1bar\>art> flDefcical Scbool Bowfcitcb %ibrati> Übe Gift oi GRfNDZUGE DER VERGLEICHENDEN ANATOMIE. Digitized by the Internet Archive in 2011 with funding from Open Knowledge Commons and Harvard Medical School http://www.archive.org/details/grundzgederverOOgege ?& Af/N o GRUNDZÜGE DER VERGLEICHENDEN ANATOMIE VON DR CARL GEGENBAUR, l'EOFESSOE DER ANATOMIE 7.V JENA. MIT 19H ABBILDUNGEN IN HOLZSCHNITT. LEIPZIG, VERLAG VON WILHELM ENGELMANN. 1859. &QA A i W i \ Das Recht der französischen und englischen Uebersetzung behält sich der Verleger vor. +4Pt VORWORT. In den vorliegenden Gründzügen unternahm ich eine Dar- stellung der Organisationsverhältnisse der Thiere, wie solche aus einer vergleichenden Betrachtung sich entwickeln lässt. Ich habe dabei versucht aus der Masse sich fast täglich mehr häufenden anatomischen Details das Planmässige im Baue des Thierleibes herauszulösen, und die den Typus formenden, unter gar vielge- staltiger Hülle geborgenen Grundideen der Erscheinungen überall, wo es anging, in den Vordergrund zu stellen. Aus diesem mehr auf Verarbeitung des vorhandenen als auf Beiführung neuen Materials abzielenden Plane leitete sich die Dar- stellung ab, und es konnten aus demselben Grunde die Einzel- beobachtungen nur in beschränkter Weise erwähnt werden. Na- mentlich mussten die mehr isolirten, in ihrer Tragweite noch nicht abzuschätzenden Thatsachen gegen die zu einem harmonischen Ganzen sich fügenden zurückstehen. Da aber bei der Natur des Gegenstandes dem Lernenden durch eine mehr abstracte oder doch allzusehr generalisirende Darstellungsweise der sichere Bo- den des Thatsächlichen nicht entrückt werden durfte, mussteauch dahin gestrebt werden, die Anschauung durch Eingehen in das Reale des Organ baues lebendig zu hallen und auch durch bild- liche Darstellung zu heben. Für die Bereitwilligkeit, mit der der geehrte Herr Verleger sich zur Beigabe von Holzschnitten verstand , sei ihm hier mein Dank ausgesprochen. Von den bisher üblichen Dispositionen des zu behandelnden Stoffes habe ich abweichen zu müssen geglaubt, und will mich hier zu rechtfertigen versuchen. Die eine Eintheilungsweise, nach VI Vorwort. welcher jede einzelne Thierclasse für sich behandelt wird, schloss sich gewissermaassen von selbst aus, da in ihr der vergleichende Gesichtspunkt nur ein untergeordneter ist, mh aber weniger darauf ankam, eine blosse Beschreibung der in jeder Classe vorhande- nen Organe zu geben als vielmehr eine Darstellung der Wande- lungen der Organe und Organsysteme in der Thierreihe, wie sie vom jeweiligen Typus beherrscht sind. Es hatte sich also noth- wendig der andere Eintheilungsmodus ergeben, jener nämlich, dem die grösseren Handbücher von Cuvier und J. F. Meckel , und auch das allerdings auf anderer Basis stehende neue Werk von M ilne- Edwards folgen und der die Organe, sie nach ih- ren physiologischen Beziehungen zum Körper gruppirend, durch die Thierreihe hindurch verfolgt. Ich hielt aber auch diese Weise meinem Zwecke nicht passend, einmal aus didaktischen Rücksich- ten, und dann weil dadurch einander morphologisch fremde Or- gane neben einander gestellt werden müssen, so class das hier einzig gültige morphologische Prinzip dadurch verlassen wird. Aus solchen Gründen bin ich meinen eigenen Weg gegangen, jede grössere Abtheilung des Thierreichs , die nach einem selb- ständigen nur an den tiefsten Wurzeln mit den übrigen zusam- menhängenden Plane gebaut ist, für sich behandelnd; jedoch in den einzelnen Capiteln immer da anknüpfend, wo sich mit einem vorhergehenden Abschnitte eine natürliche Verbindung ergab. Es konnte auch bei dieser Einrichtung jeder der grossen Abtheilungen eine morphologische Skizze vorausgeschickt und zur leichteren Orientirung des in den Systemen der Zoologie minder bewanderten Anfängers eine systematische Uebersicht beigegeben werden, an der ich Vieles geändert hätte, wenn zugleich eine Motivirung thunlich gewesen wäre. — So übergebe ich denn dieses Buch Lehrern und Lernenden ; sein Zweck wird erreicht sein, wenn es zur Erkennung des über den Formerscheinungen waltenden , diese vereinigenden Planes, und damit zur Verbreitung einer mehr einheitlichen Anschauung der thierischen Organisation Einiges beitragen kann. Jena, im Sommer 1859. Der Verfasser. INHALTSVERZEICHNIS nach der Reihenfolge der Abschnitte und deren Abtheilungen. Einleitung. sdte § 1. Vorbegriffe - 1 § 2. Thier und Pflanze 3 § 3. Vom Aufbau der Organe im Thierleibe 10 a) Integumentbildung 11 b) Stützorgane 12 c) Locomotionsorgane 13 d) Organe der Empfindung. — Sinnesorgane 14 e) Organe der Ernährung 19 f) Fortpflanzung, ihre Modi und Organe 28 § -1. Von den Beziehungen der Organe 32 § 5. Von den thierischen Typen 33 Allgemeine Literatur 40 Erster Abschnitt. Protozoa. § 6. Einleitung. — Literatur 42 § 7. Körperbedeckung und Bewegungsorgane . . 46 a) Von den Integumenten 46 b) Von den Sceletbildungen 52 c) Von den Bewegungsorganen und der Musculatur 52 § 8. Organe der Empfindung 53 Vom Nervensystem und den Sinnesorganen 53 § 9. Organe der Ernährung 54 a) Von den Verdauungsorganen 54 b) Von den Kreislaufsorganen 59 c) Von der Athmung und der Wasseraufnahme 62 § 10. Organe der Fortpflanzung 62 Zweiter Abschnitt. Coelenterata. §11. Einleitung. — Literatur 67 § 12. Körperbedeckung und Bewegungsorgane 69 a) Von den Integumenten 69 b) Von der Sceletbildung 72 c) Von der Musculatur 75 § 13. Organe der Empfindung 77 a) Vom Nervensystem 77 b) Von den Sinnesorganen 78 VIii Inhalt. Seite § 14. Organe der Ernährung 81 a) Von den Verdauungsorganen • 81 b) Von den Kreislaufsorganen 87 c) Von den Athmungsorganen 89 d) Von den Excretionsorganen 89 § 15. Organe der Fortpflanzung 89 Anhang. Morphologie und Geschlechtsverhältniss der Hydroi- den und Siphonophoren 94 Dritter Abschnitt. Echiuodermata. § 16. Einleitung. — Literatur 103 § 17. Körperbedeckung und Bewegungsorgane 104 a) Von den Integumenten und dem Hautscelet 104 Innere Sceletbildung 111 b) Von der Musculatur 112 c) Vom Am bulacralsystem als locomotorischem Apparat .... 113 § 18. Organe der Empfindung 114 a) Vom Nervensystem 114 b) Von den Sinnesorganen 116 § 19. Organe der Ernährung 116 a) Von den Verdauungsorganen 116 b) Von den Kreislaufsorganen 120 c) Vom Wassergefässsystem 122 d) Von den Athmungsorganen 128 e) Excretionsorgan 130 § 20. Organe der Fortpflanzung 132 Vierter Abschnitt. Vermes. §21. Einleitung. — Literatur 134 § 22. Körperbedeckung und Bewegungsorgane 139 Vom Integumente und der Musculatur 139 § 23. Organe der Empfindung 144 a) Vom Nervensysteme 144 b) Von den Sinnesorganen 151 § 24. Organe der Ernährung 154 a) Von den Verdauungsorganen 154 b) Von den Kreislaufsorganen 163 c) Von den Athmungsorganen 170 d) Von dem Excretionsorgane und dem Wassergefässsysteme . . 173 § 25. Organe der Fortpflanzung 182 Fünfter Abschnitt. Arthropod». § 26. Einleitung. — Literatur 193 § 27. Körperbedeckung und Bewegungsorgane 19S a) Vom Integumente 198 b) Von der Musculatur 201 Gliedmaassen 203 § 28. Organe der Empfindung 207 a) Vom Nervensysteme 207 b) Von den Sinnesorganen 218 § 29. Organe der Ernährung 229 I Inhalt. ix Seite a) Von den Verdauungsorganen 229 Mundtheile 229 Darm 232 Drüsen 237 Fettkörper 242 b) Von den Kreislaufsorganen 242 c) Von den Athmungsorganen 252 d) Von den Excretionsorganen 263 § 30. Organe der Fortpflanzung 26S Sechster Abschnitt. Mollusca. §3,1. Einleitung. — Literatur 2S7 § 32. Körperbedeckung und Bewegungsorgane 293 a) Vom Integumente 293 b) Vom inneren Scelete 301 c) Von der Musculatur und den Bewegungsorganen 303 § 33. Organe der Empfindung . . 308 a) Vom Nervensystem 30S b) Von den Sinnesorganen 317 § 31. Organe der Ernährung 327 a) Von den Verdauungsorganen 327 Mundtheile 327 Darm 330 Drüsen 337 b) Von den Kreislaufsorganen 339 c) Von den Athmungsorganen 350 Wasseraufnahme 350 Eigentliche Athmungsorgane 353 d) Von den Excretionsorganen 365 § 35. Organe der Fortpflanzung 371 Siebenter Abschnitt. Yertebrata. § 36. Einleitung. — Literatur.- 386 §37. Körper bede ckung und Bewegungsorgane 393 a) Vom Integumente 393 § 38. b) Vom Hautscelete 398 § 39. c) Vom innern Scelete 400 a) Von der Wirbelsäule 401 §40. ß) Von den Rippen 412 §41. y) Vom Sternum 418 § 42. 8) Von den Extremitäten 424 Unpaare Extremitäten 424 Paarige Extremitäten. 424 Schultergürtel 425 Vordere Extremität 430 Beckengürtel 434 Hintere Extremität 438 § 43. s) Vom Kopfscelete 440 § 44. Vom eigentlichen Schädel 443 Vom Kiefergaumenapparat 458 Vom Visceralscelete 465 §45. d) Vom Muskelsysteme 472 X Inhalt. Seite a) Hautmusculatur -J 72 ß) Musculatur des Scelets 473 Seitenrumpfmuskeln 474 Intercostalmuskeln 476 Seitenbauchmuskeln 477 Zwerchfellmuskel 478 Vordere Muskeln der Wirbelsäule 479 Muskeln des Kopfs 479 Muskeln des Visceralsceletes 481 Muskeln der Extremitäten 481 Organe der Empfindung. § 40. a) Vom Nervensysteme 485 Vom Gehirn 484 § 47. Rückenmark 490 § 48. Peripherische Nerven 491 § 49. b) Von den Sinnesorganen 500 § 50. c) Electrische Organe 520 Organe der Ernährung. § 51. a) Von den Verdauungsorganen 524 Zunge und Zähne 524 Darmcanal 526 Drüsen 536 b) Von den Kreislaufsorganen 539 «) Vom Blutgefässsystem 539 1) Vom Herzen und den grossen Gefässen 542 2) Vom Arteriensystem 550 § 52. 3) Vom Venensysteme 555 4) Von den Wundernetzen 559 § 53. ß) Vom Lymphgefässsystem 561 Lymphdrüsen 563 Milz 564 Thymus 564 § 54. c) Von den Athmungsorganen 565 Von den Kiemen 566 Von den Lungen 57U Luftwege 573 Schilddrüse 579 §55. Ham-und Geschlechtsorgane 579 a) Excretionsorgane 581 §56. b) Von den Organen der Fortpflanzung 585 Begattungsorgane 600 Bruttaschen und Milchdrüsen 605 INHALTSVERZEICHNIS nach den Organsystemen. Rörperliedeckimg und Bewegungsorgane. a) Vom Integumente. Seite Protozoen 46 Coelenteraten 69 Echinodermen 102 Würmer 139 Arthropoden 19S Mollusken 293 Wirbelthiere 393 b) Vom Hautscelet. Protozoen 52 Coelenteraten 72 Echinodermen 104 Würmer 139 Arthropoden 198 Mollusken 296 Wirbelthiere 398 c) Vom innern Scelete Protozoen 52 Coelenteraten . . . -. 72 Echinodermen 111 Arthropoden , 200 Mollusken ' 301 Wirbelthiere 400 d) Drüsenorgane des Integumentes. Würmer 142 Arthropoden 200 Mollusken 295 Wirbelthiere 396 e) Von der Musculatur. Protozoen 53 Coelenteraten 75 Echinodermen 112 XIT Inhalt. Seite Würmer 141 Arthropoden . 201 Mollusken • • . 303 Wirbelthiere 472 f) Bewegungsorgane und Glie d m aassen. Protozoen 52 Coelenteraten 76 Echinodermen 113 Würmer 143 Arthropoden 202 Mollusken - . 303 Wirbelthiere 424 Organe der Empfindung. a) Vom Nervensystem. Protozoen 53 Coelenteraten 77 Echinodermen 114 Würmer 144 Arthropoden . 207 Mollusken 308 Wirbelthiere 483 b) Von den Sinnesorganen. 1) Tastorgane. Protozoen 54 Coelenteraten 78 Echinodermen 116 Würmer 151 Arthropoden 218 Mollusken 318 Wirbelthiere ' 501 2) Geschmacksorgane. Mollusken . , 321 Wirbelthiere 503 3) Geruchsorgane. Würmer 152 Arthropoden 220 Mollusken 321 Wirbelthiere 504 4) Gehörorgane. Coelenteraten 79 Würmer 152 Arthropoden 220 Mollusken 321 Wirbelthiere 507 5) Sehorgane. Protozoen 54 Coelenteraten 80 Echinodermen 116 Würmer 153 Arthropoden 222 Inhalt. XIII Seite Mollusken . 323 Wirbelthiere . 512 Elektrische Organe der Fische 520 Organe der Ernährung, a) Verdauung s organe. 1) Kauorgane. Protozoen 57 Echinodermen 117 Würmer 156 Arthropoden 229 Mollusken 327 Wirbelthiere 524 2) Darmcanal. Protozoen 14 Coelenteraten 81 Echinodermen 118 Würmer 158 Arthropoden 232 Mollusken 330 Wirbelthiere 526 3) Speicheldrüsen. Würmer 162 Arthropoden 237 Mollusken 337 Wirbelthiere * 537 4) Leber. Coelenteraten 87 Echinodermen 120 Würmer 162 Arthropoden 239 Mollusken «... 338 Wirbelthiere 537 Bauchspeicheldrüse der Wirbelthiere . .' 538 b) Kreislaufsorgane. Protozoen 59 Coelenteraten 87 Echinodermen 120 Würmer 163 Arthropoden 242 Mollusken 339 Wirbelthiere 539 c) Ath mun gs organe. Protozoen 62 Coelenteraten 89 Echinodermen 128 Würmer 170 Arthropoden 272 Mollusken 350 Wirbelthiere 565 XIV Inhalt. Seite d) Excretionsorgane. Coelenteraten 39 Echinodermen 130 Würmer 173 Arthropoden 263 Mollusken 365 Wirbelthiere 581 Organe der Fortpflanzung. a) Ungeschlechtliche Fortpflanzung. Protozoen 62 Coelenteraten 89. 94 Würmer 135 b) Geschlechts Werkzeuge. Protozoen 63 Coelenteraten 90 Echinodermen 132 Würmer ' 182 Arthropoden 268 Mollusken 371 Wirbelthiere 5S5 E i n 1 e i t u ii g. §• 1- Vorbegriffe. Die Wissenschaft vom Leben der organischen Natur hat sich seit langem schon in zwei Zweige gespalten , von denen der eine die Erfor- schung der Vorgänge, welche im Leben und durch das Leben in die Er- scheinung treten , der andere die Erforschung der Verhältnisse der ma- teriellen Form, in welcher die Lebensvorgänge sich äussern, sich zur Aufgabe gestellt hat. Physiologische und morphologische Wissenschaft sind auf diese Weise, soweit sie sich auf dasThierreich beziehen, ausein- andergegangen. Es kann nicht geläugnet werden, dass dieErreichung des von beiden gemeinsam angestrebten Zieles dadurch in die Ferne gerückt wird, es ist aber auch ebenso gewiss, dass durch die Theilung der Ar- beit bei klarem Bewusstsein des Strebens die Bahn nur um so siche- rer wird gebrochen werden. Da das gemeinsame Ziel aber weder durch die eine noch die andere Bichtung der Forschung für sich erreicht wer- den kann , sondern erst aus einer Vereinigung beider zur Biologie, so ist es nothwendig, dass beide, selbst auf getrennten Wegen, sowohl einan- der als auch das Endziel im Auge behalten, und sich immer nur als Theile jenes Ganzen betrachten , durch welche sie allein ihre höhere Be- deutung empfangen. Die Morphologie hat als specielle Aufgabe die Erforschung der Form- erscheinungen des Lebens , wie sie entstehen , sich entwickeln , welche Beziehungen sie zu einander eingehen , und endlich welche allgemeinen Theorien aus den der thierischen Körperform zu Grunde liegenden Ideen sich bilden lassen. Sie betrachtet das Thier nicht nur als ferti- ges Wesen , sondern auch in allen Zuständen seiner früheren Bildung, und es genügt ihr ebensowenig nur die äussere Form , sondern sie ver- folgt die Gestaltung der Theile bis zu den feinsten Organen und deren Elementen, so dass sie hiermit die Lehre von der Entwicklung und vom Baue der Thiere im weitestem Sinne in sich begreift. Gegenbaur, vergl. Anatomie. i o Einleitung. Damit sondert sich die thierische Formenlehre auch wieder in zwie- facher Weise ab, und lässt die Entwicklungsgeschichte und die Anatomie der Thiere als Bestandteile hervorgehen, beide jedoch nur scheinbar selbständig, vielmehr allseitig in einander eingreifend, und sich gegenseitig zu ihrer Vollendung emportragend. Wenn die Kenntniss des Baues der Thiere für sich (als Zootomie) nur als eine allgemeine morphologische Hilfswissenschaft zu betrachten ist, so tritt sie der Morphologie um Vieles näher, sobald sie sich zur vergleichenden Anatomie erhebt, in der die Fülle des zootomischen Details nur das Mittel ist, um damit den Bauplan der Formen und ihrer Theile zu enthüllen. Es geschieht dies durch Abwägen des gegenseiti- gen Werthes der einzelnen Körpertheile und deren Beziehungen zu ein- ander sowohl, wie zum ganzen Körper, durch Auffinden und Zusammen- stellen des gleichartig Gebildeten, und durch darauf basirte Ableitung allgemeiner Principien, unter deren Herrschaft die einzelnen Thatsachen stehen. Die vergleichende Anatomie ist somit wesentlich synthetisch, wäh- rend das Verfahren der Zootomie ein analytisches ist. Analyse und Syn- these stehen aber in einem innigen Wechselverhältnisse, und die Erfah- rungen der Zootomie geben der vergleichenden Anatomie eine feste Basis ab, auf der sie ihr Gebäude um so dauernder errichten kann, als die er- steren ausgebreitet waren. Der Werth der blossen Thatsache liegt in der aus ihr zu leistenden Ableitung allgemeiner Erscheinungen und der daraus hervorgehenden Begeln und Gesetze. Je reicher das Material der feststehenden Thatsachen ist, um so ausgedehntere Erscheinungsreihen werden durch sie ausgesprochen und abgeleitet werden , und um so si- cherer wird die Wissenschaft von übereilter Speculation bewahrt. — Das Wechselspiel der Lebenserscheinungen hat ursprünglich den gesammten Körper gleichmässig zum Substrate, ohne dass ein Theil vor dem andern zur Erfüllung der Lebensbedingungen vorzugsweise gebildet sei. Die Eizelle , aus der das neue Thier sich entwickelt, so- wie selbst viele Thiere im fertigen Zustande zeigen uns diese Erschei- nung, und letztere vermögen die Functionen der Empfindung, Ernährung und Zeugung durch alle Körpertheile zu vollziehen, und repräsentiren so das Leben in seinen einfachsten Formen. Werden die einzelnen Verrichtungen an besondere Körpertheile ge- knüpft, so sind diese zu dem bestimmten Zwecke besonders gebildet, und erscheinen dann in Bezug auf die Gesammtthätigkeit des Körpers, d. i. auf das Leben, als dessen Werkzeuge, als »Organe«. Die Vereinigung sämmtlicher vom Leben vorausgesetzten und zu einem Ganzen harmonisch verbundener und zusammenwirkender Organe bildet den »Organismus«. Der Begriff des Organismus beruht aber nicht wesentlich in dem Vorhandensein der Organe, wovon er nur ur- sprünglich abgeleitet ward, sondern er wurzelt vielmehr in den Functio- nen, so dass wir alle jene individuellen Körper, welche die Bedingungen Thier und Pflanze. 3 des Lebens selbst ohne Organentfaltung in sich tragen, gleichfalls als Or- ganismen bezeichnen, und dadurch die physiologische Bedeutung des Be- griffs aussprechen. In der Erscheinung der Organe . die uns die unendliche Verschie- denheit der Wege zeigt, auf welchen dasselbe Ziel erreicht wird, sind es vorzüglich zwei Verhältnisse, welche der Gegenstand unserer Beobach- tungen und Beflexionen werden, nämlich die Differenzi rung der Organe, die allmähliche Bildung jedes einzelnen Organs oder Organsy- stems in dem gesammten Thierreiche, und zweitens die Beziehungen der verschiedenen Organe zu einander in den einzelnen Lebensformen. Die zuerst in der Localisirung der Functionen auftretende Differenzirung der Organe bestimmt durch ihre Grade den Unterschied, den wir zwi- schen den einzelnen Organismen statuiren, insofern wir sie als niedere oder höhere bezeicnnen. Erstere sind solche, bei denen in Beziehung auf andere die Differenzirung der Organe und somit auch der Function durch geringere Gomplicirung derTheile eine niedere Stufe aufweist. Der Begriff der höheren Organismen geht dann aus dem entgegengesetzten Verhalten hervor, beide sind somit stets relative, ohne bestimmte Gränze. Darnach gliedert sich auch die ganze Summe der thierischen Organismen in aufsteigender Folge vom einfacheren zum complicirteren, und wir er- langen eben in dieser graduellen Ausbildung der Lebensformen und in diesen der Organe einen Anhaltepunct zu einer allgemeinen Auffassung des Thierreiches als einer fortlaufenden Erscheinungsreihe der Entwieke- lun« vom niederen zum höheren. Thier und Pflanze. Der wissenschaftliche Standpunct unserer Anschauungen von der organischen Natur hat sich in keinem Verhältnisse jedesmal so treu ab- gespiegelt, als da, wo es sich um die Erörterung der Unterschiede han- delt, welche zwischen Thier und Pflanze bestehen. Seit jener Zeit, als vor mehr denn hundert Jahren die Thiernatur der pflanzenartig fest- sitzenden, baumähnlich verästelten und blüthengleiche Individuen tra- genden Polypenstöcke kund w7ard*j, hat jede neue Forschung in diesem Gebiete neue Theorien zu Tage gebracht, von denen eine die andere ver- drängte. Als das Mikroskop und seine Anwendung zum Studium der klein- sten Organismen in diesen eine neue Welt erschlossen hatte, da sah man *J Durch Peyssonnel wurde zuerst 4 727 in den Me'moires de l'Acade'mie des sciences die thierische Natur der bisher als »Lithophyten« bezeichneten Korallen- stöcke nachgewiesen. Freilich konnte man sich auch dann noch nicht ganz mit der Vorstellung vertraut machen, es hier mit ausschliesslich thierischen Wesen zu thun zu haben, was sich am besten in dem nunmehr ihnen zugelegten Namen der »Zoo- ph> ten« ausdrückt. I ' 4 Einleitung. bald, dass hier dieGränze zu suchen sei, und dass diess, so deutlich und zweifellos bei vorhandener Organentfaltung die Bestimmung ob Thier und Pflanze geschehen könnte, gerade hier auf unendliche Schwierigkei- ten stiess. So entstand denn sehr bald eine in den verschiedenen Zeiten verschieden grosse Abtheilung von Organismen , die bald für Thiere, bald für Pflanzen angesehen wurden, ja es fehlte auch an solchen nicht, welchen weder die Botaniker noch die Zoologen eine Stelle in ihren Re- gistern einräumten. — Man hat für jene kleinen Wesen eine Reihe von Kriterien aufzustellen versucht, nach denen sie sich in Pflanzen und Thiere scheiden sollten, und es war vor allem die Aufnahme fester Nah- rung ins Innere des Körpers, welche ausschliesslich den Thieren zukom- men sollte, indess sie dem Pflanzenreiche abginge. Allein das Vorkom- men mundloser, unzweifelhafter Thiere , die den Pflanzen ähnlich durch endosmotische, durch ihre Körperoberfläche vermittelte Vorgänge er- nährt wrerden, beraubt jenes Kriterium seiner Allgemeinheit. Auch die chemische Zusammensetzung liefert nichts weniger als genügenden Aufschluss ; denn nachdem man längere Zeit hindurch die Bildung stick- stoffloser Membranen (aus Cellulose) ausschliesslich den Gewebselemen- ten des Pflanzenreichs zuschrieb und ebenso stickstoffhaltige jenen der Thiere , hat man erstere denn auch an thierischen Körpern nachgewie- sen*) ; und selbst das Vorkommen des Chlorophylls ist ohne entschei- dende Bedeutung, seit solches sogar bei manchen Würmern [Turbella- ria) als ein Bestandtheil des Körpers entdeckt worden ist**), sowie auch viele Pflanzen seit lange bekannt sind , die dieses Stoffes entbehren (Pilze u. s. w.). Ferner liefert die Art der Zeugung keine Unterschiede mehr, seitdem man weiss, dass gerade die Form der geschlechtlichen Vermehrung, wie sie durch Bildung von Samenfäden und Eikeimen und deren Einwir- kung aufeinander bei Thieren besteht, auch niederen Pflanzen zukommt und dort, wie es scheint, in derselben Weise abläuft***) ; und was die ungeschlechtlichen Vermehrungsacte betrifft, so ist hier dieUebereinstim- mung beider Reiche schon längst erwiesen und in dem Maasse offenbar, dass keine Form derselben im Thierreiche existirt, die nicht bei Pflan- zen ihr Vorbild hätte. Es drückt sich dies am deutlichsten darin aus, dass mehrfache Formen dieser Vermehrung mit Namen belegt sind , die entsprechenden Vorgängen im Pflanzenreiche entstammen (Sprossung, Knospenbildung) . *) Durch Carl Schmidt (zur vergleichenden Physiologie der -wirbellosen Thiere, Braunschw. 1845) im Mantel der Ascidien, wo sie ein Jahr später durch Löwig bestätigt waixl {Ann. des sc. nat. Zool. 3. ser. T. V. 18 46). **) Ein mit dem Chlorophyll der Pflanzen in seinen chemischen Eigenschaf- ten genau übereinstimmender grüner Farbestoff wird von M. Schultze (Bei- träge zur Naturgesch. der Turbellarien, Greifswald 185-1) bei Vortex viridis und Mesostomum viridatum nachgewiesen, ausserdem auch noch bei Hydra viridis und Slentor polymorphus erkannt. ***) Vergl. die verschiedenen Arbeiten von Pringsheim und Colin. Thier und Pflanze. 5 Die Erscheinung der Ortsbewegung, die, wie man glauben möchte, nur thierischen Wesen zukömmt, ist unter niederen Pflanzen in gewissen Zuständen ihrer Entwicklung eine sehr verbreitete . und gerade jene Organe, die wir im Thierreiche bei der Ortsbewegung eine grosse Rolle spielen sehen, nämlich die Wimperhaare, finden sich ebenso an den Schwärmsporen der Algen. Es lassen die Zellen, in welche sich der In- halt mancher Algen theilt, einen oder mehrere bewegliche Fädchen aus sich hervorwachsen, mit denen sie zu frei umher schwimmenden Wesen werden. Diese Cilien erleiden erst eine Rückbildung und schwinden, wenn die Schwärmspore in den ruhenden Zustand übergegangen und sich festgesetzt hat. Die Wimperbewegung dieser Organismen sollte aber eine unwillkürliche sein , durch physikalische Vorgänge vermittelt, unter denen endosmotische auf die Ernährung hinzielende Phänomene die Hauptrolle spielten. Wenn man hingegen die Rewegung niederer Thiere (Infusorien) durch Empfindung voraussetzende Willensreflexe ver- mittelt ansah, und dies aus der Zweckmässigkeit der Rewegung selbst erkennen wollte, so musste man fragen, wo ist hierfür der Maassstab zur Reurtheilung? Es ist offenbar nicht glücklich gewählt, ein so wenig sicheres, ganz in der subjectiven Auffassung des Reobachters liegendes Kriterium , wie es die Willkürlichkeit und die daraus folgende Zweck- mässigkeit, der Rewegungen ist, zum Angelpuncte einer so wichtigen Frage zu machen, und ebenso unrichtig ist es hierbei, von der noch völ- lig unerwiesenen Voraussetzung auszugehen : dass der in den Rewe- gungserscheinungen sich kundgebende Grad vitaler Energien bei thie- rischen Organismen ein wesentlich verschiedener sei von jenem, der niederen Pflanzen innewohnt. Wo wir gleichen Erscheinungen begegnen, da müssen nothwendig dieselben ursächlichen Momente walten , und wo es unmöglich ist die Verschiedenheiten der Erscheinungen festzustellen, da werden auch die Causalverhältnisse nicht als verschiedene anzuse- hen sein. Der hier in Retracht kommende Grad der Empfindung ist als ein un- endlich geringer anzusehen, denn das Maass der Empfindung nimmt von seiner höchsten Stufe an durch die ganze Thierwelt hindurch in ebenso stetiger Weise ab , als die allgemeinen Organisationsverhältnisse niedri- ger werden. Ein einziges Organ vermag uns hier schon diese gewalti- gen Differenzen zu veranschaulichen; wählen wir das Auge, und verglei- chen wir die Wahrnehmung, die durch das complicirte Sehorgan eines Vogels oder Säugethiers zu Stande kömmt, mit jener, welche ein blosser, mit einem specifisch percipirenden Nerven versehener Pigmentfleck eines Wurmes vermittelt. Die Unterscheidung von Farben und bestimmten Ru- dern ist zur blossen Wahrnehmung von hell und dunkel herabgesunken. Wenn schon in diesem Falle bei vorhandenen bestimmten Organen eine so grosse Verschiedenheit des Grades der Empfindung besteht, um wie viel beträchtlicher muss die Verschiedenheit der allgemeinen Empfindung sein , für die wir am einen Ende der Thierreihe ein hoch ausgebilde- 6 Einleitung. tes Nervensystem bestehen sehen , während am anderen Endpuncte keine Spur von irgend welchen Organen vorhanden ist. Aus diesen Gründen darf also auch die Willkürlichkeit der Be- wegungen als Kriterium für die Thiernatur nicht festgehalten werden, wozu uns mehr der mangelnde Nachweis derselben für die niedersten Thierformen, als das Vorkommen derselben Erscheinungen bei niederen Pflanzen bestimmt. Wollen wir jedoch für die niedersten Thiere das Bestehen einer solchen die Willkür in der Bewegung bedingende Empfindung postuli- ren , so wird nach den vorliegenden Thatsachen unerlässlich , dieselbe auch den niederen pflanzlichen Organismen zuzuschreiben. Von diesem Gesichtspuncte aus muss auch eine Reihe anderer an obige sich innig anschliessender Erscheinungen beurtheilt werden , die in der Contractilität des Zelleninhaltes beruhen. Man hat auch diese ausschliesslich den Thieren zutheilen wollen , indem man die Pflanze von vorn herein als starr sich gedacht hat. Ausser den Gontractili- tätsäusserungen , wie sie als allgemeine, den Elementen der Pflan- zen wie Thiere zukommende Phänomene bei der Theilung der Zelle auf- treten , sind aber noch zweierlei bei Pflanzen vorkommende Thatsachen anzuführen, welche beide merkwürdige Uebereinstimmungen mit Vor- gängen an Thierorganismen aufweisen. Die erste dieser Thatsachen bilden die Saftströmungen im Innern von Pflanzenzellen. Das dem Inhalte einer thierischen Zelle analoge Pro- toplasma theilt sich, um den Kern angesammelt, von da aus in vielfache die Zelle durchziehende Ströme, die mannichfaltig umbiegen und mit einander zusaminenfliessen, und endlich wieder zum Kerne, wo die Hauptansammlung bleibend statt hat, zurückkehren*). Bei dieser Er- scheinung bewegen sich beständig reichliche Körnchenmassen mit dem strömenden Protoplasma fort, wiederholen ganz die Bewegungsphäno- mene, wie sie an und in den fadenartigen Ausläufern der Sarcodesub- stanz bei den Rhizopoden sich kund geben , und auch in den Fäden im Innern des iVoc£//wca-Körpers vorhanden sind, so dass eine Vergleichung beider wohl gerechtfertigt ist**). Noch mehr wird man dazu hinge- drängt, wenn man jene ebenfalls Strömung zeigenden einzelligen Pflan- *J Die Saftströmung ist beobachtet in zahlreichen jungen Zellbildungen, so dass Schieiden vermuthet, dass sie in allen Pflanzenzellen, so lange der Kern noch thätig sei, vorkomme (Grundzüge der wiss. Botanik, 3. Aufl., Bd. I., p. 308). Am bekanntesten sind die Strömungen bei Charen, bei Vallisneria spiralis, bei ver- schiedenen Nite IIa- Arten, bei den Beeren von Symphoricarpus racemosa, und end- lich bei vielen Haargebilden der Pflanzen, unter denen die Haare von den Anthe- ren der Tradescantia besonders erwähnenswerth sind. **) Vergl. Cohn in den Nachträgen zur Entwickelungsgeschichte des Proto- coccus pluvialis {Nov. act. acad. Leopold. Carol. Bd. XXII. P. IL). Neuerdings: M. Schnitze, Innere Bewegungserscheinungen bei Diatomeen, Müll. Archiv. 1858. Thier und Pflanze. 7 zenorganismen (Diatomeen) ins Auge fasst, bei denen dann nur der teste Kieselpanzer den aus diesen Bewegungserscheinungen sonst notwendi- gerweise resultirenden Formenveränderungen des Körpers eine Sehranke setzt. Die zweite Thatsache beruht in den Contractionen einer ganzen Zelle. Sie findet sich bei den jungen Sporenbildungen einiger niedern Algen, und ergibt eine überraschende Aehnlichkeit mit den Bewegungen der Amoeben , indem die obwohl langsam , aber doch deutlich sich bald da bald dorthin ausstreckende und zusammenziehende Zelle wirkliche Ortsveränderungen eingeht. Das ganze Phänomen schwindet mit der Bildung einer festeren Membran , mit der zugleich der ruhende Zustand des kleinen Wesens sich einleitet*). Mit diesem Nachweise von Contractilität bei pflanzlichen Organis- men ist denn der belangreichste , wie in seinen Consequenzen mäch- tigste Unterschied zwischen den niedersten Formen des Thier- und Pflanzenreichs gefallen , und wir müssen eine Gruppe einfachst gebauter Wesen annehmen, in denen die sonst für beide organische Reiche cha- racteristischen Eigenschaften mit einander vermischt sind . ohne jedoch an einen wirklichen Uebergang von Thier in Pflanze und umgekehrt den- ken zu wollen. Wir stehen allerdings erst am Beginne einer tiefer gehenden Durch- forschung dieses Gränzgebietes , allein soviel darf doch als feststehend angesehen werden, dass nicht die concrete Form oder deren momentane Erscheinungen es sind, welche die Schranken ziehen, sondern dass die Bestimmung nur durch die allgemeine Erfassung der gesammten Lebens- processe geleistet werden kann. Die bestehende Gränze ist für sich nicht bemerkbar, denn die einfachsten Anfänge beider Reiche sind dicht neben einander gelegt. Man kann solche niedere Organismen mit demEie irgend eines Thie- res vergleichen , insofern solches schon als ein bestimmtes Thier poten- tia repräsentirend gedacht werden kann , obgleich noch alle Charactere, welche eben das vollkommene Thier oder seinen Typus auszeichnen, ihm abgehen. Wie nun die virtuelle Bedeutung des Eies als einem bestimm- ten Thiere entsprechend nicht aus den Eigenschaften des Eies genom- men ist, weder aus Form und Zusammensetzung, noch aus den Lebens- erscheinungen, die es sonst etwa .noch als Ei wahrnehmen lässt, sondern vielmehr aus dem in ihm geborgenen Entwickelungsieben, welches nach und nach eine bestimmte Thierform hervorgehen lässt: so muss eben auch die Bedeutung jener Wesen als Thiere oder anderer als Pflanzen nicht aus ihrem concreten Zustande derivirt werden, sondern sie muss aus den Erscheinungen hervorgehen, die in der Gesammtentwickelung *) Nach mündlicher Mittheilung Prof. Sehen k's in Würzburg, welchem ich auch die Gelegenheit verdanke, jene Beobachtungen zu bestätigen. Vergl. auch Cienkowski's Aufsatz in: Bull de St. Petersb. (Melang. biolog. T. III.) 1858. 8 Einleitung. derselben auftreten, sowie aus den schon deutlicher Pflanzen- oder Thiernatur tragenden Formen, die in engem Anschlüsse an jene zweifel- haften Organismen stehen. Die Spore der niederen Algen ist für sich von einem niederemThiere von vorn herein nicht unterscheidbar, dagegen lehrt deren fernere Ent- wicklung , dass eine wirkliche Pflanze daraus hervorgehe, woraus denn nothwendig auch auf die pflanzliche Natur des Jugendzustandes geschlos- sen werden muss. Und wiederum : eine Diatomee, die ihr contractiles Protoplasma durch bestimmte Oeffnungen der Kieselschale pseudopodien- ähnlich hervorstreckt, oder eine ihr ganzes Leben hindurch mit Cilien ausgestattete und deshalb stets sich schwärmend bewegende Volvocine, können für sich für Thiere angesehen werden, wie diess auch Ehren- berg und andere nach ihm behaupteten, indem sie einzelne nicht ent- scheidende Merkmale oben anstellten , und unter diesen namentlich eine Willkürlichkeit der Bewegung annahmen , deren Bedeutung schon oben besprochen worden ist. Dagegen bleibt uns hinsichtlich der Beziehungen dieser Wesen wohl kein Zweifel mehr übrig, sobald wir die einzelligen Diatomeen mit den aggregirten Baccillarien und die Volvocinencolonien mit den wimperlosen Micrasterien u. s. w. vergleichen und von diesen aus wieder zu relativ höheren Formen der Pflanzenwelt übergehen. Wir treten hierbei an eine ununterbrochene Entwickelungsreihe der For- men, aus der uns der innere Zusammenhang hervorleuchtet. Ganz ver- schieden ist aber das Besultat der Vergleichung, wenn wir eine contra c- tile Algen-Spore mit einer Amoebe, oder eine bewimperte Volvocine mit einem Infusorium zusammenhalten. Durch die Amoeben werden wir zu den schalentragenden Polythalamien geleitet, und in den Infusorien tref- fen wir höchst zusammengesetzte Organismen an, die beide schon auf deutlich markirtem thierischem Gebiete stehen, und nur die allgemein or- ganische Natur mit jenen Wesen gemein haben*). Diese Methode der Vergleichung ist es denn auch, aus der unsere Gesammtanschauungen von den beiden organischen Naturreichen resul- tiren. Wir treffen dabei auf allgemeine morphologische Erscheinungen, *) Man hat unter den niederen Organismen eine scheinbar nicht unbeträcht- liche Uebereinstimmung in gewissen Entwickelungserscheinungen erkannt, und ist durch einige davon, z. B. den Encystirungsprocess, verleitet worden, das Gränzgebiet noch unsicherer darzustellen, als es wirklich ist. Offenbar hat man da- bei der allgemeinen Bedeutung dieses Processes zu wenig Rechnung getragen. So liegt in der Encystirung der Euglenen kein Moment geborgen, welches auf einThier hinwiese, denn die nur ähnliche Einkapselung der Vorticellen und anderer Infu- sorien ist schon durch das Substrat wesentlich verschieden, dagegen schliessen sich die Euglenen enge an einzellige Algen an, ihr Encystirungsprocess ist der gleiche wie bei Protococcus, in seinem Verlaufe sowohl als im Resultate, und die sich ein- kapselnde Euglene ist nur durch den länger dauernden Mangel einer starren Hülle am die bewegliche Primordialzelle vor Protococcus ausgezeichnet, bei welchem die Schwärmzelle nur kurze Zeit der Cellulosenumhüllung entbehrt. (Vergl. Colin op, cit.) Thier und Pflanze. 9 die sich schon in den niederen Bildungen kund geben , und die auch bei höherer Entwicklung noch persistirend sind. Damit verknüpft sich noch eine Reihe physiologischer Thatsachen , die wir mit dem vorigen in ein gemeinsames Bild zusammenfassen können. Als allgemeiner Ausgangs- punct für Thier- und Pflanzenreich dient die belebte Zelle, als kleinster , Organismus eine Summe von Eigenschaften besitzend, die für unsere ! sinnliche Wahrnehmung in Thier und Pflanze völlig gleich erscheinen. Eine Trennung in animale und vegetative Lebensäusserung ist daher von vorn herein unmöglich, es sind eben einfach vitale Processe, die wir an jenen kleinsten Wesen vor sich gehen sehen. Das Thier ist nicht deshalb Thier, weil in ihm ein neues Princip, das animale, auftritt, wäh- rend die Pflanze sich auf das vegetative beschränkte; sondern das, was wir animale Erscheinungen nennen, ist nur eine Steigerung der allgemein vitalen, die als solche auch der Pflanze zukommen. Verbinden sich mit den periodischen Lebenserscheinungen eines solchen niederen Organis- mus noch besondere Vorgänge, die an höher entwickelte Anschlüsse bie- ten, so trennen wir auch erstere darnach in Thiere und Pflanzen. Bei den Pflanzen bleibt der einheitliche Organismus der vitalen Zelle bestehen , selbst wenn grössere Zellencomplexe in bestimmten Formen vereinigt sind und damit höhere, d. i. complicirtere pflanzliche Organis- men vorstellen. Die Bewegungen des Protoplasma in den Saftströmun- gen geben Belege hierfür. Es äussert sich deshalb in der ganzen Pflanze keine absolut höhere Lebensthätigkeit als in ihren einzelnen Zellen oder in dem Organismus einer einzelligen Pflanze, und dieArt der Vollziehung der Lebenserscheinungen lässt sich immer auf Vorgänge zurückführen, die von Zellen ausgehen und an ihnen ihren Ablauf nehmen, ohne dass der Gesammtorganismus als solcher dabei wesentlich betheiligt ist*). Die vitale Individualität wahrt sich auch noch bei den niedersten Thieren innerhalb der Zellenschranke. Mit der Mehrzelligkeit und der daraus hervorgehenden Complicirung des Organismus tritt aber ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältniss der einzelnen Zellen und Zellen- gruppen von einander auf, oder mit anderen Worten, es erscheint eine Differenzirung in physiologisch ungleichwerthige Elementartheile , die ihre vitalen Energien unter einander verschmolzen haben, und von de- *) Die grosse Selbständigkeit der pflanzlichen Zelle äussert sich auch bei den höheren Pflanzen in der Bildung der Intercellularsubstanzen, durch welche so recht, die Isolirung des Zellenorganismus sich darthut, selbst wenn er unter der Herrschaft allgemeiner, die ganze Pflanze berührender Erscheinungen steht. Man könnte versucht sein, die Intercellularsubstanz mit der Bindesubstanz der Thiere zu vergleichen, allein die Aehnlichkeit ist nur eine äussere, selbst wenn man die Zellen der Pflanze den Organen der Thiere gleich setzt. Im übrigen geht aus der Vergleichung beider vielmehr die fundamentale Verschiedenheit hervor, denn die Bindesubstanzen sind es, welche den einheitlichen Thierorganismus nicht allein me- chanisch zusammenhalten, sondern auch alle Theile durchdringen, und durch ihre feineren Einrichtungen in der Ernährung derselben eine lebendige Rolle spielen. 10 Einleitung. nen mit Ausnahme der zur Erzeugung neuer Wesen bestimmten (der Ei- zellen) keine mehr selbständig thätige Organismen sind. Dieses Aufge- ben der Selbständigkeit der Elementartheile und ihr Beherrschtsein von einzelnen Centren aus bedingt aber auch eine höhere Potenzirung und dabei auch grössere Individualisirung des Gesammtorganismus, und diese ist es , wodurch das Thierreich sich wesentlich vom Pflanzenreiche un- terscheidet , wenn einmal die Formen aus dem niedersten , einzelligen Zustande herausgetreten sind. Für letzteren entscheidet nur die Ent- wickelungsreihe , so lange die Frage, was ist Thier? was Pflanze? in der sich die Gesammtaufgaben der Zoologie oder Botanik im allgemein- sten Sinne concentriren, noch nicht gelöst sein wird. Vom Aufbaue der Organe im TMerleibe. §•3. p Orga Wenn wir den Ausgangspunct der Betrachtung von der Differenzi- rung der Organe von der einfachsten thierischen Lebensform aus neh- men , so tritt uns als solche sowohl in dem ganzen Thierreiche als auch bei jedem einzelnen Individuum im Beginn seiner Entstehung die »Zelle« entgegen , und wie wir im Eie , in der Eizelle, die ganze Erscheinungs- reihe der späteren Organentfaltung potentia enthalten erkennen müssen, so finden wir in den niedersten thierischen Organismen die sämmtlichen, das thierische Leben bedingenden Functionen an die einfachst gestaltete materielle Unterlage geknüpft, und in einfachster Weise sich abspielend. Die gleichartige Beschaffenheit des Körpers, die nur aus einer homoge- nen, durch Bewegung*) Leben beurkundenden Grundsubstanz mit ein- gestreuten Molecülen gebildet ist, und höchstens noch ein festeres Gebilde birgt, welches als Centrum der vegetativen Erscheinungen dient, und hier wie bei der Zelle als dem Elementartheile zusammengesetzterer Or- ganismen als »Kern« bezeichnet wird, lässt auch die physiologische Be- deutung der einzelnen Theile der Körpersubstanz einander als gleich- werthig erscheinen, und jeden derselben zu den verschiedensten Ver- richtungen gleich massig befähigt erachten. Erst mit dein Heraustreten des Organismus aus diesem ursprünglichen Zustande scheiden sich die Verrichtungen und werden nun von besonderen Körpertheilen , seien es blosse Theile des Körpers, die ohne distincte Abgränzung bestehen, oder seien es räumlich abgegränzte Organe, getragen. Schon der erste sicht- bare Act der Lebensthätigkeit des sich zum jungen Thiere entwickelnden *) Die Erscheinung der Bewegung ist auch für die Eizelle ein Kriterium des Lebens; denn wenn wir von den in sehr beschränkter Weise beobachteten Contractionsphänomenen des Dotters am Eie verschiedener Thiere absehen, so ist die Bewegung — (es handelt sich hier nicht um Ortsveränderung, die nur Resul- tat einer Bewegung ist) — beim ersten Entwickelungsvorgange, der Theilung der Eizelle, oder der Abschnürung einzelner Theile von der Eizelle, die einzig durch- greifende, sinnlich wahrnehmbare Lebenserscheinuim. Vom Aufbaue der Organe im Thierleihe. 11 Eies beginnt mit einer Differenzirung der Theile , mit dem sogenannten Furchungsprocesse , durch den anfänglich gleichartige Formelemente hervorgehen, die in der Fortsetzung desProcesses zu ungleichartigen sich auflösen, und als solche dann die ersten Organe zusammen. So entwi- ckelt sich durch die Differenzirung des Körpers das System der Schutz- und Stützorgane sammt den Bewegungsapparaten , die Organe der Em- pfindung, jene der Ernährung, und endlich die Werkzeuge, die für die Fortpflanzung thätig sind. a) Die Int egu m en tb i 1 düngen sind es, die mit ihrem ersten Auftreten als eine äussere, physikalisch und oft auch chemisch von der übrigen Körpersubstanz verschiedene Schichte die bestimmte Abgrän- zung des Leibes gegen die Aussenwelt bedingen, und die, indem sie der allseitig möglichen Ausdehnung des Körpers (jenen Bewegungen, wie wir sie bei den Bhizopoden sehen) eine Schranke setzen , zugleich als form- gebend für den Körper erscheinen. Die Integumentbildung complicirt sich von jenen Fällen an, wo sie nicht mehr blos durch ein anderes che- misch-physikalisches Verhalten vom übrigen Körper differirt, sondern wo eine Beihe von Elementartheilen in ihre Zusammensetzung eingehen, d. h. wo der nunmehr einen Zellencomplex vorstellende Organismus seine äussersten Schichten besonders geformt, als Hautorgane erscheinen lässt. Von hier aus entspringt eine Beihe der verschiedenartigsten Bil- dungen der Integumente , und vor Allem erscheint hier die Bildung von Schalen und Gehäusen, die schon unter den einfachsten der Thierformen zu Stande kommen. Die schichtenweise Ablagerung einer organischen, mit Kalktheilen mehr oder minder reich geschwängerten Substanz auf der Oberfläche des Körpers bildet das Wesentliche der Schalenentwicke- lung, die somit ursprünglich kein in dem Körper, sondern auf oder über demselben stattfindender Process ist , den das Hautorgan einleitet und ausführt und der nur bei der Verkümmerung seiner Bedeutung in das Innere des Hautorganes verlegt wird. Damit erscheint zugleich die se- cretorische Thäligkeit dieses Organs , die in einzelnen Thierabtheilungen (unter den Mollusken) massenhafte Producte liefert. Diese Schalen oder Gehäuse sind denn in der Begel nicht mehr blosse Integumente, zum Schutze des Körpers dienend, sondern sie dienen meist sämmtlich noch als Stützen des Körpers, durch welche die verschiedenen Organe in der ihnen zukommenden Lage erhalten werden, eine Function, die sich erst später von den Integumenten trennt. Von den blossen Sohalenbildungen durch die Genese und die Bedeutung für den Thierkörper verschieden sind die Hautscelette, die durch Kalkdepositionen im Innern des Integu- mentes selbst entstehen ; die Quantität des abgelagerten Kalkes , sowie der Grad der Verbindung der einzelnen Partikelchen desselben unter einander, sind die Factoren, aus denen die mehr oder minder starre Be- schaffenheit des so veränderten Integumentes resultirt, und von noch dehnbarer weicher Haut, schwanken diese Bildungen bis zu vollständig festen, starren Schalen, die nur äusserlich noch von dem weichen Inte- 12 Einleitung. gumentreste bedeckt sind. Echinodermen und auch Polypenthiere ge- ben hiefür Beispiele ab. Während so auf der einen Seite durch Aufnahme unorganischer Stoffe ein Festwerden des Integumentes erfolgt , und letzteres sich zum »Hautscelette« umwandelt, so wird dasselbe Resultat auch wieder auf anderem Wege erzielt, indem die zellig organisirte Hautschicht des Thieres eine bald weiche, bald derbere und resistente organische Sub- stanz über sich absetzt, die in einfachem oder mehrfach geschichtetem Lager den gesammten Thierleib umkleidet. Diese ausgeschiedenen Cu- ticularschichten stehen aber immer in innigem Zusammenhange mit der darunter liegenden weichen Matrix, von der sie gebildet sind, und da, wo sie eine besondere Dicke erreichen, setzt sich sogar noch die Zell- schicht mit Auslaufern in sie fort, und stellt so eine innige Verbindung her, durch welche eine selbst nur im Allgemeinen sich haltende Verglei- chung mit den auf ähnliche Weise zu Stande gekommenen Kalkschalen und Gehäusen der Mollusken einige rmassen erschwert wird. Die Weichheit und Biegsamkeit dieser Integumentbildung gestattet dem Thiere innerhalb seiner Bewegung eine gewisse Breite , und erlaubt Streckung und Ausdehnung des Körpers (bei Würmern) , während ein Festerwerden jener Schichten schon engere Schranken zieht, bis dann durch Hinzukommen einer chemischen Umwandlung derselben durch die Chitinisirung völlig starre Hautgebilde erzeugt werden (Arthropoden). Die Beweglichkeit des Körpers , der unter diesem Vorgange Eintrag ge- schieht, wird aber durch einen andern mit jenem sich combinirenden Vorgang wieder hergestellt, nämlich durch die Gliederung des Körpers. Die einzelnen hinter einander liegenden Leibesabschnitte , die durch starre Chitinringe bedeckt sind, werden beweglich in einander gelenkt, indem die Haut an den Verbindungsstellen mit relativ dünneren und wei- cheren Chitinstraten sich überzieht, und so sehen wir in demselben Maasse, als der Körper deutlich gegliedert erscheint , den Wechsel zwischen fe- steren und weicheren Abschnitten ausgeprägt. Schon die Ringelwür- mer, mehr aber noch die Arthropoden zeigen diese Erscheinung. Der äussere Chitinpanzer der letzteren, der allerdings hinsichtlich seiner Fe- stigkeit vielfache Modificationen zeigt, bildet immer ein wahres Hautscelett, indem er inneren Theilen als Stütze dient, und sogar noch besondere Fortsätze nach Innen abgibt, sowie auch den Gliedmassen dieser Thiere ihre Festigkeit durch das chitinisirte Integument zu Theil wird. Auf diese Weise ist allmählich die früher einfachere Bedeutung des Integu- mentes in eine mehrfache übergegangen, indem sie zugleich die Rolle eines Stützorganes übernommen hat. b) Bei höher organisirlen Typen vertheilt sich diese doppelte Func- tionwieder, nämlich mit dem Auftreten inn e rer Stützorgane, die unabhängig von der Umhüllung des Körpers sich entwickeln. Obgleich mit dieser Einrichtung noch zahlreiche feste Bildungen in der Hautdecke vorkommen (Schuppen der Fische, Panzer der Crocodile und Gürtel- Vom Aufbaue der Organe im Thierleibe. 13 thiere) , die sich sogar mit Tbeilen des inneren Sceletts inniger verbin- den können, (Schild der Chelonier) , so hat doch hier das Integument durch diese Verhältnisse keinen wesentlichen Antheil an der Leibesform gewonnen, wirkt nicht bedingend für sie , die nun schon viel deutlicher durch die Gesammtorganisation ausgesprochen ist, und bietet keine Stü'tzpuncte für innere Organe, sondern verharrt in seiner einfachsten Bedeutung als Körperhülle, als welche es unter den mannichfaltigsten Modificationen seiner speciellen Organisation fortbesteht. Die inneren Stützorgane treten schon ursprünglich (bei den Wirbelthieren) in einem gegensätzlichen Verhältnisse zu dem vom Integumente gebildeten festen Körpergerüste, zum Hautscelette, auf, und übernehmen nicht allein die physiologische Bedeutung desselben , indem sie dem Körper ein Gerüste abgeben, um welches sich die verschiedenen Organe gruppiren, wie selbe sich vorher in dem Hautscelette angeordnet hatten: sondern sie führen diese Bedeutung auch in viel mannichfaltigerer Weise aus und er- heben die Gesammtorganisation durch reichliche Gliederung ihrer festen Bestandtheile (Knorpel , Knochen) auf eine höhere Stufe. Die Selbstän- digkeit der inneren Scelette ergibt sich nicht allein aus der Mannichfal- tigkeit ihrer graduellen Ausbildung vom einfachen knorpeligen, gleich- massig geformten Rückgrate (der Chorda dorsalis) bis zu der Bildung einer aus knöchernen Abschnitten bestehenden Wirbelsäule, mit der sich eine grosse Anzahl weiter den Körper durchsetzenden Stützgebilde in Verbindung setzt, sondern sie geht auch aus dem bedeutenden Grade hervor, in dem durch sie die Gestaltung der Thiere beherrscht wird. c) Die Formveränderungen des Körpers werden am einfachsten durch die Contractilität der ihn darstellenden homogenen Substanzen zu Stande gebracht (Protozoen), und diese Erscheinungen bedingen zugleich die Locomotion (Bhizopoden , Gregarinen) , während bei anderen, selbst ohne dass eine Differenzirung von Muskeln erfolgt ist, besondere Locomotionsorgane hinzutreten. Solche erscheinen zuerst in den den Körper umkleidenden feinen, beweglichen Härchen, den Cilien, und diese Bewegung mittels Wimperhaaren ist nicht allein die einzige Art der Lo- comotion, wie sie bei den Infusorien stattgefunden, sondern sie verbleibt es auch noch vielfach für höher stehende Organismen, so für die Strudel- würmer und Botatorien, und erscheint auch später noch in den ersten Entwickelungszustänclen vieler Thiere, von denen namentlich Würmer und Mollusken anzuführen sind. Bei der ersten Ausbildung von besonderen , die Bewegung des Kör- pers oder einzelner Theile desselben vermittelnden inneren Organen, nämlich der Muskeln, erscheinen diese contractilen Fasergebilde. innig mit dem Hautorgan verwebt; sie stellen einen dicht unter letzterem gelegenen Schlauch vor , der durch Verkürzung oder Verlängerung die Locomotion des Körpers bewerkstelligt, und in welchem noch keinerlei regelmässige Gruppirung in einzelne sich antagonistisch verhaltende Partien erfolgt ist. Nur die Bildung von übereinander liegenden Straten, die in der 14 Einleitung. Richtung ihrer Fasern sich kreuzen können (wie bei Goelenteraten und niederen Würmern , auch manchen Mollusken) gibt den Fortschritt zu einer höheren Organisationsstufe zu erkennen. Dazu tritt noch eine un- gleichmässige Entwickelung der Musculalur, ihre reichlichere Bildung an einzelnen Körperstellen, welche denn vorzugsweise die Ortsbewegung des Körpers übernehmen. Der Fuss der Mollusken in seinen vielgestalti- gen Metamorphosen gibt Beispiele ab. Die Trennung des allgemeinen Hautmuskelschlauches in einzelne Muskelgruppen, somit eine höhere Stufe der Entwickelung dieses Organ- systemes, erscheint erst mit der Bildung von festen Körpergerüsten, seien es äussere oder innere Scelette. Diese dienen dann mit ihrer Oberfläche als Insertionsstellen , und erscheinen , wenn beweglich unter einander verbunden , wie Hebelarme , die , durch das Muskelsystem in Thätigkeit gebracht, eine energische (active oder passive) Bewegung des Körpers produciren. Die Differenzirung der Musculatur in einzelne Gruppen , die je nach der Gliederung des Scelettes verschieden reich entwickelt sind, tritt schon bei den Echinodermen auf (am meisten bei Seesternen) und ist von da an um so complicirter, je entwickelter die festen Bildungen sind, und je mannichfacher die Beziehungen, welche diese unter einander eingehen (Musculatur der Arthropoden und Wirbelthiere). Die Segmentirung des Körpers durch die Gliederung des Hautscelettes bei den Arthropoden bringt somit in Beziehung auf die Musculatur im Grossen dasselbe zu Stande, wie die Gliederung des inneren Scelettes der Wirbelthiere, näm- lich eine Anzahl verschiedener gegen einander wirkender und eben da- durch im Einklänge stehender Muskelgruppen , die , je grösser die Un- gleichartigkeit der einzelnen Körperabschnitte ist, um so mannichfaltiger sich darstellen. d) Die Organe der Empfindung, die sich in Nervensystem und Sinneswerkzeuge theilen, sind unter allen Organen der Thiere diejeni- gen, die wegen der Schwierigkeit der physiologischen Beurtheilung, die doch für die Erkenntniss der Bedeutung die Grundlage abgeben muss, sich am dunkelsten verhalten. Diese Erkenntniss ist um so mehr er- schwert, je weiter sich die betreffenden Organe in morphologischer Hin- sicht von jenen der höheren Thierformen , in specie der Wirbelthiere entfernen, und es ist oft nur ein blosser Schein von Analogie, der uns bestimmt, dieser oder jener Bildung am oder im Körper diese oder jene Bedeutung zuzuschreiben. Am meisten gilt diess für die Organe der Sinnesempfindung, da uns hier jeder Maassstab abgeht, um zu entschei- den, inwiefern eine Einrichtung zur Wahrnehmung eines sinnlichen Ein- druckes qualificirt erscheint. Zudem ist gänzlich unbekannt, ob die Reihe der Sinnesempiindungen , wie sie durch die Physiologie am Men- schen analysirt werden konnten, sich auch in derselben Weise im Thier- reiche abschliesse , ja es ist sogar mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass total verschiedene äussere Lebensbedingungen, wie sie sich in der Vom Aufbaue der Organe im Tliierleibe. 15 Organisation der Thiere abspiegeln, auch eine Verschiedenheit in der Art der Sinnesempfindungen setzen werden. Wie bei den übrigen Functionen werden auch für die der Empfin- dung bei den niedersten Thieren keine Organe gebildet, und es vollzieht selbst der nach anderer Richtung schon differenzirte Thieiieib (z. B. bei Infusorien) die bezüglichen Functionen in einem uns nicht abschätzbaren Grade. Wo ein Nervensystem zuerst sich angelegt zeigt, erscheint es. immer als ein im Inneren des Körpers geborgenes Organ, aus Zellen zu- sammengesetzt und faserige Gebilde (Nervenfäden) nach verschiedenen Richtungen ausstrahlend. Je deutlicher sich seine zelligen Elemente (Ganglienzellen) von den faserigen abgränzen , um so bestimmter wird der Unterschied zwischen Centralorgan und peripherischen Theilen. Aus Zellen zusammengesetzte Centralorgane (Ganglien) können sich in höhe- rer Abstufung unter einander verbinden und stellen dann grössere Ner- venmarkmassen vor. Die Lagerung dieser Theile richtet sich immer nach dem allgemeinen Plane des Thieres, so dass sie bei radiärer Anlage ra- diär, bei bilateraler bilateral symmetrisch erscheinen. Selbst wenn diese Symmetrie in der äusseren Form oder den übrigen inneren Orga- nen verloren geht, besteht jene des Nervencentrums (Gehirnes) noch fort. Die Gliederung des Nervensystemes macht sich zuerst durch eine Vermehrung der Centralorgane (Ganglien), unter denen jedoch eines (als Gehirn) an Grösse und Ausbildung prädominirend bleibt, so dass die durch Nervencommissurstränge damit verbundenen immer in einem Abhängigkeitsverhältnisse sich herausstellen. In der Vermehrung dieser Ganglien , die entweder mit den Centralorganen verbunden oder sich in die peripherischen Verbreitungsbezirke der Nerven einlagern, besteht die materielle Ausbildung des Nervensystems. Diese Erscheinung ist aber nicht eine absolute, sondern sie ist immer begleitet, ja wir dürfen wohl sagen bedingt, von dem Ausbildungsgrade, welchen die übrigen Körper- theile aufweisen. Es ist dies in allen Fällen deutlich darin ausgesprochen, dass die betreffenden Centraltheile des Nervensystems um so entwickel- ter sind, je ausgebildeter die Organe erscheinen, die von ihnen mit Ner- ven versehen werden. Es lassen sich von hier aus drei Grundformen des Nervensy- stems erkennen , welche die Endpuncte der ursprünglichen einheitlichen Bildung sind. 1 ) Bei einer strahligen Anordnung des Körpers erscheint das Nerven- system gleichfalls radiär gebildet. Die Centralorgane entsprechen in Zahl und Lagerung den Radien. Alle aber sind durch Commissu- ren unter einander verbunden, so dass ein Nervenring mit davon ausgehenden Radien zum Vorschein kommt. Radiäre Grund- form (bei Echinodermen). 2) Das Nervensystem besteht bei bilateraler Körperanlage aus einer über dem Schlünde gelegenen Ganglienmasse , die aus beliebiger Zahl von kleineren Ganglien zusammengesetzt sein kann. Mit einer 16 Einleitung. höheren Entfaltung entsteht ein Nervenring um den Schlund, indem auch unter dem Schlünde noch Ganglien auftreten , die mit jenen über demselben durch Commissuren in Zusammenhang stehen. Diese Bildung theilt sich wieder nach zwei Richtungen : a) Es besteht das einfache Verhältnisss des Nerven-Schlundringes in seiner Wesenheit unverändert fort, und zeigt eine weitere Ausbil- dung nur in der Vergrösserung der dem oberen oder dem unteren Schlund-Ganglion zugehörigen Nervenmassen, oder es vereinigen sich alle ganglionären Partien des Schlundringes zu einer einzigen Masse, die dann entweder oben oder unten gelagert ist, und die Schlundringbildung durch eine Commissur vervollständigt. Von der Annäherung bis zur völligen Verschmelzung der betreffenden Ganglien zu einer Masse kommen alle Uebergänge vor , und der Bildungsgrad , sowie alle Lagerungsverhältnisse der von den be- züglichen Centraltheilen mit Nerven versorgten Organe bewirken diese Verschiedenheiten. Einige Würmer, dann auch die Mol- lusken sind hier Repräsentanten für diese Form. b) Mit dem Schlundringe verbindet sich eine Anzahl hinter einander gelegener Ganglien , die unter einander durch Längscommissuren zu einer Ganglienkette vereinigt sind. Die Ganglienkette besteht aus einer Wiederholung des unteren Schlundganglions , welches auch in eine solche Reihenfolge einzelner Ganglien aufgelösst an- gesehen werden kann , so dass die gesammte Kette als das Ae- quivalent des in der vorigen Grundform einheitlichen unteren Schlundganglions erschiene. Es lagert sonach diese Ganglienreihe zunächst der Bauchfläche des Thieres, sie bildet ein »Bauch- mark«. Dieses erscheint gleichmässig mit der Gliederung des Körpers in hinter einander folgenden Abschnitten, von denen ur- sprünglich ein jeder die Wiederholung des nächsten ist, wie bei den Ringelwürmern, oder die durch verschiedengradige Aus- bildung eine differente physiologische Bedeutung erlangen , wenn sie auch morphologisch einander homolog sind , wie die Seg- mente der Arthropoden. Die physiologische Gleich werthigkeit der Segmente spricht sich in der gleichmässigen Bildung der Bauchganglien, die Ungleichwerthigkeit der ersteren in der diffe- renten Bildung der einzelnen Ganglien aus. 3) Die Centraltheile des Nervensystems lagern sich in ihrer Haupt- masse als ein Längsstrang unter dem Rücken des Thieres , und ge- hen keine Schlundringbildung ein. Die einzelnen Abschnitte dieses »Rückenmarks« sind je nach der höheren oder niederen Bil- dungsstufe der Thiere verschiedengradig entfaltet, und zwar zeigt sich der höhere Grad durch die vorzugsweise Entwicklung des vor- dersten Theiles, welcher in eine Anzahl verschieden geformter grös- serer Ganglienmassen sich differenzirt, und so als »Gehirn« vom übrigen mehr gleichmässigen Rückenmarke sich abhebt. Eigen- Vom Aufbaue der Organe im Thierleibe. 1 7 thiimlich ist diese Grundform des Nervensystems für die Wirbel- t hiere. Die Centraltheile des eben in seinen Grundformen geschilderten Ner- vensystems versehen den Körper mit Nervenfaden, welche entweder, zu den Sinnesorganen gehend , die dort empfangenen Eindrücke zum Cen- tralorgane leiten, oder, zu den Organen der Bewegung verlaufend , die Erregungen auf diese übertragen. In den minder differenzirten Organismen werden auch die Ein- geweide von den Centralorganen mit Nerven versorgt, und erst auf einer höheren Bildungsstufe entstehen für diese besondere Centraltheile (Gang- lien), die, mit dem Centralsysteme zwar immer durch Commissurstränge in Verbindung, aber dennoch eine gewisse Selbständigkeit besitzen, indem in ihnen stets Nerven ihren Ursprung nehmen. Die Vermehrung der Ganglien dieses Eingeweidenervensystems, ihre Verbindung unter einander zu reichen, die betreffenden Organe begleitenden und um- spinnenden Nervengeflechten , sind die Erscheinungen, unter denen eine Weiterbildung, der eine Trennung der Function zu Grunde liegt, sich manifestirt. So erhalten denn die Organe der Verdauung , die Kreis- laufs- und Athemwerkzeuge, sowie jene für die Fortpflanzung ihre eige- nen , aus dem einheitlichen Eingeweidenervensysteme entspringenden Nerven oder Nervengeflechte. Von den Sinnesorganen sind jene, welche dem Tastsinne die- nen, am verbreitetsten, und zeigen auch in ihrer Bildung die grössten Verschiedenheiten. Wenn bei den Protozoen die gesammte Körperober- fläche oder, wie bei Infusorien, bestimmte rüsselartig verlängerbare Theile des Körpers in dieser Richtung functioniren, so kommen bei den höheren Thieren bestimmte Tastorgane zum Vorschein, die anfänglich vielfach am Körper vertheilt (Randfäden der Medusen, Tentakel der Polypen), mit der bestimmten Ausbildung eines auch andere Sinnesorgane tragenden Kopfes als contractile oder starre Fortsätze an diesem angebracht sind. So sind die kopflosen Mollusken vielfach mit Fühlern am Mantelrand ausgestattet , während sie bei den Cephalophoren ausschliesslich am Kopfe zu finden sind. Selbst bei den Würmern sind sie hier angebracht und analoge Gebilde (Antennen) . in der die Tastfunction sich wohl noch mit anderen combinirt, sind auch bei den Arthropoden zu regel- mässigen Attributen der Kopfsegmente geworden. Mit der Localisirung des Tastsinnes auf diese bestimmten Gebilde wird die specifische Thä- ligkeit der letzteren noch durch den Ursprung der für sie bestimmten Nerven, neben den anderen Sinnesnerven, angedeutet. Mit der Ausbil- dung der höheren Sinnesorgane (bei den Wirbelthieren) treten die Or- gane des Tastsinnes gegen die qualitative Organisation der ersteren in den Hintergrund , und wir treffen den Gefühlssinn über das ganze Inte- gument verbreitet, aber häufig auch besondere Körperslellen vorzugs- weise dazu organisirt. Organe des Geschmackes sind am wenigsten nachweisbar, Gegeultuur, vergl. Anatomie. 2 18 Einleitung. und erst in den höchsten Abtheilungen des Thierreichs treffen wir am Einsänge des Nahrungscanais hiezu bestimmte Gebilde. Es kann aber nicht von vorn herein geläugnet werden, dass auch den niederen Thieren eine Geschmacksempfindung zukomme. Geruchsorgane zeigen sich gleichfalls in der niederen Thierwelt wenig verbreitet, denn es ist ungewiss , inwiefern wimpernde Körper- stellen bei verschiedenen im Wasser lebenden Thieren als solche Organe angesprochen werden können. Erst da. wo wir Nerven zu solchen das umgebende Medium stets wechselnden Körperstellen treten sehen , tritt einige Wahrscheinlichkeit hervor, dass hier eine Empfindnng der Quali- täten des Mediums zu Stande komme (bei Würmern und Mollusken). Ob aber die Art der Empfindung mit der Geruchswahrnehmung näher oder entfernter verwandt sei, bleibt unentschieden. Bestimmter weisen sich jene Organe dann als Sinnesorgane aus , wenn sie bei den anderen am Kopfe des Thieres vereinigt sind, oder wenn sie noch andere Einrich- tungen erkennen lassen, welche die Wahrnehmung von Zuständen des umgebenden Mediums befördern. Die Vergrösserung der Oberfläche der percipirenden Stelle durch Faltenbildung, ihre Einlagerung an Orte, wo ein steter Wechsel des Mediums, Wasser oder Luft, vor sich gehet, sind als solche Einrichtungen aufzuführen. Davon ist die eine oder die an- dere, oder es sind auch beide, bei den WTirbeIthieren ausgeprägt. Gehörorgane erscheinen in der einfachsten Form als geschlos- sene Bläschen, die mit einer Flüssigkeit erfüllt sind und die in enger Be- ziehung zu den specifisch erregbaren Nerven stehen. Es wird dies ent- weder dadurch geleistet, dass das Gehörbläschen direct dem Nerven- centrum auflagert (Würmer, manche Mollusken), oder es tritt in höherer Differenzirung der Gehörnerven zum Bläschen hera/i , um sich mit des- sen Wandung zu verbinden (Mollusken, Wirbelthiere) . Im Inneren des Bläschens treten mit grosser Begelmässigkeit kalkige Concremente auf, die bis zu krystallinischen Bildungen sich entwickeln können (Otolithen). Bei fernerer Ausbildung des Gehörorgans entstehen schallleitende und schallverstärkende Apparate, welche, bei den Insecten nur angedeutet, bei den Wirbelthieren ein bestimmtes Bildungsgesetz einschlagend, eine continuirlich höhere Entfaltung zeigen, welche schliesslich die Gehör- werkzeuge als ausserordentlich complicirte Organe erscheinen lässt. Von einem Sehorgane kann erst da die Rede sein, wo das Vor- handensein eines specifisch thätigen Nerven aus der Verbindung mit einem lichtzuleitenden Apparate zu erschliessen ist. Bei Thieren ohne diese Einrichtung muss daher die Erregung, die sich durch Einwirkung des Lichtes auf sie kundgibt, nicht der wirklichen einen specifischen Nerven voraussetzenden Lichtempfindung, sondern vielmehr anderen mit dem Lichte ernannten Principien zugeschrieben werden. Die ein- fachste Form, unter der das Sehorgan auftritt, ist ein Pigmenlfleck, mit dem der Sehnerv sich verbindet. Durch die lichtabsorbirende Fähigkeit der Pigmente vermögen so unbestimmte Vorstellungen von Hell und Dun- Vorn Aufbaue der Organe im Tbierleibe. 19 kel erzeugt zu werden , wogegen bestimmte Bilder erst durch die Zufii- gung lichtbrechender Theile zu Stande kommen können. Pigmentflecke ohne lichtbrechende Medien sind in den unteren Ordnungen fast jeder grösseren Thierabtheilung verbreitet, und bilden den Ausgangspunct einer Organentwickelung, die nach zwei Richtungen hin divergirt. 1) Es wird das Sehorgan dadurch gebildet, dass die Endausbreitungen nach aussen gerichtet eine concave Fläche begränzen , vor der ein lichtbrechender Körper liegt; das so gebildete Organ ist einheitlich abgeschlossen , indem nur das durch die einfache Linse eindrin- gende Licht die Nervenenden erregt, und somit nur Ein Bild erzeugt wird. Die Augen der Schnecken und vieler Würmer, die sogenann- ten einfachen Augen der Gliederthiere sind nach diesem Plane an- gelegt, und zeigen in dem Grade ihrer Ausbildung vielfache Schwan- kungen. Am complicirtesten wird diese Form des Sehorganes aber bei den Gephalopoden und den Wirbelthieren durch die hohe Ent- wicklung der percipirenden Schichten, sowie der lichtbrechenden Medien und der accessorischen Apparate. 2) In der anderen Form des Sehorganes wird jede meist besonders entwickelte Endigung des Sehnerven durch eine Pigmentscheide iso- lirt, und mit einem besonderen linsenartig wirkenden lichtbrechen- den Medium ausgestattet zum selbständigen Sehorgan , und die ganze Summe dieser zu einem Auge vereinigten Einzelaugen besitzt eine convex geformte percipirende Fläche. Die facettirten Augen der Gliederthiere repräsentiren diesen Plan, der sich von der unter einem einfachen Nervenfaserende mit vorgelagertem lichtbrechen- dem Körper gedachten Grundform nicht allein durch die Vermeh- rung der percipirenden Theile (der Nervenenden), sondern vorzüg- lich durch die entsprechende Vermehrung der lichtbrechenden Ap- parate unterscheidet. — Die Anordnung und Zahl der Sehwerkzeuge schwankt unter den niederen Thieren innerhalb einer grossen Breite, und es können die ein- zelnen Augen bald weit ab von den Centralorganen des Nervensystems angebracht (Muschelthiere), bald über den ganzen Körper verbreitet (bei manchen Würmern) vorkommen. Immer lagern sie an solchen Körper- theilen, die bei der Lebensweise des Thieres dem Lichte zugekehrt sind. Schon ehe sich der Vordertheil des Leibes zu einem besonderen Ab- schnitt, einem Kopfe differenzirt , wird er durch den Besitz der Augen ausgezeichnet (Würmer), und bei deutlicher Ausbildung des Kopfes trägt er auch diese Sinnesorgane, die dann auf die Zweizahl beschränkt sind (Cephalophoren, Gephalopoden, Wirbelthiere) . e) Die Ernährung des thierischen Körpers zerfällt in eine An- zahl von verschiedenen Thätigkeiten, die alle von einander abhängig und innig mit einander verbunden sind. Die Aufnahme von zur Ernäh- rung verwendbaren Stoffen, ihre Verdauung, die Bildung einer ernähren- den Flüssigkeit, welche im Körper vertheilt, die Erhaltung der Be- 20 Einleitung. standtheile desselben, sowie deren Wachsthum bedingt, dann die be- ständige Erneuerung des von dieser Flüssigkeit auf ihrem Wege durch den Körper abgegebenen und die Entfernung des dafür aufgenommenen fernerhin unbrauchbaren Materiales : dies sind die Grundlinien des Bil- des, welches sich aus dem Begriffe der Ernährung entfaltet und welches zugleich die einzelnen Acte enthält, in welche sich die Gesammterschei- nung der Ernährung gliedert. Das Auftreten besonderer Organe für diese einzelnen Functionen findet sehr allmählich statt und es sind durch ganze Thierabtheilungen hindurch mehre oder sogar die meisten der benann- ten Functionen in einem Organsysteme vereinigt. Nach und nach löst sich eine um die andere ab und bindet sich an besondere Werkzeuge. Wo keine Differenzirung des Körpers vorhanden, oder wo mit Aus- bildung anderer Organe keine solchen für die Nahrungsaufnahme beste- hen, geht die gesammte Ernährung durch die Oberfläche des Körpers vor sich ; das Thier lebt dann unter Verhältnissen, bei welchen der Kör- per dann allseitig von einer zur Ernährung tauglichen Flüssigkeit umge- ben ist, die an allen Stellen der Körperoberfläche durch einen endosmo- tischen Vorgang auf ihn einwirkt, und jeder Stelle gestattet, ernährende Stoffe an sich zu ziehen und zu assimiliren. Diese Art der F>nährung, die bei Entozoen (Gregarinen, Cestoden) sich findet, ist der niedersten, im Pflanzenreiche durchaus gültigen Form gleich zu setzen. Die Auf- nahme fester Stoffe in den Körper findet aber nicht sogleich durch eine Mundöffnung, die in die verdauende Höhle führt, statt, sondern gleich- sam als Uebergang hiezu ist in einer Abtheilung von Thieren (den Bhi- zopoden) der gesammte Körper zur Nahrungsaufnahme dienend , indem jede Stelle der Oberfläche als Mund, jede Stelle des Innern als Magen zu functioniren im Stande ist. Auf einer höheren Bildungsstufe treffen wir dann den Verdauungs- apparat durch eine im Körper befindliche Cavität vorgestellt, die durch eine Mundöffnung nach aussen führt. Der Mund dient aber zugleich auch als Auswurföffnung, durch welche die unverdauten Speisereste entfernt werden (Coelenteraten . viele Würmer). Das Auftreten einer Afteröff- nung ruft eine weitere Gliederung dieser Organe hervor. Der erste, mit dem Mund zusammenhängende Abschnitt bildet eine Speiseröhre, die zur Einleitung der Nahrung dient, denn erst der darauf folgende Theil, meist sehr erweitert, oder auch mit Ausstülpungen ausgestattet, ist nun verdauende Cavität, ein Magen , und der Endtheil des ganzen Apparates dient zur Ausleitung der Speisereste, und öffnet sich mit dem After nach aussen. Dadurch wird der Nahrungsapparat zum Darmrohre vervoll- kommnet, und es sind damit die Hauptabschnitte gegeben , wie sie im ganzen übrigen Thierreiche vorhanden sind. Ausser wechselnden Grös- severhältnissen der einzelnen Abschnitte , der vorzugsweisen Entwicke- lung des einen, der rudimentären Bildung des anderen Theiles, kom- men aber, noch mannichfaltige Modifikationen hinzu, die aus einer von der speciellen Ernährungsweise abhängigen Trennung oder Ausbildung Vom Aufbaue der Organe im Thierleibe. 21 besonderer mehr untergeordneter Vorrichtungen resultiren. So entsteht durch feste Bildungen an dem Munde ein Kauapparat, der sich in einer ersten Erweiterung des Munddarmes, dem Schlünde lagert, oder sogar die Mundöffnung selbst umgeben und begränzen kann. Vorrichtungen zum Verkleinern der Nahrung treten auch im Magen auf, oder kommen in gewissen Abtheilungen desselben zu Stande. Ferner bilden sich Aus- stülpungen an einzelnen Abschnitten des Darmrohrs, die meist als Blind- schlauche erscheinen und die Vergrösserung der Gapacität des Nahrungs- canais zum Zwecke haben (Kropfbildungen. Blindsäcke des Magens und Blinddarmbildung am Darme). Bei einer Lebensweise, die auf massen- haft eingenommene Nahrung sich stützt (pflanzenfressende Thiere) , zeigt sich die letzterwähnte Organisation am ausgeprägtesten. Zur Bethätiajuna; des Verdauune;sprocesses im Allgemeinen sind noch eine Beihe anderer Organe mit dem Darmcanale in Verbindung, die sich nach und nach zu mehr oder minder selbständigen Gebilden ent- wickeln. Das mächtigste davon ist das Organ der Gallenbereitung, die Leber. Eine eigenthümliche vorzüglich durch ihre Färbung characte- risirte Zellenauskleidung des einfachen Verdauungsapparates stellt den niedersten Bildungszustand dieses Organes vor. Mit der verdauenden Ca- vität auf diese Weise eng verbunden , erscheint es nur als eine Art Epi- thel (Coelenteraten, manche Würmer und die Jnsecten), bis das Vorkom- men dieser Epithelbildung in seitlichen blindsackartigen Anhängen des Darmcanals einer bestimmten Localisirung, und somit dem ersten Grad der selbständigen Erscheinung des gallebereitenden Organes entspricht, wenn auch dasselbe durch seinen weiten, mit dem Darmlumen commu- nicirenden Hohlraum mit dem Darmcanale einige Functionen theilt. Die Sammlung der gallebereitenden Zellenmassen in einzelnen verschieden reich verästelten Follikeln, welche kleinere oder grössere Darmstrecken besetzt halten , zeigen eine höhere Stufe der Differenzirung an , wie sie bei manchen Würmern und Mollusken sich ausspricht. Eine geringere Anzahl dieser Darmanhänge , dagegen eine dem ent- sprechende Vergrösserung der einzelnen , die dann zu beträchtl' -hen Drüsenbüscheln sich gestalten können , zeigt uns den nächst höhe- ren Grad der Leberbildung, wie er bei den Crustaceen erscheint, bis diess Organ endlich durch massenhafte Vermehrung seines secerni- renden Parenchyms , sowie durch die auf eine oder nur wenige Stellen beschränkte Verbindung seiner Ausfuhrgänge mit dem Darmcanale die höchste Selbständigkeit erreicht hat (höhere Mollusken und Wirbel- thiere) . In ähnlicher Weise zeigt sich auch die Differenzirung anderer Drü- senorgane, die als Appertinentien des Nahrungscanais sich darstellen, so die Speicheldrüsen. — Wenn der Darmcanal als eine einfache in den Körper einge- senkte Höhlung hier überall vom Parenchym des Körpers an den Seiten umgeben wird, so werden die bei der Verdauung und durch 22 Einleitung. dieselbe aus den Nahrungsstoffen gebildeten zur Ernährung des Kör- pers dienenden Stoffe, einfach durch die Magenwandungen hindurch in den Körper übergehen, und dort je nach ihrer Beschaffenheit assimi- lirt werden. Je kürzer der Weg ist , den sie hierbei zurückzulegen ha- ben, um so leichter wird die Ernährung des Körpers bewerkstelligt wer- den, je mächtiger aber die Leibeswände entwickelt sind, um so schwie- riger werden die von der verdauenden Cavität aus zu beziehenden Er- nährungsmateriale in die äussersten , vom Magen entferntesten Körper- partien gelangen. Mit der Volumentfaltung des Körpers treffen wir demgemäss eine neue Einrichtung des Verdauungsapparates an, die darin besteht, dass vom Grunde des Magens aus ein Hohlraumsystem sich verbreitet und die im Magen gebildete Chymusflüssigkeit an die entferntesten Körpertheile führt. Die Vertheilung der ernährenden Flüssigkeit wird aber noch auf eine andere Weise besorgt, die in der Reihenfolge ihres Auftretens im Thierreiche von der Bildung einer mit dem Nahrungscanale unzusam- menhängenden Leibeshöhle abhängig ist. Sobald nämlich die Körper- wandungen von denen der verdauenden Cavität auf eine verschieden grössere Strecke sich abgetrennt haben, entsteht ein besonderer Hohl- raum, der sich mit den durch die Verdauung gebildeten Ernährungsflüs- sigkeiten anfüllt, und der sich mehr oder minder weit durch den Körper erstreckt. Die Ernährungsflüssigkeit durch die Magen- und Darmwände, in jenen Hohlraum übergegangen, kann im Allgemeinen als Blut be- zeichnet werden , wenn sie auch von der Blutflüssigkeit der höheren Thiere in mancher Hinsicht abweicht. Die Bewegung dieses Blutes im allgemeinen Leibeshohlraum findet anfänglich mit der Bewegung des Körpers statt. Es ist der Hautmuskelschlauch, welcher durch seine Gon- tractionen und Expansionen den Körper fortbewegt, dabei aber auch die umschlossene Flüssigkeit einem beständigen Ortswechsel unterzieht, so dass dieses Verhältniss als die niederste Form eines Blutumlaufes be- trachtet werden kann. Niedere Würmer bilden hiefür die Repräsentan- ten. Wirkliche Organe des Kreislaufes erscheinen erst mit der Differenzirung der Leibeshöhle in verschiedene Abtheilungen, die zwar unter einander noch in offener Verbindung stehen , die aber nicht mehr vollständig von den Formveränderungen des Körpers bezüglich der Er- weiterung oder Verengerung ihres Lumens beherrscht werden. Einzelne Abschnitte dieses die Blutbahn vorstellenden Hohlraum- systemes bilden sich durch Entwickelung von Musculatur in ihren Wän- den zu contractilen Gefässen aus , welche durch rhythmische Thätigkeit das regelmässige Zu- und Abströmen des Blutes bewerkstelligen und als die Anfänge einer Herzbildung anzusehen sind. Die contractilen Bildungen können als die einzigen differenzirtenTheile der Leibeshohlräume bestehen, so dass die Blutflüssigkeit aus ihnen so- gleich wieder in lacunenartige, zwischen den verschiedenen Organen be- Vom Aufbaue der Organe im Thierleibe. 23 findliehe Räume gelangt und von dieser wieder dem contractilen Ab- schnitte zuströmt (Insecten, niedere Mollusken), oder es bilden sich von dem als Herzen functionirenden Abschnitte aus bestimmte Canäle, welche entweder an der Stelle der früheren Hohlräume den Körper durchziehen, oft auch noch in Lacunenbildungen übergehen , oder welche nur einen Theil des Hohlraumsystems einnehmen , gleichsam in dasselbe nur ein- gelagert sind, ohne es vollkommen zu erfüllen. In dem ersteren Falle wird daher kein Raum im Körper zwischen den Organen existiren, der nicht eine Rlutbahnlacune darstellt (Mollusken) ; im letzteren Falle da- gegen wird ein besonderes Canalsystem abgeschlossen die Körperräume durchziehen (höhere Anneliden und Grustenthiere, dann Wirbelthiere). Auf diese Weise entsteht ein die ernährende Flüssigkeit führendes Ge- fässsy stem, welches häufig auf grosse Strecken weit contractu ist, und so, die Function eines Herzens vollziehend, eine niedere Stufe repräsentiert (Würmer, niederste Fische). Mit der Localisirung der con- tractilen Eigenschaft des Gefässsystems auf einen bestimmten Abschnitt tritt eine höhere Entwicklung desselben nicht allein am Volumen, son- dern auch am Muskelbelege der Wandungen hervor , so dass dieser Theil alsbald sich vom übrigen Gefässsystem unterscheidet und als die ge- sammteRlutmasse des Körpers bewegendes Centralorgan, Herz, erscheint. Vom Herzen gehen dann grosse Gefässstämme ab, die das Rlut im Körper vertheilen (Arterien), und wiederum Gefässbahnen (Venen), die es aus dem Körper sammeln, zum Herzen hinleiten. Der zwischen den zu- und ableitenden Gefässen liegende Rahnabschnitt wird entweder durch blosse Hohlräume ersetzt, ist lacunär, oder es bildet sich aus denGefäss- verzweigungen der zu- und ableitenden Stämme ein anastomosirendes Maschenwerk feinster Canälchen, die man als Capillaren bezeichnet, und die als eine höhere Entwickelung aus dem Lacunensysteme anzuse- hen sind. Von umgestaltendem Einfluss auf die Anordnung des Gefässsystems ist das Auftreten discreter Athmungsorgane, von denen das Herz entwe- der das Rlut aus diesen empfängt, um es im Körper zu vertheilen , oder es diesen zuleitet. Die Redeutung des Herzens ist demnach eine zwei- fach verschiedene , und nach dieser Verschiedenheit wird es bald arte- rielles Rlut (Crustaceen und Mollusken), bald venöses (bei Fischen) zu leiten haben. Wenn das Herz die Rlutflüssigkeit aus den Athemorganen empfängt und sie als arterielles Rlut im Körper vertheilt, so wird das letztere auf seinem Umlaufe in Lacunen oder in einem Capillarsysteme seine arte- riellen Eigenschaften verlieren und sich als venöses allmählich in die zu den Athemorganen führenden Rahnen sammeln, welche Rewegung auf der einen Seite durch den nachdrängenden vom Herzdrucke abhängi- gen Strome, auf der anderen Seite durch die einsaugende Thätigkeit des Herzschlauches geleitet wird. Aus dieser Einrichtung entwickelt sich eine höhere Form durch das Hinzukommen besonderer Centralorgane, 24 Einleitung. die das Blut aus den Körpervenen in die Athemorgane befördern , und die also am venösen Abschnitte des Gefässsystems angebracht sind (Ge- phalopoden) . Dadurch wird dem Herzen ein Theil seiner Function ge- nommen, aber auch zugleich eine höhere Potenzirung des ganzen Circu- lationssystems angebahnt. — Auch in dem anderen Falle, wenn das Herz direct nur die Athem- organe mit Blut versorgt, und das daraus zurückkommende ohne neuen Anstoss zur Fortbewegung den Körper durchkreist , und endlich wieder am Herzen anlangt, tritt eine Entfaltung neuer Einrichtungen auf. Es beruht diese in einer Theilung des Herzlumens und dem entsprechend auch der daraus hervorgehenden Gefässstämme. Der einfache Herz- schlauch ist schon bei weniger entwickeltem Girculationsapparate in zwei Abschnitte zerfällt, die mit einander communiciren und von denen der eine (Vor ho f) das Blut empfängt, um es dem anderen (der Kam- mer) zu übergeben. Die Bedeutung dieser Einrichtung liegt in der Lei- tung des Stromes nach nur einer Bichtung; Kammer und Vorkammer ziehen sich abwechselnd zusammen, so dass das Blut, welches durch die Contraction (Systole) der Vorkammer in die erweiterte Kammer (Diastole) getrieben wird, bei der nunmehr folgenden Contraction der Kammer und dem damit einhergehenden Verschlusse gegen die Vorkammer hin , nicht mehr in letztere zurückströmen , sondern nur nach einer Bichtung , in den von der Kammer entspringenden Gefässstamm entweichen kann. Ausser dieser, hier im Allgemeinen nicht wesentlichen Theilung tritt noch eine andere auf, derzufolge sowohl Kammer als Vorkammer von einander durch eine Scheidewand in zwei Hälften getrennt werden, wo- von die eine wesentlich dem Umlaufe des Blutes in den Athemorganen, die andere jenem in dem übrigen Körper dient. Sowohl das in die Athemorgane strömende , als das aus diesen als arterielles Blut im Her- zen wieder angekommene und im Körper zu vertheilende , wird von je einer Hälfte des Gentralorganes fortbewegt, und damit ist die höchste Organisation des Kreislaufapparates vollendet (Vögel, Säugethiere) . Der beständige Verbrauch von gasförmigen im Blute enthaltenen Stoffen, nämlich des Sauerstoffes, an dessen Stelle eine für thierische Organismen unbrauchbare Gasart, die Kohlensäure , tritt, erfordert zur Erhaltung des Lebens eine fortgesetzte Aufnahme des ersteren und Ab- gabe des letzteren , so dass also ein beständiger Austausch von Gasen zwischen dem Körper und dem umgebenden Medium nothwendig wird. Darin besteht das Wesen des Athmungsprocesses. Unerschöpf- liche Quelle des Sauerstoffs ist die atmosphärische Luft; sei es jene, welche überall die Erdoberfläche umgibt, sei es die im Wasser enthal- tene, denn auch die in letzterem Medium lebenden Thiere verbrauchen nur die in solchem stets vertheilte atmosphärische Luft. Vor der Bildung von besonderen Athmungsorganen wird der Gas- austausch durch die Oberfläche des Körpers vollzogen , und bei vielen niederen im Wasser lebenden Thiere fast aus jeder grösseren Abtheilung Vom Aufbaue der Organe im Thierleibe. 25 findet diese Athmungsweise statt. Theils durch die eigene Bewegung des Körpers, theils durch das Auftreten von beweglichen Wimperhaaren am Körper wird ein Wechsel des umgebenden Mediums bewerkstelligt, und immer neue Massen desselben mit der athmenden Flache in Gontact gebracht. Aber nicht nur die äussere Körperoberfläche vermittelt den Austausch der Gase, es kommen noch Einrichtungen hinzu, nach denen auch die inneren Körpertheile mit Wasser versorgt werden, und die Aufnahme von Wasser in die verdauende Cavität ist die erste Andeu- tung einer in der Thierreihe sehr verbreiteten Erscheinung. Die Bespü- lung des Darmcanals mit Wasser wird durch beide Oeffnungen desselben bewerkstelligt, und ist bei Würmern und Mollusken, ja noch bei im Wasser lebenden Gliederthieren häufig der Fall. Einen höheren Grad erreicht sie da, wo canalartige Fortsätze vom Magen aus sich im Körper vertheilen, und mit ihnen das Wasser im ganzen Organismus verbreitet wird (Coelenteraten) , bis endlich sogar ein besonderer Gefässapparat auftritt , der sowohl vom Blutgefässsystem als vom Nahrungsorgane ge- trennt den ganzen Körper durchzieht, und mit von ausserher aufgenom- menem Wasser zahlreiche innere Canäle speist, und die Athmung also überall im Körper ermöglicht (Echinodermen). Dieselbe innere Ath- mung, wie sie dort durch Canäle geleitet wird, findet noch durch directe Zumischung von Wasser zum Blute statt, indem an gewissen Orten das Blutgefässsystem mit der Aussenwelt in offener Verbindung steht (Mollusken). Alle diese mannichfaltigen Einrichtun- gen , die einen Athmungsprocess im Inneren des Körpers bezwecken, schliessen das Auftreten directer Athmungs Werkzeuge nicht aus, sind vielmehr mit letzteren bei der höchsten Abtheilung der Thiere (Wir- belthiere) vielfach in combinirter Thätigkeit zu treffen. Der allgemeine Plan der Athmungsorgane ist je nach den Medien, in denen die Thiere leben, nach zwei Seiten hin verschieden : i) Organe für die Athmung im Wasser sind stets nach aussen gerich- tete Fortsätze der Körperoberfläche, die in vielfachen Modificationen eine Vergrösserung jener Oberfläche bedingen , und so bald ver- ästelte, bald aus zahlreichen auf einanderfolgenden Blatt chen zusam- mengesetzte Bildungen vorstellen , in deren Innerem das Blut circu- lirt. Man bezeichnet solche als Kiemen. Sie können entweder am ganzen Körper vertheilt sein , oder an bestimmten Stellen desselben vorkommen , oftmals unter Faltenbil- dungen des Integumentes geborgen und dann mit besonderen Ein- richtungen ausgestattet, durch welche die Zu- und Ableitung des Wassers besorgt wird. Eine bedeutende Bolle spielen hiebei die Wimperhaare. Würmer und niedere Arthropoden, dann Mollusken und niedere Wirbelthiere sind mit Kiemenapparaten versehen. 2) Die zur Luftathmung bestimmten Organe werden immer im Innern des Körpers getroffen, und erscheinen entweder : 26 Einleitung. a) als ein sich im Körper verbreitendes Röhrensystem, als Tra- cheen (höhere Arthropoden) , welche die von aussen durch be- stimmte Oeffnungen eindringende Luft im Körper vertheilen , so dass die Respiration in allen damit versorgten Organen zu Stande kommt, oder sie erscheinen b) als membranöse Säcke, die gleichfalls durch bestimmte Wege mit der Aussenwelt communiciren , aber niemals im Körper sich an die Organe ausbreiten, Lungen. Der Unterschied zwischen den beiden letzten besteht daher mehr in ihren verschiedenen Beziehungen zu der den Respirationsprocess einge- henden Ernährungsflüssigkeit , dem Rlute , als in der allgemeinen An- lage , die für beide im Grunde dieselbe ist. Die in den Körper aufgenommenen und in die Ernährungsflüssigkeit übergegangenen Stoffe sind einem beständigen Umsätze unterworfen, in- dem einzelne davon an die eigentliche Körpersubstanz — bei den aus der einzelligen Urform herausgetretenen an die GewTebe — abtreten und die Ernährung derselben bedingen, sowie auch wieder Stoffe von der Kör- persubstanz in die Ernährungsflüssigkeit übergehen. Diese letzteren Stoffe sind dann solche, die nicht mehr speciell zum Aufbaue und zur Erhaltung der einzelnen Körpertheile verwerthet werden , und die des- halb der Organismus aus sich entfernt. In den einfachsten Organismen ist dieser Vorgang der Abschei- dung, gleichwie jener der Athmung, die ja auch hieher zu rechnen ist, insofern sich durch sie und mit ihr Auswurf-Stoffe, wenn auch in Gas- form aus den Körper sondern , an die Oberfläche des Körpers gebunden, und selbst noch bei mehr complicirter Organisation sind oft noch keine speciellen Organe für diese Verrichtung nachweisbar, so dass wir dieselbe auch hier noch nach jener Weise stattfindend uns vorstellen müssen. Organe, welche der Bildung von Abscheidungen dienen , wo wir also die vorhin noch unbeschränkt stattfindende Thätigkeit an discreten Stellen auftreten sehen, werden im Allgemeinen als Drüsen bezeichnet, und bestehen, soweit uns diese Einrichtungen hier berühren, im fer- tigen Zustande aus Einstülpungen der Körperoberfläche oder innerer, mit der Oberfläche in directer Verbindung stehender Theile (z. B. des Darmcanals). Die Forin solcher Drüsen erscheint entweder einfach schlauchförmig oder canalartig, oder sie erscheinen aus Läppchen zusam- mengesetzt, in den mannichfaltigsten Gombinationen , durch welche im- mer eine Vergrösserung ihrer innneren Oberfläche angestrebt wird. Die Bereitung der Secrete oder auch die blosse Abscheidung (wenn nämlich die abzuscheidenden Stoffe schon in der Blutflüssigkeit vorhanden sind) geschieht vorzüglich durch die Epithelialauskleidungen der Drüsen , in- dess der mit der Aussenfläche zumeist communicirende Abschnitt die Bedeutung eines Ausführganges übernimmt. Wenn nun so die grosse Menge der Drüsen als zusammengesetzte Organe erscheinen, indem die Vom Aufbaue der Organe im Thierleibe. 27 Epithelialelemente eine Hauptrolle spielen und hierbei meist ein Com- plex derselben nothwendig wird , so müssen doch noch viel ein- fachere Gebilde einen Platz unter den Drüsen finden, nämlich blosse Zellen , die sich in einen Ausführgang verlängern und in ihrem Körper den secernirenden Abschnitt vorstellen (einzellige Drüsen) . Die Qualität der Secretionsproducte ist eine unendlich verschiedene, ebenso ihre Bedeutung für den Organismus. Bei einem Theile entstehen auf diesem Wege Producte, die für andere Functionen von grosser Wich- tigkeit sind, es sind dann die Drüsen mit den betreffenden Organen in Verbindung und bilden deren Appertinentien. In dieser Hinsicht sind Speicheldrüsen und Leber anzuführen, deren schon früher gedacht wurde, auch zahlreiche andere mit dem Darmcanale verbundene Drüsen gehören hierher, und auch die Geschlechtsorgane sind mehr oder minder reich mit solchen Drüsen ausgestattet. Bei anderen ist die Bedeutung des Se- cretes eine mehr untergeordnete, wie bei den Talgdrüsen der Haut u. s. w., bis endlich bei noch andern die Hauptbedeutung des Secretes vorzüglich in seinem Ausscheiden aus dem Körper liegt. Diese Excre- tion ist es nun, der in der thierischen Oekonomie die wichtigste Stehe zukömmt, und deren Organe unter allen Drüsenbildungen das verbreitet- ste Vorkommen besitzen. Wie die Organe der Athmung für die Abschei- dung eines kohlenstoffhaltigen Productes (der Kohlensäure) dienen, so werden durch die in Bede stehenden Excretionsorgane , soweit bis jetzt die Untersuchungen darüber Aufklärung gaben, vorzüglich stickstoffreiche Verbindungen entfernt. Die Excretion geschieht bald in flüssiger Form, bald in fester und dann entstehen Concretionen, die zuweilen sogar nicht einmal alsbald nach aussen entleert, sondern als in dieser Form fernerhin unschädliche Substanzen im Organismus mehr oder minder lange Zeit abgelagert werden. Da, wo wir die Excretionsorgane zuerst als gesonderte Bildungen auftreten sehen, ist ihre Function noch keineswegs eine abgeschlossene, sie vereinigen vielmehr noch eine Anzahl anderer Verrichtungen in sich, unter denen die Einführung von Wasser ins Innere des Körpers , und dann auch wieder die Ausleitung von Wasser obenan stehen. Diese Ver- richtung ist sogar häufig (bei Würmern) so ausgeprägt, dass man darüber die der Excretion fast übersehen und die betreffenden Organe mit einem Wassergefässsysteme zusammen gebracht hat. Die Erkennung dieser Or- gane wird aber um so schwieriger, als die Ausscheideproducte häufig in flüssigem Zustande auftreten , und es ist dann nur die Vergleichung mit analog gebauten , aber in ihrer Bedeutung bestimmten Theilen , die ihnen zum Maassstabe der Beurtheilung wird. Die Vereinigung der Was- serzufuhr in den Körper bleibt mit den Excretionsorganen auch dann noch verbunden , wenn die absondernde Thätigkeit schon in ganz be- stimmter Bichtung erkannt wird, ja man kann wohl behaupten, dass bei der grössten Mehrzahl der im Wasser lebenden Thiere (mit Ausnahme 28 Einleitung. der Wirbelthiere) diese Vereinigung fortbesteht und also hier das Exere- tionsorgan auch für die Bethätigung des Athmungsprocesses auftritt. Erst wenn eine höhere Organisationsstufe erreicht ist, wie sich sol- ches unter den Gliederthieren (die Krebse ausgeschlossen) durch die Luftathmung beurkundet, oder wie es durch den ganzen Bauplan der Wirbelthiere sich ausspricht, ist die Function jener Organe eine einheit- lich bestimmte . nur auf die Ausscheidung gerichtete , die wir bei den Wirbelthieren als Harn bezeichnen, und wovon ausgehend man die Ex- cretionsorgane der übrigen Thiere mehr oder minder einseitig als Nie- ren deuten kann. — Bis hieher haben wir die Entfaltung jener Organe verfolgt , deren Verrichtungen auf die Erhaltung des individuellen Lebens abzielen, und die in ihrem Zusammenwirken die Factoren desselben sind. Wir sehen aber , dass in dem Plane der organischen Schöpfungen neben der Schranke , welche dem Leben des Individuums gezogen , auch die Fort- setzung des Individuums innerhalb der Art zu erkennen ist. Diese Fort- setzung des Individuums und die daraus entspringenden Erscheinungen am Organismus können in einem gegensätzlichen Verhältnisse zu der Summe aller übrigen Verrichtungen aufgefasst werden , da ihre Bedeu- tung das Individuum überdauert , und ihr Endresultat immer die Ent- stehung neuen Lebens ist, während jene nur innerhalb des Individuums sich bewegend, mit dem Tode desselben abschliessen. Sie stehen somit zu einander in demselben Verhältnisse wie das Individuum zur Art. Nachdem die Lehre von der Urzeugung (Generatio aequivoca, s. spontanea) der Thiere, nach der letztere in niederen Formen ohne Voraus- setzung anderer Thiere unter gewissen Verhältnissen entstehen sollten, Dank dem Aufschwünge, den die Wissenschaft durch Verbesserung der Hilfsmittel zur Beobachtung und durch exactere Forschungsmethoden ge- nommen hat, sich auf ein immer beschränkter werdendes Feld zu- rückgezogen, und wohl jetzt von keinem Forscher mehr angenommen wird : hat sich das dunkle Gebiet von der Fortpflanzungsgeschichte der Thiere in zahlreichen Thatsachen vielfältig aufgehellt, und es kann der neue Standpunct sein wichtigstes Bekenntniss in dem Satze fornmliren : »dass Lebendes nur aus Lebendem hervorgehe«*). f) Die Fortpflanzung der Thiere tritt je nach der Stufe, welche das Thier hinsichtlieh seiner Organisation einnimmt, in verschiedenen Formen auf, die einen Fortschritt vom niederen zum höheren ebenso in sich erkennen lassen , wie dies bei den einzelnen der Erhaltung des In- dividuums gewidmeten Körperverrichtungen dargelegt ward. *) Auch in der Histiologie, wo die Generatio aequivoca in wenig veränderter Form in der freien Zellenbildung, oder in der Entstehung freien Kerne noch am längsten, bis in unsere Tage nämlich, aufrecht erhalten wurde, und es zum Tbeile noch wird, hat sich eine consequentere Anschauung von der Entstehung der Zelle bereits Bahn gebrochen, und man beginnt für jede Zellengeneration die Zelle als nothwendig vorauszusetzen Vom Aufbaue der Organe im Thierleibe. 29 Die wesentlichsten Formen der Fortpflanzung sind folgende : durch Theilung. Eine unter den niederen Thieren sehr verbrei- tete Vermehrungsform, die auch dann noch vorkömmt, wenn andere, eine vollkommenere Organisation begründende Vermehrungsweisen schon vorhanden sind. Sie beginnt mit einer über die Oberfläche des Thieres sich hinziehenden Einschnürung , die allmählich immer tiefer greift und mit der mehr oder minder vollständigen Trennung der neuen Individuen endet. Die unvollständige Theilung lässt die neuen Individuen mit einander im Zusammenhang und führt so im Wiederholungsfalle zur Begründung von Colonien oder Thierstöcken. Je vollkommener die Organisation eines sich theilenden Thieres ist, um so gleichmässiger wird die Vertheilung der Organe auf beide Hälften sich treffen müssen, und dadurch die Theilung nur in ge- wisser Richtung möglich sein , indess sie bei noch nicht in Organe differenzirtem Körper sowohl der Länge als der Quere nach statt- finden kann. Der Grund hiefür muss denn in der gleichmässigen Potenzirung jeder Körperhälftc gesucht werden. Die Erscheinung des Theilungsprocesses widerstreitet dem Be- griffe des Individuums , allein nur scheinbar, denn wenn wir uns unter Individuum ein von nur Einem Lebenscentrum aus beherrsch- tes Wesen denken, so zeigt eben das Phänomen der Theilung, dass dieser Begriff dann nicht mehr anwendbar, indem mit der Theilung schon eine Decentralisirung, ein Auseinandergehen der Körperbe- standtheile. vom gemeinsamen Centrum und eine Vereinigung um zwei neu entstandene Centra begonnen hat. Jedes in der Theilung begriffene Individuum repräsentirt daher potentiell schon deren zwei. Man darf deshalb sich diese Art der Vermehrung nicht ein- fach so vorstellen, dass ein einheitlicher Organismus durch eine bloss stoffliche Spaltung in zwei neue zerfalle, sondern es ist hiebei die Zunahme des Organismus durch Wachsthum als vorbereitender Act in Anschlag zu bringen, wodurch eben die Beherrschung von einem einheitlichen Centrum aus beeinträchtigt und die Theilung derselben, deren Ende die Theilung des Individuums ist, als noth- wendig auftritt. — Hieran reiht sich die Vermehrung durch Sprossenbildung. Wenn eine gewisse Grössenzunahme des Organismus der vorigen Vermehrungsart vorausgehen muss, so ist ein solches Wachsthum auch die Sprossenbildung einleitend, und darin kommen beide, Theilung und Sprossenbildung, überein, allein das Wachsthum des Individuums setzt bei letzterer keine all- seitige Vergrösserung des Körpervolumens, sondern eine partielle Erscheinung, durch die ein neuer, nicht absolut dem Individuum nothwendiger Theil gebildet wird, der sich nach und nach zu einem neuen Individuum gestaltet. 30 Einleitung. Je nach der Oerllichkeit unterscheidet sich die Sprossenbildung in zwei Formen : a) äussere Sprossenbildung entsteht durch einseitiges Aus- wachsen des Körpers an verschiedenen Stellen seiner Ober- fläche, Wucherungen der betreffenden Gewebe, durch welche allmählich eine Zellenmasse gebildet wird , die sich zu einem Thiere uniformt. Das neue Wesen kann entweder mit dem Mutterthiere in Verbindung bleiben und dann kommen bei fort- gesetztem Sprossungsprocesse Thierstöcke zur Entstehung (Po- lypen, Hydroiden, Ascidien , Cestoden) , oder der Sprössling wird frei und erscheint dann als selbständiges Individuum (bei Infusorien, Medusen). b) die innere Spr ossenbildung kann ganz wie die vorige vor sich gehen, zeigt sich aber in bestimmter Weise an gewisse Organe gebunden . die, einer erhöhten Ernährung unterstellt, die Erzeugung neuer Wesen durch Sprossung besorgen. Die Localisirung der Function auf ein bestimmtes Organ (Keimstock) möchte das meist Characteristische für diese Abtheilung sein, so dass sie dadurch von der vorigen sich wesentlich unterschei- det (Salpen) ; doch können auch Uebergänge zur letzten durch die äussere Lage des Keimstockes einigermaassen vermittelt werden (Doliolum). — 3) Keimbildung. Wenn Theile eines, Organismus aus dem organi- schen Zusammenhange mit demselben treten und die Anlage zu neuen Individuen vorstellen, so ist diese Vermehrungsform gegeben. Von der Theilung unterscheidet sie sich durch die unvollkommene Bildung des Keimes , der erst nach längerer Zeit dem Mutterthiere gleich wird, und so im freien Zustande eine Art von Entwicklung zu durchlaufen hat. Von der Sprossenbildung ist sie aber durch den sehr frühzeitig aufgehobenen Zusammenhang mit den Organen der Mutter unterscheidbar. Die Quantität der Keimbildung kann sehr verschieden sein , so dass bald ein ganzes Individuum sich in eine Reihe von Keimkörnern auflöst, oder letztere nach und nach aus sich hervorgehen lässt. (Gregarinen, Infusorien, Trematoden.) Diesen drei Arten der Vermehrung, die man als ungeschlechtliche Fortpflanzung auffassen kann, steht die geschlechtliche gegenüber, und erscheint als eine weitere Ausbildung der vorigen Vermehrungs- erscheinungen. 4) Die geschlechtliche Fortpflanzung beruht in der Erzeugung von Keimen, die aus Elementartheilen (Zellen) des Organismus dar- gestellt werden, die aber für sich nicht die Fähigkeit besitzen, sich zu neuen Organismen zu entwickeln, sondern dazu erst des Anstos- ses durch Verbindung mit einem anderen Stoffe (dem Samen) be- Vom Aufbaue der Organe im Thierleibe. 31 dürftig sind*). Die Einwirkung des Samens auf den Keim (das Ei) bildet denBefrucbtungsprocess. Es ist also hier nicht mehr ein ein- facher Theil des Organismus, wie bei der Keimbildung, zur Erzeu- gung eines neuen Wesens ausreichend , vielmehr bedarf es dazu eines zwiefachen Stoffes, der vom erzeugenden Organismus geliefert wird. Die beiden Stoffe bilden sich im einfachsten Falle, der bei den niedersten geschlechtlich entwickelten (Goelenteraten) Thieren sich trifft, an discreten Körperstellen, die dann als Geschlechtsorgane fungiren, ohne durch besondere Vorrichtungen ausgezeichnet zu sein. Es sind somit blosse Keimstätten (Hoden für die männlichen, Eierstöcke für die weiblichen Theile) , die den, nur einen Theil der gesammten Geschlechtsorgane ausmachenden keimbereitenden Drüsen der höheren Organismen vergleichbar sind. Einen Schritt weiter gehend treffen wir die Keimdrüsen mit besonderen Ausführ- gängen versehen, oft in complicirter Weise gebildet, wir sehen acces- sorische Theile daran auftreten, die an den männlichen Organen als Reservoirs für die gebildete Samenmasse dienen , oder die als Drü- sen erscheinen , in denen eine dem Samen sich beimischende Flüs- sigkeit abgesondert wird, indess an den weiblichen Organen Theile zur speciellen Aufnahme und Aufbewahrung des auf sie übertrage- nen männlichen Samens , Drüsengebilde der mannichfaltigsten Art, jedoch grösstentheils einen Hüllstoff (Eiweiss) für die Eier liefernd, zum Vorscheine kommen. Bis zur Reifung der Eier, oder bis zur Befruchtung derselben, oder sogar endlich bis zur Entstehung oder auch vollendeten Entwicklung des jungen Wesens können sich ein- zelne Abschnitte des weiblichen Ausleiteapparates zu Ei- oder Fruchthältern ausbilden. Endlich treten noch Organe dazu, welche die Uebertragung des männlichen Keimstoffs auf die weiblichen Or- gane besorgen und die als Begattungsorgane vielfache eigentüm- liche Einrichtungen zeigen, denen entsprechend der zur Aufnahme der Begattungsorgane dienende Endtheil des weiblichen Apparates modificirt ist. Beiderlei Geschlechtsorgane sind bei vielen Abtheilungen der Thiere in einem Individuum vereinigt, welches so als »Zwitter« erscheint und in dieser »hermaphroditischen« Bildung im Allgemeinen zugleich *) Diejenigen Fälle, wo sich Eikeime ohne Betheiligung des Samens zu neuen Individuen entwickeln (bei den Aphiden, dann bei Schmetterlingen und Bienen, bei welch' letzteren diese Erscheinung von v. Siebold als Parthenogenesis bezeichnet wurde) beeinträchtigen nicht die Richtigkeit der oben ausgesprochenen Definition der geschlechtlichen Zeugung, da es sich ja um das ganze die Art erhaltende Phä- nomen handelt, und nicht um untergeordnete Theile der Erscheinung. — Wenn die Drohnen der Bienen aus unbefruchteten Eiern hervorgehen, so ist doch wieder die Befruchtung für diejenigen Eier, aus denen weibliche Individuen (Königin und Arbeiterinnen) werden sollen, erforderlich , und ohne diese hat das Leben der Art sein Ende erreicht. 32 Einleitung. eine niedere Stufe der geschlechtlichen Entfaltung beurkundet. Es ver- mag so ein Individuum durch die gegenseitige Einwirkung seiner Zeu- gungsstoffe der Vermehrung vorzustehen, wss oft noch dadurch befördert wird, dass entweder die Keimdrüsen (Hoden und Eierstöcke) räumlich vereinigt sind (Muschelthiere) , oder dass doch ihre Ausfuhrgänge mit einander communiciren (manche Plattwürmer). Eine höhere Bildungs- stufe tritt ein, wenn beiderlei Geschlechtsorgane zwar noch in einem Individuum vereinigt sind, allein getrennte Ausführapparate und derart geschiedene Oeffnungen besitzen . dass der Samen nicht zu den Eiern gelangen kann. Zur Befruchtung der letzteren wird hier noch ein ande- res Individuum nothwendig, welches als Männchen fungirt, sowie dieses sich zugleich auch als Weibchen verhalten kann, wenn es selbst von dem von ihm befruchteten Individuum in einem und demselben Acte wieder be- fruchtet wird. Der Hermaphroditismus geht hiedurch in die Trennung der Geschlechter über, indem in dieser Form die Fortpflanzung schon zwei Individuen postulirt. Die Vertheilung der männlichen und weib- lichen Organe auf differente Individuen , deren gegenseitige Einwirkung nothwendig ist, um die Art fortzusetzen, erscheint dann als die vollkom- menste geschlechtliche Einrichtung, weil nicht nur specielle Organe, son- dern ein ganzes Individuum in seiner Gesammtorganisation zum End- zwecke der Fortpflanzung angelegt und ausgebildet erscheint. — Auch die Theilung der Function im Allgemeinen hat hierin ihren Höhepunct erreicht, wir haben sie ursprünglich vom einfachen Organe auf ein com- plicirtes Organsystem übertragen gesehen, dessen einzelne Theile wie- derum einer Beihe von besonderen Verrichtungen vorstehen, und treffen sie nun schliesslich getheilt von besonderen in geschlechtlicher Hinsicht different gebauten Individuen vollzogen. Von den Beziehungen iler Organe. Die Differenzirung der Organe, wie sie in den verschiedenen Abthei- lungen des Thierreichs in mannichfaltiger Weise vor sich geht, führt zu einer andern Erscheinungsreihe. Es geht schon aus dem Begriffe des Lebens als der einheitlichen Aeusserung einer Summe von gesetzmässi- gen, sich gegenseitig bedingenden Erscheinungen hervor, dass keine Thätigkeit eines Organes für sich bestehend, absolut, gedacht werden kann, sondern dass vielmehr jegliche Art von Lebenserscheinung die ganze übrige Folge von Erscheinungen voraussetzt. Da nun die Organe im thierischen Körper als die materiellen Träger der Lebenserscheinungen, Factoren und Producte zugleich, sich darstel- len , so werden nothwendig auch innige Beziehungen zwischen den ein- zelnen Organen vorhanden sein, und es wird sich das am Substrate er- kennen lassen, was in der Verrichtung sich offenbart. Man hat diese Be- ziehungen als »Correlationen der Theile« bezeichnet und es wurde Von den thierischen Typen. 33 hiermit zugleich der Weg angebahnt, auf welchem die Erkenntniss dieser Beziehungen zur Gesammtanschauung der thierischen Organismen führt. Man kann diese Beziehungen in nähere und entferntere theilen , je nachdem ein einzelnes Organ auf ein Organsystem , oder durch letzteres auf den Organismus und dadurch auf alle übrigen Organe gestaltend einwirkt, aber man hat sich wohl zu hüten, hierdurch in teleologische Betrachtungen zu verfallen, da eben die Abhängigkeit derTheile von einan- der stets mit der Combination der Verrichtungen einhergeht, und etwas für jeden Organismus aphoristisches ist. — Die Entwicklung des Brustbein- kammes bei den Vögeln steht zunächst im Zusammenhange mit der Aus- bildung der Pectoralmuskeln , die hier somit die nächsten Beziehungen darstellen, allein damit ist jener Zustand des Sternums noch keineswegs befriedigend aufgeklärt, sondern wir müssen aus der Bildung jener Mus- keln noch eine ganze Beihe von Organisationsverhältnissen hervorgehen lassen, wie z. B. die Entwickeluns; der vorderen Extremitäten zu FI112- Werkzeugen, die Pneumaticität der Knochen, die Einrichtung derAthem- organe, die Circulationsverhältnisse, die Integumentarbildungen u. s.w., mit einem Worte : wir kommen stets auf den Gesammttypus zurück, so- bald wir ein einzelnes der zu einer continuirlichen Kette verbundenen Glieder in seinen Beziehungen betrachten, und müssen dabei erken- nen, dass nicht das Organ den Organismus, sondern der Organismus das Organ beherrscht. — §. 5. Von den thierischen Typen. Die Entwicklung und Ausbildung der thierischen Organe zeigt nicht blos graduelle Verschiedenheiten , sondern es finden sich hier noch Dif- ferenzen, die in dem Plane, in der morphologischen Anlage des Organes selbst begründet sind, und die in ihrem Gesammtresultate in der ganzen Wesenheit des Thieres sich reflectiren. Solche Verschiedenheiten beru- hen in der Lage der einzelnen Organe zu einander , in ihrer Verbindung unter sich oder mit andern Theilen , und endlich in ihrer Aufeinander- folge und den Zahlenverhältnissen, in denen sie vorkommen. Auch Ei- gentümlichkeiten, die sich schon beim ersten Auftreten des Organes in den eben erwähnten Beziehungen kundgeben, sind hierher gehörig, selbst wenn sie später im ausgebildeten, fertigen Zustande wieder verloren ge- gangen sind. Die auf diese Weise an einem Organe zur Erscheinung kommende Summe von Eigenthümlichkeiten prägen demselben einen bestimmten Character auf, den es in der höchsten Ausbildungsstufe ebensowenig verliert, als er selbst in der niedersten Entwickelung, sobald das Organ überhaupt einmal gesondert ist, verkannt werden kann. Dieser aus einer Summe von Eigenthümlichkeiten entstandene Character bildet den Ty- pus des Organes. Die Summe der nach einem gewissen Typus ein- gerichteten Organe bedingt eine bestimmte Form der Gesammterschei- Gegenbaur, vergl. Anatomie. 3 34 Einleitung. nung eines Thieres , die ebenso in seinem Baue wie in seiner äusseren Gestalt sich äussert, und stellt den Typus des Thieres vor. Weil aber der Typus eines Thieres etwas ursprünglich anerzeug- tes, aus der Form und den wechselseitigen Beziehungen der Organe zu- gleich resultirendes ist, so wird er um so leichter sich offenbaren, je aus- gebildeter die Organsysteme sich darstellen, und je deutlicher dieser oder jener Bauplan an einem oder dem andern Organe sich entfaltet hat. Ein typisch gebautes Organ inducirt so den Schluss auf den Gesammttypus des Thieres. Aus dem Vorhandensein einer Bauchganglienkette schliessen wir auf einen Typus , in dem eine Segmentirung des Körpers der herr- schende Character ist, und es wird ein mit solchem Bauchmarke verse- henes Thier einer jener Abtheilungen (den Annulaten oder den Glieder- thieren) angehören müssen , selbst wenn am äusseren Körper die Glie- derung verloren gegangen, oder niemals sich gebildet hätte. Dies ist dann die Beugung der Form, welche innerhalb eines Typus auftreten kann, und letzteren nur noch in einem Organsystem und den davon zunächst abhängigen Theilen sich aufrecht erhalten lässt. Bei der gegenseitigen Werthabschätzung der Organe trifft man hinsichtlich des typischen Ver- haltens bei den einzelnen Thieren auf die grössten Verschiedenheiten. Ein Organ, welches in einer Thiergruppe als Locomotionsorgan thätig ist, functionirt bei einer anderen Abtheilung als Athemwerkzeug; so erschei- nen bei gewissen Krebsthieren die gegliederten Anhänge des Körpers bald als Ruderorgane, oder als Schreitfüsse, bald als dünne häutige Blättchen gestaltet, in welch' letzteren dann die Athmung vollzogen wird; und dennoch, trotz dieser Verschiedenheit der Function, sind diese Theile im Baue wesentlich übereinstimmend , soweit dies die veränderte Verrich- tung zulässt, und verhalten sich in völlig gleicher Weise zu den ihnen angehörigen Segmenten des Körpers. Alle erscheinen als gegliederte An- hänge der Segmente, als Gliedmaassen, die den Segmenten in bestimmter Zahl zukommen , an gleichen Stellen sich inseriren und von gleichwer- thigen Theilen der Nervencentra ihre Nervenzweige erhalten. Es geht klar hieraus hervor, dass diese Theile nur Modificationen eines und des- selben Gebildes sind, zu verschiedenen Zwecken zwar umgeformt, allein dennoch das Gepräge eines gemeinsamen Typus erkennen lassend. Auf der andern Seite treffen wir auf Organe, welche zwar in der physiologi- schen Bedeutung für die Organismen, denen sie angehören, mit einander übereinstimmend sind, aber in anatomischer Beziehung und auch durch ihre Entwickelungsweise also in der Summe der morphologischen Er- scheinung sich sehr verschieden verhalten. Die Kiemen eines Fisches und die Lungen eines Vogels oder Säugethieres sind beide Athemwerk- zeuge , empfangen venöses Blut aus dem Körper und geben arteriell ge- wordenes ab , allein die ersteren bestehen aus Blättchen , die in dichten Reihen bogig geformte und an die Schädelbasis befestigte Knochenstücke (dieKiemenbogen) besetzt halten, und die in dem zwischen den Kiemen- bogen hindurchströmenden Wasser den Athemact vollziehen. Dagegen Von den thierischen Typen. 35 stellen die Lungen häutige , in die Thoraxhöhle gelagerte Säcke vor , die in vielfache kleinere Hohlräume getheilt sind und von aussen her Luft aufnehmen, welche, bis in die feinsten Räume dringend, die Respi- ration des dort in reichen Gefässnetzen vertheilten Blutes vermittelt. Jede Eigenschaft des Baues. einer dieser beiden Arten von Athemwerk- zeugen stellt somit eine Verschiedenheit von jenen des anderen vor, und ebenso grosse Verschiedenheiten würden sich ergeben , wenn wir noch die Entstehung jener Organe berücksichtigten. Man sieht aus diesem Beispiele, wie verschieden die Resultate sind je nach dem Maassstabe, der bei der Vergleichung angelegt wird, und wie die Vergleichung nach verschiedenen Seiten hin geübt werden kann. In dem einen Falle messen wir die Organe unter einander nach ihrem physiologischen TVerthe, und treffen hier bei gleicher Function bei selbst noch so sehr verschiedenem Baue die Analogien der Theile an. Im andern Falle prüfen wir die Gleichartigkeit der Organe nach ihrer Entstehung und nach ihrer Ein- richtung im fertigen Zustande, d. h. wir prüfen sie von ihrer morpholo- gischen Seite, und finden dann die Homologien derselben heraus. Analogie und Homologie sind wesentlich verschiedene Be- griffe, die nur durch den gemeinsamen Ursprung der Vergleichung mit einander verknüpft sind : dem einen aber liegen physiologische That- sachen, dem andern morphologische zu Grunde, und wenn wir die Un- terschiede beider wieder an einem Beispiele prüfen wollen , stellt sich das schon oben gewählte am geeignetsten wieder dar. Die Kiemen eines Fisches sind die Analoga der Lungen eines Vogels oder Säugethieres, d.h. sie sind beide Organe der Athmung, dagegen sind sie weit entfernt, ein- ander homolog zu sein. Als Homologa würden sich dagegen der Flügel eines Vogels zu der Brustflosse eines Fisches verhalten, die beide vordere Extremitäten sind, dagegen würden dieselben Theile, mit der Flosse eines Tintenfisches oder mit dem Flügel eines Schmetterlings verglichen, blosse Analoga vorstellen, indem sie zwar alle Bewegungsorgane sind, allein in wesentlich verschiedenen morphologischen Verhältnissen sich finden. Da die Homologien ihre Kriterien in den morphologischen Verhält- nissen besitzen und durch diese die Bauplane der Organe und schliess- lich der Thiere sich offenbaren, so sind sie für die vergleichende Anato- mie von grösserer Bedeutung als die Analogien , die nur in der functio- nellen Uebereinstimmung der Organe beruhen. Letzlere ziehen sich da- her gleichmässig durch das ganze Thierreich , da eine gewisse Summe von Functionen jedem Thiere zukommen muss, erstere dagegen beschrän- ken sich auf engere Kreise, innerhalb deren eine gewisse Beihe von t y - pischen Organisationsverhältnissen in die Erscheinung tritt und einen thierischen Typus bedingt. Homologien werden also in ausge- dehnterer Weise nur bei Organen bestehen, welche Thie- re n von einem gleichen Typus angehören*). *) Es soll dieser Satz nur zur allgemeinen Orienlirung dienen, denn es 3* 36 Einleitung. Es lassen sich die Homologien je nach den näheren oder entfernte- ren Beziehungen in mehrfache Abtheilungen gruppiren; wie dies na- mentlich R. Owen*) that, welcher deren drei aufstellte: 1) Allgemeine Homologie. Sie findet sich , wenn ein Theil oder eine Reihenfolge von Theilen sich auf den Grundtypus bezieht, und deren Erscheinung einen Begriff jenes Grundtypus in sich birgt, auf welchem eine Thiergruppe aufgebaut ist. Der Ausdruck eines sol- chen Grundtypus ist z.B. der Wirbel. Ist demnach nachgewiesen, dass z.B. der Rasilartheil des menschlichen Hinterhauptbeines dem Centrum oder Körper eines Wirbels gleich ist , oder mit andern Worten , dass er den Körper des hintersten Kopfwirbels vorstellt, so hat man jene Art der Homologie dargethan. 2) Die specielle Homologie ist jene, wenn ein correspondirendes Verhältniss besteht zwischen den Beziehungen von Organen in ver- schiedenen Thieren. Das Vorhandensein dieser Homologie zeigt an, dass die Thiere, bei deren Organen sie besteht, nach einem gemein- samen Typus gebaut sind. Wenn man daher dies entsprechende Verhalten zwischen dem Os coracoideum eines Vogels und dem Pro- cessus coracoideus der Scapula des Menschen nachgewiesen hat , so wird dadurch die specielle Homologie beider Knochen bestimmt. 3) Die Homologie der Reihe ergibt sich dann, wenn gleichartig ge- bildete und aufeinanderfolgende Organe oder Theile des Körpers unter einander verglichen werden, gleichviel welche Umbildungen die einzelnen Abschnitte zu verschiedenen Zwecken erlitten haben. Es besteht diese Homologie demgemäss nur bei solchen Thieren, deren Körper in Segmente zerfällt ist , oder bei denen einzelne Re- standtheile des Körpers eine Aufeinanderfolge zeigen (also Ringel- würmer,, Arthropoden, Wirbelthiere) . So ist ein fusstragendes Tho- racalsegment eines Krebses homolog einem beliebigen anderen Kör- persegmente, z. R. jenem, welches die Regattungsorgane trägt. Es ist vorher gesagt worden, dass homologe Rildungen von Organen nur innerhalb bestimmter grösserer Thierabtheilungen wahrzunehmen sind , woraus denn der gemeinsame Rauplan , der allen hieher zu rech- nenden Wesen zu Grunde gelegt ist , hervorleuchtet. Durch die Auffin- dung dieser Homologien gelangte man zur Erkenntniss der Grund- typen der Thiere, in der sich unsere heutige morphologische Gesammt- anschauung vom Thierreiche concentrirt. Wir erkennen nämlich , dass eine gewisse Anzahl von typischen Organisationsverhältnissen existirt, deren jede von einem einheitlichen Grundtypus ausgeht, und in einer verschiedenen Ausdehnung, vom niederen beginnend, zum höheren em- wird später noch gezeigt werden, in welcher Weise seine Verallgemeinerung be- schränkt werden muss. *) On the Archetype and homologies of the vertebrale Sceleton. Uebersetzung in's Französische unter dem Titel: Principes de l'osteologie comparee, Paris -1855, pag. 28. Von den thierischen Typen. 37 porsteigend, sich entfaltet, eine Lehre, die zuerst von Cu vi er ausge- sprochen und den Bestrebungen der naturphilosophischen Schule, der zufolge alle thierischen Formen , vom einfachen zum höhern , sich sämmtlich über einander ordnen sollten . erfolgreich entgegengestellt wurde. Die einzelnen Grundtypen, die aus der ganzen Wesenheit der ihnen zugezählten Thierformen gewonnen sind , bilden ebensoviele natürliche Abtheilungen des Thierreichs und die Basis der wissenschaftlichen Sy- steme. In jedem der ersteren kommt eine allgemeine Grundform zur Erscheinung, der die einzelnen Organe und Organsysteme accomodirt sind, und diese entfaltet sich nach den verschiedensten Richtungen, ohne von der Herrschaft des entsprechenden Typus frei zu werden. Diese Breite des Ausbildungsgrades der verschiedenen Grundtypen manifestirt sich in jedem derselben durch eine fortschreitende Entfaltung der Organisation, die sich für jede in einer mit niederen Formen begin- nenden und mit höheren abschliessenden Reihenfolge von Wesen ausspricht. Es darf aber auch dies Verhältniss nicht wie eine continuirliche Reihen- folge gefasst werden , denn wir sehen innerhalb jedes Grundtypus die- selbe Erscheinung wiederkehren, wie sie in den Beziehungen der einzel- nen Grundtypen zu einander sich zeigt, wir finden in jedem Grundtypus ein Auseinandergehen der einzelnen Formen und eine Ausbildung der Form zwar noch auf Basis des gemeinsamen Typus, aber nach den ver- schiedensten Richtungen divergirend. Insofern in jedem Grundtypus ein gewisser gesetzmässiger Rildungsplan durchgeführt wird , sind die ein- zelnen Grundtypen von einander unabhängig und stehen einander gleich- werthig gegenüber. Es enthält so jeder derselben eine Anzahl von Thier- formen, in denen eine relativ vollkommene Organisation entfaltet ist, die aber andern sich unterordnen kann, sobald man nicht die concrete Or- ganisation, sondern die Typen mit einander vergleicht, denen letztere angehört. So ist ein Cephalopode in Hinsicht seiner einzelnen Organe viel vollkommener organisirt, als die niedersten Wirbelthiere (Amphioxus), und dennoch stellen wir letztere über den ersteren, eben weil der Wir- belthiertypus den der Mollusken an Vollkommenheit überragt. Durch das gegenseitige Abwägen des relativen Werthes der einzel- nen Grundtypen unter einander erhalten wir eine natürliche Rangord- nung derselben, bei der aber die graduelle und relativ hohe Ausbildung, die innerhalb eines jeden Typus möglich ist, nicht ausser Acht bleiben darf, so dass die verschiedenen Typen wie Radien gedacht werden kön- nen, die von einem gemeinsamen Puncte unter grösserer oder geringerer Divergenz ausgehen, jedoch nicht eine gleiche Länge erreichen, sondern je nach der Vollkommenheit des Typus , der durch sie repräsentirt sein soll, in verschiedener Höhe endigen. Es hat diese Symbolisirung auch noch darin eine Begründung, dass , je vollkommener der Typus , er um so weiter sich von der gemeinschaftlichen Basis entfernt. Diese Auffassung des Verhaltens der thierischen Grundtypen zu ein- 38 Einleitung. ander harmonirt keineswegs mit der Abgeschlossenheit der Typen, wie diese oben als bestehend gegeben ward. Es sollte aber unter der Ab- gränzung und dem selbständigen Bestände der Grundtypen nur deren freie Entfaltung innerhalb je einer gegebenen Bauform verstanden, nicht aber die morphologischen Beziehungen derselben zu einander negirt wer- den , denn es ist thatsächlich herzustellen, dass an dem Anfange, also unter den niedersten Bildungen eines Typus Formen sich finden , die, wie einem Gränzgebiete angehörig, die Charactere verschiedener, immer aber sich nahe stehender Typen an sich tragen, wobei denn nur der Aus- bildungsgrad des einen oder des andern Characters für die Stellung ent- scheidend war. Dass aber quantitative Verschiedenheiten streng genom- men nicht maassgebend sein können für eine so tief eingreifende Tren- nung, wie es jene ist, die gewöhnlich zwischen den Grundtypen statuirt wird , ist einleuchtend , und so erhalten wir denn Zwischenglieder, die sich wie Brücken über die Kluft der Grundtypen hinüber bauen und für die im Thierreiche waltende Einheitsidee Zeugniss ablegen. Ich habe solcher Anschauung in der oben gewählten Darstellung vom radiären Auseinandergehen der Grundtypen theilweise eine Form zu geben versucht, für die specielle Begründung dieser Anschauung muss ich aber auf die vergleichende Darstellung der Organe der einzelnen Grundtypen verweisen, wo die verwandtschaftlichen Beziehungen der letzteren durch den Nachweis von Homologien der Organe berücksich- tigt sind. Die Formirung der einzelnen , auf solche Grundtypen aufgebauten Abtheilungen ist bis jetzt noch nicht zu vollständiger Abrundung gedie- hen, sodass einzelne derselben wohl auch eine wesentliche Umgestaltung erfahren dürften. Diese Abtheilungen, die dem Plane dieses Buches zu Grunde gelegt wurden, sind die folgenden, die zugleich ihre verwandt- schaftlichen Beziehungen in der Zusammenstellung wiedergeben lassen. I. Protozoa. 2. Coelenterata. 3. Echinodermata. 5. Arthropoda. Mollusca. 7. Vertebrata. Den Ausgangspunkt bilden die Protozoen, an welche sich einerseits die radiär gebauten Abtheilungen der Coelenteraten und Echinodermen anreihen und nach dieser Seite hin abschliessen , indess sich gleichzeitig Von den thierischen Typen. 39 der viel höher emporsteigende Wurmtypus aus ihnen entwickelt, der in den Arthropoden wiederum nach einer Seite hin seine höchste Ausbil- dung erreicht. Der Gliederthiertypus ist unter den Würmern schon bei der grossen Abtheilung der Anneliden angedeutet. Die Segmentbildung zeigt sich aber hier nur als eine Wiederholungsreihe, ihre Producte sind gleichmassig gestaltet und functionell auch gleichwerthig organisirt , so dass jedes eine gewisse Summe von Lebensbedingungen in sich trägt und sie oft zu neuen Individuen werden. Dieser Unabhängigkeit der Körpersegmente von einander wird bei den Arthropoden eine Schranke gesetzt, sie treten in abhängige Beziehungen zu einander, entwickeln sich äusserlich wie innerlich in den Organen heteronom. In alledem erscheint aber nur die Fortbildung der höchsten Form des Wurmtypus. Es müssten demgemäss Würmer und Gliederthiere in einer Abtheilung vereinigt wer- den, wenn das sie umschliessende Band dann nicht zu locker sich fügte, und, ungeachtet der reichlich vorhandenen Uebergänge aus der einen Form in die andere, die Verbindung der äussersten unter einander kaum durch einheitliche Charaetere hergestellt werden könnte. Wie die Glie- derthiere so reihen sich aber auch die Mollusken an die Würmer an, nur dass die Anfügestelle eine etwas tiefere ist, so dass wir in den Mollusken nicht die in seinen allgemeinen Zügen geradlinig fortlaufende Ausbildung des Wurmtypus , wie dies bei den Gliederthieren der Fall ist , sondern eine viel höhere emporsteigende Fortbildung eines noch bei niedern Wür- mern (Plattwürmern) vorhandenen, bei den Ringelwürmern dagegen durch die Gliederung des Körpers schon aufgegebenen Typus erblicken. Der Anschluss geschieht hier durch die Gasteropoden ; von diesen aus erhalten wir eine höhere Entfaltung in den Cephalopoden, und eine seit- liche Abzweigung durch die Acephalen zu den Tunicaten hin , bis denn in den Bryozoen das äusserste Ende dieses Ausläufers erreicht ist. Die letzte, oberste Abtheilung stellt den Wirbelthiertypus vor, der von allen als der am meisten in sich abgeschlossene erscheint und kaum eine feste Verbindung mit den übrigen Typen aufweist , sei es , dass uns nur die vermittelnden Formen gegen diese oder jene Beihe hin noch unbekannt sind, oder dass wir nur nicht im Stande waren, die in dem Bekannten bestehende, aber verborgene Homologie aufzudecken. Wenn sich auch der Bauplan der Wirbelthiere nicht so direct und sicher aus einem der aufgestellten übrigen Typen ableiten lässt, als dies bei den übrigen zum grössten Theile möglich ist, so dürfen wir doch nicht einen Umstand verkennen, der die Beziehungen des Vertebraten- typus schon von vorn herein feststellen lässt, selbst wenn nur niedere Wirbelthierformen bekannt wären. Es ist dies einmal die ausgesprochene Gliederung des Körpers, die besonders in seinen Stützorganen sich äus- sert, aber vordem schon in Musculatur, Gefässsystem und Nervensystem vorhanden ist, und dann sind es die Beziehungen der Stützorgane zu den übrigen Theilen. Durch das erstere Verhältniss werden wir zu den Glie- derthieren geleitet, durch das letztere zu den höheren Mollusken. Es 40 Einleitung. verbinden sich in den Wirbelthieren die Characlere zweier Typen unter einander, in der Eigenthümlichkeit , dass die eine (die Gliederung) an dem anderen (dem Skelete u. s. w.) sich am auffallendsten offenbart*). Durch die Vereinigung dieser Charactere im Wirbelthiertypus wurde diesem zugleich seine Stelle weit über jedem der beiden anderen Vorläu- fertypen angewiesen, und er bildet damit den Abschluss des ganzen, in den mannichfaltigsten Richtungen sich entwickelnden Formenreiche der Thierwelt. — Literatur. Von den allgemeinen Hilfsmitteln beim Studium der vergleichenden Anatomie sind ausser den Handbüchern und anderen Werken über Zoologie folgende anzu- führen : A. Für vergleichende Anatomie insbesondere : Cuvier, G., Lecons d'anatomie comparee. 5 Voll. Paris 1799 — 1805. Uebersetzt und mit Anmerkungen und Zusätzen vermehrt von L. II. Froriep und J. F. M ecket. 4 Bände. Leipzig 1809 — 10. Se- conde e'dition. 9 Bde. Paris 1835 — 46. Meckel, J. F., System der' vergleichenden Anatomie. 6 Bände. Halle 1821—33 (unvollendet). Carus, C. G., Lehrbuch der Zootomie. Leipzig 1818. Lehrbuch der vergleichenden Zootomie. 2 Bde. 2. Aufl. Leipzig 1834. Owen, R., Lectures on comparative anatomy and physiology of the Inverte- brate animals. London 1843. 2. Auflage 1856. — of the Verlebrate Animals. P. I. Fishes. ibid. 1846. Wagner, R., Handbuch der vergleichenden Anatomie. 2 Bde. Leipzig 1834. Neue Auflage davon als : Lehrbuch der Zootomie. 2 Bde. Leip- zig 1843 — 48. v. Siebold und Stannius, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. 2 Bde. Berlin 1845—48. Zweite Auflage als : Lehrbuch der Zootomie, Band I. Heft 1 u. 2. 1854—57. Rymer Jones, General outline of the Organisation of the animal Kingdom and manual of comparative anatomy. London 1841. 2. Auflage 1 855. Schmidt, 0., Handbuch der vergleichenden Anatomie. Dritte Auflage. Jena 1855. Unter den zoologischen Handbüchern, welche den Bau der Thiere ein- gehender berücksichtigen, ist vor allem anzuführen C. Vogt, Natur- geschichte der Thiere, 2 Bde. Frankfurt 1851; dann auch van der Hoeven, Handbuch der Zoologie, 2 Bde. Leipzig 1850—1856. B. Die Physiologie mit der Anatomie vereinigt behandeln : C. Bergmann u. R. Leuckart, Anatomisch-physiologische Uebersicht des Thierreiches. Stuttgart 1851. M iln e-E d war d s , IL, Lecons sur la Physiologie et l'analomie comparee del'Homme et des animaux. T.I—II. Paris 1857 — 58. *) Vergl. V. Carus, Icones zootom. — Einleitung. Allgemeine Literatur. 41 Viele vergleichend anatomische Angaben finden sich überdies in : Burdach, C. F., Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft, mit Bei- trägen von C. v. Ba er. Dieffenbach, J. Müller, R. Wagner. 6 Bde. Leipzig 1826— iO. Zweite Auflage mit Beiträgen von E. Meyer, H. Rathk e, C. v. Sie- bold u. G Valentin. 2 Bde. Leipzig 1835 — 37. J.Müller, Handbuch der Physiologie des Menschen. 2 Bde. 4. Auflage. Coblenz 1844. C. Für Morphologie ist anzuführen : R. Leuckart, Ueber die Morphologie und die Verwandtschaftsverhält- nisse der wirbellosen Thiere. Braunschweig 1848. V. Carus, System der thierischen Morphologie. Leipzig 1853. D. Für vergleichende Gewebelehre : F. Leydig, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere, Frankfurt 1857. E. Iconographische Darstellungen vom Baue der Thiere bieten ausser den den Büchern von Cu vi er und G. G. C ar us beigegebenen Kupfertafeln : Carus und Otto, Erläuterungstafeln zur vergleichenden Anatomie. 8 Hefte. Leipzig 1826— 52. R. Wagner, Icones zootomicae, Handatlas zur vergleichenden Anatomie. Leipzig 1841 . 0. Schmidt, Handatlas der vergleichenden Anatomie. Jena 1854. V. Carus, Icones zootomicae, mit Originalbeiträgen von G. J. Allman, C.Gegenbaur, Th.H. Huxley, A. Kölliker, H. Müller, M. S. Schul- tze, C. v. Siebold u. F. Stein. I.Hälfte. Leipzig 1857. Erster Abschnitt. Protozoa. §•6. Die Abtheilung der Protozoen (Urthiere) umfasst alle jene thieri- schen Organismen, die durch die Einfachheit ihrer Organisationsverhalt- nisse die niederste Stufe thierischer Lebensform beurkunden. Diese Einfachheit beruht auf der geringen oder vollständig mangelnden Diffe- renzirung von Organen, so dass hier entweder ganze Theile des Körpers oder der gesammte Thierleib Reihen von Functionen vollzieht, die sonst entweder auf Abschnitte des Körpers beschränkt sind oder als Träger discrete Organe besitzen. — Diese Körperverhältnisse sind jedoch bei den Protozoen nicht gleichmässig , sondern es besteht auch hier ein gewisser Breitegrad der Differenzirung , so dass die ganze Abtheilung eine Anzahl von graduell ebenso weit von einander verschiedenen Thieren umfasst, als jede andere Abtheilung des Thierreiches. Es ist bei den niedersten Protozoen der Körper aus einer homoge- nen, contractilen Substanz, Sarcode*) genannt, gebildet, die ohne be- stimmte äussere Gestalt alle Lebensverrichtungen eines Thieres vollzieht. Es gehören hierher die Rhizopoden, von denen die grössere Mehrzahl durch Bildung eines Gehäuses sich auf eine höhere Stufe erhebt , wenn auch die äussere Abgrenzung der Gestalt dadurch noch nicht in sichere Schranken gewiesen wird. Dies tritt erst ein , wo es zu einem innig mit dem Körpe ■ verbundenen, derberen Integumente kommt, einer äus- seren Körperschicht, welche einen Gegensatz zum weicheren Parenchyme bildend, für den Körper formgebend und formbedingend wird. Die Gre garinen liefern hierfür Belege. Das ebenfalls nicht weiter diffe- *) Diese Substanz, nach Dujardin unter obigem Namen bezeichnet, sollte den Körper aller niederen thierischen Organismen zusammensetzen, und wurde überall da angenommen , wo eine organologische und histiologische Differenzirung undeutlich war. Man ist aber darin zu weit gegangen, dass man alle contractilen Gewebselemente als aus Sarcode bestehend annahm, denn trägt man die Bedeutung auch auf die contractile Zelle (Muskelfaser) eines difl'erenzirten Thieres, so muss man sich darunter etwas ganz Anderes vorstellen, als unter einer contractilen Sub- stanz, die für sich einen ganzen Organismus bildet, und in welcher somit alle Func- tionen eines Thieres geleistet werden müssen. Wir beziehen somit »Sarcode« nur auf solche Organismen, an denen keinerlei Gewebselemente wahrzunehmen sind. Einzelligkeit. 43 renzirte Körperparenchym ist zwar in Allem dem homogenen Körper der Rhizopoden analog, hat aber durch die Anbildung einer festeren Haut- schicht bestimmtere Formen gewonnen. Diese herrschen denn auch in der ganzen Classe der Infusorien vor, ja es erlangt der Körper hier sogar eine höhere Organisation durch eine beginnende Differenzirung von Organen, unter denen die mit dem Körperintegumente in Zusammenhang stehenden, als Wimperhaare (Gilien), die grösste Entfaltung zeigen. Gleichzeitig begreift aber auch die Classe der Infusorien (natürlich mit Ausschluss der früher hier beigezählten pflanzlichen Organismen*) wie- der solche, die, was die Differenzirung des Körpers angeht, bis nahe an die Rhizopoden anstreifen , so dass hier in der stufenweisen Ausbildung der Organisation die grösste Reichhaltigkeit sichtbar ist. Sowohl die niederen Infusorien , als auch die Rhizopoden und Gre- garinen haben wegen der Einfachheit ihres Körpers , der ohne Differen- zirung von besonderen Organen dennoch die Verrichtungen des Lebens vollzieht, als auch wegen der Aehnlichkeit dieser Körperbildung mit dem einfachsten histiologischen Elemente, der Zelle, Veranlassung zu Verglei- chungen in dieser Richtung abgegeben, und es war namentlich v. Sie- bold**), der die Lehre von der »Einzelligkeit« dieser Thiere aus- bildete, eine Lehre, nach welcher das Thierreich mit denselben einfa- chen Organismen beginnt, wie auch das Pflanzenreich, d. h. mit Formen, welche morphologische Aequivalente von Zellen sind. Das Vorkommen eines festeren Gebildes im Inneren des Körpers dieser Thiere ist eine der Hauptstützen jener Auffassung dadurch geworden, dass jenes Gebilde in vielen Beziehungen dem Kerne einer Zelle sich analog erweist, und na- mentlich bei manchen Fortpflanzungsacten sich in entsprechender Weise betheiligt. Hat nun auch diese Theorie ihre grossen und nicht abzuspre- chenden Verdienste für die Würdigung der niedersten thierischen Orga- nismen, so ist doch einer Verallgemeinerung derselben, namentlich einer Ausdehnung über alle den Rhizopoden und Infusorien beigezählten We- sen, Vieles entgegenstehend , und es hat deshalb ihre Anwendung nur mit grösster Vorsicht zu geschehen. Die meisten der grösseren, und deshalb einer genauen Untersuchung besser zugänglichen Infusorien zei- gen in der relativ nicht unbedeutenden Gomplicirtheit ihres Baues, dass sie viel eher Zellencomplexen entsprechen als einer einfachen Zelle, und wenn auch1' der »Kern« [dieser Thiere noch als Kriterium der Zellnatur angeführt werden soll , so ist hiergegen einzuwenden , dass eben dieses Gebilde bei jenen Geschöpfen erstlich nicht das allein maassgebende für *) Hier sind vorzüglich die Untersuchungen von v. Siebold maassgebend und bahnbrechend gewesen. Vergl. dessen Aufsatz : »Ueber einzellige Pflanzen und Thiere« in der Zeitschrift für wissensch. Zoologie, Bd. I. — Wegen der noch viel- fach bestehenden Unsicherheit in der Stellung vieler der sogenannten geisseltragen- den Infusorien (Flagellata) lassen wir diese hier ausser Betracht. **) Vergl. dessen Lehrbuch der vergleich. Anatomie, sowie den vorhin citirten Aufsatz. 44 Protozoen. die Auffassung sein kann und zweitens, dass, selbst wenn wir es als solches annehmen wollen, seine Thätigkeit bei der Erzeugung von Jun- gen es in einer ganz anderen, von dem Werthe eines Zellenkernes sehr verschiedenen Bedeutung erscheinen lässt (siehe darüber unten bei den Zeugungsorganen) *). Auch für die vielkammerigen Rhizopoden wird die Annahme einer Aequivalenz mit Zellencomplexen eine den Lebens- erscheinungen dieser Thiere harmonischere sein. — Als die letzte Abtheilung der Protozoen stellen wir noch nach Hux- ley's Vorgange die Poriferen**) (Schwämme) hierher, die bisher ab- wechselnd vom Thier- zum Pflanzenreiche verwiesen, nunmehr ohne Anstand den Thieren beigezählt werden dürfen, und sich zugleich durch die vollkommen geschlechtliche Entwickelung über die übrigen Proto- *) Wenn wir auf der einen Seite gewisse Gruppen unter den Protozoen als Thiere, deren Körper einer Zelle entsprechen, annehmen, wie Amoeben, Gregari- nen, niedere Infusorien, auf der anderen dagegen die höher organisirten Infuso- rien als mehrzellige Thiere ansehen, so scheint es inconsequent, den Kern der einen als einem »Nucleus« analog, bei den anderen dagegen das scheinbar gleiche Gebilde als davon verschieden anzusehen. Es steht aber hier zu bedenken, ob denn wirk- lich eine morphologische Identität durch rein äusserliche Dinge nachgewiesen ist, oder ob nicht vielmehr alle Beziehungen hier ins Gewicht fallen. Zudem ist auch die Lehre vom Zellenkerne eine noch so wenig ausgebildete, dass sie keines- wegs als sichere Basis der Vergleichung dienen kann. Es wird selbst für die Gre- garinen die Einzelligkeit zweifelhaft, denn es ist noch keineswegs erwiesen, dass diese Thiere einfach aus einem Fortwachsen der in den Keimkörnern (Pseudonavi- cellen) eingeschlossenen, beim Freiwerden amoebenartig sich bewegenden Substanz hervorgehen, und es ist immer noch möglich, dass in diesen Keimkörnern eine wahre Zellen darstellende Differenzirung vor sich geht. Wenn wir damit verglei- chen, dass in gewissen Psorospermien ein dem Furchungsprocesse eines Eies vergleichbares Zerfallen der Substanz gesehen wurde (von Lieberkühn), so ge- winnt der oben ausgesprochene Zweifel noch bestimmtere Basis. Wir müssen da- her die Frage, ob wir es hier mit einzelligen oder mehrzelligen Organismen zu thun haben, vorläufig noch als eine unentschiedene ansehen. — Der mangelnde Nach- weis von discreten Zellen im ausgebildeten Organismus scheint noch keinen Beweis der Einzelligkeit abgeben zu dürfen, denn bei vielen sicherlich sehr complicirten Thierkörpern, z. B. bei Strudelwürmern, ist es ebenfalls oft schwer, manchmal so- gar unmöglich, bestimmte Zellen zur Anschauung zu bringen. — **) Von einigen, wie von Leuckart (Nachträge und Berichtigungen zu van der Hoevens Handbuch der Zoologie) werden die Schwämme den Coelenteraten bei- gerechnet, wozu die Aehnlichkeit der das Körperparenchym durchziehenden zahl- reichen Wassercanäle mit dem Gastrovascularapparat der Coelenteraten Veranlassung gab. Diese Aehnlichkeit ist jedoch eine wenig tief gehende, und es könnte jene Einrichtung auch dahin gedeutet werden , in den Poriferen die Vorläufer von zusammengesetzten Ascidien zu sehen. Ueberdies ist der durchaus fehlende Ra- diärtypus bei den Poriferen schon für sich ein Grund, diese Thiere von den Coe- enteraten zu scheiden. - Ob die Poriferen als Thiercolonien oder als Thierindividuen angesehen werden müssen, lasse ich hier dahingestellt, möchte aber aus dem Umstände, dass die ein- zelnen sie zusammensetzenden Zellen amoebenartige Lebenserscheinungen (Con- tractilität) besitzen, noch nicht zum Schlüsse kommen, sie Amoebencolonien zu vergleichen. Sind doch Contractilitätserscheinungen bei vielen Parenchymzellen niederer Thiere beobachtet (vergl. Kölliker: Würzb. Verhandlngen 1857). Uebersicht der Gruppen. 45 zoen anreihen *) . Die verschiedenen Gruppen der Protozoen verhal- ten sich gegen einander als gleichwerthige Classen, die immer in einzel- nen Abtheilungen unter einander manche Uebergänge vermitteln, aber dennoch durch ihre morphologische Verschiedenheit eine Anzahl ver- schiedener Typen rep rasen tiren. Es lassen sich diese letzteren als die Vorläufer von höheren Thierabtheilungen , in denen der hier nur ange- deutete Typus sich vollkommen ausgebildet hat, ansehen, so dass also von diesem Gesichtspuncte aus die Protozoen keine den übrigen einen ein- heitlichen Typus zur Grundlage besitzenden Thierkreisen entsprechende, gleichwerthige Abtheilung formiren (vergl. hierüber V. Carus, System der thierischen Morphologie p. 401) **). Uebersicht der Classen der Protozoen. I. Rhizopoda. 1. Ordn. Monothalamia. a) Nuda. Amoeba. b) Testacea. Gromia, Lagynis. 2. Ordn. Polythalamia. Miliola, Rotalia, Nonionina, Polystomella ; — Nodosaria ; — Acer- vulina. II. Gregarinea. Monocystis, Zygocystis ; — Gregarina. III. Infusoria. 1. Ordn. Periphryganea. Acineta ***) . 2. Ordn. Ciliata. Vaginicola, Colhurnia, Ophrydium ; — Vorticella, Epistylis, Car- chesium ; — Stentor; — Loxodes, Bursaria, Paramaecium, Trachelius ; — Nassula, Prorodon ; — Oxytricha, Kerona, Sty- lonychia, Euplotes. IV. Porifera. Spongia, Tethya, Spongüla. *) Ausser den bisher angeführten vier grösseren Classen, in welche wir die Pro- tozoen eintheilen, kommen noch einige erst in der neueren Zeit bekannt gewordene Gruppen in Betracht, welche unzweifelhaft den Protozoen eingereiht werden müssen. Es sind die Thalassicollen, Acanthometren und Polycystinen, Formen, die J. Müller neuerdings als Rhizopoda radiolaria den übrigen Rhizopoden anreiht. — Ueber die Thalassicollen vergl. Huxley in Annais ofnat. hist. 1854 ; dann J. Müller imMonatsber.d. Berlin. Acad., Nov. 4 856 ; daselbst auch über Acanthome- tren und Polycystinen ; dann J. M ü 1 1 e r s Abhandlung in d. Abhdlg.d. Berlin. Acad. 1 858. **) Daher kommen die immer sich wiederholenden Versuche, einzelne Abthei- lungen der Protozoen den anderen grossen Thierkreisen anzureihen, und so den gan- zen Kreis der Protozoen aufzulösen. So stellt C. Vogt die Gregarinen zu den Rundwürmern, Agassiz vereinigt die Rhizopoden mit den Mollusken, und 0. Schmidt die Infusorien im weiteren Sinn des Wortes (Rhizopoden und Infusorien in sich begreifend) zwischen Würmer und Echinodermen. — ***) Die Acineten fasse ich als selbständige Ordnung, weil sie im entwickelten Zustande durch die Art ihrer Nahrungsaufnahme und durch den Mangel von Cilien 46 Protozoen. L i t e r a t u r. I. Rhizopoda : Ehren berg, Die Infusorien als vollkommene Organismen. Berlin 1838. D ttj a rd i n , Histoire naturelle des Zoophytes, Infusoires. Paris 1 S A 1 . \l. S. Schnitze, Ueber den Organismus der Polytbalamien, nebst Be- merkungen über die Rhizopoden im Allgemeinen. Leipzig 1854. Auerbach. Die Einzelligkeit der Amoeben. Zeitschr. t' wissenseh. Zoologie. Bd. VII. i. Gregarinae: v. Frantzius, Obsercationes qutndam de Gregarinis. Bere- it ni 18,48. Stein, Ueber die Natur der Gregarihen. Müller's Archiv i S48. Kolliker, Beitrage zur Kenntniss niederer Thiere. Zeitschr. f. wis- senseh. Zoolog. Bd. 1. 1848. 3. Infusoria : Ehrenberg, Die Infusorien als vollkommene Organismen. Leip- zig 1S3S. Hauptwerk. D u j a r din, op. supra citat. Kolliker, Leber das Sonnenthierchen .Actinophrys sab. Zeitschr. f. wissensch. Zoolog. Bd. I. 1848. Colin, Anatomie und Entwickelungsgeschichte von Loxodes Bursaria. Zeitschr. I'. wissensch. Zoologie, Bd. III. 1850. Stein, Die Infusionsthiere auf ihre Lntwiekelung untersucht. Leip- zig I 854. Clapare.de, Ueber Actinophrys Eiehhorni. Müll. Archiv 1854. Lach mann. De Infusoriorum inprimis Yorticellinorum struetura. Berol. 1855. — Dann in Midi. Archiv 1856. Lieb erkühn, Beiträge zur Anatomie der Infusorien. Müll. Archiv I 856. 4. Porifera: Grant: Edinburgh nev philosoph. Journal 1837. 11 u \ 1 e \ . Ueber Spongien. Annais of nat. hist. 1 851 . Lieberkühn, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Spongien. Müll. Archiv 1856. Beitrage zur Anatomie der Spongien ibid. 1857. körperbedeckims; und Beweguiigsorsaue. a^ V o n den l n t e g vi m enten. Die ELörperbedeckungen der Protozoen sind im Allgemeinen von der- selben weichen Beschaffenheit, wie das gesammte Korperparenchym des ThiereSj ja bei einer Abtheilung, der der Rhizopoden. wo die Kbrperge- stalt nur wenig oder gar nicht bestimmt abgegrenzt ist, und die con- traelile Grundsubstanz des Körpers durch Aussendung von Fortsätzen der verschiedensten Form und Grosse stets neue Theile nach aussen kehrt, ist ein mit dem Körper enger verbundenes, von den aussetzten Schichten des Leibes formirtes Integument sar nicht unterscheidbar. Fs von den übrigen Infusorien so sehr verschieden sind und sich mehrfach den Rhizo- poden nahern. Per bewimperte Embryo trennt sie aber von diesen. — Einige iso- lirl stehende Formen. Actinophrys und Soctiluca mochte ich als Repräsentanten selbständiger Ordnungen der Infusorien ansehen. Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 47 wird dies hier durch die oft sehr complicirten Schalenbildungen gewis- sermaassen ersetzt. Am Körper der Gregarinen und Infusorien gibt sich eine bestimmte Integumentbildung zu erkennen , durch welche sogleich der Allbeweg- lichkeit des Körpers, wie sie bei denRhizopoden sich traf, eine Schranke gesetzt wird und nur Contractionen und Expansionen der untergelegenen contractilen Körperschichten so weit gestattet sind, als die Elasticität dieser Integumentschichten damit im Einklänge steht. Diese äussere Schicht ist somit eine gestaltbedingende ; sie wird fast immer durch ein bei Infusorien zartes, bei Gregarinen derberes Häutchen dargestellt, wel- ches den Körper gleichmässig überzieht, und theils als eine Ausscheidung der daruntergelegenen Weichtheile des Körpers, theils als eine Umwand- lung, physikalisch-chemische Veränderung der äusseren Substanzschicht des Leibes anzusehen ist. Aus erslerem Verhältnisse ergibt sich die ho- mogene Beschaffenheit dieser Cuticula , in letzterem Falle dagegen zeigt das Integument häufig eine zusammengesetzte Bildung. Das Auftreten dieser Cuticularschich- ten als Integumente ist jedoch keineswegs ein plötzliches , es finden sich vielmehr Uebergangsformen , welche vermittelnd zwischen den einer solchen Cuticula völ- lig entbehrenden vielkammerigen Rhizo- poden und den Infusorien bestehen : es sind die Amoeben. Bei diesen einfachen Rhizopodenformen, deren Körper man mit einem amorphen Gallertklümpchen ver- glichen hat, gibt sich ungeachtet der Fort- sätze, welche die Leibessubstanz aussen- det, oder in welche sie, fliesendem Wachse nicht unähnlich, sich ausdehnt, eine dünne äussere Schicht von bedeutender Dehnbahrkeit zu erkennen, die, bei rundlich zusammengezogenen Thieren , ihre grösste Dicke erreicht, und dann in Fällen als besondere Membran dargestellt werden kann*). Fig. 1. 1.2. Gregarinen aus dem Darmcanale von Opatrum sabulosum, wo- von \. den mit einem Rüssel a versehenen und festsitzenden jüngeren Zustand dar- stellt, a. Vordertheil, b. Hintertheil des Körpers, c. Der sogenannte Kern. Fig. 2. Gregarina saenuridis. a, b. Zwei mit einander verbundene Thiere. c. c. Kern. *) Vergl. hierüber Auerbach in der Zeitschr. f. wissensch. Zoolog. Bd. VII. 4 855. — Die ausserordentliche Veränderlichkeit des Körpers gibt jedoch auch hier noch kund, dass die Integumentbildung auf einer viel niederen Stufe steht, als bei den Gregarinen. Es darf auch nicht vergessen werden, dass die Anwendung von Reagentien es war, durchweiche diese äussere feste Schicht sichtbar gemacht ward, so dass sich wohl schwer entscheiden lässt, wie viel davon bei einer schon vorher vorhandenen Disposition zur Differenzirung das Reagens, und wie viel die Natur ge- 48 Protozoen. Bei einigen, z. B. A. bäimbosa , erscheint diese äusserste Schicht sogar als eine ziemlich derbe Membran. Mit dem Integumente steht eine Anzahl von Gebilden im engen Zu- sammenhange, die entweder als directe Fortsätze desselben, oder als Verlangerungen der darunter gelegenen contractilen Bindenschicht des Körpers anzusehen sind. Als die einfachste Form und der Ausgangs punct der Beihe dieser Bildungen müssen die strahligen Fortsätze des Bhizopodenkörpers angesehen werden. Die contractile Substanz des Körpers streckt sich hier in stets Form und Volumen wechselnde Fort- sätze (Pseudopodien) aus (vergl. Fig. 3), welche die verschiedenartigsten Gestaltveränderungen eingehen , mit benachbarten zusammenfliessen (Fig. 3. x.), den übrigen Körper nach sich ziehen, ja sogar immer mehr ^. . Massen der Körpersub- Fig. 3. . , . \ , stanz in sich einziehend, .. ... die grösste Dehnbarkeit zei- . gen und den Körper end- ■.'v\\\ . .•",.- lieh in sich aufnehmen kön- ... nen , oder auch eingezogen mit dem übrigen Körper in v /:::::3fe=*'-; eine Masse verschmelzen. Es geht hieraus eine gleich- £;.£::":"•'.'.::; massige Vertheilung der vi- >•'*'•■■"•:•'.• talen Energien hervor, die :;.:.'. noch keine Localisirung hinsichtlich ihrer einzelnen yy:;^/-f- • - ^ \\\\ \ -\ ' .': , Qualitäten gefunden haben. *'•#'//• Hieran reihen sich die fast 7 0 starren, nur wenig beweg- lichen Fortsätze der Acine- ten, als einzelne oder in Büscheln gruppirte, die kapselartige Körperhülle durchbrechende Fäden von nicht weiter difl'erenzirter Leibessubstanz. Ihr Vorkommen an bestimmten Körperstellen , die Beschränkung ihrer Zahl, ihre fast regelmässige Vertheilung zeigt hier einen bestimmten Grad der Differenzirung an, der in den Bhizopoden noch nicht vor sich gegan- gen war. Die Körpertheile, die bei diesen noch beliebig formbar waren, sind hier bei den Acineten eine festere Gestaltbildung eingegangen. Sie Fig. 3. Eine Polythalamie (Rotalia) mit ausgestreckten Körperfortsätzen, die aus den Poren der Schale radienartig hervortreten. Bei x ist eine Verschmelzung einiger dieser Strahlen durch Zusammenlliessen derselben angegeben. bildet hat. Es können die äussersten Schichten eines sonst homogenen Körpers schon durch ihren Contact mit einem umgebenden Medium gewisse chemische Ver~ schiedenheiten von den inneren aufweisen, ohne dass eine bestimmte Gränze exi- stirt, die dann erst durch Hinzukommen eines künstlichen chemischen Processes schärfer bestimmt wird, und physikalisch sich äussert. Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 49 erscheinen am Ende oft knopfartig angeschwollen, eine Eigenschaft, die sie mit den Strahlen der Actinaphryen theilen, in welchen sich übri- gens schon eine noch mehr bestimmte Differenzirung kundgibt, so dass sie nicht als blosse Verlängerungen der Körper betrachtet werden können*). Andere, ähnliche Gebilde entstehen nicht mehr unter Betheiligung der contractilen Körpersubstanz, sondern sind nur mit der Cuticula in Verbindung, und erscheinen dann als unbewegliche Haare oder weiche Häckchen, wie sie z. B. am rüsselähnlichen Vordertheile mancher Gre- garinen [Stylorhynchus, Actinocephalus) sich finden, oder auch bei den In- fusorien als steife Borsten stellenweise am Körper vorhanden sind. Diese sind wohl verschieden von den beweglichen Haarbildungen, welche als Wimperhaare. Gilien. in der Classe der Infusorien eine grosse Ver- breitung besitzen. Die Wimperhaare finden sich entweder als lange Geissein, nur vereinzelt vorkommend , und meist als Bewegungsorgane functionirend, seltener dagegen, wie die Wimpergeissel an der Mundöff- nung von Noctilaca ausschliesslich zur Nahrungsaufnahme in Beziehung stehend, oder sie sind als kurze Härchen geformt, die dicht beisammen- stehend den ganzen Körper überkleiden, oder nur gewisse Steilen des- selben besetzt halten. Solche bewimperte Körperstellen sind meist die Umgegend der Mundöffnung, sowie diePharynxhöhle. — Vollständig feh- len diese Gebilde den Gregarinen, sowie allen jenen Protozoen, bei denen das Körperparenchym contractile Fortsätze ausschickt, was eben darin seine Erklärung findet, dass die Cilienbildungen eine gewisse hier nicht gegebene Differenzirung voraussetzen, so dass nur jene Fortsätze als Analoga der Gilien zum Vorscheine kommen können. Mit einer mächtigeren Entwickelung der Wimperhaare, wie mit Zu- nahme ihres Volums, geht ihre Beweglichkeit zum Theile verloren, und ist nur auf die Ursprungsstelle der Wimper beschränkt, so dass sie wie eingelenkt sich ausnehmen, und meist nur in einer Bichtungsebene sich zu bewegen vermögen. Unter diesen Modificationen erscheinen die brei- ten Griffel und borstenartigen Fortsätze an der Bauchfläche der Oxy- t rieh inen, die bei dem graduellen Uebergang in einfache Cilien als der ganzen Länge nach starrge wordene, colossale Wimperhaare zu deuten sind. Sie bilden zugleich den Schluss jener Formenreihe, die wir mit den beweglichen noch nicht formbeständigen Fortsätzen des Bhizopo- denkörpers begannen. Das Integument des Körpers der Spongien wird *) Die Strahlen der Actinophrys bestehen aus einer äusseren von der dem gan- zen Thiere gemeinsamen Cuticula gelieferten Schicht, in welche sich ein aus der in- neren Zellschicht kommender Fortsatz einsenkt. Auch die Strahlen der noch sehr räthselhaften Acanthometren und Poly- cystinen, die sich bei den ersteren gleichfalls als langsame Bewegungen vollfüh- rende, bei den letzteren als starre Fortsätze der Körpersubstanz verhalten, sind als hierher gehörig zu erwähnen. (Vergl. J. Müller, Monatsber. d. Berl. Acad. 4 855). Gegenbaur, vergl. Anatomie. 4 5<> Protozoen. » aus contractilen Zellen zusammengesetzt, deren Substanz sehr aetive Le- benserscheinungen äussert* . Zu den Hautorganen müssen noch gewisse stäbchenförmige Körper- ehen gerechnet werden, die. wie 0. Schmidt^) zuerst gezeigt hat, bei manchen Infusorien vorzüglich Paramaecium caudatum und P. aure- Ua. dann bei Bursaria leucas) in dichtstehenden Reihen der Integument- schicht des Körpers eingebettet sind, und aus denen sich unter gewissen Verhältnissen ein feiner Faden hervorstreckt, sodass sie an die Nessel- zellen höherer Thiere sich anschliessen . Die Integumenlbildung. welche bei vielen Protozoen Infusorien und allen Gregarinen in Form einer denKörper überziehenden Cuticular- schicht zu Stande kömmt . leitet zu einer anderen Abtheilung von Kör- perbedeckungen. nämlich zur Schalen- oder Gehäuseforma- tion 7, hin. Diese bestehen darin, dass die vom Körperparenchyme abgeschiedenen Schichten sich zu einer den grössten Theil des Körpers umschliessenden Kapsel gestalten, an der eine grössere Oeffnung oder zahlreiche kleinere zur Vermittlung der Communication des Thieres mit der Aussenwelt übrig bleiben. Von den blossen Cuticularbildungen. die sich als elastische , dem Thiere innig verbundene Membranen . jeder Formveränderung des Thieres coaptiren . sind die Schalen und Gehäuse durch ihre grössere Resistenz, die sich durch Aufnahme von Kalk- oder Kiesel Verbindungen zur völligen Rigidität steigert, unterschieden. Ue- berdies ist ihre Verbindung mit dem Körper entweder nur an einzelnen Stellen, oder im Falle die Schalen auch vollständig vom Thierleib ausge- füllt werden . ist sie doch nirsends eine inniee. Dieselben Unterschiede * Bewimperte Stellen auf der Hautoberflache kommen bei den Spongillen zu gewissen Jahreszeiten vor (im Frühlinge;. Yergl. Lieberkühn, Müll. Aren. 1856;. **) Frorieps, neue Not. Bd. 9. 4849. ***) Das Vorhandensein dieser Stäbehen oder Xesselzellen im Integumente von Infusorien lasst auf die Frage von der Einzelligkeit dieser Thiere gleichfalls einiges Licht fallen. Sind diese Stäbchen, wie ihre unzweifelhaften Analoga unter den Coe- lenteraten und "Würmern, Derivate von Zellen, so müssen die sie besitzenden Thiere notwendigerweise als zusammengesetzte Organismen betrachtet werden. — Von Cohn wird das Vorkommen der Stäbchen in Abrede gesetllt, dagegen von Leu - ckart bestätigt. -- Bei den Gregarinen, den Infusorien und Amoeben bildet sich zu gewissen Zeiten um den Korper des Thieres eine verschieden resistente, jedoch immer aus organischer Substanz bestehende Kapsel, welche einen allseitigen Verschluss gegen die Aussenwelt abgibt. Dieser periodisch erfolgende Encystirungsprocess, der nicht mit der normalen Gehäusebildung verwechselt werden darf, obgleich er ebenfalls durch eine Ausscheidung von Seite des eucystirten Körpers eingeleitet wird, steht meist in inniger Beziehung zum Fortpflanzungsgeschäfte — bei allen Gregarinen, manchen Infusorien — dient aber in anderen Fällen zum Schulze gegen ungünstige äussere Einflüsse, und sichert so Amoeben und Infusorien vor der Vertrocknung bei Verdunstung des sie umgebenden Mediums. — Dass diese Cystenhüllen von gröss- ter Wichtigkeit sind, erhellt aus dem Imstande , dass diese Thiere im encystirten Zustande oft lanse Zeit der Vertrocknung widerstehen. Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 51 der Integuinentbildung werden uns auch später noch bei Arthropoden und Mollusken begegnen. Diese Gehäuse erseheinen bei vielen Infusorien als gerade, gestreckte, urnen- oder becherförmige, mit der Basis meist an andere Gegenstände befestigte Bildungen, von wenig beträchtlicher Dicke und elastischer Consistenz. Das Thier ist im Grunde an die Schale befestigt, und ver- mag sich in selbe zurückzuziehen oder mit seinem Yordertheile sich daraus hervorzustrecken. Vaginicola, Cothumia, Lagenophrys u. m. a. geben hierfür Beispiele ab. Auch unter den Bhizopoden besitzen manche Arcella. Difflugia. Gromia u. a.) solche Gehäuse, die hier meist von ovaler Gestalt, und an einem Ende mit einer Oeffnung versehen sich darstellen * . Um Vieles complicirter ist die Gehäusebildung bei den übrigen Bhizopoden denPo- 1 y t h al a m i e n . bei denen dieselben nicht allein durch Aufnahme von Kalk, seltener von Kieselerde, eine besondere Festigkeit erhalten, sondern wo auch das Gehäuse durch Abtheilung in mehre Kammern eine Bildung reicher Formverhältnisse eingeht. Die einzelnen Kammern . die je von einem mit den übrigen zu einer Colonie verbundenen Individuum be- wohnt werden, bedingen durch ihre gegenseitige Lagerung die mannich- fachsten Gestalten der Schale, von denen nach M. Schultze, drei we- sentlich verschiedene anzuführen sind. 1 . Durch Anlagerung in einer geraden Linie entstehen stabförmige. äusserlich oft knotigangeschwollene Gehäuse, deren einzelne Kammern bald gleichgross. bald in verschiedener, von einem Ende gegen das andere hin zunehmender Grösse erscheinen. Es wird diese Form durch die Familie der Xodos ariden repräsentirt. 2. Eine andere Form entsteht durch spiralige Anordnung der Kammern, die dann in einer Ebene oder in verschiedenen Ebenen lagern können, und zu welchen die ein ungetheiltes planorbisartiges Gehäuse bewohnenden Milioliden den Uebersaug bilden, indem sie von Stelle zu Stelle in Einschnürungen ihres Gehäuses die erste Spur der Kammerbildung aufweisen. Die vollständig getheilten Gehäuse ähneln durch die Art der Kammerlagerung den Gehäusen mancher Mollusken, und können durch die Streckung oder Verkürzung der Spiralachse, durch theilweise Ueberlagerung der Spiralen u. s. w. unendliche Modifikatio- nen aufweiseu. 3. Durch unregelmässige Anordnung der kugeligen Kam- mern auf- und übereinander entstehen haufenartige Colonien die Acer- vulinen . Sowohl die Wände dieser Schalenbildungen, als auch die zwi- schen den Kammern befindlichen Septa werden von zahlreichen Porenca- nälchen durchsetzt ■ vergl.Fig. 3 . welch' letzlere die Vereinigung aller ein solches Gehäuse bewohnenden Thiere zu einer Colonie vermitteln, sowie diePorencanäle in der Dicke der Schale zum Hervorstrecken der contracti- len Fortsätze 'Pseudopodien; des Thierleibes dienen. Die Kieselpanzer der Membranös und biegsam ist die Sehale von Gromia und Lagynis. i* 52 Protozoen. Polycystinen , die nur einen einzigen Hohlraum zur Aufnahme des Körpers umschliessen, sind mit ähnlichen Poren versehen*). b) Von den Sceletb il düngen. Innere, als Stützen des weichen Körpers dienende Gebilde kommen nur in den bis jetzt noch nicht allseitig erkannten Spongien vor, und werden hier theils durch ein Netzwerk hornartig unter einander ver- flochtener Fäden dargestellt, die den gallertartigen Körper wie ein Ge- rüste durchziehen , theils durch ein Gerüste von Kalk- oder Kieselna- deln , die in mannichfacher Weise geformt und gruppirt sind. Fasern und Nadeln können vereinigt oder getrennt von einander vorkommen, und die letzteren sind es namentlich , welche die früheste Sceletbildung herstellen. — Aehnliche Scelette von Kieselnadeln finden sich auch im Körper der räthselhaften Thalassic ollen und Acanthometren. c) Von den Bewegungsorganen und der Musculatur. Als Organe der Ortsbewegüng sind bei allen Protozoen die mannichfaltigen Fortsätze des Körpers anzusehen, die theils als Pseudo- podien bei den Rhizopoden , theils als Wimperhaare bei den Infu- sorien schon oben beschrieben sind. Die ersteren gestatten nur eine langsame Ortsveränderung, da sie nach irgend einer Stelle ausgestreckt, sich daselbst festheften und so sich contrahirend den Körper nach sich ziehen. Die Pseudopodien erleiden dabei mannichfache Formverände- rungen**). Raschere Locomotion wird durch die Wimperhaare bewirkt, *) Man bat diese Poren in den meist mikroskopischen Gehäusen der Polythalamien (die man daher auch nach d'Orbigny mit dem Namen der Foramini feren belegt hat), zumeist als etwas derSchalenbildung dieser ThiereEigenthümliches angesehen, während es nach unseren jetzigen Erfahrungen eine einer grossen Anzahl von Scha- lenbildungen der verschiedensten Thiere, so namentlich den festen Gehäusen der Muschelthiere und der Cirripedien, zukommende Erscheinung anzusehen ist, welche hier bei den Polythalamien nur durch ihre physiologischen Beziehungen zum Thiere, wegen des Durchtrittes der Pseudopodien als eigenthümlich sich herausstellt. Im Allgemeinen dagegen sind diese Canäle unter die Kategorie der Porencanalbiklun- gen , wie sie in fast sämmtlichen durch Ausscheidung von Seite einer geformten Matrix gebildeten Verdickungsschichten (Cuticulargebilden) mehr oder minder sich entwickelt finden, einzureihen. — lieber die näheren Verhältnisse des sehr reich entwickelten Canalsystems in den Polythalamienschalen vergl. Ehrenbea'g in den Abhandlung der Berliner Academie 'l 856. **) Die Bewegung der Grega ri nen wird ganz ähnlich wie die mancher Rhizopo- den (Amoeben) vermittelt, bei denen es nicht immer zur Bildung strahliger Fort- sätze kommt, sondern die bald da bald dorthin grössere Körpermassen vorschieben, um dann den übrigen Körper in den vorgestreckten Fortsatz nachrollen zu lassen. Junge Gregarinen, bei denen noch keine derbe Cuticularschicht den Körper über- zieht, bewegen sich völlig amoebenartig ; bei älteren dagegen ist die Cuticula zum Hemmnisse dieser Bewegungsart geworden, obgleich sie, wie man aus dem Sich- Strecken des Körpers und dem Nachrollen des übrigen Leibesinhaltes in dem vor- gestreckten Theile bemerkt, im Wesentlichen noch existirt. Organe der Empfindung. 53 die allen Infusorien zukommen, und selbst jenen, die ihrer im ausge- bildeten Zustande entbehren, im ersten Entwickelungsstadium nicht ab- gehen (Acineten). Während sie bei den freilebenden Formen zumeist den ganzen Körper überziehen, sind sie bei den festsitzenden nur auf einzelne Körperpartien beschränkt, und haben hier nur Bedeutung für die Herbeischaffung und Einführung der Nahrung. Ihre Thätigkeit ist willkürlicher Art. Die Thiere können einzelne Partien dieser Cilien spie- len, andere ruhen lassen, und dadurch ihren Bewegungen jegliche Rich- tung ertheilen. (Bei vielen der kleineren Infusorien ist ein langer beweg- licher Geisselfaden das vorzüglichste Locomotionsorgan, und somit kom- men diese denn mit niederen pflanzlichen Bildungen , den Schwärmspo- ren der Algen, überein, so dass es schwer, bei vielen sogar bis jetzt unmöglich ist, eine bestimmte Gränze zu ziehen). Ein Muskelsystem ist nirgends vollkommen ausgebildet, wenn auch hier und da bei Infusorien das Vorkommen von bandartigen Streifen in der Körpersubstanz, das Vorhandensein eines besondern, von dem übri- gen Körper verschiedenen Gewebes andeutet, wie dies bei den S t e n t o - ren der Fall ist; dagegen wird dessen Stelle in der Begel von der nicht weiter differenzirten contractilen Substanz des Körpers selbst versehen. Bei manchen Infusorien (den Vorticellinen) , setzt sie sich in den äusserlich von der nur elastischen Körperhülle gebildeten Stiel fort (Fig 6. A. a), und erscheint hier als ein contractiler , bandartiger Strei- fen, den man als selbständigen Muskel auffassen könnte, wenn er nicht unmittelbar in die Leibessubstanz selbst überginge*). Durch ihn wird die spiral ige Zusammenziehung des Stieles der Vorticellen bedingt. Bei den verästelten Vorticellinencolonien erstreckt sich dieses Muskelband bald durch alle Zweige des Stockes {Zoothamnium) , bald ist jedes Indi- viduum mit einem gesonderten Muskel versehen , der mit den übrigen nicht weiter im Zusammenhange steht [Carchesium) , oder er fehlt auch vollständig (Epistylis) und dann ist das hintere Leibesende vorwiegend contractu. — §.8. Orgaue der Empfindung. Vom Nervensystem und den Sinnesorganen. Obgleich den Protozoen die durch diese Organe getragenen Thätig- keiten keineswegs von vorne herein abgesprochen werden können, so *) Vergl. über das Muskelband der Vorticellen Czermak in Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. IV. 1851. Auch Leydig, Histologie. — Nach Stein (Entw. der In- fusionsthiere) sollte es sich im Körper der Thiere in zwei Fasern spalten , was von Lachmann auf den optischen Ausdruck einer im Durchschnittsbilde gesehenen becherförmigen Ausbreitung zurückgeführt wurde, doch ist damit immer noch keine bestimmte Gränze, an der etwa eine Insertion stattfände, angegeben, sondern nur ausgedrückt, dass das contractile Achsenband des Stiels sich im Körper noch eine Strecke weit von der umsehenden Substanz different verhält. 54 Protozoen. sind doch bis jetzt keine mit Bestimmtheit hierher zu zählenden Einrich- tungen gefunden, was aber wieder der bald völlig fehlenden, bald nur wenig entwickelten Gewebsdifferenzirung entspricht. Der Tastempfin- dung mag bei den meisten dieser Thiere die ganze Körperoberfläche, be- sonders aber die rüsselartigen Verlängerungen des Körpers mancher In- fusorien vorstehen, sowie auch mancherlei starre Borstenbildungen u. s. w. in dieser Bichtung functioniren können. Dagegen ist es schon wegen der mangelnden Nerven mehr als zweifelhaft, ob die einzelnen, Infusorien zukommenden lebhaft gefärbten (meist rothen) Pigmentflecke als Analoga von Sehorganen angesehen werden dürfen. §■ 9- Organe der Ernährung. a) Von den Verdauungsorganen. Die Art der Nahrungsaufnahme und die damit verbundenen Pro- cesse sind bei den Protozoen zwar durchgehend einfach , aber dessen ungeachtet gliedern sie sich je nach der stufenweisen Ausbildung der hierzu nöthigen Organe in mannichfaltiger Weise. Jegliche besondere Ernährungsorgane entbehren die Gre garinen und Bhi zopoden. Die ersleren, als in der Leibeshöhle oder dem Darm- canale anderer wirbelloser Thiere lebende Geschöpfe, nähren sich wohl einfach durch die an ihren Wohnstätten vorhandenen, zur Ernährung schon vorbereiteten Flüssigkeiten, die durch endosmotische Vorgänge ins Körperparenchym eindringen , also ganz nach Art jener Würmer (Cesto- den, Acanthocephalen) , die im Allgemeinen gleicher Lebensweise und gleichen Aufenthaltes theilhaftig sind. — Die Bhizopoden lassen eine directe Aufnahme fester Nahrungsstoffe beobachten, die an jeder Körper- stelle vor sich gehen kann , sie sind somit eher durch die Beschaffenheit der Nahrung als durch die Art der Ernährung von den Gregarinen ver- schieden. Die zur Nahrung dienenden Theile werden von der weichen Körpersubstanz oder von den durch dieselben gebildeten Fortsätze*) all- mählich umflossen, nach und nach allseitig umhüllt, und in den sie ein- schliessenden Hohlräumen, die temporär als verdauende Cavitäten (Mä- gen) functioniren, nach und nach ausgezogen, worauf die Besiduen aus dem Körper wieder ausgestossen werden. So fungirt jegliche Stelle der Körperoberfläche als Mund oder als After, jegliche Stelle im Innern als verdauende Cavität. *) Bei den Foraminiferen werden nach M. Schultze die Nahrungsstoffe nicht immer ins Innere der Schale aufgenommen, sondern wo die Porencanäle der letzte- ren zu eng sind, geht die Verdauung ausserhalb in den Fortsätzen der Leibessub- stanz vor sich. In diesen Pseudopodien findet eine beständige Strömung der in der homogenen Grundmasse eingestreuten Molecule statt, die sich von der Peripherie gegen den Körper hin, und umgekehrt äussert, und durch die zugleich die Fortlei- fcung der verdauten Massen besorgt wird. Organe der Ernährung. 55 Am mannichfaltigsten ist die Art der Nahrungsaufnahme unter den Infusorien, bei denen eine Abtheilung weder eine Mundöffnung be- sitzt, noch auch sonst feste Nahrungsstoffe aufnimmt, so dass hier wie bei den Gregarinen endosmotische Vorgänge im Spiele sein müssen. Hierher zählt man auch alle geisseltragenden Infusorien, sowie die Opalinen*), welche letztere auch durch ihre zumeist endoparasitische Lebensweise mit den Gregarinen übereinkommen. Bei den Acineten sind die strah- ligen, die Hülle des Körpers durchsetzenden Fortsätze als Organe der Nahrungsaufnahme anzusehen. Es wirken diese Organe, wie Lach- mann entdeckt hat, wie Saugrüssel, indem sie sich unter napfartiger Ausdehnung an die in ihren Bereich gerathene Beute (Infusorien) anle- gen , und den körnigen Körperinhalt dieser Thiere wie durch eine Bohre in continuirlichem Strome in den Acinetenkörper überfliessen lassen, woselbst sich die aufgenommene Ghymusmasse in Tröpfchenform zusam- menballlt. Es reiht sich dieser Modus an denjenigen an, wie er bei Fo- raminiferen ausgeübt wird, die ihre Nahrung gleichfalls durch Fortsätze des Körpers ins Innere des letzteren gelangen lassen (vergl. Anmerkung S. 54). Dagegen schliessen sich die Sonnenthierchen {Actinophrys) mehr an die unbeschalten Bhizopoden, da sie nach Kölliker's Beobachtung**) ihre Beute anfänglich mit den Strahlen erfas- sen, sie gegen den Körper heranziehen, und an beliebiger Stelle in das hier aus- einander weichende Körperparenchym ein- treten lassen. Der Bissen gelangt stets durch die äussere Körperschichl hindurch in die innere, in welcher er, von einem um ihn sich bildenden Hohlraum eingeschlos- sen, verdaut wird***). Als After kann dann wieder wie bei den Bhizopoden jede Stelle der Körperoberfläche fungiren. Minder einfach , wenn auch nicht gerade nach allen Bichtungen hin N Fig. 4. Actinophrys sol. a. Ein Bissen, der eben vom Thiere in seine weiche Corticalschicht b eingedrückt, gefressen wird. c. Centrales Körperparen- chym. d. Einige schon in letzterem befindliche Nahrungsballen, e. Strahlige Fort- sätze der Corticalschicht. *) Es ist übrigens nebenbei zu bemerken, dass die Opal i n en nicht unwahr- scheinlich einem anderen Thierkreise angehören, sich als Jugendzustände von Wür- mern herausstellen dürften. ' **) Vergl. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. I. ***) Neuerdings hat Claparede (Müll. Archiv 1855) über die Nahrungsauf- nahme der Actinophrys angegeben, dass sich beim Fressen Fortsätze aus dem Kör- per hervorstülpen und die Beute umgeben. Ich habe dagegen diesen Act immer so beobachtet, wie es von K. beschrieben wird. 56 Protozoen. vollständig aufgeklärt, trifft man die Nahrungsaufnahme mit den damit verbundenen Vorgängen bei jenen Infusorien, welche mitbestimmten, obwohl verschieden ausgebildeten Organen der Ernährung ausgerüstet sind; hier kommen alle mit ganz oder theilweise bewimpertem Körper versehene Infusorienformen, mit einziger Ausnahme der Opalinen, in Betracht, die alle wenigstens mit einer Mundöffnung versehen sind. Die Deutung der betreffenden Organe dieser Thiere steht aber in so inniger Beziehung mit der Auffassung des gesammten Infusorienkörpers, dass eine Besprechung des letzteren hier nicht übergangen werden darf. Zu- dem bildet die hier sich ergebende Anschauung den Cardinalpunct für die Auffassung der gesammten Classe. — Die unter der zarten Cuticula liegende Körperschicht der Infusorien zeichnet sich vor der umschlosse- nen, die mittlere Körperpartie einnehmenden, sowohl durch grössere Be- sistenz , ais auch dadurch aus , dass sie der Sitz der Contractilität des Körpers ist. Ausschliesslich in sie betten sich andere Organe ein, unter denen vor Allem der schon mehrmals erwähnte »Kern«, als auch die beim Circulationsapparate anzuführenden contractilen Hohlräume her- vorzuheben sind. Die centrale Körpermasse , obwohl homogen wie die oben erwähnte Bindenschicht, besteht dagegen aus weicher gallertarti- ger Substanz, in welche immer die aufgenommenen Nahrungsmassen sich einlagern , und welche nicht selten sammt den Nahrungsballen in roti- render Bewegung anzutreffen sind*) , indess die Bindenschicht sich ru- hend verhält. Die vom Munde aus in diese innere Substanzmasse ein- gedrängten Nahrungsballen kommen zumeist in Hohlräume zu liegen , in welchen auch noch eine grössere oder geringere Flüssigkeitsmenge sich ansammelt, so dass diese Bäume (Vacuolen) von Ehrenberg für eben so viele unter einander verbundene verdauende Cavitäten (Magen) ge- nommen werden konnten , welche Theorie für die Auf- stellung der Infusoriengruppe der »Polygastern« das Fundament abgab. Die Verfechter der Einzelligkeits- theorie erkannten richtiger die Zusammenhangslosigkeit der mit Nahrung gefüllten Hohlräume, somit den Mangel eines besonderen Darmes , nahmen aber den gesammten Körperinhalt für den Inhalt einer Zelle an. Dagegen wird neuerdings von einer anderen Seite (von Lach- mann) eine auf genaue Untersuchungen basirte Ansicht geltend gemacht, nach der der gesammte, von der Bin- denschicht umgebene Binnenraum (Fig. 5. a) des Infu- sorienkörpers als eine einzige verdauende Cavität, der gallertartige , Nahrungsinassen enthaltende Inhalt als Fig. 5. Schetnatische Darstellung der verdauenden Cavität bei Paramae- cium a a. Mit Chymus gefüllte Leibeshöhle, in welche durch den Schlund die Nahrungsballen eintreten, b. Mundöffnung, c. After, d, d. Contractile Hohlräume. *) Die ersten Beobachtungen hierüber rühren von Pocke her. Organe der Ernährung. 57. Chymus anzusehen sei. Unentschieden bleibt dabei, ob die Wandung dieser Darmhöhle eine besondere sei oder ob sie mit jener mehrfach be- rührten Rindenschicht zusammenfalle. Die verdauende Cavität ist jedenfalls hier eine beständige, sie wird bei den Rhizopoden durch die temporär auftretenden Magenhöhlen ver- treten, und wie diese direct von der Körpersubstanz umschlossen sind, so würde auch bei den Infusorien die Körperwand die Regränzung her- stellen, und so die bestehende Analogie bis auf den Unterschied vollen- den, dass bei den einen der ganze Verdauungsapparat ein temporärer, bei den anderen ein bleibender ist. In diese Darmhöhle führt stets eine discrete Mundöffnung (6) , in deren Nähe ein ausgezeichneter Wimperap- parat angebracht ist, der sich häufig in selbe hinein fortsetzt. Die Cilien dienen als strudelerzeugende Organe zur Herbeischaffung der Nahrung, und sind dem entsprechend besonders bei den festsitzenden Gattungen in ausgebildeter Weise vorhanden. So bilden sie bei den Vorticellinen einen am vorderen Theile des Körpers angebrachten einfachen oder dop- pelten spiraligen Kranz, der noch in eine die Mundöffnung bergende röh- rige Vertiefung (das Vestibulum, nach J. Müller) sich fortsetzt (vergl. Fig. 6. A. v.). Bei denselben geht von der Mundöffnung noch eine Art Speiseröhre ab , die in die Chymushöhle hineinragt und zuweilen sogar noch pharynxartig erweitert ist. Bei anderen ist die Mundöffnung hinter einer rüsselartigen Verlängerung des Körpers angebracht , oder sie er- scheint als eine taschenartige auf der Bauchseite des Körpers befindliche Vertiefung (so bei den Oxy try chinen). Der Schlundeingang ist auch in diesen Fällen mehr oder weniger bewimpert. Endlich sind bei vielen Infusorien die Wände des Schlundes im Ruhezustande eng aneinander gelegt , das Lumen dadurch geschlossen , so dass der Eingang nur beim Fressen wahrzunehmen ist. So bei Trachelius, Amphüeptus. (Auch bei den Monadinen und anderen mit Wimpergeissein versehenen kleinen In- fusorienformen ist eine solche Mundöffnung zu beobachten.) Zum Mundapparate kommen noch bei einigen Infusorien feste, stäb- chenartige Gebilde, die fischreusenähnlich zusammengefügt die Speise- röhre umfassen, und als Stützorgane der letzteren anzusehen sind. Sie finden sich namentlich bei den Gattungen Chilodon und Nassula. Als ein äusserer Mundbesatz finden sich zuweilen (z. B. bei Glaucoma) mem- branartige Lappen , einfach oder zu zweien, wie Klappen in beständiger Bewegung begriffen, und als Strudelorgane zur Herbeischaffung der Nah- rungspartikelchen thätig, so dass sie hierdurch an den Wimperbesatz anderer Infusorien sich anreihen , wie sie denn auch morphologisch als verbreiterte Cilien zu betrachten sind. Eine discrete Analöffnung scheint bei allen mit einem Munde ver- sehenen Infusorien vorzukommen , und jedenfalls werden die Reste der Nahrungsstoffe nicht an beliebiger Stelle aus dem Körper entfernt , was selbst bei den kleinen Monadinen mit Sicherheit beobachtet wurde. Der alsbald nach dem Austritte der Faecalmassen erfolgende Verschluss der 58 Protozoen. Oeffnung lässt sie dagegen nur schwer erkennen. Die Lage dieses Afters ist eine sehr verschiedene; bald ist er am hinteren Körperende ange- bracht (Monadinen), bald vor demselben (Paramaecien) vordem Körperende an der Bauchfla'che (Oxyt richinen), dann wieder am vor- deren Körpertheile (Stento r inen), oder endlich sogar in dem mit der Mundöffnung gemeinschaftlichen Vestibulum (Vorticellinen). — Eine von allen übrigen Infusorien abweichende höhere Organisations- stufe der Ernährungsorgane ist bei Trachelius ovum ausgebildet, indem hier ein verästelter Darmcanal besteht, der an dem seitlich gelegenen trichterförmigen Schlünde beginnt und sich durch die weite, mit Flüssig- keit gefüllte Leibeshöhle hindurchzieht, mit seinen Aesten an die Kör- perwand sich inserirend. Ein bestimmtes Darmlumen ist nur durch den Weg. welchen die Nahrungsballen zurücklegen, angezeigt, aber die Be- ständigkeit, mit der die letzteren nur in den Verästelungen sich finden, oft beträchtliche Anschwellungen derselben darstellend, lässt kaum einen Zweifel an deren physiologischer Bedeutung als Darmcanal übrig. — Die Spongien stehen bezüglich der Ernährungsorgane so ziemlich ausserhalb der Stufenreihe von Einrichtungen , die wir bisher bei den Protozoen verfolgten , und repräsentiren vielmehr einen Typus, indem sich mehrfache Anklänge an einen höherstehenden, den der Coelentera- ten, wahrnehmen Hessen. Es bestehen nämlich am Spongienkörper zahl- reiche grössere, und noch mehr kleinere contractile Oeffnungen, wovon die ersteren mit einem vorstehenden Bande umgeben sind , und oft be- trächtlich weit röhrenförmig hervorragen. Beiderlei Oeffnungen führen in ein vielfach anastomosirendes Canalsystem, welches den ganzen Kör- per durchzieht, und welches, mit besondern Wimperorganen ausgestat- tet, dem durch die kleineren Oeffnungen einströmenden, und durch die grösseren ausströmenden Wasser als Bahn dient. Mit dem Wasser gelan- gen Nahrungspartikel ins Innere der Ganäle , von wo aus sie dann ins Innere des Körperparenchyms aufgenommen werden*). *) Wenn durch die für Vertheilung der Nahrungsstoffe im Körper sorgenden Canäle, in welchen zugleich Wasser strömt, einige Aehnlichkeit mit Coelenteraten entsteht, so wird diese dadurch wieder sehr gemindert, dass die Canäle der Spon- gien nicht den verdauenden Apparat selbst vorstellen, sondern blosse Zuleitungs- organe sind. Die wirkliche Aufnahme der Nahrungsstoffe, aus den Canälen ins Kör- perparenehym, geht wie bei den Rhizopoden vorsieh. — Die aufnehmenden Oeff- nungen können auch deshalb nicht mit Mundöffnungen verglichen werden, weil alles in der Nähe befindliche durch sie aufgenommen und dem Canalsysteme mitgetheilt wird. — Bei den Spongillen führen nach Lieberkühn 's Untersuchungen die zuleiten- den Oeffnungen nicht direct in das Canalsystem, sondern erst in einen, nur von der dünnen Integumentschicht nach aussen abgegränzten Raum , der über den gan- zen Spongillenkörper sich hindehnt, und nur von den aus letzterem hervorkommen- den grösseren Auswurfröhren durchsetzt wird. Zuweilen dringen auch noch Kiesel- nadeln hindurch zum Integumente. Aus diesem Räume gelangt dann das Wasser erst in die Canäle, die durch viele feine Oeffnungen in ihn einmünden. Die Wimper- Organe der Ernährung. 59 b) Von den Kreislaufs Organen. Die Umleitung der aus dem Verdauungsprocesse hervorgehenden, oder wie bei den Gregarinen u. a. schon vorbereitet von aussen her be- zogenen Ernährungsflüssigkeit wird bei der Mehrzahl der Rhizopoden, sowie bei allen Gregarinen wohl ohne Zweifel durch die Bewegung des Körpers selbst zu Stande gebracht. Jede Contraction des Leibes ruft bei den Gregarinen eine oft sehr energische Ortsveränderung der den Körperschlauch füllenden Körner und Molekeln hervor, mit der im glei- chen Maasse auch die dazwischen befindliche flüssigere oder doch wei- chere Substanz bewegt wird. Es ist ein Durcheinanderströmen in der mannigfaltigsten Richtung, welches bei jeder Streckung oder Zusammen- ziehung des Körpers von neuem beginnt. Bei den Rhizopoden, deren beständig wechselnde Gonturen der wei- chen Körpersubstanz mit einer steten Durchmischung der Substanz selbst einhergehen, ist diese Bewegung noch eclatanter, ja bei den Thieren die- ser Classe, welche mit fadenförmigen Pseudopodien versehen sind, geht bei der Verlängerung der letzteren in denselben eine dauernde auf- und absteigende Strömung vor sich, wie aus der Bewegung der Körnchen in der Sarcodesubstanz zu erkennen ist. — In allen diesen Fällen kann also von einem besonderen Apparate für den Kreislauf keine Rede sein ; es sind nur allgemeine Einrichtungen, an denen sich jedes Partikel der Kör- persubstanz gleichmässig betheiligt; die Function ist noch nicht locali- sirt, an ein Organ gebunden, sondern sie wird noch vom Gesammtorga- nismus vollzogen. Dagegen zeigen schon die Amoeben unter den Rhizopoden, dann sämmtliche Infusorien das Vorhandensein eines Circulationsapparates, der , nach den der Beobachtung leichter zugänglichen grösseren Formen zu schliessen, eine nicht ganz einfache Bildung offenbart. Doch ist auch hier eine Gliederung vom einfacheren zum complicirteren nicht zu ver- kennen. — Im Inneren des Körpers der erwähnten Thiere, und zwar bei Infusorien in der zunächst unter der Guticula gelegenen contractilen Kör- perschicht, kommen rundliche Hohlräume vor, welche sich ausdehnend mit Flüssigkeit füllen , und bei der Contraction diese wieder entleeren, Vorgänge, welche sehr häufig einen gewissen Bhythmus nicht verkennen lassen. Die Zahl dieser pulsirenden Hohlräume ist sehr verschieden, meist sind es 1 — 2 (Fig. 6.d. d. Fig. 6. A.c.)] selten sehr viele, wie bei Trachelius ovum, dessen ganzer Körper in gewissen Abständen mit gegen 60 solcher Organe besäet erscheint. Die Contractionen der einzelnen Blasen folgen abwechselnd, und wenn nur zwei vorhanden sind, erscheint die eine immer im Stadium der Systole, wenn die andere in der Diastole sich darstellt. Das Vorkommen der contractilen Blasen , stets genau an organe bestehen aus kugligen den Canälen verbundenen Räumen, in welche auf ei- nem Kaufen stehende Wimperzellen hineinragen. — 60 Protozoen. denselben Stellen, die Beständigkeit der Zahl bei einzelnen Infusorien- arten, lässt darauf schliessen, dass es nicht zufällige Hohlräume (Vactioles nach Dujardin) sind, wie solche oftmals im Infusorienkörper durch Auf- nahme von Wasser auftreten ; diese letzteren finden sich auch in der centralen, die Speiseballen mit einschliessenden Masse, während die er- steren nur auf die festeren Rindenschichten beschränkt sind, es sind vielmehr bestimmte Organe, deren Bedeutung in der Aufnahme und in der Wiedervertheilung der den Körper durchtränkenden Flüssigkeit zu suchen ist. DasFluidum, um welches es sich hier handelt, ist wohl einer ernährenden Flüssigkeit , dem Blute , gleich zu setzen, und dann sind auch die contractilen Hohlräume Centralorganen des Blutkreislaufes — einem Herzen — analog. Zu ihnen treten auch noch gefässartige Ab- schnitte, denn bei grösseren Infusorien sind radienartig von der Periphe- rie der Blasen ausgehende Fortsätze zu beobachten , die bei der Systole schwellen, und beträchtliche Strecken weit, oft auch noch mit Verzwei- gungen versehen, in dem Körper zu verfolgen sind*). Noch vollkommener ist der Gefässapparat bei Stentor gefunden wor- den, indem hier ein den breiten Vorderlheil des Körpers umlaufendes Ringgefäss sich findet , welches bei demselben Thiere noch einen dem Körper entlang verlaufenden Gefässstamm entsendet, beide mit stellen- weisen Erweiterungen versehen. Auch bei Spirostomum ambiguum ist ein solcher Längsgefässstamm entdeckt worden**). Somit würde die den Körper durchdringende Ernährungsflüssigkeit in stetem Wechsel begriffen sein müssen, indem sie durch bestimmte Canäle den contractilen Blasen zugeführt, von diesen aufgesogen und durch davon abgehende Canalsysteme wieder im Körper vertheilt würde. Da die Canäle immer nur streckenweise verfolgt werden konnten und ihre feinen Enden ins Körperparenchym ausliefen, so ist eine directe Vermischung des circulirenden Fluidums mit der Substanz des Körpers anzunehmen, während auf der andern Seite ein Uebergang des Fluidums *) In dieser Hinsicht ist besonders Paramaecium Aurelia als günstiges Object an- zuführen. — Wenn die pulsirenden Hohlräume mit Herzen verglichen werden, so geschieht dies ohne damit zu urgiren, dass nicht auch andere Functionen von ihnen vollzogen werden, wie unten noch bemerkt wird. **) Lachmann, der diese und viele andere Organisations -Einrichtungen der Infusorien nicht allein sorgfältig beobachtet, sondern auch nebst den früher bekann- ten Thatsachen kritisch geprüft hat, erwähnt für die Blasennatur der Hohlräume be- sonders den Umstand, dass oftmals Kothballen in der grössten Nähe der Blase vor- beipassiren und die Blasenwand sogar einstülpen, ohne dass je ein Durchbruch er- folgte, so dass hieraus nothwendig für die Wandungen eine grössere Resistenz sich ergibt, als sie dem übrigen Körperparenchyme der Infusorien zukomme. Man muss sich aber hüten, von hier aus weiter zu schliessen, und für alle diese Hohlräume, seien es Blasen oder Canäle, anatomisch difl'erenzirte, also discrete Wandungen an- nehmen zu wollen, was nach der gegenwärtigen Sachlage ebenso irrig wäre, als die Annahme blosser Hohlräume, deren Wände vom übrigen Körperparenchyme in nichts verschieden wären. Organe der Ernährung. 61 aus dem Körperparenchyme in die Canalräume stattfinden muss. Bei den Infusorien mit zwei oder mehr contractilen Blasen werden die von letz- teren ausgehenden Canäle abwechselnd centrifugal und centripetal leitend erscheinen. — In jenen Fällen, wo durchaus keine Canäle mit den con- tractilen Blasen in Verbindung gefunden werden konnten, wie bei den Amöben und vielen Infusorien, hat.es den Anschein, als ob das Eindrin- gen der Flüssigkeit in die Blasen, sowie der Austritt aus denselben durch eine directe Durchdringung des Parenchyms zu Stande komme, dass also hier schon in den Wandungen der Hohlräume dasselbe Verhältniss sich treffe, wie es bei den höher organisirten , mit Canälen versehenen erst am Ende der letzteren stattfinde. Die Bedeutung der ganzen Einrichtung ist, soweit sie durch die Beobachtung zu ermitteln ist, offenbar, allein es fragt sich, ob dieser Ap- parat ausschliesslich circulalorischen Zwecken diene, und ob nicht, wie dies so vielfach im Bereiche niederer Thiere getroffen wird, auch hier mehre Functionen in Einem Organsysteme ihre Bolle spielen. Die stets sehr oberflächliche Lage der contractilen Blasen macht es zwar wahr- scheinlich , dass durch sie ein Austausch von Stoffen gegen das umge- bende Medium hin stattfinde, und es ist einmal sogar behauptet worden, dass eine directe Communication mit jenem bestehe, so dass die ganze Einrichtung einem wassereinführenden Apparate gleichkomme*). Eine solche Oeffnung ist jedoch in der That nirgends zu beobachten , wie sie denn auch von allen übrigen Forschern in Abrede gestellt ist, und es kann nur so viel zugegeben werden, dass Wasser, durch die Wendungen eindringend, der circulirenden Flüssigkeit sich beimische**). Die übrigen Protozoen, so namentlich die Spongien, zeigen keine hierher zielenden Organe. *) Dies soll nach 0. Schmidt der Fall sein. Frorieps Not. 1 849 u. Handb. d. vergl. Anatomie 3. Aufl. **) Eine bei Actinophrys vorkommende Erscheinung hat man gleichfalls den Kreislaufseinrichtungen zugezählt. Es kommen nämlich hier rhythmische Erhebun- gen und Senkungen der Körperoberfläche an wechselnden Stellen vor, welche je- doch niemals mit canalartigen Hohlräumen in Verbindung stehen, sondern sich nur über eine oder- mehrere der zelligen Abtheilungen der Rindenschicht des Körpers erstrecken. Die starke Hervorwölbung, welche die Körperoberfläche an diesen Stellen über das übrige Niveau während des Diastole- Actes bildet, zeigt aber nur, dass sich unter ihr eine grössere Flüssigkeitsmenge angesammelt hat, und es bleibt unentschieden, ob diese Flüssigkeit aus dem Körper stammt, und nach Durchdrin- gung der Gewebe sich hier ansammelte, um mit der Contraction wieder vertheilt zu werden, oder ob es von aussen her imbibirtes Wasser sei, welches der Ernährungs- flüssigkeit des Körpers zeitweise zugemischt werde. Die ganz oberflächliche Lage der contractilen Stellen — (der man die gleiche Lage der pulsirenden Blasen der In- fusorien, bei dem total verschiedenen Baue dieser Geschöpfe, nicht entgegenhalten kann) — sowie die Hervorwölbung, ohne Einsenkung anderer Körperpartieen, schei- nen mir eher auf die letztausgesprochene Ansicht hindeuten zu wollen. — 62 Protozoen. c) Von der Aihmung und Wasseraufnahme. Wie auch bei höherstehenden, im Wasser lebenden Organismen, bei denen das Verhältniss der Körperoberfläche zum Volumen des Kör- pers ein für den durch die blosse Oberfläche vermittelten Gasaustausch günstiges ist, so sind bei Protozoen keine distincten Organe für die Ath- mung ausgeprägt. Sowohl die Bewegung derThiere, als auch der wenig- stens bei den Infusorien vorhandene Cilienbesatz bewirken oder beför- dern den Wechsel der umgebenden Mediumschichlen , und sind , indem sie dadurch einen rascheren Austausch der Gase ermöglichen, als wich- tige Factoren beim Athemprocesse anzusehen. Das ins Innere des Körpers aufgenommene Wasser spielt in gleicher Weise bei der Athmung eine Rolle, mag es wie bei den meisten Infuso- rien und Rhizopoden die feste Nahrung aufnehmen, mit dieser in den Körper gelangen und dem Chymus sich beimischen, oder die den Darm- canal umgebende Leibeshöhle erfüllen, wie dies bei Trachelius ovum der Fall zu sein scheint. Am ausgebildetsten ist die Zuleitung von Wasser im Organismus der Spongien, bei denen das schon oben bei den Ernäh- rungsorganen eingeführte Canalsystem auch mit dieser Verrichtung be- traut ist und für den Athemprocess von grösster Bedeutung erscheint. §■ 10. Organe der Fortpflanzung. Da die geschlechtlichen Zustände der Thiere stets das Resultat einer höheren organologischen Differenzirung sind, so wird in der Abtheilung der Protozoen, die das geringste Maass dieser Differenzirung als allgemei- nen Character trägt, auch die geschlechtliche Bildung die niederste Stufe einnehmen, oder es wird jede Andeutung geschlechtlicher Verhältnisse vollständig fehlen. Das letztere ist denn auch bei der grösseren Anzahl der Protozoen der Fall , wenn auch die Bahn , welche die gegenwärtige Forschung beschritten, zum Theile auf wirkliche geschlechtliche Bildun- gen , auf den Nachweis von Zeugungsstoffen bei einer kleinen Gruppe (den Spongien) geführt hat, zum Theile auch bei anderen (einigen Infu- sorien) den endlichen Nachweis hierher zurechnender Gebilde in nicht allzuweiter Ferne erkennen Iässt. Die Hauptrolle für die Erhaltung der Art spielen deshalb immer die ungeschlechtlichen Fortpflanzungsweisen, die in keiner Abtheilung des Thierreiches so mannigfaltig gestaltet sind. Alle Arten der ungeschlechtlichen Zeugung basiren auf der mangeln- den oder unvollkommenen Organentfaltung, so dass das Individuum nicht allein beide Geschlechter potentia repräsentirt, sondern jeden Theil seines einfach geformten Körpers zur Erzeugung neuer Individuen verwerthen kann. Es genügt dann die einfache Trennung eines Körperpartikels vom ursprünglichen einheitlichen Organismus, um ein neues Wesen oder ganze Reihen derselben hervorgehen zu lassen. Erst mit einer Diffe- Organe der Fortpflanzung. 63 renzirung tritt eine Localisirung der Function an gewissen Körperstel- len, und nach dieser eine Bildung von Organen auf, die, wenn auch anfänglich wegen des mangelnden sexuellen Gegensatzes noch nicht als Geschlechtsorgane im engeren Sinne, doch als Organe der Fortpflanzung angesehen werden müssen. Als die häufigste, und vielleicht allen Protozoen zukommende Fort- pflanzungsweise, besteht die Theilung. die besonders bei den Amoe- ben unter den Rhizopoden, dann bei den Infusorien beobachtet ist. Sie kann bald der Länge, bald der Quere nach an einem Individuum vor sich gehen, und je nach der Lage der Organe theilen sich diese mit, oder sie fallen dem einen Individuum zu, indess das andere sich deren neue bil- det. Der Theilungsprocess ist kein rein äusserlicher, kein blosses sich Abschnüren der einen Körperhälfte von der anderen , sondern es ist ein Vorgang, der die Thätigkeit des ganzen Organismus beansprucht, häufig durch einen ruhenden Zustand*) des Thieres vorbereitet, oder durch eine vorhergehende Theilung des schon mehrfach erwähnten »Kernes« eingeleitet wird. Die Betheiligung des letzteren Gebildes ist eine sehr verschiedene, denn es findet nicht selten an ihm erst eine Theilung statt, wenn der Process schon über das ganze übrige Thier weit vorgeschritten, so dass deshalb die früher angenommene regulatorische Thätigkeit des Kernes nicht aufrecht gehalten werden kann**). Eine andere Form ist die Bildung von Sprossen und Knospen. Durch ein an beschränkter Körperstelle auftretendes Wachsthum ent- steht anfänglich ein Fortsatz, der unter fortwährender Volumszunahme allmählich zu einem neuen Individuum sich gestaltet. Der Kern entsteht entweder selbständig im Sprösslinge, oder er wächst vom Mutterthiere in selben hinein , durch welches Verhältniss Theilung und Sprossenbil- dung sich enge berühren können***) . Die so gebildeten Sprösslinge können entweder , mit dem Mutterthiere auch fernerhin in organischer Verbin- dung stehend , zur Entstehung von Colonien beitragen , oder sie werden durch Abschnürung frei, und repräsentiren dann vollkommen selbstän- dige Individuenf). *\ Bei vielen Infusorien geht der Theilung ein Encystirungsprocess voraus, die Theilung erfolgt erst innerhalb der von der Oberfläche des Thieres exsudirten Kap- sel, und ihr Endresultat sind nicht immer nur zwei Individuen, sondern häufig wer- den durch fortgesetzte Theilung vielfältige Sprösslinge producirt. **) Der Theilungsprocess ist mehrfach mit einem anderen gerade entgegengesetz- ten, dem der Zygose, verwechselt worden, und in der That ist es schwer, ja un- möglich, beide auseinander zu halten, wenn man nicht die sich folgenden Phasen des einen oder des anderen Vorganges beobachtet hat. ***) Es ist aber dann das Quantum des Mutterkörpers, welches zum neuen Indi- viduum verwendet wird, das Ausschlag gebende, denn die Betheiligung der Organe an der Theilung ist eine sehr verschiedene, wie bereits oben erwähnt ist. f) Diese Entstehung von Individuen durch einen Knospungsprocess ist beson- ders an der Familie der Vorticellinen zu beobachten. Das Junge ist dann immerauch am hinteren Körperende mit einem Wimperkranze versehen, der ihm das Fort- schwimmen erleichtert, aber nur bis zur Festsetzung persistirt. 64 Protozoen. An diese äussere Sprossenbildung reiht sich die Bildung von Sprösslingen im Innern eines Mutterthieres, eine Art der Vermeh- rung, die bei den Infusorien ihre hauptsächlichste Verbreitung besitzt, und bei der das als »Kern« aufgeführte Gebilde eine so ausnehmend wichtige Rolle spielt, dass es unbeschadet etwaiger anderer Bedeutungen, die es in der Lebensökonomie dieser Organismen noch besitzen mag, recht eigentlich als Fortpflanzungsorgan bezeichnet werden darf*). Das Kerngebilde der Infusorien ist ein verschieden geformtes, stets in die festere Körperwand eingebettetes, durch grössere Resistenz und feinkörnige Be- schaffenheit von den umgebenden Thei- len ausgezeichnetes Organ. Es erscheint bald einfach rund oder oval, bald stab- förmig (Fig. 6. B.p), bald gebogen (Fig. (i. A. n) oder auch mehrfach verästelt, und wird durch eine zarte Membran von den umgebenden Theilen abge- gränzt. Zu gewissen Zeiten entsteht im Innern dieses Kernes eine Höhlung, die bald ein freies, bald ein der Wandung ansitzendes kleines Körperchen enthält, welches allmählich unter Ausdehnung der umgebenden Wandung heranwächst und, sich mit Cilien umkleidend, ein junges Thier darstellt. Es rückt nach und nach immer weiter von seiner Keimstätte nach aussen und durchbricht schliesslich den mütterlichen Körper, um als »Schwärmsprössling« davon zu schwimmen. Nicht selten lösen sich die zur Entwickelung von solchen Schwärmsprösslingen be- stimmten Partien des Kernes von dem übrigen Theile schon vor der er- sten Bildung ab , und es erscheint dann der ursprünglich einfache Kern in eine Mehrzahl kleinerer zerfällt, deren jeder einem neuen Individuum die Entstehung gibt. Der Bildung der Schwärmsprösslinge geht sehr häufig eine Encystirung des Mutterthieres voraus , so dass dieser letztere Vor- Fig. 6. A. Zwei Thi.ere einer Colonie von Carchesiam polypinum mit der Fort- setzung des Stockes. B. Spiroslomum ambignum. a. Stiel, m. Darin liegendes Muskelband. n. Nucleus. v. Vestibulum. o. Mund- öffnung, op. Operculum, am Rande Wimpern tragend, die bei dem einen Individuum nur an 2 Stellen gezeichnet sind. c. Gontractile Blase, eh. Chymus. p. »Kern.« *) Auch den Gregarinen und den Amoeben kommt ein »Kern« zu, er liegt jedoch hier immer in Mitten des nicht weiter differenzirten Körperparenchyms, und nimmt bei der Fortpflanzung keinen so directen Antheil als das gleichbenannte Ge- bilde der Infusorien. Organe der Fortpflanzung. 65 gang , wie oben auch bei der Theilung erwähnt ist , als eine Einleitung desVermehrungsprocesses in allgemeinerer Weise sich darstellt. Die Zahl der so entstehenden Sprösslinge, die dem Mutterthiere in der Regel un- ähnlich sind , also entweder für sich , oder für ihre Nachkommen eine Metamorphose bestehen müssen,, ist eine sehr verschiedene, und bald wird jeweilig nur einer gebildet, bald deren viele, die aber alle auf die nämliche Weise hervorgehen. Dem zufolge ist zwar der physiologische Werth des sprösslingerzeu- genden Kernes noch keineswegs mit Bestimmtheit zu erkennen , und es ist bis zu dessen Feststellung noch die Beantwortung einer ganzen Reihe von Fräsen übrig, doch dürfte soviel bereits sicher sein, dass sich seine Betheiligung bei der Vermehrung viel complicirter herausstellt, als man von Thieren von sonst so niederer Organisation erwarten konnte*). Die ganze Art und Weise , wie das Junge in dem Kerne und aus demselben sich hervorbildet, lässt uns diesen bis jetzt als einen Keimstock er- scheinen, doch ist vorläufig nicht abzusehen, in wiefern sich unsere An- schauungen hierüber noch modificiren ; der erste Schritt dazu ist durch eine wichtige Beobachtung Joh. Müller's**) geschehen, der zufolge im Kerne auch haarförmige , bewegliche Gebilde ( den männlichen Zeu- gungsproducten der übrigen Thiere wenigstens formell vergleichbar) vor- kommen können , eine Beobachtung, die man zur Zeit besser ohne wei- tere Consequenzen lässt, um nicht zu rasch ein Gebäude auf noch nicht fertigen Fundamenten zu errichten. — Endlich ist hier ein Modus der Fortpflanzung anzuführen , der bei den Gregarinen besteht, und als Conjugation bekannt ist. Das Wesen derselben besteht in der innigen Verschmelzung zweier Indivi- duen, die Einen Körper bilden, aus demBeihen neuer Individuen hervor- gehen. Die beiden Individuen sind entweder von Jugend auf mit einan- der vereinigt, dergestalt, dass das eine mit seinem Vorderkörper am Hin- terkörper des andern hängt (Fig. 2. a. b) ***), oder die Verbindung erfolgt erst später, indem sich zwei Individuen an einander legen, sich allmäh- lich verkürzen und nach einiger Zeit in eine runde Cyste hüllen, in der man aus der zwischen den beiden Individuen durch die Körperhüllen gebildete Scheidewand noch die ursprüngliche Trennung erkennen kann. *) Es hat schon Ehrenberg dieses Gebilde der Infusorien als ein Fortpflan- zungsorgan gedeutet und es mehrfach als »Keimdrüse« aufgeführt, sowie auch Stein dessen Beziehungen zur Erzeugung von Schwärmsprösslingen durchreiche Beobachtungen nachgewiesen hat. Doch erst Lach mann, dem ich in obiger Dar- stellung nach eigener Prüfung folgen konnte , hat mit grösserer Sicherheit die in Rede stehenden Verhältnisse ermittelt, und namentlich die Entstehung des Spröss- lings innerhalb des Kernes dargethan. **) Niedergelegt in den Monatsberichten der Königl. Academie der Wissenseh. zu Berlin. Jul. 1856. — Hieran reihen sich auch die Angaben von H. J. Carter be- züglich der Bildung von Samenelementen und Eiern bei Amöben und einem anderen Rhizopoden : Euglypha. Vergl. Annais ofnat. hisl. 1856. ***) Nach meinen Beobachtungen sind alle Gregarinen in den jüngsten Stadien einfach, und die Gattung Zygocystis besteht nur aus schon conjugirten Individuen. Gegenbaur, vergl. Anatomie. 5 66 Protozoen. Beide Thiere lösen sich schliesslich zu einer formlosen Körnermasse auf, aus der zahlreiche Bläschen hervorgehen. In jedem der letzteren bildet sich eine Anzahl von Keimkörnern*) , welche dann die ganze Cyste er- füllen, und von denen jeder einem anfänglich amöbenartigen, später zur Gregarine werdenden Individuum den Ursprung gibt. Die Bedeutung dieses Conjugations-Processes ist aber nach manchen Seiten hin noch unklar, da der physiologische Werth, den man in der Vereinigung zweier Individuen finden könnte, durch die von Lieberkühn beobachteten, aus Einem Individuum gebildeten Cysten seine allgemeine Geltung verliert. Es ist also vorläufig die Einleitung des Fortpflanzungsprocesses durch eine Verbindung zweier Individuen nur als die Regel anzusehen , und nicht als ein die Erzeugung neuer Keime geradezu bedingendes Verheil t- niss, wenn auch die gegenteiligen Thatsachen zu der sonstigen Regel- mässigkeit der Conjugation nur wie vereinzelte sich ausnehmen**). Eine Conjugation kommt auch in anderen Abtheilungen der Proto- zoen vor. und ist namentlich bei Actinophrys beobachtet, wo sogar 3 oder 4 Individuen unter einander zusammentreten und allmählich zu ei- nem Organismus verschmelzen ; auch bei den Infusorien im engeren Sinne scheint sie nicht selten zu sein, so bei Acineten und Vorticellinen, bei denen immer nur eine paarweise Verbindung zu Stande kömmt. Doch ist es keineswegs ausgemacht, ob die Bedeutung der Conjugation dieselbe ist, wie bei den Gregarinen, und ebenso auf die Fortpflanzung hinzielt. *) Die spindelförmige Gestalt lässt diese Keimkörner den dem Pflanzenreiche angehörigen Navicellen (niederen Algen) ähnlich erscheinen, und hat ihnen den Na- men Pseudonavicellen verschafft. (Neuerlich werden auch siePsorospermien benannt.)1 Die ganzen damit gefüllten Cysten, die sich oft zahlreich an den Aufenthalts- orten der Gregarinen vorfinden und besonders leicht in der Leibeshöhle oder in den Ho- den der Regen würmer anschaulich zu machen sind, werden als Pseudonavicellenbehäl- ter bezeichnet. — Die Amöben-Aehnlichkeit der jungen Gregarinen ist eine bedeu- tende und weist auf die innige Verwandtschaft mit diesen Thieren hin. Sie hat ihren Grund in dem wegen des noch mangelnden Integumentes unbestimmt abgegränzten contractilen Körper, und schwindet sobald die derbere Hautschicht sich zu bilden be- ginnt und dem Gregarinenkörper nur beschränktere Formveränderungen gestattet, lieber die Conjugation d. Gregarinen vgl. vorzügl. S t e i n's Untersuchgen im Arch f. Na- turgesch.1849.— Ueb. d.Entwickl. d. Gregarinen : Lieb erkühn in Müller's Arch. \ 854. Nahe mit den Pseudonavicellen verwandt sind auch die von J. Müller entdeck- ten Psorospermien, wie erstere von einer festen Hülle umgebene microscopische Körperchen, die sich gleichfalls in Cysten bilden und, wenn auch im Ganzen noch sehr räthselhafter Natur, als Keimkörner niederer Thiere anzusehen sind. Am häu- figsten kommen sie in Fischen vor. Sie mit den Keimkörnern der Amoeben zusam- menzuwerfen, halte ich für verfrüht. — **) Es ist hier auch darauf aufmerksam zu machen, dass auch im Pflanzenreiche — unter den mehrzelligen Algen — eine ähnliche Conjugation sich findet, deren Endresultat die Erzeugung neuer Individuen ist. — Auch ist sicherlich von grossem Belange, dass selbst unter den Würmern — Trematoden — eine Verwachsung zweier Individuen mit dem Fortpflanzungsprocesse in Verbindung steht. Ungeschlechtlich entwickelte Individuen der Gattung Diporpa verbinden sich an ihrem hintern Leibes- abschnitte innig unter einander, um erst in diesem ein Doppelthier — das wunder- bare Diplozoon — darstellenden Zustande sich geschlechtlich zu entwickeln. Coelenteraten. 67 Eine vollkommen geschlechtliche Entwicklung, die einzige unter den Protozoen mit Bestimmtheit erkannte, findet sich bei den Porife- ren, bei denen, wie Hu xley zuerst fand, sowohl Eier sich bilden, als auch Samenmassen erzeugt werden. Beiderlei Producte entstehen in be- sonderen Höhlungen des Körpers und werden, wie es den Anschein hat, durch das den letztern durchziehende Canalsystem entleert. Zweiter Abschnitt. Coelenterata. §• 'i'i. Die Charactere dieser erst in der Neuzeit durch Leuckart in ihrer gegenwärtigen Fassung begränzte Thiergruppe werden dadurch gebildet, dass die verdauende Cavität in keinem Gegensatze zu einer Leibeshöhle steht. Von dem im Körper befindlichen und als Magen anzusehenden Hohlräume aus durchziehen regelmässig angeordnete in das Körperpar- enchym eingegrabene Canäle den ganzen Körper und setzen , wenn es sich um »Thierstöcke« handelt, die Individuen derselben unter sich in engere Verbindung. Der Typus der Organisation der Coelenteraten ist der radiäre, nach ihm sind nicht allein die von der verdauenden Cavität ausgehenden Hohl- räume, sondern auch die übrigen Organe, wie Fangfäden, Sinnesorgane u.s.w. angeordnet. Die Körperform ist entweder cylindrisch oder schei- benförmig, oder doch auf die eine oder die andere dieser Formen zuriick- führbar. In einer Abtheilung — bei den Ctenophoren — geht der Ba- diärtypus in den bilateral -symmetrischen über, indem an zwei symme- trischen Körperhälften eine überwiegende Ausbildung der einzelnen Theile erfolgt. — Wie die Coelenteraten durch den strahligen Typus mit den Echino- dermen übereinstimmen und mit diesen auch seit Cuvier als Badiata oftmals zu einer Classe verbunden waren, so sind sie durch den viel ein- facheren Bau des Körpers und die Verbindungen der Leibeshöhle mit der verdauenden Cavität wesentlich von jenen verschieden. Die systemati- sche Anordnung der hierher zu rechnenden Thiere erleidet vielfache Schwierigkeiten wegen der hier (bei den Hydromedusiden) einschlagen- den Complication mit der Erscheinung des Polymorphisuus und dem daraus sich ableitenden Generationswechsel. s * 68 Coelenteraten. Uebersicht der Glassen der Coelenteraten. I. Polypi. 1 . Ordn. Hex actinia. Madrepora, Seriatopora ; — Caryophyllia, Turbinolia; — Astraea, Maeandrina. 2. Ordn. Pentactinia. Actinia, Cribrina, Edwardsia, Cerianthus. 3. Ordn. Octactinia. Tubipora, Isis, Gorgonia, Alcyonium ; — Pennatula, Veretillum, Virgularia; — Lucernaria. II. Hydromedusida. 1. Ordn. Hydroidea. Coryne, Syncoryne, Hydractinia, Sertularia, Pennaria; — Campanularia, Eudendrium, Tubularia. 2. Ordn. Medusida. a) C rasp edota. Oceania, Sarsia, Lizzia ; — Geryonia ; — Aequorea ; — Aegineta, Cunina. b) Acraspeda. Pelagia, Aurelia, Chrysaora ; — Rhizostoma, Cassiopeia. 3. Ordn. Siphonopho ra. Velella, Porpita ; — Diphyes, Abyla ; — Agalma, Physophora, Physalia. III. Ctenophora. Cestum, Cydippe ; — Mnemia, Lesueuria ; — Eucharis; — Beroe. Litern t m r. 1. Polypi. Rapp, lieber Polypen im Allgemeinen u. Actinien insbesond. Weimar 182 9. Ehrenberg, Die Corallenthiere des rothen Meeres (Abhandl. der Königl. Academie zu Berlin) 1832. Johnston, A hislory of the british Zoophytes. 2 Bde. London 1847. Hollard, Monographie anatomique du genre Actinia. Ann. des sc. nat.Sör. III. T.XV. 1851. Ha im e, Jul., Memoire sur le genre Cerianthus. Ann. des sc. nat. Ser. IV. TA. 1854. 2. Hydromedusida. Cavolini, Memor. per servire alla sloria dei polipi marini. Na- poli 1755. (Deutsch von Sprengel. Nürnberg 1813.) Eschscholtz, System der Acalephen. Berlin 1829. Brandt, Ausführliche Beschreibung der von H. Mertens auf seiner Weltumse- gelung beobachteten Schirmquallen. Mem. del'Acad. de St. Pilersbourg 1 833. Ehrenberg, Ueber die Acalephen des rothen Meeres und den Organismus • der Medusen der Ostsee. (Abhandl. der Berl. Academie. 1835.) Milne-Edwards, Observations sur divers Acalephes. Ann. des sc. nat. Se~r. II. T. XVI. 1841. Wagner, R., Ueber den Bau der Pelagia nocturna und die Organisation der Medusen. Leipzig 1841. Will, Horae tergestinae , Beschreibung und Anatomie der im Herbste 1843 zu Triest beobachteten Acalephen. Leipzig 1844. Sars, Fauna littoralis Norvegiae. Heft 1. Christiania 18 46. Forbes, Amonograph of the british naked eyed Medusae. London 1848. Frey und Leuckart, Beiträge zur nähern Kenntniss wirbelloser Thiere. Braunschweig 1847. Hu xl ey, On the anatomy and the affinities of the family of the Medusae. Philos. Tr ansäet, for 1849. A g a s s i z, Contribulions to the natural history of the Acalephae of North- America, in denMemoirs of the American Academy of arts and sciences. T.II. P. 2. 1850. Allgemeine Literatur. — Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 69 Kölliker, Die Schwimmpolypen von Messina. Leipzig 1853. Leuckart, Zoologische Untersuchungen. Heft 1 . Giessen t853. Gegenbau r, Beiträge zur nähern Kenntniss der Siphonophoren. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. V. 1 854. V o g t , C., Sur les Siphonophores de la mer de Nice {Me'm. de l' Institut Genevois 1 854) . 3. Ctenophora. E s c h s c h o 1 1 z op. s. cit. Hertens, Beobachtungen und Untersuchungen über die beroeartigen Aca- lephen {Me'm. d. l'Academie de St. Pe'tersbourg. 1833). Mi In e-Ed wards, op. s. cit. und Ann. des sc. nat. Se'r. IV. T.VIL Will, op. s. cit. A gas siz , op. s. cit. §• 12- Körperbedeckung und Beweguugsorgane. a) Von den Integumenten. Obgleich die Differenzirung der Organe und damit auch der Gewebe des Körpers dieser Thiergruppe sich schon weit entfaltet zeigt , so erge- ben doch die niederen Formen darunter eine Zusammensetzung aus Zel- len, weshalb eine gesonderte Betrachtung der oben genannten Systeme nicht gleichmässig durchzuführen ist. Die Grundsubstanz des Körpers der niedersten Coelenteraten, nämlich der Hydroiden*), wird von ei- nem Zellengewebe gebildet, welches sich sowohl am Individuum, als am Stocke derColonien dieser Thiere, fast immer auf seiner niedersten Stufe erhält**). Zelle lagert an Zelle, häufig die Wandungen mit einander ver- schmolzen zeigend, und indem diese Elemente (ob alle, oder nur ein Theil davon, ist noch unentschieden) mit Contractionsvermögen ausge- rüstet sind, wird durch sie zugleich ein Muskelsystem repräsentirt. An der Körperoberfläche gehen die Leibeszellen in plattere Formen über und stellen so ein Epithelium vor, welches sich nur durch die ihm fehlende Contractilität von den darunter gelegenen Elementen unterscheidet. — Mit der Ausbildung eines Muskelsystemes , wie es allen übrigen Coelen- teraten in meist sehr entwickelter Weise zukömmt, lassen sich dann be- stimmtere Gränzen zwischen den äusseren Bedeckungen und den darun- ter liegenden Körpertheilen unterscheiden, und es ergibt sich für alle der Bestand eines zelligen Ueberzugs , in den an vielen Körperstellen andere Gebilde sich einbetten. Sehr verbreitet kommen auf den Epithelzellen Wimperhaare vor. und es sind namentlich die mannigfaltig gestalteten Fangarme und andere *) Bezüglich der Stellung dieser Thiere und ihrer Verbindung mit höheren For- men findet sich das Nähere dem Abschnitte über die Geschlechtsverhältnisse der Coelenteraten beigefügt. **) Es hat sich einige Zeit hindurch die Meinung erhalten, als ob der Körper die- ser Thiere aus einer contractilen Substanz, Sarcode, bestehe, die nicht auf zellige Elemente zurückführbar wäre, und selbst noch bis vor kurzer Zeit wurde dies aus- gesprochen. Leydig's Untersuchungen an Hydra haben die Organisation dieses Thieres bezüglich der zelligen Elemente völlig aufgehellt (vergl. Müller's Archiv 1854), und ich kann das dort Behauptete nach Beobachtungen an den seebewohnen- den Verwandten jenes Thieres [Sertularia, Campanularia, Coryne u. a.) nur bestätigen. 70 Coelenteraten. tentakelartige Gebilde , welche durch einen Cilienbesatz ausgezeichnet sind. Eigenthümliche Modificationen der Cilien sind kurze Borstenbil- dungen, die häufig zwischen den beweglichen Wimperhaaren angebracht sind und sich einzig durch ihre Unbeweglichkeit davon unterscheiden. — Wenn die beweglichen Cilien bei den kleineren Formen von Medusen, sowie in allen früheren Entwicklungsstadien der Coelenteraten als Lo- comotionsorgane thätig sind, so geht diese Bedeutung mit dem Zunehmen des Körpervolumens und mit der Ausbildung des gesammten Organismus allmählich verloren, und erhält sich nur in einer einzigen Classe, nämlich der der Bippenquallen, dadurch, dass sie durch Auswachsen in die Länge und Breite in bewegliche Schwimmplättchen sich umgestalten. Diese sind bei den Ctenop hören in regelmässige, die Länge des Körpers umzie— hende Beihen geordnet, deren man in der Begel 8 (4 bei Cestum) unler- Fig. 7. scheidet*) . Sie sind mit einer breiteren Basis eingelenkt und nur an z A z derselben beweglich, indess ihre übrige Fläche ziemlich resistent er- §Hlf| scheint, sodass sie, durch den Willenseinfluss des Thieres in Bewe- gung gesetzt, als ebenso viele Buderorgane zu wirken im Stande sind. Characteristisch für die Hautdecke der Coelenteraten, sowie auch vielfach im Innern des Körpers dieser Thiere verbreitet, doch nicht ausschliesslich auf diese Thiergruppe beschränkt, sind ei- genthümliche Modificationen von Zellen, die unter dem Namen der Nessel zellen**) bekannt sind. Es sind dies derbe in Zellen entstehende Kapseln , in deren Innerem ein elastischer , spiralig eingerollter Faden sich zeigt, der unter gewissen Verhältnissen, wie es scheint bei Einwirkung eines Druckes auf die Kapsel her- vorschnellt und sich dann an seinem Ursprünge von der Wand der Kapsel oder auch seiner ganzen Länge nach mit feinen , nach rückwärts gerichteten Häkchen besetzt zeigt. Die Formen- und Grössenverhältnisse dieser Zellen sind sehr variabel, doch, wie es den Anschein hat, für die einzelnen Gattungen und Arten sehr characteristisch. Sie liegen zerstreut oder auf Häufchen gruppirt unter, zum Theil auch zwischen den Epidermiszellen, sind jedoch, wie oben bemerkt, nicht nur den äusseren Körperdecken zukom- | mende Theile, da sie ebenso, wenn auch seltener, in den Epithe- D^ lien innerer Organe sich vorfinden. Ihre vorzüglichste Verbreitung ®~Q) besitzen sie jedoch stets nur an den Tentakeln und Fangarmen, Fig. 7. Verschiedene Formen von Nesselzellen. A. Nesselzellen von Corynactis, i. mit dem spiralig aufgerollten Faden, 2. mit ausgestrecktem Faden. B. C. Nessel- zellen von Siphonophoren , mit ausgestrecktem, theilweise mit Häkchen besetztem Faden. D. Nesselzellen von Medusen ; Faden noch eingerollt, bei einem noch nicht differenzirt. *) Die Angaben von nur 6 Schwimmplättchenreihen, wie sie von manchen älte- ren Autoren gemacht sind, dürften sich als nicht sicher herausstellen. Es weisen wenigstens alle anderen Beobachtungen auf 4 oder 8 hin. — **) Sie sind die Ursache der nesselnden Empfindung, welche viele Coelen- teraten (Actinien, Medusen) bei der Berührung auf der Haut erregen. KÖrperbedeckmig und Bewegungsorgane. 71 und unter diesen sind es besonders die Senkfäden der Siphonophoren, welche reichlich mit ihnen ausgestattet sind , und in denen sie sich in dichten, bandähnlichen Reihen grappiren. Unter der oberflächlichen aus Epithelzellen bestehenden Körper- schicht folgt entweder ein mehrfaches Zellenstroma bei den Polypen*), wo es namentlich bei der Bildung kalkiger oder horniger Scelete eine Rolle spielt, oder es lagert sich dicht unter die Epithelschichten der Mus- kelschlauch des Körpers , oder endlich es schliesst sich eine den Integu- menten noch anzurechnende Schicht an , welche bezüglich ihrer Consi- stenz von gallertartiger Beschaffenheit bis zu knorpelähnlicher Härte va- riirt, und bei glasartiger Durchsichtigkeit durch den Grad ihrer Ausbil- dung stets als formbedingend sich herausstellt. Es ist die Classe der Hydromedusiden, in der diese Substanz ihre Verbreitung findet, und wo sie fast immer am Volumen des Körpers am meisten betheiligt ist. Bei den Medusen stellt sie das Grundgerüste des Scheiben- oder glocken- förmigen Körpers dar, welches bei seiner enormen Prävalenz über die übrigen Organe bei weitem die Hauptmasse ausmacht, und sich bei den höheren Scheibenquallen (Acraspedota) immer auch noch in die den Mund umgebenden Arme fortsetzt. Auch bei den Siphonophoren ist diese Sub- stanz beträchtlich verbreitet, indem gewisse Gebilde dieser Colonien, wie Schwimmstücke, Geschlechtsgemmen und auch Deckstücke, je nach dem Grade ihrer Annäherung an den Medusenlypus, auch diese Gallert- substanz entsprechend ausgebildet zeigen. In der Regel ist dieGonsistenz der letzteren hier beträchtlicher , als bei den Scheibenquallen und er- reicht eine knorplige Härte. Auch bei den Rippenquallen stellt das gal- lertige Unterhautgewebe den grössten Theil des Körpers vor und zeigt dieselbe Reschaffenheit wie bei den Medusen. Was den Rau desselben im Allgemeinen angeht, so ist dieser fast durchgehend ein übereinstimmen- der; sternförmig verästelte Zellen, die, unter einander anastomosirend, in eine homogene Grundsubstanz eingebettet sind, bilden die Formele- mente desselben, zu denen sich die Intercellularsubstanz wie eine aus- geschiedene Masse verhält, so dass das ganze Gewebe den Rindesubstan- zen höherer Thiere an die Seite gesetzt werden kann**). Rei den fest- sitzenden Coelenteraten bildet die Oberhaut des Körpers häufig Abschei- dungen , welche dann in Form eines röhrigen Gehäuses den Körper auf grösseren oder geringeren Strecken umgeben, und namentlich bei den coloniebildenden Hydroiden dem gemeinsamen Stocke (Tubiäaria, Ea- dendriitm, Coryne u. a. m.) eine feste Stütze, und bei manchen Gattun- gen {Campanularia, Sertularia) auch dem Individuum noch eine Umhül- lung bieten. Solche Körperhüllen, von weicher, biegsamer Reschaffen- heit, kommen dann auch noch unter den Polypen vor. So bei Cerianthus und Cornularia, und zwar sind es bei ersterem zum Theile die abgestos- *) Jules Hai me unterscheidet davon 4 Schichten bei Cerianthus. **) lieber den Bau der Gallertscheiben der Medusen siehe M. Schultze, Abhdlg.d. naturforsch. Gesellsch. zu Halle, Sitzungsber. 1855, u. Müllers Arch. 1856. 72 Coelenteraten. senen Nessel laden, welche durch eine erhärtende Substanz unter einan- der verbunden das Gehäuse zusammensetzen. b) Von den Sceletbildungen. Wenn die vorhin erwähnten festen Integumentbildungen , die dem Körper zugleich als Stützapparate dienen, nur als Umhüllungen des Kör- pers, und einmal nach aussen von ihm abgeschieden in keiner engeren Verbindung mit ihm stehend sich darstellen, so unterscheiden sie sich dadurch wesentlich von einer Reihe fester Stützorgane, die immer im Innern des Organismus zu Stande kommen, und in deren Bildung bei der grössten Anzahl sogar ein beträchtlicher Theil der Weichgebilde des Körpers aufgeht. Je nach der Betheiligung der Weichgebilde müssen zweierlei Arten der Stützorgane unterschieden werden. Die eine davon kommt dadurch zu Stande, dass im Innern des ge- meinsamen einer Colonie angehörigen Körpers die Bildung eines festen Gerüstes durch Abscheidung von Seite des umgebenden Parenchymes stattfindet, so dass also dieKörpertheile selbst keine directe Veränderung eingehen. Solche innere Sceletstücke von knorpelähnlicher Beschaffenheit bilden schalenförmige Stützen für die verkürzte Achse mancher Sipho- nophoren*). Wie weit unter den Polypen solche Bildungen vorkommen, muss dahingestellt bleiben, und es kann nur erwähnt werden, dass die festen Achsen mancher Polypenstöcke, z. B. der Pennatuliden theil— weise hierher zählen dürften. Die andere Form der Sceletbildung beruht in der Ablagerung von festen Substanzen in die Weichtheile des Körpers , so dass je nach den Quantitäten dieser Einlagerungen und nach der Innigkeit der Verbindung derselben untereinander mehr oder weniger feste Gerüste (Polyparien) zu Stande kommen, durch welche die mannigfaltigsten Formen dieser Thierstöcke mehr oder weniger bestimmt werden. Die Einlagerungen bestehen vorzüglich aus Kalksalzen, die an eine organische Materie ge- bunden sind und in Form von spiessigen oder stumpfen Nadeln , oder in mehr unregelmässigen Concretionen der verschiedensten Gestaltung auf- treten**) ; es finden sich aber in den Verhältnissen beider zu einander be- trächtliche Schwankungen, so dass von den fast nur aus organischer Mate- rie gebildeten Axen-Sceleten (z. B. von Antipathes) bis zu den nahebei nur kalkigen Polyparien (z. B. den Madroporen, Astraeen u. v. a.) alle Zwischenstufen vorhanden sind. Diese Kalkeinlagerungen, nicht al- lein in die Integumente, sondern auch in's Körperparenchym , sind bei *) Bei Velella und Porpüa. Diese inneren Schalen sind mit einer Anzahl unter einander communicirender Kammern versehen, welche auf der oberen Fläche nach aussen münden und Luft aufzunehmen im Stande sind. Daraus ergibt sich auch die hydrostatische Bedeutung dieser Schalenbildungen im Zusammenhalt mit dem Um- stände des Aufenthaltes der Velelliden auf der Meeresoberfläche. **) Vergl. hierüber: Frey, Ueber die Bedeckungen der wirbellosen Thiere. fjöttingen 1848. Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 73 allen achtstrahligen und sechsstrahligen Polypen verbreitet , und sind bald gering und nur wenig untereinander zusammenhängend , so dass die Weichheit des Körperparenchyms nur wenig durch sie beeinträchtigt wird, wofür die fast gallertigen Alcyonienstöcke Beispiele liefern. Ei- nige grössere Festigkeit erhalten die Polypenstöcke durch Kalkeinlagerun- gen bei den Pennatuliden, bei denen besonders die polypentragenden Seitenäste des Stammes bedeutende Resistenz besitzen. Durch Vereini- gung der Ablagerungen im Innern des Stammes kommt es sogar bei ei- nigen Virgularia, Pavonaria) zur Bildung einer festen Axe, durch welche die Fortentwicklung der Colonie auf beträchtliche Länge unterstützt wird*) . Von diesen nur im gemeinsamen Stamme sich bildenden Axen- sceletten, die niemals Verzweigungen eingehen , sind jene verschieden, bei denen der Verkalkungsprocess auf die einen Stock zusammen- setzenden Individuen übergeht. Es lässt sich die Betrachtung dieses Vor- ganges recht gut von einzelnlebenden Formen aus betrachten , und man findet daran, wie zuerst der festsitzende Theil des Thieres durch Kalk- masse innig mit seiner Unterlage verbunden wird. Von dieser Basis aus schreitet nun die Kalkablagerung im weichen Thierkörper immer weiter, und indem sie sich nicht blos auf die Körperwände, sondern auch auf die strahlenartig angeordneten Septa der Leibeshöhle erstreckt, lässt sie bei dem mit der Verkalkung gleichen Schritt haltenden Wachsthum des Thieres jene Polypengehäuse hervorgehen, bei denen auch dann noch, wenn sie von den Weichtheilen des Thieres befreit sind, die strahlenför- mige Anordnung und die Zahlenverhältnissa der Septa vollständig genau in der starren Kalkmasse ausgedrückt sind**). Je nachdem nun dieser Vorgang sich ausschliesslich auf die unteren Theile eines Thieres beschränkt (mit der Verkalkung der Sohle, der Bil- dung des sogenannten Fussblattes leitet sich überhaupt jedesmal der ganze Process ein) — oder sich auf die seitlichen Körperwände ausdehnt *) Nur ganz wenig entwickelt ist diese bei Veretillum , mehr dagegen bei Pen- natula. **} Die Zahl der primär verkalkenden Strahlen ist bei dieser Abtheilung der Po- lypen sechs (Hexaclinia) . Zwischen diesen entstehen aber mit dem zunehmenden Alter des Individuums durch die Vermehrung der Septa neue Strahlen, die sich je- doch immer nur paarig, und zwar in symmetrischer Anordnung hervorbilden , so dass die secundäre Strahlenordnung zwischen der der primären erst nach und nach entsteht. — Die senkrechten Strahlenplättchen werden bei vielen Polypen durch ho- rizontale, in Abständen sich entwickelnde Scheidewände unter einander verbunden. Wo sämmtliche Strahlen einer oder mehrer Ordnungen in der Mitte eines Bechers zusammentreten, werden sie meist durch eine stärkere, aber vielfach durchbrochene Kalkmasse unter einander verbunden, und dadurch entsteht dann eine säulenartige Axe, welche die Länge des Polypenbechers von Querscheidewand zu Querscheide- wand durchsetzt, und welche häufig auch über das Niveau der Strahlen im Grunde des Polypenbechers hervorragt. Sie wird als »Columella« bezeichnet. — Ueber die Bildung der festen Polypengehäuse vergl. vorzüglich Milne-Ed- w a r d s und J u I . Haime, Recherches sur les polypiers . Ann. des sc. naturelles. Ser. III. Tome IX— XVI. 74 Coelenteraten. (Bildung des sog. Mauerblattes), entstehen dann flache oder becherförmige Gerüste- für das einzelne Thier. Nach ersterem Typus sind die Polyparien der Fungien, nach letzterem die der Caryophyllien, der Madrepo- riden, Oculinidenu. a. gebaut, welche somit eine weitere Entwick- lungsstufe des Verkalkungsprocesses darstellen. Auch die, die einzelnen Individuen einer Colonie unter einander verbindende weiche Körpersub- stanz wird sehr häufig in die Kalkablagerung hineingezogen, und hier- aus, sowie aus dem Umstände, dass der Process immer genau dem Wachsthume der Weichtheile nachfolgt, somit bei Vermehrung der Colo- nie durch Theilung der Individuen allmählich auch die dadurch neu ent- standenen Individuen ergreift, indess die älteren Theile des Stockes ab- sterben, lässt sich dann leicht die Entstehung der Polyparien erklären. Wenn man von dem eben geschilderten Ablagerungsprocesse von anorganischen Substanzen in die Weichtheile des Polypenkörpers als dem der festen Sceletbildung zu Grunde liegenden Vorgange ausgeht, so las- sen sich noch zwei andere, scheinbar verschiedene Polyparienbildungen damit in Einklang bringen. Findet nämlich die Verkalkung nur in den äusseren Körperschichten der Thiere statt, so entstehen ausschliessend röh- rige Bildungen : wofür dieTubiporiden Beispiele liefern, die einzelnen, von je einem Individuum gebildeten Röhren sind in verschiedenen Höhen durch horizontale Lamellen unter einander zu einer Colonie verbunden, indem von Zeit zu Zeit die die Einzelthiere vereinigende gemeinsame Körpersubstanz eine gleiche Verkalkung eingeht. Es verbindet sich diese Art der Sceletbildung mit einer Flächenentfaltung der Colonie. Die andere Form von Polyparien, die durch Gorgoniden und Antipathiden repräsentirt wird, entsteht durch reine Axenscelete, die aus ei- ner nur im Innern eines sich verästelnden Stockes entstehenden Ablagerung hervorgehen*). Die Aussenfläche dieser Scelette ist dann gleichmässig von den Weichtheilen des Stockes überzogen, in denen die einzelnen Thiere verschiedenartig grup- pirt sind. Indem bei manchen dieser corallenerzeugen- den Thierstöcke das Axenscelet an jenen Stel- len , welche den in die weiche Umhüllung einge- betteten Individuen entsprechen, kleine becher- förmige Erhebungen zeigt (Isis) , wird dann von Fig. 8. Stock von Isis nobilis. a, a. die feste, kalkige Achse, bei b noch von den Weichtheilen überzogen, in denen die einzelnen Thiere eingesenkt sind, c. ein- zelne Thiere mit ausgebreiteten Fühlern, d. zurückgezogene Thiere. *) Die Beschaffenheit der Polyparien ist in dieser Abtheilung äusserst verschie- den, bald erscheinen sie durch reiche Kalkmassen steinhart {Isis nobilis) , bald wei- Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 75 hier aus wieder der natürliche Uebergang zu jenen Formen gefunden, welche wie dieMadreporiden und Oculiniden bei verästelten Axensceletten eine Becherbildung, durch Verkalkung der Körpertheile der einzelnen Individuen aufweisen , und damit schliesst sich zugleich die mannichfaltige Reihe der Erscheinungen in der Sceletbildung zum ein- heitlichen Bilde. c) Von d er Musculatur. ' Es ist schon oben bei der Betrachtung der Integumente der Hy- droiden des mangelnden Muskelsystems dieser Thiere gedacht worden und wie hier die contractile Zelle auf ihrer niedersten Bildungsstufe solche besondere Organe vertritt*). Auch bei den Siphonophoren sind noch vielfach solche niedere Bildungen vorhanden , und selbst bei den Medusen sind oftmals die Bandfäden der kleineren Formen nur aus ein- fachen contractilen Zellen zusammengesetzt. Dagegen entwickelt sich am Siphonophoren stamme ein System deutlicher von anderen Körper- geweben gesonderter Muskelfasern**) als Gerüste, welches an zahlreiche contractile Bildungen , an die Stämme und Aeste der Senkfäden , an die fressenden Individuen und auch an die tasterartigen Gebilde seine Ver- zweigungen absendet. Noch vollkommener ist die Musculatur an den Schwimmstücken, deren Höhlung von einer Schicht querverlaufender Fasern ausgekleidet ist, sowie deren Oeffnung von einer muskulösen Bandmembran (Velum) umsäumt erscheint, eine Einrichtung, die sich bei einer grossen Abtheilung der Medusen (bei den Craspedota) wie- derfindet. Sowohl die Muskel-Auskleidung der Concavität des scheiben- oder glockenförmigen Körpers der Medusen , welcher die Höhlung der Siphonophoren-Schwimmstücke homolog ist, als auch die Bandmembran, wirken durch wechselnde Contractionen wesentlich bei der Ortsbewe- gung. Bei einer anderen Abtheilung der Medusen (Acraspeda) fehlt die Bandmembran, und der Umkreis der Scheibe ist dann meist durch re- gelmässige Einschnitte in zierliche Läppchen gespalten, die dann, indem eher (Gorgonia), bald hornartig, und bis zu einem gewissen Grade sogar biegsam (An- tipathes), bald endlich wechseln kalkige und hornartige Abschnitte an einem und demselben Stocke (Isis hippuris) . — *) Wirkliche Muskelfasern kommen jedoch auch bei denHydroiden, wenn auch nur in einem Falle von mir beobachtet, vor, und zwar bei Corymorpha nutans, einem Thiere, welches sich ungeachtet seiner Ammennatur, auch in mehrfachen an- deren Beziehungen an höhere Coelenteratenformen anschliesst. **) Die Elemente der Musculatur stellen in der Regel lange bandartige Fasern vor, die durch das Auswachsen einer Zelle unter gleichzeitiger Vermehrung der Kerngebilde entstehen (so besonders bei Actinien) , indess sie in anderen Fällen auf niederer Organisationsstufe stehenbleibende spindelförmige Faserzellen bilden (Medusen, Siphonophoren). Querstreifungen sind im frischen Zustande der Ele- mente nicht wahrzunehmen, treten jedoch bei Behandlung mit Reagentien sehr bald hervor, und werden an in Weingeist conservirten Exemplaren von Siphonophoren und Medusen leicht wahrgenommen. 76 Coelenteralen. die Musculatur der Scheibe auch auf sie übergeht, ganz ähnlich wie die Randmembran durch Ein- und Ausklappen bei der Locomotion thä- tig sind. Eine radienartige Anordnung zeigt die Musculatur der Ctenop hö- ren, bei denen Längsbänder theils unter den auf rippenartigen Vor- sprüngen stehenden Schwimmplättchenreihen , theils zwischen diesen über den ganzen Körper herab sich erstrecken. Durch solche werden jedoch nur Gestaltveränderungen, niemals aber wirkliche Ortsbewegun- gen zu Stande gebracht. Unter allen Coelenteraten sind bei den Polypen die Muskeln nicht allein am vollständigsten differenzirt , sondern auch am reichlichsten entwickelt. Sie stellen einen unter der Haut gelegenen contractilen Schlauch vor, der bei den Actinien eine äussere Ringfaser- und innere Längsfaserschicht unterscheiden lässt, welche Verhältnisse sich auch in die Tentakelbildungen fortsetzen. Besonders reichliche Musculatur zeigt die festsitzende Basis (Fuss) dieser Thiere . die bei vielen in eine flei- schige Sohle umgewandelt ist, mittels deren sie nicht nur sich festsau- gen, sondern auch kleine Ortsveränderungen vornehmen können. Bei den corallenerzeugenden Polypenstöcken erstreckt sich die Musculatur vorzüglich auf die gemeinschaftlichen Weichtheile , und bei jenen mit fleischigen oder lederartigen Stöcken begleitet sie das den Stock durch- ziehende Canalsystem. Aus dem über die Musculatur Angeführten, sowie aus den allgemei- nen Verhältnissen der einzelnen Coelenteratenabtheilungen geht her- vor, dass die Locomotion auf sehr verschiedene Weisen zu Stande kommt. Doch sind es deren im Ganzen nur zwei, wenn wir von den nur sehr beschränkten Ortsbewegungen, deren manche Actinien mittels ihres Fusses fähig sind, absehen. Einmal ist es die Locomotion durch das Spiel der Schwimmplättchen, welche wir als höher entwickelte Cilienbildungen ansehen, und worin also die Rippenquallen mit den gleichfalls durch Wimpern sich fortbewegenden Jugendzuständen aller später festsitzenden Formen übereinkommen ; die zweite Form der Bewe- gung wird durch die Contractionen und Expansionen des glocken- oder scheibenförmigen Körpers bethätigt, wie bei den Medusen und einem Theile der Siphon ophoren, der mit nach Medusentypus gebauten lo- comotorischen Individuen versehen ist. Das Individuum, welches unter den Medusen seine selbständigen Bewegungen vollführt, ist hier bei den Siphonophoren, indem es mit dem Stocke in Verbindung bleibt, zum Or- gane geworden, welches einseitig eine bestimmte Function vollzieht. Die locomotorischen Individuen (Schwimmstücke) der Siphonophorencolo- nien sind sowohl in Form als Anordnung und Zahl verschieden. Zwei besitzen die Diphyiden; eine grössere Anzahl in doppelzeiligen Rei- hen oder in Spiralform aufgereiht weisen die Physophoriden und Hippopodiden auf; immer nehmen sie das vordere Ende des gemein- samen Stockes ein. Organe der Empfindung. 77 Ausser diesen activen Bewegungsorganen müssen hier noch die hy- drostatischen Apparate erwähnt werden, mit welchen viele Siphonopho- ren ausgestattet sind. Sie treten in zweierlei Formen auf, einmal als ein verzweigtes, luftführendes Hohlraumsystem im Innern eines scheibenför- migen Scelettheiles (vergl. oben beim Scelet) bei den Velelliden, und zweitens als elastische mit Luft gefüllte Sacke, diese liegen entweder als kleinere Bildungen im vordersten Ende des gemeinsamen Stockes (Phy- sophoriden), oder sie erscheinen von grösserem Umfange und dehnen sich dann über den ganzen Stamm aus, der durch sie dann eine fast ho- rizontale Lage erhält [Physalia). — §. 13. Organe der Empfindung. a) Vom Nervensysteme. Die festsitzenden und somit auch eine niedere Organisationsstufe kundgebenden Coelenteraten wie die Hydroiden, dann sämmtliche Poly- pen, selbst die organologisch sonst so hoch entwickelten Actinien haben bis jetzt weder Nervensystem noch höhere Sinnesorgane erkennen las- sen, indem die Theile, die man zuweilen z. B. im Fusse der Actinien als Ganglien beschrieben hat, keineswegs als solche bestätigt werden konnten. Auch bei den Siphonophoren sind keine Andeutungen sol- cher Organe vorhanden, wohingegen sowohl Scheiben- als Bip- penquallen die ersten Anfänge der Bildung eines Nervensystems bis zu einer relativ hohen Entfaltung darbieten. Bei den ersteren sind die näheren Verhältnisse des Nervensystems noch nicht in bestimmter Weise ermittelt, da die hierüber bestehenden Angaben von einem um den Schirm verlaufenden Nervenring, der an einzelnen Stellen mit Ganglien versehen sei , bis jetzt noch der Bestätigung entbehren , doch spricht für diese von Agassiz gegebene Darstellung einmal der so aus- gebildete Badiärtypus der Medusen, und zweitens das Vorkommen der oft in bedeutend hohem Grade entwickelten Sinnesorgane an eben jenen Stellen des Körpers , so dass die noch nicht mehrseitig bestätigte Er- kenntniss eines Nervensystems an jenen Körpertheilen auf Bechnung sei- ner unvollkommen differenzirten Elemente zu setzen sein dürfte*). Die Gtenophoren dagegen sind mit einem sehr entwickelten Ner- vensysteme versehen. Die Gentralmasse desselben liegt am Grunde der verdauenden Cavität, und besteht aus zwei mit einander verbundenen Ganglien , eine Anlage, die mit dem aus dem Badiärtypus heraustreten- *) Vergleichende Beobachtungen zeigen mit Klarheit, dass oftmals Sinnesorgane vorhanden sein können, ohne dass ein Nervensystem durch unsere Beobachtungs- mittel sinnlich wahrnehmbar wird. Die Embryonen und Larven vieler Schnecken zeigen das Gehörbläschen, ja sogar selbst die Augen schon zu einer Zeit deutlich, wo noch kein Nervensystem differenzirt erscheint, und dennoch muss das Material für letzteres schon vorhanden sein. 78 Coelenteraten. den und in den Bilateraltypus übergehenden Bauplane dieser Thiere vollkommen harmonirt. Von den beiden Ganglien gehen Nervenstämm- chen sowohl zu den Magenwandungen, als auch zu den unter den Schwimmplättchenreihen verlaufenden Canälen, wo sie zwischen den letzteren und den Schwimmplättchen ganglienartige Anschwellungen ein- gehen, deren jede einem der Plättchen entspricht. — b) Von den Sinnesorganen. Wie der Tastsinn fast überall im Thierreiche die reichlichste Or- ganentfaltung aufweist, und zwar in um so höherem Grade, als die übri- gen Sinnesorgane auf niederer Entwicklungsstufe stehen, so zeigen sich auch bei den Ooelente raten mannichfaltige diesem Sinne vorstehende Werkzeuge ausgebildet. Die Tastorgane erscheinen immer in Form contractiler Fäden, oft bedeutend verlängerbar, und in der Begel kranz- artig den Mund umstehend , für den sie , die Function von Fangorganen in sich vereinend, das Beischaffen der Nahrung besorgen. Diese Anord- nung zeigen die Fühler bei allen Polypen, wo sie, wie bei den Acti- nien , oft in mehrfachen , dichtgedrängten Reihen stehen , während sie bei den sechs- und achtstrahligen Polypen nur eine einfache Reihe meist blattähnlich geformter Fortsätze darstellen*). Auch die Hydroiden zeigen wesentlich dieselbe Anordnung. Am Körper der Medusen sind nicht allein häufig um den Mund solche Tentakelgebilde angebracht, son- dern es ist auch stets der Scheibenrand des Thiers mit fadenartigen, bald, und zwar in den meisten Fällen, ausserordentlich verlängerbaren, seltener starren Tentakeln (Aeginiden) besetzt, so dass dem Thiere be- ständig von der Beschaffenheit seiner nächsten Umgebung nach einer Bichtung hin Kunde wird. Aehnliche, aber aus modificirten Individuen hervorgegangene Senkfadenbildungen besitzen die Siphonophoren- colonien, doch müsseti diese ohne Zweifel mehr zum Einfangen der Nah- rung verwendeten Gebilde bezüglich ihrer Tastverrichtung weit unter eigentliche Fühlerbildungen gestellt werden, mit denen viele dieserThier- stöcke versehen sind. Es erscheinen diese Fühler gleichfalls als mor- phologische Aequivalente von Individuen, als contractile Blindschläuche, die in verschiedener Weise am Stamme gruppirt sind, bald im Kreise dicht unter den Schwimmstücken stehend {Physophora) , bald einzeln zwischen den übrigen Theilen der Colonien zerstreut (Agalma u. a), oder es sind ähnlich den Bandfäden der Medusen am Bande der scheiben- förmigen Axe reichliche Tentakeln angebracht (Velella, Porpita). Nur zwei, aber häufig noch mit secundären Aesten besetzte Senk- fäden weisen die Ctenophoren auf, doch sind auch diese mehr als *) Eine Ausnahme bilden bezüglich der Tentakelanordnung die Lucernarien; bei denen die Taster am Rande des scheibenförmig verbreiterten Körpers büschel- förmig gruppirt sind, eine Lage, welche diese Thiere den ihnen auch sonst nicht sehr ferne stehenden Medusen nahe bringt. Organe der Empfindung. 79 Fangorgane zu betrachten*) ; dagegen mögen nicht selten in der Nähe des Mundes stehende feine Fädchen viel eher dem Tastsinne dienstbar sein, wie auch die mannichfaltigen Lappenbildungen (Mnemia u. a) am vorde- ren Körperpole in dieser Richtung functioniren. Mit Ausnahme der Tentakeln der meisten Hydroiclen sind sämmt- liche hier aufgeführte Gebilde von einem canalartigen Hohlräume durch- zogen, der mit der Leibeshöhle in Verbindung steht, und von der darin enthaltenen Flüssigkeit geschwellt werden kann. Auf diesem Umstände beruht auch die oft ausserordentliche Ausdehnung dieser Organe (na- mentlicn die Randtentakel der Medusen, Senkfäden der Siphonopho- ren und Ctenophoren) bei einer verhältnissmässig geringen Veränderung des Dickedurchmessers. Seh- und Gehörorgane finden sich unter allen Coelenteraten nur bei den Medusen und Ctenophoren vor. Sie liegen bei den ersteren stets am Rande des schirm- oder glockenförmigen Körpers, wo sie unter dem indifferenten Namen der» Randkörper « bekannt sind. Diese Randkörper bestehen entweder nur aus dem einen 'oder dem anderen Sinnesorgane (bei den Craspedoten), oder es können beiderlei Organe räumlich beisammen liegen , wie dies bei den höheren Medusen (den Acraspeda) der Fall ist. Als Gehörwerkzeuge der Medusen müssen bläschenförmige Kör- per angesehen werden, welche bald eine, bald mehre, zumeist aus koh- lensaurem Kalke bestehende Concretionen — (Otolithen) — einschlies- sen , und am Rande des Schirmes in mehrfacher Zahl angebracht sind. Das was uns zwingt, diesen Gebilden die angegebene Bedeutung unter- zulegen , ist der wichtige Umstand , dass selbst bei höheren Geschöpfen — den Wirbelthieren — das Gehörorgan anfänglich in solch' niederer Gestalt erscheint , die sich erst allmählich zur complicirteren umwan- delt**). In der Abtheilung der niederen Medusen finden sich solche Ge- hörbläschen nur bei jenen Familien , welche der Sehwerkzeuge entbeh- ren, so dass hier ein gewisses ausschliessendes Verhalte zwischen bei- derlei Organen nicht zu verkennen ist. Die Zahl dieser Gehörbläschen ist meist eine constante, die Concretionen sind, soviel bis jetzt bekannt, an die Wand des Bläschens befestigt, daher unbeweglich, und eben da- durch von den analogen Organen der höheren Thiere, wie z. B. der Schnecken und Muscheln, nicht unwesentlich verschieden. Diese ein- fachste Bildung geht bei den Medusen höherer Ordnung (Acraspeda), denen ohne Ausnahme Gehörbläschen zukommen, in eine andere Form. *) Sie fehlen den Mnemiden und Beroiden. **) Diese Analogie ist jedoch nur eine allgemeine, denn die Befestigung der Con- cretion in dem einen Falle, sowie die in den einzelnen Randkörpern oft sehr un- gleiche Anzahl der sogenannten Otolithen lässt auch eine andere Deutung nicht ge- radezu ungerechtfertigt erscheinen ; wenn auch jene als Gehörorgane immer die wahrscheinlichste ist. 80 Goelenteraten. über. Im freien Ende der immer in einem Randeinschnitte der Körper- scheibe gelagerten Randorgane liegt ein Säckchen eingebettet, welches dicht mit prismatischen Krystallen*) erfüllt, und bis zu welchem ein vom Gastrovascu- larapparate ausgehender durch den Stiel (6) des Randkörpers eindringender Ca- nal (c) reicht, der sich dicht vor dem Krystallsäckchen ampullenartig erwei- tert (d). — Mehr im Einklänge mit der Formation des Gehörorganes der übri- gen Thierclassen steht jenes der Ctenophoren, welches als ein mit Cilien ausgekleidetes Riaschen dicht über dem Nervencentrum liegt. Die Otolithen sind rundliche oder sechsseitige Goncretionen , die seltener einfach, meist zu einem Häufchen vereinigt in mitten des Rläschens in zitternder Rewegung begriffen sind. Zuweilen ist dies Gehörbläschen noch von Pigment umlagert, und wurde dann irrigerweise als Auge auf- gefasst. Als die ersten Andeutungen der Sehwerkzeuge erscheinen (bei den Oceaniden) rothe oder braune, auch wohl schwarze Pigmentflecke (Oceili), an der Tentakelbasis gelagert, und aller lichtbrechenden Medien entbehrend, so dass man über die Redeutung derselben zweifeln müsste, wenn nicht bei anderen wieder ein lichtbrechender, einer Linse entspre- chender Körper in demselben Organe vorkäme**). Solche Sehwerkzeuge der niederen und der höheren Form kommen bei den höheren Medusen auf die Oberfläche des Randkörpers gelagert vor, wo unter ihnen eine vom übrigen Gewebe abgegränzte Zellenmasse einem empfindenden Ap- parate vergleichbar erscheint. In der Regel ist jeder Randkörper nur mit einem einzigen Auge ausgestattet, nur eine einzige Art macht hierin eine merkwürdige Ausnahme***) und weist an jedem Randkörper gegen drei Augen auf (vergl. Fig. 9. R.). — Fig. 9. Randkörper von Medusen. A. Von Pelaga noctiluca. B. Von Charybdea marsupialis. a. Das Ende der Randkörper, zwischen den ausgeschnittenen Rän- dern der Körperscheibe gelagert, b. Stiel, c. Canal des Randkörperstiels, welcher aus dem Gastrovascularapparat in einen ampullenförmigen Hohlraum des Randkör- pers führt, d. Ampulle, e. Gehörsäckchen. f. Pigment, g. Linsenartige Körper. *) Die Krystalle bestehen nicht immer aus Kalk, sondern sind in den meisten Fällen, so bei Rhizostoma, Pelagia, Charybdea u. a. aus einer, gegen Säuren Wider- stand leistenden Substanz gebildet, die auf Kieselerde schüessen lässt. **) Dies ist sowohl bei Cladonema. als auch nach Quatrefages bei Eleu- theria der Fall. — Linsenartige Körper ohne Pigmentumgebung finde ich zu vieren im Glockenrande der medusiformen Geschlechtsgemmen einer westindischen Pen- naria. ***) Es ist Charybdea marsupialis, deren Randkörper zugleich beweglich sind, so dass also das Thier seine Sehwerkzeuge nach beliebiger Gegend zu richten im Organe der Ernährung. 81 §• U. Organe der Ernährung. a) Von den Verdauungsorganen. Dergesammte Ernährungsapparat, — und diese Bezeichnung ist wegen des Inbegriffs einer grösseren Summe physiologischer Beziehungen für das hier näher zu schildernde Organsystem die richtigere, — zeigt sich bei den Coelenteraten nach einem vollständig einheitlichen Plane gebildet, welcher nur geringe Schwankungen, und auch diese nur in den unwe- sentlichsten Verhältnissen aufweist. Es war deshalb vorzüglich diese Einrichtung, welche die Coelenteraten als eine besondere, nach oben wie unten scharf abgegränzte Abtheilung erkennen liess. — Die ver- dauende Cavität, in der Mitte des Körpers gelegen, öffnet sich in der Be- gel mit einem Munde nach aussen , und zeigt sich je nach der Körper- form des Thieres entweder in die Länge gedehnt, bei vorherrschender Längenachse, oder in die Breite entfaltet, wenn die Querachsen über- wiegend entwickelt sind. Dies wäre die Grundform dieses Apparates, wie er nicht allein bei manchen persistent bleibt, sondern auch fast im- mer in der ersten Bildung sich darstellt. Fortsätze der verdauenden Höhle (des Magens) erstrecken sich ent- weder als Canäle oder taschenartige Bildungen, oder selbst als weite Bäume durch das Körperparenchym , und repräsentiren , namentlich da, wo sie auf Kosten der zwischenliegenden Körpersubstanz mächtiger ent- faltet sind, eine Art Leibeshöhle, die jedoch als ein von dem Cavum des Ernährungsapparates geschiedener Abschnitt nirgends bei den Coelen- teraten existirt. Die Mundöffnung dient ausser der Aufnahme derNahrungsstoffe auch zur Ausscheidung des Unverdauten, und in jenen Fällen, wo diesem Ap- parate noch andere Oeffnungen zukommen, wie bei den Ctenophoren, manchen Actinien und bei Hydra, da erscheinen diese immer durch ihre Lage und sonstigen anatomischen Beziehungen nur wenig geeignet als Afteröffnungen zu gelten. Somit dürfte der Mangel einer eigentlichen Analöffnung für die Coelenteraten gleichfalls als typisch anzusehen sein. Das System der Ernährungsorgane zeigt einzelne für die Würdigung der von ihnen vollzogenen Functionen wichtige Abschnitte , die durch mehr oder minder bestimmte Gränzen geschieden sind, deren nach den Verrichtungen gesonderte Betrachtung jedoch das einheitliche Bild zer- stören würde. Der Mundtheil erscheint häufig rüsselförmig verlängert, Stande ist, ohne seine Stellung dabei zu verändern. Es erinnert dies an eine von Agassi z erwähnte Oceanide , deren Sehorgane gleichfalls auf Stielen angebracht sind. — Ohne Augen sind die Randkörper von Pelagia, Rhizostoma u. a. (vergl. bezüglich der näheren Organisation dieser Sinnesorgane meine »Bemerkungen über die Rand- körper der Medusen« in J. Müller's Archiv 1856). Gegenbaur, vergl. Anatomie (j 82 Coelenteraten. und bildet so eine Art Speiseröhre, die namentlich bei fast allen Sipho- nop hören und vielen Hydroiden, dagegen bei nur wenigen Medusen entwickelt ist. Vom Grunde des sehr verschieden weiten Magens führt fast durchweg eine durch besondere Musculatur verschliessbareOeffnung in einen engeren oder weiteren Raum . der als eine Art von Chylusbehälter zu deuten ist und von dem das erwähnte Hohlraumsystem seinen Ur- sprung nimmt. Es steht daher im Willen des Thieres , von der im Ma- genraume enthaltenen und stets mit Wasser vermischten Ernährungs- flüssigkeit in den Chylusbehälter, und von hier aus in die übrigen Hohl- räume einzulassen und auf diese Weise die verschiedenen Körpertheile damit zu versorgen, welche Vorrichtung noch durch das Vorkommen von Flimmerepithel als Auskleidung der Höhlungen wesentlich gefördert wird. Demzufolge besorgt das in Rede stehende Organsystem auch die Verkei- lung und den Umlauf der ernährenden Flüssigkeit im Körper, ein Ge- schäft, welches in den höheren Thierabtheilungen an besondere Organe geknüpft ist : die Renennung » Gastro vascularapparat« dürfte die- ser Auffassung nach beiderlei Richtungen Rechnung tragen. In den einzelnen Classen der Coelenteraten lassen die eben im All- gemeinen geschilderten Verhältnisse mit folgenden Modificationen sich erkennen. Die einfachere, sich ganz nahe an den Urtypus anschliessende Form besitzen unter den Polypen , die Lucernarien, bei denen der ganze Apparat durch eine einzige Höhle repräsentirt wird. Diese setzt sich ohne alle Scheidewände oder Canalbildungen gegen den Rand des Kör- pers fort, und erstreckt sich hier in Rüschel der Tentakeln. Eine Tren- nung dieser Cavität findet sich hier nur durch vorspringende Radiär- wülste angedeutet, die in der Vierzahl in die Leibeshöhle einragen und mit contractilen Fäden besetzt sind. Rei den übrigen Polypen lässt sich das nähere Verhalten am besten in der Weise vorstellen , dass man den Magen als einen cylindrischen Schlauch (Fig. 10. v.) vom Munde aus in den Körper des Thie- res hinabhängend sich denkt, am unteren Ende geöffnet, um hier mit den Leibes- hohlräumen und zwar zunächst dem , wie oben erwähnt, einem Chylusbehälter ent- sprechenden Abschnitt zu communiciren. Die Cavität erstreckt sich auch seitlich um die Magen wand nach aufwärts, und wird hier durch eine Anzahl von Scheidewänden cn (Fig. 10. s.) in ebensoviele Kammern ge- t heilt, deren jede an ihrem unteren Ende in die gemeinsame Centralhöhle Fig. 10. Senkrechter Durchschnitt des Körpers einer Actin ie (zur Hälfte). t. Tentakel, v. Magenwand. s. Septum der Leibeshöhle, mf. Mesenterialfilament. ov. Ovarium (nach Ho 11 ard). Organe der Ernährung. 83 sich öffnet. Die Septa stehen genau in radiärerjAnordnung und jedes er- streckt sich von der Innenfläche der Körperwand bis zur Wandung des Magens, so dass letzterer dadurch gewissermaassen in seiner Lage erhalten wird. Die Anzahl der Septa ist bei den einzelnen Arten der Polypen eine bestimmte, und richtet sich im Allgemeinen nach demselben Zahlenge- setze, welches auch in anderen Organisationsverhältnissen, vorzüglich in der Zahl der Tentakeln ausgesprochen ist. Das obere, resp. vordere Ende der Kammern setzt sich in der Regel in die Höhlungen der Tentakeln fort, so dass diese also gleichfalls mit dem Inhalte der Körperhöhlen sich füllen können , und durch Oeffnungen, die an der Spitze oder an der Basis der Tentakeln vorkommen, wird dann die Regulirung der Flüssig- keitsmenge besorgt*). Die Septa der Leibeshöhle der Actinien sind an ihrem freien , gegen die Centralhöhle gerichteten Rande mit einer Menge dicht unter einander verschlungener Fäden besetzt (Fig. 10. mf.), die als »Mesenterialfilamente« bezeichnet werden, und die auch bei den corallenbildenden Polypen ihre nur weniger entwickelten, gleichsam nur einzelne Ausläufer der Scheidewand darstellenden Homologa erkennen lassen , welche auch bei den Vorsprüngen in der Leibeshöhle der Lu- cernarien in ausgebildeter Weise vorhanden sind**). Der Magen der Actinien ist noch durch zwei einander gegenüber- stehende Furchen ausgezeichnet, die sich auf einer Mesenteriallamelle bis in den hinteren Leibesraum fortsetzen , in ihrem physiologischen Werthe aber nicht sicher zu bestimmen sind***). *) Diese bei gewissen Actinien-Gattungen vorhandene Einrichtung kann eben- sowenig auf eine Analbildung zurückgeführt werden, als die oben erwähnten ande- ren Oeffnungen, die in. das vom Magen ausgehende Höhlensystem hineinführen. Die Bedeutung, welche die Füllung des Gastrovascularapparates für die Schwellung und das Ausstrecken der bei festsitzenden Thieren doppelt wichtigen Tentakelgebilde hat, legt es nahe, dass diese Oeffnungen zur Zu- oder Ableitung von Wasser eine Rolle spielen müssen, während auf der anderen Seite der Umstand, dass feste Nah- rungstheile, oder unverdaute Reste derselben nie unter normalen Verhältnissen aus dem Magen in die dahinter gelegenen Hohlräume gelangen, gegen die Analogisirung mit Afteröffnungen spricht. **) Diese Homologie erscheint in einer viel grösseren Ausdehnung unter den Coe- lenteraten , wenn man die bei gewissen Larven von Ctenophoren an der Magen- wandung entspringenden keulenförmigen Lappen mit in Betracht zieht. Es sind dies Organe, die offenbar mit den im Magengrunde junger Polypen [Cerianthus u. a.) vor- kommenden kolbigen Fortsätzen übereinstimmen, und die dann von hier aus zu den in den ausgebildeten Polypenthieren vorhandenen Bildungen, den eigentlichen Me- senterialfilamenten hinführen. Ueber die physiologische Bedeutung der Mesente- rialfilamente s. bei den Excretionsorganen. — Die im Umfange des Magenstiels der höheren Medusen in vier Büschel gruppirten tentakelartigen Bildungen lassen sich, wie Leuckart zuerst aufstellte, auch in die Reihe dieser Bildungen bringen, wäh- rend V. Carus die erwähnten contractilen Fäden der L ucernarien jenen paralle- lisirt. ***) Cerianthus besitzt nach J. Haime nur einen solchen Halbcanal, der sich aber durch die ganze Körperlänge bis zu der am hinteren Körperende gelegenen Oeff- nung hinerstreckt. Bezüglich der Bedeutung dieser Oefl'nung gilt dasselbe, was in der vorletzten Anmerkung gesagt ist. 6* 84 Coelenteraten. Die zu Colonien vereinigten Polypen sind nicht allein durch ihre gemeinschaftliche weiche Körpersubstanz, in welche die Individuen ein- gebettet sind, unter einander in innigem Zusammenhange, sondern es erstreckt sich auch noch durch den ganzen Stock ein oftmals reich ver- zweigtes Canalsystem, welches mit dem Gastrovascularapparat der ein- zelnen Thiere sich verbindet, und als eine Fortsetzung des jedem Ein- zelthiere angehörigen Abschnittes anzusehen ist. Auch bei den verkal- kenden Stöcken stehen die einzelnen. Theile, so lange sie noch nicht ab- gestorben sind, durch dies Canalsystem unter einander in Verbindung. Der Ernährungsapparat der Hydro in edusiden zeigt die einfach- sten Verhältnisse bei den Hydroiden, bei denen zugleich die Vereinigung der Individuen zu Colonien eine ähnliche Verbindung des Gastrovascu- larsystems , wie es oben bei den eigentlichen Polypenstöcken erwähnt ward, mit sich führt. Die einfache Verdauungshöhle der Individuen ver- längert sich hier nach hinten in einen gerade auslaufenden Canal, der den ganzen Stock durchziehend mit allen am Stocke befindlichen Indi- viduen in Communication steht, so dass , wie bei den Polypen, die von einem oder dem anderen Individuum gebildete Ernährungsflüssigkeit dem ganzen Stocke zu Gute kommt. Nur selten*) setzt sich die ver- dauende Cavität in die Tentakeln fort, wobei sich eine Annäherung an die höher entwickelten Formen , die Medusen, nicht verkennen lässt. In dieser Ordnung ergeben sich die zahlreichsten Formbeugungen des Gastro- vascularsystems, bei aller Uebereinstimmung des allgemeinen Planes mit dem der übrigen Coeienteraten, und es lässt sich etwa nur die centrale, auf der Unterseite der Gallertscheibe befindliche Lagerung der chylus- führenden Höhle und das davon stattfindende Ausstrahlen des Hohl- raums gegen die Peripherie der Körperscheibe als allgemeines Verhalten aufstellen. Die Mundöffnung**) ist in der Regel von tentakelartigen Bildungen umgeben, oder wird von einer bestimmten Anzahl zipfelförmiger Lap- pen umfasst, die immer von Nesselorganen strotzen. Bei den höheren Medusen wird der Mund von einer voluminösen Verlängerung der Unter- seite der Scheibe getragen, die stielartig gestaltet in eine wechselnde An- zahl von krausenartig berandeten Armen (Fig. W .b.) zertheilt wird. Die Mundöffnung führt meistens direct in die Magenhöhle und nur bei we- nigen ist noch ein zwischenliegender Abschnitt als Oesophagus unter- scheidbar, und ebenso eeht auch bei vielen Medusen, namentlich den *) Es ist dies bei Hydra und Goryinorpha der Fall. Hydra besitzt noch am hin- teren Leibesende einen Porus. **) Ohne eigentliche Mundöffnung ist die Gattung Rhizostoma , bei der die Arme, welche in verwandten Gattungen den Mund umstehen, mit Fortsätzen der Leibes- höhle versehen sind, die sich in ihnen verästeln und besonders an den unteren En- den ein der Oberfläche nahe liegendes Netzwerk bilden ; daselbst sollen sie zugleich nach aussen sich öffnen, so dass das Thier mit zahlreichen feinen Mundöffnungen versehen sei. Organe der Ernährung. 85 höheren, die Magenhöhle clirect in die mit ihr verbundenen Hohlräume über, ohne dass ein von einem Sphinc- ter umgebener Abschnitt dazwischen liegt. Dasselbe ist auch bei den A e q u'o- reiden und Aeginiden der Fall, wo der mit weiter Mundöffnung versehene Magen einen grossen Theil der Unter- fläche des Körpers einnimmt. Die übri- gen Familien lassen den Magen als einen kürzeren oder längeren, immer frei von der Unterseite der Scheibe herabhängenden und oft mit ausser- ordentlicher Contractilität versehenen Schlauch erkennen , der in seinem Grunde stets durch einen engeren un- verschliessbaren Theil in das Vascular- system übergeht*). Die dieses dar- stellenden Fortsätze der verdauenden Höhle sind entweder Canäle oder ta- schenartige Ausstülpungen , beide zu- nächst der Unterfläche der Scheibe in radiärer Richtung verlaufend. Die Canalbildungen zeigen nicht selten Verästelungen , meist in regelmässiger Form , und vereinigen sich am Schirmrande in einen Ringcanal. Die Zahl der Ra- diärcanäle ist für die einzelnen Arten eine bestimmte, und kann zuweilen beträchtlich vermehrt sein (Aequoreiden). Die sackartigen Ausstülpungen, welche in einzelnen Familien die Canäle vertreten, reichen gleichfalls bis zum Scheibenrande und zei- gen zuweilen durch ihre Combination mit Canal- bildungen , oder durch ihr Alterniren mit solchen, wie wir in beiden Erscheinungen dieselbe Grund- form zu erkennen haben. Das ganze System von Hohlräumen , welcherlei Art sie auch sein mögen, lässt in seinen Wandungen Flimmerepithel sehr verbreitet erkennen , und setzt sich auch noch in Fig. \\. Medusa aurita, zur Hälfte, von der Unterseite gesehen, a. Randkörper. t. Randtentakeln, b. Mundarme. v. Magenhöhle, gv. Canäle des Gastrovascular- systems, die sich gegen den Rand hin verzweigen und in einen Ringcanal zusammen- fliessen. ov. Ovarien. Fig. 12. Eine Thaumantias A. von der Unterfläche, B. auf dem Durch- schnitte gesehen. In der Mitte des Körpers befindet sich der Magen, von dem die Radiärcanäle zum Rinscanale ausstrahlen. Fi»;. 12. *) Hinsichtlich der Magenbildung reihen sich also Aequoreiden und Aegini- den unmittelbar an die A er a sped a , indem die Magenhöhle hier nie vom Canal- 86 Coelenteraten. manche Anhangsorgane, wie z. B. in die Tentakeln, fort. Auch in die soge- nannten Randkörper entsenden die Taschen der höheren Medusen einen geschlossen endenden Fortsatz. Die Angabe von Oeffnungen an einzelnen Stellen der Peripherie hat sich bis jetzt noch nicht bestätigen lassen, viel- mehr gehen alle neueren Beobachtungen dahin, den Apparat als einen geschlossenen zu betrachten , der nur durch die Mundöffnung mit dem umgebenden Medium communicirt. Die Ernährungsorgane der Siphon ophoren stocke werden durch besondere Individuen dargestellt, welche man früher als Saugröh- ren u. s. w. bezeichnete, bis ihre wahre Bedeutung erkannt wor- den ist. Sie erscheinen als cylindrische , mit starken Muskelwänden versehene Röhren , die einer beträchtlichen Beweglichkeit und Ausdeh- nung fähig sind, und am meisten mit der Magenröhre einerMeduse über- einstimmen*). Die Ctenophoren vereinigen hinsichtlich der Anordnung des Er- nährungsapparates mehrere sowohl bei Anthozoen als Hydromedu- siden vorkommende Einrichtungen. Ein häufig von einem breiten be- weglichen Lappenpaar umgebener Mund führt in einen muskulösen Magen, der, in der Längsachse des Körpers gelagert, mit weiter Oeff- nung in den eine Leibeshöhle repräsentirenden Hohlraum ausmündet. Fast immer ist der Magen von zwei Seiten her comprimirt und deutet so die bilaterale Symmetrie an , welche auch sonst am Körper der Rip- penquallen aus dem Radiärtypus sich hervorbildet. Die Grössenver- hältnisse des Magens zum Körper sind bei den Ctenophoren sehr ver- schieden. Die Gavität , in welche der Magen sich öffnet , verlängert sich zum unteren Pole des Körpers, wo sie 1 bis 2 Oeffnungen besitzt, die hin- sichtlich ihres physiologischen Werthes ganz ähnlich wie die bei den Acti- nien vorkommenden Poren angesehen werden müssen, also als blosse Re- gulatoren der im Gastrovascularapparate enthaltenen Flüssigkeitsmenge. Von dieser meist als »Trichter« bezeichneten Cavität aus, dicht hin- ter dem Pylorus , gehen 2 bis 4 radiäre Canäle ab , die sich wieder ver- zweigen und zu den Reihen der Schwimmplättchen treten , woselbst sie in Längscanäle , welche genau unter jenen Reihen verlaufen , sich fort- setzen. Die Cydippiden lassen diese Radiärcanale oben und unten geschlossen erscheinen , so dass sie den Kammern der Leibeshöhle der System geschieden ist, während Thaumantiaden, Oceaniden und G eryoni- den eine solche Scheidung in oben erwähnter Form aufweisen. Bei den letzteren wird der relativ kleine Magen von einem rüsselartigen beweglichen Stiele gelragen, der durch eine Verlängerung der Unterfläche der Scheibe gebildet wird. *) Diese ernährenden Individuen sind gewöhnlich am ganzen Stocke gleich ge- bildet. Eine Ausnahme davon machen die Velelliden, bei denen in der Mitte des scheibenförmigen Stockes ein grosser, weiter Magen sitzt, der kreisförmig von den kleinen umgeben wird. Organe der Ernährung. 87 Actinien am meisten zu vergleichen sind. Auch gegen den vorderen Körperpol zu setzt sich die Höhle fort, und umgibt hier den Magen auf seinen beiden flachen Seiten; bei den G a 1 y m n i d e n [Mnemia, Euramphaea) gehen zwei Paare dieser Rippencanäle auf die breiten Mund- schirme über und vereinigen sich dort, die anderen treten in einen Kreiscanal ein, der um den Mund ver- läuft und das Analogon des Randcanals der Medu- sen darstellt. Das Ganalsystem, welches mit jenem der Medu- sen und der Anthozoen homolog erscheint, hat hier noch eine höhere Entwicklungsstufe, durch die — von Agassiz beobachtete — alternirende Con- traction der beiden symmetrischen Hälften, wodurch die Ernährungsflüssigkeit bald der einen bald der andern Seiten überwiegend zuströmt. Es darf nicht verkannt werden, geregelten Circulation sich offenbaren wie hierin die ersten Anfänge einer die also selbst da schon auftritt, wo noch keine anatomische Trennung besonderer Organe vorhanden ist. Von drüsigen Anhangsgebilden des Verdauungsapparates ist keines bei den Coelenteraten differenzirt ; und nur die Analogie mit dem Er- scheinen des gallenbereitenden Apparates bei höheren Organis- men lässt auf das Vorhandensein eines solchen schliessen, und legt es nahe denselben in roth, braun oder gelb gefärbten, die verdauende Höhle auskleidenden Epithelzellen repräsentirt zu sehen. Diese Zellen sitzen in Längsreihen angeordnet auf faltenförmigen Vorsprüngen bei den A c t i n i e n , bilden einen gleichmässigen Ueberzug bei den Hydroiden, hier sogar noch in das gesammte Ganalsystem sich erstreckend. Unter den Medu- sen sind es namentlich die Oceaniden, welche ebenfalls mit längsge- reihten Drüsenzellen im Magen versehen sind. Am genauesten jedoch sind diese Verhältnisse bei den Ernährungs-Individuen derSiphono- phoren stocke beobachtet, welche in dem hinteren verdauenden Ab- schnitte mit sechs rothen Längswülsten versehen sind. Ausserdem fin- den sich noch haufenweise gruppirte farblose Zellen , in denen eine sich in die Magenhöhle ergiessende Flüssigkeit ausgeschieden wird. b) Von den Kreislaufsorganen. Solche fehlen als gesonderte , für sich bestehende Apparate den Goelenteraten vollständig , und an ihre Stelle tritt eine Reihe anderer Einrichtungen, welche die Gombination mannichfacher Verrichtungen aufweisen. Die Vertheilung der Ernährungsflüssigkeit im Körper, selbst an dessen, von der eigentlich verdauenden Cavität entfernteste Theile besorgt nämlich der oben bei den Verdauungsorganen schon be- Fig. 13. Ansicht des Gastrovascularapparates einer Cydippe. Seite, die Mundöffnung nach oben gewendet. B. Vom Mundpole aus. A. Von der 88 Goelenteraten. schriebene Gasrtovascularapparat , in dessen Aussackungen und Ver- zweigungen jene Flüssigkeit aus dem Magen eintritt und hier theils durch die Contractionen des Körpers (Polypen, Gtenophoren, Siphonophoren) , theils durch das an den Wänden der Canäle und Taschen verbreitete Flimmerepithel in beständiger Bewegung er- halten wird. Eine besondere Bedeutung für diesen Umlauf und ste- ten Wechsel der ernährenden Flüssigkeit hat das mannichfaltige Spiel der Tentakeln , die bei jeder Contraction einen Strom des in ihnen ent- haltenen Fluidums in die Hauptabtheilung des Gastrovascularsystems er- giessen, und dadurch eine energische Fortbewegung der gesammten Flüs- sigkeitsmenge bewirken, sowie sie auch dasselbe durch Aufnahme eines Quantums bei der Extension hervorrufen. Von besonderem Belange ist dies bei denjenigen Coelenteraten , bei denen nicht der ganze Körper contractu ist (Medusen), während bei den übrigen schon durch das Contractionsvermögen des Körpers für den Umlauf der Säfte Bedeuten- des geleistet werden muss. Am meisten ausgebildet kommt dieser Um- lauf durch rythmische Contractionen bei den Gtenophoren zu Stande, bei welchen die Wandungen des Canalsystems sich alternirend nach den Körperhälften contrahiren und expandiren, und so ein wechselndes Her- über- und Hinüberströmen der Ernährungsflüssigkeit bewirken. Alle diese Einrichtungen kommen in Summa einem formell zwar noch unvollkommenen, aber materiell und seinem physiologischen Werthe nach doch schon ausgebildeten Kreislaufe gleich , der in der Verbindung seiner Organe mit jenen der Verdauung die enge physiologische Ver- wandtschaft beurkundet, die zwischen beiden besteht*). Die Ernährungsflüssigkeit selbst repräsentirt, nach der oben beim Verdauungsapparat gegebenen Darstellung , nicht sowohl das Blut der höheren Thiere, sondern vielmehr der Chymus, der aber ohne wei- tere Veränderung aus dem Magen in die damit verbundenen Hohlräume tritt, und nur durch eine Beimengung von Wasser verdünnt wird. Die festen Substanzen, die häufig dieser wasserklaren oder leicht gelblich gefärbten Flüssigkeit beigemischt sind, sind häufig Beste der ver- dauten Stoffe, häufig auch zellige, aus dem Organismus stammende Ele- mente der mannichfaltigsten Art, und zumeist auf abgelöste Epithel- gebilde oder Zellen aus dem gallebereitenden Magenbelege zurück- führbar. *) Was früher (von M ilne-Edward s, Will u. A.) als ein in dem Körper ge- wisser Polypen (Alcyonien, Alcyonidien, Actinien) und Ctenophoren verbreitetes Blutgefässsystem beschrieben wurde, ist entweder zum Gastrovascular- apparate gehörig, wie z. B. das bei den coloniebildenden Polypen im gemeinsamen Stocke vorkommende Canalnetz, theils sind es (bei Ctenophoren) sternförmig un- ter einander verbundene Zellen , welche die glashelle Grundsubstanz durchsetzen und nicht einmal zumGastrovascularapparate in Beziehung stehen, geschweige denn ein besonderes Gefässsystem bilden. Organe der Fortpflanzung. 89 c) Von den Athmungs Organen. Die Athmung wird entweder einfach durch den Contact der Körper- oberfläche mit dem umgebenden Medium vermittelt, wobei die Vergrös- serung der Oberfläche durch die Tentakelbildung nicht wenig in Be- tracht kommt, oder sie wird durch die in der ganzen Abtheilung sehr ausgebildet vorkommende Wasserbeimischung zur Ernährungsflüssigkeit bewerkstelligt, und ist somit eine Art innerer Respiration. Diese Ein- richtung ist ohne Zweifel die wichtigere, indem durch sie nicht allein die Ernährungsflüssigkeit in directe Wechselbeziehung zum zu respiriren- den Medium tritt, sondern das letztere auch noch in die verschiedenen inneren Körpertheile selbst eingeführt wird. Auch hier sind die cilien- besetzten Wandungen, sowie überhaupt all' das, was bei der Girculation gesagt ward, von Wichtigkeit. d) Von den Excretionsorganen. Solche sind bei den Coelenteraten nur in höchst beschränkter Weise bekannt, und da wo sie vorkommen ist ihr morphologischer Werth noch wenig gesichert. Als Organe, die zur Abscheidung gewisser für die Oeko- nomie des thierischen Organismus unbrauchbarer Stoffe dienen, werden von Einigen die Mesenterialfilamente der Actinien angesehen. In diesen Gebilden sind nämlich häufig feste, concrementartige Abscheidungen zu beobachten, die namentlich gegen das Ende des Fadens zu sich anhäu- fen. Die Qualität dieser Ausscheidungen lässt sie, soweit dies bis jetzt ermittelt ist, als wahrscheinlich der Harnsecretion höherer Thiere ana- log ansehen*). Den Hy dromedusien und Ctenop hören scheinen besondere Excretionsorgane abzugehen, und ganz vereinzelt steht in dieser Hinsicht Porpita . wo in dem scheibenförmigen Stamme der Colonie ein weissli- ches, spongiösgebildetes Organ, ein Excretionsorgan vorstellend, nach- gewiesen ward**). §• 15. Organe der Fortpflanzung. Die Fortpflanzung der Coelenteraten zeigt ungeachtet zahlreicher, auf ungeschlechtlichem WTege vor sich gehender Erscheinungen dennoch in durchgreifendem Verhalten das Bestehen der geschlechtlichen Vermeh- rung , welche vielfach mit der ungeschlechtlichen sich verflechtend eine Reihe der verwickeltsten Phänomene hervorruft. *) V. Carus gibt an, in denselben Guanin gefunden zu haben (System d. thier. Morphologie 1853. p. 148). **) Nach den Angaben Köllik er's (Schwimmpolypen von Messina 1853. p. 63) soll hier gleichfalls Guanin vorhanden sein. 90 Coelenteraten. Ausgebreitet ist die Vermehrung durch Theilung, vorzüglich bei den sogenannten Corallenthieren. Die in die Fläche sich ausdehnenden Stöcke dieser Polypen sind grösstentheils durch Längstheilungen der Individuen hervorgegangen, und indem solche Theilungen ( nicht eine vollständige Trennung der Individuen zum Endresultat haben, entstehen die wunder- baren Colonien der Maeandrinen, die aus einer Anzahl auch noch mit den inneren Organen zusammenhängender Individuen gebildet sind*). Mit der Theilung combinirt sich häufig bei denselben stockbildenden Po- lypen die Sprossenbildung, die ebenso häufig auch für sich allein vor- kommt und namentlich dendritisch gebaute Colonien (Oculiniden, Madreporen u. a ) hervorruft. Ausgangspunct der Sprossenbildung ist das in den verbindenden Weichtheilen des gemeinschaftlichen Stockes sich verzweigende Canalsystem. Nicht minder wichtig ist die Rolle, welche die Sprossenbildung in der Vermehrungsgeschichte der Hydroi- den stocke und Siphon opho rencolonien spielt, ja selbst noch in den Medusen finden sich mehrere Gruppen, bei denen diese Fortpflanzungs- weise noch vorkommt, nur mit dem Unterschiede, dass hier die Spröss- linge nicht mit der Mutter verbunden bleiben wie bei den erstgenannten, sondern zu freien Thieren werden wie die sprossenbildende Mutter. So sehen wir also jene aus einer geringen Organdifferenzirung entspringen- den Formen der Vermehrung in reicher Weise über die ganze Goelente- ratengruppe sich entfalten, und finden dem entsprechend diejenigen Or- gane, die einer geschlechtlichen Fortpflanzung dienen, auf niederer Ent- wicklungsstufe stehend. Die Geschlechtsproducte, Samen oder Eier, entstehen nämlich an gewissen Stellen des Körpers , weiche nur in wenig distincter Weise räumlich von benachbarten Theilen abgegränzt sind, und die nur mit der Entstehung jener Producte sich bemerklich machen, so dass sie bei den meisten Coelenteraten nur während der geschlechtlichen Entwick- lungsperiode als solche unterscheidbar sind. Da ferner alle besondern Apparate zur Ausleitung der gebildeten Zeugungsstoffe, sowie accessori- sche Organe, wie Drüsen u. s. w. vollständig abgehen, so ist nicht zu verkennen , dass wir in diesen Verhältnissen jene Stufe der organologi- schen Differenzirung vor uns haben, die in der blossen Localisirung der Function besteht. Meist sind die Geschlechter auf verschiedene Individuen vertheilt, ja bei den zu Colonien vereinigten Formen sind sogar auch die Stöcke häufig getrennten Geschlechtes, wie Hydroiden und manche Poly- pen und Siphonophoren. Die Geschlechtsorgane stehen überall in enger Beziehung zum Gastro- vascularapparate , indem sie stets in den denselben begrenzenden Wan- *) Auch bei den Medusen (bei Stomobrachium mirabile) ist eine Theilung beo- bachtet.worden. Vergl. Kölliker in der Zeitschr. f. wiss. Zoologie 1 853. p. 325. Organe der Fortpflanzung. 91 düngen angebracht sind, oder, wenn wir die Organbildung in der nie- dersten Form auffassen, können wir auch aussprechen, »dass die Geschlechtsorgane derCoelenteraten aus der Erzeugung vonGeschlechtsproducten an gewissen Stellen der Wände des Gast rovascularapparates hervorgehen. « Häufig entleeren sich diese Producte durch die jenem Organsysteme angehörigen Hohl- räume nach aussen, so dass diesem dann ausser den schon früher zuge- sprochenen mannichfachen Bedeutungen für die Ernährung auch noch eine für die Fortpflanzung zukömmt, und zwar eine solche, die wir in den hö- her organisirten Thieren immer besonderen Organen übertragen sehen. Die Verschiedenheiten der Bildung der Geschlechtsorgane lassen sich nach den einzelnen Classen folgenderweise darstellen : Bei den Polypen, welche fast durchgängig getrennten Geschlechtes sind*) , entwickeln sich die respectiven Organe immer in der Wandung eines der Leibeshöhle zugekehrten Körpertheiles , so dass Eier oder Sa- men durch den Magen nach aussen gelangen. Es sind dann entweder die der Leibeshöhle zugekehrten Magenwände , oder die von hier ausgehen- den Septa die Keimstätten der Geschlechtsproducte, wie bei denActinien (Fig. 1 0. ov), wo letztere in reifem Zustande traubenförmige oder bandartige Hervorragungen bilden, oder es functioniren die hinter dem Magengrunde auslaufenden Enden der Septa, von denen aus dann Hoden oder Ovarien in die Körperhöhle einragen, wie dies bei den stockbildenden Polypen der Fall ist**). Bei den Lucerna rien endlich erscheinen die Geschlechts- producte in acht in die Leibeshöhle vorspringende Längswülste gereiht, die, weil sie eine Strecke weit mit den sogenannten Mesenterialfilamen- ten besetzt sind, auf die Septa der übrigen Polypen zurückgeführt wer- den können. Es ergibt sich somit, dass überall da, wo eine geringe Ent- faltung der Septa vorliegt, und wo eben dadurch auch eine geringere Ausbildung der zwischen Magen und Körperwand liegenden Abschnitte der Leibeshöhle bedingt wird, die Geschlechtsproducte sich dem geräu- migen Abschnitte der Leibeshöhle zugekehrt entwickeln, und dafür tref- fen denn immer die freien Ränder der Septa ***). *) Cerianthus macht hiervon eine Ausnahme, indem beiderlei Producte in Einem Stroma entstehen. **) Mit der eben geschilderten Anordnung lässt sich ein durch Kölliker bei Alcyonidium beobachtetes Verhalten schwer in Einklang bringen, indem hier die Ge- schlechtsproducte in besonderen, der fleischigen Substanz des Stockes eingelagerten Säcken entstehen sollen, so dass sie also zu den Individuen der Colonie keine concreten Beziehungen besässen (vergl. Beiträge zur näheren Kenntniss der Ge- schlechtsverhältnisse und Samenflüssigkeit wirbelloser Thiere, 1843). Da aber auch der gemeinsame Stock von Fortsätzen des Gastrovascularsystems durchzogen ist, so werden jene Bildungen wohl ebenso mit diesem Apparate verbunden sein, wie sonst überall bei den Coelenteraten, und dadurch wird die anscheinende Discordanz zum grossen Theile wieder aufgehoben. — Die oben im Texte angezogenen Verhältnisse beziehen sich auf Tubipora, Alcyo- nium, Veretillum u. a. ***) Nach neuen Untersuchungen können sich auch bei den Actinien die Ge- 92 Coelenteraten. Die Geschlechtsorgane der Hydromedusiden unterscheiden sich von denen der vorigen Classe im Allgemeinen durch fast durchgehend über das Niveau der übrigen Körperoberiläche hervortretende Entfaltung, was eben durch die grössere Oberflächenbildung an diesen Thieren be- dingt ist. Die Abschnitte des Gastrovascularsystemes, in deren Wandungen die Geschlechtsproducte entstehen, können sehr verschieden sein, und es ist kaum einTheil, vom Magen an bis zu den davon entferntesten Stellen, der nicht bei dieser oder jener Form in die Bildung von Keimstatten für Samen oder Eier einginge. Streng durchgeführt ist die Trennung der Ge- schlechter. Unter den niederen Medusen (Graspedota) zeigt sich die ein- fachste Bildung bei den Aeginiden und Geryoniden, wo die taschen- förmigen oder canalartigen Hohlräume , die entweder direct vom Magen ausgehen, wie bei den ersteren, oder doch mit ihm verbunden sind, wie bei den letzteren, bald als Ovarien, bald als Hoden functioniren, indem die respectiven Producte in der Innenfläche genannter Hohlräume ent- wickelt und durch den ferneren Verlauf des Gastrovascularapparates, schliesslich durch den Mund entleert werden. Bei den Oceaniden sind es ausschliesslich die Aussenflächen der Magenwände, die zu Ge- schlechtsdrüsen sich umbilden , deren Producte dann durch Berstung nach aussen gelangen. Bedeutsam ist zu gleicher Zeit, dass die hier lo- calisirteProductivität an geschlechtlich noch nicht vollkommen entwickel- ten Thieren sich häufig durch Knospenbildungen äussert, so dass die spätem Keimstätten von Samenmasse oder von Eiern sich auch in di- recterer Weise an der Vermehrung der Individuen . somit der Erhaltung der Art betheiligen kann. Aequoreiden und Thaumantiaden lassen die Geschlechtsorgane als Ausstülpungen der radiären Canäle erscheinen, und es sind diese bald nur auf einen kurzen dem Magen näher oder ent- fernter liegenden Abschnitt beschränkt, bald über die Gesammtlänge der Canäle ausgedehnt, und ragen dann meist gefaltet in die Concavität des Schirmes ein. Als eben solche Aussackungen der Höhlen des Gastrovascularsyste- mes treten die Geschlechtsorgane auch bei den höheren Medusen (Acras- peda) auf, und zwar zumeist als 4 oder 8 halbmondförmig gebogene und rosettenartig auf der Unterseite des Schirmes um den Magenstiel grup- pirte Krausen, die häufig in besondere Vertiefungen der Gallertscheibe eingesenkt sind. Männliche und weibliche Organe sind auch hier meist nur durch Untersuchung ihrer Producte unterscheidbar*) , oder es lie- fert die häufig lebhaftere Färbung der Ovarien (durch die Farbe der Eier bedingt) äusserliche Unterschiedsmerkmale. Der Zusammenhang des In- neren dieser Geschlechtskrausen mit dem Ernährungsapparate ist überall schlechtsorgane an gleichen Stellen wie bei den übrigen Polypen, nämlich an dem unteren gegen den offenen Magengrund gerichteten freien Rande der Scheidewände befinden. (Vergl. Hollard in Ann. d. sc. natur. Ser. 3. Tom. XV.) *) Vergl. über diese Verhältnisse bei Medusa aurita v. Siebold, Beiträge zur Naturgesch. der wirbellos. Thiere. Danzig 1 839. Organe der Fortpflanzung. 93 nachweisbar, daher aber auch ihre Deutung als Aussackungen der letz- teren, und endlich ihre vollkommene Homologie mit den Organen der niederen Medusen ausser allem Zweifel*). Die Morphologie der Geschlechtswerkzeuge der Siphonophoren erweist sich vorläufig, abgesehen von dem hiermit auftretenden Poly- morphismus, ganz in Uebereinstimmung mit den von gewissen Medusen (den Oceaniden) angegebenen Verhältnissen, d. h. die geschlechtlichen Individuen dieser Thierstöcke, oder die diesen homologen aber hinsicht- lich der übrigen Organausbildung nicht zu vollständiger Entwicklung kommenden Gebilde erzeugen im Allgemeinen ihre Geschlechtsproclucte in der Wandung eines dem Magen der Medusen analogen Hohlraumes, der mit der allgemeinen Leibeshöhle der Colonie in Verbindung steht. Je nach der grösseren oder geringeren Entwickelung der Medusengestalt dieser geschlechtlichen Individuen ist das erwähnte Verhalten in ebenso verschiedenem Grade deutlich, und es lassen sich von der allmählichen Bildung der einem Magen anfänglich nur analogen Höhle bis zur völligen Entwickelung derselben zum wirklichen Magen eines vollkommen frei werdenden Medusenindividuums (Sprösslinge der Velellen) alle Ueber- gangsstufen sowohl im Laufe der Entwickelung eines vollkommenen In- dividuums, als bei einer Reihe von Siphonophoren auch im persistiren- den Zustande erkennen. In ganz gleicherweise sind auch die sogenannten Geschlechtsorgane der Hydroiden aufzufassen, doch muss für diese wie für die nähere Ausführung der Geschlechtsverhältnisse der Siphonophoren auf den die- sem Abschnitte beigefügten Anhang verwiesen werden. — Die Verbindung der Geschlechtsorgane mit dem vom Magen ausge- henden Ganalsysteme, sowie die Periodicität in der Bildung der Organe, durch jene der Zeugungsstoffe bedingt, ist endlich bei den Gtenopho- ren am deutlichsten ausgesprochen, und wenn je die verwandtschaft- lichen Beziehungen der Ctenophoren zu der Coelenteratengruppe verkannt werden sollten, so sind es nächst der Bildung ihrer Leibeshöhle die eben angezogenen Verhältnisse, die am energischsten dagegen protestiren. Von den unter den Schwimmplättchenreihen längsverlaufenden Canälen ent- wickeln sich zu gewissen Zeiten biindsackartige Ausstülpungen gegen das Körperparenchym , und zwar so, dass sie als unregelmässige Buch- tungen beide Seiten eines Canals besetzt hallen und somit an jedem der letzteren zwei Längsreihen formiren. In diesen Ausstülpungen bilden sich Eier oder Samenmassen, je nach den Seiten alternirend. Die eine Seiteeines Canals ist demnach mit Eifollikeln , die andere mit samen- *) Die Entleerung der Ovarien und Hoden erfolgt durch Dehiscenz der äusseren Membranen, so dass die Zeugungsproducte sogleich ins umgebende Medium gelun- gen können. Eine Ausnahme davon, resp. eine Annäherung an die bei der zuerst erwähnten Medusengruppe bestehenden Verhältnisse bildet die Entleerung der Ova- rien durch das Gastrovascularsystem bei Nausilhoe albida. (Vergl. meine Abhandl.: Versuch eines Systems der Medusen in Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. VJI1.) 94 Coelenteraten. erzeugenden Ausbuchtungen besetzt. Die Zwitterbildung der Ctenopho- ren erstreckt sich somit selbst auf die einzelnen Abschnitte des periphe- rischen Canalsystems, welches dann, sowie die damit verbundene Ma- gencavität zur Ausleitung der Zeugungsstoffe dient*). Anhang. Morphologie und Geschlechtsverhältniss der Hydroiden und Sip ho nop hören. Seit längerer Zeit**) schon kennt man an den Stöcken der Hy- droiden eigenthümliche Sprossengebilde, welche bald direct am Stamme, bald an dem Leibe eines Einzelthieres hervorsprossen, und von Fig. 14. Fig. 15. Fig. 14. Colonie von Eud endrium ramosum. a. verzweigter Stock der Colonie., b. einzelne Individuen, c. junge Knospe, c etwas ältere. Knospe, d. junge Medusengemme, d', d" ältere Medusengemme. Fig. 15. Stock von Hydractinia laclea mit 2 Individuen, c. die auch in die Geschlechtsknospen g.g. sich fortsetzende allgemeine Leibeshöhle, o. MundöH'nung eines Thieres. t. Tentakel, den Mund im Kreise umstehend, t' verkümmerte Ten- takeln. *) Vergl. vorzüglich Will, Horae tergestinae, und Kölliker, Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. IV. S. 325. Wie es sich mit den von E. Forbes bei Beroe Cucumis (Report of the 19 ^ Mee- ting of the Brit. Assoc. etc. 1849) an der Basis der Schwimmplättchen gesehenen Eier- säckchen verhält, und ob diese ebenso, wie es nach Will's Beobachtungen oben dargestellt ward, mit dem Gastrovascularapparate verbunden sind, muss vorläufig dahingestellt bleiben. **) Der erste genauere Beobachter war Cavolini [op. s. cit.). Morphologie der Hydroiden und Siphonophoren. 95 letzteren, mit denen sie in dem ersten Auftreten übereinstimmen, nach und nach wesentlich verschieden sich verhalten. Da in diesen Knospen entweder sehr bald oder erst nach Verlauf einiger Zeit Eier oder Samen entstehen, und man sogar die Eier zu jungen Thieren, wiederum zu Hydroiden, sich entwickeln sah, so hielt man diese Sprossen für Ge- schlechtsorgane, für Hoden oder Ovarien, je nachdem das eine oder an- dere Product in ihnen gebildet ward. Eine genauere Analyse dieser angeblichen Geschlechtsorgane, sowie eine grössere Ausdehnung der Forschung leitete jedoch zu einem andern Resultate hin. Es ergab sich, dass diese Knospenbildungen, gleichviel an welchem Theile des Hydroidenstock.es sie hervorsprossen , bei den ein- zelnen Gattungen und Arten sehr verschiedene Organisationsverhältnisse darbieten, die, der Reihe nach einzeln iri's Auge gefasst, sich in Folgen- dem darstellen lassen : Die entstehende Knospe zeigt sich immer als eine Wucherung des Hydroidenkörpers und stellt im einfachsten Falle eine rundliche Hervor- ragung vor, in derem Inneren, scharf von der Hülle abgegränzt, Samen oder Eier entstehen (Fig. 16. A). Coryne, Hydractinia u. a. liefern hiefür Reispiele *) . Weiterhin sehen wir, wie sich bei andern Bildungen auch die Lei- beshöhle betheiligt, indem von ihr aus ein Forlsatz in die sich bildende Knospe hineinwächst und in derselben geschlossen endet (Fig. 15. g. Fig. 16.2?. c). Die Geschlechtsproducte entstehen hier entweder vor dem Fortsatze der Leibeshöhle, wenn derselbe die Knospe nicht völlig durch- setzt, oder sie bilden sich um ihn herum, wenn er sich mehr nach vorne erstreckt. Hydractinia, Eudendrium racemosum, Tubularia coronaia u. a. können hiefür angeführt werden (Fig. 16. CD). Auf einer Stufe weiter finden wir dann Knospen , welche in zwei Theile geschieden sind (Fig. 16. E.F.) , einen inneren und einen äusse- ren; der innere, kolbenartig gestaltet, umschliesst die Geschlechtspro- ducte, der äussere, von vorne und seitlich oft durch einen breiten Raum vom vorhergehenden geschieden, besitzt eine Glockenform und ist am vordem Rande sogar häufig noch mit tentakelartigen Bildungen (Fig. 16. J. M) ausgestattet, am Rande der Knospe gehen beide Theile in einander über (Fig. 16.E. M). Endlich fehlen auch solche Knospenbildungen nicht, bei denen nicht allein die allgemeinen äusseren Formverhältnisse wie bei der vorerwähn- ten Art sind, sondern auch noch eine gewisse Zahl von Canälen von dem den Stiel der Knospe durchsetzenden Hohlräume (Fig. 16.^4 — M.a) aus in die äussere Umhüllung, den glockenförmigen Mantel sich hineinbege- ben (Fig. 16.£". H. J. K. L. a") und sogar am Rande des letzteren durch einen Radiärcanal mit einander verbunden sind. So z. B. bei Campanularia **.) Auch Hydra darf hieher gezählt werden , denn der umstand, dass die Eier besondere Schalen besitzen, beweist nichts dagegen. Es ist dies eine specielle Einrichtung, die nur der Gattung angehört. — 96 Coelenteraten. Fig. 16. Fig. 16. A — M. Schematische Darstellung der Morphologie der »Geschlechts- organe« bei Hydroid en und Siph on ophore n (Durchschnittsbilder). ot. Allgemeine Leibeshöhle mit ihren Verlängerungen in die Knospengebilde. a Fortsetzung der Leibeshöhle in einen der Magenhöhle einer Meduse analogen Hohlraum, a" seitliche Verlängerung der Leiheshöhle, dieRadiäreanäle darstellend. Morphologie der Hydroiden und Siphonophoren. 97 geniculala. — Offenbar trägt hier die Geschlechtsknospe die Form einer Me- duse, eine Form, die noch deutlicher bei andern Hydroidgemmen ausge- sprochen ist, und die sich sogar noch dahin potenzirt, dass eine Rand- membran (Fig. 16. L.b") sich bildet und der glockenförmige Mantel Con- tractionen vollführt. Auch ablösen kanfi sich die Knospe und , wenn auch nur auf einige Zeit, ein selbständiges Leben führen, welches jedoch bei dem Mangel von Nahrungsaufnahme seine Gränze bald gefunden hat. In allen diesen Fällen entwickelt sich im Inneren der Knospe um den in das kolbenartige Gebilde sich hineinerstreckenden Axencanal (vergl. Fig. 1 6. E. G. H. K. L. a) eine Form der Zeugungsstoffe (c), Samenmassen oder Eier, nach denen man die ganzen Knospen bald als Hoden, bald als Ovarien der Hydroidenstöcke angesprochen hat. Auch eine ungleiche Ausbildung der einzelnen eben erwähn- ten Theile bei den verschiedenen Knospenformationen ist zu berücksich- tigen , indem durch solche oftmals die Erkenntniss des allgemeinen Pla- nes erschwert wird. So kann der »Mantel« der Knospe sehr entwickelt sein (Fig. 16. F. J), während der davon umschlossene Kolben den mittle- ren Axencanal entbehrt. Oder es ist letzterer bei entwickeltem Mantel vorhanden (Fig. 16. G) und es fehlen die Radiärcanäle. Endlich kann der mittlere Kolben zu beträchtlicher Grösse herangebildet sein und der um- schliessende Mantel bleibt rudimentär (Fig. 16.Ä'). Zwischen diese man- nichfachen Formen hat die Natur alle Uebergänge gelegt. — Bei einer andern Reihe von Hydroiden sind keine Sprösslinge zu beobachten , die Samen oder Eier erzeugten , sondern es bilden sich Knospen, welche sich direct, jedoch alle die Stufen durchlaufend, die vorhin als bleibende Formen geschildert wurden , zu Medusen gestalten (Fig. I 4. d. d ' d") , und zwar, wie hier besonders hervorgehoben werden muss , zu solchen Medusen, von denen die Forschung ge- zeigt hat, dass ihre Eier sich nicht wieder zu gleicharti- gen Wesen, sondern zu Polypen entwickeln, genau zu den- selben, von der die Meduse entstammt ist*). 6. lntegument der Knospe bei JE — M, durch Duplicaturbildung einen verschieden- gradig entwickelten »Mantel« als Aequivalent des Schirmes einer Meduse hervor- gehen lassend, b', und in den vervollkommneten Bildungen (L. M) noch in eine be- sondere die Oeffnung des Mantels verengende Ringmembran b" ', übergehend, c. Ge- schlechtsorgan. *) Vergl. Krohn in Müllers Archiv 1853 : »lieber die Brut des Cladonema ra- diatum und deren Entwicklung zum Stauridium . « Daselbst ist zum erstenmale der vollständige Entwicklungscyclus nachgewiesen. — Von den Eiern der medusiformen Gemmen der Campanularia geniculata hatte schon früher Loven deren Umwandlung in Polypen gezeigt (Archiv f. Naturgesch. 1837). Die Entwicklung von Eiern zweier Medusen zu festsitzenden Polypen wurde von mir in meiner Schrift : Beiträge zur Lehre vom Generationswechsel 1S54 bekannt gemacht. — Die Medusen, welche dieser Erscheinung unterworfen sind, begränzen sich, so- weit bis jetzt bekannt, innerhalb einer an verschiedenartigen Formen sehr reichen Familie: jener der Oceaniden. Es findet sich in dieser Familie auch das merk- Gegenbaur, vergl. Anatomie. 7 98 Coelenteraten. Zwischen diesen und den vorletzt aufgezählten Fällen liegt somit nur der Unterschied-, dass bei jenen die medusiformen Gemmen noch während ihrer Verbindung mit dem Stocke Geschlechtsproducte ent- wickeln , während bei diesen die Gemmen erst nach ihrer Ablösung vom Stocke, nachdem sie zum selbständigen Thiere geworden, ihre Ge- schlechtsproducte erzeugen. Es sind noch zwei Sätze, deren Begründung im Detail hier nicht thunlich ist, mit grösster Schärfe auszusprechen. Nämlich erstens: dass alle Hydroiden stocke, welche sogenannte Geschlechts- gemmen erzeugen, niemals Medusen hervorsprossen las- sen, sowie auch umgekehrt die letztere Erscheinung die erste völlig ausschliesst; zweitens: dass alle in den Ge- schlechtsgemmen der Hydroiden entstehenden Eier sich zu Hydroiden gestalten, sowie alle Eier solcher Medusen, die an Hydroidenstöcken durch Sprossung entstanden sind, sich ebenfalls zu Hydroiden entwickeln. Hierauf gründet sich der Schluss , class die sogenannten Ge- schlechtsorgane der Hydroiden die physiologischen Aequi- yalente der Medusen sind. Dass aber diese sogenannten Geschlechtsorgane auch die morpholo- gischen Aequivalente , mit einem Worte dieHomologa der Medusen vorstellen, dies beweist ihre Entwicklung und Organisation, welche ebenso viele Stadien der Medusenknospung in permanentem Zustande repräsen- tirt, als nur irgend möglich kann gedacht werden. Ein recht treffendes Bild von diesen Verhältnissen erhält man am besten in der Art, wenn man bei dem Modus der Sprossung von Medu- sen jede einzelne Entwicklungsstufe, von der ersten Erhebung an bis zur vollständigen Individualisirung stehen bleibend und unter blosser Vo- lumszunahme Geschlechtsproducte entwickelnd sich vorstellt. Diese letz- teren werden sich dann immer in jenem Theile bilden, welcher dem Ma- gen der vollkommenen Meduse homolog ist. Die bezüglich dieses Schema vorkommenden Abweichungen beste- hen einzig darin , dass einzelne einer Meduse zukommende Theile in der Organisation der Geschlechtsgemme auf Kosten anderer Theile prävali- ren, dass z. B. in einem Falle der glockenförmige Mantel deutlich ausge- bildet ist, während das Analogon des Magens nur rudimentär erscheint; in einem anderen Falle ist das letztere vorhanden, dagegen der Mantel nur wenig entwickelt oder der Badiärcanäle entbehrend , kurz es ist in dieser Bichtung die grössteEntwickelungsbreite möglich, ohne dass aber, wie bei der in Fig. 1 6 gegebenen schematischen Darstellung erklärt wurde, der ausgesprochene Typus im geringsten dadurch beeinträchtigt wird*). würdige Phänomen, dass bei jungen, noch nicht geschlechtlich entwickelten Thieren auch eine homogone Knospenbildung vorkömmt, indem zumeist am Magen der Me- duse wiederum junge Medusen hervorsprossen. — *) Von den vielen hieher gehörigen Beobachtungen sind vorzüglich jene Van Morphologie der Hydroiden und Siphonophoren. 99 Die ganze grosse Erscheinungsreihe des Generationswechsels unter diesen Thieren gliedert sich somit in eine Anzahl von in einander über- gehenden Entwicklungsstufen einer zweiten Generation, deren niedrig- ste Formen durch ihre stete Verbindung mit dem ammenden Thiere (dem Hydroidenstocke) characterisirt sind, und daher wegen der ihnen abge- henden selbständigen Individualität, streng genommen nur als physiolo- gische und morphologische Aequivalente oder als die Homologa einer zweiten Generation , nicht als eine vollkommen zweite Generation ange- sehen werden können. Was aber einem Individuum gleichbedeutend ist, das kann nicht wohl absolut als einem Organe, d. h. dem Theile eines Individuums gleich erachtet werden, und daraus erklärt sich, dass alle diese Formen von Geschlechtsgemmen nicht als blosse Ge- schlechtsorgane aufzufassen sind. Bezüglich des Vorkommens dieser Geschlechtsgemmen ist zu bemer- ken , dass sie sowohl einzeln als in Gruppen vereinigt an den verschie- denen Theilen einer Hydroiden- Golonie heryorsprossen. Bei den, mit einem festen Böhrengehäuse versehenen Stöcken ist die Geschlechts- gemme gleichfalls zumeist mit einer festen kapselartigen Hülle versehen ; so z.B. bei Campanularia, Sertularia. Ist dieGemmation der unvollkom- menen zweiten Generation auf den Körper eines Individuums derllydroi- den-Colonie localisirt , so zeigt sich häufig ein Degeneriren des ammen- den Individuums in der Art , dass es seine Selbständigkeit zum Theile aufgibt, und namentlich die Verrichtung der Nahrungsaufnahme aufhö- ren lasst. Solche rückgebildete proliferirende Individuen finden sich be- sonders an Stöcken von Syncöryna, Hydractinia u.s. w. (bei den Tubula- rien dagegen wird durch die Sprossenbildung keine Function des Indivi- duums beeinträchtigt) *). In gewissen Fällen wird durch diese Erscheinung eine Complication verursacht , nämlich dann , wenn , wie bei manchen Campanularien (C. geniculata) und bei allen Sertularien, das rückgebil- dete Hydroiden -r Individuum sammt den an und aus seinem Körper ent- wickelten Knospengebilden von einer gemeinsamen festen Kapsel um- schlossen wird, welche in ihren Umrissen ganz mit den bei andern Arten vorkommenden Kapseln, die nur eine einzige Geschlechtsgemme um- schliessen, übereinstimmend ist. Der Inhalt von beiderlei Kapseln verhält sich ganz ebenso, wie dies vorhin bei den nicht in Kapseln umschlossenen, die zweite Generation mehr oder minder vollkommen darstellenden Gemmen geschildert ward. B e n e d e n's anzuführen : Memoires sur les Campanulaires de la cöte d'Ostende -1843 und Recherches sur l' Embryogenie des Tubulaires 1844. in den Abhandlungen der Academie zu Brüssel. Es sind aber in diesen Schriften die Thatsachen einer anderen Deutung unterstellt worden. *) Es ist dies aber auch bei den Hydractinien nicht immer der Fall, denn ich habe Hydractinia lactea (Fig. 15) in vollkommener Integrität (die Leibeshöhle so- gar mit Nahrung gefüllt), knospenerzeugend beobachtet. •n * 100 Coelenleraten. In dem einen Falle entstehen einfache Gemmen , medusiforme Gemmen, oder wirkliche Medusengemmen um den rudimentären eingekapselten Hydroidenleib, in dem andern Falle wird die Kapsel nur von einem ein- zigen ebenfalls auf verschiedenem Ausbildungsgrade stehenden Ge- schlechtsindividuum erfüllt. — Aehnliche Verhältnisse, wie wir sie oben bei den Hydroiden se- hen, greifen auch Platz bei den Siphonop h oren ; die hier auftretende Erscheinung beschränkt sich jedoch nicht einfach auf das Zustandekom- men eines Generationswechsels, sondern combinirt sich mit einer an- dern , von welcher der Generationswechsel der Hydroiden nur als ein Ausfluss betrachtet werden kann. Eine Siphonophorencolonie zeigt sich zusammengesetzt aus Bildun- gen mannichfachster Art. An einem gemeinsamen Stocke sehen wir sich vielfach wiederholende Gebilde befestigt, welche ihrer Form mehr oder minder. deutlich den Medusentypus aufgeprägt tragen, und welche den verschiedenen , bei irgend einem anderen Thiere den besonderen Orga- nen desselben übertragenen Functionen dienen. Die vergleichende Forschung lehrt, dass diese verschiedenen Theile einer Colonie (die man früher, jedoch nicht ganz unrichtig, als ein einzi- ges Thierindividuum betrachtete, und dem entsprechend auch ihre Be- standtheile als blosse Organe ansah) nicht allein nach einem und dem- selben Typus sich entwickeln und auch gebaut sind, sondern dass sie auch alle jene Uebergangsstufen nachweisen lassen, die man — wie bei den Hydroiden — von den einfacheren niedrig organisirten Formen an bis zur ausgebildeten, ja sogar sich ablösenden Meduse verfolgen kann. Das bei den Hydroiden nur auf die Geschlechtsgemmen beschränkte Verhält- niss ist hier über alle Theile der Colonie ausgedehnt. Das dieser Erschei- nung zu Grunde liegende Princip ist als das der Arbeitstheilung gedeutet worden , welcher zufolge die Einzelthiere nicht nur sich nach einer ge- wissen Bichtung hin entwickeln, die mit ihrer physiologischen Bedeutung im grössten Einklänge steht, sondern auch nur gewisse- Verrichtungen in ausschliesslicher Weise vollziehen. — Diese Erscheinung wurde von Leuckart, der sie in ausgedehnter Weise in ihrer Verbreitung im Thierreiche erläuterte, als Polymorphismus bezeichnet*). Wir un- *) Vergl. Leuckart, Ueber den Polymorphismus der Individuen, oder die Er- scheinungen der Arbeitstheilung in der Natur. Giessen 1851. — Die Erklärung der Complication der Siphonophoren aus dem Gesetze der Ar- beitstheilung ist zwar vom teleologischen Standpuncte aus genügend, allein es fragt sich, ob dieser Standpunct in der Naturforschung der richtige ist. — Die Arbeits- theilung zeigt im Grunde nur das physiologische Verhältniss der einzelnen Formen zu einander an und nimmt, als ausschliessliches Princip angenommen, zu wenig Rücksicht auf die Unterordnung der zu einem Ganzen verbundenen und von einem Willen beseelten Theile. Der letztere Umstand gestattet uns auch, die Siphonopho- renstöcke als physiologische Individuen anzusehen, sowie wir auch einen Baum oder Strauch als Individuen ansehen, wenn auch vielfache morphologische Individuen in ihm aufgehen. V Ca r u s unterscheidet schon biologische und morphologische Individuen. Morphologie der Hydroiden und Siphonophoren. 101 terscheiden an einem polymorphen Thierstocke, wie die Siphonophoren solchen darstellen, um eine längere oder kürzere, als gemeinschaftlicher Stamm erscheinende Axe (Fig. 17a) gereiht: Individuen, die derLocomo- tion dienen, die sogenannten Schwimmglocken (m), Individuen zur Er- nährung, die sogenannten Polypenleiber*), Magen der Golonie (n), Fig. 4 7. Fig. 17. A. Diphyes carnpanulata. B. Eine Gruppe von Anhangsgebilden vom Stamme derselben Diphyes. C. Physophora hydrostatica. D. Einzelnes Schwimmstück derselben. E. Weibliche Geschlechtstraube von Agalma Sarsii. a. Stamm oder Achse der Colonie. a Luftblase, m. Schwimmstücke, c. Höhle in denselben, von einer contractilen Membran ausgekleidet, v. Canäle in der Wand der Schwimmstückhöhle, o. Oeffnung des Schwimmstücks, t. Deckstücke (bei C in Taster umgewandelt), n. Mägen. «.Senkfäden, g. Geschlechtsorgane. *) Da in allen Stöcken die individuellen Bestandtheile einer S/phonophoren- Colonie sich nicht allein höher organisirt zeigen, als die erste Generation der Hy- 102 Coelenteraten. tastende Individuen, unausgebildeten Magen ähnlich, die noch nebenbei als Reservoirs für die allgemeine Ernährungsflüssigkeit dienen und bei der Contraction des ganzen Stockes oder einzelner Partieen desselben die aus dem Canalsystem der sich zusammenziehenden Theile rückströ- mende Flüssigkeit aufnehmen, die Fühler ; ferner schuppen - oder blatt- artig gestaltete, oder auch polyedrisch gebildete Individuen mit vorherr- schender Entwicklung der gallertartigen Grundsubstanzen . die Deck- stücke (£), welche als Schutzorgane über den verschiedenen anderen Thei- len angebracht sind; endlich die Geschlechts-Individuen {g), an welchen die verschiedenen Entwickelungsstadien des Medusentypus am prägnan- testen sich offenbaren, und die mit der zweiten Generation der Hydroi- den am vollkommensten übereinstimmend sind. Alle diese polymorphen Gebilde können mit Hinsicht ihrer verschiedenen Functionen für die ge- meinsame Colonie als Organe gelten, absolut betrachtet müssen sie jedoch als Individuen angesehen werden, und zwar als Individuen, die nur in einseitiger Ausbildung von dem allgemeinen, ihnen sämmtlich zu Grunde liegenden Bauplane abgewichen ; aber dennoch in dem , was von diesem Plane sei es endgültig, sei es nur vorübergehend zur Entwickelung kömmt, ihre morphologische Bedeutung zur Genüge offenbar werden lassen. Was speciell die Geschlechtsproducte erzeugenden Individuen an- geht, so ist auf diese das bei den Hydroiden Angeführte in vollster Weise anwendbar, und es finden sich hier alle jene Gradationen der morpho- logischen Ausbildung wieder, die mit einer einfachen, nur Zeugungsstoffe einschliessenden Knospe beginnen , und unter allmählicher Betheiligung des im Stocke sich ausbreitenden Gastrovascularapparates, von dem Ca- näle (den Radiärcanälen der Medusen analog) in die Umhüllung der Knospe hineinwachsen, sowie unter allmählicher Ausbildung der übrigen Attribute des Medusentypus, — nämlich des glockenförmigen Mantels, des Velums oder der Randmembran, und der centralen, dem Magen entspre- chenden Höhlung — sich bis zu einer relativ hohen Entwicklungsstufe er- heben, auf der angelangt sie vom Stocke sich zu trennen, und kurze Zeit auch ohne Entfaltung von Organen der Nahrungsaufnahme ein selbstän- diges Leben zu führen im Stande sind. Beispiele hiefür liefern die me- dusiformen Geschlechtsgemmen der Diphyiden*). Endlich schliesst auch hier bei den Siphonop hören die morphologische Reihe der durch Sprossung am Stocke entstandenen geschlechtlichen Individuen mit voll- kommenen Medusen, die in keinem wesentlichen Puncte von den selb- ständigeren Formen dieser Ordnung unterschieden sind und die, wie droklen, so dürfte die Bezeichnung »Schwimmpolypen« nicht völlig passend erschei- nen. Es sind vielmehr schwimmende Medusenstöcke, was von Leuckart mehrfach begründet worden ist. *) Die relativ hohe Selbständigkeit der Geschlechtsgemmen der Diphyes hat zuerst Sars beobachtet. Fauna ütloralis Norvegiae. Heftl. 184 6. Echinodermen. 103 auch viele Medusen -Sprösslinge der Hydroiden , erst längere Zeit nach der Ablösung Geschlechtsorgane in sich entwickeln, wofür die Velellen als Beispiele anzuführen sind. Dritter Abschnitt. Echinodermata. §• '1 fi- lm Radiärtypus an die Coelenteraten sich anschliessend, zeigt die Abtheilung der Echinodermen eine Reihe von wichtigen Characteren, welche sie als eine scharf abgegränzte Thiergruppe erscheinen lässt. Der in der Leibeshöhle liegende Darmcanal, der gegen letztere immer abge- schlossen erscheint, scheidet die Echinodermen wesentlich von den Coe- lenteraten , sowie die Verkalkung der die Leibeshöhle umschliessenden Körperhülle [Perisom) , im Zusammenhalte mit der radiären meist nach der Fünfzahl geordneten Körperanlage gegen die höher stehenden Thier- abtheilungen eine sichere Gränzmarke abgibt. Eine der wesentlichsten Eigenthümlichkeiten ist aber das Vorhan- densein eines mit der Aussenwelt direct oder indirect in Verbindung ste- henden Canalsystems, welches regelmässig im Körper sich vertheilend mit einer Reihe nach aussen vortretender und nach aussen hin auch im- mer geschlossener Anhänge , den sogenannten Saugfüsschen , communi- cirt, und dieselben durch von aussen aufgenommenes Wasser zu schwel- len im Stande ist. Diese Anhangsgebilde sind immer vom Munde aus in radiärer Richtung über den Körper vertheilt, und die Reihen derselben werden wegen ihrer Beziehungen zur Locomotion der Thiere als Ambu- lacra bezeichnet. Der Mund bezeichnet die Bauchfläche des Thieres , die gegenüber- stehende entspricht dem Rücken. Nach der Ausdehnung der Ambulacra, die stets den Hauptradien des Körpers folgen , zerfällt die Körperober- fläche in eine ambulacrale und antiambulacrale, welche eine relativ sehr verschiedene Grösse besitzen können. Wenn man von einer idealen Grundform des Echinoderms, welches dann eine Kugelform vorstellen würde , ausgeht , so lassen sich alle Echinodermenformen hieraus ent- wickeln, je nach der Ausdehnung, welche man denAmbulacren zutheilt. Es zerfällt die Glasse der Echinodermen in folgende Ordnungen und Familien. 104 Echinodermen. Ueber sieht der Classen der Echinodermen. 1. Crinoidea. Pentacrinus, Comatula. 2. Asleroidea. a) Ophiurida. Astrophyton. Ophioderma, Ophiolepis, Ophiothrix, Ophiocoma. b) Asterida. Aster acanthion, Solaster, Asteriscus, Aslrogonium, Aslropeclen, Luidia. 3. Echinoidea. a) Echinida. Echinus, Cidaris, Echinometra. b) Clypeastrida. Clypeaster, Laganum, Sct/tella, Galerites. c) Spatangida. Spatangus, Dysaster. 4. Holothurioidea. a) Holothurida. Holothuria, Pentacta. b) Synaptida. Synapta, Chirodota. L i t e i" a t u r. Tiedemann, Anatomie der Röhrenholothurie, des pomeranzenfarbigen See- sternes und Stein-Seeigels. Landshut 1 81 6. Agassiz, Monographie d'Echinodermes vivans et fossiles. Neufchatel 1838 — 42. Davon vorzüglich die letzte Lieferung, enthaltend : Valentin, V Anatomie du genre Echinus. F o r b e s , a history of british Starfishes. London 1841. J. Müll er und Troschel, System der Ästenden. Braunschweig 1842. J. Müller, Ueber den Bau des Pentacrinus caput medusae. Abhdlg. der Berlin. Acad. 1843. Quatrefages, Anatomie der Synapta Duvernaea in Ann. d. sc. nat. Ser. IL m T. 17. 1842. J. Müller, Anatomische Studien über die Echinodermen in dessen Archiv. 1850. Derselbe, Die Erzeugung von Schnecken in Holothurien. Berlin 1852. Derselbe, Ueber den Bau der Echinodermen; in Abhandl. der Berl. Acad. 1853. Wichtigste Schrift über Echinodermen vorzüglich mit Berück- sichtigung ihrer Morphologie. (Auch im Auszug in Müller's Archiv 1853.) §• <7: Körperbedeckung und Bewegungsorgane. a) Vom Integumente und dem Hautscelet. Die Echinodermen sind vor allen übrigen Thierclassen durch eine besondere Bildung ihrer Körperintegumente ausgezeichnet, indem bei allen durch eine Ablagerung von Kalk die Beweglichkeit der Körper- hülle mehr oder minder beeinträchtigt ist. So findet man das Perisom bald nur von einzelnen , eine mannichfaltiee , zumeist aber äusserst re- Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 105 gelmässige Gestalt darbietenden Kalkkörperchen durchsetzt, und da- durch die Beweglichkeit des Körpers entweder gar nicht oder nur in ge- ringem Grade gemindert, bald sind die einzelnen Kalkkörperchen zu grösseren Platten vereinigt, die wieder durch Weichtheile miteinander verbunden sind, und so noch Form Veränderungen der Körperumrisse zulassen, ja es können sogar die einzelnen Kalkstücke durch Gelenkbil- dung vereinigt sein , woraus eine noch grössere Beweglichkeit der betreffenden Theile resultirt. Endlich liefert die Verbindung der Kalk- plattenstücke durch Nähte dem Körper eine völlig feste Umhüllung und lässt Schalenbildungen hervorgehen, welche als äusseres, in seinen ein- zelnen Theilen unbewegliches Scelet die höchste Vollkommenheit zeigen und nur zum Durchtritte einzelner Organe mitOeffnungen versehen sind. Wenn auch diese Bildung eines Hautscelets oder überhaupt die Kalkablagerung in die Körperhülle oder das Perisom als typisch für die Echinodermen angesehen werden muss, so dass wir jene Formen, in de- nen der höchste Grad dieser Sceletbildung erreicht ist, als den Echino- dermen-Typus in dieser Hinsicht am vollkommensten darstellend be- trachten müssen , so darf doch nicht verkannt werden , dass vorzüglich dadurch, dass jene Echinodermen, in denen die Verkalkung des Perisoms am geringsten entwickelt ist (H o 1 o t h u r i e n nnd S y n a p t e n) , sich auch durch eine Anzahl anderer Organisationsverhältnisse einer höheren Thier- abtheilung (den Würmern) annähern , gerade in der vollständigen Ver- kalkung des Perisoms ein relativ niederer Typus ausgedrückt ist*). — Die verkalkten Stellen des Perisoms sind äusserlich oder auch inner- lich noch von einer besonderen, freilich oft sehr dünnen, weichen Haut- schicht überzogen, -sowie auch alle Theile des festen Hautscelets noch im organischen Zusammenhange mit dem Integumente stehen, und stets von einem reichen Maschenwerke zierlicher Canäle durchzogen sind. An vie- len Stellen des weichen Körperüberzugs kommt daher auch Wimperung vor, und die sogenannten Semitae der Spatangen sind durch breite oder schmälere bewimperte Strassen dargestellt, die zum Munde führen. Es kann aber auch die weiche Schicht sich leicht ablösen, so dass dann die verkalkten Theile zu Tage kommen, wie dies z. B. an den Stacheln der Seeigel geschieht. Obgleich ein specieller.es Eingehen auf die mannich- faltige Bildung des Hautscelets ins Gebiet der Zoologie gehört, so muss doch das Verhalten dieser Theile in den einzelnen Echinodermengruppen auch hier erwähnt werden. Ein vollständig unbewegliches Hautscelet besitzen die Echiniden, die wir wegen der einfacheren Körperform und der regelmässigeren An- *) Hierdurch sei jedoch keineswegs gesagt, dass nur hierin die stufenmässige Entfaltung des Echinoderms zu einem höheren Typus erkennbar sei, vielmehr kommt noch eine grosse Reihe anderer Verhältnisse, wie die radiäre Anordnung der Organe, das Festsitzen des Körpers u. s. w. in Betracht, die alle Merkmale der nie- dern Echinodermenformen vorstellen, und von denen sich jene an der Gränze ste- henden Formen zum Theile schon losgelöst haben. 106 Echinodennen. Ordnung der äusseren Organe zum Ausgangspunct wählen können, um so mehr, als sich der Echinodermcharacter in ihnen am vollständigsten ausspricht. Durch Verkalkung eines Theiles des Integumentes entsteht eine Anzahl von tafelförmigen durch Nähte eng an einander gefügter Plätt- chen, die äusserlich zusammen noch von einer dünnen , weichen Haut- lage überzogen sind. Die Tafeln sind zumeist in Reihen angeordnet, im Ganzen aber je nach den verschiedenen Familien verschieden gruppirt. Wo mit dem Integumente bewegliche Stacheln verbunden sind, treten diese auf höckerförmigen Erhebungen der Kalktäfelchen ein , wobei der Grösse des Stachels entsprechend auch der ihn tragende Höcker ent- wickelt ist. Jene Tafeln des Hautscelets , welche Saugfüsschen tragen, Fig. -18. sind von feinen Oeffnungen durchbohrt, welche die letzteren mit dem sie schwel- lenden Apparate, dem Wassergefässsy- steme, inVerbindnng setzen. DieVerthei- lung der Saugfüsschen über die Körper- oberfläche ist daher schon am festen Sce- lete ersichtlich, und indem die durchbohr- ten Tafeln, die man alsAmbulacralplatten bezeichnet, in Reihen angeordnet sind, entstehen Ambulacralreihen (Fig. 18. a). Man findet bei den Echiniden fünf Paare dieser Reihen in fünf von dem durch die Afteröffnung (Fig. 18. sc) bezeichneten Apicalpole an meridianartig gegen den Mundpol verlaufen und durch undurchlöcherte Platten (Interambu- lacralplatten, die ebenfalls 5 Reihenpaare, die Interambulacralfelder (Fig. 18. 2) vorstellen, getrennt*). — Rei den in gegenwärtiger Schöpfungs- Fig. 18. Apicalpol der Schale eines Echinus mit den oberen Enden der Plat- tenreihen. a. Ambulacralfelder. i. Interambulacralfelder. g. Genitalplatten, ig. Interge- nitalplatten. m. Eine als Madreporenplatte erscheinende Genitalplatte, x. Afteröff- nung in dem von den Genitalplatten umgebenen Apicalfelde. — Die Höcker der Plat- ten sind nur auf einem Interambulacralfelde und einem Ambulacralfelde gezeichnet, auf letzterem sind auch die Poren angedeutet, auf den übrigen vieren weggelassen. *) Bei den unregelmässigen Eohinoiden wird fast immer durch die Anordnung der Ambulacralfelder eine bilaterale Symmetrie angedeutet, wobei vier der Ambula- cralfelder sich ganz symmetrisch verhalten. Es lassen sich bei den Echinoiden so- wohl wie bei allen 5 strahligen Echinodermen die Ambulacralfelder in 2 Gruppen vertheilen, 3 bilden das Trivium, die beiden übrigen das Bivium, welche aus der Lage des Afters zu erkennen sind. Dieser liegt nämlich in der Regel zwischen den Radien des Biviums, näher oder entfernter dem Munde, oder kann sogar auf den mittlen, unpaaren Radius des Trivium hinüberrücken, so dass er also immer in die Theilungsebene fällt, welche man durch den unpaaren Radius des Triviums legt. In der obenstehenden Fig. 18 wurde das Bivium durch die beiden nach hinten ab- wärts gerichteten Ambulacralfelder aa dargestellt, das Trivium durch die 3 nach vorn oder oben gerichteten, deren mittlerem die Afteröffnung Ix) genähert ist. — Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 107 periode lebenden Echiniden sind die Inlerambulacralplatten nur in zwei Reihen angeordnet, während fossile Seeigel deren eine viel grössere Zahl, 3, 5 bis 7 nachweisen lassen*). — Bei den Spatangiden und Cly- peastriden sind in den Platten des Hautscelets zweierlei Poren vor- handen , grössere und kleinere , oft von unendlicher Feinheit. Die von grösseren Poren durchbohrten Platten reihen stellen eine fünfblättrige Rosette vor [Ambulacra petaloidea) , die auf der Rückenfläche der Schale sichtbar ist, und in der Fortsetzung dieser Ambulacralfelder gegen den Mundpol zu als auch in der Mitte der Rosettenfelder (Clypeastriden) sind die feinen Poren angebracht**). Andere von Oeffnungen durchsetzte Plattenstücke sind die am Api- calpole gelagerten, hier finden wir solche, welche mit einer grös- sern Oeffnung versehen (Fig. 18. g) am Ende der Interambulacralfel- der stehen, es sind dies die Genitalplatten, denn die Oeffnung führt zum Geschlechtsapparat ; dazwischen liegen noch andere , die man als Inter- genitalplatten bezeichnet hat (Fig. 18. ig) und deren Oeffnung einen Ner- ven durchlässt, der zu einem als Sehorgan gedeuteten Pigmentflecke tritt. Auch die sogenannte Madreporenplatte wäre hier anzuführen (Fig. \8.in), doch wird von ihr beim Wassergefässsystem noch weiter die Rede sein. Die Bildung der Kalkplatte um den Mund ist bei den Echiniden eine unvollständige, so dass hier das Integument weicher erscheint und nur einzelne Kalktäfelchen einschliesst. In den Asteroiden ist das Integument um vieles beweglicher, in- dem die der Ventralfläche des Thieres zugekehrten, eine längs der Radien des Thieres verlaufende Furche (die Tentakelrinne) umfassenden Kalk- stücke durch Gelenke unter einander verbunden sind. Sie stellen je eine Reihe von paarigen Gliedern vor, die unter allmählicher Verjüngung sich vom Munde aus bis zur Spitze der Arme erstreckt. Es sind diese Glieder die Analoga der Ambulacraltafeln der Echinoiden. Die zwischen den einzelnen Gliedern befindlichen Lücken lassen die Saugfüsschen hervor- treten und entsprechen somit den Ambulacralporen der Seeigel. Somit ist dieser Theil des Hautscelets, der den Boden der Tentakelrinne bildet, nicht als ein selbständiges inneres Scelet anzusehen, sondern es erschei- nen nur diese Theile des Ambulacralfeldes in die Höhlungen des Armes eingestülpt, wodurch eben jene Furchenbildung zu Stande kömmt, in welche noch Weichtheile (Nerven und Ambulacralcanal) , die bei den Echinoiden innerhalb des festen Gerüstes liegen, eingebettet sind. In *) Von grosser Wichtigkeit ist die hier einschlägige Entdeckung Joh. Mül- lers, dass auch Seeigel existirten, deren schuppenartige Plattenstücke be- weglich unter einander verbunden waren. (Abhdlg. der königl. Acad. der Wis- sensch. in Berlin 4 857.) **) Auf der Venlralfläche einer Abtheilung der Clypeastriden sind es vom Munde auslaufende, sich öfters theilende halbrinnenartige Vertiefungen, in welche die Poren der Ambulacralcanäle sich öffnen, so dass durch sie der ventrale Abschnitt der Ambulacralfelder angedeutet wird. 108 Echinodermen. den Verhältnissen der Ambulacralfelder der Echinoiden und Aste- roiden bestehen daher wesentliche Verschiedenheiten, die in der Weise formulirt werden können, dass bei den Seeigeln das die Nerven undAm- bulacralcanäle überziehende Perisom verkalkt, während bei den Seester- nen die unter dem Ambulacralcanal und Radialnerv vom Perisom ab- gehenden Fortsätze verkalken (das Gerüste der Ambulacralrinne bildend), indess der diese Rinne und die inliegenden Organe überkleidende Theil des Perisoms in weichem Zustande verbleibt. Manche Echinoiden (z. R. Cidaris) liefern dadurch Vermittlungsformen, dass von ihren Ambula- cralplatten Fortsätze nach innen gehen und, Nerven wie Ambulacralcanal umfassend , als die wahren Homologa der wirbelartigen Ambulacral- tafeln der Asterien sich herausstellen. Das übrige Integument der Seesterne ist verschiedenartig mit Kalk imprägnirt, bald nur in Form von Körnchen, bald Tafeln oder Schilder darstellend. Kalktafeln schliessen sich in der Regel an den Rand der Ten- takelrinne an und stellen einfache oder doppelte Längsreihen vor, welche mit den Ambulacralstücken correspondiren. Auch auf die Rückenfläche setzt sich zuweilen die Täfelung fort, oder es verbinden sich die Kalk- depositionen zu netzartigen Rildungen, in deren Lücken weiches Gewebe eingelagert ist. Tuberkelbildungen in grösserem oder geringerem Maasse sind häufig auf dem Rücken des Integumentes angebracht und können auch in Stachelbildungen übergehen. Die Integumentbildung der Ophiuren schliesst sich eng an jene der Asterien an, der Rückentheil des Körpers besitzt selten eine ausge- dehnte Kalkplattenentwicklung, meist kommen diese hier nur gegen die Rasis der Arme hin vor. Kalkeinlagerung in Form von Granulis , selbst Stachelbildungen sind häufig; auch an der Rauchseite sind nur um die Mundspalte und zwischen den Armbasen Täfelungen angebracht, dagegen entfernt sich das feste Gerüste der Arme in manchen Stücken um einRe- trächtliches von jenem der eigentlichen Seesterne. Jedes Paar der das Innere der Arme beinahe ganz ausfüllenden Am- bulacralplatten ist nämlich fest unter sich verbunden , und die äusserste Integumentschicht überkleidet diese Wirbelreihen von der Armbasis an fast vollständig, so dass nur auf der dorsalen Seite ein enger Ganal, auf der ventralen Fläche eine Rinne zur Aufnahme des Nerven und des Ambula- cralcanals übrig bleibt. Die Leibeshöhle mit ihren Contentis erstreckt sich daher hier nicht in die Arme hinein, wie bei den Asterien. Auch wird die Ambulacralfurche ihrer Länge nach noch von einer Reihe fester Kalkschilder überdeckt , zu denen noch seitliche andere derselben Reihe hinzutreten, und den Seitentheilen der AmbulacralstUcke fügen sich endlich noch mancherlei Stachel- und Schuppenbildungen an*). *) Die nordische Gattung Brisinga vermittelt in dieser Hinsicht die Abtheilun- gen der Ophiuren und Seesterne, indem ihre Arme bezüglich des Baues der Ambulacralfurche sich an die der Seesterne, durch den scharfen Absatz gegen die Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 109 Auch bei Asteroiden mit dichotomisch getheilten Armen [Asiva- phyton) birgt die lederartige Körperbedeckung eine von ihr ausgehende und wie bei den Ophiuren und Seesternen der ventralen Seite an- gehörige Sceletbildung. die aus wirbelartigen Kalktäfelchen besteht und vom Munde aus in die Radien sammt deren Theilungen sich fortsetzt. Die Körperscheibe wird auf ihrem Rücken nur von der mit Kalkkörnchen imprägnirten Haut umschlossen, und diese setzt sich auch auf die Radien fort, die auf ihrer ventralen Fläche die Ambulacralfurche aufweisen. Die Ordnung der Grinoiden lässt in der Bildung des Hautscelets insofern eine noch beträchtlichere Verschiedenheit erkennen, indem allen bis auf Pentacrinus, Comatula und Holopus ausschliesslich frühern Schö- pfungsepochen angehörenden Gattungen ein Stiel zukömmt, mit dem diese Thiere am Boden festgeheftet waren. Dieser Stiel fehlt nur der Gat- tung Comatula im völlig entwickelten Zustande, die jungen Individuen sind aber damit ausgestattet und verhalten sich so ganz ähnlich wie die Mehrzahl der fossilen Grinoiden und der lebenden Pentacrinus. Der Stiel entspringt von jener Fläche des kugligen oder kelchförmi- gen Körpers , welche der Dorsalfläche der Asteroiden analog ist und welche, wie bei den letzteren, der Ambulacren entbehrt, so dass sie bei einem Vergleiche mit den Echinoiden nicht der ganzen Rückenfläche dieser Thiere , sondern nur dem ambulacrenlosen Apicalpole zur Seite gestellt werden darf. Fünfeckige verkalkte Stückchen, die mit ihren platten Flächen durch Bandmasse verbunden sind und sämmtlich von einem centralen Canale durchbohrt werden, setzen den Stiel zusammen. Sie sind hie und da mit seitlich abgehenden, gegliederten feinen Ranken versehen. Solche Ranken sind bei den Comatulen auch an den Körper des Freithieres gerückt und umsitzen jene Stelle, an der es in früheren Stadien an einem Stiel befestigt war. An dem eigentlichen Körper bilden eine Anzahl polygonaler, mit ihren Rändern aneinander gefügter Kalk- plättchen eine feste Umhüllung. Fünf derselben, die Basalstücke, verei- nigen sich an der Ansatzstelle des Stiels. (Sie fehlen dem der Coma- tulen, und ihre Stelle vertritt hier ein einfaches rundliches Knopfstück.) Weitere 5 Kalktafeln umgränzen den vordem Theil des Körpers und die- nen (als Radialstücke) auch den Armen zu Insertionen. Die Arme sind zu Paaren mittels einiger Zwischenstücke den Radialstücken aufgefügt. Sie werden, wie der Stiel, von kürzeren oder längeren Cylinderabschnitten gebildet, die gleich dem Stiele beweglich unter einander verbunden sind*). Sowohl auf den durch Dichotomie gebildeten Aesten der Arme (Pen- tacrinus), als auch auf den alternirend an den Armen stehenden seitlichen Zweigen (Pinnulae der Comatula) findet sich die Ambulacralfurche, Körperscheibe an die Ophiuren anschliessen [Fauna littoralis Norvegiae von Sars, TCoren und Danielsen 2. Heft, 1856). *) 5 Armpaare besitzen Comatula und Pentacrinus , sowie die meisten fossilen Gattungen. Armlos waren auch die ältesten Echinodermen, die Cystocrinien, nicht. — 110 Echinodermen. welche sich von der Armbasis aus, mit der des Nachbararmes verschmol- zen, über die Ventralfläche des Kelches bis zum Munde hin erstreckt. Das alle Scelettheile überziehende weiche Integument trägt hier noch Kalktäfelchen, die auch auf der Ventralseite noch vorhanden sind. Wenn so bei Echinoiden, Asteroiden und C r i n o i d e n durch die Entfaltung des vom Perisom ausgehenden Scelets , welches in den beiden letzten Abtheilungen durch Ueberlagerung von Seite der Nerven und Ambulacralcanäle sogar theihveise zu einem inneren wird, das Ty- pische der Echinodermenform in fortschreitender Ausprägung sich zeigt, wobei besonders auch die Armentwicklung und die dadurch deutlicher an den Tag tretende Radiärform des Körpers in Betracht kommen muss, so treten diese beiden Verhältnisse, Sceletbildung und Radiärentwicke- lung, auffallend zurück in der Ordnung der Holothurioiden. Es kann zwar die oft sehr gestreckte Walzengestalt dieser Thiere nicht schwer auf die Kugelform der regelmässigen Echinoiden zurückgeführt werden, wobei der von Tentakeln umstellte Mund dann an derselben Stelle lagert wie der Mund der Echiniden und die Afteröffnung dem Apicalpole ent- spricht, sowie auch die meridianartig vom Apex zum Mundpole laufenden Ambulacralreihen vieler Holothurien das Uebereinstimmende des Typus anstreben : allein die Entwickelung einer Seitenfläche des Körpers zur Sohle (Bauchfläche) widerspricht der vollkommenen Homologie und bahnt den Uebergang zu einer bilateralen Symmetrie an, die unter den Echi- niden nur durch die extrapolare Lage des Afters innerhalb des Biviums der Ambulacralfelder ausgesprochen war. — Das Hautscelet der Echinodermen wird unter den Holothu- rien nur durch unzusammenhängende Kalkeinlagerungen in die meist derbe, lederartige Haut repräsentirt. Diese Haut besitzt bei den eigent- lichen Seewalzen eine oft beträchtliche Dicke und wird vielfach von den entweder zerstreut stehenden oder in fünf regelmässigen Längsreihen angeordneten Oeffnungen für die Saugfüsschen (Ambulacralreihen dar- stellend) durchbrochen. Die Kalkeinlagerungen besitzen meist eine regel- mässige Form, stellen in der Regel kleine, flache, von Oeffnungen durch- brochene Plättchen dar, die nur selten grössere, feste Schuppen, wie am Rücken der Cuvieria squa- mata, zusammensetzen. Auch ramificirte Concretionen , sowie regel- mässige, einem Rade vergleichbare Gebilde, kom- men vor (bei Chirodota). In der dünnen Haut- schicht der Synapten sind die gefensterten Kalkplättchen (Fig. 19. B) noch zuweilen mit an- kerförmigen über die Körperoberfläche hervorragenden Gebilden ver- Fig. 19. A. Kalkanker und B. Kalkplatte, ersterem zur Befestigung dienend, aus rler Haut von Synapta lappa (nach .1. Müller). Korperbedeckung und Bewegungsorgane. 111 sehen (A), denen sie als Basis dienen, und durch welche die Haut dieser Thiere eine gewisse Rauhigkeit erhält*). Mit den Integumenten in inniger Verbindung stehen noch mancher- lei Organe, unter denen ausser den später bei dem Wassergefässsysteme näher zu beschreibenden Ambulacralbildungen vor allen die Stachel- bildungen anzuführen sind. Während diese bei den Asteroiden nur blosse Fortsätze des Hautscelets darstellen*'*), somit keiner selbstän- digen Bewegung fähig sind, erscheinen sie bei den Echinoiden beweg- lich eingelenkt, und mit einem besonderen Muskelapparat , der von der Stachelbasis an das Scelet inserirt, ausgestattet. Von den feinen lan- zettförmigen Stacheln der Spatangen bis zu den kolbenförmigen, co- lossalen Stacheln oder den langen Spiessen von Cjdaris, finden sich alle Uebergänge vor. Der Grösse und Entwicklung der Stacheln ist immer die Grösse des Tuberkels entsprechend, auf welche jene eingelenkt sind, so dass man schon von der blossen Kalkschale auf die Entfaltung der Stachelbekleidung schliessen kann. Andere Hautorgane eigenthümlicher Natur stellen die Pedicella- r ien vor. Es sind dies durch einen von einem Kalk- Fi c/ 9 0 netze gestützten Stiel mit der Haut verbundene Kör- per, welche aus 2 — 3 zangenartig gegen einander sich bewegenden Klappen gebildet sind und als Greifor- gane dienen (Fig. 20. A. B.). Sie finden sich bei den Echiniden und Asteriden, und zwar bei den ersten die dreiklappigen , bei den letzten die zwei- klappigen Formen vorwiegend , deren jede wieder je nach der speciellen Beschaffenheit der Klappen in besondere Abthei- lungen zerfällt wird. Sie kommen über den ganzen Körper zerstreut vor, finden sich bei den Seesternen besonders um die Basis der Sta- cheln , bei den Seeigeln vorzüglich reichlich auf der den Mund umge- benden Haut vertheilt ***) . Eine innere Sceletbildung kommt nur in sehr wenigen Fällen Fig. 20. Pedicellarien von Echinus saxatilis. A. Eine Pedicellarie mit offenen Zangenarmen. B. Mit geschlossenen Zangenarmen (nach Er dl). *) Auch in Gruppen beisammenstehende Nesselzellen, die an jene der Coelen- teraten sich anschliessen, sind in der Haut von Synapten beobachtet. **) Häufig ist das Ende eines Stachels mit einem Büschel verkalkter Borsten versehen und bildet so eine Pa xilla. Die Verbreitung dieser Gebilde ist am häu- figsten auf dem Rücken der Seesterne. ***) Diese Körper, die mehrfach für selbständige parasitische Organismen ange- sehen wurden, dürfen wohl als modificirte Stachelbildungen anzusehen sein, etwa derart, dass der nicht vollständig verkalkende Stiel der Pedicellarien dem Stiele einer Asteriden -Paxilla entspräche, das auf letzterer befindliche Büschel von Stachelchen aber durch die Branchen der Ped ic ellarien dargestellt werde, die ähnlich durch Muskeln bewegt werden, wie dies auch bei Echinidenstacheln der Fall ist. 112 Echinodermen. zu Stande, und besteht dann immer aus einer Anzahl fester Stücke, die den Anfangstheil des Darmes umgeben, und in verschiedenem Grade an der Herstellung eines Kauapparates sich betheiligen. Mit einem solchen sind die Echinide-n und Clypeastriden versehen, während bei den Holothurioiden das innere Scelet nur als kalkiger Mundring erscheint, der den Körpermuskeln als Insertionsstelle , anderen Organen als Stütz- punct dient. Er besteht entweder aus 10 Stücken wie bei den Holo- thuriden, oder auch 12 — 15 wie bei den Synapten. Bei den er- steren alterniren fünf grössere Stücke mit ebenso vielen kleineren und sind mehr oder minder beweglich mit ihnen verbunden ; und können in ihren einzelnen Stücken auf jene desMundscelets der Echiniden (vergl. weiter unten) zurückgeführt werden. — b) Von der Musculatur. Die Anordnung der Musculatur ist im Wesentlichen von der Entfal- tung des Hautscelets abhängig, so dass sie nur da, wo der Körper durch Gelenkverbindungen der einzelnen festen Stücke, wie bei Asteroiden und Crinoiden, oder durch nur unzusammenhängende Kalkablage- rungen der Integumente , wie bei den Holothufien, eine Verände- rung seiner Form zulässt, zu einem Systeme von Körpermuskeln ent- wickelt ist. Den Echinoiden, bei denen das Perisom zu einer festen aus un- beweglich verbundenen Stücken bestehenden »Schale« erstarrt ist, fehlt deshalb eine solche Musculatur , und wir finden hier nur einzelne Mus- keln auf der Schale zur Bewegung der Stacheln oder stachelartige Fort- sätze , sowie die im Innern des Körpers vorhandenen nur zur Bewegung bestimmter Organe dienen, wTie z. B. die Muskeln des Kauapparates der Echiniden. Bei den Asteroiden und Crinoiden dagegen sind besondere Muskeln zur Bewegung der festen Badienglieder vorhanden, sie sind in der ersten Ordnung in die Zwischenräume der festen Armglieder ein- gelagert, von einem Gliede zum andern verlaufend; in den Crinoiden, deren Sceletstücke ohne bedeutende Zwischenräume und nur durch ela- stisches Gewebe verbunden sind, verlaufen kleine Muskeln auf der am- bulacralen oder Bauchfläche der Radien und dienen vorzugsweise zur Beugung. Am meisten ausgebildet ist die Musculatur der Holuthurioiden, denen in der Formveränderung des Körpers eine viel grössere Freiheit gegeben ist, als allen übrigen Echinodermen. Unter der Haut liegt nämlich, dicht mit ihr verbunden, eine Ringmuskelschicht, aufweiche noch innen fünf durch verschieden breite Zwischenräume getrennte mus- culöse Längsbänder folgen , die sich vorne an dem schon oben beschrie- benen, um den Mund liegenden festen Kalkring inseriren. Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 113 c) Vom Ambulacralsy steme als locomotorisc her Apparat. Während die eben beschriebene Musculatur bei der grösseren Mehr- zahl der Echinodermen nur einen relativ geringen Antheil an der Lo- comotion hat, und nur bei den Holothurien, besonders den fuss- losen (wie z. B. den Synapten) , eine höhere Bedeutung für die Orts- veränderung dieser Thiere besitzt, so existirt bei nahebei allen E c h i n o- dermen noch ein anderer Bewegungsapparat, der in viel höherem Grade als locomotorisches Organsystem fungirt, wenn auch seine ganze mor- phologische Anlage ihn einer anderen Organreihe, den Athmungsorga- nen , einreihen lässt; es ist deshalb bei letzteren das Nähere darüber zu finden, und es sollen hier nur die äusserlich hervortretenden Theile be- rücksichtigt werden. Es sind dies die Saugf'üsschen (Ambulacralfüsschen) cylindri- sche oder kegelförmige, hohle und mit musculösen Wandungen versehene Fortsätze des Integumentes , die meist in regelmässigen Beihen den oben auseinandergesetzten Ambulacralradiend folgen am Körper vertheilt sind, und durch das mit ihnen in Verbindung stehende Wassergefässsystem ge- schwellt werden können. Jedes der Ambulacralfüsschen steht mit einer in dem Integumente befindlichen Oeffnung in Verbindung, und wo Ver- kalkungen des Perisoms vorkommen, werden die Kalkplatten von ent- sprechenden Poren (Ambulacralporen) durchsetzt. Da die unter diese Ambulacralgebilde zu rechnenden Organe, d. h. die über die Körperoberfläche sich erhebenden Blindschläuche, deren Lumen mit den Wassergefässen communicirt, sei es durch ihre Lagerung oder durch ihren Bau , nicht alle als Organe der Ortsbewegung gelten können, sondern auch sämmtlich noch andere Verrichtungen, wie z. B. die der Respiration, vermitteln helfen, so ist espassender, die ganze ihnen zu Grunde liegende Einrichtung bei dem Wassergefässsystem, von dem sie einen nicht unwesentlichen Theil ausmachen, auseinanderzusetzen und hier nur der locomotorischen Thätigkeit zu gedenken. Die Füsschen sind entweder cyl indrisch, am Ende abgeplattet und hier mit einer saugnapfartigen Bildung ausgestattet, die häufig noch durch innere Kalk- plättchen, oder durch eine einzige, aber netzförmig durchbrochene Kalk- scheibe gestützt wird ; oder sie sind gegen das Ende zu conisch zuge- spitzt oder abgerundet , zuweilen auch noch mit einer knopfartigen An- schwellung versehen. Auch solche kommen vor, in denen man seitliche Einkerbungen oder Ausbuchtungen wahrnimmt (bei Ophiuren) , und diese bilden dann den Uebergang zu jenen Formen der Ambulacralge- bilde, die nicht mehr locomotorisch sind, sondern als Ambulacralkiemen oder auch als Ambulacraltaster (fühlerartige Bildungen) erscheinen. Durch die Anfüllung mit Wasser von Innen aus gerathen die Füss- chen in den Zustand der Schwellung und werden in Folge dessen erigirt, so dass sie sich mehr oder minder weit ausstrecken. Ihre Ausdehnung richtet sich nach der Länge der starren Integumentanhänge, deshalb sind Gegenbaur, vergl. Anatomie. 8 114 Echinodermen. längsten Saugfüsschen bei den langstacheligen Seeigeln anzutreffen. Beim Strecken heftet sich das Ende fest, und das Füsschen vermag nun, sich contrahirend, den Körper des Thieres nach der Anheftungsstelle hin fort- zuziehen, eine Art der Ortsbewegung, die namentlich bei Seeigeln oft ziemlich behend ausgeführt wird. Es betheiligt sich bei der Bewegung immer eine ganze Gruppe von Füsschen, durch deren Zusammenwirken eine gewisse Energie ermöglicht wird. — Echinoiden, Asteroiden, Crinoiden und die meisten der Holothurioiden sind mit solchen Saugfüsschen versehen ; fusslos sind nur die Syn apten , bei denen die Einzelnen (Synapta Duvernaea) zukommenden Saugnäpfe der Tentakeln vielleicht eine locomotorische Bedeutung besitzen. — Bei jenen Echinodermen, deren Badien zu Armen entwickelt sind (Ophiuren, Euryaliden, Comatulen) kann durch die Be- wegung derselben gleichfalls eine Locomotion des Körpers zu Stande kommen, doch sind als Haupt factoren hier immer noch die Saugfüsschen anzusehen — Der wurmähnlich gestaltete Körper der Syn apten ver- mag durch die Thätigkeit der Hautmusculatur wurmartige Bewegungen auszuführen. §• 18. Organe der Empfindung. a) Vom Nervensysteme. Das Nervensystem der Echinodermen wird in seinen Haupt- theilen aus einer Anzahl — meist 5 — im Verlaufe der Badien liegender Stämme dargestellt, die um den Schlund durch Commissuren unter ein- ander verbunden sind. Jeder einem Ambulacrum entsprechende und mit den Ambulacralgefässen verlaufende Nervenstamm theilt sich in der Nähe des Mundes in zwei dünne Hälften , die im stumpfen Winkel nach beiden Seiten gehen und mit den ihnen vom nächsten Nervenstamme entgegenkommenden Strängen verschmelzen*). Der auf diese Weise zu Stande kommende Schlundring, der in der Begel eine pentagonale Ge- stalt besitzt, wird also bloss aus Commissuren gebildet, und die centra- len Theile sind in den Nervenstämmen zu suchen, welche auch in der Mitte ihres Verlaufes — bei den Seeigeln — am stärksten sind und nach beiden Enden hin abnehmen. Von Joh. Müller sind dieseStämme tref- fend als »Ambulacralgehirne« bezeichnet worden**). *) Die Nerven der Echinodermen sind häufig durch Pigmente ausgezeich- net, und erscheinen orange oder violett. Vergl. über das Nervensystem der Echi- nodermen vorzüglich Krohn, Müller's Archiv 1841.. **) Auch die histologischen Verhältnisse stimmen mit dieser Deutung vollkom- men überein, denn M. Schnitze hat einer mündlichen Mittheilung zufolge in den Ambulacralstämmen reiche Ganglienzellenmassen, in den Gommissuren nur faserige Elemente beobachtet. Organe der Empfindung. 115 Fis. 21. Es ist somit derNervenring um denMundder Echinodermen kei- nesfalls dem Schlundringe der Würmer, Arthropoden und Mollus- ken an die Seite zu setzen, da bei diesen immer Centralorgane — Gang- lien — in seine Bildung eingehen, und dadurch einen viel höheren Grad der Gentralisirung der Organe ausdrücken. Von den Nervenstämmen entspringen jederseits zahlreiche Zweige, die vorzüglich für die verschiedenartigen Ambulacralgebilde bestimmt sind. Bei den Crinoiden und Asteroiden liegen die Nervenstämme ausserhalb des Ambulacralscelets der Arme , und zwar bei den ersteren unter der von Weichtheilen gebildeten und nur von Kalkplättchen ge- stützten Ambulacralrinne, wo sie am Ursprünge jeder Pinnula eine kleine Anschwellung zeigen. Von den Bauchschildern der Arme verdeckt ver- laufen die Nervenstämme der Ophiuren, während sie bei den eigent- lichen Seesternen in der nur von Weichtheilen ausgekleideten Am- bulacralrinne eingebettet sind. — Das Nervenpentagon der Echiniden ist bei der mit einem Kau- apparate versehenen Gruppe, dem letzten eng angelagert. So liegt es bei Echinus über dem Boden der Mundhöhle, zwischen dem Oesophagus und den Spitzen der Stücke des Kauapparates , und wird durch fünf Band- paare in dieser Lage befestigt. Die Ner- venstämme begeben sich von den Ecken des Pentagons in die Zwischenräume der Py- ramidenstücke, und verlaufen von hier aus über die Mundhaut hinweg zu den Ambu- lacralfeldern. In der Mitte ihres Verlaufes zeigen sie eine starke Verbreiterung, und sind zugleich durch eine Medianfurche in zwei Seitenhälften getheilt. Die von den Hauptstämmen abgehenden Seitenäste ent- sprechen in ihrem Verlaufe den Aesten der Ambulacralgefässe. Die Anordnung des Nervensystems der Spatangen ist eine ähnliche, doch bildet der Mund- ring ein ungleichschenkliges Pentagon. Der kreisförmige Mundring der Holothurien liegt dicht vor dem Knochenkranze, und wird nach vorne von der Mundhaut begränzt. Da er stärker ist als jeder der aus ihm hervorkommenden fünf Nerven- stämme, also verschieden von den anderen Echinodermen, so mag ihm wohl eher die Bedeutung eines Centralorganes zukommen und auch hierin eine Annäherung an die Thiere mit ganglionärem Schlundringe zu erkennen sein. Die abgehenden Nervenstämme treten durch je eine in Fig. 21. Nervensystem von Echinus lividus (nach Krohn), der Kauapparat ist entfernt, ä. Querdurchschnittener Oesophagus, b. die Commissuren der Nerven- stamme, einen polygonalen Schlund ring darstellend, c. Die nach den Radien verlau- fenden Nervenstamme (Ambulacralgehirne). d. Bänder, welche die Spitzen der Py- ramiden des Kauapparates aneinander heften. 116 Echinodermen. den fünf grösseren Knochenstücken befindliche Oeffnung oder Spalte, und verlaufen dann, breiter werdend und eine Medianfurche aufweisend in der Mitte auf deu Längsmuskelstämmen, unter beständiger Abgabe feiner Zweige bis zum Hinterleibsende, wo ihre Breite in der Gegend der Cloake wieder abnimmt. Mit den Längsstämmen entspringen auch vom Nerven- ringe Zweige für die Tentakeln, die namentlich bei den Synapten durch J. Müller nachgewiesen sind. b) Von den Sinnesorganen. Von Sinnesorganen sind ausser den schon oben angeführten, dem Tastsinne vorstehenden Gebilden (den Saugfüsschen , Pedicel- larien und den Mundtentakeln) keinerlei als solche bestimmt sich kund- gebende Bildungen vorhanden. Von Gehör Werkzeugen ist noch keine Andeutung aufgefunden, und selbst die als Sehorgane betrach- teten , an bestimmten Körperstellen der Seeigel , Seesterne und Synap- ten vorkommenden rothen Pigmentflecke sind wegen des Mangels licht- brechender Medien noch problematisch. Diese Pigmentflecke sind bei den Asteroiden an der Spitze jedes Armes angebracht und zu ihnen tritt der Ausläufer des betreffenden Ner- venstammes. Bei den Seeigeln liegen sie auf fünf besonderen, zwischen den Genitalplatten auf dem Apex eingeschalteten Plattenstücken (den Intergenitalplatten J. Mülle r's, Ocellarplatten nach Agassiz) und wer- den ebenfalls von Nervenfädchen versorgt, welche hier die betreffende Platte durchbohren. Endlich sind auch bei den Synapten Augenflecke aufgefunden, die in der Nähe des Mundes zwischen den Tentakeln ange- bracht sind*). §• 19. Orgaue der Ernährung. a) Von den Verdauungsorganen. Wenn auch die allgemeine Bildung des Darmcanals der Echino- dermen sich vielfach von dem radiären Typus der Classe beherrscht zeigt, so gibt sich doch in dem stets vorhandenen Gegensatze , der zwi- schen Darmcanal und Leibeshöhle besteht, eine beträchtliche Verschie- *) Es muss natürlicher Weise dahingestellt bleiben, inwiefern diese Pigment- häufchen Augen sind oder nicht, allein von Belang bleibt immer, dass Nerven zu ih- nen treten und dass sie stets an solchen Körpertheilen angebracht sind, die dem Lichte sich zuwenden (die Armenden der A sterien sind bekanntlich immer mehr oder minder nach oben umgebogen, so dass die dort befindlichen Ocelli dem Lichte zugekehrt sind). Wenn nun auch die Entstehung eines Bildes unmöglich ist, so ist doch die Perception des Lichtes im Allgemeinen durch alle Umstände sehr wahr- scheinlich, und wir können demzufolge die Ocelli der Echinod ermen als nie- derste A u ;j; enbildu n ge n ansehen, wenn wir in der Zusammensetzung eines Auges einen lichtbrechenden Körper nicht als nothwendig postuliren. — Organe der Ernährung. 117 denheit von Bildung der functionell ähnlichen Organe der Coelentera- ten zu erkennen. Die Mundöffnung ist immer central gelagert; indem von ihrer Peripherie aus die schon oben bei den Integumenten berühr- ten Ambulacralbildungen ausstrahlen. Nicht so verhält sich die Lage des Afters, die nur bei den Asteroiden im Mittelpuncte der Rücken- fläche, oder bei Holothurien, andern, ersterem entsprechenden hinte- ren Körperende angebracht ist ; sonst ist sie dem Munde mehr oder min- der genähert. — Kauorgane, dieden Holothurioiden, Grinoiden und den Spa- tangen fehlen, sind bei den übrigen in mannichfacher Weise gebildet. Bei den Seesternen nämlich functioniren als solche harte, mit demPe- risom zusammenhängende Papillen, die noch weiter bei den Ophiuren ausgebildet sind . wo sie oft in übereinanderliegenden Reihen die gegen die Mundöffnung vorspringenden Winkel des ventralen Perisoms be- setzt halten. Es sind also eigentlich nur die modificirten Mundränder, welche hier das Kaugeschäft vollziehen. Die Clypeastriden und Echiniden sind dagegen mit einem complicirten Kauapparate ausgerüstet. Bei den ersteren besteht er, ein- facher gebildet, aus fünf Paar dreieckigen Knochenstückchen, je ein Paar immer mit einander vereinigt, und an der gegen die Mundöffnung gerichteten Spitze mit einem Schmelzzähnchen versehen. Sie sind so gelagert, dass die Zähnchen gegen einander gerichtet sind, und die Mund- öffnung zwischen ihnen hindurch geht. Nach demselben Plane erscheint der »Laterne des Aristoteles« benannte Kauapparat der Echini- den gebaut. Die fünf paarig verbundenen zahntragenden Stücke stel- len eine fünfseitige, mit der Basis nach oben sehende Pyramide vor, die vom Oesophagus durchzogen wird. An dem unteren zugespitzten Ende dieser Hauptstücke fügt sich ein starkes Schmelzzähnchen an. Die obe- ren Enden je zweier benachbarten Hauptstücke sind durch Schaltstücke verbunden, auf welchen noch bogenförmige, nach aussen und unten ge- richtete Bügelstücke aufliegen*). An diesem also ziemlich complicirten Kauapparate sind die einzelnen Theile noch durch Musculatur und Bänder unter einander verbunden, und besondere dünne Muskeln heften noch die äusseren Enden der Bügel, sowie breite Muskelplatten die obere äus- sere Kante der Pyramidenstücke an den Rand des Kalkscelets und be- wirken durch ihre Thätigkeit die Annäherung der unteren Enden der Zahnstücke, die hier von einander sich entfernen, wenn die von ih- nen aus an die Auricularfortsätze der Schale gehenden Muskelbündel thätig sind. — Als morphologisches Analogon dieses Kauapparates , aber keines- *) Indem jedes der zahntragenden Hauptstücke aus 2 seitlichen dreieckigen Stücken besteht, denen noch zwei Ergänzungsstücke aufliegen, und auch der Bügel aus 2 Theilen, einem äusseren und einem inneren Stücke besteht, wird der ganze Apparat inclusive der 5 Zähne aus 40 Stücken zusammengesetzt. Vergl. hierüber H. Meyer in Müll. Archiv 1849. 118 Echinodermen . wegs mehr dessen Function besitzend, ist der um den Mund der Hole-- thurien gelegene Kalkring anzusehen, der, innerhalb der Integu- mente, also nicht mehr aus verkalkten Per i so m theilen hervorgegan- gen, und dem Hautscelete angehörig ist, vielmehr wie dasMundscelet der Echiniden und Clype'astriden eine innere, selbständig vom äus- seren bestehende Sceletbildung darstellt. Der eigentliche Darmcanal besitzt bei allen Echinodermen dünn- häutige Wandungen und stellt am einfachsten gebildet bei den Ophiu- ren einen weiten seitlich ausgesackten Schlauch vor, der hier nur auf die Höhle der Körperscheibe be- schränkt ist und des Afters ent- behrt. Bei einer gleichfalls af- terlosen Abtheilung von See- Sternen (Astropecten , Luidia, Ctenodiscus) , ist der Magensack nur durch lange , oft vielfach gefal- tete oder gelappte Blindschläu- che , die sich zu je zwei in die Arme erstrecken , ausgezeich- net, und nur dadurch von den Ophiuren verschieden. Die übrigen mit einem After verse- henen Seesterne besitzen ausser diesen vomMagenausgehendenBa- diärblindschläuchen (Fig. 22. h.) noch verschieden gestaltete, so- gar verästelte Blindschläuche , die von dem kurzen und engen an den Bücken tretenden Enddarme, den Interradien entsprechend, abgehen, und auch als Interradialschläuche bezeichnet werden. Sie erstrecken sich niemals in die Arme, und sind schon dadurch von den vorigen un- terschieden *) . Bei allen übrigen Echinodermen, mit Ausnahme von einigen S y - napten, beschreibt das Darmrohr, ehe es zum After tritt, mehre Win- dungen , und wird in diesem Falle durch ein Mesenterium an die Kör- perwände angeheftet. Diese Mesenterialbildung wird bald durch ein- zelne Fäden bewerkstelligt, die in regelmässigen Absätzen entspringen Fig. 22. Asteriscus verrueulatus, von der Rückenseite geöffnet, a. After. i. Rosettenförmig erweiterter Darm. h. Schlauchförmige Radialanhänge des Darms. g. Genitaldrüsen. *) Die Zahl dieser Coeca beschränkt sich bei einigen Seesternen [Solaster, Aste- racanthion u. a.) auf zwei, bei anderen (z. B. Archaster) sind deren fünf vorhanden, wovon jeder wieder aus einem Paare sich zusammensetzen kann. — Auch bei den af- terlosen Seesternen fehlen die Analoga der Interradialschläuche nicht. Sie werden bei Astropecten durch zwei in den Magengrund mündende gekrümmte Blinddärm- chen dargestellt. Organe der Ernährung. 119 (Echin oiden) , bald wird sie durch eine membranöse Lamelle herge- stellt (H o 1 o t h u r i o i d e n) , die bei einigen (S y n a p t e n) sogar Muskel- elemente aufweist. Man kann am gesammten Darmcanale einen engeren Anfangstheil als Munddarm oder Oesophagus, einen darauf folgenden wei- teren, der eine sehr verschiedene Länge besitzt, als Magen, und auch einen meist kurzen letzten Abschnitt als Enddarm unterscheiden. Eine Eigentümlichkeit empfängt die Form des Darmrohrs bei den Comatulinen, indem hier der um eine in die Leibeshöhle einragende Kalkspindel gewundene Magendarm , von einer an letzterer vorsprin- genden Leiste eine Strecke weit derart eingestülpt wird, dass sein Lu- men in zwei über einander gelegene , jedoch nicht völlig getrennte Ab- schnitte sich theilt. Blindsackartige, als Ausstülpungen der Darm wände erscheinende An- hänge sind verschiedenartig vorhanden, und erscheinen am einfachsten in den Ausbuchtungen des Darmrohrs der Echiniden, die erst bei den C lypeastriden [Laganum) zu wirklichen Blinddärmen werden, und als solche in die von den Stützpfeilern der Kalkschale abgegränzten Leibeshohlräume hineinragen, indess Comatitla und die Spatangen nur mit einem einzigen grösseren Blindsacke am Anfangstheile desDarm- canals versehen sind. — Das Vorkommen eines stark musculösen Pharynx nähert die Bil- dung des Darmcanals der Holothurien jener der Würmer, und dies wird noch auffälliger bei vielen Sy na pten , deren musculöser Darm- abschnitt eine grössere Ausdehnung besitzt und dabei als Magen fungirt. Der fast gerade verlaufende Darm der letzteren (Synapten und Chi- rodoten) mündet ohne alle Anhänge am Hinterleibsende nach aussen, dagegen ist das Ende des in eine Doppelschlinge gelegten Darmes der Holothurien (Fig. 24. i.) wiederum durch seine Musculatur ausgezeich- net (Fig. 24. d.) und erscheint als besonderer, Cloake benannter Ab- schnitt, in welchen noch zwei oder auch mehre baumartig verästelte Organe einmünden. Vom morphologischen Gesichtspuncte aus müssen diese bisher meist als »Lungen« bezeichneten und als innere Athemor- gane angesehenen Organe (Fig. 24. r.) mit den Anhängen des Enddarms der Asterien (s. oben) verglichen werden*), mag auch ihre Bedeutung eine andere sein. Sie werden aus zwei Hauptstämmen gebildet, die sich dicht vor ihrer Einmündung in die Cloake vereinen, und durch die ganze Länge der Körperhöhle nach vorn erstrecken, überall von meist zahlrei- chen und verästelten Blindschläuchen besetzt. Von ihren Verrichtungen ist nur die sichere Thalsache beobachtet, dass durch die Oeffnungen der Cloake Wasser in sie eingepumpt und dann durch die musculösen Wandungen desOrganes wieder ausgestossen wird, eine Eigenschaft , welche auch bei den interradialen Darmanhängen der *) Joh. Müller vergleicht die analen Blinddärmchen der Ast eroiden mit den Cuvierschen Oreanen der Holothurien (siebe darüber unten). 120 Echinodermen. Seesterne vorzukommen scheint, so dass dadurch die Analogie die- ser Organe sich vervollständigt **). Als specifische den Speicheldrüsen oder dem galle berei- ten den Apparat der höheren Thiere an die Seite zu stellende Organe sind beiden Echinodermen nur wenige ermittelt, namentlich gilt dies von Speicheldrüsen, während als Leber vielfach die ganze Innenfläche des Darmcanals functionirt, und derselbe zu diesem Behufe, wie auch bei vielen Würmern , mit einer gefärbten Zellenschicht ausgekleidet sich darstellt. Am bestimmtesten dürften noch die blinddarmartigen Anhänge des Magens der Seesterne als gallebereitende Organe anzusehen sein (Fig. 22. A.), indem sie häufig mit secundären deutlich als drüsige Gebilde er- scheinenden Blinddärmchen besetzt sind, und auch die einfacheren For- men eine gelbbraune oder gelblich gefärbte Drüsenschicht nachweisen lassen. b) Von den Kreislaufsorganen. Die oft und lange stattgefundene Verwechslung der hier einschläg- lichen Canäle mit den Bahnen eines anderen Apparates, nämlich des Was- sergelasssystems , verursacht durch die Zartheit der Wandungen beider Systeme, hat eine vollständige Erkenntniss bis jetzt unmöglich gemacht, und die einzig genauen Ermittelungen reihen sich vielfach an die Tie de- in an'schen Untersuchungen an Seesternen und den Holothurien an, aufweichen Joh. Müller, oftmals verbessernd, fortgebaut hat. Vor Allen muss angeführt werden, dass den Echinodermen ein Blutgefässsystem zukommt,, welches, allem Anscheine nach, ein völlig *) Dieses von Stimpson [Synopsis of the marine Invertebr. of Gr. Manan 1853), bei Pteraster militaris beschriebene Verhalten würde mit dem von den Holo- thurien schon längst bekannten analogen, nur die weitere Ausbildung einer sehr verbreiteten Erscheinung sein. Bei Würmern , Mollusken und auch bei Insecten (Libellenlarven) findet ein ähnliches Ein- und Auspumpen von Wasser durch die Analöffnung statt, das Wasser strömt jedoch nur in den Darm. Hier aber wird der Wasserstrom in besondere Organe geleitet, die als Appertinentien des Darmrohrs sich darstellen und einen gewissen Grad von Selbständigkeit besitzend , die ganze Einrichtung als eine höher potenzirte erscheinen lassen. Wir können sie, von ihrem physiologischen Werthe Umgang nehmend, als eine Einrichtung auffassen, die bei den Holothurien ihre grösste Entfaltung zeigt, unter den Würmern nur bei den Sipunculiden sich in homologer Weise findet, dagegen bei vielen anderen niederen Thieren nur an das Endstück des Darmes selbst gebunden ist. Ausser der Function der Wassereinführung ist vielleicht noch die Bedeutung eines Excretionsorganes in den Anhängen des Enddarmes vorhanden, welche beide Beziehungen auch bei den Würmern und Mollusken in einem und demselben Organe sich finden, aber nicht mehr mit dem Darmcanale in Verbindung stehen. Dessen- ungeachtet lässt sich auch nach dieser Seite hin eine morphologische Verwandt- schaft, namentlich mit dem Excretionsorgane der Würmer, erkennen, worüberin dem Abschnitte über die Excretionsorgane Näheres gesagt wird. Organe des Kreislaufs. 121 abgeschlossenes ist. und namentlich in keiner Weise mit dem Wasserge- fässsysteme communicirt. Es folgt auch dies System in seiner Anord- nung der radiären Anlage und wird, soweit bis jetzt erkannt, aus einem den Anfangstheil des Darmes (Mund oder Oesophagus) umkreisenden Ga- nale dargestellt, der theils vom Darme kommende Gefässe aufnimmt, theils mit einem anderen Blutgefässringe in Verbindung steht, welche Communication dann als pulsirender Schlauch erscheint und einem Herzen zu vergleichen ist. Da die Beziehungen des Blutgefässsystems zu den Athmungsorganen noch keineswegs festgestellt ist, so kann nicht von Venen und Arterien die Rede sein , die ganze Einrichtung scheint vielmehr dahin zu zielen , die vom Darme aus gebildete Ernährungsflüs- sigkeit in den übrigen Körper überzuführen , während für die Vermitte- lung der Respiration des Blutes allerwärts Anordnungen getroffen sind. In den einzelnen Abtheilungen der Echinodermen verhält sich die Lagerung der bis jetzt bekannt gewordenen Blutgefässe in folgender Weise : Unter den Crinoiden, wo die Circulationsverhältnisse wohl am unvollkommensten erkannt sind, sieht man ein herzartiges Säckchen, welches sowohl in die hohle Ase der Arme , als auch in die Cirrhen (bei Gomatulen) und bei Pentacrinen in den Stiel Aeste abschickt, als Centralorgan an. Es liegt im Grunde des Kelches verborgen. Vollständiger stellen sich die Blutcanäle bei den Asteriden dar; der den Mund umziehende Kreiscanal liegt dicht unter dem Nervenringe, lässt in die Basis der Arme Aeste eintreten , und steht durch einen con- tractilen Schlauch mit einem weiter gespannten Gefässringe unter der Dorsalfläche des Integumentes in Verbindung. Der contractile Verbin- dungsschlauch ist das Herz des Seesterns. Vom letzterwähnten Ringe gehen sowohl an den Nahrungscanal als auch in die Radien paarige Aeste ab, deren weiteres Verhalten noch ferner zu erforschen bleibt. Der Mundringcanal der Seeigel liegt wie der des Wassergefäss- systems am Oesophagus an der Basis des Kauapparates, und sendet einen, bei Echinus im Innern cavernös gebauten, bei Cidaris einfacheren Herz- schlauch zum entgegengesetzten Pole , wo er wieder in einen einfachen oder doppelten, den After umgebenden, weiten und zartwandigen Ring- canal sich einsenkt. Aus beiden Gefässringen gehen Aeste an benachbarte Organe ab, und namentlich sind die den Darm auf seiner ganzen Länge begleitenden anzuführen. Von den Blutgefässen der Holothurien ist nur der eine Ring, der Mundring, bekannt; von ihm aus gehen Aeste an die Speiseröhre nach aufwärts , sowie ein Darmgefäss ab , welches letztere , längs dem Darme verlaufend, sich an demselben vielfach verzweigt ; die aus dessen Wur- zeln sich sammelnden Gefässe umspinnen theilweise die eine der baum- artigverzweigten Lungen, und gehen nachher erst in einen grossen Blutca- nal über, der sich aus den Verzweigungen aller Darmgefässe zusammen- 122 Echinodermen. setzt. Ein Abschnitt des Darmgefässes wird als Gentralorgan anzuse- hen sein. Im Wesentlichen dieselbe Anordnung scheint bei den Synapten vor- handen zu sein, und Unterschiede werden, wegen des Fehlens der Lun- gen, nur durch die einfachere Anordnung der Darmgefässe dargestellt, deren eines längs der Insertion des Mesenteriums , das andere an der entgegengesetzten Seite verläuft. Die Blutflüssigkeit der Echinodermen ist klar, und scheint nur spärliche Formelemente — Blutzellen — einzuschliessen. Auch die in der Leibeshöhle der Echinodermen vorhandene Flüssigkeit muss dem ernährenden Fluidum beigezählt werden, da sie keineswegs blosses Wasser ist, wenn auch durch eine bestehende Communication der Lei- beshöhle mit dem umgebenden Medium eine Zumischung von Wasser si- cher existirt *). c) Vom Wasser gefäs ssysteme. Es ist schon oben bei der Darstellung der Ambulacra und der damit in Verbindung stehenden über die Oberfläche des Perisoms sich erhe- benden Gebilde eines Apparates gedacht worden , dessen augenschein- lichste Function in der Einführung von Wasser besteht. Mit dem umge- benden Medium communicirende Oeffnungen besorgen die Aufnahme des Wassers, welches in ein complicirtes Ganalsystem tritt, um von da aus den ambulacralen Gebilden zugeleitet zu werden, und selbe in den Zu- stand der Erection zu versetzen. Wie diese Einrichtung, z. B. die Schwellung der Saugfüsschen , auf die Locomotion influenzirt, ist gleichfalls oben auseinander gesetzt. Es gibt aber auch noch andere bei der Locomotion unbetheiligte Gebilde, z. B. die Tentakeln der Hol o- thurien, welche dennoch von diesem Wassergefässsysteme versorgt werden, und die deshalb den Ambulacral-Bildungen im Allgemeinen zu- gezählt werden müssen ; daraus geht aber auch hervor, dass die Bedeu- tung dieses Apparates eine mehrfache ist, so dass wir ihn als eine im Plane des Echinoderms mit begründete, typische Einrichtung betrachten müssen, die selbst in jenen Fällen nicht fehlt, wo von einer Locomotion *) Leydig vergleicht die Flüssigkeit in der Leibeshöhle der Lymphe, sieht da- her die ganze überall, auch am Mesenterium, Darm, Herzbeutel u. s. w., mit Wim- pern ausgekleidete Cavität als einen Lymphraum an (Lehrb. d. Histologie pag. 4 43). Aus Gründen, die einer vergleichenden Betrachtung entstammen, kann jedoch hier die Frage aufgeworfen werden, ob nicht diese Höhle einen Theil des Blutgefässsy- stemes vorstelle, die Flüssigkeit selbst Blut sei, gleichwie andere Thiere (Mollusken u. s. w.) gleichfalls grosse mit Blut gefüllte Cavitälen besitzen. Dass noch beson- dere Blutgefässe am Darme vorkommen, ist nicht dagegen sprechend, und auch das Vorkommen von Cilien an den "Wänden ist dieser Anschauung kein Hinderniss, zudem noch gar nicht bekannt ist, inwiefern zwischen Wasser- und Blutgefässsy- stem nicht doch noch eine, wenn auch ganz peripherische Verbindung existirt. Wassergefässsystem. 123 durch Sangfüsschen, einfach wegen des Fehlens der letzteren, nicht wohl die Rede sein kann *) . — Es lässt das Wassergefässsystem bei allen Echino der nie n einen zuleitenden Apparat, durch welchen die Einführung des Wassers ver- mittelt wird , und eine Reihe das eingeführte Wasser in die einzelnen Körperpartien des Thieres vertheilender Bahnen unterscheiden , wozu noch mehrfache Anhangsgebilde kommen, die für die allgemeine Einrich- tung von mehr untergeordneter Bedeutung sind. Ein immer den Anfangstheil des Nahrungscanais umziehender Ring- canal stellt den Centraltheil der Wasserbahn vor, und lässt von seiner Peripherie eine Anzahl — in der Regel fünf — radiär verlaufende Ca- näle (Fis. 23. r.) abtreten, die unter Absendung seitlicher einfacher, oder wieder verzweigter Aeste längs der Ambulacra verlaufen. Die Endigung dieser Aeste oder ihrer Zweige ist in den Ambulacralanhängen — den Saug- füsschen oder ihren Analogis. — Die Einführung von Wasser in das Ringgefäss wird durch einen canalar- tigen Fortsatz [m) vermittelt, dessen Wandungen häufig kalkige Einlage- rungen enthalten, und der deshalb mit dem Namen »Steincanal« be- zeichnet wird. Der Steincanal hängt entweder frei vom Ringgefässe in die mit der Aussenwelt communicirende Leibeshöhle, und nimmt von hier aus durch vielfache feine Poren das Was- ser auf, oder er tritt durch die Lei- beshöhle, und geht, auf seinem Ver- laufe überall geschlossen, zum ver- kalkten Perisom, um sich hier mit einer porösen Kalkplatte — der Ma- dreporenplatte — in Verbindung zu setzen. Durch die Madrepo- renplatte wird dann das umgebende Wasser ebenso eingelassen, wie das in der Leibeshöhle enthaltene Wasser durch die Poren des Steincanals eindringt, wenn letzterer sich mit keiner Madreporenplatte verbindet. Fig. 23. Schematische Darstellung des Wassergefässsystemes eines See- sternes, c. Ringcanal. ap. Poli'sche Blasen, m. Madreporenplatte. m . Steinca- nal. r. Radiär angeordnete Hauptstämme (Ambulacralcanäle). r . Seitliche Verzwei- gungen, p. Saugfüsschen. a. Ampullen derselben (die Ambulacralcanäle mit ihren Anhängen sind nur zum Theil gezeichnet). *) Es geht auch hieraus die Rechtfertigung der selbständigen Betrachtung dieses Apparates hervor. 124 Echinodermen. Die Wände des Steincanales sind in diesem Falle nach Art der Madrepo- renplatte gebaut, sie sind die Analoga derselben. Sowohl Madreporen- platten und die damit verbundenen Steincanäle , als auch die frei in die Leibeshöhle ragenden madreporenartig construirten Steincanäie variiren sehr in der Zahl. Endlich sind mit dem Canalsysteme noch hohle blasenförmige An- hänge in Verbindung, und zwar grössere birnförmige Blasen (Fig. 23. ap.) am Ringcanale, die als Poli'sche Blasen bezeichnet werden, dann noch an dem Uebergange der Ambulacralcanäle in die Saugfüsschen kleine, immer in die Leibeshöhle ragende Ampullen (Fig. 23. a.), die als Erweiterungen oder Ausstülpungen der Ambulacralcanaläste genom- men werden können , beiderlei Gebilde dienen als Reservoirs für das in den Canälen strömende Wasser, derart, dass bei einer Einziehung der Saugfüsschen sich immer deren Ampullen füllen, sowie bei einer Aus- streckung derselben zunächst das Wasser der Ampullen sie schwellt. Was die Ampullen für die einzelnen Saugfüsschen sind, leisten die Poli'- schen Blasen desRingcanals für das gesammte Canalsystem, so dass hier- durch eine viel rascher erfolgende Action der Ambulacralgebilde , sei es Schwellung oderRetraction, möglich ist, als wenn das zurErection jedes einzelnen Füsschens nothwendige Wasserquantum bei jeder Ausdehnung erst von aussen her durch den Steincanal oder die Madreporenplatte ein- genommen werden müsste. — Dieser Thätigkeit der Ampullen der Saug- füsschen und der Poli'schen Blasen des Bingcanals entspricht auch die Contractilität ihrer Wandungen, in denen eine Muskelschicht nachzuwei- sen ist. Ausserdem sorgt noch ein überall im Wassergefässsystem ver- breitetes Flimmerepithelium für die Vertheilung und den steten Wech- sel des Wassers, so dass also hiermit auch respiratorische Zwecke erfüllt werden. Diese in ihrem allgemeinen Plane angeführte Einrichtung zeigt in den verschiedenen Ordnungen der Echinodermen folgende bemer- kenswerthe Verschiedenheiten : Unter den Asteroiden besitzen die Ophiuren einen an einer der den Mund umgebenden Tafeln sich inserirenden Steincanal, der aber das Wasser aus der Leibeshöhle aufnimmt, da das betreffende Mund- schild nicht zur Madreporenplatte umgebildet, niemals porös ist. Die Madreporenplatte ist somit functionell durch den Steincanal dargestellt, während das morphologische Aequivalent in jener undurchbohrten Mund- platte gesucht werden muss. Am Bingcanale erweitert sich der Stein- canal ampullenartig, so dass hieraus, sowie aus dem Umstände, dass er wie eine jede der vier Poli'schen Blasen zwischen dem Abgange zweier Ambulacralcanäle sich inserirt, seine Bedeutung als ein morphologisches Aequivalent einer Poli'schen Blase erschlossen werden kann. Die Saug- füsschen der Ophiuren sind ohne Ampullen. Bei den übrigen Aste- roiden, also den eigentlichen Seesternen mit den Astrophyton, in- serirt sich der Steincanal immer an einer Madreporenplatte , die in der Wassergefässsystem. 125 Regel auf der Dorsalseite in einem Interradius des Körpers liegt. Auch Vermehrungen der Madreporenplatte von 2 — 5 kommen hier vor , doch wechselt dies Verhältniss selbst bei den Arten der einzelnen Gattungen. — Der Steincanal verläuft immer in der Nähe des herzartigen Schlau- ches. Die Ambulacralcanäle laufen — wie oben beim Hautscelet ange- deutet — über dem Scelete der Arme , in die Ambulacralfurche einge- senkt, und senden hier ihre Aeste an die zwischen den seitlichen Fort- sätzen der Wirbelstücke des Ambulacralscelets entspringenden Füsschen, während die Ampullen der letzteren durch die Spalten zwischen den Wirbelstücken hindurchdringen und so ins Innere des Armes zu liegen kommen. Die Anzahl der Poli'schen Blasen variirt beträchtlich*). Die Echinoiden besitzen die Madreporenplatte immer ä*m Apicalpole; ent- weder ist eine der Genitalplatten, oder deren mehrere, oder es ist auch noch eine Intergenitalplatte zur Madreporenplatte umgewandelt, oder sie stellt endlich eine besondere Platte vor (bei den Clypeastriden). Der Steincanal erscheint bald weich (Echinus), bald mit festen Wandun- gen versehen (Cidaris). Der Ringcanal, an dem fünf Poli'sche Blasen an- gebracht sind**), liegt bei den Seeigeln an der Basis des Kauapparates und sendet die Ambulacralcanäle nach abwärts, von wo sie dann an die Ambulacren ausstrahlen. An der Innenseite der Schale einem jeden Am- bulacralfelde entlang verlaufend vertheilen sich die Aeste der Ambula- cralcanäle an die Poren und versorgen, ampullenartige Erweiterungen bildend, die hier entspringenden Saugfüsschen oder deren Aequiva- lente***). In den Holothurioiden hat der Steincanal, der im Larvenzustande des Thieres mit der Körperoberfläche verbunden war , diese Verbindung gelöst und hängt vom Ringcanale aus frei in die Leibeshöhle. Seine Wan- dungen sind verkalkt, so dass er eine feste Kapsel vorstellt, oder sie tra- gen nur stellenweise Kalkeinlagerungen. Gewöhnlich finden sich diese letzteren an jenen Stellen, welche durchbohrt erscheinen, somit der Ma- dreporenplatte der übrigen Echinodermen analog sind. Wenn der Stein- canal verästelt erscheint , ist das Ende jedes Astes mit einer Madrepo- renplatte versehen , und so kommen denn traubenförmige Bildungen zu Stande, die einer Summe um einen Steincanal gruppirter Ma- *) Bald sind es deren nur vier oder fünf, bald zehn, oder auch mehr, die dann in den Interradialräumen des Ringcanals in Gruppen vereinigt einmünden. **) Der Ringcanal der Spatangen entbehrt der Anhänge. ***) Die Ampullen sind besonders da stark entwickelt, wo die Ambulacralfelder Doppelporen aufweisen , wo also einem jeden Porenpaare ein Saugfüsschen ent- spricht, welches mit einer der Oeffnungen mit dem zuleitenden Wassercanale, mit der anderen Oeffnung mit einer Ampulle in Verbindung steht. Wo die Doppelporen weit auseinander gerückt sind, wie bei den Ambulacra petaloidea der Clypeastri- den und Spatangiden, ist die innere Ampulle dann auch von entsprechen- der Breite und erscheint im collabirten Zustande als eine hervorstehende Lamelle. Auch bei den E c h i n i d e n ist dies kenntlich (vergl. Fig. 26. a) . 126 Echinodermen. dreporenplaüen entsprechen. Wie die Bildung eines einzelnen Stein- canals, so wechselt auch die Zahl; häufig ist er nur einfach vorhanden, dann kommen, vornehmlich bei Synapten, auch wieder zahlreiche Steincanäle vor, die rings um die Peripherie des Kreiscanals vertheilt sind. Ebenso> wechselt die Zahl der Poli'schen Blasen, die von 1 — 100 vor- kommen können. Sehr zahlreich sind sie besonders bei den Synapten. Mit dem Bingcanale stehen noch eigenthümliche traubige Gebilde in Verbindung, die (auch bei den Asterien vorkommend) in ihren Endbläs- chen zitternde Körner einschliessen , in ihrer Bedeutung aber völlig un- bekannt sind. Die vom Bingcanale abgehenden Canäle*) laufen bestän- dig innerhalb des Knochenkranzes nach vorne und treten hier, zuweilen nach der Tentakelzahl sich verzweigend, zu den Mundtentakeln (bei Holothurien und Synapten), wo mit jedem eine den Ampullen der Saugfüsschen entsprechende blindsackartige Verlängerung in Verbindung steht. Es wurde oben schon auf die aus diesem Verhalten hervorgehende gleiche morphologische Bedeutung der Mundtentakeln mit den Saugfüss- chen hingewiesen und es wird dies noch dadurch bestärkt, dass bei den Echiniden ihre Stelle durch wirkliche, meist sehr grosse Saugfüsschen vertreten wird. Die Ampullen der Mundtentakeln' lagern sich aussen an den Knochenring und sind bei den Synapten nur durch unscheinende Bläschen repräsentirt**). Das System der Ambulacra als blind geendigter Anhänge oder Fort- setzungen des Perisoms , deren Inneres mit einem regelmässig angeord- neten Wassergefässsysteme in Verbindung steht, erscheint bei den Echi- nodermen als eine diese Thierabtheilung auszeichnende Einrichtung, die in allen übrigen Abtheilungen keine Homologien besitzt, so dass sie recht gut als ein unveräusserliches Merkmal desEchinodermtypus gefasst wer- den kann***). In functioneller Hinsicht bestehen zwischen den einzelnen Ambula- cralbildungen so viele Verschiedenheiten, dass, wenn man die Betrach- tung der einzelnen Körpertheile nach ihrer Verrichtung vornehmen wollte, morphologische Analoga unter die verschiedensten Organsysteme einge- reiht werden müssten. — Was die Vertheilung dieser Gebilde über den Körper der Echinodermen angeht, so folgt auch diese dem radiären Typus, der nur selten sich etwas verwischt, indem einige Badien bevorzugt er- *) Bei den ächten Holothurien gehen fünf Canäle vom Ringcanale ab, die sich über dem Knochenringe wieder in je 5 (also 25) Aeste auflösen, wovon immer die mittleren über den Knochenring umbiegend als Ambulacralcanäle zur Körperwand laufen, indess die übrigen (in Summa 20) zu den Tentakeln gehen. Bei den Sy- napten entspringen ebenso viele Canäle vom Ringcanale als Tentakeln vorhanden sind. **) Sie fehlen völlig den Hololhuriae dendrochirotae. ***) Eine Andeutung eines hieher zu rechnenden Wassergefässsystemes ist nur noch bei den Würmern {Gephyrea) anzutreffen, hat aber seine Bedeutung vollständig verloren. Wassergefässsystem. 127 scheinen, während an anderen die Ambulacralgebilde geringer entwickelt sind oder fehlen. — Wo die Verkalkung des Perisoms zur Bildung von Tafeln oder Plat- ten führt, oder auch aneinander gefügte Gliedstücke bildet, da pflegen die Ainbulacralbildungen diese festen Theile zu durchsetzen, und stehen hinter oder unter denselben mit einer der Leibeshöhle oder deren Fort- setzungen zugewendeten Reihe ampullenartiger Säckchen in Zusammen- hang, deren schon oben gedacht worden ist. Es ist demnach die Vertheilungder Ambulacren über den Körper auch an den Hartgebilden des Perisoms zu erkennen , indem bald gewisse Radien desselben (siehe oben) aus porentragenden Plattenstücken (Echi- noiden) oder alle Radien auf der Ventralfläche aus Knochenstücken, welche Spalten zwischen sich lassen (Aste ri den), zusammengesetzt sind. — Mit der physiologischen Bedeutung dieser Ambulacralgebilde steht in gewissem Grade auch ihre äussere Gestaltung in engem Zusammen- hange. Nach beiden, Gestalt und Verrichtung, kann man folgende Grup- pen unterscheiden , die freilich durch vielfache Uebergänge unter einan- der verbunden sind. I) L ocom otorisch e Fortsätze , eigentliche Ambulacral- füsschen, einfache cylindrische Röhrchen, die Ambulacralfelder (s. oben) einnehmend, am Ende mit oder ohne Saugscheiben. Sie sind bei allen Echiniden vorhanden, mehr ausgebildet auf der Bauchseite, auch auf der Mundhaut stehend, wo besonders bei Echinus fünf durch ihre Grösse sich auszeichnen. Gegen den Rücken zu tritt die Saugscheibenbildung zurück , es er- scheinen einfache, zugespitzte Formen. Bei den Spat an gi den sind die locomotivenFüsschen ebenfalls auf der Bauchseite verbreitet, und reichen nur am vordem Ambulacral-Ra- dius (mittlerer Radius des Triviums) bis auf den Rücken. Mit einer un- geheuren Zahl sehr kleiner Füsschen sind die Clypeastriden verse- hen, wo sie ebenfalls vorzüglich die Bauchfläche einnehmen*), aber von hier aus sich auch verschieden auf die Rückenfläche vertheilen. Die Bin- nenfelder der Ambulacra petaloidea sind gleichfalls mit locomotivenFüss- chen bedeckt. Unter den Asteriden bilden die locomotiven die einzige Form**) ; sie stehen in 2 oder 4 Reihen auf der Ventralfläche der Arme, ebenso kommen auch bei den Ophiuren nur locomotive vor, die hier zuweilen noch mit vielen seitlichen Ausstülpungen versehen sind und so ein traubiges Aussehen darbieten. Sie stehen in einfacher Reihe an der Seite der Arme und sind oft bis zu beträchtlicher Länge ausdehnbar. *) Sie finden sich hier abweichend von den übrigen Echinoiden auf ver- zweigten Porenfeldern angebracht. **) 4 Reihen besitzt Aster acanthion, 2 Reihen die übrigen Asteriden. Conisch sind sie bei allen afterlosen Seesternen (Aslro'pcclen, Ctenodiscus, Luidia), bei den mit einem After versehenen mit planer Endfläche ansgestattel. 128 Echinodermen. Hieran schliessen sich auch die Crinoiden. Sehr entwickelt sind die locomotiven Saugfüsschen bei den Holothurien, wo sie entweder in fünf Längsreihen (Pentacta) angeordnet oder über den ganzen Körper verbreitet, oder nur auf der Sohlflache des Körpers vorkommen. 2) A m bulacr algebi Ide zu Tastfüsschen moclificirt sind bei den Spatangiden vorhanden und bestehen aus einem ein Kalkstück- chen bergenden Stiele, der am Ende mit einer Anzahl gestielter Knöpfchen besetzt ist. 3) A mbula cralkiemen , Saugfüsschen von meist dreieckiger Form, deren Ende entweder lanzettförmig verbreitert und am Rande ein- gekerbt, oder gelappt, oder auch gefiedert erscheint, sind bei den Echinoiden mit rosettenförmig gruppirten Ambulacren {Ambulacra petaloidea) vorhanden und immer auf diesen vorkommend*). Ferner dürfendem ambulacralen Röhrensysteme zugerechnet werden eine Anzahl von Fortsätzen, welche in ihrer Bedeutung mehr den Tenta- keln anderer Thierclassen verglichen werden müssen , es sind dies die Mundtentakeln der Holothurioiden. Fingerförmig gelappte oder ver- zweigte contractile Röhren, die in bestimmter Zahl den Mund umstehen**) und die nadi dem Willen des Thieres — auf die oben angeführte Weise durch Füllung mit Wasser — ausgestreckt werden können. Jedem Ten- takel entspricht im Innern des Thieres eine mit ihm verbundene Blase — die Tentakelblase — die vollkommen den Ampullen der übrigen Arnbu- lacralfüsschen homolog erscheint. Die Mundtentakeln einer der Synapten [S. Duvernaea) sind an ihrer innern Seite auch noch mit Saugnäpfchen versehen. Die Form und Zahl dieser Tentakelbildungen ist in den einzel- nen Abtheilungen sehr verschieden; gefiederte, fingerförmig gelappte, oder dendritisch verästelte Bildungen kommen vor , und ihre Retraction wird durch einen besonderen Muskelapparat zu Stande gebracht. d) Von den Athmungso rga neu. Als Athmungswerkzeuge müssen bei den Echinodermen eine grosse Reihe, den verschiedensten Systemen angehörige Organe betrachtet wer- den; und vor allem ist wohl hier das Wassergefässsystem mit seinen am- bulacralen Anhangsgebilden anzuführen , indem gerade dieser Apparat durch seine vielfachen Verzweigungen im Innern des Körpers, durch die. vermittelst der Rewimperung der Innenfläche seiner Canäle angeregte stete Erneuerung von Wasser, sowie endlich durch die Bespülung seiner äus- seren, sehr oft wirklich kiemenartig gestalteten Anhänge (z. B. der Kie- menfüsschen) alle Anforderungen zu erfüllen scheint. Da jedoch die fei— *) Bei den Spatangiden die ganzen Ambulacra petaloidea einnehmend, bei den Cl y peas trid en nur auf die mit Doppelporen versehenen Randfelder vertheilt. **) Auch bei einem Theile der Clypeastriden sind am Mundrande jedes Am- bulacrums kleine Fühler vorhanden, die durch ihren Zusammenhang mit dem Was- sergefässsysteme ihre Bedeutung als Ambulacralhildungen offenbaren. Athmungsorgane. 129 nere Vertheilung der Blutgefässe bis jetzt fast gar nicht bekannt ist, und auch die den Ampullen der Saugfüsschen zugelegten Blutgefässnetze in neuerer Zeit (von Leydig) geläugnet werden, so bleibt gerade in derEr- kenntniss der hier wichtigsten Beziehungen des Wassergefässsystems eine Lücke , und wir können nur annehmen , dass , wie bei vielen anderen niederen Thieren der durch das Wassergefässsystem vermittelte Ath- mungsprocess in den Geweben des Thieres selbst vollzogen werde. Es liegen uns also hier sehr verschiedenartige Organe vor, von denen wir zuerst die mit der Athmung in entfernterer Beziehung stehenden betrach- ten. Bei den Holothurien hat man die in die Cloake einmündenden Fig. 24. baumförmisen Organe »Lungenbäume« die der Auto- ren), welche Wasser abwech- selnd aufnehmen und aus- stossen , als specielle Ath- mungsorgane angesehen, doch ist auch eine solche Function insofern noch unbestimmt, als das eine der beiden Organe bis jetzt in gar keinem Zu- sammenhange mit den Blut- gefässen erkannt wurde, und das andere, wie aus Joh. Müll er 's Darstellung her- vorgeht, zu den es umspin- nenden Blutgefässnetzen nur in oberflächlicher Beziehung steht. Wenn nicht die von J. Müller geäusserte Ver- muthung, dass vielleicht vom Ende des Darmes aus Blut- gefässe an die beiden »Lun- genbäume« hinantreten, sich bestätigt, so ist die functio- nelle Bedeutung dieser Or- gane nicht wohl exclusive in der Athem Verrichtung zu suchen. Als Analoga dieser Gebilde bestehen bei den Asterien die Anhänge des Enddarmes, die, wie oben (in Anmerk. p. 120) auseinandergesetzt, in einem Falle eine ähnliche Wasseraufnahme erkennen Hessen, so dass nur insofern als man mit der letzteren überhaupt auch die Vollziehung Fig. 24. Darmcanal und »Lungenbäume« einer Holothurie. o. Mund. i. Darrn- rohr. "d. Cloake. a. After, c. Verästeiter Steincanal. p. Poli'sche Blase, r, r. »Luri- genbäume. « r Vereinigung derselben an der Einmündestelle in die Cloake. m. Längs- musculatur des Körpers. Gegenbaur, vergl. Anatomie. 9 130 Echinodermen. eines Gasaustausches, einer Athmung, sich verbunden denkt, von einer respiratorischen Bedeutung dieser Organe gesprochen werden kann. Von grösserer Wichtigkeit für die Athmung erscheinen die Verhält- nisse der Leibeshöhle. Bei allen Echinodermen findet nämlich auf eine bis jetzt noch nicht überall erkannte Weise*) ein Wasserzutritt in die Leibeshöhle statt, so dass alle inneren Organe gleichmässig von Seewas- ser bespült werden, was besonders für die am Darmcanale verlaufenden Blutgefässe (bei Holothurien, Synapten und bei Echinus am ge- nauesten erkannt) von Bedeutung ist. Hierzu kommt noch ein überall in der Leibeshöhle sowohl an den Wandungen derselben als auch auf den in jener liegenden Organen **) verbreiteter Wimperüberzug , durch welchen eine stete Strömung und ein rascherer Wechsel des Wassers unterhalten wird, und der also gerade einen für die Athmung wichtigen Factor abgibt. Wichtig für die Athmung ist aber auch noch der Umstand, dass in der Leibeshöhle, wenigstens bei Echinus , eine Mischung mit Blutflüssigkeit zu Stande kömmt. Mit der Leibeshöhle stehen noch bei verschiedenen Echinodermen eine Anzahl von hohlen, blinddarmartigen Gebilden in Verbindung, die über die Oberfläche des Körpers hervorragen , und somit von innen und aussen her von Wasser bespült werden. Von den ambulacralen Gebilden (Saugfüsschen, Tentakel u. s.w.) unterscheiden sie sich wesentlich durch den mangelnden Zusammenhang mit dem ambulacralen Wassergefäss- systeme. Solche Gebilde sind einmal die auf der dorsalen Fläche der Seesterne vorhandenen zahlreichen Blinddärmchen, sowie zweitens die (den Spatangen fehlenden) Hautkiemen der Echiniden, die als fünf Paar in der Nähe des Mundes angebrachte contractile Bäumchen sich darstellen. — e) Excretionsorgane. Besondere Absonderungsorgane, die mit jenen höherer Thiere Ana- logien böten, sind zwar bei einigen Echinodermen erkannt worden, allein es treten hier so mannichfaltige Gomplicationen mit andern Organen und andern Functionen auf, dass ein einheitliches Bild von dem Plane dieser Organe noch nicht zu entwerfen ist, um so mehr, als die Verrichtungen vieler Theile nicht im entferntesten offenbar wurde. Bei den See- sternen sind die Wandungen der Interradialblindschläuche drüsig orga- nisirt, und die nahe Lagerung dieser Theile am After lässt auf die excre- torische Natur des Drüsenproductes schliessen. Die analogen Schläuche, die, wenn auch weniger ausgebildet, auch afterlosen Seesternen (Astro- *) Die von Quatrefages bei Synapta Duvernaea angeführten Oeffnungen (ori- fices aquiferes) , die an der Tentakelbasis in die Leibeshöhle führen sollen, werden von J. Müller mit Grund in Zweifel gezogen. **) Es fehlt diese Wimperung nur am Mesenterium von Synapta digitata, wie durch .loh. Müller berichtet ist. — Excretionsorgane . 131 pecten) zukommen , müssen dann in derselben Bedeutung genommen werden. Ausser den Seesternen sind noch bei Holothurien drüsige, mit der Cloake verbundene Organe bekannt, die J oh. Müller Cuvier'sche Organe benannt hat. Derselbe unterscheidet dreierlei verschiedene Ty- pen, nämlich blinddarmförmige, unverzvveigte Röhren, die einzeln oder in reichen Büscheln in die Cloake sich inseriren (ßohadschia u. a ), dann traubige, aus zahlreichen, mit einem Stiele verbundenen Bläschen beste- hende (bei Mol pädia) , und endlich fadenförmige Canäle, die wirtelartig mit gelappten Drüsenbüscheln besetzt sind {Pentacta und Muelleria). Bei den Synapten sind anscheinend keine ahnlichen Organe vor- handen, dagegen kommen hier an der Wandung der Leibeshöhle sowohl als am Mesenterium pantoffelförmige Wimperorgane vor, deren weite Oeffnung in einen hellen Canal hinein leitet , und die auffallend an die inneren Mündungen der Excretionsorgane gewisser Würmer erinnern, so dass nicht unwahrscheinlich auch bei den ohnehin in anderen Stücken wurmähnlichen Synapten ein ähnlicher Zusammenhang der fraglichen Organe mit einem Excretionsapparale sich ergeben kann*). Zwischen den bei Synapten beschriebenen und von Holothu- rien bekannten Excretionsorganen besteht aber eine ziemlich beträcht- liche Kluft, die vielleicht ausgefüllt werden kann , wenn wir den Ver- such machen, die mannichfaltigen bald der Einführung von Wasser die- nenden, bald als Excretionsorgane erscheinenden Gebilde der Echino- dermen im Zusammenhalte mit analogen Organen der Würmer einer vergleichenden Betrachtung zu unterwerfen. Um von den genauer gekannten Excretionsorganen der Würmer aus- zugehen, müssen wir vor allem die morphologischen Verhältnisse der be- treffenden Gebilde in's Auge fassen. Wir finden nämlich, dass dieselben aus bald einfachen, bald verzweigten Canälen bestehen, die auf der Ober- fläche des Körpers nach aussen münden, und die entweder innere Mün- dungen besitzen oder derselben entbehren. Wenn innere Mündungen vorhanden sind, so stellen sie trichterförmige, mit reichen Wimpern aus- gestattete Organe vor. Die Wandungen der Canäle, bestimmter aber ein Endabschnitt, erscheinen contractu, wodurch Wasser sowohl aufgenom- men als wieder ausgestossen werden kann. Drüsige Formationen sind entweder den Wandungen der Canäle direct angelagert, oder sie münden besonders und dann in den Endabschnitt des Organes ein. Auf diese Verhältnisse lassen sich auch Organe der Holothurien zurückführen, und man kann die »Lungenbäume« den geschlossenen Excretionscanälen der Würmer analog betrachten , sowie die in das untere Ende der Lungen- bäume oder dicht dabei in die Cloake einmündenden Drüsenorgane dem *) Nach Leydig (Müller's Archiv 1832) sollen die pantoffelförmigen Wimper- organe in Blutgefässe führen, doch werden sie neuerdings von ihm (Lehrbuch der Histologie, p. 391) wirklich dem als Wassergefässsystem aufgeführten Excretions- apparate der Würmer zur Seite gestellt. 9* 132 Echinodermen. drüsigen Abschnitte jener Excretionsorgane entsprächen. Es wäre dem- nach bei den Holothurien das bei den Würmern mehrere Functionen ver- einigende Organ in mehrere je nur eine dieser Functionen tragende Or- gane zerfallen, die bei einigen Holothurien (wo die Cuvier'schen Organe in das Ende der Lungenbäume münden) noch anatomisch mit einander vereinigt sind , bei anderen dagegen sich getrennt verhalten , und nur durch die auch dem Darme mit angehörende Cloake im Zusammenhang stehen. Die Cloake der Holothurien wäre dann homolog der contractilen Blase des Excretionsorganes der Würmer und nur dadurch verschieden, dass noch der Darm in sie einmündet. Diese Homologie wird jedoch da- durch wenig gestört , da bei jenen Würmern . welche ein am hinteren Körperende ausmündendes Excretionsorgan mit contractilem Endstücke besitzen, kein Enddarm vorhanden ist. Was die Synapten angeht, so möchte ich das Fehlen der baum- förmigen, blind geschlossenen Organe aus dem Vorhandensein der ande- ren, mit wimpernden gegen die Leibeshöhle gerichteten Oeffnungen ver- sehenen Organform erklären, und aus diesem exclusiven Verhalten der beiden Organformen eine analoge Bedeutung beider ableiten. Doch kann dies nur mit Vorsicht geschehen, da auf die näheren Verhältnisse der Synapten in eben dieser Hinsicht bis jetzt nur die ersten Streif- lichter der Erkenntniss gefallen sind. §. 20. Organe der Fortpflanzung. Die Echinodermen sind bis auf die Synapten sämmtlich ge- trennten Geschlechtes und zeigen in der Anordnung der bezüglichen Or- gane eine Uebereinstimmung mit der radiären Anlage des Körpers , die zugleich mit dieser verloren geht. Dies ist bei den Holothurioiden der Fall, bei denen die Geschlechtsorgane einfach vorhanden sind, indess die übrigen Echinodermen sie sämmtlich in Mehrzahl, meist der Zahl der Badien entsprechend, erkennen lassen. Männliche und weibliche Organe zeigen im Allgemeinen dieselben äusseren Form Verhältnisse und sind nur zur Zeit der Beife der Zeugungs- stoffe leicht unterscheidbar, die Ovarien durch die meist lebhaftere Fär- bung der Eier gelb oder roth, die Hodenschläuche dagegen fast im- mer weiss erscheinend. — Bei der Befruchtung spielt das umgebende Wasser die Vermittlungsrolle und Begattungsorgane gehen sämmt- lichen ab. Was zuerst die hermaphroditischen Zeugungsorgane der Synap- ten betrifft, die zuerst Quatrefa ges bei Synaptu Duvernaea erkannt, J. Müller bei S. digitata nachgewiesen hat, so stellen diese dichoto- misch verzweigte Schläuche vor , die von einem gemeinsamen Ausführ- gange entspringen. Der letztere mündet über dem den Oesophagus um- gebenden Kalkringe nach aussen. Jeder einzelne der in verschiedener Organe der Fortpflanzung. 133 Anzahl vorkommenden Genitalschläuche entwickelt bei S. digitata in vier nach innen vorspringenden Längsstreifen die Samenmasse , indess nach innen und zwischen den Streifen die Eier entstehen*), so dass also für beiderlei Producte gemeinsame Ausführwege vorhanden sind. Bei den stets getrennt geschlechtlichen Holothurien besitzt Hode oder Ovarium eine ähnliche Gestalt, wie die Zwitterdrüse der Sy- napten. Sie stellen reiche Büschel verzweigter Bohren vor, die frei in die Leibeshöhle hineinragen, und die vorzüglich bei den Weibchen eine oft beträchtliche Länge besitzen, und sich bis zurCloake erstrecken. Die Ausmündung ist in der Nähe des Mundes zwischen den Tentakeln ange- bracht. Bei den Seeigeln, Ophiuren und Seesternen sind die Ge- schlechtsorgane stets in der Mehrzahl vorhanden , und stellen fünf oder zehn acinöse oder schlauchförmige Drüsen oder Gruppen von Drüsen (Fig. 2ö, 26. g.) vor, die in der Leibeshöhle vertheilt sind, und ihren Fig. 25. Fig. 26. Inhalt in der Begel durch besondere Ausführgänge entleeren. Die Echi- niden besitzen sie in der Fünfzahl, als verästelte den Interambulacral- feldern der Schale anliegende Drüsen , deren jede auf einer der Geni- talplatten (siehe oben Fig. 20. (/, 26. g.) am Bücken des Thieres aus- mündet **) . Fig. 25. Geschlechtsorgane einer Ophiure (Ophioderma longicauda) . Rücken- integument und Verdauungsorgane sind entfernt, r. Arme. g. Ovarialtrauben. Fig. 26. Geschlechtsorgane eines Seeigels (Echinus neapolitanus) . Etwas mehr als die ventrale Hälfte der Schale ist weggenommen, a. Ampullen der Ambulacren. i. Letztes Darmstück, g. Ovarialtrauben. *) Vergl. über die näheren Verhältnisse J. Müller [op. cit.) und Leydig (Müller's Archiv 4 852). **) Die Echinoiden mit nur 4 Genitalplatten, wie die Spatangiden und Clyp eastrid en, lassen auf nur 4 Geschlechtsdrüsen schliessen. 134 Vermes. Bei den Seesternen liegen die Ovarial- oder Hodenschläuche bü- schelförmig in den Interradien , auf grösseren oder geringeren Raum vertheilt*) , und scheinen bei vielen Aster i den der Ausführgänge zu entbehren, so dass die Geschlechtsproducte erst in die Leibeshöhle ge- langen müssten (Fig. 22. g.). Bei anderen finden sich an den Interra- dien durchlöcherte Plattenpaare . die den Genitaldrüsen entsprechend gelagert sind und als Ausmündungsstellen dienen. In zehn Drüsenbüschel geschieden , erscheinen die in der Körper- scheibe angebrachten Hoden oder Ovarien bei den Ophiuren (vergl. Fig. 25. g.) unter denen auch lebendig gebärende vorkommen**). Die Verhältnisse der Ausführgänge sind hier noch nicht zur Genüge bekannt, es scheint vielmehr ein ähnliches Verhalten wie bei manchen Seester- nen stattzufinden, wo Samen und Eier durch die Leibeshöhle nach aus- sen gelangen. Bei den Grinoiden treffen wir die Geschlechtsorgane vom Cen- trum des Körpers entfernt, in den Pinnulis der Arme verborgen, wo sie, wie wenigstens Comatula zeigt , zur Zeit der Beife ihre Producte durch Dehiscenz nach aussen entleeren***). Vierter Abschnitt. Vermes. Der streng bilaterale Typus, welcher sich nicht allein auf die äusse- ren, sondern auch auf die inneren Organe erstreckt, vereinigt eine An- zahl von Thierclassen zu dieser grösseren Abtheilung und grenzt diese *) In selteneren Fällen reichen die Reihen der Genitalschläuehe noch in die Arme hinein. So bei Archaster, Luidia, Ophidiaster und Chaetaster. **) So Ophiolepis squamata nach M. Schultze (Müller's Archiv 1852). Auch die weiten Genitalspalten von Astrophyton lassen auf ein ähnliches Verhältniss schliessen, was noch durch den Umstand bestärkt wird, dass zwischen den Ranken der Arme zuweilen junge Thiere angetroffen werden (mündl. Mittheilungen von M. Schultze). ***) Die Bildung der Geschlechtsproducte der Echinodermen zeigt manches Eigenthümliche, so sind z. B. die Eier der Holothurien mit einem Micropylappa- rate versehen. Die Elemente des Samens stellen in allen Fällen fadenförmige, be- wegliche Gebilde vor, die an einem Ende in ein rundliches oder eiförmiges Köpf- chen auslaufen. — . Einleitung. 135 besonders gegen die zunächst stehenden unteren Abtheilungen der Coe- lenteraten und Echinodermen ab. Der meisten theils weiche, con- tractile cylindrisch verlängerte oder plattgeformte Körper lässt in der Re- gel Bauch- und Rückenfläche deutlich unterscheiden; doch sind diese nur selten durch besondere Organe von einander ausgezeichnet, und viel häufiger sind es die seitlichen Begrenzungen jener Flächen, an denen wir eigenthümliche Bildungen antreffen. Der Mund liegt am vorderen Kör- perende oder, wo er von diesem entfernt ist, gehört er der Bauchfläche an. Wo ein After existirt, finden wir ihn dem hinteren Körperende nahe, nicht selten auch dem Riickentheile noch angehörig. In den höheren Abtheilungen erscheint der Körper in eine grössere Anzahl von verschieden deutlichen Segmenten gegliedert, welche Wie- derholungen derselben Bildung vorstellen, so dass der ganze Leib in eine Reihe einander gleichwerthiger Abschnitte zerfällt. Wo äussere Organe vorhanden sind, sind auch diese in der Begel gleichmässig über die ein- zelnen Abschnitte vertheilt und zeigen sich alle nach demselben Plane gebildet. Nur das erste oder Kopfsegment macht insofern eine Aus- nahme , als es sich häufig durch den Besitz von besonderen Organen (Sinnesorganen) vor den übrigen auszeichnet. Die Anzahl der Körper- abschnitte ist eine unbeschränkte und selbst beim Individuum je nach dem Alter variabel. Hierdurch sowohl als durch die Homonomie der Segmentbildung unterscheiden sich die Würmer wesentlich von der nächst höheren, allerdings aus der Gruppe der Annulaten sich heraus- bildenden Abtheilung der Arthropoden oder Gliederthiere. Es sind diese gegebenen Unterschiede , obwohl sie in der Regel schon äusserlich recht gut erkannt werden, doch nicht vollständig erschöpfend, indem wir auch unter den Gliederthieren homonome Segmentbildungen antref- fen (Myriapoden). Das Hinzukommen eines ferneren Merkmals ver- vollständigt jedoch diese Lücke, denn bei den Würmern treffen wir die Homonomie der Segmente auch in den inneren Organen ausgeprägt, in- dess sie bei den Myriapoden nur an wenigen Theilen sich zeigt. Das Verständniss der Gliederbildung bei den Ringelwürmern ist nach meinem Dafürhalten aus einer allgemeineren Würdigung der bei den Würmern in dieser Hinsicht vorkommenden Erscheinungen zu ent- wickeln. In einer unter den Annulaten stehenden Ordnung, jener der Cestoden oder Bandwürmer, sehen wir an einem ungegliederten und stets geschlechtslos bleibenden Körper (von dessen Bedeutung als Amme wir hier vorläufig Umgang nehmen können) durch eine Art von Spros- senbildung eine Reihe von Segmenten entstehen , in der Weise gebildet, dass immer die hintersten die ältesten sind. Die Anlage dieser Segment- bildung ist nicht einfach durch einen Sprossungsprocess eingeleitet, viel- mehr entwickeln sich die Segmente von vorneherein alsTheile eines gan- zen Thieres, sowie auch durch ihre gesammte Reihe gewisse Organsy- steme (das Wassergefässsystem) sich gleichmässig hindurchziehen. Die 136 Vermes. einzelnen Segmente legen allmählich in sich Geschlechtsorgane an und stellen , indem sie in gewissen Gattungen sich ablösen und selbständig eine verschieden lange Zeit hindurch Lebenserscheinungen kund geben, wirkliche Individuen vor, während eine solche individuelle Ausbildung bei den Segmenten anderer Gattungen nicht erreicht wird und die ein- zelnen Glieder der Kette selbst irn geschlechtlich reifen Zustande mit ein- ander verbunden bleiben. Zwischen diesen beiden extremen Zuständen, der Bildung freier Individuen und der Entstehung blosser Segmente, existiren zahlreiche Uebergangsstadien , so dass wir eine Cestodenkette als ein Aggregat bald mehr bald minder selbständiger Individuen anse- hen, wie dies in exacter Weise zuerst van Beneden dargethan hat. Die einzelnen Glieder sind demgemäss auch noch in jenem Falle als Ae- quivalente von Individuen anzusehen, wenn sie niemals sich ablösen, niemals sich frei bewegen und überhaupt ihre Selbständigkeit der Ge- sammtheit der Segmente untergeordnet haben, wie solche Beispiele auch schon unter den Coelenteraten (bei den Hydroi den stocken und Siphonophoren) gezeigt worden sind. Es besteht diese Erscheinung jedoch nicht ausschliesslich bei den Cestoden unter den Würmern; sie kommt vielmehr auch Tur bei larien in ähnlicher Weise zu*). Halten wir das hier uns Erscheinende mit den bei den Bingelwürmern vorlie- genden Thatsachen zusammen, nämlich mit jenen Fällen, wie sie in den Familien der Sylliden und Naiden sich finden, und darin beste- hen, dass die hinteren Körpersegmente eines Inclividums sich zu selb- ständigen Thieren entwickeln , gleichviel ob sie vom Mutterthiere ver- schieden, oder ihm ähnlich sind, so müssen wir auch in den Segmenten der Annulaten eine höhere Potenzirung erkennen, und diese Theile, deren bei sehr vielen Bingelwürmern jeder nicht allein seinen besonde- ren Ganglienknoten des Bauchstranges, sowie einen Darmabschnitt, häufig auch besondere Athem- und Excretionsorgane besitzt, bei einer Gattung (Polyommatus) sogar mit höheren Sinnesorganen (Augen) aus- gestattet ist , als gleichwertig schätzen mit den Segmenten oder Glie- dern einer Cestodenkette. Die Zulässigkeit einer solchen Auffassung scheint freilich nur auf eine geringe Ausdehnung beschränkt, weil bei der grösslen Mehrzahl der Annulaten die Segmente viel inniger mit einander verbunden und einen einzigen Organismus darstellen , der uns als Individuum entgegentritt, in demselben Maasse, als die Segmente ihre Selbständigkeit aufgegeben haben. Zur Herstellung der Verbindung an- scheinend differenter Phänomene bedarf es aber nur eines einzigen Ver- mittelungsgliedes , welches in den angeführten Fällen zur Genüge gege- ben ist. Die morphologische Bedeutung der Segmentirung des Körpers als der Ausdruck der Bildung virtueller Multipla leuchtet daraus deut- lich hervor und bildet den Ausgangspunct zur Erklärung einer grossen Erscheinungsreihe, die am einen Ende zur Erzeugung neuer Individuen, Vergl. Leydig in Müller's Archiv 1854. S. 284. Einleitung. 137 am anderen Ende zur Herstellung complicirt gebauter und höher poten- zirter Organismen führt*). An die Reihe der Ringelwürmer sehliessen sich von dem eben ent- wickelten Gesichtspuncte aus auch die Arthropoden an, bei denen durch eine Umformung der Körpersegmente , sowie auch der innern Or- gane zu heteronomen Rildungen ein mehr einheitlicher Organismus er- zielt ist**). Uebersicht der Glassen der Würmer. 1. Platy elminthes. 1 . Ordn. Ces toda. Taenia, Bolhryocephalus. 2 . - Trematoda. Distoma, Tristoma, Monostomum, Polyslomum. 3. - Turbellaria. a) Dendrocoela. Planaria, Leptoplana, Aeolidiceros, Thysanozoon. b) Rhabdocoela. «) Arhynchia. Microstomum, Mesostomum, Prostomum, Vortex. ß) Rhynchocoela (Nemertina). Nemertes, Borlasia. Poüa. II. Nemath elminthes. \. Ordn. Acanthocephala. Echinorhynchus. 2. - Nematoidea. a) Nematoden. Strongylus, Ascaris, Oxyuris. b) G ordiacei. Mermis, Gordius. *) Vergl. hierüber die an philosophischer Betrachtungsweise reichhaltige Schrift von Reichert: Die monogene Fortpflanzung. Festschrift zur Jubelfeier der Kai- serl. Universität Dorpat. 1852. **) Nach dieser von mir gegebenen Auffassung der Gliederthiere im Allgemei- nen, seien es gegliederte Würmer, oder jene Thiere, die man nach dem zu einseitig aufgefassten Merkmale der gegliederten Körperanhänge (Füsse) als » Arthropo- den« bezeichnet, müssten die letzteren, weil an die Ringelwürmer sich anschlies- send, auch mit den Würmern in eine Abtheilung vereinigt werden. Allein abge- sehen von practischen Bedenken, hat mich zu einer vorläufig getrennten Betrach- tung vorzüglich der Umstand veranlasst, weil auch die Mollusken in gewissen Ab- theilungen (Gasteropoden) zu den Würmern (den Plattwürmern) nahe verwandt- schaftliche Beziehungen besitzen. Ich betrachte demgemäss die Abtheilung der Würmer als jene Thiergruppe, die sich nach zwei Richtungen hin typisch umwan- delt, indem sie in ihren niederen Formen (Plattwürmer) an die Molluskenabthei- lung sich anschliesst, in ihren höheren Formen durch die Ringelwürmer in die Glie- derthiere sich fortsetzt. 138 Vermes. III. Oes telminth es. Sagitta. IV. Annulata. 1 . Ordn. Gephyrea. Thalassema, Echiurus, Sipunculus. 2. - Suctoria (Hirüdinea). Haemopis, Sanguisuga, Nephelis, Clepsine, Branchiobclella, Pis- cicola, Pontobdella. 3. - S colei na. Lumbricus, Chaetogaster, Nais,. Enchytraeus. 4. - Branchia ta. a) Tubicolae. Amphitrite, Hermella, Terebella, Sabella, Serpula. b) Vagantia. Siphonostoma, Arenicola, Glycera, Nephthys, Phyllocloce, Al- ciopa, Syllis, Nereis, Eunice, Amphinome, Aphrodite, Po- lynoe. — Literatur. Im Allgemeinen : 0. F. Müller, Von den Würmern des süssen und salzigen Wassers, Kopenhagen '1771. v. Baer, Beiträge zur Kenntniss der niederen Thiere. Nov. Act. Acad. Leopold. Carol. vol. XIII. 1826. Plattwürmer: Rudolphi, Entozoorum historia naturalis. 3 Bde. Amslelod. 1808 — 10. Duges, Recherches sur l' Organisation et les moeurs des Planaires. Ann. des sc. nat. Tome XV. Auch in der Isis 1830 0. Schmidt, Die rhabdocoelen Strudelwürmer des süssen Wassers. Jena 1848. Van Beneden, Les vers cestoides. Mein, de l'Acad. royale de Bruxelles. T. XXV. 1830. M. Schultze, Beiträge zur Naturgeschichte der Turbellarien. 1. Abth. Greifswalde 1831. G. Wagener, Die Entwicklung der Cestoden 1835. Beiträge zur Ent- wickelungsgeschichte der Eingeweidewürmer, Haarlem 1857. Rundwürmer: Cloquet, Anatomie des vers intestinaux. Paris 1824. D uj a r d i n , Histoire naturelle des Helminthes. Paris 1 843. Meissner, Beiträge zur Anatomie und Physiologie von Mermis albicans. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. V. 1S54. Meissner, Beiträge zur Anatomie u. Physiol. derGordiaceen. Zeitschr. für wiss. Zoologie. Bd. VII. 1856. Ausserdem Rudolphi, Op. s. cit. Pfeilwürmer : W i 1 m s , Observationes de Sagitta. Berol- 1846. Annulaten: Grube, Zur Anatomie und Physiologie der Kiemenwürmer. Kö- nigsberg 1838. Audouin et Milne-Edwards, Classification des Annelides et descrip- Hon des especes qui habilent les cöles de la France. Ann. des sc. nat. T. XXVII— XXX. 1832-33. Moquin-Tandon, Monographie de la famüle des Hirudinees. deuxieme Edition. Paris 1 846. Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 139 Ouatrefages, Etudes suf les types inferieurs de l' embrunchement des an- ne'les. Annales des sciences nat. ser.IU. Turne X, XII, XIII, XIV, XVIII. 1848—52. Leydig, Zum Circulations- und Respirationssysteme von Nephelis und Clepsine. (Zweiter Bericht von der zootom. Anstalt zu Würzburg 1849.) Leydig, Zur Anatomie von Piscicola geometrica etc. Zeitschr. für wiss. Zoolog. Bd. 1. 1849. Grube, Die Familien der Anneliden. Archiv für Naturgesch. 1 851 . M. Müller, Observationes anatomicae de vermibus quibusdam maritimis. Berol. 1852. Schmarda, lieber Bon ellia viridis. Wiener Denkschr. Bd. IV. 1852. §• 22. Körperbedeckung und Bewegungsorgane. Vom Integumente und der Musculatur. Das Hautorgan der Würmer stellt durch Verbindung mit der Kör- permusculatur einen Hautmuskelschlauch vor, der bei niederen Wurm- organismen (Turbellarien, Gestoden und auch noch bei manchen Trematode n) gegen das Körperparenchym keine deutliche Grenze er- kennen lässt. Als äusserste Schicht der Haut besteht eine Epidermis, die bei den Turbellarien überall, bei manchen Annulaten nur an einigen Körperstellen feine Wimperhaare trägt, zwischen denen nicht selten starre, borstenähnliche Bildungen, wie sie schon bei den Infuso- rien erwähnt sind, vorkommen. Ueber dieser aus zelligen Elementen bestehenden Epidermis la- gert bei den übrigen Würmern eine homogene Membran von verschie- dener Mächtigkeit. Die Festigkeit oder Derbheit der Hautwandungen vie- ler Würmer, wie z. B. fast aller Rundwürmer, ist häufig von der Dicke dieser in der Regel in mehrfache Schichten zerfallenden Membran ab- hängig. Eine besondere Textur lässt sich niemals in ihr wahrnehmen ; sie ist vielmehr das schichtenweise abgesetzte Product der unter ihr ge- legenen eigentlichen Epidermiszellschichte , die in der Regel von jener an Dicke übertroffen wird. In der Classe der Rundwürmer ist sie am beträchtlichsten entwickelt und wird hier , dem Muskelschlauche an Durchmesser gleichkommend, die Ursache der grösseren Widerstands- fähigkeit des Körpers der Nematoden und Gordiaceen. Wo wir auf diese Cuticularbildungen treffen , fehlt immer die Bildung von W mper- haaren , so dass wir zwischen beiden ein sich wechselseitig ausschlies- sendes Verhältniss annehmen können , ein Umstand , der einfach darin begründet ist, dass in die Cuticularbildung keine zelligen Elemente, so- mit auch keine Fortsetzungen von Zellen übergehen. Man kann in dem Auftreten solcher Cuticularschichten bei den Würmern eine Vorbildung der festeren , starren Hautscelette der Gliederthiere nicht wohl verken- nen ; ja selbst bei manchen Rundwürmern und Ringelwürmern wird durch die Derbheit und Elasticität jener Schichten eine Art von Haut- 140 Vermes. scelet hergestellt, welches wenigstens morphologisch von dem der Glie- derthiere nicht unterschieden werden kann. Im Zusamenhange mit der Epidermis kommen bei den Turbel- larien Nessel organe vor, welche jenen der Coelenteraten gleich- zusetzen sind und bei den einzelnen Gattungen und Arten eine verschie- dene Form besitzen. Ihre Verbreitung über den Körper ist zwar in der Regel gleichmässig; doch finden sich auch einzelne Stellen, welche vor- zugsweise damit ausgestattet sind. Der Haut der Würmer eigenthümliche Bildungen *) treffen wir in den mannichfachen Stachel-, Borsten- und Hakenformationen, die entweder über den Körper regelmässig vertheilt erscheinen, oder nur an sehr eng abgegrenzten Stellen vorhanden sind. Es sind immer Ge- bilde, die durch Abscheidung hervorgehen, und die als modificirte Cuti- cularbildungen im Allgemeinen betrachtet werden können**). Es gehören hierher die kranzartig aneinandergereihten Haken der C est öden ***) , die, wie jene, nur in mehrfachen Reichen stehenden *) Die in der Haut der Cestoden vorkommenden concentrisch geschichteten Concremente, die als Kalkkörperchen bekannt sind , und auch das ganze Körperpa- renchym durchsetzen können, werden weiter unten bei den Excretionsorganen be- sprochen werden. Ueber ihre verschiedenen Formen u. s. w. vergl. v. Siebold Lehrbuch der vergl. Anatomie, p. -116 Anmerk. **) Zu solchen eigentümlichen Modifikationen derCuticula sind auch die feinen Härchen zu rechnen, welche den Kopf und die Saugnäpfe , oder auch letztere allein bei manchen C es to d en besetzen. Es sind äusserst kleine, gerade oder wenig ge- krümmte starre Bildungen, welche dicht aneinander sitzen und ihre Spitze nach hinten kehren, so dass sie wie feine Häkchen sich ausnehmen. G. Wagener hat sie bei Tetrarhynchus, Triaenophorus und Cysticercus tenuicollis beobachtet (Müll. Archiv 1851. p. 2-14 ff.), M ei s sn e r bei einem Taeni enscol ex aus der Lunge von Arion Empiricorum gesehen (Zeitschrift für wiss. Zoolog. Bd. V. 1854. p. 389). Auch an dem Hinterleibsende von Tetrarhynchen hat der erstgenannte Forscher haarartige Bildungen beobachtet, und ähnliche Verhältnisse kommen auch bei manchen Trematoden vor. ***) Die Häkchen der Cestoden besitzen für die Erkenntniss des Zusammen- gehörens der verschiedenen Entwickelungsformen dieser Thiere eine grössere Wich- tigkeit. Man unterscheidet ausser der gekrümmten Spitze am Körper eines solchen Häkchens noch zwei in den Leib des Thieres eingesenkte Fortsätze, an welche Muskeln zur Bewegung der Häkchen angebracht sind. Die Häkchen stehen zu- meist in einem doppelten Kranze an einem zwischen den Saugnäpfen liegenden Vor- sprunge, fehlen jedoch sehr vielen Cestod en-Gattungen. Der hakenbesetzte Theil entspricht dem sogenannten Rüssel derAcanthocephalen, der von sehr verschiedener Länge erscheint, und bis auf einen kurzen, nur 2 Hakenkränze tra- genden Knopf reducirt sein kann. Der Hakenbesatz geht bei einigen auch auf den übrigen Körper über (Echinorhynchus pyriformis , E. hystrix). — Bei vielen Gesto- den geht der durch den Hakenbesatz dargestellte Haftapparat auf die Saugnäpfe über, in deren Grund dann einlache oder Doppelhaken inserirt sind (z. B. Callio- bothryum, Acanthobolhryum u. a.). An diese Einrichtung schliessen sich die Te- trarhynchen an, bei denen vier rüsselartige, ringsum mit Häkchen besetzte Blindschläuche über den Saugnäpfen entspringen, und in besondere im Körper lie- gende Scheiden zurückgezogen werden können. — KÖrperbedeckung und Bewegungsorgane. 141 der Echinorhynchen, das vordere rüsselartige Ende des Körpers besetzt halten, und an welche sich auch bezüglich der Bildung die eigen- thümlichen Stacheln am vorderen Ende mancher Trematoden*) und Trematoden-Larven (Cercarien) anreihen. Die Einfachheit dieser letzteren, neben denen man in der Regel noch einige jüngere Ersatzsta- cheln findet, sowie ihre Lagerung über dem Munde, vermittelt den Ue- bergang zu einer anderen Organbildung, die beim Darmcanale abgehan- delt wird. Die Borstenbildung erscheint in der Regel bei vorhandener Gliede- rung des Körpers , und es stellen diese Theile unendlich variirende For- mationen vor, deren specielle Bildung sogar bei den einzelnen Gattungen und Arten grossen Differenzen unterworfen ist. Sie sitzen entweder einzeln oder zu Bündeln vereinigt in follikelartigen Einstülpungen der Haut und können entweder mit dieser oder durch besondere , den Folli- keln sich inserirende Muskeln bewegt werden. Borstenbildungen er- scheinen schon bei den Sternwürmern (Echiurus) , und fehlen unter den Ringel Würmern nur den Hirudineen. Sie sind paarweise auf die einzelnen Segmente vertheilt , doch so , dass sie bei vorhandenen Fussstummeln vorzüglich mit diesen verbunden sind und wie Anhänge derselben sich ausnehmen. Es können diese Borsten auch hakige For- men besitzen, wie bei den Tubicolen, oder sie können in schuppen- ähnliche Bildungen umgewandelt sein und dann zu Ruderorganen die- nen. Ihre grösste Entfaltung zeigt die Familie der Aphro diteen, in- dem hier durch reichlich entwickelte und von den Seiten her unter ein- ander verfilzte Borsten ein zweites Integument auf dem Rücken herge- stellt wird, welches einen besonderen Hohlraum nach oben umschliesst. Die Cutis wird zum grössten Theile durch die Musculatur des Kör- pers vorgestellt , und ist der Art gebildet, dass die Muskeln sich entwe- der vielfach unter einander verflechten (bei den meisten Ringelwürmern, auch vielen Plattwürmern**) zu beobachten), oder dass nur eine ein- fache Längsfaserschicht vorhanden ist (Rundwürmer***), welch' letztere *) Ein einfacher den vorderen Saugnapf umstehender Hakenbesatz ist z. B. bei Bistoma echinatum vorhanden. Bei D. ferox geht die Hakenbildung auf den grössten Theil des Vorderkörpers über. **) Von Quatrefages werden bei Nemertinen mehrfache Muskelschichten von verschiedenem Verlaufe beschrieben. ***) Die histiologischen Elemente der Musculatur sind allerorten glatte bandför- mige Fasern, die durch die mehrfach angelagerten Kerne ihre Gleichbedeutung mit mehrfachen Zellen kundgeben. An verschiedenen Körperstellen bilden sie durch Verästelungen Muskelnetze , und sind dann aus sternförmigen Zellen hervorgegan- gen. Eigenthümlich verhalten sich die Muskelfasern der Hirudin e e n, die hohle Cylinder mit verdickten Wandungen vorstellen und im Inneren die Kerrie bergen. — Der eontractile, von einer zarten Sarcolemmembran umgebene Inhalt der Muskelfa- sern, oder die Muskelröhren zeigen nicht selten, schon bei Strudelwürmern Andeu- tungen von Querstreifung, die sich meist nur wie Faltenbildung ausnimmt, doch 142 Vermes. Schicht häufig in mehrere Abschnitte zerfällt. Es stellt diese als Cutis erscheinende Musculatur zugleich jene des Körpers vor , und sie bewirkt alle jene Bewegungen , die bei diesen Thieren zu beobachten sind. Nur an wenigen Stellen des Körpers treten eigenthümliche Organe auf, die mit der Musculatur im Zusammenhange stehen und besonders differen- zirte Theile vorstellen. Es sind dies die Saugnäpfe. Zur Herstellung dieser Organe sind ringförmige Muskelpartien entwickelt, die eine ver- tiefte Stelle umgrenzen, in der ausserdem noch eine radiäre Faserschichte ausgebildet ist. Solche Saugnäpfe finden sich bei den Cestoden, Tre- matoden und Hirudineen verbreitet. In der ersterwähnten Ordnung stehen sie zu vieren am sogenannten Köpfchen des Thieres und sind oft zu weiten Gruben entwickelt , die noch in secundäre Abtheilungen zer- fallen können, oder durch übermässige Entwicklung ihres Randes läp- pen- oder blattartige Gebilde darstellen (Onchobothrium, Calliobothrium, Phyllobothrium) . Durch stielartige Bildung der Basis dieser Saugnäpfe kommen dann bei manchen Cestoden füllhornähnliche Gestalten zum Vorschein (Echeneibothrium und Anthobothrium) . Am Körper der Tre- ma toden ist ihre Zahl sehr verschieden und ebenso variabel sind die Stellen ihres Vorkommens. Wenn nur zwei vorhanden sind, so umgibt der eine davon in der Begel die Mundöffnung (Fig. 35.5) und der andere findet sich in der Medianlinie des Körpers auf der Bauchseite näher oder entfernter vom Hinterleibsende angebracht (Distoma) (Fig. 35. s'). Nicht selten ist ein grösserer Saugnapf noch in mehrere Felder getheilt (Tri- stoma), eine Bildung, die an der grossen Saugscheibe des Aspidogaster wohl am weitesten gediehen erscheint (vergl.Fig. 43. s). Bei anderen ist eine Mehrzahl von Saugnäpfen (bis 6) am Hinterleibsende zu beobachten, wo sie dann auf beide Seiten symmetrisch vertheilt oder im einfachen Halbkreise angeordnet sich darstellen (Polystomum) . Innerhalb bestimm- terer Grenzen bewegt sich das Vorkommen der Saugnäpfe bei den Egeln. Es ist hier der Hinterleib stets mit einem solchen Organe verschiedenen Umfanges ausgerüstet und die ventrale Lage dieses Napfes , somit auch seine Homologie mit dem ventralen Saugnapfe der Trematoden wird durch die Afteröffnung bestimmt, die immer über ersterem angebracht ist. Auch um die Mundöffnung ist eine ähnliche Saugnapfbildung zu beobachten (Branchellion, Pontobdella u. a.). Drüsenartige Organe der Haut scheinen bei den Würmern we- nig verbreitet zu sein ; wenigstens sind uns solche nur bei den genauer durchforschten Hi rudineen und Scoleinen bekanntgeworden. Unter den ersteren besitzen Piscicola und Branchiobdella eine Reihe sehr ein- fach gebauter Drüsensäckchen im hinteren Saugnapfe , welche Gebilde mit der schmarotzenden Lebensweise dieser Thiere möglicher Weise in kommen bei Ringelwürmern schon Differenzirungen der Substanz der Muskelfasern in queren Absehnittchen vor. Ausgebildete Querstreifung besitzt die gesammte Körpermusculatur der Sag itten. Körperbedeckvmg und Bewegungsorgane. 143 einiger Beziehung stehen und ein die Befestigung am Wohnthiere beför- derndes Secret liefern mögen*). Für die Scolei'nen ist hier der soge- nannte Sattel (clitellum) der Regenwürmer anzuführen, eine durch zahl- reiche Schleimdrüsen gebildete wulstige Erhebung der Haut, welche zur Zeit der Begattung die in der Nähe der Geschlechtsöffnungen liegenden Körpersegmente auszeichnet. Das Secret dieses lebhaft gefaibten Drüsen- wulstes wird auf die Oberfläche entleert und liefert die Hüllen für die Eikapseln. Endlich ist hier noch der einen bräunlichen Saft absondern- den Hautdrüsen der Alciopen zu gedenken. Sie liegen hinter denFuss- höckern und geben sich durch ihre auf dem glashellen Körper abstechende dunkle Färbung leicht zu erkennen. Ausser ihnen kommen noch zer- streute Schleimdrüsen vor, die ein helles Secret absondern**), und ähn- liche Schleimdrüsen mögen auch in der Haut vieler anderer oftmals in eine solche Secretmasse sich hüllender Würmer vorhanden sein. Die Bewegungen der Würmer kommen im Allgemeinen durch par- tielle Contractionen und Expansionen des Körpers zu Stande, und selbst in jenen relativ wenigen Fällen, wo besondere Bewegungsorgane vorhan- den sind , werden sie vorzüglich durch den schon oben geschilderten Hautmuskelschlauch beherrscht. — Das Vorkommen einer Wimperbeklei- dung bildet einen wesentlichen Factor für die Ortsbewegung, besonders bei den kleineren Turbellarien(Bhabdocoelaarhynchia), während bei den grösseren (Planarien und Nemertinen) dieCilien nur ein un- tergeordnetes Moment für die Ortsbewegung vorstellen. — Als Hülfsorgane der Bewegung dienen den Trematoden und Hirudineen die Saug- näpfe, und wo Borstenbildungen vorhanden sind, können diese als hebel- artig wirkende Hülfsorgane der Bewegung angesehen werden. Diese zu Büscheln vereinigten Borsten werden theils durch die allgemeine Leibes- ' bewegung hervorgestreckt oder eingezogen , theils sind , wie schon oben erwähnt , ihre Follikel mit besonderer Musculatur versehen , und dann erhält ihre Bedeutung für die Ortsbewegung eine grössere Selbständigkeit. Eine besondere Berücksichtigung vom vergleichend morphologischen Gesichtspuncte aus verdienen die Fussstummeln der Bingel Wür- mer. Es sind dies symmetrisch angeordnete , immer nur ungegliederte Fortsätze des Körpers, die nicht an jedem Segmente vorhanden sind und die wir als Vorläufer der gegliederten Körperanhänge der Arthropo- den betrachten***). Jedes Segment trägt deren bald nur zwei, bald vier, *) Es müssen auch die im Leibe der C lepsi nen vorkommenden, mit langem, einfachem Ausführgange in der Haut sich öffnenden Drüsenschläuche hier angeführt werden (vergl. Leydig, Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd III. p. 3-16. Anmerk. 2.), sowie auch die zahlreichen Schlauchbildungen, welche die Leibeswände der Areni- colen besetzen, und welche wohl jene, die Röhrengänge dieser Thiere auskleidende Secretmasse abscheiden. — **) Vergl. Krohn im Archiv für Naturgesch. 1845. p. 176. ***) Solche Fussstummeln besitzen die Tubicolen und freien meerbewohnen- den Ringelwürmer. Auch die zwischen den Erdwürmern und Kiemenwürmern ste- hende Gattung Peripatus ist damit versehen. 144 Vermes. und in letzterem Falle sind die einer jeden Seite entfernter oder näher an einander gelagert und zerfallen dann in Rücken- und Bauchstummeln. (Vergl. Fig. 42. p, p' .) Beide zeigen alle Uebergänge bis zur völligen Ver- schmelzung zu einem einzigen Paare, welches dann genau die Seiten des Körpers einnimmt und mehrere Borstenbüschel trägt, die sonst auf Rücken- und Bauchstummeln vertheilt waren. Die Homologie dieser Theile mit den Extremitäten der Gliederthiere wird noch vollständiger, wenn wir erfahren, dass auch die Kiemen (bei Euniciden), oder die den Kiemen homologen Gebilde (bei den Nereiden) an den Rücken- stummeln ihren Ursprung nehmen (vergl. hierüber bei den Athmungs- organen), so dass sie sich morphologisch ebenso verhalten, wie die durch Gliederung höher entwickelten Füsse der Crustaceen. §. 23. Orgaue der Empfindung. a) Vom Nervensysteme. Das Nervensystem der Würmer ist bei allen Hauptgruppen hinrei- chend erkannt und zeigt sich nach mehreren Typen angeordnet, die je- doch alle aus einander entwickelt werden können, wenn man die Bezie- hungen dieses Systemes zur allgemeinen Körperform als Ausgangspunct wählt. Zugleich erhält es hier zum ersten Male eine Lagerung und allge- meine Anordnung, die in ihm, von nun an übereinstimmend mit der hier und in den übrigen Abtheilungen der wirbellosen Thiere vorhandenen bilateralen Symmetrie der Körperbildung , eine mit dem Gesammtplane dieser Thiere harmonirende Einrichtung erkennen lassen. Die Central- organe sind um den Schlund gelagert, oder wo ein solcher wegen man- gelnder Nahrungsorgane fehlt, sind sie doch immer im vorderen, einem Kopfe entsprechenden Körpertheile angebracht, beständig gleichmässig auf beide Körperhälften vertheilt. Als typische Form müssen wir ein doppeltes Ganglion annehmen, welches entweder einfach durch Quer- commissuren verbunden ist oder durch enge Aneinanderlagerung eine einzige Ganglienmasse darstellt. Bei weiterer Entwickelung verläuft von diesem oberen Schlundganglion noch eine Commissur um den Schlund und bringt einen Nervenschlundring zu Stande, dessen Vollkommenheit durch das Hinzutreten unterer Ganglienmassen noch erhöht wird. Der Entwicklungsgrad dieser Ganglien steht im innigen Zusammenhange mit der Ausbildung der von ihnen Nerven beziehenden Organe, von welchen besonders die Sinneswerkzeuge die Entwickelung der oberen Schlund- ganglien influenziren. Von den peripherischen Nervenstämmen sind zwei für die weitere Ausbildung des ganzen Nervensystemes von ausnehmen- der Wichtigkeit. Sie entspringen von den beiden Seitenhälften der obe- ren Ganglien, oder sie gehen, wenn untere Schlundganglien vorhanden Organe der Empfindung. 145 sind, aus diesen hervor und stellen, mehr oder minder parallel mit ein- ander nach hinten verlaufend, die Hauptnervenstämme des Körpers vor. Je nach der grösseren oder geringeren Breilenentwickelung des Körpers sind sie entfernter oder, auf die Bauchseite rückend, näher an einander gelagert, und da, wo der Körper durch Segrnentirung in eine Reihe gleich- artiger Abschnitte zerfällt, wiederholt sich diese Gliederung auch am Nervensysteme, und die beiden, ursprünglich seitlich gelagerten Nerven- stämme nehmen von Stelle zu Stelle Centralorgane auf. So entsteht für jedes Segment ein Ganglienpaar, welches sich bei höherer Ausbildung durch Quercommissuren verbindet und sogar scheinbar zu einem Ganglion verschmelzen kann, wenn die beiden Längsstämme nahe an einander gerückt erscheinen. Jedes dieser Ganglien stellt eine Wiederholung des ersten ventral gelagerten, d. i. des unteren Schlundganglions vor, und das gesammte System dieser aus den beiden Längsstämmen sich ent- wickelnden Kelle wird als » Bauchmark « oder »Bauchnervenstrang« be- zeichnet. Die grosse Selbständigkeit, welche in physiologischer Hinsicht die einzelnen Bauchganglien besitzen, geht daraus hervor, dass einzelne Abschnitte der Bingelwürmer nach ihrer Trennung vom Körper noch längere Zeit fortzuleben im Stande sind , sowie auch aus einzelnen Seg- menten unter gewissen Verhältnissen neue Individuen sich entwickeln. Auch die Grössenverhältnisse der Bauchganglien in Beziehung auf die oberen Schlundganglien sind dieser Ansicht von einer beträchtlichen Selbständigkeit der Bauchmarkabschnitte günstig, und wo Sinneswerk- zeuge nur wenig entwickelt sind, werden die einzelnen Bauchganglien von den oberen Schlundganglien nur wenig übertroffen. Was die Deu- tung der letzteren angeht, so können wir sie einem »Gehirne« für gleichbedeutend erachten, zumal auch die meisten Sinneswerkzeuge von ihnen mit Nerven versehen sind. Es darf aber hier nicht ausser Acht °e- lassen werden, dass die Bedeutung einer Gehirnbildung keineswegs jene ist, wie wir sie von höheren Organismen deriviren. Sie muss vielmehr in demselben Grade gering gefasst werden, als das Bauchmark eine hohe Ausbildung zeigt*). Die Ganglienbildung an den Hauptnervenstämmen wird auch bei *) Für den feineren Bau des Nervensystems der Würmer ist anzuführen, dass in den Centraltheilen sowohl solche Zellen gefunden wurden, welche Fortsätze aus- senden, somit als Nervenursprünge zu betrachten sind, als auch solche, die ohne Ausläufer, also für sich abgeschlossen, bestehen; doch möchten wohl auch die letz- teren sich noch als mit Fortsätzen versehen herausstellen. In den Bauchganglien der Ringelwürmer sind theils Ganglienzellen vorhanden, die nur die in die Gommissuren tretenden Nerven abgeben, theils solche, walche peripherische Nerven entspringen lassen. Die Nerven sind sammtlich blasse, bandartige Fasern, und in den grösseren Stämmen zeigt sich die Tbeilung in Fibrillen nur durch eine oft sehr zarte Längs- faserung ausgedrückt. — Ueber den Bau der Ganglien ist zu vergleichen Bruch in der Zeitschr. für wiss. Zoologie, Bd. I. p. 164; von neuern Untersuchungen jene des E. Faivre in Ann. des sc. nat. Se'r. IV. T. 6. p. 16. (Jegenbaur, vergl. Analomie. | Q 146 Vermes. einigen ungegliederten Würmern (Neinalhe 1 ininthen) angetroffen. Es ist aber durch die unregelmässige Anordnung der centralen Elemente (Ganglienzellen) ein Unterschied von der bestimmteren Gliederung des Bauchstranges gegeben, und wir können jene Bildung nur als die erste Andeutung einer höheren Potenzirung ansehen, die erst später zur Bil- dung eines Bauchmarkes führt. Es lassen sich aus dieser Bildungsreihe des Nervensystems die drei wichtigsten Formen als ebenso vielen grösseren Abtheilungen der Wür- mer angehörig hervorheben, und so finden wir 1 ) zwei getrennte, den Seitentheilen des Körpers oder der Bauchfläche zugetheilte Nervenstränge bei den Plattwürmern ; 2) mehre, meist verbundene, durch ganglionäre Einlagerungen höher potenzirte Längsstämme bei den Bundwürmern, und endlich 3) zwei, mehr oder minder zu einem einzigen Bauchstrange vereinigte, eine regelmässige Ganglienkette vorstellende Stränge bei den Bin- gelwürmern. Aus der Betrachtung der speciellen Verhältnisse und der mannich- faltigen, für das richtige Verständniss des gesammten Planes wichtigen Modificationen in den einzelnen Classen lässt sich Folgendes hervorheben: Unter den Platt Würmern sind es die Cestoden, die hinsichtlich des Nervensystemes von den in den übrigen Abtheilungen durchgeführ- ten Einrichtungen eine Ausnahme zu bilden scheinen, indem hier, nach den Untersuchungen G. Wagener's, in dem sogenannten Köpfchen der Scolexform nur Ein Ganglion besteht, welches vor- und rückwärts ein- zelne Fäden absendet*). Berücksichtigen wir jedoch hier den Mangel eines Verdauungsapparates, sowie die gering entwickelte Bilateralsym- metrie, die erst an den Gliedern einer Gestodenkette zur Ausbildung kommt, so müssen wir in dem einfachen Nervenknoten die Summe jener Theile erkennen, die sonst bei den Plattwürmern in zwei seitliche Hälf- ten geschieden und durch Commissuren verbunden sind. Dieselben Form Verhältnisse, wie das Nervensystem der Cestoden, weist auch jenes der sonst den Bundwürmern zugerechneten Acanthocephalen auf, indem ein grosser, im Grunde der Büsselscheide liegender Ganglien- knoten eine Anzahl feiner Nervenfäden nach verschiedenen Bichtungen absendet, und die nach hinten tretenden die Büsselscheide durchbohren lässt. — Trematoden und Turbellarien tragen am Nervensystem schon eine deutlichere Ausbildung des bilateral -symmetrischen Bauplanes. Es *) Von dem viereckigen Ganglienknoten gehen bei T etrarhynchus die vor- deren Nervenfädchen zur Stirne ab, die hinleren treten nach etwas längerem Ver- laufe an die Scheiden der vier Hakenrüssel. Eigenthümlich ist das Verhalten bei Telrarhynchus megacephalus, wo die Faden zu den vier Rüsselscheiden von einer Ecke des Knotens, die zur Muskelhaut des Körpers von den andern Ecken abtreten. Organe der Empfindung. 147 Fie. 27. ist hier ein zur Seite des Schlundes befindliches oder dem Schlünde aufliegendes Ganglienpaar vorhanden, welches durch eine kürzere oder längere Quercommissur zu einem Centralorgane vereinigt erscheint und nach vorne wie hinten Nervenfaden aussendet*). Am meisten sind die Centraltheile bei den Nemertinen entwickelt, wo sie jederseits aus mehren grösseren Gang- lienmassen bestehen (Fig. 27. n) und überdies noch durch eine zarte, unter dem Schlünde ver- laufende Commissur einen wirklichen Schlund- ring herstellen. Die peripherischen Nerven tre- ten theils vorne zum Schlünde; theils zu den Integumenten des Kopfes , und besondere Stamm chen sind für die auch bei Planarien häufig in mehrfacher Zahl vorhandenen Seh- organe bestimmt. Bei den Nemertinen ge- hen überdies noch beträchtlich starke Nervenstämme zu den jederseits am Kopfe liegenden Wimpergruben. Von den nach hinten gerichteten Nervenstämmen ist auf jeder Seite einer durch längeren Verlauf und be- deutendere Dicke ausgezeichnet (Fig. 27. besonders bei jenen Platt- würmern, deren Körper vorzüglich in die Länge entwickelt ist, und hier lässt er sich, unter Abgabe zahlreicher Aeste, bis zum hinteren Körper- ende verlaufend nachweisen. Bei manchen Nemertinen (Oerstedia nach Qua trefages) ergibt sich eine auffallende Annäherung der bei- den Längsstämme gegen einander; ja es hat sogar den Anschein, als ob hier eine Ganglienbildung stattfinde, indem immer einer jeden Verzwei- gung eine kleine Anschwellung des Stammes entspricht**). Durch die vorige Form wird der Ueb ergang zu den Rundwürmern Fig. 27. Vorderkörper von Borlasia camilla a. Oeffnung des Rüssels. p. Rüssel, c. Seitliche Wimpergruben, n. Obere Schlundganglien (Gehirn), in zwe seitliche Nervenstämme n übergehend. I, Seitliche. Blutgefässe, die vorn bogenför- mig ineinander übergehen, und hinten am Gehirne je einen mittleren Ast abschicken, der sich mit dem der andern Seite zu einem dorsalen Gefässstamme, d, vereinigt. (Nach Qua tre fag e s.) *) Das Nervensystem der Tre m at od en ist von Boj anus, Mehlis und vie- len Andern bei einer grossen Zahl von Gattungen nachgewiesen worden. Unter den Neueren hat sich besonders v. Siebold darum verdient gemacht. Wir kennen dies Organsystem von vielen Distomeen, von Amphisloma, Tristoma (durch K ö 1 1 i k e r) , Polystoma (durch v. Benedenj und auch von der merkwürdigen Gattung Dactylo- gyrus (durch Wagener). — Auch für die kleineren Turbellarien (die Hhabdocoela arhyncfiia) ist das cen- trale Nervensystem bei einer nicht geringen Anzahl durch M. Schultze bekann geworden. — **) Das in die Nähe der Trematoden und Turbellarien zu stellende Genus Myz-ostoma ist mit einer centralen grossen Ganglienmasse versehen, von der zahl- reiche grössere Stämme (10 an der Zahl) ringsum ausstrahlen. 10* 148 Vermes. und gleichzeitig zu den Ringelwürmern vermittelt. Das Nervensystem der Nemathel minthes (die schon oben, nach den Cestoden eingereihten Acanthocephalen ausgenommen) characterisirt sich als eine höhere Stufe vorzüglich durch die Vereinigung einer Anzahl von Ganglien zu einem den Schlund umgebenden Ringe, der jedoch sehr häufig nur wenig differenzirt erscheint. Zwei obere Ganglien sind jenen der Plattwürmer analog und vereinigen sich mit mehren Ganglienpaaren , die der Bauch- fläche angehören. Ausser einzelnen, an die benachbarten Theile, nament- lich zum Munde tretenden Fädchen gehen aus der Schlundganglienmasse zwei Paar Nervenstränge hervor, von denen sich eines entweder zu einem Rückenstamme vereinigt oder (wie bei Ascaris ornata) längs der Seiten des Körpers herab verläuft, indess das andere, stets einen Bauchstamm bildend , in der Medianlinie des Körpers sich fortsetzt. Der Verlauf die- ser Stämme findet sich immer dicht unter dem Hautmuskelschlauche, und von ihren beiden Seiten gehen zahlreiche Nervenfäden an jenen ab. Am hinteren Körperende besitzt derBauchnervenstamm sowohl bei Gor- diaceen als Nematoden nochmals eine grössere Ganglienanschwel- lung, die auch in einige kleinere, hinter einander liegende aufgelöst sein kann. Diese verschiedenen Nervenstämme der Rundwürmer sind durch- aus nicht als einfache peripherische Theile anzusehen ; sie bestehen viel- mehr aus mehrfachen Reihen von Ganglienzellen, die unter sich durch Queranastomosen verbunden sind, so dass die Stränge als fortgesetzte Gentralorgane gedeutet und dem Bauchmarke der Ringelwürmer vergli- chen werden können*). Es kann hier auch das Nervensystem der Sagitta sich anschlies- sen, bei welchem wir in dem Bestehen eines einzigen ovalen Bauchkno- tens eine viel mächtigere Concenlrirung antreffen. Zwei nach vorne sich begebende Stämme vereinigen sich auf dem Kopfe zu einer Nerven- schlinge und bilden so einen Schlundring von beträchtlicher Weite. Zwei andere Stämme begeben sich an den Seiten des Körpers nach hinten**). Das Nervensystem der Gephyreen reiht sich sowohl an jenes der Nematoden als an das der Ringel würmer an, indem es aus einem Schlundringe und einem Bauchmarke besteht, an welch' letzterem bald unregelmässige Anschwellungen (z. B. Echiurus) , bald regelmässige Ganglienbildung (z. B. Bonellia) vorkommen. Bei Sipunculus ist der aus den Comissuren der oberen Schlundganglien hervorgehende Bauch- strang sogar erst am hinteren Körperende mit einer Ganglienanschwel- lung versehen***). *) Heber das erst in neuerer Zeit genauer bekannt gewordene Nervensystem der Rundwürmer vergl. vorzüglich Meissner l. c. ; Wedl, Sitzungsberichte der Wiener Academ. Bd. XVII. 1855. p. 298. Walter, Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd.VllI. 1857. p. 181. **) Vergl. Krohn, "Anatom, physiolog. Beobacht. über Sagitta bipunctata. 1844- ***) Für das Nervensystem der Gephyreen sind wichtig : Krohn in Müller's Archiv 4839. p. 348. — Quatrefages in Ann. des sc. nat. Str. III. T. VII. 1847. Organe der Empfindung. 149 Unter den übrigen Ringelwürmern ist dagegen eine ausnahms- lose Gliederung des Bauchstranges characteristisch geworden, denn selbst da , wo die beiden Längsstämme des Bauchmarkes nur an ihrem hinter- sten Ende durch Queranastomosen verbunden sind, wie bei Malacobdella (Fig. 28), sind regelmassige ganglionäre Anschwellungen an ihnen zu beob- achten (Fig.28.b.b'). — Eine dem Oesophagus aufliegende, oft aus einer Fig. 28. Fig. 29. Fis -f grösseren Zahl von Ganglien gebildete Hirnmasse verbindet sich bei den Ringelwürmern durch Seitenstränge mit dem Bauchmarke, welches immer bis an's Ende des Körpers verlauft. Die Grösse des Gehirnes und die Entfallung seiner einzelnen Ganglienabschnilte ist von der Entwicklung der am Kopfe befindlichen Anhänge und Sinnesorgane abhängig. Sie ist am ausgebildetsten bei den am Kopfe mit Kiemen versehenen oder auch hier reichliche Fühler tragenden Würmern. — Der Bauchnervenstrang besteht aus einer Anzahl hinter einander liegender Ganglien, die durch Längscommissuren verbunden werden (Fig. 29) , und zwar sind diese immer doppelt, denn auch da, wo dem blossen Auge sich ein einfacher Fig. 28. Nervensystem von Malacobdella grossa. a. Schlundganglien. b. Erstes Ganglion der lateralen Nervenstämme, äquivalent dem unteren Schlund- ganglion der übrigen Würmer, b' Folgende Ganglien. Fig. 29. Nervensystem von Serpula contortuplicata. a. Obere Scblund- ganglien. b. Untere Schlundganglien. 6' Baucbstrang. n. Nerven für Mundtheile. t. Antennennerven. Fig. 30. Nervensystem von Nereis regia, o. Augen, dem oberen Schlund- ganglion aufsitzend ; die übrige Bezeichnung wie in Fig. 29. (Nach Quatrefages.) 150 Vermes. Strang darstellt (Fig. 30) , sind beide einander sehr genäherte Hälften microscopisch unterscheidbar. Sehr auseinandergerückt sind die beiden Längsstränge des Bauchmarkes bei den Peripatiden*), bei denen auch eine regelmässige Ganglienanschwellung nicht wahrzunehmen ist. Doch dürfte die Einlagerung von Gentraltheilen auch hier nicht fehlen, wie schon aus den Verdickungen am Ursprünge der zahlreich abgehenden Nervenäste ersichtlich ist. Die beiden Längsstämme werden durch quere, aber unregelmässig angeordnete Commissuren unter einander vereinigt. Die gleichfalls noch getrennten Längsstämme vieler R öhren Würmer {Serpula, Sabella u. a.) zeigen regelmässige Quercommissuren , die am vorderen Körpertheile länger, am hinteren Körpertheile bei beträchtlicher Näherung der Längsstämme kürzer erscheinen (Fig. 29). Sie treffen im- mer genau auf die Ganglienanschwellungen der Längsstämme, so dass die Vereinigung vorzüglich diesen gilt. Bei den übrigen Ringelwürmern, so bei den Scolei'nen, H i r u d i n e e n und den freien Kieraenwür- mern wird das Bauchmark von einem einheitlichen Strange dargestellt, der aus der Vereinigung der beiden Längsstämme und der in diesen ein- gefügten Ganglienanschwellungen hervorgeht (Fig. 30). Die Aufeinander- folge der Ganglien ist von der Entwickelung der Körpersegmente abhän- gig. Einander sehr genähert, manchmal sogar dicht aneinander stossend, sind sie am Bauchstrange vieler Nereiden, Amphinomiden und Euniciden zu treffen, und auch bei den Scolei'nen zeigt das Bauch- mark dicht gereihte Anschwellungen. Die grösste Concentrirung ist da- gegen bei Clymene und Cirratulus zu beobachten. In weiter stehen- den Abschnitten folgen sich die Bauchganglien der Hirudineen, bei denen das letzte, dem Endganglion des Nervenstranges der Nematoden vergleichbar, zu einer beträchtlicheren Grösse anschwillt und den Saug- napf des Körperendes mit Nerven versieht. — Von peripherischen Nerven sind ausser den von den oberen Schlund- ganglien zu den Sinnesorganen tretenden noch besondere Stämmchen anzuführen, welche in die Bildung eines Eingeweidenervensystems ein- gehen. — Die von der Bauchkette entspringenden Nerven treten in der Begel von den Ganglienanschwellungen ab ; doch findet sich bei manchen Abtheilungen auch ein, jedoch nur scheinbarer Ursprung von den Längs- commissuren, indem der Nerv immerauf das nächst vorliegende Ganglion zurückgeleitet werden kann. Solche Verhältnisse kommen vor bei den Siphonostomen, bei Aphrodite, sowie bei Nereiden und den Lumbricinen. Sehr häufig bilden die seitlichen Aeste des Bauchmarks, nachdem sie quer in die Segmente verliefen, noch kleine, meist am Ur- sprünge der Fussstummeln liegende Ganglien , von denen aus erst eine weitere Verzweigung erfolgt. Es können auch diese peripherischen Gang- lien wieder durch Längsstämmchen verbunden sein, so dass zu dem me- *) Vergl. hierüber Grube, Heber den Bau von Peripatus Edwardsii. Mülle r's Archiv. 1853. Organe der Empfindung. 151 dianen Bauchmarke noch ein Paar seitlicher Längsstämme tritt. Am mei- sten entwickelt ist dieses Verhältniss bei den Amphinomiden*). Ein Eingevveidenervensystem scheint als gesonderte Einrich- tung den unteren Abtheilungen der Würmer zu fehlen, wenn man nicht einzelne, bei den Plattwürmern vorhandene Fädchen, die vom Schlund- ganglion auf den Darmcanal übertreten, als solche Andeutungen ansehen will. Dagegen ist ein bei den Nemathelminthen auf dem Rücken ver- laufender Nerv dem sympathischen Systeme vergleichbar. Doch in voll- kommenerer Ausbildung ist das Eingeweidenervensystem erst bei den Ringelwürmern anzutreffen. Es besteht hier theils aus Nerven, die von dem oberen Schlundganglion aus nach vorne an die Mundorgane tre- ten, und die namentlich bei den mit einem hervorstreckbaren Rüssel versehenen (Phyllodoce, Glycera) zahlreiche Ganglienanschwellungen herstellen Unter den Gephyreen entspringen von den seitlichen Com- missuren des Schlundringes mehrfache auf dem Darme nach rückwärts verlaufende Stämme, wodurch ein bei den höheren Ringelwürmern voll- kommener ausgebildetes System angedeutet wird. Es kommt ein solches zu Stande durch einzelne vom Gehirne ausgehende Stämmchen , welche sich mit seitlichen Ganglien verbinden und kleine , den Anfangtheil des Darmes begleitende Geflechte herstellen**). b) Von den Sinnesorganen. Von den höheren Sinnesorganen sind bis jetzt mit Bestimmtheit nur Seh- und Gehörwerkzeuge nachgewiesen worden, aber auch der Tast- sinn ist als durch besondere Organe vertreten anzusehen, wie schwer es auch sein mag, für dieses oder jenes als ein äusserer Anhang des Kör- pers sich zeigende Gebilde die Tastfunction festzustellen. In der Regel ist es das vorderste Körpersegment, welches durch reichliche Ver- sorgung mit Nerven an seinen weichen Partien zum Tasten geeignet er- scheint und überdies noch zuweilen — am beständigsten bei Ringelwür- mern — eine bewegliche Verlängerung vorstellt, wie dies bei der Ober- lippe der Lumbricinen und NaTden der Fall ist. Bei vielen Tur- bellarien, dann bei den Trematoden mögen gleichfalls die weichen Mundtheile tastend fungiren, und bei den Nematoden treffen wir so- gar sehr complicirt gebaute Lippenbildungen um die Mundöffnung. Bei manchen Planarien bilden sich durch directe Verlängerung gewisser Stellen des vorderen Körpers tentakelartige Fortsätze, die aber noch nicht als differenzirte Organe anzusehen sind. Bestimmter treten diese erst bei den kiementragenden Ringelwürmern auf, welche fast alle mit contractilen, häufig auch gegliederten Anhängen am Kopfe versehen sind *) Vergl. Grube, de Pleione carunculala. Regiomontii, 1837. **) Vergl. über das Nervensystem der Ringelwürmer Qu a tret'a ges, Ann. des natur. Ser. 3. Tom. XIV. p. 329. 152 Vernaes. (Fig. 31 . b). Es werden diese als Fühler oder Antennen bezeichnet ; sie fin- den sich symmetrisch vertheilt und werden immer mit besonderen Ner- venstämmchen versehen, die vom Gehirnganglion entspringen. Häufig besteht auch noch ein mittlerer, unpaarer Fühler, der dann der oben erwähnten Verlängerung der Oberlippe entspricht (Fig. 31. c). Die Zahl der Kopffühler ist keine bestimmte, sondern wechselt nach Familie, Gat- tung und Art. Am mächtigsten entwickelt sind sie bei gewissen Röhren- würmern ; so bei Terebella , wo sie äusserst lange, einen dichten Rü- schel darstellende Fäden bilden, welche den Kopftheil im Halbkreise stehend besetzen. Die Enden dieser Fäden können sich verbreitern und wie Saugorgane sich festsetzen, wodurch das Thier zum Theile eine Art von Locomotion vollführt. Ueberdies kommen ihnen auch noch andere Redeutungen zu. von denen die Herbeischaffung von Nahrungsstoffen die wichtigste ist. Eine eigenthümliche Umwandlung erleiden die beiden Fühler der S er pul a- Arten. Reide sind nämlich zu kolbenförmigen Organen gebil- det, von denen das eine, zumeist jenes der rechten Seite angehörige be- trächtlich länger, der Länge der sogenannten Kopfkiemen gleichkommt und am Ende in einen stempeiförmigen Anhang ausläuft, der beim Zurückziehen des Thieres die Oeffnung der von letzterem bewohnten Röhre, der er ge- nau angepasst ist, verschliesst*). Die bei vielen Ringel Würmern (Sylli- den u. s. vv.) seitlich an den Fussstummeln angebrachten Cirren (Fig. 31. d) sind, wenn auch einer anderen Organreihe angehörig (vergl. bei der Athmung), doch sicher auch als Tastwerkzeuge anzusehen. Organe des Geruches scheinen nur bei Nemertinen vorzu- kommen, wenn man die bei diesen seitlich am Kopfe angebrachten Gru- ben, die mit einer dichten Wimperüberkleidung versehen sind, als solche Organe ansehen darf. Dass sie zur Wahrnehmung von Sinneseindrücken dienen, möchte wohl aus den von den oberen Schlundganglien zu ihnen tretenden starken Nerven erhellen; doch muss natürlich dahingestellt bleiben, welcher Qualität die durch sie vermittelte Wahrnehmung ist. Bei den übrigen Würmern sind keine ähnlichen Bildungen vorhanden, und bei allen kennen wir keinerlei Organe, die etwa einem Geschmacks- sinne vorstehen könnten. Als Gehörwerkzeuge treten uns hier wiederum jene bläschen- förmigen Rildungen entgegen, die schon bei den Goelenteraten besprochen worden sind. Ihre Verbreitung findet theils unter den Turbel larien, theils unter den Ringel Würmern statt. In der ersteren Abtheilung erscheinen sie als einfache, dem Centralnervensysteme aufliegende Ge- bilde, die eine rundliche Concretion (einen Otolithen), zuweilen noch mit ein Paar kleinen seitlichen Ansätzen, einschliessen (Monocelis, Microsto- mum, Derostomum catenula, Macrostomum auritum u. a.). Die Gehörorgane der Ringel würmer zeichnen sich vor Allem durch ihre Duplicität aus ; *) Auch Spirorbis ist mit einem solchen stempeiförmigen Schliessorgane der Rohre versehen. Organe der Empfindung. 153 sie finden sich stets dem Schlundringe angelagert und kommen nament- lich bei den meerbewohnenden Kiemenwürmern vor, so bei Arenicola, Amphicora. Die Otolithen finden sich häufig in grösserer Zahl und sind auch in Bewegung gesehen worden , die von einer Wimperauskleidung der Gehörblase herrührt. Die Verbreitung der Seh Werkzeuge zeigt sich, wie auch sonst vielfach, von der Lebensweise und dem Aufenthalte derThiere abhängig. Sie fehlen allen in den Eingeweiden anderer Thiere lebenden Würmern*), sowie auch solchen, die ihre Wohnorte im Dunkeln, so in der Erde, im Schlamme oder unter Steinen u. dergl. besitzen. Die Bildung der Seh- organe hebt mit sehr niederen Zuständen an, und es sind häufig nur Au- genflecke, Pigmenthäufchen von verschiedener, rother, brauner oder schwarzer Farbe, welche den vord rsten Theil des Körpers vieler Tur- bellarien und auch mancher Hirudineen und Ri ngel wür mer auszeichnen und so nur die Stelle andeuten, an welcher bei andern Arten höher entfaltete Organe vorhanden sind. Besonders Nemertinen und Plana rien sind mit solchen Augenflecken versehen, die ersteren in der Regel mit zweien oder vieren {Tetrastemma) , die letzteren mit ganzen Reihen, die in regelmässiger Weise gruppirt sind. Aber schon unter den rhabdocoelen Strudelwürmern treffen sich manche Gattungen," bei denen ein sphärischer, stark lichtbrechender Körper in die Pigmentmasse ein- gebettet erscheint , so dass wir diese Gebilde, zu denen auch stets ein Nerv gehend beobachtet wird, in bestimmterer Weise für Sehorgane an- sprechen dürfen. So beschaffen sind auch die Sehwerkzeuge mancher dendrocoelen Strudelwürmer, sowie jene der meisten Hirudi- neen. Die Stellung der in mehrfacher Zahl vorne am Kopfe (2 — 10) vor- kommenden Augen ist bei den letzteren in der Begel halbkreisförmig und dieselbe Anordnung und Lage zeigen auch die Augenflecke und die wirk- lichen Augen der Planarien. Aehnliche einfache Augenformen finden sich bei vielen röhrenbewohnenden Ringelwürmern, dann un- ter den Gephyreen bei den Sipunculiden, wo sie paarig dem obern Schlundganglion aufgesetzt sind. Auch bei vielen freien Ringel Wür- mern, den Sylliden, Nereiden etc. lagern sie von der Hautober- fläche entfernter, und sind zu einem oder zwei Paaren an der vorhin er- wähnten Stelle angebracht. Bei einer mehr oberflächlichen Lagerung wölbt sich die äussere Hautdecke, zu einer Cornea werdend, über sie hinweg, und so finden wir sie bei einigen Sylliden und Nereiden *) Den frei im Wasser lebenden Larvenformen von Trema t öden kommen Augenflecke zu, die meist paarig am Kopfe stehen. Beim Embryo von Monoslomum mulabile sind in den schwarzen Pigmentflecken am Kopfe linsenartige, lichtbrechende Körper von G. Wagen er beobachtet worden, und auch bei einer Art der an den Kiemen unsrer Siisswassernsche schmarotzenden Dac ty 1 ogyren, die alle mit vier Pigmentflecken versehen sind. Der Zutritt von Nervenfädchen, der hier jeden- falls für die Deutung der Organe entscheidend sein muss, ward gleichfalls von obi- gem Forscher nachgewiesen. — 154 Vermes. Fig- 3'1 ■ (z. B. Myrianida, Sacconere'is u. a.) (Fig. 31 . ä). Diese <^r\ c. b/n"Z^ Augenbildung erhält eine höhere Potenzirung durch ~^\\l_J/^ das Auftreten mehrfacher lichtbrechender Körper*), ^WLaLW]^ wofür vorzüglich die beiden Augen der Sagitta ^^V'.r, .•/ lin(l ('ie cn'ei am Kopfe von Pohjophthalmus ste- y-Sp' -^JS^m henden Augen anzuführen sind, bis wir in den Au- 7-^f1 ^'SovV §en ^er Alciopen die höchste Entfaltung dieses ^/QfZ^_ 7 *1\^-y\ Organes antreffen, indem hier nicht allein ein sehr yj-^ ^^\r> complicirt gebauter, der Retina des Wirbelthierauges vergleichbarer, percipirender Apparat, sondern auch ein sehr entwickel- tes lichtbrechendes Organ, ja sogar auch eine Iris und Tapetumschichte wahrnehmbar wird. Es gehören deshalb die Sehwerkzeuge der Alcio- pen zu den höchst entwickelten, die erst unter den höheren Thieren ihre Anschlüsse finden**). Die Vertheilung der Sehwerkzeuge findet nicht ausschliesslich am Kopfe der Thiere statt. So sind bei Amphicora, Lumbriconere'is . auch atn letzten Körpersegmente solche Organe angebracht, und bei Po- lyöphthalmüs sind ausser den am Kopfe befindlichen sogar noch an jedem Körpersegmente Augenpaare zu finden, die durch einfache licht- brechende Körper von den ersteren verschieden sind. Eine solche Wie- derholung der höheren Sinnesorgane ist für die ganze Auffassung der Segmente von hoher Bedeutung, indem der Umstand, dass die in Rede stehenden Organe ihre Nerven von den Bauchganglien erhalten, die Seg- mente selbst als selbständigere Körpertheile erscheinen lässt. Eine ganz abweichende Lagerung zeigen die Augen bei einigen, den Sab eilen nahe stehenden Böhrenwürmern , wo sie an den, am Kopfe sitzenden Kiemenfäden angebracht sind und an jedem derselben in mehrfacher Zahl in einer Beihe hintereinander gelagert vorkommen. §■24. Organe der Ernährung. a) Von den Verdauungsorganen. Die Ernährung erfolgt nur bei einigen in anderen Thieren lebenden Würmern auf endosmotischemWege durch die Hautdecke; hierher gehö- Fig. 31. Vorderkörper einer Myrianida. a, a. Augen, b. Seitliche Fühler, c. Unpaarer Stirnfühler, d. Cirren der Rückenstummeln. *) Ich muss hier darauf aufmerksam macben, dass die sogenannten licht- brechenden Körper im Auge der Wurmer sich wohl durchgehend als Homo- loga der Krystallstäbchen der Arthropoden herausstellen werden, indem der Nerv mit ihnen in Verbindung getroffen wird. Solches ward von mir an den Augen von Egeln {Sanguisuga) beobachtet, und ich nehme darauf hin keinen Anstand, diese Form des Sehorganes den einfacben Augenformen der Arthropoden an die Seite zu stellen, und darin ein neues verwandtschaftliches Verhalten der beiden grossen Thierabtheilungen zu erkennen. **) Vergl. über das Auge der Alciopen: Krohn im Archiv für Naturge- schichte, 1845. p. 179; Leydig, Lehrbuch der Histologie, p. 259. Verdauungsorgane. 155 ren die Cestoden, Acanthocephalen und wenige Trematoden*). Bei den übrigen besteht immer ein bestimmter Nahrungscanal , der in vielfachen Formen auftritt und in folgenden zwei, durch reiche Ueber- gänge vermittelten extremen Bildungen sich darstellen lässt. Nehmen wir hierbei auch die allgemeine Körperform in Betrachtung, so ergibt sich die Form des Darmcanals mit dieser in engem Zusammenhange. Bei den einen, die durch gestreckten, wenig in die Breite entwickelten Kör- per ausgezeichnet sind, treffen wir den einfachen Darm in meist geradem Verlaufe die Länge des Körpers durchziehen ; mit einer Breitenentfaltung des Körpers treffen wir dagegen an der Darmhöhle entweder einfache seitliche Aussackungen, die wie Blindschläuche gestaltet sind, oder die bei höherem Grade der Verästelung den ganzen Körper durchziehen. Characteristisch für die Würmer ist der Mangel von Windungen am Darmcanale, so dass mit nur wenigen Ausnahmen**) Mund- und After- öffhung je an einem Körperende angebracht sind. Ein After fehlt übri- gens vielen Würmern, so sämmtlichen Strudelwürmern, (mit Ausnahme der Nemertinen und Microstomeen) ferner den Trematoden und Gordiaceen. Die Mundöffnung liegt in der Regel am vorderen Körperende, meist der Bauchseite genähert, rückt aber vielfach wirklich auf die Bauchfläche, oft bis zur Mitte derselben und auch darüber hinaus. Diese verschiedene Lagerung ist besonders bei Strudelwürmern zu beob- achten (Nemertinen, Planarien, Mesostomeen, Opistomeen). Die am vorderen Körpertheile mit einem Saugnapfe versehenen Trema- toden und Hirudineen zeigen die Mundöffnung inmitten desselben angebracht , und dann dient der Saugnapf zugleich als Mundorgan und ist zum Einbringen der Nahrung behülflich. Bei vielen Würmern führt die Mundöffnung in einen musculösen Schlund von rundlicher oder cylin- drischer Form, der in letzterem Falle rüsselartig hervorstreckbar ist. Da den mit einem solchen protractilen Rüssel ausgestatteten Würmern ein besonderer musculöser Schlundkopf abgeht , so kann dieser Rüssel auch als Analogon eines solchen angesehen werden. Wir fänden somit in die- sem Organe kein neues Gebilde, sondern müssten in ihm nur einen vor- zugsweise musculösen Theil des Darmcanals sehen , der bei den einen hervorstreckbar ist, bei den andern nicht. Das Erstere ist der Fall bei vielen rhabdocoelen Strudelwürmern und auch bei den Plana- rien, bei welch' letzteren der Rüssel (Fig. 36. p) sogar eine beträchtliche Grösse besitzt, und in manchen noch die Eigenschaft kundgibt, selbst vomThiere abgerissen noch Schlingbewegungen mit Erfolg zu versuchen. Unter den Egeln sind die Glepsinen mit einem ähnlichen Rüssel aus- *) Ein Darmcanal fehlt unter den Trematoden z. B. bei Amphiptyches urna nach G. Wagener, in Müller's Archiv, 1852. **) Es bilden diese Ausnahmen die meisten Gephyreen, die auch noch durch andere Organisationsverhältnisse von den Würmern sich entfernen und zu den Echinodermen Anschlüsse bieten. 156 Vermes. gestattet, und auch viele Fussstummeln tragende Ringelwürmer sind da- mit versehen*). Eine Bewaffnung der Mundhöhle oder der Umgebung des Mundes mit kieferartigen Organen kommt schon bei den Nemato- den**) in Form eines Hakenbesatzes oder eines aus festen, hornartigen Leistchen bestehenden Apparates vor, ist aber vorzüglich unter den Ringelwürmern ausgebreitet. Wir finden Kieferstücke bei vielen Egeln; bald sind es drei, am gewölbten Rande mit einer Zähnchenreihe besetzte Kiefer (Sang uisuga und Haemopis) , bald deren zwei, ein oberes und ein unteres, die senkrecht gegen einander wirken (Branchiobdella) . Die freien Kiemenwürmer sind mit hakenartig gekrümmten, seitlich gegen einander gerichteten Kiefern versehen, die sowohl in der Zahl (2 — 9), wie in Gestaltung und Befestigungsweise verschiedene Verhält- nisse bieten***). Als eine andere Art accessorischer Mundtheile, von der eigentlichen, eben besprochenen Kieferbildung nicht wenig verschieden, sind die vor- züglich bei Plattwürmern verbreiteten und über dem Munde gelegenen Bohrorgane anzusehen. Betrachten wir diese Organe in ihrer extremsten Entwickelung bei den Nemertinen, so finden wir hier einen über dem üarmcanale gelegenen Schlauch (Fig. 32. a), der, oft mehrfach ge- wunden. am Kopfe des Thieres oberhalb des Mundes sich öffnet. Vom Grunde dieses verschieden langen Organes entspringt ein Muskel (Fig. 32. nir) , der, gleichfalls Windungen darstellend, an irgend einer Stelle der Körperwand inserirt ist. Die Höhlung dieses Schlauches lässt tief ini Grunde einen starken nach vorne gerichteten Stachel (Fig. 32.6) er- kennen, dem zur Seite noch mehre kleinere, wahrscheinlich zum Er- sätze dienende Stachelbildungen gelagert sind (Fig. 33. a?'). Das ganze Organ ist hervorstreckbar, indem es der Art ausgestülpt werden kann, dass die an seinem blinden Ende gelegene Stachelrüslung an die Spitze tritt und der vorhin erwähnte Muskel nach innen zu liegen kommt. Die Function des letzteren ist offenbar die eines Retractors, der erst in Thä- tigkeit tritt, wenn der Schlauch ausgestülpt wurde. Demzufolge ist auch die Länge des Muskels eine der Länge des Schlauches entsprechende. *) Z. B. dieGlycereen, Nephthiden, Phyllodoceen, Syllidenu. a. **) Es müssen auch die am Munde vieler Nematoden vorkommenden Knöt- chen den Kauwerkzeugen beigerechnet werden. — Die hornigen Leistchen und Zahnbildungen, die namentlich bei den kleineren, bisher nur wenig beachteten Rundwürmern der süssen und salzigen Gewässer vorhanden sind, zeigen nach den Gattungen und Arten grosse Verschiedenheiten. Vergl. hierüber M. Schul Ize in Icones zoolomicae von V. Carus, Tafel VIII. von Diplogasler, Rhibditis, Enoplus. ***) Zwei Kiefer besitzen die meisten Nereiden; acht finden sich bei den Aphroditeen, und drei auf der einen, vier auf der andern Seite sind bei Euni- cide n beohachtet — An diese Kieferbildung der höheren Ringelwürmer schliessen sich auch die Kie- fer der Sagitten an. Sie liegen in mehreren Reihen symmetrisch vertheilt um die Mundöffnung auf beiden Seiten des Kopfes und wirken vorzüglich als Fang- oder Greifwerkzeuge. — Verdauungsorgane . 157 Fig. 33. Und er liegt gewunden, wenn das Organ eingestülpt ist. Die physiologische Be- deutung dieses relativ sehr mächtigen Gebildes ist zwar im Ganzen noch un- sicher; doch lässt sich aus seinen Lage- rungsverhällnissen und seiner Verbin- dung mit dem Munde wenigstens so viel schliessen, dass es schwerlich mit den Geschlechts- funclionen im Zusammenhang steht, wie dies Andere annehmen*). Mehr Licht auf jene Bedeutung fällt jedoch aus der morphologischen Reihe, in welche wir dieses Organ zu bringen genöthigt sind. Es besteht nämlich bei Süss w asser- Nemertinen (Prorhynchus) ein ähnli- ches Organ in einer viel kleineren Form , indem es nur durch einen relativ kurzen Blindschlauch repräsenlirt wird, der mit der Mundöffnung ausmündet und in sei- nem Grunde ähnliche Stachelbildungen aufweist (Fig. 2>k.x.y). Von dieser Form aus können wir auch die bei Distomen- Larven gleichfalls über der Mundöffnung liegenden Stachelbildungen hier im Anschlüsse betrach- ten, wozu wir durch die übereinstimmende Bildung be- rechtigt sind, zumal auch dieselbe Lagerung von Ersatz- stacheln bei jenen vorhanden ist. Wir haben so eine ganze Reihe von eigenthümlichen Organen vor uns, die durch die gleiche Einrichtung ihrer wesentlichsten Cha- ractere, nämlich in der Beschaffenheit der Stachelbildun- gen , übereinstimmen , und es sind nur secundäre Ein- richtungen , aus denen Differenzen hervorgehen, nämlich die Lagerung der Stacheln entweder oberflächlich am Körper, oder im Grunde einer verschieden tiefen Einstülpung. Da wir die Bedeutung der Stachelappa- rate bei den Cercarien kennen, so resultirt hieraus, unter Feslhaltung der morphologischen Uebereinstimmung dieser Theile mit den vorhin er- wähnten, dass wir sicher, ohne weit zu fehlen, auch in dem Rüssel der Nemertinen eine zum Bohren dienende Einrichtung erkennen dürfen. Fig. 32. Rüsselorgan einer Nemerti n e (Polia armata Quatr.). a. Der hohle, vorne sich öffnende Schlauch, der in seinem Grunde b. einen grösseren und mehre kleinere Stacheln trägt, c. Fortsetzung des Schlauches nach hinten, mr. Rückzieh- muskel, g. Oberes Schlundganglion (Gehirn), nach hinten die starken Seilennerven abgebend. — Fig. 33. Das blinde Ende der Rüsselhöhle von derselben Nemertine stärker vergrössert. x. Der grosse Stachel, x Seitliche Reservestacheln. *) Nach Oersted soll dies Organ bei der Begattung dienen, etwa wie ein Sti- mulationswerkzeug. Von Quatrefages wird es sogar als Darmcanal angesehen, indem dieser Forscher den eigentlichen Darm übersah. Seine wahren Beziehungen zum Darme wurden dagegen durch Rathke festgestellt. 158 Vermes. In welcher Art die Thiere dieses Bohrorgan verwenden, ob als Waffe zur Verteidigung oder zum Tödten ihrer Beute, muss vorläufig dahingestellt bleiben*). Von dem Schlünde oder dessen musculöser Anschwellung (Fig. 35. b. Fig. 49. A. p'.), dem bei manchen Nematoden sich sogar einige Male wiederholenden Schlundkopfe, entspringt der eigentliche Darm durch eine bald mehr bald weniger auflallende Bingfurche von ersterem abgesetzt. Die Einschnürung ist um so deutlicher, ie y^'0 ' mehr die Musculalur des Schlundkopfes entwickelt ist. Da der von hier abgehende Darm niemals in scharf von einander getrennte Abtheilungen zerfällt, sondern höch- stens nur ein sich etwas verschieden verhaltendes End- stück als Bectum erkennen lässt, so ist es schwierig, die einzelnen , bei anderen Thieren am Darmcanale wahr- nehmbaren Abschnitte unter den Würmern nachzuwei- sen. Oftmals erscheint auch ein dem musculösen Schlundkopfe entsprechender Theil weit nach hinten vorkommend, so das man diesen wegen seiner Entfer- nung vom Munde als Magen gedeutet hat. Da aber of- fenbar die Function dieses musculösen Darmabschnittes nur in der Zerkleinerung der aufgenommenen Nahrungs- stoffe besteht, so könnte er höchstens mit einem Kau- magen verglichen werden. Wir nehmen deshalb an, dass die eigentliche Function des Magens immer jenem gan- zen Abschnitte zukommt, der hinter dem musculösen Theile folgt. Am einfachsten erscheint der Darm bei einer Ab- theilung der Turbellarien, wo er als ein gerader, gleichmässig weiter Schlauch (Fig. 34. i.) bis gegen das Körperende verläuft und dort geschlossen endet (fast alle Rhabdocoela arhynchia) , oder mit einem After am Hinterleibsende sich öffnet (Nemertina, Microstomea). Fast ebenso einfach, der besonderen Abtheilungen ent- behrend, treffen wir den Darm bei manchen Trematoden, so bei Fig. 34. Prorhynchus fluviatilis. o. Mund, oe Schlund, rüsselartig vor- streckbar, i. Darm. gl. In den Darm mündende Drüsen (Speicheldrüsen?), c. Wim- pergrube, x. Stachel in dem über dem Schlünde gelegenen kurzen Rüssel, y. Sack- artiges Ende des Rüssels, ov. Ovarium. *) Es kann hier auch nicht übergangen werden, dass die Kategorie der Stachel- bildungen wohl nicht mit den oben erwähnten Formen abschliesst. Wenn wir von einem allgemeineren morphologischen Standpuncte ausgehen, so muss noch eine grosse Anzahl von Bildungen, die wir am Vordertheile des Körpers vieler Würmer finden, hierher gezählt werden. Von den Stacheln der C ercar ie n finden wir in den Stacheln der jungen Gordiaceen, gleichfalls protractilen Bildungen, Ueber- gänge zu den Häkchen, welche den sogenannten Rüssel der Echinorhy nch e n besetzen, ein Organ, welches ebenfalls am vorderen Körperende eingestülpt wird. An dieses schliesen sich dann die Ilakenkränze der C est öden enge an und vollen- \7erdaiuine;soraane. 159 Aspidogaster , während bei der Mehrzahl der übrigen Trematoden verästelte Darmformen vorherrschen. Das aus dem Schlundkopf her- vorgehende Stück theilt sich alsbald in zwei Aeste (Fig. 35. c. c), die entweder für sich blind enden (Ar- ten von Monostomum , Distoma u. s. w.) , mehr oder minder weit in den Leib hinabragen oder die ringför- mig in einander übergehen (bei Monostomum mutabile, M. flavescens und den Polystomen*). Bei anderen lösen sich die beiden Aeste des gabeltheiligen Darmes in zahlreiche, den Körper durchziehende Zweige auf, oder sie sind seitlich mit regelmässig stehenden Zwei- gen besetzt (Octobothryum , Tristomum , Diplozoon [Di- porpa]). Eine ähnliche, bald mehr unregelmässige bald wieder regelmässige Verzweigung des Darmes ist auch bei den Turbellarien in einer Abtheilung (den dendrocoelen Turbellarien = Planarien) vor- handen, so dass die ganze Einrichtung mit einer vorzüglich in die Breite entwickelten Körperform zusammenzufallen scheint. Aus der stets auf der Bauchfläche gelegenen, zuweilen bis in die Mitte hinabgerückten Mundöffnung (Fig. 36. o.) kann ein muskulöser Schlund (p) rüs- selartig hervorgestreckt werden ; er führt in eine mittlere verschieden weite Höhle , den Magen (v) , von wo aus die Verästelungen in der mannichfaltigsten Anordnung abgehen {gv). Durch Verbindungen der Zweige unter einander kann sogar ein förmliches Maschen- werk entstehen (bei Aeolidiceros). Es muss unentschieden bleiben, ob diese Verästelun- gen als ebenso viele Abtheilungen einer ver- dauenden Cavität (eines Magens) anzusehen Fig. 36. sind oder ob ihre Bestimmung vorzüglich in der Verbreitung des Chymus an entferntere Körperstellen zu suchen ist, wodurch dann bei Fig. 35. Darmcanal von Distoma flavescens. o. Mundöffnung von einem Saugnapfe s umgeben, s'. Bauchnapf. b. Musculöser Abschnitt des Oesophagus, als Pharynx, erscheinend, c. Gabelförmig getheilter Darmschlauch. Fig. 36. Verdauungsapparat von Proceras sanguinolentus. o. Mund. p. Pharynx, v. Magen, gv. Verzweigungen der verdauenden Cavität. n. Nerven- knoten (Gehirn) nach Quatrefages. den in der Mannichfaltigkeit ihrer Formen eine Reihe typischer Einrichtungen, die innerhalb der Abtheilung der Würmer, und zwar vorzüglich in deren niederen Ord- nungen, zu mannichfaltigen Functionen modificirt erscheinen. Vergl. hierüber auch das, was bei den Integumenten gesagt ist. — *) Bei Polyst. appendiculalum gehen die hinten vereinigten Zweige in einen un- paarigen Fortsatz über. 160 Vernies. dem Mangel eines Circulationsapparates die sonst letzterem zukommende Function vom Verdauungsapparate selbst besorgt würde. Am wahr- scheinlichsten ist, dass beiderlei Verrichtungen gleichmässig neben ein- ander bestehen. Für die einfacheren Formen , z. ß. bei dem gabeligen Darmcanale der Distomen u. a., wird es zur Gewissheit, indem selbst am hintersten Ende der Darmschläuche Ingesta zu finden sind. — Bei den Rundwürmern verläuft das auf den Schlundkopf fol- gende Darmslück fast immer mit gleichmässiger Weite bis in die Nähe des Afters, vor dem es eine geringe Verengerung zeigt (Fig. 49. ?", ?'.). In einigen Asca riden geht ein blinddarmartiger Fortsatz nach vorne noch über den Schlundkopf hinaus, ohne jedoch einen von dem übrigen Darme verschiedenen Bau zu besitzen. Sehr abweichend von diesen einfachen Verhältnissen erscheint die Bildung des Ernährungsapparates der Gordiaceen. Der jeder musculösen Anschwellung entbehrende Schlund besitzt bei Goi^dkts eine biinförmige Erweiterung und führt nach Meissner' s Angaben direct in das aus grossen polyedrischen Zellen bestehende Körperparenehym , in welches auch die übrigen Or- gane sich einbetten. Es bestände hiermit vom Darmcanale nur ein zu- leitender Abschnitt, und ein eigentlicher Magen fehlte, so dass die Func- tion der Verdauung von den Zellen des Körperparenchyms selbst ver- mittelt würde. Es würden dieselben Gebilde zugleich die Weiterleitung der wohl nur in flüssigem Zustande zugeführten Nahrung besorgen, also in einfachster WTeise der Ernährung des Körpers vorstehen. Auffällend verschieden von dieser Einrichtung soll nach demselben Beobachter der Ernährungsapparat vonMermis sich herausstellen. Der enge Schlund setzt sich hier in eine den Körper durchziehende, von Stelle zu Stelle anschwellende Doppelröhre fort, von welcher eine die andere um- schliesst. Die innerste birgt eine schon vorne im Schlünde beginnende Rinne. Von den Anschwellungen treten kurze Querröhren mit knopf7 förmig erweiterten blindem Ende aus dem eben erwähnten Schlauche hervor, um in einen mit jenem parallel verlaufenden, weiteren Schlauch überzugehen. Es würde demnach dieses System von kurzen Querröh- ren die Nahrungsstoffe aus dem ersterwähnten Darmstücke durch Re- sorption aufnehmen und in den weiteren Parallelschlauch überführen, so dass also der letzlere , ausser etwaiger1 Veränderung der Qualität der ernährenden Flüssigkeit, vorzüglich die Verlheilung derselben im Kör- per besorgte*). *) Bei Mermis albicans umscbüesst der weitere Längssehlauch grosse, dicht. an einander gelagerte Zellen , die mit den Parenchymzellen von Gordius überein- stimmen, so dass also dieser Theil dem die Leibeshöhle von Gordius füllenden Kör- perparenchyme entspräche und der Ernährungsapparat der M e r m i th e n eine hö- here Ausbildung und Complicirung von jenem der Gor die n wäre. Obgleich die hierüber bestehenden Untersuchungen Meissner's mit grosser Exactheit durchgeführt scheinen, so wäre doch zur Herstellung eines mehr mit den übrigen bekannten Thatsachen harmonirenden Bildes eine Nachprüfung wünschens- werth. — Verdauungsorgane. 161 Fi«. 37 An die Form des Darmcanals der Rundwürmer schliesst sich auch jener der Sagitten an, ja er kann sogar als eine noch einfachere Bil- dung betrachtet werden , insofern er jeder besonderen Differenzirung in einzelne Abschnitte entbehrt und als nahebei gleichweiter Schlauch den Körper bis nahe an den Anfang des Schwanzes durchzieht. Bei den Ringelwürmern treffen wir die auf den Schlund folgende Darmstrecke in sehr verschiedenen Formverhältnissen, die namentlich durch die Entwickelung des Körpers in die Länge oder in die Breite, so- wie durch die Segmentbildung infiuenzirt sind. Die letztere bedingt nämlich gleichfalls Einschnürungen des Darmcanals, die um so deutli- cher werden , je mehr die Segmentbildung äusserlich ausgeprägt ist ; sie führen schliesslich zur Bildung von seitlichen Ausbuchtungen, die sogar in blinddarmartige Anhänge übergehen. Das letztere Verhalten zeigen besonders die Hirudineen, deren wei- ter Darmschlauch mit einer verschiede- nen Anzahl taschenartiger Ausbuchtun- gen (Fig. 37.) symmetrisch besetzt ist*). Die beiden letzten davon treten zuweilen {Clepsine, Sanguisiiga, Haemopis) als lange Blindschläuche an dem enger geworde- nen einfachen Endstücke des Darmes bis an's Ende des Körpers herab (Fig. 37. c.c.) und sind auch bei einigen (z. B. Aulacostomum) die einzigen Coecalbildun- des Darmcanals. Durch Verästelungen dieser mehrfachen Blindschläuche (z. B. bei Clepsine) findet eine Annäherung an die dendrocoelen Plattwürmer statt. Von den übrigen Ringelwürmern zeigen nur noch die Aphroditeen eine ähnliche Bildung, indem hier auf einen langen stark musculösen Pharynx (Fig. 38. b.) eine über diesen gelagerte knieförmige Biegung des Darmes folgt, von welcher an der ganze Darm mit zahl- reichen, symmetrisch vertheilten engeren Blindschläuchen besetzt ist, die sich weit in die Körpersegmente hinein erstrecken und an ihrem Ende wiederum mit kolbig angeschwollenen Verästelungen versehen sind (Fig. Fig. 37. Darmcanal von Sanguisug a. o. Schlund, c, c. Blindsack. a. After. Fig. 38. Darmcanal von Aphrodite, o. Schlund, b Musculöser Pharynx (Kaumagen), c, c. Blinddarmartige verzweigte Anhänge des Darmrohrs, a. After. *) Eine Ausnahme bildet der einfache, nur wenig erweiterte Darmschlauch von Nephelis und Branchiobdella, an dem nur einige Einschnürungen vorbanden sind. Bei Pontobdella erscheint zwar der Darmcanal äusserlich glatt; allein im Innern sind dennoch Scheidewände von Stelle zu Stelle angebracht und lassen hierin eineUeber- gangsform zu den oben beschriebenen Blindsackbildungen erkennen. — Gegenbaur, vergl. Anatomie. \ I 162 Vermes. 38. c. c). Der als Pharynx oder auch als Kaumagen gedeutete Abschnitt desDarmcanals kommt auch den Lumbricinen zu und findet sich aus- serdem noch kürzer oder länger bei den kiementragenden Ringelwür- mern , deren übriger Darm nur selten einzelne grössere Abschnitte auf- weist. Zu den wenigen, welche solche weitere, deutlicher als »Magen« erscheinende Darmabschnitte besitzen, gehören die Arenicolen, dann die Pheruseen (Siphonostomum) , welch' letztere den Endabschnitt des Darms in einer über den Magen sich nach vorne erstreckenden Schlinge gelegt tragen. Mit dieser Form geht zugleich die bilaterale Symmetrie in der Lagerung des Darmcanals zu Ende, und es reiht sich hieran die Form des Darmes der Geph yreen, die gleichfalls eine gewundene ist, und (besonders bei Bonellia, Sternapsis u. a.) zahlreiche Schlingen bildet. A ccessorische Drüsenorgane des Darmcanals sind im Allge- meinen wenig differcnzirt. Wo sie erkennbar sind, sind sie enge mit dem Darme verbunden und stellen niemals in der Art selbständige Or- gane vor, wie wir solche in der nächst höher stehenden Abtheilung, je- ner der Arthropoden, schon antreffen . Von Speicheldrüsen sind bei den Plattwürmern schon mehr- fache Andeutungen vorhanden, und wir kennen bei den Turbella- rien kurze, oft in grösserer Zahl in den Schlund einmündende Schläu- che, die wir den erwähnten Organen beizählen müssen (Fig. 34. gl.). Sie sind meist in Gruppen auf beide Seiten vertheilt, und sind in ähn- licher Weise auch bei Trematoden vorhanden, deren Larven (die Cercarien) sie nicht schwer erkennen lassen. Entwickelter sind diese Organe bei den Annulaten, wo nament- lich unter den Hirudineen eine Anzahl gestielter, in den Schlund mündender Drüsenbläschen nachgewiesen wurde. Sie sind bald einfa- chen Baues (langgestielte, einzellige Drüsen), bei Piscicola und C lep- sin e , bald erscheinen sie zusammengesetzter. Auch den Lumbrici- nen fehlen solche Organe nicht, da eine bedeutende drüsige Masse den Anfang des Schlundes umhüllt und wie es scheint auch in selbe einmün- det. Bei den röhrenbewohnenden Kiemen würmern sind zwei lange, platte Schläuche vorhanden, die durch ihre Einmündung in den Anfangstheil des Darmcanals an Speicheldrüsen erinnern. Dagegen ist es zweifelhaft, ob die. vielen freien Kiemenwürmern , z. B. Arenicola, Nereis u. a., zukommenden Schläuche, die in das Ende des Schlund- kopfes oder auch der Speiseröhre einmünden, hinsichtlich ihrer Function hierher gerechnet werden können. Ihre Verbindung mit dem Darmca- nale an einer vom Munde entfernter liegenden Stelle macht jene Deutung unwahrscheinlich, ohne dass wir jedoch ihren physiologischen Werth auf einem anderen Wege bestimmen könnten. Was Galle absondernde Organe angeht, so ist der Mangel einer be- sonderen »Leber« für alle Würmer characteristisch. Es hat in dieser Kreislaufsorgane. 163 Thierabtheilung das genannte Organ noch keine Differenzirung erreicht, und wo ein Galle absondernder Apparat besteht, ist er unter verhält- nissmässig beträchtlicher Flächenausdehnung mit der Darmwand selbst verbunden. — Eine solche Einrichtung erkennen wir vorzüglich in je- nen Fällen, wo der Darmcanal auf einer verschieden grossen Strecke eine gelbliche, grünliche oder auch braune Färbung zeigt. Diese ist dann abhängig von einer drüsigen Schicht , welche entweder nur aus einfa- chen Zellen besteht und die Innenfläche der Darmwandung auskleidet, oder aus verschieden grossen, niemals aber bedeutend entwickelten Schläuchen sich zusammensetzt, welche, den Darm überziehend, ihr Secret in dessen Lumen ergiessen. In dem letzteren Falle erkennen wir durch die Entfernung der secernirenden Elemente von der Innenfläche des Darmes eine höhere Entwickelungsstufe der Organform. Die Aus- kleidung des Darmcanals mit einer drüsigen Zellenschicht findet sich un- ter den Turbellarien und auch bei den Trematoden, besonders jenen, die einen verästelten Darmcanal besitzen. Auch bei den Nemer- tinen ist eine, jedoch über die innerste Darmauskleidung gelagerte Schicht vorhanden , die durch ihre Färbung sich von den übrigen aus- zeichnet und wohl hierher gerechnet werden darf. Deutlicher erscheint die Leberschicht zu äusserst auf dem Darme der Ringel würmer, den sie auf seiner ganzen Länge wie mit einer zottigen Hülle umgibt. So ist es bei den Lumbricinen und vielen Kiemenwürmern der Fall*). d) Von den Kreislaufsorganen. Die Bahnen zur Vertheilung der ernährenden, dem Blute vergleich- baren Flüssigkeit in die einzelnen Abschnitte des Körpers erscheinen bei den Würmern erst in den höheren Abtheilungen, zumeist erst dann, wenn eine Leibeshöhle bestimmter abgegränzt ist ; und wenn die hinzu- tretende Gliederung des Körpers den ganzen Organismus höher gehoben, treffen wir ein Blutgefässsystem in vollkommener Ausbildung. Auch der physiologische Werth eines anderen im Körper der Würmer häufig vor- kommenden Ganalsystems, welches oftmals als Wassergefässsystem auf- geführt wurde, von uns aber den Excretionsapparaten beigezählt wird, ist ohne Zweifel für die Ausbildung des Blutgefässapparates von hoher Bedeutung. Jenem Canalsysteme kommt nämlich bei vielen Würmern neben der excretorischen Verrichtung die Aus- und Einfuhr von Was- ser in den Körper zu, welches in letzterem vertheilt, die den Körper durchdringende, ernährende Flüssigkeit dem Athmungsprocesse unter- *) Den Hirudineen hat man lange Zeit hindurch gleichfalls eine Leber zuge- schrieben, die den Darm umgeben sollte, indem man die bräunlichen oder gelbli- chen, flockenartigen Massen, welche vielfach in der Leibeshöhle verbreitet sind, als in den Darm einmündende Drüsenschläuche sich vorstellte. Es ist dies jedoch nichts Anderes, als eine pigmenthaltige Bindesubstanz, wie dies Leydig's Untersuchun- gen unzweifelhaft dargethan haben. — 164 Vermes. zieht, und auf diese Weise wenigstens jenen Abschnitt der Blutbahn, welcher das Blut zu Athmungsorganen leitet, überflüssig erscheinen lässt, gleichwie wir auch bei denlnseclen, deren Körper vielfach von den mit dem respirirenden Medium (der Luft) gefüllten Bohren durchzogen wird, nur eine rudimentäre Bildung der Circulationsorgane antreffen. Wo dann die excretorische Bedeutung des sogenannten Wassergefässsy- stems die hauptsächliche ist, sehen wir die Blutbahnen vollständiger ent- wickelt. Das Fehlen der Blutgefässe , oder doch deren geringe Entfaltung bei einigen Würmerabtheilungen fällt aber auch noch mit einem anderen Umstände zusammen, der hier nicht übergangen werden darf. Er be- ruht auf der Vertheilung des ernährenden Fluidums durch eine andere Einrichtung, welche jener der Blutgefässe in ihrem Endresultate gleich- kommt, und die entweder dadurch zu Stande kömmt, dass das Thier allseitig von einer Ernährungsmaterial enthaltenden Flüssigkeitsmenge umgeben ist, wie dies bei vielen parasitisch im Darmcanale oder doch im Körper anderer Thiere lebenden Würmern der Fall ist;, oder es be- sorgt der Darmcanal des Wurmes selbst die Vertheilung des von ihm be- reiteten Nahrungsstoffes , indem er überall in dem Körper verzweigend sich ausbreitet. Trematoden und Planarien liefern hierfür Belege. Einzelne Spuren eines Blutgefässsystems ergeben sich hei den Ne- in athelminthen, so bei den Acanthocephalen*) und wenigen an- *) Man hat den Acanthocephalen ein besonderes Blutgefäss System zu- geschrieben, welches als ein sehr complicirtes Canalsystem die Körperintegumente durchzieht, bis zur Feststellung seiner wahren Bedeutung aber noch einer erneuten Untersuchung bedarf, so dass wir es nur provisorisch hier einreihen können. Es bestehen hier nämlich zwei grössere Längsstämme, welche längs der Seite des Kör- pers verlaufen , und allseitig im Integumente unter vielfacher Anastomosenbildung sich verzweigen. Nach vorne gehen auch Aeste in den Rüssel ab, und es verbindet sich hier das Canalsystem auch mit einem anderen, welches mit eigenthümlichen in ihrer Bedeutung gleichfalls noch ungekannten Organen, den sogenannten Lemnis- cen, in Verbindung steht. Es sind die Lemnisci bandförmige, zu beiden Seiten des Körpers von der Basis des Rüssels an in die Leibeshöhle ragende kürzere oder längere Schläuche, deren Parenchym gleichfalls von Canälen durchsetzt wird. Diese letzteren gehen dann da, wo die Lemnisci in die Haut sich einfügen, in das vor- dere Ende der beiden Längsstämme über, welche als die Centralorgane des ganzen Apparates anzusehen sind. Die Bewegung der in diesen Hohlräumen befindlichen Flüssigkeit kommt nur durch die Körpercontractionen zu Stande. — Andere ha- ben dieses Canalsystem als einen Verdauungsapparat angesehen, was entschieden unrichtig ist, dagegen dürfte die Frage aufzuwerfen sein, ob es nicht bei den als Excretionsorgane anzuführenden Canalsystemen am besten seinen Platz finden möchte. (Vergl. Westrumb, De Helminth. acanthoceph. commenl. hist. anal. 1821, und Burow, Echinorhynchi strumosi analome 1836.) — Bei den anderen Nematoden sind ebenfalls mehre auf ein Gefässsystem schliessen lassende Angaben vorhanden, welche aber ebensowenig als für die Ecfai- norhynchen eine befriedigende Anschauung geben. So hat v. Siebold (Archiv für Naturgesch. 1838. S. 310) neben dem Darmcanale eines noch geschlechtslosen Rundwurmes ein »bandartiges Organ« angetroffen, welches von einem gewundenen Kieislaufsorgane. 165 deren Nematoden, während bei der grössten Zahl der Rundwürmer und bei Sagitta, die in der Leibeshöhle befindliche Flüssigkeit wohl nur durch die Bewegungen des Körpers selbst in Umlauf gesetzt wird. Ebenso sind bei Trematoden und Cestoden keine wirklichen Blut- gefässe aufgefunden, und manche der hierüber bestehenden Angaben ent- behren des positiven Nachweises und dürften wohl auf das sogenannte Wassergefässsyslem zurückzuführen sein*). Unter den Turbellarien sind es erst die Nemertinen, bei de- nen mit Bestimmtheit Blutgefässe beobachtet sind, die in ihrer Anord- nung schon ganz das Verhalten zeigen, wie es auch fernerhin für die Würmer, bei den Annulaten, typisch wird. Es sind nämlich drei Längsgefa'ssstämme, zwei seilliche und ein unpaarer dorsaler, am vor- deren und hinteren Leibesende bogenförmig mit einander verbunden (Fig. 27. /, /. d ). An der vorderen Vereinigung, die immer in der Nähe des oberen Schlundganglion lagert, bilden die Seitengefässe meist einige Biegungen. Die Ringel würmer lassen in der Anordnung der Blutbahnen zweierlei, aber nicht streng geschiedene Typen unterscheiden, indem bei den Gephyreen durch die unregelmässige Verbindung der Gefäss- stämme unter einander, dann auch durch die vorzüglich reiche Ent- wicklung der Gefasse am Darmcanal einige Uebereinstimmung mit dem, was man von Blutgefässen bei den Holothurien kennt, vorhanden ist. Nach der ausführlichen Darstellung von Schmarda an Bonellia viridis besteht hier ein den Darmcanal längs der Dorsalseite begleitender und nach vorne einen starken Ast abgebender Gefässstamm , der vorne auf den Rüssel sich fortsetzt und hinten auf die Excreüonsorgane unter ga- beliger Theilung übergeht. Es steht dieser als Arterie gedeuteten Ge- fässtheil durch vielfache Verzweigungen mit den Verästelungen eines längs des Bauches verlaufenden Gefässes in Verbindung, welches aus zwei vom Rüssel kommenden sich zusammensetzt, und auch am hinte- ren Körperende zwei Aeste zum Excreüonsorgane absendet. gefässartigen Canale durchzogen wird. »Da, wo das Band breit, gehen von diesem Gefässe viele zarte Seitengefässe ab, die sich allmählich zu kleinen, kaum zu ver- folgenden Aestchen in der Substanz des Bandes verzweigen«. Auch gehen Verbin- dungsfäden unbestimmter Natur an den Darmcanal ab. Siebold vergleicht das bandförmige Organ mit den Lemniscen der Echinorhynchen (Lehrb. d. vergl. Anatomie p 135). Bei einem anderen Rundwurme hat Ec k e r (Müller Archiv 1845 p. 506) ein Gefässsystem gesehen, bestehend aus einem auf dem Darme verlaufen- den, vorne und hinten sich wenig verästelndem Längsstamme, der eine Strecke weit Contractionen voll.ührte. *) Von K ö 1 1 i k e r wurden zwar für Tristoma papillosum (2. Bericht von der kön. zootom. Anstalt zu Würzburg) ausser dem Wassergefässsystem noch ein pulsiren- des, besonderes Gefässsystem beschrieben. Es ist aber von diesem nur ein in der Mitte des Leibes gelegener Hauptstamm mit mehreren Seitenästen sichtbar gewor- den, und muss also noch dahinstehen , inwiefern diese Canäle wirklich Blutgefässe vorstellen. — 166 Vermes. Wenn es also hier vorzüglich der Darmcanal ist, auf dem der Ver- lauf und die, wie es scheint, völlig unsymmetrische Vertheilung der Ge- fässe stattfindet, so unterscheiden sich die übrigen Ringelwürmer da- durch von den Gephyreen, dass die Verbindung der Gefässstämme unter einander in höchst regelmässiger Weise angeordnet ist, doch ist der Venlauf eines Längsstammes auf dem Darmcanal ein so ausgezeich- neter und häufiger . dass man hierin eine Vermittlung mit dem vorhin geschilderten Typus erblicken kann. Die Entwickelungsgrade des Blutgefässsystemes sind jedoch selbst in der Abtheilung der Ringelwürmer beträchtlich verschieden , ja bei einigen scheint der Kreislauf ein völlig lacunaler zu sein, und das Blut überall frei in der Leibeshöhle zu strömen. So bei Amphicora. Bei anderen tritt die erste Anlage eines Gefässystemes in Form eines Bücken- gefässes auf {Doyeria) , während bei manchen Röhren Würmern und Egeln eine reichlichere Bildung von Gefässen vorhanden ist, diese aber in die Leibeshöhle sich öffnen und so ein Theil des Blutlaufes ausserhalb der Gefässbahnen stattfindet. Im Allgemeinen wird das Blutgefässsystem durch einen dorsalen Fig. 39. (Fig. 39. d.) und einen ventralen (v) Gefässstamm gebil- det, die vorne und hinten schlingenförmig in einander umbiegen , und in den einzelnen Segmenten noch durch regelmässig sich wiederholende Queranastomosen unter einander im Zusammenhange stehen. Diese Verbindun- i gen können auch durch Capillarnetze vermittelt werden, oder es kann mit diesen noch eine directe Vereinigung statthaben. Sind auch noch seitlich verlaufende Längs- ströme vorhanden , wie bei manchen Hirudineen, so sind diese durch Queranastomosen sowohl mit dem Rü- cken- als dem Bauchstamme in Verbindung gesetzt. Als herzartige Organe können entweder sämmt- liche contractile Hauptstämme functioniren , oder es ist diese Verrichtung speciell dem Bückenstamm übertra- gen , der entweder in seiner ganzen Länge oder an ein- zelnen , und dann immer besonders erweiterten Ab- schnitten die Fortbewegung der Blutmasse leitet. Auch einzelne der Quergefässe sind nicht selten zu Circula- tionscentren umgebildet (Fig. 39. c). In der speciellen Anordnung der Blutgefässe ergeben ^ sich bei den Ringelwürmern von dem eben geschilderten Plane mancherlei bemerkenswerthe Modificationen , von denen folgende hervorzuheben sind : Das Blutgefässsystem der Hirudineen ist durch den Besitz con- Fig. 39. Vorderer Theil des Blutgefässsystems eines jungen Saenuris varie- gatus. d. Dorsalgefäss. v. Ventralgefäss. c. c. Herzartig erweiterte Queranasto- rnose. — Die Pfeile deuten die Richtung des Blutstromes an. Kreislaufsorgane. 167 tractiler Seitengefasse ausgezeichnet*), die entweder durch Queranasto- mosen mit dem Rücken- und Bauchgefasse zusammenhangen (Sangui- suga, Branchellion , bei letzteren noch mit contractiien blasenförmigen Anhängen versehen), bald mit einem lacunären Abschnitte des Kreislaufs 'communiciren. Bei Clepsine und Piscicola liegt das mit Klappen verse- hene Rückengefäss, in einem medianen Blutsinus eingebettet, in welchen es hinten frei ausmündet, während es durch seitliche Quergefässe mit den Seitenstämmen, und bei Piscicola vorne durch Schlingen mit dem Bauchstamme in Verbindung steht. Bei Clepsine dagegen wird es vorne durch lange seitlich nach rückwärts verlaufende Gefässstämmchen mit dem hinteren Abschnitte des Bauchstammes, der im Saugnapfe arcaden- förmige Gefässbogen bildet, in Communication gebracht**). Eine Abweichung von der allgemeinen Anordnung der Blutgefässe weist Malacobdella auf, wo, wenn anders die auch in anderen Fäl- len nur mit grosser Vorsicht aufzunehmenden Angaben Blanchard's richtig sind, ausser dem den Windungen des Darmes folgenden Bücken- gefässe, noch zwei Seitengefässe existiren , die aber erst an ihrem vor- dersten Theile eine sie untereinander und mit dem Bückengefässe ver- bindende Gefässnetzbildung eingehen. Die fehlende Gliederung des Lei- bes würde somit auch in dem Gefässsystem durch den Mangel der Quer- anastomosen ausgedrückt sein. Die übrigen Ringel Würmer lassen zwar je nach dem Besitz oder Mangel von Kiemen in der speciellen Anordnung einige Verschiedenhei- ten, aber immer ein dem Darme aufliegendes, sehr oft mit ihm innig ver- bundenes Bückenge fä ss erkennen, welches entweder längs des gan- zen Darmcanals oder nur an dem als Magen erscheinenden Abschnitte Quergefässe abschickt, die entweder ohne Verästelungen oder vermittels eines Capillarnetzes in einen ventralen, gleichfalls dem Darme anliegen- den Gefässstamm übergehen. Es liegt dann in der Regel noch ein zwei- tes Bauchgefäss, im Gegensatze zu dem vorigen den ventralen Haupt- stamm darstellend, frei unter demDarmcanale, und verbindet sich durch Queräste , die den einzelnen Körpersegmenten entsprechen , mit dem Rückengefässe. Diese Einrichtung besitzen namentlich die L um bri ei- nen (Fig. 39) , auch bei den Naiden ist sie vorhanden, nur steht hier das Rückengefäss erst von jenen Stellen an, wo es an den Darm keine Aeste mehr abschickt, mit dem unteren Bauchstamme durch directe Queräste in Verbindung. *) Diese fehlen der Gattung Brauch io bdel la, welche sich in der Anordnung des Gefässsystemes an die Lumbricinen anschliesst. **) Ueber das Gefässsystem der Hirudiniden vergl. vorzüglich Leydig, 2 Bericht von der königl. zootom. Anstalt zu Würzburg für Clepsine, Zeitschr. für Zoologie Bd. I. für Piscicola, dann Quatrefages in Ann. des sc. nat. Ser. III. Vol. 4 8 für Branchellion. — Zahlreiche Arbeiten bestehen über Sanguisuga , von denen die in der Literatur im Allgemeinen angeführten auch hier gelten. 168 Vermes . Fig- 40- Sehr ausgezeichnet ist die vorhin dargestellte Anordnung auch bei Arenicola. Das Rü- ckengefäss und auch das Bauchgefass ist nicht selten auf einer grösseren Strecke seines Verlaufes doppelt vorhanden, so ersteres bei Eunice, letzte- res bei Nephthys; beide Stam- me zugleich sind doppelt bei den Hermellen, doch wird hierdurch der allgemeine Plan nur wenig alterirt. Wo Kiemen entwi- ckelt sind , werden diese re- gelmässig vom Rücken- und Bauchstamm mit je einem Aste versehen (Fig. 40. a. 6.), wel- che dann als Kiemenarterie und Kiemenvene functioni- ren. Die Vertheilung der Kie- men längs der Seiten des Kör- pers, oder ihr beschränkteres Vorkommen am Vordertheile (wie bei den Röhrenwürmern) verändert diese Einrichtung nicht im mindesten. Zur Fortbewegung des Blu- tes dienen vorzüglich einzelne Partien des Rückengefässes oder, der damit verbundenen Queranastomosen, einige die- ser letzteren sind besonders bei den Lumbricinen im vorderen Körpertheile be- trächtlich erweitert, und eine weile bulbusartige Anschwel- lung zeigt das erste Querast- paar bei Arenicola. Unter den Röhren Würmern ist aus- ser einem Queraste noch der Fig. 40. Schematischer Querschnitt durch einen Kiemenwurm [Arenicola) zur Darstellung des Verhaltens der Gefässe. D. Rücken-, V. Bauchseite, n. Bauch- mark, i. Darmhöhle, br. Kiemen, v. Bauchgefässtamm. a, b. Kiemengefässe. d. Rü- ckengefässtamm. h. Den Darmcanal umfassender Ast. v . Ventrales Darmgefäss. Fig 41. Gefässsystem von Terebella nebulosa (das Thier vom Rücken ge- öffnet), t. Tentakeln (nur zum Theile angegeben), br. Kiemen, ph. Musculöser Pha- rynx. «Darm. vd. Rückengefäss. vv. Bauchgefass (nach Milne -Edwards). Kreislaufsorgane. 169 ganze vordere Theil des Rückengefässes (Fig. 41. v. d.) bis zu den in die Kiemen gehenden Aesten hin erweitert, und functionirt als Central- organ der Blutbewegung. Am deutlichsten ist dies bei Terebella ausge- sprochen , dem schliessen sich auch die Pheruseen *) an, die durch die Lage der als Kiemen fungirenden Organe mit den Röhrenwürmern übereinkommen. — Die physiologische Bedeutung der einzelnen Hauptabschnitte des Ge- fässsystems ist bei den Ringelwürmern keineswegs übereinstimmend, und wenn auch das Blut in den einzelnen Gefässen immer in bestimm- ter Richtung strömt, so ist da, wo die Contractililät der Gefässwandun- gen eine verbreitete ist und wo zu gleicher Zeit besondere Athmungsor- gane fehlen, ein venöser oder arterieller Theil nicht wohl unterscheid- bar, ebensowenig als mit Bestimmtheit ein einzelnes Gefäss als »Herz« angesprochen werden kann. Mit grösserer Bestimmtheit gibt sich bei einigen Egeln (s. oben) das Rückengefass als Centralorgan der Blutbahn durch das Vorhandensein von Klappen Vorrichtungen zu erkennen, durch welche jedenfalls eine constante Richtung des Blulstromes geleitet wird. Deutlicher scheidet sich das Gefasssystem in einen arteriellen und venösen Theil, wo distincte Athemorgane vorhanden sind, aber dann er- scheint das Rückengefass in seiner ganzen Länge oder an einzelnen Ab- schnitten bald als venöses, bald als arterielles Herz. So hat die Anschwel- lung des Rückengefässes der Tubicolen, z. B. einer Terebella, offen- bar die Bedeutung eines Kiemenherzens, welches das Blut aus dem Kör- per, und besonders jenes vom Darmcanale, den Athemorganen zuführt, indess das Bauchgefäss zunächst das rückkehrende Kiemenblut aufnimmt; der analoge Abschnitt des Rückengefässes eines mit seitlichen Kiemen versehenen Ringelwurmes (z. B. Eunice) functionirt als Aortenherz, in- dem das aus den Kiemen kommende Blut von ihm aufgenommen wird. Als Kiemenvenen erscheinen in diesem Falle die bulbusartigen Erwei- terungen der Aeste des Ventral-Gefässes. Wie aus den obenangeführten Beispielen, die noch um viele ver- mehrt werden könnten, hervorgeht, ist bei deutlicher Ausprägung eines gewissen anatomischen Planes im Circulationssysteme noch keine streng durchgeführte Homologie in den einzelnen Abschnitten vorhanden, deren Entwickelung besonders durch die so verschiedenen Verhältnisse der Athemorgane gehemmt erscheint. Was die Blutflüssigkeit der Würmer angeht, so ist diese bei allen mit theilweise lacunärem Kreislaufe farblos, sowie auch da, wo gar kein Gefasssystem existirt, die im Leibescavum befindliche Ernährungs- *) Die Vertbeilung der Gefässe ist hier eine etwas verschiedene. Nach Qua- terfages theilt sich das hintere einfache Rückengefass in zwei seitliche, dem Ma- gen anliegende Aeste, und einen unpaaren diesem aufliegenden, aus deren Verei- nigung, und nach Aufnahme von Verbindungszweigen aus dem in ähnlicher Weise am Magen sich theilenden Bauchstamme, die herzartige Anschwellung des Rücken- gefässes hervorgeht. 170 Vermes. flüssigkeil der Farbe stets entbehrt. Gefärbt erscheint das Blut dagegen bei den meisten mit geschlossenem Girculationsapparale versehenen Würmer. So ist sie röthlich bei den meisten Nemertinen, dann bei vielen Egeln, wie Nephelis, roth bei Haemopis, Sanguisuga, den grösse- ren Lu mbric inen , bei Terebella, Serpula, Amphitrite und Arenicola. Gelblich bei den kleinen Naididen. auch bei Phyllodoce, Polynoe u. a., grün bei den Pheruseen, einigen Sabellen und Serpulen. Die Färbung liegt aber hier zumeist in der Flüssigkeit selbst (dem Plasma) und nicht in den nur sehr spärlich vorkommenden zelligen Elementen, die in der Regel farblos sind*). — Bei vielen Ringelwürmern ist die Leibeshöhle mit einer besondern, reichliche Formelemente einschliessenden Flüssigkeit gefüllt, die man einer Lymphe gleichbedeutend angesehen hat, und welche namentlich bei den Lumbricinen grosse Zellen einschliesst, die, in beträchtlicher Menge vorhanden, der ganzen Flüssigkeit ein weissliches Aussehen**) verleihen. Ich betrachte diese Zellen als nicht weiter zu festen Geweben verwendete Reste von Embryonalzellen, und als deren Aequivalente sehe ich die den Darm der Hirudiniden umgebende flockige, fälschlich als Leber gedeutete Masse an, so dass dieselben Zellen, die dort frei waren, hier in eine Gewebsbildung eingehen, eine Erscheinung, die auch bei den Arthropoden ihres Gleichen findet. Ob ausser dem Rlutgefässsystem noch ein anderer Gefässapparat , ein Lymphgefasssystem existirt, wie solches von Quatrefages für Branchellion beschrieben wurde, dürfte höchst zweifelhaft erscheinen. — c) Von den Athmun gsorganen. Bei einer grossen Abtheilung von Würmern sind besondere, den Athmungsprocess vermittelnde Organe nicht vorhanden, und es wird der Gasaustausch hier wohl durch das Integument bewerkstelligt, wozu das sehr verbreitete Vorkommen eines Wimperepithels (bei den Strudel- würmern) vorzüglich geeignet erscheint. Es kommen aber bei den letz- teren sowohl, als auch bei den Trematoden, Cestoden und auch bei Ringelwürmern eigenthümliche Ganäle vor, die sich im Körper verbreiten und mit der Ein- und Ausleitung von Wasser in enger Be- ziehung stehen , so dass wir, durch die Einleitung von Wasser in den Körper einen inneren Athmungsact annehmend, diese Organe gleichfalls *) Die geformten Bestandtheile des Blutes sind fast immer in so geringer Menge vorhanden, dass man dasselbe fast nur aus Plasma bestehend ansehen kann. Nur in manchen Fällen sind reichliche »Blutkörperchen« beobachtet. So von Quatre- fages [Ann. des sc. nat. ser. III. T. XIV. p. 288) bei einer Glycera, deren Blut durch die zelligen Elemente sogar stark roth gefärbt ward. Auch R. Wagner gibt bloss rothe Blutzellen bei einer Terebella an, welche Beobachtung vom ersteren Forscher jedoch in Zweifel gezogen wird. **) Die weissliche Färbung von Enchytraeus wird vorzugsweise durch solche Ele- mente bedingt. Athmungsorgane. 171 den Athmungsorganen theilweise beirechnen müssen. Da sie jedoch ih- rer ganzen Anlage nach einem anderen Apparate angehören, nämlich je- nem, welcher die Excretion vollzieht, und diese letztere Thätigkeit in vielen Fällen die vorherrschende ist, so wird ihre Betrachtung besser in einem anderen Abschnitte abgehandelt*). Die typischen Formen der Athmungsorgane bestehen in äusserenAn- hängen des Körpers, die entweder gleichmässig an allen Segmenten vor- kommen, oder auf eine verschieden grosse Zahl derselben beschränkt sind, es sind Kiemen. Wir können von diesen zweierlei Formen un- terscheiden. Die einen davon bestehen in trichterförmig oder spiralig angeordneten , federbuschartigen Gebilden am Kopftheile mancher Röh- renwürmer, der Serpulaceen (Serpula, Sabella, Protula , Amphicora u. a.). Sie bestehen aus einzelnen, dicht neben einander sitzenden, mit zahlreichen, fiederartig angereihten Zweigen besetzten Stämmchen, die entweder direct von dem Kopftheile des Thieres entspringen, oder, wie bei Sabella, einer spiraligen Verlängerung angeheftet sind. Ihre Stütze bildet ein Knorpelfaden , der auch in die Fiederchen übergeht, und der sich in den Kopf des Thieres zu einem dort befindlichen Knorpelring zu- rückverfolgen lässt, so dass dadurch eine Art von Kiemenscelet herge- stellt wird. Neben dem Knorpelfaden verlaufen Blutgefässe**). Es ist aber die Bedeutung dieser , meist lebhaft gefärbten Organe , nicht aus- schliesslich in der Athmung zu suchen , denn sie dienen auch noch zur Erzeugung eines die Nahrungsstoffe des Thieres herbeischaffenden Stru- dels und können vielleicht morphologisch als modificirte Fühler angese- hen werden. In dieselbe Kategorie gehören auch die fühlerartigen Kopfanhänge der Terebellen, sowie endlich die im Halbkreise den Kopf der P h e - ruseen {Siphonostoma) umstehenden kurzen Fühlerbildungen , die man recht gut den Federbuschkiemen der Serpulaceen zur Seite stellen kann. Die andere Art von Kiemen besteht in einer reichhaltigen Formen- reihe von Anhängen der Segmente. Es sind blattförmige oder dendri- tische Gebilde , die entweder dem Rückentheile des Thieres direct ent- springen oder den Fussstummeln , namentlich den dorsalen derselben, *) Dass die beiden seitlichen, am Kopfe der Nein ertin e n befindlichen Gru- ben, die meist durch längere Cilien ausgekleidet sind, in engerer Beziehung zur Ath- mung stehen , ist nicht wohl wahrscheinlich, da weder eine grosse Oberflächenent- faltung noch eine Verbindung mit den Kreislaufsorganen vorhanden ist. Wir haben sie daher mit besseren Gründen den Sinnesorganen beigezählt (vergl oben). Mit dem Respirationsprocesse zunächst in naher Beziehung steht auch die bei manchen Ringelwürmern vorkommende Wasseraufnahme in den Darmcanal. Bei Naiden, aber auch bei Meerbewohnern [Syllis) ist zu sehen, wie durch peristal- tische Contractionen des Darms eine verschiedene Menge verschluckten Wassers in rascher Folge den ganzen Darmcanal durchströmt. **) Vergl. hierüber Leydig, Zeitschr. für wissenseh. Zoologie Bd. 111. p. 328. 172 Vermes. verbunden sind. Von einer überaus reichen Verästelung (Fig. 40. br.) in der sie grosse Blutquantitäten aufzunehmen im Stande sind, bis zu kleinen, unansehnlichen Anhängen kommen sie in allen Uebergangsfor- men vor und die Umbildung einer morphologischen Organreihe mit gleichmässiger Veränderung des physiologischen Werthes ist hier im voll- Fig. 42. 1 ir w s?^=^_p*_ fr sten Maasse vorhanden. Als baumförmige Anhänge der ersten (3) Kör- persegmente kommen sie bei Röhrenvvürmern , den Terebell aceen, vor (Fig. k\.br.) und finden sich als kürzere, einseitig gefiederte Kiemen bei Amphitritc , wo sie nur zwei Körpersegmente besetzen. Reichlicher gefiedert, nahebei an allen den zahlreichen Segmenten des Körpers vor- handen (sie fehlen nur an den ersten) , treffen wir die Kiemen an den Rückenstummeln der Euniciden (Fig. 42. A. br.), und auch bei den Amphinomiden sind baumähnlich verzweigte Kiemenanhänge am Rücken angeheftet und in der ganzen Länge des Körpers verbreitet*). Die der Fussstummeln entbehrenden Arenicolen besitzen gleich- falls dendritische Kiemenbüschel , die nier an der Seite des Körpers ste- hen, in der Nähe der Borstenbüschel, durch welche die Lage der Fuss- stummeln angedeutet wird. Sie beschränken sich nur auf die Mitte des Körpers und kommen in 12 — 13 Paaren vor, von denen die hintersten am ausgebildetsten erscheinen. Eine Rückbildung erleiden die Kiemen- organe bei den Nereiden und Sy lüden. Letztere Familie zeigt an den Stellen, wo die vorher erwähnten gefiederte oder verästelte Büschel trugen, nur platte, lanzettförmige oder schuppenartig gestaltete Anhänge (Fig. 42. B. br'.), die vielleicht theil weise die Respiration mit vermitteln mögen , jedenfalls aber nur in untergeordneter Weise diese Function vollziehen. (Siehe oben bei den Tast- und Locomotionsorganen.) Am meisten rudimentär gestallet treten sie bei den Nereiden auf, wo sie nur noch kurze , wenig über die Fussstummeln sich erhebende Cirren darstellen. Fig. 42. Senkrechte Querdurchschnitte von Ringerwürmern, zur Darstellung der zwischen Kiemen und Cirren bestehenden Homologie. A. Querdurchschnilt von Eunice. B. von Myrianida. p. Bauchstummel, p . Rü- ckenstummel, br. Kiemen, br' . Cirren. *) Aehnliche Kiemen werden auch bei den Ap h r od iteen angegeben ; allein ich habe, wie auch v. Siebold, vergeblich darnach gesucht. Dagegen müssen wohl die dort vorhandenen, schuppeniihnlichen Ausbreitungen für Aequivalente von Kiemen angesehen werden, sowie endlich auch die flügeiförmigen Segmentanhänge von Chaetopterus gleichfalls hierher gehören. — Excretionsorgane und Wassergefässsystem. 173 Wenn so die Reduction der verästelten Kiemenbüschel auf einfache, kurze oder fadenförmige Anhänge die Bedeutung dieser Organe als Kie- men aufhebt, so sehen wir die Kiemen, zwar gleichfalls umgeformt, aber dennoch als Athmungsorgane bestehend, in einer anderen Reihe auftre- ten. Die Vergrösserung der Oberfläche, die in der vorhin entwickelten Reihe wesentlich durch Verästelungen bewirkt ward, kann nämlich auch durch lamellöse Ausbreitung entstehen. Es werden so aus den Kiemen flache, schuppenartige Gebilde, die, gleichwie die übrigen Formen, den Fussstummeln , oder beim Mangel derselben direct dem Körper sich in- seriren. Solche lamellöse Kiemenbildungen sind bei den Phyllodocen vorhanden, und in noch höherer Ausbildung bei Aphrodite (vergl. die vorhergehende Anmerkung), wie auch bei Hermione und Polynoe. Bei den letzteren sind sie als schuppenförmige Anhänge der dorsalen Fuss- stummeln über den Rücken ausgebreitet und daselbst dachziegelförmig sich deckend. Wenn auch die Verhältnisse der Blutgefässe zu diesen Gebilden noch nicht vollständig bekannt sind, so können wir doch in ihnen Athmungsorgane erkennen, jedenfalls aber die Homologa der ver- ästelten Kiemen in ihnen sehen. Bestimmter der Athemfunction vorste- hend erscheinen die schuppenartigen Körperanhänge gewisser Hirudi- neen (Branchellion), bei welchem ein reich verästeltes Gefässnetz nach- gewiesen ist. — Bei einer Abtheilung der Gephyreen findet sich gleichfalls eine Kiemenbildung vor, die aus einfachen oder verästelten, dem Hinterleibs- ende ansitzenden Fäden besteht. Diese sind meist auf zwei Gruppen verlheilt, und erhalten wie die Kiemen der Terebellen besondere Ge- fässzweige aus dem Hauptgefässstamme des Körpers. So bei Sternaspis. d) Von dem Excretionsorgane und dem Wassergefäss- sy steme. Die Organe , welche bei den Würmern die Function der Ausschei- dung der Aus wurfsstoffe vollziehen, erscheinen bei einer allgemeinen Be- trachtung nach sehr verschiedenem Plan gebaut, und in vielen Fällen ist es nicht wenig schwierig, solche Apparate nachzuweisen, da sehr oft mehrere Functionen in dem zugleich die Excretion besorgenden Organe vereinigt sind. Wenn wir von dem bereits mehrfach nachgewiesenen und wohl unbezweifelten Satze ausgehen, dass ein und dasselbe Organ, morphologisch betrachtet, in verschiedenen Thierformen mit mannichfa- chen Functionen betraut sein kann, ohne dass dabei der Typus des Or- ganes verloren geht, so werden wir auch bei den Würmern die einheit- liche Bildung der Excretionsorgane unter allen ihren, durch Wechsel der Nebenfunctionen und durch die allgemeinen Organisationsverhältnisse der betreffenden Thierform bedingten Beugungen wieder erkennen. Vor allem muss erwähnt werden, dass die Excretionsapparate nicht allein bei Würmern, sondern auch bei anderen wirbellosen Thieren, 174 Vermes. z. B. Mollusken, vielfach zugleich zur Einführung von Wasser in den Körper dienen, oder doch einer Regelung des Wasserwechsels vorstehen, welche Erscheinung bei den Mollusken noch näher besprochen werden wird. Demzufolge finden wir die Excretionsorgane der Würmer fast im- mer in der Weise gebaut, dass sie eine Art von Wassergefässsystem ent- weder mit sich verbunden zeigen oder auch theilweise zu diesem Zwecke umgewandelt sind. Ja, in vielen Fällen scheinen sie sogar die erstere Bedeutung zu Gunsten der letzteren aufgegeben zu haben, so dass dann nur die Vergleichung des allgemeinen Bauplanes und nicht der speciellen Function noch der concreten Organisationsverhältnisse uns zu einer Zu- sammenstellung dieser Gebilde in eine morphologische Beihe leitet. In seinen entwickelteren Formen tritt uns der Excretionsapparat als ein System einfacher oder verzweigter Canäle entgegen , welches an der Oberfläche des Körpers nach aussen mündet und bei deutlich gesonder- ter Leibeshöhle auch mit inneren Mündungen versehen ist, während im gegenteiligen Falle die Enden der Bohren oder die feinsten Verzweigun- gen der Canäle geschlossen sind. Die Qualität der Absonderung, sowie das Secret selbst sind in ih- ren physiologisch-chemischen Eigenschaften noch so wenig bekannt, dass es schwer ist, über die Bedeutung der betreffenden Organe sich völlig bestimmt zu äussern ; doch darf so viel behauptet werden , dass ausser den schon oben berührten Thätigkeiten, die sie mit Athemorganen, wenn auch in fernerem Grade, vergleichen lassen ; die secretorische Thätigkeit mit jener an den Excretionsorganen höherer Thiere, z. B. der Insecten und Mollusken, bestimmt nachgewiesenen derselben physiologischen Functionsreihe angehört. Mit Hinblick auf diesen Umstand können da- her auch diese Apparate den »Nieren« der höheren Thiere verglichen werden. Von den einfacheren zu den complicirteren aufsteigend, beginnen wir mit den Excretionsorganen der Bundwürmer. Es finden sich hier der Länge nach verlaufende Schläuche , in der Leibeshöhle der Körper- wand angelegt und mit einer körnigen Secretmasse gefüllt, die dem An- scheine nach bei den meisten nicht nach aussen entfernt wird. Einen solchen einfachen Längsschlauch treffen wir an der Bauchseite von Gor- dius, wo zugleich vorne und hinten eine Oeffnung vorhanden ist, die an den beiden seitlichen und dem unpaaren, an der Bauchfläche verlaufen- den Schlauche von Mermis vermisst wird. Auch den Ascariden kom- men solche schlauchförmige Organe zu, die gleichfalls bald geschlossen erscheinen, bald mit einer am vorderen Körpertheile angebrachten Oeff- nung versehen sind*). Auf mehrere solche Excretionsorgane hat zuerst *) Bei den Acanthocephal en, welche bis jetzt noch kein Excretionsorgan auffinden liessen, dürften wohl die Lemnisci als solche Organe anzusehen sein. Ob- gleich die nähere Beschaffenheit dieser Theile (vergl. darüber pag. 164 Anmerk.) noch zu erforschen ist, so muss hier doch auf eine schon von v. S i e b o 1 d (Lehrb. d. Excretionsorgane und Wassergefässystem. 175 v. Siebold aufmerksam gemacht*). — Wenn wir unter den Nemato- den Organe, die der Ausmündung entbehren, als Excretionsorgane ge- deutet haben, so ist hierin durchaus nichts der allgemeinen Anschauung von der Excretion sich Entgegenstellendes gegeben . da es sich ja nicht darum handeln kann, dass Stoffe, die für den Organismus fernerhin un- brauchbar geworden, auch immer aus dem Organismus entfernt werden müssen. Vielmehr hat hier die Vorstellung eine Berechtigung, dass das Excretionsmaterial an gewissen Körperstellen oder, wie hier, in bestimm- ten Organen deponirt werden kann, wobei es zugleich aus dem Stoff- wechsel des Organismus scheidet**). Die übrigen ungegliederten Würmer (Plattwürmer) zeigen das Ex- cretionsorgan constant aus zwei oder mehreren symmetrisch angeordne- ten Canälen gebildet, welche sich vielfach im Körper verästeln und ent- weder gemeinsam durch eine am Hinterleibsende gelegene Oeffnung (Porus excretorius) , oder an den Seitentheilen des Körpers, getrennt von einander, ausmünden. In den Cestoden sind zwei, vier, oder auch sechs solcher Längsstämme vorhanden, die vorne im Köpfchen entweder schlingenförmig in einander überbiegen , oder auch nur umbiegen, um dann nach abwärts tretend, sich ferner zu verästeln. Auch noch nach der Gliederung der Scolexform in die Proglottidenkette sind die Längs- stämme vorhanden und zeigen in den einzelnen Proglottiden quere Ana- vergl. Anatomie pag. 4 35) erkannte Homologie mit den schlauchartigen, parallel mit dem Darmcanale verlaufenden Organen der Nematoden aufmerksam gemacht werden. — Da aber das Canalsystem der Acanthocephalen morphologische Aehnlichkeiten mit den Excretionsorganen der Plattwürmer besitzt, sich viel- leicht auch als ein solches herausstellen dürfte, so muss jedes weitere Urtheil einer späteren Untersuchung vorbehalten bleiben. — *) Lehrbuch der vergl. Anatomie p. 139, Anmerk. Die von Walter, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie von Siebold und Kölliker Bd. VIII. 4 857, bei Oxyuris ornata beschriebenen beiden Schläuche, die an einer saugnapfartigen Bildung vereinigt aus- münden, sind wohl gleichfalls als Excretionsorgane anzusehen, denn die von jenem Beobachter gegebene Deutung als »Fettkörper« kann mit der Thatsache der Aus- mündung gar nicht zusammengebracht werden. **) Ausser den noch in der Abtheilung der Würmer anzuführenden Fällen, die für die oben gegebene Auffassung sprechen können, kann hier noch auf eine bei Mollusken vorhandene Thatsache hingewiesen werden. Wir finden in der mit reich- lichem Excretionsmaterial ausgestatteten Primordialniere der Schnecken (vergl. meine Abhandlung über die Entwickelung der Landgasteropoden, Zeitschr. f. wis- senschaftl. Zoologie, Bd. III, 4 SSI) durchaus keine Ausscheidung vor sich gehen, obgleich hier nicht der geringste Zweifel obwalten kann, dass die abgelagerten Con- cremente mit den Nierenconcrementen des entwickelten Thieres vollkommen über- einstimmend sind. Es geht mit dem Herankommen des ausgebildeten Zustandes so- gar wieder eine Resorption der bereits abgeschiedenen und in der Primordialniere deponirten Massen vor sich, und erst im vollkommen entwickelten Thiere zeigt die bleibende Niere eine wirkliche Ausscheidung aus dem Körper. Als ein solcher De- positionsort für Auswurfsstoffe kann nun auch die Schlauchformation der Nema- toden angesehen werden, und was bei jenen Mollusken nur als ein vorübergehen- der Zustand im Entwickelungsieben erscheint, das wird hier als bleibend beobachtet. 176 Vermes. stomosen. Die Zusammenmündung der Längsstämme erfolgt meist in einer erweiterten Stelle, die am Hinterleibsende gelegen, zu einer con- tractilen Blase sich umwandeln kann. Mit dem Eintritte der Gliederung wird dieser Abschnitt des Canalsystemes der ältesten Proglottide zuge- theilt. Der Inhalt der Canäle ist eine wasserhelle Flüssigkeit, seltener finden sich feine Körnchen. In den feineren Verästelungen sind von Stelle zu Stelle Wimperhaare oder Flimmerläppchen vorhanden, durch deren Thätigkeit eine Fortbewegung des Inhaltes bewerkstelligt wird. Auch Contractionen der Canäle kommen vor; doch ist es schwer zu unter- scheiden, ob dieselben von den Wandungen der Canäle oder vom um- gebenden Körperparenchyme ausgehen. Die feinsten Endigungen der Canalverzweigung verlaufen in'sKörperparenchym und in's Integument*). Sie können auch unter einander Anästomosenbildungen eingehen, die zu einem reichen in der Haut verbreiteten Maschennetze führen und die Selbständigkeit der Hauptstämme auflösen. Genau dieselben Einrichtungen finden wir auch bei den Tremato- de n bestehend, nur sind hier immer zwei Canäle vorhanden**), die häufig in einzelne, sowohl durch Grösse als durch Bau verschiedene Ab- schnitte zerfallen. Zahlreiche feine, den Körper durchziehende Canälchen sammeln sich in stärkere Aeste (Fig. 43. c"), die dann jederseits in einen, in der Regel gewundenen Canal (c'j zusammenmünden, und dieser lässt, nachdem er zuweilen mehrmals im Körper auf- und abgestiegen , einen weiteren Abschnitt (c) hervorgehen, der meist mit contractilen Wandun- gen versehen ist und mit dem der andern Seite am Hinterleibsende entweder direct sich öffnet (Fig. 43. p) oder vorher noch in eine con- tractile Blase übergeht. In jenen Fällen, wo die Ausbildung der letzte- ren beträchtlich ist, sind die beiden Hauptstämme minder entwickelt, so dass man die Ausbildung der letzteren auf Kosten der Bildung einer con- *) Von grossem Belange ist die Beobachtung Claparede's, dass die Enden der Excretionscanäle bei den Cestoden bläschenförmige Erweiterungen bilden, in welche die sogenannten Kalkkörperchen der Haut eingeschlossen sind, so dass also auch in den äussersten Enden des Apparates eine Abscheidung, und zwar von festen Stoffen, vor sich geht. Diese Concremente werden jedoch nicht in das Canalsystem aufgenommen, nicht ausgeschieden, sondern bilden nur Ablagerungen, die man recht gut mit den Abscheidungen in den geschlossenen Längsschläuchen der Ne- matoden vergleichen kann. Es würden dann die Enden des Canalsystems den ei- gentlichen Excretionsapparat vorstellen, die übrigen Theile aber zu anderen Ver- richtungen dienen. — Es muss noch bemerkt werden, dass der Zusammenhang jener Kalkkörperchen mit der Excretion schon von v. S i e b o 1 d vermuthet worden ist, indem er durch sie an die festen Körper in den Absonderungsorganen gewisser Trematoden erinnert wurde. (Vergl. Lehrbuch der vergl. Anatomie p. -139, Anmerk. 7.) **) Die den Trematoden beizuzählenden Dactylogyren sind mit vier Ge- fässstämmen versehen, von denen je zwei auf der Bauchseite, zwei auf der Rücken- seite verlaufen. Vorne finden sich schleifenförmige Anastomosen, die auch durch Quercanäle verbunden sind. Excretionsorgane und Wassergefässsystem. 177 ractilen Blase setzen kann. Auch doppelte Ausmündungen kommen vor, von denen bei Polystomum appendiculatum eine jede sogar mit einer besonderen contractilen Blase in Ver- bindung steht*). Die Bedeutung der einzelnen Ab- schnitte ist verschieden. Der aus den Hauptstämmen hervorgehende, Verästelungen bildende Endabschnitt zeigt Wimperorgane nach Art der Cestoden und führt, wie bei jenen, ein klares Fluidum. Dagegen sind die Hauptstämme, wie es den Anschein hat, der Sitz der Secretion , und in ihnen findet man häufig beträchtliche Massen stark lichtbrechender Goncre- mente, die durch die Contractionen der Stämme in die Endblase übergeschafft und von dieser durch den Porus excretorius entleert werden **) . Auch die schon bei den Cestoden angeführten Anastomosen des Excretionsapparates sind in ver- schiedenem Grade vorhanden und lassen ein mehr oder minder dichtes Netzwerk von Canälen unter der Haut entstehen***). Wenn diese Anordnung für nahebei alle Trematoden gilt, und die vorhande- nen Modificationen nur in verschiedenen Grössen- verhältnissen und wechselnder Ausbildung der einzelnen Abschnitte be- ruhen, so finden wir bei anderen Plattwürmern eine von dieser anschei- nend differente Einrichtung, die sich vorzüglich durch die Duplicität der Ausmündung und deren Vorkommen an den Seitentheilen des Körpers characterisirt. Man könnte hieraus auf eine andere Bedeutung, auf einen andern Organplan schliessen , da auch Excretionsproducte hier niemals vorhanden zu sein scheinen; allein es wird schon bei den Trematoden der Uebergang zu jener Form des excretoriellen Canalsystemes der Tur- bellarien angebahnt. Bei Tristoma papillosum nämlich fehlt das mit einem Porus excretorius am Hinterleibsende sich öffnende Canalsystem. Fig. 43. Excretionsorgan von Aspidogaster conchicola. p. Porus excreto- rius. c, c. Die beiden contractilen Hauptstämme, c Nach vorne verlaufende und umbiegende Canäle. c" Deren rückwärts laufender und sich verzweigender End- abschnitt, s. Bauchscheibe. *) Vergl. A. Thaer, »Ueber Polystomum appendiculatum» in Müller's Arch. 1850. **) Die Homologie dieser Ganalapparate mit denen anderer Würmer hat zuerst v. Beneden näher auseinandergesetzt. Vergl. Note sur Vappareil circulatoire des Trematodes. Bulletin de l'Academie royale de Beigigue. T. XIX. No. 4. Zugleich wird hier die circulatorische Bedeutung, sowie jene der Wasseraufnahme für diese Theile in Abrede gestellt. ***) G. Wag euer hat solche z. B. bei Distoma dimorphum beobachtet. Enthel- minthica in Müller's Archiv 1S52. — Das von demselben Forscher bei Amphiptyches urna beschriebene, reich entwi- ckelte, aber allseitig geschlossene Canalnetz darf wohl gleichfalls hierher gerechnet werden. Gegenbaur, vergl. Anatomie. 1 2 178 Vermes. Dagegen besteht ein anderes, welches sich gleichfalls aus zwei seitlichen Hauptstämmen zusammensetzt, die, unter einander durch zwei Quer- anastomosen verbunden , sich vielfach im Körper verzweigen und auf beiden Seiten hinter den vorderen Saugnäpfen ausmünden*). Die nahen Beziehungen, welche zwischen diesen und den anderen Trematoden bestehen, lassen den beschriebenen Apparat nothwendiger Weise als das Homologon desjenigen der anderen Trematoden ansehen, und es ist eigentlich nur die doppelte Ausmündung, aus der man einige Verschie- denheit ersehen könnte, wenn nicht auch bei andern Trematoden an der gewöhnlichen Ausmündestelle des Canalsystems für jeden Haupt- stamm ein besonderer Porus existirte**). Zugleich mag auch ein weite- rer Fortschritt in der bilateralen Entwicklung darin erkannt werden. Es reihen sich hieran enge die Canalsysteme der Planarien und Nemertinen, an denen sich ebenfalls Queranastomosen erkennen las- sen, sowie auch eine Ausmündung näher oder entfernter vom vorderen Körperende. Das Lumen der Canäle wird mit einer hellen Flüssigkeit er- füllt, die durch Wimperorgane bewegt wird. Es hat das Fehlen von festen Abscheidungen diese Organe als Wassergefässsystem ansehen las- sen ; doch wäre dabei die Frage aufzuwerfen, ob nicht eine Excretion in flüssiger Form hier vorkomme***). Ganz dasselbe gilt auch von den Or- ganen, die wir bei den Gephyreen als Excretionsorgane ansehen, und die in noch bestimmterer Weise mit der Wassereinfuhr betraut erschei- nen. Es sind entweder einfach sackförmige (bei Thalassema , Echiurus) oder dendritisch verzweigte Schläuche (Bonellia) , welche in den letzten Abschnitt des Darmcanals einmünden , der wegen dieser Aufnahme an- derer Organe als Gloake erscheint. Sie zeigen noch deutlicher die Homo- logie mit den ähnlichen Organen der Holothurien durch ihre Verbin- dungsweise mit dem Gefässsysteme , und ragen , wie jene , stets in die Leibeshöhle ein. — Während wir in den letzterwähnten Organformen eine Vermittelung gegen den Echinodermen- Typus erkennen, so haben wir in der zuerst erwähnten einfacheren Form der Excretionsorgane auch zugleich den Ausgangspunct für das Verständniss höherer Formationen gewonnen. Solche erscheinen bei den Ringelwürmern , bei welchen bis jetzt zwar nur in zwei Familien Excretionsorgane erkannt sind, die aber um so deutlicher den allgemeinen Plan erkennen lassen und mit der hier er- scheinenden Gliederung des Körpers mehrfach oder auch vielfältig sich *) Vergl. Kölliker im zweiten Berichte von der König!, zootom. Anstalt zu Würzburg. 4 84 9. **) Bei Polystomum appendiculatum. ***) Es ist die Annahme einer flüssigen Ausscheidung jedenfalls so lange gerecht- fertigt, bis ein directer Nachweis einer Wasseraufnahme geliefert worden ist. Zu- dem ist auch mit Hinblick auf das, was oben bei der allgemeinen Betrachtung der Excretionsorgane gesagt ward, nicht unwahrscheinlich, dass beiderlei Thatigkeiten sich combiniren können. Excretionsorgane und Wassergefässsystem. 179 wiederholen. Sie stellen an den Seiten des Leibes ausmündende Canäle vor, die entweder frei in der Leibeshöhle flottiren oder in schleifenför- migen , in ihrem Verlaufe schwer zu verfolgenden Windungen aufgereiht sind. Je nachdem ein Canal auf seinem ganzen Verlaufe ein für sich be- stehendes Lumen besitzt, oder zwischen den Windungen Communica- tionen stattfinden, können wir zweierlei Formen aufstellen, von welchen die eine bei den Sco leinen, die andere vorzüglich bei den Hirudi- neen vertreten wird. In der zuerst genannten Familie stellt jeder Canal mehrere neben einander auf- und absteigende Schleifen dar, welche innig unter einander verbunden sind und von einem dichten Gefässnetze gemeinsam umsponnen werden. Es lassen sich verschiedene Abschnitte erkennen, die auch eine ebenso verschiedene Bedeutung tragen, und Fig 44 wenn wir von innen nach aussen gehen, so finden wir den der trichterförmig er- weiterten, mit langen Wimperhaaren besetzten Mündung (Fig. 44. a) folgenden Abschnitt (b. b. b) mit dünnen Wandun- gen versehen und an einzelnen Strecken mit Cilien ausgekleidet. Durch die Be- wegung der letzteren wird eine nach aussen gerichtete Strömung verursacht. Nach mehrfacher Schleifenbildung geht dieser Theil durch eine Veränderung sei- ner Wandungen in einen andern Ab- schnitt (c) über. Das Lumen desselben ist weiter geworden [d] und ringsum la- gern in den Zellen der Wände feinkör- nige Goncremente, die an manchen Stel- len dem betreffenden Theile ein weiss- liches Aussehen verleihen. Auch dieser Theil verläuft schlingenförmig (d'j und geht plötzlich [d") in einen weiteren, mit musculösen Wandungen versehenen über (e), welcher nach einfacher Umbie- gung an die Körperwand tritt {e') und hier seine Ausmündung findet. Während so in ziemlich complicirter Weise ein in jedem Körperabschnitte sich wiederholendes Canalsystem bei den Regen- würmern hergestellt wird, so erscheinen die mit jenen nahe verwandten Na i den mit einfacheren » Schleifencanälen « versehen, denn es sind die Fig. 44. Ein Schleifencanal von Lumbricus massig vergrössert. a. Innere Mündung, b, b, b. Heller, in zwei Doppelschleifen aufgereihter Canalabschnitt. c. c. Engerer Abschnitt mit Drüsenwänden, d. Erweiterter Theil, der ind' wieder enger wird und bei d" in den musculösen Endabschnitt e sich fortsetzt, e Aeussere Mündung. ja* 180 Vermes. einzelnen Abschnitte, abgesehen von relativ geringerer Länge, auch we- nig scharf von einander geschieden, und nur die vor der äusseren Mün- dung gelegene Erweiterung lässt sich als ein Aequivalent des musculösen Endtheiles der oben erwähnten Form erkennen. Die innere Mündung verhält sich ähnlich wie bei Lumbricinen. Alle hier vorhandenen Theile lassen sich auf den bei den Plattwürmern näher auseinanderge- setzten Typus zurückführen. Der innerste Abschnitt entspricht dem ver- ästelten Theile des Canalsystemes der Plattwürmer, der mittlere, in sei- nen Wandungen ausgeschiedene Stoffe einschliessende , ist einem der beiden Hauptstämme jener Organform homolog, und der erweiterte, mit musculösen Wänden versehene letzte Abschnitt ist das Homologon der contractilen Blase , in welche die beiden Hauptstämme des Excretions- organes vieler Platt würmer einmünden. — Die Schleifencanäle der ein- zelnen Körpersegmente zeigen in der Regel eine übereinstimmende Bil- dung, und es bestehen nur unwesentliche Verschiedenheiten in den Grösseverhältnissen ; auffallend sind diese nur bei Tubifex, wo zwei im vorderen Theile des Körpers gelegene Canäle vor den übrigen Paaren durch eine mächtige Ausbildung ihrer einzelnen Abschnitte ausgezeichnet sind*). Ein ausnahmsweises Verhalten bezüglich der Vertheilung dieser Canäle bietet Chaetogaster , der nur mit zwei von einander entfernt lie- genden Schleifencanal-Paaren ausgestattet ist. Die andere der beiden oben unterschiedenen Formen findet sich bei den Hirudineen repräsentirt. Wir treffen hier die Bildung von Schlei- fencanälen nur in seltenen Fällen, denn wenn auch äusserlich die betref- fenden Organe Schleifen darzustellen scheinen , wie bei den meisten Egeln, so ergibt eine genauere Analyse, dass diese Schleifenorgane aus einem labyrinthförmigen Canalsysteme bestehen , welches mit einer er- weiterten Stelle nach aussen mündet und auch einen einfacheren , kür- zeren oder längeren Canal hervorgehen lässt, der an seinem Ende in den einzelnen Gattungen ein differentes Verhalten bietet. Bei den einen geht er in eine offene innere Mündung über , die, ähnlich wie bei den Sco- lei'nen, trichterförmig erweitert erscheint und mit zahlreichen Wimpern besetzt ist. Wir finden dies Verhältniss am ausgebildetsten bei der auf den Kiemen desFlusskrebses schmarotzenden Branchiobdella. wo die nur *) Es liegt dieses Paar in jenem Segmente, welchem die Geschlechtsorgane be- nachbart sind. D'U d e k e m hat diese Schleifencanäle in seiner Monographie : Histoire naturelle du Tubifex des ruisseaux (Me~m. cour. et Mem. des sav. e'trang. de l'Acad. Ro- yale de Bruxelles, T. XXVI.) in ihrer morphologischen Bedeutung verkannt und sie als »Samenleiter« angesehen. Obgleich er den wirklichen Beweis für diese Deutung schuldig bleibt, so ist doch möglich, dass sie in dieser Richtung functioniren. Sicher ist aber, dass wir in ihnen die typische Bildung der Schleifencanäle erkennen müssen. Der drüsige Abschnitt der Schleifencanäle der Regenwürmer wird durch eine besondere, dem erweiterten Endtheile anhängende Drüse dargestellt. An dem glei- chen Endabsclinitte gibt Leydig (Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. III, 1854, p. 322) eine Anzahl einzelliger Drüsen an. Excretionsorgane und Wassergefässsystem. 181 in zwei Paaren vorkommenden Organe drei deutlich von einander geson- derte Abschnitte wahrnehmen lassen. Der nächst der äusseren Mündung liegende ist, wie gewöhnlich, erweitert, und darauf folgt ein kurzer, la- byrinthförmiger Theil, dessen Wandungen drüsig sind und einen langen, in Schleifen gereihten Canal hervorgehen lassen. Das wimpernde Ende flottirt frei in der Leibeshöhle. Auch bei Nephelis und Clepsine scheinen die zahlreicher vorhandenen Organe eine gleiche Einrichtung zu be- sitzen *) . Bei einer andern Abtheilung von Egeln ist der labyrinthförmige Abschnitt der grösste und das von grossen Zellen gebildete Parenchym wird von zahlreichen, vielfach anastomosirendenCanälen durchzogen und zeigt überall feinkörnige Inhalts -Massen. Nur an dem der äusseren Mündung zunächst liegenden Anfangstheile, sowie am Endtheile, geht aus dem La- byrinthe eine einfache Canalbildung hervor, die an der letzteren Partie, anstatt einer inneren Mündung, eine blasenförmige Erweiterung darstellt. Es wird somit in diesem Falle, für welchen Sanguisuga, Aulacostomum, Haemopis u. a. Beispiele abgeben, keine Communication der Leibeshöhle mit der Aussenwelt hergestellt. Die Vertheilung der Wimpern auf das Canalsystem ist im Ganzen sehr ungleichmässig, und in der Regel sind nur einzelne Abschnitte mit solchen versehen. Bei einigen scheinen sogar die Wimpern im ganzen Organe zu fehlen. Die physiologische Bedeutung dieser schwierig zu untersuchenden Apparate der Hirudineen lässt sich vorläufig ebensowenig feststellen, als jene der analogen Organe anderer Würmer, und es ist hinreichend klar, dass aus dem differenten Baue der einzelnen Abschnitte auch eine verschiedene Function hervorgehen muss. Die frühere Annahme, dass hier » Respirationsorgane « vorlägen, durch welche eine Wassereinfuhr bewerkstelligt würde, kann schwerlich in ihrer exclusiven Fassung mehr festgehalten werden, denn wir haben einmal in dem Vorkommen von Drü- senapparaten, deren Product doch sicherlich nicht in die Leibeshöhle geführt werden kann, und zweitens in der, wenigstens bei den Regenwürmern, Naiden und Branchiobdella nach aussen gerichteten Wimperung der Canäle wichtige, einer solchen Annahme sich entgegenstellende Gründe. Somit wäre nur die Function der Abscheidung von Stoffen aus dem Körper, sei es, dass diese in den Canahvandungen abgelagert werden, oder dass sie bei vor- handener innerer Mündung in diese eintreten und durch das Lumen der Canäle nach aussen gelangen, eine den homologen Organen aller Würmer gemeinsame, und es wäre zugleich dadurch begründet, die ganze man- nichfaltige Formenreihe dieser Organe als »Excretionsapparate« *) Wir können dieses aus den von Leydig (Zweiter Bericht von der Königl. zootom. Anstalt zu Würzburg, 1849) bei jenen Würmern beschriebenen rosetten- förmigen Wimperorganen erschliessen. Leydig hatte dieselben damals, wie auch frühere Beobachter, als eine mit dem Blutgefässsystem im Zusammenhang stehende Einrichtung angesehen, später jedoch ihre Beziehungen zu den erwähnten Organen erkannt, so dass also auch hier der einheitliche Plan sich herstellen lässt. 182 Vermes. anzusehen, ohne dabei über die noch wenig ermittelten anderen Functio- nen, die mit der Function der Abscheidung einhergehen können, voreilig aburtheilen zu wollen. — §. 25. Organe der Fortpflanzung. Die Geschlechtsverhältnisse der Würmer sind bei den einzelnen Ordnungen, ja sogar Familien nach mannichfachen Typen gebaut, so dass sich kaum eine allgemeine Skizze davon geben lässt. Besonders compli- cirt erscheinen die Geschlechtsorgane bei den niederen Formen einer jeden der grossen Abtheilungen, und diese s'ind zugleich Hermaphroditen, indess die höherstehenden mit der geschlechtlichen Trennung, zum Theile auch durch dieselbe , eine viel grössere Einfachheit der Zeugungsorgane offenbaren. Hermaphroditisch sind fast alle Platt würmer — ausgenom- men sind die Nemertinen und Microstomeen — , Sagitta, die Scoleinen und Hirudineen, und wahrscheinlich auch die Peripatiden. — Getrenntes Geschlecht besitzen dagegen die Nemathelminthen, die Nemertinen und alle Kiemenwürmer. — Sowie bei den letzteren der einfache Bau der Organe daraus resul- tirt , dass eigentlich blosse Geschlechtsdrüsen vorhanden sind , in denen das ganze fertige Ei entsteht oder Sperma erzeugt wird , und alle Aus- leiteapparate entweder fehlen oder auf das geringste Maass reducirt sind, so erlangen die Geschlechtsorgane der niederen, hermaphroditischen Würmer gerade durch eine grosse Entfaltung der Ausfuhrwege und der damit in Verbindung stehenden accessorischen Organe, eine bedeutende Complication, die sie vor allen übrigen Organen des Thieres als die bei weitem meist entwickelten erscheinen lassen. Wenn wir den Bau dieser hermaphroditischen Zeugungsorgane uns vorführen und mit den einfachsten beginnen , so tritt hier zuerst Sagitta auf, welche durch den Mangel fast aller accessorischer Organe sich aus- zeichnet, sowie sie auch, durch die strenge Symmetrie des gesammten Geschlechtsapparates von den übrigen unterschieden ist. Männliche und weibliche Geschlechtsdrüsen liegen nämlich seitlich im Hinterleibsende, durch ein Längsseptum von einander geschieden, vorne die Ovarien und hinter diesen die Hoden , mit denen der Körper des Thieres abschliesst. Die letzteren öffnen sich in einen kurzen, vorwärts gerichteten, über die Leibesoberfläche etwas verlängerten Ausführgang, der häufig mit Samen- masse prall gefüllt erscheint, und so zugleich als Samenblase functionirt*). Die Ovarien springen je nach dem Entwickelungszustande ihrer Gontenta *) Eigentümlich ist der Cilienbesatz der Wandungen der Hoden, durch wel- chen die in Entwickelung begriffene Samenmasse beständig stromauf- und abgetrie- ben wird. — Organe der Fortpflanzung. 183 verschieden stark in die Leibeshöhle des Thieres vor, und besitzen die- selbe Schlauchform wie die Hoden. Längs der Ovarien läuft ein Eileiter an der Seite nach hinten zu , und öffnet sich dicht vor dem Anfange der Hoden, mit einer gleichfalls vorstehenden kurzen Röhre nach aussen. Auch bei den Scolei'nen, sowie auch bei den Hirudineen sind, soweit die Geschlechtsverhältnisse bis jetzt erkannt wurden, die beider- seitigen Organe in einem und demselben Individuum in keiner engeren Verbindung unter einander, und münden auch immer getrennt von ein- ander nach aussen. Was die erst erwähnte Ordnung angeht, so finden sich die Geschlechtsorgane regelmässig in dem vordersten Körperdrit- theile gelagert. Die männlichen bestehen aus mehren unregelmässig ge- stalteten, zur Brunstzeit als grosse, weisse Drüsen erscheinende Hoden. — Bei Lumbricus sind es deren vier — von denen die jeder Seite einen gemeinschaftlichen Ausführgang besitzen, der bei den Regenwürmern eine Strecke weit nach hinten verläuft und am 15. Körperringe auf die Bauchfläche ausmündet. Bei den im Wasser lebenden Na i den scheinen die Hoden eines directen Ausfuhrganges zu entbehren , und bei Tubifex ist es wahrscheinlich, dass sogar ein Paar durch ihre Grösse ausgezeich- neter Schleifencanäle als Samenleiter funeiren. — Die weiblichen Organe bestehen bei den Lumbri einen aus einem geringen, am 13. Leibesringe mit der Bauchwand des Körpers verbundenen Ovarium, von wo aus die Eier in die Leibeshöhle gelangen und durch die weiten Oeffnungen zweier Tuben aufgenommen und ausgeleitet werden. Bei den kleineren Gattun- gen, z. B. bei Enchytraeus, liegen die Ovarien frei in der Leibeshöhle und stellen eigentlich nur nach und nach zu Eiern sich entwickelnde Zellen- haufen vor. Zu den männlichen Organen gehören noch verschiedene in der Nähe gelegene Blasen, die jedoch, ohne anatomischen Zusammenhang mit den inneren Geschlechtstheilen , für sich auf die Körperoberfläche , ausmünden. Da sie zur Begattungszeit mit Samenmasse gefüllt erschei- nen, so liegt es nahe, sie als Samenblasen anzusehen, von denen aus der Befruchtungsact vollzogen wird. Lumbricus besitzt 4 , Tubifex 21 dieser Blasen*). Die Hirudineen zeigen, wie die vorigen, eine symmetrische An- ordnung der Geschlechtsorgane, die in allen ihren Abschnitten streng von einander geschieden sind. Die immer paarig vorhandenen Hoden finden sich in verschiedener Anzahl als bläschenförmige, längs den Sei- *) Ungeachtet mehrer neuer Untersuchungen über die Geschlechtsorgane der Lumbricinen und Naiden, so ist doch im Ganzen hierüber noch wenig Sicheres bekannt. Bei den kleineren Naiden scheinen die Geschlechtsorgane nach der Begattungszeit wieder zu schwinden, was darauf schliessen lässt, dass hier sehr ein- fache Verhältnisse vorliegen und complicirte Ausführapparate jedenfalls fehlen. Eine Darstellung der Geschlechtsorgane von Tubifex ist neuerdings von d'Udekem gegeben. Dieselbe ist aber, trotz der anscheinenden Genauigkeit, sehr ungenügend. Werden doch die spermatophorenhaltigen Blasen als »glandes capsulogene« angese- hen ! — Vom Regenwurme ist eine gute Untersuchung der Geschlechtsorgane von E. Hering gegeben (Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. VIII, 1857). 184 Vermes. ten der Bauchfläche vertheilte Gebilde (Fig. 45. t) (6 Paare bei Piscicola, 8 bei Hae?nopis, 9 bei Sanguisuga und 12 bei Aulacostomum) , die auch zu einem einzigen acinösen Drüsenpaare vereinigt sich darstellen können (bei Nephelis) *) . Sie senden nach aussen einen kurzen Ausführgang, der sie mit dem jederseits von hinten nach vorne verlaufenden vas deferens {vd) verbindet. Dieses bildet vorne knäuelartige Windungen , oder ist auch spindelförmig erweitert, wodurch eine Art Samenblase vorgestellt wird (vs). Darauf tritt es zu dem vorne in der Medianlinie des Körpers liegenden Begattungsorgane. Das letztere besteht aus einer Art von Tasche , in der ein musculöser, cylindrischer, verschieden langer Penis [p) liegt, der daraus hervorgestülpt werden kann. Bei Branchiobdella**) wird er mit vielen nach rückwärts gerichteten Häkchen besetzt , und erscheint nur als das hervorstülpbare Ende des vas deferens; als eine kurze Papille 'gibt er sich bei Piscicola zu erkennen. Die Wur- zel des Penis wird häufig von zahlreichen, eine gelappte Drüse darstellenden Schläuchen — einer Prostata ver- gleichbar — umgeben (g) , die bei Branchellion in zwei distincte Lappen geschieden sind. — Die weiblichen Organe der Hirudineen sind im Ganzen viel ein- facher. Die beiden Ovarienschläuche (Fig. 45. o) sind selten gewunden, oder buchtig erweitert und, wie bei Piscicola, ohne in die Bildung ein- zelner Abschnitte, Eileiter und Uterus einzugehen, gemeinschaftlich aus- mündend ; häufiger gehen die meist sehr kleinen Ovarien in einen kür- zeren oder längeren Eileiter über, der bei Branchellion schleifenförmig gebogen ist und mit einer spindelförmigen Erweiterung als Uterus endet. Bei Pontobdella führt jeder Eileiter in eine ovale Uterustasche, deren jede besonders auszumünden scheint. In Haemopis, Nephelis und Sanguisuga dagegen vereinigen sich die Eileiter zu einem gemeinsamen, gewundenen Canale, der wenn erweitert als Uterus anzusehen ist, und durch die weibliche Geschlechtsöffnung ausmündet. Diese letztere liegt bei allen Egeln in der Medianlinie des Körpers hinter der Mündungsstelle des männlichen Apparates***). Fig. 45. Geschlechtsorgane von Aulacostomum. t. Hoden, vd. Vas deferens commune, vs. Gewundener Theil des Samenleiters, einer Samenblase analog, p. Pe- nis, g. Prostata, o. Ovarien, u. Uterus. *) Einfach schlauchförmig sollen nach Quatrefages die Hoden von Ponto- bdella, nach de Filippi jene von Haementeria sein. **) Branchiobdella entfernt sich bezüglich der Zeugungsdrüsen von den Hirudi- neen; Samen und Eier bilden sich nicht in völlig geschlossenen Organen, auch existi- ren getrennte Samenblasen wie bei Lumbricus und Tubifex. Es sind aber die hier- über bekannten Thatsachen zu einer allgemeineren Verwerthung noch zu wenig aus- reichend erkannt. ***) Zum Geschlechtsapparate dieser Annulaten gehörig kann auch noch eine Organe der Fortpflanzung. 185 Fig. 46. Die hermaphroditischen Plattwürmer, also: Gestoden, Trematoden und Turbellarien, mit Ausnahme der Nemertinen und Microstomeen , zeigen in der Anordnung ihres Geschlechtsapparates eine grosse Anzahl von Uebereinstimmungen , so in der Gruppirung der einzelnen Theile, in dem Vorkommen grosser Drüsenapparate, die mit den weiblichen Organen verbunden sind, und endlich in der inni- geren Vereinigung von beiderlei Geschlechtsorganen , die in der Regel durch eine gemeinschaftliche Oeffnung ausmünden. Die einzelnen Be- standteile sind zumeist paarig vorhanden, zeigen aber in Uebereinstim- mung mit dem ungegliederten Körper fast niemals jene Wiederholung, wodurch die hermaphroditischen Ringelwürmer ss). Aber auch wenn sie von grösserer Kürze sind, ist ihr Ende oft an- geschwollen und stellt dann gleichfalls eine Samenblase vor. Der aus der Vereinigung beider vasa deferentia hervorgehende ductus ejaculatorius ist denselben Längsverschiedenheiten unterworfen, und namentlich bei Kä- fern und Schmetterlingen mit vielfachen Windungen versehen. Die accessorischen Drüsenorgane sind in der Regel gleichfalls doppelt vorhanden und erscheinen, wie jene der Weibchen, als lange Canalconvo- lute (Fig. IS gl) oder als kürzere und büschelförmig verästelte Schläuche, die sich an verschiedenen Stellen mit den Ausführwegen des Samens verbinden. Wir treffen sie entweder gemeinschaftlich mit den Samenleitern in den ductus ejaculatorius tretend (Fliegen, Schmetterlinge und manche Käfer), oder jederseits mit dem Samenleiter selbst in Verbindung, wobei dann der letztere von der Insertionsstelle an beträchtlich erweitert ist (Hyme- nopteren). Endlich können sie auch erst im Verlaufe des ductus ejacula- torius sich einfügen (Hemiptera, Orthoptera). Die männlichen Begattungsorgane der Insecten sind, wie schon erwähnt, den weiblichen ähnlich und werden aus sehr mannichfaltig ge- stalteten , die Geschlechtsöffnung umfassenden chitinisirten Leisten und klappenartigen Vorrichtungen, die grossentheils aus den letzten meta- morphosirten Abdominalsegmenten hervorgehen, zusammengesetzt. Sie theilen sich in solche, welche nur zu einer äusseren Copula dienen, und andere, welche mit einer Ruthe vergleichbar sind und die Immissio voll- ziehen. Die letzteren Bildungen werden entweder durch eine äusserlich angebrachte oder von innen aus hervorstreckbare weiche oder festere Röhre dargestellt , in welche der ductus ejaculatorius sich fortsetzt, und die an ihrem Ende häufig noch zangenähnliche Bildungen tragen. Bei den Käfern ist dies Begattungsorgan von einer im Abdomen verborgenen dick- wandigen Chitinkapsel umschlossen , welche häufig eine beträchtliche Mollusken. — Einleitung. 287 Grösse besitzen kann, und zu deren Hervorstreckung und Einziehung besondere Muskel apparate dienen"). Sechster Abschnitt. Mollusca. §• 31. Bis auf heute bildet die grosse Abtheilung der als Mollusken be- zeichneten Thiere eine Vereinigung mannichfaltiger, in äusserer Erschei- nung und innerer Organisation sehr differenter Thierformen, und in vie- len Lehrbüchern figurirt die weiche Körperbeschaffenheit dieser Thiere noch als wesentlicher Charakter! Mehrfache Bestrebungen haben ver- sucht zwischen den einzelnen Abtheilungen eine innere, aus dem Plane der Thiere entwickelte Verbindung herzustellen, und es ist dieselbe auch nach vielen Bichtungen gelungen. Nur die Verbindung der grösseren Abtheilungen unter einander zeigt Schwierigkeiten , und eben solche er- geben sich vielleicht in noch grösserem Maasse, wenn wir die verwandt- schaftlichen Beziehungen und mit diesen die Anknüpfungspuncte zu den anderen grossen Abtheilungen aufsuchen. Diese Schwierigkeiten sind *). Die Libelluliden bieten bezüglich des Vorkommens ihrer Begattungs- organe insofern Aüsnahmsverhältnisse dar, als jene von der am Hinterleibsende be- findlichen Ausmündung der Samenwege weit entfernt angebracht sind. An der Bauchseite des zweiten Abdominalsegmentes liegt inmitten einiger einen Haftapparat bildender Anhänge eine einfache oder mehrgliedrige Ruthe verborgen, die noch mit einem besonderen Samenbehälter in Verbindung steht. Vor der Begattung wird diese Samenblase durch Umbeugen des Hinterleibes von der Mündung der Samen- wege ausgefüllt, so dass dann bei der Begattung das Abdominalende des Männchens sich nicht mehr direct betheiligt. — In naher Beziehung zu demselben Geschäfte stehen bei vielen Insecten noch besondere, vorzüglich den Männchen zukommende Apparate, die an verschiedenen Körperlheilen angebracht sind und grösstentheils zum Ergreifen und Festhalten des Weibchens, sowie zur Erzielung einer dauernde- ren Vereinigung dienen. In diesen Einrichtungen, deren nähere Beschreibung der speciellen Zoologie anheimfällt, erkennen wir eine Wiederholung der schon bei Crustenthieren getroffenen Verhältnisse. Als besondere, für die Kenntniss des Baues der Generationsorgane der Insecten wichtigere Abhandlungen sind folgende zu er- wähnen : Johannes Müller, über die Entwickelung der Eier im Eierstock bei den Gespenstheuschrecken in den Nov. Act. Acad. Caes. Leopold. Carol. Vol. XII. 1825. Derselbe, de glandularum secernentium structura, -1830. R a t h k e , cte Libellularum partibus genitalibus, 1832. v. Siebold, Müller's Archiv 1837, und Fror. N.Not. Bd. XII. Stein, vergleichende Anatomie und Physiologie der Insecten, Bd.I. 1847. (Weibliche Geschlechtsorgane der Käfer.) Lacaze Duthiers (sur l'urmure geni- tale des insects.) Ann. des sc. nat. 1849. 288 Mollusken. aber zum grössten Theile aus dem falschen Principe entstanden, die nie- deren Classen einer Thierabtheilung an die höheren der nächst unter- stehenden Abtheilung anreihen zu wollen , und in Folge dieser Hemm- nisse kam man dann zu der gleichfalls unrichtigen Auffassung des Thierrei- ches, welche in der Annahme einer absoluten Abgeschlossenheit und Selb- ständigkeit der einzelnen grossen Typen sich ausdrückt. Versuchen wir, die ganze Abtheilung der Mollusken in einem einheitlichen Bilde zu ent- wickeln, so finden wir in den Gasteropoden den natürlichen Aus- gangspunct. Es gründet sich der Typus dieser Thiere auf die Ausbildung der ventralen Abtheilung (des Hautmuskelschlauches zu einer fleischigen Masse, einem Fusse, der in mannichfaltiger Weise als Locomotionsorgan dient. Es ist zugleich dieses Verhältniss der wesentlichste Unterschied von den Würmern, an deren untere Abtheilungen (Plattwürmer, namentlich Turbellarien) der Gasteropodentypus so eng sich anschliesst , dass wir hier eine innere Verbindung nicht verkennen können. Es sind auch die inneren Organe bei einfacher gebauten Gasteropoden (z. B. manchen Gymnobranchiaten) nicht typisch von jenen vieler Plattvvürmer ver- schieden, und wenn wir einzelne Formen gegen einander halten, beste- hen nur unwesentliche Differenzen. Die Anordnung des Nervensystemes und der Sinnesorgane, die bilaterale Symmetrie des Darmcanales und seiner accessorischen Apparate, die Asymmetrie der Geschlechtsorgane und endlich die ganze äussere Körperform bieten wichtige Uebereinstim- mungen dar, so dass wir bei sonst gleichen Einrichtungen nur durch die entwickelte Musculatur der Bauchfläche zu einem Fusse, den Gasteropo- dentypus vom Wurmtypus unterscheiden. In höherer Ausbildung ergeben sich jedoch bei ersteren verschiedene wichtige Merkmale , die einerseits in der Differenzirung des vordersten Körpertheiles zu einem Kopfe , an- dererseits in der Entwickelung von Hautduplicaturen zum »Mantel« be- stehen. Dazu kommt noch die Erweiterung des dorsalen Integumentes zu einem die Eingeweide bergenden Sacke , über dem eine eigentümliche, vom Integumente ausgehende, feste Schalen- oder Gehäusebildung er- folgt. Mit der Entwickelung dieser Gehäuseformation zu spiralig aufge- rollten Bildungen , welchen der gesammte Eingeweidesack folgt, erhält ein grosser Theil ursprünglich symmetrisch angelegter Organe eine assym- metrische Lagerung, durch welche der Gasteropodentypus sich schon weiter von jenem der Würmer entfernt zeigt. Aus der Gasteropodenform, deren wesentlichste Charactere eben dargestellt wurden , zweigen sich zwei andere nach verschiedenen Richtungen ab. Durch Verkümmerung des Fusses , sowie durch Ausbildung besonderer , am Kopfe stehender, lappenförmiger Organe, die bei den typischen Gasteropoden nicht entwickelt sind , erhalten wir den Typus der Pteropoden. Die Kopf- lappen erscheinen als Flossen und sind früher fälschlich für Modilicatio- nen des Fusses gehalten worden. Auf der andern Seite geht durch eine selbständige Entwickelung des Fusses, der nicht mehr eine blosse Soh- lenfläche des Körpers vorstellt, sondern zu einem von der Bauchfläche Einleitung. 289 des Körpers entspringenden flossenförmigen Organe umgewandelt ist, der Typus der Heteropoden hervor. Es sind so durch die Modificatio- nen eines Organes drei Abtheilungen (Ordnungen) entstanden, die alle durch die Entwicklung des vordersten Körpertheiles zu einem distincten, durch den Besitz der höheren Sinnesorgane ausgezeichneten Kopfe zur Ciasse der Cephalop hören vereinigt sind. Die Ausbildung dieses hier characteristischen Theiles ist jedoch in den drei Abtheilungen eine sehr verschiedene und steht in innigem Zusammenhange mit der Entfaltung der höheren Sinnesorgane. Wir treffen dies von den Pteropoden an durch die Gaste ropoden zu den Heteropoden in aufsteigender Reihe. Aus der Classe der Cephaloph oren , deren Mittelpunct die Gasteropoden darstellen, bilden sich die Anschlüsse nach zwei Seiten hin. Wir erhalten nämlich von den Pteropoden aus den Uebergang zu einer selbständigen Classe, die man vielfach von den Mollusken zu trennen versucht war , nämlich zu jener der Cephal opoden. Es ist hier theils die eigenthiimliche Moclification der Fussbildung (Nautilus), sowie die Entwicklung des Kopfes, wodurch unzweifelhafte Homologien zu gewissen Pteropoden (Clioideen) sichergeben. Vervollständigt werden diese durch die Lagerungsverhältnisse der Kiemenhöhle, die mit jenen gewisser Pteropoden (Hyaleaceenj übereinstimmend sind*). Die andere Formenreihe zeigt sich in einer absteigenden Richtung. Mit einer v.ollkommneren symmetrischen Ausbildung von Hautduplicatu- ren, die sich vom Rücken aus zu zwei über die Seiten des Körpers hin- abgehenden Mantellamellen gestalten, sowie unter gleichzeitiger Verküm- merung des vordersten, in der Classe der Cephalophoren als Kopf gedeuteten Abschnittes, bildet sich der Gasteropodentypus in jenem der Muschelthiere, und zwar speciell der Lamellibranchiaten fort. Auch der Fuss erleidet bedeutende Veränderungen. Er verliert seine sohlenähn- liche Ausdehnung, erscheint immer weniger vom Körper abgesetzt und stellt sogar mit dem Aufgeben seiner physiologischen Redeutung nur einen Theil des Eingeweidesackes vor. Zwischen Mantel und Fuss (oder Ein- geweidesack) lagern symmetrisch die Kiemen, genau an derselben Stelle, die sie bei manchen Gasteropoden einnehmen und an der dieAthem- organe fast in der gesammten Cephalophorenclasse zu treffen sind. Die asymmetrische Schalen- oder Gehäusebildung der Gasteropoden ist jedoch bei den Muschelthieren in eine symmetrische übergegangen. Es *) Obgleich die Mittelglieder zwischen der Ordnung der Pteropoden und der Classe der Cephalopoden in engschliessender Reihe fehlen, so sind doch die oben ausgesprochenen Homologien, zu denen noch mehrfache untergeordnetere Momente kommen (siehe die Vergleichung der einzelnen Organe), so klar vorhanden, dass sie dem Unbefangenen nicht entgehen können. Nur wer Werth auf untergeordnete Dinge legt, z. B. auf die hermaphroditische Bildung der Pteropoden und auf das getrennte Geschlecht der Cephalopoden u. a. m., der mag vielleicht die Kluft für grösser erachten, als sie dem erscheint, dem der allgemeine Bauplan das Wich- tigste ist. Gegeubaur, vergl. Anatomie. \ 9 290 Mollusken. sind dem entsprechend zwei Schalen vorhanden, von denen jede einer Mantelhälfte angehört. Die in dieser Classe sehr verbreitet vorkommende Verwachsung der freien Ränder des Mantels (siehe hierüber Ausführ- licheres bei den Athemorganen) führt zur Bildung von zuleitenden Röh- ren, den Athemröhren , und der ganze vom Mantel umschlossene Hohl- raum bildet sich zur Kiemenhöhle um. Von diesen Formen aus finden wir den Uebergang zu einem neuen Typus, jenem der Tunicaten, so- wie sich theilvveise aus dieser, theilvveise aus der entfernteren Classe, jener der Bryozoen, der Brachiopodentypus ableitet. Es ist vorzüglich die Bildung zweier eigenthümlicher, armartiger Organe am Munde der Brachio- poden, wodurch diese Abtheilung characterisirt ist, während die übrige Or- ganisation zumTheile mit jener der eigentlichen Muschelthiere harmonirt. Die contractilen Arme der Brachiopoden können, ohne Beeinträchti- gung der Deutung der übrigen Organe, als eine höhere Ausbildung der beiden die Tentakel tragenden Fortsätze gewisser Bryozoen (der Gruppe der sogenannten Lophopoden) betrachtet werden . so dass sich die Bra- chiopoden vorzüglich durch die Bildung einer zweiklappigen Kalkschale an die Lamellibranchiaten reihen. Die Classe der Tunicaten zeigt die Verkümmerung des Fusses viel vollständiger, als es bei den Muschelthieren (Lamellibranchiaten) der Fall war. Dagegen ist die Verwachsung des Mantels hier zur Norm geworden, und die vom Mantel umschlossene Höhle der Muschelthiere erscheint hier als eigentliche Kiemenhöhle, in welche die Kiemen nicht mehr frei her- vorragen, sondern mit deren Wandungen sich eng verbunden zeigen. Es wird dies vorzüglich durch die Ascidienform der Tunicaten reprä- sentirt*). Indem sich die Kieme von den Wandungen des Athemsackes zurückzieht, nur in einem Theile desselben (dem hintersten) sich aus- spannt, kommt die Form der Doliolen zu Stande, und wenn endlich das Athemorgan nicht mehr seplumartig die Körperhöhle trennt, sondern auf einen, letztere schräg durchsetzenden, balkenartigen Theil beschränkt ist, bildet sich bei gleichzeitiger Cylinderform des Körpers die extremste Form der Tunicaten, nämlich jene der Salpen, aus. Als letzte Abtheilung der Mollusken bestehen die Bryozoen. Die *) Aas der Ascidienform müssen auch die interessanten Appendicularien morphologisch entwickelt werden. Es finden sich hei diesen ganz dieselben Theile wie bei jenen vor, mit Ausnahme des fiossenartigen Anhanges, der als eine persi- stent bleibende, dem Ascidientypus angehörige embryonale Bildung angesehen wer- den muss. Aus der Ableitung des Ascidientypus von jenem der Muschelthiere geht hervor, dass wir überall da, wo ein vollständiger Verschluss der Kiemenhöhle (ur- sprünglich durch Verwachsung der Mantelränder) besteht, keine Fussbildung an- treffen können, es müsste denn dieser Theil aus dem' Grunde der Mantel- oder Kie- menhöhle hervorgehen, um sich mit dem Fusse der Muschelthiere in Homologie zu befinden. Demzufolge ist es auch nicht richtig , wenn Huxley den Körperanhang der Appendicularien für .das morphologische Aequiväleht eines Fusses nimmt. Es ist dies eben nichts Anderes, als ein hier für sich bestehendes Organ , welches vorläufig mit keinem Organe der übrigen Mollusken verglichen werden kann. Classification der Mollusken. 291 Körperform derselben ist von zwei Molluskenabtheilungen zugleich ab- leitbar. Es kann gewissermassen eine Combinalion des Brachiopoden- und Ascidien-Typus in der Brachiopodenform erkannt werden. Die um die Mundöffnung dieser Thiere stehenden Tentakel entsprechen den ten- takelartigen Fortsätzen, welche die Arme der Brachiopoden besetzen oder in ihrer Summe der an der Wand der Athemhöhle vertheilten Kieme der Ascidien (vergl. Ausführlicheres bei den Athemorganen), indem hier die Mantelbildung sich nicht über den vordersten Theil des Körpers erstreckt. Ueb ersieht der Glassen der Mollusken. I. Bryozoa. Eschara, Fluslra, Telegraphina, Alcyonella, Cristalella, Paludicella. II. Tunicata. 1 . Ordn. Thalia cea. Salpa, Doliolum. 2. Ordn. Thethydea. Appendicularia , Ascidia, Cynthia, Clavelina , Bolryllus , Polyclinum, Pyrosoma. III. Brach iopoda. Terebratula, Orbicula, Lingula. IV. La mellibranchiata. 1. Ordn. Pleurocon chae. Anomia, Oslrea, Peclen, Lima, Spondylus, Malleus, Perna. 2. Ordn. Orthoconchae. Pinna, Mytilus, Area, Pectunculus, Anodonta, Unio; Chama, Tridacna, Cardium, Venus. Cytherea, Lucina, Teilina, Cyelas, Psammobia, Mactra, Lutraria, Mya, Solen. 3. Ordn. Inclusa. Pholas, Teredo, Asper gillum. V. Cephalophora. 'I . Ordn Pteropoda. Hyalea, Creseis, Cymbulia, Tiedemannia, Clio, Pneumodermon. 2. Ordn. Gasteropoda. a) Abranchiata. Actaeon, Limapontia, Phyllirhöe. b) Gy ran o bran chia ta. Aeolidia, Scyllaea, Tritonia, Doris, Polycera. c) Pleurobrancbiata. Phyliidia, Diphyllidia, Pleurobranchus, Aplysia, Gasteropleron, Bulla. d) Cyclobranchiata. Patella, Chiton. e) Cir ro bran chia ta. Dentalium. f) Aspidobranchia ta. Fissurella, Emarginula. g) Cteno bran chi a ta. Sigaretus, Nerita, Natica, Neritina, Trochus, Turbo, Valvata, Paludina, Ampullaria , Fusus, Murex, Triton , Strombus, Pterocera, Cassis, Buccinum, Harpa, Conus, Oliva, Cypraea. 19 * 292 Mollusken. h) Pulmonata. Ancylus , Limnaeus , Planorbis , Succinea , Bulimus , Clausula, Helix, Arion, Umax, Vaginulus. 3. Ordn. Heteropodä. Atlanta, Carinaria, Pterotrachea. VI. Cephalopoda. 1. Ordn. Tetrabranchiata. Nautilus. 2. Ordn. Dibra nchiata. Spirula, Sepia, Loligo, Sepiola, Loligopsis, Argonaula, Octopus, Eledone. Literatur. Im Allgemeinen : Cuvier, Me'moires pour servir ä ihistoire et ä l'anatomie des Mollusques. Paris 4 817. Van Beneden, Exerciees zootomiques. Fase. I. II. Bruxclles 1839. Quoy u. Gaimard, Voyage de V Astrolabe . Zoologie. 1 ) Bryozoen : Van Beneden, Reejierches sur l'anatomie, la Physiologie et l'embryoge- nie des bryozoaires. Mem. de l'acad royale de Belgique. 1845 et suite. Derselbe, Recher dies sur les Bryozoaires ßuviatiles de Belgique. ibid. 1847. — u. Dum ortin, Eist. nat. des polypes compose's d'eau douce. ibid. 1850. 2) Tunicaten: Milne-Edwards, Observation sur les aseidies composees. Paris 184 1. Huxley, Observation on the strueture of Salpa and Pyrosoma. Philos. tr ansäet. 1851. Van Beneden, Memoire sur l'embryogenie, l'anatomie et la Physiologie des Aseidies simples. Mem. de l'acad. roy. de Belgique. T.XX. 1846. C. Vogt, Recher ches sur les animaux inferieures de la mediterrane'e. II. M6m. del' Acad. de Ge'neve. 1852. 3) Brachiopoden : Owen, Onthe anatomy of the Brachiopoda. Tr ansäet, of zoolog.soc. Vol. I. 1835. C. Vogt, Anatomie der Lingula anatina in der Denkschr. der Schweiz. Gesellsch. für d. gesammt. Naturwiss. Bd. VII. 1842. 4) Lamellibranchiaten : Poli, Testacea utriusque Siciliae eorumque historia et ana- tome.IIITom. 1791—1795. Boj a n us, Ueber die Athem- und Kreislaufwerkzeuge der zweischaligen Muscheln. Isis 1819. 1820. 1827. Deshayes, Art. Conchifera in Todd's Cyclopoedia. Vol. I. 1836. Garn er, On the anatomy of the lamellibranchiate Conchifera. Transact. of the zoolog. Soc. London. Vol. II. 1841. Quat'refages, Anatomie von Teredo. Ann. des sc. nat. 3. S6r. Tom. XI. 1849. Keber, Beiträge zur Anatomie u. Physiologie der Weichthiere. 1851. 5) Cephalophoren : Nordmann, Versuch einer Monographie des Tergipes Edward- sii. Mem. de l'Acad. Imperiale de St. Pe'tersbourg. Tom. IV. 1843. Quatrefages, Memoire sur les Gasteropodes phlebenle'res. Ann. des sc. nat. 3. Sdr. T. I. 1844. Ferner T. IV. 1845. Leydig, lieber Paludina vivipara. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. 11. 1850. . Souleyet, Voyage de la Bonite. Zoologie. T. II. 1S52. Hancock and E m b 1 e t o n , On the anatomy of Eolis. Ann. of nat. hist. \ol. XV. 184 5. — On the anatomy of Doris. Philos. Transact. 1852. T. II. Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 293 Bergh, Bidrag lil eri Monographi of Murseniadernes. Kongl. dansk. Vidensk. Selsk Skrifter. 1 853. — Ferner dessen Anatomisk Undersögelse of Fiona atlantica. Vidensk. Meddelelser for 1857. Gegenbaur, Untersuchungen über Pteropoden und Heteropoden. Leip- zig 1855. Claparede, Anatomie und Entwicklungsgesch. der Neritina ßuviatilis. Müll. Archiv 1857. Lacaze-Duthiers, Histoire de l' Organisation et du developpement du Dentale. Ann. des sc. nat. 4. Ser. T. VI— VII. 1856 — 1857. 6) Cephalopoden: Graut, lieber Loligopsis in Transacl. of zool. Soc. 1835. Ferussac et d'Orbigny, Hist. nat. generale et part. des Moll. Cephalopo- des. Paris 1836-1848. Owen, Memoir on the Pearly Nautilus. London 1832. — Art. Cephalopoda in Todd's Cyclopaedia. Vol. I. 1836. Valenciennes, Nouvelles recherches sur le Nautile flambe. Archives du Museum. 1841. Van der Hoeven. Bijdragen tot de Ontleedkundige Kennis aangaaende Nautilus pompilius. Amsterdam 1856. §.32. Körperbedeckiuig und Bewegmigsorgane. a) Vom Integumente. Die Körperbedeckungen der Weichthiere werden im Allgemeinen von einer weichen Hautschichte dargestellt, die aber in der Regel so innig mit der darunter liegenden Musculatur verwebt ist, dass , wie bei den Würmern, eine Art von Hautmuskelschlauch entsteht, von dessen Gestalt die Form des ganzen Thieres abhängt. Durch die überwiegende Ausbil- dung der Musculatur an gewissen Stellen des Körpers, auch durch Diffe- renzirung einzelner Theile des Hautmuskelschlauches entstehen die Or- gane der Ortsbewegung. Indem wir die Morphologie, soweit sie die all- gemeinen Körperverhältnisse der Mollusken angeht, theils in der allge- meinen Betrachtung dieser Abtheilung schon abgehandelt haben , theils bei den betreffenden Organen noch berücksichtigen werden , so liegen uns nur noch die speciellen Verhältnisse des Integumentes und die Bezie- hungen derselben zu anderen Organen vor. Die Bryozoen zeigen in dieser Hinsicht die einfachsten Verhält- nisse, indem bei ihnen der meist langgestreckte, festsitzende Körper mit einer dünnen Hautschichte versehen ist, die noch dazu innig mit einem starren Gehäuse sich verbindet*). — Aeusserst entwickelt ist das Inte- *) Mit den Stöcken mancher Bryozoen (z. B. den Gattungen Cellularia, Tele- graphina) trifft man eigenthümliche, anscheinend selbständig bewegliche Gebilde in Verbindung, welche bald scheerenartig gestaltet sind und dann Aehnlichkeit mit einem Vogelkopfe besitzen, bald einfach stabförmig gebildet sich darstellen. Da sie auch nach dem Tode der Thiere noch Thätigkeiten äussern, so dürften sie von den Indi- viduen selbst als unabhängig anz'usehen sein, und eine neuere Deutung, welcher zu- folge sie als rudimentär entwickelte Individuen aufzufassen wären, hat grosse Wahr- 294 Molinsken. gument bei den Mantelthieren oder Tunicaten, indem es hier, meist von beträchtlicher Dicke , den ganzen Körper gleichmässig einhüllt und bei den Salpen als eine dünnere Lage auch in die Athemhöhle sich fort- setzt. Die Consistenz dieser als »Mantel« bezeichneten Hülle variirt von gallertartiger Weichheit bis zu knorpelähnlicher Härte und zeigt sich fast immer glasartig durchscheinend, nur bei Ascidien häufiger durch Pig- mente gefärbt. Es wird diese Substanz durch eine Form des Bindegewe- bes gebildet, in der die zelligen Elemente gegen die Intercellularsubstanz sehr zurückgetreten sind*). Epitheliale Bildungen kommen in be- schränkter Weise vor und bilden nur eine einfache Schichte, welche bei den schwimmenden Tunicaten leicht verloren geht. BeiBrachiopoden, Lamellibranchiaten, Gephalop hören und Cephalopoden ist das Integument deutlicher in Epidermis und Cutis trennbar; doch ist die letztere bei den meisten vielfach mit den darunter liegenden Muskelschichten des Körpers vereinigt, wodurch das gesammte Integument eine oft beträchtliche Contractilität erhält. Wo in der Cutis die Bindegewebsbildung vorherrschend ist, wie an dem dicken, glasartig hellen Hautkörper der Heteropoden (Carinaria, Pterotrachea) , wird dadurch die in der Formveränderung bestehende Beweglichkeit des Körpers gemindert und demselben, wie durch den Mantel der Tunica- ten, nur ein geringer Grad des Gestaltwechsels erlaubt. Bei den übrigen Mollusken ist letzterer , soweit starre Gehäuse nicht hindern , in hohem Grade ausgeprägt. In die Cutisschichte eingelagert finden sich mancherlei Pigmentbil- dungen vor , von welchen die manchen Pteropoden, wie auch allen Cephalopoden zukommenden, eigenthümlichen Zellen, die »Chro- matophoren,« anzuführen sind. Es sind diese, in verschiedenen Tie- scheinlichke.it für sich. Der physiologische Werth dieser »vogelkopfähnlichen Or- gane« besteht in den Beziehungen zur Ernährung der Bryozoenstöcke und ist jenem der Pedicellarien der Echinodermen gleich. — *) Diese Mantelschichte nimmt innigen Antheil an der Vermehrung der spros- sentreibenden Ascidien (Ascidiae sociales), sowie sie auch für die zusammengesetz- ten Ascidienstöcke {Ascidiae compositae) und für die Pyrosomen eine gemeinsame Hülle abgibt. ■ — Interessant ist sie auch wegen ihrer chemischen Constitution, in- dem C. Schmid t in ihr die sonst imThierreiche nicht sehr häufig verbreitete Cellu- lose nachgewiesen hat. Ueber den feineren Bau ist zu vergleichen Lorvig und Kölliker, Ann. des sc. natur. Se'r. III. Tom. V. 1846. Neuere, sowohl die chemi- schen wie die histiologischen Verhältnisse berücksichtigende Untersuchungen über den Ascidien-Mantel sind von H. Schacht, Müller's Archiv, 1851. Es geht daraus hervor, däss die Intercellularsubstanz aus Cellulose besteht, während die zelligen Elemente des Mantels, sowie auch die denselben überziehenden Pflasterepithelien frei von Cellulose sind. Bei einer Ascidie ist der Zellstoff sogar in Form von Fasern differenzirt, was an die Differenzirung der Intercellularsubstanz des Bindegewebes sich anschliesst, vielleicht sogar mit der Bildung der elastischen Fasern verglichen werden kann. Die Cellulose verhält sich formell ganz ähnlich wie im Pflanzenreiche, wo sie gleichfalls ausserhalb der Zelle — die äusserste Schichte des Protoplasma für die Begränzung der Zelle genommen — vorhanden ist. .Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 295 fen der Haut liegende rundliche Zellen mit körnigem Pigmente erfüllt und in ihrer Peripherie mit radiären Muskelfasern ausgestattet, deren Con- traction eine tlächenhafte Ausdehnung der Zelle und dadurch eine Ver- keilung des Pigmentinhaltes hervorruft, so dass sie als grössere, häufig sternförmig verästelte Flecken dem Auge leicht wahrnehmbar werden. Das wechselnde Spiel dieser mehrfachen Ghromatophorenschichten ruft jene Farbenpracht hervor, die wir an der Haut lebender Tintenfische be- wundern*). Von anderen Bildungen der Haut sind Wimperepithelien anzuführen, die ausser den Athmungsorganen noch den mannichfaltigsten Stellen zu- kommen können*"). Kalkeinlagerungen in die Haut sind namentlich bei Gast erop öden verbreitet und finden sich bald als einfache Körnchen oder grössere rundliche Goncretionen, bald als stäbchenförmige, gezackte oder auch verästelte Formen , die oft in beträchtlicher Masse ein wahres Kalknetz darstellend vorkommen können. So treffen wir sie bei den Gymnobranchiaten, z.B. Doris, Polycera, bei welchen die einzelnen Arten durch eine besondere Anordnung oder Gruppirung, sowie auch durch eigenthümliche Formation der einzelnen Kalkstäbchen ausgezeich- net sind. Bei den einzelnen Gattungen und Arten der genannten Gaste- ropoden sind die Formen, sowie die Gruppirungsverhältnisse der Kalk- einlagerungen äusserst characteristisch ; bei manchen (z. B. Dorisarten) sogar so dicht zusammengedrängt, dass sie wie eine Art inneren Haut- scelets sich ausnehmen. Die bei niederen Thiergruppen (Würmern, Coelenteraten) in grösserer Verbreitung getroffenen Nesselzellen finden sich gleichfalls noch bei den Mollusken, jedoch nur in einem einzigen Falle, vor. Sie sind beob- achtet in den Enden der Bückencirren von Aeolidien. Mit den Integumenten verbundene Drüsenorganc (Hautdrüsen) sind in grösserer Verbreitung nur bei den Cephalophoren angetroffen. Es sind hier vorzüglich die am Mantelrande der Gasteropoden liegen- den Follikel zu erwähnen , von denen eine kalkhaltige Flüssigkeit abge- sondert wird. Das Secret steht in inniger Beziehung zur Schalenbildung. Auch am übrigen Körper kommen hin und wieder Drüsengebilde vor, die besonders bei schalenlosen Pteropoden, dann auch bei manchen rsacktkiemern entwickelt sind. Unter den Gephalopoden sind kalkabson- *) Vergl. hierüber E. Brücke, Sitzungsberichte der Wiener Academie, V1I1. 1852. p. 1 96. H. Müller, Zeitschr. für wiss. Zoologie, Bd. IV. 4853. p. 337. Die Contraction der Chromatophoren wird durch einen, neben den Pigmentkör- nern vorkommenden Zelleninhalt bewerkstelligt. — Vergl. hierüber auch L eydig, Lehrb. der Histologie, p. 105. **) Am meisten verbreitet sind sie auf der Haut der kiemenlosen G asteropo- den, so wimpert z. B. die Hautoberfläche von Phyllirrhoe. Auch bei Cteno- branchiaten sind manche Hautorgane mit Cilien ausgestattet, z. B. die Fühler. Im Uebrigen trifft man an den Athemorganen der Tunicaten, der Lamelli- branchiaten und der Cephalophoren Wimperepithelien in ausgebildeter Weise. 296 Mollusken. dernde Hautdrüsen besonders an den segelarlig verbreiteten Armen der weiblichen Argonauten bemerkenswert!). Eine besondere Wichtigkeit erlangen die Hautbedeckungen der Mol- lusken durch die Abscheidung fester, in Schichten sich lagernder Sub- stanzen, aus welchen die mannichfaltigen Gehäuse und Schalenbildungen dieser Thiere hervorgehen. Es sind somit die in dieser Abtheilung getrof- fenen Hartgebilde durch die Art ihrer Entstehung von jenen anderer Thierclassen , wie z. B. der Echinodermen , wesentlich unterschie- den. Es sind vom Körper ausgeschiedene, nach aussen hin abgelagerte Producte, die, wenn auch als Stütz- und Schutzorgane für die betreffen- den thierischen Organismen von grosser Bedeutung , doch nicht im ei- gentlich organischen Zusammenhange mit den Thieren stehen, so dass man diese Erscheinungen viel eher der Bildung des Ghitinscelets der Ar- thropoden anreihen und in beiden die Aeusserung einer und derselben bildenden Thätigkeit der äusseren Hautschichte erblicken kann. Wir können die Reihe dieser Bildungen mit den Gehäusen der Bryozoen beginnen, die ihre mannichfaltigen Sculpturen immer einer besonderen weichen Matrix verdanken, welche in alle Fortsätze dieser äusseren Scelete sich erstreckt, jedoch an Dicke von den abgelagerten Schichten zumeist übertroffen wird. Der Festigkeitsgrad dieser Gehäuse hängt nicht allein von der Dicke und Zahl der einzelnen Schichtenbildungen ab, son- dern wird auch durch Aufnahme von Kalksalzen bedingt, welche die or- ganische Substanz imprägniren. Die letztere kommt in chemischer Bezie- hung mit den analogen Theilen der Arthropoden überein und hat sich gleichfalls chitinhaltig ergeben, sowie auch das ganze Verhalten der dün- nen Matrix zum abgesonderten starren Gehäuse an die Bildung des Ar- thropodenpanzers erinnert. Die Gehäuse der einzelnen Individuen von Bryozoen sind in der Begel zu Golonien mit einander vereinigt, die entweder üächenartig ausgebreitet sind oder , auf die mannichfaltigste Art verzweigt, an einem gemeinsamen Stocke sich erheben, in allen Fäl- len aber an andere Gegenstände befestigt sind. Mit der bei den höheren Molluskenclassen bestehenden Formation eines Mantels steht die Absonderung von Schalen oder Gehäusen in inni- ger Verbindung. Bei einer vergleichenden Betrachtung dieser Productio- nen gibt sich ein. in den einzelnen Abtheilungen verschiedenen Schwan- kungen unterworfenes Fortschreiten vom Niederen zum Höheren durch den Umstand zu erkennen , dass die unteren Weichthierorganismen im- mer durch mächtige Gehäuseentfaltung ausgezeichnet sind, während die höherstehenden eine Reduction dieser Bildungen aufweisen. Die massige Entwicklung eines Gehäuses tritt als Hemmniss der freien Ortsbewegung an die Stelle des Festsitzens am Boden*). Wir können somit eine für sich *) Festsitzend sind ausser den Bryozoen noch die Brach i opo de n, bei denen die Terebrateln einen die eine Schale in der Nähe des Schlosses durchsetzenden, kurzen, elastischen Stiel besitzen, während der zwischen den beiden Schalen der Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 297 hoch entwickelte Schalenformation nicht als den Ausdruck einer hoch stehenden Organisation des gesamtnten Thieres fassen , sondern müssen sie vielmehr als einer niederen Stufe der Lebensform angehörig anse- hen*). — Die höchste Stufe der Gehäusebildung treffen wir bei den La- mellibranchiaten, deren vom Rücken gegen die Bauchseite sich um- schlagender Mantel zwei bald gleichartig, bald ungleichartig gestaltete Schalen trägt, die in verschiedenem Grade das Thier zu umschliessen im Stande sind. Auf der Mitte des Rückens sind beide Schalen entweder durch ein »Schloss,« oder mittelst eines elastischen Bandes, oder auf beide Weisen mit einander vereinigt. Die Grösse der Schalen steht in der Regel im umgekehrten Verhältnisse zur Verwachsung des Mantels, so dass jene Muschelthiere, deren Mantel unter röhrenförmiger Ausdeh- nung den ganzen Körper verschliesst, die relativ kleinsten Schalen be- sitzen. Das Wachsthum der Schalen geht vorzüglich am freien Rande vor sich und erfolgt hier durch schichtenweise Anlagerungen von Seite des Mantels , die sich auf der Oberfläche der Schale als concentrische Ringe zu erkennen geben. Die Verdickung der Schale geht an der ganzen In- nenfläche vor sich und wird gleichfalls vom Mantel, und zwar von dessen Oberfläche besorgt. Durch diesen verschiedenen Modus der Bildung entstehen auch verschiedene Structurverhältnisse der fertigen Schale, deren innerer Theil aus zahlreichen, über einander liegenden und gefal- teten Schichten besieht, aus denen sich der Perlmutterglanz ableitet. Auf diese Perlmutterschichte folgt die äussere, aus senkrechten Säulchen zusammengesetzte, die ihre Entstehung dem Mantelrande verdankt. Auf Bechnung des letzteren kommt auch der hornartige Ueberzug (die soge- nannte Epidermis) vieler Muschelschalen**). Für die Cephalop hören sind Sehalenbildungen gleichfalls noch characteristische Attribute. Der einfache , auf dem Bücken des Thieres sich bruchsackartig ausstülpende und die Eingeweide aufnehmende Man- Lingulen hervorkommende Stiel durch seine Länge und Beweglichkeit ausge- zeichnet ist. *) Es gilt das Gesagte nur in allgemeinsterweise, und eine hier vorzunehmende Vergleichung darf sich immer nur auf sonst einander nahe stehende oder in der übrigen Organisation doch ähnlich gebildete Formen erstrecken. So können wir einen der Schalenbildung gänzlich entbehrenden Tunicaten, z. B. eine Salpe oder Ascidie, nicht deshalb über ein Muschelthier stellen, weil letzteres mit einer Schale belastet ist, denn der Plan eines Tunicaten ist für sich schon ausschlag- gebend und lässt diese Thiere niedriger organisirt erscheinen. Wohl aber können wir z. B. bei den Gasteropoden die nackten Lungenschnecken den gehäusetra- genden überordnen. Der Plan beider ist ein gemeinsamer, somit kann der Besitz ei- nes Gehäuses den Ausschlag geben. **) Die verschiedenen Formen der Schalen der Muschelthiere, wichtige Objecte der beschreibenden Zoologie, müssen natürlich hier übergangen werden. Ueber das Allgemeine vergleiche vorzüglich: Johnston, Einleitung in die Conchyliologie, übers, von Bronn. Stuttgart -1 854. Die feinere Structur der Muschelschalen be- handeln: Carpenter, Artikel Shell in der Cyclopaedia of Analomy and Physiology ; auch L e y d i g , Lehrb. der Histologie. 298 Mollusken. tel bildet hier nur eine einfache Schale , die in den verschiedensten Zu- ständen der Entwicklung zu treffen ist. Sie wird entweder nur durch schichtenweise Ablagerung organischer Substanz gebildet und ist dann biegsam, ja sogar weich, bis zu gallertiger Beschaffenheit, oder sie er- langt durch Aufnahme von Kalksalzen eine grössere Festigkeit und wird je nach dem Vorwalten des Kalkes und der Dicke und Zahl der abgesetz- ten Schichten zu einem mehr oder minder massiven Gehäuse. Mit dem Baue der Muschelschalen verglichen, entspricht sie der Perlmutterschichte derselben. Nicht selten kommt auch noch eine »Epidermis« hinzu, die dann der Epidermis der Muschelschalen analog erscheint. Der Entwi- ckelungsgrad der Schale zeigt in der Glasse der Cephalophoren die grösste Ausdehnung, und ersterem entsprechen auch im Allgemeinen die Formen, die von einfach napfförmigen bis zu vielfach gewundenen Ge- häusen variiren. Die mächtigsten Gehäuse zeigen die meisten seebewoh- nenden Gtenobranchiaten, bei denen eine Verdickung der Schale nicht selten noch von aussen her, nämlich durch neue Ablagerungen von Seiten des über die Schale geschlagenen Mantelrandes, bewerkstelligt wird (z. B. Cassis , Cypraea, Oliva u. a.). Leichter gebaut ist die Schale der schwimmenden Pteropoden, wie auch der meisten an den Küsten oder in süssen Gewässern lebenden Gtenobranchiaten. An diese reihen sich die Helicinen, bei denen noch der Umstand bemerkens- werth ist, dass die Schale ursprünglich als innere auftritt und vom Mantel vollständig umschlossen ist. Erst mit der Entstehung der Win- dungen hebt sich die Manteldecke von dem Gehäuse ab, nur noch dessen Rand überkleidend und so von aussen her zum Wachsthume der Schale beitragend*]. — Persistirende innere Schalen, die also dem früheren Zustande der vorhin erwähnten entsprechen, tragen auch mehrere Pte- ropoden (Cymbulia Tiedemannia) **) , sowie auch der wenig entwickelte Mantel der Pleur ob ranchia ten ein bald vollständig umschlossenes, bald nur mit einem kleinen Theile vorragendes Gehäuse birgt. Dieselben Verhältnisse des Mantels gehen auch bei den nackten Lungenschnecken mit einer solchen Gehäusebildung einher, und es ist entweder nur eine winzige Schale dem kleinen Mantel aufgesetzt, wie bei Testacella, oder es wird eine flache Schalenlamelle vom Mantel vollständig geborgen, wie bei Limax . oder es reducirt sich die ganze Schalenformation nur auf ei- nige unzusammenhängende Kalkconcretionen, wie sie im Mantel von *) Vergl. meine Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Landpulmonaten, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. HI, 1851. **) Wie in der Form und im Grade der Ausbildung, so herrscht auch in der Zu- sammensetzung dieser Schalen eine grosse Verschiedenheit ; von weicher, fast gal- lertartiger Consistenz ist die Tiedmanniaschale, fester, fast knorpelartig jene von Cymbulia, und als eine derbe, aber, wie die beiden oben erwähnten, des Kalkes vollständig entbehrende Lamelle erscheint die Schale der A p 1 y s i e n , bei denen die Verkalkung nur durch äussere, der hyalinen Lamelle angelagerte amorphe Kalk- scherbchen angedeutet ist. Körperbedeckung und Bewegungsorgane. 299 Arion zu treffen sind. Endlich ist bei einer nicht geringen Abtheilung von Cephalophoren das Vorkommen einer Schale nur ein Vorübergehen- des, nur auf die ersten Lebensstadien beschränkt. Mit solchen nur napf- förmigen oder conischen Schalen sind die Larven der Abranchiaten und Gymnobranchiaten ausgestattet; auch die nackten Pteropo- den zählen hierher, und unter den Heteropoden Pterotrachea*). Noch auffallender erscheint der Besitz einer Schale als niederer Ty- pus bei den Cephalopoden, da hier nicht allein in der ganzen geolo- gischen Reihenfolge dieser Thiere eine abnehmende Schalenbildung zu beobachten ist , sondern auch unter den lebenden Formen wieder nur diejenigen mit einer Schale versehen sind . welche an ihrer gesammten Organisation den Stempel eines niederen Bildungsgrades tragen. — Die Structurverhältnisse der Cephalopodenschalen reihen sich an das von den Cephalophoren Gesagte an , und auch die Beziehungen der Schale zum Körper, d. i. zu einem als Mantel erscheinenden Theile-des dorsalen Integumentes, sind ganz dieselben, wie auch die Formverhältnisse über- einstimmend sind. Es sind entweder gerade gestreckte (diese nur untergegangenen Familien angehörig), oder gewundene Gehäuse, die, vom Mantel gebildet, das Thier bald vollständig umhüllen, bald in rudimentärer Bildung auf- tretend, im Innern des Mantels verborgen sind und dann unter Aufgeben ihrer Bedeutung als Gehäuse nur noch wie innere Stützorgane erschei- nen. Die vollkommener ausgebildeten Gehäuse der Cephalopoden, wie sie uns bei den fossilen Ammoniten, Orthoceratiten und den durch eine einzige Gattung in der gegenwärtigen Schöpfung repräsentir- ten Nautiliden entgegentreten, zeigen einen von jenem der Cephalo- phorengehäuse verschiedenen Bau. Sie sind nämlich in einzelne hinler einander gelegene Kammern getheilt , von denen nur die vorderste vom Thiere bewohnt wird, obgleich auch die hinteren durch eine röhrenför- mige, die Scheidewände durchsetzende Verlängerung (Sipho) des Thieres mit letzterem in inniger Verbindung stehen. So verhalten sich die gera- den Gehäuse der fossilen Orthoceratiten, die in einer Ebene spiralig gewundenen der Ammonite n und jene der Nautiliden. Bei den letz- teren schlägt sich ein Mantellappen von der Rückseite des Thieres über ei- nen Theil der Schale hinweg und scheint zur Verdickung derselben beizu- tragen . Fast ganz in den Mantel eingeschlossen treffen wir das ähnlich wie bei Nautilus construirte, in seinen Windungen jedoch nicht zusammenschlies- sencle Gehäuse von Spirula und denUebergang von den vollständig nur vom Mantel umhüllten Schalen zu jenen, die im Mantel verborgen sind, bilden *) Die eigenthümlichen Gehäuse der Chitonen können den oben skizzirten Scha- lenbildungen nicht beigerechnet werden, insofern sie nach einem etwas verschiede- nen Typus sich bilden und durch ihre Gliederung an die Integumentbildung der Würmer sich anreihen. — Zu den Gehäusebildungen gehören auch die »Deckel« der Kammkiemer. 300 Mollusken. die Gehäuse der fossilen Belemniten. Dieser Vermittlung wegen sind die Reste dieser wahrscheinlich zum grossen Theile inneren Schalenfor- mationen von grosser morphologischer Wichtigkeit. Die Kammerbildung erscheint hier nur auf einen kleinen kegelförmigen Theil, den sogenann- ten Phragmoconus , beschränkt. Die einzelnen, wie horizontale Kegel- schnitte üher einander geschichteten Kammern, welche Abtheilungen des Phragmoconus bilden, waren auch hier durch einen Sipho unter einander in Verbindung gesetzt und der ganze Phragmoconus von Verdickungs- schichten umhüllt, die sich jedoch nicht gleichmässig über ihn ausdehn- ten , sondern hinter seiner Spitze einen mächtigen soliden Fortsatz , das sogenannte Rostrum, den bei weitem häufigsten Schalenrest darstellten. Der nach vorne von einer Seite über die Basis des Phragmoconus hinaus sich erstreckende lamellenartig ausgebreitete Abschnitt derVerdickungs- schichten wird als »Hornblatt« bezeichnet. Es muss der Phragmoconus als das Homalogon der gekammerten Schalen der anderen Cephalopo- den angesehen werden, während die von ihm ausgehende Lamelle, das sogenannte Hornblatt, wie eine einfache Verlängerung der vordersten Kammerwand sich darstellt und die massive Spitze (Rostrum), die sich von der ganzen Schale am vollständigsten erhalten zeigt, auf einfache, von dem umgeschlagenen Mantel gebildete Verdickungsschichten reducirt werden muss. Eine völlig im Mantel verborgene, selten mit einer hinteren Spitze hervorragende und dadurch schon an die Schalenbildung der Belemniten erinnernde flache Schale stellt das als »Os Sepiaea bekannte Gehäuse der Sepiden vor. Es besteht aus mehrfachen an organischer Substanz rei- chen Schichten, welche durch Schichten von Kalkeinlagerungen von ein- ander getrennt sind*) , so dass es aus mehrfachen über einander gela- gerten Blättern zusammengesetzt erscheint. Die äusserste, der sogenann- ten Rückenobertla'che des Thieres zugewandte Lamelle ist von besonde- *) Das Studium der Schalenbildungen der Cephalopoden, der lebenden so- wohl wie der fossilen, gewährt insofern ein nicht unbedeutendes morphologisches Interesse, als man hier durch alle Formen hindurch eine und dieselbe planmässige Bildung ausgeführt sieht, und auch diejenigenGehäuse, die in ihrer Form von jenem Plane sich am meisten zu entfernen scheinen, dennoch selbst in der rudimentärsten Bildung deutliche Spuren desselben erkennen lassen. Von einer vergleichenden Be- trachtung sei hier Folgendes hervorgehoben. Die inneren Schalen gewisser Sepien, die in eine hintere, nach aussen ragende conische Spitze auslaufen, z. B. S. Orbig- niana, lassen sich durch Vergleichung auf jene der Belemniten zurückführen. Die solide Spitze entspricht der Belemnitenscheide (Rostrum) , während die Alveo- larhöhle der letzteren, sowie das vom Rücken derselben ausgehende Hornblatt dem ganzen übrigen Theile der Sepienschale homolog ist. Die Scheidewände, welche in der Alveole der Belemniten die Kammern des Phragmoconus darstellen, sind nämlich in der Sepienschale durch die flach oder nur wenig concav angesetzten Lamellen repräsentirt, die, anstatt von hohlen Kammern, durch dazwischen gelagerte Kalkschichten geschieden sind. — In der Reihe dieser Schalenbildungen treffen wir somit eine continuirliche Abnahme der Kammerformation, als deren Endglied die Sepienschale mit nur noch angedeuteten Septis erscheint. Sceletbildung. 301 rer Festigkeit, und sie ist es. die sich direct in die hintere Spitze aus- zieht und die Grundlage für die blättrigen Ablagerungen abgibt, die sich auf der Innenfläche der schwach gewölbten Schale bis zu oft beträcht- lichem Durchmesser erheben. Noch mehr reducirt ist die Schale der L ölig inen, welche nur durch ein langgestrecktes , biegsames, im Rü- ckentheile des Mantels verborgenes Hornblatt (Calamus) dargestellt wird. Seiner Mitte entlang verläuft ein nach aussen vorspringender Kiel, der, oben am stärksten, nach unten zu abnimmt und an den Seiten sich con- tinuirlich in die Ränder des Hornblattes fortsetzt. Es entspricht dieses Schalenrudiment dem äusseren gewölbten und an organischer Substanz reicheren Theile einer Sepienschale und ist auch dem Hornblatte eines Relemnitengehäuses homolog zu erachten. — Endlich findet man in der Gattung Octopus , deren Mantel im Nacken nicht mehr vom Kopfe abge- setzt ist, ein Paar dünne Plättchen, dem Rückenintegumente eingelagert, und diese erscheinen als die letzten Ausläufer einer vom Mantel ausge- henden Schalenbildung, welche sich jener bei Cephalophoren beschrie- benen somit vollständig parallel verhält. — Mit äusseren, aber ungekam- merten Schalen sind zwar auch die Argonauten versehen, allein es können diese Gebilde nicht wohl der eben entwickelten morphologischen Reihe beigezählt werden, da ihre Entstehung nicht vom Mantel ausgeht*). b) Vom inneren Scelete. Ein innerer, aus festerem Gewebe bestehender Stützapparat des Körpers oder einzelner Theile desselben ist, wenn wir, wie gebührend, von den nur als schichtenweise Ablagerungen von Seite einer Matrix er- folgenden inneren Schalen absehen, bei den Mollusken nur in den hö- heren Abtheilungen und auch hier nur in relativ geringer Entwickelung vorhanden. Rei der grössten Mehrzahl der Weichthiere wird der Mangel eines inneren Sceletes aufgewogen durch die Starrheit der äusseren Um- hüllungen (Tunicaten) , oder durch Hartgebilde, die als Absonderungs- producte von Seite der Oberfläche des Körpers entstehen und die häufig auch zu inneren Stützen werden können. In den mannichfachen Scha- len- und Gehäusebildungen haben wir hinreichende Beispiele hierfür ge- funden. Auch die unter den Brachiopoden beiden Terebrateln vorkommenden festen Gerüste, auf welchen die Arme fixirt sind, sind nur innere Fortsetzungen der äusseren Schale und deshalb nicht als wahre innere Scelete anzusehen. Es wird dieser Apparat durch zwei von dem Schlosse der nicht durchbohrten Schale ausgehende Leisten ge- bildet, die, nachdem jede mit einer anderen, vom Boden der Schale kom- menden Leiste sich vereinigt hat, nach vorne verlaufen, um dann bogen- *) Mit solchen Schalen sind nur die Weibchen der Argonauten ausgestattet und zu ihrer Bildung fungiren zwei am Ende lappenartig ausgebreitete Arme, von welchen auch die ganze Oberllache der Schale umfasst und eingehüllt wird. 302 Mollusken. förmig sich nach rückwärts zu wenden und in der Mitte zusammenzutre- ten. — Gänzlich von diesen Armstützen verschieden sind die ersten An- deutungen eines wirklichen inneren Sceletes bei den Cephalophoren. Es liegen im Kopfe dieser Thiere , von der Musculatur des Pharynx um- schlossen, die Grundlage derselben abgebend und den Schlundkopfmus- keln zum grossen Theile zur Insertionsstelle dienend, zwei oder vier, mehr oder minder innig unter einander vereinigte Knorpelstücke, die besonders für die Zunge und ihre Adnexa einen Stützapparat bilden. Mit Ausnahme einiger Pteropoden dürften sie in der ganzen Classe der Cephalophoren verbreitet sein . Reichlicher entwickelt treffen wir innere Scelettheile bei den Ce- phalopoden. Es besteht eine Anzahl von Knorpelstücken, von denen ein im Kopfe liegendes das bedeutendste ist und mit Hinblick auf seine Beziehungen zu dem Nervensysteme und den höheren Sinnesorganen ei- nem Schädelrudimente verglichen werden kann. Es dient als Hülle des Nervencentrums, als Stütze der Seh- und Gehörwerkzeuge und zur An- fügung einer reich entwickelten Musculatur. Bei Nautilus treffen wir den Fig. 74. Kopfknorpel (Fig. 74. A. B) durch zwei un- regelmässige , in der Mitte verschmolzene, nach vorne und hinten in Fortsätze ausge- zogene Stücke dargestellt, welche den An- fangstheil der Speiseröhre umfassen. Um Vieles mehr entwickelt ist der Kopfknorpel der D ibranchiaten. Er besteht aus ei- nem mittleren, vom Oesophagus durch- bohrten Theile und zwei Seitenflügeln, welche bald nur als flache Ausbreitungen erscheinen und dann zur Bildung einer Orbita mit accessorischen Knorpelstücken verbunden sind, bald in höherer Ausbildung auch oben in Forlsätze übergehen und die Orbita vollständig umschliessen. Der mittlere Theil des Kopfknorpels besitst eine Cavität zur Aufnahme der Gehirnmasse, sowie ein Paar (auch bei Nautilus von Knorpel umschlossene) Höhlungen, in welche die Gehörorgane eingebettet sind*). Während Nautilus und wohl auch die meisten 0 c t o p o d e n im Kopf- knorpel das einzige Sceletrudiment besitzen, sind die übrigen Gepha- lopoden noch mit einer Anzahl anderer Knorpelstücke versehen. Es sind dies zwei hinter einander längs des Rückens liegende Knorpelstücke, von denen das obere, halbmondförmig gestaltete noch im Körper des Thieres lagert, das andere, oblonge, schon im Mantel angebracht ist und Fig. 74. Knopfknorpel von Nautilus, A. von unten,- B. von oben. (Nach Va- 1 encienn es.) *) Bei den Sepien schliesst sich oben an den Kopfknorpel eine dünne Lamelle an, welche der Musculatur der oberen Anne theilweise zum Ansätze dient. Musculatur und Bewegungsorgane. 303 zum Theile den ersteren überdeckt. Die Loliginen besitzen ausserdem noch an der Basis der Flossen ein Paar flacher Knorpelstücke, zwischen welche ein unpaares Mittelstück, oft von beträchtlicher Ausdehnung, ein- geschaltet ist*). c) Von der Musculatur und den Bewegungsorganen. Aus dem Vorkommen eines mit dem Integumente verbundenen Haut- muskelschlauches, sowie aus der im Ganzen, trotz der vielgestaltigen Mo- difikationen doch einförmigen Bildung der äusseren Stützapparate ist er- sichtlich, dass gesonderte Muskelbildungen nur wenig entfaltet sein können. Auch durch den Mangel innerer Stützorgane in den unteren Abtheilun- gen, oder durch deren geringe Entwicklung in den höheren Classen wird eine complicirte Musculatur unmöglich gemacht. Die Hautmusculatur ist in ihrer Ausbildung parallel mit der freien Beweglichkeit des Kör- pers, indem letztere durch sie bedingt wird. Die Entwicklung von Schalen und Gehäusen, als ersterer Eintrag thuend , wird deshalb auch den Hautmuskel- schlauch nur in beschränkter Weise entwickelt erscheinen las- sen. Bei den festsitzenden Bryozoen und Tunicaten ist er denn auch am wenigsten entfaltet. Dagegen zeigen die freien Tunicaten eine vollkommnere Bildung in dem Vorhandensein kreisförmiger oder sich kreuzender Mus- kelbänder (Fig. 75. m.), die unter der glashellen Mantelschichte (Fig. 75. A.) zu treffen sind**). Bei den Brachiopoden sind die Arme mit einer röhrig geformten Muskelschichte versehen, es bildet jeder Arm nach Owen gewisser- massen einen geschlossenen Muskelschlauch, der mit Flüssigkeit gefüllt Fig. 75. Salpa runcinata. o. Eingangsöffnung, a. Auswurfsöffnung, br. Kiemenbalken, e, Endastglied, in. Muskeln, i. Eingeweidemasse, s. Keimstock. g, a. Junge Kette der zweiten Generation, t. Mantel. *) Von geringer Bedeutung sind die sogenannten Schlossknorpel, die man bei den Loliginen — auch bei Argonaula — seitlich an der Trichterbasis findet, und welchen knorplige Stellen des gegenüberliegenden Mantelrandes entsprechen. **) In einzelnen von einander gesonderten Reifen (7 — 9) besteht die Hautmuscu- latur bei Doliolum. In ähnliche bandartige Partien getrennt erscheinen die Muskeln der Salpen. Sie bilden theils vollständige Ringe , theils sind sie in der Medianlinie offen. Häufig verbinden sie sich durch schräg verlaufende Verzweigungen, die aber, wie die gesammte Musculatur, eine äusserst regelmässige, bei den einzelnen Arten verschiedene Anordnung zeigen. 304 Mollusken. ist, und durch Contractionen an seinem hinteren Abschnitte die Spiral- form des ruhenden Arms in die Länge entfaltet*). Reiche Muskelmas- sen enthalten auch die beiden Lamellen des Mantels, welche bei den La- m ellibranchia ten nur da, wo sie Athemröhren vorstellen, eine ent- wickeltere Muskellage bilden. Es fungirt diese Musculatur zum Rückzie- hen der ausgestreckten Siphonen (Fig. 81. tr. to.). Auch circuläre Schichten sind an den Athemröhren nachzuweisen. Beträchtlicher ausgebildet zeigt sich der Hautmuskelschlauch in der Bildung des Fusses, jenes Körpertheiles, der die Bauchseite des Thieres dar- stellt. Es erleidet dieser Theil schon bei den Lamellibranchiaten eine Reihe von Umbildungen, indem er kurz und stempeiförmig gestaltet bei den Bohrmuscheln**) auftritt, bei anderen [Cardium) zu einem längeren, knie- förmig gebogenen Gebilde umgewandelt ist, mit welchem die Thiere so- gar springende Bewegungen vollführen können. Bei den meisten übrigen Muschelthieren (Fig. 81. p.) ist er kiel- oder beilförmig gestaltet und dient zum Kriechen. Eine höhere Entwicklung erhält dieses Organ jedoch erst bei den Ga steropoden, wo es in der Regel zu einer platten, flei- schigen Sohle gestaltet ist, und längs der ganzen Bauchseite sich aus- dehnt. Seine abwechselnden Contractionen und Expansionen bewirken eine langsame Ortsbewegung (Kriechen) und nur bei grösserer seitlicher Ausdehnung wird der Fuss flossenähnlich und fungirt als Ruder beim Schwimmen, eine Umbildung, die in der Familie der Rulliden zu beo- bachten ist***). Es dürfen derartige Modificationen des Fusses nicht mit jenen Flossenbildungen verwechselt werden , wie wir sie am Kopfe der Pteropoden (Fig. 98. p. p.) antreffen, deren Fuss entweder äusserst rudimentär gestaltet, oder doch niemals zu einem selbständig bei der Be- wegung functionirenden Organe entfaltet ist****). Auch der senkrecht am Bauche der Heteropoden stehenden Flosse muss hier gedacht wer- *) Die Owen'sche Angabe von einem völligen Geschlossensein dieses in der Achse der Arme liegenden Flüssigkeitsbehälters harmonirt nicht gut mit der Art und Weise, wie die Bewegung der Arme abgeleitet ist. **) Der Fuss der Bohrmuscheln besitzt ausser seiner eigenthümlichen Form, zu welcher die Klaffmuscheln (Mya, Solen u. a.) Uebergänge bilden, noch eine beson- dere Einrichtung, indem seiner Oberfläche feste Kieseltheilchen eingebettet sind, die wie die Zähne einer Feile auf die Bohrfläche einwirken, und die destructive Thä- tigkeit dieses Theils viel leichter erklären, als die Annahme einer vom Fusse abge- sonderten ätzenden Flüssigkeit, oder einer Vermittlung der durch das Flimmerepithel erregten Wasserströme. ***) Am ausgebildetsten sind diese ventralen durch seitliche Verbreiterung des Fusses gebildeten Flossen bei Gaster opteron. ****) Der Fuss der Pte r op od e n erscheint entweder nur als ein kurzer, zipfel- förmiger Anhang an der Bauchseite meist am Kopfe (Creseis), oder stellt ein breites, hufeisenförmiges Organ vor (Pneumodermon), oder erscheint als eine seitlich mit dem Kopflappen verwachsene Lamelle (Hyulea). — Eine ähnliche Umbildung des Fusses zu einem dreilappigen kurzen Forlsatze besitzt unter den G a s t er o pod en Denta- lium, welche Gattung auch in ihrer Entwicklung mehrfache Anschlüsse an die Pte- ropoden aufweist. — Musculatur und Bewegungsorgane. 305 den , indem sie sich gleichfalls als ein modificirter Fuss erkennen lässt, der zugleich den höchsten Grad der Selbständigkeit erreicht hat. Von den übrigen Körperlheilen ist bei den schalentragenden Gaste ropo- den, wie auch bei Pteropoden vorzüglich der Mantelrand mit mus- culösen Elementen ausgestattet und zeigt sich beträchtlich contractu. In der Classe der Cephalopoden ist vorzüglich die den Armen angehörige Musculatur sehr ausgebildet und in viele gesonderte Bündel getheilt, von denen ein Theil am knorpeligen Schädelrudimente seinen Ursprung nimmt. Am Mantel ist vorzüglich um den Eingang der Man- telhöhle eine mächtige Muskelschichte entwickelt , welche für das Aus- stossen des Wassers aus jener Höhle von Bedeutung ist. Als das dem Fusse der übrigen Mollusken analoge, aber sehr modificirte Organ ist der sogenannte Trichter (vergl. Fig. 105. i.) zu betrachten. Es ist ein auf der Bauchseite des Thieres, dicht unter dem Kopfe liegendes Gebilde, welches bei Nautilus aus einem einfachen, an den Bändern freien Lappen besteht, der, indem er sich zusammenschlägt, eine trichterähnliche Bohre darstellt, als welche das gleiche Organ bei den übrigen Cephalopo- den beständig erscheint. Man kann sich den Trichter der Dibran- chiaten aus einem Verwachsen des Bauchlappens von Nautilus hervor- gegangen denken*), sowie sich vom Nautilus aus die Homologie mit dem Fusse der Cephalophoren darthun lässt (vergl. Fig. 97. A. B. p.). Die weitere Oeffnung des Trichters geht in die Mantelhöhle, und häufig wird in letzterer der ganze untere Abschnitt jenes Organes geborgen. Die vordere engere Oeffnung ist nach aussen gerichtet. Die Wände des Trich- ters sind bedeutend musculös . mit vorwiegend circulären Schichten. Auch in dieser Modifikation als Trichter ist der Fuss der Cephalopo- den noch bei der Ortsbewegung wesentlich betheiligt, indem das aus der Mantelhöhle durch Contraction des Mantels und engen Anschlnss des Mantelrandes an die Oberfläche des Trichters durch letzteren hindurch- strömende Wasser nochmals durch die Trichterwandung stossweise aus- getrieben wird und das Thier bei einem jeden Contractionsacte dadurch nach rückwärts bewegt. Ausser dieser Art der Locomotion kommen auch noch kriechende Bewegungen vor, welche durch die Arme der Thiere vermittelt werden. Doch ist die durch Mantelhöhle und Trichter erzeugte Ortsbewegung immer als die typische der Cephalopoden anzusehen**). *) In der That entwickelt sich der Trichter der Dibranchiaten aus einer flach ausgebreiteten Lamelle. **) Was die Morphologie des Fusses der Mollusken angeht, so glaube ich für die Begriffsbestimmung dieses Theiles an der relativen Lage desselben festhalten zu müssen, wobei denn alle anderen fremdartigen Bildungen, wenn sie auch mit dem Fusse zum Theile verwachsen scheinen, sich leicht ausschliessen lassen. So z. B. die Kopflappen mancher Pteropoden, (Hyaleaceen und Cymbulieen). Auch die sogenannten Arme der Brachiopoden lassen sich dann nicht mehr als Homologa eines Fusses ansehen, wenn man letzteren als ein an der Bauchseite des Gegenbaur, vergl. Anatomie 20 306 Mollusken. Als besondere, nicht auf die Fussbildung reducirbare Locomotions- werkzeuge der Mollusken sind die bereits mehrfach erwähnten Flos- sen der Pteropoden anzuführen. Es sind hautartige, musculöse Aus- breitungen, die entweder am Kopfe dicht über dem Munde ihren Ur- sprung haben und bald mit dem Fusse sich vereinigen (Hyaleaceen), bald auch noch unter einander zu einem scheibenförmigen Organe ver- bunden sind (Cymbulieen), oder bei deutlicher geschiedenem Kopfe seitlich am Halse stehen Glioideen). Zwei solche symmetrisch zu bei- den Seiten des Körpers angeordnete Flossen besitzen auch die zehnarmi- gen Cephalopoden, wo sie in Form eines nur schmalen Hautsaumes die Seitenränder des Körpers umgeben , oder auch als stärker ausgezo- gene dreieckige Lappen dem sogenannten Hintertheile des Körpers ange- fügt sind*). Thieres entwickeltes , stets unter der Mundöffnung gelegenes Organ festgestellt hat. Was sich über dem Munde oder seitlich von ihm findet, muss als anderen Organrei- hen angehörig betrachtet werden. Will man den Begriff auf alle vom Hautmuskel- schlauche ausgehenden, eigenthümlichen Bildungen ausdehnen, so gewinnt vielleicht die Reihe der als Fussmodificationen angesehenen Organe an Mannichfaltigkeit ; al- lein sie verliert ebenso an Festigkeit der Basis, und die Deutung wird eine willkür- liche. Von der Beständigkeit der Lage des Fusses ausgehend, muss auch die Be- stimmung der übrigen Körperpartien und ihre Vergleichung mit anderen homologen vorgenommen werden. Dadurch werden selbst schwieriger verständliche Form- verhältnisse klar, und es lässt sich in ihnen der einer ganzen Thiergruppe zu Grunde liegende Plan wiedererkennen. Nehmen wir bei einer Vergleichung des Cepha- 1 o p o d e n körpers mit dem der andern Mollusken den Fuss zum Ausgangspuncte, so ergibt sich der Kopf dieser Thiere als Vordertheil des gesammten Körpers, wo- bei sich zugleich der übrige, vom Mantel umschlossene Körper der Cephalopo- den als Rücken herausstellt. Man muss sich bei dieser Auffassung das Thier so gestellt denken, dass es mit dem Trichter nach unten, mit dem sogenannten Hinter- theile des Körpers nach oben, und mit dem Kopfe nach vorne gerichtet ist. Die ge- wöhnlich als Bauchfläche bezeichnete Seite ist nur die Hinterseite des Rückens, und die sonst als Rücken bezeichnete stellt nur die vordere Fläche desselben vor. Bei den Pteropoden gilt ganz dasselbe. Die Homologien der äusseren Körperform dieser Thiere sind mit jenen der Cephalopoden ganz überraschend (vergl. das schema- tische Diagramm Fig. 97. A. B.p.). Es stimmt damit auch die Lage der Mantel- oder Kiemenhöhle überein. Wir können somit die Körperform der Cephalopo- den und Pteropoden mit der rudimentären Bildung des Fusses und der be- trächtlichen Entwicklung des dorsalen Körpertheiles in Einklang bringen. (Vergl. auch hierüber R. Leuckart, über die Morphologie und die Verwandtschaftsver- hältnisse u. s. w. pag. 156.) Denken wir uns den trichterartigen Fuss eines Pneu- modermon oder den Trichter eines Octopus in eine fleischige, langgestreckte Sohle verwandelt, so wird der übrige, sie überJagernde Körper, der bei jenen Thieren in die Länge ausgedehnt ist, entsprechend flach erscheinen und dann die Rückenfläche des Thieres darstellen. Der Eingang in die Mantelhöhle des Octopus drehte sich hinten auf dem Rücken, sowie er auch in denselben Beziehungen bei den mit einer Kiemenhöhle versehenen Pteropoden sich findet. *) In der bilateralen Flossenbildung kann man von den Pteropod en aus zu den Cephalopo den eine continuirliche Reihe erkennen, in welcher die Flossen vom Kopfe abwärts immer weiter an den Körper nach hinten rücken, doch möchte ich die eigentlichen Kopfflossen der Pteropoden, wie sie bei Hyaleaceen sich finden und die seitlich am Halse stehenden der Pneumoderme n aus einander Musculatur und Bewegungsorgane. 307 Von inneren, nicht mit demlntegumente in enger Beziehung stehen- den Muskeln verdienen folgende hervorgehoben zu werden : Bei den Mu- schelthieren vorzüglich die Schliessmuskeln , quer oder schräg durch den Körper ziehende, von einer Schale zur andern tretende Muskelbün- del, die bei den Lamellibranchiaten entweder zwei weit von ein- ander liegende Muskeln (der eine davon liegt vorne, Fig. 81 . ma., der andere hinten, mp.) vorstellen, oder sich einander nähern und dann sogar zu einer einzigen Muskelmasse zusammentreten können, wel- che dann die Mitte der Schale einnimmt*). Com- plicirter sind die Schliessmuskeln bei den Bra- chiopoden, bei denen der Körper durch eine grössere Zahl getrennter Bündel in meist schrägem Verlaufe durchsetzt wird (vergl. Fig. 76.). Unter den übrigen Mollusken bestehen hierfür keine Homologa. Bückziehmuskeln des Körpers sind da ausgebildet, wo ein einfaches Gehäuse besteht. Sie sind schon bei den Bryozoen sehr entwickelt und werden hier durch ein Bündel einzelner, im Grunde des Gehäuses entspringender Fasern dargestellt, welche gerade zum Vordertheile em- porsteigen, um sich theilvveise am Darmcanale, theil weise an der Tenta- kelbasis, theilweise auch an dem vordersten , einstülpbaren Theile des Gehäuses zu befestigen (Fig. 87. Ä. m. r.). Sie ziehen die Tentakel und mit diesen den vorderen Körpertheil nach innen. Das Analogon dieses Betractors scheint bei Tunicaten und Bra&hiopoden zu fehlen, und bei den Lamellibranchiaten wird das Einziehen der hervorgestreck- ten Körpertheile vorzüglich durch die Hautmusculatur zu Stande ge- bracht. Dagegen ist bei allen schalentragenden Cephalop hören ein solcher Bückziehmuskel zu finden. Er entspringt immer im Grunde des Gehäuses und begibt sich, an Volumen zunehmend, an die vorderen Kör- pertheile, bei den Pteropoden in die Kopflappen ausstrahlend, bei Gasteropoden Kopf und Fuss versorgend. Ergibt auch besondere Fig. 76. Musculatur von Ter ebratul a. a, b. Die beiden Schalenhälften, c. Das Armgerüste, d. Der Stiel, e. f. g. h. Musculatur zum Oeffnen und Schliessen der Schale (nach Owen). halten, und nur letztere mit den Flossen der Cephalopoden morphologisch ver- glichen wissen. *) Man hat die Muschelthiere nach dem Besitze eines einfachen oder doppelten Schliessmuskels zu unterscheiden gesucht [Monomyaria, Dimyaria). Da jedoch zwi- schen beiden Formen durch Annäherung der Muskeln Uebergänge sich finden, so ist eine solche Trennung unzulässig geworden. Nur einen einzigen Schliessmuskel be- sitzen die Austern, die Hammermuscheln u. a. Ein eigentümliches Verhalten zeigt der Schliessmuskel bei der Gattung Anomia, bei welcher die eine flache, am Boden festsitzende Schale eine Oeffnung besitzt, durch welche ein Theil des Schliess- muskels tritt und dem Thiere zur Befestigung dient. 20* " 308 Mollusken. Bündel an andere hervorstreckbare Theile, so an die Tentakeln, an das Begattungsorgan und auch an den Pharynx ab. Da er von der Spindel des Gehäuses entspringt und auch in seinem Verlaufe ihr anliegt, so wurde er als M. columellaris bezeichnet. Auch bei den Heteropo- den ist er entwickelt, selbst da, wo die Gehäusebildung zurückgetreten ist {Garinaria) , oder wo sie vollständig fehlt {Pterotrachea) . Er hat hier seine vorzügliche Endausbreitung in dem flossenartigen Fusse und bewirkt die Anziehung desselben an den Körper. Die Modifikation des Fusses zu einem Trichter lässt bei den Ce- phalopoden die dem Bückziehmuskel der Cephalophoren analoge Muskelpartie in anderer Weise verlaufen. Es entspringt bei Nautilus eine sehr mächtige Muskelmasse von den seitlichen Theilen des Kopf- knorpels und begibt sich, nach abwärts steigend, zur Schale. Auch die mit einer inneren Schale versehenen Cephalopoden besitzen diese Muskeln , die hier an jeder Seite des Kopfknorpels entspringen und an die häutige Schalenhülle sich anfügen. Sie sind jedoch gegen die übri- gen , im Bücken gelagerten Muskel massen nur unbeträchtlich , und dies in um so grösserem Maasse, je geringer die Schale ausgebildet ist. §■ 33. Organe der Empfindung. a) Yom Nervensystem. Die Anordnung des Nervensystems der Mollusken geht aus dem- selben Plane hervor, den wir bei Würmern und Gliederthieren auftre- ten und nach verschiedenen Bichtungen sich entwickeln sahen. Ein auf dem Schlünde liegender Gentraltheil , aus einer verschiedenen Anzahl von Ganglien zusammengesetzt, bildet die Hauptmasse und kann einem Gehirne analog angesehen werden. Wie in den oben genannten Thier- abtheilungen, geht auch hier ein den Schlund umfassender Nervenstrang von den Centraltheilen aus und bildet einen Schlundring, in welchem sich unten noch Ganglienmassen einlagern. Der Bückenknoten ist an- fänglich einziges Centralorgan. Erst mit einer höheren Organisation er- scheinen deren mehrere, und es tritt alsdann die untere Schlundgang- lienmasse mit Beständigkeit auf. Sie ist aequivalent dem Bauchmarke der Bingelwürmer und Arthropoden. Der so gebildete typische Schlundring erleidet eine Beihe von Modificationen , die sich vorzüglich in der wechselnden Lagerung der Ganglien, sowie in einer ferneren Dif- ferenzirung dieser Theile kund geben. Es können die Ganglien in ihrer Masse bald oben oder unten, bald auch mehr seitlich präponderiren. So können die unteren zur Seite rücken und sowohl unter sich als auch mit den oberen durch lange Commissuren verbunden sein ; oder sie können sich mit den oberen so gruppiren, dass eine untere Schlundmasse zu fehlen scheint und nur ein einziger Commissurstrang den Schlundring vervollständigt. Hiermit steht auch der Umstand in Verbindung , dass Nervensystem. 309 die Nerven für gewisse Sinnesorgane eine so verschiedene Ursprungs- stelle zeigen und bald von den oberen, bald von den unteren Ganglien- massen hervorgehen. Die wechselnde Lagerung der Ganglien , die fast an allen Theilen des Schlundringes statthaben kann, lehrt zugleich, dass die Annahme eines absoluten Mangels einzelner Abschnitte des Ganglien- systemes eine ungerechtfertigte ist, so dass wir also da, wo z. B. nur ein einziges Ganglion oben oder unten an einem Schlundringe vorkommt, dasselbe nicht blos einem oberen oder blos einem unteren Schlundgang- lion aequivalent ansehen dürfen , sondern es muss solches als der gan- zen Summe von Ganglien , die in entwickelteren Verhältnissen am Schlundringe sich finden, homolog betrachtet werden. Das peripherische Nervensystem geht aus den Centraltheilen des Schlundringes hervor und vertheilt sich an den Körper, ohne fernere Ganglienbildungen einzugehen. Dagegen stehen mit den oberen Schlund- ganglien (seltener mit den unteren) noch eine Anzahl anderer Ganglien durch verschieden lange Commissuren in Verbindung , die wir sammt den von ihnen ausgehenden Nerven als ein sympathisches oder Einge- weidenervensystem ansehen. In der allgemeinen Anlage entspricht das- selbe jenem bei den Arthropoden gefundenen und zerfällt wie dieses in einen vorderen und hinteren Abschnitt. — In den einzelnen Classen der Mollusken finden wir die Einrich- tung des Nervensystems in folgender Weise : Man kann die Bryozoen als jene Abtheilung ansehen, die auch be- züglich des Nervensystems auf der niedrigsten Stufe steht, jener analog, die wir bei den Räderthieren unter den Arthropoden sahen. Es liegt ein einfacher Ganglienknoten zwischen Mund und Analöffnung und sendet ausser starken Aesten an die Tentakel noch zwei Nerven um den Oesophagus , die also einen Schlundring zu Stande bringen. Doch wird dieses letzte Verhalten von mehreren Forschern in Abrede gestellt*). In engem Anschlüsse mit der vorigen Bildung steht das Nervensy- stem der Tunicaten , unter denen die A seidien in einem zwischen der Eingangs- und Auswurfsöffnung des Körpers gelagerten Ganglion das unzweifelhafte Homologon zu dem Ganglion der Bryozoen besitzen. Ein Paar zarter Nervenstämmchen umfasst schleifenförmig die Eingangs- öffnung und muss der Schlundringcommissur der übrigen Mollusken analog erachtet werden. Bei den andern Tunicaten (Salpen, Doliolum) liegt das Nervencentrum auf dem Rücken desThieres und ist durch seine Grösse ausgezeichnet. Ungeachtet dieser scheinbar abweichenden Lage *) Während van Beneden die Existenz eines vollständigen Schlundringes (bei Alcyonella) vertritt, wird ein solcher von Allman geläugnet. Dumortier gibt dagegen für alle Bryozoen auch noch ein unteres Schlundganglion an, dessen Vorhandensein jedoch wenig wahrscheinlich ist. — ■ Bemerkenswerth ist noch, dass bei Vorhandensein eines Lophophors (seitlicher, den Mund umgebender Lappen, auf denen die Tentakeln stehen) die zu den Tentakeln gehenden Nerven eine Strecke weit in zwei starken Stämmen vereinigt sind. 310 Mollusken . lässt es sich doch auf jenes der As ci dien zurückführen, wenn wir da- bei die Veränderung der Gestalt des Körpers in Anschlag bringen. Denken wir uns den bei A sei dien zwischen Eingangs- und Auswurfs- öffnung befindlichen Raum so vergrössert, dass beide Oeffnungen die Enden des nunmehr cylindrischen Körpers einnehmen, so wird das Ganglion die nämliche Lage wie bei den Salpen erhalten*). Die peri- pherischen Nerven strahlen in symmetrischer Anordnung vom Central- organe aus und finden ihre Verbreitung vorzüglich im Mantel und den Muskel reifen. Ueber die Verhältnisse des Nervensystems der Brachiopod en sind genauere Thatsachen nur in unzulänglicher Weise bekannt. Doch scheint auch den Brachiopoden ein den Schlund umgebender Nerven- ring zuzukommen , wie aus den vor dem Oesophagus und über dem Oe- sophagus gefundenen Ganglien zu schliessen ist. Bei den Lamellibranchiaten**) finden wir eine relativ geringe Entwicklung der oberen Schlundgang- lien , was sich aus der geringen Ent- faltung des Kopftheiles und dem Mangel damit verbundener Sinnesorgane er- klärt. Es tritt das obere , meist dicht über der Mundöffnung gelegene Gang- lienpaar, sehr häufig so zur Seite, dass zwischen ihm eine längere Commissur besteht, Fig. 77. B. a. (Dies ist z. B. der Fall bei Lucina, Panopaea, Pholas, Anodonta, Unio, Mytilus, Area, Cardium u. a.) Die unteren Schlundganglien (b) haben den Verbreitungsbezirk ihrer Ner- ven in dem Bauchtheile des Körpers und hier speciell im Fusse , so dass sie auch als Fussganglien {ganglia pedalia) be- zeichnet werden dürfen. Sie lagern an der Basis des Fusses, zuweilen Fig. 77. Nervensystem der Lamellibranchiaten. A. von Jesedo, B. von Anodonta, C. von Pecten. a. Obere Schlundganglien (Gehirnganglien), b. Untere Schlundsanglien. c. Kiemen- oder Eingeweideganglien. *) Bei denPyrosomen hat das Nervensystem dieselbe Lagerung wie bei den übrigen A sei di en. Sehr abweichend dagegen findet es sich bei den Appendi - cularien, indem es hier an jener Fläche des Körpers liegt, welche der die After- öffnung tragenden gegenüber steht. Doch geht von dem Ganglion ein vollständiger Nervenring um die Eingangsöffnung des Körpers. — **) Für die Kenntniss des Nervensystems der Lamellibranchiaten ist vor- züglich wichtig die Schrift vonDuvernoy, Memoires sur le Systeme nerveux des mollusques acephales (Exlrait du tome XXIV. des memoires de l'Acaddmie des sciences) Paris 1853. Nervensystem. 311 auch tiefer in ihn eingebettet, woraus hervorgeht, dass ihre Bezie- hungen zum Schlünde nur höchst oberflächlich sind , und es bei den übrigen Mollusken eigentlich nur die dem Schlünde benachbarte Lage des Fusses ist, wodurch jene Ganglien unter die Speiseröhre zu liegen kommen. Je nach der Entwicklung des Fusses und der Entfernung des- selben vom vorderen Theile des Körpers sind die Commissurstränge von verschiedener Länge. Bei wenig ausgebildetem Fusse , oder wenn der- selbe sehr weit nach vorne gerückt ist, können obere und untere Schlund- ganglien einander beträchtlich genähert sein (bei Solen, Mactra). Es kann sogar eine Aneinanderlagerung stattfinden, wie dies bei Pecten sich trifft (Fig. 77. C), wo dann die durch eine weitgespannte Bogencommis- sur verbundenen oberen Ganglien (a) die kleineren Fussganglien zwi- schen sich nehmen. Die Ausbildung der Fussganglien hängt von der Entwicklung des Fusses ab. Sie sind in der Regel innig mit einander verbunden, jedoch so, dass sie noch deutlich als ein discretes Paar zu erkennen sind. Die peripherischenNerven der oberen Schlund- oder Ge- hirnganglien haben ihre vorzüglicheVerbreitung in den dem Munde zunächst gelegenen Körpertheilen und senden auch Aeste zum Mantel. Bei einigen sind diese Mantelnerven (Fig. 81 . t.) als zwei starke Stämme erscheinend, die dann am Rande des Mantels mit anderen , dem Eingeweidenerven- systeme angehörigen Aesten sich verbinden und entweder einen einfa- chen stärkeren Randnerven, oder ein förmliches Nervengeflechte darstel- len helfen. Ausser diesen kommen noch zwTei . meist sehr ansehnliche Nervenstämme aus den Gehirnganglien hervor und verlaufen gerade nach hinten zu einem grösseren Ganglion , welches wir dem Eingeweidener- vensysteme angehörig betrachten. Das Nervensystem der Cephalop hören ist von jenem der vorigen Abtheilung vorzüglich durch die grössere Ausbildung der Gehirnganglien ausgezeichnet. Es ist nicht allein eine grössere Anzahl einzelner Gang- lien wahrzunehmen , sondern auch eine innigere Verbindung derselben unter einander, wodurch ein höherer Gentralisationsgrad ausgedrückt ist. Es steht diese Erscheinung in Zusammenhang mit dem Ausbil- dungsgrade der Sinneswerkzeuge. Ein Fehlen der oberen Schlundganglien oder, wie wir dieses Verhältniss besser deuten, eine Vereinigung dersel- ben mit den unteren unterhalb des Schlundes, so dass nur eine einfache Commissurschlinge über den Oesophagus hinweg läuft, ergibt sich bei den schalentragenden Pteropoden und erinnert an jene Bildung, die bei Lam ellibranchiaten gesehen ward. Es gehen von den Gang- lienmassen starke Nerven theils zu den Flossen , theils seitlich an den Mantel, sowie auch einige weniger bedeutende Fäden nach rückwärts an die Eingeweide zu verlaufen scheinen*). Wenn wir diese Form als eine extreme Bildung ansehen , so finden wir das andere Extrem bei vie- *) An diese mit dem Mangel von Fühlerbildungen verbundene Form des Ner- vensystems schliesst sich auch Chiton an, bei welchem eine grössere Masse von Ganglien unter dem Schlünde vereinigt ist. — 312 Mollusken. len Abranchiaten und Gymno- branchiaten repräsentirt , indem sämmtliche Ganglien des Schlundrings zu einer oberen Masse vereinigt sind und eine blosse Commissur den Schlund oder den Oesophagus umfasst (Fig. 78. B. Fig. 79.). Durch die Ablösung ein- zelner Ganglien, die den von ihnen ent- springenden Nerven zufolge entweder der oberen oder der unteren Abtheilung zugehörig betrachtet werden müssen, kommt eine andere Form des Nerven- schlundrings zu Stande. Es rücken ein- zelne Ganglien von oben nach den Sei- ten, wofür die nackten Pteropoden Beispiele liefern ; oder es kann auch durch Verkürzung der Commissur eine solche Annäherung der Ganglien statt- finden , dass der ganze Nervenring aus dicht neben einander liegenden Ganglien besteht (viele Abranchiaten). Aus dieser durch eine Reihe bestimmter Organisationseinrichtungen anderer Theile erklärbaren Mannichfaltigkeit scheidet sich die Form des Nervensystemes präciser bei der grössten Mehrzahl der Gephalopho- ren ab und bei Pleurobranchiaten, G tenobran chiaten, Pul- monaten (Fig. 78. A.) und Heteropoden trifft man die Central- theile des Schlundringes in zwei durch Commissuren verbundene Mas- sen gruppirt, die jenen, von denen wir ausgingen, entsprechend sind. Am voll- kommensten erscheinen die Gehirn- ganglien der Heteropoden entwickelt, an denen vorzüglich drei paarige Gang- lienmassen unterschieden sind. Die un- teren Ganglienmassen sind durch sehr lange Nervenstränge mit den oberen verbunden und liegen dicht an der Ba- sis des flossenartigen Fusses, so dass der Schlundring durch die Länge der Commissuren eine bedeutende Weite er- Fig. 78. Nervenschlundring von Cephalophoren. A. von He lix, B. von Reolida, C. von Pneumodernion. a. Obere Schlundganglien. 6. Untere Schlund- ganglien, c. Accessorische untere Schlundganglien, d. Eingeweideganglien, t. Ten- takelnerven, n. Fussnerven. Fig. 79. Centralnervensystem von Fiona atlantica. A. Obere oder Gehirn-, B. untere oder Fussganglien. C. D. Eingeweideganglien, a. Sehnerve. 6. Tentakel- nerven, c. Nerve zu den Geschlechtsorganen, d. Fussnerven. e. e '. Commissuren (nach R. Bergh). Fig. 79. Nervensystem. 313 hält. Es geht hieraus das schon bei den Muschelthieren erwähnte Ver- Fia hältniss der unteren Ganglienmassen zum Fusse aufs deutlichste hervor. Nicht selten kommt ein mehrfacher Schlundring zu Stande , indem aus- ser und vor den vorhin erwähnten Commissuren häufig noch ein kürze- rer Nervenring die Speiseröhre umfasst (Fig. 79. e .). — Die peripheri- schen Nerven theilen sich wieder, gleich jenen der Lamellibran chia- ten in solche, die, nur Verbindungsstränge darstellend, zu Centralorga- nen des Eingeweidenervensystemes gehen, und andere, die ihre Verbrei- tungsbezirke zunächst in gewissen Körpertheilen besitzen. Die von den Gehirnganglien abgesendeten Nerven sind vorzugsweise den Sinnesorga- nen bestimmt, und es lassen sich vor Allem solche für die Fühler unter- scheiden (Fig. 81. a.), welche gar nicht selten innerhalb der Fühler eine Ganglienbildung eingehen (Fig. 78. t.). Auch für Seh- und Hörwerk- zeuge treten Nerven ab, soferne die Organe nicht direct den Nervencen- tren angelagert sind. Die unteren Ganglien versorgen, wie bereits oben bemerkt, analog den Gcmglia pedalia der Lamellibranchiaten, den Fuss, der bei vollständiger Ausbildung zwei starke Stämme empfängt. Ausserdem gehen noch Zweige an die übrigen Theile des Hautmuskel- schlauches. In gewissen Fällen ist auch das Gehörorgan mit den unteren Ganglien verbun- den. Die beträchtlichste Centralisation des Ner- vensystems unter allen Mollusken besitzen die Gephalopoden. Es spricht sich dies vor Allem in der Bildung des der Commissuren fast vollständig entbehrenden Schlundringes aus. DieGesammtmasse des Schlundringes wird zum grössten Theil von der knorpeligen Schädelkap- sel aufgenommen, so dass nur der vordere und untere Theil davon unbedeckt bleibt und statt dessen eine besondere Membran als Hülle be- besitzt. Die obere Partie des Schlundringes ist die minder beträchtliche. Sie wird entweder durch ein quer liegendes Doppelganglion dar- gestellt (Nautilus, Fig. 80. a. a.) , oder durch mehrere kleine, hinter einander liegende Gang- lien (Octopoden) , oder durch eine einfache runde Ganglienmasse (Sepia). Dieser Theil setzt sich, nur eine kleine, zum Durchtritt der Speiseröhre dienende Oeffnung umfassend, seitlich in den unteren, be- trächtlich grösseren fort, an welchem immer mehrere Ganglienpartien, Fig. 80. Nervensystem von Nautilus pompilius. a. Obere, b. c. untere Ganglienpartien, d. Eingeweideganglien, m. Mantelnerven, t. t'. Tentakelnerven (nach Owen). 314 Mollusken. weniger oder mehr mit einander verbunden, erkennbar sind*). Am auffallendsten erscheint dies bei Nautilus, wo man vier grössere ringför- mig unter einander verbundene Ganglienmassen deutlich wahrnehmen kann. Wie die relative Kleinheit des oberen Ganglions schon andeutet, ist auch seine Bedeutung für das peripherische Nervensystem eine unterge- ordnete, indem nur wenige Nerven aus ihm hervorgehen. Von der un- teren Partie entspringen dagegen zahlreiche Stämme und zwar von vorne die Armnerven**) , sowie kleinere, in die umliegenden Muskeln einge- hende. Von der Seite gehen die Nerven für die Seh- und Gehörwerk- zeuge ab , sowie auch die Geruchsnerven daselbst ihren Ursprung be- sitzen. Die hintere Abtheilung entsendet Stämme zum Trichter , sowie zu benachbarten Muskeln, und endlich Nerven, die für den Mantel be- stimmt sind und entweder als zahlreiche feine , dicht neben einander entspringende Fädchen abgehen (Fig. 80. m.), (Nautilus), oder in Form zweier starker Stämme divergirend in je eine Hälfte des Mantels verlau- fen (Dibranchiaten). Es bilden die beiden Stämme der Mantelner- ven jederseits ein beträchtlich grosses , dem Rückentheile des Mantels eingelagertes Ganglion [Ganglion stellatum), von welchem nach allen Sei- ten feine Fädchen in den Mantel ausstrahlen. Ausserdem entspringen noch kürzere oder längere Nervenstämme von den Centralmassen, die eine Verbindung mit den Ganglien des Eingeweidenervensystems ver- mitteln ***) . Von einem Eingeweidenervensystem ist bei den Bryozoen noch keine Spur erkannt, und auch bei den Tunicaten sind nur ein- zelne unbestimmte Angaben darüber vorhanden. Erst bei den Lamel- libranchiaten erscheint ein solches und zwar in sehr ausgesproche- ner Weise, und diesen reihen sich dann oh..e bedeutende Modificationen die übrigen Mollusken an. Wie bei den Gliederthieren , zum Theile schon bei den Würmern erkannt ward, ist auch hier ein zweifacher Ab- schnitt des Eingeweidenervensystems vorhanden , nämlich ein vorderer, dessen Verbreitungsbezirk sich vorzüglich auf die Mundorgane und den Anfangstheil des Darmcanales beschränkt; dann ein hinterer, der den übrigen Theil des Nahrungscanales, die Geschlechts-, Circulations- und *) Bei dieser Bildung muss einer ähnlichen, einigen Cephalop hören zukom- menden gedacht werden ; es besteht nämlich die untere Ganglienmasse von Pneu- modermon u. a. gleichfalls aus einer grösseren Anzahl von ringförmig zusammenge- geschlossenen Ganglien (vergl. Fig. 78. c.)'. **) Es stehen die Armnerven nach ihrem Eintritt in die Basis der Arme durch Quercommissuren unter einander in Verbindung und theilen sich an jedem Arme in mehrere Stränge, von denen einer eine Reihe ganglionärer Anschwellungen bildet, welche an die bei C eph aloph ore n getroffene Ganglienanschwellung der Tenta- kelnerven erinnern. ***) Vergl. über das Nervensystem der Cephalopoden A. Hancock, Ann. ofnat. hist. 2. Ser. X, 1852 (von Ommastrephes todarus). Nervensystem . 315 Athmungswerkzeuge mit Nerven versorgt. Beide Abschnitte können mit einander vorkommen ; doch ist der hintere am meisten verbreitet. Sie haben ihre Wurzeln im Schlundringe , entweder in den oberen oder in den unteren Ganglien. Die Centralorgane des Eingeweidenervensystems werden durch verschieden grosse , den betreffenden Theilen angelagerte Ganglien gebildet, die entweder paarig oder unpaarig sind und in letzte- rem Falle aus zweien verschmolzen gedacht werden müssen. Der vordere, die Schlundtheile versorgende Abschnitt des sympa- thischen Systems ist bei den Lamellibranchiaten nur durch wenige Nervenfädchen vertreten. Um so entwickelter ist der hintere Theil, des- sen centrale Partie von dem grössten Ganglion des gesammten Nerven- systems dargestellt wird. Es ist dies der, dem hinteren Schliessmuskel angelagerte Nervenknoten (Fig. 77. c, Fig. 81. c), der durch lange und starke Commissuren mit den Gebirnganglien in Verbindung steht. Die- ser Umstand , sowie die beträchtliche Grösse des Ganglions hat manche Zootomen veranlasst , es dem animalen Systeme einzureihen , während doch gerade die besagte Verbindung, sowie seine Lage es als Homologon eines bei den Cephalophoren unzweifelhaft dem Eingeweidenerven- system angehörigen Ganglions erscheinen lässt. Das Ueberwiegen an Grösse über die anderen Ganglien kann hierbei nur ein unwesentlicher Umstand sein , welcher der beträchtlichen Entwicklung der zu versor- genden Theile parallel läuft. Man kann an diesem Ganglion zwei durch kurze Commissuren verbundene Hälften erkennen, die sich verschieden nahe rücken und zuletzt einen einfachen viereckigen Knoten vorstellen, je nachdem auch die beiderseitigen Kiemen dieser Thiere frei oder mit einander verwachsen sind. Es geht schon aus diesem Umstände die Be- ziehung dieses Ganglions zu den Kiemen hervor; noch deutlicher wird sie aber durch die starken, aus jenen hervortretenden und die Kiemen versorgenden Nervenstämme. Diese Verhältnisse begründen seine Be- zeichnung als Ganglion branchiale. Ausser Zweigen zu den benach- barten Partien des Mantels gibt es noch zwei starke Nerven ab, die bei vielen Lamellibranchiaten an den Mantelrand verlaufen und dort entweder mit den von den Gehirnganglien entgegenkommenden Nerven verschmelzen oder in einePlexusbildung*) übergehen, die sich längs des ganzen Mantelrandes findet. Wo die hinteren Theile des Mantels röh- renförmige Fortsätze (Siphonen) darstellen, treten von dem besagten Ganglion starke Nerven zu jenen ab und verzweigen sich nicht nur auf der ganzen Länge der Athemröhre , sondern gehen auch noch eine be- sondere, an der Basis der Röhre gelegene Ganglienbildung ein (Fig. 81 . d.). *) Ein solches Nervengeflechte ist von Duvernoy am Mantel von Anodonta cygnea nachgewiesen worden. An den Knotenpuncten der Maschen dieses Geflech- tes kommen kleine Ganglien vor, die man wohl gleichfalls dem sympathischen Sy- steme untergeordnet betrachten darf. Aeusserst reichlich sind auch die an die Kie- menbasis tretenden Nervenfädchen bei demselben Thiere vorhanden. 316 Mollusken. Fig. 84. (Solen, Mactra, Mya, Lutraria, Cytherea u. a.). — Weniger bekannt sind die von diesem Ganglion zu den inneren Or- ganen tretenden Nerven. Es sind solche beobachtet bei Pin- na, Anomya, sowie bei Area und Solen, und gehen entwe- der vom Ganglion selbst, oder von dessen Commissursträn- gen ab. Bei den Cephalophoren ist der vordere Abschnitt des sympathischen Nervensystems um Vieles ausgebildeter. Sein Centraltheil wird durch ein bis drei Ganglien dargestellt, die entweder mit dem oberen oder mit dem unteren Schlundganglion in Verbindung stehen und den Pharynx oder die Speicheldrüsen mit Nervenzweigen versorgen. Die Ganglien sind näher oder entfernter vom Schlundringe angebracht und sind häufig auch unter sich wieder in Verbindung, so dass ein kleines Nervengeflechte dargestellt wird, welches sich bald mehr über dem Schlundkopfe, bald mehr unter demselben entwickelt (Fig. 79. C. D.) *). Am wenigsten ausgebildet ist dieser bei den Pteropoden, wo er dem Anscheine nach von dem hinteren Abschnitte ersetzt wird. Der hintere Abschnitt des Eingevveidenervensystemes wird durch ein grösseres Ganglion repräsentirt, welches zwischen der Eingeweidemasse, meist in der Nähe des Herzens und der Athemorgane verborgen liegt (Fig. 88. g. bc.) und mittelst zweier langen Commissuren mit dem Ge- hirnganglion verbunden ist, auf diese Weise dem Ganglion branchiale der Muschelthiere vollkommen homolog. Es versieht, nicht selten doppelt vorkommend, sowohl den Verdauungsapparat und die Geschlechtsorgane, als auch Herz und Athemwerkzeuge mit Aesten und geht durch Hinzu- Fig. 84. Nervensystem von Cytherea Chione. a. Gehirnganglion, b. Fuss- ganglion. c. Eingeweide- oder Kiemenganglien, d. Ganglien der Athemröhren. ma. vorderer, mp. hinterer Schliessmuskel der Schale, p. Fuss. t. Mantelrand, t' . Rand- nerven, br. Kiemen, i. Darmcanal. n. Leber, r. Enddarm, tr, ta. Siphonen (nach Duvernov). *) Es sind Buccalganglien zwar bei einer ziemlichen Anzahl von Gast er o- poden bekannt und namentlich durch Aid er und Hancock von vielen Gyrano- branchiaten beschrieben. Allein zu einer übersichtlichen Darstellung dieses Abschnittes vom Nervensysteme zu einer durchgreifenden Vergleichung ist eine vollständigere Untersuchung in der ganzen Cephalophorenreihe nothwendig, bis jetzt aber noch nicht geleistet worden. Sinnesorgane. 317 kommen einiger kleineren Ganglien nicht selten eine Plexusbildung ein*). Durch die Assymmetrie des Eingeweidesackes erhält der ganze hintere Abschnitt des Eingeweidenervensystems eine meist assymmetrische La- gerung**). Die Cephalopoden zeigen bei der allgemeinen Uebereinstimmung des Planes nicht unbeträchtliche, jedoch eine höhere Ausbildung offen- barende Verschiedenheiten. Der vordere Abschnitt wird aus einem oder zwei oft ansehnlichen Ganglien gebildet , die entweder dicht der oberen Nervenmasse sich anlagern (Octopoden), oder entfernter davon dem Pharynx aufliegend sind und nur durch Nervenstränge mit der oberen Nervenmasse verbunden sind (L ölig inen). Damit steht häufig durch seitliche Commissuren noch ein unteres , aber ziemlich grosses Ganglion in Verbindung, welches auch noch mit der unteren Nervenmasse des Schlundringes communicirt. Von allen diesen Ganglien gehen feine Zweige an die benachbarten Mundtheile, und ein starker, im unteren Pharyngealknoten wurzelnder Nerve läuft, in zwei parallele Stämmchen gespalten , längs des Oesophagus zum Magen , um hier ein ansehnliches Ganglion darzustellen, welches auch noch mit der hinteren Abtheilung des sympathischen Systemes in Verbindung steht. Die von diesem Ma- genganglion ausstrahlenden Nerven verlaufen zum Magen, zum Blind- darm und zur Leber. Den Tetrabranchiaten scheint dieser Ab- schnitt des Nervensystems als gesonderter Theil zu fehlen, indem die be- treffenden Nerven (Fig. 80. d.) direct aus der Ganglienmasse des Schlund- ringes hervorkommen. — Der hintere, ebenso mächtig entwickelte Ab- schnitt entspingt mit ein bis zwei starken Stämmen von der hinteren Peripherie der unteren Schlundringmasse. Diese bilden in der Nähe des Herzens ein Ganglion, von dem zwei starke Zweige an die Kiemenherzen treten, um dort wiederum eine Ganglienbildung einzugehen. Das hier- aus entspringende Nervenstämmchen verläuft unter reichen Verzweigun- gen längs der Kiemenarterie. b) Von den Sinnesorganen. Sowohl die höheren als die niederen Sinneswerkzeuge sind bei den Mollusken in einer Verbreitung zu treffen, welche die in den niederen Thie abtheilungen bei Weitem übertrifft. *) Zwei Eingeweideganglien sind bei den H et eropode n vorhanden. Beiden Abran chiate n, Gym nobranchiaten und Pteropoden sind diese Ganglien dem Schlundringe nahe gerückt und können sogar bis dicht hinter denselben heran- treten, wo sie sich dann mit den unteren Schlundganglien in Verbindung setzen. Dass die erwähnten Ganglien dem hinteren Theile des Eingeweidenervensystems an- gehören, schliesse ich aus den von ihnen abgehenden Nerven, was jedenfalls richti- ger sein dürfte, als die Berücksichtigung der so veränderlichen Länge der Commis- suren. **) Daraus erklärt sich auch die von Leydig bei Paludina beschriebene Kreu- zung der Commissuren des Eingeweideganglions zum Gehirne. 318 Mollusken. Dem Tastsinne vorstehend finden wir tentakel artige Gebilde, welche entweder in der Nähe der Mundöffnung angebracht sind, oder doch am Vordertheile des Körpers stehen. In den oberen Classen sind sie aus- schliesslich dem Kopfe zugetheilt. Bei den Bryozoen sind die kranz- förmig um den Mund gestellten Fortsätze (Fig. 86. br.), die übrigens noch andere, vielleicht noch wichtigere Functionen besitzen, hier anzuführen. Bei den Tunicaten können wohl die an den Körperöffnungen der As- cidien angebrachten Papillen als Organe der Tastempfindung angesehen werden, um so mehr, als die an der Eingangsöffnung stehenden, zuwei- len von beträchtlicher Länge , manchmal sogar in verästelter Form auf- treten. Auch die sogenannten Arme der Brachiopoden, spiralig ein- gerollte und mit feinen Anhängen besetzte Organe*) , die aus der Schale hervorgestreckt werden können , sind hierher zu rechnen. Das Gleiche gilt auch von den steifen, borstenartigen Fortsätzen, die den freien Man- telrand dieser Thiere umsäumen. Aehnliche Mantelanhänge finden sich in viel höherer Ausbildung bei den Lamellibranchiaten, bald im gan- zen Umfange des Bandes, oft in mehreren Beihen angebracht, z. B. Mactra, Lima, Pecten, bald nur auf gewisse Stellen des Mantelrandes beschränkt, wo sie dann vorzüglich die Gegend um den Mund und in der Nähe des Afters besetzt halten. Es zeigen diese Tentakel, namentlich im ersteren Falle, eine beträchtliche Contractilität und werden von dem Bandnerven reichlich mit Fädchen versorgt. Solche Fortsätze zeigt auch der Mantelsaum vieler schalentragenden G ephalophoren. Wir können hierher rechnen die Mantelanhänge der Pteropoden, sowie vieler Gasteropoden , z. B. von Haliotis , Notar chus u. a., oder die Anhänge des Bückenintegumentes der Gymnobranchiaten. Die specifischen, durch die ganze Beihe der Lamellibranchia- ten und Cephalop hören, mit nur wenigen Ausnahmen , angetroffe- nen Tastorgane sind symmetrisch angeordnete, contractile, paarige Fort- *) Die morphologische Bedeutung der Brachiopodenarme ist zwar bis jetzt noch nicht völlig festgestellt; Einige sehen in ihnen das Homologon des Fusses der übrigen Mollusken, so Huxley, Andere (V. Carus, All ma n) erkennen sie für gleichbedeutend mit den Tentakeln der Bryozo en, und es scheint diese letztere Auffassung durch die Thatsachen vollständig gerechtfertigt zu sein. Wenn wir die unzweifelhaft höher entwickelten Formen jener Bryozoen, welche in der Ordnung der Lophopoden begriffen sind (Alcyonella, Cristatella, Plumatella u.a.), zumAus- gangspuncte wählen, so müssen wir in den seitlich am Munde stehenden, die Ten- takel tragenden, armartigen Lappen die Homologa der Brachiopodenarme erken- nen, die nur eine weitere Entwicklungsstufe desselben Planes darstellen. Die Ten- takel der B ryozo en entsprächen dann den fadenförmigen Anhängen der Brachio- podenarme, so dass wir demnach die Brachiopoden einerseits mit den La- mellibranchiaten, andererseits mit den Bryozoen verwandt ansehen. Die eben erwähnten Gebilde der Bryozoen wie Brachiopoden sind auch noch functionell übereinstimmend. Sie dienen theils zur Herbeischaflüng der Nahrung, theils wird durch sie direct oder indirect die Athmung vermittelt. Der sicherste Nachweis über die morphologischen Beziehungen dieser Theile wird erst durch die vergleichende Entwicklungsgeschichte geliefert werden können. Sinnesorgane. 319 Sätze, die am Kopfe oder doch am Vorderkörper des Thieres angebracht sind und deshalb einigermassen mit den Antennen der Würmer und Arthropoden verglichen werden können. Wir finden diese Tentakel zum ersten Male als zwei , die Mundöffnung seitlich überragende Lappen bei den Lame llibranchia ten. Mit der Ausbildung des Kopftheiles bei den Gephalop hören sind diese Tentakel selbständiger entwickelt und kommen hier zu zweien oder zu vieren vor, stets den Rücken oder die Seitentheile des Kopfes einnehmend. Sie sind theils retractil , theils contractu*) (vergl. Fig. 87. 89. 92. 95. Ä.). Eine Familie der Pteropoden — die der Clioideen — zeigt aus- ser den sehr kurzen, retractilen Tentakeln noch andere hier zu betrach- tende Organe. Es sind dies die tentakelförmigen, am Kopfe der Clio- nen um die Mundöffnung stehenden Fortsätze, welche bei einer anderen Gattung (Pneumodermon) durch zwei mit Saugnäpfen besetzte retractile Arme repräsentirt werden und sonst bei den Gephalophoren ohne Homologie sind. Sowohl die grössere Zahl dieser Fortsätze und ihr Ver- halten zum Munde bei der einen Gattung, wie das Vorkommen von Saug- näpfen bei der anderen leitet zu einer Vergleichung mit den Armen der Cephalopoden. Wir erkennen in ihnen sogar homologe Bildungen, wenn wir die morphologische Vergleichung der Arme von Clio mit Ten- takeln deshalb nicht zulässig erachten , weil wirkliche , denen anderer Pteropoden völlig gleiche Tentakel noch ausserhalb des Armkranzes am Kopfe vorhanden sind. Es ist aber ein so exclusives Verfahren nicht nothwendig, indem auch anderen Gephalophoren mehrere Tentakel- paare zukommen und wir demzufolge das hintere Tentakelpaar der Gymnobranchiaten den kurzen Tentakeln der Clioideen, dagegen die vorderen Tentakel der Gymnobranchiaten dem Armkranze der Clioiden für aequivalent erachten können. Es würde dann schon bei den Pteropoden eine Ausbildung dieser vorderen Tentakel eben bei den Clioiden zu treffen sein, eine höhere Organisation aber durch das Hinzutreten von Saugnäpfen bei Pneumodermon. So wäre denn in einer *) Ein Fehlen der Fühler fällt fast immer mit einer rudimentären Kopfhildung zusammen, so z. B. bei Chiton und bei den beschaalten Pteropoden, bei welch letzteren sie nur durch ganz kurze konische Erhebungen dargestellt sind. — Bei man- chen fühlerlosen Heteropoden {Pterotrachea) stellen sie vorübergehende Bildun- gen dar, die im entwickelten Zustande des Thieres schwinden. Vier Tentakel besitzen viele Abranchiaten und Gymnobranchiaten. Auch bei denHelicinen und Lima einen sind meist vier Tentakel vorhanden ; doch fallen zwei davon in eine andere Kategorie. Wir sehen nämlich bei vielen Süsswasserlungenschnecken, dann auch bei G ten obranchia t e n u. s. w., wie die Augen an der Basis der Fühler angebracht sind. Bei anderen rücken sie sogar an die Fühler selbst und stehen auf kurzen, den Fühlern ansitzenden Stielen, welche namentlich bei gewissen Kammkiemern , Murex, Strombus, Pterocera u. a., entwickelt sind. Diese Augenstiele (Omma top hören) können sich auch seihstän- dig verhalten und von der Tentakelbasis abtreten ; so treffen wir sie als besondere, hinter den Tentakeln stehende Gebilde bei den oben erwähnten Lungenschnecken. 320 Mollusken. entfernteren Molluskenordnung das homologe Gebilde der Cephalo- podenarme zu suchen und darin die Entwicklung eines neuen Tast- organtypus zu erkennen, der an die Stelle des einfacheren, fast allen Blattkiemern und Cephalophoren zukommenden getreten ist*). Die Arme der Gephalopoden erscheinen in den beiden Ordnun- gen dieser Classe verschiedenartig entwickelt. So stellen sie bei den Nautilus zahlreiche (bis 38) tentakelartige, retractile Fortsätze in der Nähe des Mundes dar und ausser diesen grösseren kommen noch klei- nere, in vier Büschel vereinigte vor, die als specielle Tastorgane, aus Um- wandlung der Lippenränder hervorgegangen, anzusehen sind. Diese letzteren Taster fehlen den Dibranchia ten. Dagegen' sind die eigent- lichen Arme (Fig. 105. t.) in grösserer Ausbildung und werden, mit Saug- napfreihen oder eigentümlichen krallenartigen Modificationen der Saug- näpfe besetzt, zu acht bis zehn den Kopf umstehend getroffen**). *) Mit den erwähnten Gebilden schliesst sich die Reihe der am Kopfe der Pte- ropoden befindlichen Anhänge noch nicht ab, sondern ich glaube auch die Flos- sen der Hyaleaceen und Cymbulieen hierher rechnen zu müssen, die in Bezug auf den übrigen Körper vollkommen jenen Theilen entsprechen, welche wir bei Gasteropoden z. B. als Tentakel kennen lernten , und die gleichfalls oft lap- penartig gestaltet erscheinen. Wenn wir erwägen, wie oftmals ein und derselbe Körpertheil in verschiedenen Thieren verschiedenen Functionen dient — ich er- innere hier nur an die zahlreichen Metamorphosen des Molluskenfusses oder der Gliedmaassen von Arthropoden — so werden wir uns nicht verwundern, auch hier ein Gebilde zu treffen, welches in der einen Abtheilung als Tastorgan (Gaste- ropoden) , in der andern als Locomotionswerkzeug (Pteropoden) dient. Das "Vorkommen von Tentakelrudimenten ausserhalb der Pteropodenflossen ist dieser Anschauung kein Hindermss, nachdem wir ja schon oben auf das Bestehen mehrfa- cher Tentakelpaare aufmerksam gemacht haben. **) Die speciellere Betrachtung der Cephalopodenarme gehört in das Gebiet der Zoologie. Die Function dieser Gebilde entfernt sich von der Tastvermittelung um so mehr, je höher sie entwickelt sind, so dass wir in den contractilen Tentakeln der Nautili physiologische Aequivalente zu den andern Tentakelbildungen treffen, während die Homologa dieser Theile beiden Dibr anchiaten für die Tastfunction nur eine untergeordnete Bedeutung besitzen und vielmehr zum Ergreifen der Nah- rung, in gewissen Gattungen, wo sie mit Krallen besetzt sind, wohl auch zur Ver- theidigung dienen. Parallel hiermit verhalten sich die Armbildungen bei den Pteropoden. Es reihen sich in physiologischer Hinsicht die Arme der Clionen den Tentakeln der Nautili an , während die Arme der Pneumodermen mit jenen der Dibranchiaten übereinkommen. Auf die Analogie der Tentakel (»Kopfkegel«) der Clionen mit den Cephalo- podenarmen hat bereits Leuckart (über die Morphologie u. s. w. pag. 153) auf- merksam gemacht, der zugleich auch die Morphologie des Fusses zuerst richtig er- fasste. VonHuxley, zum Theile auch von V. Carus, werden die Cephalopo- denarme als Aequivalente des Gasteropodenfusses erklärt, was jedoch nicht allein durch die Entwicklungsgeschichte der Arme, sondern auch die Beziehungen des Fusses zum Kopfe widerlegt wird. Die Arme derCephalopoden entstehen im- mer über dem Munde, sie gehören dem dorsalen Theile des Körpers an, so gut wie die Tentakel und Kopflappen der Cephaloph or en, und wenn sie später kranzar- Sinnesorgane. 321 Geschmacks Werkzeuge sind bei keinem Mollusken mit Be- stimmtheit nachzuweisen, doch kommen papillenartige Gebilde in der Pharynxhöhle mancher Schnecken vor, denen eine solche Bedeutung zu- gesprochen werden dürfte. Auch der bei den Cephalopoden zwischen den Aesten des Unterkiefers verborgene und mit weichen Zotten besetzte Wulst, auf dessen Verbreitung zuerst v. Siebold aufmerksam machte, kann hierher gerechnet werden. Ein Geruchsorgan im weitern Sinne des Wortes, nämlich ein Organ zur Wahrnehmung der Beschaffenheit der umgebenden Medien, ist unter den Weichlhieren mehrfach angedeutet. Es sind besonders jene mitCilien tiberkleideten und von eigenen Nerven versorgten Körperstellen, die in dieserBichtung functionirend vermuthet werden. Eine wimpernde Bosette am Eingang der Körperhöhle bei den Salpen, sowie ein wim- perndes Band in der Athemhöhle der Ascidien ist hierher zu rechnen. Auch unter den Cephalophoren sind, namentlich bei Pteropoden und Heteropoden, dergleichen cilientragende Stellen gefunden, unter denen der Nerve sogar eine ganglienartige Anschwellung eingeht. Diese Gebilde liegen immer entfernt vom Kopfe, entweder ähnlich wie bei den Salpen am Eingange in die Mantelhöhle (schalentragende Pteropoden), oder in der Nähe des Eingeweidesackes (Heteropoden). Die Cephalopoden zeigen Biechorgane in bestimmterer Form. Es sind zwei dicht hinter den Augen liegende Grübchen oder auch flach stehende Papillen, welche mit Wimperhaaren überkleidet sind*). Sie werden von einem Nerven versorgt, der neben dem Sehnerven ent- springt. In der Lagerung am Kopfe, sowie im paarigen Auftreten dieser Gebilde ist eine Analogie mit den Geruchsorganen niederer Wirbelthiere nicht zu verkennen. Gehörorgane treten schon in den unteren Abtheilungen auf und zeigen durchgängig eine Uebereinstimmung mit den schon bei Goelen- teraten und Würmern als solche gedeuteten Bildungen: Bläschen, in denen feste Concretionen enthalten sind und deren Wandungen mit einem Nerven sich verbinden. Bei mehreren freien Tunicaten (Doliolum, Ap- pendicidaria) kommen solche Bläschen mit einer runden Concretion, ent- weder dem Centralnervensysteme angelagert, oder doch demselben be- nachbart, immer jedoch assymmetrisch vor. Doppelt vorhanden er- scheinen sie bei den Blattkiemern , wo v. Siebold ihre Verhältnisse zuerst beleuchtet hat. Sie bestehen aus kleinen, mit dem unteren Schlundganglion verbundenen oder ihm dicht anliegenden Bläschen tig den Mund umstehen , somit auf der Bauchseite nahe aneinander rücken, so ist dies auf Rechnung der eigenthümlichen Fussbildung zu setzen , welche sich grös- stentheils von der Ventralfläche des Vorderkörpers abgelöst hat, und dadurch ein Anrücken der dorsalen Gebilde an die Bauchfläche ermöglicht. — *) Es ward bisher das Flimmerepithel an diesen Grübchen vermisst. H. Mül- ler hat dasselbe mündlicher Mittheilung zufolge aufgefunden. Gegenbaur, vergl. Analomie. 2 1 322 Mollusken. Fig. 82. (Fig. 82. c), die von einer wasserhellen Flüssigkeit er- füllt und mit einem oft mächtigen Wimperepithel (e) aus- gekleidet erscheinen. Der Otolith besteht aus einer rundlichen, concentrisch geschichteten Concretion (vergl. Fig. 82. o.). Auch hei den Cephalop hören sind diese Gehör- bläschen überall nachgewiesen ; bei manchen , wie bei den Heteropoden (vergl. Fig. 83. a.) , erreichen sie sogar eine aus- serordentliche Grösse. Bezüglich ihrer Verbindung mit dem Nervensy- steme ergeben sich mehrfache Verschiedenheiten , indem sie da , wo die unteren Schlundganglien fehlen, mit den oberen verbunden sind (z. B. bei Abranchiaten). Im Fall eines Vorhandenseins unterer Schlund- ganglien kommen sie in der Begel durch einen kurzen Stiel mit ihm ver- bunden vor. Der letztere kann entweder als Nerve angesehen werden, oder als eine Verlängerung der Gehörkapsel gegen das Nervencentrum, namentlich in jenem Falle, wenn, wie bei Nerilina, die Höhle des Bläs- chens sich in den Stiel fortsetzt, so dass sie wie eine vom Ganglion aus- gehende Ausstülpung erscheint*). Sind die oberen Schlundganglien im Verhältnisse zu den unteren bedeutend entwickelt, so ist auch in der Begel das Gehörorgan mit ihnen in Verbindung, so dass jene Ganglien, wegen der ausschliesslich mit ihnen vereinigten höheren Sinneswerkzeuge, als die eigentlichen Centralorgane des gesammten Nervensystemes sich dar- stellen. Becht deutliche Beispiele geben hierfür die Heteropoden, wo ein langer Acusticus neben dem Opticus entspringt und die grosse Ge- hörblase ziemlich weit vom Nervencentrum sich abhebt (Fig. '83.). Die Verhältnisse der von der Blase umschlossenen Concretion (Otolithen) sind im Ganzen wechselnder, als in der vorigen Ciasse, bald zahlreich vor- handen, durch kleine Stückchen (bis gegen 200) repräsentirt, bald we- nig grösser und dann in geringerer Zahl, bald endlich nur von einer ein- zigen, kugelrunden, concentrisch geschichteten Concretion gebildet. Eine Wimperauskleidung der Gehörblase scheint ein regelmässiges Ver- halten zusein, und bei vorhandenem Canal im Stiele gehen auch die Cilien in letzteren über. Manchmal (bei Heteropoden) sind die Ci- lien auf Büschel gruppirt und haben dann ihre Beweglichkeit aufge- geben **) . Fig. 82. Gehörorgan von Cyclas. c. Gehörkapsel, e. Wimpertragende Epi- thelzellen. o. Otolith (nach Leydig). *) Diese Verhältnisse wurden in neuerer Zeit erst von Claparede hervorge- hoben (Müller's Archiv 1856, pag. 131.) und zugleich auf die analoge Bildung mit dem gleichen Organe der Wirbelthiere aufmerksam gemacht. **) Sie erscheinen denn, wie zuerst Leydig beobachtete, als starre Borsten, von denen es den Anschein hat, als ob durch sie der Otolith in seiner Lage erhalten würde. Es ist dies Verhalten um so interessanter, als neuerlich auch bei Wirbel- thieren (Haien) etwas Aehnliches gefunden worden ist, so dass die Bedeutung der Wimpern oder Borsten innerhalb der Gehörbläschen sich nach einer ganz anderen Richtuna hin feststellen wird. Sinnesorgane. 323 Die Form der Gehörwerkzeuge der Gephalopoden reiht sich an die vorige an , und es lässt sich etwa nur darin eine höhere Fortbildung des Organes erkennen, dass es nicht mehr frei in der Leibeshöhle, son- dern in besonderen Höhlungen des knorpeligen Schädelrudimentes verbor- gen liegt. Man kann diese mit dem knorpeligen Labyrinthe der niedrig- sten Wirbelthiere vergleichen, und das eingeschlossene Bläschen erscheint dem häutigen Labyrinthe analog. Die Wände des Gehörbläschens sind entweder glatt (Octopoden), oder sie zeigen Ausbuchtungen, welche durch Unebenheiten und Vorsprünge des knorpeligen Labyrinthes bedingt sind (Loliginen), welche Erscheinung mit der Bildung von Bogengängen in Zusammenhang gebracht werden kann, da diese auch bei Wirbel- thieren in ähnlicher Weise auftreten. Der in einer wässerigen Flüssigkeit befindliche Otolith ist von sehr verschiedener Gestalt, bald flach, bald rundlich*). Die Seh Werkzeuge der Mollusken durchlaufen in den verschie- denen Gruppen sehr mannichfache, aber doch sich an einander reihende und aus einander entwickelnde Formen , so dass sie in gerader Reihe aufsteigend bis zu jener Ausbildung gelangen, die als das Ende der gan- zen Bildungsreihe sich darstellt. Bryozoen und Brach iopoden scheinen der Augen zu entbeh- ren ; wenigstens sind nicht einmal augenähnliche Organe bei ihnen er- kannt worden. Unter den Tunicaten können die der Centralganglienmasse der Salpen aufsitzenden, regelmässig geformten rothen Pigmentflecke als einfachste Sehorgane betrachtet werden. Es senkt sich in sie gewöhnlich ein Fortsatz des Ganglions ein. Auch bei den A seidien, wenigstens den einfachen, kommen solche Pigmentflecke, um die Eingangs- und Aus- wurfsöffnungen gruppirt, vor und können wenigstens jenen Augenflecken, die man bei manchen Lamellibranchiaten (z. B. Solen, Venus, Ma- ctra u. s. w.) am Ende der Athemröhre trifft, verglichen werden. Doch ist es höchst unsicher, inwiefern durch diese Bildungen ein Sehen vermittelt wird. *) Die Gehörsteine aller Mollusken kommen in ihrer chemischen Zusammen- setzung mit einander überein, indem sie eine organische Grundlage besitzen, welche mit Kalksalzen imprägnirt ist. Bei manchen scheint der Kalk zurückgetreten zu sein. So sind z. B. die Otolithen der jungen Neritinen nur aus organischer Substanz gebildet. Auch eine ungleiche Zahl der Otolithen in den beiderseitigen Gehörbläs- chen ist beobachtet, sowie auch die Form, namentlich der kleineren Gehörsteinchen, bei denselben Familien oder Gattungen durchaus nicht constant ist. Häufig zeigen sie krystallinische Bildung. — Eigentümlich sind die von Leydig am Gehörorgane der Paludina beschriebenen Muskeln, die man als Spannapparat des Bläschens an- sehen kann. — Durch die Wimperauskleidung wird in der Regel eine zitternde Bewegung der Otolithen hervorgebracht, so dass man aus letzterer auf die Anwesenheit der erste- ren schliessen kann. Es zeigen sich jedoch diese Cilien durchaus nicht beständig. So fehlen sie den Tunicaten und scheinen auch bei Cephalop hören im Alter sich zurückzubilden (z.B. bei Paludina). Ihr physiologischer Werth ist unbekannt- Vergl. die zweite Anmerk. auf p. 322. i\ * 324 Mollusken. sowie auch die Angaben einzelner Beobachter über die Zusammensetzung dieser Gebilde sehr verschieden lauten*). In sehr hoher Ausbildung er- scheinen uns die am Mantelrande vieler Blattkiemer sitzenden Sehorgane, die von besonderen Augenstielen getragen werden [Area, Pectunculus, Teilina, Pinna u. a.) und bei manchen (Pecten, Sponclylus) durch ihren smaragdgrünen Farbenglanz schon den älteren Forschern aufgefallen sind. Es lassen sich an diesen Organen in einem Bulbus, der vorne als Hornhaut erscheint, noch ein lichtbrechender Körper (Linse), Glas- körper, eine Choroi'dea und pupillenbildende Iris unterscheiden. Den Nerven erhalten sie von dem am Mantelrande verlaufenden Stammchen und können ungeachtet dieses abnormen Opticusursprunges den übrigen Sehorganen an die Seite gesetzt werden. Ihre Anzahl ist eine verschie- dene. Oft, wie bei Pecten, finden sich deren bis über vierzig, bei Spon- dylus sogar gegen neunzig an einer Mantelhälfte vor. Die Vermehrung der Sehorgane, sowie ihre Vertheilung auf Körper- stellen, die von den Nervencentrum entfernt liegen, beschränkt sich nur auf die Lamellibranchiaten, während bei den Gephalophoren in allen Fällen nur ein einziges Augenpaar vorhanden ist. Es erscheint fast immer dem Gehirnganglion verbunden, entweder direct ihm angelagert, oder doch den speeifischen Nerven von ihm empfangend, so dass hierin der höhere Plan dieser Thiere, ungeachtet der oft sehr niederen Organisation der Sehwerkzeuge selbst, dennoch erkannt werden kann. Ein gänzlicher Mangel der Augen ist nur bei mehreren Pteropo- den constatirt, und auch bei einigen Gasteropoden, z. B. Chiton, Den- talium, sind Augen vermisst worden. Dagegen sind bei nicht wenigen Abranchiaten und Gymnobranchiaten den Gehirnganglien aufsitzende Pigmentflecke beobachtet, die bald mit, bald ohne lichtbrechendes Organ erscheinen, in allen Fällen jedoch als die ersten Andeutungen von Seh- werkzeugen wichtig sind**). Mit der Entfernung vom Centralnervensysteme erhält das Auge einen weiteren Grad der Ausbildung. Es wird äusserlich von einer, der Scle- rotica vergleichbaren Gewebschichte umhüllt, die sich hinten auf die Scheide des Sehnerven fortsetzt, vorne aber dünn und durchsichtig ge- worden als Cornea erscheint. Bei oberflächlicher Lage des Auges ver- schmilzt nicht selten die Cornea mit dem Integumente ; doch ist letzteres auch ebenso häufig als Conjunctiva unterscheidbar. Innerhalb der Scle- rotica liegt eine meist dunkle, bei einigen Heteropoden mit zwei Lücken *) Während Will (Fror. N. Not. 1844) sowohl den A seidien (Cynthia, Phal- lusia, Clavelina), als auch allen oben angeführten Blattkiemern am Ende der Athem- röhren hoch organisirte Sehwerkzeuge vindieirt, wird von v. Siebold (Lehrb. der vergleich. Anatomie, p. 673) ein grosser Theil dieser Angaben bezweifelt und auf das Vorhandensein blosser Pigmentflecke zurückgeführt. **) Schon unter den Pteropoden zeigt Creseis solche Sehorgane. — Bei allen solchen unter den Integumenten gelegenen Augenbildungen ist eine Lichtperception bei der Durchsichtigkeit der Hautdecken gestattet. Sinnesorgane. 325 versehene Pigmentschichte, die Choroidea (Fig. 83. c/?.), welche bei meh- Fig. 83. reren Kammkiemern [Murex, Strombus, Pterocera u. a.) vorn einen irisartigen Ring bildet. Wie sich der Sehnerv nach seinem Eintritt in den Bulbus verhält, ist noch we- nig ermittelt. Doch scheint nach L e y d i g's Angaben über Paludina ein Eindringen in die Pigmentschichte und eine Retinabildung stattzufinden. Beiden Heteropoden schwillt der Seh- nerv in ein die Hinterseite des Bulbus bedeckendes Ganglion (Fig. 83. r) an. Besser kennt man das lichtbrechende Organ , welches bei allen als eine sphärische Linse sich ausweist, hinter der eine gallertartige Sub- stanz (Glaskörper) den übrigen Raum des Bulbus erfüllt. In den meisten Fällen ist der Augapfel rundlich oder birnförmig; eigenthümlich erscheint er auch in dieser Hinsicht wieder bei den Heteropoden, nämlich hin- ten zusammengedrückt und seitlich in einen stumpfen Fortsatz ausgezo- gen. Er wird hier noch von einer besonderen Kapsel umschlossen, in der er durch eine Anzahl von Muskelfasern bewegt werden kann. Bei den übrigen Cephalophoren wird die Beweglichkeit der Augen da- durch erzielt, dass sie an die Basis der Fühler rücken, oder sogar an das Ende besonderer Stiele, der Ommatophoren, zu stehen kommen. (Vergl. oben p. 319 Anm.) Durch die Sehorgane der Cephalopoden erhalten wir dieVermit- telung der vorhin geschilderten, immer noch einfacheren Formen zu je- nen der Wirbelthiere. — Der bei Nautilus noch frei am Kopfe hervor- ragende, nur von Muskeln gestützte Augapfel wird bei den meisten Di- branchiaten*) zum grossen Theile von den Seitenwänden des knor- peligen Schädelrudimentes und dessen membranösen Fortsetzungen um- geben und somit in eine stützende Orbita eingefügt. Den formgebenden Theil des Bulbus bildet eine knorpelige Sclerotica, die jedoch nie in eine Cornea sich fortsetzt, sondern vorn am Irisrande endet. Der Mangel einer Hornhaut ist eine derEigenthümlichkeiten des Cephalopodenauges. Ueber den grössten Theil des Scleroticalumfanges zieht sich eine Membran fort, die hinten nach vorn sich umschlägt und in die von der modificirtenHaut gebildeten Integumente des Auges übergeht. Der grösste Theil des Bulbus (Fig. 84. 6) erscheint somit in eine sackartige Höhle eingebettet, die man Fig. 83. Gehirn und Sinnesorgane von Pterotrachea. gs. Obere Schlund- ganglien (Gehirn), c. Commissuren. o. Augenkapsel. I. Linse, eh. Choroidea. r. Ganglionäre Ausbreitung des Sehnerven, a. Gehörorgan. *) Eine Ausnahme bilden nur die niederen Gattungen der Loliginen. z. B. Loligopsis. 326 Mollusken. bei dem Fehlen einer Cornea als eine seitlich um den Bulbus ausgebrei- tete vordere Augenkammer ansehen darf. (Vergl. Fig. 84. ca.) Da die Auskleidung dieser Augenkaminer an einer bestimmten Stelle in das In- tegument übergeht, muss sie als Conjunctiva angesehen werden. An der Uebergangsstelle communicirt die vordere Augenkammer mit der Aussen- welt , und es kann diese Oeffnung so beträchtlich sein , dass die ganze vordere Linsenflache frei zu Tage liegt, wie bei Loligopsis, Onychoteuthis. Fi 84 Es fehlt dann das Integument gänzlich über i p dem Auge. Bei grösserer Entwicklung wird W=====§^T~~ die Communicationsöffnung kleiner und liegt f/^-j~^\\, p-c entweder in der Mitte über dem Auge {Loligo), "''ir/rr^^^xl a oder verborgen unter einer als oberes Augen- l ..../Li ( l / )| II bd erscheinenden Hautfalte {Octopics, Sepia), \vj\ ^ J\ J\ in welchem Falle sie oft schwer zu finden ist. \ p ci< / Die Auskleidung des Conjunctivalsackes be- ■\^ y/ sitzt, soweit sie dem Bulbus anliegt (Fig. 84. a), lA-^ eine weisslich glänzende Farbe und wird dann als Argentea bezeichnet. Als solche geht sie auch auf die vordere Fläche der Iris über. Innen von der Sclerotica folgt die mit der Betina verwebte Choro'idea , deren Pigmentschichte als Uvea die Innenfläche der Iris bedeckt. Vorne um die Circumferenz der Linse bildet die Choro'idea ein sehr entwickeltes Coi^pus ciliare (Fig. 85. p. c). Die Betina reiht sich in ihrem Baue an jene der Wirbelthiere an. Einige bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten bietet die Linse. Sie ist, ähnlich der Linse des Fischauges , von kugliger Gestalt , aber aus zwei Theilen zusammengesetzt, die durch eine zarte Membran von einander getrennt werden. Die vordere, weniger gewölbte Linsenhälfte (/) wendet ihre ebene Fläche der correspondirenden Fläche der hinteren stärker gewölb- ten Hälfte (/') zu, und diese ragt weit in die hintere Augenkammer (c.p), so dass der letztere erfüllende Glaskörper relativ nur unbedeutend er- scheint. Aeusserlich umgibt den Glaskörper eine HyaloTdea. Durch die Trennung der Linse in zwei Hälften ergibt sich für das Cephalopoden- auge ein nicht unbeträchtlicher Unterschied von jenem der Wirbelthiere ; aber eben dadurch unterscheidet es sich nicht minder vom Auge der übrigen Mollusken. Wenn auch die Linse mit jener im Auge der Mollus- ken eine gleiche physiologische Bedeutung besitzt, so 'ist dieses Organ vom morphologischen Gesichtspuncte gleichwohl als ein anderes , neues anzusehen, welches von nun an an die Stelle der einfacheren, in und mit dem Auge gebildeten Linse der übrigen Mollusken tritt. Es er- scheint die Linse der Cephalopoden zum ersten Male als ein von der Epidermisschichte ursprünglich gebildeter Theil, der von nun an auch Fig. 84. Schematischer Durchschnitt eines C ephalopode n-Aug e s. o. Seh- nerv, g. Sehnervenganglion, b. Bulbus, a. Conjunctiva, hier als Argentea erschei- nend, ca. Vordere Augenkammer, cp. Hintere Augenkammer, pc. Cilienfortsätze. I Iris. I. Vordere Linsenhälfte. V Hintere Linsenhälfte, p. Augenlidfalte. Verdauungsorgane. 327 bei den Wirbelthieren fortbesteht. — Der Sehnerv bildet dicht hinter dem Bulbus ein grosses, oft napfförmiges Ganglion (Fig. 85. \m seitlichen Knochentafeln über, indem sie von ihnen mehr oder minder umwachsen, ja in manchen Fällen sogar von ihnen vollständig eingeschlossen und end- lich resorbirt werden*). Die bei Crocodilen erwähnten Halsrippen sind auch bei den Vögeln in ähnlich ausgebildeter Weise vorhanden (Fig. IM. co) und zeigen sich mit zwei Stel- len der Wirbel , dem Körper und dem Querfortsatze Fig. \1\. Halswirbel von Vultur cinereus. c. Körper, p. Bogen, c. Schlussstück. co. Rippenrudiment. NachCarus. Vgl. H. Rathke, Ueber die Entwicklung der Schildkröten. Braunschw. H 848. Rippen. 417 derart verwachsen , dass von ihnen jederseils eine Oeffnung umschlossen wird, das foramen vertebrale. Solche Rippenrudimente kommen auch den Halswirbeln der Säugethiere zu, und verbleiben am letzten sogar noch längere Zeit als getrennte Stücke bestehen*). Bewegliche kurze Rippen folgen auf die verwachsenen bei den Vögeln , und sind oft nur durch ein Tuberculum an den Querforlsätzen befestigt, so dass das foramen vertebrale an manchen Stellen nicht vollständig gebildet wird. Die wahren Rippen sind bei derselben Classe immer aus den beiden Theilen zusammengesetzt, die unter einander in beweglicher Verbin- dungstehen. Beide Theile sind Fig. H2. immer verknöchert zu treffen, und die einen (Fig. 1 12. o. s.) (ossa sternocostalia) lenken auch beweglich am Brustbeinrande ein , wo ihre beiden kleineren Gelenkköpfe sogar auf beson- dere-Vertiefungen treffen. An dem dorsalen Theile der Bip- pen sind processus uncinati (Fig. W&.u) angebracht, die sich in verschiedenerAusdehnung "über die nächstfolgenden Bippen er- strecken. — Die Sternocostal- knochen sind unter den Säu- gethieren noch bei Edenta- ten und Getaceen vorhanden, und bei den letzteren mit dem Bippenkörper in ähnlichem Winkel verbunden, wie bei Vö- geln. Die übrigen Säugethiere sind an der Stelle der Knochen nur mit Bippenknorpeln ver- sehen, die aber unter Umstän- den auch verknöchern können. Mit dem Brustbeine sind nur die vordersten Bippen des Bückens verbun- den, einige der hinteren stellen falsche Bippen vor, die bei den Säuge- Fig. 112. Thorax, Schultergürtel und Becken von Ciconia alba. st. Brustbein. st' Abdominalfortsätze desselben, er. s. Brustbeinkamm. f. Vorderes Schlüsselbein {furcula). c Hinteres Schlüsselbein, s. Scapula. os. Ossa sternocostalia. u. Processus uncinati. sp. Dornfortsatz des ersten Brustwirbels, sp' Verschmolzene Dornfortsätze. «7. Darmbein, is. Sitzbein, p. Schambein, x. Pfanne des Hüftgelenks. *) Besonders auffallend ist dies bei den Halsrippen der Monotremen. Auch die beiden an den überzähligen Halswirbeln sitzenden Rippenpaare bei Bradypus tridactylus bleiben" getrennt, so dass man vielleicht diese Wirbel als die ersten Brustwirbel betrachten kann. Gegenbaur, vergl. Anatomie. 27 418 Vertebraten. thieren viel zahlreicher und häufiger verbreitet vorkommen als bei den Vögeln, und es sind vorzüglich die Cetaceen, welche die extremsten Zah- lenverhältnisse aufweisen*). — Sowohl Länge als Breite der Rippen bieten zwar sehr verschiedene, allein im Ganzen wenig wichtige Verhält- nisse, und es kann hier etwa nur noch der ausnehmend in die Breite entwickeilen fest mit ihren hinteren Rändern übereinander greifenden Rippen mancher Edentaten gedacht werden. Die Verbindung der Rippen mit der Wirbelsäule findet bei Säuge- thieren , Vögeln und auch bei Grocodilen mittels Capilulum (Fig. 113./?) und Tuberculum (a) statt, wie dies schon oben bei den Halsrippen der beiden ersten Classen erwähnt ist. Hiervon 1 ' ' kommen nun mehrfache Abweichungen vor, indem bald nur der Querforlsatz, bald nur der Wirbelkörper die Rippe trägt, was man sich dann durch eine mangelhafte Entwick- lung entweder des Tuberculum oder des Ca- pitulum hervorgerufen vorstellen kann. Es sind die meisten Brustrippen der Crocodile, die ersten , noch nicht mit dem Sternum verbundenen Brustrippen vieler Vögel, häufig auch einige der letzten Rippen nur mit Querfortsätzen im Zusammenhang, indem das Capilulum entweder den Wirbelkörper nicht erreicht, oder auch gar nicht vorhan- den ist. Dies zeigt sich noch ausgebildeter bei den Cetaceen, deren hintere Rippen stets, zuweilen sogar auch die vorderen, nur mit den Querfortsätzen verbunden sind. Die andere Art der Vereinigung ist bei den Monotremen ausgeprägt ; die Rippenköpfchen sind ausgebildet , die Tubercula rudimentär, und erstere articuliren dann mit den Wirbelkör- pern, und zwar legen sie sich, wie dies auch bei den übrigen Säuge- thieren an fast allen wahren Rippen der Fall ist, an eine von je zwei Wirbeln gemeinschaftlich gebildete Fläche. §. 41. y. Vom Sternum. Das Brustbein bildet die Vereinigung von mehreren Rippen , und stellt so den ventralen Abschluss des von jenem gebildeten Thoracalge- wölbes her. Ausserdem dient es noch vielfach der vorderen Extremität als Stütze, und kann in enge Beziehungen zum Schultergürtel treten, desshalb in vielen Fällen rudimentärer Bippenbildung vorhanden sein. Die Zahl der das Sternum zusammensetzenden Sceletbestandtheile ist Fig. 113. Rückenwirbel von Falco buteo. c. Körper, s. Dornfortsatz, ir. Quer- fortsatz, io. Rippe, a. Tuberculum der Rippe, ß. Rippenköpfchen. *) Von 11 Rippen verbindet sich bei Walfischen nur eine mit dem Brustbeine. Bei den Delphinen kommen schon mehr (4 — 5) wahre Rippen vor. Sternum. 419 mannicbfach verschieden, und eben so wechselnd sind Form und Be- ziehungen zu den benachbarten Scelettheilen. Ein Slernum fehlt bei den Fischen , es geht auch den Schlangen ab, und selbst den Schildkröten, da deren Brustschild (Plastron) aus modificirten Integumentbildungen , wie an beireffender Stelle gezeigt ward (vergl. oben pag. 400), hervorgegangen ist*). Obschon wir uns das gesammte Sternum in seiner typischen Grund- form aus einer Beihe einander gleichwerthiger hintereinander liegender paariger oder unpaarer Elemente bestehend vorstellen, so sind doch we- gen der eigentümlichen Beziehungen der einzelnen Theile besondere Abschnitte zu unterscheiden. So wollen wir den mittleren Theil (Kör- per) , mag er aus mehreren Stücken bestehen oder einfach sein , als Mesostem um , den oberen Ansatz als Episternum, und das als Processus xiphoideiis bekannte Endstück als Hyposternum bezeichnen, wobei neben der Gleichartigkeit des Planes die verschiedene Verwendung ausgedrückt wird. Bei den Amphibien sind rudimentäre Slernalbildungen in der Abtheilung der Perennibranchiaten und Salamandrinen vorhanden, und erscheinen hier in Form eines knorpeligen schmaleren oder breiteren Stückes, welches zumeist nach hinten in eine dünne Lamelle ausläuft, jedoch mit dem Scelettheile des Schultergürtels nicht direct sich ver- bindet. Es entsprechen diese Stücke nun einem Hyposternum , so dass also der eigen lliche Körper eines Stern ums (das Mesosternum) bei jenen Amphibien gar nicht vorhanden ist. Ausgebildeter sind die Beziehungen des Brustbeins zum Schulter- gürlel bei den Batrachiern , was vor allem durch die Entwicklung des Brustbein-Körpers (Fig. Mi.s) erreicht wird. Zwei der Schulterknochen [die Clavicula (c/) und das Os coracoideum [co)] vereinigen sich nämlich in der Mit- tellinie zu einem unpaaren knorpeligen Stücke, welchem in der Begel noch ein hinterer, nicht selten auch noch ein vor- derer knöcherner Ansatz zukommt. Der letztere, in seinem Vorkommen unbe- ständig, verschmälert beim Frosche nach vorne zu, und geht dann in eine querstehende Knorpelplatte über (e). Man vergleicht ihn einem manu- brium sterni. — Der hintere niemals fehlende Ansatz ist auch durch seine Breite vor dem vorderen ausgezeichnet, und trägt gleichfalls eine breite Knorpelplatte, welche zur Flächenvergrösserung des gesammten Schulter- Fig. 414. Sternum und Schultergürtel von Rana temporar ia. e. Episternum. s. Mesosternum. p. Hyposternum. cl. Vorderes, co. hinleres Schlüsselbein, sc. Sca- pula. sc Knorpeliger Ansatz. *) Es fehlt auch gänzlich bei den Coecilien und bei Proteus. 27* 420 Vertebraten. gürteis mitwirkt und mit dem knöchernen Stücke als Hyposternum (Fig. 114./)) gedeutet werden muss. An die rudimentäre Bildung des Brustbeins der Amphibien schliesst sich jenes der fossilen Enaliosaurier an. Wie dort sind auch hier die Slützknochen des Schultergürtels (die Coracoidea) unter einander in der Medianlinie verbunden und vor ihnen lagert bei Ichthyosaurus nur ein T förmiges Episternum an, welches bei Plesiosaurus stärker ausgebildet in zwei seitlich die Glaviculae stützende etwas gebogene Fortsätze sich auszieht. So formt sich hier noch eine continuirliche Vermittlung zu den noch lebenden Bepräsentanten dieser Glasse. Die lebenden Beptilien sind vor den Amphibien vorzüglich da- durch ausgezeichnet, class mit dem Sternum immer einige Bippenpaare verbunden sind. Das Sternum, welches ausser den schon oben namhaft gemachten Ordnungen nur bei den schlangenähnlichen Sauriern rudi- s mentäi ist Fig. 115. wird in der Begel aus zwei Stücken zusammengesetzt, erstlich aus einem grossen, platten, rhombisch gestalteten Stücke (Fig. 115.S), und einem ac- cessorischen Theile, der sich dem epsteren auf- gelagert, über es hervorschiebt, und durch einen mittleren längeren, vorne in zwei quer- stehende Fortsätze ausgezogenen Knochen (/) dargestellt wird. Man könnte dieses Stück sei- ner Lage nach als Episternum bezeichnen, und es dem manubrium slerni der Säugetbiere zur Seite setzen , wenn nicht das Manubrium aus dem vordersten , ursprünglich paarigen Ele- mente des Brustbeins sich entwickelt, während der accessorische T förmig gestaltete Knochen der Saurier in der Mittel- linie des Körpers seine Entstehung nimmt, und gleich nach seinem Auf- treten ohne jemals knorpelige Beschaffenheit gehabt zu haben verknö- chert**). Als das morphologische Aequivalent des Manubriums der Säugethiere ist daher die rhomboidale Platte der Saurier (Fig. 115. s) anzusehen. An die beiden Vorderwände dieser Platte schliessen sich Knochen des Schultergürtels (die coracoidea (co)) an, und an die Hinter- ränder fügen sich die Bippen (c), zu 2 — 4 Paaren eine solche Verbindung eingehend. Bei manchen , wie bei den Varanen , zeigt das Hauptstück Fig. 115. Sternum und Schultergiirtel von Uromastix spinifer. c. Rippen. t. Episternum. co, cl, sc. wie in Fig. 114. *) Es fehlt gänzlich den fusslosen Ringelechsen (Amphisbaeena, Lepidostemon) und ist nur bei einer mit vorderen Extremitäten versehenen Gattung (Chirotes) vorhanden, wenn auch sehr verkümmert und der Verbindung mit Rippen entbehrend. Auch bei mit verkümmerten Füssen versehenen Scincoiden ist das Brustbein vorhanden. **) Vergl. H. Rathke, lieber den Bau und die EntWickelung des Brustbeins der Saurier. Königsberg 1853. Sternum. 421 des Brustbeines seine Entstehung aus zwei Seitenhälften noch beim er- wachsenen Thiere, und es sind dann die beiden knöchernen Hälften durch einen Knorpelstreifen mit einander in Verbindung. In anderen Fällen bleibt das ganze Brustbein knorpelig und wird nur durch das Hauptstück dargestellt, wie bei Chamaeleon , welchem der T förmige Knochen fehlt. An das Hauptstück schliesst sich nach hinten ein paariger Anhang, dessen Hälften entweder zwischen den Muskeln frei endigen (Brustbeinhörner), oder sich mit zwei entsprechenden Rippen in Verbin- dung setzen. Es können diese beiden Brustbeinhörner sich auch zu einem einzigen Stücke vereinigen , welches dann einer Fortsetzung des eigent- lichen Brustbeines entspricht. — Bei den Crocodilen ist das gestreckt- rhomboidale und aus Knorpel gebildete Hauptstück des Sternums noch von einem einfachen Episternalknochen überlagert , der von jenem der Eidechsen durch den Mangel der seitlichen Aeste unterschieden ist. Nach hinten geht auch hier vom Hauptstücke ein gabelig getheilter Anhang aus, der den Brustbeinhörnern der Saurier entspricht und an seinen äusseren Seitenrändern sich mit einer Anzahl der Sternocostaltheile der Rippen verbindet. Die Fortsetzung des Sternums auf das Abdomen zu wird durch einen in der Medianlinie verlaufenden Strang repräsenlirt, an welchen seitlich die Bauchrippen sich anheften. Das Brustbein der Vögel*) zeigt sich wie jenes der Eidechsen durch seine vorzügliche Entwicklung in die Breite aus, und wird ausschliesslich aus dem Mesosternum gebildet. Seine Gestalt ist mehr oder weniger schildförmig, aussen gewölbt, innen eine concave Oberfläche darbie- tend. Seine Dicke ist vorne und an den Seiten am beträchtlichsten und nimmt nach hinten zu allmählich ab. Dieser hintere Theil ist überdies sehr häufig noch mit fontanellartigen von einer Membran überzogenen Löchern versehen (Fig. 116), die sogar bei Vergrösserung ihrer Oeffnung gegen den hinteren Rand zu in Ausschnitte (Fig. 117) übergehen können. Letztere, die namentlich bei den hühnerartigen Vögeln auf Kosten des Brustbeinkörpers sehr entwickelt, werden dann von Fortsätzen {proces- sus abdominales) begränzt. Auf der vorderen Fläche des Sternums erhebt *) Die Vergleichung des Brustbeines der Vögel mit jenem anderer Wirbelthiere, z. B. der Reptilien, erscheint einfach, wenn man nur das fertige Sternum berücksich- tigt, dann sind Sternum der Vögel und Hauptstück des Sternums einander homolog. Die Brustbeinhörner der Reptilien sowie ihr Episternum wären ohne Homologon bei Vögeln. Zieht man aber wie gebührend die Entwicklung des Sternums mit in Be- tracht, so ergeben sich einige merkwürdige Puncte: Bei den hühnerartigen Vögeln entwickelt sich das knöcherne Sternum aus einer knorpeligen Grundlage mit fünf Stücken ; zwei symmetrische Seitenstücke — den gleichfalls paarig auftretenden Hälf- ten des Sauriersternums analog, — ein mittleres unpaariges Stück, die Crista, an welche vorne die Claviculae sich anheften — entsprechen dem gleichfalls unpaarigen Episternum der Saurier, — und endlich die zwei hinteren gabelförmigen Stücke, welche den Brustbeinhörnern der Saurier analog sich verhalten. Bei den übrigen Vögeln ist keine Trennung in diese einzelnen Knochenstücke vorhanden, und es bildet sich das Brustbein nur aus den zwei seitlichen Hälften, 422 Vertebraten. sich ein der Länge nach verlaufender Kamm (Fig. 116, 117cr.s), der von vorne nach hinten zur Fläche des Brustbeines abfällt, und dessen Ausbil- dung sich mit der Entwicklung des Fig. 116. Fie. 117. Flugvermögens der Thiere ebenso combinirt zeigt, wie der letztere auch zur Grösse der Oberfläche des Ster- nums in geradem Verhältnisse steht. Am meisten ausgebildet ist die Ster- nalcrista der Honigvögel, der Colibris und Mauerschwalben, denen zugleich auch die Ausschnitte wenig stark entwickelt sind. Auch unter den Raubvögeln, dann unter den gut und ausdauernd fliegenden Schwimmvö- geln ist vielfach ein ganzrandiges und mit starkem Kamme versehenes Ster- num vorhanden. Als Eigenthümlich- keit des Brustbeines einiger Vögel (z. B. des Singschwans und Kranichs) ist anzuführen, dass der Brustbeinkamm eine Windung der Luftröhre be- herbergt, welche Einrichtung man mit der Entstehung des Sternums aus zwei seitlichen Hälften in Verbindung sich vorstellen muss. — Wenn die vorzüglichste physiologische Bedeutung der Crista sterni in der Ver- grösserung der den grossen zur Bewegung der vorderen Extremitäten mitwirkenden Muskelmassen gebotenen Ursprungsflächen zu suchen ist, so ist diesem Verhältnisse entsprechend die Crista sterni bei jenen Vögeln verkümmert , deren Flugorgane wenig oder gar nicht ausgebildet sind. Wir treffen demnach bei den Straussenartigen Vögeln (Struthio, Rhea, Apteryx) ein vollkommen flaches, vorne nur stark gewölbtes Brustbein an (Fig. 1 1 8), welches zwar von beträchtlicher Breite, aber desto geringerer Länge ist, und beim neuholländischen Casuar beinahe kreis- rund erscheint. — An dem vorderen obe- ren Rand der Brustbeinplatte sind die Ossa coracoidea (c) angefügt, und am seillichen durch eine Furche ausgezeichneten Rande articuliren die Ossa sternocostalia (co). Das Brustbein der Säugethiere zeigt nur in wenigen Fällen (Monotremen, Fig. 116. Sternum von Falco buteo, schräg von der Seite, f. Vorderes Schlüs- selbein (furcula). c. Hinteres (os coracoid.). crs. Crista sterni. Fig. 117. Sternum von Numida meleagris, von vorne, c. Hinleres Schlüs- selbein, crs. Crista sterni. Fig. 118. Sternum von Apteryx auslralis. a. Körper, co. Rippenansätze, c. Schlüsselbein, s, Scapula. h. Qberarusknochen. (Nach Bla n ch ard). Fi". 118. Sternum. 423 Cetaceen) auch noch im ausgebildeten Zustande paarige Elemente, son- dern wird meist aus einer Reihe hinter einander liegender und den Inter- costalräumen entsprechender Stücke zusammengesetzt, deren Zahl eine wechselnde ist. — Anschlüsse an die niederstehenden Wirbelthierklassen finden sich namentlich bei den Monotremen , bei denen das erste Stück des Sternums einen T förmigen Knochen vorstellt, und so in der Gestalt an das Episternum der Saurier erinnert. Die Homologie mit diesem Knochen wird dadurch vervollständigt, dass die seitlichen queren Fort- sätze von den Enden der Schlüsselbeine überlagert werden , und indem sie sogar im Alter damit verwachsen, erhält das Ganze dann einige Aehn- lichkeit mit der furcula der Vögel. Das zweite breitere Stück wird an- fänglich aus zwei Hälften gebildet, die aber später sich vereinigen. Es entspricht dieses Stück dem Manubrium der übrigen Säugethiere und des Menschen. Dieser Abschnitt des Brustbeins , der sich häufig über die Insertion der Clavicula hinaus erstreckt, ist in der Regel der brei- teste, und die folgenden Stücke nehmen meist an Grösse ab, bis der letzte mit einer meist breiten Knorpelplatte (der Cartilago xiphoidea) endigt. Der Schwertknorpel ist entweder flach und kreisförmig ab- gerundet, oder er ist durch einen mittleren Einschnitt in zwei Hälften getheilt, die sich als knorpelige Fäden bei manchen Edentaten (Schup- penthieren) bis nahe ans Becken ausdehnen. — ■ Mit der Insertion starker Brustmuskeln erscheint häufig nicht allein eine Verbreiterung des vor- dersten Brustbeinstückes, sondern Fig. M9. Fig. 120. auch die Bildung einer Grista, die man mit jener der Vögel vergleichen kann, wenn sie auch beständig viel niedriger ist, als jene. Beim Maul- wurfe und den Fledermäusen sind Andeutungen davon vorhanden (Fig. H9.c), ausgebildeter ist sie bei den fliegenden Hunden (Pteropus). Vor dem Manubrium sterni lie- gen bei Gürtelthieren noch zwei Knochenstücke, welche sich mit den Schlüsselbeinen in Verbindung setzen, und gleichsam zwischen diese und das Sternum eingeschoben sind. Sie wurden als Ossa suprasternalia bezeichnet und können auch (bei Dasypus novemcinctus) durch ein einziges mit dem Manubrium sterni durch Synchondrose verbundenes Knochenstück repräsentirt sein. Die Bedeutung dieser Theile geht aus der Analogie mit der bei den Monotre- Fig. 119. Sternum von Vespertilio murinus. c. Rippen, c Crista sterni. cl. Clavicula. Fig. 120. Sternum nobst Rippenknorpeln (se.) von Cervus capreolus. x. Hy- poslernum (proc. cciphoid.). 424 Vertebraten. men vorhandenen Einrichtung hervor, so dass wir auch in ihnen ein Epi- sternum oder Theile eines solchen erkennen dürfen*). §• *a. ö. Von den Extremitäten. Mit dem Rückgrate oder dessen Fortsetzung in den Schädel stehen direct oder indirect noch eine Anzahl von Knochenstücken in Verbin- dung, welche zumeist die Stützorgane der Bewegungswerkzeuge darstel- len. Wir können die letzteren je nach ihrer Anordnung am Körper in zwei Classen unterscheiden, nämlich in solche, welche unpaar vorhanden sind, und in solche, welche paarweise sich finden und meist eine hori- zontale Entfaltung zeigen, während die der ersteren eine verticale ist. üieunpaaren Extremitätenbildungen sind bei den Fischen als Rücken-, Schwanz- und Afterflossen entwickelt, die sich aus einer ursprünglich den Körper von dem Rücken bis zum After umsäumenden Hautfalte hervorbilden, und bis zu dieser embryonalen Stufe hin alle Uebergangsstadien in den verschiedenen Abtheilungen erkennen lassen. Dem Scelet angehörige feste Stützen sind für diese unpaaren Flossen bei- nahe bei allen Fischen vorhanden, fehlen aber jenen der Amphibien, die zum grossen Theile (im Larvenzustande sämmtlich, im ausgebildeten zu- weilen) solche unpaaren Hautflossen besitzen (Siredon , Proteus, Tri- ton u. a.). Die Verbindung der unpaaren Flossen mit der Wirbelsäule geschieht entweder nur durch ligamentöse Membranen, die von den Dornfortsälzen des Rückgrates ausgehen , oder sie kommt durch discrete Knorpel- oder Knochenstücke zu Stande, welche einerseits mit den festen Stützen der Flossen , andererseits mit den Scelettheilen des Rückgrates verbunden sind, und als Flossenträger bezeichnet werden. Es bestehen solche Flossenträger bei den Selachiern und Ganoiden , sowie bei allen Kno- chenfischen, und zwar sind sie bei den ersteren in die ligamentöse Längsscheidewand des Rückens eingeschlossen und meist durch Knorpel- stückchen dargestellt, während sie bei den Teleosfiern aus Knochen be- stehen, die mit den oberen oder unteren Dornfortsätzen correspondiren, je nachdem sie der Rücken- oder der Afterflosse angehören. Zuweilen treffen mehr Flossenträger auf einen Dornfortsatz, oder sie finden sich noch an Stellen, wo keine Flosse entwickelt ist. — Der Körper der Flos- sen selbst wird durch knöcherne oder knorpelige senkrecht durchtretende Gebilde gestützt, die Flossenstrahlen, welche in der Regel den Flos- senträgern durch Gelenke oder durch Bandmasse verbunden sind, und ihnen auch häufig der Zahl nach entsprechen. Sielassen bei Knochenfischen nicht selten ihre Entstehung aus einem paarigen Stücke erkennen, und *) Ueber das Vorkommen der Ossa suprastemalia beim Menschen vgl, Luschka, Zeitscbr. f. wiss, Zoologie. Bd. IV. 1S53, Extremitäten. 425 zeigen dies am deutlichsten an ihrer Insertion. Die Flossenstrahlen be- stehen bald aus einem einzigen Knochenstücke oder aus zahlreichen dicho- tomisch getheilten Gliedern , die von der Basis des Strahles gegen die Spitze zu sich vermehrt zeigen, und in Querreihen über einander lagern. Bei den Schwanzflossen fehlen die Flossenstrahlträger, vielmehr versehen hier die zu breiten Platten gestalteten Dornfortsätze der letzten Bückenwirbel diese Function , und bei den Selachiern und vielen Ga- noiden wird durch eine Aufwärtskrümmung des Endes der Wirbelsäule vorzüglich an der unteren Seite der letzteren die Insertionsstelle der Flosse dargeboten. Die paarigen Extremitäten stehen durch eine Anzahl von Knochenstücken, dem Brust- oder Schultergürtel und dem Beckengürtel, mit der Wirbelsäule in Verbindung, besitzen somit eine Art von Suspen- sorialapparat, dessen einzelne Theile in beiden Gürteln sich entsprechend sind, sowie auch die einzelnen Abschnitte der vorderen wie der hinteren Extremitäten einander correspondiren. Beide Extremitätenpaare erschei- nen somit als Wiederholungen derselben Einrichtung. Schulter- und Beckengürtel setzen sich aus je drei Stücken zusam- men, von denen eines vorzüglich die Verbindung mit der Wirbelsäule, die beiden anderen die Herstellung einer an der Bauchfläche liegenden Vereinigung unter einander bewerkstelligen , und die Gürtelbildung ab- schliessen. Obgleich oftmals theils durch Ausfallen einzelner Stücke oder auch durch die fehlende Verbindung der vorhandenen Stücke ein wirk- licher Gürtel nicht zu Stande kommt, so ist doch derselbe als im Plane des Wirbel thiertypus liegend anzusehen. Es treten hierdurch die Ex- tremitätengürtel in die Kategorie der seitlichen Anhänge der Wirbelsäule, und stellen sich so als Homologa der Bippenbildungen heraus. Die den Schultergürtel der Wirbellhiere darstellenden Scelet- theile sind Scapula mit einem Suprascapulare, dann zwei Schlüs- selbeine (Glavicula und Os coracoideum) , welch' beide letzteren gegen die Bauchseite gerichtet sind, indess die erstere gegen den Bücken lagert, entweder mit der Wirbelsäule verbunden oder, was für die grösste Mehrzahl sich trifft, nur durch Muskeln am Bumpfe befestigt. Daran schliesst sich die eigentliche Extremität, aus einer Anzahl von Abthei- lungen bestehend, in denen die Sceletstücke an Zahl wachsen, je weiter sie von der Insertion an den Schultergürtel entfernt liegen. Wir haben als ersten Abschnitt den Humerus, als zweiten Ulna mit Badius, als dritten den Carpus und endlich den Metacarpus anzuführen, an welch' letzteren die Phalangen sich anreihen. Bei den Fischen fehlt jede Andeutung dieser Einrichtung bei Am- phioxus und den Cyclostomen, bei den übrigen ist mit Ausnahme der Selachier der Schultergürtel an den Schädel befestigt, und besteht aus zwei grossen in der Medianlinie durch Bandmasse vereinigten Knochen- stücken (Fig. 121 . c), die man als Claviculae bezeichnet und die jederseits durch zwei kleinere Stücke (a? b) an den Schädel aufgehängt sind, Das 426 Vertebraten. oberste, häufig gabelig gespaltene Stück (a), welches sich in der Regel dem Os mastoideum und dem Occipitcde snperius anfügt, stellt mit dem anderen kleineren und direct der Clavicula ansitzenden die Scapula vor, welche in Os suprascapulare und eigentliche Scapula zerfallt ist, zu- weilen können auch beide Knochen durch ein einziges Stück vertreten sein. Die Clavicula zeigt nach hinten eine tiefe Furche, in welche die Seitenmuskulatur sich inserirt. An dem oberen Theile der Clavi- cula findet man noch einen meist aus zwei Stücken bestehenden Knochen (d) befestigt, der als hin- teres Schlüsselbein oder Os cora- coideum angesehen wird und nach hinten und unten gerichtet ist, bei beträchtlicher Ausdehnung sogar längs des Abdomens verläuft*). Bei den Selachiern und Chimären ist dieser Schultergürtel aus Knorpel- stücken zusammengesetzt und vom Schädel abgelöst, entweder mit dem Anfange der Wirbelsäule in unmittelbare Verbindung wie bei den Rochen, oder er schliesst sich nicht direct an sie an wie bei den Haien und Chi- mären. Die Rochen sind überdies noch durch eine Verschmelzung der beiden Clavicidae charakterisirt, und es stellt der gesammte Schulter- gürtel entweder einen ungegliederten Knorpelbogen vor (Rhinobates) oder dieser erscheint, wie dies für die Mehrzahl der Fall ist, in mehrere Stücke, als Clavicula , Scapula und Suprascapulare gegliedert. Beiden Haien und Chimären ist ausser dem Clavicularstücke ebenfalls noch ein der Scapula entsprechendes vorhanden. Der Schultergürtel der Amphibien ist wie der der übrigen höhe- ren Wirbelthiere niemals mit dem Schädel oder auch dem Rückgrate in directer Verbindung, und wird jederseits aus vier vereinigten Stücken zusammengesetzt**). Bei den Perennibranchiaten und den Salamandri- Fig. 421. Brustfläche und Schultergürtel eines Gadus. a, b. Scapula. c. Clavi- cula. a. Os coracoideum. e, f. Armknochen, g. Handmuskelknochen, h. Melacarpo- phalangealstücke. *) Es fehlt vielen Aalen, auch den Welsen und Panzerwelsen. Die oben erwähnte Ausdehnung bis zum Abdomen besitzt es z. B. bei Mugil. Bei einigen Fischen ver- einigt er sich mit dem der anderen Seite zu einem selbständigen Bogen (so bei Cen- triscus, Argyreiosus). Häufig wird es auch durch zwei Stücke dargestellt, wie beim Flussbarsch. — Von Cuvier, der die Clavicula als Humerus bezeichnet, wird er als Coracoid, von Owen , der die Clavicula als Coracoideum auffasst, als Clavicula oder auch als Epicoracoid benannt. **) Es fehlt hier nur den Cöcilien, Extremitäten. 427 neen kommt kein unterer Schluss des Gürtels zu Stande, indem die knorpeligen Coracoidea oder hinteren Schlüssel beine mit verbrei- terten Enden sich höchstens berühren, oder über einander schieben, und die wenig entwickelten vorderen Schlüsselbeine kaum einander erreichen. In inniger Verbindung mit diesen beiden Stücken erstreckt sich die Scapula mit knorpeligem — dem Suprascapulare analogen Ende an oder über den Rücken , und hilft an ihrem Anfangtheile mit dem Co- racoideum die Begränzung des Humeralgelenkes herstellen. Bei den Batrachiern kommt häufig noch ein ähnlich ungeschlossener Schulter- gürtel vor, und die an ihrem Vorderende durch einen schmalen Knorpel vereinigten vorderen und hinteren Schlüsselbeine schieben sich einfach übereinander (Bombinator, Bufo) , oder es sind diese (bei Pipa) einer ventralen Knorpelplatte angefügt, wobei sowohl das grössere hintere Schlüsselbein (Goracoideum) als das kleinere vordere (Clavicula) mit einem knöchernen Körper versehen , und an der Scapula (bei Bufo) das obere Stück zum grösten Theile ossificirt ist. Durch die Ausbil- dung eines Sternums wird dann bei den Fröschen eine beträchtliche Ausdehnung des Brustgürtels nach vorne und hinten zu Stande gebracht (Vergl. Fig. 114).. Unter den Reptilien zeigen sich bei den grösseren Abtheilungen in der Formation des Schultergerüstes nicht unbedeutende Differenzen. Die Scapula, deren oberer Theil, das Suprascapulare, häufig bei den Sauriern knorpelig bleibt, verbindet sich bei denselben mit einem breiten, eben- falls häufig knorpeligen Goracoideum (Fig. 115. co), zwei bis drei davon ausgehende Zacken laufen jederseits in je eine Knorpelplatte aus, die sich dann ähnlich wie bei den Amphibien über einander schieben, während der untere, hintere Theil der Coracoidea dem vorderen Sternalrande sich inserirt. Sehr breite untere Schlüsselbeine zeichnen noch die Enalio- saurier aus, und namentlich bei Plesiosaurus ersetzen sie mit ihrem breiten Rande sich gegen einander legend das rudimentäre Sternum, welches nur dem oberen Rande dieser beiden Knochen angefügt ist. We- niger breit sind sie bei Ichthyosaurus , bei welchem die Jangen vorde- ren Schlüsselbeine die Scapula ihrer ganzen Länge nach begleitend dem T förmigen Episternum verbunden sind. Obere Schlüsselbeine und Sca- pula stellen bei Plesiosaurus einen einzigen Knochen vor, dessen vor- derer Theil dem Queraste des Episternums aufsitzt, somit der Clavicula entspricht, indess der hintere untere, einer Scapula analog, mit dem hin- teren Schlüsselbeine (Coracoideum) das Gelenk für den Humerus bildet. Bei Chamaeleo und den Crocodilen fehlen die zackenartigen Fortsätze des Coracoideums, und dieser Knochen zeigt sich mehrcylindrischm.it verbreitertem Sternalende. Es fehlt zugleich diesen Thieren die Clavi- cula , die bei den übrigen Sauriern als ein dünnes, verschieden langes Knochenstück die Scapula mit dem Queraste des Episternums verbindet, ohne jedoch in die Bildung des Humeral-Gelenkos mit einzugehen. — Im Schultergerüste der Schildkröten sind Scapula und Clavicula immer 428 Vertebraten. mit einander zu einem Knochen verbunden*), der am Gelenke für den Humerus einen Winkel bildet, und daselbst auch den dritten Theil , das Os coracoideum aufnimmt. Das letztere läuft bei den Seeschildkröten mit einer nach hinten und abwärts gerichteten Knorpelplalte aus, und geht keine feste Verbindung mit anderen Theilen ein, indess das Clavi- cularstück sich mit einer Platte des Plastrons verbindet, und die Scapula an die Wirbelsäule befestigt wird. Am Schultergürtel der Vögel sind die beiden vorderen Schlüssel- beine mit ihren unteren Enden zu einem Knochen verwachsen , den man als Gabelknochen oder furcula bezeichnet, und der sich an der Verei- nigungsstelle häufig noch in einen unpaaren der Crista sterni verbunde- nen Fortsatz verlängert zeigt. (Vergl. Fig. IIS, 116./".) Es ist solcher besonders bei den Hühnern ausgebildet, und bei vielen Schwimm- und Wadvögeln sogar mit dem Brustbeinkamme verwachsen. Die Stärke und Krümmung der beiden Aeste der furcula stehen mit der Leistungsfähig- keit der vorderen Extremität in innigen Beziehungen**), und dem ent- sprechend ist bei gering entwickelter vorderer Extremität gar keine Furcula vorhanden, wie bei den Laufvögeln, deren vordere.s Schlüssel- bein jederseits nur durch einen weder das Sternum , noch den der an- deren Seite erreichenden Scapularfortsatz dargestellt wird. Die hinteren Schlüsselbeine (Fig. 112; 116, 117. c), die bei allen Vögeln als stark entwickelte Knochen , oft mit breitem Ende versehen , als wesentlichste Stützen der Schulter zugleich deren Verbindung mit dem Sternum be- werkstelligen, sind ebenfalls bei den Laufvögeln mit der Scapula ver- schmolzen (Fig. 118.C.) und liegen hier innerhalb der rudimentären vor- deren Schlüsselbeine. Die Scapula erscheint als ein langer, schmaler, säbelförmig getrennter Knochen (Fig. 112.5.), der am Bücken der Thiere parallel mit der Wirbelsäule nach abwärts verläuft und mit seinem dicke- ren Vorderende sich mit dem Coracoideum verbindet***). An dasselbe Vorderende legt sich auch die Furcula an. Die Eigenthümlichkeiten des Schultergerüstes der Säuget liiere werden im Allgemeinen in der rudimentären Bildung, oder dem gänz- lichen Fehlen mehrerer der bisher durchgehends angetroffenen Stücke aus- gesprochen, was vorzüglich vordere und hintere Schlüsselbeine betrifft. Auf der anderen Seite ist aber auch eine beträchtlichere Entwicklung der Scapula vorhanden, die zumeist einen bedeutend in die Fläche ausge- dehnten Knochen vorstellt, der noch durch eine seinem Hinterende *) VonStannius (Zootomie der Amphibien) wird das Clavicularsliick als ver- längerter Acromialforlsatz der Scapula angesehen, und die Clavicula soll fehlen. **) Am stärksten ist die Krümmung bei den Tagraubvögeln; auch ihre beiden Aeste sind hier am kräftigsten entwickelt. ***) Zur Bildung des Schullergelenkes tragen bei verschiedenen Vögeln (Raub- vögeln, Spechten u. a.) noch besondere über dem Kopfe des Humerus gelegene Kno- chenstückchen, die Ossa humero-scapularia , bei. Vergl. Nitzch, Osteograph. Bei- träge zur Naturgesch der Vögel. Halle 1811, Extremitäten. 429 anliegende Knorpelplatle vergrössert wird. Eine solche kommt den Ein- hufern und Wiederkäuern zu, und kann als das Homologon des unter Reptilien und Amphibien gleichfalls oft knorpelig getroffenen Suprasca- pulare betrachtet werden. Ausser dieser Vergrösserung der Oberfläche kommt (mit Ausnahme der Monotremen) noch eine andere , durch die Entstehung einer Längsleiste [Spina) zu Stande, welche die obere Fläche in eine vordere und eine hintere Grube theilt (Fossa supra- et infraspi- nata des Menschen), wovon dann die letztere häufig wiederum durch eine zweite Leiste getheilt wird (einige Edentaten). Das vordere Ende der Spina scapulae läuft bei vorhandener Clavicula in einen diese tragenden Fortsatz aus, der das Acromion bildet. In der Regel ist der gegen die Wirbelsäule gerichtete Rand der Scapula der kürzeste, so dass dadurch ein auffälliger Unterschied von der menschlichen Scapula entsteht, doch zeigen mehrere Säugethiere auch eine Längenentwicklung der Scapula, die bei den Fledermäusen in ihren Umrissen am meisten der mensch- lichen nahe kömmt. Daran schliessen sich dann die Affen, Walthiere und der Elephant, sowie manche Edentaten (die Faulthiere). Bei den Edentaten und Monotremen ist die Längenentwicklung der Scapula sogar so beträchtlich , dass sie die der menschlichen noch übertrifft ; dasselbe hat auch seine Geltung für manche grabende Insectivoren (Talpa u. a.) (Fig. 123 Sc.) Ein vorderes Schlüsselbein (Clavicula) fehlt einer grossen Anzahl von Säugethieren (den Cetacea , Pachydermata, Solidungula und Ruminantia)*) , und ist bei manchen so rudimentär entwickelt, dass es entweder nur an das Sternum, oder nur an das Schulterblatt sich an- fügt, oder auch ganz im Fleische liegt (Gavia, Lepus). Am meisten aus- gebildet ist es bei jenen Säugethieren , deren vordere Extremitäten zum Graben, Klettern, Fliegen u. s. w. dienen; so treffen wir es an bei den Affen, Fledermäusen (Fig. 14 9. cl) , manchen Insectenfressern , vielen Nagethieren und Beullern. Die Clavicula verbindet hier Scapula und Sternum, indem sie als ein langes, cylindrisches, wenig nach vorne ge- bogenes Knochenstück von der Seite des Manubrium sterni zum Acro- mion des Schulterblattes tritt. Bei den Monotremen legt sich ihr Sternal- ende auf den Querast des T förmigen Episternalknochens. Das hintere Schlüsselbein ( Coracoideum) stellt bei jungen Thieren einen be- sonderen Knochen vor, der aber später, immer mit der Scapula innig verschmolzen, den Hakenfortsatz (Processus coracoideus) bildet, welcher seine bei den vorhergehenden Thierclassen ausgeprägte Bedeutung als Stützknochen des Schultergerüstes aufgegeben hat. Nur bei den Mono- tremen bildet er noch , obwohl gleichfalls mit der Scapula verwachsen, *) Den übrigen Säugethierordnungen fehlt es nur theilweise in einzelnen Fami- lien oder Gattungen, so den bärenartigen Raublhieren, unter den Edenlaten bei Mu- nis, Myrmecophaga, und unter den Beutelthieren Perameles u. a. 430 Vertebraten. eine Verbindung der letzteren mit dem Sternum, und nimmt auch Theil an der Bildung einer Gelenkhöhle für den Humerus*]. Die vordere Extremität der Wirbelthiere erscheint zwar bei der Mannichfaltigkeit der ihr zukommenden Verrichtungen nach verschie- dener Weise modificirt, allein durch alle diese oft lief eingreifenden Ver- hältnisse läuft die am Scelet ausgeprägte typische Form hindurch , und lässt die Homologie der Theile selbst unter anscheinend schwierigen Um- ständen noch erkennen. Die eigentliche bei den Fi seh en als Brustflosse erscheinende Vor- derextrem itä't ist dem Claviculargürtel angefügt, und besitzt an dieser Stelle einige schwer zu deutende Stücke (Fig. 121. e. f.), die bald als rudimentäre Armknochen, bald als Knochen des Carpus angenommen wurden , in welch' letzterem Falle man die Hand direct der Clavicula verbunden sich vorstellte. Diese Auffassung hat zwar weniger Schwie- rigkeilen in der Bezeichnung der einzelnen Knochen , allein sie ist zu- gleich die dem Wirbelthierplan am wenigsten zusagende. Die mit der Clavicula verbundenen Knochen deuten wir daher als Armknochen, und bezeichnen den unteren vorderen , zumeist etwas grösseren als Radius (e), den hinteren und oberen dagegen als Ulna (/). Ein Humerus fehlt vielen Knochenfischen , oder besteht nur in einem kleinen , unter- und innerhalb von der Ulna dem Schlüsselbeine angefügten Knochenslück- chen. Die Vorderarmknochen sind auch zuweilen mit der Clavicula ver- wachsen (Lophius) und dann sehr rudimentär, oder sie fehlen wie bei den Selachiern, den Stören und Welsen, wo nur einige vom Schlüssel- bein ausgehende und die Brustflosse tragende Fortsätze als deren Aequi- valente gedeutet werden können. Der Carpus der Knochenfische besteht gewöhnlich aus 4 — 5 in eine Reihe gestellten, und vom Ulnar- zum Radialrande an Grösse zunehmenden Knochenstückchen (Fig. 121. g) die bei Lophius auf 2 reducirt, von be- trächtlicher Länge sind. Auch bei Polypterus ist die Länge der drei Carpalknochen nicht unbeträchtlich, doch sind hier nur die beiden äus- seren dem Vorderarm ansitzend , und das mittlere breilere Stück ist in deren Winkel eingefügt. Von diesem Zustande zeigen die übrigen Fische, wie die Selachier**), nur geringe Abweichungen. *) Vor der Arliculalion des Coracoideums mit dem Brustbeine verbindet sich mit erslerem noch ein glattes, zwischen die Classe der Epislernalknochen eingescho- benes Knochenstück, welches mit der Knorpelplatte des Coracoideums der Saurier für homolog zu erachten und als Epicoracoideum bezeichnet ist. **) Der Carpus in der Brustflosse der Haie besteht aus derselben Zahl von Knor- pelstücken, die sämmtlich an ihrem Ende verbreitert sind. Diese drei Carpalstücke sind auch bei den Rochen vorhanden, und zeigen sich an jener Stelle eingefügt, wo das Scapularstück an den unteren Verbindungsbogen, die Clavicula, gränzt. Das vor- dere, dem hinteren Carpalknorpel der Haie homologe Stück krümmt sich im Bogen nach vorwärts und erreicht zuweilen das Ende eines Knorpelfortsatzes des Schädels, mit dem es verbunden wird , und in gleicher Weise bildet auch das hintere einen Extremitäten. ' 431 Die Strahlen der vorderen Extremität werden aus den zumeist viel- fach gegliederten Metacarpo-phalangeal-Stücken (Fig. '121. h) dargestellt, welche gegen das Ende hin sich noch theilen können , und dadurch die Fläche der Extremität um Beträchtliches vergrössern *.) Der erste Strahl wird häufig durch einen Stachel dargestellt, der, wie bei vielen Welsen, in einem Gelenke fixirt werden kann, und dann den Thieren als Waffe dient. Ausser den Rochen ist auch unter den Knochenfischen die Zahl und Entfallung der Metacarpo-phalangeal-Radien zuweilen eine bedeu- tende, so namentlich bei den Flugfischen (Exocoetus , Dactyloplerus) und Arten aus der Familie ^der Cataphracten. Unter den letzteren sind be- sonders die Triglen anzuführen, bei denen die drei untersten Strahlen der im Allgemeinen sehr grossen Brustflosse von den übrigen losgelöst sind, und als vielgliedrige , zart auslaufende Anhänge sich darstellen**). Die Knochen der vorderen Extremitäten sind unter den Amphi- bien, denen sie nicht vollständig fehlen, durch ihre Längenentwicklung vor denen der Fische ausgezeichnet, so dass sich hier die oben angeführ- ten Abschnitte unterscheiden lassen, und auch eine wirkliche äussere Gliederung der ganzen Extremität in die vom Scelete vorgebildeten Ab- schnitte hier zum erstenmale unter den Wirbellhieren möglich wird. Sehen wir von den verschiedenen Längen-, Dicke- und Krümmungs- verhältnissen der einzelnen Stücke ab, so haben wir für die Batrachier vorzüglich die Verschmelzung von Radius und Ulna zu einem Knochen- stücke hervorzuheben. Der darauf folgende Carpalabschnitt besteht aus einer wechselnden Zahl von bald knorpelig bleibenden, bald verknöcher- ten Stücken, die in 2 oder 3 Reihen hinter einander liegen und an welche die etwas längeren Melacarpusknochen sich anschliessen. Die Zahl der Phalangen, welche auch jene der Metacarpusstücke bedingt, ist 3 — 4, letztere bei den Fröschen und Salamandrinen , erstere bei manchen Pe- rennibranchiaten. Bei den Reptilien finden sich besonders durch die Umwandlung der vorderen Extremität zu einem Ruderorgan einige Modificationen , die, abgesehen von der Verkürzung von Ober- und Unterarm, wie sie bei den Enaliosauriern sich findet, noch durch eine gleichmässigere nach rückwärts verlaufenden Bogen, der nicht selten bis zur Bauchflosse gelangt, das mittlere, kürzeste Stück legt sich meist dem vorderen an , und trägt an seinem äusseren Rande einen Theil der Flossenstrahlen , deren grösste Menge ans vordere und hintere Carpalstück angefügt ist. *) Die Vereinigung des Metacarpal- Abschnittes der Extremität mit den Phalan- gen, so dass zwischen beiden keine bestimmte Gränze besteht , ist mit Ausnahme von Polypterus , bei allen Fischen die Regel. Nur bei dem genannten Ganoiden sind zwischen die eigentlichen Flossenstrahlen und die Carpalknochen 17 cylindrische in einer Reihe neben einander liegende Knochenstücke eingeschaltet, die als Metacar- pus zu deuten sind, und eine Annäherung an höhere Extremitätenbildung vermitteln. **; Bei den Dipnoi [Lepidosiren) wird die Brustflosse in ihrem Metacarpo -pha- langeal-Abschnitte nur durch einen zugespitzt endenden Knorpelanhang repräsentirt. 432 Vertebralen. Bildung derCarpal- und Metacarpalstücke, sowie auch der Phalangen ausgedrückt sind. — Ulna und Radius erscheinen immer als getrennte Stücke, sind aber bei einigen unbeweglich mit einander verbunden, oder auch eine Strecke weit verwachsen (Schildkröt n). Die Knochen des Car- pus sind immer in zwei Reihen gelagert, ihre Anzahl aber variirt. Die Metacarpalstücke sind verhältnissmässig kurz, und in ihrem Vorkommen nach der Zahl der Finger sich richtend , die gewöhnlich zwar fünf ist, allein bei manchen Sauriern bis auf zwei herabsinken kann. Die Zahl der Phalangenstücke bietet noch grössere Schwankungen dar. Die Vorderextremität der Vögel ist durch die Umbildung zu einem Flugorgan mehreren Modificationen unterworfen , die vorzüglich in der Verschmelzung oder Reduction der je einem Abschnitte angehörigen Fig. 122. Knochenstücke sich ausdrücken. Der Humerus (Fig. 122. h) ist in der Regel von gleicher Länge mit dem Vorderarm , und letzterer durch eine starke, häufig gebogene Ulna (u) ausgezeichnet. Der Carpus wird aus 2 Knochenstücken (c. c) zusammengesetzt, von denen das eine dem Ra- dius, das andere der Ulna verbunden ist. Reide articuliren mit dem aus zwei längeren, an beiden Enden verschmolzenen Stücken zusammen- gesetzten Metacarpus (Fig. 122. m). Gewöhnlich sind nur drei Finger vorhanden ; der Daumen (p) , aus 1 — 2 Phalangen gebildet, sitzt nahe an dem oberen Ende des vorderen inneren Metacarpusstückes, ein zweiter, aus 2 — 3 Phalangen zusammen- gesetzter Finger (//) , ist die Fortsetzung des ganzen Metacarpus , und neben diesem ist in der Regel noch ein dritter , aus nur einem Knöchel- chen gebildeter Finger [p") angefügt*). Bei den Säugethieren haben wir wieder die der Function paral- lelgehende Umbildung der einzelnen Knochen zu berücksichtigen , und können vor Allem die bei der Flossenbildung auftretende Verkürzung der- selben erwähnen. Damit gewinnen zugleich die Knochenstücke an Rreite, Fig. 122. Vordere Extremität von Ciconia alba. h. Humerus. u. Ulna. r. dius. cc'. Carpalknochen. m, Metacarpus. p p p" . Phalangen der Finger. Ra- *) Bei den Laufvögeln (Casuarius , Apteryx) ist nur ein einziger Finger vorhan- den. Der Daumen wird auch bei anderen rudimentär, so z.B. bei Aptenodytes, dessen gesammte Vorderextremität ihrer Bedeutung als Ruderorgan entsprechend durch eine bedeutende Breiteentvvicklung der Knochen ausgezeichnet ist. Extremitäten. 433 Fia. v. die ganze Extremität an Flächenentfaltung. Eine ähnliche Verkürzung der Knochen, zugleich mit Bildung zahlreicher Vorsprünge, zur Insertion starker Muskeln, erscheint bei der Umbildung zu Grabfüssen, wobei je- doch die im vorigen Falle geringe Beweglichkeit der einzelnen Stücke gegen einander in höherem Maasse besteht. Andere Gebrauchsweisen zum Gehen , Laufen und Fliegen lassen eine vorzugsweise Längenentfal- tung auftreten, die sich mit Ausnahme der Carpalknochen auf alle übrigen Bestandteile der Extremität ausdehnen kann. Der Humerus der Säugethiere ist in der Regel röhrenförmig, gerade, und steht bezüglich seiner Länge in umgekehrtem Verhältnisse zu den Metacarpusslücken. Sehr kurz ist er bei den Wal- thieren, vielen Pachydermen, den Wiederkäuern und Einhufern. Einen breiten, fast viereckigen Knochen stellt er beim Maulwurfe dar (Fig. 123. AhB), sowie auch die grabenden Edentaten von der allgemeinen Form abweichende Bildungsverhältnisse zeigen. Lang, dünn und etwas gebogen erscheint er bei den flat- ternden und fliegenden Säugethieren, bei denen auch die beiden Vorderarmknochen durch ihre Länge ausgezeichnet sind. Die Ulna übertrifft den Radius gewöhnlich an Länge, indem ihr hinteres Ende in das, bei den Säugethieren typische Olecranon sich fortsetzt, wird aber auch häufig an ihrem vorderen Ende rudimentär, wie bei Einhufern und Wieder- käuern, und kann sogar auf einen dünnen, unter dem Radius gelegenen Griffel reducirt sein, wie bei Fledermäusen*) und fliegenden Makis. In gleichem Grade mit der Rück- bildung der Ulna ist der Radius entwickelt. Die Knochen der Handwurzel sind immer in 2 Reihen angeordnet, und wie in den Reptilien an Zahl (von 5 — \\) und Form variirend**). Die Mittelhandknochen entsprechen im Allgemeinen der Zahl der Finger, Fig. 123. Vordere Extremität von Talpa europaea. sc. Scapula. c. Clavicula. h. Humerus. r. Radius, u. Ulna. c. Carpus. m. Metacarpus. x. Accessorischer Car- palknochen. B. Humerus von der Fläche gesehen. *) Dieser Verkümmerung der Ulna entspricht dann das Vorkommen einer Patella brachialis, welche das fehlende Olecranon vertritt. **) Die geringste Zahl besitzen die Chiropteren , dann folgen Edentaten, Einhufer und Wiederkäuer. Bei den Affen und Nagethieren ist die Anzahl in der Regel 8, wie beim Menschen, doch kommen vielen Nagern Verschmelzungen einzelner Stücke zu. (häufig ist das os naviculare mit dem lunatum vereinigt), was auch bei den meisten Carnivoren und Insectivoren sich wiederholt. Die grössle Zahl Handwurzelknochen ist beim Maulwurfe vorhanden; nämlich 5 in jeder Reihe, und ausserdem noch ein dem Radialrande eingefügter grosser, sichelförmiger Knochen, durch den die Handfläche um Ansehnliches vergrössert wird. Gegenbaur, vergl. Anatomie. 28 434 Vertebraten. ausgenommen sind die Wiederkäuer, bei denen zwei Metacarpalstücke sich zu einem Knochen vereinigen. Bei den meisten sind fünf neben pj0 124 einander gelegene Metacarpalstücke vorhanden, die bei vielen Pachydermen auf drei oder vier reducirt sind ; zwei äussere sind dann kleiner und schwächer, den mittleren stärkeren nur an der Hinterseite ange- legt (Schwein). Bei den meisten Wiederkäuern tritt zu der vorhin erwähnten Verschmelzung der beiden mittleren Metacarpen , noch eine bedeutende Verküm- merung der seitlichen, die dann als » Griffel beine« bezeichnet werden. Es kommen die letzteren auch an der Hinterseite des einzigen ausgebildeten Metacar- pusstückes der Einhufer vor und sind hier meist be- trächtlicher als bei den Wiederkäuern entwickelt*). — Die Zahl der Finger ist bei der grössten Mehrzahl fünf, und nur bei den vorhin angegebenen kommen, den Reductionen der Mittelhand entsprechend , geringere Zahlen vor. Es besteht jeder Finger in der Regel aus 3 Phalangen, den Daumen ausgenommen, wel- cher nur zwei, oft sogar nur ein einziges Stück besitzt**). — Der Becken gürtel der Wirbelthiere wird jederseits aus drei Stücken hergestellt, welche denen des Schultergürtels homolog erscheinen, die Verbindung mit der Wirbelsäule vermittelt das Darmbein [os Ilei), das Homologon der Scapula; den unteren Schluss bringen zwei Knochen zu Stande, die den beiden Schlüsselbeinen des Brustgürtels homolog sind, und mit dem Darmbeine sich verbinden. Man bezeichnet sie als Schambein [os pubis) und Sitzbein (os ischii) , das erstere vor dem letzteren gelagert. Durch die Verbindung der Darmbeine mit einem Abschnitt der Wirbel- säule (dem Kreuzbein), sowie durch die Vereinigung der Scham- oder Sitzbeine unter einander kommt ein geschlossener Knochenring zu Stande, der eben das Becken darstellt, und in mannichfalliger Ausbildung bis zur Auflösung in seine einzelnen Knochenstücken vorkommen kann. Der Beckengürlel wird zur Stütze der hinteren Extremität, indem sich dieselbe an der Vereinigung der drei typischen Stücke durch Gelenk- verbindung ihm einfügt. Wie die ganze Ausbildung des Wirbelthierkörpers von vorne nach hinten erfolgt, und die vordersten Abschnitte der Wirbelsäule nicht nur Fig. 124. Vordere Extremität eines jungen Delphin, s. Scapula. h. Humerus. r. Radius, c. Garpus. m. Metacarpus. p. Phalangen. *) Drei Metacarpalstücke besitzen die Palaeotherien, sowie Rhinoceros, vier aus- ser den Schweinen noch Hyrax, die Tapire und das Nilpferd, fünf die Elephanten. **) Eine beträchtliche Längenentwicklung zeichnet die Phalangen der Fledermäuse aus. Die Zahl der Zehen ist in der Ordnung der Edentaten am meisten variabel, bei denselben kommt auch eine Reduction der Zehenglieder vor. Eine Vermehrung der Phalangen trifft sich an der flossenartig gebildeten Hand der Walthiere. Extremitäten. 435 die früher entwickelten, sondern auch die mannichfaltiger modificirten sind, so ist auch der dem hinteren Abschnitte der Wirbelsäule angehö- rige Beckengürlel in den unteren Glassen der Wirbelthiere nicht nur einzelner, bei den oberen Classen integrirend gewordener Bestandteile entbehrend, sondern kann auch vollständig verloren gehen. Er fehlt gänzlich vielen Fischen {Pisces apodes) , unter den Amphibien den Coecilien, und bei den Reptilien vielen Schlangen. Aber auch da, wo er vorhanden ist, wird er in den unteren Repräsentanten jener Clas- sen nur durch Rudimente dargestellt, die in der Regel eine Verbindung mit der Wirbelsäule entbehren. Als solche Beckenrudimente erscheinen bei den Fischen zwei, am Bauche dicht neben einander gelagerte, meist sogar miteinander verbun- dene Knochenstücke, die man als die Homologa von Schambeinen ansieht. Sie funetioniren als Träger der Bauchflossen und sind nur lose in den Muskelmassen eingebettet, ohne Zusammenhang mit bestimmten Theilen der Wirbelsäule. Der Mangel einer typisch fixirlen Lage dieser Becken- rudimente erklärt auch die grosse Volubilitäl der Oertlichkeit ihres Vor- kommens, so dass sie bald an der Brust, bald sogar an der Kehle liegen, während sie bei anderen weiter nach hinten angebracht sind, woraus dann die verschiedenen Stellungen der Bauchflossen resultiren*). Bei den Selachiern den Chimären und Ganoiden liegen sie stets hinten am Bauche, und erscheinen bei ersteren als zwei quere, durch Bandmasse verbundene Knorpelstücke, welche bei den Rochen eine bogenähnliche Form und beträchtliche Grösse besitzen**). Solche freie Beckenrudimente sind auch bei manchen Schlangen vorhanden , und auch unter den Säugethieren gibt es ähnlich verküm- merte Becken bei den Cetaceen. Eine höhere Form erreicht das Becken bei den Amphibien. Die meist schmalen Darmbeine verbinden sich mit den Querfortsätzen eines Wirbels (des Kreuzbeinwirbels) und treten mit einer flachen, den ver- schmolzenen Scham-Sitzbeinen entsprechenden Knorpel- oder Knochen- platte in Verbindung die bei den Salamandern in der Mitte gelheilt ist***). *) Man bezeichet nach der verschiedenen Stellung der Bauchflossen die Fische als P. jugulares, Kehlflosser, P. thoracici, Brustflosser und P. abdominales, Bauch- flosser. **) Der Beckenknorpel der Rochen entspricht seiner ganzen Ausdehnung zufolge wohl meist einfach einem Schambeine, und das über die Insertion des sogenannten Tarsus sich nach oben fortsetzende Stück ist einem Darmbein vergleichbar. — Bei Lepi dosiren ist das Becken durch einen unpaaren Knorpel repräsentirt, der nach vorne zu Fortsätze ausschickt, und einem Scham -Sitzbeinknorpel homolog erachtet wird. Es nähert sich diese Bildung jener der Perennibranchiaten und Salamander. ***) Sowohl bei diesen, als auch bei Siredon setzt sich der Vorderrand der Beckenplatte in einen gabelig getheilten Knorpel fort, der mit einer von Lepidosiren erwähnten Bildung übereinkommt und als Analogon der Beutelknochen der Marsu- pialia gedeutet worden ist. 28* 436 Vertebraten. Eine eigenthümliche Form des Beckens kommt bei den Batrachiern vor', indem die langen und schmalen Hüftbeine (Fig. 125. il) an ihrem hinteren Ende sowohl unter einander als auch mit Fig. -l 25. den Sitz- und Schambeinen zu einer senkrecht ste- henden Scheibe (Fig. 125 is) verschmelzen, an welcher seitlich dasGelenk für den Oberschenkel angebracht ist. Mit Ausnahme der schlangenähnlichen Saurier, deren Becken durch ein, einem Wirbel angeheftetes rudimentäres Hüftbeinstück repräsentirt wird, zeigt sich bei den übrigen mit Extremitäten versehenen Beptilien eine grosse Uebereinstimmung , indem die drei Knochenstücke vollkommen entwickelt sind, und Scham- und Sitzbein sich unten mit einander- verbinden. Die Hüftbeine sind meistentheils schmal und legen sich mehr an ihren oberen Enden an die Querfortsätze zweier Kreuzbein wirbel, sind aber noch mit einer, besonders bei Chamäleon entwickelten Knorpelleiste versehen, welche wie eine Wiederholung der Suprascapularknorpel sich darstellt. Bei den Cro- c odilen erscheint Scham- und Sitzbein jederseits durch ein einziges , gegen den eine Symphyse eingehenden Band ver- breitetes Knochenstück dargestellt, vor dem noch ein starker, nach vorne Fig. 126. convergirender Knochen gelagert ist*). Wo Scham- und Sitzbeine als getrennte Knochenstücke bestehen, sind die von ihnen gebildeten Symphysen entweder durch Band- oder Knochenmasse mit einander ver- einigt, so dass zwei eirunde Löcher entstehen. Die Bildung von Sitz- und Schambeinsymphysen ist am Becken der Vögel wieder zurückgetreten, und nur beim Strausse (Struthio cameh/s) sind die beiden Schambeine unter einander vereinigt**). Es ergeben sich für das Vogelbecken auch ausser dieser Oeffnung nach vorne noch verschiedene Eigenthümlichkeiten, von denen die langen, an der Wirbelsäule nach vorne und oben sich erstreckenden Hüftbeine, die von Fig. 125. Wirbelsäule und Becken des Frosches, tr. Querfortsätze, s. Kreuz- beinwirbel, c. Steissbein. iL Hüftbein, is. Sitzbein, f. Femur. Fig. 126. Becken \oviNumi da meleagris. iL Hüftbein, is. Sitzbein, p. Schambein. *) Diese als Schambeine der Crocodile betrachteten Knochen nehmen auch kei- nen Antheil an der Bildung der Gelenkpfanne für den Oberschenkel, sind unter sich durch eine breite Sehnenhaut verbunden, von der oben ein als ßauchsternum be- schriebener Strang entspringt, und können aus diesen Gründen hier den vom Becken der Salamander u. s. w. abgehenden Knorpeln , oder den Beutelknochen der Marsu- pialia verglichen werden. **) Bei Rhea americana verschmelzen auch die langen, dem Kreuzbeine angelegten Sitzbeine mit ihrem unteren Ende (Tuber ossis ischii) unter einander, bilden aber Extremitäten. 437 diesen nach hinten absteigenden Sitzbeine, und die schmalen vom Hüft- gelenke aus den Sitzbeinen grösstenteils anliegenden und hinten die- selben überragenden Ossa pubis (Fig. 126. p) anzuführen sind. In jün- geren Thieren sind diese Knochen von einander getrennt, später jedoch verwachsen sie sämmtlich so unter einander, dass das gesammte Becken nur aus einem einzigen Stücke besteht. Die vorderen flachen Enden der Hüftbeine verbinden sich häufig unter einander und mit den Dornfort- sätzen der Wirbelsäule zu einem senkrechten Kamme , und der hintere Abschnitt des Hüftbeins stellt mit seiner concaven Innenfläche den gröss- ten Theil des Beckengrundes her. Seitlich von letzterem liegen die Sitz- beine , die häufig mit ihrem hinteren Innenrande den Hüftbeinen ver- wachsen. Die Schambeine begränzen mit ihrem Verlaufe längs des Sitz- beines nur ein schmales, spaltartiges foramen ovale, und sind hinter diesem häufig mit den Sitzbeinen verwachsen, und mit ihren Enden gegen einander gekehrt*). Annäherungen an die Beckenform der Vögel bestehen bei den Säuge- thieren noch bei mehreren Edentaten, und werden durch die Verwach- sung des Sitzbeines mit dem Kreuzbeine, sowie durch die la ge Form der Hüftbeine und deren Verwachsung mit einer grösseren Strecke der Wirbel- säule ausgedrückt. Eine sehr weite hintere Beckenapertur ist die Folge dieser Bildung. Auch die Knochen je einer Beckenhälfte verwachsen bei den Säugethieren sehr bald zu einem einzigen Stücke, wovon nur die Monotremen ausgenommen sind, bei den übrigen Säugethieren ist eine typische Beckenform durch den ventralen Verschluss des Knochengürtels, sowie durch die Längenentwickelung der meist mit mehreren Wirbeln (2 — 9) in Verbindung stehenden Hüftbeine ausgedrückt, und durch letz- teres Verhältniss ebenso von dem Becken Fl§- 127' lg' ' der Reptilien unterschieden, wie die er- stere Eigenschaft als Unterschied gegen das Becken der Vögel besteht. Der ven- U trale Schluss des Beckens kommt in der Regel durch die Schambeinsymphyse zu Stande , die nicht selten durch die Theil- nahme der Sitzbeine vergrössert wird. Mit einer solchen Scham -Sitzbein -Symphyse sind sowohl die Pachydermen , Einhufer, Wiederkäuer, als auch die meisten Nager, Fig. 4 27. Becken des Maulwurfs. Fig. 128. Becken von Procyon lotor. U. Ileum. is. Sitzbein, p. Schambein. Schwanzwirbel. durch ihre Lage die hin ter e Beckenwand , so dass diese Art der Vereinigung nicht wohl mit jener bei Säugethieren (Beutellhieren , Nagern , Hufthieren) getroffenen ver- glichen werden kann, sich vielmehr enge an die der übrigen Vogelbecken anschliesst. *) Die Verschiedenheiten, welche die einzelnen Beckenformen der Vögel dar- bieten , sinuWorzüglich in einer grösseren Breite oder Lange dieses Scelettheils aus- 438 Vertebraten. einige Carnivoren und Beutellhiere versehen, wodurch zugleich eine Verlängerung des Beckens bedingt wird. Die Symphyse wird entweder durch Bandmasse hergestellt*) , oder es tritt ein wirkliches Verwachsen der Schambeine ein, wie solches bei den Hufthieren nicht selten sich trifft. Auch die Vereinigung der Hüftbeine mit dem Kreuzbeine bietet mannich- fache Zustande dar, doch ist die Verbindline; Fig. 4 29. ° mittelst Faserbandmasse als die Regel anzu- sehen. Vor den Schambeinen liegen bei Monotre- men und Beutelthieren auch noch zwei beson- dere , schräg oder gerade nach vorne gerichtete Knochenstücke (ossa marsiipialia) (Fig. 129. m), welche ihre wenn auch weniger entwickelte Ho- mologa auch in den unteren Glassen derWirbel- thiere besitzen**). Die andern Beckengürtel befestigten Scelettheile der hinteren Ex- tremitäten erscheinen als Wiederholungen jener der vorderen, und sind nur da, wo die Extremität eine von der vorderen verschiedene Function besitzt, verschieden von dieser gestaltet. — Andere Unter- schiede treffen wir vorzüglich in der Art der Verbindung der einzelnen Abschnitte an , indem bei vorhandener deutlicher Gliederung der den Körper tragenden Extremitäten die Winkel der Hauplgelenke an beiden Gliedmaassen einander entgegengesetzt sind. Die einzelnen Abschnitte werden durch Femur, Tibia und Fibula, Tarsus, Metatarsus und dann die Phalangen dargestellt. Des Fehlens der Extremität ist schon oben bei der Besprechung des Beckens Erwähung gethan. Bei den Fischen sind die Bauchflossen mit ihren strahligen Stützen entweder direct den als Beckenrudimente beschriebenen Knochenstücken angefügt [Teleostei] , oder sie sind mittels besonderer Tarsalstücke damit in Verbindung (Polypterus. Chimaera) , oder endlich theils direct am Beckengürtel, theils an besonderen, davon entspringenden Knorpel- stücken befestigt (Selachiern). Fig. 4 29, Linke Beckenhälfte von Echidna von innen gesehen (nach Owen). m. Beutelknochen. gedrückt. Lang und schmal ist das Becken derStrausse, daran schliesst sich jenes der Schwimmvögel. Bei den Raubvögeln ist es beinahe noch doppelt so lang, als breit. Eine grössere Breite gibt sich am Becken der Stelzvögel kund, und bei den Tauben, vielen Kletter- und Hühnervögeln kommen beide Dimensionen fast einander gleich. *) Sehr entwickelt ist diese Bandmasse beim Maulwurfe und bei Fledermäusen, welche durch eine unvollständige Symphyse ausgezeichnet sind. Bei Pteropus Ed- wardii klaffen die Schambeine sogar gegen % Zoll. Die Beckenhälften sind dann gegen einander verschiebbar. **) Vergl. hierüber Anmerk. pag. 4 35, Extremitäten. 439 Unter den Amphibien zeigt sich die hintere Extremität in sehr verschiedenem Ausbildungsgrade, Tibia und Fibula sind bei den ge- schwänzten Amphibien stets getrennte Knochen , bei den Ungeschwänz- ten dagegen zu einem Stücke verschmolzen , der Tarsus bleibt häufig knorpelig , zwei Stücke derselben , dem Calcaneus und Astragalus der höheren Wirbelthiere homolog, sind bei den Fröschen zu massig langen Röhrenknochen entwickelt, die sogar theilvveise mit einander ver- wachsen. Die ausgebildete Hinterextremität der Reptilien lässt nichts be- sonders bemerkenswerthes erscheinen, und reiht sich an jene derSäuge- thiere an ; ein oder zwei Fusswurzelknochen zeichnen sich durch ihre Grösse von den übrigen aus, und entsprechen dem Calcaneus und Astra- gaeus. Bei den schwimmenden Formen : Enaliosauriern und Seeschild- kröten ist sie mit der vorderen Extremität übereinstimmend. Am meisten von der vorderen Extremität ist die hintere der Vögel unterschieden. Am Unterschenkel ist in der Regel nur ein Knochen — die Tibia (Fig. 130 a) — ausgebildet, indess der andere — Fibula — als ein nur eine Strecke weit dem ersteren anliegendes rudimentäres Stück erscheint. Häufig ist Tibia (b) und Fibula (&') verwachsen. Der Tarsal- und Metatarsalabschnitt wird nur durch einen grösseren Röhrenknochen (c) dargestellt, der gewöhnlich als Lauf (Tarsus) bezeichnet wird, und bei Vorhandensein eines Daumens noch ein kleines Knochenstückchen an der Innenseite seines unteren Endes anliegen hat. Dasselbe Ende spaltet sich regelmässig in drei rollenförmige Fort- sätze für eben so viele Zehen. Ist noch eine vierte Zehe vorhanden, so fügt sie sich an das kleine Tarsalstück an. Die Zahl der Phalangen der 3 — 4 Zehen nimmt von der ersten bis zur vierten derart zu , dass während die erste Zehe zwei, die letzte fünf besitzt*). Ausser verschiedenen Grössenverhältnissen bietet der Oberschenkel der Säugethiere nichts allgemein wich- tiges. Am Unterschenkel ist die Fibula häufig rudimen- tär, und dann sogar zum Theile der Tibia verwachsen. Bald ist die obere Hälfte entwickelt (Einhufer) , bald die untere (Wieder- käuer). Eine Patella scheint nur wenigen Beutelthieren zu fehlen , und dann wird ihre Stelle durch einen von der Fibula ausgehenden Fortsatz, Fi« 130. Hintere Extremität eines Vogels (Falco buteo). a. b'. Tibula. c. Tarsus, d d' d" d' Zehen, c. Tarsus von vorne. Femur. b. Tibia. *) Nur drei Zehen sind bei manchen Schwimmvögeln, sowie bei den meisten Laufvögeln, mit Ausnahme der Gattung Struthio vorhanden. Es fehlt bei diesen der Daumen und die vorhergehende Zehe, bei den vorigen nur der Daumen. 440 Vertebraten. einem Olecranon vergleichbar, ersetzt, sowie auch an der vorderen Ex- tremität diese beiden Scelettheile in einem sich ausschliessenden Ver- hältnisse stehen, und auch dadurch ihre Homologie bekunden. Von den Fusswurzelknochen sind gewöhnlich zwei stärker entwickelt (Astragalus und Calcaneus) ; bei einigen Lemuren ist Fersenbein und Kahnbein so ausserordentlich verlängert, dass sie für sich einen grösseren Abschnitt der hinteren Gliedmassen '''-' darstellen. Der Mitlelfuss zeigt entsprechende Verhält- nisse, wie die Mittelhand, es treffen sich für beide die- selben Reductionen der Kno- chen auf 4 , 3 und 2 , ja so- gar auf Ein Stück, welche damit immer der Zahl der Ze- hen entsprechen (vergl. Fig. 131 u. 132). Eine auffallende Bildung zeigen die Spring- mäuse (Dipus), deren innere und äussere Metatarsalkno- chen völlig rudimentär sind, indess die drei mittleren zu einem langen , unten mit 3 Rollen geenndigten Knochenverschmolzen sind. Die Phalangenstücke der Zehen stimmen mit jenen der Finger überein. §. 43. e) Vom Kopfs celete. Der vordere Theil des Rückgrates des Rumpfes setzt sich in einen, das Gerüste des Kopfes darstellenden Scelet-Abschnitt fort, welchen man als Schädel bezeichnet. Wie die Wirbelsäule den Rückenmarkscanal aufgelagert und umschlossen hält, so bildet auch der Schädel eine Höhle als Fortsetzung des Rückenmarkscanais, und gleich diesem Cen- iralorgane des Nervensystems, und zwar die wichtigsten umschliessend. Somit kommt der Schädel nicht allein in seiner Bedeutung als Stütz- apparat eines Körpertheiles , sondern auch in seinen Beziehungen zum Nervensystem mit der Wirbelsäule überein, und ergibt sich als der vorderste höher entfaltete Abschnitt der soliden Achse des Körpers. Es theilt der Schädel mit dem Rückgrate auch die wesentlichsten Fig. 131. Hinterfuss vom Hasen, c. Fersenbein, t. Sprungbein, c. Würfelbein. p. Phalangen. Fig. 132. Hinterfuss von A. Rh i nocero s. B. Bos. C. Equus (nach Owen). ti. Tibia. a. Sprungbein, cl. Fersenbein, mt. Metatarsus. xx. Griffelbein. pp'p". Pha- langen. Kopfscelet. 441 anatomischen Charaktere. Ist letzterer nur durch eine Knorpelreihe dar- gestellt, so erscheint auch der Schädel ganz oder doch seiner Grundmasse nach aus demselben Materiale gebaut, und da, wo am Rückgrate eine Glie- derung durch Trennung in discrete Wirbel sich ausspricht, offenbart sich an der Schadelkapsel eine ähnliche Erscheinung. Der Schädel der niederen Wirbelthiere , wie auch der embryonale Schädel der höheren besteht seiner Hauptmasse nach aus einer knorp- lichen, nach einem gewissen Typus gebildeten Kapsel, dem Urschädel oder Primordia leranium. Bei höher stehenden Thieren bildet sich der knöcherne Schädel an und aus dem knorpeligen Primordialcranium auf eine doppelte Weise : 1) Es entstehen in den Wänden der Knorpelkapsel Ossifikationen , die weiterschreitend bestimmte Parthien der letzteren in bestimmte Knochen umwandeln. 2) Durch einen von dem Perichondrium des Primordialschädels aus- gehenden Verknöcherungsprocess bilden sich gleichfalls besondere Knochenstiicke , die niemals knorpelig präformirt waren, und nur insofern auf das Primordialcranium sich beziehen, als das sie er- zeugende Blastem eine directe Umhüllung des letzteren bildet und mit ihm in continuirlichem Zusammenhange steht. Desshalb muss auch dieses als integrirenden Bestandteils des Primordialcraniums gedacht werden*). Die auf solche doppelte Weise entstandenen Knochenstücke setzen das knöcherne Kopfscelet zusammen, und dienen theils zur Umschliessung des Gehirnes und der höheren Sinneswerkzeuge, die eigentliche Schädel- kapsel vorstellend, theils bilden sie das feste Gerüste für den Eingang des Darmrohrs, und erscheinen somit als Eingew eidescel et. Die Anordnung und gegenseitige Lagerung der einzelnen Knochen- stücke des Schädels zeigt bei den verschiedenen Abtheilungen der Wir- belthiere , ungeachtet zahlreicher , auf bestimmte Gruppen beschränkter Eigenthümlichkeiten dennoch einen gewissen Plan, der je nach der grösseren oder geringeren Beständigkeit in Wiederkehr der betreffenden Anordnungen in verschiedenem Grade deutlich ausgedrückt ist. Von sol- *) Sowohl aus dem genannten Grunde, mehr aber noch aus der innigen Ver- wandtschaft der beiden, die einzelnen Stücke des Schädels erzeugenden Gewebe (Knorpel- und Bindegewebe) werden die zwischen Reichert und Köllikerbe- züglich der Schädelentwicklung bestehenden Differenzen völlig ausgeglichen. Die Frage nach der Gewebsqualität der ersten Anlage des Schädels wird für die Anschauun- gen der Entwickelung des letzteren bedeutungslos, wenn wir bedenken, dass selbst, der Knorpel nicht direct in Knochen sich umwandelt, sondern zuvor die Stufe des Bindegewebs durchläuft, wie durch H. Müller neuerdings wieder gezeigt ward. Ausführliches über die Lehre vom Primordialcranium vergl. Reichert, Ver- gleichende Entwicklungsgeschichte des Kopfes der nackten Reptilien. Königsberg 1838. Kölliker, Zweiter Bericht von der kgl. Zootom. Anstalt zu Würzburg. 4849. Reichert in Müll. Archiv 1852. p. 521. 442 Vertebraten. chen Organisationsverhältnissen ist vor Allem die an der eigentlichen Hirnkapsel wahrnehmbare Gliederung hervorzuheben, nämlich die That- sache, dass eine Anzahl von Knochenstiicken sich in derselben Weise zu einander gelagert zeigt, wie die Elemente der Wirbel am Rückgrate. Es lassen sich so am knöchernen Hirnschädel mehrere hinter einander ge- legene Segmente unterscheiden, welche in Gestalt und Zusammensetzung einzelnen Wirbeln entsprechen, indem sie wie diese aus einem unpaaren, einem Wirbelkörper homologen Basalstücke , aus zwei seitlichen Bogen- stücken und endlich aus oberen (paarigen oder unpaaren) Schlussstücken bestehen. Der hinterste Wirbelabschnilt des Schädels schliesst sich an den vordersten Wirbel des Rückgrates an, er ist zugleich der den Wirbel- typus am deutlichsten offenbarende, während die vor ihm gelegenen den Wirbelcharakt:r immer undeutlicher werden lassen, so dass er in den vor- dersten Abschnitten gänzlich erloschen ist. Diese schon von P. Frank geahnte, aber erst von Oken aufge- stellte, wenn auch in ihrem Detail nicht zum völligen Abschluss gebrachte Theorie von der Zusammensetzung des Schädels aus Wirbeln wirft ein helles Licht auf die ganze morphologische Bedeutung dieses Körperlheiles und vervollkommnet die Erkenntniss des Planes vom gesammten Wirbel- thierscelete, welches wir also in seinen Achsentheilen, dem Rückgrate und dem damit verbundenen Schädel aus homologen Segmenten zusam- mengesetzt uns vorstellen müssen. Die Verschiedenheit, welche die in die Schädelbildung eingehenden WTirbel von jener des Rückgrates aufweisen, sind wesentlich quantitati- ver Natur, und werden durch die höhere Redeutung dieses, das Gehirn und die Sinnesorgane umschliessenden Sceletabschnittes hinreichend aufgeklärt, so dass wir sie jenen Unterschieden parallel gehend ansehen können, die zwischen dem Rückenmarke und dem vorderen Theile des centralen Nervensystems, dem Gehirn nämlich , bestehen. — Die höhere Differenzirung der; vordersten Wirbel zu den Wirbelsegmenten des Schä- dels bedingt auch eine abweichende Rildung derselben in ihren Detail- verhältnissen und obgleich noch auf den Urtypus des Wirbels zurück- führbar, .erscheinen die einzelnen in sehr verschiedener Reziehung zu den benachbarten Theilen und verhalten sich heteronom. Die Zahl der Schä del vvirbel hat bis jetzt noch nicht definitiv festgestellt werden können , weil die vordersten Abschnitte des Schädels ihre* Redeutung als Wirbel verloren. Es können völlig bestimmt nur drei Schädel wirbel unterschieden werden, zu denen noch ein vierter hinzukommt, dessen Plan jedoch in der Regel so sehr verwischt ist, dass man die ihn zusammensetzenden Theile eben so gut einer anderen Gruppe von Knochen beirechnen könnte. Nicht alle am knöchernen Schädel wahrnehmbaren Knochenstücke kommen den Wirbelsegmenten zu, und erscheinen als Elemente der- selben. Es besteht vielmehr eine Anzahl von Knochen, die speciellere Beziehungen zu den Sinnesorganen aufweisen, und obwohl sie mit den Schädel. 443 Schädelwirbeln sich verbinden oder sich zwischen sie einkeilen, ausser- halb des Wirbelplanes liegen, und nur als Schaltknochen anzusehen sind. Ausser diesen finden wir mit dem Schädel besonders der höheren Wir- belthiere noch verschiedene Knochenstücke in Verbindung, welche ur- sprünglich einen Theil des Eingeweidescelets, den Kiefer-Gaumenapparat darstellend, nur dem Schädel angeheftet sind und erst später, in höherer Bildung mit letzterem in engere Beziehungen treten. Wir können uns demzufolge die Urform des Schädels als eine Kapsel vorstellen (Fig. >\33.a) „< an welche jederseits mittels eines beweglichen Stie— Fig. \ 33. D les (6) der Kiefer-Gaumenapparat (c, d) befestigt ist. Letzterer besieht aus zwei Schenkeln, einem oberen (c), den Oberkiefer-Gaumenapparat repräsentirenden, der später mit dem eigentlichen Schädel verbunden ge- troffen wird , und einem unteren , der in allen Fällen den Unterkiefer (d) bildet. Der bewegliche, ursprüng- lich beide Schenkel vereinigende Stiel , verbindet sich in aufsteigender Thierreihe immer vollkommen mit dem Schädel, und stellt, wenn der Oberkiefer-Gaumenapparat jene Verbindung schon eingegangen, nur noch den Träger des Unterkiefers vor, um schliesslich gleichfalls in den Schä- del überzugehen. Es bleibt dann auf der höchsten Stufe nur der Unter- kiefer als einziger mit dem Schädel beweglich verbundener Knochen. Fische, Beptilien und Vögel repräsentiren jene Abtheilung, bei wel- cher die Verbindung des ebengenannten Apparates mit dem Schädel noch nicht vollständig zu Stande kam, während der Säugethierschädel durch eine solche Verbindung sich auszeichnet. Wir unterscheiden also bei der vergleichenden Betrachtung des Schädels den eigentlichen die Hirnkapsel darstellenden Theil nebst den ihm angefügten Schaltknochen, sowie den Kiefer-Gaumenapparat, sammt dessen Suspensorium, welches bei den höheren Wirbelthieren die Schläfen- gegend bilden hilft. §. 44. Vom eigentlichen Schädel. Die Verbindung des Schädels mit dem Rückgrate findet in einer sehr verschiedenen mit dem Entwicklungsgrade der Wirbelsäule in Verbindung stehenden Weise statt. Der Schädel erscheint als eine unmittelbare Fort- setzung des Rückgrates, wo letztere aus einem ungegliederten die Chorda umschliessenden Knorpelrohre besieht, wie hei den Cyclostomen, den Stören und Selachiern*). Bei den Knochenfischen ist er mit der Wirbel- Fig. 133. Urtypus des Kopfscelets a. Schädelkapsel, b. Stiel des Kiefergaumen- apparates, c. Oberkiefer-Gaumenapparat, d. Unterkiefer. *) Beweglich mit dem Rückgrate articulirt der Schädel der Chimären und der Rochen. 444 Yertebraten. Säule auf dieselbe Weise verbunden, wie die einzelnen Wirbelsegmente unter sich, also immer noch unbeweglich, während bei allen übrigen Wirbelthieren zwischen Schädel und Rückgrat eine ArticuhUion besteht. Diese kommt durch Bildung von Gelenkköpfen am Schädel und Gelenk- verliefungen am ersten Halswirbel zu Stande. Einen Gelenkkopf [Condyltts occipitalis) besitzen Reptilien und Vögel, indesszwei für Amphibien und Säuge thiere charakteristisch sind. Die in die Bildung des knöchernen Schädels eingehenden Stücke sind nicht für alle Wirbelthiere in Zahl und Lagerung gleichmässig, denn wenn auch gewisse Verhältnisse derselben immer feststehend sind , so zeigt sich an einzelnen Knochen in den verschiedenen Glassen bald ein Zerfallen in mehre Stücke. Das Zusammentreten ist zwar in der Regel eine Folge späterer Entwicklungszuslände, und es sind die einzelnen Theile in den früheren Stadien getrennt, allein nicht selten tritt schon von Anfang an ein bei anderen Wirbelthierabtheilungen durch zwei oder mehr Stücke dargestellter Knochen nur in einem einzigen Stücke auf. Ist es auch in solchen Fällen möglich, darzuthun, dass ein bestimmter Knochen bei dem einen Thiere der Summe zweier in einem anderen Thiere entspricht, so darf doch das Auftreten neuer, in andern Classen der Homologien entbehrender Elemente nicht übersehen werden. Somit werden also die Eigentümlichkeiten der Schädelbildungen nicht nur in der verschiedenen Form und Verbindung der knöchernen Elemente, son- dern auch in dem Vorkommen oder Fehlen einzelnerTheile zu suchen sein. Der erste (hinterste) Schädelwirbel wird durch die Vereinigung von drei Knochen gebildet. Ein Os basilare entspricht dem Körper, sowie die beiden Occipüalia laterialia den seitlichen Bogenstücken, und endlich ein Occipitale superius ist dem Schlussstücke eines Wirbels homolog. Der zweite Schädelwirbel wird vom hinteren Keilbeinkörper, den hinteren Keilbeinflügeln und den Scheitelbeinen dargestellt, welch' letz- tere gleichfalls als Schlussstücke erscheinen. Den dritten setzen der vordere Keilbeinkörper, die vorderen Flü- gel und die Stirnbeine zusammen. Den vierten bildet als Basalstück das Pflugscharbein, welches seine Bedeutung als Wirbelkörper nicht undeutlich zu erkennen giebt, indess sich die Bogenstücke nur schwer nachweisen lassen. Als solche werden Theile des Ethmoideum angeführt, die bei den Fischen als vordere Stirn- beine gelten. Die Schlussstücke werden durch die Nasenbeine vorgestellt. Zwischen diese mit Wirbeln vergleichbaren Knochenparthieen fügen sich noch verschiedene andere Stücke ein, so namentlich zwischen dem ersten und zweiten Wirbel das Ospetrosum und mastoideum , mit denen bei den höheren Wirbelthieren noch Theile des Kieferapparales verbunden sind. An die vorderen Abschnitte schliessen sich die G es i ch l sk noch en an, welche zugleich mit Sinnesorganen in Beziehung stehen , und ihnen Schädel. 445 Fig. 134. theils zur Umhüllung, theils zur Anlagerung dienen; als solche führen wir an das Ethmoideam (zum Theile) , die ossa lacrymalia, prae- nasalia sowie die supraorbitalia und infraorbitalia. Unter den niedersten Fischen ist mit dem Mangel eines Gehirnes auch ein besonderer Schädel nicht vorhanden, und das aus der Chorda dorsalis gebildete Rückgrat setzt sich bei Amphioxus mit seinen und des ventralen Nervensystemes Umhüllungen nach vorne gleichmässig fort, um in ein spitzes Ende überzugehen. — Eine knorpelige oder zum Theil auch membranöse Schädelkapsel, in deren Basis die Chorda sich fortsetzt, besieht bei den Cyclostomen. Der Basilartheil dieses Schädels ist zum Theile verknöchert und geht seitlich in zwei den Felsenbeinen vergleich- bare Knochenblasen (Fig. 134. Bf) über, die das Gehörorgan umschliessen. Vorne setzensich von diesen zwei divergirende Schenkelfort, welche mit demsehr man- nichfaltigen Apparate der Gesichtskno- chen und Knorpel continuirlieh verbun- den sind, und zugleich den festenRahme des Gaumen- Schlundgewölbes {h—m) tragen. Nach hinten geht die Schädel- kapsel in das häutige Rückenmarksrohr und bei den Petromyzonten erstrecken sich vom Basilartheile des Schädels noch ein paar Knorpelleisten (e) nach der Basis des Rückgrates, den Selachiern, den Chimären und den Stören bildet der Schädel eine einzige nicht weiter in discrete Stücke zerfallende Knorpel- Masse, welche zur Aufnahme der Sinnesorgane (Seh- und Geruchswerk- zeuge) mit Höhlungen versehen ist, und in deren Basilartheil die Chorda zum Theile sich fortsetzt*). Den vordersten Theil des Schädels bilden die sehr entwickelten Schnauzenknorpel. Das Auftreten von Knochenstücken beginnt schon bei den Stören, deren Knorpelschädel an seiner Basis ein breites über die untere Wand des Anfanges des Rückgrates sich ausdehnen- des, dem Keilbeinkörper anderer Fische vergleichende Os basilare (Fig. \ 35. G) besitzt, welches sich an zwTei Stellen nach oben verlängert, und vorne scheidewandartig in die Knorpelmasse eindringt, um an der Schnauzen- Fig. 134. Schädel und Anfang der Wirbelsäule von Petromyzon marinus. A Senkrechter Längendurchschnitt. B. Ansicht von oben. a. Chorda dorsalis. b. Rückenmarkscanal. c. Rudimente von Bogenstücken der Wirbel, d. Knorpeliges Schädelgewölbe, d' Membranöser Theil des Schädelgewölbes, e. Basis craniiy f. Ge- hörkapsel, g. Nasenkapsel. «/Nasengaumengang. gr. Blindes Ende desselben, h. Fort- satz des knöchernen Gaumens, i. Hintere Deckplatte des Mundes, k. Vordere Deck- platte. I. Lippenring. m. Anhang derselben. — (Nach J. Müller.) Bei *) Ausgenommen hiervon sind die mit einer Occipital-Articulation versehenen Chimären und Rochen. 446 Yertebraten. basis mit seinem vorderen einem Vomer analogen Endstücke wieder her- vorzutreten. Obschon auch der Schädel der Dipnoi zum grösten Theile Fig. 4 35. noch als Primordialcranium erscheint, so ist doch eine Fortentwicklung durch zahlreichere Knochenstücke angedeutet, und ausser dem ossificir- ten Basilarstücke tritt noch eine knöcherne Schädeldecke hinzu. — Der Schädel der Knochen fische zeigt bei vielen noch die knorpelige Grund- lage des Pr i m ordi a 1 c ra ni u m s, bald als eine das Gehirn fast vollständig umschliessende zusammenhängende Kapsel, bald nur in Theilstücken, knorpelige Lamellen oder Knorpelstreifen zwischen den knöchernen Ele- menten darstellend. Die verschiedenen bei der Entwicklung des knöcher- nen Schädels aus dem Primordialcranium sich darstellenden Stadien, finden alle ihre Repräsentanten in den bleibenden Zuständen der Schä- delbildung der einzelnen Knochenfische, von denen die Hechte und Lachse mit dem vollkommensten Primordialcranium versehen sind. Auch bei den übrigen Knochenfischen verbleibt häufig noch eine knorpelige Decke der Schädelhöhle , welche dann von den knöchernen Elementen überlagert wird. Den hintersten Schädelabschnitt stellt an das Basis das noch einem Wirbelkörper ganz ähnlich gebildete Os occip italeb asilare (Fig. 137. 1) dar, welches dem ersten Wirbel des Rückgrates mit einer conischen Vertie- fung correspondirt, und so den Wirbeltypus am längsten gewahrt hat. Seit- lich daran schliessen sich die Occip it'alia lateralia (2), dieoben durch das Occipitale superius (3) verbunden sind. Letzteres bildet häufig eine stark vorspringende senkrechte Crista, ähnlics dem Dornfortsatz eines Wir- belbogens zwischen dies Seitenstück und das occ. superius drängt sich je ein Occ. externum (i) ein, welches einen Theil des Gehörorgans um- Fig. 135. Schädel und Anfang der Wirbelsäule von Acipenser Ruthenus nach Entfernung der Hautknochen. A. Gallerlsäule mit der Scheide. B. Untere Wirbelstücke (Querfortsätze, welche die mit knorpeliger Apophyse (c) angefügten Rippen c tragen. D. Obere Wirbelstücke. E. Processus spinosi. F. Unter sich und mit dem knorpeligen Schädel" verwachsene vorderste Knorpel derWirbelsäule. G. Basilarknochen. Gi Ver- längerung derselben über den Anfang der Wirbelsäule. Gn Flügelfortsatz. Gm — Giv Vordere Verlängerung des Basilarknochens (Vomer). g Ansätze der Rippen am Basi- larstücke des Schädels. /. Augenhöhle. K. Nasenhöhle. L. Suspensorium des Unter- kiefers, aus 3 Stücken bestehend, einem oberen knöchernen, durch 1 Apophyse dem Schädel eingefügt, und 2 unteren knorpeligen. M, Unterkiefer. N. Oberkiefer-Gau- menapparat. (Nach Joh. Müller.) Schädel. 447 schliesst, wie auch andere Stücke, z. B. das occ. superius in Fällen Theile der halbkreisförmigen Canäle in sich aufnehmen. An dieses hinlere Schädelsegmenl schliesst sich an der Basis der Körper des Keilbeins (Fig. 136, 137. s.) an; ein meist starkes langes Knochenstück, welches dem occ. basilare in der Regel durch Schuppen- nath verbunden nach vorne bis zum Pflugscharbein sich erstreckt, und somit der Summe eines vorderen und hinteren Keilbeinkörpers für homo- log erachtet werden muss. Die seitlichen Bogenschenkel dieses der Basis zweier Schädelwirbel entsprechenden Abschnittes, nämlich vordere und hintere Keilbeinflügel, sind bei den Knochenfischen nur schwer erkenn- bar, indem sich zwischen ihre weit nach vorne gedrängte Budimente und den Occipitalwirbel zwei beträchtliche Knochenstücke einschieben, die wir als Mastoideum und Petrosum bezeichnen, ohne dabei zu übersehen, dasssie den gleichnamigen Stücken der höheren Wirbelthiere nicht völlig homolog sind. Das Mastoideum (6) , nach unten an das Occipüale basilare führend, nach hinten vom Occip. laterale und externwn begränzt, führt vorne an das Petrosum und Frontale posterius, oben an das Scheitelbein. Sein Inneres birgt einen Theil des Ohrlabyrinthes. Nach hinten und oben streckt es sich in einen Fortsatz aus , an welchen wie an das Occipüale externum der Brustgürtel sich anheftet. Nicht selten , wie bei den Ganoiden , be- steht das Mastoideum aus zwei über einander liegenden discreten Kno- chenstücken (Fig. 137. 6. 6'), welche beide man dann mit besonderen Namen belegt hatte. Fig. 136. Kopfscelet eines Gadus. (Die Knochen des Kiefersuspensorium und des Opercularapparats sind etwas aus einander gerückt). — 1. Occipitale basilare. 2. Occ. laterale. 3. Occipüale superius. 4. Occ. externum. 5. Sphenoidale basilare. 6. Mastoideum. 7. Parietale. 41. Frontale. 12. Postfrontale. 4 3. Vomer. 14. Frontale anterius [ethmoidale). 15. Petrosum. 16. Nasale. 4 7 Quadratum. 17' Schaltstück. 18. Quadrato-jugale. 20. Pterygoideum. 22. Palatinum. 23. Maxillare superius. 24. In- termaxiüare. 26. Unterkiefer, a. Articulare. c. Angulare. e. Dentale, o. Operculum. o Praeoperculum. o" Inter operculum. 6" Suboperculum. 448 Vertebraten. Den zweiten dieser Schaltknochen bildet das Os petrosum (4 5), wel- ches bei weniger stark entwickeltem Mastoideum zumeist von dem Kno- Y\om 4 37. chenstücke des hinteren Schädelsegmen- tes, immer jedoch vom Mastoideum nach hinten begränzl wird, während es oben ans hintere Stirnbein, unten ans Sphe- noideum basilare stösst. Beide Ossa pe- trosa schliessen über dem Keilbeinkörper an einander und bilden damit den Bo- den des vorderen Abschnittes der Schä- delhöhle, von deren Begrärizung das Sphen. basilare hier ausgeschlossen wird*). Vor dem Petrosum folgt zwischen Schädeldach und Schädelbasis {Sphen. basil.) eine mehr oder minder beträchtliche Lücke, welche am knöchernen Schädel direct in die Hirnkapsel sich fortsetzt. Durch häutige wie knöcherne oder knorpelige Theile wird aber hier ein Ver- schluss der Schädelkapsel zu Stande gebracht, wozu namentlich zwei oben an die Felsenbeine sich anschliessende Knochen beitragen. Es sind diese häufig durch ein unpaares Stück zunächst der Sehädelbasis unter- einander verbundenen Knochen aller Wahrscheinlichkeit nach den hinte- ren Keilbeinflügeln homolog. Das dünne stielartige Verbindungsstück bleibt nicht seilen knorpelig und setzt sich mit seinem unteren Ende auf das Sphenoideum basilare, oder verläuft auf letzterem noch eine Strecke weit nach vorne**). Vordere Keilbeinflügel (Alae arbitales) sind bei den Knochenfischen nicht in grosser Ausdehnung anzutreffen, und werden gleichfalls häufig nur durch membranöse Theile ersetzt. Das Gewölbe des genannten Schädelabschnittes bilden die Scheitel- und Stirnbeine. Die Parietalia (7) hinten und aussen an die Occipüalia externa (4) gränzend, werden häufig durch das sich nach vorne zwischen Fig. 1 37. Gadusschädel nach Entfernung des Kiefer-Gaumengerüstes. Bezeich- nung wie Fig. \ 36. *) Die Deutung der oben geschilderten beiden Knochenstücke hat mannichfaltige Schicksale erlebt, wie aus der nachstehenden Zusammenstellung einiger der verschie- denen Erklärungsweisen zu ersehen ist: Cuvier Hall mann Owen Mastoideum : Mastoideum Squama temporalis Petrosum. Petrosum : Ala magna sph. Petrosum Ala magna sph. Wo das Mastoideum in zwei Stücke zerfallen ist, wurde das eine, obere , von Cuvier als mastoideum, das untere als petrosum gedeutet. Die beiden Ossa petrosa überbrücken sehr häufig einen, nach unten vom Keilbein- körper geschlossenen Canal, der zur Aufnahmen des hinteren Theiles der Augen- muskeln bestimmt ist. **) Von Cuvier und Owen wurden die erwähnten Knochenstücke als vorderer Keilbeinflügel, von Meckel, Hallmann und Stannius dagegen als hinterer Flügel gedeutet. Schädel 449 sie eindrängende Occipit. superius (3) vollständig von einander geschie- den ; häufig werden sie auch nur durch einen einzigen Knochen reprä- sentirt. Die Stirnbeine bilden vorzüglich die Decke des Orbitalsegmentes, sie zerfallen in der Regel in mehrere Stücke, von denen die mittleren (frontalia media) zuweilen durch einen einzigen Knochen {fr. prinzipale) vertreten sind (11). Die front, posteriorem (12) finden sich über dem Pe- trosum , noch unter und vor den Schei- ns- 138- telbeinen, und stellen mit dem Mastoi- deum gemeinschaftlich die Einfügestelle des Tragapparates des Kiefer-Gaumen- gerüstes her. Die gewöhnlich als vor- . dere Stirnbeine bezeichneten Stücke werden am besten als Theile des vor- dersten Schädelsegmentes angesehen. Als Basalslück dieses Segmentes erscheint der Vomer*) (13), welcher vor dem Sphen. basilare gelagert mit demselben entweder durch Nalhverbin- dung oder auch nur lose zusammen- hängt. Als den Bogen dieses Abschnittes bildende Knochenstücke betrachte ich die vorderen Stirnbeine (14), welche in der Regel eine den Riechnerven durchlassende Oeffnung tragen und durch ein unpaares mittleres Stück, das Os nasale, (16) vereinigt sind. Das letztere je nach den Formverhältnissen des vor- deren Schädelabschnitles sehr verschieden gestaltet, ist häufig knorpelig und gleichfalls eines jener Sceletstücke , welche bei den Fischen den verschiedensten Deutungen unterworfen sind**). Mit den bis jetzt abgehandelten Stücken des Schädels der Knochen- fische verbinden sich fast allgemein noch verschiedene andere Knochen, die als Eigenthümlichkeiten dieser Abtheilung der Wirbelthiere ausser- halb des Rereiches der allgemein typischen Sceletbildung liegen , und daher als rein accessorische Theile erscheinen , deren Entstehung viel- leicht durchgängig in Hautossificationen zu suchen ist. Sie finden Fig. 138. Gadus-Scbädel von oben. 6. Masloideum. 1. Parietale. 11. Frontale, rius (Eihmoideum) . 16. Nasale. 3. Occipitale superius. •1 2 Frontale posterius. 4. Occ. externum. 1 4. Frontale ante- *) Bei Lepisosteus ist dieser Knochen paarig vorhanden. **) Von Cuvier, Meckel und Hallmann wird dieser Knochen als Ethmoi- deum bezeichnet, während Agassiz und Owen ihn in der oben gegebenen Fassung nehmen, die mir deshalb die richtigere erscheint, weil die jedenfalls hier sehr maass- gebenden Beziehungen des Olfactorius zu den sogenannten vorderen Stirnbeinen letz- tere als die den Seitenhälften des Ethmoideum am sichersten entsprechenden Knochen- stücke erscheinen lasse, so dass unser Nasale dann nur als das Deckstück des Nasen-= fheils sich herausstellt. Gegenbaur, vergl. Anatomie 29 450 Vorlebraten. sich von der Nasengegend bis zur Schläfengegend hin verbreitet, oft in Bogen die Augenhöhlen umgürtend [Ossa infraorbitalia Ciw.) oder bis an den Ansatz des Brustgürtels hin die Seilen des Kopfes bepanzernd {Ossa swpratemporalia Cuv.). Die Beziehungen dieser Knochen zum Inte- gumenle erhellen aus ihren Verbindungen mit dem bei den Sinnesorga- nen näher zu behandelnden System der sogenannten Schleimcanäle, für welche sie ein Gerüste abgeben und demzufolge von Hohlräumen durch- bohrt, oft sogar selbst äusserlich schon röhrenförmig gestaltet sind*). Am Schädel der Amphibien ist das knorpelige Primordialcranium in verschiedenem Grade auch noch im ausgebildeten Zustande des Thieres erhalten, und die knöchernen Theile geben sich als blosse Ossifikations- kerne der Knorpelkapsel oder als vom Perichondrium aus gebildete Kno- chenslücke zu erkennen. Vom Schädel der Fische unterscheidet er sich Fis. 139. Fig. 1 39. Schädel von Siredon pisciformis. A. von oben. B. von unten. C. seitlich. D. Primordialcranium von oben. E. von unten. — Die punctirten Theile stellen verknöcherte Parthien des Primordialcranium vor, das knorpelige Primor- dialcranium ist gestrichelt. 1 Occ. basilare. 2. Occ. laterale. 3. Occ. superius. 5.9. Sphenoideum basilare. 6. Sphenoideum laterale post. 7. Parietale. 8. Tympani- cum. 10. Sphenoid. lat. anterius. 11. Frontale. 14. Nasale. 16. Ethmoideum. 17. Qua- dratum. 20. Quadralo-jugale. 22. Palalinum. 23. Maxillare superius. 24. Intermaxil- lare. 26. Unterkiefer, a. Articulare durch den Meckel'schen Knorpel vertreten. 26 a Derselbe vollständig. 26 b Unterkiefer von innen, e. Dentale, c. Angulare. f. Oper- culare. — o. Foramen nervi optici, tr. Foramen nervi trigemini. co. Columella. **) Es können diese Hautknochen auch alsModificationen von Schuppen betrach- tet werden, wie aus einer Vergleichung der am Kopfe vorkommenden mit den längs der sogenannten Seitenlinie verlaufenden und oft von den übrigen Schuppen kaum unterscheidbaren, erhellen wird. Sehr mächtig werden die Infraorbitalknochen bei der Familie der Cataphracten. Schädel. 451 wesentlich durch die feste Vereinigung des Kiefer-Gaumenapparates mit der eigentlichen Schädelkapsel , so dass nur der Unterkiefer beweglich erscheint. Dadurch ergeben sich Annäherungen an den Schädel der Dipnoi auf der einen Seite, andererseits an jenen der Säugelhiere, mit welchem er auch den doppelten Condylus occipitalis gemein hat. Das hinterste Schädelsegment wird vorzüglich durch die Occipüalia lateralia (2) zusammengesetzt, da das Occ.basil. (I) wie das superius (3) entweder vollständig fehlt, oder nur durch eine dünne der Knorpelkapsel angehörige Lamelle repräsentirt wird. Am deutlichsten sind die Reste der beiden genannten Stücke beimAxolotl (Fig. 139. D. E.). An der Basis des Schädels folgt nach vorne ein meist langes Sphenoideum basilare (5.9), welches jenem der Fische ähnlich einem vorderen (9) und hinteren (5) Keilbeinkörper entspricht. Die seitlichen Bogenslücke dieses Abschnittes werden entweder von membranösen oder, was der häufigste Fall ist, von knorpeligen Theilen gebildet, in denen selten ausgedehntere knöcherne Elemente zum Vorschein kommen. Dem auf die Schläfenbeingruppe folgenden meist knorpeligen , bei den Salamandrinen knöchernen Abschnitt, der hier als den hinteren Keil— beinflügeln entsprechend betrachtet wird, schliesst sich nach vorne ein knöchernes, in der Regel ringförmiges und die eigentliche Scbädelhöhle abschliessendes Stück an (10), welches ich als das Sphenoideum laterale anterius ansehe *) . Unter diesen beiden hinweg verläuft der vordere Theil des Os sphenoideum basilare. Die vor dem Occipitalsegmente gelegene Schläfengegend, welche sich in das Tragstück des Kiefergaumenapparates fortsetzt, wird von den meist sehr ansehnlichen und vollständig knöchernen Felsenbeinen ge- bildet, welche bei den geschwänzten Amphibien mit den Occipüalia late- ralia je zu einem Stücke verschmolzen sind. Sie bergen die Gehörorgane und sind besonders von oben her deutlich zu erkennen , indess sie von unten durch die seitlichen Flügel des Sphen. basilare verdeckt sind. Den Ossa mastoidea der Fische entsprechende Stücke fehlen. Die Decke des eigentlichen Schädellheils wird bei den geschwänzten Amphibien durch zwei Scheitelbeine (7) und zwei davorliegende Stirnbeine (11) gebildet, während Frösche u. s. w. nur ein einziges Paar die Stirn- und Scheitel- beine zugleich darstellender Knochen besitzen. Das vorderste oder Ethmoidalses;ment wird bei den meisten un^e- *) Dieses Knochenstück wurde von Cuvier Os en ceinture , von den meisten übrigen Anatomen als Ethmoideum bezeichnet, allein die Thatsache, dass es nicht in allen Fällen die Schädelhöhle abschliesst, sondern dass dann noch knorpelige Par- thien vor ihm diesen Verschluss bewerkstelligen, sowie auch dass in jenen Fällen, wo es den Abschluss bildet, die Geruchsnerven noch durch andere (knorpelige) Kopfscelettheile hindurchtreten, um zur Nasenhöhle zu gelangen, lässt mich schlies- sen, dass ihm vielmehr die Bedeutung des Orbitalflügels des Keilbeins zukomme. Da- mit stimmt auch die Deutung der übrigen hierhergehörigen Sceletstücke viel besser tiberein. 29* 452 Vertebraten. schwänzten Amphibien durch seine knorpelige in das Oberkiefergerüste übergebende Grundlage charakferisirt, sowie durch das zwar nicht be- ständige aber doch sehr häufige Vorkommen eines paarigen Vomer*). Die bei manchen besonders den Fröschen sehr entwickelten vorderen Stirnbeine bilden Deckknochen der Nase und sind wie jene der Fische als Homologa des Ethmoideum anzusehen**). Daneben bestehen, am meisten bei den Salamandrinen und Perennibranchiaten ausgeprägt, noch vor den Stirnbeinen gelegene Nasalia. Bei den Reptilien herrscht bezüglich der das Hinterhauptsloch umgebenden Theile des Occipitalsegmenles einige Verschiedenheit, indem nicht seilen das Schlussslück , und zuweilen auch das Basilarstück , von der Begränzung jenes Loches verdrängt ist***). Bei der Bildung des ein- fachen condylus occipitalis betheiligen sich in der Begel ausser dem Occ. basil. noch die beiden Seitenstücke, und seine Gelenkfläche beurkundet diese Entstehung durch ihre dreihöckerige Gestalt, die bei Schlangen, pio uo Eidechsen und Schildkröten in die Augen fällt. — Die Occip. lateralia dehnen sich jederseits in einen nur bei den Schlangen wenig entwickelten Quer- fortsatzaus, welcher bei den Schildkröten ein Occip. externum trägt. Das an diesen Schädelabschnitt sich anschlies- sende Mastoideum fehlt in mehreren Fällen (z.B. den meisten Schlangen aus der Abtheilung der Stenostomen) oder ist wenig entwickelt (Saurier), indess es bei den Schildkröten (Fig. 140. 8) und Crocodilen weit nach aussen vorspringt. Das Petrosum geht in allen Fällen in die Begränzung der Schädelhöhle ein , und findet sich durch- gehends vor den OccipüaUa lateralia gelagert, bei Schildkröten (15) und Crocodilen von der Aussenfläche des Schädels entfernt. Auch das Sphenoideum basilare ist in den vorhin genannten Ord- nungen von der Schädelbasis verdrängt, indem es dem grössten Theile nach vom Flügelbeine überdeckt wird. Nach vorne verlängert es sich in einen nur den Schlangen abgehenden oder durch einen Knochen vertre- tenen knorpeligen Fortsatz, der die Scheidewand ;der Augenhöhlen, und nach vorne zu auch jene der Nasenhöhlen tragen hilft, theilweise sogar mit ihr sich vereinigt. Sphenoidea lateralia werden nur durch knorpelige oder membranöse Parthien ersetzt, welche die Schädelhöhle abschliessen. Fig. 140. Schädel einer Schildkröte von hinten. 1. Occ. basil. 2. Occ. late- rale. 3. Occ superius. 5. Sphenoideum basilare 8. Mastoideum. 15. Petrosum. 17. Qua- dratum. *) Unpaar ist er bei Pelobates und Pipa. **) Wo diese Knochen tiefer in den unten gelegenen Knorpel sich einsenken , wie bei Bufo agua wird die Homologie mit den Front, ant. der Fische noch deutlicher. ***) Bei den Schlangen und den Crocodilen ist das Occip. sup. verdrängt, beim Cha- mäleon das occ. basilare. Schädel. 453 Fig. 141. ß. A. Nur bei den Crocodilen bestehen Sphenoideu tat. posteriora als selbstän- dige Knochen. Um so vollständiger sind die Deckstücke dieser Schädel- abschnitte entwickelt, und unterdiesen spieltdie Haupt- rolle das Scheitelbein (Fig. 141.7), welches jedoch nur bei den Schildkröten paarig ist*). Das Stirnhein ist wie bei den Fischen in mehrere Stücke zerfällt, davon auch hier eines (das frontale prin- cipale) bei den Crocodilen und Sauriern**) unpaar ist. Seitlich und hinten vom Hauptslirnbeine liegen die nur wenigen Schlangen ab- gehenden Frontalia posteriora (Fig. 141. 12), durch welche die Augengrube von der Schläfengrube sich abgränzt. Der vorderste Schädel- abschnitt ist bei den Repti- lien um ein beträchtliches schwieriger bezüglich des seiner Zusammensetzung zu Grunde liegenden Planes zu erkennen als in den übrigen 16 Glassen. Ein paariger, selte- Fig. 4 41. Schädel von Varanus. A. von oben. B. von unten. C. seitlich. 4. Occ. basilare. \' Condylus occipitalis. 3. Occ. superius. 5.9. Sphenoideum basilare. 7. Parietale. 8. Masloiäeum. M.F7*ontale. ] "2. Frontale posterius. iS.Vomer. 4 4. Front, ant. [etlimoid.) . 15. Petrosum. Iß. Nasale. 17. Quadralum. 18. Quadrato-jugale- 19. Jugale. 20. Pterygoid. externum. 21. Pterygoid. internum. 22. Palatinum. 23. Ma- xillare superius. 24. Intermaxillare . 25. Laevymale. 26. Maxillare inferius. a, b, c, d, e, die einzelnen Stücke des letzteren. *•) Von jedem Scheitelbeine steigt nach innen und unten ein breiter Fortsalz ab, der in der Regel das Flügelbein erreicht und zur seitlichen Begränzung der Schädel- höhle beiträgt. Es sind solche Stützpfeiler des Schädeldaches auch bei den Sauriern (ausgenommen sind viele schlangenähnliche Saurier) vorhanden und werden dort durch einen besonderen stielförmigen Knochen (Columella) repräsentirt , der in ähn- licher Verbindung sich findet. Noch vollständiger wird die seitliche Begränzung der Schädelhöhle durch das Scheitelbein bei den Schlangen erzielt, indem der ge- nannte Knochen einen fast vollständigen Gürtel darstellt, der unten nur durch den vorderen Abschnitt des Keilbeinkörpers geschlossen wird. In ähnlicher Weise ver- halten sich auch die beiden Stirnbeine, die jedoch auch von unten her die Schädel- höhle abschliessen. **) Ausgenommen sind : Anguis, Lacerta, Varanus u.a. 454 Verlebraten. ner unpaarer Vomer (Schildkröten) tritt häufig ähnlich wie bei den Fischen und Amphibien zur Ergänzung des Gaumengewölbes auf (Fig. 141.2?. 13) bildet aber auch nicht selten , z. B. bei Grocodilen , eine Scheidewand für die Nasenhöhle. Der einem Ethmoideum entsprechende Theil, welcher die Geruchsnerven durchtreten lässt, bleibt zum gröslen Theile knorpelig, doch können auch hier wieder die sehr verbreitet vorkommenden Ossa frontalia anteriora dem Orbilalstücke des Siebbeines der höheren Wirbel- thiere für homolog erachtet worden. Diese letzteren Knochen (Fig. 141. A. 14) sind zumeist durch das Hauptstirnbein oder durch die Nasenbeine von einander getrennt, nur bei den Schildkröten auch die Stelle der hier fehlenden Nasenbeine vertretend und in der Medianlinie an einander ge- rückt. Sie bilden mit ihrem von aussen sichtbaren Stücke die Vordergränze des Orbitalrandes, indess von ihnen ausgehende Fortsätze sich zum Vomer begeben und auf diesem Wege knorpelige von den Geruchsnerven durch- setzte Parlhien seitlich begränzen. Durch diese Fortsätze wird noch am meisten die Beziehung der Front, anteriora zum Ethmoidalsegmente des Schädels dargelhan. — Nasenbeine, als Deckstücke dieses Abschnittes sind mit Ausnahme der schon vorhin erwähnten Ordnung überall vor- handen, in seltenen Fällen (Varanus) unpaar (141. A. 16). In einigen Fällen wird auch die Scheidewand der Nase von diesem Stücke gebildet. Als ein neues zum erstenmale bei den Beptilien in die Bildung des Schädels eingehendes Knochenstück ist das Os lacrymale (25) anzuführen, welches bei Eidechsen und Crocodilen aussen an den vorderen Stirnbei- nen gelagert, die Orbitalhöhle abgränzen hilft*). Der Schädel der Vögel bietet ausser einigen Eigentümlichkeiten, z. B. dem frühen Verwachsen der einzelnen Knochenstücke untereinander mancherlei Anschlusspuncte an jenen derBeptilien dar. Schon am hinter- sten Abschnitte treffen wir wie in jener Classe den einfachen Condylus von drei Stücken gebildet, indem Occipitale basilare (Fig. 142.1) und die beiden Lateralia (2) in ihn eingehen. Diese drei Stücke bilden aber mit einem Occipitale superius (3) auch die Begränzung des Hinterhauptsloches. In der Schläfengegend sind jederseits zwei mit einander verwach- sende Knochenstücke vorhanden , von denen das eine kleinere zunächst an das seitliche Hinterhauptsbein sich anschliesst , indess das grössere noch vorne bis gegen den hinteren Band der Orbita fortgesetzt ist. Ersteres wird mit Bestimmtheit als Petrosum gedeutet, während das letztere (6) gewöhnlich als Schläfenschuppe angesehen wird, obgleich es vielleicht richtiger wäre es als Homologon des Mastoideum zu betrachten. An ihm findet sich die Gelenkfläche für den Trageknochen des Kiefer-Gaumen- apparates. An der Schädelbasis folgt auf den Basilartheil des Hinterhauptes das anfänglich in die Quere ausgezogene, dann gerade ziemlich weit nach *) Eine Begränzung der Orbita von oben her bilden die seltener vorkommenden Ossa supraorbitalia (Schlangen). Schädel. 455 vorne sich fortsetzende Sphenoideum busilare (5. 9) , welches mit seinen Querfortsätzen häufig mit einem Knochen des Oberkiefer-Gaumen-Ge- 142. rüstes , nämlich mit dem Pterygoideum (21) articulirt, beständig aber gegen die Schädelhöhle zu eine zum erstenmal bei den Reptilien auftre- tende Seilet, turcica bildet. Die hinteren Sphenoidea lateralia (alae tempo- porales) schliessen sich in beträchtlicher Ausdehnung vorne an das Mastoideum an, und bilden einen grossen Theil der hinleren Orbitalbe- gränzung, während die Sphenoidea lateralia anteriora nur durch kleine häufig sogar fehlende Knochenstücke vertreten sind. — Die Deckstücke dieser Gegend bilden die weit nach hinten gerückten Scheitelbeine (7), und die vor diesen gelagerten sehr umfangreichen Stirnbeine (11), durch welche letztere zugleich ein grosser Theil der Orbita begränzt wird. Das spitz zulaufende Vorderstück des Sphenoideum basilare wird von einem verlicalen , zum Theil eine Scheidewand der Nasenhöhle bil- denden Pflugscharbein überlagert (13), und zum Theile sogar umfasst. Auf dieses folgt nach oben und hinten ein Ethmoideum aus einer die Schädelhöhle vorne abschliessenden hintersten und einer oberen horizon- talen Lamelle gebildet, welch' letztere auf der Schädeloberfläche zu Tage tritt (Fig. 142. .4. 14). Seitlich von ihm liegen die Nasenbeine (16), welche theils durch das Ethmoideum, theils durch den vom Zwischenkiefer kommenden Nasenfortsatz von einander getrennt sind. Nach aussen, zum Theile noch an einen Fortsatz des Stirnbeins gränzend folgen die Fig. 142. Schädel von Slrulhio Camelus. A. von oben. B. von unten. C. seit- lieh. 1. Occipit. basil. 2. Occ. lat. 3. Occ. superius. 5. 9. Sphenoideum basilare 6. Mastoid. 7. Parietale. 10. Sphenoid. lat. 11. Frontale. 13. Vomer. 14. Ethmoideum. 15. Nasale. 17. Quadratum. 18. Quadralo-jugale. 19. Jugale. 21. Pterygoid. 22. Pa- latinum. 23. Maxillare sup. 24. Intermaxillare. 25. Lacrymale. 26. Unterkiefer. a, c, e. Stücke des letzteren. 456 Vertebraten. Thränenbeine (25), welche durch einen absteigenden Fortsalz die Orbita nach vorne begrenzen*). Am Schädel der Säugethiere ist im Allgemeinen die vollständigere Ausbildung der einzelnen auf typische Abschnitte zurückführbaren Kno- chenstücke bemerkenswert!! , wogegen diese einzelnen Stücke nur in Ausnahmsfällen**) unter einander verwachsen. Mit der grössern Volums- entwicklung der Schädelhöhle harmonirt die Ausbildung der einzelnen Knochen, namentlich jener, welche zur Herstellung einer oberen Decke bestimmt sind. Von den vier die Hinterhauptsgegend darstellenden Knochen sind die beiden Occipitalia lateralia durch einen Gelenkhöcker [condyliis) aus- gezeichnet, und entsenden bei vielen Säugethieren auch noch lange nach abwärts gerichtete Fortsätze (processus paramastoidei , s. jagulares ***) . (Fig. 1 43 a). An der Bildung des foramen occipüale nehmen in der Regel alle vier Stücke Theil , und nur selten ist das obere als Schuppe des ge- sammten hinleren Schädelwirbels (Hinterhauptsbein) bezeichnete Stück davon ausgeschlossen. Die Tendenz der Verwachsung der vier Stücke in eines, wie es beim Menschen besteht, giebt sich bei vielen Säugethieren zu erkennen. Der an das Basilarstück des Hinterhauptes anstehende hintere Keilbeinkörper erhält sich häufig beständig, in der Regel jedoch lange Zeit hindurch vom vorderen Keilbeinkörper getrennt. Mit dem Sphenoideum posterius ver- binden sich als Seitenstücke die hinteren Keilbeinflügel (Akte temporales), mit dem nicht selten grösseren Sph. anterius die vorderen Flügel {alae orbi- tales). Schlussstücke sind die Scheitelbeine und Stirnbeine. Die ersteren, welche gewöhnlich nach hinten an die Schuppe stossen, werden von dieser in nicht seltenen Fällen durch ein unpaares Os interparietale ge- trennt, wodurch eine ähnliche Vieltheiligkeit sich ausdrückt wie in den unteren Wirbelthierabtheilungen beim Stirnbeine. Dieses accessorische Scheitelbein trifft sich in allen Ordnungen der Säugethiere verbreitet, erscheint aber häufig nur in jüngeren Lebensaltern, indem es später mit der Schuppe des Hinterhauptsbeines oder mit beiden Scheitelbeinen zu einem Stücke verschmilzt. Eine solche Verwachsung trifft nicht selten beide Scheitelbeine, während die beiden Stirnbeine nur in wenigen Fäl- len diesem Processe sich unterziehen-]-). *) Es kann durch diesen Knochen auch ein unterer Augenhöhlenring gebildet werden, indem er sich entweder mit einem vom hinteren Orbitalrande kommenden Fortsätze verbindet, oder mit besonderen Infraorbitalstücken in Zusammenhang setzt. Auch gesonderte Supraorbitalknochen kommen noch sehr häufig vor. **) Eine Verschmelzung der Schädelknochen wie bei den Vögeln kommt als charakteristisch nur der Ordnung der Monotremen zu. ***) Z.B. bei den Schweinen, Einhufern, Wiederkäuern von ausnehmender Stärke. •H Unter den Cetaceen ergeben sich bezüglich der beiden oben genannten Deck- knochen des Schädels einige bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten. So sind z. B. die Stirnbeine der Delphine grösstenlheils unter dem Oberkiefer verborgen und die Schädel. 457 Zwischen den hinteren Keilbeinabschnitt und das Hinterhauptsbein drängen sich mehrere Knochenstücke ein, welche zuweilen zu einem ein- zigen, dem Schläfenbeine des Menschen entsprechenden Stücke ver- Fig. 143. schmelzen. Es sind vier Kno- chen , indem zu dem schon bei den Vögeln vorhandenen Petrosum undMastoideum noch ein Os squamosum (Fig. 1 43. 1 8) und Os tympanicum (17) kom- men. Die beiden letzteren er- halten sich am meisten ge- trennt, während Petrosum und Mastoideum oft sehr frühe mit einander verschmelzen. Man- chen Säugethieren geht das Mastoideum vollständig ab. Das Os squamosum ist durch seinen nach vorn gerichteten Jochfortsatz ausgezeichnet, erreicht aber nie jene Ausdehnung, die es beim Menschen besitzt. Einige Eigentümlichkeiten bietet das Paukenbein, welches den äusseren Gehörgang und die Paukenhöhle ganz oder zum Theile um- schliesst. Es ist nämlich häufig in eine an der Schädelbasis vorragende Kapsel {Bulla ossea) umgewandelt, wie vorzüglich bei Nagern, den Raub- thieren, den Insectenfressern u. a. zu sehen ist. Bei den Cetaceen ist es mit dem Felsenbeine nur durch Bandmasse dem Schädel angeheftet. Der vorderste Abschnitt mit dem Vomer, Ethmoideum und den Na- senbeinen zeigt sich von dem ursprünglichen in den unteren Classen noch Fig. 143. Hirntheil des Schädels einer Ziege. 2. Occipüale laterale. 3. Occipit. superius. 5. Sphenoidale basilare post. 6. Sph. lat. post. 7. Parietale. 11. Frontale. 15. Petrosum. 16. Nasale. 19. Zygomalicum. 21. Pterygoideum. 23. Max. superius. 25. Lacrymale . 17. Tympanicum. 18. Squamosum. a. Processus jugularis. b. Proc. styloideus. kleinen Scheitelbeine werden von diesen sich hier bis zur Schuppe des Hinterhaupt- knochens erstreckenden Knochenstücken ganzan die Schläfengegend zur Seitegedrängt. Die Hörn- oder Geweihtragenden Säugethiere zeigen an den Stirnbeinen eine Verlängerung, den Stirnzapfen. Bei den Cavicorniern bildet das den Stirnzapfen über- kleidende Integument die Matrix des Hornes, während bei Hirschen, Rehen u. s. w. die Geweihbildung durch eine auf dem Stirnzapfen vor sich gehende Wucherung er- folgt. Andern jungen Geweihe dieser Thiere entspricht der weiche , knorpelige von zahlreichen Gefässen durchzogene innere Theil dem Stirnzapfen der Cavicornier, und der überkleidende Hautüberzug (Bast) ist homolog der auf dem knöchernen Slirn- zapfen liegenden gefässreichen Matrix mit den darüber befindlichen massigen Epi- dermisschichten, dem Hörne. Das ausgebildete von den früher es überkleidenden Weichtheilen gereinigte Geweih der Hirsche entspricht demzufolge nur dem Stirn- zapfen der Rinder, Antilopen u. s. w. Geweih- und Hornbildung sind somit die Endpuncte sehr verschiedener Process, die nur in der Entstehung eines vom Stirn- beine ausgehenden knöchernen Fortsatzes eine einheitliche Basis haben. 458 Verlebraten. offener zu Tage liegenden Plane am meisten entfernt. Das durch eine senkrecht stehende Knochenlamelle dargestellte einfache Pflugscharbein liegt mit seinem oberen nach beiden Seiten flügeiförmig ausgebreiteten Theile in gerader Forlsetzung der Keilbeinkörper, und hat wenigstens dadurch noch seine typische Bedeutung bewahrt; in seltenen Fallen nimmt es einen kleinen Antheil an der Begränzung der Schädelhöhle (Delphin). Das Ethmoideum bildet mit seiner oberen zum Durchtritte der Riechnerven vielfach durchlöcherten Platte*), wie auch sonst den vordersten Schluss der Schädelhöhle , senkt sich aber mit seinen seit- lichen Theilen, dem beträchtlich entwickelten Labyrinthe, so zwischen die Gesichtsknochen ein, dass es zur Begränzung der Orbitalhöhle nicht bei- trägt, somit keine senkrechten Seitenplatten (lamina papyracea) be- sitzt**). — Die Nasenbeine erscheinen paarig und verschmelzen nur in Ausnahmsfällen, wie bei den Affen der allen Continente, beim Nashorne u. a. Sie bilden eine Decke der Nasenhöhle, und nehmen von den Affen an abwärts an Länge zu, gleichen Schritt haltend mit der Ausbildung des Gesichtstheiles zur Schnauze. Bei den fleischfressenden Walthieren besitzen sie die relativ geringste Entwicklung, indem sie als kleine wul- stige Knochen den Stirnbeinen aufgelagert sind und so der senkrecht aufsteigenden Nasenöffnung nur eine hintere Wandung abgeben. Das Thränenbein (Fig. 143. 23) als Schaltknochen der vorderen Schädelabtheilung stellt in der Regel einen unbedeutenden platten Kno- chen vor , der vielen im Wasser lebenden Säugethieren gänzlich abgeht (den Delphinen, Pinnipediern) und entweder nur eine Begränzung der Augenhöhle bildet , oder über den vorderen oder inneren Orbilalrand beträchtlich hervortretend als eigentlicher Gesichtsknochen erscheint. Dickhäuter , Einhufer und Wiederkäuer tragen es in dieser Weise ent- wickelt. Vom Kiefergaumenapparat. Die auf den vorhergehenden Seiten als in die Bildung einer festen Schä- delmasse eingehend bezeichneten Stücke des Kopfscelets waren entweder Theile, die auf Wirbel zurückführbar waren, oder Schaltstücke, die zwischen die Bogenabschnilte des Schädelgewölbes sich einfügten. Aus der letzte- ren Abtheilung trug am getreuesten den Charakter einer typischen Einrichtung die Gruppe der Schläfenknochen , welche zwischen dem Hinterhauptswirbel und dem hinteren Keilbeinwirbel sich einschob und in der aufsteigenden Wirbelthierreihe die Zahl ihrer Stücke ver- mehrte. Es sind somit zu den ursprünglichen auch den untersten Formen zukommenden Knochen in der Schläfengegend neue Stücke hinzugelre- *) Die Lamina cribrosa zeigt nur beim Schnabellhiere jederseits ein einziges Loch. — Bei den Delphinen entbehrt sie auch dieses einen. **) Hievon machen die Affen und einige Edentaten eine Ausnahme. — Eine rudi- mentäre Bildung zeigt das Ethmoideum bei den Walthieren durch die Verkümmerung des Siebbcin-Labyrinthes. , fr Kiefergaumenapparat. 459 len, die jedoch, wie sogleich gezeigt werden soll, nicht etwa in den höhe- ren Classen neu sich bilden, während sie den niederen gänzlich abge- hen, sondern die vielmehr bei den letzteren nur ausserhalb des eigent- lichen Schädelgerüstes liegen und nach und nach mit der höheren Gestaltung des Wirbellhiertypus zu den schon mit dem Schädel verbun- denen Schaltknochen {Petrosum und Mastoideum) engere Beziehungen ein- gehen, sich mit denselben inniger verbinden, sogar zur Begränzung der Schädelhöhle beitragen , und endlich mit ihnen ein einheitliches Scelet- stück darstellen, wie dies uns als Os temporale bei vielen Säugethieren, vor allem aber beim Menschen entgegentritt*). Jene anfänglich ausserhalb des Schädels gelegenen Elemente bilden einen Tragapparat für das Kiefergerüste , so dass letzteres nicht ohne Rücksichtnahme auf die Schläfengegend betrachtet werden kann. In der ursprünglichen Bildung müssen wir uns Ober- und Unterkiefer (Fig. 144 c d) als bewegliche Stücke vorstellen, welche mittelst eines beide ver- bindenden und tragenden Stieles (b) an den Schädel befestigt sind und so ein nach abwärts gerichtetes Bogenwerk herstellen. Das obere End- stück des Kieferstieles anfänglich mit dem Schädel nur lose verbunden, schiebt sich allmählich in den Schädel ein und Fl§- 144- der ganze Tragapparat gliedert sich dabei in ein- zelne Abschnitte [bb'b"), die um so mehr zur Bildung der Schläfengegend beitragen, je mehr sie ihre Bedeutung als blosse Stützen des Kiefer- gerüstes aufgeben. Indem so der Kieferstiel an den Schädel sich einfügt, werden auch die beiden Kiefer mit letz- terem enger verbunden. Das ursprünglich einfache, frei bewegliche Stück (c), welches den Oberkieferapparat vorstellt, gliedert sich in eine Anzahl von discreten Elementen, die nun von der Schläfengegend an unter dem eigentlichen Schädel nach vorne ziehen und die Gruppe der Oberkiefer-Gaumenknochen nebst dem Jochbeine darstellen, zuerst noch leicht beweglich , dann fest mit den übrigen Schädelknochen vereinigt, so dass am Ende der Bildungsreihe von dem frei aufgehängten Kiefer- gaumengerüste nur noch der gleichfalls häufig in einzelne Stücke zer- fallene Unterkiefer als ein beweglich mit dem Schädel verbundenes Knochenstück übrig bleibt. Die einzelnen Stücke, welche hier durch Differenzirung zum Vor- schein kommen, sind entweder solche, die aus dem Suspensorium sich bilden , oder sie entstehen aus dem obern Schenkel des Kieferstückes (Oberkiefer-Gaumenapparat) oder sie gehen aus dem unteren Schenkel (Un- Fig. 144. Grundtypus des Kopfscelets. a. Hirnkapsel, bb' b". Kieferstiel, c. Ober- kiefergaumenapparat, d. Unterkiefer. *) Vergl. vorzüglich E. Hallmann, Vergleichende Osteologie des Schlafen- beins. Hannover 1840. 460 Vertebraten. terkiefer) hervor. Jene, die aus dem Kieferstiele hervorgehen, sind in den einzelnen AblheiJungen (Fische, Amphibien, Reptilien und Vögel) ver- schieden gedeutet worden, einige davon sind nicht allgemein typische Schaltstücke, andere sind allgemein typisch und gehen in die Bildung des Schläfenbeines ein. — Der Oberkiefergaumenapparat bildet eine jeder- seits doppelte Reihe von Knochenstücken , die sich vom Kieferstiele aus nach vorne zieht. Jochbein, Obe rkiefer und Z w i sehe n kiefer bilden die äussere, Flügelbeineund Gaumenbeine die innere Reihe. Beide zusammen bilden die obere Begränzung der Mundhöhle. Der ur- sprünglich jederseits aus einem einzigen mit dem Kieferstiele zusammen- hängenden KnorpelstUcke bestehende Unterkiefer, bildet um sich, unter Schwinden des Knorpels, eine grössere Anzahl von Knochenstücken , die in den höheren Glassen den eigentlichen Unterkiefer darstellen, und endlich sogar durch ein einziges Knochenslück vertreten sind. Unter den Fischen zeigt sich in den Veränderungen des Kiefer- gaumenapparates die grösste Mannichfaltigkeit. Die einfachste Bildung, die kaum mit einer eigentlichen Kiefereinrichtung verglichen werden kann, zeigt Amphioxus , dessen Mund von einem vielgliedrigen , nach vorne Girren aussendenden Knorpelringe umgeben wird. Kiefern fehlen auch den Cyclostomen , deren Mundhöhle vorne und oben nur von einer hinten an den Schädel angefügten Gaumenplatte (Fig. 134. i) begränzt wird, die noch mit einer Anzahl von Knorpelstücken sich verbindet. Von den letzteren sind besonders die Lippenknorpel (/. m.) bemerkenswert!!. Der eigentliche Urtypus des Kiefergerüstes kommt bei den Selachiern und Stören zur Erscheinung. Ein an der Schläfengegend des Schädels beweglich befestigter Kieferstiel (Fig. 135. L) dient mit seinem unleren Ende dem jederseits aus einem Stücke bestehenden Unterkiefer (M) zur Befestigung , während der Oberkiefer (N) dem letzteren nahe an seiner Einlenkung angeheftet ist. Bei den Haien ist der Kieferstiel zugleich Trä- ger des Zungenbeins. Die beiden Unlerkieferstücke der Selachier werden bei den Chimären durch ein einziges Knorpelstück vertreten, welches an besonderen , den Stiel vertretenden Schädelfortsätzen angehängt ist, so dass wir hier den Stiel sammt dem Oberkiefergaumenapparat mit der Schädelkapsel continuirlich verschmolzen sehen. Daran reiht sich auch Lepidosiren an , bei welchem der Oberkiefer sogar vorne in zwei beson- dere Stücke, die Zwischenkiefer, zerfallen ist. In mehrere (3) Stücke ist der Kieferstiel bei den Stören (Fig. 135) und Spatularien getheili, und das oberste, mit dem Schädel articulirende verknöchert. Hinter dem Oberkiefer liegen noch einige platte Stücke, die als Aequivalenle der Gaumenbeine und Flügelbeine gedeutet worden sind. Um vieles complicirter erscheint dieser Apparat bei den Knochen- fischen, deren Kieferstiel in 3 — 5 einzelne Stücke zerfallen ist, und nach hinten sich noch mit einer Reihe von flachen Stücken verbindet, die sich als ein Deckapparat über den Eingang der Kiemenhöhlc hinweg legen. Das mit dem Schädel articulirende oberste Stück, os qiiadralum, ent- Kiefergaumenapparat. 461 spricht einem Theile dos Schläfenbeins, der also hier noch frei erscheint*), und nach vorne und unten verbindet es sich mit zwei, von Cuvicr als Os symplecticum und Tympanicum bezeichneten Stücken , welche wir als blosse Schalttheile ansehen. Nach hinten verbindet sich das Qua- dralbein durch einen besondern Fortsatz mit einem platten, gebogenen Knochen (Fig. 136. o'), welcher von C u vi er Praeop erculum benannt worden ist, und an dessen hinleren Rand sich noch einige Knochen das Operculum (o) , Suboperculum {o") und Inter operculum (o") anschliessen. Die drei letztgenannten Knochenstücke gehören nicht eigentlich den ty- pischen Bestandteilen des Kieferstieles an, dagegen ist das Praeopercu- him, wie bei Stören, dann auch bei Welsen hervorgeht, dem Kieferstiele angehörig, indem es bei den genannten Fischen in letzteren übergegan- gen und den mittleren Abschnitt desselben darstellt. Uebrigens erleidet die Zahl der Deckelstücke vielfache Reduclionen. Das unterste, das Unterkiefergelenk tragende Knochenslück des Suspensoriums ist das Quadrato-jugale**) , von dem aus nach vorne eine den Oberkiefer erreichende und den Gaumen bildende Brücke zieht. Diese wird in der Regel aus mehreren Stücken dargestellt, von denen ein äusseres und ein inneres Flügelbein , ersteres direct mit dem Qua- dratjochbeine verbunden, dann ein Gaumenbein genannt werden müssen. Der Oberkieferapparat besteht aus zwei in ihrer relativen Grösse und in ihrem Antheile an derBegränzung des Mundes sich sehr verschieden verhal- tenden Stücken. Das vorderste Stück bildet das Os intermaxillare (Fig. 1 36. 24), welches der Schnauzenspitze zumeist beweglich verbunden ist. Ihm folgt nach hinten jederseits der Oberkiefer (23), entweder eine Fortsetzung des ersteren darstellend oder mit ihm parallel gelagert, wobei er dann nur wenig oder gar nicht die Mundspalte begränzt. Von diesem Verhält- nisse aus kann der Oberkiefer alle Stadien der Rückbildung zeigen , bis zum völligen Verschwinden , wie dies bei den Aalen der Fall ist. Der Unterkiefer (26) besteht in seiner Gesammtheit aus zwei, vorne mit einander vereinigten, nur wenig gebogenen Aesten, an denen man 3 — 4 besondere Stücke unterscheidet. Sie bilden gewissermaassen eine Scheide um den primordialen Unterkieferknorpel, den sogenannten Meckel'schen Fortsatz, der dem bleibenden Unterkiefer der Selachier und Störe homo- log ist. Die einzelnen, auch in den höheren Wirbelthierablheilungen wieder- kehrenden Knochenstücke sind: 1. os dentale, als vorderstes und gröss- tes Stück, 2. os angulare, den Winkel bildend, 3. os articulare , das Ge- lenk darstellend, und 4. das häufig fehlende os operculare, durch welches sich die innere Wand ergänzt. *) Guvier bezeichnete das Quadratbein als Temporale , H a 1 1 ra a n n als Os qua- tralum seu tympanicum, Owen betrachtet es mit den folgenden Stücken bis zum Unterkiefergelenk als Tympanicum. **) Cu vi e r's Jugale. 462 Vertebraten. Für die Amphibien ist durch den nicht mehr völlig beweglich mit dem Schädel verbundenen Kieferstiel und der engeren Vereinigung des Oberkiefergaumenapparates mit dem Schädel ein Fortschritt in der Ausbil- dung ausgedrückt. Der Kieferstiel , zu dessen Zusammensetzung innen noch knorpelige Elemente oft in beträchtlicher Ausdehnung beitragen, wird als Quadratstück (Fig. 139. A 17) bezeichnet, er entspringt seitlich am Schädel, zunächst den Felsenbeinen und trägt, stark diver- girend, an seinem Ende das Gelenk für den Unterkiefer. Daran bethei- ligt sich noch ein nach vorne zum Oberkiefer verlaufendes Stück, das Quadrato-jugale (20) , sowie ein die hintere Wand des Stieles dar- stellendes Knochenstück alsOs tympanicum (8) erscheint. An das statt des noch fehlenden Jochbeines eine Brücke nach vorne bildende Qua- drat-Jochbein schliessen sich vorn die durch den vordersten Theil des Keilbeinkörpers weit aus einander gedrängten Flügelbeine, welche, wie die auf sie folgenden Gaumenbeine (Fig. 139. B 22) meist durch platte Knochenstücke repräsentirt sind. Den äussersten Rand, gleichfalls vom Quadratjochbeine aus , bilden vorne am Kopfe die Oberkiefer (23) und endlich die durch ihre langen gegen die Stirne aufsteigenden Fortsätze ausgezeichneten Zwischenkiefer (24). Am Unterkiefer persistirt das primordiale Knorpelstück fast regel- mässig (Ca. 26a), so dass es den Gelenktheil bildet, und die ossificirten Bestandtheile nur als äussere und innere Deckstücke erscheinen, die ersteren ein Os dentale (C. c) , die letzteren ein Os operculare darstellend. Dazu kommt zuweilen noch ein drittes inneres Stück*). Die Reptilien sondern sich nach der Bildung des Oberkiefergau- menappnrates in zwei Gruppen, von welchen die eine diese Theile beweg- lich, die andere unbeweglich mit dem Schädel verbunden hat. Ophi- dier und Saurier gehören zur ersten, Schildkröten und Crocodile zur zweiten Abtheilung. Eidechsen und Schlangen besitzen ein dem Schädel beweglich verbundenes Quadrat b ein (Fig. 141 A. BW) und zwar mit dem Mastoideum ai ticulirend , welch' letzteres bei den weit- mäuligen Schlangen gleichfalls nur durch Bandmasse dem Schädel ange- heftet, die grosse Beweglichkeit des Kieferapparates noch erhöht. Nahe an dem Unterkiefergelenke articuliren auch die stabförmigen Flügelbeine, welche bei den meisten Sauriern noch mit dem Keilbeinkörper be- weglich verbunden sind (21). Bei den Schildkröten und Crocodilen ist das Quadratbein (Fig. 140. 17) , wie auch das vor diesem liegende Qua- dratjochbein fest zwischen andere Schädel knochen eingekeilt und auch die Flügelbeine, das hintere Ende des Gaumengewölbes bildend, sind fest mit der Schädelbasis verbunden , und bedecken einen grossen Theil des Sphen. basilare. Die Schildkröten ausgenommen findet sich nach aussen *) Eine partielle Verknöcherung des primordialen Kiefers tritt am hinleren Ende beiden Fröschen auf. Vollständige ossificirte Unterkiefer besitzen die Cöcilien. Jeder der beiden Aeste besteht aus zwei besonderen , einem Articulare und Dentale entsprechenden Knochenstücken. Kiefergaumenapparat. 463 von den Flügelbeinen noch ein besonderer Knochen, das Os transver- sum oder Pterygoideum externum (Fig. 1 41 . 20), durch welchen erslere mit dem Oberkiefer, wie mit dem Jochbeine, wenn solches vor- handen ist, in Verbindung stehen. Dadurch wird bei den Schlangen der bei den übrigen Reptilien durch das hier zum erstenmal selbständig auf- tretende Jochbein (Fig. 141. C. 19) uud Quadratjochbein gebildete. Jochbogen ersetzt. Eine Verkümmerung erleidet der Jochbogen bei den Eidechsen , von denen manchen (den schlangenähnlichen Sauriern) das Jochbein , oder ausser diesem auch noch das Quadratjochbein (Geckonen) entweder man- gelt oder doch nur rudimentär gebildet ist. Die vorne an die Flügelbeine stossenden Gaumenbeine (Fig. 141. 22) sind nur noch hei den weitmäuligen Schlangen mit ersteren beweg- lich verbundene Knochen , welche zwischen sich eine Lücke lassen, indess sie bei den übrigen sowohl unter einander, als mit den benach- barten Knochen fest verbunden sind. Sie begränzen bei den Schildkrölen die hintere Oeffnung des Nasenganges (die Choanen) , welcher bei den Crocodilen erst hinter den Flügelbeinen und noch von diesen nach ab- wärts bedeckt sich öffnet. Auch Z wi seh enkiefer und Oberkiefer erhalten sich bei den ächten Schlangen noch frei beweglich, erstere meist als kleine, den Nasen- beinen angefügte Stücke, letztere meist als langgestreckte zahntragende Knochenstücke, welche seitlich den sogenannten vorderen Stirnbeinen ansitzen. Die übrigen Reptilien besitzen den Zwischenkiefer fest mit dem Oberkiefer verbunden, entweder als paarigen Knochen (Crocodile, die meisten Schildkröten und die Scincoiden) oder unpaar (Chelys und die meisten Saurier) (Fig. 141. 24). Die Ausdehnung des Oberkiefers und seine Retheiligung an der Regränzung des Mundrandes, des Gaumen- gewölbes und der Augenhöhle ist beträchtlichen Verschiedenheilen unter- worfen. Der in allen Fällen mit dem Quadratbein articulirende Unterkie- fer zeigt seine beiden, durch grössere Rückbildung des primordialen Kieferknorpels grösstenteils aus Knochen bestehenden Schenkel in ver- schiedenem Grade mit einander verbunden, bald indem sich zwischen beide eine lockere Randmasse einfügt (weitmäulige Schlangen) , bald durch einfache Naht, bald durch feste Verwachsung. Rezüglich der den Unterkiefer zusammensetzenden Stücke ergibt sich die grösste Zahl bei den Sauriern, Crocodilen und Schildkröten, bei denen ausser den schon bei den Fischen verzeichneten noch ein über und hinter dem Angulare gelagertes Stück, das Os supraangulare, dann ein an der Innenfläche ge- lagertes Os complementare hinzutreten, so dass sich die Gesammtzahl in diesen Fällen auf zwölf erhöht*). *) Am Unterkiefer der Schildkröten sind die beiden vordersten dem Dentale der übrigen Ordnungen entsprechenden Stücke zu einem unpaaren Knochen verschmolzen. 464 Vertebraten. Unter den Vögeln wird gleichfalls noch durch ein bewegliches Quadralbein (Fig. 142 ß C 17) die Beweglichkeit des gesammten Ober- kiefer-Gaumengerüstes ermöglicht. Es trägt nämlich dieser Knochen aus- ser der Gelenkflächen für den Unterkiefer eine Gelenkfläche für das Qua- dratjochbein , und eine gleiche, von diesem nach innen liegende für das Flügelbein. So ist also eine doppelte Verbindungsreihe von dem Kiefer- stiele aus zu dem Oberkiefer zu Stande gekommen, und die äussere davon stellt den nur bei einem Theile der Reptilien vorhandenen, also noch nicht durchgreifend vorkommenden Jochbogen als typische Einrichtung dar. Beide Verbindungsbrücken liegen nahebei in einer Ebene, mit welcher auch der obere Rand des Unterkiefers zusammentrifft. Das kleine, stabförmige, dem gleichfalls dünnen Quadraljochbeine (Fig. 4 42. B. 18) verbundene Jochbein (19) legt sich vorne an den Oberkieferknochen, welcher nach innen wiederum durch die meist brei- ten, selten einander berührenden Gaumenbeine (22) mit den nach vorne gerichteten Fortsätzen der Flügelbeine (21) verbunden ist. Der ansehn- liche Zwischenkiefer (24) erscheint beständig als ein unpaares mit seit- lichen Schenkeln dem Oberkiefer verbundenes und mit einem mittleren Fortsatze nach oben und hinten zwischen die Nasenbeine steigendes Knochenstück, dessen Form und Ausdehnung in mannichfaltiger Weise wechselt. Am Unterkiefer der Vögel wiederholt sich die bei den Reptilien und zwar bezüglich der Verschmelzung der beiden vordersten Stücke speciell bei den Schildkröten getroffene Bildung, doch tritt oft sehr frühzeitig eine Verwachsung ein, so dass nur noch der eine oder der andere der oben genannten Knochen sich angedeutet findet (26). Wenn die ursprüngliche Beweglichkeit des Kiefergaumenapparales schon unter den Amphibien dem Verschwinden nahe sich zeigte, dann bei den Schildkröten und Crocodilen festen Verbindungen mit dem Schädel gänzlich gewichen war, so finden wir hieran im Anschlüsse den höchsten Grad dieser Vereinigung in der Classe der Säugethiere. Es ist der primitive Kieferstiel gänzlich an und in die Schädelknochen getreten , in- dem das bei den genannten Reptilien noch discret bestehende Os quadra- tum , sowie das Quadrate -jug eile als solches nicht mehr vorhanden ist, und dem entsprechend auch der Unterkiefer mit dem Schädel d. i. mit dem Schläfenbein articulirt. Das Os quadratum der Vögel und Reptilien kann daher auch als ein abgelöstes Gelenkslück des Schläfenbeins der Säugethiere betrachtet werden , sowie das Quadratjochbein jener Thiere dem Jochfortsatze des Schläfenbeins der Säugethiere entspricht. Wie aber auf der einen Seite der allgemeine Plan in den Fundamental- erscheinungen sich genau nachweisen lässt, darf man auf der anderen Seite wieder nicht verkennen , dass die Beugungen dieses Planes in den einzelnen Untertypen völlig selbständig sind, so dass eine Reduclion aller einzelnen in Frage kommenden Stücke in den verschiedenen Glassen als nicht vollständig durchführbar angesehen werden muss. Visceralscelet. 465 Das Jochbein fehlt den Monotremen und wenigen anderen Säuge- thieren (z. B. Manis, Sorex u. a.), und ist bei manchen Edentaten nur rudimentär gebildet, bei den übrigen dagegen formt es einen vollständi- gen Jochbogen , der häufig einen gegen das Stirnbein steigenden Fortsatz entsendet und so , mit einem Jochfortsatze dieses Knochens sich ver- einigend, die Augenhöhlengrube von der dahinter gelegenen Schläfen- gegend trennt*). Vorn vereinigt es sich mit dem Oberkiefer, welches Stück je nach der Bildung des Gesichts in Form und Ausdehnung vielfach variirt. Von den Zwischenkieferknochen gilt dasselbe , sie erscheinen äusserst gering entwickelt bei den Fledermäusen , dann bei vielen Eden- taten ; immer jedoch nachweisbar**). — Von den Knochen der Gaumen- region sind die auch beim Menschen ursprünglich discrete Stücke dar- stellenden Flügelbeine aus ihrer in den übrigen Classen bestehenden Selbständigkeit getreten und zeigen sich mit dem Keilbeine vereinigt , um häufig blosse Fortsätze , die alae pterygoideae internae , vorzustellen , die von den in der aufsteigenden Reihe der Säugethiere immer mehr sich entwickelnden äusseren Flügelfortsätzen an Grösse übertroffen werden. Bei vielen Säugethieren erhalten sie sich perennirend getrennt. Die vor den Flügelbeinen gelegenen Gaumenbeine treten aus der früher mehr platten Gestalt mit der Höhenentwicklung der Choanen- öffnung in eine mehr senkrechte über, indem sie in dieBegränzung jener Oeffnungen mit eingehen. Am Unterkiefer ist eine bedeutende Reduction der Stücke eingetre- ten, da um den primordialen Knorpel immer nur zwei entwickelt sind, die sogar häufig wie bei dem Menschen zu einem einzigen Knochen ver- schmelzen ***) . §. 44. Vom Visceralscelet e. Es bildet dieser Apparat eine der am meisten typischen Einrichtun- gen des Wirbelthierscelets , und erscheint zugleich als jener, welcher in der aufsteigenden Bildungsreihe die merkwürdigsten Umwandlungen eingeht. Wir können ihn im Allgemeinen als aus einem Bogensysteme bestehend betrachten, welches der Schädelbasis angeheftet, mit seinen *) Ohne an das Stirnbein zu gelangen, schickt das Jochbein einen Stirnfortsatz bei Feto aus, dagegen findet die obenerwähnte Verbindung bei Einhufern , Wieder- käuern, dann bei den Affen statt. **) Ein eigentümliches Verhalten bieten bezüglich des Interrnaxillare die Ceta- ceen, bei welchen die genannten Knochen sogar auch vorne häufig von den Ober- kiefern umschlossen sind. ***) Es ist dies der Fall bei den Einhufern, Pachydermen, Cbiroptern und Affen, sowie einzelnen Gattungen aus verschiedenen Ordnungen. Gegenbaur, vergl. Analomie. 3 0 466 Vertebraten. unten in der Medianlinie durch unpaare Stücke (Copulae) verbundenen Schenkeln den Eingang des Nahrungscanais hinter dein Unterkiefer uni- spannt, und ebenso zum Scelete dieses Abschnittes wird, wie es die Bogen der Rippen sind für den übrigen ßauchtheil des Körpers. Der erste dieser Bogen, der beständigste von Allen , bildet eine feste Stütze für die Zunge und wird gemeinhin als Zungenbein, os hyoideum, bezeichnet. Die übrigen durch Spalten von einander getrennten, an Zahl vielfach schwan- kend, haben als Träger und Stützen der Athmungsorgane des Wasser- lebens, nämlich der Kiemen, ihre grösste Entfaltung in den beiden untersten Wirbelthierclassen und erleiden von da ab eine rückschrei- tende Metamorphose, bis sie endlich in den höheren Classen in nur den ersten Entwickelungszuständen auftretend, eine vorübergehende aus Weichtheilen angelegte Bildung darstellen , aus welcher der allgemeine Plan der Wirbelthiere hervorleuchtet. Es hat dieses Bogensystem bei den nur luftathmenden Abtheilungen seine früheren Beziehungen zum Re- spirationsapparate aufgegeben und wird, da es andere der Athmung fremde Organe hervorgehen lässt, besser mit dem Namen der » Visceralbogen« bezeichnet*). Bei den niedersten Fischen (Amphioxus) ist noch keine Differenzirung im gesammten Bogensystem erfolgt, es kann daher noch kein Zungenbein unterschieden werden. Auch die gesammte das Kiemengerüste dar- stellende lange Folge von knorpeligen Bogenstücken zeigt durch den Mangel der unteren Schlussstücke eine niedere Bildungsstufe an. Unter den Cyclostomen ist bei Petromyzon zwar ein knorpeliges sehr complicir- tes Visceralscelet vorhanden, von dem der vorderste Theil einem bei dem Mangel des Unterkiefers den Mund begränzenden Zungenbeine entspricht, allein es kann der »Kiemenkorb« wie auch bei den Myxinoiden nur schwer auf analoge Theile der übrigen Fische zurückgeführt werden. Bei diesen ist die discrete Bildung des ersten oder Zungenbeinbogens von den übrigen oder Kiemenbogen nach einem mehr übereinstimmen- den Plane. Jeder Schenkel des Zungenbeinbogens besteht bei den Haien aus einem einfachen Knorpelstücke, welches sich bei anderen Selachiern, z. B. den Rochen in zwei, bei den Chimären und Stören in drei Stücke gegliedert hat, welche Zahl auch bei den Knochenfischen die Regel ist. Die Befestigung geschieht oben entweder am Kieferstiele oder sie findet wie bei den Chimären direct am Schädel statt. Unten gehen beide Bo- genschenkel, seltener der Copula entbehrend, in den ersten Kiemenbogen über (Rochen und Störe) oder sie werden durch die Copula (Fig. HS.f) vereinigt, vor welcher dann häufig noch ein besonderes os linguale oder *) Vergleiche die specielleren Ausführungen bei Rathke, Anatomisch-philo- sophische Untersuchungen über den Kiemenapparat und das Zungenbein der Wirbel- thiere. Riga 1832. Dann Reichert, über die Visceralbogen im Allgemeinen und deren Metamorphose bei den Vögeln und Säugethieren. Müll er 's Archiv. 1837. Visceralscelet. 467 entoglossum (e) *) angebracht ist. Am äusseren Rande der beiden Zun- genbeinbogen (Fig. 145. I) ist eine Anzahl knöcherner oder knorpeliger Strahlen, radii branchiostegi (Fig. 145. r) , eingefügt, welche einer von unten und seitlich die Kiemen überdeckenden Haut, der Membrana bran- chiostega, als Stütze dienen. Fig. 145. Die auf den Zungenbeinapparat nach hinten folgenden Bogen sind gewöhnlich fünf an der Zahl**) , welche sich mit einer Reihe hinter der Copala des Zungenbeines liegender Stücke vereinigen und mit ihren oberen Enden entweder der Schädelbasis oder — wie bei den Haien — dem Anfange des Rückgrates angeheftet sind. Von vorne nach hinten zu nimmt die Grösse und die Selbständig- keit dieser Bogen ab, indem einestheils die hinteren (Fig. IV, V, VI) Fig. 443. Visceralscelet (Zungenbein und Kiemenbogengerüste) von Percaflu- viatilis. I — VI. Bogenreihen; der erste Bogen (/) zum Tragapparat des Zungen- beins, die vier nächsten (// — V) zu Kiemenbogen und der letzte (VI) zu den unteren Schlundknochen umgewandelt, a. b. c. d. die einzelnen Glieder der Bogen. Das oberste Stück (d) von den Kiemenbogen stellt die Ossa pharyngea superiora dar. r. Radii branchiostegi. f. g. h. Verbindungstücke ICopulae) der seitlichen Bogen, das vorderste davon als Zungenbein auftretend. (Nach Guvi er.) *) Fast allgemein geht bei den Teleostiern von der Copula noch ein knöcher- nes Stück, der Zungenbein kiel nach hinten und abwärts , welches einem Theile der Rumpfmusculatur zur Befestigung dient. **) Nur vier kommen bei Polypterus vor. Eine Vermehrung um einen sechsten Bogen ist von Stannius sehr allgemein bei den Haien beobachtet worden. 30* 468 Vertebraten. keine eigenen Copulae mehr besitzen , sondern sich an jene der vorher- gehenden Bogen gemeinsam befestigen, anderntheils auch nicht mehr von allen die Anheftestelle am Schädel erreicht wird , so dass die hinteren zur Befestigung nach oben an die vorderen sich anlegen müssen. Damit ist auch die Bedeutung eine andere geworden und wenn die vier vorde- ren Bogen {II— V) als Kiementragende erscheinen, so hat der hinterste (VI) diese Eigenschaft verloren und erscheint als Stütze des Schlund- kopfs, woerdannals ospharyn- geurn inferius bezeichnet wird. Es besteht das letztere (Fig. 1 46) jederseils meist nur aus einem ein- zigen Stücke, während die übrigen, gleich wie der Tragapparat des Zungenbeins, in eine Anzahl ver- schieden gestalteter Glieder (Fig. 145. a, b, c, d.) zerfällt sind*). Die obersten, in der Begel der Schädelbasis verbundenen , bilden bei den Knochenfischen das obere Schlundgewölbe , und sind als ossa pharyngea superiora (d) bezeichnet worden**). — Die Beziehungen des gesammten Bogensystems zu dem Athemapparate sind sehr mannich- falliger Natur, denn wenn auch das bei weitem häufigste Vorkommen der Kiemenblättchen auf den vier mittelsten Bogen vorzüglich diese zu Kiemenbogen stempelt, so zeigt doch auch wieder das Vorhandensein der Kiemenblättchen am letzten (bei Lepidosiren) sonst zum os. phar. inferius umgewandelten, und die Betheiligung des Zungenbeinbogens an der Her- stellung eines Gerüstes für die vordersten Kiemen (bei den Selachiern und Chimären), dass die Beziehungen zum Athemapparate durchgehend typische sind , wie gross auch die Schwankungen in der speciellen Ein- richtung sein mögen. — Auch den an den Zungenbeinbogen sitzenden Kiemenhautstrahlen (radii branchiostegi) wird eine allgemeinere morpho- logische Bedeutung dadurch zu Theil , dass bei den Selachiern auch an den ächten Kiemenbogen solche Strahlen als Stützen der Kiemen vorhan- den sind, durch welche also alle von den Bogenschenkeln nach hinten sich erhebenden Badien als einer Bildungsreihe angehörig sich heraus- Fig. 146. Ossa pharyngea inferiora von Barbus fluviatilis. A. Beide Schlund- kieferstücke von oben. B, Eines von der Seite. C. Ein einzelner Zahn. (NachHeckel und Kner.) *) Zu einem Stücke verwachsen sind die ossa phar. inferiora bei der Abtheilung der Pharyngognathen. **) Eine eigentümliche Bildung zeigen diese oberen Schlundknochen bei den Labyrinthfischen ; das dritte Glied am ersten Bogen stellt ein labyrinthartiges Höh- lensystem dar, dessen Auskleidung gleichfalls zu Respirationszwecken eingerich- tet ist. Visceralscelet. 469 kel Fi;,' 147. stellen. Beide Extreme dieser Bildung des Visceralsceletes, die starken dem Zungenbeinbogen angehörigen Knochenstrahlen derTeleostier, sowie die feinen Knorpelblättchen der übrigen eigentlichen Kiemenbogen werden so unter eine und dieselbe Erscheinungsreihe gebracht*]. Die Beduction des Visceralscelets beginnt unter den Amphibien, und es ist diese Classe um so interessanter, als sich die Bückbildung der Kiemenbogen bei den im Larvenzustande mit Kiemen versehenen Batra- chiern an einer und derselben Art beobachten Jässt. Die mit bleibenden Kiemen versehenen Amphibien besitzen demnach den gesammten Apparat in ähnlicher Weise persistirend, wie er bei den übrigen nur als vorüber- gehende Bildung erscheint. Jederseits steigt ein an der Schädelbasis angehefteter Bogenschen- Fig. 147. b) hinter dem Unterkieler nach abwärts und verbindet sich mit einem unpaaren, meist knorpeligen Stücke, dem Zungenbeinkörper, wel- cher bei den Batrachiern eine breite, mannichfach ausgeschweifte Platte dar- stellt (Fig. 147. B a). Bei den Perennibranchiaten, so- wie bei den Larven der Salamandrinen und Batra- chier gehen vom nach hin- ten verlängerten Ende des Körpers jederseits einige Bogen (A , c , c) , welche die nach hinten und oben convergirenden Kiemenbogen (e) tragen , wovon die vorderen ihnen direct aufsitzen , indess die hinteren nur indirect , nämlich vermittelst der vorderen Kiemenbogen ihnen verbunden sind. Von dieser Einrich- tung bleiben auch noch nach dem Larvenleben der Salamandrinen einige Theile bestehen , indem ausser den meist unverbundenen Zungenbein- bogen am hinteren Ende des Zungenbeinkörpers (der Copula) noch zwei Paar Stücke als Beste des 2. und 3. Kiemenbogens angeheftet sind, die Fig. 147. A. Zungenbein und Kiemenbogengerüste einer Larve von Salamandra maculata. b. Zungenbeinbogen, c. c Kiemenbogenträger. d. Hinterer Anhang der Copula. (N3ch Rusconi.) — B. Zungenbein von Bufo cinereus. a. Zun- genbeinkörper (Copula). b. Hörner des Zungenbeins, c. Reste der Kiemenbogen. (Nach Duges.) *) Owen betrachtet diese Strahlenbildungen am Visceralgerüste als aus einer Vermehrung der auch sonst am unteren Bogensystem des übrigen Scelets vorhande- nen, nach rückwärts gerichteten Fortsätze hervorgegangen, so dass er z. B. die pro cessus uncinati der Rippen der Vögel und Crocodile hierher zieht. Von einem den Gesammtplan des Wirbelthierscelets erfassenden Gesichtspuncte aus ist dieser An- schauung die vollständigste Berechtigung zuzuschreiben. 470 Vertebraten. bei den Batrachiern im vollendeten Zustande desThieres nur ein einziges Paar (B, c) vertritt. Die übrigen, zu keiner Zeit Kiemen besitzenden, Wirbelthiere tragen die Reste des gesammten, bei den Fischen so hoch entwickelten Visceral- scelets nur noch im vordersten Abschnitte desselben, nämlich am Zungenbeine. Die schon bei den Fischen sehr verbreitet vorkom- mende Umbildung des hintersten Abschnittes (zum unteren Schlund- knochen) ist noch weiter nach vorne geschritten , so dass von den auch bei den Embryonen der höheren Wirbelthiere vorhandenen Visceralbogen nur noch die vorderen bestehen bleiben , die hinteren dagegen entweder gänzlich schwinden oder einer die Form , wie die Function bedeutend alterirenden Metamorphose unterworfen sind. Häufig lösst sich auch von den als Zungenbein persistirenden Gliedern des Visceralscelets die Arti- culation mit dem Schädel, und dann ist es an letzterem nur durch Band- masse aufgehängt. Der Körper des Zungenbeins wird entweder nur aus einem oder aus mehreren hinter einander folgenden Stücken dargestellt; im ersteren Falle entspricht er der vordersten Copula des Visceralscelets der Fische, in letzterem Falle ist nur sein vorderstes Stück der Zungenbeincopula der Fische homolog und die darauf folgenden entsprechen Verbindungs- stücken der Kiemenbogen. Die aus den Resten der Bogentheile des Vis- ceralscelets gebildeten Theile des Zungenbeins werden als »Hörner« be- zeichnet und können in verschiedener Anzahl vorhanden sein , je nach- dem das Visceralscelet mehr oder minder der rückschreitenden Metamor- phose erlag. Die vorderen Hörner entsprechen den vordersten Bogen der durch Kiemen athmenden Wirbelthiere, die folgenden Bogen dem ersten oder den beiden ersten Kiemenbogen. Unter den Reptilien sind die Schildkröten und Saurier durch ein wenig rückgebildetes Visceralscelet charakterisirt. Der Zungenbeinkörper ist aus einem oder mehreren Stücken gebildet, an welchen seitlich zwei oder drei Hörnerpaare entspringen, die sogar, wie dies bei den Sauriern die Regel ist, aus mehreren (2 — 3) Gliedern bestehen. Eine Gliederung des Körpers ist auch bei Schildkröten verbreitet, bei denen zugleich ein besonderes os entoglossum vorhanden ist. Die vordersten Hörner sind häufig rudimentär, nur durch kurze Fortsätze des Körpers und da- von entspringende Ligamente vertreten*). Die vorderen Hörner fehlen auch an dem einfachen Zungenbeinapparate der Crocodile. Von einem breiten Körper entspringt ein einziges Hörnerpaar, welches dem zweiten Paare der Zungenbeinbogen der Saurier homolog ist. — Noch mehr ver- kümmert sind endlich diese Theile bei den Schlangen , wo der ganze *) Paarig sind die mehrfachen auf einander folgenden Körperstücke (copulae) bei Trionyx. Sie erinnern dadurch an ähnliche Bildungen des Sternums. Visceralscelet. 471 Fi» 148. Apparat nur durch einen einfachen oft ausserordentlich feinen Knorpel- bogen dargestellt ist. In derClasse der Vögel ist ein einfacher Körper (Fig. 1 48. 1) mit einem seitlichen Hörnerpaare zum Typus ge- worden. Die Hörner werden aus 2 — 3 Gliedern (4, 5) zu- sammengesetzt und entsprechen einem zweiten Paare*). Vor dem Körper befestigt sich ein verschieden gestaltetes paariges os entoglossum (2), und hinten vom Körper ent- springt ein längerer Fortsatz, der Kiel (3). Erst bei den Säugethieren kommen wieder vor- dere Hörner (Fig. 149. b) hinzu, durch welche die Be- festigung an die Schädelbasis (an das Petrosum) bewerk- stelligt wird. Sie bestehen in der Regel aus mehreren an einander gehefteten Stücken , die auch durch Band- masse vertreten sein können oder von denen die oberen sogar mit dem Felsenbeine verschmelzend, die sogenann- ten Griffel fortsätze des letzteren darstellen. Diese beim Menschen Platz greifende Bildung ist noch beim Orang und einigen Pachydermen vorhanden. Die Processus styloidei des Felsen- beines sind somit keine dem Schädel ursprünglich angehörigen Gebilde, sondern nur mit dem Schädel verwachsene Abschnitte der vorderen Aufhängebogen des Zungenbeins. Die Verschiedenheit in der Form, Grösse und Gliederung der hinleren Hör- ner (c) ist weniger bedeutend. Sie ver- binden sich in der Regel als einfache Stücke mit ihnen entgegenkommenden Fort- sätzen (Hörnern) des Schildknorpels vom Kehlkopfe, und fehlen selten gänzlich, wie z. B. bei Nagern, Walthieren und Edentaten. Der Körper des Zungenbeins ist häufiger ein gebogenes Knochenstück, seltener von der Seite her comprimirt**). Fig. 148. Zungenbeinapparat des Haushuhnes. 1. Zungenbeinkörper [copula) 2. os entoglossum. 3 Kiel. 4. Vorderes 5. hinteres Glied des Zungenbeinhornes. Fig. 149. Zungenbein und Kehlkopf von C er copithe cus faunus. A. von vorne. B. seitlich, a. Zungenbeinkörper, b. obere Hörner. c. untere Hörner. d. Schildknorpel. Fis. 149. *) Zuweilen kommt durch beträchtliche Verlängerung dieser Hörner ein eigen- thümliches Verhalten zu Stande. So krümmen sie sich bei den Spechten um den Schädel herum und erreichen den von besonderen Muskeln umschlossenen Stirnfort- satz des Oberkiefers. **) Eine eigenthümliche Bildung des Zungenbeins ist von den Affen anzuführen Bei einigen mit Kehlsäcken versehenen Gattungen ist der Zungenbeinkörper nach aussen stark convex und bildet bei den Brüllaffen (Mycetes) sogar eine rundliche Kno- chenblase als Resonanzapparat des Kehlkopfs. 472 Vertebraten. Von ihm geht vorne eine Faserbandmasse in die Zunge ein (Wurm oder Lytta) , durch welche die bei Vögeln, Schildkröten und Fischen vorkom- menden ossa entoglossa repräsentirt werden*). §• 45. d) Vom Muskelsysteme. Die Musculatur des Körpers der Wirbelthiere ist durch das Vorhan- densein eines inneren Scelets aus den einfachen Verhältnissen heraus- getreten , in welchen sie in jener Thierabtheilung getroffen wurde , bei denen innere Stützapparate in einfacher niederer Form und ohne alle Gliederung bestanden. Der Hautmuskelschlauch der Mollusken, das wesentlichste allgemeine Locomotionsorgan dieser Thiere vorstellend , ist daher beim Wirbelthiertypus verloren gegangen**). Er wird functionell ersetzt durch die mit dem festen Körpergerüste verbundenen , und jenes bewegenden Muskelparthien , welche zu dem Ausbildungsgrade des Sce- lets und seinen einzelnen Bestandtheilen im innigsten Verhältnisse ste- hen. Das Fehlen einzelner Scelettheile bedingt den Mangel der betreffen- den Musculatur, sowie letztere auch wiederum in hohem Grade entwickelt getroffen wird , wo die zu bewegenden Scelettheile sowohl in Volum als in Beweglichkeit zu einer hohen Entfaltung gelangten. Die Muskeln bestehen stets aus discreten , zu mannichfaltig geform- ten Parthieen vereinigten Fasern , deren Bündel von den benachbarten Theilen durch Bindesubstanz abgegränzt sind. Die einzelnen bei einan- der liegenden Muskeln , welche für einen und denselben Zweck functio- niren, vereinigen sich zu Muskelgruppen, aus welchen dann wieder die einzelnen grössern Abschnitte des Muskelsystemes zusammengesetzt sind. Die gesammte Musculatur des Wirbelthierkörpers zerfällt in die Hautmuskeln und in jene des inneren Scelets. et) Haulmusculatur. Ein System von Muskeln zur Bewegung der Haut oder der mit ihr verbundenen Theile kann nur da bestehen , wo das Integument locker *) Für die Literatur der vergleichenden Osteologie müssen als Hauptwerke hier genannt werden : Cuvier, Recherches sur les ossemens fossiles, quatrieme Edit. Paris 1834. Owen, On the archetype and the homologies of the Verlebrate sceleton. London 1848. **) Auch in jenen Fällen, wo eine Hautmusculatur vorhanden ist, die, wenn sie auch nie jene hohe Bedeutung besitzt, wie jene der niederen Thiere, dennoch mit jenen verglichen werden könnte, besteht ein nicht unwesentlicher Unterschied darin, dass die betreffenden Muskeln niemals mit der Haut selbst so verschmolzen sind, dass sie einen integrirenden Bestandtheil derselben vorstellen, wie solches in dem Integu- mente der Würmer und Mollusken der Fall ist. Sie bilden vielmehr nur Strata, welche unt er der eigentlichen Haut liegen, so dass also auch hierin eine weitere Differenzirung auf der Basis der Functionsspaltung nicht zu verkennen ist. Musculatur des Scelets. 473 mit den darunter liegenden Theilen verbunden , und dadurch eine Ver- schiebung derselben möglich ist. Sie fehlen daher den Fischen , und fin- den sich erst in den folgenden Glassen, meist in Form breiter und platter Massen auftretend oder als kleine Bündelchen erscheinend, die dann über die Haut vielfältig vertheilt sind. Unter den Amphibien treffen wir bei den Batrachiern eigene Hautmuskeln in der Nähe des Steissbeines an, welche an die Rückenhaut tretend, diese spannen und von Duges als m. pubio - dorso - cutane und coccy ~ dorso - cutane bezeichnet worden sind. Andere minder bemer- kenswerthe Hautmuskeln kommen auch in allen Abtheilungen der Rep- tilien vor, und besitzen bei den Schlangen ihre beträchtlichste, auch functionell sehr wichtige Ausbildung. Es treten nämlich an der Haut des Bauches ganze Reihen kleiner Muskelbündelchen zu den Hautschuppen, zu welchen noch eigene Portionen von den Rippen kommen , und vereint die Bewegung der Schuppen bewirken. Bei den Vögeln sind die beiden Formen der Hautmuskeln vertreten. Grössere, platte Muskelausbreitungen finden sich an verschiedenen Theilen des Körpers, und dienen zur Bewegung grösserer Hautstrecken und der darin wurzelnden Federn. Kleine Hautmuskelbündelchen sind dann noch gruppenweise an die Spulen der grösseren Conturfedern vertheilt und be- wirken das Sträuben des Federkleides. Andere zur Bewegung der Federn dienende, allein vom Scelet entspringende Muskeln sind: der m. levator rectricum, sowie die Spanner der Flughaut: musc. patagii major et minor. In noch höherem Grade ist die Hautmusculatur bei den Säuge- thieren entfaltet, bei welchen vor allem ein grosser, den Rückentheil des Körpers überdeckender und auf den Hals sich umschlagender Haut- muskel hervorzuheben ist, der an verschiedenen Stellen mit aponeurotischen Bändern sich inserirt. Die grösste Mächtigkeit dieses Muskels ist bei jenen Säugethieren , welche, wie z. B. der Igel, die Stachelschweine und die Gürtelthiere, sich kuglich zusammenrollen. Hier ist der Rumpfhautmuskel in mehrere Parthieen geschieden. Die geringste Entwicklung besitzt er bei den Affen, wo er beim Orang nur durch den latissimus colli vertreten wird*). ß) Musculatur des Scelets. Dieser Theil der gesammten Musculatur zerfällt in die des Stammes und der Extremitäten , wovon die erstere wieder in drei Muskelsysteme sich gliedert, wie zuerst von J. Müller**) in lichtvoller Darstellung aus- einander gesetzt ward. Diese drei Systeme der Stammmuskeln stehen *) Dieser Muskel ist übrigens schon bei anderen , den grossen Rumpfmuskel be- sitzenden Affen selbständig geworden. **) Vergleich. Anatomie der Myxinoiden 1 . Theil. p. 225. 474 Vertebraten. in einem sich gegenseitig beschränkenden Verhältnisse , so dass da, wo das eine entwickelt ist, das andere Rückbildungen erfährt. S ei tenr u m p fmu s k e 1 n. Dieses System hat seine grösste Bedeutung bei den Fischen und Perennibranchiaten, und besteht hier aus zwei, die Seitentheile des Körpers einnehmenden , vom Kopf bis zum hinteren Körperende verlaufenden Muskelmassen (m. laterales) , welche in der Medianlinie des Rückens und unten in jener des Bauches sich berühren und nur durch senkrechte Sehnenbänder geschieden sind. Eine Ausnahme hie- von machen die Myxinoiden , bei denen die ventrale Portion der Seiten- rumpfmuskeln nicht vorhanden ist. Die Dornfortsätze der Wirbel er- strecken sich am Schwänze der Fische sowohl oben wie unten als Scheidewand zwischen die beiden Muskelmassen. Jede Hälfte zerfällt wieder in eine obere und untere Parthie, welche durch eine horizontale, durch die Achse der Wirbelsäule gelegte Ebene von einander geschieden zu denken sind, so dass im Ganzen vier Seitenmuskeln bestehen. Eine wirkliche Trennung wird durch eine jener Ebene folgende sehnige Mem- bran bewerkstelligt, welche namentlich am Schwänze deutlich hervor- tritt. Soweit die Bauchhöhle reicht, besitzen die beiden ventralen Seiten- muskeln eine beträchtlichere Ausdehnung , weil von ihnen die Rippen überkleidet werden , bis dann am Schwänze zwischen oberen und unte- ren ein gleichmässiges Grössen-Verhältniss sich herausstellt. Jeder der vier Seitenrumpfmuskeln wird durch eine den Wirbeln entsprechende Anzahl von sehnigen Blättern (ligamenta inlermuscularia) in einzelne Abschnitte geschieden, welche auf der Oberfläche durch die als inscriptiones tendineae zu Tage tretenden freien Ränder jener Blätter leicht unterschieden werden können. Da die Muskelfasern zwischen je zwei der Sehnenblätter stets parallel verlaufen , so bieten letztere Ur- Pig 150. sprung wie Insertion für je einen Ab- schnitt dar. Der Verlauf der trennenden Sehnenblätter ist jedoch immer ein gebo- gener und zwar in der Weise, dass in je- dem Rückenmuskel eine untere aus in einander steckenden, mit der Spitze nach vorn gerichteten Kegeln (Fig. 1 50 A a) gebildete und eine obere aus Kegelstücken bestehende Schichte (ö) erkannt werden ^^ ^ V _ß kann. Die Spitzen dieser unvollständigen A Kegel sehen nach hinten. An den ventra- Fig. 150. A. Durchschnitt der Schwanzmuskeln von Scomber scomber. a. obere, b. untere Seitenrumpfmuskeln. a und b'. Durchschnitt unvollständiger oberer und unterer Kegelmäntel. (Nach J. Mül ler.) B. Zickzacklinien der oberflächlichen Enden der ligg. inlerrfiuscularia am Schwänze von Scomber. Seitenrumpfmuskeln. 475 len Muskeln ergibt sich ein umgekehrtes Verhalten insofern als die Ke- gel (a) oben, die KegeJstücke (b') nach unten gelagert sind. Auf einem senkrechten Querdurchschnitte am Schwänze eines Fisches (Vergl. Fig. 150 A) sieht man daher jederseits zwei an einander stossende Systeme concentrischer Ringe (die durchschnittenen Hohlkegel) , und über dem oberen, wie unter dem unteren noch kürzere oder längere Bogenlinien (die Durchschnittsbilder der unvollständigen Kegelstücke). Der Verlauf der Ligamenta intermuscularia, der zum Theile schon aus der Bildung und Richtung der Kegel verstanden werden kann , ist somit oben von vorne schräg nach hinten , und dann wieder zur Umschliessung der Kegel im Bogen nach vorne , um hier mit dem entsprechenden Sehnenbande des unteren Muskels zusammenzutreffen. Die auf der Oberfläche der Seiten- musculatur dadurch zu Stande kommenden Zickzacklinien (Fig. 150. B) besitzen auf der Mitte des Scheitels der nach vorne gewölbten Bogen- linie die Stelle, wo die oberen und unteren Kegelschichten an einander stossen. Verschiedenheiten in dieser Anordnung ergeben sich aus dem Zusammenfliessen der Kegelschichten der beiden Seitenmuskeln, so dass in jedem oberen wie unteren nur halbe Hohlkegel oder selbst noch kleinere Kegeltheile bestehen. An den Seiten des Bauches ist die letztere Bildung die Regel gewor- den, doch kann man von der Schwanzmusculatur aus den allmählichen Uebergang in jene verfolgen. Nach diesem Principe sind auch die Seitenmuskeln der Perenni- branchiaten, wieder Salamanderlarven gebildet, so dass dieselbe Zickzacklinie der ligg. intermuscularia nur in weniger scharfen Biegungen zu beobachten ist. Bei dem mehr geraden Verlauf der lig. intermusc. ist die Kegelbildung verloren gegangen. Bei den ausgebildeten Salaman- drinen ist der Bauchtheil des Seitenmuskels am Rumpfe verschwunden und nur noch am Schwänze zeigt sich zwischen oberer und unterer Hälfte eine symmetrische Bildung; der persistirende Rückentheil dagegen verhält sich ganz fischähnlich , und wird durch ligg. intermuscularia in einzelne Abschnitte getrennt. In den höheren Wirbelthierclassen kommt der Bauchtheil der Seiten- musculatur am Rumpfe nie zur Entwicklung, dagegen besteht er an) Schwänze derReptilien und Säugethiere unter einigen Modificationen noch fort, er wandelt sich nämlich in ähnliche Muskeln um , wie der bei allen luftathmenden Wirbelthierclassen bestehende Rückentheil , der sich be- ständig und gleichmässig auch über den Schwanz erstreckt. — Während bei den Eidechsen noch eine Trennung des dorsalen Seitenmuskels durch Ligamenta intermuscularia erkannt werden kann, hat eine weiter gehende Differenzirung bei den übrigen eine Reihe discreter Rückenmuskeln ent- stehen lassen, welche die Gruppe sacrolumbalis , longissimus , spinulis, semispinalis und multißdus darstellen. Diese gruppiren sich in eine äus- sere und innere Portion, wobei zu der ersteren die beiden erstgenannten, 476 Vertebralen. zu der letzteren die drei letztgenannten gehören , welche Trennung schon bei den Eidechsen angedeutet ist. Die Ausdehnung dieser Muskeln findet längs der ganzen Wirbelsäule statt und die Trennung, die man beim Menschen an den Halsportionen einiger derselben gemacht hat, indem man den Halstheil des sacrolumbalis als cervicalis ascendens, den des longissimus dorsi als transversales cervicis schied , ist eine durch die vergleichende Beobachtung völlig ungerecht- fertigte. In der gleichen Weise ist auch der complexus und biventer cer- vicis als eine und zwar bis zum Schädel reichende Verlängerung des Semispinalis anzusehen*). Intercostalmuskeln. Dieses, auch sämmtliche Interprocessualmuskeln (der m. interspina- les und intertransversarii) der Wirbelsäule umfassende System kann bei den Fischen von den tiefsten Schichten der vorhin abgehandelten Seiten- muskeln noch nicht getrennt werden, indem letztere continuirlich in diese übergehen. In den übrigen Wirbelthierclassen hängt seine Ausbildung vorzüglich von der Entwicklung der Rippen ab, so dass da, wo die Wir- belsäule vom Kopfe bis zum After Rippen trägt, wie bei den Schlangen, seine grösste Ausdehnung vorhanden ist. Da in den höheren Classen der Wirbelthiere die Rippenbildung an gewissen Körperabschnitten rudimen- tär wird, und die ursprünglichen Anlagen von Rippen mit den Wirbeln oder auch mit den Querfortsätzen derselben verschmelzen, so wird das intercostale Muskelsystem daselbst gleichfalls rückgebildet sein, und die Intertransversarii am Schwänze des Crocodils, am Halse der Vögel und an der Hals- und Lendengegend der Säugethiere sind daher zum Theile als Intercostalmuskeln anzusehen , soweit sie nämlich von den aus Rippenanlagen hervorgehenden Elementen der Processus transversi Ur- sprung und Insertion nehmen. Damit steht auch in vollstem Einklänge, dass die Intertransversarii da , wo die Wirbelsäule ächte Rippen trägt, einfach vorkommen, während sie am Lenden- und Halstheile doppelt zu finden sind, davon die vorderen als intercostales , die hinteren als wahre intertransversarii angesehen werden müssen. Eine ähnliche Umwandlung durch die Umwandlung der bezüglichen Scelettheile erleidet das vorder- ste Paar der intertransversarii , welches zum rechts capitis lateralis wird, sowie auch die rect. cap. postici auf analoge , der übrigen Wirbelsäule zukommende Muskeln, nämlich auf interspinales, sich zurückleiten. Eine andere hierher gehörige Abtheilung von Muskeln bilden die Rippen- heber, die am Halse durch die Scaleni , am übrigen Rumpfe durch die eigentlichen levatores costarum dargestellt sind. Die Entwicklung der Muskeln ist von der Beweglichkeit der Hippen abhängig, so dass sie bei Als die Fortsetzung der Spinalis an den Schädel erscheinen die Splenii Intercostalmuskeln. 477 den Schlangen am ausgebildeisten zu treffen sind . wo noch besondere Rückzieher der Rippen hinzutreten. Dem Systeme der Intercostalmuskeln sebliessen sich endlich auch die geraden Rauchmuskeln an, welche an den, der wahren Rippen- bildung entbehrenden Stellen der Rauchwand zu finden sind. Sie reichen vom Rrustbeine bis zum Recken , und können sich bei fehlendem Ster- num vom After bis zum Zungenbeine nach vorne erstrecken , wie solches für die Myxinoiden der Fall ist, den einzigen Fischen, welche mit geraden Rauchmuskeln versehen sind. Rei geringer Längenentwickelung des Ster- num können die recti fast continuirlich in den sterno- hyoideus übergehen, der sich somit gleichfalls hier einreiht (Salamandrina. Ratrachia). Durch das Auftreten der m. m. recti werden die m. laterales um ihren Bauch- theil verkürzt, sowie andererseits das Fehlen ausgebildeter recti die m. laterales ihre Stelle vertreten lässl (Fische, Perennibranchiaten). Die Deutung der Recti abdominis als der intercostalen Gruppe angehörige Theile wird durch jene Fälle gesichert, wo Bauchrippen vorhanden sind, die dann jeden Rectus in eben so viele Abschnitte zerlegen, und jeden als einen wahren Intercostalmuskel erscheinen lassen (Crocodile). Rei dem Fehlen von Rauchrippen wird deren Stelle häufig von denlnscriptio- nes tendineae vertreten, die an der Zahl jener der Rippen entsprechen, welche nach der Wirbelzahl jenem Körperabschnitte zukämen*). Seitenbauchmuskeln. Obwohl auch diese Muskelgruppe wiederum den Fischen (mit Aus- nahme der Myxinoiden) abgeht, so steht sie doch in keinem völligen Gegensatze mit den m. m. laterales, da sie bei den letztern besitzenden Perennibranchiaten {Menobranchus) vorhanden ist. Es sind drei auf die Rumpfgegend beschränkte Muskeln hieber gehörig, der m. obliquus ex- ternus (oblique descendens) , obliq. internus (oblique ascendens) , und endlich der???, transversus abdominis. Die Ausdehnung dieser drei Muskeln ist in den niederen Classen eine viel grössere, als bei den Säugethieren. Der m. obliquus externus liegt bei den Myxinoiden längs des Rumpfes zum Theile noch über dem m. latera- lis, sowie er auch bei den Amphibien noch über den seitlichen Parthieen der Rückenmuskeln seinen Ursprung nimmt. Rei den Reptilien besteht er aus mehreren Schichten und bedeckt, wie bei Amphibien und selbst *j Sowohl bei Amphibien als Reptilien, wie auch bei Säugethieren sind die In- scriptiones tend. ausgebildet. Sie fehlen den Cetaceen. — Zu den geraden Bauchmus- keln muss auch derJf.pl/rameda/wgezahltwerden, der den Salamandrinen , denCro- codilen , Straussen und endlich vielen Säugethieren zukommt. Beutelthiere und Monotremen besitzen ihn in besonderer Ausbildung, so dass er, von einem Rande des Beutelknochens entspringend , nahe bis ans Brustbein reicht, und dabei den Rectus überlagert (desshalb von Owen als oberflächlicher gerader Bauchmuskel benannt). 478 Vertebraten. noch bei vielen Säugethieren der Fall ist , einen grossen Theil der Brust. Bei Amphibien und manchen Eidechsen fügen sich zwischen seine Bün- del Inscriptiones tendineae ein, und bei den Schlangen wird er durch mehrere (3) besondere Muskeln dargestellt. — Der obliquus internus liegt beim Vorhandensein des M. lateralis nach innen von diesem (Menobran- chus) und kann bei den Sauriern, wie der externus, aus zwei Schichten bestehend, mit seinen Ursprüngen unter die Rückenmuskeln übergreifen. Seine Ausdehnung kommt dem äusseren gleich. Der Transversus abdominis tritt schon bei den Amphibien (Salaman- der) und Reptilien (Saurier, Crocodile und Schildkröten*) in so beträcht- licher Ausdehnung auf, dass er sich bis weit nach vorne in die Brust- gegend erstreckt, bis wohin er auch noch bei vielen Säugethieren reicht, während er bei den Vögeln nur bis zum unteren Rande des Brustbeins sich ausdehnt. Durch dies Verhältniss ergibt sich der triangularis sterni als die vorderste Portion des Transversus. Z werchfellmu skel. Auch die Scheidung der allgemeinen Leibeshöhle in zwei nur be- stimmte Gruppen von Eingeweiden bergende Cavitäten ist keine mit dem ursprünglichen Wirbelthierplane auftretende Erscheinung, sondern bildet sich erst allmählich heran, in demMaasse als am anfänglich gleichartig ge- gliederten Körper einzelne grössere Abschnitte von differentem Werthe sich ausprägen. Die Bedeutung des musculösen Diaphragma für den Me- chanismus der Lungenathmung lässt sich in dieser graduellen Entwicke- lung gleichfalls nicht verkennen, so dass man wohl sagen darf, dass die Höhe der Ausbildung jener Athemorgane mit jener des Diaphragma glei- chen Schritt hält. Aus diesen beiden , jedoch nur in ihrer innigen Ver- bindung zu würdigenden Factoren erklärt sich der Mangel des Zwerch- fellmuskels bei den Fischen. Bei seinem ersten Erscheinen unter den Amphibien ist es nur durch einzelne, die Speiseröhre umgreifende Muskelbündel dargestellt, welche auch den Reptilien, besonders Croco- dilen, zukommen, jedoch mehr mit dem Charakter eines Muskelbelegs des Peritonäums. Zu einem selbständigen über die Lungen sich hinweg schlagenden Muskel kommt es erst bei den Schildkröten. Beiden Vögeln ist die Umhüllung und die Einwirkung auf die Bewegungen der Lungen die vorragendste Bedeutung des nur an seinen seitlichen Ur- sprüngen musculösen Zwerchfelles, welches noch nicht zur Scheidewand einer Brust- und Bauchhöhle geworden ist*). Als solche erscheint es erst bei den Säugethieren, wo nicht allein seine von der Wirbelsäule *) Er fehlt den Schlangen. **) Die zwerchfellartige Lungenumhüllung der Vögel ist besonders wichtig für die mit den Lungen in Verbindung stehenden Luftsäcke des Abdomens, die durch jene Einrichtung von den Lungen abgeschlossen werden können. Muskeln des Kopfes. 479 und den Rippen stammenden Muskelursprünge, sondern auch seine mitt- lere, nur bei wenigen (Delphinus) fehlende Aponeurose (centrum tendi- neum) mächtig ausgebildet sind*). Vordere Muskeln der Wirbelsäule. Diese im Allgemeinen als Antagonisten der Rückenmuskeln wirken- den Abtheilungen verhaltensich am einfachsten am Schwänze, wo sie blosse Wiederholungen der oberen sind. Es gilt dies nicht nur für die mit noch nicht weiter differenzirten Seitenrumpfmuskeln versehenen Fische (vergl. oben pag. 474) , sondern überhaupt für alle geschwänzten Wirbelthiere, doch können einzelne dieser Muskeln sich in eigentüm- licher Weise ausbilden, wie dies z. R. am Schwänze der Vögel der Fall ist. In das System dieser Muskeln gehört ferner der schon bei Salaman- dern und Fröschen vorhandene Quadr atus lumborum , der auch bei den Reptilien, mit Ausnahme der Schlangen, zu finden ist, sowie ihn auch alle Saugethiere besitzen. Bei den mit rudimentärem Becken versehenen Walthieren erstreckt er sich weiter nach hinten und wirkt als Nieder- zieher des Schwanzes. Eine andere Gruppe bilden die vorderen Halsmuskeln , zu denen die Recti capitis cmtici , dann der M. longus colli gehören , Muskeln, die erst von den Reptilien an in deutlicher Ausbildung vorhanden sind. Muskeln des Kopfes. Diese theilen sich in solche , welche zur Bewegung des Unterkiefers dienen, Kaumuskeln, und solche, deren Bestimmung auf die Bewegung der Weichtheile gerichtet ist, welche die am Kopfe angebrachten Oeff- nungen der Sinnesorgane verschliessen. Die zur letzteren Gruppe gehö- rigen Muskeln, Gesichtsmuskeln, bedingen die Veränderlichkeit des physiognomischen Ausdruckes und damit das Mienenspiel , zeigen daher jene Entwicklung, wie sie beim Menschen besteht , bei keinem Thiere, obgleich eine allmähliche Vermehrung in der aufsteigenden Reihe deutlich gegeben ist. Bei den Fischen werden sie gänzlich vermisst, und auch bei den Amphibien bestehen nur wenige Bündelchen zur Verengerung oder Erweiterung der Nasenöffnungen , die auch bei den R eptilien wieder- kehren und noch durch Muskeln zur Rewegung der Ohrklappe der Cro- codile vermehrt sind. Diese bilden mit den Palpebralmuskeln die ganze Gesichtsmusculatur, welche auch noch in der Classe der Vögel sich *) Das Vorkommen von Ossifikationen im Centrum lendineum der Kamele und Lamas gehört unter jene Erscheinungen, die wir auch sonst vielfach an sehnigen Theilen auftreten sehen: Herzknochen der Rinder, Penisknochen der Raubthiere, verknöcherte Sehnen der Vögel. 480 Vertebraten. hierauf beschränkt. Erst bei den Säugethieren — mit einziger Aus- nahme der mit hornigen Kieferscheiden versehenen Monotremen — er- gibt sich durch dieMusculatur der Lippen eine grössere Mannichfaltigkeit, die nur durch den auch das Gesicht überziehenden Hautmuskel abge- schwächt wird. Die einzelnen Muskeln lassen sich im Ganzen auf jene des Menschen zurückführen, sind aber namentlich an der Unterlippe nur wenig gesonderte Theile der betreffenden Hautmusculatur. Die Kaumuskeln bieten in ihrer Zahl und Ordnung je nach den Verhältnissen der von ihnen zu bewegenden Knochen mehrfache bemer- kenswerthe Erscheinungen und lassen überdiess noch dasselbe Differen- zirungsgesetz erkennen , welches die übrige Musculatur beherrscht. So wird der ganze Kaumuskelapparat bei den Fischen {Teleostei) jederseits durch einen grossen , aus mehreren Portionen zusammengesetzten, theils vom Gaumengerüste, theils vom Kieferstiele seinen Ursprung nehmenden Muskel dargestellt, welcher sich am Ober- und am Unterkiefer inserirt. Die an den Unterkiefer tretende Portion entspricht jenen Muskeln , die wir bei den höheren Thieren als temporalis , masseter und mm. pterygoi- dei bezeichnen. Auch der Kieferstiel besitzt einen besonderen Hebemus- kel, und zur Bewegung der nur durch ein Band verbundenen Unterkiefer- hälften ist ein gemeinschaftlicher Anzieher vorhanden. Bei Amphibien und Beptilien hat sich von der Kaumuskelmasse eine innere Portion als pterygoideus gesondert , die selbst wieder in zwei Abtheilungen (pt. externus und internus) zerfallen kann (Saurier) , und auch die Scheidung des Temporaiis und Masseter ist durch Schichtenbildung angedeutet. Das Herabziehen des Kiefers besorgt in beiden Classen ein Digastricus. Eine Vermehrung der Muskeln zeichnet die Schlangen aus, indem sowohl Ad- ductoren der Unterkieferäste als besondere das Quadratbein und einzelne Knochen des Gaumengerüstes bewegende Muskeln bei den Eurysto- mata in nicht unbedeutender Entwicklung getroffen werden. Aehnliche Muskeln, als Heber der Flügelbeine und des Quadratbeins bestehen auch noch bei den Vögeln und bewirken die Beweglichkeit des Oberkiefer- apparates. Von den eigentlichen Kiefermuskeln hat der Temporaiis die grösste Ausdehnung, und der in den unteren, mit beweglichen Kiefer- hälften versehenen Abtheilungen vorhandene Adductor wird durch einen quer zwischen den Kieferästen ausgespannten Muskel von anderer Bedeu- tung vertreten. Die Kaumuskeln der Säugethiere sind in Zahl , Ursprung und Inser- tion mit der menschlichen Bildung übereinstimmend und weichen ausser einem allgemein grösseren Volumen nur in jenen Verhältnissen ab , die durch Form der Ursprungs- und Inserlionsflächen an den betreffenden Knochen gegeben sind. Der Digastricus ist häufig nicht der einzige Senk- muskel des Unterkiefers, indem er noch durch Muskeln, die vom Ster- num (Kameel) oder vom Griffelfortsatze (Pferd) zum Unterkiefer treten, unterstüzt wird. Muskeln der Extremitäten. 481 Muskeln des Visceralscelets. Die bei den Fischen einen zusammenhängenden Apparat vorstellen- den Zungenbein- und Kiemenbogen werden auch durch ein besonderes System von Muskeln gleichmässig bewegt. Es erstreckt sich dieses theils von der Schädelbasis zu den einzelnen Kiemenbogen, theils vom Zungen- bein zu den letzteren, namentlich zu den ossa pharyngea inferiora, theils findet es sich zwischen den Kiemenbogen und den betreffenden Verbin- dungsstücken. Die Annäherung der beiderseitigen Kiemenbogen wird durch quere Muskeln besorgt. Wichtig sind bei den Fischen noch die Muskeln der Kiemenhautstrahlen , sowie jene des Opercularapparates, von denen ein zum Operculum tretender Heber und ein Senker besonders zu nennen sind. Die Perennibranchiaten und die Larven der übrigen Amphibien be- sitzen zur Bewegung ihres Kiemenkorbes ähnliche Muskelgruppen , die zum Theile wenigstens auf jene der Fische zurückführbar sind. Mit dem Verschwinden des Kiemengerüstes und der dadurch wachsenden Selb- ständigkeit des Zungenbeins wird auch die Bewegung desselben eine freiere, und Brustbein, Scapula und Unterkiefer, nicht selten auch das Quadratbein und die Schädelbasis geben Ursprünge für Muskeln her, die sich am Zungenbein inseriren. Nur die Schlangen bilden hievon eine Ausnahme, und die rudimentäre Bildung ihres Zungenbeins steht im Einklänge mit dem Mangel jener Muskeln, die sonst von dem hier fehlen- den Sternum und Schulterblatte ihren Ursprung nehmen. Die mm. ge- nio- , mylo-, omo- und sternohyoidei kommen in den höheren Wirbel- thierclassen fast ohne Ausnahme vor und bei den Vögeln und manchen Reptilien tritt noch ein Muskel hinzu , der dem stylo-hyoideus der Säuge- thiere homolog ist. Muskeln der Extremitäten. Zur Bewegung der unpaaren Flossen bei den Fischen dienen mehrere Systeme kleiner Muskeln, welche in der Medianlinie des Kör- pers gelagert , theils an die Flossenstrahlträger gehen und deren Hebung und Senkung bewirken, theils für die Flossenstrahlen selbst be- stimmt sind. Die in ihrer morphologischen Bedeutung mit den Extremitäten der übrigen Wirbelthiere zusammenfallenden paarigen Flossen besitzen eine Anzahl von Muskeln, die ebensowenig zuverlässig mit denen der übrigen Wirbelthiere zusammengestellt werden können, als diess von den betreffenden Knochen möglich war. Diess gilt auch noch für alle jene Amphibien und Reptilien , die mit rudimentären Extremitäten versehen sind. Erst da, wo nicht allein in der Anlage, sondern auch in der Aus- führung derselben der allgemeine Plan eine vollkommenere Stufe erreicht, gibt sich die Uebereinstimmung in der Musculatur deutlicher zu erken- nen, und eine Vermehrung der Muskeln, als das Resultat der Differenzi- Gegenbaur, vergl. Anatomie. 31 482 Vertebraten. rung früherer einheitlicher Parthien, begleitet die functionelle Entwicke- lung einer Extremität. Betrachten wir zuerst die vordere Extremität sammt dem sie tragen- den Schultergürtel , so sehen wir vom Rücken aus eine Anzahl von Mus- keln zum Schulterblatte treten , welche theils als Vorwärtszieher, theils als Rückzieher wirken, und einem m. cucullaris , den rhomboidei , dem levator scapulae entsprechend sind. Sie sind wenig entwickelt bei den Perennibranchiaten , indess schon die Salamandrinen , mehr noch die Batrachier sie so entwickelt zeigen , dass man in ihnen die Homologa der gleichnamigen Muskeln der höheren Wirbelthiere erkennen kann. Bei den mit einer Clavicula versehenen Säugethieren kommt noch ein m. clei- domastoideus hinzu , der mit dem ihm anliegenden, auch bei Reptilien vorhandenen sterno-mastoideus nur selten wie beim Menschen vereinigt ist. — Als Antagonisten dieser Muskelgruppe wirken Herabzieher des Schultergürtels , als welche die serrati antici (major und minor [pectoralis minor]) zu nennen sind. Sie haben wegen des Fehlens wahrer Rippen bei den Batrachiern ihre Lage insofern geändert , als sie von Querfort- sätzen entstehen und mit ihren Portionen nach aufwärts convergiren. Auch bei Reptilien, z. B. den Crococlilen, liegen die Ursprünge der serrati an den Halsrippen. Bei Vögeln und Säugethieren (soweit letzteren eine Clavicula zukommt) besteht noch ein subclavius, der in der erstgenannten Ciasse vom Sternum und Sternocostalknochen zum zweiten Schlüssel- bein tritt. Als Muskeln des Oberarms sind anzuführen: der deltoideus , der scapularis , latissimus dorsi , pectoralis major und coracobrachialis. Der Deltamuskel, als Heber und Vorwärtszieher des Armes wirkend , theilt sich nicht selten in mehrere Portionen (Vögel) oder verschmilzt mit dem cucullaris zu einem einzigen Muskel (manche Säugethiere). Der scapu- laris theilt sich schon bei den Reptilien in mehrere Portionen , die bei Vögeln und Säugethieren als subscapularis , supra- und infraspinetus be- stehen. Latissimus dorsi und pectoralis major erhalten bei den Vögeln eine hohe Bedeutung, indem ersterer, meist aus mehreren Schichten be- stehend, beim Fluge den hinteren Theil des Rumpfes hebt, und letzterer je nach der Ausbildung des Sternums eine beträchtliche Grösse besitzen kann, und meist in mehrere Portionen zerfällt, die sich auch bei den Chiropteren, dann bei grabenden Säugethieren wiederfinden. Ein solches Zerfallen trifft auch den Coracobrachialis bei den Vögeln. Für den Vorderarm bestehen schon von den Amphibien an Strecker und Beuger, welche theils am Humerus, theils am Scapulargürlel ihren Ursprung nehmen , und auch bei Reptilien und Vögeln , wenn auch an Zahl etwas vermehrt, in der Leistung sich einfacher verhalten, als die ihnen morphologisch entsprechenden Muskeln des Menschen. Hand- wurzel und Mittelhand sind ebenso bezüglich ihrer Musculatur auf die beim Menschen vorkommenden Einrichtungen reducirbar, wenn auch die sehr verschiedenartigen Leistungen der Extremität mit denen oft g;mz Nervensystem. 483 beträchtliche Modificationen der bezüglichen Scelettheile einhergehen, sehr abweichende Verhältnisse der Musculatur hervorrufen. Eine Ver- einfachung der Strecker und Beuger der Finger, sowie auch in der übrigen Musculatur des Extremitätenendes ist im Vergleich mit der menschlichen Bildung bei allen Säugethieren vorhanden, und zwar um so bedeutender, je grösser die Beduction ist, welche Carpus, Metacarpus und Phalangen erfahren , wie solche namentlich bei Pachydermen , Wiederkäuern und Einhufern zu treffen sind. Von den Muskeln der hinteren Extremität und des Becken- gürtels sind die meisten, wie an denen des vorderen Gliedmassen- gürtels gezeigt ward, als solche zu erkennen, die auch die menschliche Anatomie nachgewiesen hat. Doch muss auch hier wieder auf die ver- schiedene Leistung von morphologischen Aequivalenten aufmerksam ge- macht werden , welche Verschiedenheit aus einem differenten Verhalten der knöchernen Apparate und namentlich der Gelenke resultirt. Die von der Lendengegend der Wirbelsäule und der Innenfläche der Ossa ilei entspringenden Muskeln (m. psoas und iliacus internus) fehlen den Vögeln, und bei den Amphibien und Reptilien sind nur zum Theile ana- loge Muskeln zu erkennen. Dasselbe gilt vom obturator internus, während der pyriformis (die Batrachier ausgenommen) ein ausgedehnteres Vor- kommen besitzt. Auch die äusseren Beckenmuskeln (wie z. B. die glu- taei) finden sich weit verbreitet, wenn auch, wie bei den Amphibien, ihre Grösse noch sehr unbedeutend ist und sie häufig nur durch einen einzigen Muskel repräsentirt werden. Von den Abductoren und Adductoren , Beugern und Streckern der übrigen Extremität muss wiederholt werden , was oben von jenen der vorderen Extremität gesagt worden ist*). ■ Organe der Empfindung. §. 46. a) Vom Nervensysteme. Die Centralorgane des Nervensystemes der WTirbelthiere lagern stets in dem über der Achse des Rückgrates befindlichen Canale und bestehen *) Die kurze Behandlang der Myologie mag durch die bis jetzt noch sehr spär- lich vorhandenen Untersuchungen dieses Gegenstandes, dem bis auf wenige Abschnitte das wissenschaftliche Gewand abgeht, genügend gerechtfertigt sein. Ausser den durch J. Müller über vergleichende Myologie gelieferten wichtigen Arbeiten (in seiner vergleich. Anatomie der Myxinoiden) ist kein nennenswerter Versuch gemacht, in der Durchforschung eines so wichtigen Gebietes allgemeine Gesicbtspuncte zu ge- winnen. Die Muskeln einzelner Wirbelthiere behandeln theils die verschiedenen Hand- bücher über Anatomie der Haussäugethiere, theils speciell folgende Schriften : d' AI ton, Beschreibung des Muskelsystems eines Python bivittatus in Müller's Archiv 1834. Derselbe, de strigum m,usculis commentatio. Halis 4 837. 31 * 484 Vertebralen. aus regelmässig und symmetrisch angeordneten Nervenmassen, die fast durchgehend am vorderen Abschnitte grössere Anschwellungen bilden, welche man als Gehirn von dem hinteren gleichmassiger verlaufenden Rückenmark unterscheidet. Die schon durch die Lagerung in einem continuirlichen Ganal gegebene Centralisirung sichert dem hier ausge- sprochenen Plane einen höheren Rang vor dem in den unteren Abthei- lungen getroffenen Nervencentren, die (wie bei Arthropoden und Mol- lusken gezeigt wurde) mit dem Auftreten einer durch Vervielfältigung sich beurkundenden höheren Ausbildung immer eine Dislocation über ver- schiedene Körpertheile aufwiesen. Es können daher den Nervencentren derWirbelthiere die gewöhnlich grösseren oberen Schlundganglienmassen Wirbelloser nur bedingterweise verglichen werden. Das centrale Nervensystem der Wirbelthiere besitzt überall beson- dere häutige Umhüllungen , die mit jenen vom Menschen bekannten im Wesentlichen übereinstimmen*). Die unterste Organisalionsstufe nimmt durch den Mangel einer Scheidung von Rückenmark und Gehirn Amphioxus ein, denn das ge- sammte Gentralnervensystem besteht aus einem die Länge des Rückgrat- canales durchziehenden, kleine, dicht folgende Anschwellungen besitzen- den Strange, der nach hinten allmählich, nach vorne rascher sich ver- dünnt und mit einer einfachen Abrundung endet. Diese einfache Form bei Amphioxus ist als der Urtypus der Central- organe des Nervensystems anzusehen, und die bei den übrigen Wirbel- thieren stattfindende Differenzirung der vordersten Abschnittes zum Gehirn ist dessen, in vielfachen Abstufungen sich gliedernde Fortbildung. Vom Gehirn**). Für eine vergleichende Darstellung der Formation dieses Abschnittes des Nervensystems ist es nothwendig , den Ausgang von der ersten Ent- wicklung des Gehirnes der höheren Wirbelthiere zu nehmen, um daran zu zeigen, wie die ausserdem schwer zu deutenden Abschnitte des Ge- hirns der niederen Classen die Vorbildungen von Organisationen sind, die in den höheren Classen nach den verschiedensten Richtungen aber immer innerhalb des ursprünglichen Planes sich entfalten. Das anfänglich gleichartig angelegte Gentralnervensystem stellt einen nach oben offenen Halbcanal vor, der sich allmählich zum Medullarrohre zu schliessen beginnt. Der vorderste stärker entwickelte Theil formt sich in drei auf einander folgende Rlasen um , die An- lagen des Gehirns, die continuirlich in den hinteren an einzelnen *) Die am wenigsten Abweichungen darbietende Umhüllung der Centralorgane ist die Pia mater. **) Als wichtige über das Gehirn von Wirbelthieren handelnde Schriften sind an- zuführen: Carus, Versuch einer Darstellung des Nervensystemes. Leipzig 1814. — S er res, Anatomie compare'e du cerveau. Paris 4 82 4 — 4 828. — Leuret, Exposition anat. de l' Organisation du centre nerveux. Paris 1844. Gehirn. 485 Stellen noch offenen Abschnitt, das Rückenmark , übergehen. Die erste und grösste sehr bald der Länge nach sich theilende Blase bildet das Vorderhirn, an dem sich ein hinterer un paarer Abschnitt als Zwi- schenhirn hervorbildet. Die zweite der primitiven Hirnblasen stellt das Mittelhi rn dar, und die dritte bildet mit ihrem vorderen Theile das Hinterhi r n, indess ihr hinterer unmittelbar in das Rückenmark sich fortsetzender Abschnitt als Nachhirn bezeichnet wird*). Diese fünf zum Theile paarigen Anschwellungen bilden sich dann in die blei- benden Theile dergestalt um, dass aus der ersten die grossen Hemisphä- ren, aus der zweiten die Umgebung des dritten Ventrikels, aus der drit- ten die Vierhügel, aus der vierten das kleine Gehirn und aus der fünften endlich das verlängerte Mark hervorgeht. Den wichtigsten Anhaltspunct für die Vergleichung bietet der zweite Abschnitt oder das Zwischenhirn, dessen Hohlraum zum dritten Ventrikel wird und an dessen Boden die trichterförmige, mit dem Hirnanhang sich verbindende Hervorragung an der Hirnbasis sich auszeichnet. Ebenso maassgebend ist der Ursprung des vierten Hirnnerven vor der vierten Hirnblase. Am Gehirn der Fische stellen die in der Embryonalanlage der höheren Wirbelthiere angedeuteten Abschnitte eine Reihe meist paariger, aber mehrfach sich unter einander verbindender Anschwellungen vor, die, in gleicher Richtung mit dem Rückenmarke gelagert, die Schädel- höhle meist nur zum kleinsten Theile ausfüllen. — Indem vor dem den Hemisphären entsprechenden Ab- schnitte noch ein Paar, die Geruchs- nerven abgebende Lappen, die lobi olfactorii liegen , kommen den Fi- schen als typisch sechs Abschnitte zu, von denen einzelne sich jedoch unter einander verbinden, so dass ihre Zahl auf fünf, ja sogar auf vier reducirt wird. Die lobi olfactorii (Fig. \ 51 . I 52. h), sehr verschieden an Grösse, sind mit den Hemisphären zuwei- len verschmolzen , oder sie liegen durch einen längeren Tr actus olfac- torius weiter von den Hemisphären getrennt (Selachier). Die Hemi- Fig. 151. Gehirn von Polyplerus bi chir. A. von Oben. B. seitlich. C. von Unten. a.Medulla oblong ata bc. kleines Gehirn, d. Lobus opticus, e. Hypophysis. f.crura cerebri. g. Hemisphären, h. lobi olfactorii. o. N. Opticus, ol. N. olfactorii. (Nach J. Müller.) *) Vergl. v. Baer, üeber Enfwickelungstieschichte der Thiere. Königsberg 1837. Bd. II. p. 106. — Bischoff, Enlwickelungsgesehichte der Säugeihiere und des Menschen. Leipzig 1842. p. 170. 486 Vertebraten. Sphären (Fig. 151. g) stellen gewöhnlich paarige Anschwellungen vor (Ganoiden, Knochenfische, Cyclostomen) , oder sie sind zu einer einzigen rundlichen Masse vereinigt (Fig. 152 g) , die auf ihrer Oberfläche durch Längs- oder Quereindrücke ausgezeichnetjist (Selachier). Dernun folgende, den besonders bei Ganoiden deutlich vortretenden Hirnstielen (Fig. 151. Af) aufgelagerte Abschnitt (d) ist der schwierigst zu deutende, und kann am sichersten noch dem Zwischen- und Mittelhirn der Embryonen ver- glichen werden , da er [die Umgebungen des dritten Ventrikels bildet, nach vorne die Sehnerven absendet , unten die Hypophysis [C e) trägt und zugleich an seiner hinteren Gränze den N. trochlearis entspringen lässt. Dadurch entspricht er der Summe eines lobus ventr. tertii und eines lob. eminentiae bigeminae (=== corpus quadrigeminum) . Wir können diesen paarigen Abschnitt als lobus opticus bezeichnen , die von ihm bedeckte, unten in das Infundibuium , hinten in den 4. Ventrikel übergehende Höhle als vent. lobi optici, der dann dem dritten Ventrikel und dem aquae- ductus Sylvii der höheren Thiere entspricht. Die Richtigkeit dieser Auf- fassung wird bestätigt durch das Gehirn von Petromyzon , wo der lobus opticus von zwei hinter einander liegenden Anschwellungen vertreten wird, einer kleineren unpaaren vorderen, die unten die Hypophysis trägt, dem lob. ventr. tertii, und einer grösseren paarigen hinteren, der eminentia bigemina. Hinter der vom Boden des dritten Ventrikels entspringenden^Hypo- physis heben sich bei den meisten Fischen noch besondere Lappen ab, die lobi inferiores, welche bei den Cyclosto- Fj 152 men und beim Störe durch eine einfache Protuberanz vertreten sind. Den vorletzten Abschnitt bildet das kleine Gehirn (Fig. 1 51.6 c), welches in sehr verschie- denem Grade der Ausbildung auftritt, bald nur als eine schmale Querbrücke überdem vierten Ventrikel (Petromyzon) bald als eine stärkere Hervorragung (Ganoiden, Knochenfische) von verschiedener Grösse , der sogar einen Theil der nächst vorderen Hirnabschnitte {lobi ventr. III.) und auch den vierten Ventrikel bedeckt (Selachier)*). Der letzte dem Nach- hirne der Embryonen entsprechende Ab- schnitt, die Medulla oblong ata , ist von dem Fig. 4 52. Gehirn eines Haies, a. Medulla oblongata. b. Cerebellum. d. Lobus opticus. c. Hemisphären des Grosshirns, h. Lobi olfactorii. o. Riechorgan. (Nach W.Busch.) *) Ein Zerfallen in zwei seitliche Hälften ist selten. Häufiger kommen Querein- schnitte vor, die bei einigen Haien [Galeus , Carcharias) sogar der Kleinhirnbildung der Vögel sich nähern. Eine ausserordentliche Ausbildung zu einem grossen nach vorne übergeschlagenen Zapfen besitzt das Cerebellum der Thunfische. Gehirn. 487 A Rückenmarke nur durch die grössere Breite und die Entwickelung seiner gangliösen Parthien unterschieden. Indem die hinteren (oberen) Stränge des Rückenmarkes an dem verlängerten Marke aus einander weichen, begränzen sie seillich den vierten Ventrikel mit der Rautengrube*). Die an diesem Theile vorkommenden Anschwellungen liegen entweder im Boden des vierten Ventrikels (einige Teleostier) , oder sie zeigen sich in den seitlichen Begrenzungen (Myxinoiden) , wo sie zuweilen sogar über den Ventrikel zusammenstossen (Chimären). Sehr entwickelt sind solche Anschwellungen bei einigen Fischen an den Ursprüngen von Nerven, so dass man bei Selachiern und den Stören lobi nervi trigemini, und bei ersteren und den Chimären noch lobi nervi vagi unterscheiden kann. In dieselbe Kategorie von Lappen der medulla oblongata gehören endlich die bei den Zitterrochen über dem Sinus rhomboidalis sich zusammenwölben- den lobi electrici (Fig. 167. 111')**). In der einer Verlängerung der Rückenmarksachse entsprechenden Lage kommt das Gehirn der Amphibien noch mit jenem der Fische Pi2 ,,53 überein, doch gibt schon eine Differenzirung des Zwischen- und Mittelhirns Zeugniss von einer höheren , wenn auch nicht bedeutend vorgeschrittenen Ausbildung. Die lobiolfacto- orii sind meist den länglichen Hemisphären- lappen verbunden, beim Frosche (Fig. 4 53 a) einen einzigen, nur die Spur einer Theilung tragenden Lappen bildend. Die Hemisphären (6) umschliessen eine Höhle und gränzen nach hinten an ein Paar stets unbedeutender Höckerchen, die den Hirnstielen aufsitzen, und den Eingang zum Infundibulum überdeckend als Spuren der lobi ventriculi tertii zu betrach- ten sind. Vor ihnen lagert die Epiphysis. Die ansehnlichen lobi optici { c ) erscheinen bei manchen (z. B. Proteus) mit dem vorhergehen- den Abschnitte vereinigt, und können sogar das schmale brückenartig sich erhebende Ce- rebellum (d) überragen , oder wie bei den Fig. 453. Gehirn und Rückenmark des Frosches. A. von oben. B. von unten. a. Lobi olfactorii. b. Hemisphären, c. Lobi optici, d. Cerebellum. i. Infundibulum. s. ventriculus quartus. n. Rückenmark, t. filum terminale. *) Durch eine faltige Wulstung des Randes des vierten Ventrikels kommen bei Selachiern, namentlich Haien, eigentümliche Bildungen zu Stande, von denen die Fig. 4 32 einige Andeutung giebt. **) Ueber das Gehirn der Fische sind vorzüglich anzuführen : Gottsche in Müll. Archiv 4 835. Stannius, Ueber den Bau des Gehirnes der Störe, ibid. 1843. Busch, De Selachiorum et Ganoidorum encephalo diss. Berol 4 848. KI autsch, De cerebris piötium etc. diss. Hai. 1850. 488 Vertebraten. Batrachiern einen Theil des vorhergehenden Abschnittes. Die Medulla oblongata (d) entbehrt der bei den Fischen angemerkten Anschwellungen, umschliesst dagegen eine Rautengrube (s) von beträchtlicher Weite. Viel bedeutender sind die Veränderungen am Gehirne der Repti- lien. Die Hemisphären stellen längere, nach hinten zu meist beträcht- licher ausgedehnte Anschwellungen*) vor, die entweder durch einen tractus olfactorius in die lobi olfactorii sich fortsetzen (einige Schlangen, Saurier und Crocodile) oder die scharf abgesetzten, relativ kleinen Riech- lappen unmittelbar vor sich tragen. Die Hemisphären umschliesson stets einen Hohlraum (Seitenventrikel) , den ein vom Boden entspringender Hügel fast vollständig erfüllt. Die Lobi ventriculi III treten besonders bei den Schildkröten hervor, sind auch bei Sauriern ausgeprägt, jedoch mehr mit den folgenden Abschnitten in Verbindung, die als lobi optici der Au- toren den Vierhügeln der höheren Thiere an die Seite zu stellen sind. Sehr ausgebildet sind die letzteren bei den Crocodilen, wo sie oberfläch- lich durch eine sie überkleidende Hülle verbunden sind , die einen Hohlraum umschliesst. Die grössten Differenzen herrschen in der Aus- bildung des kleinen Gehirnes, welches bei den Sauriern und Schlangen eine dünne Lamelle darstellt, die entweder über den vierten Ventrikel deckend sich hinweglegt, oder gerade emporsteht, während es bei Schild- kröten stärker gewölbt und bei Crocodilen sogar von ziemlichem Umfange auftritt, und einen grösseren mittleren Lappen — dem Wurme der Vögel vergleichbar — und zwei seitliche kleinere Anhänge — entspre- chend den Hemisphären des Gerebellums — erkennen lässt, ein Verhal- ten, welches schon bei einigen Sauriern angedeutet war. Am Gehirn der Vögel treten uns vor allem die im Vergleiche mit den unteren Glassen mächtig entfalteten, aber dünnwandigen Hemisphären (Fig. 154. b) entgegen, vor denen die kleinen , zum grossen Theile von ihnen verdeckten lobi olfactorii (a) ange- bracht sind, und die zugleich nach hin- ten die Theile des Zwischenhirns ver- bergen. Diese treten schon bestimmter als thalami optici auf, vor denen die Hemisphären durch eine Quercommissur unter einander sich verbinden. Vor den Sehhügeln liegen Andeutungen der Cor- pora striata , und hinter ihnen stark zur Seite gedrängt finden sich die Fig. 1 S4. Gehirn des Haushuhns. A. von oben. B. von unten, a. lobi olfactorii. b. Hemisphären, c corpora bigemina (Vierhügel), d. mittlerer Theil des Cerebellum. d'. Hemisphären des Cerebellum. e. Medulla oblongata. 2. Opticus. (Nach Carus.) *) Sie fehlen bei Chamaelon. Gehirn. 489 dem Mittelhirne entsprechenden corpora bigemina, unter denen die Sylvische Wasserleitung zum dritten Ventrikel zieht. Die bei den Crocodilen gezeigte Differenzirung des Cerehellum ist weiter geschritten, denn der mittlere Theil (d) ist durch quere Vertiefun- gen eingeschnitten und zeigt auf dem Durchschnitte einen arbor vitae. Wir haben ihn oben schon dem Wurme verglichen. Sehr klein sind die seitlichen Theile (Hemisphären) (d) des Cerebellum, die fast nur wie An- hänge sich ausnehmen. Das Ueberwiegen der grossen Hemisphären (Vorderhirn) über die anderen Abtheilungen nimmt bei den Säugethieren um beträcht- liches zu , doch sind dieselben noch vielfach mit glatter Oberfläche ver- sehen, wie bei Beutelthieren , mehreren Nagern (Fig. 155) und Insecten- fressern. Es treten aber hier schon einzelne Windungen auf, die bei Phocen undGarnivoren sich vermehren und bei den Hufthieren und Geta- ceen noch unvollkommener ausgebildet sind. Damit gewinnen (bei den Affen) auch die Hinterlappen der Hemisphären ein grösseres Volum, ragen deckend über das Mittelhirn, ja sogar über einen Theil des Cerebellum, welches bei den höheren Affen (Fithecus, Hylobates u. a.) vollständig von ihnen überragt wird*). Wichtig ist das Auftreten des Balkens (von dem bei den Vögeln nur geringe Andeutungen vorhanden sind) und der mit diesem zusammen- Fig. 155. A hängenden Gebilde , wie fornix und septum pellucidum , Ein- richtungen, deren von Owen nachgewiesener nahebei voll- ständiger Mangel die Monotre- men und Beutelthiere auf eine niedere Stufe zurückweist. In demselben Grade ais die He- misphären an Umfang gewinnen, treten die gewöhnlich noch hohlen und mitden Seiten Ventrikeln com- municirenden lobi olfactorii (Fig. 1 55. a) zurück. Die Thalami optici, Fig. 155. Gehirn von Dasyprocta Aguti. A. von oben. B. von unten. a. Riechkolben, b. Hemisphären, d. Cerebellum. i. Hypophysis. Durch die Zahlen 2 — 9 werden die Nerven bezeichnet. (Nach Se r res.) *) Die Bildung von Windungen ist für die einzelnen Säugethierordnungen sehr unbeständig, es kann deshalb hierauf durchaus keine stufenweise Entfaltung des Säugethiertypus gebaut werden. Selbst unter den Affen (Hapale) kommen noch glatte Hemisphären vor. Bei sonst niedrigstehenden Säugern, z. B. dem Delphin und den Walfischen sind sie dagegen ausserordentlich zahlreich, und selbst asymetrisch. Das letztere ist auch bei mehreren Affen der Fall. Die Seitenventrikel ähneln im Ganzen jenen des menschlichen Gehirns, doch ist das Hinterhorn erst da vorhanden , wo die Hinterlappen entwickelt sind , und vom pes hippocampi minor existiren nur Spuren. 490 Verlebraten. aus den lobi ventriculi tertii der niederen Wirbellhiere hervorgegangen, sind bei den Monotremen durch eine grössere Entwickelung der mittleren Comissur eng mit einander verbunden und diese, wie die vordere und hintere stehen auch bei den übrigen Säugethieren zur Ausbildung des Balkens im umgekehrten Verhältnisse. Vor den Sehhügeln finden sich die corpora striata. Hirnanhang und Zirbeldrüse sind überall vorhanden. Die dem Mittelhirn entsprechenden eminentiae bigeminae (Vierhügel) sind unter allen Hirnabtheilungen am meisten zurückgetreten, zeigen bei Monotremen nur die Spur einer Längstheilung und erst bei den Beutel- thieren werden die auch ferner sehr ungleich sich verhaltenden vier Er- habenheiten sichtbar. Auch das kleine Gehirn schliesst sich bei Monotremen und Beulel- thieren durch die vorwiegende Grösse seines Mittelstücks (Vermis), sowie durch spärliche Entwickelung der Varolsbrücke an niedere Formen an, und selbst noch bei Nagern (Fig. 155. d) , Edentaten u. m. a. be- steht mehrfach dieses Uebergewicht des Mittelstücks , bis bei den Huf- thieren , mehr noch bei Carnivoren , Walthieren und endlich bei Affen unter Zunahme der Läppchenbildung das Mittelstuck als Wurm allmäh- lich zurücktritt . und mit gleichzeitiger Ausdehnung der Brücke der menschlichen Bildung sich nähernde Formen entstehen. Mit der Entwickelung des kleinen Gehirnes wird zugleich grossen- theils die Oberfläche des verlängerten Marks bedeckt, an welchem die Stränge und andere Theile in der nämlichen Anordnung wie beim Men- schen, wenn auch in anderen Grössen Verhältnissen vorhanden sind*). §. 47. Rückenmark. Das aus der medullu oblongata continuirlich hervorgehende Rücken- mark steht bezüglich seiner Grösse im umgekehrten Verhältnisse zur Ausbildung des Gehirns, so dass es bei den niederen Classen das letztere oft beträchtlich in seiner Masse überwiegt. Es zeigt bei allen Wirbel- thieren zwei Längsfurchen, eine vordere und hintere, letztere entspricht einem im Innern des Markes liegenden Centralcanale, der durch Aus- einanderweichen der Ränder jener Längsfurche offen liegt. Aus dieser Erscheinung erklärt sich auch die Bildung der noch der medulla oblongata angehörigen Rautengrube. *) Eine dicht hinter der Brücke nach aussen von den vorderen Pyramiden gele- gene Abtheilung querer Fasern — das Trapezium — darstellend — bildet eine der minder wesentlichen Eigenlhümlichkeiten des Säugethierhirnes. Ausserdem ist hier noch anzuführen die Asymetrie des Wurmes am Cerebellum vieler Wiederkäuer, Carnivoren u. a., sowie das Vorkommen einer einfachen Eminenlia candicans. Erst bei Affen ist sie in 2 llügelchen zerfallen. Rückenmark. — Peripherische Nerven. 491 Bei den Fischen erstreckt sich das Rückenmark ziemlich gleich- massig durch den Rückgratcanal, flach, beinahe bandartig (Cyclostomen, Chimären) oder mehr cylindrisch geformt, nach hinten sich massig ver- jüngend. Den Ursprüngen der Nerven entsprechen häufig besondere Anschwellungen, die besonders bei mehreren Arten von Trigla (Vergl. Fig. 156. B) auffal- lend entwickelt sind, und die in ganz geringer Zahl das ausnehmend kurze Rückenmark von Orthagoriscus u. a. zusammensetzen (Fig. 156. ^4). Wie die vom Rückenmarke entspringenden Nerven- massen , dessen Volumsverhältnisse influenziren , zeigt sich in den vier höheren Wirbelthierclassen , bei denen die Extremitätenbildung an einzelnen Abschnitten stär- kere Nerven erheischt. Es kommen nämlich zwei An- schwellungen zu Stande , eine Nacken- und eine Len- denanschwellung, die in einzelnen Fällen , z.B. bei Schildkrölen, sehr beträchtlich sind*). Es erweitert sich an diesen Stellen die hinlere Furche und bildet an der Lendenanschwellung bei den Vögeln sogar eine rautenförmige Vertiefung [si?ius rho?nboidalis)1 die bis in denCentral- canal hinabreicht. In der Regel erstreckt sich das Rückenmark durch den ganzen Rückgratcanal , doch zieht es sich bei Amphibien (Frosch) , Vögeln , am auffallendsten aber bei einigen Säugethieren**) durch die Ungleichmässig- keit der Entwicklung der umschliessenden und umschlossenen Theile mehr nach vorn , so dass die von ihm abgehenden Nerven für die hinteren Körperparthien eine Strecke mit im Rückgratcanal verlaufen, ehe sie ihre Austrittsslelle erreichen. Die dadurch entstehende, als cauda equina be- zeichnete Bildung schliesst sich an die gleiche des Menschen an. §. 48. Peripherische Nerven. Gehirn und Rückenmark bieten in Hinsicht auf die Verhältnisse der von ihnen entspringenden Nerven eine Anzahl äusserlicher Verschieden- heiten dar, die als Product jener zwischen den beiden Hauptabschnitten des centralen Nervensystems liegenden Differenzen erscheinen. Die Me- tamorphose des vordersten Abschnittes von letzterem ist nicht denkbar, Fig. 156. A. Gehirn und Rückenmark von Orthagoriscus mola (nach A r- saky). B. Gehirn und Anfang des Rückenmarks von Trigla adrialicu. (Nach Tiedem an n.) *) Sie fehlen den Schlangen gänzlich; auch den schlangenähnlichen Sauriern. Bei einigen Sauriern (z. B. Bipes) besteht nur die hintere, bei anderen und bei den Cetaceen nur die vordere ausgebildet. **) z. B. bei Fledermäusen, beim Igel u. a. 492 Vertebraten. ohne dass auch jener Abschnitt des peripherischen Nervensystems ent- sprechende Umwandlungen erlitte, und damit läuft noch parallel die zu zahlreichen verschiedenen Zwecken stattgefundene Ausbildung des ge- sammten vordersten Körpertheiles, des Kopfes. Aus dem Gesagten geht hervor, dass wir die vom Rückenmarke ab- gehenden Nerven unter einfacherem und einander gleichartigem Verhal- ten treffen, und in ihnen gewissermassen den Typus der Nerven erkennen müssen, sowie an demselben Körperabschnitte, auch die Elemente der Wirbelsäule ihre Einfachheit und Gleichartigkeit am meisten bewahrt haben. Durch die Gliederung des Rückgrates in Wirbel gliedern sich die übrigen animalen Systeme ursprünglich in eben so viele hinter einander liegende Abschnitte (vergl. oben vom Muskelsystem) und diese Gliede- rung drückt sich am Nervensysteme aus , indem es regelmässig zwischen zwei Wirbeln oder deren Aequivalenten peripherische Nerven (Spinal- nerven) hervorschickt, so dass also die Zahl der letzteren im Allgemeinen jener der Wirbel entsprechen wird. Spinalnerven. Jeder dieser Nerven kommt durch die Vereinigung von zwei discreten, von den Seitentheilen des Rückenmarks entspringen- den Wurzeln zu Stande, wovon die eine von hinten kommende sensibler, die vordere motorischer Natur ist (Bell). Die sensible Wurzel bildet vor ihrer Vereinigung mit der vorderen (Fig. 1 58. 6) ein Ganglion, nach wel- chem die Fasern sich unter einander vermischen. Eine Vermehrung der Wurzeln ändert nichts an der Gesetzmässigkeit dieser Erscheinung. Ausserhalb des Rückgratcanales*) treten die einzelnen Spinalnerven jeder Seite unter einander in Verbindung, so dass immer ein Spinalnerv mit dem vorhergehenden, wie mit dem nachfolgenden Fasern austauscht, und im Verbreitungsbezirke eines Nerven die Fasern mehrerer Spinal- nerven ihre Vertheilung finden. Jeder Spinalnerv theilt sich in zwei Hauptäste, deren einer nach oben tritt (R. dorsalis) , Musculatur und Haut des Rückens versorgend, ein anderer (R. ventralis) sich an die Seitentheile und die Bauchwand des Körpers begibt. Bei den Fischen treffen die Spinalnerven immer auf ein ligamentum intermusculare. Am einfachsten ist ihr Verhalten bei Amphioxus, wo sie (von einem Sinnesnerven abgesehen) die einzigen Körpernerven vor- stellen. Die Stärke der Nerven entspricht der Ausbildung der von ihnen ver- sorgten Theile, so dass sie z. B. bei den Fischen mit der Abnahme der Grösse des Bumpfes nach hinten gleichfalls schwächer werden. Mit dem *) Mit dem Austritte erhalten die Nerven zugleich noch eine Umhüllung von Seiten der häutigen Hüllen des Rückenmarks (und resp. Gehirns). Diese bilden bei vielen Batrachiern dicht an der Austrittsstelle kleine mit Krystallen kohlensauren Kalkes gefüllte Säckchen (vergl. Fig. 158. d), die durch ihre weisse Farbe leicht in die Augen fallen. Peripherische Nerven. 493 Auftreten von Extremitäten erlangen die Rami ventrales der betreffenden Abschnitte eine besondere Stärke, und es bildet dann eine Anzahl Rami ventrales vorderer Spinalnerven (Cervicalnerven) ein Geflecht ( Plexus brachialis) , aus welchem die Nerven der vorderen Extremität sich ab- lösen , sowie aus einigen weiter nach hinten vor dem Becken oder im Becken entspringenden Plexus (z. B. PI. lumbalis, PL ischiadicus, PL sa- cralis) die Nerven der hinteren Extremität hervorgehen. Es sind diese Geflechtbildungen jedoch einfach auf die typische Verbindung mehrerer Spinalnerven unter sich zurückzuführen. Die Zahl der zu jenen Geflech- ten verwendeten Spinalnerven ist verschieden , doch zeigt sich im All- gemeinen bis zu den Säugethieren eine unbeträchtliche Zunahme. Die speciellen Verhältnisse der Vertheilung dieser Nerven zu berücksichtigen, liegt ausserhalb des hier vorgezeichneten Planes. Hirnnerven. Die vom Gehirne ihren Ursprung nehmenden Nerven zerfallen in zwei Abtheilungen, von denen die eine Nerven für die höheren Sinnesorgane (Auge, Ohr, Nase), die andere die übrigen umfasst. Die nicht für Sinneswerkzeuge bestimmten Hirnnerven, deren die Anatomie des Menschen neun aufzuzählen pflegt, reduciren sich in den unteren Classen, indem einzelne schwinden und deren Bezirke von anderen ver- sorgt werden. Zum richtigen Verständnisse dieser Nerven ist nöthig, sich zu erinnern, dass am Schädel der Wirbeltypus noch nicht aufgegeben ist, indem wir einzelne Abschnitte auf Wirbel zurückführen konnten, so dass also auch die betreffenden Nerven noch den Plan der Spinalnerven wer- den erkennen lassen. Diese auf einer Homologie der Beihe beruhende Thatsache kann zugleich zu einer Erklärung des scheinbaren Ausfalls einzelner Nerven, wo ein Spinalnerv einen Hirnnerv vertritt, verwerthet werden. Die Augenmuskelnerven (N. oculo motorius , trochlearis und abducens) sind bei Fischen und Amphibien nicht sämmtlich discret. Sie fehlen den Myxinoiden vollständig, und bei Petromyzon vertritt der Trigeminus den Abducens , welches auch bei Amphibien noch der Fall ist*). Sehr stark entwickelt ist der Abducens da, wo die Zahl der Augen- muskeln vermehrt ist, wie bei den Haien, Beptilien und Vögeln, bei denen er noch die Muskeln der Nickhaut versorgt. Der N. trigeminus ergibt sich als der erste nach dem Typus der Spinalnerven gebaute Hirnnerv, indem er eine motorische und eine sen- sible Wurzel besitzt, letztere mit einem Ganglion ausgestattet. Bei den Fischen verbindet er sich mit dem N. facialis , so dass letzterer als eine Vermehrung seiner motorischen Wurzeln erscheint. Durch diese Ver- bindung kommt eine Art von Nervengeflecht zu Stande , aus dem theils die Bahn des Trigeminus der höheren Thiere, theils jene des Facialis ver- *) Bei den Kröten ist der Abducens als selbständiger Nerv vorhanden. Auch bei Pipa ist er nach Fischer discret. 494 Vertebraten. folgende Aeste hervorgehen. Auch unter den Amphibien (Fig. 158) ist eine solche Vereinigung noch vorhanden, bis von den Reptilien andie Ver- hältnisse des Trigeminus sich der menschlichen Einrichtung nähern. Die Hauptäste des Trigeminus sind: \. R. ophthalmicus (a) . 2. R. maxillaris superior {ß), 3. R. max. inferior {y) , die in allen Classen bestehen, und Fig. 157. welche bei den Fischen noch durch einen , vorzüglich aus den Facialis- bestandtheilen sich zusammensetzenden 4. R.opercularis («) und 5. einen R. lateralis vermehrt sind. Der letztere (Fig. 1 57. m) tritt durch den Schädel nach oben und vereinigt sich mit einem Vagusaste [n) zu einem nahe der Rückenmitte gerade nach hinten verlaufenden Stamme, der unterwegs durch Zweige der dorsalen Aeste der Spinalnerven verstärkt wird*). Rei den meisten Säugethieren besitzt der Infraorbitalast des R. maxillaris superior eine beträchtliche Stärke. Der N. facialis kommt als gesonderter Nerv unter den Fischen schon den Cyclostomen zu, verGicht sich bei den übrigen mit dem Tri- geminus, so dass nur ein Ast, der oben erwähnte R. opercularis , Selb- ständigkeit besitzt. Es verbreitet sich dieser an die Musculatur des Kie- mendeckels, und gibt auch Zweige an die Muskeln desKiemenbogens ab. Rei den Amphibien ist er zwar noch unbedeutend, jedoch selbständig schon bei denPerennibranchiaten undSalamandrinen, währender beiden Fig. 157. Gehirn- und Kopfnerven des Flussbarsches. A. Hemisphären. B. Lobi optici. C. Cerebellum. D. Medulla oblongata. I. Olfactorius. IL Opticus. III. Oculomotorius. IV. Trochlearis. V. Trigeminus. a. ß. y. e. Zweige desselben. (Nach C u vier.) *) Dieser Ramus lateralis trigemini ist nur bei einigen Knochenfischen beobachtet. Bei diesen aber zuweilen, z. B. bei Gadus , mit einem weiten Verbreitungsbezirke versehen. Peripherische Nerven. 495 Batrachiern mit dem Trigeminus verbunden ist (vergl. Fig. 158). Reptilien (einige Schlangen ausgenommen) und Vögel besitzen ihn stets discret und ebenso die Säugethiere , bei denen er in die Musculatur des Gesichtes (Haulmuskeln, iMuskeln der Nase) sich ausbreitet. Die als Chorda tympani bekannte Verbindung mit dem Unterkiefer- aste des Trigeminus ist in allen Classen nachweissbar. Sie wird bei den Fischen aus jenen Zweigen dargestellt, die schon früher mit dem Trige- minus sich vermischt haben (R. mandibularis) . Dasselbe kommt noch bei Batrachiern vor. Rein aus dem Facialis wird der R. mandibularis schon bei Reptilien und Vögeln gebildet. In die Reihe der Spinalnerven tritt auch der Glossopharyngeus, der bei den Cyclostomen und Amphibien durch einen Ast des Vagus ver- treten wird , der aber bei der letzteren Classe in einigen Fällen ein be- sonderes Ganglion bildet und so als dem Trigeminus nur beigeschlossen angesehen werden kann. Die meisten Reptilien besitzen ihn unabhängi- gen Ursprungs*) , und nur durch seine Verzweigungen mit dem Vagus (und Hypoglossus) communicirend , welche Verbindungen , wenn auch weniger stark, noch in den höheren Classen fortbestehen. Eine bedeutungsvolle Rolle ist dem N. vagus übertragen. Er be- sitzt bei den Fischen zwei Wurzeln , die nach ihrer Vereinigung Aeste an die Kiemen absenden (Fig. 4 57. X) , sowie solche, die zum Herzen und zum Darmcanale verlaufen. Auch die Schwimmblase wird von ihm ver- sorgt. Der grösste Theil der sensibeln Wurzeln tritt bald vom Haupt- stamme ab und begibt sich als R. lateralis (k) zum Seitencanale, längs dessen Ausdehnung dann die Verzweigung erfolgt , nachdem er vorher an das Operculum, wie an die obere Schädelgegend Aeste abgegeben**). Bei den Amphibien besteht dieser Seitennerv noch unter den Perenni- branchiaten, wie auch in den Larvenzuständen der übrigen, und reducirt sich erst nach der Verwandlung derselben auf einen unbedeutenden Hautast, den man einem Ramus auricularis vergleichen könnte, wenn nicht ein solcher gleichzeitig mit dem R. lateralis vorkommend nachge- wiesen wäre. Dieses den beiden untersten Wirbelthierclassen zukom- mende System von Seitennerven fehlt nur den Myxinoiden gänzlich, und wird auch bei Petromyzon nur zum Theile vom Vagus gebildet , denn auch der Facialis sendet (r. recurrens) Aeste dahin ab, die auch bei Kno- chenfischen (Cyprinoiden) noch vorkommen. *) Eine Ausnahme hievon bilden die Crocodile , bei denen Vagus und Glosso- pharyngeus gemeinsam entspringen und auch in ein einziges Ganglion eingehen. **) Die Mächtigkeit des R. lateralis n. vagi steht in geradem Verhältnisse zur Ent- faltung des Seitencanalsystemes , so dasser, wie S tannius gezeigt hat, bei jenen des Seitencanals entbehrenden Fischen (Sclerodermi etc.) beträchtlich reducirt er- scheint. Häufig theilt er sich in einen oberflächlichen und tiefen Ast, deren Verlaufsweise von den specielleren Verhältnissen des Seitencanals abhängig ist. 496 Vertebraten. Fig. 158. In den höheren Wirbelthierclassen kommt zu dem Vagus noch ein besonderer, aus einer sehr wechselnden Zahl von Wurzeln entstehender motorischer Nerv, der seine Fasern nach der Ganglienbildung des Vagus diesem vereinigt, und so hier den Vagus noch sicherer auf die Stufe der Spinalnerven stellt. Es ist der nur den Schlangen fehlende N. acces- sorius*), der somit einer motorischen Wurzel des Vagus gleichkommt. Die eigenthümlichen Ursprungsverhältnisse dieses Nerven lassen ihn nicht mehr mit einer, früher bei Fischen und Amphibien gesehenen Vagus- wurzel zusammenwerfen. Ueber den Verlauf und die fernere Verästelung des Vagus ist ausser der Erwähnung des beständigen Vorkommens eines R. recurrens nichts Wesentliches zu erinnern, da er darin im Allgemeinen genau dem Plane folgt, den er beim Menschen beurkundet. Der N. hypoglossus ist bei Fischen und Amphibien noch nicht in die Reihe der Hirn- nerven eingetreten, er wird vielmehr durch den ersten Spinalnerven repräsentirt , der Zweige zum Zungenbein, Zunge und Schulter- gürtel entsendet. Erst bei den Reptilien tritt ein Hypoglossus als Hirnnerv auf, der sich hier wie bei Vögeln und mehreren Säuge- thieren durch den Resitz zweier Wurzeln an den Spinalnerventypus anreiht, bei vielen Säugethieren jedoch, wie auch beim Menschen die sensiblen Wurzeln verliert**). Was die drei Sinnesnerven angeht , so können diese nicht gut mit den übrigen zu- sammengestellt werden , vielmehr bilden sie ein eigenes, durch sein embryonales Auftre- ten charakterisirtes System , welches mit den bezüglichen Sinnesorganen eng verbunden ist. Der Olfactorius besteht nur bei den Fischen und den meisten Amphibien als ein besonderer Nervenstamm, da wir die soge- Fig. 158. Gehirn- und Rückenmark von Rana pipiens mit den Nervenursprün- gen von unten gesehen. A. Lobi olfactorii. B. Grosshirnhemisphären. C. Lobi optici. I. Olfactorius. //. Opticus. ///. Oculomotorius. V. Trigeminus. V' erster, V" zweiter, V'" dritter Ast. X. Vagus. X' Verbindungszweig mit dem Trigeminus zum Antlitz- nerven. X" Vagusast zu den Eingeweiden. 1 — 7 Spinalnerven, a. deren sensible, 6. deren motorische Portionen, c. Ganglien der sensibeln Portionen d. Kalksäckchen an der Austrittsslelle der Spinalnerven. (Nach Wyman.) *) Vergl. L.W. Bischoff, Nervi accessorii Willisii anat. etphys. diss. Heidelb. 1832. **) Nach Mayer {Nov. act. acad. Leop. Car. T. XVI. 1833) ist auch beim Men- schen hin und wieder eine ganglientragende Wurzel zu beobachten. Peripherische Nerven. 497 nannten Riechkolben der höheren Wirbelthiere, die gewöhnlich als Ge- ruchsnerven aufgeführt werden, auf die Lobi olfactorii des Fisch- und Amphibiengehirnes zurück führten. Somit sind als Riechnerven nur die aus eben jenen Loben hervorgehenden Fasern anzusehen , die sich da, wo jene der Ausbreitungsfläche der Nerven nahe liegen , nicht erst in einen besondern Stamm sammeln, sondern sogleich aus dem Kolben in die Riechschleimhaut eingehen (Selachier, Vögel, Säugethiere). Der N. opticus zeigt in seinem Verlaufe einige bemerkenswerthe Eigentümlichkeiten , unter denen die »Kreuzung« obenansteht. Wäh- rend bei den Cyclostomen der Opticus jeder Seite zu dem betreffenden Auge verläuft, und nur nahe an seinem Ursprünge eine Commissur zudem der andern Seile hinüberläuft, ist bei den übrigen Wirbelthieren ein Austausch zwischen den Fasern beider Sehnerven zur Regel geworden, und es gelangt bald ein Theil , bald alle Fasern eines Sehnerven zu dem Auge der anderen Seite. — Eine vollständige Durchkreuzung neben der Commissur trifft sich bei den Knochenfischen : Der Opticus des rechten Auges tritt zum linken, der des linken zum rechten, indem der eine über oder unter dem andern hinwegläuft. Seltener tritt der eine Opticus durch eine Spalte des andern hindurch (z. R. bei Clupea). Rei Selachiern und Ganoiden scheint eine theilweise Kreuzung vorzukommen , und so ver- halten sich auch im Allgemeinen Reptilien, Vögel und Säuger*). Der N. acusticus ist mit dem Auftreten eines Facialis immer mit diesem verbunden, und da, wo der Facialis mit dem Trigeminus ver- einigt ist, jener Wurzel angeschmiegt, die dem Facialis entspricht. Eingeweidenervensystem. Der allgemeine Plan des Einge- weide- oder sympathischen Nervensystemes beruht auf der Abgabe von Zweigen der Spinalnerven oder spinalartigen Hirnnerven zu den Ein- geweiden, und auf der Verbindung dieser Rami intestinales durch sogleich nach ihrem Ursprünge stattfindende Längscommissuren, in welche Gang- lienmassen sich einfügen. Durch die Verschmelzung sämmtlicher Wur- zeln zu einem Strange kommt der sogenannte Gränzstrang des Sympa- thicus zu Stande, der vom Kopfe an continuirlich zu beiden Seiten der Wirbelsäule hinzieht, und der in seiner Stärke wie im Volum seiner Gang- lien und in der Verschmelzung der letzteren vielfache Abstufungen dar- bietet, so dass bald seine Masse, bald seine als Rami intestinales erschei- nenden Wurzeln überwiegen und dann die letzteren , indem sie sich di- rect zu den Eingeweiden begeben , nur in einfachster Weise durch Rami communicantes unter einander in Verbindung stehen. Diese Vereinigung durch Schlingenbildung ist dann auf die gewöhnliche, allen Spinalnerven, *) Die blätterige S.ructur der Sehnerven ist bei einigen Fischen (z. B. dem Thun- fisch) und bei den Vögeln bemerkenswerth. Von den letzteren sind namentlich die Raubvögel mit einer grossen Anzahl von Opticus-Falten ausgezeichnet. Gegenbaur, vergl. Anatomie. 3 2 498 Vertebralen. folglich auch den nach diesem Typus gebauten Hirnnerven zukommende Verbindungsweise zurückzuführen. Aus den einzelnen, sei es direct zu den Eingeweiden tretenden, sei es erst sich in einen Gränzstrang begebenden Wurzeln des Sympathicus, sammeln sich grössere für die Hauptabschnitte der Eingeweide bestimmte Nervenstämme, die als nn. cardiaci, splanchnici, hypogastrici bekannt, in der Regel sich unter einander verflechten und so ein die bezüglichen Eingeweidemassen (Darmcanal mit seinen accessorischen Organen , Herz und Gefässe, Respirationsorgane, Harn- und Geschlechtsapparat) beglei- tendes , in grössere oder kleinere Abschnitte zerfallendes Nervennetz- werk darstellen, in welches verschieden entwickelte Ganglien eingebettet sind*). In dieser Auffassung ergibt sich der gesammte Sympathicus nur durch die Wiederholung einer und derselben Erscheinung von Seiten der Cerebrospinalnerven längs der ganzen Wirbelsäule entstanden , und die an einzelnen Abschnitten auftretenden Verschiedenheiten stellen sich nur als Modificationen desselben Planes heraus, ähnlich wie die einzelnen Segmente (Wirbel) der Wirbelsäule selbst an den verschiedenen Körper- theilen nach differenten Richtungen umgewandelt sich zeigten. Die wichtigsten Modificationen lassen sich in Folgendem vorführen : Bei den Cyclostomen ist ein Sympathicus bis jetzt noch nicht mit Be- stimmtheit beobachtet, vielmehr erscheint ein solcher vom Vagus ver- treten , und bei den Myxinoiden entsteht aus beiden Vagis am Magen ein unpaarer R. intestinalis, der bis zum After zu verfolgen ist**). Der auf die oben geschilderte Weise gebildete Stamm des Sympa- thicus liegt bei den Fischen mit seinem Kopftheile ausserhalb des Schä- delgerüstes und verbindet sich mit allen den hier zum Vorschein kom- menden Hirnnerven , an der Verbindungsstelle in der Regel ein Ganglion bildend. Die Zahl dieser Ganglien schwankt, da mehrere von ihnen unter einander verschmelzen. Das feinere Verhalten weicht im Grossen wenig von dem allgemeinen Plane ab. Bei den Amphibien verläuft der Kopftheil vom Ganglion des Trigeminus aus in der Schädelhöhle, und verlässt diese, um mit dem Ganglion des Vagus sich zu verbinden. Auch unter den Reptilien geht der Kopftheil vom Trigeminus aus und zwar von einem durch den zweiten Ast (Fig. 159. 4 60. V") gebildeten Geflechte beginnend. Daraus läuft ein Stämmchen (Fig. 160. 7) durch den Canalis *) Eine Vergleichung dieses Eingeweidenervensystemes mit jenen der Wirbel- losen ist ebenso unstatthaft, wie die Vergleichung des Bauchmarks der Gliederlhiere mit dem Rückenmarke der Vertebraten. Mit der Aenderung des Planes kommen auch neue Einrichtungen zum Vorschein, die, soweit sie von der Planmodification abhän- gig sind, keine morphologischen Vergleichungsmomente mit anderen von einem an- deren Plane beherrschten Organisationen darbieten. **) Bei Petromyzon nimmt Stannius einen Sympathicus an, dessen Fasern aus dem die Venae vertebrales begleitenden Fettkörper hervortreten. Peripherische Nerven. 499 Fig. 159. Fig. 160. vidianus, um sich mit dem Facialis [VII) zu verbinden, oder durch die- sen zu dem mit dem Glossopharyngeus (IX) vereinigten Ganglion cervicale supremum (a) zu begeben , von wo aus wiederum Rami com- municantes mit dem Facialis und Vagus bestehen. Der auf diese Weise als Verbindungstheil zwischen den Hirnnerven ge- bildete Anfang des Sympathi- cus wird bei den Schlangen fernerhin unterbrochen, indem die zwischen den Jntestinal- zweigen der Spinalnerven be- stehenden Rami communicantes äusserst gering entwickelt sind (Fig. 159. / //' ///'); einTheil geht auch in den Vagus über, der mit am Darmcanale herablau- fend, wie bei den Cyclostomen, die Rolle des Sympathicus über- nommen zu haben scheint. Ein solcher Uebfergang des Kopftheiles vom Sympathicus in die Vagusbahn ist auch bei einigen Sauriern sehr auffal- lend, indem ein oberflächlicher Stamm mit dem Vagus bis nahe zum ersten Brustganglion her- abverläuft. Bei den Vögeln beginnt der Sympathicus gleichfalls aus den Ver- bindungsschlingen der Hirnnerven und zwar erscheinen hier auch die Nerven der Augenmuskeln betheiligt , während das specielle Verhalten, wie auch der gesammte Sympathicus der Säugethiere nur unwesent- liche Verschiedenheiten vorn menschlichen Baue besitzt*). Fig. 159. Vorderer Abschnitt des Nervus sympathicus von Python tigris. V. N. trigeminus. V' Erster und Ganglion für den zweiten [V") und dritten Ast [V'"). VII. Nervus facialis. VII" Muskelast desselben. IX. Glossopharyngeus. Z.Vagus. 5* Zum Zungennerv. X" Halstheil des Vagus. XII. Hypoglossus. /' //' Hl' Spinalner- ven, a. Ganglion cervicale supremum am N. glossopharyngeus. b. Ganglion spheno- palatinum. 7. Nervus vidianus. (Nach J o h . Müller.) Fig. 160. Kopftheil des Sympathicus von Podinema te guixin. X' Halstheil des Vagus. 10. Ganglion cervicale inferius des Vagus. 10' Gangl. cerv. infer. des Sym- pathicus. 1 0" Brusttheil des Sympathicus. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 1 59. (Nach J. Müller.) ■ *) Von den wichtigsten vorzüglich das peripherische Nervensystem betreffenden Schriften sind folgende anzuführen : J. G. Fischer, Amphibiorum nudorum neurolo- 32* 500 Vertebralen. Mit dem sympathischen Nervensysteme müssen noch Organe bespro- chen werden, die,, wie ihre Name: »Nebennieren« besagt, anschei- nend wenig mit dem Nervenapparate Verwandtes aufweisen; die durch die Benennung ausgedrückten Beziehungen gehen jedoch nicht weiter als auf die Lage, welche die in Rede stehenden Gebilde in den höheren Clas- sen in der Nähe der Nieren , über denselben einnehmen , so wie paarige Organe vorstellen. Bei den Fischen und Amphibien sind sie in grösserer Anzahl vorhanden und stehen in enger Beziehung mit den Ganglien des Sympathicus. Sie sind entweder als gelbliche oder weissliche Körperchen über eine grössere Strecke zerstreut oder mehr unter einander vereinigt, letzteres namentlich bei Reptilien , bei denen sie in der Nähe der Niere zu finden sind*). Zum Nervensystem verhalten sie sich entweder dergestalt, dass eine fettzellenhaltige Masse je ein Ganglion umschliesst , oder sich doch enge an dasselbe anfügt, wie dies z. B. bei den Nebennieren der Fische sich trifft, oder dass zahlreiche Nerven in eine von einem Ueberzuge fett- haltiger Zellen gebildete Kapsel (der Gorticalsubstanz) eintreten und dort sich zwischen Zellen verlieren, welche die sogenannte Marksubstanz vor- stellen. §• 49- b) Von den Sinnesorganen. Die Organisation der höheren Sinneswerkzeuge, wie Geruch-, Ge- hör- und Gesichtsorgane , erscheint bei allen Wirbelthieren nach dem- selben Plane angelegt, und es ergeben sich bei diesen verhältnissmässig nur geringe Unterschiede für die einzelnen Classen. Gering sind diese Verschiedenheiten deshalb, weil sie immer innerhalb der Breite einer und derselben Entwickelungsreihe liegen, so dass man sie sämmtlich, wenigstens in ihren wesentlichen Momenten, auf Entwickelungszustände zurückführen kann. Die stete Verbindung der höheren Sinnesorgane mit dem Kopfe, sowie der Ursprung ihrer Nerven aus dem Gehirne, ergeben sich als Unterschiede von den analogen Werkzeugen niederer Thiere. giae specimen. Berol. 1843. Derselbe, die Gehirnnerven der Saurier, Hamburg 1852. Stannius, das peripherische Nervensystem der Fische 1849. C. Vogt, Beiträge zur Neurologie der Amphibien. Denkschrift d. Schweiz. Gesellsch. d. Naturf. 1840. E. H. Weber, Anatomia comparata N. symp. Lips. 1817. Volkmann, die Kopf- nerven des Frosches in Müll. Archiv. 1838. Wyman, Anatomy of the nervous System of Rana pipiens . Smiths, instit. 1853. *) Die zuerst von Bergman n aufgestellte Auffassung der Nebennieren als Theile, die dem Nervensystem angehören, ward durch Leydig fester begründet, und auch Stannius pflichtet ihr bei. — Was die Lage dieser Theile specieller angeht , so fin- den sie sich bei Proteus und Salamandra als gelbweisse Knötchen längs den hinteren Vertebralvenen. Bei den Rochen sind sie als »Axillarherzen« schon länger bekannt gewesen. Sinnesorgane. 501 Was den Ge füh ls in n angeht, so erscheint dieser hier nur in sel- tenen Fällen an distincte Organe gebunden und die mannichfaltigen, den wirbellosen Thieren zukommenden , als Fühlapparate functionirenden Anhänge des Körpers (Antennen der Gliederthiere und Ringelwürmer, Fühler der Mollusken, Tentakel der Quallen u. s. w.) sind bei den Wir- belthieren verschwunden und werden functionell durch besondere Ein- richtungen wie z. B. der Gliedrnaassen vertreten. Ueberdies bestehen noch verschiedene andere Apparate, welche, dem Integumente angehörig, zur Vermitlelung einer Tastempfindung beitragen, ohne als selbständige Organe betrachtet werden zu können. Die Verkümmerung von Tast- organen wird durch die hohe Entfaltung der übrigen Sinneswerkzeuge aufgewogen, so dass wir in der Bildung der ersteren dieAeusserung einer niederen Organisationsstufe erkennen dürfen. Bei einer speciellen Betrachtung der als Tastorgane functionirenden Gebilde haben wir vor Allem das allgemeine Körperintegument zu unter- scheiden , indem durch dieses an den verschiedensten Stellen Tast- empfindungen vermittelt werden können. Es werden aber durch den- selben Körpertheil auch noch manche andere Empfindungen dem Ge- schöpfe ermöglicht, so dass wir die Haut als allgemeines Gefühlsorgan, Warme und Kälte, sowie viele andere Zustände der umgebenden Medien wahrnehmend, ansehen müssen. Während bei den höheren Wirbelthieren , Reptilien, Vögeln und Säugethieren, das Integument nur durch seinen Nervenreichthum sich auszeichnet, ohne dass an den Nerven, ausser den in den Cutispapillen gelegenen Tastkörperchen, besondere, einer Empfindung vorstehende Einrichtungen vorhanden wären , sehen wir die Haut der Fische äusserst reichhaltig an complicirten , mit Nerven in Verbindung stehenden Orga- nen, welche nach dem heutigen Stande der Wissenschaft wohl einem allgemeinen Gefühlssinne vorstehend gedeutet werden dürfen. Diese eigenthümlichen, höchst merkwürdigen Gebilde , welche uns vorzüglich durch Leydig's Arbeiten bekannt geworden sind, wurden früher als »schleimabsondernde Organe«, »Schleimcanäle« angesehen. Siebestehen theils als einfache, über die Haut vertheilte Säckchen, die unter einander in keinem Zusammenhange stehen . und von denen jedes entweder aus einem einfachen Follikel, fast wie eine Drüse, oder aus Gruppen von Follikeln dargestellt wird, theils werden sie durch ein System zusammen- hängender Röhren dargestellt, welche, in regelmässiger Vertheilung in der Haut verlaufend, an bestimmten Stellen nach aussen mündende Sei- tenzweige abgeben. Diese beiden Formen sind auf einander zurückführ- bar, und es können die einfachen , unverästelten Schläuche nicht selten gleichfalls als lange Canäle erscheinen. In das Innere der einfachen Schläuche treten Nerven , welche dort mit zelligen , in ampullenartigen Erweiterungen liegenden Elementen in Verbindung stehen. Es ist somit wesentlicher Charakter der genannten Canäle, die Endigungen von zahl- reichen Nerven aufzunehmen, und darin, sowie in der Art der Endigung 502 Vertebraten. der Nerven , kommen sie mit anderen bestimmt als Sinrieswerkzeuge er- kannten Organen überein. Das System der unzusammenhängenden Schläuche ist bald über den Körper vertheilt, bald nur an beschränkten Körperstellen vorkommend. Die Myxinoiden besitzen an beiden Seiten des Körpers eine Reihe solcher Säckchen und bei den Stören sind sie am Kopfe erkannt worden. Eine viel grössere Ausdehnung und damit auch wichtigere Bedeutung kommt dem verzweigten Röhrensysteme der »Schleimcanäle« zu. Sie haben ihre vorzüglichste Ausbreitung am Kopfe und sind namentlich bei Selachiern mächtig entwickelt, wo sie mit zahl- reichen grösseren oder kleineren Oeffnungen besonders auf der Unterseite der Schnauze ausmünden*). Dieses Röhrensystem nimmt einen be- stimmten, für die einzelnen Gattungen charakteristischen Verlauf , meist Augen , Nasengruben und Mund in regelmässiger Anordnung umziehend, und setzt sich, besonders bei Knochenfischen deutlich, an jeder Seite des Körpers in die sogenannte Seitenlinie fort , wo es mit zahlreichen Zwei- gen ausmündet. Sowohl bei Knochenfischen, als auch bei Ganoiden (wie z. B. bei den Stören) erhalten die Verzweigungen dieses Canalsystemes eine be- sondere Stütze durch knöcherne Bildungen. Diese erscheinen entweder als modificirte Schuppen, wie die Schuppen der Seitenlinie der Knochen- fische, oder es sind Ossifikationen der Wandungen des Canalsystems selbst, wofür gleichfalls verschiedene Knochenfische als Repräsentanten gelten. Hautknochen bilden auch einen Stützapparat für die Vertheilung des Canalsystemes am Kopfe, und stellen entweder rinnenförmig nach aussen geöffnete, oder canalartig geschlossene Knochenplättchen vor, in welchen die Nervenknöpfe des Schleimcanalsystemes sich bergen. Die Nerven, von denen die eben beschriebenen Organe versorgt werden, sind Zweige des N. trigeminus , sowie Aeste des N. vagus. Es ist namentlich der Ramus lateralis des letztern , welcher für die Seitencanäle be- stimmt ist. Es ist schon aus der Mannichfaltigkeit dieser Einrichtungen ersicht- lich, dass vorläufig von der speciellen Deutung derselben abgesehen wer- den muss, so dass wir nur deren Beziehungen zum Nervensysteme als einen morphologischen Anhaltspunkt berücksichtigen können. Wir finden nämlich alle diese Einrichtungen darauf angelegt, die in zellige Elemente (Ganglienzellen) auslaufenden Nervenenden der Oberfläche näher zu bringen, und können dadurch diese Verhältnisse mit den bei den übrigen Wirbelthieren in der Haut vorkommenden eigenthümlichen Nervenendi- *) Dieser Apparat zerfällt selbst bei Individuen in mehrere verschieden ge- baute Abschnitte, die jedoch alle demselben Plane folgen. Bei den Rochen besteht der auf der ventralen Seite des Kopfes liegende Theil aus zahlreichen kurzen Folli- keln (Appareil folliculaire Savi's), während der auf der oberen Fläche sich vertheilende lange in Bündeln bei einander liegende Röhren besitzt. (Vergl. Fig. 167. A.) Sinnesorgane. 503 gungen einigermassen vergleichen. Doch wird ein bestimmter Ausschluss erst von späteren Forschungen abzuwarten sein*). Als besondere unter sich in keinem morphologischen Zusammenhange stehenden Tastapparale derWirbelthiere können folgende angeführt wer- den. Was zuerst die Fische betrifft, so finden sich bei vielen in der Nähe des Mundes stehende »Barteln«, die jedoch sicherlich ebenso gut als Lockapparate fungiren. Sie finden sich bei Welsen, manchen Cyprinoiden, Stören etc. Bei denTriglen fungiren einige von dfen Brustflossen abgelöste nervenreiche Strahlen vorzugsweise als Tastorgane. Bei den Vögeln hat der Tastsinn nicht selten seinen Sitz in der weichen Spitze des Schnabels; so bei den Schnepfen, Enten etc. Und endlich bei den Säugethieren fin- den wir als Tastapparate steife, borstenähnliche, an der Oberlippe, oder auch über den Augen stehende Haare , die nicht allein beträchtlich ver- längert sind, sondern auch durch den Nervenreichthum ihrer Follikel vor den übrigen Haarbildungen ausgezeichnet erscheinen**). Bei den Qua- drumanen ist der Tastsinn vorzüglich auf die Extremitäten localisirt und schliesst sich dadurch an die beim Menschen bestehenden Verhält- nisse an. Als Geschmacksorgan dient unter den Wirbelthieren im All- gemeinen die Zunge. Nur bei den Fischen scheinen andere Verhältnisse obzuwalten, indem hier die Zunge eine sehr geringe Entwicklung zeigt, so dass dieser Sinn hier wohl am wenigsten entfaltet ist. Eine grössere Entwicklung der Zunge finden wir bei den Amphibien , mit Ausnahme von Pipa. Bei den übrigen erscheint die Zunge als ein fleischiges, mus- culöses Organ, dessen Thätigkeit jedoch auch bei anderen Functionen, so z. B. beim Schlingen von Bedeutung ist. Noch untergeordneter für den Geschmackssinn erscheint die Zunge der Beptilien , indem sie mit Ausnahme der Landschildkröten und Grocodile meist einen derben, bei vielen sogar Schuppen darstellenden Epithelüberzug trägt. Dieselbe geringe Bedeutung der Zunge für den Geschmacksinn gilt auch von der Zunge der Vögel , bei denen nur die Papageien eine Ausnahme bilden. Unter den Säugethieren finden wir durch die Entwickelung von Papillen- bildungen , besonders an ihrem hinteren Ende , schon bestimmtere, die Geschmacksempfindung vermittelnde Einrichtungen, und es sind nament- lich die Papulae vallatae auf der Zungenwurzel, welche, hier zum ersten- mal auftretend, an die menschliche Zungenbildung erinnern***). *) Ueber die Schlei mcanäle der Knochenfische ist vorzüglich anzuführen : F. Le y - d ig in Mü He r's Archiv 1 850 u. 4 851 . . **) Die Tasthaare der Säugethiere sind vorzüglich bei den nächtlichen in hoher Ausbildung und scheinen wie Sonden zu fungiren. — Bei den Chiropteren hat man der Flughaut ein besonderes Tastvermögen zugeschrieben, wofür namentlich Spal- lanzani's Versuche mit geblendeten Fledermäusen maassgebend waren. ***) Am wenigsten sind diese Papillen bei den Edentaten entwickelt. Manche der letzteren besitzen deren nur zwei, und unter den Beulelthieren sind die Kängurus mit nur einer Papille versehen. 504 Vertebraten. Als Geruchsorgane bestehen bei allen Wirbelthieren deutlich ausgebildete, vorne am Kopfe über der Mundöffnung gelegene Gruben, welche bald nur flache Vertiefungen darstellen , jenen ähnlich die be den Cephalopoden erwähnt sind, bald schlauchartig in den Ko-pf sich fortsetzend, mit besonderen Höhlen in Verbindung treten, welche dann sogar mit der Mundhöhle communiciren können. Man kann so Nasen- gruben und Nasenhöhlen unterscheiden. Beide, wenn auch in den Extremen ihrer Bildung sehr differenten Einrichtungen, beruhen auf dem gleichen Principe, welches in einer Oberflächenvermehrung und in der Herstellung einer directen Gommunication zwischen dem umgebenden Medium und der die Endigungen von Nerven tragenden Schleimhautaus- breitung seine Basis hat. Alle Organisationsdifferenzen der Geruchsorgane sind lediglich Modificationen dieses Planes. Charakteristisch ist das Vor- handensein von Cilien auf der Oberfläche oder auch in nächster Nähe des geruchempfindenden Theiles, sowie eigenthümliche Modificationen von Nervenendigungen, nämlich solche in Stäbchenform*). Mit Aus- nahme von Amphioxus und den Cyclostomen ist das Geruchsorgan über- all paarig angelegt. Bei Amphioxus erscheint es als eine flache, nur linkerseits vorkommende Grube, welche direct mit dem vorderen Ende des Centralnervensystems verbunden ist. Unter den Cyclostomen ist bei Petromyzon eine einfache, oben am Kopfe ausmündende, hinten meist erweiterte , aber blind geschlossene Nasenhöhle vorhanden (vergl. Fig. 134. A g g' g"), deren Wandungen zum Theile durch Knorpelmassen gebildet werden. Fast nach Art einer Trachea angeordnete Knorpelringe stützen das einfache Nasenrohr der Myxinoiden , bei welchen vom Ende der Nasenkapsel aus ein Canal den Gaumen durchbohrt und durch eine dort befindliche Klappenvorrichtung verschlossen werden kann. Durch die Verbindung mit der Mundhöhle schliesst sich hier das Geruchsorgan von Lepidosiren an, bei welchem Fische zugleich noch eine besondere knorpelige Stütze für die beiden durch Falten ausgezeichneten Nasen- höhlen besteht. Alle übrigen Fische besitzen nur wenig vertiefte Nasen- gruben , in denen eine in regelmässige Falten angeordnete Schleimhaut sich ausbreitet. Die Falten besitzen theils einen radiären Verlauf, theils sind sie einander parallel gelagert. In der Stellung der Nasengruben fin- det man zahlreiche Modificationen, sowie auch die Bänder derselben sehr verschieden gebildet sind. Häufig ist jede Nasengrube durch eine über sie wegziehende Hautleiste in zwei meist ungleiche Hälften getheilt**) ; *) Für das Geruchsorgan in der Wirbelthierreihe durch M. Schultze nach- gewiesen. Vergl. Monatsberichte der Berliner Academie 1857. **) Dadurch kommt bei vielen Fischen für jede Nasengrube eine doppelle Üeff- nung zu Stande. Mit einer grösseren Breite der nicht selten auch noch durch knö- cherne Bildungen gestützten Brücke können die beiden je in eine Nasengrube füh- renden OefTnungen weit von einander entfernt liegen, wie dies z. B. bei den Aalen der Sinnesorgane. 505 oder es wölbt sich der Hautrand an einer Stelle deckelartig über die Nasengrube hinweg , so dass die letztere durch ihn verschlossen werden kann*). Die bei den Cyclostomen (Myxinoiden) und Dipnoi vorhandene Communication der Nasenhöhlen mit der Mundhöhle findet sich bei allen luftathmenden Wirbelthieren vor. Sehr einfach treffen wir die ganze Einrichtung bei den Amphibien, bei denen jede Höhle einen Canal vor- stellt, der zuweilen höhlenartige Erweiterungen aufweist und in Faltungen der Schleimhaut die Endigungen des Riechnerven trägt. Die inneren Mün- dungen liegen bei den Perennibranchiaten noch innerhalb der Lippen, während sie bei den übrigen weiter nach hinten rücken und bei den Fröschen und Salamandern vom Oberkiefer und Gaumenbein begrenzt werden. Bei den Reptilien treten durch deutliche Muschelbildungen Gomplicirungen des Geruchsorganes ein, welche vorzüglich eine Flächen- vergrösserung bezwecken und somit den bisher beobachteten blossen Schleimhautfalten entsprechend sind. Die Nasenmuscheln als knorpelige, von den Seitenwänden der Nasenhöhle ausgehende Stützen der Schleim- haut sind bei den Crocodilen und Schildkröten am meisten entwickelt und bezeichnen so die Richtung der von nun an die VVirbelthierreihe durchlaufenden Organisation der Nasenhöhle , während bei den übrigen Reptilien eine Vergrösserung der Oberfläche meist nur durch Erweiterung der Nasenhöhle und durch faltige Vorsprünge der Schleimhaut erreicht wird. Die äusseren , bei den Crocodilien und den im Wasser lebenden Schlangen durch Klappen verschliessbaren Nasenöffnungen ergeben in ihren Lagerungsverhältnissen nur geringe Differenzen: sie finden sich fast immer nahe an der Schnauzenspitze, indessen die inneren Oeffnun- gen bald gerade vom Grunde der Nasenhöhle aus nach abwärts zum Gaumen treten , wie bei Schlangen, Eidechsen und Schildkröten , bald noch canalartig weit nach hinten laufen, wie bei den Crocodilen. Das Geruchsorgan der Vögel ist durch die vollkommenere Ausbil- dung der bei den Reptilien zum erstenmale angelegten Muscheln ausge- zeichnet, deren man drei unterscheiden kann. Sie sind in der Regel ungleich entwickelt; einzelne stellen bald einfache Leisten vor, bald er- scheinen sie als vielfach gebogene Knorpel lamellen. Das obere Paar ist am meisten bei den Raubvögeln, das mittlere bei Hühnern, das untere bei den Singvögeln ausgebildet. Die äusseren Nasenöffnungen sind an verschiedenen Stellen angebracht, in der Regel an der Wurzel des Schna- bels, seltener an die Spitze desselben rückend, wie bei Apteryx. Beide Oeffnungen können auch in eine gemeinsame zusammenfliessen , die Fall ist. Die eine Oeffnung liegt hier vorne am Maule , die andere in der Nähe des Auges, bei einigen sogar über das Auge gerückt. — Durch Wulstungen des Hautran- des der Nasengruben entstehen rührige Bildungen. *) Bei Selachiern. 506 Vertebraten. dann röhrenförmig vorsteht, wie bei den Sturmvögeln. Zuweilen fehlt auch die Scheidewand der Nasenhöhlen eine Strecke weit am Eingange derselben, wodurch dann die nares perviae zu Stande kommen. Die inneren Oeffnungen sind in der Regel enge und eine Strecke weit ge- meinsam. Bei den Säugethieren bringt die grössere Entfaltung des Sieb- beines , namentlich von dessen Seitentheilen , einige Modifikationen des Geruchsorganes hervor. Zugleich verbindet sich mit den innern Geruchs- organen noch eine Anzahl äusserer Gebilde , welche den Eingang der Nasenhöhle bedecken und schützen und welche bei beträchtlicherer Aus- bildung sogar noch anderen Functionen dienen können. Die beiden Nasenhöhlen werden durch die senkrechte Siebbeinlamelle und das Pflugscharbein getrennt, vor welches noch eine knorpelige Nasenscheide- wand tritt, die sich, oben nach beiden Seiten ausbreitend, auch an der Bildung der äusseren Nase betheiligen kann und zuweilen sogar eine röhrenförmige Verlängerung der Nase bedingt (die Spitzmäuse und die bärenartigen Raubthiere gelten als Beispiele hierfür). Bei anderen, z. B. den Wiederkäuern, finden sich besondere discrete Knorpelstücke. Eigen- tümliche Bildungen der äusseren Nase finden sich bei den tauchenden Säugethieren, indem hier ein die Nasenöffnungen verschliessbarer Klap- penapparat hinzutritt, der auch durch einen besonderen Schliessmuskel vertreten sein kann (Seehunde). Durch eine beträchtliche Verlängerung der knorpeligen Stützen der äusseren Nase entstehen Büsselbildungen, beim Schweine, Tapir, auch beim Maulwurfe ausgebildet, am meisten jedoch beim Elephanten entfaltet, wo dies Organ zugleich als Tast- und Greifwerkzeug functionirt. Die Muskeln, welche auch bei einfacher äus- serer Nase zur Bewegung der Nasenflügel vorhanden sind und bei dem Bestehen eines Klappenverschlusses stärker entwickelt erscheinen , sind bei der Rüsselbildung beträchtlich vermehrt. Es sind theils solche, welche , vom Oberkiefer entspringend , sich längs des ganzen Rüssels ausstrecken, theils sind es kleinere Quer- oder Längsmuskeln, deren Zahl beim Rüssel des Elephanten eine ausserordentliche ist*). Die eigentliche Nasenhöhle ist in ihrer Mitte beträchtlich erweitert und birgt hier die drei Muscheln, von denen die beiden oberen dem Siebbeine angehören , während die untere eine selbständige Knochen- lamelle zur Grundlage hat. Alle drei erscheinen als eingerollte, gebogene Lamellen, und die untere ist in der Regel noch mehrfach getheilt, so dass durch sie die bedeutendste Flächenvergrösserung zu Stande kommt. Sol- ches findet sich bei den Carnivoren , aber auch bei verschiedenen Nage- thieren (Lepus, Castor, Sciurus). Die inneren Oeffnungen der Nasenhöhle (die Choanen) münden in der Regel ziemlich weit nach hinten. *) Es lassen sich bis 40,000 einzelne Muskelbündel unterscheiden. Sinnesorgane. 507 Eine abweichende Einrichtung zeigt die Nase der Walthiere, welche zu einem Spritzorgane umgewandelt erscheint. Die äussere, auf der Oberfläche der Schädelhöhle gelegene Nasenöffnung ist entweder einfach (Delphine) , oder doppelt (Walfische) , und führt, senkrecht absteigend, in den Spritzcanal , der durch einen Schliessmuskel von der Gaumen- höhle abgeschlossen werden kann. Der untere Abschnitt des Spritzcanales besitzt eine Scheidewand, wodurch die doppelte Nasenhöhle repräsentirt wird, und in besonderen, mit dem Spritzcanale in Verbindung stehenden Höhlen liegt ein doppelter Spritzsack verborgen, der durch Klappen von der ersteren geschieden wird. Die Ausbreitung des Riechnerven findet wie bei den Vögeln an den oberen Muscheln, sowie den oberen Theilen der Nasenscheidewand statt. Die Nasenhöhle steht bei den Säugethieren mit einer Anzahl in ver- schiedenen Knochen des Schädels liegender Höhlen in Verbindung, von denen vorzüglich die Sinus frontales*) hervorzuheben sind. Es sind im Stirnbein liegende, bald einfache, bald in kleinere Abschnitte getrennte Gavitäten , die bei Wiederkäuern mächtiger entwickelt sind. Andere Communicationen finden mit der Höhle des Keilbeins statt , sehr ent- wickelt z. B. beim Elephanten , und endlich bestehen auch Verbindun- gen zwischen der Nasenhöhle und den Sinus maxillares**) bei Wieder- käuern. Mit den Geruchsorganen kommen in grosser Verbreitung besondere Drüsen vor. Solche Nasendrüsen finden sich bei den Schlangen, auch bei manchen Sauriern und den Crocodilen , bei den ersteren äusserlich dem Oberkiefer anliegend, bei den letzteren in eine Höhle des Ober- kiefers eingeschlossen. Eine äussere Nasendrüse, bald auf den Stirn- beinen, bald auf den Nasenbeinen gelegen ; findet sich auch bei Vögeln, während sie bei den Säugethieren bei dem Bestehen von Sinus maxillares in diese eingebettet ist. — Das Gehörorgan zeigt von den einfachen, bei den wirbellosen Thieren verbreiteten Formen an eine grosse Reihe verschiedener Bil- dungsstufen, die jedoch sämmtlich einem morphologischen Plane angehö- ren. Den Ausgangspunct bildet hier eine mit Flüssigkeit gefüllte, Con- *) Eine Verbindung der Nasenhöhle mit Stirncavitäten wird auch bei einigen Vögeln (Enten) angegeben. **) Bei verschiedenen Säugethieren finden sich noch besondere Verbindungs- canäle zwischen Nasen- und Mundhöhle. Der von der knöchernen Nasenhöhle den Zwischenkiefer durchbohrende Canal , bei vielen durch die Schleimhautüberkleidung verschlossen, ist bei anderen, namentlich bei Wiederkäuern, ziemlich weit und steigt schräg von hinten nach vorne abwärts. Man hat diese Canäle als Stenson'sche Gänge bezeichnet. Mit ihnen stehen in Verbindung die sogenannten Jacob son '- sehen Organe, welche am Boden der Nasenhöhle befindliche, vom Knorpel der Nasen- scheidewand theilweise umgebene Gänge darstellen und vorne in die Stenson' sehen Gänge übergehen , so dass die letzteren als die Fortsetzung der ersteren betrachtet werden können. 508 Vertebraten. cremente oder Crystalle von kohlensaurem Kalk (Otolithen) enthaltende Blase, an deren Wandungen der Gehörnerv tritt, eine Bildung also, die sich enge an jene anschliesst , welche wir bei niederen Thieren (Cölente- raten, Würmer und Mollusken) antrafen. Dieses paarige Gehörbläschen gibt für den allen Wirbelthieren , mit Ausnahme von Amphioxus, zu- kommenden , als Labyrinth bezeichneten Abschnitt des Gehörorgans den Grundtypus ab, aus welchem sich die complicirteren Formen mit halbkreisförmigen Canälen und später auch Schnecke hervorbilden. So besteht das Gehörorgan bei den Fischen und zum Theile auch noch bei Amphibien , während bei anderen Amphibien eine von der Bachen- höhle aus sich bildende Ausstülpung als Paukenhöhle einen neuen Ab- schnitt darstellt, bis endlich , bei Beptilien angedeutet, mehr bei Vögeln entwickelt, und am vollständigsten bei Säugethieren ausgebildet, noch ein äusseres Ohr hinzutritt. Durch das letztere wird dann das Gehör- organ nicht allein mit der Aussenwelt in directe Verbindung gesetzt, sondern es wird dadurch auch ein schallleitender Apparat beigegeben. Die einfachste Form des Labyrinthes ist bei den Cyclostomen vor- handen und wird bei den Myxinoiden nur durch einen kreisförmigen Canal dargestellt, der einem Vestibulum und einem der in mehrfacher Zahl erst später auftretenden Bogencanäle entspricht. Zwei solcher in einander übergehender Bogencanäle sind schon bei den Petromyzonten gebildet, deren Vestibulum in mehrere, durch innere Falten entstandene Abschnitte zerfallt. Als Hülle dienen knorpelige Kapseln , die seitlich an der Basis des Schädels befestigt sind. Bei den Knochenfischen, sowie bei den Ganoiden und Chimären, liegt das Gehörorgan zum Theile in der Schädelhöhle, so dass also nur ein unvollständiges knöchernes oder knor- peliges Labyrinth besteht. Das häutige Labyrinth wird aus einem Vor- hofe gebildet, mit welchem drei Bogencanäle verbunden sind, von denen zwei gemeinschaftlich vom Vorhofe abgehen. Neben und bei Knochen- fischen unter dem letzteren liegt noch ein häutiges Säckchen , welches, häufig durch vorspringende Leisten in mehrereAbschnitte geschieden, die den Cyclostomen fehlenden Otolithen*) birgt. Das Vorhofsäckchen , wel- ches einen Theil des Vorhofs selbst darstellend betrachtet werden muss, steht bei den Stören mit letzterem in offener Communication. Durch den vollständigen Verschluss des häutigen Labyrinths inner- halb der knorpeligen Schädelwandungen wird bei den Selachiern, denen nur das Vorhofsäckchen abgeht, eine an die übrigen Wirbelthiere an- schliessende Bildung erreicht. Zudem finden sich noch besondere, die *) Diese besitzen bei den Knochenfischen eine ziemliche Grösse und nach den Arten beständige Gestalt, während die Otolithen des häutigen Vorhofs durchgängig sehr kleine aber crystallinische Körper sind. Ueber das Gehörorgan der Fischeist als Hauptwerk anzuführen : E. H. Weber, De aure et audilu hominis et animalium Pars I. de aure animalium aquatilium. Ups. 1820. Sinnesorgane. 509 Schädelknorpel durchsetzende Oeffnungen , die , bald auf die Oberfläche des Schädels führend, bald nur aussen durch das Integument verschlos- sen, das Labyrinth mit den umgebenden Medien in directere Verbindung setzen. Bei den Haien führen diese Canäle nur zum knorpeligen Laby- rinthe, während bei den Rochen eine offene Verbindung des Vorhofs mit der Oberfläche des Schädels besteht. Bei den Chimären endlich erstreckt sich vom häutigen Vorhofe aus je ein in der Mitte des Verlaufs eine Strecke weit mit dem der anderen Seite verbundener Gang, der offen auf der Schädeloberfläche ausmündet. Bei einer Anzahl von Knochenfischen findet sich eine Verbindung des häutigen Vorhofes mit der Schwimmblase. Es erstreckt sich nämlich von ersterem (Fig. 161. a) aus ein Canal nach hinten zu, um sich mit dem der anderen Seite durch einen querliegenden Canal zu verbinden. Aus letzterem, dem Sinus impar, tritt jederseits ein häutiges Säckchen {Atrium Sinus imparis) zu einer am hinteren Schädelabschnitte gelegenen Oeffnung, welche zumTheile von einem napfförmigen Knochen- stückeben verschlossen wird. Dieses verbindet sich durch Bandmasse mit einer Reihe verschieden geformter Knochenslückchen (h, i, k, l), von welchem das letzte und grösste dem vorderen Ende der Schwimmblase (m) angeheftet ist. Dadurch kommt eine continuirliche Kette zwischen dem Vorhofe und der Schwimmblase zu Stande. Die Cyprinoiden und Siluroiden zeigen diese Einrichtung, die bei den letzteren besonders noch dadurch ausgezeichnet ist, dass hier ein durch besondere mit der Wirbel- säule verbundene Knochenstücke geformter und auf die Schwimmblase wirkender Springfederapparat auf die Kette der Knöchelchen und von hier aus auch auf den Vorhof seinen Einfluss ausüben kann. — Eine Fig. 161. Gehörorgan von Cyprinus carpio. a. Vestibulum membranaceum . b. Ampulle des hinteren und äusseren halbkreisförmigen Canales. c vereinigter vor- derer und hinterer Canal. d. hinterer, e. vorderer f. Canalis sinus imparis. g. Sinus auditorius membranaceus impar. h. Claustrum. i. k. I. Kette der Verbindungsknöchel- chen. m. n. Schwimmblase, o. Luftgang. p. q. r. s Dornfortsätze der ersten Wirbel. Die Zahlen bezeichnen die einzelnen Schädelknochen. 1. occipitale basilare 2. late- rale. 3. 4. occ. superior. 6. Mastoideum. 7. Scheitelbein 10. Sphenoidale laterale ant. 11. Frontale. (Nach E. H.Weber.) « 510 Vertebraten. ähnliche Communication bestehtauch bei den Clupeiden, derenSchwimm- blase vorne sich gabelig theilt, und, in den Schädel eingedrungen, jeden der Aeste wiederum in zwei feine Zweige sich spalten lässt, die mit bla- sigen Erweiterungen enden. Zwei dieser Blasen treten mit nach hinten gerichteten, den Atrien des Sinus impar der Cyprinoiden entsprechenden Fortsätzen des Vorhofes in Communication. Bei den Amphibien wird das innere Ohr stets von der festen Schädelkapsel umschlossen und liegt in einem einzigen als Felsenbein bezeichneten Knochenstücke. Von dem gemeinschaftlichen Vorhofssacke entspringen drei theilweise unter einander verbundene Bogencanäle. Mit diesem inneren Ohre verbindet sich eine Paukenhöhle als mittlerer Ohr- abschnitt bei den Fröschen, durch eine Fenestra ovalis mit dem Vorhofe com- municirend und mit einer weiten Tuba Eustachii in den Pharynx mündend. Die Paukenhöhle wird nach aussen von einem Trommelfelle verschlossen, an welchem sich das von der Fenestra ovalis aus mit einem kleinen Knor- pelstückchen (Operculum) beginnende, die Paukenhöhle durchsetzende Knöchelchen anlegt. Wo keine Paukenhöhle gebildet ist, wie bei den Göcilien, den Perennibranchiaten und Salamandern, wird die Fenestra ovalis sammt dem knorpeligen Operculum und dem daran befindlichen knorpeligen oder verknöcherten, die Columella (vergl. Fig. 139. B a) darstellenden Stiele von den Muskeln der Schläfengegend bedeckt*). In anderen Fällen liegt das die Paukenhöhle verschliessende Trommelfell unter der Haut verborgen , so dass bis zu den mit offen liegendem Trom- melfelle versehenen Formen eine continuirlicheBeihe sich herstellen lässt. Man kann diese Erscheinungen sich derart zusammenreihen, dass man die Bildung der Paukenhöhle als eine von der Rachenhöhle ausgehende sich vorstellt, etwa als eine Ausstülpung, die anfänglich nur an die Gehör- knöchelchen (wie wir Operculum sammt Stiel bezeichnen können) heran- tritt, allmählich die Kette der Gehörknöchelchen umfasst, und bei ge- bildetem Trommelfelle auch über dieses sich ausdehnt bis auf jene Stelle, wo das Endstück der Columella befestigt ist. Unter den Reptilien fehlt eine Paukenhöhle den Schlangen und vielen schlangenähnlichen Sauriern. Die höhere Entfaltung des Gehör- organs gibt sich jedoch bei diesen schon durch das Auftreten einer Schnecke kund , welche mit einer Fenestra rotunda in den Vorhof ein- mündet. Die Schnecke zeigt sich als eine einfache Ausstülpung des Vor- hofes bei den Schildkröten und ist bei den übrigen Reptilien zu einem längeren Schlauche entwickelt, der mit der homologen Bildung des Vogel- ohres grosse Aehnlichkeit besitzt. Bei den Schlangen liegt das von der Fenestra ovalis entspringende Gehörknöchelchen (Columella) ganz wie bei vielen Amphibien zwischen Muskeln verborgen und ist bei manchen so- gar auf ein blosses Operculum reducirt. Operculum und Columella Von den Batrachiern gehören auch Bornbinator, Pelobates u. a. hierher. Sinnesorgane. 511 bestehen bei Schildkröten und Sauriern, bei welch' letzteren die Colu- mella noch durch ein besonderes Knorpelstück an das Trommelfell be- festigt wird. Bei vielen Sauriern wird das Trommelfell noch von Muskeln bedeckt. Stets offen liegt es bei den Crocodilen, bei welchen eine durch einen Hautknochen gestützte Klappe als die erste Andeutung eines aller- dings nur zum Schutze dienenden äusseren Ohres erscheint. Die beträchtliche Entwicklung der halbkreisförmigen Canäle zeichnet das Labyrinth der Vögel aus. Die Bogengänge münden in den Vorhof, mit welchem zugleich stets eine Schnecke ver- Fi§- 162- bundenist, die als ein kurzer, wenig geboge- ner, am Ende etwas erweiterter Schlauch er- scheint. Das innere dieses Organes wird durch eine der Länge nach auf knorpeligem Bahmen ausgespannte , der Spiralplatte der Säugethier- schnecke homologe Lamelle in zwei Bäume ge- schieden , von denen der eine obere mit der Fenestra rotunda dem Vorhofe, der andere un- tere mit der Fenestra ovalis der Paukenhöhle sich anschliesst. Die letztere steht an mehreren Stellen mit den luft- führenden Bäumen der Schädelknochen in Verbindung, und kann dadurch auch mit jenen der anderen Seite in Communication gezogen sein. Nach vorne communicirt die Paukenhöhle durch die mit der der anderen Seite sehr bald zu einem gemeinsamen Bohre vereinigten Eustach'schen Tuba mit der Bachenhöhle dicht hinter den Choanen. Die nach aussen durch ein schräg nach abwärts gerichtetes Trommelfell verschlossene Pauken- höhle wird von einem langen Gehörknöchelchen (Columella) durchzogen, welches mit einem platten Operculum die Fenestra ovalis verschliesst und, meist auf einem dreigetheilten Knorpelende dem Trommelfelle sich an- fügt. Das äussere Ohr wird nur durch einen kurzen Gehörgang (Meatus auditorus externus) dargestellt, über welchen sich bei wenigen Vögeln, wie z. B. bei den Eulen, eine häutige, mit steifen Federn besetzte Klappe hinweglegt. Die Form des Labyrinthes der Vögel, namentlich die unvollkommen entwickelte Schnecke ist unter den Säuget hieren bei den Monotremen repräsentirt. Bei allen übrigen bildet die Schnecke Windungen , die je- doch beträchtlich variiren*). Die drei halbkreisförmigen Canäle sind im Ganzen kleiner als bei den Vögeln , bieten jedoch in den verschiedenen Fig. 162. Gehörorgan von Str ix flammea. a. Paukenring. b. Trommelfell, i. Co- lumella. d. Ende derselben, e. Schnecke, f g h. Halbkreisförmige Canäle. (Nach Breschet.) *) Die geringste Zahl von Windungen (1 l/z) zeigen die Walthiere , die grösste Zahl (5) wird bei den Nagethieren (Coelogenys Paca) erreicht. Wichtigste Schrift : H y r 1 1 , Vergleichend-anatomische Untersuchungen über das innere Gehörorgan der Säugethiere. Prag 1845. 512 Vertebraten. Säugethiereordnungen sehr wechselnde Grössenuntersehiede dar. Die Paukenhöhle wird häufig in einem besonderen , blasenartig vorspringen- den Knochen geborgen, der namentlich bei Nagethieren , auch Raubthie- ren, beträchtlich entwickelt ist. Sie zerfällt häufig in mehrere Abschnitte oder communicirt mit Höhlungen benachbarter Knochenparthien , wie solches selbst beim Menschen in den Zitzenbeinzellen noch sichtbar ist. Die Tuba Eustachi vermittelt die Verbindung mit der Rachenhöhle , nur bei den Cetaceen öffnet sie sich in den Nasengang ihrer Seite. Beträcht- lich erweitert ist sie vor ihrer Ausmündung bei den Einhufern. Von dem äusseren Gehörgange wird die Paukenhöhle durch das Trommelfell ge- schieden, von welchem aus eine Kette von Gehörknöchelchen zu der Fenestra ovalis führt. Bei den Monotremen, wie auch bei einigen Beutel- thieren , ist das die Fenestra ovalis verschliessende, dem Steigbügel der übrigen Säugethiere homologe Stückchen undurchbohrt, während es bei den übrigen allmälig in die zweischenklige Steigbügelform übergeht, so dass sich hieraus die Continuität jener Bildungsreihe herstellt, die mit dem noch mit Muskelmasse überzogenen Operculum mancher Amphibien beginnend, mit dem Auftreten einer Paukenhöhle vervollkommnet zu der bei den Säugethieren reichlicher gegliederten Kette von Gehörknöchelchen hinführt. Diebeiden anderen, beständig vorkommenden Gehörknöchelchen sind Hammer undAmbos, zwischen welche zuweilen auch noch ein acces- sorisches Stückchen sich einfügt, sowie auch ein solches (das Ossiculum lenticulare) nicht selten zwischen Steigbügel undAmbos sich vorfindet*). Der äussere Gehörgang setzt sich entweder in ein äusseres Ohr fort, oder es fehlt ein solches, wie bei den Walthieren, Monotremen, den mei- sten Pinnipediern und anderen. Die Form des äusseren Ohres zeigt sich unendlich mannichfaltig. Es wird bald nur durch eine einfache Klappe gebildet, bald stellt es durch mehrere Knorpelstücke gestützte äussere Anhänge (Ohrmuscheln) vor, die bei vielen durch einen complicirten Muskelapparat bewegt werden**). — Des Auge der Wirbelthiere erscheint als die Fortsetzung desselben Typus, den wir zuletztbei den Mollusken in verschiedenen Entwickelungs- stadien, am meisten vervollkommnet bei den Cephalopoden vorfanden. Es wird von einem, die lichtbrechenden und percipirenden Apparate um- schliessenden Bulbus dargestellt, dessen äussersten Theil die vorne in die Cornea übergehende Sclerotica bildet. Nach innen folgt die Gefässhaut *) Bei mehreren Säugethieren aus den Ordnungen der Insectivoren, Nager u. a. tritt durch die Schenkel des Steigbügels ein bald solider, bald hohler knöcherner Bü- gel (Pessulus) hindurch. Bei denselben Ordnungen wird der Steigbügel oft von einer Arterie durchbohrt. **) An der Bildung des äusseren Gehörganges betheiligen sich theils Knochen, theils knorpelige Bildungen. Bei rudimentärer Entwicklung des äusseren Ohres oder bei gänzlichem Mangel desselben ist auch der knöcherne Theil des Gehörganges wenig entwickelt. Sinnesorgane. 513 des Auges, die ChoroTdea, welche vorne einen ins Innere vorspringenden Faltenkranz , das Corpus ciliare , darstellt und noch in eine meist kreis- förmige Membran, die Iris, sich fortsetzt. Der Sehnerv tritt an der hin- tern Seite des Bulbus, Sclerotica und Gefässhaut durchbrechend, in das Auge ein und findet in der innersten , auf die ChoroTdea folgenden Schichte , der Retina , seine Ausbreitung. Die Retina erstreckt sich bis zum hintern Rande des Corpus ciliare. Ueber ihr liegt noch eine zarte, auch auf das Corpus ciliare sich fortsetzende Membran , die Membrana hyaloidea. Die Höhlung des Bulbus zerfällt regelmässig in zwei Ab- schnitte, eine vordere und eine hintere Augenkammer, beide durch das lichtbrechende Organ, die Linse, von einander getrennt. Die Linse wird von einer durchsichtigen Kapsel umschlossen, welche durch die Hya- loidea mit den Processus ciliares sich verbindet. Die vorne von der Cor- nea, hinten von der Iris und der aus deren Pupillaröffnung hervorsehen- den Linse begrenzte vordere Augenkammer wird von einer wässerigen Flüssigkeit (Humor aqueus) erfüllt. Die hintere , meist geräumigere Au- genkammer, welche fast allseitig von der Hyaloidea, nur vorne von der hinteren Fläche der Linse begrenzt wird , füllt der gallertige Glaskörper (Corpus vitreum). Mit diesem (Amphioxus ausgenommen) immer paarig vorhandenen und bis auf einzelne Fälle symmetrisch gelagerten Sehorgane treten noch verschiedene accessorische Apparate in Verbindung. Es sind dies die zur Bewegung des Augapfels dienenden Muskeln, ferner Schutzorgane wie die Augenlidbildungen und endlich die Thränenorgane. Die einzelnen , das Auge zusammensetzenden Theile zeigen in Form und Ausbildung eine Reihe beträchtlicher Verschiedenheiten, woraus sich für die einzelnen Wirbellhierclassen eine Reihe von Eigenthümlichkeiten summirt, die zum Theile wenigstens den Verhältnissen der umgebenden Medien wie der Lebensweise der Thiere entspricht. — Die einfachste Form findet sich bei Amphioxus und wird durch einen unpaaren dicht dem Centralnervensysteme vorne aulsitzenden Pigmentflecken dar- gestellt, so dass dieses Organ weit unter die in den höheren Classen der übrigen Thierabtheilungen getroffenen Augenbildungen zurücktritt*). Aehnliche rudimentäre nur durch eine Bulbusbildung ausgezeichnete Sehorgane sind auch bei den Myxinoiden vorhanden, zum Theile (bei My- xine) unter Haut und Muskeln verborgen. Bei den übrigen Fischen kommen sowohl bezüglich der Lagerung, als der Grössenverhältnisse beträchtliche Abweichungen vor. Bei allen ist die Form des Bulbus von jener der anderen Wirbelthiere durch seine *) Nach J. Müller und Quatrefages [Ann. des sc. nat. se'r. 3. Tom. 4) ist das Auge paarig, und nach letzterem sogar mit einem lichtbrechenden Körper, wie einem besondern Sehnerven versehen. Gegenbaur, vergl. Anatomie. 33 514 Verlebraten. Fig. 163. Fig. 164. vordere Abflachung ausgezeichnet, indem die Cornea bei beträchtlicher Dicke nur eine geringe Wölbung besitzt. Im Verhältnisse zur Sclerotica erscheint die Cornea von beträchtlicher Ausdehnung. Auch unter den A mphi- bien finden sich einzelne Abtheilungen mit vorne abgeflachtem Bulbus, während unter den Reptilien bei Schlangen und Crocodilen eine bedeutendere Wölbung der Cornea charakteristisch ist. Bei den meisten Vögeln (Fig. 165) wird der Bulbus in ein vorderes und hinteres Segment getheilt, wovon das erstere , die stark convexe Cornea tragend, vom hinteren scharf abgesetzt ist. Diese eigentümliche Augenform erscheint am meisten bei den Raubvögeln, besonders den Eulen, ausgeprägt. Der Längedurchmesser des Auges ist hier beträcht- licher als der Querdurchmesser. Dagegen treten bei den Schwimmvögeln und Stelzvögeln die umgekehrten Verhältnisse auf , wobei zugleich die Cornea bedeutend sich abflacht. Diese, durch Verkürzung der Längsaxe charakterisirte Form ist unter den Säugethieren bei den Cetaceen (Fig. 166) bemerkbar, und auch noch bei Wiederkäuern, Einhufern u. a. ist der Querdurchmesser vorherrschend. Dagegen besitzt die grösste Mehr- zahl der Säugethiere einen kugligen Bulbus , aus dem wiederum Formen mit vorherrschender Längsaxe hervorgehen. Hierher zählen die Chirop- teren und Quadrumanen. Die Sclerotica besteht in der Regel aus festem Bindegewebe, schliesst jedoch vielfach knorpelige oder sogar knöcherne Bildungen ein und kann auch überwiegend durch Knorpelmasse dargestellt werden. Solches findet sich bei den Selachiern, und auch bei den Vögeln wird die Sclerotica zwischen den fibrösen Platten von einer dünnen Knorpellamelle gestützt Daran reihen sich unter den Säugethieren die Monotremen. Bei den Knochenfischen sind in der Regel zwei knorpelige Platten innerhalb der bindegewebigen Sclerotica unterscheidbar. Diese können verknöchern, sowie auch die ganze Sclerotica, wie beim Schwertfische, durch Knochensubstanz vertreten sein kann. Auch bei den Amphibien (den Fröschen) erscheint die Sclerotica zum grossen Theile aus Knorpel gebildet. Bei den Ei- dechsen, Schildkröten und Vögeln wird der vordere, an die Cornea stossende Theil der Sclerotica durch einen Kranz flacher an einander liegender oder über einander sich wegschiebender Knochenstücke (Scleroticalring) ge- Fig. 163. Auge von Esox lucius. Horizontalschnitt, c. Cornea, p. Processus falciformis. s' . s Verknöcherungen der Sclerotica. Fig. 164. Auge von Fara«MS. Horizontalschnitt, c. Cornea, p. Processus falci- formis. Fig. 165. Auge von Falco chrysaelos. Horizontalschnitt. (Nach W. Söm- merri n g.) Fig. 165. Sinnesorgane. 515 stützt (Fig. 165./). Es sind meist viereckige, mit den verdünnten Rändern sich deckende Tafeln von variirenderZahl (bis30). Um die Eintrittstelle des Sehnerven ist bei Schildkröten und vielen Vögeln gleichfalls eine Stütz- platte in der Sclerotica angebracht , die bei den ersteren knorpelig, bei den letzleren verknöchert erscheint. Die Dickeverhältnisse der Sclerotica sind sowohl in den verschiedenen Classen der Säugethiere, wie auch an den verschiedenen Stellen des Auges vielen Schwankungen unter- worfen. In der Regel ist die Dicke am beträcht- lichsten am liebergange in die Cornea; bei den im Wasser lebenden Säugethieren nimmt die Dicke nach hinten noch bedeutender zu, so dass sie; z.B. beim Walfische, an der Eintritts- stelle der Sehnerven einen Zoll im Durchmesser beträgt (Fig. 166. s). Die Choro'idea setzt sich aus mehreren Schichten zusammen, die im Ganzen mit den vom Menschen bekannten übereinstimmen. Die gefäss- haltigen Schichten, sowie der äussere Pigmentüberzug sind die wichtig- sten davon. Vorne bildet sie die faltigen , den meisten Knochenfischen fehlenden Ciliarfortsätze , die selbst bei Ganoiden (Stör) und Selachiern wenig entwickelt sind. Die als Iris sich darstellende Fortsetzung der Choro'idea begrenzt mit ihrem Innenrande, die in ihrer Configuration sehr verschiedene Pupille. Queroval trifft man sie bei den Selachiern , bei einigen (Carcharias) auch längsoval. In dem ersteren Falle wird sie durch vorhangartige Fortsätze des oberen Pupillarrandes der Iris noch veren- gert (Rochen). In die Quere ausgedehnt erscheint sie unter den Säuge- thieren bei Wiederkäuern und Einhufern, mit ähnlichen vorhangartigen Fransen ausgestattet. Vertical verlängert ist sie, ausser den oben er- wähnten Selachiern, bei den Crocodilen und fleischfressenden Säuge- thieren, fast dreieckig bei manchen Amphibien, sowie auch bei einigen Fischen (z. B. Arten aus dem Salmengcschlechte) an einer Stelle ein ein- springender Winkel zu beobachten ist. Von der Eintrittsstelle des Sehnerven an eine Strecke weit nach vorne, an einer häufig nur durch einen pigmentlosen Streifen (der sog. Choro'i'dealspalte) ausgezeichneten Stelle bildet die Choro'idea bei manchen Wirbelthieren eigentümliche, eine Spalte der Retina durch- setzende und ins Innere der Augenkammer vorspringende Falten , in welche alle Elemente der Gefässhaut eintreten. Ein solcher Fortsatz fin- det sich im Fischauge, den Glaskörper sichelförmig gebogen durchziehend und mit einer Anschwellung an den hinteren seitlichen Theil der Linsen- kapsel sich anfügend. Man bezeichnet diese Falte als Processus falci form is (Fig. 163. p), ihr bei manchen Fischen durch eine Schichte glatter Muskel- Fig. -i 66. Auge von Balaena mysticetus. Hoi'izoutalschuitt. (Nach W. Sömmerring.) 33* 516 Vertebraten. fasern ausgezeichnetes Ende an der Linsenkapsel als Campanula Halleri. Obgleich in der feineren Structur verschieden , reihen sich die Fortsätze im Auge von Reptilien (Fig. 164. p) und Vögeln doch enge hier an. Bei Eidechsen trifft man eine kolbig angeschwollene, den Rand der Linsen- kapsel erreichende Falte, welche auch durch zwei oder mehrere kammartig neben einander stehende Faltenbildungen repräsentirt sein kann, und so den Kamm (Pecten) der Choro'i'dea darstellt, ein Gebilde, welches bei den Vögeln durch Vermehrung der Falten (beim Storche bis auf 16) noch voll- ständiger entwickelt ist (Fig. 165). Die mit breiter Basis entspringenden Falten des Kammes im Vogelauge ragen gerade in die hintere Augen- kammer ein , erreichen jedoch nicht immer den seitlichen Rand der Linsenkapsel*). Eine eigenthümliche Modification der Choro'i'dea findet sich im Augengrunde vieler Wirbellhiere durch die Bildung eines Tapetum ge- geben. Es ist diess eine in verschiedenem Grade ausgedehnte grünlich oder bläulich schimmernde, oft metallisch glänzende Stelle , an welcher die sonst die ganze Choro'i'dea überkleidenden dunklen Pigmentschichten fehlen. Sie bedingt das Leuchten der Augen im Dunkeln und ist sowohl bei Fischen wie Säugethieren in grosser Verbreitung angetroffen**). Nach aussen von der Gefässhaut des Auges , meist in der Nähe der Eintrittsstelle des Sehnerven , ist bei vielen Fischen ein als Drüse be- zeichnetes Gebilde vorhanden, die »Choroi'daldrüse«, welche sich als eine Wundernetzbildung herausgestellt hat, und bei den Blutgefässen specieller betrachtet werden soll. Die auf die Pigmentschichte der Choro'i'dea folgende Netzhaut ist bei allen Wirbelthieren durch Modifikationen der Sehnervenausbreitung hervorgegangen, und zeigt in ihren einzelnen Straten wesentliche Ueber- einstimmung mit den Verhältnissen der menschlichen Retina. Die bei den Arthropoden nach aussen gerichteten , zu den Krystallkegeln umge- wandelten Sehnervenendigungen bilden hier , wie es auch schon für die Cephalopoden erwähnt worden, eine gegen den Umfang des Bulbus ge- *) Am häufigsten tritt im Auge der Schwimmvögel, auch mancher Stelzvögel, das vordere Ende des Kammes an die Linsenkapsel an. — Der Kamm fehlt bei Apte- ryx, der sich also auch hierin von dem Vogeltypus entfernt. Beim Strausse und Ca- suar ist der Kamm mehr konisch gestaltet, am Ende angeschwollen, fast beuteiförmig, daher auch Marsupium benannt. **) Ein Tapetum wird angetroffen bei den Selachiern , Stören, Chimären, beim Thunfisch u. a. ; dann unter den Vögeln beim Strausse, und unter den Säugethieren bei den fleischfressenden Wallhieren, den Wiederkäuern, Einhufern, Elephanten, mehreren Beutelthieren, den Carnivoren und Pinnipediern. Ueber die feineren mehr ins Gebiet der Gewebelehre gehörigen Organisations- zustände des Sehorgans, wie über die Verhältnisse der Binnenmuskeln des Auges sind zahlreiche Specialarbeiten unter den Neueren vorzüglich jene von E. Brücke, H. Müller u. a. nachzusehen. Auch ist zu vergleichen Leydig, Lehrbuch der Histologie. Sinnesorgane. 517 richtete Lage Stäbchen- oder zapfenartiger Gebilde (die sogenannte Stäbchenschichte) , so dass wie in jener Molluskenclasse durch die aus dem Auftreten eines dem ganzen Auge zukommenden einfachen licht- brechenden Apparates resultirende Hohlkugelform des Sehorganes zu- gleich eine nicht unwesentliche Umordnung der lichtempfindenden Ele- mente veranlasst wurde. Bei alledem ist der Weg vom Arthropo- den-Auge zu jenem der Wirbelthiere nicht unmöglich , sobald wir das den neuen Typus bedingende neue Element berücksichtigen , welches durch die einfache Cornea , einfache Linse wie Glaskörper gegeben er- scheint. Hinsichtlich der durchsichtigen und der lichtbrechenden Medien des inneren Bulbus ergeben sich im Allgemeinen nur für die Linse einige be- merkenswerthe Verschiedenheiten, die sich, abgesehen vom feineren Baue, vorzüglich auf die Form beziehen , und zum Theile auch die Ver- hältnisse der vorderen und hinteren Augenkammer influenziren. Sehr gross und vollkommen sphärisch erscheint die Linse der Fische , wo sie auch einen grossen Theil der vorderen Augenkammer füllt. Diese Form wiederholt sich bei Amphibien, und wird auch noch bei den im Wasser lebenden Säugethieren angetroffen, indess Beptilien, Vögel und die übrigen Säugethiere mehr abgeplattete Formen, allerdings in sehr man- nichfaltigen Abstufungen, aufweisen. Die bei den niederen Thieren in der Begel von grösseren Körper- parthien abhängigen Bewegungen des Bulbus erlangen bei allen Wirbel- thieren durch das Auftreten einer besonderen Musculatur einen höhe- ren Grad der Selbständigkeit, welchem unter den übrigen Thieren nur der am Auge der Gephalopoden und zwar zum erstenmale in deutlich gesonderter Weise den Bulbus umlagernde und auf eine Veränderung der Sehachsenrichtung abzielende reiche Muskelapparat an die Seite gestellt werden kann. Die dort veränderten Verhältnisse der Orbita, so- wie nicht minder des Bulbus selbst lassen aber eine specielle Verglei- chung der einzelnen Muskeln mit jenen der Vertebraten vorderhand nicht zulässig erscheinen. Die Zahl der Augenmuskeln der letzteren beläuft sich geringsten Falles auf 6, von denen vier als gerade, zwei als schiefe unterschieden werden. Von den letzten wird der obere durch den Ver- lauf seiner Sehne über eine am Orbitalrande angebrachte Bolle bei den Säugethieren in seiner Function potenzirt. Je nach den die Begränzung der Orbita eingehenden Sceletstücken sind die Ursprungsverhältnisse dieser Muskeln etwas verschieden, sowie auch Grösse und Verlauf durch die Beschaffenheit der Orbita und des Bulbus beeinflusst werden, doch lässt sich immer derselbe Plan wahrnehmen, wie beim Bewegungsappa- rate des menschlichen Auges. Eine Verschiedenheit vom letzteren bietet sich durch das Auftreten eines besonderen Bückziehmuskels dar , der Amphibien, Beptilien und Säugethiere auszeichnet. Dieser retractor bulbi ist bei den Amphibien (Frosch) einfach und dem m. rectus extemus be- nachbart, gleichsam ein Verstärkungsbündel desselben, bei den Beptilien 518 Vertebraten. (Sauriern und Schildkröten) in gleicher Lage aus mehreren Fascikeln be- stehend , die er auch bei den Säugethieren in verschiedener Anzahl besitzt*). Viel grössere Verschiedenheiten der Einrichtung als der Bewegungs- apparat des Bulbus darbietet, zeichnen die Schutzorgane der Augenober- fläche aus. Man kann diese als Au gen li der benannten Duplicaturbildun- gen des Integuments wieder an die bei den Cephalopoden bestehenden Verhältnisse anknüpfen und dort die Vorbildung von Einrichtungen sehen, die hier bei den Vertebraten sich vielfältig modificirten und vervollkomm- neten. Augenlidbildungen fehlen zwar noch den meisten Fischen, und einigen Amphibien (z. B. Pipa), sowie auch bei den Beptilien eine grosse Anzahl der beweglichen, über dem Auge verschiebbaren Duplicaturbil- dungen des Integumentes entbehrt (z. B. Amphisbänen, Gekonen, Schlan- gen), allein bei diesen letzteren greift eine andere Einrichtung Platz, die wenigstens in ihrer schützenden Eigenschaft sich den Augenlidern an- reihen lässt**), und bei den höheren Classen formt sich aus den Augen- lidern ein complicirter mit selbständigen Nebeneinrichtungen ausgestatte- tes Apparat. In den einfachsten bei Fischen vertretenen Formen besteht die ganze Augenlidbildung in einer den Bulbus vorne umziehenden Falte, die fast immer unbeweglich ist, und sogar in eine kreisförmige, in der Mitte durchbrochene Lamelle übergehen kann (Butirinus). Bei anderen ist nur vorne und hinten eine durchsichtige Falte gebildet, die ein vor- deres und hinteres Augenlid darstellt (z. B. bei den Häringen, bei Scomber). Aber schon bei den Selachiern ordnen sich die Augenlid- falten derart, dass die eine oben, die andere unten erscheint, und solche horizontale Lider treffen wir dann, freilich in verschiedenem Aus- *) In seiner höchsten Ausbildung erscheint dieser vom Umfange der Sehnerven- scheide entspringende Muskel trichterförmig gestaltet und, von den geraden Muskeln umfasst, in der Circumferenz des Bulbus angeheftet. So z. B. beim Seehunde. Den Affen fehlt er wie dem Menschen. Am rudimentären Auge des Maulwurfs stellt er den einzigen Muskel dar. — Den Säugethieren eigenthümlich scheint das Vorkommen einer musculös-elastischen Orbitalmembran zu sein, durch welche die Augenhöhle von der Schläfengrube sich abgränzt. Es kann diese Bildung sogar zur Herstellung eines eigenen m. orbüalis führen (Carnivoren), von welchem auch beim Menschen an der entsprechenden Stelle (flss. orbüalis inf. , nach H. Müller) noch Spuren vorhan- den sind. **) Statt beweglicher Augenlider besitzen die genannten Reptilien eine vom durchsichtig gewordenem Integumente gebildete conlinuirlich das Auge überziehende Hülle, welche von der Vorderfläche des Bulbus durch einen von der Conjunctiva aus- gekleideten Hohlraum geschieden wird. In letzteren ergiesst sich auch die Thränen- flüssigkeit, die durch den Thränennasengang von hier aus wieder abfliesst. — Eine ähnliche, zwischen Integument und Bulbus liegende Kapsel kommt auch jenen Säuge- thieren zu, deren Auge, wicz. B. beim Blindmaulwurf (Spalax Typhlus), unter der Haut verborgen ist. Sinnesorgane. 519 bildungsgrade , durch die übrige Reihe der Wirbelthiere*). Den phy- siologischen Werth dieser Augenlider erhöht ihre Beweglichkeit die durch das Hinzukommen eigener, von der Orbitalwand entspringen- der und in den Lidern sich inserirender Muskeln bestimmt wird. Diese m. m. palpebrales treten bei den Reptilien zuerst gesondert auf, und be- stehen auch noch bei den Vögeln , wenn auch unter mehrfacher Rück- bildung, während bei den Säugethieren der obere Augenlidmuskel als levator palp. sup. vorherrschend wird**). Dagegen wird in den höheren Classen (Vögel, Säugethiere) die Augenlidmusculatur durch einen Schliess- muskel (den Orbicularis palpebrarum) vermehrt, der unter den Reptilien nur beim Chamäleon schon eine bemerkenswerthe Entwickelung er- reicht hatte. Zu diesen beiden Augenlidern kommt noch ein drittes, meist durch- sichtiges , welches durch seine über die ganze vordere Augenfläche rasch erfolgende Bewegung ausgezeichnet ist, und desshalb als »Nickhaut« (membrana nictitans) bezeichnet wurde. Zum erstenmale tritt es bei den Fischen unter den Haien auf, hier wie bei den Amphibien aus dem wenig entwickelten unteren Augenlide hervorgebildet, während es bei Sauriern, Crocodilen und Schildkröten, mehr aber noch bei den Vögeln eine selb- ständige, am inneren (resp. vorderen) Augenwinkel angebrachte Ein- richtung geworden ist. Unter den Säugethieren erleidet die Nickhaut eine auffallende Rückbildung , selten über das ganze Auge sich hinweg bewe- gend , reducirt sie sich bei den fleischfressenden Walthieren , mehr noch bei den Affen , auf eine blosse Falte , von der auch beim Menschen noch eine Spur als Plica semilunaris vorhanden ist. — Die Bewegung der Nick- haut leitet ein besonderer Muskelapparat, bei welchem entweder ein ein- facher Hervorzieher oder mit diesem noch ein ihm zur Rolle dienender zweiter Muskel in Verwendung kommt***). Mit den Sehorganen vereinigen sich äusserlich einige Drüsen - apparate, die etwas differenter Bestimmung, auch durch ihre Lage zum Bulbus leicht unlerscheidbar sind. Der eine davon wird durch eine am inneren resp. vorderen Theile der Orbita gelagerte Drüse dar- *) Den Batrachiern kommt nur ein oberes Augenlid zu, doch ist bei Bufo ein unteres, wenn auch nur angedeutet, vorbanden. Die Salamandrinen besitzen beide, und unter den Reptilien erreicht sogar das untere Lid eine grosse Entwickelung, und erhält bei vielen eine knorpelige Stütze. Auch bei den Vögeln herrscht seine Beweg- lichkeit über jene des oberen vor. Durch ein kreisförmiges, äusserlich beschupptes Augenlid sind die Chamäleone ausgezeichnet. **) Bei Walthieren (Delphin) wird der levator durch einen vom Grunde der Orbita kommenden, ringsum an beide Augenlider sich ansetzenden Muskel vertreten. ***) Bei den Vögeln z. B. ist diese Einrichtung im Allgemeinen folgendermaassen gebildet: Am oberen, hinteren Umfange des Bulbus entspringt ein platter viereckiger Muskel (m. quadratus) , dessen Sehne einen Canal darstellt, in welchem die Sehne eines anderen, von der Nasenseite entspringenden Muskels (m. pyramidalis) verläuft, die an der Nickhaut sich ansetzt. 520 Vertebraten. gestellt, die unter der Nickhaut ausmündet, und als Ha rder'sche Drüse benannt, von den Amphibien (Batrachier) an bei allen mit einer Nickhaut ausgestatteten Wirbelthieren vorhanden ist. Diese anatomischen Bezie- hungen zur Nickhaut, sowie ihr Fehlen bei Abwesenheit der letzteren lässt ihren physiologischen Werth als ein durch seine Secretbildung die Bewegungen der Nickhaut über den Bulbus förderndes Organ mit grosser Wahrscheinlichkeit erkennen , so dass sie sich zur Nickhaut in ähn- licher Weise verhält, wie die Thränendrüse zu den horizontalen Augen- lidern. Was die Thränendrüsen angeht, so gehen solche den Fischen gänzlich ab; ebenso den Amphibien, bei denen die Bolle von Augenlidern durch die Nickhaut übernommen ist. Erst von den Beptilien an finden sich Thränendrüsen und zwar mit ziemlich grosser Beständigkeit am äus- seren (resp. hinteren) Theile der Orbita gelagert und am entsprechenden Augenwinkel, meist mit mehrfachen Gängen , ausmündend. Die Grösse der Thränendrüsen ist vielfachen Verschiedenheiten unterworfen, welche im Allgemeinen von einem compensatorischen Verhältniss zur Harder'schen Drüse beherrscht sind. Auch die im Ganzen nach einem gleichmässigem Plane geordneten Abführwege der Thränenflüssigkeit, bestehen aus einem bald einfach , bald mit zwei Oeffnungen am inneren Augenwinkel begin- nenden Ganal , der später von knöchernen Gebilden (Os lacrymale) um- wandet in die Nasenhöhle geleitet wird. §. 50. c) Electrische Organe. Eigenthümliche nur den Fischen zukommende Apparate stellen die sogenannten electrischen Organe vor, die in anatomischer Hinsicht durch die in ihnen stattfindende Endigung mächtiger Nervenmassen, in physio- logischer aber durch die Entwickelung von Electricität wichtig gewor- den sind. Sie sind nur bei wenigen Fischen aufgefunden , und diese gehören der Gattung Torpedo unter den Rochen, Gymnotus unter den Aalen, Malapterurus unter den Welsen an, sowie auch Mormyrus ähnliche Or- gane besitzt, die aber bezüglich der bei den übrigen nachgewiesenen Electricitätsentwickelung noch nicht näher geprüft wurden. Obwohl in Lage und in dem gröberen anatomischen Verhalten in den einzelnen Gattungen sehr von einander abweichend , kommen alle die erwähnten Organe darin mit einander überein, dass sie aus verschie- denartig gestalteten , durch Bindegewebe abgegränzten und mit einer gallertartigen Substanz gefüllten »Kästchen« zusammengesetzt erschei- nen. Zu der einen Fläche dieser »Kästchen« treten die Nerven heran, um feine Netze zu bilden , aus denen schliesslich für jedes Kästchen eine die Nervenendigungen darstellende »electrische Platte« hervorgeht. Haben wir so die Elemente der Organe in ihren wesentlichsten Momenten ken- Electrische Oreane. 521 nen gelernt, so können wir nun deren Vertheilung näher ins Auge fassen. Die eleotrischen Rochen (Torpedo) sind jederseits am vorderen Körpertheile zwischen dem Kopfe, den Kiemensäcken und den in weitem Bogen nach vorne ziehenden Flossenknorpeln mit einem platten , die ge- sammte Dicke des Körpers durchsetzenden Organe versehen (Fig. 167.oe), welches oben wie unten Fi§- 467- nur von dem allgemeinen Integumenteundspeciell noch von einer derben sehnigen Haut überzo- gen wird. Ein jedes Or- gan setzt sich aus zahl- reichen parallel neben einander stehenden pris- matischen Säulchen zu- sammen , die ihrerseits wiederum aus einer Reihe auf einander ge- schichteter Elemente, den oben erwähnten Kästchen, bestehen. Die letzteren sind durch Bindegewebe inniger unter einander verei- nigt , und alle empfan- gen die in die Säulchen eindringenden Nerven von unten her, so dass die freien Flächen der electrischen Platten im gesammten Organe nach oben gerichtet sind. Beim Zitteraal (Gymnotus electricus) sind jederseits zwei electrische Organe vorhanden , welche dicht unter der äusseren Haut am Schwanztheile des Körpers liegen , und eine ansehn- liche Längenausdehnung besitzen. Von einer aponeurotischen Umhül- lungshaut dringen horizontal stehende Lamellen in das Organ, und zerfallen dieses in zahlreiche über einander gelegene Abschnitte, die wiederum durch senkrecht auf die Längsachse des Fisches stehende secundäre Scheidewände in viele schmale, ziemlich hohe und sehr lange Fig. 1 67. Electrisches Organ eines Torpedo. 1, II, III, III' Gehirn, tr. Nervus trigeminus. tr' Electrischer Ast desselben, v. N. vagus. o. Augen, f. Spritzloch. o.e. Electrisches Organ, t. Gallertröhren, br. Kiemensäcke (rechterseits noch von einem Muskel umhüllt). 522 Vertebraten. Fächer abgetheilt sind, und den oben geschilderten Kästchen ent- sprechen. Der Zitterwels (Malapterurus electricus) zeigt das electrische Or- gan mit der den ganzen Körper umhüllenden Hautschwarte in doppelter Aponeurosenhülle verbunden, und symmetrisch in zwei Hälften getheiit. In jedem der Organe verlaufen unzählige Mengen zarter bandartiger Mem- branen , nur durch geringe Zwischenräume getrennt von dem dorsalen Ende des Organes bis zum ventralen herab , und stellen ebensoviele quer auf die Achse des Fisches stehende Scheidewände vor, die wieder- um durch schräge Lamellen vielfach unter einander sich verbinden. Auf diese Weise entsteht ein reiches Fachwerk mit einzelnen Scheiben- oder linsenförmigen Hohlräumen, welche eine je ein Nervenende aufnehmende electrische Platte bergen , somit als die Homologa der Kästchen beim Zitterrochen anzusehen sind. Die Mormyri tragen je ein Paar electrischer Organe zu beiden Sei- ten des Schwanzes, und zeigen dieselben von länglicher Gestalt, gleich- falls durch senkrechtes Fachwerk in vielfache Kästchen getheiit, die sich ähnlich wie die des Zitterwelses verhalten, und die auch hinsichtlich ihres feineren Baues enge an die übrigen electrischen Organe sich anschliessen. Das gleiche gilt auch von den eigenthümlichen zu beiden Seiten des Schwan- zes der »nicht electrischen Rochen« befindlichen Organen, welche mit denselben durch bindegewebige Scheidewände gestützten Kammern versehen sind , und in diesen die Endigungen von Nerven aufnehmende »electrische Platten« beherbergen. Aus diesen anatomischen Verhält- nissen ist wohl zu schliessen , dass auch das Schwanzorgan der bisher für nicht electrisch gehaltenen Rochen den electrischen Organen beizu- rechnen sei. Die Nerven der electrischen Organe entstammen von sehr verschie- denen Theilen der Centralorgane des Nervensystems. Bei den Zitter- rochen erhält jedes einen Ast desTrigeminus(Fig. 167. tr) und vier Aeste, die von dem sogenannten electrischen Lappen des Gehirnes stammen und dem N. vagus angehörig gedeutet worden sind. Bei Gymnotus sind es zahlreiche Spinalnerven, und solche treten auch bei den Mormyren und den Rochen ins Schwanzorgan. Am meisten abweichend verhält sich Malapterurus, indem jedes der beiden electrischen Organe nur von einem im Rückenmarke entspringenden Nerven versorgt wird , der sich schon oberflächlich vielfach verästelt*). *) Der electrische Nerv des Zitterwelses entspringt zwischen dem zweiten und dritten Spinalnerven, und wird nur aus Einer colossalen Primitivfaser ge- bildet, die von einer dicken Hülle umgeben ist. Alle Verzweigungen der Nerven am und im electrischen Organe beruhen auf Theilungen der Primitivfaser, welcher als Ursprungsstätte eine colossale, vielfach verästelte Ganglienzelle entspricht. Die bei- derseitigen Ganglienzellen sind neben einander gelagert. Electrische Organe. 523 Als die wichtigsten Elemente der electrischen Organe sind die in den schon anfangs erwähnten Kästchen oder Fächern eingelagerten electri- schen Platten anzusehen, flach ausgebreitete, aus verschmolzenen Zellen bestehende Gebilde, in welche die Endigungen der electrischen Nerven übergehen. Es ist immer nur eine Fläche dieser Platten, mit der die Nerven verschmelzen , und diese Fläche ist in allen Platten eines Organes dieselbe. Sie ist zugleich diejenige, die sich electro- negativ verhält, wogegen die entgegengesetzte freie Fläche der Platte electro- positiv erscheint. Beim Zitterrochen ist daher die obere Fläche electro- positiv, denn der Antritt der Nerven an die in den Kästchen der prisma- tischen Säulen gelegenen electrischen Platten findet von unten her statt, und auch bei Gymnotus treten sie an die hintere, im Moment der Electri- citäts-Entwickelung negative Fläche der Platten , und die vordere, sich positiv verhaltende ist die freie. Die Richtung des Stromes geht daher von hinten nach vorne Bei Malapterurus scheint das Verhalten ein um- gekehrtes zu sein, indem nach Dubois-Reymond die Stromesrichtung vom Kopfe zum Schwänze geht, obgleich die Nerven an der hinteren Seite der Platte herantreten, die vordere somit als die freie erscheint. Es hat sich aber herausgestellt, dass je eine Platte von einem Nerven von hintenher durchbohrt wird, und letzterer erst an der vorderen, im Mo- mente des Schlags negativen Fläche an die electrische Platte ausstrahlt, so dass also auch hier die grösste Uebereinstimmung zwischen anatomi- schem Befunde und physiologischem Verhalten sich herausstellt*). *) Die Herstellung eines Einklanges in den verschiedenen bisher über die electri- schen Organe der Fische bestehenden Angaben verdanken wir M. S c h u 1 1 z e ( siehe dessen vorläufige Mittheilung in den Sitzungsberichten der naturforschenden Gesell- schaft zu Halle, Abhandlungen Bd. IV. Heft 2. 3. 1858, dann dessen Abhandlung über die electrischen Organe der Fische in demselben Bande Heft 4 u. Bd. V. 1 859J. — Auch die electr. Organe von Mormyrus stimmen mit obigem überein. Es ist entweder die vor- dere Fläche der electr. Platte, oder die hintere, zu der der Nerv tritt, im ersteren Falle aber tritt der Nerv durch ein Loch der Platte , um erst hinten mit ihr zu verschmel- zen (M. dorsalis, anguilloides) , so dass in beiden Fällen das vordere Ende des Organs nach Analogie von Gymnotus, Malepterurus und Torpedo sich positiv gegen das hintere verhalten wird. Im Schwanzorgane der übrigen Rochen treten die Nerven von vorn zu einem der electr. Platte analogen Gebilde. Es sind noch folgende Schriften über den Bau der electr. Organe der Fische an- zuführen. Sa vi, Recherches anatomiques sur le Systeme nerveux et sur l'organe electri- que de la torpille. Paris 4844. — Robin, Recherches sur un appareil qui se trouve sur les poissons du genre des Raies, Ann. des Sc. nat. Ser. 3. T. VII. — Ecker, Unter- suchungen zur Ichthyologie. Freiburg, 1 856. — Bilh arz, das electrische Organ des Zitterwelses. Leipzig 1857. — M. Schul tze in Müller's Arch 1858. pag. 193. — K öllik er, Würzb. Verhandlungen Bd. VIII. p. 2. 524 Vertebraten. Organe der Ernährung. a) Von den Verdauungsorganen. Der Verdauungsapparat der Wirbelthiere beginnt mit der nach vorne durch die Kiefer abgegränzten , nach hinten in den Schlund fortgesetzten Mundhöhle. Die Bedeutung derselben erscheint bei den niederen Wirbel- thieren von jener der höheren verschieden , indem bei den ersteren noch die Athemorgane (Kiemen) als seitliche Begrenzungen hinzutreten , so dass der vor dem Schlünde gelegene Abschnitt je nach der Ausdehnung des Kiemengerüstes verschieden gross erscheint, sowie überhaupt die Mundhöhle der Fische und zum Theile auch der durch Kiemen athmen- den Amphibien in ihrer Gestaltung durch das Kiemengerüste wesentlich influenzirt wird. Das durch den Mund aufgenommene und durch die seitlichen Kiemenspalten ausströmende Wasser vermittelt die Athmung und bringt dadurch die Mundhöhle in nähere Beziehung zum Respirations- processe. Wenn wir als Mund ausschliesslich jene Oeffnung bezeichnen, welche, wie bei den meisten Wirbellosen, nur den Eingang des Darm- canals bildet, so haben wir bei den Wirbelthieren diese Oeffnung weiter hinten zu suchen, denn auch bei den höheren Wirbelthieren sind die Athemorgane mit der Mundhöhle verbunden , da die Oeffnung der Luftwege in ihr liegt. Wir treffen demnach bei den Wirbelthieren auf eine schon bei Tunicaten vorhandene Erscheinung , indem der vor der Mundöffnung gelegene Abschnitt direct oder indirect bei dem Geschäfte der Athmung betheiligt ist. Als Organe, welche mit der Aufnahme der Nahrung in enger Bezie- hung stehen, finden wir mit den Wandungen der Mundhöhle verschieden- artige Gebilde verbunden , theils zum Ergreifen , zum Festhalten und zur Zerkleinerung, theils zum Verschlucken der Speisen dienend. Die letzte- ren werden vorzüglich durch die Zunge repräsentirt, ein Organ, wel- ches bei den Fischen wenig, mehr bei den Amphibien, Reptilien und Vö- geln, am meisten bei den Säugethieren entwickelt ist und wenigstens bei den höheren Classen der vorzüglichste Sitz des Geschmacksinnes wird. — Die verschiedenen Formen dieses besonders bei Reptilien und Vö- geln sehr variirenden Organs sind immer an gewisse Beziehungen zur Lebensweise oder zur Art der Nahrungsaufnahme geknüpft, bieten jedoch vom morphologischen Gesichtspuncte ein minder grosses Interesse , so dass ausser der Erwähnung der allmähligen Ausbildung dieses Organs von den Fischen an bis zu den Säugethieren eine specielle Schilderung der mehr beschreibenden Zootomie überlassen bleiben muss. Die andere Organreihe umfasst im Allgemeinen die Zahnbildungen. Eine nicht kleine Abiheilung von Wirbelthieren entbehrt dieser Hülfs- apparate der Ernährung. Unter den Fischen sind zahnlos Amphioxus, die Lophobranchier und die Störe. Auch bei den Amphibien finden sich Verdauungsorgane. 525 einzelne zahnlose Abtheilungen , so z. B. Pipa , unter den Reptilien die Schildkröten. Zähne fehlen in der ganzen Classe der Vögel und bei den Säugethieren gehen sie den Monotremen und manchen Edentaten ab. Andere, die Walthiere (Bartenwale) besitzen wirkliche Zahnbildungen nur in der Jugend. Dagegen treten in den eben genannten Abtheilungen andere die Stelle der Zähne versehende Gebilde auf, nämlich Modificationen des Epitheliums der Mundschleimhaut, Epidermisgebilde, welche harte , resi- stente Organe darstellen und in mannichfaltigen Formen erscheinen. Sie unterscheiden sich von den Zahnbildungen, abgesehen von ihrem feineren Baue, vorzüglich durch den Mangel von Kalksalzen. Ihr Gewebe reiht sich in die chemische Gruppe der Horngewebe. Solche Hornzähne besetzen als konische, papillenähnliche Erhebungen den Mund der Cyclostomen, wo sie bei den Petromyzonten sehr zahlreich vorhanden sind. Einen einzigen ge- krümmten Hornzahn besitzen die Myxinoiden, bei denen noch auf der Zunge zwei zahntragende Platten hinzukommen. Bei den Schildkröten bildet der Epithelialüberzug der Kiefer derbe Hornscheiden. Dasselbe ist auch am Schnabel der Vögel der Fall. Aehnliche hornige Ueberzüge der Kiefer besitzen unter den Säugethieren die Monotremen , von denen Ornitho- rhynchus am meisten an die Vögel sich anreiht. Es gehören auch hierher die Kauplatten der Steller'schen Seekuh , sowie die Barten der Wale. Diese bestehen aus breiten, senkrecht vom Oberkiefer entspringenden Hornlamellen, welche dicht neben einander stehen, nach unten sich ver- dünnen und in zerfaserte Enden auslaufen. Im Fötalzustande werden wirkliche Zähne an der Stelle der Barten getroffen. Die wahren Zähne sind von der Schleimhaut des Mundes aus in be- sonderen Follikeln entstehende Gebilde, in Form und feinerer Structur die mannichfaltigslen Verhältnisse aufweisend. Es gehen in der Regel zwei Substanzen in die Zahnbildung ein: das sogenannte Zahnbein , die Hauptmasse des Zahns darstellend, und die Emailsubstanz, welche das Zahnbein überzieht. Dazu kommt noch die besonders bei den zusammengesetzten und schmelzfaltigen Zähnen wichtige Cement- substanz.- Die Zahnfollikel finden sich entweder lose in der Schleimhaut, wobei dann auch die Zähne im fertigen Zustande meist beweglich er- scheinen, oder sie senken sich in Knochen ein, welche dann den vollendeten Zahn fLxiren. Die Form der Zähne variirt von dünnen, spitzen Bildungen an bis zu breiten Platten , deren speciellere Darstellung für die blossen Ordnungen und Familien von der Zoologie zu berücksichtigen ist. Auch die Orte des Vorkommens sind äusserst mannichfach , doch lässt sich im Allgemeinen für die unteren Glassen der Wirbelthiere eine grössere Ver- breitung, bei den oberen Classen dagegen eine allmählige Beschränkung auf einzelne Knochen erkennen. Zahntragend sind bei den Fischen, ausser den Kieferknochen, noch die Gaumenbeine , das Pflugscharbein, der Körper des Keilbeins, Zungenbein und Kiemenbogen. Von letzteren sind die beiden hintersten auch bei jenen Fischen, welche an den übrigen Mundtheilen der Zähne ent- 526 Vertebraten. behren , mit Zahngebilden ausgerüstet und stellen sogar, da ihnen dieKie- menblättchen abgehen, blosse Schlundzähne vor [Ossapharijngeainferiora) (vergl. oben Fig. 146). Die genannten zahntragenden Stücke sind jedoch nicht in allen Fällen mit Zähnen versehen ; häufig sind es nur einzelne von ihnen, wie schon aus dem vorhin Erwähnten ersichtlich ist. Bei den Amphibien sind nur noch Gaumenbeine und Pflugscharbein neben den Kieferknochen zahntragend , und ausnahmsweise kommt auch noch der Keilbeinkörper hinzu. Gaumenzähne finden sich unter den Reptilien nur bei Schlangen und Eidechsen, während dieCrocodile indem auf Zwischen-, Ober- und Unterkiefer beschränkten Vorkommen der Zähne mit den Säugethieren übereinstimmen*). Der Darmcanal der Wirbelthiere liegt in der Leibeshöhle und wird von der diese auskleidenden Membran, dem Peritonäum , bis auf seinen ersten und letzten Abschnitt überzogen und durch dasselbe zugleich an die untere Fläche des Rückgrates befestigt. Das Peritonäum bildet somit um den Darmcanal eine Duplicatur und erscheint an jenen Stellen, wo die beiden Blätter an einander liegen, als Mesenterium. Es ist dieses um so mehr entwickelt, als der Darmcanal sich von der Wirbelsäule entfernt und durch eine die Eingeweidehöhle übertreffende Längenentwickelung sich in Windungen legt. Sehr häufig fehlt in den niederen Abtheilungen der Wirbelthiere das Mesenterium auf längere Strecken, so dass das Darmrohr daselbst völlig frei in die Leibeshöhle zu liegen kommt. Die Leibeshöhle ist mit Ausnahme verschiedener Fische nach aussen geschlossen. Bei jenen finden sich einfache oder doppelte Oeffnungen vor, welche theils einen Eintritt des Wassers in die Leibeshöhle gestatten, theils auch zur Ausleitung der Geschlechtsproducte dienen. Ein solcher Porus abdominalis liegt bei Amphioxus vor dem After. Auch bei Lepido- siren findet sich eine ähnliche Oeffnung vor. Zwei Oeffnungen sind bei den Selachiern , Ganoiden , den Aalen , Lachsen und einigen anderen Fischen vorhanden , und bei den Reptilien findet sich diese Erscheinung noch theilweise, so z. B. bei den Crocodilien, während die sich beider- seits neben dem Rectum gegen die Cloake eistreckenden Peritonealcanäle der Schildkröten am Grunde blind geendigt sind. Complicationen des Darmcanales erscheinen erstlich durch eine die Leibeshöhle übertreffende Längenentwickelung, wobei das Darmrohr röhr sich in Windungen legt; dann durch veränderte Textur der Wan- dungen, reichlichere Entwicklung der Muskelschichten oder eigenthüm- liche Bildungen der Schleimhaut, endlich durch Veränderungen des Lumens einzelner Abschnitte, so dass engere und weitere Theile , auch seitliche zu Blinddärmen führende Ausstülpungen entstehen. Es sind die einzelnen Abtheüungen des Darmcanals bei den ver- schiedenen Classen nur durch die Berücksichtigung der Entwickelungs- *) Ueber Zähne der Wirbelthiere: Owen, Odontographie, London 4840. Giebel, Odontographie, Leipzig 1853. Verdauungsorgane. 527 geschichte auf einander zurückzuführen« Wir unterscheiden demgemäss einen Munddarm, aus dem Oesophagus und Magen sich bildet, einen Mitteldarm, welcher in den höheren Wirbellhierclassen den Dünn- darm und einen Theil des Colons hervorgehen lässt, Fig. -168. endlich einen Enddarm, der vorzüglich das Rectum repräsentirt. Die einfachste Da rmform besteht bei den Fi s che n, und hier ist es wieder Amphioxus, welcher die nie- derste Bildung zeigt, indem das unter dem Rückgrate verlaufende , vorn hinteren Ende des langen Kiemen- sackes (Fig. 168. d) entspringende Darmrohr nach Auf- nahme eines als Leber zu deutenden, nach vorne ge- richteten Blindsackes (f) sich bis zum Schwänze er- streckt und dort mit einem seitlich gelegenen After (b) endet. Auch bei anderen Fischen besitzt das Darmrohr häufig einen geraden Verlauf, so bei den Myxinoiden und bei Lepidosiren, wo es der einzelnen Abschnitte entbehrt. Es tritt aber auch da schon eine Differenzirung auf, indem der erste Abschnitt als er- weiterter Schlund erscheint und der folgende durch eine engere klappenartig vorspringende Stelle von dem ferneren Darme schärfer abgegränzt ist. Die Verengerung erscheint als Pylorus. Der vor ihr ge- legene Theil kann als Magen bezeichnet werden. — Bei den meisten Fischen geht die trichterförmige Speise- röhre (Fig. 1 69. o) unter allmähliger Erweiterung in den Magen über, und dieser lässt vorzüglich zweierlei Formen erkennen ; entweder wird er von einer Erwei- terung des Darmrohrs dargestellt, die oft nur durch einen klappenartigen Vorsprung in der Pylorusgegend von dem übrigen Darme geschieden ist (bei den mei- sten Selachiern, den Pleuronectiden, Gadiden, Cypri- niden, Salmoniden) , oder er besieht aus einem nach hinten gerichteten Blindsacke , in welchen sich die Portio cardiaca direct verlängert , und aus dem dicht neben derCardia der kurze, meist engere Pylorustheil hervorkommt. Nur selten zeigt der Pylorustheil eine sackartige Ausstülpung (wie z. B. bei Lophius)*). Fig. 168. Amphioxus lanceolatus, 2% mal vergrpssert. a. Mundöffnung von Cirrhen umgeben, b. Afteröffnung. c. Abdominalporus d. Kiemensack. e. Magen- artiger Abschnitt des Darms, f. Blinddarm, g. Enddarm. h. Allgemeine Leibeshöhle. i. Chorda dorsalis, darunter die Aorta, k. Aortenbogen. /.Aortenherz. m. Anschwellun- gen der Kiemenarterien, n. Hohlvenenherz. o. Pfortaderherz. (Nach Quatr ef ages.) J- *) Eigenthümliche Ausstülpungen von der ventralen Seite der Speiseröhre gehen bei verschiedenen Plectognathen (Diodon, Tetrodon etc.) aus und bilden mehrere bis 528 Vertebralen. Der Pylorus wird in der Regel wiederum durch eine Klappe von dem Mitteldarme abgegrenzt. Am Anfange des letzteren finden sich häufig blinddarmartige An- hänge, die sogenannten Appendices pyloricae (Fig. 169. B ap). Sie besetzen eine verschieden lange Strecke des Mitteldarms und sind in sehr verschiedener Zahl vorhanden, sowie auch ihre Grösse sehr variirt. Bald mündet jeder gesondert in den Darm , bald vereinigen sich mehrere zu grösseren Stämmen, wodurch dann verästelte Bildungen entstehen. Die geringste Zahl kommt bei Ganoiden und Pleuronectiden vor. Die meisten finden sich bei den Clu- peiden. Nicht selten werden sie durch Bin- desubstanz zu einer Masse vereinigt und er- scheinen dann wie eine compacte Druse. Die Bedeutung dieser Pylorusanhänge ist noch wenig aufgeklärt. Sie wurden früher für Ae- quivalente einer Bauch- speicheldrüse genom- men, bis man das wirk- liche Pancreas der Fische entdeckt hat. Da ihre Wände mit dem Baue der übrigen Darm- wandungen überein- stimmen, so sind sie als Ausstülpungen des Darmcanals anzusehen, denen bei der reichlichen Ab- sonderung ihrer Schleimhaut wohl die Bedeutung von Drüsenorganen zu- kommen muss*). Während der Magen in der Regel gerade liegt und nur selten mit seiner Längsachse eine völlig quere Stellung einnimmt, bietet das vom Pylorus entspringende Darmstück bis zum Rectum hin je nach seiner Fig. 169. Darmcanal von Fischen. A. von Gobius melanostomus. B. von Salmo. C.vonRaja. o Pharynx, v. Magen. «".Darm. r. Rectum, ap. Pylorusanhänge. c. Spiralklappendarm. weit in die Bauchgegend nach abwärts sich erstreckende Säcke, die mit Luft ange- füllt dem Thiere als hydrostatischer Apparat zu dienen scheinen. *) lieber die verschiedenen Formen des Darmcanals der Fische muss besonders auf die Untersuchungen Rathke's hingewiesen werden. Beiträge zur Geschichte der Thierwelt. 2. Abthl. Halle 1824. Müll. Archiv. 1837. Verdauungsorgane. 529 Länge verschiedene Lagerungsverhältnisse, vom einfachen Auf- und Ab- steigen (A, i) bis zu vielfacher Schlingenbildung dar. Die Wandungen der einzelnen Abschnitte des Darmcanals sind häu- fig durch Dicke von einander ausgezeichnet, am meisten ist in dieser Hinsicht noch der Magen unterscheidbar, der bei manchen (z. B. Mugil) eine bedeutende Muskelschicht empfängt. — Die Vergrößerung der Schleimhautoberfläche geschieht fast überall durch Längsfalten, die be- sonders stark im Oesophagus der Raubfische entwickelt sind. Ringförmige Faltenbildungen sind im Ganzen selten*), dagegen findet sich eine aus solcher Oberflächenvermehrung entspringende eigenthümliche Einrichtung bei einem Theile der Cyclostomen (Petromyzon) angedeutet, bei Ganoi- den, Chimären, Selachiern und den Dipnois in vollkommener Entfal- tung. Es stellt diese eine verschieden stark spiralig gewundene Längsfalte dar, die einen grossen Theil des meist auch erweiterten, vor dem kurzen Rectum gelegenen Darmabschnittes (Fig. 169. Cd) einnimmt und als »Spiralklappe« bezeichnet wird**). Dieselbe ist bei einigen Haien (Carcharias, Thalassorhinus) dahin modificirt, dass sie nicht schrauben- förmig, sondern in ganzer Länge gerollt ist. Sie birgt auch hier wie bei Petromyzon die Darmvene. Der letzte Abschnitt oder Enddarm (Fig. 169. r) , dem Rectum der höheren Wirbelthiere entsprechend, ist immer von beträchtlicher Kürze, entweder ohne weitere Auszeichnung oder von umfangreicher Form und kann sogar mit einer blindsackartigen Ausstülpung [Bursa Entiana) versehen sein (Selachier). Seine Bedeutung ändert er bei den Selachiern , indem er hier noch die Ausführgänge des Urogenitalapparates aufnimmt und so zur »Cloake« wird. Der Darmcanal der Amphibien und Reptilien bie- tet durch die geringe Differenzirung seiner Abschnitte, sowie durch die nur selten beträchtliche Längenentwicklung einen engen Anschluss an jenen der Fische dar. Als ein einfaches, nicht einmal eine den Magen repräsentirende Er- weiterung besitzendes Rohr erscheint er bei Proteus und anderen Perennibranchiaten, dagegen gränzt sich schon bei den Salamandrinen eincontinuirlich aus der weiten Speise- röhre hervorgehender Magen (Fig. 170. v) vom übrigen Darmcanale ab. Ein solcher nach vorne gerade in die weite Speiseröhre (oe) übergehender Magenschlauch bleibt über- haupt für beide Classen charakteristisch, und ist durch seine nur bei einigen Batrachiern und den Schildkröten einer Querstellung weichenden Längsrichtung eine fast durch- 170. Darmcanal von Menobranchus lateralis, p. Pharynx, oe. Speise- Magen, i. Darm. r. Rectum. (Nach Otto.) 170. *) Sie bestehen bei einigen Clupeiden. **) Die Spiralklappe fehlt bei Lepisosteus. Gegenbaur, vergl. Analomie. 34 530 Vertebraten. greifende Eigentümlichkeit , durch welche der Beginn einer weiteren Differenzirung angezeigt wird. In dieser Hinsicht stehen die Schlangen am tiefsten, denn es ist hier nur die grössere Weite wodurch der Magen vom Darm äusserlich unterschieden wird. Bei den Sauriern hebt sich der Pylorustheil des Magens etwas nach vorne , und ebenso bei den Schildkröten , so dass dadurch eine grosse und kleine Curvatur unterscheidbar wird. Diese Verhältnisse sind am stärksten bei den Crocodilen ausgeprägt, deren rundlicher Magen nicht allein schärfer von dem engeren Oesophagus sich absetzt, sondern auch durch die starke Entwickelung seiner jederseits durch eine sehnige Scheibe ausgezeichneten Muskelwandungen, wie durch die bedeutende Näherung von Cardia und Pylorus an eine in der nächst höheren Classe — bei den Vögeln — sich verbreitende Magenbildung enge anschliesst*). Der Pylorustheil des Magens wird schon bei einigen Amphibien (z. B. Coecilien , Pipa) durch eine ringförmige Falte vom Duodenum abgegränzt und unter den Beptilien ist die Valvula Pylori beständig geworden. Der übrige Darmcanal ist bei den Amphibien nur durch grössere Enge und dünnere Wandungen ausgezeichnet und zeigt seinen Endab- schnitt, das Bectum , immer ansehnlich erweitert (Fig. 170. r) , häufig sogar durch eine Klappe vom vorhergehenden Abschnitte abgegränzt. Windungen sind in verschiedenem Grade ausgebildet, bei Pflanzenfressern beträchtlich vermehrt, und selbst bei jenen Amphibien, die als Larven auf vegetabilische Nahrung angewiesen sind, tritt an dem in diesem Sta- dium relativ sehr langen, eigenthümlich spiralig gewundenen weiten Darmrohre eine allmählige Beduction ein; wie diess bei Fröschen u.s. w. leicht zu beobachten ist. Die Windungen sind unter den Beptilien bei Schlaugen und Ei- dechsen (namentlich den Amphisbänen und schlangenartigen Sauriern) am wenigsten zahlreich, vermehrt bei Schildkröten und Crocodilen, der Enddarm ist wieder nur durch seine grössere Weite unterschieden und in seiner oberen Gränze bei manchen durch einen klappenartigen Vor- sprung ausgezeichnet. Die Schleimhautauskleidung des gesammten Darmrohrs zeigt bei den Amphibien noch ähnliche Faltenbildung wie bei den Fischen, und selbst bei Schlangen und Crocodilen ist es nur die stärkere Entwickelung oder auch die Kräuselung dieser Falten, wodurch einzelne Darmabschnitte (der Dünndarm) charakterisirt werden. Bei Schildkröten und Sauriern kommen daselbst schon netzförmige Vorragungen vor, und durch partielle Erhebungen auf denselben entstehen zottenähnliche Formen, die wie gewisse, durch ringförmige Querfalten im Dickdarme verschiedener Sau- *) Am Pylorustheile des musculösen Magens findet sich noch eine zweite klei- nere Abtheiluns, die ihr Homoloeon ebenfalls nur unter den Vögeln besitzt. Verdauungsorgane. 531 Fig. 171, rier ausgezeichnete Abschnitte die ersten Anfänge erst bei den höheren Classen durchgreifender Bildungen sind. Die Mannichfaltigkeit der Abtheilungen des Darmcanals vermehrt sich ansehnlich bei den Vögeln. Die verschieden weite, der Länge des Halses correspondirende Speiseröhre ist in vielen Fällen mit einem »Kropf«*) {ingluvies) versehen , der entweder eine einfache oder doppelseilige Aussackung, oder eine continuirliche Er- weiterung vorstellt (Fig. 171. i). Raubvögel und Kör- nerfresser zeigen ihn am meisten ausgebildet. Der darauf folgende gewöhnlich engere Theil des Oesopha- gus geht in den Magen über , an welchem zwei Ab- schnitte unterscheidbar sind. Der erste den Vorma- gen (proventriculus) darstellende Abschnitt (Fig. \7\pv) ist immer durch die reichliche Entwicklung einer Drüsenschicht ausgezeichnet, die seinen Wandungen oft eine beträchtliche Dicke verleiht (Fig. 171. B). Er geht entweder continuirlich aus dem Oesophagus her- vor und es ist sein Anfang weder durch Form noch Dicke der Wandung von jenem unterschieden (z. B. bei den fischfressenden Schwimmvögeln) oder er gränzt sich besonders durch die Drüsenschichte scharf von dem vorhergehenden Abschnitte ab. Seine Grösse ist sehr verschieden, relativ am beträchtlichsten wohl beim Slrausse, dessen zweiten Magenabschnitt er ums vier- fache übertrifft. Morphologisch muss dieser Abschnitt als eine Modification des untersten Endes der Speise- röhre betrachtet werden. Was die Drüsen angeht, so stehen diese entweder dicht bei einander , bilden eine ringförmige Zone, oder sie sind gruppenweise über den ganzen Abschnitt vertheilt. Der weiter nach abwärts gelegene zweite Abschnitt stellt den vor- züglich zum Zermalmen der Nahrung fungirenden Muskelmagen vor, einen länglichen oder rundlichen Sack, dessen Oeffnung in den Vormagen dicht neben der in das Duodenum {d) leitenden Pylorusöffnung liegt, und dessen Wände von zwei Seiten her durch eine stark entwickelte Muskel- schicht verdickt sind. Die Stärke dieser jederseits auf der Mitte der Fig. 171. A. Speiseröhre und Magen der Trappe, i. Kropf, pv. Vormagen (ge- öffnet), v. Muskelmagen, d. Duodenum. B. der Vormagen mit den zu der einen Seite des Längsschnittes präparirten Drüsen. *) In der Regel ist der Kropf durch Drüsen ausgezeichnet. Diese stellen beson- ders in dem doppelsackigen Kröpfe der Tauben eine periodisch (während des Brü- tens) mächtig sich entwickelnde Schichte dar. 34* 532 Vertebraten. Fig. 172- Oberfläche mit einem sehnigen Centrum (Fig. 172. A, t) versehenen Schichten wechselt nach der Nahrungsweise der Vögel , so dass sie bei den Raubvögeln am geringsten, bei den von Kör- nern u. s. w. lebenden Schwimm- und Hühner- vögeln am beträchtlichsten erscheint (vergl. Fig. 172. B, m). Zur Zerkleinerung der Nahrung wird dieser Abschnitt noch vorzüglich geeignet durch einen hornartig festen , oft in Platten (Reibplatten) abgesonderten innern Ueberzug , der als eine von dem darunterliegenden Drüsenepithel dargestellte Cuticularbildung sich ergeben hat. An der Pylorusöffnung ist bei vielen Vögeln (Strauss, Hühner u. s. w.) eine Klappe vorhanden, die gegen das Duodenum abschliesst. Bei einigen (Ardea, Pelecanus, Garbo, Aptenodytes) bildet sich an dieser Stelle ein dritter Magenabschnitt, der in seiner Anlage dem Nebenmagen der Crocodile nahe steht. Der übrige Darmcanal bildet ein im geringsten Falle die doppelte Körperlänge erreichendes in Dünn- und Dickdarm geschiedenes Rohr. Der er- stere ist meist in regelmässige Schlingen gelegt, wovon die erste, das Pan- creas umfassende, einem Duodenum gleichkommt, und wird von dem nur wenig langen , und daher eigentlich nur dem Rectum der Säugethiere vergleichbaren Dickdarme durch eine innere Ringklappe, sowie durch die Insertion zweier Blinddärme abgegränzt. Die Ausbildung dieser meist paarigen, selten ganz fehlenden Coeca zeigt sehr verschiedene Grade*). Das Ende des Dickdarms mündet in eine, auch den Urogenitalappa- rat aufnehmende Cloake, wie sie in ganz ähnlicher Weise auch bei Am- phibien und Reptilien besteht. Eine solche Vereinigung der Endabschnitte verschiedener Organsysteme zu gemeinsamer Ausmündung greift unter den Säugethieren nur in der Ordnung der Monotremen Platz , und bei den übrigen kommen discrete Oeffnungen zu Stande. An der Schleimhaut des Darmrohres der Vögel sind vorzüglich die Längsfalten vorherrschend , die im Dünndarm nicht selten in genetzte Bildungen übergehen , und endlich wiederum zu kleinen getrennten Er- hebungen oder Zotten führen , die selbst noch im Anfange des Rectums vorhanden sind. Fig. 172. Magen des Schwans. A. seitlich, c. Vormagen, t. Sehnenscheibe, p. Pylorus. B. Derselbe Magen durchschnitten und die beiden Hälften auseinanderge- schlagen, um die Dicke der beiderseitigen Muskellagen (m) zu zeigen. *•) Sehr lang sind sie bei den Hühner-Vögeln, kürzer bei Schwimm-, Stelz- und Singvögeln, bei vielen Klettervögeln werden sie vermisst. Ein einziger, spiralig ge- drehter Blinddarm kommt bei Reihern vor, und beim Strausse besitzt jeder der bei- den Blinddärme eine im Innern spiralig vorspringende Falte. Verdamm gsorgane. 533 Die im Allgemeinen grössere Länge des Darmcanals der Säuge- thiere (besonders bei Pflanzenfressern ausgeprägt) , sowie die Bildung noch zahlreicherer an Form , Grösse wie Structur differenter Abschnitte bildet bemerkenswerthe Unterschiede von den übrigen Wirbelthieren. Kropfartige Erweiterungen der Speiseröhre fehlen durchaus*), dagegen bietet sogleich der folgende Abschnitt, der Magen , eine Reihe von Ge- staltungen, die, auf dem Principe der Functionstrennung beruhend, die- sen Theil des Verdauungsapparates in manchen Ordnungen als den com- plicirtesten erscheinen lassen. Durchgehen wir die vielfältigen Formen dieses Organes, nur die wichtigsten davon näher ins Auge fassend, so erscheint uns die ein- fachste Form bei den Robben , bei denen der Magen bis auf das wieder nach oben gekrümmte Pförtnerende eine senkrechte Lage einnimmt (Fig. 173. A). In eben so einfacher Form , aber mit allmählicher Querstellung und grösserer Entwickelung der grossen Gurvatur erscheint er noch bei Fig. 173. den meisten Carnivoren (B), während bei den Monotremen, Beutelthieren, Edentaten ein Magenblindsack sich entwickelt, der ihn bei den Affen u. a. sogar der menschlichen Magenform annähert. Durch stärkere Entwickelung des Blindsacks bildet sich eine andere, mit einer Ausdehnung in der Länge verbundene Form aus, wie bei einigen Pachydermen (Elephant, Nashorn). Die complicirleren Magen- formenbeginnen mit jenen , wo durch eine Quereinschnürung ein Cardia- und Pylorustheil geschieden wird (viele Nager) (C), und durch secundäre Fig. 173. Magenformen verschiedener Säugethiere. A. von Phoca. B. von Hyaena. C. von Cricetus. D. von Manatus. E. von C amelus. F. von Ovis. c. Cardia p. Pylorus. *) Sie werden gewissermassen vertreten durch das Vorkommen seitlicher Aus- stülpungen der Mundhöhle, wie solche als Backentaschen bei Nagern und Affen be- stehen. 534 Vertebraten. Erweiterungen*) des einen oder des anderen Abschnittes noch blindsack- artige Anhänge (D) hinzutreten (Manatus). Eine derartige Theilung des Magens kann nun nach zwei Richtungen verfolgt werden und führt in dem einen Falle unter gleichzeitiger Längen- entwickelung und Krümmung des Magens zur Bildung von Haustris, jenen am Colon des Menschen ähnlich (Semnopithecus, Halmaturus) ; in dem andern Falle kommen neben einem grösseren noch mehrere kleinere, auch meist in der Structur von einander verschiedene Abschnitte zum Vorschein, wie bei den Cetaceen und Wiederkäuern. In beiden wird durch den Magenblindsack eine grosse Cavität gebildet , auf welche bei den Walthieren durch Divertikel an dem längern Pylorusstücke eine An- zahl von kleinen , durch enge Oeffnungen communicirenden Abschnitten folgen**), die bezüglich ihres Baues auf keine funclionellen Verschieden- heiten schliessen lassen. Die letzteren bestehen dagegen an den 3 — 4 Magenabscbnitten der Wiederkäuer und stehen hinsichtlich ihres Baues mit dem Processe der Rumination in enger Verbindung. Der erste grössere, wie oben erwähnt, dem Gardiatheile entsprechende functionell einem Kröpfe gleichkommende Abschnitt (Fig. 173. E, F, 1) dient zur ersten Aufnahme der Nahrung. Er wird als Pansen (Ruinen) bezeichnet, und steht dicht neben der Cardia mit dem zweiten, dem Netzmagen (Haube, Ollula , Reticulum) , in Zusammenhang (2), dem der dritte (ES) oder Blättermagen (Psalterium Omasus) benachbart ist. Auf diesen den Kamelen und Lamas fehlenden Theil folgt endlich der Labmagen (Abomasus) (F 4). Durch den Schluss eines von der Ein- mündung des Oesophagus in den Netzmagen bis zur Oeffnung in den Blättermagen gehenden Halbcanals (der sogenannten Schlundrinne) kann der wiedergekaute Bissen vom Oesophagus direct in den Blättermagen geleitet werden , während durch das Offenstehen der Furche der Eintritt des frisch aufgenommenen Futters in den Pansen und Netzmagen gestat- tet wird***). Der übrige Darmcanal lässt bei den Säugethieren Dick- und Dünn- darm unterscheiden, Theile, die nicht allein durch ihre Weite, sondern *) Aehnliche Erweiterungen kommen auch bei verschiedenen Nagern vor. Vergl. Retzius in Müll. Archiv 1841, **) Die Form und Zahl dieser Abschnitte ist sehr verschieden ; z.B. bei Hyperoo- don sind nach Vrolik deren sechs am Pylorustheil vorhanden, so dass der ge- sammte Magen aus 7 Höhlen besteht. ***) Eine ähnliche das Wiederkauen regnlirende Schlundrinne besitzen ausserdem noch die Känguruh's, die Faulthiere und Siebenschläfer. Die Bezeichnungen Netz- und Blättertnagen beziehen sich auf die Bildung der Magenschleimhaut. Der den Magensaft (Lab) absondernde Abschnitt ist der Abomasus, indess den übrigen mehr zur eigentlichen Verdauung vorbereitende Functionen zu- kommen. Vom Magen der Kamele sind noch die am Humen befindlichen Divertikel (Fig. 173. Ea) zu erwähnen, die, obgleich anderer Bedeutung, gewöhnlich als »Wasser- zellen« aufgeführt werden. Verdauungsorgane. 535 auch durch ihre Structur verschieden sind, und von denen der Dickdarm von dem gleichnamigen Theile anderer Wirbelthiere wesentlich durch seine grössere Länge sich auszeichnet. Wo beide in einander übergehen fügt sich noch eine blindsackartige vom Colon meist durch eine Klappe ge- schiedene Bildung an , der Blinddarm, der in den einzelnen Abthei- lungen ausserordentliche Verschiedenheiten zeigt. Ganz unbedeutend ist er bei den fleischfressenden Säugethieren entwickelt, manchen fehlt er gänzlich*), während die Omnivoren ihn von grösserer, die Herbivoren sogar von beträchtlicher Ausdehnung besitzen**). Eine Vermehrung Fig. 174. der Coeca ist bei einigen Nagern (Fig. 174. c d) und bei Manatus beobachtet. Im übrigen ist der Dickdarm bei den meisten Säugethieren durch die Bil- dung von Divertikeln (Haustra coli) ausgezeichnet, welche auf grössere oder kürzere Strecken vorkommen, ja selbst mit einfacheren Abschnitten alterniren (Fig. 174. e f g) können. Die Innenfläche des Darmcanals ergibt ausser der schon oben er- wähnten dem Magen zukommenden Eigenthümlichkeit, vor allem eine durch Längs- wie durch Querfalten gebildete Flächenvergrösserung , zu der die über den ganzen Dünndarm verbreitete Zottenbildung kommt. Die letzten in den mannichfaltigsten Formen aus den einfachen Falten sich hervorbildend und vielfach als breite lamellöse Vorragungen auftre- tend, werden im Dickdarm spärlicher, oder sind daselbst gänzlich ge- schwunden. Mit dem Darmcanale aller Wirbelthiere steht eine Anzahl drüsiger Organe in Verbindung, die entweder eng seinen Wandungen angefügt sind, gewissermaassen Theile derselben ausmachen, oder nur durch ihre Ausführgänge an verschiedenen Stellen seines Verlaufes mit ihm in Be- ziehung sind. Die ersteren stellen die Drüsen der Darmschleimhaut vor, die letz- leren sind Mundspeicheldrüsen, Leber und Pancreas. Hinsichtlich der Drüsen derDarmschleimhaut haben wir vor allem jene am Eingange des Darmrohrs hervorzuheben , die als einfache Schleimdrüsen schon bei den Amphibien (Frosch, Salamander) an der Fig. 174. Blinddarm und Colon von Lagomys pusillut. a. Dünndarm. b. Einmündung des grösseren, c. und des kleineren d. Blinddarms, e fg. Divertikel des Colons. (Nach Pa 1 1 as.) *) Er fehlt den fleischfressenden Cetaceen, Insectivoren, Carnivorcn und Beulel- thieren. **) Frugivore Beutler, Einhufer, Pachydermen (Elephas, Rhinoceros) und verschie- dene Nager besitzen ihn von beträchtlicher Grösse. 536 Vertebraten. Zungenbasis vorkommen und in grösserer Verbreitung bei den Reptilien beobachtet sind. Bei den Vögeln und Säugethieren sind sie zahlreicher und erstrecken sich auch den Oesophagus herab. Am beständigsten im Vorkommen , nur in der Form vielfach verschieden, sind die Drüsen des Magens, die bei Fischen*), Amphibien und Reptilien meist einfache Schläuche darstellen, bei den Vögeln schon als mehrfache Formen auf die beiden Magenabschnitte verlheilt erscheinen, und auch bei Säuge- lhieren an der Portio cardiaca und P. pi/lorica verschiedene Drüsenformen erkennen lassen, von denen die als » Labdrüsen « bekannten in der Regel eine wesentliche Zugabe des Pylorusabschnittes sind , so dass der » Lab- magen« der Wiederkäuer nur die selbständiger ausgebildete Portio pylo- rica des einfachen Magens darstellt. Wir können dieses Verhalten einer continuiiiichen Bildungsreihe angehörig betrachten , neben der eine an- dere im Anschluss an die Magenbildung der Vögel einhergeht. Sie besteht darin, dass in oder an der Cardialportion eine besondere Drüsenschichte sich entwickelt, die z. B. beim Bieber an der kleinen, bei Manis an der grossen Curvatur vorkommt, und beim Siebenschläfer den oben schon erwähnten Vormagen einnimmt. Für den übrigen Darmcanal erscheinen die Anfänge der bei Vögeln und Säugethieren in grosser Ausdehnung vorhandenen schlauchförmigen Drüsen (Lieberkühnsche Drüsen) durch einfache Grübchen angedeutet, die graduell auch hier in drüsenähnliche Schläuche an einzelnen Stellen übergehen. Die traubigen Schleimdrüsen (Brunnersche Drüsen) des Duo- denum scheinen nur den Säugethieren eigenthümlich zu sein, denn die von Leydig bei Chimären und Selachiern näher beschriebenen gehören schon durch ihre Einmündung in den Afterdarm einer anderen Drüsen- gruppe an. Es bleibt nun noch eine am Darmcanal vorkommende Drüsenform zu erwähnen, nämlich jene, die als »geschlossene Follikel« bekannt sind, theils in Haufen gruppirt , theils in solitärer Verbreitung. Der gleich- massige Bau , den diese Follikel mit jenen dem Lymphgefässsystem ange- hörigen Bildungen besitzen, rechtfertigt es, sie als Lymphdrüsen des Tractus intestinalis zu bezeichnen, wie diess vor kurzer Zeit von Ley- dig**) geschah. Bei Fischen. Amphibien und Reptilien fehlen sie bis auf einige bei Selachiern und Chimären bestehende Andeutungen , die zwi- schen Schädelbasis und Rachenschleimhaut und in der Schleimhaut des Schlundes getroffen worden sind. Vögel und Säugethiere besitzen sie in grosser Verbreitung, bei letzteren stellen sie wie beim Menschen in der Mundhöhle jederseits eine in die Bogen des Gaumensegels eingebettete Masse dar: die sonst nur bei Crocodilen in ähnlicher Weise vorhandenen Tonsillen. Im übrigen sind sie über den ganzen Darm in einzelnem Vor- *) Nur den Cyclostomen sehen sie ab. **) Lehrbuch der Histologie p. 320. Verdauungsorgane. 537 kommen zu treffen, im Dünndarm (Ileum) sogar zu grösseren Haufen, den Peyerschen Drüsenhaufen, gruppirt. Speicheldrüsen. Diese in die Mundhöhle mündenden Drüsen- organe erscheinen erst bei den Reptilien und zeigen hier zugleich jene, schon bei Wirbellosen (vergl. pag. 238) ausgeführte Trennung ihrer Be- deutung in wahre Speicheldrüsen und Giftdrüsen. Die letzteren liegen bei den Giftschlangen hinter und unter dem Auge, oft mit einer besonde- ren musculösen Hülle ausgestattet und senden ihren Ausführgang in die Basis des Giftzahnes. Eine dieser entsprechende Drüse ist, obschon klei- ner und einfacher, auch bei mehreren mit Furchenzähnen versehenen Schlangen (Suspecti) vorhanden , wo sie mit den die grösseren Speichel- drüsen vertretenden einzeln ausmündenden Schläuchen der oberen Lippendrüsen verbunden ist. Solche kommen auch am Unterkiefer vieler Reptilien vor, bei Schildkröten noch durch eine grössere, eine glandula subungualis darstellende Masse vermehrt. Erst bei den Vögeln wird die Unterzungendrüse constant, ja es kommt noch jederseits eine zuweilen bis in die Orbita reichende Parotis hinzu, während die Submaxillar- drüsen meist noch in der Mehrzahl (zu 2 Paaren) vorhanden sind. Die geringste Entwickelung zeigen diese Drüsen bei den Schwimmvögeln, einigen werden sie gänzlich abgesprochen , und ebenso fehlen sie unter den Säugethieren den fleischfressenden Walthieren und auch bei Phoken sind sie nur gering entwickelt*). Die Leber zeigt ihre stufenweise Entwickelung im Bereiche der Wirbelthiere viel weniger deutlich, als wir es bei den Wirbellosen trafen, so dass sie fast immer ein discretes, nur durch ihre Ausführgänge mit dem Darmcanale verbundenes Organ vorstellt, welches seine engeren Bezie- hungen zu jenem nur in den ersten Entwickelungszuständen als ein von der Darmwand aus entstehende Wucherung offenbart. Um so wichtiger ist es, dass wenigstens bei Einem Wirbelthiere noch eine an niedere Bil- dungen erinnernde Leberform existirt, bei Amphioxus nämlich, dessen Leber nur durch einen vom Darmrohre nach vorne abtretenden Blind- schlauch (Fig. 168. f) dargestellt wird, ähnlich wie bei gewissen Mollus- ken (vergl. pag. 338). Unter den übrigen Wirbelthieren erscheint die Leber als ein ein- heitliches, meist sehr voluminöses Organ, welches durch Theilung in Lap- pen in einzelne, jedoch fast immer zusammenhängende Abschnitte zerfällt wird**). Bei den Fischen treffen wir sie bald nur als eine einzige unge- lappte Masse (viele Knochenfische, Petromyzon), bald aus zwei Lappen be- stehend (Selachier, viele Knochenfische), bald ist sie in eine grössere *) Die grösste Ausbildung der Speicheldrüsen findet sich bei den Monotremen (Echidna) einigen Edentaten und den Pflanzenfressern. **) Nur bei den Myxinoiden sind zwei von einander getrennte Drüsenmassen als Leber vorhanden. 538 Vertebraten. Anzahl von Lappen und Läppchen getheilt (Knochenfische). In zwei grössere Abschnitte getheilt besitzen sie die Amphibien-; einfach ist sie zumeist bei den Schlangen, und nur am Rande gekerbt bei den Sauriern, bei Crocodilen und Schildkröten in zwei Lappen getheilt , die bei den letzteren weit aus einander gerückt durch schmale Querbrücken vereinigt werden. Die zweilappige Bildung herrscht auch in der Classe der Vögel vor, und ist bei den Säugethieren die Regel, da nur bei Carnivoren, Na- gern, einigen Beutelthieren und Affen mehrlappige Formen vorhanden sind. Die in der Leber sich sammelnden Ausführgänge treten in einen Canal zusammen , der hinter dem Pylorus (bei den Selachiern nahe am Anfang des Spiraldarms) in die Darmwand sich einsenkt. In den Ausführwegen der Leber treten durch Bildung eines Galle- behälters (Gallenblase*) mehrfache Modificationen auf. Der aus der Leber kommende Gallengang {ductus hepaticus) kann sich nämlich noch mit einem in die Gallenblase führenden Canal (duct. cysticus) verbinden und beide münden vereinigt — ■ als ductus choledochus — in den Darmcanal aus. Dies Verhalten dürfte als die Regel anzusehen sein, der die meisten Wirbelthiere folgen. Abweichungen davon kommen auf folgende Weisen zu Stande: 1) durch Einmündung mehrerer ductus hepatici in die Gallen- blase, wobei ein besonderer in den duct. choledochus führender d. hepa- ticus entweder vorhanden sein oder fehlen kann (verschiedene Knochen- fische). 2) Ein besonderer ductus hepato- enter icus (bei Vögeln in seiner Mitte ziemlich erweitert) führt direct von der Leber in den Darm und die duct. hepatici münden entweder in die separat durch einen duct. cysticus mit dem Darm verbundene Gallenblase (einige Schildkröten und das Nil— crocodil), oder sie treten zu einem einzigen, mit einem d. cyst. zum duct. choled. sich verbindenden Canale zusammen (Vögel). Die Bauchspeicheldrüse [Pancreas) bildet ein bis jetzt nur bei einzelnen Abtheilungen d6r Fische vermisstes Organ, welches immer dem Magen oder doch dem Anfange des Darmes benachbart liegt, häufig sogar mit dem einen oder anderen enger verbunden ist. Die Ausfuhrgänge dieser gelappten, im Baue den Mundspeicheldrüsen nahe verwandten Drüse verbinden sich häufig mit jenen der Leber (Amphibien , einige Säugethiere) , oder sie senken sich doch nahe bei diesen in den Darm- canal ein. Nicht selten kommen mehrere (meist 2) Ausfuhrgänge vor (Schildkröten, Grocodile, Vögel, einige Säugethiere), von denen bei Säuge- thieren einer sich dem ductus choledochus einfügt. **) Eine Gallenblase fehlt bei Petromyzon, unter den Vögeln bei den Tauben, Pa- pageien, dem Kuckuck, dem afrikanischen und amerikanischen Strausse. Unter den Säugethieren wird sie bei den Walfischen vermisst, bei den Einhufern, den Dickhäutern (mit Ausnahme der Schweine; beim ElephantCn ist nach Owen an der Durchbohrungsstelle in der Darmwand eine Erweiterung des Gallenganges an- gebracht) , Kamelen und Hirschen. Auch einigen Nagern (Maus und Hamster) geht sie ab. Blutgef'ässsystem. 539 b) Von den Kreislaufsorganen. Der in den Kreislaufsorganen der Wirbelthiere erscheinende Entwicke- lungsfortscbritt ergiebt sich, im Allgemeinen erfasst, durch zwei Momente bestimmt, wovon das eine in der grösseren Selbständigkeit der Gefäss- bahnen, in der immer mehr sich reducirenden Lacunenbildung, das an- dere in der Trennung der ernährenden Flüssigkeit in zwei functionell verschiedene Categorien gelegen ist. In den bisher abgehandelten grös- seren Abtheilungen , zumal in jener der Mollusken, war die gesammte, den Körper durchtränkende Flüssigkeit, wie jene, die sich in bestimmten Canälen oder Körperräumen bewegte , von einer und derselben Art ; von diesem Fluidum wurden die Organe und ihre Gewebe bespült, in dieses Fluidum wurden vom Darmcanale aus die assimilirbaren Säfte abgeson- dert, und der Stoffwechsel in seiner Einnahme und Ausgabe besorgt. Bei den Vertebreten ist dies anders geworden. Ein Theil der ernährenden Flüssigkeit bewegt sich ausserhalb der Blutkreislaufsbahnen und ist durch seine farblose Beschaffenheit von dem anderen Theile, dem roth gefärbten Blute unterschieden. Es ist dies die Lymphflüssigkeit, die neben den Bahnen des Blutes bestimmte Wege nimmt und die vom Darm her als »C hyl us« das plastische Material der sich beständig verbrauchenden Blutflüssigkeit beständig zuführt. Lymphe (undGhylus), deren Bahnen stets in jene des Blutsystems führen, sind daher inDependenz von letzte- rem, und nur in der Vereinigung mit letzterem jener Ernährungsflüssig- keit gleichzusetzen, die wir bei 'wirbellosen Thieren antrafen. Wenn man daher das Blut niederer Thiere mit dem Ghylus oder der Lymphe der Wirbelthiere verglichen hat, so sollen damit nur die formellen Beziehun- gen gemeint sein , nicht die functionellen zum ganzen Organismus. Wie die Formbestandtheile des Blutes niederer Thiere , sind nämlich die zel- ligen Bestandtheile der Lymphe (und des Ghylus) gleichfalls ungefärbt, und stellen junge Zellen dar, die erst nach ihrem Eintritte in die Blut- bahn allmählich in die gefärbten Blutkörperchen sich umwandeln. Nach diesen beiden Zuständen der ernährenden Flüssigkeit können wir daher die Organe des Kreislaufs in solche theilen , die dem Blutsystem, und in solche, die dem Lymphsystem angehören. — a) VomBIutgefässsystem. Zur Vertheilung und Umleitung des Blutes im Körper bestehen bei den Wirbelthieren stets besondere, mit eigenen Wandungen versehene Bahnen , welche ein Arterien- und ein Venensystem darstellen, zwischen welche ein Gapillarsystem peripherisch eingeschaltet ist. Ein Abschnitt dieses Gefässsystems entwickelt sich zu einem musculösen , durch seine Gontractionen die Blutbewegung leitenden Centralorgane, zum Herzen, und dieses selbst zeigt wieder je nach den Complicationen, welche durch 540 Vertebraten. die Athmungsorgane auf den Kreislauf des Blutes ausgeübt werden , ver- schiedengradige Abstufungen in seiner Einrichtung. Dem niedersten Wirbelthiere, Amphioxus, geht ein solches Cen- tralorgan gänzlich ab, und die ganze Anordnung des Gefässsystems zeigt sich vielmehr nach jenem Typus organisirt, den wir früher bei den Ringelwürmern besprachen*). Alle grösseren Gefässstämme sind con- tratil, ohne dass einer vor dem andern besonders bevorzugt wäre. Das in den Röhren des Gefässsystems eingeschlossene Blut ist zugleich die einzige Form der Ernährungsflüssigkeit, indem Lyrnphgefässe noch nicht entwickelt sind. Man vergleiche bezüglich der specielleren Verhältnisse die untenstehende Anmerkung**). Bei allen übrigen Wirbelthieren ist ein distinctes, von einem Herz- beutel umschlossenes Herz vorhanden , welches , wie sämmtliche übrigen Hauptabschnitte des Gefässsystems, im ventralen Körpertheile , d. h. unterhalb der Sceletachse seine Lage hat. Das Pericardium bildet niemals einen venösen Sinus, wie bei manchen Mollusken, sondern stellt einen von einer serösen Haut gebildeten Sack vor , der das Herz umgibt und sich an der Basis des letzteren auf dieses umschlägt, so dass der Pe- ricardialraum völlig abgeschlossen wird. Nur einige Fische machen hier- von eine Ausnahme , indem sie im Pericardium Oeffnungen besitzen, durchweiche eineCommunication mit der Bauchhöhle vermittelt wird***). *) Dadurch möchte Amphioxus von den Fischen zum mindesten ebensoweit sich entfernen, als diese von den höheren Wirbelthieren entfernt sind. — Das was Am- phioxus mitderClasse der Fische überhaupt gemein hat, ist nicht mehr, als ihm vom Wirbelthiertypus im Ganzen zukömmt. **) Für die specielle Anordnung des Gefässapparates von Amphioxus ist Fol- gendes zu bemerken : Unter dem Kiemenschlauche zieht ein contractiles, einem Ar- terienherzen entsprechendes Gefäss hin, welches in regelmassigen Abständen seitliche Aeste (Kiemenarterien) zu den Kiemenbogen sendet, die hier in Kiemenvenen über- gehen. Die Kiemenarterien sind an ihrem Ursprünge mit einer contractilen Anschwel- lung versehen, und das vorderste, in zwei den Mund umziehende Bogen auslaufende Ende des röhrenförmigen Arterienherzens ist gleichfalls contractu. Es senken sich diese Bogen, dem Ductus Botalli vergleichbar, in die über dem Kiemengerüste lie- gende Aorta, in welche auch die Kiemenvenen aufgenommen werden. Von der Aorta vertheilt sich das Blut weiter im Körper, und sammelt sich in einem über dem Blind- darm verlaufenden Hohlvenenherzen , welches nach seinem Umbiegen zum Arterien- herzen auch das Körpervenenblut empfängt. Von einem unter dem Darm liegenden contractilen Gefässe sammelt sich das am Darme vertheilte Blut, um nach vorne ge- führt und dort an den Blinddarm wieder vertheilt zu werden. Diese Darmvene ent- spricht somit einer Pfortdader. ***) So die Cyclostomen, Selachier, Chimären und Störe. Auch ligamentöse Ver- bindungen der Herzoberfläche mit dem Herzbeutel kommen bei vielen Fischen vor, und bestehen auch noch bei den ungeschwänzten Amphibien, dann bei vielen Schlan- gen, besonders aber bei den Sauriern , Schildkröten und Crocodilen , und in beiden letzten Ordnungen ist es meist die Herzspitze, von der ein Ligament zum parietalen Pericardium verläuft. Blutgefässsystem. 541 Die Rolle, welche der Herzschlauch bei der Fortbewegung der ver- schiedenen Blutarten im Bereiche der Wirbelthiere spielt, ist eine sehr mannichfache und dem entspricht wieder eine Reihe von Verschiedenhei- ten im übrigen Baue der einzelnen Glassen, Verschiedenheiten, die sich aus einander herausbildend , das Herz und mit ihm den gesammten Kreis- laufsapparat allmählich einer höheren Organisationsstufe entgegenführen. So treffen wir bei den Fischen das nur in zwei Gavitäten, in Kammer und Vorkammer, geschiedene Herz ausschliesslich zur Fortlei- tung des ihm zuströmenden Venenblutes bestimmt, indem die aus der Herzkammer entspringende Arterie sich in ebensoviele Zweige theilt, als Kiemenbogen vorhanden sind. Die aus den Gapillaren der Kiemenarterie hervorkommenden Kiemenvenen sammeln sich in einen grösseren Gefäss— stamm, die Aorta, von der aus der Körper mit arteriellem Blute versorgt wird. Die einfache Kammer kennzeichnet auch noch die Amphibien, allein die Vorkammer ist doppelt geworden und eine davon empfängt Venenblut aus dem Körper, die andere arterielles Blut aus den Athem- organen, so dass die Kammer gemischtes Blut in den aus ihr entsprin- genden Arterienstamm entsendet. Der letztere theilt sich immer in meh- rere bogenförmige Aeste, die entweder nur während des durch Kiemen athmenden Larvenzustandes oder stets (bei den Perennibranchiaten) Kiemenarterien vorstellen und wie bei den Fischen erst secundär in die Körperarterie übergehen. Bei den im ausgebildeten Zustande nur durch Lungen athmenden Amphibien treten die mehrfachen, aus dem Herzen entspringenden Arterienbogen nach Abgabe eines zu den Lungen führenden Astes (der Lungenarterie) unmittelbar als Aortenbogen zu der Körperarterie (Aorta) zusammen. — Die Einrichtung mehrfacher aus dem Herzen her- vorgehender Aortenbogen besitzen auch noch die hö- heren Wirbelthiere (vergl Fig. 175. b) , bei denen niemals Kiemenathmung existirt, so dass diese schein- bar auf die Kiemenathmung berechnete Bildung einen tieferen Grund besitzt , und als typische Bildung her- vortritt, mit jener harmonirend, die in der Einrichtung der Visceralbogen gesehen ward. Wie bei den letzte- ren ursprünglich gleichartig angelegten und so bei den Fischen persistirenden eine allmähliche Umbildung in heteronome Organe stattfindet, so wandeln sich auch die jenen entsprechenden Gefässbogen , ihre frühere Form und Beziehung aufgebend, zum Theile in ganz untergeordnete Ge- fässabschnitte um , und werden in der aufsteigenden Wirbelthier- Fig. 175. Schema des Circulationsapparates beim Hühnchen. — a. Herzschlauch. b. Arterienbogen (Aortenbogen), c. Körperarterie (Aorta), aus der Vereinigung der Arterienbogen hervorgegangen, d. hintere Cardinalvenen. d' vordere Cardinalvenen. e. Trunctus venosus . g. g untere Abdominalvenen. (Nach v. Baer.) . Fig. 1 75. 542 Vertebraten. reihe an Zahl allmählich reducirt. Von diesen mehrfachen Aorten- bogen der übrigen Wirbelthiere persistiren einige und verhalten sich ähnlich wie bei den Batrachiern und Salamandrinen , geben die Kie- menarterien ab und vereinigen sich zur Aorta. So verhalten sich die Saurier, bei denen, wie bei allen Reptilien, eine Theilung der Herz- kammer in zwei Abschnitte beginnt, wovon der eine das aus einer Vorkammer kommende Venenblut empfängt und es vorzüglich in jenen Aortenbogen sendet, der den Lungenarterien den Ursprung gibt, während die andere Kammerhälfte aus ihrer entsprechenden Vorkammer das Lungenvenenblut aufnimmt und es durch die Aortenbogen in den Körper überführt. Eine Reduction der Aortenbogen zeigen schon mehrere Ab- theilungen der Reptilien, so Schlangen, Schildkröten und Crocodile , bei denen nur noch ein Doppelbogen persistirt. — Mit der in den Classen der Vögel und Säugethiere vollkommen durchgeführten Trennung der vorhin grösstentheils nur durch ein unvollkommenes Septum geschiedenen Herzkammer entstehen dann vier getrennte Hohlräume im Herzen, wovon zwei, eine Kammer und Vorkammer, immer arterielles, die beiden ande- ren beständig venöses Blut zu bewegen haben. Die eine Vorkammer empfängt das Venenblut des Körpers und sendet es ihrer Kammer zu, die es in die Lungen abgibt. Daraus kehrt es durch die Lungenvenen zur anderen Vorkammer, und von hier zur entsprechenden Kammer, um in die nur noch einen einfachen , bei Vögeln rechten , bei Säugern linken Bogen bildende Aorta getrieben zu werden. Diese Wandelungen, welche das Blutgefässsystem bei den einzelnen Classen im Grossen erleidet , reflectiren sich vielfältig im Verhalten der einzelnen Gefässe und lassen selbst innerhalb einer Classe beträchtliche von dem Grundplan aus zu beurtheilende Verschiedenheiten bestehen, die bei der folgenden specielleren Betrachtung zu berücksichtigen sein werden. 1) Vom Herzen und den grossen Gefässen. Die Lage des Herzens ist von jener der Respirationsorgane abhängig; bei den Fischen findet es sich daher weit vorne an der sogenannten Kehl- gegend, auch bei den Amphibien oft noch dicht hinter dem Zungenbein liegend, bis es mit dem Eintreten der Lungenathmung tiefer nach hin- ten rückt. Es besteht bei den Fischen aus einer dünnwandigen mehr in die Quere entwickelten Vorkmamer, und einer einfachen musculösen Kammer. Erstere ist nur bei dem doppeltathmenden Lepidosiren in zwei unvollständig geschiedene Hälften getheilt, welche Theilung sich in noch geringerem Masse auch auf die Kammer erstreckt. Zwischen Kammer und Vorkammer finden sich Klappen. Die Kammer gibt nach vorn einen grossen Gefässstamm ab, den Arterienstiel oder Bulbus arterio- sus , der bei vielen Fischen durch den Besitz eines starken, vorne scharf Herz und grosse Gefasse. 543 Fig. 176. abgegränzten Muskelbeleges wie ein Abschnitt des Herzens selbst erschei- nen kann*). Hierher zählen vornehmlich die Ganoiden (Fig. 176. B), Chimären, die Selachier und Dipnoi, bei denen der Arterienstiel zugleich mehrfache Klappenreihen aufweist**). Cyclostomen und Knochenfische sind dagegen mit einfachem, wenn auch zuweilen erweitertem Arterien- stiele versehen, der mit zwei Semilunarklappen gegen die Kammerhöhle sich abgränzt. Anstatt der Klappen finden sich bei Lepidosiren im Arterienstiele zwei Längsfalten vor, die eine Trennung des Lumens in zwei Hälften be- werkstelligen, davon die eine den Kiemenarterien, die andere den Lun- genarterien zuleitet, eine Einrichtung, die vom höchsten Interesse ist, da sie zu dem doppelten Blutkreislaufe der Amphibien hinüberführt. — Die aus dem Arterienstiele hervor- gehende gemeinschaftliche Kiemenarterie theilt sich dem oben angeführten Wirbel- thierplane gemäss in eine Anzahl seitlicher Aeste, die sich bis auf sieben Paare belau- fen, jedoch nur selten in dieser Zahl persi- stiren. Gewöhnlich schwinden die vorder- sten, so dass nur noch 4 — 5 Paare im ausge- bildeten Thiere vorhanden sind, von dem je eines zu einem Kiemenbogen verläuft; von diesen bestehen in der Regel vier bei den Te- leostiern, fünf bei Selachiern und Chimären. An letztere reihen sich auch mehrere Ganoi- den an , indem das dem ersten Kiemenarterienpaare der Selachier homo- loge Gefäss sich zu einer accessorischen, an der Innenfläche des Opercu- larapparates befindlichen Kieme begiebt (Fig. 176. I). 6 — 7 Hauptäste besitzt der Truncus arieriosus der Cyclostomen und auch bei den Dipnoi zeigt sich eine grössere Zahl. Die Kiemenarterien gehen entweder nach Fig. 176. Herz, Kiemenarterie und Pseudobranchie von Lepisosteus osseus. V. Kammer. A A. Vorkammer. B. Musculöser Arterienstiel. a. Stamm der Kiemen- arterie. \. Nebenkiemen (Kiemendeckelkiemen). p. Pseudobranchie. 2, 3, 4, 5. Kie- men der Kiemenbogen. Die Pfeile deuten die Richtung des Blutstroms an. (Nach Joh. Müller.) *) Der Muskelbeleg besteht nämlich aus quergestreiften Fasern , während der einfache Aortenbulbus der übrigen Fische nur glatte Muskelfasern besitzt. **) Die Zahl der Klappen und Klappenreihen ist sehr wechselnd. 2 — 4 Reihen, jede mit 3 — 4 halbmondförmigen Klappen herrschen bei den Selachiern vor, doch besitzen auch manche fünf Reihen (Raja). Drei Reihen mit je 4 oder 5 Klappen be- sitzen die Störe, dieselbe Zahl der Klappenreihen weist auch Polypterus auf, allein jede Reihe ist hier mit 9 Klappen versehen. 544 Vertebraten. und nach einzeln aus dem Stamme hervor oder es entspringen mehrere derselben an jeder Seite gemeinsam oder es kann sich endlich der Arterienstamm nahe an seinem Ursprünge in zwei Hälften spalten , von denen dann eine jede sich zu ihrer Seile begibt und dort die Kiemen- arterie absendet*). Die einzelnen Kiemenarterien treten an die Kiemen und begeben sich in die Furche der Kiemenbogen , die von der Basis der Kiemen- blättchen überdeckt wird. Aus den Verästelungen an den Blättchen geht ein Capillarnetz hervor, und aus diesem entspringen wiederum grössere Gefässe, die sich am oberen Ende der Kiemenbogen je in eine sogenannte Kiemenvene sammeln, die man mit Milne-Ed wards**) vielleicht bes- ser arteria epibranchialis benennt. Es sind dies die Wurzeln eines grossen Gefässstammes, der grossen Körperarterie, welche der Aorta descendens der übrigen Wirbelthiere ent- spricht. Die Art. epibranchiales sammeln sich auf eine ähnliche Weise aus den Kiemenblättchen wie die Vertheilung der Kiemenarterien statt hatte, so dass aus jedem Kiemenbogen ein solches Gefäss hervorgeht. Nur bei den Bochen besteht in sofern eine Ausnahme, als um die innere Oeffnung jedes Kiemensackes ein Gefässring gebildet wird, von welchem ebensoviele Gefässe zur Bildung der Körperarterie entspringen. Auch bei Petromyzon sammelt sich je eine Kiemenvene aus den an einander stos- senden Hälften zweier Kiemensäcke. Es wird also nach dem Auseinandergesetzten durch die Anordnung der Kiemen eine Auflösung der aus dem Arterienstiele hervorgehenden typischen Gefässbogen in die Kiemengefässe hervorgerufen , so dass das aus dem Herzen kommende Blut die Kiemen durchströmen muss. Nichts destoweniger ist bei einigen Fischen ein directer, nicht durch Veräste- lungen unterbrochener Uebergang der Gefässbogen in die Körperarterie vorhanden, indem das vordere Bogenpaar bei Lepidosiren (Fig. 177.), das hintere bei A mphipnous ohne Beziehungen zu den Athemwerk- zeugen ist, wie denn auch die betreffenden Kiemenbogen der Kiemen- blättchen entbehren. Diese Erscheinung ist nicht etwa aus einer rück- schreitenden Metamorphose zu erklären , sie hat vielmehr nur eine gehemmte progressive Metamorphose zum Grunde, da bei den Embryo- nen aller Fische einfache Gefässbogen vom Truncus arteriosus zur Aorta führen. Aus der Vereinigung dieser sämmtlichen Gefässbogen entsteht auch hier die Aorta (ao): es geht aber auch aus den nicht respiratorischen Bogen jederseits eine Lungenarterie (p) hervor, die bei Lepidosiren annectens *) Eine solche Theilung der Kiemenarterie ist bei Bdellostoma von der Mitte des Stammes an vorhanden. Auch bei den Selachiern ist eine Duplicität des Truncus angedeutet. Am meisten ausgebildet ist die Theilung des Truncus bei den Dipnoi, wo die Ursprünge der Arterien fast dicht am Arterienbulbus sich finden. **) Legons sur la physiologie et l'anatomie compare'e. T. III. p. 35. Herz und grosse Gefässe. 545 so an der Vereinigungsstelle der epibranchialen Gefässe mit den Aorten- bogen ihren Ursprung nimmt. Die Lungenvenen treten dagegen direct zum Herzen und ergiessen ihr Blut in dessen Vorhof. — Bei allen Fischen entsteht also die Aorta aus Gefässbogen, die sich in den Kiemen auf- lösen und wieder sammeln und nur wie aus- nahmsweise in den vorhin genannten Fällen einen directeren Verlauf nehmen. Die Ver- einigung der epibranchialen Gefässe zur Aorta geschieht zwar auf verschiedene Weise, aber doch im Allgemeinen so , dass sie einen der Schädelbasis aufliegenden Bogen , den soge- nannten circulus cephalicics herstellen, aus welchem nach hinten die Aorta entspringt. Das Verständniss der Beziehungen des Ge- fässsystemes der Fische zu jenem der höheren Wirbelthiere liefern uns die Amphibien. Das Herz dieser Thiere entspricht während der Periode ausschlies- licher Kiemenathmung dem Herzen der Fische durch die Einfachheit von Kammer und Vorhof. Erst später bieten sich in der Trennung des Vor- hofs Verschiedenheiten dar, es entstehen zwei Vorhöfe, die bei den Per- ennibranchiaten als gesonderte Abschnitte äusserlich noch nicht wahr- zunehmen sind. Auch bleibt die Scheidewand der Vorhöfe zuweilen unvollständig, wie beim Proteus und den Cöcilien. In den rechten Vor- hof münden stets die Körpervenen, in den andern, linken, die Lungen- venen ein. Die rundliche Kammer ist an ihrem venösen Ostium mit Klappen ausgestattet und geht vorn in einen musculösen Arterienbulbus über*), der an seinem Ursprünge eine mehr oder minder beträchtliche Einschnürung ( das fretum Halleri) aufweist. Das Verhalten der vom Bulbus arteriosus abgehenden Gefässstämme ordnet sich nach den Zu- ständen der Athmungswerkzeuge in mehrere Abtheilungen , welche von den Salamandern und Fröschen während der Entwickelung durchlaufen werden. Immer theilt sich der Bulbus beim Embryo in vierGefässbogen- paare, welche den Schlund umziehen und oben sich zu der grossen Körperarterie (Aorta) verbinden (Fig. 178.). Mit dem Hervorsprossen der äusseren Kiemen gehen die drei vordersten Bogenpaare (Fig. 178. 1,2, 3) eine Bildung von Gefässschlingen ein, welche die Kiemenbüschel durch- Fig. 177. Aortenbogen von Lepidosirenparadoxa, a. Aottenbulbus. 1,2, 3. dreiArterienbogen, die beiden ersten sich in die Aorta vereinigend, p. Lungenarterie. b. Ductus Botalli. br. Kiemenspalten, br Nebenkiemen, uo. Aorta, c. Arteria coeliaca, oe. Anfang des Oesophagus. (Nach Hyrtl.) *) Der Arterienbulbus der Frösche besitzt quergestreifte Muskelfasern , verhält sich somit jenem mancher Fische gleich. Gegenbaur, vergl. Anatomie. 35 546 Vertebraten. Fig. 178. ziehen, und so löst sich jeder früher einfache Bogen in ein zuführendes und ein ableitendes Gefässsystem auf, wobei das letztere den Epibran- chialarterien der Fische völlig homolog ist. Es entspricht dieser Zustand den Einrichtungen des Gefässsystems bei den Perennibranchiaten, bei denen also das Blut , ehe es aus dem Herzen in die Aorta gelangt, die Kiemen durchströmt und nur geringe Quantitä- ten durch directe Verbindungsstämme von den zuführenden Gefässen sogleich in dieepibranchialen Aortenwurzeln über- geführt werden. In der Begel sind die drei vordersten Bogenpaare für die Kie- men bestimmt, und können wieder auf sehr verschiedene Weise mit einander verbunden sein. So theilt sich z. B. beim Proteus der Arterienbulbus in 21 Aeste, von denen der zweite sich wiederum spaltet, so dass jederseits drei Kiemen- arterien bestehen , die sich an der Kie- menbasis unter einander auch direct verbinden. Auch beim Axolotl ist der zweite und dritte Kiemenarterienstamm gemeinsamen Ursprungs. Der vierte und schwächste (bei Siren lacertina fehlende) verbindet sich di- rect mit der Aorta allein , ohne vorher zu einer Kieme getreten zu sein. An seiner Verbindung mit der Aorta zweigt sich ein starker Ast ab , der gewissermaassen als seine directe Fortsetzung erscheint, so dass der übrige Verbindungstheil nur eine untergeordnete Bolle spielt. Schwinden die äusseren franzenartigen Kiemen, so entwickelt sich bei den Froschlarven ein schon früher auf dem Gerüste der Kiemen- bogen vorgebildetes Capillarsystem zu einem neuen System von Kiemen- gefässen , welches sich in die dort sich erhebenden inneren Kiemen ein- fügt. Da die Hauptstämme der zu- und abführenden Gefässe bei diesen Veränderungen wesentlich unberührt bleiben, so haben wir den Vorgang nur in die Mitte des gesammten Bogensystems zu verlegen , so dass die Gefässe der Kiemenbogen ebenso sich vergrössern , als jene der äusseren Kiemen sich zurückziehen und schwinden. Tritt endlich das Stadium der Lungenathmung ein, so verschwindet zuerst das Capillarnetz der Kiemen, und die bisher nur unbedeutenden Verbindungen zwischen den zu- und abführenden Gefässen der Kiemen werden zu den Haupt wegen des Blutes und es verlaufen nunmehr wieder einfache Gefässbogen vom Truncus arteriosus nach oben zum Anfange der Aorta. Fig. 178. Herz und grosse Gefässe einer Tritonla rve. a, a. Vorhof. v. Kam- mer, ba Arterienbulbus. \, 2, 3, 4. Aortenbogen als Kiemenarterien, theils zu den Kiemen tretend, theils unter einander verbunden, v b. Kiemenvenen, c. Carotis. p. Lungenarterie, ao. Aorta. (Nach M. Rusconi.) Herz und grosse Gefässe. 547 Die zuletzt geschilderten Einrichtungen treffen wir im Wesentlichen bei den ausgebildeten Zuständen aller Salamandrinen und Frösche. Von den vier Aortenbogen (Fig. 179.), wie wir nun die bis zum Arterienbulbus (6 a) sich fortsetzenden Aortenwurzeln bezeichnen können , ist das zweite und dritte Paar das bedeutendste, so z. B. bei Menopoma, sie setzen mit dem vierten Bogen die Aorta descendens zusam- men, die dicht hinten am Schädel unter der Wirbelsäule entspringt. Auch Salamandra schliesst sich hier an, während bei den Batrachiern nur drei Aor- tenbogenpaare sich finden , von denen nur der mittlere zur Aorta descendens vereinigt wird, während der erste und letzte Aorten- bogen entweder durch enge oder völlig obli- terirte Wege (ductus Botalli) mit der Aorta in Zusammenhang sich befindet. Höchst wichtig sind die Veränderungen, welche bei allen Amphibien der letzte Aorten- Gefässbogen erleidet, indem sich aus ihm die für die Lungen bestimmten Gefässe (die Lungenarterien) herausbilden. Es ist schon oben bei einigen Fischen (Lepidosiren und Amphipnous) gezeigt worden, dass von den Kiemengefässbogen sich spätere Arterienäste ablösen und zu den dort in Lungen umgewandelten Schwimmblasen treten können ; hier bei den Amphibien ist nun während der Kiemenathmung ähnliches der Fall, und es trifft in der Begel den vierten aus dem Arterienbulbus entspringenden Gefässbogen, aus dem ein Stämmchen (Fig. 178. p) sich nach hinten zu den Lungen begibt. Die Perennibranchiaten , sowie die durch Kiemen athmenden Larven der [übrigen Amphibien besitzen diese Einrichtung, bis bei Salamandrinen und Batrachiern im ausgebildeten Zustande der letzte Aortenbogen durch Bückbildung seines Verbindungsstückes mit der Aorta zur Lungenarterie gestempelt wird. Unter denBeptilien geht mit der vollständigeren Theilung des Herzens in zwei Vorkammern und zwei Kammern, von denen letztere nur bei Schlangen, Eidechsen und Schildkröten eine unvollkommene Scheidewand besitzen*), eine nicht unwesentliche Fortentwickelung des Fig. -1 79. Herz und grosse Gefässe von Sa lamandra maculata. Der erste Aortenbogen c. setzt sich direct in die Carotis fort. w. x. y. z. Zungenbeinapparat. Die übrige Bezeichnung wie in der vorhergehenden Figur. (Nach M. Rusconi.) *) Die Scheidewand der Kammern erhebt sich von der Spitze des Herzens zur Basis und lässt eine ovale Communicationsöffnung frei. Die beiden dadurch unter einander verbundenen Kammern sind durch eine verschiedene Dicke der Wandungen charakterisirt. Einigen Schildkröten fehlt die Kammerscheidewand (Emys) . 35* 548 Vertebraten. Fig. 180. allgemeinen Planes des Gefässsystems vor sich , ja bei den Crocodilen ist sogar eine vollständige Trennung der beiden Kammern vorhanden. Die eine Vorkammer empfängt arterielles, die andere venöses Blut; und da- nach können auch die diesen entsprechenden Kammerabschnitte als arte- rielle und venöse bezeichnet werden. Für eine solche grössere Selbstän- digkeit spricht ferner noch, dass Brücke, bei Schildkröten wenigstens, keine isochronischen Actionen der beiden Kammerhälften beobachtet hat. Allein da nur bei Crocodilen aus beiden Kammern Gefässe entspringen, bei den übrigen Beptilien aber nur aus der venösen (rechten) Kammer solche hervorgehen , so wird bei den letzteren stets eine Mischung bei- der Blutarten in der linken Kammer durch die Oeffnung im Septum ven- triculorum vermittelt*). Der Ursprung der grossen Gefässe zeigt noch mannichfaltige An- schlüsse an die Amphibien. Es bestehen noch zwei aus der rechten Kammerhälfte entspringende, aber häufig asymmetrisch verlaufende Aor- tenbogen, die unter dem Bücken vereinigt sind und in welche sich auch noch die aus einem vordersten Bogenpaare hervorgegangenen Zweige der Garotiden einsenken. Mit diesen ent- springen die Lungenarterien, welche, aus dem letzten oder dritten Gefässbo- genpaare hervorgegangen , zuweilen noch durch ductus Botalli mit den Aortenbogen verbunden sind. Dereine, rechte Aortenbogen erlangt bei den meisten Beptilien das Uebergewicht über den anderen , der dann nur durch eine unbedeutende Anastomose mit dem Hauptstamm communicirt. Die vollständig getrennten Kammern der Grocodile entsprechen einem ge- trennten Ursprünge der grossen Ge- fässe und so lässt die linke Kammer (Fig. 180. b) einen grossen Arterien- stamm hervorgehen , der nach vorne den gemeinsamen Bulbus der Garotiden, Fig. 480. Herz und grosse Gefässe vom Crocodil e. Die beiden Arterienbulbi sind geöffnet, a. rechter, b. linker Ventrikel, a d. rechter Aortenbogen, a s. linker Bogen, ap. Lungenarterie, vp. Lungenvene. vc. Hohlvenen, s. Subclaviae. c. Caro- tiden. o. Communicationsöffnüng beider Arterienbulbi. — (Nach B i seh o ff ; etwas modificirt.) *) Es sind jedoch hier jene Einrichtungen in Anschlag zu bringen, durch welche die beiden Ventrikelhälften wenigstens momentan abgesperrt werden können, so dass bald das venöse, bald das arterielle Blut, ersteres in die Lungenarterien , letzteres in die Aortenbogen entleert werden kann, wodurch also die noch nicht vollendete Kam- mertrennung compensirt wird. Herz und grosse Gefässe. 549 nach rechts aber den rechten Aortenbogen (a d) erspringen lässt. In diese Kammer mündet die linke ihr Blut aus den Lungenvenen (vp) em- pfangende Vorkammer. Die rechte Kammer gibt gleichfalls einen Aorten- bogen, den linken (a s), ab, sowie auch die Lungenarterien {ap), welche sämmtlich venöses Blut führen, da die dieser Kammer entsprechende rechte Vorkammer die Körpervenen (v c) aufnimmt. Demzufolge wäre eine Vermischung der Blutarten nur an der Vereinigung der beiden Aortenbogen zur Aorta descendens möglich, eine Vereinigung , die nur sehr unbedeutend ins Gewicht fällt, da der linke Bogen nicht vollständig in denBechten übergeht, sondern nur durch einen Querast mit ihm com- municirt. Es kann sich aber das Blut dennoch schon vorher vermischen, indem die beiden dicht bei einander liegenden Arterienbulbi an der Be- rührungsstelle durch eine Oeffnung, das Foramen Panizzae (o) , mit ein- ander in Communication stehen. — Die vollständige Trennung der Herzhöhlen bei den Crocodilen führt zu den Vögeln und Säugethieren, bei denen durch die Beduction der gesammten embryonalen Aortenbogenpaare auf einen einzigen arcus aortae auch ausserhalb des Herzens in den grossen Gefässstämmen keine Mischung der beiden Blutarten mehr stattfinden kann. In der Classe der Vögel treffen wir die beiden Kammern in einem eigenthümlichen Ver- halten zu einander, indem die rechte sich um die fast ganz konische linke Kammer mit ihren dünnen "Wandungen herumlegt*). Aus ihr gehen die schon sehr frühe getheilten Lungenarterien hervor, und aus der dickwandigen linken Kammer entspringt die Aorta, die in die Höhe steigt, um dann nach rechts im Bogen umzubiegen (Fig. 182. d). Am Ursprünge der Aorta sind drei Semilunarklappen angebracht. Bei den Säugethieren schliesst sich die Bildung des Herzens so- wohl durch den Ursprung der grossen Gefässe, wie durch den Verlauf der einen linken Bogen darstellenden Aorta an die menschliche an , und damit sind auch die Klappenvorrichtungen an den verschiedenen Ostien in Uebereinstimmung. In der äusseren Form zeigen die pflanzenfressenden Cetaceen durch eine namentlich bei Halicore ausgeprägte Spalte zwischen den Spitzender Kammern eine Eigenthümlichkeit. Eine andere zeigt sich bei manchen Wiederkäuern (Rind, Hirsch) und Pachydermen (Elephant) in dem Auf- treten einer Ossification in der Scheidewand der Ventrikel, zwischen Kammer und Vorkammer**). *) Eine andere Eigenthümlichkeit bietet sich in dem Verhalten der Atrioventri- cularklappe dieser Kammer, die nicht wie gewöhnlich aus einer dünnen Membran, einer Duplicatur des Endocardiums, sondern einer breiten, fleischigen Lamelle dar- gestellt wird. **) Solche nicht selten den Aortenursprung umfassende Herzknochen treten ge- wöhnlich erst im späteren Alter auf, sind bei manchen Arten auch unbeständig. Beim Rinde sind es zwei Stücke, ein grösseres halbringförmiges und ein kleineres, durch welches der Ring nahebei vervollständigt wird. 550 Vertebraten. Die Verhältnisse der Atrioventricularklappen des rechten Herzens sind unter den Monotremen bei Ornithorhynchus vogelähnlich ; statt der gewöhnlichen Tricuspidalklappe sind neben zwei membranösen Theilen noch zwei musculöse Klappenblätter vorhanden. Die beim Menschen sich findende Eustach'sche Klappe ist nur bei wenigen Säugethieren (Affen, Elephant) ausgebildet. — 2) Vom Arteriensysteme. Es ist gezeigt worden , wie die arteriellen Gefässe ursprünglich aus einem gemeinsamen, sich in Bogen (die Aortenbogen) theilenden Truncus hervorgehen, sowohl die Lungenarterien, als auch jene, die für die gros- sen Körperkreislaufbahnen bestimmt sind. Es sind dann wieder die Bogen selbst, welche die einzelnen Abschnitte des Arteriensystemes ent- springen lassen, so dass mit einer durch allmähliche Reduction der Bogen gegebenen Vereinfachung die Arterien sich immer mehr auf beschränktere Ursprünge zurückziehen , bis zu- Fig. 1 81 . letzt ein einfacher Aortenbogen die gesammte Arterienbahn versorgt. Die Wurzeln der Körperarte- rienbahn sind bei den Fischen und auch bei den noch durch Kie- men athmenden Amphibien die aus den Kiemen rückführenden Epibranchialarterien (Kiemenve- nen). Sie geben schon an die benachbarten Theile kleine Zweige ab, und sammeln sich an der Ba- sis des Schädels in einen Gefäss- f ring, den Circulus cephalicus (Fig. 1 81 . c c), aus welchem nach hin- ten die Aorta descendens hervor- geht. Einer der wichtigsten Aeste ist die Zungenbeinarterie (ho), die aus der ersten Epibranchialarlerie stammt , und das Zungenbein umlaufend zur Pseudobranchie (p b) tritt, Fig. 48i. Kiemenvenen und Gefässe der Pseudobranchien von Gadus calla- rias. Unterkiefer, Kiemenapparat und Zungenbein sind in der Mittellinie gespalten und nach den Seiten ausgespannt (die rechte Seite ist nicht vollständig dargestellt). a. Oberkieferapparat, b. Unterkiefer, c. Vomer. d. Gaumenbein und Flügelbein. e. Zungenbein, f. Kiemenbogen. g. membrana branchiostega. h. Basis cranii. i. vorderes Ende derSchwimmblase. pb. Pseudobranchie. v. br. Kiemenvene. cc. Circulus cepha- licus der Kiemenvenen, ca. Carotis posterior, ho. Arteria hyoidea opercularis aus der Verlängerung der ersten Kiemenvene; gibt einen Ast an die Nebenkierae und geht dann in den Circulus cephalicus ein. x. Nebenkiemenvene, mit der der anderen Seite verbunden, jederseits zur Choroidealdrüse des Auges tretend, x art. ophthalm. magna. (Nach Joh. Müller.) Arteriensystem. 551 hier mit einem Zweige des Arterienringes communicirend. Die aus der Pseudobranchie hervorkommende Arterie (x) verläuft gerade zum Aug- apfel und wird zur Art. ophthalmica magna [x). Aus den Seiten des Circulus cephalicus gehen die hinteren Carotiden (ca) hervor und aus seinem vorderen ramus communicans entspringen Gefässe für die vorderen Theile des Kopfes. In dem Ursprünge und der Anordnung der einzelnen Gefässe kom- men vielfache Variationen vor, von denen der vorne offene Circulus cephalicus der Rochen , sowie die nach vorne gehende unpaare Ver- längerung {a. vertebralis impar) der aus den epibranchialen Arterien entspringenden Aorta der Myxinoiden vorzugsweise anzuführen sind. Bei den Amphibien gehen während derKiemenathmung die Kopf- arterien (Fig. 178. c) gleichfalls aus dem epibranchialen Systeme hervor und dieses währt noch bei den Perennibranchiaten, während dieSalaman- drinen und Batrachier im ausgebildeten Zustande die Gefässe des Kopfes als directe Fortsetzungen des vordersten, nicht mehr mit der Aorta ver- bundenen Gefässbogens zeigen , so dass sie gemeinsam mit den übrigen Bogen aus dem Arterienbulbus entspringen. Aehnlich verhalten sich auch die für die vorderen Extremitäten bestimmten Arterien, die vor der Ver- einigung der Aortenwurzeln ihren Ursprung nehmen. Unter den Reptilien ergeben die Ursprungsverhältnisse der zum Vordertheile des Körpers verlaufenden Arterien eine noch grössere Man- nichfaltigkeit. Die Carotidenstämme gehen bei den meisten Sauriern ge- trennt aus dem Aortenbulbus hervor, und getrennt davon entspringen aus den Bogen die Subclavien*). Einfacher sind die Verhältnisse bei den Schlangen, denen die Subclavien abgehen, sodass die Carotiden entweder als ein einfacher Stamm (Natter) oder als zwei, aber dann meist ungleich entwickelte Gefässe bestehen, die wie z. B. bei Python aus dem rechten Aortenbogen entspringen. Daraus geht auch eine längs der Wirbelsäule nach vorn verlaufende Arterie hervor, die an die unpaare Fortsetzung der Aorta bei den Myxinoiden erinnert. Auch bei den Schildkröten und Crocodilen nehmen sie mit den Subclavien aus dem rechten Aortenbogen ihren Ursprung, und zwar bei der letztgenannten Ordnung aus einem Truncus anonymus hervorgehend, der sich in zwei art. brachio-cephalicae theilt (vergl. Fig. 180. s c). Aber auch ein getrennter Ursprung für eine oder die andere der Subclavien und Carotiden aus dem rechten Aorten- bogen ist bei einigen Crocodilen vorhanden**) *) Ausgenommen sind die Monitoren , z. B. Psammosaurus , wo Carotiden und Subclavien je einen gemeinschaftlichen Truncus besitzen, der für die Carotiden aus dem Aortenbulbus , jener für die Subclavia aus dem rechten Aortenbogen stammend. Vergl. A. Corti , de systemate vasorum Psammosauri grisei. Vindobonae 1847. **) Heber den abgehandelten Abschnitt des Arteriensystems der Reptilien ist Ausführlicheres nachzusehen vorzüglich beiRathke, über die Carotiden der Cro- codile und Vögel. Müll. Archiv. 1850. und Untersuchung über die Aortenwurzeln 552 Vertebraten Die Bedeutung des rechten Aortenbogens ist somit bei den Reptilien durch den Ursprung grosser Gefässe ans Licht getreten. Bei den Vögeln tritt er aber als Hauptstamm des Körpers noch klarer hervor, da der Verbindungszweig des lin- Fl§- m ken schwindet und nur noch sein Stamm als Arteria bra- chiocephalica fortbesteht. Der rechte Aortenbogen setzt sich dann in die Aorta descen- dens fort, nachdem er vor- her entweder die Art. subcla- via (Fig. 182. s) oder wieder- um eine Art. brachiocephalica abgegeben hat. Das letztere richtet sich nach dem Ver- halten der Carotiden , die zwar im Allgemeinen paarig vorhanden und aus je einem Truncus brachiocephalicus her- vorgehen , häufig jedoch auch mit einander aus einem der beiden Stämme entspringen, oder sogar nur durch eine einzige, dann aus dem linken Stamme entstehende Arterie {Art. carotis primaria (a c) vertreten sind*). Da von dem rechten Aorten- bogen bei den Säugethie- ren nur noch ein kurzer Stamm als Truncus brachio- Fig. 182. Arterielles Gefässsystem von Po die ep s cristatus. a. Aortenstamm. d Aorta descendens. s. Art. subclavia, ac. Art. carotis primaria, unter den processus spi- nosi anteriores hindurchtretend, aa. Art. cutanea abdominis. at. u. al' . Art. thoracicae sinistrae. ai. Art. ischiadica. af. Art. hypogastricae . as. Art. sacralis media, p. der linke m. pectoralis major, t. Trachea, cl. Cloake. (Nach Barkow.) der Saurier. Denkschriften der math. phys. Classe der k. k. Acad. zu Wien. T. XIII. 1858. Ferner Bemerkungen über die Carotiden der Schlangen, ibid. T. XI. 4 856. *) Eine unpaare Carotis primaria ist beim Steisshuhn, der Elster, u. a. beobach- tet. Zwei symmetrisch entspringende Carotiden beim Hahn , den Raubvögeln und einigen Cursores etc. Vom linken Tr. brachiocephalicus entspringen sie bei den mei- sten Singvögeln. — Bemerkenswerth ist bei den Vögeln das relativ beträchtliche Ca- liber der beiden Art. brachioeephalicae, gegen welche die Aorta descendens nicht selten wie ein Ast erscheint. Bei den mit einem Brütorgan versehenen Vögeln [Natatores) erreichen die Art. thoracicae eine ausserordentliche Entfaltung. (Vergl. Fig. 182.) Arteriensystem. 553 cephalicus oder als Anfang einer Subclavia bestehen bleibt, und selbst dieser Rest des rechten Bogens nur wie ein Ast des linken sich darstellt, so ist der letztere die vorzugsweise Ursprungsstätte der grossen Arterien für die vordere Körperhälfte geworden. Es bietet sich hierin wieder eine Reihe von Varietäten dar , je nachdem sämmtliche Arterien aus einem oder zwei Stämmen hervorgehen, oder endlich einzeln oder mehr direct aus der Aorta entspringen*). Viel einfacher als in seinen Ursprungsverhältnissen zeigt sich bei allen Wirbelthieren der unter dem Rückgrate verlaufende, bei vielen Fischen (Hecht, Häring, manche Haie) in einer besonderen Furche ein- geschlossene Stamm der Aorta descendens, bezüglich seiner Verzwei- gung. Er verläuft hier längs der festen Sceletachse und entsendet (bei Fischen und Amphibien nach Abgabe der Subclavia) regelmässig eine Anzahl von Intercostal- und Intervertebralarterien , und bei ausgebilde- ten Hinterextremitäten an diese zwei Art. iliacae , um dann bei vorhan- denem Becken- und Kreuzbeine als Art. sacralis media, oder bei einer ferneren Fortsetzung des Rückgrates als Art. caudalis am Schwänze zu enden. Bei den Fischen tritt er am Schwänze in den von den unteren Wirbelbogen gebildeten Canal, der auch bei manchen langschwänzigen Reptilien und Säugethieren vorhanden ist. Mehr Eigenthümlichkeiten bieten die Arterien der Eingeweide. Un- ter den Fischen entspringen diese bei den Teleostiern von einem ein- fachen Stamme {Art. abdominalis oder Art. coeliaco-mesenterica) , bei den Rochen von zwei Stämmen ; wiederum ein Hauptstamm ist bei den Am- phibien vorhanden , zu dem bei den Sauriern noch mehrere kleinere kommen. Eine grössere Anzahl von Mesenterialgefässen besteht bei den Schlangen. Bei Schildkröten und Crocodilen dagegen sind die Visceral- arterien die directe Fortsetzung des linken Aortenbogens (Fig. 180. a s), so dass also den Eingeweiden vorzugsweise venöses Blut zugeführt wird. Vögel und Säugethiere endlich besitzen fast regelmässig drei Haupt- stämme: eine Art. coeliaca und zwei Art. mesentericae , die an dem Ver- dauungsapparat und seinen Appertinenzen sich in mannichfaltiger Weise verzweigen. — *) Uebersichtlich lassen sich diese mannichfaltigen Zustände folgender Weise darstellen : \. Zwei Trunci brachioceph. 2. Tr. brachioceph. dexter 3. Tr. brachiocephalicus. (Chiroptera, Talpa.) Carotis sinistra, Subclavia sinistra. Subclavia sinistra. (Monotremata, Bradypus, {Marsupialia, Rodentia, Dasypus, Murina, Phoca, Manis, Orycteropus, Erinaceus, Simiae.) Carnivora, Sorex, Sus, Auchenia.) 4. Ein Tr. brachioceph. communis. 5. Art. subclavia dexlr. [beide Carot. u. Subclav. abgebend.] Carot. commun. primaria, (Solidungula, Ruminanlia, Art. subclav. sinislr. Hystrix, Viverra.) (Elephas.) 554 Vertebraten. Wie sich die Theile des Scelets nach einem der morphologischen Be- deutung entnommenen Principe mit einander vergleichen lassen , unge- achtet mannichfaltiger Umgestaltungen einzelner Stücke, und wie auch in den Muskeln ein allgemeiner Plan deutlich hervortrat, so zeigt sich auch in der Anordnung des peripherischen Arteriensystems das durch- greifende Bestehen von Homologien, die aus dem gleichen Verhallen des gleichen Abschnittes des Arteriensystems zu gleichen Scelet- oderWeich- theilen zu finden sind. Johannes Müller ist auch hierin vorangegan- gen und hat die zusammengehörigen Abschnitte des Gefässsystems in mehrere durch die Beziehungen zum Scelet begründete Gruppen ver- einigt, deren Bestandtheile in den einzelnen Classen und Ordnungen der Wirbelthiere jedoch nicht allgemein vorhanden sind. 1) System der Arteria subvertebralis media. Es besteht dieses aus den unpaaren , unterhalb des Bückgrates verlaufenden Arterien, wie Aorta descendens , A. sacralis media und A. caudalis aller Wirbelthiere , A. vertebralis impar der Schlangen und Myxinoiden , und A.vertebr. media capitis der letzteren. Die Arterien der Eingeweide gehen sämmtlich aus diesem Systeme hervor. 2) System der Arteriae subvertebrales laterales. Paarig vorhandene Arterien zu beiden Seiten unterhalb der Wirbelsäule und der damit verbundenen Bippenköpfchen. Die Art. cervicalis profunda, intercostalis prima, ileolumbalis , sacra lateralis der Säugethiere und des Menschen gehören hierher. Auch die Art. des circulus cephalicus der Fische, sowie die diesen zum Theile entsprechenden Carotiden der höhe- ren Tbiere sind anzureihen. 3) Das System der Arteriae vertebrales transversales lagert über den Bippenköpfchen oder deren Aequivalenten , so dass es die Art. vertebralis der beiden oberen Classen nebst jenen derCrocodile, dann die Art. intercostalis communis anterior und posterior der Vögel und Schildkröten umfasst. 4) Das System der Art. epigastricae umfasst im Allgemeinen diemeist paarigen, an der ventralen Körperwand verlaufenden Längs- stämme , wie sie schon bei manchen Fischen auftreten und dort als ven- trale Verlängerungen der Kiemenvenen erscheinen, entweder nach hinten verlaufend (Art. epigastrica descendens) , oder die Kehlgegend versorgend {Art. epig. ascendens). Bei den höheren Wirbelthieren entspricht diesem Systeme die aus der Subclavia stammende Art. mammaria interna, sowie die dieser entgegenkommende A. epigastrica inferior. 5) Das System der Art. intercostales entspricht den einzel- nen im Scelete ausgeprägten und in der Musculatur des Bumpfes wieder- holten Wirbelabschnitten des Körpers und besteht somit aus eben so vielen querverlaufenden Stämmen als Wirbelsegmente vorhanden sind, doch in sehr verschiedengradiger Ausbildung den Verhältnissen der Wir- belabschnitte angepasst. Diese Querstämme sind Aeste der Epigastrica oder der längs der Wirbelsäule liegenden Arterienstämme, und es können Venensystem. 555 dann die Art. subvertebralis impar (Aorta) oder die subvertebrales latera- les, oder die vertebrales transversales ihre Ursprungsstätten sein. In ähn- licher Weise verhält sich auch : 6) Das System der Art. spinales anteriores undposterio- res, durch welche das centrale Nervensystem versorgt wird. Sie ent- springen aus einem der subvertebralen oder vertebralen Längsstämme oder aus Zweigen derselben , namentlich aus den Intercostalarterien, gehen zum Rückenmarke durch die Foramina intervertebralia , und kön- nen sämmmtlich bald gleichen Ursprung haben, bald an den verschiede- nen Körperabschnitten einen differenten , so dass sie, wie dies beim Menschen der Fall ist, am Rumpfe aus den Intercostalarterien, am Halse aus den Vertebralarterien hervorgehen. Der letzte Ast der Vertebralis, oder das zwischen Hinterhaupt und dem ersten Halswirbel in den Schä- del dringende Ende derselben ist demnach gleichfalls eine Spinalarterie, sowie auch die in den Schädel gehenden Garotiden als Spinaläste sich verhalten; und der ganze aus den zur Art. basilaris vereinigten Spinal- enden der Vertebralis und den Spinalenden der Garotiden gebildete Circu- lusWillisii ist demnach einer jener Arterienringe, wie sie auch weiter ab- wärts am Halstheile des Rückenmarks von der Art. spinalis anterior gebildet werden*). §• 51. b) Vom Venensysteme. Das im Körperkreislaufe venös gewordene Blut wird ursprünglich bei allen Wirbelthieren durch paarige subvertebral gelegene Venen dem Herzen wieder zugeführt (vergl. Fig. 175. dd'). Es sind bei den Fischen vier solcher Stämme vorhanden, zwei von vorn kommend, die sogenann- ten Jugularvenen oder vorderen Vertebralvenen , und zwei von hinten, die hinteren Vertebralvenen, welche jederseits in einen Quercanal ver- einigt sind. Der letztere, Ductus Cuvieri genannt , senkt sich entweder für sich oder mit dem der anderen Seite vereinigt in den Vorhof des Herzens, der hier eine Erweiterung als gemeinsamen Venensinus besitzt. *) Ueber die Detailverhältnisse des arteriellen Gefässsystemes der Wirbelthiere ist ausser den schon citirten Schriften besonders nachzusehen: Für Fische: Hyrtl, Med. Jahrbücher des österreichischen Staates. Bit. XV. 1838. Peters, Ueber einem dem Lepidosiren annectens verwandten Fisch. Müll. Archiv 1845. Für Amphibien ; Bur ow , de vasis sanguiferis ranarum. Regiomont 1834. Für Reptilien ; B i s c h o f f , in Müll. Archiv 1836. Schlemm, Anat. Beschreibung des Blutgefässsystems der Schlangen inZeitschr. f. Phys. v. Tiedemann u. Treviranus. Bd. II. Jacquart, Mern. sur les organes de la circulation chez le serpent Python. Ann. des sc. nat. Se'r. IV. Tome IV. Für Vögel: Barkow, anat. phys. Untersuch, vorzügl. über das Schlag- adersystem der Vögel Meckels Archiv 1829. Hahn, de arteriis- anatis commentatio. Halis 1830. Für Säugethiere: Hyrtl, vergleichende Angiologie : das Gefässsystem der Edentaten , Denkschr. der Wiener Acad. Bd. VI. Baer, Ueber d. Gefässsystem des Braunfisches Act. Ac. Leop. Car. Bd. XVII. Stannius, Ueber das Art. -Gefäss- system von Delphinus phocaena. Müll. Arch. 1841. 556 Vertebraten. Von Rathke wurden diese bei den Embryonen der höheren Classen nur transitorisch angelegten vier Hauptvenenstämme als Cardinalvenen bezeichnet, hier sollen nur die hinteren so benannt werden. Die Venae jugulares sammeln das Blut aus dem Kopfe, die Cardinal- venen meist aus den Geschlechtsorganen, den Nieren oder auch aus dem Schwänze, wenn nämlich die mit der entsprechenden Arterie verlaufende V. caudalis direct in sie übergeht, wie solches bei Cyclostomen und Se- lachiern der Fall ist. Da sich aber bei den Teleostei die Caudalvene zu- meist an den Nieren in einzelne zuführende Zweige auflöst, durch welche das Blut in die Venae renales revehentes und so in die Cardinalvenen übergeht, so wird in allen Fällen das Caudalvenenblut schliesslich den Cardinalvenen zugeführt*). Durch die Auflösung der Caudalvenen in den Nieren kommt ein Nierenpfortaderkreislauf zu Stande, der im Wesentlichen an' die früher (pag. 367) angedeuteten Einrichtungen bei den Cephalopoden sich anschliesst. Die beiden Cardinalvenen sind in der Regel ungleich entwickelt, so dass die rechte die stärkere ist, ja die linke fehlt auch zuweilen, oder ist nur durch ein schwaches in die rechte Vertebralvene einmündendes Stämmchen repräsentirt. Das Venenblut des Darmcanals sammelt sich in die zur Leber füh- rende Pfortader , und von hier aus gehen die wahren Lebervenen oder ein einfacher, zwischen den beiden Cardinalvenen liegender Stamm zum Venensinus des Vorhofs. Bei den Ganoiden nimmt die Lebervene noch die Venen der Schwimmblase auf, die sich sonst in die Cardinalvenen ergiessen. Von den Amphibien an erleidet die symmetrische Anordnung der grossen Venenslämme eine wesentliche Abänderung , und fortan stellen die Jugular- und Cardinalvenen nur noch embryonale Bildungen vor. Die Jugular- oder vorderen Cardinalvenen bleiben bei den Amphibien beste- hen, empfangen noch die Venen der Vorderextremitäten, und erscheinen als zwei vordere, in den Sinus venosus und von da in den rechten Vorhof sich ergiessende Hohlvenen. So bleiben die Verhältnisse noch bei den Reptilien bestehen, und auch beiden Vögeln**) nur ist bei den letzteren der Sinus venosus in den Vorhof aufgenommen , so dass die beiden aus der Vereinigung der Jugu- lar- und Armvenen entstandenen oberen Hohlvenen direct in den rechten Vorhof münden. An der Schädelbasis sind beide Jugularvenen mit ein- *) Die Vena caudalis geht aber häufig nur mit einem Aste in die Nieren ein, wäh- rend der andere vorüberläuft und dann die Venae efferentes der Nieren aufnimmt; bei den Selachiern ist die Caudalvene am Nierenpfortaderkreislauf sogar gänzlich un- betheiligt. **) Als wichtige Arbeit ist hiefür anzuführen : Neugebauer, Systema venosum avium, cum eo mammalium et imprimis hominis cullatum Nov. Act. Acad. Leop. Carol. Vol. XXI. P. IL Venensystem. 557 ander durch eine Anastomose verbunden , wodurch das Blut von der linken Seite zur rechten hinüber geleitet wird und die rechte V. jugularis dadurch auf Kosten der linken sich vergrössert. Unter den Säuget liieren finden sich noch ähnliche Einrichtungen vorherrschend , aber bei den meisten ist die V. jugularis nicht mehr der einzige das Blut vom Schädel ableitende Hauptstamm; es tritt noch eine innere Drosselvene auf, die bei allen wenn auch sehr häufig als ein un- bedeutendes Gefäss vorhanden, bei einzelnen ein beträchtliches Caliber empfängt, und zunächst mit den Blutleitern der Duramater in Verbindung steht. Der frühere Hauptstamm wird dann zur V. jugularis externa*). Das Blut aus den hinteren Körpertheilen wird bei den vier oberen Wirbelthierclassen vorzüglich durch die untere Hohlvene zum Herzen geleitet , nachdem den Gardinalvenen eine andere Bedeutung zugefallen ist. Jene untere Hohlvene ist aus dem Lebervenenstamm der Fische her- vorgegangen. Sie hat bei den Amphibien und Beptilien ihre Wurzeln in den ausführenden Nierenvenen, und nimmt in allen Glassen durch die Leber- vene das von den Eingeweiden der Leber zugeführte Blut der Pfortader auf. In den Nie renpforta de rk reislauf der Amphibien und Bepti- lien gelangt das Blut der Caudalvenen und jenes der hinteren Extremi- täten. Aus letzteren umgeht jedoch ein Theil die Nieren, indem die V. iliacae bei den Amphibien und Beptilien sich in zweiAeste spalten, davon einer die Venae renales advehentes abgibt , der andere aber sich mit dem der anderen Seite vereinigt, um eine längs der Bauch wand verlaufende Abdominalvene herzustellen, die in die Leber eingesenkt einen Theil des Leberpfortadersystemes bildet. Bei den Crocodilen entzieht sich sogar der grösste Theil des aus den Schwanzvenen und der V. iliaca communis kommenden Blutes dem Nierenkreislaufe und wird direct zur Leber ge- führt. Mehr noch ist bei den Schildkröten das Nierenpfortadersystem geschwunden, da das Blut aus Schwanz und Hinterfüssen sich in zwei Abdominalvenen sammelt und zur Leber gelangt. Mit diesem Aufgeben des Pfortadersystemes der Nieren gelangen wir nähpr an die Einrichtungen der beiden übrigen Wirbelthierclassen. Bei den Vögeln werden die Nieren noch von Venen durchsetzt, jedoch ohne dass eine Verästelung stattfindet, und die Venae iliacae bil- den direct eine untere Hohlvene. Im übrigen verhält sich die Vena cava inf. so ziemlich gleich mit jener derSäugethiere und nimmt, an der Leber vorübergehend, die Lebervenen auf**), deren Bereich durch eine aus einer Queranastomose der V. hypogastricae entspringende Verbindung mit einer Mesenterialvene mit jenem der Pfordader noch zum Theile gemeinsam ist. *) Eine gering entwickelte V. jug. interna besitzen die Einhufer, Wiederkäuer und die meisten Nager (Mus, Lepus, Castor, Sciurus u. a.). — In der sehr ausgebil- deten V.jug. interna kommen die Affen dem Menschen nahe. Uebrigens ist diese Vene auch schon bei den Reptilien, z. B. den Crocodilen sehr selbständig geworden. **) Beiden tauchenden Vögeln und Säugethieren (Ornithorhynchus , Castor, Del- phinus, Phoca etc.) ist die untere Hohlvene mit einer beträchtlichen Erweiterung ver- 558 Vertebraten. Das System der beiden Cardinalvenen hat in den vier höheren Clas- sen im ausgebildeten Zustande eine andere Rolle übernommen. Die als V. intercostales u. s. w. aus den Wandungen des Rumpfes kommenden Venen sammeln sich jederseits in einem längs der Wirbelsäule aufstei- genden Stamm (nur bei den Schlangen durch ein unpaares Gefäss ver- treten) , der als Vena vertebralis (richtiger Vena subvertebralis) in je eine der Venae anonymae einmündet. Diesen entsprechen auch die vor- deren Vertebralvenen, die entweder mit den hinteren gemeinsam oder gelrennt von ihnen sich zu den beiden oberen Hohlvenenstämmen be- geben. So verhält es sich bei den Amphibien, den meisten Reptilien und auch bei den Säugethieren ist dieser Theil des Venensystemes nach dem- selben Plane gebildet. Bei den Amphibien, besonders den ungeschwänz- ten ist das Ende der hinteren Subvertebralvenen rückgebildet, und der noch übrige hintere Abschnitt führt als eine Fortsetzung der V. iliacae in die V. renalis advehnes. Unter den Reptilien sind sie bei Sauriern und Schildkröten wenig entwickelt. In der Classe der Säugethiere findet sich häufig eine grössere Ausbildung der rechten Subvertebralvene vor, indess die auch bei gleicher Bildung öfters mit der der anderen Seite anastomo- sirende linke stellenweise schwindet, wobei dann der Rest ihres Stam- mes einfach in die rechte Subvertebralvene einmündet. Diese Reste des ursprünglichen Systemes der hinteren Cardinalvenen sind dann unter den Namen der V. azygos und hemiazygos bekannt, und bestehen auch beim Menschen , dessen V. azygos nach Aufnahme der Hemiazygos in die obere Hohlvene einmündet. Ausser diesem Systeme bestehen noch eigentliche Vertebralvenen (auch V. vertebrales profundae genannt), welche über den Rippenköpf- chen in dem von diesen mit den Querfortsätzen der Wirbel gebildeten Canale liegen und häufig eine grosse Mächtigkeit erreichen , so dass sie sogar das subvertebrale Venensyslem vollständig ersetzen. Bei den Fischen (Petromyzon) wird es durch vordere über den Querleisten der Chorda liegende Venenstämmchen vertreten , und bei allen Säugethieren ist es wenigstens an der Halsgegend der Wirbelsäule repräsentirt , ja bei den Cetaceen vertritt es mit den hinteren Stämmen die V. azygos und hemiazygos , in gleicher Weise auch bei den Vögeln und vielen Reptilien (Schildkröten und Crocodilen). Zur Regulirung des Blutlaufs im Venensysteme bestehen bei den Wirbelthieren noch zwei Reihen bemerkenswerther Einrichtungen, da- von die eine durch Klappenvorrichtungen, die andere durch einen reich- lichen musculösen Releg der Venenwand dargestellt wird. sehen, die in der erstgenannten Classe noch in der Leber, bei den Säugern unter dem Zwerchfelle liegt. Bei der Fischotter ist diese Erweiterung sogar sehr in die Länge ge- dehnt, und bei Phoca wird die Hohlvene beim Durchgange durchs Diaphragma mit einem Sphincter umgeben, Einrichtungen, welche sämmtlich darauf hinzielen, in ge- wissen Zuständen das Venenblut vom Herzen abzusperren. Wunclernetze. 559 Die Venenklappen als faltenähnliche Vorsprünge der Wandungen treten schon bei den Fischen auf und sind namentlich an der Einmün- dung der grossen Stämme in den Sinus des Vorhofs vorhanden. In ge- ringerer Verbreitung kommen sie auch den Amphibien und Reptilien zu. Regelmässig angeordnet und in grösserer Zahl trifft man sie bei den Vögeln und vor allem den Säugethieren. Den letzteren fehlen die Venen- klappen wie beim Menschen nur an der Pfortader und an den Venen der übrigen Eingeweide, dann an jenen des Kopfes und Halses. Rythmisch pulsirende Stellen des Venensystems sind oben schon bei Amphioxus erwähnt worden , sie finden sich als ein Pfort- aderherz auch bei Myxine, und deuten an, dass jeder Abschnitt des Ge- fässapparates sich zu einem beim Rlutumlauf activ betheiligenden Organe umwandeln kann. Die Erweiterung der Caudalvene beim Aale gehört gleichfalls hieher. So kommt es denn auch, dass bei den Amphibien eine nicht unbedeutende Anzahl von Venen (z. B. venae cavae, iliacae, axilla- res) Pulsationen zeigen, die von der Herzbewegung gänzlich unabhän^- gigsind*). c. Von den Wundernetzen**). Die Vertheilung der Blutgefässe im Körper geschieht in der Regel unter allmählicher Verästelung der einzelnen Stämme, bis dann mit den feinsten Verzweigungen der Arterien und Venen das System derCapillaren zusammenhängt, beiderlei Blutgefässe mit einander verbindend. Abge- sehen von den eigenthümlichen Einrichtungen, wie sie die Schwellkörper und andere erectile Organe besitzen , oder wie sie in den von knöcher- nen Wandungen umschlossenen, oft mehr lacunären Bluträumen beste- hen, herrscht im Blutgefässapparate vieler Organe bezüglich der Verthei- lung der Gefässe eine etwas abweichende Weise. Eine Vene oder Arterie theilt sich nämlich plötzlich in ein Büschel feiner Aeste, die mit oder ohne Anastomosen sich entweder in das Capillarsystem verlieren, oder sich bald wieder in einen Stamm sammeln. Eine solche Gefässvertheilung bezeich- net man seit lange als Wundernetz, rete mirabile. Ihre Bedeutung liegt offenbar in einer Verlangsamung des Blutstroms und Vermehrung der Oberfläche der Gefässbahn , woraus eine Veränderung in den Diffu- sionsverhältnissen der ernährenden Flüssigkeit resultiren muss. Geht aus einer solchen Auflösung eines Gefässes wieder ein Gefässstamm her- vor, so nennt man das Wundernetz bipolar oder amphicentrisch , bleibt das Gefässnetz aufgelöst, so wird die Bildung als diffuses, unipolares oder monocentrisches Wundernetz bezeichnet. Bald sind nur Arterien oder *) Nach Leydig besitzen solche Venen quergestreifte Muskeln. **) Vergl. .loh. Müll er 's Handb. d. Physiologie. 4. Aufl. Bd. I. pag. 187. u. vergl. Anat. d. Myxin. Dritte Fortsetz. pag. 99. 560 Vertebraten. nur Venen (/?. mir. simplex) , bald beiderlei Gefässe unter einander ge- mischt (/?. mir. geminum s. conjugatum) an dieser Bildung betheiligt. Solche Wundernetze finden sich an den verschiedensten Körper- stellen und Organen; besonders hervorzuheben sind folgende: \) In den Pseudobranchien der Fische. Kiemenartige aus freien oder verwachsenen Blättchen bestehende Organe, die zuweilen eine drüsenähnliche Beschaffenheit erlangen , immer aber dem Athmen fremd sind, und daher von den respiratorischen Nebenkiemen unterschieden werden müssen. Sie liegen bei den Knochenfischen an den Wandungen der Kiemenhöhle und erhalten ihr Blut aus einem Aste der ersten Epi- branchialarterie (der Art. hyoidea) oder direct aus dem Circuhis cephali- cus. Die Arterie bildet in jedem Blättchen oder Läppchen mehrere Ver- zweigungen, aus denen sich wiederum ein Arterienstämmchen, die Art. ophlhalmica magna sammelt. 2) Wundernetze der Choroidea. In der Aderhaut des Wirbel- thierauges kommen bald diffuse, bald amphicentrische Wundernetze vor, letztere bei den Knochenfischen, bei denen sie die sogenannte Choroi- dealdrüse bilden. Diese erhält ihr Blut von der aus der Pseudobranchie entspringenden Art. ophth. magna, die sich somit zu ihr wie eine Pfort- ader verhält. ,Aus der Glandula choroidealis entspringen die Arterien der Aderhaut. Bei den übrigen Wirbelthieren , an welche sich auch noch Störe und Selachier reihen, wird die »Choroidealdrüse« durch einereiche Vertheilung der hinteren kurzen Giliararterien repräsentirt, die ein dif- fuses Wundernetz darstellen. 3) Aus Zweigen der Carotis bildet sich ein amphicentrisches Wun- dernetz. So bei den Selachiern. In den Augenhöhlen der Vögel , der Wiederkäuer und anderer Säugethiere liegen gleichfalls Wundernetze aus Aesten der inneren Carotis. Aehnliche bilden sich auch in der Schädel- höhle und in der Nasenhöhle aus (Wiederkäuer, Pachydermen). 4) Mächtige Wundernetze stellen die Intercostalarterien und die Venae iliacae der Delphine dar. Aehnliche finden sich beim dreizehigen Faulthiere an Axillararterie und Vene. 5) Die Arterien und Venen der Eingeweide zeigen mitunter das gleiche Verhalten. Ein sehr verbreitetes Wundernetz bildet die grosse Eingeweidearterie und die Pfortader der Thunfische, und ähnliche be- sitzen einige Haie an den Eingeweidearterien und den Lebervenen. Un- ter den Säugethieren ist hier zu nennen das Wundernetz der Leberarterie des Schweines. 6) Wundernetze der verschiedensten Art finden sich an der Schwimm- blase der Fische, wo die sogenannten rothen Körper der amphicentrischen Form derselben ihre Enstehung verdanken, z. B. beim Aaale, Barsche und bei Gadusarten. Die Wundernetze an den Extremitäten von vielen Säugethieren, bald nur durch Arterien , bald aus Venen , bald aus beiden gebildet, Lymphgefässsystem. 561 machen den Uebergang zu den einfacheren Gefässgeflechten , die wegen ihrer grossen Verbreitung meist im Venensystem nicht mehr als besondere Einrichtungen zu betrachten sind*]. §■ 53. Vom Lymphgefässsystem. Mehr noch als unter den Blutgefässen die Venen durch Bildung von Sinussen und cavernösen Bäumen schliesst sich an die minder differenzir- ten Blutbahnen der niederen Thiere das Lymphgefässsystem der Wirbel- thiere an. Es stellt dies jenen Abschnitt des gesammten Kreislaufsappa- rates vor, der am wenigsten differenzirt, daher am wenigsten : eibständig ist, und sehr häufig in blossen Lücken der Bindesubstanz seine Bahnen be- sitzt, wie dies durch Leydig**) in umfassender Weise gezeigt ward. Durch grössere Ausdehnung solcher Lücken kommen wahre Lymphräume zu Stande, die den Blutlacunen der Weichthiere an die Seite zu stellen sind. Wenn diese Form bei den niederen W7irbelthieren die vorherr- schende ist und erst an den Hauptabschnitten bestimmte durch Muskel- beleg charakterisirte Wandungen auftreten, so stellen sich die Lymph- gefässe der höheren Wirbelthiere schon mehr auf die Stufe der Blutgefässe und werden sogar durch (ähnlich den Venenklappen, einen Rückfluss der Lymphe verhindernde) Klappen ausgezeichnet, so dass nur den Anfängen derselben eine mehr lacunäre Beschaffenheit zukommt. Die äussersten Aeste der Lymphgefässe treten bei allen Wirbelthie- ren in grössere, die Blutgefässe begleitende Stämme zusammen, und sammeln sich in einen oder zwei unter der Wirbelsäule liegende Haupt- canäle, die ins System der oberen Hohlvene einmünden , aber auch sonst noch mit dem Venensystem häufig verbunden sind. Weite Lymphräume sind unter den drei niederen Wirbelthierclassen sehr verbreitet, und sind namentlich bei einigen Fischen und unter der Haut mehrerer Amphibien von grosser Ausdehnung, bei letzteren auch um manche Eingeweide beträchtlich grosse Behälter darstellend. In ihrem Verlaufe verfolgen sie vielfach die Bahn der Blutgefässe, und bei Fischen, Amphibien und Reptilien umhüllen sie scheidenartig die *) Eine auf die Wundernelzbildung znrückführbare Einrichtung wurde durch Vrolik und Schrödervan derKolk an den tiefen Armvenen bei Vögeln ge- zeigt, wo die Armvenen die Art. cubitalis und radialis derart umspinnen, dass an ein- zelnen Stellen die Arterie wie in eine einzige grosse nur hie und da durchbrochene Vene eingebettet erscheint. Es sind Sa rcorhamphus , Falco , Slrix , Grus, Podiceps, Larus, Carbo und Cygnus zu nennen (Ann. des sc. nat. k.Ser. T. V.). Zahlreicher sind solche Geflechte bei Säugethieren. Dahin gehört die büschelförmige Zerlheilung der Art. brachialis, sowie der Art. iliacae und Art. sacralis bei verschiedenen Edentaten. **) Lehrbuch der Histologie des Menschen u. d. Thiere. p. 419. Cegenbaur, vergl. Anatomie. 36 562 Verlebraten. grösseren Blutgefässe, namentlich Arterien (Aorta) , so dass letztere wie in einem weiten Lymphraum eingebettet sind. Von den Wandungen der Arterie gehen dann zahlreiche Brücken zu den Wänden des Lymphraumes herüber und können bei reichlicher Entwickelung zu einer Geflechlbildung führen, welche die Arterie rings umspinnt. Die Verbindung der Hauptstämme mit dem Blutgefässsysteme findet auf verschiedene Weise statt. Bei den Fischen münden zwei Ductus tho- racici vorn indieJugularvenen, und diesen entsprechen auch die aus dem Lymphraum oder aus Geflechten entspringenden Stämme bei Amphibien und Beptilien, die sich in die Subclavia ergiessen, beiden Schlangen*) sogar mehrfache Communicationen mit dem Venensysteme darbieten. Der dop- pelte Ductus thoracicus der Vögel ergiesst sich in die VV. brachiocephalicae, der häufig Anfangs gleichfalls doppelte Lymphgang der Säugethiere**) in den Anfang der linken Vena brachiocephalica. Mit dem hinteren Abschnitt des Venensystems sind einzelne grössere Stämme des Lymphgefässsystems fast in der Begel verbunden. So geht bei den Fischen ein aus den Seitentheilen des Körpers sich sammelnder Lymphgefässstamm (Fig. 183. c c) in einen Caudalsinus (a) über, der sich mit dem der ande- ren Seite durch einen Querstamm (6) verbindet und vorn in den Anfang der Caudalvene (d) sich fortsetzt. Eine ähnliche Vereinigung mit dem Gebiete der VV. ischiadicae oder der zuführenden Nierenvenen findet bei den Amphibien, Beptilien und Vögeln statt. An den Einmündestellen in die Venen sind dieLymph- gefässe häufig erweitert, und erscheinen als sinuöse Aus- buchtungen , einfache Blasen oder von einem Trabekel- gewebe durchzogene Hohlräume. Tritt in den Wandungen noch ein Beleg von quergestreiften Muskelfasern hinzu, so entstehen contrac- tile, pulsirende Abschnitte, die Lymph herzen. Solche erscheinen bei den Amphibien, und zwar zu vieren, wie z. B. beim Frosche, wo zwei zu den Seiten des Steissbeins, zwei an der Schultergegend liegen. Die hinteren Lymphherzen besitzen die Beptilien und Vögel, bei letzteren***) nicht selten durch den Mangel des Muskelbelegs auf blosse Erweiterungen zurücksinkend. Fig. 4 83. Caudalsinus a a. Anastomosirender Querstamm 6. Seitengefässe c. und Ursprung der Caudalvene d. von Silurus glanis. (Nach H y rtl.) *) Diese besitzen nur einen einfachen Duct. thoracicus. **) Unterhalb des Zwerchfells ist der Ductus thoracicus fast immer mit einer Er- weiterung, der Cysterna chyli, versehen. ***) Die Lymphherzen oder die ihre Stelle vertretenden Räume liegen bei den Vögeln beiderseits am Steissbeine und leiten in die Venen der Schwanzgegend. — Veri-I. Stan nius in Müll. Arch. 1 843. Lymphgefässsystem. 563 Als wesentliche Bestandtheile des Lymphgefässsystems sind noch die drüsigen Theile anzuführen, die sich entweder als einfach folliculäre Be- lege an den die Blutgefässe umgebenden Lymphräumen finden, oder be- stimmter abgegränzt, als Ly rap h drüsen, grössere Anschwellungen im Verlaufe der Lymphbahnen vorstellen. Beiden Formen liegt eine und dieselbe Einrichtung zu Grunde, nämlich die Einschaltung eines die Formelemente der Lymphflüssigkeit bildenden Parenchyms in die Wan- dungen der Bahn der Ernährungflüssigkeit. Die erstere Form ist vorzüg- lich den Fischen eigen und ihre wenig auffallende Bildung war Ursache, dass man lange Zeit diesen Thieren Lymphdrüsen absprach. Nach Leydig's Untersuchungen sind jedoch derartige Bildungen nicht selten, und es hat den Anschein als ob eine Beihe bisher als eigenthümliche Or- gane beschriebener Drüsen fernerhin hierher zu rechnen seien*). Bei den Amphibien undBeptilien werden die eigentlichen Lymphdrüsen noch ver- misst und nur beim Crocodil ist eine Mesenterialdrüse beobachtet. Auch den Vögeln scheinen sie nur in beschränkter Weise (am Halse) zuzukom- men, und erst bei den Säugethieren treten sie allgemeinerauf, sowohl an dem chylusführenden Abschnitte des Lymphsystems im Mesenterium, als auch im übrigen Körper verbreitet. Bei einigen Säugethieren (z. B. Phoca , Ganis , Delphinus) sind die Mesenterialdrüsen zu einer einzigen Masse , dem sog. Pancreas Aselli vereinigt. Wie die oben geschilderten Einrichtungen des Kreislaufapparates von jenen der wirbellosen Thiere durch ihre aus jenen einfacheren Zu- ständen herausgebildete Complication sich verschieden ergeben, so treffen wir auch im Verhalten der ernährenden Flüssigkeit eine Fortbildung an, indem nur die jüngeren Entwickelungszustände der geformten Bestand- theile des Blutes, nämlich die Lymphzellen den Blutzellen der niederen Thiere homolog erscheinen. Die eigentlichen Blutzellen haben dagegen eine höhere Stufe betreten, denn sie sind die Träger des Farbstoffes ge- worden, der nun nicht mehr, wie bei Würmern noch, an die Flüssigkeit gebunden erscheint**). Dabei ist auch die Vielgestaltigkeit aufgegeben und die Form eine mehr concrete geworden, charakteristisch für die ein- zelnen Classen. Bis zu den Säugethieren hin offenbaren sie durch den Kern den Charakter der Zelle. Bei Säugethieren und beim Menschen sind die Kerne der Blutzellen nur bei Embryonen vorhanden, und die fertigen Formbestandtheile des Blutes haben die Zellenform gewissermaassen nur als ein Stadium ihrer Entwicklung. Vermöge ihres Baues müssen den Lymphdrüsen noch einige bisher gewöhnlich davon fern gehaltene Organe beigerechnet werden , nämlich die Milz und die Thymus. *) Vergl. vorzüglich Leydig, Lehrbuch der Histologie pag. 421. **) Ohne geformte Bestandtheile ist das farblose Blut von Amphioxus. Die Gat- tung Leptocephalus besitzt nach Köll iker farblose Blutkörperchen. 36* 564 Vertebraten. Die Milz ergiebt sich im Wesentlichen folgenderweise gebaut. In. einem bestimmt abgegränzten Balkengerüste von Bindegewebe verzwei- gen sich Blutgefässe und enthalten in ihrem arteriellen Abschnitte in der äusseren Haut (Tttnica adventitia) Lymphkörperchen bildende Bäume, die sich bald in längeren Strecken an und um die Arterien hinziehen , bald rundliche den Arterien ansitzende Bläschen (die sogenannten Corpuscula Malphighii) bilden, und dadurch die Verwandtschaft mit den Lymphdrüsen beurkunden. Die Bäume zwischen den Balkennetzen erscheinen als lacunenartige Erweiterungen des Venensyslems, ihr Inhalt bildet die so- genannte rothe Pulpa der Milz , durch welche allein dies Organ sich von den eigentlichen Lymphdrüsen unterscheiden würde, wenn nicht auch mit einer rothen Pulpa versehene Lymphdrüsen bekannt geworden wären, so dass also eine scharfe Gränze zwischen beiderlei Organen gerade im Wesentlichen verschwindet*). Mit Ausnahme von Amphioxus und den Myxinen**) ist die Milz bei allen Wirbelthieren vorhanden und zwar in der Nachbarschaft des Magens, bald ein einfaches längliches oder rundliches Organ von dunkelrother Farbe darstellend, bald in eine verschieden grosse Anzahl von rundlichen Läppchen zerfallend. Letzteres ist namentlich bei den Selachiern der Fall: es findet sich aber auch in den übrigen Classen in der Art, dass neben einer grösseren Abtheilung der Milz noch mehrere, ja sogar zahl- reiche kleinere Nebenmilzen bestehen , wie unter den Säugethieren be- sonders beim Delphin. Was die Thymus betrifft, so erscheint sie überall als ein aus Läpp- chen zusammengesetztes Organ, in den Läppchen dieselben Follikel ber- gend , wie sie die Milz in den Malpighi'schen Körperchen besitzt. In der Mitte des Organes findet sich ein Hohlraum, der sich bei einem acinösen Bau der Thymus auch in die Acini hinein erstreckt, jedoch nirgends in einen Ausführgang sich fortsetzt. In den unteren Classen ist die Thymus ein paariges Organ , das der einen Seite ohne Zusammenhang mit dem der anderen, bei den einzelnen Abtheilungen in sehr verschiedener Lagerung, jedoch immer so, dass es den primitiven Aortenbogen oder deren Derivaten benachbart ist. Unter den Fischen liegt sie bei den Myxinoiden weit nach hinten, am Ende der Kiemen, bei verschiedenen Knochenfischen***) nach innen am Schultergürtel und auch bei den Selachiern an ähnlichen Stellen. Daran reihen sich auch die Amphibien , bei denen sie, wie z. B. beim Frosche, hinter dem Kieferwinkel zu finden ist. Weiter nach abwärts ist sie bei *j Vergl. vorzüglich Leydigl. s. c. pag. 438. **) Nach Kölliker fehlt die Milz auch hei Leptocephalus und Helmichthys. ***) Nach Stanniusbei Gadus, Pleuronectes, Lophius. Vergl. Müll. Archiv 1850. 3£!. 501. Athmungsorgane. 565 den Reptilien gerückt, und lagert z. B. bei den Schildkröten zwischen Subclavia und Carotis. Paarig ist sie auch noch bei den Vögeln , indess sie bei den Saugethieren sich zu einem unpaaren, hinter dem Manubrium Sterni gelagerten Organe umgewandelt hat. Die grösste Entwickelung der Thymus fällt in die frühesten Lebenszustände. so dass das Organ bei den Larven der Amphibien wie bei den Embryonen der Säugethiere sein grösstes Volumen besitzt , bei den Saugethieren sogar nach der Geburt allmählich verschwindet. Nur bei den im Wasser lebenden Saugethieren. Delphinen und Phocen scheint es in ansehnlichem Volum fortzu- bestehen. §. 54. Von den A thmungsorgan en. Für die Zwecke der Respiration bestehen bei den Wirbelthieren zwei dem morphologischen Principe nach verschiedene Einrichtungen, die nur in einem Umstand, dem der Flächenvergrösserung der respirirenden Kör- perstelle mit einander harmoniren. Die beiden Möglichkeiten der Ober- flächen vergrösserung sind hier vertreten, und zwar in der Weise einander folgend, dass die eine gegen das zu respirirende Medium sich in Fortsatz- bildung erhebende Form (Kiemenbildung) als die niederste Einrichtung den niederen Typen zukommt, indess die andere, auf die Bildung von athmenden Hohlräumen (Lungen) begründete, erst in den höheren Typen Platz greift. Der Plan zu beiden Einrichtungen kommt jedoch niederen wie höheren Typen gleichmässig zu, und nur in der Entwickelung zeigen sich Differenzen , indem da , wo die Kiemen die vorwiegenden Respira- tionsorgane sind , die Lungenbildung gar nicht entfaltet wird oder ge- hemmt sich entwickelt, ja sogar zu anderen Zwecken verwendet werden kann, während die höhere Entwickelung der Lungen die geringe Aus- bildung der Kiemen, oder selbst das Fehlen derselben, und endlich sogar das Schwinden und die Umformung der ursprünglich zu den Kiemen- organen in enger Beziehung stehenden Apparate (der Kiemengerüste) zur gesetzmässigen Folge hat. Da beiderlei Organe verschiedenen Ursprungs sind , und sowohl im Plane, als in der Entwickelung kein morphologisches Moment mit einan- der gemein haben, so ist leicht ersichtlich, dass sie auch neben einander bestehen können; da aber das eine, nämlich das durch Kiemen vertre- tene eine niedere Stufe repräsentirt, so wird ihre Entwickelung eine un- gleiche sein , und es werden die Lungen da immer eine geringe oder gar keine respiratorische Bedeutung besitzen, wo neben ihnen noch Kiemen bestehen. Es ist wichtig diese morphologische Werthverschiedenheit der Kiemen und Lungen gehörig zu berücksichtigen, da nur wenige Einrich- tugnen so deutlich wie diese die allmähliche Entfaltung eines allgemeinen Bauplanes erkennen lassen. 566 Vertebraten. Von den Kiemen. Es ist diese Art der Athmungswerkzeuge ausschliesslich auf Fische und Amphibien beschränkt, bei letzteren sogar häufig nur während des Larvenzustandes vorhanden. Die Kiemen bestehen immer aus Blättchen oder Falten, oder aus büschelförmigen Fortsätzen, und liegen immer in der Nähe des Einganges des Nahrungscanais, meist so angebracht, dass die seitlichen Wände des vordersten Abschnittes des letzteren ihnen als Ursprungsstelle dienen , und dass die Mundhöhle zugleich zur Athemhöhle wird. Dadurch entsteht eine Vereinigung verschiedener Functionen an einer Körperstelle, ähnlich wie sie bei dem Athemsacke der Ascidien (pag. 354) sich dargestellt hat. Das oben bei dem Scelete geschilderte, von der Schädelbasis ausgehende, den Eingang des Nah- rungscanals seitlich umfassende Bogensystem bildet den Stützapparat der Kiemen, und die zwischen den Bogen befindlichen Spalten (Kiemen- spalten) leiten das durch den Mund aufgenommene Wasser an den Kie- men vorüber nach aussen*). Die Kiemenspalten werden bei den Knochen- fischen und Ganoiden durch einen von vorne her vom Tragapparat des Unterkiefers ausgehenden Deckel überragt, dessen knöcherne Grundlagen gleichfalls beim Scelete berücksichtigt wurden , und an den sich nach unten ein von Knochenstrahlen gestützter häutiger Deckel (die Membrana branchiostega) anschliesst, so dass sämmtliche Kiemenspalten durch eine einzige vor dem Schultergürtel gelegene Oeffnung nach aussen münden, die durch den beweglichen Kiemendeckel erweitert und geschlossen wer- den kann. Sowohl die Grösse des Deckels und der äusseren Kiemen- höhlenöffnung als auch die Grösse der Spalten erleidet vielfache Schwan- kungen**), die nicht nur nach den Ordnungen, sondern sogar nach Familien und Gattungen wechseln. Die auf denKiemenbogen nach aussen sitzenden Blättchen sind gewöhnlich dreieckig, mit der Basis festgeheftet und in zwei Reihen angebracht. Zu jedem Blättchen (Fig. \ 84 b b) tritt ein Aestchen (d) der in der Furche der Kiemenbogen verlaufenden Kiemenarte- rie (d) , die sich darin in ein Capillarnetz auflöst, aus welchem am ent- *) Hievon etwas abweichend sind die Athemorgane von Amphioxus in ihrem Verhalten zum Anfange des Nahrungsoanals. Die Mundöffnung führt nämlich in einen geräumigen weit nach hinten reichenden Athemsack (Fig. 4 68. d) , in dessen Grunde der Eingang des Darmes liegt, und an dessen Wandungen zahlreiche, arcadenförmig an einander gereihte Gitterstücke sich hinziehen , durch deren Spalten das einge- schluckte Wasser nicht sogleich nach aussen, sondern vielmehr, ganz wie bei den Tunicaten (Ascidiae) in die Leibeshöhle gelangt, um von da durch eine besondere Oeff- (Abdominalporus) (c) entleert zu werden. **) Sehr eng ist diese Oeffnung z. B. bei Mormyrus ; dann auch in der Familie der Aale. In einer hierzu gehörigen Gattung, Symbranchns, sind die beiden Kiemenöffnun- gen zu einer einzigen unter der Kehle gelegenen Spalte verschmolzen. Kiemen. 567 Fig. 181. gegengesetzten Rande des Blättchens der Ast einer Epibranchialarterie (c) sich entwickelt, deren Stamm (c) wiederum in der Furche an der Basis der Blättchen verläuft. — Während die meisten Knochenfische alle vier Kiemenbogenpaare mit doppelten Kiemenblättchenreihen*) besetzt tragen, gibt sich doch bei man- chen die allgemeine und tiefer begründete morphologi- sche Bedeutung der sogenannten Kiemenbogen durch Schwinden ihrer Kiemenblättchen zu erkennen. So können einzelne Bogen nur mit einer Blättchen- reihe versehen sein , oder die Blättchen fehlen gänzlich, so dass nur drei oder auch nur zwei wahre Kiemenbogen vorhanden sind**). Die Zahl der Kiemen kann aber auch vermehrt sein, indem an der Innenfläche des Kiemenoperculums eine Reihe Kiemenblättchen auftritt, die als Nebenkieme bezeichnet wird. Es ist diese bei Ganoiden und Chimä- ren vorhanden und wohl von den Pseudobranchie zu unterscheiden , die einer grossen Anzahl von Sela- chiern und Knochenfischen , auch mehreren Ganoiden zukommend, nur kiemenähnliche, aber stets arterielles Blut empfangende Gebilde darstellen , die meist an der oberen Wand der Kiemenhöhle befestigt sind. Das gleich- zeitige Vorkommen von Nebenkiemen und Pseudobran- chien , wie z. B. bei Lepisosteus (Fig. 176. ip.), lehrt, dass beide Gebilde morphologisch nicht identisch sein können. Die bisher geschilderte Form der Kiemenanordnung kann als die typische angesehen werden, da sie sich den einfachen Verhältnissen des Sceletes anpasst, und keine wesentlich neuen zum Zwecke der Athmung dienenden Einrichtungen hervorruft. Ihr ent- Fig. 184. Darstellung der Gefässvertheilung in den Kiemenblättchen. a. Quer- durchschnitt des Kiemenbogen. bb. Zwei Kiemenblättchen. c. Kiemenvene, c Aest- chen der Kiemenvene in den Blättchen. d. Kiemenarterie. d'd'Aestchen der Kie- menarterie in den Kiemenblättchen. (Nach Cuvier.) *) Verschieden von den übrigen Knochenfischen verhalten sich die Lophobran- chier hinsichtlich der Anordnung der Kiemenblättchen , die hier zu quastenförmigen Gruppen vereinigt die Kiemenbogen besetzt halten. *) Eine Kiemenblattreihe fehlt z. B. beiScorpaena, Scarus, Polypterus u. si w. Diodon und Tetrodon besitzen sogar nur drei vollständige Kiemen , und Lepidosiren ist nur mit 2 vollständigen Kiemen am 3. und 4. Bogen versehen, in- dem der zweite Bogen nur theilweise Kiemenblättchen trägt. Am weitesten endlich geht die Rückbildung bei Am phipnous, an dem nur der zweite Bogen eine wenig entwickelte Kieme besitzt und die übrigen sich gar nicht weiter an der Kiemenbildung betheiligen. 568 Vertebraten. spricht auch vollkommen jene Bildung der Athemwerkzeugunge, wie sie bei den Amphibien im Larvenstadium, oder auch bleibend erscheint. Modificationen dieses Grundplanes treten bei den Cyclostomen und Selachiern auf, indem hier die Kiemenblätter nicht mehr frei an den Bogen sitzen , sondern in taschenförmigen Höhlen angebracht sind , die nach innen mit der Mundhöhle, und nach aussen mittels Spaltöffnungen communiciren. Bei den Selachiern sind die Kiemensäcke, deren jederseits in der Begel 5 bestehen*), an ihrer vorderen und hinteren Wand von den festgewachsenen Kiemenblältchen besetzt und allein der letzte Kiemensack besitzt deren nur an seiner vorderen Wandung. Die- ser letztere Umstand leitet dahin, die Kiemen der Selachier auf jene der Knochenfische und Ganoiden zu reduciren , was in der Weise thunlich wird, wenn man die Blättchen der Doppelreihe vom Kiemenbogen eines Knochenfisches immer auf je zwei Kiemensäcke vertheilt sich vor- stellt, so dass die vordere Beihe je dem vorderen, die hintere Beihe je dem hinteren Kiemensacke zufällt. Der zwischen je zwei Kiemenbogen gelegene Baum würde die Höhlung des Kiemensackes bilden, dessen vor- dere Wand die hintere Blättchenreihe eines vorderen , dessen hintere Wand die vordere Blättchenreihe eines hinteren Kiemenbogens auf- nähme**). Aehnliche auf dieselben Beziehungen gegründete Kiemensackbildun- gen kommen auch bei den Cyclostomen zu Stande, sind aber hier weiter nach hinten , an die Seite des Oesophagus gerückt. Die Zahl der Kiemensäcke beläuft sich jederseits auf 6 — 7. Jeder Sack fuhrt nicht mehr durch eine einfache Spalte in den Anfangstheil des Verdauungs- apparates, sondern ist durch eine röhrige Verlängerung (innerer Kiemen- gang) mit der Speiseröhre in Verbindung. Nach aussen leitet ein ähn- licher äusserer Kiemengang. In dem Verhalten dieser beiden von dem eigentlichen Kiemensacke entspringenden Canäle bestehen mehrfache Verschiedenheiten, die jedoch wieder auf den allgemeinen Plan zurück- führbar sind. Jeder innere Kiemengang (Fig. 185, i) mündet entweder für sich am Oesophagus nach innen (Bdellostoma, Myxine) , oder es ver- einigen sich alle in ein unter dem Oesophagus gelegenes mittleres Athem- rohr, durch welches also den einzelnen Kiemensäcken das Wasser zuge- führt wird (Petromyzon). — Die äusseren Kiemengänge bieten die gleichen *) Hexanchus besitzt 6, Heptanchus 7. **) Man kann dieses Verhältniss sich recht gut noch mit Hinzurechnen der Nebenkiemen in folgendem neuerlich von Mil n e- E d wa rds angegebenen Schema versinnlichen, wo b die Kiemenblättchenreihen, B die Kiemenbogen und Kiemensäcke bezeichnen soll. B. ac. ist Nebenkieme. Knochenfische. . . B. ac. B1 Bz B3 B* Selachier 6 b | b b | b b | b b 1 b — , — ' B1 B" B3 B* B Kiemen. 569 Fig. 185. Differenzen. Sie können einzeln zur äusseren Mündung kommen (Bdello- stoma, Petromyzon) , oder jeder äussere Kiemengang (br) tritt auf seiner Seite nach hinten , wo sich alle auf jeder Seite in einen gemeinschaftlichen Canal vereinigen, der nahe an der Mittelline des Bauches seine Ausmündung (s) hat. Das Athmungsloch der linken Seite com- municirt noch durch einen Ductus oesophago- cuta- neus (c) direct mit der Speiseröhre (Myxine). — Durch diese Vereinigung der äusseren Mündun- gen der Kiemensäcke wird zugleich wieder der Plan der einfachen äusseren Kiemenöffnung der Knochen- fische und Ganoiden gefunden, und es schliesst sich damit die Reihe der Kiemenbildungen bei den Fischen ab. — Nur noch einige aus Modifikationen einzelner Abschnitte der Kiemenbogen entstandene Gebilde müssen hier erwähnt werden , nämlich solche, welche in einer Vergrösserung der athmen- den Fläche ohne Betheiligung der Kiemenblättchen f/^J^4M('r/ bestehen, und entweder labyrinthförmige oder auch ff) (u^t# c spiralförmig gewundene Höhlungen vorstellen, deren Wände mit dem respiratorischen Gefässnetze über- kleidet sind*). — Die Grundverhältnisse des Kiemenapparates be- stehen auch noch bei den Amphibien, und zwar entweder nur im Larvenzustande, als eine vorüber- gehende, provisorische Bildung , oder bleibend, in welch' letzterem Falle sie ihre Verrichtungen mit der Athmung durch Lungen theilt. Es kommen bei den Amphibien zwei Formen von Kiemen vor, näm- lich äussere als baumartig verzweigte Anhänge der Kiemenbogen, die seitlich am Halse frei nach aussen ragen, und innere, welche wie die Kiemen der Fische an den Kiemenbogen aufgereihte von einer Art Fig. 185. Athemorgan von Myxine glutinosa von der Bauchseite. 0. Oeso- phagus, i. Innere Kiemengänge, br. Kiemen, br' äussere Kiemengänge, die sich zu einem gemeinschaftlichen bei s ausmündenden Kiemengange jederseits vereinigen. c. Ductus oesophago-cutaneus. a. Vorhof des Herzens, v. Herzkammer, ab. Kiemen- arterie, an jede Kieme einen Ast abgebend, d. Seitenwaud des Leibes nach aussen und rückwärts umgeschlagen. (Nach J o h. Mülle r.) *) Diese namentlich bei den Labyrinthobranchia vorkommenden Einrich- tungen werden durch das zweite Stück des ersten Kiemenbogens gebildet. Vom vier- ten Kiemenbogen aus entsteht bei H eterotis eine spiralig zusammengerollte in die Kiemenböhle sich öffnende Röhre, die eine analoge Bedeutung besitzt. Anderer Art sind die bei Saccobranchus bestehenden taschenförmigen Ausstülpungen der Kiemenhöhle nach den Seiten des Körpers hin, an deren Bildung das feste Kiemen- gerüste sich nicht weiter betheiligt. 570 Verlebraten. Deckel überragte Blättchenbüscbel darstellen. Die letztere Form ist je- doch nur eine Fortbildung der ersteren, welche wiederum hier nicht zum erstenmale auftritt, da sie merkwürdigerweise schon bei einigen Fischen vorhanden ist und sich auch da als Vorläufer innerer Kiemen beurkundet*). Mit äusseren Kiemen sind die Larven der Batrachier und Salamandri- nen versehen ; bei den ersteren sind es nur wenig verästelte Anhänge, die (beim Frosche jederseits zu zweien vorhanden) mit dem Hervorsprossen der inneren an der äusseren Seite der Kiemenbogen in einfacher oder in Doppelreihe sich ordnenden Kiemenbüschel schwinden, so dass dann der Athmungsapparat ganz ähnlich wie bei den Fischen gestaltet ist. Niemals kommt es bei den Salamandrinen zur innern Kiemenbildung, sondern die äusseren erreichen eine grössere Entwickelung , sogar nahebei Körper- länge erreichend, wie beim schwarzen Salamander, und werden durch drei paar gefiederte vom Ursprung bis zur Spitze sich verjüngende An- hänge dargestellt, deren Rückbildung erst mit der Vervollkommnung der Lungenathmung Platz greift. In ähnlicher Gestalt und auf die Dreizahl beschränkt verbleiben die Kiemen bei den Perennibranchiaten , bei denen zuweilen, wie z. B. beim Axolotl noch eine Art von Kiemendeckel hinzukommt, der jedoch nur die Basis der vordersten Kieme überragt. Die zwischen den Kiemenbogen befindlichen Spalten bleiben mit den Kiemen gleichfalls bestehen und zeigen sich selbst noch bei einigen Salamandrinen (Menopoma), nach dem Verschwinden der Kiemen auf eine einzige jederseits am Halse gelegene Oeffnung reducirt**). Von den Lungen. In der physiologischen Verwendung dieser zweiten Grundform des Athemapparates walten dieselben Verhältnisse wie bei den Lungen vor. Wie das Gerüste des Kiemenapparates in den drei höheren Wirbelthier- classen keine Beziehungen zum Athemorgane besitzt, so entbehrt das in diesen Classen als Lunge erscheinende Organ der Beziehungen zum Athemapparate bei der Mehrzahl der Fische, und stellt einen eigenthüm- lichen wahrscheinlich hydrostatischen Apparat vor, der gewöhnlich als »Seh wi m m blase « bezeichnet wird***). *) Aeussere aus den Kiemenspalten hervorragende Kiemenfäden besitzen die Embryonen der Rochen und Haie. Unter den Dipnoi kommen sogar einige solche Fädchen als äussere Anhänge persistirend vor. **) Höchst merkwürdig sind die äusseren Kiemen eines südamerikanischen Fro- sches (Notodelphis) , indem sie hier aus glockenförmigen, mittels langer dünner Stiele von den Kiemenbogen entspringenden Organen bestehen , in denen das respirato- rische Gefässnetz sich verbreitet. Weinland in Müller's Archiv 1854. ***) Bemerkenswerth ist das Vorhandensein glatter Muskelfasern in der Wandung der Schwimmblase. Lungen. 57t Die Enstehung der Schwimmblase als eine vom Darm aus erfolgende Wucherung, ihre häufig persistirende Verbindung mit dem letzteren und endlich, was das wichtigste ist, die continuirliche Reihe von Uebergangs- formen bis zu wirklichen Lungen sichert der Schwimmblase der Fische die morphologische Gleichbedeutung mit den Lungen höherer Thiere. Wenn wir jene als Uebergangsformen bezeichneten Fälle ausnehmen, so ergeben sich zwischen Lungen und Schwimmblasen einige wichtige Verschiedenheiten. Diese bestehen in der Lagerung zum Darmrohre, und in dem Verhalten zu den zu- und abführenden Blutgefässen. Die Schwimmblase der Fische verbindet sich in der Regel mit der oberen Wand des Darmrohres, während wirkliche Lungen stets an dessen unte- ren Wandungen sich öffnen; die Schwimmblase empfängt arterielles Blut und gibt venöses ab , indess bei den Lungen das umgekehrte Ver- halten zur Norm wird. Diese Differenzen knüpfen sich aber an das Auf- geben der respiratorischen Bedeutung desOrganes, welches so weit gehen kann, dass zwischen dem Darmcanal und der Blase gar keine offene Ver- bindung mehr besieht. Man kann daher zwischen Schwimmblasen mit Luftga n g und Schwimmblasen ohn e L uftga ng unterscheiden , allein auch zwischen diesen beiden scheinbar verschiedenen Formen verwischt sich die Gränzlinie, da es Schwimmblasen gibt, bei denen der mit dem Darm sich verbindende Theil nur unwegsam geworden ist. Bezüglich der Form , der Lage und des Umfanges dieses Organs herrschen die grössten Verschiedenheiten , und auch über ihr Vorkommen bei den einzelnen Ordnungen der Fische lässt sich nichts Allgemeines angeben , da die Schwimmblase einzelnen Arten derselben Gattung zukommen , anderen wieder fehlen kann*). Die des Luftganges {Ductus pneumaticus) entbehrenden Schwimm- blasen sind am mannichfaltigsten gestaltet, bald der Quere, bald der Länge nach getheilt, oder auch mit seitlichen Ausbuchtungen oder ver- ästelten Anhängen versehen, wie solche Formen in Fig. 186. B C darge- stellt sind. Die Schwimmblasen mit Luftgang können gleichfalls in Abschnitte zerfällt sein, und zwar am häufigsten, wie bei den Cyprinoiden, der Art, dass ein vorderer und ein hinterer Abschnitt besteht, wovon der letztere den Luftgang absendet (vergl. Fig. 161 . mno). DerLuftgang mündet in der Regel in die obere Wand der Speiseröhre ein, selten seitlich oder an der unteren Wand, wie letzteres bei der nach hinten in zwei ungleich lange Schläuche getheilten Luftblase von Polypterus (Fig. 1 86. A) der Fall ist. Aber *) Durchgängig fehlt die Schwimmblase den Leptocardiern , Cyclostomen , Se- lachiern und Chimären. Bei den Dipnoi und Ganoiden ist das Organ immer vorhan- den, und bei den Knochenfischen in der Regel, so z. B. bei allen Malacopteris. Sehr wechselnd trifft es sich bei den Acanthopteris und Pharyngognathis. 572 Vertebraten. auch Verbindungen mit dem Magen bestehen, wie z. B. bei Accipenser und Clupea (Fig. 189. vn). Die Innenfläche dieser Schwimmblasen ist fast immer glattwandig, nur in einzelnen Fällen kommen zellige Vorsprünge oder maschige Bildungen vor. Diese sind am meisten aus- geprägt bei Lepisosteus , wo die äusserlich einfache Blase in zwei Längsabschnitte ge- theilt ist , deren jeder durch zahlreiche Vorsprünge wie- der in kleinere zellige Hohl- räume zerfällt. Dadurch kommen Einrichtungen zu Stande, die auf eine Ver- grösserung der Oberfläche abzielen , wie sie in höherer Ausbildung bei den eigent- lichen Lungen bestehen. Die Umwandlung der Schwimmblase in eine Lunge ist bei den Dipnoi vor sich gegangen. Die durch zwei lange Säcke dargestellte Schwimmblase mündet mittels eines unpaaren kurzen Canales in den Boden des Pharynx und besitzt im Innern maschen- artige Vorsprünge , so dass sie der Lunge von Perennibranchiaten nahe kommt. Der Luftgang wird zu einer rudimentären Luftröhre und erhält sogar eine knorpelige, einen Kehlkopfknorpel vergleichbare Stütze. Der wesentliche Umstand ist jedoch das Hinzukommen eines respiratorischen Gefässnetzes , welches, die Wandungen auskleidend, Venenblut em- pfängt, und arterielles zur Körperarterie entsendet. So werden wir zu den luftathmenden Organen der übrigen Wirbel- thiere geleitet, bei denen nicht allein die Vervollkommnung der immer paarigen Lungensäcke , sondern auch der lufteinführenden Wege eine stufenweise Ausbildung zeigt, und die Differenzirung der Function des Organs sich namentlich darin ausprägt, dass an den Luftwegen bestimmte Abschnitte zu Stimmwerkzeugen sich differenziren. Wir werden daher fernerhin die das respiratorische Gefässnetz tragenden Lungensäcke als ausschliesslich der Athmung vorstehend und die einzelnen Abschnitte der Luftwege , an welche noch andere Verrichtungen gebunden sind , zu un- terscheiden haben. * Am einfachsten, weil der inneren Vorsprünge gänzlich entbehrend, er- scheinen bei den Amphibien die Lungen der Perennibranchiaten, wäh- Fig. 186. Verschiedene Formen von Schwimmblasen. A. von Polyplerus bichir nach J. Müller. B. von Johnius lobalus. C. von Corvina trispinosa nach Cu vier und Valen cienn es. a. Anhange der Schwimmblase, b. Mündung. Lungen. 573 rend bei den Salamandern schon wabenartige Maschen auftreten, die in den Lungen derBatrachier noch vollständiger entfaltet sind. Daran reihen sich noch unter den Reptilien die Saurier und Ophidier, bei welch' letzteren die eine der Lungen verkümmert, die andere dagegen beträchtlich lang er- scheint*). Das gleiche ist auch der Fall bei mehreren schlangenähnlichen Sauriern. Bei Crocodilen und Schildkröten ist jede Lunge innerlich in eine Anzahl grösserer Abschnitte getheilt, die wieder in kleinere mehrfacher Ord- nung zerfallen, und dann entweder unter einander communiciren oder nur mit den Luftwegen in offener Verbindung , unter sich aber abgeschlossen sind. Von diesen beiden unter den Reptilien vorhandenen Formen kommt je eine in einer der beiden übrigen Wirbelthierclassen zur vollständigen Entwickelung, und bei den Vögeln entsteht durch reiche Anastomosen- bildung der in die Lunge führenden Luftwege ein schwammähnliches Parenchym , indess bei den Säugethieren durch fortgesetzte Theilung der Luftcanäle eine Zusammensetzung der Lunge aus kleinsten Läppchen sich bildet, welche für die einzelnen Bezirke in grössere Abtheilungen vereint, das ganze Organ einer zusammengesetzten, reich verzweigten Drüse ähnlich erscheinen lassen**). Die zu den Lungen führenden Luftwege bestehen immer aus einer meist dicht hinter dem Zungenbein in der Mundhöhle beginnenden Röhre, die von knorpeligen oder knöchernen Ringen gestützt wird und kürzer oder länger nach abwärts leitet, um sich in zweiAeste (Bronchi) zu spal- ten , von denen jeder zur Lunge seiner Seite tritt. Durch Modificationen einzelner Ringe am Anfange der Luftröhre (Trachea) entsteht das Gerüste des Kehlkopfes (Larynx), des Organes zur Erzeugung der Stimme. Bei den Amphibien ist noch keine Trennung in Kehlkopf und Luftröhre vorhanden , sondern der unpaare Anfangstheil der Luftwege stellt eine kurze häutige, besonders bei den Batrachiern in die Breite ent- wickelte Röhre dar , die durch verschiedenartig gestaltete Knorpelstücke *) Diese ungleiche Ausbildung der beiden Lungen zeigt sehr mannichfaltige Grade. Ein vollständiger Mangel der einen Lunge kommt vielen Giftschlangen zu. Bei Boa und Python ist die eine dagegen nur um weniges, oder nur um die Hälfte kürzer, als die andere. — Eigenthümlich ist die von H y r 1 1 entdeckte Umwandlung des Lun- genendes bei mehreren Schlangen , wo die Maschenbildung sich derart verringert, dass es nur eine sackartige Erweiterung darstellt, deren Gefässe nicht mehr zu den respiratorischen gehören, wodurch hier ein Theil der Lunge in dieser Hinsicht auf die- selbe Stufe zurücksinkt, auf der wir die Schwimmblasen der Fische trafen. **) Hinsichtlich der Lage der Lungen kann noch angeführt werden, dass sie bei den Amphibien obgleich wie überall vom Bauchfelle überzogen, ziemlich lose in der Leibeshöhle liegen. Auch bei den Schlangen und den meisten Sauriern sind sie nur streckenweise angeheftet, während bei den Schildkröten nur die vordere Wand einen Ueberzug des Peritonäums besitzt. Aehnlich verhalten sich auch die Vögel, wo sie sogar tief in die lntercoslalräume eingebettet erscheinen. Bei den Säugethieren wer- den die Lungen stets in der Brusthöhle von einem Pleuraüberzuge bekleidet, der sich häufig zwischen grössere Parthien einer Lunge hineinerstreckt und so die Entstehung von grösseren Lungenlappen hervorruft, welche wenigen Säugethieren abgehen. Zu den letzteren gehören die Einhufer, mehrere Dickhäuter und die Sirenen. 574 Vertebraten. eine feste Stütze erhält und entweder direct in die beiden Lungensäcke sich fortsetzt (Frösche) , oder in zwei häutige zu den Lungen führende Canäle übergeht. Mit der grösseren Längenentwickelung der Luftwege bei den Repti- lien tritt deren Differenzirung in Kehlkopf und Trachea auf*). Beide enthalten Knorpelringe, die entweder vollständig geschlossen oder hinten geöffnet sind. Am Kehlkopfe sind mehrere unter einander verschmolzen und stellen entweder eine grössere Knorpelplatte {Cartüago laryngea) vor oder sie sind in mehrere grössere und kleinere Stücke gelheilt, die wie bei den höheren Wirbelthieren gedeutet worden sind. So kommen drei Stücke beim Crocodile vor, wovon das grössere unpaare dem verschmol- zenen Schild- und Ringknorpel , zwei kleinere diesem aufsitzende, dem Giessbeckenknorpel entsprechen. Die aus der Theilung der Luftröhre entstehenden Bronchi gehen bei vielen Schlangen ohne bestimmte Gränze in die Lungen über, oder es ist schon die Trachea an der einen Seite mit zelligen Erweiterungen besetzt, die ein respiratorisches Gefässnetz tragen. Die Ausbildung des am Anfangstheile der Luftwege gelegenen Kehl- kopfes ist auch bei den Vögeln noch unbedeutend, obgleich die einzelnen ursprünglich knorpeligen, später ossificirenden Stücke desselben (Schild- knorpel, Ringknorpel und Giessbeckenknorpel) sämmtlich schon vorhan- den sind, und sogar noch eine Cart. epiglottica (bei Schwimmvögeln) an- getroffen wird. Die Epiglottis selbst wird nur durch eine über den Kehlkopfeingang vorragende Papille vertreten. Dagegen erscheinen Tra- chea und ihre Verzweigungen zu den Lungen in einer hohen und mannich- faltigen Entwickelung , und es kommt der grössten Mehrzahl der Vögel am unteren Ende der Trachea durch Modificationen der Knor- pelringe noch eine besondere als unterer Kehlkopf bezeichnete Einrichtung zu, wel- che zur Erzeugung der Stimme von wesent- lichem Belang ist. — Die Knorpelringe des häutigen Tracheairohrs sind in der Regel ge- schlossen und in verschiedenem Grade ossi- ficirt. An einzelnen Stellen finden sich nicht selten Erweiterungen, sowie auch mannich- faltige Krümmungen der langen Luftröhre, theils innerhalb der Crista des Sternums (Fig. 187. tr) , theils hinter dem Sternum, theils am unteren Theile des Halses beobach- tet sind, Einrichtungen , welche einzelne Fig. 187. Brustbein und Schultergürtel von Cygnus musicus von der Seite. s. Scapula. e. Hackenknochen, f. Furcula. cr.s. Crista stemi. tr. Luftröhre. *) Sehr lang ist die Trachea bei den Fluss- und Seeschildkröten , vielen Schlan- gen und mehreren Sauriern , z. B. in Iguana. Die Zahl der Ringe ist bei den Schlan- Lungen. 575 Arten aus den Ordnungen der Schwimm-, Hühner-, und Stelzvögel be- treffen *) . Eine der wichtigsten Eigenthümlichkeiten der Luftwege der Vögel besteht in der Bildung des unteren Kehlkopfes, an welchem sowohl das untere Ende der Trachea , als auch die Anfänge der beiden Bronchen betheiligt sind**). Die Form Veränderungen dieser Abschnitte bestehen zum Theile in einer seitlichen Compression oder in der Verschmelzung einiger Ringe des untersten Trachealendes , welches durch eine von dem Theilungswinkel der Bronchi aus Vorspringende knöcherne Leiste (den sogenannten Steg) halbirt wird. Dieses modificirte Ende der Luftröhre bildet die Trommel***). Vorne und hinten senkt sich der Steg jeder- seits in einen bogenförmig nach abwärts gerichteten Fortsatz , welcher eine Falte der Schleimhautauskleidung zwischen sich ausgespannt erhält: die Membrana tympaniformis interna. Zwischen dem letzten Tracheairinge und dem ersten Bronchalringe, oder auch zwischen einem Paare der letzteren, die dann gebogen ausein- ander weichen , findet sich gleichfalls eine Membran ausgespannt, die bei Annäherung der Bogen jener Ringe nach innen vorspringt und als m.Jymp. externa bezeichnet wird. Zu diesen als Stimmbänder fun- girenden Membranen kommt bei den Singvögeln noch eine vom Stege sich erhebende halbmondförmige Falte, welche je nach dem Ausbildungs- grade der Stimme verschieden entwickelt ist, so dass sie für die Gesang- bildung von Bedeutung erscheint. Sie ist eine continuirliche Fortsetzung der Membrana tympaniformis interna. Durch die an jedem der beiden Bronchi vorhandenen Stimmmembranen kommt eine doppelte Stimmritze zu Stande, deren Ränder, Stimmbänder darstellend, durch eine beson- dere Musculatur in einen verschiedenen Spannungsgrad versetzt wer- gen am beträchtlichsten; für Coluber Nalrix führt Meckel deren gegen -1 00 , für Crotalus durissus ungefähr 300, für Python tigris über 350 an. *) Die Erweiterung der Luftröhre ist bei vielen Enten und zwar nur bei den Männchen vorhanden. Bei Mergus merganser, Anas crecca, ruftna , histrionica etc. sind zwei erweiterte Stellen vorhanden. — Bei Kranichen und mehreren Schwänen liegt die Trachealwindung in der ausgehöhlten Sternalcrista ; unter der Haut lagert sie beim Auerhahne und mehreren Penelopiden. Merkwürdig ist auch die Längstheilung der Trachea in zwei Canäle bei Sturm- vögeln an der unteren Hälfte, bei den Pinguinen fast im ganzen Verlaufe. — Die Länge der Trachea richtet sich nach der Länge des Halses, und damit steigt auch die Zahl der Ringe, deren für den grauen Reiher 200, für den Kranich und Flamingo sogar 350 angegeben sind. **) Sehr selten kommt dies nur durch die Trachea oder nur durch die Bronchi zu Stande. — Man unterscheidet demnach einen Larynx trachealis, L. bronchialis und L. broncho-trachealis. ***) Blasenartige Erweiterungen der Trommel , wie Resonanzapparate wirkend, einseitig oder doppelseitig, in Form knöcherner , zuweilen mit Fenstern versehener Kapseln kommen in sehr wechselnder Ausbildung verschiedenen Schwimmvögeln [Mergus, Anas) zu. 576 Vertebralen. Fig. 188. den. Nach dieser Richtung können erstlich die allgemein den Vögeln zu- kommenden mm. sterno-tracheales und ypsilo-tracheales (von der Furcula entspringend) als Niederzieher der Luftröhre, somit Erschlaffer der Kehl- kopfmembranen thätig sein , zweitens bestehen noch besondere nur be- schränkt vorkommende Muskeln , von denen die mm. broncho-tracheales und die dem unteren Kehlkopfe aus- schliesslich angehörigen 5 — 6 Sing- muskelpaare der Singvögel anzu- führen sind*). Dieser bei ausgezeich- neten Sängern relativ sehr mächtig entfaltete Apparat besteht vorne aus zwei, hinten aus drei theils als Heber, theils als Senker einzelner Abschnitte des unteren Kehlkopfes wirkenden Mus- kelpaaren**). Die stützenden Ringe begleiten jeden Bronchus bis zum Eintritt in die Lunge, worauf sie unter Erweiterung des Bron- chus allmählich verloren gehen. Sowohl in der Verlängerung der Eintrittsrichtung des Bronchus , als auch von seinen seitlichen Wänden geht ein System von parallel mit ein- ander verlaufenden Aesten ab , die sich gegen die Oberfläche der Lunge begeben , nachdem unterwegs von ihnen zahlreiche feine ins Lungen- parenchym verlaufende Zweige rechtwinklig abgetreten sind , die unter- einander direct oder durch abermalige Verzweigung communiciren. Jene Aeste des Bronchus sind es, welche einem wiederum nur den Vögeln zu- kommenden pneumatischen Apparat vorstehen. Es wird dieser im Allgemeinen aus häutigen zwischen die Eingeweide gelagerten oder in die Scelettheile eindringenden Säcken gebildet, die mit den an die Oberfläche der Lunge tretenden Bronchialröhren communicirend, von dort aus mit Luft gefüllt werden und so zu einer das Flugvermögen unterstützenden specifischen Erleichterung des Körpers wesentlich beitragen. Einrichtun- gen dieser Art, auf der Respiration fremden Verlängerungen der Lungen beruhend, sind schon bei den Reptilien (Chamäleon, Schlangen) angedeutet, Fig. 488. Unterer Kehlkopf. Singmuskelapparat des Ra b en. A von der Seite. B. von vorne gesehen, a-f. Muskeln zur Bewegung des unteren Kehlkopfes, g.mem- brana tympaniformis . *) Die mm. broncho-tracheales finden sich bei den Raubvögeln, bei den Tauben, einigen Klettervögeln (Picus, Alcedo, Upupa) und Schwimmvögeln (Anas, Mergus). Der eigentümlich construirle des Steges entbehrende Kehlkopf der Papageien besitzt drei Muskelp.aare, wovon zwei auf die m. broncho-tracheales reduciit sind. **) Für die Anatomie des unteren Kehlkopfes der Vögel und des Singmuskel- apparates sind von Bedeutung: Savart, in Fror. Notizen 1827. Job. Müller, Handb. d. Physiologie. Bd. 2. pag. 225. Abhandl. d. Berliner Academie 4847. Lungen. 577 ja man kann gerade diese Bildungen als die Vorläufer des bei den Vögeln zu hoher Ausbildung kommenden pneumatischen Apparates ansehen, und findet so wenn auch unter veränderten Umständen wieder dieselben Mit- tel zu demselben Zwecke verwendet, wie bei den Tracheenblasen der Insecten. — Die Luftbehälter finden sich in nahezu beständiger Zahl (9) theils am Halse, theils in der Brustgegend und im Abdomen vertheilt, und senden Verlängerungen in die nach dem Schwinden des Markes auftretenden Hohlräume der Knochen. So ist also wie bei einer andern Abtheilung fliegender Thiere, den Insecten nämlich, der ganze Körper von einem luftführenden Hohlraumsystem durchzogen*). Bei den Säuge thieren tritt das System der Luftwege wieder auf die einfacheren Verhältnisse zurück, auf welchen es die unter den Vögeln stehenden Classen aufweisen. Eine Weiterbildung gibt sich nur in der selbständigeren Entfaltung der einzelnen Abschnitte zu erkennen, und es spielt unter diesen namentlich der von der Luftröhre scharf gesonderte Kehlkopf als Stimmorgan eine wichtigere Rolle, als dies bei den übrigen Classen der Fall war. Die einzelnen Knorpel des Kehlkopfes sind wie beim Menschen vorhanden, nur Höhe, Breite und Art der Verbindung zeigen nach den Ordnungen wechselvolles Verhalten. Bemerkens werth ist die Bildung von oberen und unteren Fortsätzen (Hörnern) am Schild- knorpel, mit denen er nach oben dem Zungenbeine, nach unten dem Bingknorpel sich anfügt**). Der Ringknorpel geht mehr in die Bildung *) Die neun Luftbehälter vertheilen sich so, dass zwei nur von der Haut bedeckt seitlich am Halse liegen (Cellae aereae cervicales). Dazwischen und von der Furcula umfasst, lagert sich ein unpaarer, in den von beiden Lungen her ein Bronchusast einmündet. Dann folgen die zwei grossen Cellae abdominales , die mit dem oberen Endaste des Hauptbronchus in Verbindung stehen, und sich bis ins Becken hinab er- strecken. Endlich sind noch jederseits zwei Cellae diaphragmaticae vorhanden, welche vom zweiten und dritten Hauptaste der Bronchen versorgt werden und die seitlichen und hinleren Räume der Thoraxhöhle füllen. Die vorderen sind die grösseren , die hinteren unansehnlich. Die Verlängerungen für die Knochenräume gehen nur von den drei erst erwähnten Luflbehältern aus. Die Abdominalzellen versorgen Wirbelsäule, Beckenknochen und Fernur. Die Cervicalzellen senden Fortsätze zu den Halswirbeln , und auch solche nach abwärts zu den Rückenwirbeln, mit denen die Abdominalbehälter in Verbindung stehen. Oben erstrecken sie sich bis zum Schädel. Von der cella clavicularis endlich werden Schul- tergürtel, Armknochen und Sternum versorgt. Die Ausbildung dieses pneumatischen Apparates erleidet nach dem Entwicke- lungsgrade des Flugvermögens mehrfache Schwankungen ; so entbehrt bei dem Strausse der Humerus einer Lufthöhle, und bei den Pinguins sind sogar sämmtliche Knochen ohne Verbindung mit dem Athemapparate, während ausgezeichnete Flieger, z. B. die Fregattvögel eine Verbreitung von Lufträumen im ganzen Scelete nach- weisen lassen. **) Am beständigsten sind die unteren Hörner. ■ Die oberen fehlen den Cetaceen, oder sind nur ausserordentlich kurz. Bei Halicore fand Owen den Schildknorpel aus zwei Lamellen bestehend. Gegeubaur, vergl. Anatomie. 37 578 Vertebraten. der Tracheairinge ein, indem er bei den Cetaceen wie jene vorne geöffnet erscheint, und bei manchen sogar mit seiner hinteren Platte den Tracheai- ringen continuirlich verbunden ist. Ausser den beständig vorhandenen Giessbeckenknorpeln kommen noch häufig die Wrisberg'schen Knorpel vor, denen noch einige am menschlichen Kehlkopf nur zum Theile vorhandene Knorpelstückchen beigefügt werden können, die theils auf der Spitze der Cart. arytaenoideae (als Cart. Santorinianae) , theils zwischen Giessbecken- knorpel und Ringknorpel (als Cart. interarticulares) vorkommen. Die Epiglottis erreicht überall eine ihrer Bedeutung angemessene Ausbildung und wird mit Ausnahme der Cetaceen durch ein discretes Knorpelstück gestützt. Die unter den Amphibien schon bei den Batrachiern , unter den Reptilien bei Eidechsen (Chamäleon , Platydactylus) und Crocodilen zum Vorschein gekommene Bildung von Stimmbändern ist bei den Säuge- thieren eine vollkommene geworden, indem zu dem bisher nur einfachen Paare noch ein zweites, den oberen Stimmbändern des Menschen homo- loges Paar hinzutritt*). Am Kehlkopfe mancher Säugethiere sind noch besondere Resonanz- apparate angebracht; häutige Säcke, die mitunter zwischen Ring- und Schildknorpel oder zwischen Schildknorpel und Zungenbein mit dem Kehlkopfe communiciren, und die bei den Brüllaffen wenigstens auf Er- weiterungen der Morgagnischen Taschen zu reduciren sind**). Die an den Kehlkopf sich anschliessende Luftröhre ist überall von Knorpelringen gestützt, die nur in den seltenen Fällen die in den früher betrachteten Classen vorhandene ^vollständige Ringbildung aufweisen, vielmehr in der Regel hinten offen sind, so dass hier die Trachea nur von Weichtheilen abgeschlossen wird. Die beiden aus der Theilung hervor- gehenden Bronchi besitzen denselben Bau wie die Trachea selbst, ver- lieren aber nach ihrem Eintritte in die Lungen unter allmählicher Ver- zweigung die Ringform der stützenden Knorpel, bis endlich diese in den feinsten Verzweigungen gänzlich geschwunden sind***). *) Die Ligamenta vocalia fehlen nur den Walfischen gänzlich , und auch die obe- ren sind nicht immer vorhanden. Nur Lig. vocalia inferiora besitzen die meisten Wiederkäuer und andere. Da, wo noch obere Stimmbänder existiren, sind sie immer weniger ausgebildet, als die unteren. **) Bei Mycetes sind drei solcher Säcke vorhanden , wovon der mittlere in den zu einer knöchernen Kapsel umgebildeten Zungenbeinkörper sich einbettet. Aber auch viele andere Affen sind mit solchen Ausbuchtungen der Kehlkopfhöhle versehen. Die- sen ähnlich ist der Kehlkopfsack einiger Antilopen und des Rennthiers. — ***) Für die Länge der Luftröhre und die Zahl der Knorpel ist die Länge des Hal- ses maassgebend wie bei den Vögeln. Die geschlossene Hingbildung der letzteren zei- gen u. a. einige Beutler und Nagethiere, z. B. der Biber. Die grössten Eigentümlich- Harn- und Geschlechtsorgane. 579 An die Athemwerkzeuge ist noch ein Organ anzufügen , welches in seinem functionellen Werthe zwar keine Beziehungen zu jenem Systeme hat erkennen lassen, jedoch seiner Lage wegen und in Ermangelung einer besseren Stellung wohl hierhergezogen werden darf. Es ist die Schild- drüse (Glandula thyreo idea) , ein in allen Wirbelthierclassen erkanntes und auch gleichmässig gebautes (d. h. stets aus geschlossenen Follikeln bestehendes) Organ, welches unter den Fischen bei denTeleostiern aus traubigen in der Umgebung der vom Arlerienbulbus ausgehenden Kie- menarterien lagernden Läppchen besteht, und auch bei Stören und Se- lachiern noch diese Lage anfweist , obschon es hier eine unpaare mehr rundliche Masse darstellt. Sehr weit nach vorne gerückt und hufeisen- förmig gestaltet ist sie bei Mustelus laevis. Unpaar ist sie bei den Am- phibien nur im Proteus gefunden, während die übrigen, sowohl ge- schwänzte wie ungeschwänzte, sie als paarige Anhänge der zu der Zunge führenden Gefässe wahrnehmen lassen. Am meisten ist das Zerfallen dieses Organes beim Frosche bemerkbar, da hier jederseits mehrere (3) lose bei einander liegende Follikel die Schildrüse repräsentiren. Auch bei den Vögeln ist sie noch ein jederseits in der Nähe der grossen Halsgefässe lagerndes Organ, aber bei den Reptilien schon ist sie wie- der einfach und lagert am Austritte der grossen Gefässe aus dem Herz- beutel. Ihre Beziehungen zum Kehlkopfe geht sie erst mit den Säuge- thieren ein, zeigt aber hier bei Monotremen, Beutelthieren und manchen anderen , sogar beim Orang, ihre über die anderen Gassen viel weiter ausgedehnte Duplicität, die auch da, wo das Organ ein unpaares ge- worden ist, noch durch die mächtigere Entwickelung der Seitentheile ausgedrückt sich findet. — §. 55. Harn- und Geschlechtsorgane. Die Vereinigung der Organe der E^crelion und der Fortpflanzung zu einem nicht allein in der ersten Anlage einheitlichen , sondern auch im ausgebildeten Zustande durch das Gemeinsame der Ausführwege verbun- keiten besitzt die Trachea der Cetaceen. Bei den meisten derselben sind die Ringe spiralig unter einander zusammenhängend, welche Bildung sich auch auf die Bronchi und deren Verzweigungen fortsetzt. Die obersten Tracheairinge sind dabei gewöhnlich vorne offen, und bei Balaena dehnt sich dies Verhältniss über sämmtliche Ringe aus. Hin und wieder zeigen auch andere Säugethiere einzelne Ringe in diesem Zu- stande. Für die Stimmorgane der Säugethiere siehe L. W o 1 f f, De organo vocis mamma- lium diss. Berol. 1812. Brandt, Observaliones anatomicae de mammalium quorundam praesertim quadrumanorum vocis inslrumento. Berol. 4 826. Für den Kehlkopf der Wir- belthiere im Allgemeinen : Henle, Vergleichend, anatom. Beschr. d. Kehlkopfes mit besonderer Berücksicht. d. Reptilien. Leipzig 1839. 37* 580 Vertebraten. denen Organsysteme bildet eine der wesentlichsten Eigentümlichkeiten im Organisationsplane der Wirbelthiere , welcher unter den Wirbellosen kaum etwas ähnliches zur Seite gestellt werden kann. Die betreffenden Organe sind sämmtlich symmetrisch angelegt, männliche und weibliche Geschlechtswerkzeuge auf verschiedene Indivi- duen vertheilt, und nur ausnahmsweise kommt eine wahre Zwitterbildung in den untersten Classen zum Vorschein. Die richtige Würdigung einzelner scheinbar sehr abweichender Or- ganisationsverhältnisse in den einzelnen Classen , sowie das Verständniss des ganzen Plans erfordert ein Zurückgehen auf die früheste Bildungs- geschichte der Harn- und Geschlechtswerkzeuge, und wir können jene auch in einer der höheren Classen zum Ausgange wählen, um den ganzen Formenreichthum der beiden Apparate in den Classen der Wirbelthiere daraus zu entwickeln und zu erläutern. Die Uranlage der Harn- und Geschlechtsorgane der Wirbelthiere be- steht in einem sehr frühe vor der Wirbelsäule auftretenden Drüsenpaare, dessen innen blindgeendigte Canälchen in einem je am äusseren Rande verlaufenden Ausführgang zusammentreffen. Die Drüse, als Wolff 'scher Körper bezeichnet, fungirt als das erste Excretionsorgan , und hat daher den Namen »Primordialniere« oder »Vorniere« erhalten*). Die bleiben- den Nieren entstehen unabhängig von den Vornieren , über denselben und gleichfalls beiderseits von der Wirbelsäule, und senken ihre Ausführ- gänge in die am hintersten Abschnitt des Rumpfes am Darmende hervor- sprossende Allantois, die namentlich bei Säugethieren zu einer mächtig ausgedehnten , die Nabelgefässe zur Placenta tragenden Blase wird, und mit ihrem stielartigen Anfangstheile (Urachus) später zur Harnblase sich gestaltet. An der Innenseite jeder Vorniere entsteht ein rundliches oder ovales Körperchen, die erste Anlage der Keimdrüse, und über die Vorniere zieht sich quer ein oben blind geschlossener Canal (der Müller'sche Gang) hinweg. Die mit der Ausbildung der bleibenden Nieren ihre ursprüng- liche Bedeutung verlierende Vorniere geht nun wesentliche Veränderun- gen ein, die alsbald nach den jetzt noch indifferenten Geschlechtern sich unterscheiden. Beim männlichen Geschlechte schwindet ein Theil ihres oberen Abschnittes , und der mittlere Theil verbindet sich mit der am Innenrande jeder Vorniere aufgetretenen Anlage der Keimdrüse , die sich zum Hoden umbildet, und wird so zum Nebenhoden, indess der Aus- *) Dies von C. F. Woi ff entdeckte, vonOken, Jacobson, Rathke und J. Müller in seinen verschiedenen Beziehungen näher erforschte Organ ist jetzt un- ter allen Wirbelthierclassen bekannt, nachdem es von Reicher t noch bei den Fischen aufgefunden wurde. lieber die Enlwickelung dieser Organe ist Hauptwerk: J.Müller, Bildungs- geschichte der Genitalien aus anatomischen Untersuchungen an Embryonen des Men- schen und der Thiere. Düsseldorf 4830. ; Excretionsorgane. 581 führgang zum Vas deferens wird. Die untersten Canälchen der Vorniere, welche nicht mit dem Hoden in Verbindung treten , schwinden zum Theile oder gestalten sich zu einem Vas aberrans, während der Müller'sche Gang im Allgemeinen keine weitere Entwicklung nimmt, sondern all- mählich mit Zurücklassung seines obersten zur Morgagni'schen Hydatile werdenden Ende verschwindet, oder höchstens noch mit seinen unteren in den Sinus urogenitalis einmündenden, unter einander verschmolzenen Enden persistirend. Wenn die indifferente Anlage der Geschlechtsorgane sich in die weib- lichen Organe umwandelt, bildet sich die Keimdrüse zum Ovarium aus, und die Vorniere verkümmert sowohl in ihrem Körper als Ausführgange oder es bleiben nur unbedeutende Reste des ersteren in Form von Canä- Jen persistiren, die vom Ovarium ausgehen und bei den Säugethieren die breiten Mutterbänder als Gartner'sche Canäle durchziehen, das Analogon des Nebenhodens im männlichen Geschlechte*). Dagegen erlangt hier der Müller'sche Gang eine grössere Ausbildung und wandelt sich am oberen Abschnitte in die Eileiter um , indess seine unteren mit einander sich verbindenden Enden zum Uterus werden. Harn- und Geschlechtsorgane münden dann mit ihren zu einer besonderen Gavität — dem Sinus uro- genitalis — vereinigten Enden gemeinschaftlich in den letzten Abschnitt des Enddarms, der so zur » Cloake « wird. In einer weiteren Differenzirung rückt dieGränzwand zwischen Sinus urogenitalis und dem Endstücke des Darms weiter nach aussen vor, so dass die Cloake dadurch sich immer mehr verkürzt und Rectum wie Urogenitalcanal selbständig und getrennt auf der Körperoberfläche sich öffnen. Diese aus der allmählichen Differenzirung in der individuellen Bii- dungsgeschichte einander folgenden Zustände erscheinen uns in der Reihe der Wirbelthiere als der Ausdruck eben so vieler einzelne Abtheilungen charakterisirender definitiver Einrichtungen, so dass auch hier im vollen- deten Zustande sich ferner stehende Organisationen durch die Entwicke- lung eng mit einander verknüpft sind. Wenn nun aber auch nach dem eben skizzirten Entwickelungsgange der gesammte Urogenitalapparat im Allgemeinen als ein Ganzes gefasst werden muss, und namentlich die Ausfuhrwege der Harnorgane in inni- ger Verbindung mit den Geschlechtswerkzeugen sich finden , so erheischt doch eine Reihe von Eigenthümlichkeiten in den Beziehungen beider eine getrennte Betrachtung, ohne dass dadurch der morphologische Nexus be- einträchtigt wird. a) Excretionsorgane. Die unter dem Namen der »Nieren « bekannten harnabsondernden Drüsen finden sich bei allen Wirbelthieren — vielleicht den einzieen *) Vergl. Kobelt, Der Nebeneierstoek des Weibes. Heidelberg, 4 857. 582 Vertebraten. \ Amphioxus*) ausgenommen — als paarige unter dem Rückgrale gelagerte, vom Bauchfelle überkleidete Organe, die jederseits einen Ausführgang, den Harnleiter, absenden, und diesen entweder direct nach aussen oder in die Gloake, oder zuvor noch in einen besonderen Behälter, die Harnblase, sich einsenken lassen. Die einfachsten Verhältnisse bieten unter den Fischen die Nieren der Myxinoiden dar, da hier jederseits ein langer einfacher Harnleiter von Stelle zu Stelle ein Canälchen absendet, welches an seinem sackartig er- weiterten Ende nach nochmaliger Verengerung sich zur Aufnahme eines Gefässknäuel wieder ausdehnt und so jedesmal eines jener Malpighi'schen Körperchen darstellt, die für den feineren Bau der Wirbelthierniere über- haupt charakteristisch sind. Es erscheint hier die Niere gewissermaassen in ihre Elemente zerlegt, und die Theile (Malpighi'sche Glomeruli und Harncanälchen) , welche später in grösseren Mengen dicht an einander gedrängt diese Drüse zusammensetzen , erscheinen hier gleichsam aus- einandergezogen und nur durch den gemeinsamen Ausführgang vereint. Die beiden Ureteren münden einfach in den Porus genitalis. Bei Petromyzon wie bei den übrigen Fischen bilden die Nieren compactere Drüsenorgane , die auf verschieden grossen Strecken unter- halb der Wirbelsäule von dem häufig durch aponeurotische Membranen verstärkten Bauchfelle überkleidet sich hinziehen. Diese Ausdehnung ge- schieht bald längs der ganzen Leibeshöhle, bald beschränkt sie sich auf den mittleren und hinteren Abschnitt ; in einigen Fällen ragen die Nieren selbst in den Canal derHämapophysen ein (Gadiden). Bei vielen Knochen- fischen stellen die Nieren im Allgemeinen lange und schmale Organe vor; bei manchen neigen sie sich zur Lappenbildung, indem bald der vordere, bald der hintere Abschnitt des Organs massiger entwickelt ist, bei den Selachiern und bei Lepidosiren ist eine solche Sonderung durch Windun- gen der Oberfläche angedeutet. Sehr verschiedenartig sind die Verhältnisse der Ausführwege, und es ist ausserordentlich schwierig die bestehenden Einrichtungen auf das zu Grunde gelegte Entwickelungsschema des Urogenitalapparates der Wirbelthiere zu reduciren, da bei vielen Teleostiern gar keine Beziehun- gen zu den Geschlechtsorganen wahrzunehmen sind, obgleich die Existenz einer Primordialniere in den früheren Entwickelungsstadien dargethan ist. Es hat so den Anschein, als ob Harn- und Geschlechtswerkzeuge wenigstens bei einem Theile der Fische (Teleostier) von einander unab- hängig hervorgehen**). *) Im hintersten Theile der Bauchhöhle in der Nähe des Porus abdominalis liegen mehrere von einander getrennte drüsige Körperchen, die nach J. Müller vielleicht als Nieren sich herausstellen. **) Aus dem Baue der Geschlechtsorgane der Chimären und Selachier dürfte hervorgehen, dass die Nieren dieser Fische den späteren Nieren der Wirbelthiere 1 Excretionsorgane. 583 Die Harnleiter der Fische liegen entweder eine Strecke weit in den Nieren verborgen (die meisten Teleostier) , oder sie verlaufen am äusse- ren Rande derselben, z. B. bei Petromyzon. Beim Störe treten sie an- fänglich am Aussenrande liegend auf der Vorderfläche der Nieren weg, auf diesem Verlaufe von Stelle zu Stelle noch Harncanälchen auf- nehmend, und bei den Selachiern treten von den einzelnen Abschnitten der Niere stärkere Harncanäle zu dem am Innenrande verlaufenden Ureter. Die beiden Harnleiter vereinigen sich in der Regel nach kürzerem oder längerem Verlaufe zu einem gemeinsamen Ausführgange (Urethra) , der dann entweder hinter der Geschlechtsöffnung (die meisten Knochenfische) oder mit der letzteren ausmündet, immer jedoch hinter der Analöffnung liegt. Bei verschiedenen Teleostjern , wie auch bei Petromyzon liegt die Harnröhrenmündung an der Spitze einer Papille. Schon bei einigen Knochenfischen (z. B. Lophius) durchbohrt die Urethra die hintere Wand des Rectum, und bei den Selachiern und Chimären erscheint diese Um- wandlung des letzten Abschnittes des Rectum zu einer Cloake als die Regel, welcher auch die Ganoiden in sofern folgen als After und Mündung der Urethra (eigentlich Canalis urogenitalis , da hier wie bei Selachiern auch die Geschlechtswerkzeuge einmünden) nahe bei einander in einer grubenförmigen Vertiefung gelagert sind ; daran schliesst sich endlich auch Lepidosiren an , bei dem jeder Harnleiter seitlich in die Cloake mündet. Die Ausführwege des Harns zeigen an verschiedenen Stellen oft be- trächtliche Erweiterungen, die man als Harnblasen angesehen hat*). Solche können entweder an jedem Harnleiter für sich bestehen (Selachier) und lassen erst an ihrer Vereinigung den Harngang hervorgehen , oder es entsteht die blasenartige Erweiterung erst an der Vereinigungsstelle, oder sogar eine Strecke weit davon entfernt (mehrere Knochenfische, Chimären). Endlich kann als dritter Fall eine Combination der beiden vorhergehenden stattfinden , und es erscheint eine Harnblase mit zwei Hörnern, die oben in die Ureteren übergehen (Ganoiden)**). Sowohl in Grösse und Form , als auch in vielen speciellen Einrichtungen bieten sich vielerlei Verschiedenheiten dar***). entsprechen , sowie die Nieren der Ganoiden aus demselben Grunde morphologisch den Primordialnieren sich gleichstellen. Vergl. darüber Näheres bei den Geschlechts- organen. *) Die Harnblase der Fische ist morphologisch nicht mit jener der Säugethiere identisch, da sie bei den letzteren aus einem im Körper des Embryos verbleibenden Abschnitte der Allantois hervorgeht und Fische wie Amphibien ohne Zustandekom- men einer Allantois sich entwickeln. **) Spatularia, Lepisosteus. ***} Es können von diesen namentlich jene Formen hervorgehoben werden, die durch Ausbuchtungen entstanden sind, wie bei einigen Gadusarten. In der Regel ist 584 Verlebraten. V Unter den Amphibien rindet sich eine eigentümliche Bildung des Harnapparates verbreitet, indem die Niere (Fig. 190. r) von einem gros- sen Theile derPrimordialnieren dargestellt wird, von welch' letzteren nur ein vorderer Abschnitt verschwindet, oder doch zu einem nicht weiter in der früheren Richtung functionirenden Organe sich rückbildet. Was die Lage der immer paarigen Nieren angeht, so finden wir sie jenen der Fische gleich , zu beiden Seiten der Wirbelsäule verschieden lang in der Leibeshöhle sich ausdehnend , im Ganzen dem Umfange der letzteren einigermaassen adaptirt. Nach vorn zu sind sie allmählich abgeflacht, werden dünner und an ihrem äusseren Rande treten zahlreiche Vasa efferentia ab (Fig. 1 90. u) , die nach hinten allmählich in einen grossen weiten Ganal sich vereinigen, und bei den Weibchen mit den am äusse- ren Rande gelegenen Eileitern (Fig. 190. A od), bei den Männchen mit einem gleiche Lage und Länge besitzenden engeren Canale (Fig. 190. Bc) vereinigt in die Cloake ausmünden. Ihrer morphologischen Bedeutung gemäss (als perennirende Wolff'- sche Körper) stehen die Amphibiennieren in enger Beziehung zum Ge- schlechtsapparate, indem bei den Männchen die Vasa efferentia des Hodens in je eine Niere sich einsenken und mit den Harncanälchen sich verbin- dend die Harnwege zu Ausfuhrgängen des Samens stempeln. Eine Harnblase findet sich bei allen Amphibien, steht jedoch nur mit der Cloake in Verbindung, an deren vorderen Wand sie entspringt, und sich von hier aus oft beträchtlich (zweihörnig bei Salamandrinen) nach vorn erstreckt. Die Nieren der Reptilien, wie jene der höheren Wirbelthiere ent- sprechen morphologisch nicht mehr den perennirenden Primordialnieren der Amphibien, indem sie selbständig von jenen ihren Ursprung nehmen. In Form und Lage zwar ergibt sich bei den Reptiliennieren noch viel Gemeinsames mit jenen der unteren Classen , indem sie meist längliche und abgeplattete Körper darstellen, die seillich der Wirbelsäule gelagert, vom Bauchfelle überzogen sind. Bei Sauriern , Crocodilen und Schild- kröten (Fig. 191. r) liegen sie weit nach hinten, der Cloake benachbart, bei den Schlangen weiter davon entfernt, und zugleich mehr in die Länge gestreckt; durch die Bildung von Windungen oder sogar von Lappen (letzteres bei den Schlangen) bewegt sich ihre Form in einer grösseren Mannichfaltigkeit. Die Harnleiter (Fig. 171. u) sind entweder am Innen- rande der Nieren gelagert , von Stelle zu Stelle grössere Harncanäle auf- nehmend (z.B.Schlangen, Schildkröten), oder sie verlaufen grösstentheils die Harnblase der Teleostier oval und erscheint als eine Aussackung des Harnganges (Urethra). Vergl. über die Harnwerkzeuge der Fische: Rathkein Müll. Archiv 1837, p. 475, dann Beiträge zur Geschichte der Thierwelt Bd. IV. Hyrtl in den Denkschr. d. Wiener Acad. Bd. I. Fortpflanzungsorgane. 585 im Nierenparenchym (z. B. Saurier, Grocodile) ; in allen Fällen münden sie gesondert in die Gloake aus, und da , wo eine Harnblase besteht, wie bei Sauriern und Schildkröten, entspringt diese, ähnlich wie es von den Amphibien gezeigt ward, von der vorderen Wand der Gloake, oder sie ist dem einem Sinus urogenüalis entsprechenden Abschnitte angefügt (z. B. bei Schildkröten Fig. 191. v). Die Nieren der Vögel (Fig. 192. rr) sind in die Vertiefungen zwi- schen den Querfortsätzen der Sacralwirbel eingebettet, und zerfallen auch ausserdem noch in mehrere grössere Abschnitte von verschiedener Anzahl*). Aus diesen entspringt der Harnleiter und verläuft ander Vorder- fläche jeder Niere nach abwärts zu dem in die Gloake mündenden Sinus urogenüalis, wo er nach innen von den Ausführwegen der Geschlechts- organe ausmündet. Eine Harnblase fehlt. Auch die Harn Werkzeuge der Säugethiere bieten in ihrer Form- erscheinung wenig Differenzen dar. Die Nieren treten immer in Ueber- einstimmung mit denen des Menschen als compacte , aber in der Gestalt viel weniger als bei den Vögeln von den umgebenden Theilen abhängige Drüsen auf, die ursprünglich immer aus zahlreichen, am Nierenbecken unter einander verbundenen Läppchen bestehen und diese Gestaltung in manchen Ordnungen beibehalten, so dass sie z. B. bei den Delphinen (Fig. 194.r) und Phoken eine beerenähnliche Oberfläche besitzen. Durch eine meist völlige Verschmelzung der embryonalen Läppchen entstehen dann höckerige Nieren , wie sie bei manchen Raubthieren , auch beim Rinde u. a. zu treffen sind. Eigenthümlich bei allen ist die gegen die Nierenkelche gerichtete Papillenbildung der einzelnen verschmolzenen oder getrennten Läppchen, wobei im Ganzen nur unwesentliche Abwei- chungen von der menschlichen Einrichtung vorkommen. Das gleiche gilt auch vom Nierenbecken und den Harnleitern. Die letzteren münden in den Hals oder, wie es bei wenigen Nagern**) der Fall ist, über dem Halse der niemals fehlenden Harnblase aus. §• 56. b) Von den Organen der Fortpflanzung. Bei den Geschlechtswerkzeugen der Wirbelthiere sind zunächst die oben schon mehrfach hervorgehobene Verbindung mit den Ausführwegen der harnbereitenden Drüsen, die symmetrische Anlage und die bei mehreren Glassen deutlich hervortretenden , auf beiderlei Geschlechter *) In der Regel sind 3 Lappen vorhanden. Häufig kommen Verbindungen zwi- schen beiden Nieren vor. Dies trifft namentlich die hinteren Lappen der Singvögel. **) Dieses Verhältniss zeigen die Hasen ; aber auch Hyrax. 586 Vertebraten. berechneten Ausführwege als Eigen thümlichkeit zu berücksichtigen. Während die eigentlichen Zeugungsdrüsen bei einfacherem Baue ziemlich gleichartig durch die ganze Reihe der Wirbelthiere hindurchlaufen , sind es — ganz ähnlich, wie es bei Wirbellosen mehrfach gezeigt ward — vorzugsweise die Ausführwege, durch deren oft divergente Entwickelung und häufige Verbindung mit accessorischen Organen complicirte Einrich- tungen hervorgehen. Hermaphroditische Bildungen der Geschlechtswerkzeuge kommen nur bei einigen Fischen, dem Anscheine nach regelmässig mit vollkomme- ner Entwickelung von beiderlei Zeugungsstoffen bei der Gattung Serra- nus, hin und wieder auch hei anderen Fischen, z. B. beim Karpfen vor*). Bei den höheren Classen bestehen Anklänge an Zwitterbildung nur bei den Männchen einiger Amphibien, deren Hoden eine eikeimentwickelnde Schichte oder sogar ein besonderes, wie ein Ovarium sich ausnehmendes Organ angelagert ist**). Alles, was sonst noch in gewissen Fällen bei den Säugethieren als Zwitterbildung bezeichnet wird, beruht auf einer eigenthümlichen Entwickelungsrichtung entweder der inneren Genital- organe, von denen der eine Theil den Weg der männlichen, der andere jenen der weiblichen Bildung einschlagen kann, oder es sind blosse Hemmungsbildungen der äusseren Organe des männlichen Geschlechts, welche einige Aehnlichkeit mit denen der weiblichen hervorrufen. Was speciell die Geschlechtsorgane der Fische angeht, so folgt ein grosser Theil keineswegs einem Plane, aus dem sich ein Zusammenhang mit jenen Einrichtungen erkennen Hesse, die bei den höheren Wirbel- thieren für die Morphologie des Harn- und Geschlechtsapparats maass- gebendsind, ja es ist offenbar sogar eine viel einfachere Organisation vor- handen, die entweder von vornherein auftrat, oder die aus Rückbildungen früher angelegter Theile resultiren musste. Von solchen Metamorphosen der Zeugungsorgane ist jedoch bei den Fischen nichts bekannt , so dass wir vorläufig die einfacheren Zustände vielleicht sicherer auf gleich ein- fache Anlagen zurückführen, folglich die Geschlechtsorgane von jenen der übrigen Wirbelthiere genetisch verschieden erkennen. Bezüglich der Disposition lassen sich mehrfache stufenweise einander untergeordnete Formen unterscheiden, von denen die einfachste bei Amphioxus gegeben erscheint. Es bestehen hier nämlich nur die Zeugungsdrüsen, Hoden und Eierstöcke, die an die Seiten der Körperhöhle angeheftet, ihre Stoffe ein- *) Von der Gattung Serranus sind mehrere das Mittelmeer bewohnende Arten entschieden hermaphroditisch, doch bedarf der Bau der Geschlechtswerkzeuge noch sehr der Aufklärung, da selbst die neuere Arbeit von D u fosse nichts weniger als genügt. (Sur Vhermaphrod'disme chez certains verlebres. Annales des sc. nat. Ser. IV. 71. 5. 1856.) lieber Zwitterbildung bei Karpfen : Ecker, Untersuchungen zur Ichthyo- logie. Freiburg 1857. **) Vergl. Wittich in Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. IV. p. 125. Fortpflanzungsorgane. 587 fach in letztere entleeren und sie mit dem der Athmung gedient habenden Wasser durch den Abdominalporus nach aussen treten lassen. Auch bei den Cyclostomen bestehen Hoden wie Eierstöcke nur aus einfacheren Schläuchen — bei Myxinoiden sogar unpaar und assymme- trisch angeheftet — , die ihre Producte gleichfalls in die Bauchhöhle fal- len lassen. Der aus dieser ausführende bei Petromyzon auf einer Papille angebrachte Porus genitalis gibt jedoch durch seine ausschliesslichen Be- ziehungen zur Geschlechtsfunction einen wesentlichen Unterschied von den Verhältnissen des Amphioxus. Dieselbe durch den Mangel besonderer Ausführwege charakterisirte Bildung zeigen die weiblichen Geschlechtsorgane mancher Knochenfische (die Familie der Lachse) *) , während bei den übrigen die bandartigen, meist langgestreckten Eierstöcke mit ihren Höhlungen sich direct in die Eileiter fortsetzen, und diese durch einen kurzen Ganal vereinigt am Ge- nitalporus ausmünden lassen. Bei den lebendig gebärenden Teleostei**) fungirt bald die Höhlung des Eierstocks, bald der Eileiter als Uterus, ohne jedoch dadurch wesentliche Modificationen bezüglich der Structur Fig. 189. zu erleiden. Die männlichen Geschlechtsorgane der Teleostei schliessen sich in der allgemeinen Form den zuletzt beschriebenen weiblichen an, indem die meist langgestreckten, unregelmässig gewundenen seltener in discrete Lappen zerfallenen Hoden (Fig. 189. tt) je ein Vas deferens ab- treten lassen, welches früher oder später mit dem der anderen Seite ver- Fig. 489. Geschlechtsorgane undDarmcanal von Clupea Harengus. oe. Speise- röhre. v.Magen. i. Darm. a. Afteröffnung, ap. Pförtneranhänge, s. Milz. vn. Schwimm- blase, d. pn. Luftgang, in den Magenblindsack einmündend, tt. Hoden, v.d. Vas de- ferens. g. Genitalporus. (Nach Bra ndt u. Ratzeburg.) *) Auch beim Aale besteht eine ähnliche Anordnung , da die bandartigen Eier- stöcke ihre Producte durch einen Abdominalporus nach aussen entleeren , wie aus einer Beobachtung von Rathke hervorgeht (Mül 1. Archiv -1850, pag. 203). Die männlichen Organe des Aales sind noch unbekannt. **) z B. Blennius viviparus, Sebastes viviparus u. m. a. 588 Vertebraten. bunden (vd), am Genitalporus ausmündet. Ein nicht zu übersehender Umstand ist es, dass die Ausführcanäle der Hoden mancher Fische (z. B. beim riecht) sich vor dem Eintritte in das Vas deferens unter einander verbinden und einen mehr oder minder starken, am Innenrande des Ho- dens gelagerten Körper darstellen, der vielleicht |mit einem Nebenhoden verglichen werden darf. Es müsste dann dieser Theil aus einem Ab- schnitte der Primordialniere hervorgehen und die Niere entspräche so der definitiven Form dieses Organes. Eine von der vorigen sehr verschiedene Form der Geschlechts- werkzeuge charakterisirt die Ganoiden. Die meist langen in Mesenterial- falten eingebetteten Ovarien entbehren gleichwie die ähnlich gestalteten Hoden der besonderen Ausführgänge, so dass wie bei einigen Knochen- fischen die bezüglichen Geschlechtsproducte in die Bauchhöhle gelangen müssen. Zur Ausleitung dient ein mit trichterförmiger Oeffnung ver- sehener, meist kurzer Canal, der entweder dem meist blasenartig erwei- terten Harnleiter anliegt und in diesen einmündet oder seltener (Polypte- rus) bei beträchtlicher Ausdehnung die Oeffnung der dann eng bleibenden Harnleiter in sich aufnimmt, so dass also die Ausleitungswege der Ge- schlechtsorgane jenen des uropoetischen Systems zum grossen Theile untergeordnet sind*). Aus der ganzen Einrichtung geht hervor, dass in beiden Geschlechtern der Müller'sche Gang sich gleichartig entwickelt und auch beim männlichen Geschlechte in Function tritt, die Bolle über- nehmend , die bei andern Wirbelthieren der ( hier als solche persisti- renden) Primordialniere zugetheilt ist, wenn sie sich zum Nebenhoden umbildet. Das bei Ganioden Wesentliche, durch die beiderlei Geschlechtern zu- kommenden , Faloppi'schen Tuben vergleichbaren Trichter gegebene trifft sich für dieSelachier, Chimären wie beiLepidosiren, nur beim weiblichen Geschlechte ausgeführt. Die in derBegel paarigen und symmetrisch ange- ordneten Ovarien liegen vor der Wirbelsäule durch Peritonäalduplicatu- ren befestigt und entbehren des Zusammenhangs mit den immer paarigen Eileitern. Diese erstrecken sich sehr weit nach vorn und sind bei den Selachiern mit ihrem abdominalen Ostium unter "einander verschmolzen, eine weite Trichtermündung darstellend. Das untere Ende jedes Eileiters ist in einen durch grössere Weite und auch häufig durch stärkere Wan- dungen ausgezeichneten Abschnitt differenzirt, den wir für die Selachier als Uterus ansprechen dürfen, jenem derSäugethiere vergleichbar, indem hier bei einigen lebendig gebärenden Haien vermittels einer vom Dotter- sack ausgehenden Placentabildung eine Verbindung zwischen Mutter und *) Vergl. Hyrtl : Ueber den Zusammenhang der Geschlechts- und Harnwerk- zeuge der Ganoiden. Denkschr. d. Wiener Academie. Math. Naturwiss. Classe. Bd. VIII. 1855. Fortpflanzungsorgane. 589 Frucht erfolgt*). Die beiden Uteri münden vereinigt (nur bei Chimaera getrennt) in die Cloake aus. Mit den Eileitern verbinden sich regelmäs- sig Drüsenorgane , bei Lepidosiren mehr zerstreut in der Mitte des Ver- laufs vorkommend, bei den Selachiern und Chimären eine compacte Herz- oder Nierenförmige Masse darstellend, die in die Eileiterwände eingebettet ist**). — Die männlichen Organe werden in den erwähnten Ordnungen gleichfalls abweichend von den übrigen Fischen durch paa- rige, meist kleine Hoden dargestellt, deren Ausführgänge sich von neuem durchschlingen und so einen Nebenhoden formiren, aus dem das Vas de- ferens hervorgeht. Nach vielfachen Windungen und unter allmählicher Erweiterung senkt es sich (bei Chimären mit dem der anderen Seite ver- bunden) in die Cloake ein. Mit dem Vas deferens steht bei Rochen und Haien noch eine längs des Samenganges verlaufende Drüse in Zusammenhang, die auch bei Chimären vorhanden ist und die Einrichtungen des inneren Geschlechts- apparates insofern den höheren Thierclassen nähert, als darin das mor- phologische Aequivalent eines Vas aberrans erkannt werden kann. Aus der Betrachtung der anatomischen Verhältnisse der Geschlechts- organe der Selachier gelangen wir zu jenen der Amphibien, bei denen wir auf mehrfache wichtige Modifikationen stossen. Die weiblichen Organe sind durchaus nach demselben Plane wie bei Selachiern und Dipnoi angelegt. Der Eierstock correspondirt in seiner Form der Aus- dehnung der Leibeshöhle, und bekommt durch die geringe Entwickelung seines Stroma mit der Reife der Eier eine traubige Beschaffenheit (Fig. 190. A ov). Er ist immer paarig vorhanden, durch Bauchfellfalten .(Mesoarium) vor der Wirbelsäule befestigt. An der äusseren Seite der Eierstöcke ver- laufen , sehr weit vorne mit trichterförmigen Abdominalostien beginnend, die meist stark gewundenen weiten Eileiter (od), die unter geringer Ver- änderung ihres Lumens nach hinten treten , und nach ihrer Vereinigung mit den Ureteren in die Cloake ausmünden. Es sind diese Oviducte aus dem Ausführgang des vordersten Abschnittes der Vorniere hervorgegan- gen, der hier verschwunden ist, während der hintere Theil bleibend als Niere fungirt. Durch ihre Vereinigung mit den Harnleitern am hinteren Ende geben die Oviducte jedoch ihre ursprüngliche morphologische Be- deutung kund, und zeigen zugleich, dass sich hier eine Einrichtung wie- *) Während die grössere Mehrzahl der Selachier mit einer harten im Eileiter ge- bildeten Schale überzogene Eier legt, ist eine andere Gruppe lebendig gebärend und diese theilt sich wieder in vivipara cotylophora und acotyledona.. Zu den ersteren ge- hören Carcharias und Mustelus laevis. Joh. Müller über den glatten Hai des Aristo- teles. Abh. d. Berl. Academie 4 840. **) Die Eileiterdrüse liefert das Material für die hornartig feste Eischale. Dem ent- spricht ihre geringe Entwickelung bei der Gattung Torpedo, deren Eier jene Horn- schale entbehren. 590 Vertebralen. derholt, die in ihren Grundzügen schon bei denGanoiden gesehen wurde. Bezüglich der Cloake haben wir für die Salamandrineneiner eigentümlichen Ver- wendung der dort befindlichen schlauch- förmigen Drüsen zu erwähnen, die nach v. Siebold's Entdeckung zu gewissen Zeiten Samenfäden enthalten und so als Receptacula seminis zu fungiren im Stande sind. Für die männlichen Organe ist vor Al- lem die Gemeinsamkeit der Ausführwege für Samen und Harn bemerkenswert!!. Es ist dies darin begründet, dass ein per- sistirender Theil der primordialen Niere (Fig. 190. B r) , die Vasa efferentia [v e) des ovalen, seltener in mehrere Lappen zerfallenen Hoden (t) aufnimmt, und diese in seine Ausführgänge (u) übergehen las- send, sich, wieBidder nachwies, gleich einem Nebenhoden verhält. Die Bethei- ligung des uropoetiscben Apparates an dieser Einrichtung geschieht in sehr ver- schiedenem Grade, denn es können bald zahlreiche Vasa efferentia auf einer grösse- ren Strecke in die Nieren eintreten , wie bei der grösseren Mehrzahl der Amphi- bien, bald deren nur wenige, oder es ist sogar nur ein einziges Vas efferens vor- handen , wie beim Proteus , welches in einem von der übrigen Niere abgelösten Canalknäuel eintritt, und erst durch diesen dem weiter nach abwärts auch die übrigen Nierenparthien aufnehmenden gemeinschaftlichen Ausführgang verbunden ist. Dadurch ist hier ein selbständiger Nebenhoden zu Stande gekommen , und es nimmt der Ausführgang erst weit unten den Charakter eines gemein- schaftlichen an. Die wichtigsten Veränderungen betreffen die Beziehungen jenes allen Amphibien gleichmässig zukommenden, am äusseren Nierenrande ver- laufenden Ausführganges der Vorniere. Wie oben vom Proteus erwähnt nimmt er nämlich die von einander getrennten Samen- und Harnwege auf, oder es münden die Vasa ürospermätica auf eine grössere Strecke Fig. 190. Urogenitalapparat von Triton. A. Weibliches, B. Männliches Organ. Beide rechtsseitig, ov. Ovarium. ms. Mesoarium. od. Oviduct ve. Vasa efferentia des Hodens, r. Niere, u. Samenharnleiter beim männlichen, Harnleiter beim weib- lichen Apparate, u Vereinigung der Harnleiter mit dem Oviduct beim Weibchen, mit einem dem Oviducte analogen Canale (c) beim Männchen. Fortpflanzungsorgane. 591 vertheilt nach und nach in ihn ein, und nur sein oberes, ursprünglich mit dem obersten nun verkümmerten Theile der primordialen Niere Ver- bundes Ende ragt frei hervor (Necturus) , oder es vereinigen sich die kürzeren oder längeren Vasa urospermatica nach und nach am Aussen- rande jeder Niere zu einem gemeinsamen Ausführgange (Fig. 190. Bit), der erst weiter nach hinten mit dem immer noch bestehenden, allein hier ausser Function befindlichen Ausführgange (c) der Vorniere sich in Ver- bindung setzt. In dieser Weise besteht er bei Salamandrinen . und auch bei Rana, Bombinator und Bufo, an seinem obersten Ende häufig erwei- tert, oder sogar mit einem abdominalen Ostium versehen (Ceratophrys). Es ist klar, dass dieser Canal, auf welcher Stelle seines Verlaufes Harn- leiter und Samenleiter, oder die gemeinsamen Harn -Samenleiter sich in ihm einsenken mögen , als Ausführgang der Vorniere mit dem Oviducte sich homolog zeigt und selbst in jenen extremen Fällen, wo er, wie z.B. bei Bufo variabüis und beim Frosche, auf der höchsten Stufe der Rückbildung sich befindet und erst ganz hinten in den Harnsamenleiter sich einsenkt, das Gemeinsame der Anlage des Organes in beiden Geschlechtern über jeden Zweifel erhebt*). Die Ausmündung der beiden Harn-Samengänge findet immer in die Cloake statt, nachdem sie zuweilen vorher eine blasenförmige Anschwel- lung bildeten, wie bei Rana und Discoglossus**). In die Cloake öffnen sich noch zahlreiche schlauchförmige Drüsen , namentlich bei Tritonen in beiden Geschlechtern stark entwickelt, und bei den Männchen dieser Gattung münden neben den Harnsamengängen noch zwei gelappte in die Bauchwand des Beckens eingebettete grössere Drüsen ein. Die in der Entwicklung begründete Vereinigung der Ausführ- gänge des Harn- und Geschlechtsapparates findet nunmehr durch eine weiter fortgeschrittene Differenzirung nur noch am letzten Abschnitte *) Wenn wir den erwähnten Canal mit dem Oviducte vergleichen, und beide wiederum dem Ausführgange der Primordialniere anderer Thiere gleichsetzen, so er- gibt sich anscheinend ein Widerspruch mit dem am Eingange dieses Capitels aufge- stellten Satze, dass das Oviduct aus dem von dem Ausführgange der Primordialniere verschiedenen Müll er'schen Gange sich hervorbildet. Er lässt sich aber befriedi- gend lösen, sobald wir anerkennen, dass jener Müller'sche Gang in verschiedener Höhe sich mit dem Ausführgange der Primordialniere verbinden und so gewisser- maassen nur einen über die PrimorfdiaIniere hinaus verlängerten Abschnitt ihres Ausführganges darstellen kann, und als solcher erscheint er offenbar bei den Am- phibien. **) Die ersten ausführlichen Untersuchungen über die Harn- und Geschlechts- werkzeuge der Amphibien sind von Bidder gegeben (Vergleichende anatomische und histologische Untersuchungen über die männlichen Geschlechts- und Harnwerkzeuge der nakten Amphibien. Dorpat 4856), und ihnen wurde unter Berücksichtigung der Arbeit v. Wittichs (Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. IV. pag. 4 25) und unter dem umgestaltenden Einflüsse, den L eyd ig's wichtige Mittheilungen (Anatom, histolog. Untersuch, über Fische und Reptilien) haben mussten , in vorstehender Darstellung gefolgt. 592 Vertebraten. Fig. 191 statt, und schon bei den Reptilien sind beiderlei Drüsenorgane völlig von einander geschieden , da hier ebenso wie bei Vögeln und Säugethie- ren die Primordialniere beim weiblichen Geschlechte völlig schwindet oder nur noch deren Ueberreste als Ga rtn er 'sehen C anale (bei der Eidechse und bei verschiedenen Säugethieren [Ruminantia] beobachtet) in den breiten Mutterbändern bestehen lässt, während ihr Ausführgang, wie schon bei Amphibien gezeigt ward, zum Eileiter wird. Er verbin- det sich überdies noch mit einem besonderen , als selbständiger Strang auf der Primordialniere aufgetretenen Canale, dem Müller'schen Gange, der dem oberen Ende des Eileiters der weiblichen Amphibien , oder dem entweder grösstentheils ausser Function getretenen, oder als gemeinsamer Harn -Samenleiter fungirenden Canale längs der Nieren der männlichen Amphibien entsprach (vergl. Anmerk. auf pag. 591). Die Eierstöcke der Reptilien sind paarig, mit Ausnahme der Schlan- gen symmetrisch gelagert, durch das Peritonäum an die Wirbelsäule be- festigt und meist von traubiger Gestalt. Die Eileiter beginnen mit einem weiten abdominalen Ostium , und stellen dann weite gewundene Canale vor, an denen einzelne Stellen durch Texturverschiedenheiten ausgezeichnet sind. Der verschiedene Werth der ein- zelnen Abschnitte resultirt aus den Be- ziehungen zur Eischalenbildung, oder auch zum kürzeren oder längeren Aufent- halte der Eier im Eileiter , wie letzteres hei den viviparen Reptilien ( einigen Schlangen und Sauriern) besonders deut- lich wird. Die Eileiter münden immer gesondert in die Cloake aus. Für die männlichen Organe gilt das schon oben Erwähnte. Die länglichen, flachen oder gewölbten Hoden (Fig. 19.1. t) werden durch das Peritonäum an die Wirbelsäule befestigt, und liegen bald vor der Niere, bald nach innen an der- selben, bei einigen (Schildkrölen) häufig sogar zum Theile von den Nieren ver- deckt. In allen Fällen treten die Aus- fuhrgänge des Hodens in ein Vas deferens zusammen , welches entweder dicht am Hoden selbst, meist (bei Schildkröten) mit knäuelförmigen Windungen sich anschmiegt, und noch mit besonderen Fig. 491. Harn- und Geschlechtsorgane einer Schildkröte (Emysaurus) . r. Nieren, u. Harnleiter, v. Blase, t. Hoden, e. Nebenhode. ug. Oeffnung des Uro- genitalsinus in die Cloake. cl. Cloake, von hinten geöffnet, p. Ruthe. s. Ruthenfurche. re. Rectum, cc Blindsacke der Cloake (Bursae anales). Fortpflanzungsorgane. 593 Blindcanälen besetzt ist, oder entfernter vom Hoden die Vasa efferentia testis erst nach längerem Verlaufe empfängt (Saurier undCrocodile). Auch in diesem Falle fehlen die blindcanalartigen Anhänge nicht, die ohne Zweifel als Reste der Vornieren zu betrachten sind , jedenfalls aber hier den Nebenhoden repräsentiren. Neben dieser Umwandlung der Vorniere besteht merkwürdigerweise noch ein Anklang von einem niederen Typus in einer bei einigen Sauriern und den Crocodilen über den Hoden hinaus- reichenden Verlängerung des Vas deferens , worin das selbständige Fort- bestehen eines Theiles des Ausführgangs der Vorniere erkannt werden muss. Die Geschlechtswerkzeuge der Vögel bieten den engsten Anschluss an jene der Reptilien dar, sowohl in Form und Lagerung, als auch in Be- ziehungen auf ihre Bildungsgeschichte. Eigenthümlich ist dem weiblichen Gescblechte die Verkümmerung der rechtsseitigen Organe, indem der rechte Eierstock und Eileiter , ursprünglich zwar gleich dem linken an- gelegt, sehr bald sich rückbildet, so dass in der Regel nur unten Reste des Eileiters noch fortbestehen*) Hinsichtlich der Form und Grösse des Eierstockes bestehen je nach dem Zustande der Reife der Eier auffällige Differenzen. Durch die Grösse der Eier jedoch und durch die relativ geringere Menge der das Stroma darstellenden Bindesubstanz erhält er traubenförmige Umrisse, wie dies auch in den unteren Classen der Fall war**). *) Die Existenz des in dieCloake einmündenden unteren Endes des rechtseitigen Oviductes ist von Barkow (I. s. cit) , auch von S ta n n ius (Vergl. Anat. derWirbellh. I.Aufl. pag. 333) von mehreren Vögeln nachgewiesen. Huhn, Gans, Ente, Storch etc. — Der rechte Eierstock persistirt vorzüglich bei Tagraubvögeln. **) Es ist hier der Ort auf die ibei der Eibildung der Wirbelthiere bestehenden, namentlich deren so ausserordentliche Grössendifferenzen bedingenden Verhältnisse einen Blick zuwerfen. Wir sehen allgemein bei denWirbelthieren im bindegewebigen Eierstocksstroma besondere blasenförmige Räume mit Zellen erfüllt, von denen immer eine sich ungleich den übrigen entwickelt. Diese eine gegen die anderen be- trächtlich grössere Zelle stellt das eigentliche Ovulum vor. Ihr Kern ist das Keim- bläschen, und darin enthaltene einfache oder mehrfache Körperchen sind die Keim- flecke, die besonders im Eie von Amphibien der Wandung des Kernes anliegend zahl- reich vorkommen. Die das Eichen umgebenden Zellen können entweder eine ein- fache, den Hohlraum auskleidende Epithellage vorstellen oder sie können reichlicher sich entwickelnd eine mächtige die Eizelle umhüllende Lage bilden. Die Bedeutung dieser Zellen ist nun nach den einzelnen Thierclassen eine in höchst interessanter Weise variirende. Bilden sie nur eine einfache Epithellage, wie bei Fischen und auch Amp h ibien es der Fall ist, so kommt ihnen nur eine vorübergehende Be- deutung zu, ihre Rolle ist beendet, sobald mit dem Bersten der Umhüllung die Ei- zelle aus dem Ovarium tritt. Aehnlich ist es auch bei Säugethieren. Die Epithel- schichte des Eifollikels ist hier meist mehrfach und die Eizelle liegt mit dem Wachsen der letzteren in diese Epithelschichte eingebettet, während im Innenraume des Fol- likels allmählich Flüssigkeil sich ansammelt, deren Vermehrung den Follikel zum Bersten bringt. Die Epithelschichle ist die Membrana granulosa der Embryologen, und die mit dem Austritte des Ovulums ihm anhaftende Zellenmasse jener Schichte Gegenbaur, vergl. Analomie. 38 594 Vertebraten. Fig. -192. Die männlichen Organe der Vögel sind immer symmetrisch ausge- bildet, die beiden Hoden (Fig. 192. tt) , von denen der linke nicht selten etwas grösser ist, liegen als längliche oder rundliche Körper vor der Wirbelsäule , und sind je nach der Jahreszeit von sehr differentem Volum, am umfäng- lichsten zur Zeit der Begattung. Die Ausführgänge senken sich in einen nur schwach entwickelten Nebenhoden ein, und aus diesem führt ein langes, gewundenes, unten meist erweitertes Vas de- ferens [d) gerade nach abwärts zur Cloake, wo jeder in der Regel auf eine Papille zur Ausmündung kommt. Am weitesten von der ursprünglichen Anlage ent- fernen sich die Geschlechtsorgane der Säuget hier e, einmal durch beträchtliche Lageveränderungen, welche die einzelnen Theile durchmachen, dann auch durch das Auftreten neuer Organe, und endlich durch die vollständiger durchgeführte Differenzirung einzelner Abschnitte der ausführenden Wege. Immer jedoch lässt sich mit einem Blicke auf die Bildungsgeschichte das Gemeinsame des Planes mit den entsprechenden Organen der anderen Wirbelthiere nicht verkennen. In den weiblichen Organen herrscht noch bei den Monotremen ein an die Vögel erinnerndes Verhalten in der Verkümmerung des linken Eierstocks. Die Eierstöcke der Monotremen sind auch noch traubig gestaltet, was nur bei wenigen anderen Säugern (Beutelthieren, einigen Nagern) in geringem Maasse noch stattfindet , während bei der Mehrzahl durch reichliche Fig. 192. Harn- und Geschlechtswerkzeuge des Haushahns, r. Nieren. sr. Nebennieren, u. Harnleiter, a. Aorla. t. Hoden, d d' Vasa deferentia. b. Bursa Fabricii. x. Rectum. (Nach C. G. Carus.) stellt den sogenannten Discus proligerus vor. Letzterer wie die gesammte Membrana granulosa hat keine Beziehung zur Weiterentwickelung des Eies, stellt vielmehr nur eine für die Eibildung und die Entleerung aus dem Follikel (folliculus Graafianus) wichtige Einrichtung vor. Ganz anders verhält sich aber dies wuchernde Epithel des Eifollikes bei Reptilien und Vögeln. Es wird hier nämlich eine ganz ansehnliche Menge dieser Zellen erzeugt, die bei erlangter Reife des Follikels sammt der eigent- lichen Eizelle von einer dünnen Membran zu einem einzigen Körper, dem sogenann- ten Dotter des Vogeleies, verbunden und durch Bersten der dünnen Umhüllung des Ovarialstromas entleert und dann von den abdominalen Ostien der Eileiter aufgenom- men werden. Das Eierstocksei eines Vogels oder Reptils entspricht daher dem Graff- schen Eifollikel eines Säugethiers oder Amphibiums, und das eigentliche Ei der letz- teren hat sein Analogon in dem sogenannten Hahnentritte des Vogeleies, der Discus proligerus, oder die Membrana granulosa aber im gelben Dotter des Vogeleies. Der gesammte Inhalt eines Eifollikels wird somit bei Reptilien und Vögeln zum Aufbau des Embryo verwendet. Unter den Fischen folgen dieser Einrichtung die Selachier. — Vergl. H. Meckel in; Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. III. pag. 420. Forlpflanzungsorgane. 595 Stromabildung und geringes Vorragen der reifen Eifollikel eine cornpactere Ovarialform bedingt wird. So stellen die Ovarien der Säugethiere mehr rundliche, oder längliche, häufig etwas platte Organe vor, die auch nicht mehr dicht an die Wir-. FiS- 193- belsäule befestigt, son- dern durch eine Perito- näalduplicatur den Ei- leitern angefügt sind*). Die Ausfuhrwege ha- ben sich immer in meh- rere Abschnitte getrennt und lassen einen oberen dünneren, entweder frei ausmündenden oder mit der Umhüllung des Eier- stocks verbundenenTheil als eigentlichen Eilei- ter (Tuba Faloppü), und einen unteren , sowohl durch grössere Weite, als auch stärkere Wan- dungen und veränderte Schleimhautstructur markirten Abschnitt als Uterus unterscheiden. Aus dem Uterus oder an demselben setzt sich dann noch ein anderer Abschnitt der Ausführwege als Scheide (Vagina) fort, um früher oder später nach Aufnahme der Harnröhrenöffnung einen Canalis urogenitalis zu bilden. — Von diesen Abschnitten ist es vorzüglich der Uterus , an welchem eine Anzahl von wichtigen Differenzen sich ausspricht. 1) Diebeiden Eileiter gehen unter allmählicher Erweiterung je in einen schlauchförmigen Uterus über , der mit gesondertem , papillenartig vorstehenden Ostiam neben der Harnröhrenöffnung in den Sinus uroge- Fig. 193. A. Weibliche Geschlechtswerkzeuge von Ornithorhynchus. 0. Ova- rium. {.Eileiter, u. Uterus, u Orißcium uteri, vu. Harnblase, s u g . Sinus urogenita- lis. cl. Cloake. B. von Halmaturus. o. Ovarien, f. Fimbrien der trichterförmigen Abdominal- öffnung der Eileiter, t. Eileitef. u. Uterus, v" Blindsack der Scheide, o' Scheiden- canal. v. Anfang des Urogenitalsinus. (Nach Owen.) *) Die Beziehungen der Ovarien zu den Eileitern sind sehr verschieden. Beim Känguruh liegen die Eierstöcke (Fig. 193. o) in den erweiterten Ostien der Eileiter, bei anderen sind sie von einer besonderen Peritonäalkapsel umgeben, die entweder (bei den Monotremen und manchen Carnivoren) mit einem Schlitze versehen ist, oder nach aussen vollständig geschlossen erscheint, und an einer Stelle in die ringförmig sie umziehenden Eileiter sich öffnet (Lutra, Mustela, Phoca u. a.). E. H. Weber in Mekel's Archiv 1826 pag. 105. 38* 596 Vertebraten. Fig. 194. nitalis ausmündet (Monotremen Fig. 193. A) , so dass jeder der Oviducte seine grösste Selbständigkeit besitzt. 2) Jeder Eileiter setzt sich in einen schlauchförmigen Uterus fort, der mit seinem Endstücke sich an den der anderen Seite anlegt, und so äus- serlich eine Strecke weit zu Einem Organe verbunden erscheint, obgleich jeder mit einem eigenen Orificium in die Scheide mündet {Uterus duplex). Hiefür liefern die Beutelthiere und Nager (Lepus, Sciurus u. a.) Beispiele. 3) Die beiden Hörner des Uterus sind mit ihrem unteren Ende gleichfalls ver- einigt und besitzen nur eine einfache Mündung in die Scheide , allein zwischen beiden läuft noch eine Scheidewand bis nahe zur Ausmündung fort {Uterus bipar- titus bei Nagern: Cavia u. a.). 4) Durch die Verschmelzung des End- theiles beider Uteri (Fig. 194. u u) ent- steht ein einfacher, allein in zwei, meist lange Hörner auslaufender Uterus {Ute- rus bicornis) , wie bei den Cetaceen , den Hufthieren, Carnivoren, Insectivoren, Chi— ropteren und Prosimiae. 5) Mit dem Mangel der Hörner und durch reichliche Entwicklung der Mus- culatur der Wandung bildet sich der ein- fache Uterus aus, in dessen Grund jeder- seits die scharf abgesetzten Eileiter ein- münden. Es ist diese Form bei den ächten Affen vertreten, und ist, ob- wohl an den menschlichen Uterus, namentlich an den von Kindern erin- nernd , doch durch die geringe Dicke der Wandungen und die grössere Länge merklich unterschieden. Aber ungeachtet der einfachen Höhle kommt mit dieser Bildung bei einigen Edentaten (Myrmecophaga, Bradypus) ein doppelter Muttermund vor. Es ist gezeigt worden , wie ursprünglich die Eileiter in den Sinus urogenitalis führen ; dies besteht auch noch da , wo das untere Ende der Eileiter (wie hier bei den Säugern) sich zu einem Uterus umgeformt hat, der dann, wenn jederseits selbständig, mit einer papillenförmigen Vor- ragung, oder wenn mit dem anderseitigen — gleichviel in welchem Grade — verbunden, mit einer stärkeren Wulstung {Portio vaginalis uteri), in den Sinus genitalis als einen selbständig entwickelten Abschnitt des Sinus uro- Fig. 494. Harn- und Geschlechtsapparat eines weiblichen jungen Delphin. r. Nieren, ur. Harnleiter. «U.Harnblase, o. Ovarien, t. Eileiter, w. Uterus, v. Scheide. g. Vulva (Mündung des Sinus urogenitalis). rri Spalte, worin die Zitze liegt (rechter- seits ist die Spalte geöffnet). Fortpflanzungsorgane. 597 genilatis hineinragt. Dieser die Mündung des Uterus tragende Theil des ge- meinsamen Sinus bildet sich bei den Säugethieren mit einziger Ausnahme der die Harnblasenmündung zwischen den beiden Uterusöffnungen tragen- den Monotremen (Fig. 1 93. yl), in einen besonderen, an Länge wechselnden Canal aus , der als Scheide (Vagina) in den eigentlichen , immer auf den seichten Scheidenvorhof (Vestibulum) reducirten Sinus urogenitalis führt. Die Scheide bildet nicht immer einen einfachen Canal, sondern zeigt zuweilen eine Trennung in zwei besondere neben einander in den Uro- genitalsinus ausmündende Canäle, deren jeder mit einem Uterus in Ver- bindung steht. Ein solches Verhältniss besteht in verschiedenem Grade ausgebildet bei einigen Nagern , und führt bei den Beutelthieren zu einer eigenthümlichen Form der Geschlechts Werkzeuge (Fig. 4 93.5), indem hier die oberen je ein Orificium uteri aufnehmenden Enden der beiden Scheidencanäle (o') mit einander verwachsen und in einem gegen den Urogenitalsinus (v) verlängerten Blindsack {v") ausgedehnt sind. Ein den letzteren durchsetzendes Septum weist den Antheil nach, der jedem der beiden Scheidencanäle an dieser Einrichtung zukömmt. Eine entweder an derGränze zwischen Scheide und Scheidenvorhof, oder auch weiter gegen die Mitte der Scheidenlänge zu vorkommende Schleimhautfalte bildet die Scheidenklappe (Hymen), die beson- ders bei Wiederkäuern, Garnivoren u. a. von jener des Menschen auffällig verschieden ist. Am vollständigsten erscheint sie bei den Affen. Für den männlichen Geschlechtsapparat der Säugethiere ist zunächst die bei den meisten auftretende Lagenveränderung der Hoden als eine neue Complicationen hervorrufende Erscheinung zu berücksichtigen. Die meist oval oder rundlich gestalteten Hoden verbleiben nämlich nur bei den unteren Ordnungen, wie Monotremen, Cetaceen*), in ähnlicher Lage wie es bei Vögeln und Reptilien gezeigt ward, an ihrer Bildungsstätte vor den Nieren oder doch in der Nähe derselben liegen, bei den übrigen sen- ken sie sich meist weiter nach abwärts in einen vor dem Becken jeder- seits sich bildenden Canal (Canalis inguinales) , den sie bald mehr, bald minder nach abwärts treiben, und auf diesem Wege das Peritonäum vor sich ausstülpen, aus diesem sich eine doppelte Umhüllung bildend**). Bei vielen Säugethieren (z. B. beim Biber, Camel, Fischotter u. a.) bleiben *) Auch einige Edenlaten und Pachydermen z. B. Elephas zeigen dieses Ver- halten. **) Dem Scrotum der Säugethiere liegen zwei von einander wohl zu unterschei- dende Bildungen zu Crunde. In dem einen Falle entsteht es aus einer am äusseren Ende des Leistencanales auftretenden Ausstülpung des Integumentes, so bei Beutel- thieren, wo es weit vor der Penismündung liegt. Im anderen Falle geht es aus einer Modification der ursprünglich die Ausmündung des Sinus urogenitalis begränzenden Hautwülste hervor, die im weiblichen Geschlechte, wo die äusseren Genitalien keine weitere Fortentwickelung zeigen , zu den grossen Schamlippen werden. Alsdann ist das Scrotum näher oder ferner von der Penismündung, aber stets hinter derselben gelagert. 598 Vertebralen. sie auf diesem Wege im Leistencanale, während sie bei anderen über das Niveau des Abdomens hervor noch weiter nach abwärts treten , und dann in einen durch eine Modification des Körperintegumentes gebildeten Hodensack aufgenommen werden. Sehr häufig nimmt dieser jedoch die Hoden nur zeitweise auf, indem während der Brunstzeit ein Rücktritt in die Bauchhöhle durch den hier stets offen bleibenden Leistencanal sich einleitet (Chiroptern, Insectivoren, Marsupialia, Rodentia). Mit dem Aus- tritte der Hoden aus der Bauchhöhle, sei es bleibend oder nur vorüber- gehend, verbindet sich mit der gemeinschaftlichen Scheidenhaut ein be- sonderer Muskel (M. cremaster) , der ein losgelöstes schleifenförmiges Bündel des M. obliquus abdominis internus ist. Mit dem ähnlich wie beim Menschen gebauten Hoden ist immer ein Nebenhoden verbunden, auf dessen morphologische Bedeutung schon mehr- mals aufmerksam gemacht wurde. Das ausdiesem entstehende Vasdeferens tritt mit dem der anderen Seite convergirend zum Blasenhalse, um etwas vor den Harnleitern auszumünden. Auf dem untersten Ende ihres Verlaufes zeigen die Samenleiter mit Ausnahme der Monotremen, Beutelthiere und Garnivoren, wie auch der fleischfressenden Wale, besondere Erweiterun- gen, einfacher oder verästelter Art, häufig sogar in Form von traubigen oder acinösen Drüsen oder Blinddärmchen, die nicht selten auch in grös- serem Grade selbständig sind und nur mit ihrem Ausführgange in das Samenleiterende sich inseriren (Fig. 196.