicht verloren jein. — Auch auf jeiten der Gegner unjerer Währimgseimrichtungen jtellt man nicht im Abrede, daß das im Jahr 1873 geichaffene Weinzwejen an fich bis jeßt in einer den Geldverfehr durchaus befriedigenden Weije funktioniert Hat; insbejondere, daß noch jederzeit die zur Des wältigung des Verkehrs erforderlichen Goldmünzen im Umlauf waren; das die Beichaffung des Goldes zu Münzzweden nennenswerten Hinders niljen nicht begegnete; daß unfere Goldmünzen auch im Ausland, zur Begleichung internationaler Verbindlichfeiten, ein willfommenes Zahlıngs= mittel jind und den Goldmünzen anderer X Sander als vollfommen ebenbürtig angejehen erden, jo daß die friihere Abhängigkeit in diefer Hinficht von anderen Staaten, namentlich) von England, ‚gänzlich geichwunden tt. Wenn man gleichwohl für eime grumpdfäßliche | Anderung unferer Währung umd zwar im Sinne der Annahme der Doppelwährung eintreten zu miüfjen glaubt, jo müfjen die dafür geltend zu machenden Grimde jeden- falls von durchichlagender Kraft jein. Ob dies der Fall it, mögen Die jolgenden Ausführungen Ddarthun: 1. Der Breisiturz des Silbers auf beiläufig die Hälfte jeines Wertes verglichen mit dem Preisitand anfangs der Tiebenziger Jahre — das Verhältnis des Werts von Silber zu Gold war 1870 wie 15,45 zu 1, 1894 wie 32,60:1 — hat den Silberwert unjerer Ihaler, die immer noch in einer Menge von 400—500 Mill. Wet. ums laufen, und ebenjo den Silberwert der Silber-Scheidemünzen (d>, 2: und 1-Markitüice) um beiläufig die Hälfte vermindert. Dies ift miplich, umd wenn auch Verfehrsftörungen aus diefem Zujtand, wie fie jeither ausblieben, jo auch künftig Ichwerlich zu bejorgen find, jo ericheint doc) Deutichland, wie man einräumen muß, an der Frage dev Hebung des Silberpreifes ebenfalls intereffiert, zumal neben diefem münztechnichen sutereffe auch Die nachteiligen Rüchvirfungen des Sinfens des Silber- preifes auf umfere eigene Silberproduftion und die Entwertung des in Form von filbernen Geräten und Schmucjachen vorhandenen Gebrauchs- vermögens in Betracht fommen. Aber ficher ift, daß in allen diefen Hinz fichten unjer Interejfe gegenüber demjenigen der Silberwährungs- (änder und der Haupt-Silberproduftionsländer ein vergleichsweile unbedentendes it. 2. Infolge des Sinfens des Silberwerts wird die Aus= KR der Goldwährungsländer nach Silberländern (nach Sndien, Ditafien, Mexiko) erjchwert; denn weil der jeine Ausfuhrwaren mit Gold bezahlende Erporteur in den Silberwährungsländern mit entwertetem Silber bezahlt wird, mindert Fich fein Nußen entiprechend dem Simeten des Silberwerts, und das Sinfen des Silberwerts in den Silberländern, d. h. die Entwertung ihrer Valuta, wirft deshalb gleich einem Schuß: Budenberger. 19 290 Sedites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs 2c. soll nach außen Dieje Wirkung it zuzugeben; fie wird ich aber mur injolange geltend machen, bis die Inlandspreife in den Silberwährungs- (ändern als Folge des Sinfens des Silbergeldes ich gehoben haben; jobald diefe Breishebung auf dem Warenmarft eintritt, muß die jchuß- zöllmeriiche Wirfung der entiwerteten Baluta, d. hd. des gejunfenen Werts der Geldeirfulationsmittel zum DVBerichioimden fommen. Auch bier gilt übrigens, daß Deutjchland weit weniger wie andere Staaten, namentlich) verglichen mit England, in Wetleidenjchaft gezogen it, da unjer Export nach den Silberwährungsländern nur zwifchen 3 und 49/, des gejamten deutichen Exports beträgt. 3. Ein Hauptargument in der Beweisführung für die jchädlichen ‚solgen des Silberjturzes wird darin erblict, daß infolge des Sinfens des Silberwerts getreideerportierende Silberländer, wie Indien, für ihre Getreideausfuhr prämitiert erjcheinen (vergl. ©. 287). Die Bedeutung Ddiejes Arguments wird indejjen jehr überichäßt, da Die Hetreideausfuhr aus sndien wegen der Unberechenbarfeit feiner flima= tischen Berhältniffe und der dadurch bedingten Ernteunficherheiten mur jahrweije eine beträchtliche und jeit Jahren eme verhältnismäßig unbes dentende it (Einfuhr nach Deutichland 1892 3,99%, 1895 0,3°/, Des ganzen Ddeutjchen Getreideimports). Wenn ferner gerade zur Heit Des größten Silberjturzes (anfangs der neunziger Jahre) und in den Jahren des jtärfiten Werchens der imdischen Wechjelfurje die Getreiweausfuhr ‚sndiens jtändig zurücging, jo wird dadurch die Behauptung eines inneren Zujammenhangs zwiichen Getreideausfuhr und Silberpreis nicht gerade zu eimer jehr beweisfräftigen gejtempelt. Wie denn die Schwankungen um Wert der Umlaufsmittel, aljo insbejondere auch des Bapiergeldes, in ihren Wirkungen auf die Exportverhältniffe der betreffenden Länder jtavf überichägt zu werden pflegen. So fiel beifpielsweie in Rußland der jtarfe Getreideerport in den Jahren 1892/94 und der abnorme Preis- fall des Getreides in diejer Zeit nicht, wie man im Sinne obiger Theorie annehmen jollte, mit einem jinfenden, jondern mit einem jteigenden Rubel- furs zufammen. , Bei den Betrachtungen über den aus dem Sinfen der Baluta für den Exrporteur fich ergebenden Vorteil (daraus entitehend, dal der Exrporteur auf dem Weltmarkt zum gleichen Goldpreis verfaufen, aber für das erhaltene Gold größere Beträge der entwerteten Balıta des Erportlandes einlöfen fann) wird meift der bereits oben gejtreifte Umfjtand überjehen, daß jene Vorteile jedenfalls nur jo lange vorhalten können, als nicht in dem betreffenden Land — entiprechend dem Sinfen des Helowerts — Die Wroduftionsfoiten, insbejondere die Löhne umd Dementjprechend die Preile der auszuführenden Waren gejtiegen \ind; diejes Steigen ijt aber in den Staaten mit entwerteter Valuta, in Sudien jo gut wie Argentinien, deutlich zu beobachten. Weiter darf man nicht überjehen, daß die Produzenten diefer Länder landesüblich die Bezahlung der wichtigiten PBroduftionsmittel in Gold zu leiten haben $ 51. Die Marftpreisbildung und das Geld-(Währungs-) weien. 291 (jo gerade in Argentinien betreffs der Grumdhypothefenjchulden, dev von auswärts bezogenen Majchinen und Geräte 2c.), allo in diejer Hinficht aus der gejunfenen Baluta eimen Bortel nicht zu ziehen vermögen. ‚yerner zeigt eine vergleichende Beobachtung zwiichen den VBalutaschiwan- fungen und dem Hanpdelsverfehr der betreffenden Staaten, daß jede Steigerung des Exrports, Die zu eier Nachfrage nach Zahlungsmitteln in der Valuta des Erportlandes (Nubelnote in Rußland, Baptergeld in Argentinien, Nupte im sudten) führt, auch ein Anziehen der Baluta zur Folge hat und deshalb die in der Valutaentwertung an ich jteefende Erportprämie durch die IThatjache eines jtarfen Erports von jelbit in ihrer Wirfung gehemmt wird. Endlich tft zu beachten, daß Yänder mit ichwanfender Baluta — Bapier- und Silberwährungsländer — eben wegen Diejer Durch die Balutafchwanfungen bedingten Unsicherheit der Held» und Marftverhältniffe im der Beichaffung der zur Aufichliegung Diefer Länder in wirtichaftlicher Hmficht erforderlichen Geldfapttalten be= jonderen Schwierigkeiten begegnen, während Doch Ddieje Ffapitalarmen Yänder auf eine Befruchtung mit auswärtigen Geldfapitalten ganz be= jonders angeiwiejen find. Länder wie Indien und Argentinien wären üı der allgememen wirtichaftlichen Kultur zweifelhaft weiter vorgejchritten, als thatlächlich der Fall, und namentlich hätte die für die mögliche Yus- Dehnung des Getreidebaues nötige Erweiterung des Schtenenneges bier wie dort jehr viele größere Fortichritte aufzunvetfen, wenn das europätiche Kapital infolge der Ichwanfenden Valntaverhältniife nicht vor beträcht- lichen und vaichen Kapital-Beriwendungen in diefen Kindern zurüchchredte. So jtellen jich, wie fachmännischerjeits ganz richtig betont wird, Baluta= ihwanfungen als eine Unterbindung der wirtjchaftlichen Entwidelung und als eme Hemmung der internationalen Sons furrenzfähigfeit dar, und weit entfernt, daß Diele Balutafchwanfungen im Sinne der landläufigen agrariichen Meinung eine dauernde Gefahr für die Staaten mit geregelten Währungsverhältniffen ind, Jtind die duch ungeregelte Währungspverhältuiiie veranlaßten Balıtajchwans fungen vielmehr geeignet, Die aus der natürlichen Konkurrenz jolcher Ländergebiete drohende Konfurrenzgefabr zeitlich zu vertagen. Man weiß demm auch in den Staaten mit ungeordneten Währungsverhältnifien die Nachteile einer jchwanfenden Valıta auf Die heimische Bolfswirtichaft jehr wohl zu würdigen und mehr und mehr drängt jich die Einficht durch, dag „ein nach augen und tmmen jeiter und jtabilevr Geldwert die bejte Grundlage für das wirtichaftliche Ge= deihen eines Landes iit“. Mur jo läßt es fich auch erklären, daß, wie ein Fachmann jagt, „alle Zander mit Schwanfender Baluta feinen größeren Wımfch kennen, als ihre Balıta auf dem Boden der Goldwährung zu itabilifieren (wofür der Übergang der Bapierwährungsitaaten Difterreich- Ungarn und Rußland zur Goldwährung den beiten Beweis liefert), während die Agrarier der Goldwährungsländer jene Staaten um Die ver= 19* 292 Sechites Kapitel. Die Einnahmen des Sandwirtichaftlichen Betriebs 2c. meintlichen Vorteile ihrer desorgantierten Geldjyiteme bemeiden zu müllen glauben“. 4. Ungeachtet diefer einjchränfenden Betrachtungen tft, aus den unter Ziffer 1 angegebenen Grimden, eine Hebung des Stlberpreijes auch vom Ddentjchen Gefichtspunft aus als erwünjcht zu be= zeichnen. Die darauf abztelenden Bemühungen werden indellen, joweit jie etwa auf eine verstärfte Ausprägung von Silbermünzen hbinauslaufen jollten, mutmaßlich des Erfolgs entbehren, weil auf diejem Weg Doch nur ein verhältnismäßig kleiner Bruchteil der jährlichen Silberproduftion Verwendung finden fönnte, der eimen nennenswerten Einfluß auf den Silberpreis jchwerlich ausüben wirde. Uıter Ber: ichmähung Ddieles „Walltatiomittels“ wind von den Wortführern im „Streit um die Währung” das radifalere Mittel der völligen Aufgabe der Goldwährung und Des Übergangs zur interna= tionalen Doppelwährung (Bimetallismus) gefordert, d: ). es wird verlangt, daß Silber und Gold gleicherweife zu Währungsgeld, alfo zu gejeglichen Zahlungsmitteln in unbejchränftenm Umfang erflärt werden, weil mur fir Diefen Fall einer namhaften und dauernden Verwendung von Silber zu Miünzzwecen eine nachhaltige Hebung und Bereftigung des Eilberpreifes erhofft werden dürfe. Mit diejer „Nemonetifterung des Silbers”, d. h. jener Wiederemfegung im Die frühere Funktion, ebenbürtig mit Gold Wertmeffer und Taufchwerkzeng zu jein, werde zus gleich Die jegige Goldfnappbeit, d. d. die Urfache der Goldvers tenerung, und damit zugleich die tiefite Urjache des zu beobach= tenden Sinfens der Warenpreife, die nichts als ein Ausdruck der Soldvertenerung jet, gründlich bejeitigt. — Diele mit Exrnjt und Leidenschaft vorgetragene, durch die jcheinbare Einfachheit ihrer Yeitjäße fait verführerisch einnehmende Lehre Hat im lebten Jahrzehnt in Der agrarischen Bewegung eine wachjende Rolle geipielt; es fan daher nicht Davon Umgang genommen werden, die WVorausjegungen, auf denen Jich die Anfichten der Bimetalliiten aufbauen, und die Schlußfolgerungen, zu denen Diele Ansichten hinleiten, auch) an diefer Stelle einer kritischen Ysirdigung zu unterziehen, wober allevdings dem Zweck diejes Buchs entiprechend — auf Borführung großen statijtiichen Zahlenmatertals und ebenjo auf eine jtreng vwoiljenjchaftliche Behandlung des Stoffgebiets vers zichtet werden muß. Doch werden die nachitehenden Betrachtungen ges nügen, um darzuthun, daß die Bekämpfung unjerer Goldwährung auf nicht Durchiweg richtige Berweisgründe Tich Ttüßt und unjere landwirt- Ichaftlichen Streife jich in einem verhängnisvollen Srrtum De= wegen, wenn gerade fie aus der Beleitigung der Goldwährung und der Einführung der Doppelwährung Tich „goldene Berge” veriprechen. s 51. Würdigung der bimetalliftiichen Bewegung insbejondere. „293 Würdigung der bimetalliftiihen Beweaung insbefondere. sn diefer Hinficht it das Folgende zu jagen: 1. Die erhoffte preishebende Wirfung eimer auf Herbeiführung d internationalen Doppehvährung gerichteten Bolitit würde unter allen Un jtänden jenen Staaten gegenüber völlig verjagen, die unterwertige Papierwährung haben, 3. DB. gegenüber Argentinien, das zur Beit wohl als einer der gefährlichiten Konkurrenten auf dem Getreidemarft an- gejehen werden fann. Denn wie diefe Bapierwährungs-Staaten lediglich durch Finanzielle Wihppirtichaft zur Bapierwährung gefommen find, jo wird ihnen der Übergang zu irgend einer Art von metalliicher Währung, jolange jene Wihvirtichaft fortdauert, verichloffen jein. Die Einführung der internationalen Doppelwährung bliebe mit andern Worten auf die Währungs und die durch Lebtere beeinflußten Exportverhältniife der Länder mit Bapterwährung gänzlich einflußlos; das in diejen Staaten eirfulierende Papiergeld päre nach wie vor umterwertig, es bliebe Damit auch die von Diejer Unterwertigfeit des Yandespapiergeldes gegen Metall- geld behauptete, aber, wie oben (S. 290) ausgeführt, feineswegs mit ichlülligen Gründen belegte nachhaltige Begünftigung der Ausfuhr unver: ändert fortbeitehen. Zu a enropätichen Staaten mit Bapierwährung gehören Nußland und ad aber die von den Schwankungen der Papiervaluta gerade Diefer Yänder befürchteten Nachteile \ind jeitt Sahr und Tag als tm wejentlichen bejeitigt anzujehen, nachdem in Dfterreich- Ungarn der Übergang zur Goldwährung thatkräftig in die Wege ge- leitet worden it, ebenjo in Nupland die Einführung der Goldiwährung ernithaft angebahnt wird und Hand in Hand mit Diefer Bolitif der Kurs des öjterreichiichen und rutschen Bapiergeldes fich jehr gegen früher be= jeitigt hat und beträchtliche Schwankungen nicht mehr aufweilt. 2. Die der bimetalliitischen Bewegung zu Grunde liegende Meinung, daß der Preisjturz des Silbers auf rund die Hälfte jenes früheren Wertes nicht etwa in Veränderungen wurzele, die auf dem Gebiet der Silberproduftion E liegen, Jondern einer veränderten Amvendung von Gold und Silber als Wüünzmetalle, d. h. der Einführung der Golp- währung in Deutjchland, Skandinavien, den Niederlanden, in Diterreich zuzuschreiben jet, daß aljo nicht jowohl das Silber billiger, jondern Gold teurer geworden jet, findet in den a für diefe Metalle feineswegs eine einwandfreie Betätigung. Vielmehr weten Dieje Pi roduftionsziffern — entjprechend der Aufichliegung neuer en in der zweiten Hälfte Ddiefes Nahrhunderts in der Union und Werifo — eine jo ungeheure Zunahme der Silberproduftion auf, daß eine Entwertung des Silbers („die Entthromung des weißen Herrichers") ganz unausbleiblich war. Während in den jechziger Jahren die Sahresproduftion an Silber noch zwijchen 1 md 1,3 Millionen Stilo jic) bewegte, it fie von da ab bejtändig gejtiegen und beziffert fich jeit 394 Cedjites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2 1585 auf rumd 3 Millionen, jeit Ende der 80er Jahre auf fait + Wiüllionen Kilo und hat 1893 die Höhe von 5 Millionen Kilo, d. 9. Das Fünffache der Silberausbeute der Zeit vor 30 Jahren erreicht. Wurde doch im Jahre 1895 3°, mal jo viel Silber erzeugt, wie im Durchichnitt der Sabre 1866/70, und mehr als doppelt joviel, wie im Durchichnitt der Jahre 1876/80, und ijt doch der in den wichtigeren Hanfen der Welt und öffentlichen Kafien Ende 1895 vorhandene Silber: gelderwert zu 4160 Wüllionen ME. ermittelt worden. Unbejtreitbar it freilich, daß der Übergang 2 Deutjchlands zur Gold» währung und die fich daran jchliegenden Silberverfäufe, welchem Vorgang demmächjt die jfandinaviichen Staaten folgten, ferner daß die Einjtellung der Prägung von Silbergeld in sranfreich (1576) und anderen Staaten der lateinischen Münzumion die Nachfrage nach Silber jo verringerten, daß einer der Gründe des Stlberpreisrücganges auch hier zu finden ift. Aber Doch nm eimer und feineswegs der wejentlichite; vielmehr würde angelichts des Umftandes, daß in den achtziger Sahren die durchichnittliche jährliche Silberproduftion 2,8 Millionen Kilo betrug und ungeachtet der ver- minderten Nachfrage nach Silber anfangs der neunziger Sabre auf 4,5 Mil- lionen Kilo jtieg, um, vie erwähnt, in der Folge jchlieglich auf über 5 Wil- ltonen Kilo anzuwachien, der Preisfall des Silbers jelbjt danıı nicht hint- anzubalten gewejen jein, wenn die Verichliegung der europätichen Wünz- Itätten gegenüber dem Silber nicht erfolgt wäre. Sind doch auch die in der Union erfolgten zweimaligen gejeßgeberischen Berjuche, durch veritärfte Ausprägung von Silberdollars den Silberpreis zu heben (Bland-Bill 1878 und Sherman=Bill 1890), lediglich ins Gegenteil umgeichlagen, weil — nach eingetretener Beljerung des Silberpreies jofort eine jo zügellos geiteigerte Produktion einjeßte, daß Schon nach furzer Zeit die Wirkung jener amtlichen Silberanfäufe völlig verjagte; denn gerade in den Jahren der verftärften Silberanfäufe 1890/93 vollzog ich unaufhaltiam eine weitere Senfung des Silberpreifes um 26, 35, 41% Die Einficht der Unmöglichkeit, auf dem Wege verjtärfter Silberaus: prägungen das Mifverhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem Eilbermarft auch nur entfernt zu bejeitigen, ferner Die unehmende Überichwenmung des DVerfehrs mit Silber und dem auf Hrund des Silbers ausgegebenen Bapiergeld, endlich die durch die Ber: drängung des Goldes heraufbeichworene jchwere Geldfrifis führte 1893 in den Bereinigten Staaten mit Notwendigkeit zur Einjtellung der regterungss jeitigen Silberanfäufe, der beredtejte Vorgang und jprechendite Beweis für die Gefährlichfeit von Währungserperimenten und die Aussichtslofigfeit einer nachhaltigen Preishebung durch Mahregeln der Münzpolitif, die nicht gleichzeitig von einer gejeßlichen Eins ichränfung der Eilberproduftion auf der ganzen Erde begleitet wären. Denn allein mur unter leßterer VBorausjeßung, die verwirklicht su Sehen auch die optimitiichiten Freunde des Silbers nicht zu hoffen s 51. Würdigung der bimetallitiichen Bewegung insbejondere. 295 wagen, wäre don einer verjtärften Verwendung des Silbers zu Miinz- zweden im den Kulturjtaaten Dev Welt eine Hebung des Silberpreiies als wahricheinlich zu erachten. Die Ansicht, daß die Weinzpolitit Deutichlands ımd anderer envopätjcher Staaten, die zur Goldwährung übergegangen find, und dab die im Zufammenhang damit erfolgte Einftellung der Silberprägungen in esranfreich und anderen Staaten der lateinischen Münzunion den Silber: fall veranlaßt habe und nachhaltig verurjache, fan daher nicht aufrecht erhalten werden; jene münzpolitiichen Vorgänge in Europa haben viel mehr nur „die Bedeutung einer Epifode in der Geichichte des Silber: preiles“. Was allein im der nordamerifanischen Unton anf Grund der Dland- und Shermansdill an Silber angefauft und ausgemünzt wurde, überjteigt die Durchjchnittlichen jährlichen Silberprägungen Frankreichs zur Zeit der freien Prägung der lateimiichen Münzunton um rund das Sechs- jache. Es fand aber auch gerade im der Zeit der Zurückweifung des Silbers von den euvopätschen Weünzjtätten das Silber eine wachiende Ver: wendung im den ojtaftatischen Ländern: ndien, China, Japan. „Die Aufmahmefähigfeit Diefer Silber faufenden und Silber prägenden Länder, jagt ein Jachmanı, war größer als diejenige Europas vor jener dem Silber unfreundlichen Münzpolitit. Es iit alfo durch die deutiche Nünzreform und die Einitellung der Eourantjilberprägungen in den Staaten der Franfenwährung lediglich eine geograpbiiche VBerichiebung in der Geldfunftion des weißen Metalls eingetreten und die Haupt- urfadhe des Silberiturzes ijt in der ziellofen Steigerung der Silberproduftion jelber zu juchen.“ 3. Ob wirklich jeit Einführung der Goldwährung in Deutichland und anderen Staaten das Gold, infolge der größeren Nachfrage nad) Gold als Währungsmünze, eine Werterhöhung erfahren hat, die ich in einem Breisdrud des Silbers und aller anderen Waren wiederjpiegele, weil nun diejelbe Goldmenge eine größere Kaufkraft Daritelle als früher, und ob deshalb der beflagte Preisdruck weientlich oder ausjchlieglih auf Nehnung der Einführung der Goldwäh- rung zu jegen jet, ift wiederum feineswegs jo flav ewweislich, als Die Doppelwährungsfreunde ihrerjeits zu behaupten jich bemühen. Zwar hat die Holdproduftton gegenüber dem Aufjchivung in der PBertode 1850,70 (Auffindung der faltfornifchen und auftralischen Goldfelder) in den folgen den Jahrzehnten einen Nücdgang arfahren; auch hat anfangs der acht- ziger Sahre Nordamerifa wie Smdien jehr beträchtliche Goldauantitäten an ich gezogen, jo daß damals die Bejorgnis einer Goldfnappheit nicht unbegründet war. Aber diefer Nückgang in der Produktion hat jeit 1889 (Erjchliegung goldführender Schichten in Südafrika) einem außer: ordentlihen Aufichwung der Goldproduftion wieder Plab ge: macht, dergeitalt, daß in den legten 6 Jahren 1888/94 Die Jährliche Soldproduftion fich zwischen 181256 Kilo (1890) und 274339 Silo 295 Sechites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs ıc. (1894) bewegte und die Goldproduftion des lebten Jahres jogar Die Sabhresproduftion der 50er, 60er und 7er Jahre um 70 bis SO000 Ktilo iibertroffen hat und dem Wert einer Milliarde nahe fommt. Bon einer Goldfnappheit in Europa ijt deshalb jeit Jahren feine Nede mehr; alle europätichen Staaten zeigen Meehreinfuhren von Gold, vor allem Deutichland. Die Goldanfänfe der Neichsbanf erreichten 1888 Die Höhe von 236 Millionen ME, und Diejer Betrag ft jeitdem jahrweiie noch übertroffen worden. Yon 1887—1893 wırden in Deutjchland für vımd 700 Millionen Wf. Goldmünzen ausgeprägt; Die Neichsbanf hatte im Jahre 1894 eimen Beitand von gegen S00 Millionen WE. Gold. Der Goldvorrat der Eentralbanfen in Berlin, London, Paris, Newyorf it tn den 10 Jahren 1885/95 von 2,4 auf 3,7 Milliarden ME, der Goldvor: vat der enropätichen Handelsjtaaten und der Union jeit 1892 bis 1895 von 12,9 auf 15,7 Wülltarden DE. angewachjen; an diefer Zunahme Der Soldvorräte iind Nupland mit 500 Wellionen, Dfterreich-Ungarn und ‚stanfreich mit je 500, Großbritannien mit 450 und Deutjchland mit 400 Millionen DE. beteiligt. Die Meinung, daß „die Golddede zu frapp werden fönne” wegen Berfiechens der Goldfundjtätten, hat Daher in den bisherigen Wahrnehmungen feine Stüße, viel eher tit Die gegenteilige Annahme begründet, daß die verbefjerten Methoden der Technif der Goldgewinnung im Zulammenhang mit der zunehmenden Erfenntmis der geologischen VBerhältniffe der Erde dazu führen werden, auch in der Zukunft die Goldproduftion mit der Goldnachfrage im Ein= flang zu erhalten. . Soweit für die angebliche Goldfrappheit und die Daraus abgeleitete Holdvertenerung der mittelbare Beweis aus dem Sinfen der Warens preile einschließlich des Silbers hergeleitet werden will, jo it Dieje Beweisführung jchon deshalb eine verfehlte, weil das Sinfen der arenpreiie, wie es doch im Sinn diefev Beweisführung fein mühte, feineswegs allgemein eingetreten, und wo es thatjächlich eingetreten it, in den Produftionsverhältniiien der betreffenden Waren jelber jeine natürliche Erklärung findet. Dies läßt ich gerade bei landwirtichaftlichen Erzeugniiien, deren Preisiturz die Hauptvaffe im Stampfe gegen die Goldwährung, als angebliche Urjache des reis- jturzes, zu bilden pflegt, leicht nachweilen, jo namentlich bei Wolle, SHetreide, Zucder. Denn die wahre innere Urjache des Breisiturzes bei Wolle und Getreide liegt in der Einbeziehung neu erjchlofjener, mit billigiten Böden arbeitender Kolonial- und anderer Länder (Nordamerita, Argentinien, Nupland, Indien für Getreide, Auftralien und Südafrika für Wolle) in den Weltverfehr vermöge der Bervollfommmung der tom munifationsmittel zu Yand und zu Waller und im den von Sahrzehnt zu sahrzehnt billiger gewordenen Land» und Wafferfvachten; ericheint Doc) allein Argentinien, das bis in die achtziger Jahre einen Erport von Getreide faum hatte, mit der zunehmenden Stolonijation und Aufjchliegung diejes Ss 51. Würdigung der bimetalliftiichen Bewegung insbejondere. 297 Yandes durch Eijenbahnen Tchon 1892 mit 9 Weillionen, 1894 mit 20 Düllionen DE. Getreide auf dem Weltmarkt. Nicht allo die angebliche Soldvertenerung als Folge der behaupteten Goldfuappheit wegen Ett- führung dev Goldwährung, jondern die Möglichkeit billigerer Der- ttellung beitimmter Noherzeugniiie und die Möglichkeit jederzeitiger veichlicher Verforgung des Marfts mit diefen Nohitoffen Hat zur Wreis- verbilligung diefer Erzeugniffe Anlaß gegeben. Ahnlich bei Flachs md Hanf (vgl. auch die Ausführungen und ziffermäßigen Angaben, insbe jondere in betveff der eingetretenen Frachtermäßigungen auf ©. 205). Sp braucht man, was den ZJucer anlangt, nur die rapide Zunahme der Zuckerproduftion im lebten Jahrzehnt in Deutjchland md anderen Staaten ms Auge zu fallen, um zu evfennen, daß lediglich die Schwic- vigfeit, Diefe Vorräte auf dem Weltmarkt unterzubringen, als Urjache des jest beflagten WBreisiturzes anzujehen it (Frankreich erzeugte 1884/85 305000 Tonnen Zucer, jebt rund 800000 Tonnen, Nußlands Gr- 5 zeugung it in Ddiefer Zeit von 388000 auf 650000, die Vfterreichs von 500—600000 Tonnen auf über 1 Million Tonnen, endlich die von. Deutichland von 1150000 Zonnen auf 1750000 Tommen geitiegen) — En hängt die VBerbilligung einer großen Anzahl anderer Brodufte — Yeuchtitoffe, Fette —, ferner von Halb- und Ganzfabrifaten der Eijen- und Tertilbranche mit der Berbilligung der Broduftion als Folge der fortjchreitenden Techmif md mit dem zeitweijen Borauseilen der Produktion über die jeweiligen Bedinfnifje des Marktes ebenfalls wie Yirfung und Ürjache zufammen, und man muß den Berhältniffen Zwang anthun, wenn man eine außerhalb diefev Produftionsbedingungen woirfende Urjache nämlich die angebliche Goldfnappheit, Fir die eingetretene Ber: billigung einer Anzahl Warengattungen verantivortlich machen will. Zweifel in die Stichhaltigfeit des Arguments eier anz geblichen Goldfnappheit und daraus abgeleiteten Goldvertenerung bezw. Warenpreisverbilligung ergeben Tich auch Daraus, daß Diele Werbilli- gung eine feineswegs alle Waren erfaliende tjt, wie es Doch, Die Nichtigkeit jenes Arguments vorausgejegt, jem müßte: Dolz, Sleiich, Milch), Tabak, Kaffee find nicht billiger geworden, vielmehr werfen — von sahresichwanfungen abgejehen — Ddieje Artifel eine von Sahrzehnt zu sahrzehnt nach oben jich bewegende Preisfurve auf, ebenjo eine Weenge Artifel der Manufafturbranche und des Stunitfleiges, Desgleichen die Meietpreife der Wohnungen; und dasjelbe gilt von der wichtigiten Ware, der Ware Arbeit und deren Preis, dem Arbeitslohn, Der eine jtändige Tendenz zum Steigen zeigt. — Würde die Theorie der Durch Goldfnappheit verurjachten Warenpreisverbilligung richtig Ten, jo müßte ferner die Senfung der Warenpreife mit den WBertoden des Nücdgangs dev Goldproduftion und die Hebung der Warenpreife mit den Berioden der Vermehrung der Goldproduftion zeitlich zujammenfallen. Diejer zeitliche Barallelismus zwiichen Goldproduftion und 298 Sedites Kapitel. Die Einnahmen des Tandwirtichaftlichen Betriebs 2c. Warenpreisbildung fehlt indeiljen gänzlich. Kine gewilje Gold- fnappheit trat im den ftebenziger und achtziger Jahren zu JTage; die Sahresproduftion in Gold, 1861/70 rund 500 Welltonen ME. betragend, janf anfangs der achtziger Jahre bis auf rund 400 Willionen Mart, d. 5. gerade im der Zeit Des Übergangs einzelner Staaten zur Gold- währung; der Warenpreisrüdgang hätte alfo in Diefem Zeitraum bes jonders deutlich in die Erjcheinung treten, und anderjeits hätte mit dem Anziehen der Goldproduftion in der zweiten Hälfte der achtziger Sabre und dem auperordentlichen Aufichwung der Goldproduftion im den neun iger Jahren die Aera einer allgemeinen Warenpreishebung einjegen müjjen. sn Wirklichkeit jpielten fich die Vorgänge auf dem Warenmarft in um gefehrter Nichtung ab; die zweite Hälfte der jiebenziger Jahre zeichnet jich durch Hohe Preife aus und der unerhörte Preisfall einer großen Az sahl Waren erfolgte in den neunziger Sahren. Wit der Theorie der Goldfnappheit, Goldvertenerung und Wareı- preisverbilligung it weiterhin die Ihatfache nicht gut in Einklang zu bringen, daß die Breisverbilligung emer größeren Anzahl Waren nicht bloß etwa nur im den Ländern der Goldwährung, jondern ziem= lich überall zu Tage getreten tft, gleichviel, welhe Währungs- einrichtungen fie haben; auch Rußland, Dfterreich, Stalien mit ihrer Bapierwährung weten den gleichen Breisdprukf auf. her fönnte man aus einigen Ericheinungen der Gegenwart die Schlußfolgerung ziehen, da das Geld billiger geworden jet; durchweg it der Zins für Ber- leihung von Öeldfapitalien zurüdgegangen, und der Stand des rtvatdisfonts, Ddiejes beiten Gradmejjers für die Knappheit oder Neichlichfeit der metallenen Cirfulationsmittel, war jeit anfang der meimziger Sahre met ein niedriger (Durchjchnittlicher Marktzinsfuß in Berlin 1890 3,87, 1891 2%/,, 1892 1?/,, 1893 3!/,, 1594 2'/,, 1895 1,72°/,). Die gegentetlige Bewegung des Banfdisfonts und des Privatdisfonts im Jahre 1896 fann nicht als Gegenbeweis gelten, da Jie eine vorübergehende war und mit der durch Freberhafte Ihätigkeit der Smduftrie veranlaßten ungewöhnlichen Nachfrage nach) Bankdarlehen jammenhängt, wie denn der hohe Distont des Sahres 1896 bereits mit dem Anfang des Jahres 1897 normaleren Disfontjäßen gewichen tt. Endlich jollte nicht überjehen werden, daß in der heutigen Verfehrse yoirtichaft die ausgemünzten Metalle als Träger und Bermittler von Ber- fehrsoperationen wicht mehr Ddiejelbe Noke jpielen wie früher, da tı wachlendem Maße Erlaßmittel des Geldes Hanfnoten, Wechiel, Sheds, Giro- und Boitanmweiiungsverfehr 2. — zur Verwendung gelangen md diech die Einrichtungen des faufmännischen Abrechnungswejens (Öiro- und Slearingverfehr) eine weitere ganz außerordentliche Eriparung au metallenen Umlaufsmitteln erzielt wurde. Sn London worden auf den, ISege der Abrechnung, alfo ohne Barzahlung, 1895 154,9 Welltarden Ef, in den Vereinigten Staaten 1894 188,8 Milliarden Wi., bei der s 5l. Würdigung der bimetalliftiichen Bewegung insbejondere, 299 deutschen Neichsbant 1895 21,2 Milliarden DE an gegenfeitigen For- derungen ausgeglichen. MWettelit des Giroverfehrs, d. b. ebenfalls Lediglich Durch bloße Abjchreibung in ihren Büchern, vermittelte die deutiche Neichsbant 1876 Zahlungsverpflichtungen im Höhe von 8,5, 1894 folche in Höhe von 56, 1895 von 93 Wülliarden ME; der Wechjelumlauf be- trug in Deutjchland 1870 9, 1894 16,3 Milliarden ME; im Boit- ammeiungsverfehr werden 5 und mehr Milliarden jährlich umgeleht. Der Bedarf an Edelmetallen zur Bewältigung der Verfehrs- operationen braucht Deshalb mit dem Wachjen des Verfehrs nicht gleichen Schritt zu halten, er wird mit der Zeit fogar in ab- nchmender Bahn fich bewegen, je mehr die gelderjparenden Einrichtungen, pie namentlich der Cheeverfehr, auch außerhalb des faufmänniichen Xebens, alfo auch im bürgerlichen Berfehr noch mehr als jeither Wurzel faflen. Angefichts jolch gewaltiger Vermehrung der Gelderjaßmittel in den legten Jahrzehnten und angefichts des Umftandes, daß die jähr- liche Zunahme des Metall-Geldes der civililierten Welt nahezu dop- pelt jo groß ift, als in dem Zeitraum von 1850--1870, der doch durch jteigende PBreije fich auszeichnete, und viermal jo groß als in den vier- ziger Jahren, wird eine Itmappheit der Mtetallgeldproduftion und eine durch fie md nur Durch jie veranlaßte Warenpreisverbilligung Ichiwerlich ols bewiejen angenommen werden fünnen. 5. Unfere Landwirte täufchen jich über die Tragweite der Einführung der Doppelwährung, wenn fie davon eine wejentliche und nachhaltige Dejjerung ihrer eigenen Wirtichaftslage er: hoffen. Denn derjenige Nachteil des Sinfens des Metalhverts des Silbers, der in der Erleichterung der Ausfuhr von Erzengniffen aus Silber- währungsländern erblickt wird, hat, joweit die Yandiwirtichaft in Be- tracht fommt, wie jchon oben erwähnt, praftiiche Bedentung überhaupt nur für Indien als eines dev getreideerportierenden Yänder, nicht aber für die in diefer Hinficht gefährlichiten Konfimrenten: für Nordamerifa, da Ddiefes thatlächlicd Eoldwährung, für Rußland ımd Argentinien, die Bapterwährung haben und auf deren Getreideerport daher der Stand des Silberpreijes gänzlich bedentungslos ift. Auch die Bedeutung der indischen Erportprämie erjcheint, jeit Indien mit Eimftellung der Silberprägumngen eine eigentliche Silberwährung nicht mehr hat, jehr abge- ichwächt. Soweit aber das Eintreten landivirtichaftlicher Streife für die Zulafjung auch des Silbers als Währungsmetall auf der Anmahme beruht, daß die mit diefer Anderung der Währungsverhältniffe Hand in Hand gehende Vermehrung der Geldmenge zu einer Verbilligung des Metallgeldes, die ihren Ausdruf in emem Anziehen der Warenpreije findet, führen werde, jo wird allerdings der Emtritt diefer Wirkung als Folge des Umitandes, daß alljährlich vielleicht 600 bis 700 Mirllionen ME. mehr als jeither Silbermetallgeld zur Ausprägung gelangt, nicht geleugnet werden fünnen. Aber ganz unzweifelhaft it, daß 300 Sechtes Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs 2c. die Breiserhöhung nicht bei den landwirtjchaftlichen Erzeug- nilien stehen bleiben, jondern alle NRohitoffe, Halb» und Ganz- tabrifate ergreifen würde. In allen produzierenden Haushaltungen, anch den landwirtichaftlichen, würde jich alfo nicht nur das Eimnahmes, jondern auch das Ausgabefonto entiprechend erhöhen; den ge= itiegenen Einnahmen der landwirtichaftlichen Produzenten für Getreide, Vieh, Handelspflanzen ze. würde ein entiprechend höherer Aufwand für die Anschaffung von Saatgut, Futterz und Düngemitteln, für Geräte und Majchinen, für Handwerferlögne, für Reparatur und Bauarbeiten und für alle Haushaltungsbedürfnifje im weitejten Sinne gegemüberjtehen; da das Sinfen des Geldwertes auch die Finanzen des Staats und der Gemeinden ungünstig beeinfluffen würde, jo wäre überall mit einem Anzieden auch der Staats und Gemeimdeltenerichraube zu rechnen. Schließlich wenn bei der vorausgejeßten Internationalität des Vorgehens in der ganzen Kultunwelt die Warenpreije Itiegen, bliebe diejenige Kalamität der Deutschen Landwirtichaft, die durch die Preisunterbietung itberjeeticher und ojtenropätjcher Länder veranlagt it, völlig unverändert beitehen, weil Diele Konfurrenzgebiete nach wie vor in demfjelben Vers hältuis den dentichen Getreidebauer zu unterbieten vermöchten. Das ganze Währungserperiment Liefe, wie von einem Fachmann auf Diejem Hebiet richtig betont wurde, darauf Hinaus, daß jährlich 600— 700 Millionen ME mehr für Beichaffung von Metallgeld aufgewendet werden müßten, lediglich um denielben Güterumjab zu höheren Marimalpreijen zu unters’ halten, alfo auf eine Vermehrung der toten Lajt der VBolfswirt- ichaft. Db in diefem Prozeh einer bald langjamer, bald jtürmijcher ver= laufenden PBreisbewegung nach oben gerade die Kandwirte auf ihren Vorteil fämen und nicht vielleicht die Großinduitrie jowwie der Zwiichens und Großhandei den Rahm abjichöpfen würde, möchte nacı früheren Vorgängen cher zu Gunsten der zweiten Möglichkeit beantivortet werden, , jedenfalls joweit es Jich um bänerliche Kerle handelt. ntjchteden nach- teilig wird die Bewegung Fir die Yohnarbeit ich gejtalten, weil ex tahrungsgemäß die Köhne nur langjam den Preisjteigerungen zu folgen pflegen. Nm infoweit als dies der Fall it, aljo vorübergehend eine Er= iparnis an Arbeitslöhnen ich ergiebt, würde wie die Industrie, jo aud) die Yandwirtichaft aus einer Währungsänderung mit der Wirfung einer SHeldverbilligung Für einige Zeit Nuten ziehen fünnen — eine Folge: wirfung, die aber dieje Währungsänderung,; wenn fie nicht vom ganz ein: jeitigen iuterellentenftandpunft der Produzenten aus behandelt werden will, in befonders unerfreulichem Licht erichemen läßt, zumal angejichts der zu erwartenden erbitterten Yohnfämpfe. Auch die oft betonte günftige Nüchvirfung auf die Yage der Schuldner jollte nicht über= ichäßt werden. ur diejenigen Schuldner, die jich unfündbare Darlehens: verträge gelichert haben, fünnten die Gunst der Lage ausmüßen; in allen anderen Schuldfällen — und Ddieje bilden weitaus die Mehrzahl — wäre s 51. Würdigung der bimetalliftiichen Bewegung insbejondere. 301 mit majienbhaften Kündigungen und bei neuen Darlehen mit der Ausbedingung auf Zahlung der Zinjen und Schuldraten in Gold an Die Darlehensgeber zu rechnen; d. H. die Schuldner wären im Die Zwangslage verjeßt, obwohl in ihren Kafjen in der Negel nır Silbergeld jich berände, häufig und mit großen Opfern von PBrovilionen md Agio das zur Tilgung ihrer Schuldverpflichtungen nötige Gold ich wit zu beichaffen. Die Möglichkeit der Zurüczahlung der Schulden und der Zahlung der laufenden Zinjen in dem fünftigen, eines Teils jeiner Nauf- fvaft beraubten Währungsged muß übrigens im Ddemjelben Maße, als der Schuldner aus der Zahlung mit jolchem Währungsgeld eine Ent- lajtung genießt, für die Gläubiger mit einer Schädigung verfmüpft jein. Diejfe Gläubiger jegen fich aber nicht ausichlieglih aus Grof- fapitaliiten, die einen Eimnahmenausfall füglich ertragen fünnten, Jondern auch aus kleinen und mittleren Kapitaliiten zulammen; find doch die au Yandwirte ausgeliehenen SKapttaltien der Sparfafjen zum guten Teil Spar- pfennige der £leiniten Leute, umd it Doch auch ein erheblicher Teil der andbriefe ebenfalls im Befiß von Leuten, die jede Schmälerung des Zinjeneinfommens auf das Schmerzlichite embfinden würden! 6. Aus allen Ddiejen Betrachtungen, die freilich, dem Zweck Ddiejer Schrift entiprechend, mr jehr jummarische fein fonnten, ergtebt Tich jedenfalls joviel, daß ein jtrifter Beweis für die ZJurücdtührung Des Einfens der Warenpreife auf die Emführung der Goldwährung und Die Dadurch bedingte angebliche Anappheit des Goldes nicht zu erbringen tt; daß es mehr als zweifelhaft it, ob die jett Jahren in land- wirtichaftlichen Kreifen erjtrebte Anderung unjerer Währungsemrichtungen mit dem Ziel der Einführung dev Doppehvährung die von den Yand- wirten erhofften Borteile nahhaltig zu bringen vermag; und ob nicht vielmehr aus der geplanten Anderung der Währungseinrichtungen für zahlreiche Bolkskreife Ichwere Schädigungen ihrer ssntereflen zu bejorgen ind. Unter diefem Gefichtspunft muß man den großen Aufwand au geiitiger Arbeit, der auf die „Bopulariiierung“ dev Doppelwährungsfrage in der ländlichen Bevölkerung verwendet wurde, um jo mehr bedauern, als leßtere dadurch leicht von näher liegenden, wichtigeren und realilier- baren a“ zu ihrem Schaden abgelenft wird. Die Währungsfrage fönnte Ichon deshalb aus dem Kreis agrarischer Betrachtungen ausscheiden, weil eine Berwirflihung der angejtrebten Doppelwährung — wenn ihr überhaupt ernftlich näher getreten werden wollte — jedenfalls im weiter gerne jteht. Denn Deutjchland allein kann ich auf Diejes Währungserperiment jchon deshalb nicht einlaffen, weil es in diefem Fall der Ablagerungsplab aller überjchüffigen Silbervorräte der Welt würde, md weil nach dem befannten Gejeß, dal das geringwertige Metallgeld das höherwertige verdrängt, zum unberechenbaren Schaden für umjere ganze Wirtichaftslage unjer jämtliches Gold nach dem Ausland abfliegen müßte. Die auch von den Vertretern der Doppelwährung vorausgeleßte 302 Sedjites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. Siternationalität des Borgehens dürfte auf lange Zeit hinaus der Berrvirflihung nicht fähig Jen, olange insbejondere England in jeiner ablehnenden Haltung verharrt. Dem Zultandefommen einer internationalen Währungsübereinfunft würde jchon die Yöjung der einen Frage nahezu unübenrvindliche Schwierigkeiten bereiten, wie denn eigentlich in einem internationalen Münz-Übereinfommen für das einzurichtende Syitem der Doppelwährung das Wertverhältnis von Silber zu Gold feitzu- jegen wäre, ob nämlich auf einer dem jeßigen Öeldpreis des Silbers ent- iprechenden Grundlage (32,60 :1) oder auf der früheren Grundlage von 15,5: 1 oder auf irgend einer anderen in der Mitte liegenden Wertgrund- lage; denn die nterejfen der HauptsSilberproduftionsländer einerz, Die der andern Yänder andererjeits gehen hier durchaus nicht zufammen. Ein alle Yänder oder doch die Hauptfulturländer umfaljender Währungsbund hat endlich vor allem die Aufrechterhaltung des abgejchlojjenen Währungsvertrags für lange Beit, d. h. die unbedingte Er- haltung des Weltfriedens zur umerläßlichen Borausjeßung. Aber welche Garantieen bejtehen hierfür und für die Annahme, daß nicht einer der Bertragsitaaten oder u derjelben fich eimjeitig von dem Währungsbund loslöjen, und welche Verwirrung des Geldwejens mitte eintreten, wenn mit dem Auseinanderfall des Währungsbundes die tır den einzelnen Staaten in größerm oder geringerm Umfang umlaufenden Silbergeldvorräte plößlich eine Entwertung erführen, jeder Staat infolge dejjen bemüht wäre, die in jenen Grenzen umlaufenden Silbermengen möglichit vajch abzujtogen, und zugleich der denkbar erbittertite Kampf um das wertbejtändigere iumd wertvollere Gold unter den einzelnen Nationen entbrennen würde! — Man fann jehr wohl der Meimnng jein, daß Die Goldwährung nicht für alle Staaten paßt, weil nur wirtichaftlic) fräftige Bölfer in der Lage jind, die für die Aufrehhterhaltung der Goldwährung nötige Öoldmenge jederzeit fich zu bejchaffen und feitzuhalten. Wenn aus diefem Grund wirtjchaftlich minder fräftige Kationen wohl daran thun, auf das Experiment der Goldwährung jic) nicht einzulafjen, weil fie der Gefahr verfallen, aus der Goldwährung direft in die Papierwährung zu geraten (Stalien, Argentinien 2c.), To wäre doch schwerlich einzufehen, warum auch die höchitgeitellten Nationen der Vorteile, die die Bafierung des Verfehrs auf dem wert- beitändigiten Edelmetall Ddarbietet, jich entjchlagen, d.h. auf die Goldwährung verzichten jollen. Jedenfalls dürften unjere Landwirte ihren snterejjen nichts vergeben, wenn fie — jtatt noch ferner in verführerischen Doppel- währungs= Zufunftsbildern fich zu ergehen — Diejes angebliche große Rettungsmittel der Landwirtichaft aus dem Kreis der landiwirtichaftlichen PBrogrammpunfte der nächiten Zufunft ausjcheiden. s 52. Cchlußbetrahtungen. Nücdblid und Ausichau. 303 $ 52. Schlußbetrachtungen. Interefjenfämpfe der Gegenwart; aararifhe und antiagrarifche Strömungen; Rückblit und Ausjchau. Nie die Durch die ummwälzenden Borgänge im Welthandelsverfehr geichaffene Notlage eines großen Teils des europätjchen, nicht bloß des dentichen Grundbeiiges jeit Ende der jiebenziger Jahre im Bordergrumd der öffentlichen Erörterungen fich befindet, jo it auch der Gejeßgebung und VBerwaltungsthätigfeit der legten Jahrzehnte Durch Ddiefe Vorgänge ihr bejonderer Charakter aufgeprägt worden. u von Jahr zu Jahr wachjendem Maße hat im deutjchen Weich wie im den Einzeljtaaten zu Gunsten der bodenbewirtichaftenden Stlafjen die Staatsfürjorge eingejebt, und man fann dieje Staatsfürjorge nicht bejfer fennzeichnen, als indem man jie als einen jtaatlich geleiteten und organt= jierten Kampf gegen die nachteiligen Folgen eines überwälti= genden Wettbewerbs des Auslands auf die inländijche Urpro= duftion auffaßt. um ijt vielleicht eine der bedauerlichiten Erjcheinungen der Gegen- wart, daß der Kampf um die Sntereffen des Grumdbeiißes von zahl- reichen Vertretern desjelben mehr und mehr in einer die landwirtichaft- lichen Interefjen rüchichtslos in den Vordergrund rücenden, die Lerden= ichaften weiter Streife aufwühlenden Weile geführt und die Hilfe der Staatsgewalt auch für jolche Ziele in Anspruch genommen wird, Die tır einer vom Standpunkt gleihmäßiger Wahrung aller Bevölferungsinter: ejjen geleiteten Staatspolitif unmöglich Raum finden fünnen. Die ab- fällige Beurteilung einer maßvoll waltenden Negierungspolitif Durch die Vertreter einer ertremsagrariichen Nichtung hat leider im weiten $tretjen der Landbevölferung Echo gefunden und viele Angehörigen der legteren in eme denfbar jcharfe Kampfitellung gegenüber den Negierungstreijen gedrängt, die fofort als von manchefterlichen Anjchauungen erfüllte denunziert werden, wenn den Forderungen und Wiünjchen, felbjt jolchen ertremfter Art, nicht Schlag auf Schlag Erfüllung im Ausficht teht. Der hierdurch geichaffene Zwiejpalt des öffentlichen Lebens wird weiter Dadurch verjchärft, daß in nichtagrarischen Streifen häufig jelbit der be- rechtigte Kern agrarifcher Forderungen nicht anerfannt werden vorll und auch den wohlbegründetiten Anforderungen der Vorwurf „agrarischer Bes gehrlichkeit“ nicht eripart bleibt. Die Meinung der nichtagrariichen Streife, daß bei gutem Willen und ausreichendem Gejchiet die Yandwirte jchon aus eigener Straft der Schwierigkeit der Yage Herr zu werden vermöchten, dag die Erfranfung des landwirtichaftlichen Organismus um jo rajcher überwunden \verde, je mehr man diefen Organismus dem natürlichen Helungsprozeg überlafje und ihm Zeit günne, die erfranften und ım= brauchbar gewordenen Teile auszujcheiden, daß aber jedes Eingreifen von außen, das auf fünjtliche Erhaltung von nun einmal dem Abjterben ver- tallenen Gliedern abziele, mehr Schaden als Nuten itifte und Die end- 304 Sechites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs ıc. liche Gefundung nur Hinauszögere — dieje dem freipändleriichen Gedanfen- freis entnommene Auffallung it genau ebenjo einjeitig, jo „extrem“, wie die in maßlojen Anjprüchen an den Staat ich fundgebende Auffafjung der extremsagrartichen Richtung des landwirtichaftlichen Berufsitandes. Die Wahrheit tft, daß die Machtmittel des Staats, wie zu Öunften jedes notleidenden Standes, jo auch zu Gunsten des landwirtichaftlichen Berufsitandes, eingejebt werden Dürfen und eingejeßt werden müljen, wenn der Staat mehr als em bloßer Nechtss und Bolizeiftaat fein, wenn er zum Ausdruck bringen will, daß er auch Kulturitaat und zugleich höchite ISohlfahrtsgemeinjchaft aller in ihm Lebenden it; daß es aber in der Deacht feines Staats gelegen it, über wirtichaftliche Schäden und Krijen nit den Witteln der Gejeßgebung und Berwaltung allen Hinwegzubelfen, daß es vielmehr der thätigiten Witwirfung der unmittelbar Beteiligten jelber bedarf. Als größter und verhängnisvolliter Wahn landwirtichaft- licher Streife tt Die Auffaffung zu bezeichnen, als ob es gegenüber der strilis der Gegenwart ein „Umiverjalrezept“ gebe, deifen Anwendung überall Die vorausgejegten Heihvirfungen verbürge, wo im Gegenteil tm Sinn der dvorausgegangenen Betrachtungen der Hebel an taujend Ecken angelegt werden. muß, um des Erfolges ficher zu gehen. Als eriter und hauptlächlicher Grundjag für die Art der Bethätigung wirffamer Staatshilfe it in den vorausgegangenen Betrachtungen erfannt orden, Daß jeder auf wirtichaftliche und joztale Unabhängigkeit Anjpruch erhebende Wirt die Grundlage Ddiefer jeiner Unabhängigkeit zunächit jelber mit dem ganzen Aufgebot jeiner eigenen Kraft zu behaupten verpflichtet it md ein belfendes Einjchreiten der jtaatlichen Gemeinschaft in einem die Freiheit des Erwerbslebens verbürgenden und nicht etwa jtaats- jocialiftiich organifierten Staatswejen erjt dann praftiich werden darf, wenn und joweit die private Selbjthilfe verjagt. Aus auten Gründen haben daher alle agrarijchen Enqueten der jiebenziger und achtziger Sahre in fräftiger Weife die notleidende Yandwirtichaft der weit: und mittel= europätichen Staaten auch auf die Selbjthilfe verwiefen und als Aftionsgebiete diejer Selbithilfe die fat überall, zumal im den Streifen der bäuerlichen Bevölkerung ehr wohl möglichen und ausführ- baren Verbeijerungen der Technik des landwirtichaftlichen Be- triebes bezeichnet. Unter diefem Gefichtspunft gewinnen daher in der Gegenwart erhöhte Bedeutung alle in den vorausgegangenen Stapiteln beiprochenen, eine höhere Erträglichfeit des Grund und Bodens bezweden= den Einrichtungen und Maßnahmen der Landesfultur; desgleichen Dies jenigen Einrichtungen und VBeranftaltungen der Landwirtjchaitspflege, die darauf abzielen, eim höheres Maß landwirtichaftlicher Jacdı: bildung zu verbreiten md die durch die wifjfenichaftliche Erkenntnis ge= zeitigten Fortichritte der Betriebstechnif und Betriebsöfonomie zu einem Sememgut thunlichit aller Yandwirte zu machen; endlich alle diejenigen Beitrebungen, die bezwecen, die wirtichaftliche Kraft des Einzelnen auf u a A en Di at EEE $ 52. Schlußbetrachtungen. Rücblid und Ausichau. 305 dem Wege der Aijociation zu fteigern. Auch von den Wortführern der ertremsagrariichen Richtung sollte man füglich die Anerfenntnis da- für erwarten dürfen, dab in dem Hinweis auf eine emergiiche Aufraffung und Anjpannung aller wirtichaftlichen, intellektuellen und moralijchen Kräfte umd in der Betonung der Selbjthilfe eine für die Angehörigen aller Berufsjtände, auch des landwirtichaftlichen, notwendige und unentbehr- liche Forderung enthalten it, von devem rechtzeitiger und ausgiebiger Er- füllung die Heilung der Agrarkrifis ebenfalls abhängt. Denn die land- wirtichaftliche Frage der Gegenwart it mit auch eine Frage der Er- ziehung und Bildung; und diejenigen Leiter und Vertreter einer ertrem- agrariichen Nichtung, die das Wejen der Selbjthilfe und die der Selbit- hilfe jich Darbietenden Mittel der Beljerung allzujehr unterichäßen, jollten fich der jchweren Verantwortlichfeit diefer Haltung wohl bewußt jein. Denn fie fan nur zu leicht die Wirkung haben, die an die Selbithilfe appellierenden Beltrebungen der Staats: und Vereinsthätigfeit in den Augen der landwirtichaftlichden Bevölkerung herabzujeßen,. deren Auf- merfjamfeit auf zum Teil utopijche Biele abzulenten oder Doch möglichen Änderungen des Agrarrechts eine übertriebene Tragweite beizulegen und die trügeriiche Hoffnung zu erweden, daß innerhalb der als Ideal vor- ichwebenden Agrarverfafjung die unbedingte Sicherung des Grumdbefißes gleichham als Gejchent jedem Grundbejiger von jelbit in den Schoß falle. Die ungerehte Beurteilung des zur Abmilderung und Ab- ihwächung der Agrarfriiis thatlächlich Erreichten durch die Vertreter einer ertremsagrariichen Richtung zeigt Sich auch darin, daß der pojitiven Weiterbildung des Agrarrechts, joweit fie nicht in einem übertriebenen Proteftionismus zum Ausdruc gelangt, die Bedeutung abgeiprochen oder diefe Bedeutung doch nur jehr eingejchränft anerfannt wird. um it aber Doc ganz unbeftreitbar, daß gerade auch im Bereich der eigent- lichen Agrarpolitif große reformatorijche Anderungen jich voll- zogen haben oder angebahnt jind, und daß in feiner zurücklegen den Zeit den agrarpolitiichen Vorgängen je jolche Aufmerfjamfeit wie in der Gegenwart zugewendet worden it. Smiofern der Rüdgang tm der Nentabilität im landwirtichaftlichen Gewerbe am a innerhalb der verjchuldeten Betriebe jich geltend machte, trat die Berihuldungs- frage vor allen anderen in den Bordergrund, und e3 haben inzwijchen eine Neihe wichtiger Forderungen fat überall die eritrebte Erfüllung ges funden: jo die gute, den Verhältnifjen des Grundbeiiges und Yandivirt- ichaftsbetriebs angepaßte Einrihtung des Grund- und Betriebs- fredits auf dem Weg der ie unfündbaren Annuitätenfredits und der rajchen Zugänglichmachung der Vorteile des finfenden Zinspußes im Rahmen öffentlich-vechtlicher oder verwandter Organijationen, jowie durch) das Mittel der Lofalifierung der dem Betriebsfredit dienenden Kreditanitalten und zwar auf genofjenjchaftlicher Grundlage; ferner die Zulaffung der Nentenichuld neben der Stapitaljchuld; weiter die Vorz Budenberger. 20 306 Sedites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtjchaftlichen Betriebs ac. jorge für eme jchonendere Behandlung des verichuldeten Grumdbeliges durch Humanere Ausgeftaltung des Zwangsvollitrefungsrechts; end- lich die Straffere Ausgejtaltung des Wucherrehhts. Eine Anzahl Fragen (Einführung von Berschuldungsbeichränfungen, größere Grundbefisficherung auf dem Weg der ‚sneorporation oder des Heimftätterechts) Harren allerdings noch der Yöjung; aber Ddieje Fragen Sind jo jehr bejtritten, gerade auch in den landwirtichaftlichen Streifen jelber, daß Die Ausjegung der Lölung wahr: haftig feinen Grund zur Bejchwerde abgeben fann. it f dem Gefichtspunft, daß tm Zeiten finfender Rentabilität Unfälle und Ver- (ufte Durch äußere jchädliche Einflüffe der Natur noch jchwerer als jonjt auf der N (aiten, auch die Organtjation des landwirt] u lichen Berlicherungswejens und der landwirtichaftlichen Bolizet fait überall thatkräftig in die Hand genommen und einer befriedigen= den Regelung entgegengeführt worden. — So hat endlich, ae en auf den tiefgreifenden Einfluß der Ordnung der Gr undbefißberh altnifje auf die Sejamtgejtaltung der Lage der bodenbefigenden Stlaffen, auch auf dem wichtigen Hebiet des Erbrechts eine veformatoriiche Bewegung eingejeßt und ihren Ausdruck in zahlreichen neuen Anerbenrechtsgejegen, in der Anerkennung des Ertragswerts- an Stelle des Verfehrswertsprinzips bei Erbichafts- vequlierungen, jowie in der gejeßlichen Statwirung Ichonlicher Behandlung des Anerben zur Verhütung von Erbesüberjchuldung gefunden. — Alle diefe von echt jocialöfonomijchem Gerit erfüllten Um=- und Fort: bildungen des älteren Agrarrechts, wie fie in den vorausgegangenen Kapiteln eingehende Daritellung gefunden haben und die zum Teil wenigjtens dem Grundbejis eine augenblicliche Erleichterung oder Stüße verschaffen (fo insbejondere die bejjeren organtatorischen Emrichtungen des Sreditweiens, der Versicherung, der landwirtichaftlichen Bolizet), zum Teil allerdings nım allmählich die erhoffte Wirffamfeit zu entfalten vers mögen (was insbejondere von der Neform des Erbrechts, auch von den erjtrebten Heimftättegefeßen und ähnlichen Nechtsbildungen gilt), bedeuten unleugbar wejentliche Errungenschaften. Nimmt man zu allem dem hinzu, was an thatjächlichem Zollihuß der landwirtichaftlichen Bes völferung gegen auswärtigen Wettbewerb jeit den Tagen der Reform des Zoll: tarits (1879) gewährt, was ihr ferner in den legten Jahrzehnten an Er: leichterungen und Eimräumungen im Gebiet des Steuerwejens, nament- lich auch des Neichsitenerwejens (Branntwein= und Zucerjteuer!) zu teil geworden it, in welchem Umfang weiter für die Einbeziehung der Landorte in den Verfehr durch Verdichtung des Eijenbahnneges, Durch Anfichlüiie mittelit Slem= und Nebenbahnen und durch Berbejjerung des Straßemwejens jtaatlicherieits Sorge getragen, wie in den Staatsbudgets aller Staaten die zur Förderung der LYandivirtichaft ausgeiworfenen Mittel von Jahr zu Sahr im wachjendem Mafe angefordert worden jind und. alle Beftrebungen und Unternehmungen der Landesfultur der weitelt= gehenden staatlichen Subventionen jich erfreuen, jo fan von eimer bes s 52. Cchlußbetrachtungen. Nücdbli und Ausjchau. 307 haupteten „Preisgebung landwirtichaftlicher Anterejjen“ durch den modernen Staat im Ernite nicht die Nede jein, und zum mindelten haben die Landwirte feinerlei Anlaß, den guten Willen des modernen Staats, in die Wirrnifje dev Gegenwart mildernd, helfend, Fürdernd, Gegenfäße ausgleichend einzugreifen, tm Zweifel zu ziehen. Man jollte insbejondere nicht überiehen, daß im Laufe der legten sahrzehnte unzweifelhaft eine jehr viel richtigere, gereiftere Auf- faljung über die Aufgaben des Staats auf volfswirtjchaft- lihem Gebiet um sich gegriffen hat. Die ältere wirtichaftliche Lehre, die in der Überzeugung von der untrüglichen Kraft des Selbit- interefjes und in einem weitgehenden Optimismus wurzelte, dev auf jedes Itaatliche Eingreifen in wirtichaftliche Dinge verzichten zu fünnen vers meinte, hat in wijjenjchaftlichen wie in Negierungs- und parlamentarischen Kreifen nur noch wenig Vertreter. Man hat einjehen lernen, daß Die Itaatliche Gejelljchaft ein feiner und vielgejtaltiger Organismus tft, der einer nachhaltigen Diätetif bedarf, wenn fich nicht einzelne Organe auf Koften anderer übermäßig ausbilden oder entarten jollen; man lernte würdigen, daß die Gejelljchaft, um dies zu verhüten und um eine ruhige, gleichmäßige, wirtschaftliche Fortentwiclung zu verbürgen, einer nachhaltigen, zielbe- wußten jtaatlichen Interventionspolitif nicht wohl entbehren fünne. Und wie demgemäß allgemach) an Stelle der früheren vein privatiwirt- ichaftlichen Auffafiungsweiie die joctalöfonomijche ich jegte, erwachte auch das wieder in ftärferem Grade, was man das joctale Staats- gewillen nennen fann, und es begann jene pofitive Arbeit in Gejeß- gebung und Verwaltung, jene jocialreformatoriiche Bewegung auf allen Gebieten des wirtichaftlichen Lebens, deren lebte Ziele feine anderen find, als die, ein joriales Verwaltungsrecht für die eins zelnen Berufsjtände, angepaßt ihrer Sonderart, zu jchaffen. Bon diefer jocialreformatoriichen Bewegung und Arbeit it mun auch der ländliche Grundbejit ergriffen worden; und die großen Gejebgebungsakte und VBerwwaltungsmaßnahmen im Gebiete der Yandes> fultur, des Erbrechts, des Kredit: und Verficherungsmwejens, der Landwirtichaftspolizei, des Bildungswejens und der Ajjo- ctation umd die auf weiteren Ausbau diefes neuen Verwaltungsrechts des Grumdbefiges überall kräftig einjegende Bewegung find ein jprechender Beweis nicht nur für die Vertiefung der Anfchauungen über das Wejen des Grundbeiises und jeine Bedeutung für das Staatsganze, Jondern auch für die Nachhaltigkeit der Kraft, mit der diefe wachjende Einficht jic) Geltung zu verichaffen weiß. DViele Gebrechen der Zeit werden ver jtändlich, wenn fie beurteilt werden als unmittelbare und mittelbare golgen einer rüchwärtsliegenden, auf den glücklichen Verlauf des freien Spiels der natürlichen Kräfte allzu optimiftiich vertrauenden Epoche; und viele Beruhigung muß deshalb die Thatjache gewähren, daß fie durch eine Epoche mit volfswirtichaftlich gereifteren Anfchauungen und mit dem 20* 308 Sechjites Kapitel. Die Einnahmen des landwirtichaftlichen Betriebs 2c. quten Willen, Die Machtmittel des Staats allen Produftivjtänden des Bolts gleichmäßig zur Berfügung zu jtellen, abgelöft wurde. Die Aus jchau in Die Zufunft zeigt deshalb feineswegs jo trübe Bilder, wie pellimtitiiche Betrachtungswetie fie aufzurollen liebt. Und wie unjer Yandvolt — ungeachtet aller Bedrängnifje der legten Jahrzehnte — in jenem inmneriten Kern zum überwiegenden Teile wirtichaftlich gefund und leiftungsfähig Sich erwiejen hat, jo wird es im Belige feiner wirt- Ichaftlichen Tugenden und geitüßt durch eine im Ausbau begriffene Agrar- verfaffung — gewiß auch ferner das Erbe jeiner Väter zu behaupten vermögen, wird jene Tugenden und Eigenjchaften zu bewahren willen, die e8 politisch als Element des Beharrens, wirtichaftlich als In: haber des wichtigjten Produftionsmittels, joctal als Sungbrunnen der übrigen Stände zu eimem jo bedeutungsvollen Bejtandteile der Bolts- gemeinschaft erheben. Wet der Erfenntnts Diefer politischen, Yoirtichaft- lichen und jocialen Bedeutung des Yandvolfs it aber auch die Richtung für die Bahnen der Agrarpolitit jelber vorgezeichnet. Die Agrarpolitik joll nachhaltig den Sutereflen des landwirtichaftlichen Berufsitandes in allen feinen verjchtedenen Berzweigungen ich widmen, ihr. oberites Ziel die Erhaltung einer gefunden Örundeigentumsverteilung fein, die ihrerjeits in der Erhaltung und Hebung der wirtichaftlichen Letjtungs- täbigfeitt wurzelt; aber diefem Ziel dürfen nicht jtaatsjoctalitiiche Mittel dienen. Die Agrarpolitif joll der Forderung des Schuges und der Pflege der nationalen Arbeit jederzeit gerecht werden, da dieje Forderung nirgends mehr angebracht it, alS gegenüber dem PBroduftionsmittel Grund und Boden, von dejien fleißiger und intenjiver Beitellung nationale Wohl- fahrt, Kraft und Stärke von jeher bedingt war umd jelbjt im industriell vorgejchrittenen Staaten dauernd bedingt it; aber in der Verwirklichung diejer Forderung tit alles zu vermeiden, was auf Unterbindung des Selbjt- verantwortlichteitsgefühls hinausliefe und deshalb nicht dem wirtichaft- lichen Fortichritt, jondern dem Stilljtand die Wege eben würde. Aljo Staatshilfe, die der Selbithilfe Borichub leiitet; Selbithilfe, die auf wohl- meinende, verjtändnisvolle Staatshilfe fi) Nechnung machen darf. Nur in diefem Zeichen wird die Landwirtichaft fiegen. Mögen die Angehörigen des landwirtichaftlichen Berufsitandes dejjen jtets eingedenf je! Drud von Fr. Stollberg, Merfebura vi er tlagsbuchhandlung Paul Parey in- Berlin SW. ‚ Hedemannstrasse 10. Albrecht Thaer’s Grundsätze der rationellen Landwirtschaft. Neue Ausgabe, herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von Dr. 6. Krafft Dr. C. Lehmann Dr. A. Thaer Dr. H. Thiel in Wien. in Berlin. in Giessen. in Berlin. Mit Thaer’s Porträt und Biographie. Preis 16 M. Gebunden 18° M. IE . Koppe’s Unterricht im Ackerbau und in der Viehzucht. Anleitung zum vorteilhaften Betriebe der Landwirtschaft. Elfte Auflage, herausgegeben von Dr. E. von Wolff, Professor in Hohenheim. Mit Koppe’s Porträt und Biographie. Gebunden, Preis 10 M. Stöckhardt's angehender Pachter oder Landwirtschaftlicher Betrieb in Pacht und Eigenbesitz. Achte Auflage, vollständig neu bearbeitet von Dr. A. Backhaus, Professor am landwirtschaftlichen Institut der Universität Göttingen. Ein starker Band in Oktav. Gebunden, Preis 8 M. Lehrbuch der Landwirtschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Von Dr. Guido Krafft, Professor der Landwirtschaft an der k. k. technischen Hochschule in Wien. Mit 790 Textabbildungen und 17 Farbendrucktafeln. Gebunden, Preis 20 M. Daraus einzeln: I. Ackerbaulehre. Sechste Auflage. Mit 251 Textabbildungen. Gebunden, Preis 5 M. Il. Pflanzenbaulehre. Sechste Auflage. Mit 259 Textabbildungen und 4 Tafeln mit 78 farbigen Insektenbildern. Gebunden, Preis 5 M. III. Tierzuchtlehre. Sechste Auflage. Mit 269 Textabbildungen und 13 Tafeln mit 38 furbigen Rassebildern. Gebunden, Preis 5 M. IV. Betriebslehre. Fünfte Auflage. Mit 11 Textabbildungen. Gebunden, Preis 5 M. "Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Verlagsbuchhandlung Paul Parey in Berlin SW., Hedemannstrasse 10. Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse des Preussischen Staates. Im Auftrage des Kgl. Ministeriums der Finanzen und des Kgl. Ministerinms für Landwirtschaft, Domänen und Forsten dargestellt von August Meitzen, Dr. phil., Geheimer Regierungsrat, Professor. Erste Abteilung (nach dem Gebietsumfange vor 1866). Band I--IV, nebst Atlas, Preis 36 M. Zweite Abteilung (nach dem Gebietsumfange der Gegenwart). Band V. 1894. Preis 15 M. Die preussische Agrargesetzgebung. Rückblick und Ausblick. A. er Wirklicher Geheimer Ober-Regierungsrat, Präsident des Ober-Landeskulturgerichts. Preis 3 M. Ermittelung von Produktionskosten und Reinertrag landwirtschaftlicher Betriebe. Von A. Graf zur Lippe. Mit 2 graphischen Tafeln. Preis 1 M. 50 Pf. Fehler im Betriebe. Von Dr. Gustav Böhme, Kegel. Preuss. Okonomierat und Direktor der landwirtschaftlichen Winterschule zu Görlitz. Dritte Auflage. Preis 2 M. 50 Pf. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Verlagsbuchhandlung Paul Parey in Berlin SW., Hedemannstrasse 1o. Handbuch der landwirtschaftlichen Betriebslehre. Von Dr. Th. Freiherrn von der Goltz, Geh. Regierungsrat, o. ö. Professor, Direktor der landw. Akademie zu Poppelsdorf. Zweite, umgearbeitete Auflage. Gebunden, Preis 14 M. Bei der Bearbeitung der zweiten Auflage seines Handbuches der landwirtschaftlichen "Betriebslehre hat der Verfasser den Veränderungen und Fortschritten, die während der letzten Jahre in der landwirtschaft- lichen Praxis wie Wissenschaft stattgefunden haben, allseitig Rechnung getragen. Das Studium dieses Werkes wird für jeden praktischen Land- wirt ein hoher Genuss und mit dem unmittelbarsten Nutzen verbunden sein, wenn den zahlreich gebotenen Ratschlägen Folge gegeben wird. Landwirtschaftliche Taxationslehre. Von Dr. Th. Freiherrn von der Goltz, Geh. Regierungsrat, o. ö. Professor, Direktor der landw. Akademie zu Poppelsdorf. Zweite, neubearbeitete Auflage: Gebunden, Preis 14 M. Das Buch ist nicht nur für den wissenschaftlich gebildeten Landwirt, sondern auch für den Praktiker, welcher sich ein klares Bild von allen die landwirtschaftliche Taxation betreffenden Punkten verschaffen will und sich nach einer Anweisung für das Verfahren bei Abschätzung von Gütern umsieht, ein höchst wertvoller und unentbehrlicher Wegweiser. Leitfaden zur Einführung in das Studium der Agrarpolitik. Von Dr. @. Ruhland, Dozent für Nationalökonomie an der Universität Zürich. Preis 1 M. 20 Pf. BAER: San 2 = u Zn BEE System der Landwirtschaft. Von Dr. Albrecht Thaer, Geh. Hofrat, Professor der Landwirtschaft an der Universität Giessen. Zweite, neubearbeitete Auflage. Gebunden, Preis 10 M. Das vorliegende Werk behandelt in kurzgefasster Form das grosse Gebiet der landwirtschaftlichen Lehren und wird nicht nur Studierenden der Landwirtschaft ein zuverlässiger Führer sein, sondern auch älteren Landwirten als praktisches Handbuch dienen. Den neuesten Forschungen und Erfahrungen ist in dieser neuen Auflage Rechnung getragen. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Verlagsbuchhandlung Paul Parey in Berlin SW., Hedemannstrasse ro Rechts- und Verwaltungslexikon für den - preussischen Landwirt. Gemeinverständliches Nachschlagebuch über alle Reichs- und Preuss. Gesetze und Verwaltungsbestimmungen in Bezug auf den wirtschaftlichen, privaten und öffentlichen Wirkungskreis preussischer Landwirte. Von Max Löwenherz, Amtsrichter in Köln, Verfasser des „Rechtsbeistand des Landwirts‘“. Ein starker Band in Lexikon-Oktav. Gebunden, Preis 16 M. An keinen Städter, welchem Berufe er auch angehören mag, stellen Staat und Gemeinde so viel Ansprüche, wie an den Landwirt. Mit jeder Reichstags- und Landtagsperiode mehrt sich die Zahl der Gesetze und Ver- ordnungen, welche er kennen muss und meist auch verantwortlich anzu- wenden hat. Die Gebiete, um welche es sich vornehmlich handelt, sind: Reichs- und Staatsverfassung, Behörden, Wahlordnungen, Landgemeinde- Ordnung, Polizei, Kirche und Schule, Landheer und Flotte, Wehrpflicht, Finanzwesen, Agrarpolitik, Währung, Steuern, Zölle, Prozesssachen, Straf- verfahren, Geschworne, Staatsanwaltschaft, Konkurs, Grundbuchsachen, Erb- schafts- und Vormundschafts-Sachen, Testament, Jagd- und Fischerei-Gesetze, Landgüterordnung, Ablösungen, Rentengüter, Wasser-, Wege-, Feld- und Forstgesetze, Versicherungswesen, Gesindeordnung, Unterstützungswohnsitz, Viehseuchen, Alters- und Invaliditäts-Versicherung, Landeskultur-Renten- banken, Genossenschaften etc. etc. Um nun dem Landwirt über diese ganze Materie einen stets bereiten und zuverlässigen Ratgeber zu schaffen, um ihm bei jeder sich aufwerfen- den Frage eine sofortige Auskunft an die Hand zu geben, wurde von dem Verfasser des bekannten Thaer-Bibliothekbandes „Rechtsbeistand des Landwirts“ dieses Lexikon bearbeitet, welches — aufgeschlagen an der betreffenden Stelle des Alphabets — sofort klare und bündige Auskunft gewährt. Der vollständige Text aller Gesetzesparagraphen kann natürlich in einem solchen Handlexikon nicht abgedruckt werden; worauf es an- kommt, ist fast immer, dass der Ratsuchende auf den richtigen Weg gebracht wird, dass er erfährt, wie er in die Behandlung dieser oder jener Frage einzutreten hat, wem er Anzeige zu erstatten, von wem er Auskunft zu erbitten, kurz, was ohne Säumen zu geschehen hat. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. a ten ae 7 e % u e j e , 4 END Due j 5 Bit B . - Ps FE 4 = A 3 e Eu EN E RT Pa P Tr vn a, ? f 05 - Pr u E e . Tr .42#7 n En = ARE - x u 5 s Pr - - be . ri . 5 . - . x = Ri . . 2a” R et: FIRE - ” 5 « 5 a r I n 5 k > 5 n Pr . - r e y - te 2 % . “ € “ y Er 1 - B ” Per car 5 > u I - £ GR 2 x fi > > PR >; > er . : ” ’ . . f R * R : . Dr i : # - I e E % n - . M ’ } 87603 Author „Buchenberger, Adolf polj deutschen- Agrar ler ° zü ge. ’‚arund Mm Title | University of Toronto Library DO NOT REMOVE THE CARD FROM THIS POCKET Acme Library Card Pocket LOWE-MARTIN CO.LiMITED || EB ZN LA [AR ee, EEE, [A Ad nr in » CN an AN ‚ Fi r eG b ee AA DIRT Ec a de Be ,e Piz