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Guido Liendenltem,

oder die | Tempelritter in Mödling. Eine Ritter gelchichte aus der öſterreichiſchen Vorzeit

Ludwig Dellaroſa,

riaffer der Romane: »Das Blutmahl um Mitternacht«, »das

KRoöhlermädchen «, »Mathilde von Arnſteins u. a. m. wre | Bi. .

Mit einem Titelkupfer.

Wien ‚163989. Verlag der Carl Haas'ſchen Buchhandlung.

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http://www.archive.org/details/guidovonsendenstO0glei

Erſtes Kapitel.

Pflicht und Liebe.

en ber ungemein ſchönen romantiſchen Gegend am Fuße des Gröming, des höchſten Berges in ganz Steier⸗ mark, erhob ſich im 13ten Jahrhunderte eine ſtolze Burg, der Sendenſtein genannt. Schon weiter als eine Stunde Weges gewahrt man die hohen Wart- 5 thürme, welche weithin die Gegend beherrſchten, und je näher der Wanderer kömmt, deſto mehr überzeugt er ſich ſchon bei der äußeren Pracht der Gebäude, daß die Bewohner im Überfluffe leben mußten, fo wie die allent⸗ halben angebrachten, in Lebensgröße aus Stein gehaue- nen Ritterſtatuen beurkunden, daß hier ſchon feit frühe: rer Zeit ein mächtiges Herrengeſchlecht gehauſet habe. Auch hier erprobte ſich aber, daß ſelbſt das Größte, was Menſchenhände ſchaffen fo wie defen Urheber dem mächtigen Zahne der Zeit unterliegen müſſe denn Jahrhunderte haben die ehmal hier herrſchende Pracht:

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verwittert, und ſo mit ſich hinabgerollt in den unaufhalt⸗ baren Strom der Vergänglichkeit, daß außer wenigen Schutthaufen kein Andenken mehr von der vorigen Herrlichkeit übrig blieb. Neſſeln und Unkraut wu: chern da, wo ehmal goldbekleidete Wande das Auge der Gäſte erfreuten; nur das häßliche Geſchrei der Nachtvögel iſt hörber, wo ehmal ſittige Fräuleins den Saiten der Harfe ſchmelzende Töne entlockten; und dort ſchleicht jetzt der finſtere Molch herum, wo ehmal muthvolle Jünglinge ſich im glänzenden Waffen ſchmucke zeigten. So verliſcht das Schönſte und Lieblichſte, ſo ſchwinden Throne und Trophäen dahin, und ſo wird auch einſt der ganze Erdenkoloß in ſein voriges Chaos zerfallen, um nach Jahrtauſenden, nur ein Gedanke im Ringe der Zeit, wieder neu zu erſtehen.

Nach einer Reihe ruhmbedeckter Ahnen hauſte Ritter Asmund von Sendenſtein in der gewaltigen Herrenburg. Auch er hatte wie ſeine Vorfahrer oft heldenmüthig für die Rechte der erlauchten Landesfürſten und des Vaterlandes gekämpft, oft ſein Schwert zum Schutze des heimiſchen Heerdes gegen böſe Nachbarn gezogen, und manche mit Blut erkaufte Trophäe den Siegesdenkmälern der Väter beigefügt. Schon über die vierzig Jahre hinaus, ward er endlich des kriegeri— ſchen Tumultes überdrüſſig, ließ ſeine Waffen in der geweihten Schloßkapelle aufſtellen, und nahm ſie nur

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im äußerſten Nothfalle wieder hervor, wenn er die Vertheidigung ſeiner angegriffenen Rechte mit gerüſte⸗ tem Arm handhaben mußte. Im Kriegstumulte gleichſam aufgewachſen, war ihm bisher Liebe fremd geblieben, und doch ſah er die Nothwendigkeit ein, ſich zu beweiben, wenn nicht mit ihm der Stamm des Sendenſteiner Heldenhauſes verlöſchen ſollte. Eine Ehe ohne Liebe hatte ſich Asmund nie denken können, und doch war es nur ein einziges Mal in ſeinem Leben, wo dieſe Flamme in ſeinem Innern emporzulodern ſchien, welche er aber, ſich ſelbſt heldenmüthig bekäm⸗ pfend, in ihrem erſten Entſtehen wieder unterdrücken mußte. Die Leſer werden geſtatten, ſie auf kurze Zeit in die Vergangenheit zurückzuführen. Nach dem Geiſte der damaligen Zeit würde ſich's As mund zur Schande gerechnet haben, nicht auch ſein Blut für das gelobte Land zu verſpritzen, er ließ ſich daher in Rom mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes ſchmücken, und förderte nach Kräften feine Reiſe nach dem Schauplatze des Todes und des Jammers; Tauſende folg⸗ ten Zugweiſe nach, nicht gedenkend des warnenden Bei- ſpieles ihrer früheren Brüder, welche dort ihren frucht— loſen Thateneifer mit dem Leben büßten, oder wo von hunderten kaum einer ſiech und elend nach dem heimi⸗ ſchen Heerde zurückkehrte, an dem er ſo viele Lebens⸗ freuden achtungslos zurückgelaſſen hatte.

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An den geweihten Stätten angelangt, fehlte es ihm nicht an Gelegenheit, ſich auszuzeichnen. Das Glück war ihm günſtig, bald erwarb ihm ſein tapferer Arm einen bedeutenden Namen im Heere, und immer kehrte er Wundenlos aus den größten Gefahren zurück. Dort lernte er einen eben ſo tapferen Ritter kennen. Ralow der Däne genannt, ihm gleich an Muth, Kühnheit und Biederſinn; bald ſchlang ſich ein enges Freundſchaftsband um ihre Herzen, und mehr als ein— mal gelobten ſie ſich unvertilgbare Freundſchaft; ſie wechſelten ihre Ringe, und ſchwuren ſich, bei dem Anblicke dieſes Wahrzeichens ihres Freundſchaftsbun— des, ohne Rückſicht auf was immer für Verhältniſſe, Einer für den Anderen Blut und Leben zu opfern; und doch waren ſich trotz dieſer innigen Vereinigung ihrer Herzen ihre Geſinnungen nicht ganz ähnlich. Asmund war außer dem Kampfgewühle gelaſſen, und bedächtig in ſeinen Handlungen, Ralow raſch, oft aufbrauſend, und, nur zu ſehr von feinem Temperamente hingeriſ⸗ ſen, unüberlegt. Jener liebte ſtilles Vergnügen, dieſer rauſchende Ergötzungen; jener hing mit feſter Kraft an dem Glauben und der Sitte feiner Väter, da hin: gegen dieſer über manches leicht hinausging, wenn es nur zum Ziele führte jo milderte aber auch Einer des Andern Schwächen, und da, wo jener belehrte,

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ſuchte dieſer aufzuheitern, bis endlich ein Zufall drohte, dieſe Harmonie gänzlich zu zerſtören.

Nach einem mörderiſchen Treffen und mondenlan- ger Ruhe hatten die Sarazenen neue Krafte geſammelt, abermal das blutige Kampfſpiel zu beginnen; nicht müſſig waren die chriſtlichen Streiter geblieben, auch ſie rüſteten ſich, der Wuth ihrer Gegner einen mächti⸗ gen Damm entgegen zu ſtellen, und immer näher rückte der Zeitpunkt heran, wo Menſchen, welche ſich nie geſehen, nie ſich beleidiget hatten, durch das Macht⸗ wort ihrer Gebieter entflammt, mit Tigergrimm gegen einander wüthen ſollten. Asmund und Ralow waren zu dem Vortrabe des Heeres befehliget, man wußte, daß man auf ihren Muth und ihre Klugheit rechnen konnte. Mit einigen hundert Kriegern hatten ſie eine dicht mit Gebüſch bewachſene Höhe beſetzt, von welcher ſie die Ankunft der Feinde genau beobachten, und ihnen vielen Schaden zufügen konnten; doch Tage ſtrichen dahin, ohne daß eine Spur von dieſen ſich zeigte.

Eine ſolche Unthätigkeit war den beiden kampflu⸗ ſtigen Rittern zur Laſt; ſie beſchloſſen, mit Tagesan⸗ bruch, nur von einigen Knappen begleitet, die Gegend zu durchſtreifen, um wo möglich irgend ein Abentheuer aufzufinden, und wenn auch nur ein reißendes Thier der nahen Wälder ihre Kampfluſt befriedigen ſollte. Im traulichen Geſpräche durchritten ſie die Waldung, da

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duͤnkte es ihnen, ferne auf ſumpfigen Boden den Huf⸗ ſchlag mehrerer Roſſe zu vernehmen, und raſch drück— ten fie ihren Gäulen die Sporren in die Weiche, und ſprengten der Gegend zu. Eine kleine Schaar von Türken zog vorüber, in ihrer Mitte ſaß auf einem Kameele, unter einem reich verzierten Baldachine ein verſchleiertes Mädchen, in prachtvoller türkiſcher Klei⸗ dung, und einige Sklaven führten mehrere Kameele, welche reichlich beladen waren. »Hier gibt es Beute „e rief Ralow. »Die Zahl der Gegner iſt unſerem Muthe nicht gewachſen, kommt, laßt uns dieſes Abentheuer beſte⸗ hen, « und raſſelnd in ihren Rüſtungen, und mit ver- bängtem Zügel ſprengten Ritter und Knappen heran, forderten gutwillige Ergebung, und als ſtatt der Ant⸗ wort ein Pfeil dicht neben Asmund vorbeiziſchte ‚bes gann gleich ein heftiges Gefecht; doch konnten die Türken der Gewalt der Eiſenmanner nicht widerſtehen, was nicht zu Boden gehauen wurde, ſuchte durch ſchnelle Flucht ſich zu retten, und die Beute fiel in die Hände der Sieger. »Laßt uns den Gewinn in Sicherheit brin— gen s rief Ralow, und faßte des Mädchens Kameel am Zügel, »denn man kann nicht wiſſen, ob nicht die Flüchtigen Hülfe herbeiführen und triumphirend kehr— ten die Überwinder zu den Ihrigen zurück. Die Beute war bedeutend, als aber das Mädchen vom Kameele herab gehoben wurde, als fie bittend in ihre Knie fankr

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und den Schleier zurückſchlug, da ſtaunten die beiden Ritter über ihre hohen, beinahe noch nie geſehenen Reize. Theilnehmend hob ſie Asmund auf, und verſicherte ſie, daß ſie nichts zu befahren habe, wenn ſie ſich nur nach Kriegesſitte durch angemeſſenes Löſe— geld wieder frei machen werde. Er erfuhr, daß ſie die Tochter eines reichen Emirs ſei, welcher ſich bei dem nur noch eine halbe Tagreiſe weit entfernten türkiſchen Heer befinde, und verſprach ihr, einen Bothen an den Vater abzuſenden. Ralow aber glich einer Marmorfäule, denn ohne Bewegung ſtand er vor Ma: ſura, ſo nannte ſich das Mädchen, und ſchien bloß mit ſeinen flammenden Blicken ihre Reize verſchlingen zu wollen. In dieſem Augenblicke ſprengte ein Eilbothe heran, und meldete, daß der ganze Portrab des chriſt⸗ lichen Heeres im Anzuge ſei, und daß vielleicht in we⸗ nigen Stunden die noch ſicheren Feinde überfallen werden ſollen. Nun war nicht mehr Zeit zur Überlegung oder zur Liebelei; alles was man thun konnte, war, die Gefangenen und die Beute zwei vertrauten Söld⸗ nern zu übergeben, und ſo ſchnell wie möglich nach Jeruſalem in Sicherheit zu bringen, wozu es auch höchſte Zeit war, denn ſchon nahten ſich auf anderen Wegen die zahlreichen Rotten des Vortrabes, und das ganze chriſtliche Heer war im Anzuge. Unter lautem Trompetenſchall ging es nun vorwaͤrts, und als die

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Sonne bereits hoch am Mittage ſtand, war man dem feindlichen Heere gegenüber, welches ſich, durch Kund— ſchafter von der Annäherung der Chriſten benachrichtiget, bereits vortheilhaft in Schlachtordnung aufgeſtellt hatte. Alſobald begann auch das blutige Gefecht, zahlreich mähte der Tod feine Opfer, aber zu kühn auf ihren Muth vertrauend, waren die Kreuzträgee auch zu nachläſſig geweſen in Einziehung von hinreichender Kundſchaft, daher fanden ſie ſich nun von einer nicht geahndeten Menge umgeben. Nicht immer kann eiſerner Muth die Übermacht überwältigen, auch der wüthende Löwe unterliegt zuletzt der Anzahl der ihn anfallenden Doggen; ſo ging es auch hier, nach vielen tauſenden blutigen Opfern mußten die chriſtlichen Streiter ihr Heil in der Flucht ſuchen. Nur mit der äußerſten Mühe entkamen auch Asmund und Ralow dem Würgſchwerte, nachdem Erſterer durch eine bedeutende Wunde zum Kampfe untüchtig gemacht worden war.

Von den Fliehenden mit Gewalt fortgeriſſen, kamen ſie endlich mit Staub und Blut bedeckt nach Jeruſalem zurück, wo, in ihren Quartieren angelangt, der Arzt herbei eilte, ihre Wunde zu verbinden. Ralow war ziemlich leicht davon gekommen, aber deſto bedeu⸗ tender war Asmund verletzt, und der Arzt meinte, daß ſeine Herſtellung eine längere Zeit erfordern würde. Nun war Ralow immer am Lager des Freundes, we

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er theils ihn zu pflegen, theils ihm die Zeit zu verkür⸗ zen ſuchte, er war aber auch Stundenlang abweſend, ohne daß Asmund ſich erklären konnte, wo er ſeine Zeit zubringe. Immer kam er düſter und nachdenkend zurück, und man ſah es ihm an, daß tiefer Gram ihm am Herzen nage, doch wollte Asmund ihn nicht um die Urſache ſeines ſeltſamen Weſens befragen, denn er glaubte, daß wahre Freundſchaft ſich von ſelbſt red— lich und offen mittheilen müſſe, und wenn je ein Ge— heimniß obwalte, das zu keinem Geſtändniſſe geeignet ſei, es unziemlich wäre, ſelbes dem ohnehin gepreßten Herzen entreißen zu wollen. |

Eines Abends kam Ralow ſpäter, wie gewöhnlich nach Hauſe, er war aber auch viel beſſer gelaunt, wie bisher, ließ von dem bedienenden Söldner Wein bringen, und ſetzte ſich gemüthlich zum Lager Asmund's, welches dieſer, obwohl ſeine Wunde ſich von Tag zu Tag beſſerte, doch noch nicht verlaſſen durfte. »Mich freut es, ſprach Asmund, dich heute viel heiterer, wie gewöhnlich zu ſehen, denn ich kann es dir nicht bergen, daß mir bereits deiner Geſundheit wegen bangte, und ich mir es nicht anders erklären konnte, als daß gehei⸗ me Krankheit in dir aufkeime.« „Ja wohl, mein Freund, ich war ſchwer krank, doch konnte ich des Arztes Rath nicht einholen, denn für Leiden der Seele hilft keine Arzenei.«

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»Und nun iſt dein Kummer gehoben

»Zum Theile wenigſtens, doch bevor wir weiter ſprechen, habe ich dir zu ſagen, das Maſurens Vater, da nun Waffenſtillſtand iſt, Bothen geſendet hat, ſeine Tochter abzuholen, welche auch gleich das verlangte Löſegeld miegebracht haben, ich verlange mir meinen Antheil nicht, denn unmöglich wäre es mir, etwas aus Maſurens Erbe anzunehmen.

»Glaubſt du, daß ich eigennüßiger fein werde, als du? Frei und ohne Löſegeld mag fie dahin ziehen, und verkünden, daß deutſche Ritter, welche ihrer Pflicht getreu find, ſich nie mit Räuberſold befaffen. Sie war doch mit ihrer bisherigen Pflege zufrieden? Ich kann dir nicht bergen, daß ich froh bin, durch meine Wunde gehindert zu fein, fie öfters zu ſehen. Ihr erſter Anblick hat einen heftigen Eindruck auf mich gemacht, und mit einer Empfindung mich erfüllt, welche mir bisher ganz fremd geblieben war.«

»Iſt es denn auch anders möglich, wenn man dieſem wunderlieblichen Geſchöpfe in's flammende Auge blickt? das holde Lächeln um den roſigen Mund nimmt das Herz mit ſüßer Empfindung ein, ihr zartes Benehmen reißt zur Bewunderung hin, und wenn ſie mit melodiſcher Stimme zur Laute ſingt, ſo iſt es nicht anders, als ob Engel des Lichtes den Geiſt auf ihren Fittigen in höhere Regionen hinüber trügen.«

»Ralow, welche Sprache? ſollte ich nun tiefer n dein Inneres blicken, als du vielleicht wähneſt? Sollte ſträfliche Liebe dich entflammt haben

»Stroflich, ſagſt du? Geſtandeſt du mir nicht erſt ſelbſt 6

»Daß ſie Eindruck auf mich mochte r Das laͤugne ich nicht, aber ich ſuchte als Mann dieſe unziemliche Leidenſchaft zu bekämpfen und habe auch geſiegt. Nie kann und darf in der Bruſt eines Ritters, dem ſeine Grundſätze heilig ſind, Liebe zu einem Heidenkinde emporkeimen. Sie gehört nicht zu unſerm Glauben, für den wir leben und ſterben müſſen; vertauſchet ſie, von Leidenſchaft verführt, den ihrigen, ſo iſt unrein ihr Unternehmen, und der Viedere kann fie nur mit verächtlichen Blicken betrachten, ſo denke ich, und handle darnach. Ich glaube auch mein Freund Ralow wird die Leidenſchaft durch fein Pflichtgefühl beſiegen laſſen, eine Leidenſchaft, welche in der Folge nur ſein

Lebensglück untergraben wuͤrde.«

| „Du fprichft wahr «, erwiederte Ralow mit ganz verdüſterter Miene, »morgen begleite ich fie der Gefahr wegen vor lockeren umherſtreifenden Geſindel, bis an die Vorpoſten des rürfifhen Lagers, und dann werde ich handeln, wie es meine innere Überzeugung mir gebietet; aber traun, ich habe heute mit dem Weine ſchon des Guten zu viel gethan, der Schlaf ſenkt ſich

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auf meine Augen, und ich darf mich feiner nicht Tänger erwehren, um Kraft zur morgigen Reife zu haben.

Auch Asmund fühlte, daß er ſchon über die Zeit wach geblieben war, beide legten ſich zur Ruhe; wie aber der folgende Morgen herangraute, ließ Ralow ſich rüſten, und fein Roß bezäumen, um Maſuren zu begleiten; er nahm den herzlichſten Abſchied von As mund, ja er umarmte und küßte ihn mit ſolchem Feuer, wie noch nie geſchehen war, und eilte ſchnell mit einer unterdrückten Thraͤne im Auge von dannen.

»Der gute Menſch, ſprach Asmund zu ſich ſelbſt, ich ſehe, daß meine Worte auf ihn Eindruck gemacht haben, und er einen harten Kampf zu kämpfen habe, aber er wird als Mann und Ritter zu ſiegen wiſſen, wie ich, und dann erſt des gelungenen Werkes ſich erfreuen. Sieben Tage waren bereits verſtrichen, und noch kam Ralow nicht zurück. Asmunden begann ängſt— lich zu werden, er hatte zwei ſeiner Söldner ausgeſendet; fie kehrten bloß mit der Nachricht wieder, daß Ralow die Dirne mit noch einigen Bewaffneten begleitet habe, als ſie aber ungefähr den halben Weg zurückgelegt hatten, und in einem kleinen Gehölze übernachteten, da waren am andern Tage der Ritter und die Dirne ihren Augen entſchwunden, und nicht die geringſte Spur war mehr von ihnen zu entdecken.

Wäre Asmund nicht verwundet geweſen, ſo würde

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es ſich an der Stelle auf den Weg gemacht haben, ſeinen Freund aufzuſuchen; er verwünſchte den unglück⸗ lichen Zufall, der ihn hieran verhinderte, und äng— ſtigte ſich über das Schickſal des Verlornen. Nach einigen Tagen aber meldete ihm ſein Leibdiener, daß ein Türke an die Vorpoſten gekommen ſei, und ein Schreiben an den deutſchen Ritter Asmund von Sendenſtein ab— gegeben habe. Dieſer erkannte Ralow's eee entfaltete es ang , une

Ewig geliebter Asmund!

»Dein Freund iſt glücklich und unglücklich zugleich. Unglücklich dadurch, daß er vielleicht auf immer getrennt von dir ſein wird, glücklich aber in den Armen ſeiner inniggeliebten Maſura. Du tadelteſt meine Leidenſchaft, du ſuchteſt mein Gemüth umzu⸗ ſtimmen nach deinen Begriffen m aber es war zu ſpät, denn an eben dem Abende, w o ich Freudetrunken nach Hauſe kam, hat Maſura mir endlich das Geſtändniß ihrer zärtlichen Gegenliebe geleiſtet. Ich kann ohne ſie nicht leben, und der martervollſte Tod würde mir we— niger ſchrecklich ſein, als der Gedanke, von ihr getrennt zu werden. Auch ſie würde nur der traurigſten Zukunft entgegen geſehen haben, denn ihr Vater hatte ſie für einen Gatten beſtimmt, den ſie im Herzen verabſcheuen muß; kann der Wanderer noch wählen, welchen Weg

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er einſchlagen ſoll, wenn ſich ihm ein mit Dornen bewachſener Pfad hier zeigt, und dort eine reizende Blumenflor feinem Auge ſich darbietet? Unſer Ent: ſchluß war gefaßt, und gedieh zur Ausführung. Wir ſind getrennt vom chriſtlichen Heere, und vom Lager der Sarazenen. Ein ehrwürdiger Araber nahm uns in ſeiner Felſenhöhle auf, er beſorgt die Schreiben an dich und Maſurens Vater, und wird uns zur Ruck- kehr nach Europa behülflich ſein. Zürne dem Freunde nicht, daß er die kalte Pflicht der heißen Liebe opferte, und glaube mir, fo lange ich athme, wird die Freund⸗ ſchaft zu dir mein heiligſtes Gefühl bleiben. Vielleicht geſtattet es dereinſt das Schickſal, dich noch einmal zu ſehen. Ewig dein Freund Ralo w.s

Asmund las das Schreiben mit inniger Wehmuth; ſeinen Grundſätzen nach, ſah er ſeinen Freund auf Abwegen, welche ihn nur zum Verderben führen konn⸗ ten, und jedes Mittel ihn zu retten, war ihm benom⸗ men. Bald aber tröſtete er ſich wieder mit dem Gedanken, daß Ralow dennoch glücklich fein könne, wenn Maſura ernſtlich ihrem Heidenthume entſage. So nahte ſich end⸗ lich die Zeit ſeiner gänzlichen Beſſerung heran, und müde im fruchtloſen Kampfe ſein Blut zu vergießen, kehrte er endlich mit mehreren, gleichfalls der Beſchwer— niſſe überdrüßig gewordenen Kreuzfahrern nach dem deutſchen Vaterlande zurück.

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Zweites Kapitel.

Guido's Geburt.

Ritter As mund fand nun Beſchaͤftigung genug, feine, bisher fremden Händen anvertrauten Beſitzungen wie⸗ der in Ordnung zu bringen; er berichtigte alle Grenz⸗ ſtreitigkeiten mit den Nachbarn, gewöhnte feine Un- terthanen an die bisher vernachläßigte Ordnung, und traf in Allem die nöthigen, und zugleich mit ſeinem Geſchmacke übereinſtimmenden gen. Die Un⸗

terthanen hatten ihn in kurzer Zeit als einen eben ſo

gerechten als gütigen Gebieter kennen gelernt. Je mehr aber allgemach der Schwall von Geſchäften ſich minderte, deſto mehr gewann auch wieder fein Ge: dachtniß freieren Spielraum, ſich zurück zu erinnern an die Tage der Vergangenheit, und oft und lebhaft ſchwebte Maſurens Bild vor feiner Seele. Er ſah es ſelbſt ein, wie nothwendig es ſei, ſich dieſer Rücker⸗ innerung zu entſchlagen, und glaubte das beſte Mittel

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darin zu finden, wenn er ſich unter den Töchtern des Landes eine Hausfrau wähle, mit welcher er in Pflicht und Freundſchaft ſeine Tage verleben könne. Nun ſchlug er keine Einladung der umwohnenden Burgherrn aus, gab ſelbſt oft fröhliche Bankette, wo die Edlen mit ihren Töchtern einſprachen; wohl behagte ihm von Manz cher ihr Liebreiz und ſittiges Betragen, und er würde gewiß einen ihn n Gegenſtand gefunden haben, wenn er aber Vergleichungen mit Maſuren an— ſtellte, da ſtanden immer deren Reize im hellen Lichte vor ihm, während die Abuſzen Bilder gleichſam nur in matter Dämmerung vorüber ſchwebten. Endlich aber, dieſes Zweifel muthes ſelbſt überdrüßig, raffte er alle ſeine Entſchloſſenheit zuſammen, und warb bei dem benachbarten Ritter von Bernburg um die 1 ſeiner minniglichen Tochter Gertrude.

Jeder Burg ußte ſich durch die Sede des eben doeh Is biederſinnigen Herrn von Sen⸗ denſtein hochgeehrt fühlen, und ſelbſt Fräulein Ger⸗ trude konnte ſich's geſtehen, daß nicht leicht ein Mann von ſolchen Vorzügen um ſie anhalten werde. Der Ehevertrag ward alſo eben ſo bald als die Vermäh⸗ lung ſelbſt geſchloſſen, und Asmund führte unter Trom⸗ peten = und Paukenſchall die neue junge Hausfrau in die geſchmückte Herrenburg und vom Altare in den Prunk— ſaal zur von Gaften reich beſetzten Tafel Ein Tag der

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Freude war für Sendenſtein herangebrochen, und ſelbſt die Unterthanen wurden trefflich bewirthet oder beſchenkt, und nahmen den herzlichſten Antheil an dem Glücke der Herrſchaft. Asmund glaubte nun ſein Ziel erreicht zu haben, die noch übrige Zeit von der letzten Hälfte ſeines Lebens in Ruhe und wohlgemuth verle— ben zu können; aber es ſchien ein finſterer Geiſt ober ſeinem Haupte zu ſchweben, der es darauf antrug, ihm die Freuden des Daſeins zu vergällen, denn Frau Gertrude, nur bei der Spindel erzogen, und nicht mit dem gehörigen Wärmeftoff begabt, welcher, fi durch Lebhaftigkeit und zärtliches Benehmen äußernd, des Mannes Freuden erhöhen kann, war zu lau für Asmund's lebhaftes Temperament, und zu unempfäng⸗ lich für ſein gefühlvolles Herz; gelaſſen ertrug Asmund ihre Kälte, welche den Anſchein eines Mangels an Zu⸗ neigung hatte, er handelte ſtets pflichtgemäß als red⸗ licher Gatte, aber wenn er allein mit dem Jagdſpieße im Walde umherirrte, und ſich unter einen Baum binwarf, da erwachte fein Mißmuth in doppelter Stärke, da fühlte er eine quälende Leere im Buſen, und er ſah es nur zu deutlich ein, daß das gehoffte häusliche Glück für ihn verloren ſei. Er mied die Beſuche auf den benachbarten Burgen, denn es that ihm weh, wenn er gewahrte, mit welcher liebevollen Zärtlichkeit hie und da die Hausfrau ihren Eheherren 2

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liebkoste; er mied die ſchwelgeriſchen Bankett e, denn der Lärm der Zecher konnte die Stimme feines Miß muthes nicht übertäuden, und er beſchloß endlich auf's Neue, in fremde Länder zu ziehen, und im Kriege Zerſtreuung zu ſuchen; doch auch hieran hinderte ihn der Umſtand, daß Gertrude ſich Mutter fühlte, und dabei immer mehr zu kränkeln begann. Unmöglich konnte er als rechtliebender Mann die Leidende in dieſem Zuſtande verlaſſen, er ſuc te ſich daher, ſo viel wög⸗ lich in ſein trauriges Schickſal zu fügen. |

Allmälig rückte die Zeit der Entbindung a: } dem gewöhnlichen Burgarzte ward noch ein in der Heilkunde wohl erfahrner Mönch aus dem nachſten Klofter herbeigeholt, und beide ſuchten den gebiethen⸗ den Herrn auf eine traurige Kataſtrophe vorzubereiten, indem aller Anſchein einer Außerft ſchweren Geburt: vor⸗ handen war. Sie hatten ſich in ihren Muthmaßungen nicht geirrt; Frau Gertrude gebar zwar einen friſchen holden Knaben, welcher von ſeinem Pathen, einen Ritter aus der Umgegend, den Namen Guido erhielt, aber die ohnehin ſchwächliche Mutter war ſo ſtark an⸗ gegriffen, daß ihr Körper erliegen mußte, und ſie be⸗ reits am zweiten Tage hinüberging in die Wohnungen i des ewigen Friedens.

Asmund betrauerte ſie mit 1 Herzlich⸗ | keit, aber es duldete ihn nun nicht länger mehr im

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Schloſſe, er übergab dem Pathen und einem frommen Mönche die Erziehung des Knabens, ſobald er der Wär⸗ terin entbehren konnte, brachte alle feine Angelegen⸗ heiten in Ordnung, und zog mit einer auserleſenen Schaar Reiter an das Hoflager Kaifer Rudolf's von Habsburg, wo er Zerſtreuung und Beſchäftigung ge⸗ nug in verſchiedenen Streitigkeiten fand. So ſtrichen beinahe zehn Jahre dahin; als aber der große Rudolf zu Germersheim ſtarb, beſchloß As mund, feine Waffen ruhen zu laſſen, und ſeine Heimath wieder zu betreten. Er batte ja nun der Beſchwer ichkeiten ſchon ſo viele erduldet, daß fein abgematteter Körper ſelbſt der Pflege bedurfte. Vergebens ſuchte ihn Rudolfs Sohn, Al⸗ bert, bei ſich zu behalten, er verließ die Schaaren ſchleichender Höflinge, und kehrte wieder nach ſeinem Stammbauſe zurück. I: 1 122104227

Mit ſtrenger Redlichkeit hatten Guido's Erzieher ihre Pflicht erfüllt, der Knabe wuchs trefflich heran, die Natur hatte ihn mit ungemeiner Liebenswürdigkeit begabt; der ehrwürdige Mönch ſorgte, ſo viel näm— lich der Knabe Toſſungskraft haben konnte feinen Geiſt zu bilden, der Ritter aber hielt ihn ſchon frühzeitig zu Waffe nübungen an, und Guido entſprach den Be- mühungen feiner Lehrer ſo, daß ſie ſeine Fahigkei⸗ ten nicht genug bewundern konnten, und er zu einem der trefflichſten Männer beranzureifen verſprach. Als

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Vater Asmund nach feiner Rückkehr die trefflichen Eigenſchaften ſeines Sohnes bemerkte, thaute ſein Herz wieder auf, er gewann den Knaben immer lieber, und obwohl der an ruhiges Leben gewöhnte fromme Mönch dagegen eiferte, wenn Guido Tage lang ſich im Forſte herumtummelte, ſo ſah es doch Vater As— mund gerne, weil dadurch der Junge an Kraft und Lebhaftigkeit gewann, wie es für einen wackeren Rit⸗ ter ſich ziemte.

Es war an einem trüben, neblichen Herbſtabende, nachdem er in Begleitung des ſchon ſehr abgehärteten Junkers und einiger Knechte, den ganzen Tag im Walde zugebracht hatte, ohne durch irgend eine Beute ſeine Jagdluſt befriedigen zu können, als er ganz ver— drüßlich den Rückweg nach dem Schloße antrat. Der Knabe unterhielt ſich mit den Knechten, Herr Asmund aber ritt weit voraus, in verſchiedene Gedanken ver: ſunken; da ſtand plötzlich ein Mann, tief in ſeinen Mantel gehüllt, und den breiten Krempenhut bis über die Augen in die Stirne gedrückt, vor ihm. »Was ſoll's?« herrſchte ihm Asmund entgegen. »Ein kleines Gewerbe an den wackeren Ritter Asmund von Sen⸗ denſtein. Nehmt hier meine Rechte zum feierlichen Ge⸗ löbniß, daß ihr durch mein Gewerbe, ferne von Liſt und Trug, Euch nicht gefährdet findet, wenn Ihr aber die Stimme der Menſchlichkeit hören wollt, und noch jene:

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zarten Gefühle Euch eigen find, welche ehemal fo ſchön Euern Buſen belebten, ſo folgt mir nach einer Höhle, welche eine halbe Stunde von hier im Moor⸗ grunde ſich befindet, unerwartete Dinge werdet Ihr hören, und gewiß wird der Glaube an Euren Edel— muth ſich rechtfertigen. ac ö | 5 »Wer zweifelt daran? Wer biſt Du vo Bald ſoll es Dir näher enthüllt werden, wacke⸗ rer Asmund, und finden ſollſt Du, was Du Ir für verloren gehalten. c Dieſe letzten Worte ſprach der Unbekannte mit einem Tone, welcher den Ritter ſeltſam ergriff; er lenkte ſein Roß um. »Was willſt Du thun?« fragte der Fremde. »»Denn Knechten bedeuten, allein nach der Burg zurückzukehren. ae »Habe Dank, Du wackerer Mann, für Dein Willfahren. Doch auch dieſe dürfen mich nicht ſehen; jenſeits des Geſtrippes, wo eine himmelhohe Eiche ſich empor hebt, harre ich Deiner. Wir ſehen uns wieder. Schnell war der Fremde im Gebüſche entſchwun“ den; Asmund's Knechte kamen herbei, er befahl ihnen, den Knaben nach der Burg zu führen, indem er ſpä— ter nachkommen werde. Dieſe wußten zu gut, daß ſie es ja nicht wagen durften, den gebiethenden Herrn über irgend einen Befehl weiters zu befragen, und

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entfernten ſich daher kopfſchüttelnd; Asmund ader ſchlug den Weg nach der hohen Eiche ein, wo er von ferne den Fremden ſeiner warten ſah; dieſer ſchritt nun raſch vorwärts, Asmund folgte, ſo lange es möglich war, mit dem Pferde durch das Geſtrippe zu dringen, dann aber band er das abgemattete Thier an einen Baum, daß es zugleich im hoben Graſe weiden konnte, zog ſein Schwert, und eilte raſchen Schrittes dem Frem— den nach. »Ich folge Dir nicht weiter, rief er, und beim Himmel und meinem Schwerte, ſtehe mir Rede, du Verſucher in der Wüſte, wenn du nicht augen⸗ blicklich meiner Züchtigung gewärtig ſein willſt. Wir ſind am Moorgrunde, wohin willſt du noch weiter mich führen?« »Wir find am Ziele; ſiehſt du dort jene Höhle neben dem Gießbache? Dorthin begleite mich. «a »Nicht einen Schritt weiter, der redliche Mann kann auch unter offenem Himmel frei und offen ſpre— chen, er hat es nicht nöthig, ſich gleich dem giftigen Molche unter Steinwerk zu verkriechen.« » Wahr ſprichſt Du, und doch iſt es dringend noͤthig, mich augenblicklich von hier zu entfernen, in jedem Buſch⸗ werke kann einer meiner Mörder verborgen ſein. Bange Ahndung ergreift mich, daß dieß die letzte Nacht mei⸗ nes Lebens ſei; o mein Asmund, komm', komm', mein Leben iſt verwirkt, o laſſe durch Dich noch das Einzige retten, was mich bisher an dieſe Welt feſſel⸗

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te. & Der Fremde ſprach dieſe Worte mit einem ſolchen Ausdrucke, mit einem ſolchen an Verzweiflung grenzenden Gefühle, daß As mund im Innerſten ſchau— derte. Bei Gott, ſprach er zu ſich ſelbſt, dieſer Menſch kann kein Betrüger ſein. Ehre und Glaube iſt nicht gänzlich entſchwunden, und wenn Unheil mir drohen ſollte, ſo bin ich doch nur ein Opfer meines ritterlichen Muthes geworden. »Mache fort, ich folge Dir ‚a rief er, und Beide betraten endlich das Innere der Höhle.

»Biſt Du endlich da, Vater, rief eine zarte Stimme, ach wie ſehr bangte mir, daß die furchtba— ren ſchwarzen Männer Dich ereilt haben!« und hervor— trat mit einer Fackel in der Hand ein Knabe, und leuchtete Asmunden ins Geſicht. Dieſer betrachtete den Knaben genau, ein wunderliebliches Antliz lä— chelte ihm entgegen; hell und offen blickte das flam— mende ſchwarze Auge unter den buſchigen Wimpern hervor, die hohe Stirne ließ hohen Muth, beinahe Kühnheit vermuthen, und dicht und lange ringelten ſich die ſchwarzen Lecken um den blendend weißen Nacken. »Wer biſt Du fragte er Asmunden mit einer Entſchloſſenheit, welche man einem ſolchen zarten Knaben gar nicht zutrauen ſollte, »willſt Du mei: nen Vater morden? Hier iſt meine offene Bruſt, denn nur über meine Leiche geht der Weg zu ihm.« Der Knabe ſprach dieß mit einer ſolchen männlichen

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an

Entſchloſſenheit, daß Asmund ihn mit Freude, gerne an feine Bruſt gedrückt hätte. »Ruhig, mein Sohn, rief jener, dieſer Mann wird dein Schützer ſein, ich bin deſſen gewiß, darum laſſe uns den Steini vor die Höhle wälzen, und dann bei dem noch vorräthigen Kruge Wein das Weitere beſprechen. Ein großer Stein wurde nun vor den Eingang gewälzt, und nun begann der Fremde: 35

»Asmund von Sendenſtein, Du ſiehſt in mir einen Geaͤchteten. Vogelfrei bin ich erklärt, doch dieß iſt nicht genug, die Richter der Vehme ſind mir auf der Verſe. Dreimal war ich geladen, ohne zu erſcheinen; ach ich ſuchte ja des ſchuldloſen Knabens willen mein Leben zu erhalten. Ja ich ſtelle mich nun ihrem Ge⸗ richte; wenn ihre Dolche meine Bruſt durchbohren, bin ich ja nur eines Daſeins entlediget, welches mir lange ſchon zur unerträglichen Qual geworden iſt, ob— wohl ich ſchuldlos leide.

»Wenn dieß iſt, ſo ſollſt du armer Mann Schutz und Unterſtand bei mir finden. «

„Mit nichten, denn ich würde auch Dich mit in gleiches Verderben ziehen; ich darf Deine Schwelle nicht betreten, Du darfſt mit keinem Labetrunk mich erqui⸗ cken, damit Dir nicht gleiche Strafe zu Theil werde; aber des Knaben erbarme Dich, nimm ihn in Deinen Schutz, und bilde ihn zu dem redlichen Manne, der Du bift.«

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»Hier haft Du Wort und Handſchlag.«

Habe Dank, bei Dir gilt dieß mehr als die feier⸗ lichſten Eide, und nun iſt mir die größte Laſt vom Herzen gewälzt. Gehe hin, Oskar, knie nieder vor deinem zweiten Vater, und bitte ihn um feinen Segen.

Asmund ſegnete den Knaben, und drückte ihn an ſein Herz.

»Nun aber noch meine zweite Bitte an Dich, mein Asmund. Verzeihung dem treuloſen Freunde, der Deine Lebens ruhe untergrub, der es nicht eher wagte, ſich Dir zu erkennen zu geben, bis er Dein Wort zur Erziehung des Knabens hatte. Nun laſſe mich in dieſer feierlichen Stunde zu Deinen Füßen um Verzeihung flehen.«

Mit dieſen Worten warf der Fremde die um ein Auge gewundene ſchwarze Binde ſammt falſchen Bart und Haupthaar ab, und ſank zu ſeinen Füßen. »Ra⸗ low, « rief Asmund, und taumelte einige Schritte zus rück; dann aber hob er ihn vom Boden anf, und riß ihn an feine Bruſt. »Mein Ralow «rief er, »fo und in dieſer ſchrecklichen Lage muß ich Dich wieder ſehen

»Nur durch eigene Schuld, erwiederte Jener; ich bin Dir aufrichtiges Geſtaͤndniß ſchuldig. Es iſt noch lange bis zur Mitternacht, darum laſſe Dir im Kurzen berichten, was mich in dieſe Lage brachte, ich möchte ſo gerne mit Deiner Verzeihung meiner Be—

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ſtimmung entgegen wandeln. Unbezwingdar war meine Leidenſchaft zu Maſura. Lange blieb ſie gleichgültig gegen meine Leiden, denn von der heftigſten Liebe er— griffen, hatte ich allen Freuden der Welt entfage, und konnte nur in ihrer Gegenliebe das verlorne Lebensglück wieder finden. Als endlich Nachricht von ihrem Vater kam, durch Ueberreichung des Löſegeldes wieder zu ihm zurückzukehren, als der Augenblick der Trennung herangebrochen war, da ward ich meiner nicht mehr mächtig, ich zog meinen Dolch, ihn in meine Bruſt zu ſtoßen, um wenigſtens zu ihren Fü— ßen ſterben zu können Sie ſelbſt ſah ein, daß ſie nur ihrem Unglücke entgegen gehe, und geſtand mir end— lich Gegenliebe. Nach ſo vielen kummervollen Tagen war dieß wieder der Erſte meines Glückes. Von Freude betäubt kam ich aus ihren Armen zu dir. Da riethſt du mir mit weiſen Gründen ab von meiner, Liebe, aber ich war eines ſolchen Sieges nicht mehr fähig, mir blieb nichts, als der Entſchluß übrig, dir mein Glück zu verheimlichen, und ſelbem blindlings zu fol— gen. So entfloh ich denn mit Maſura, gelangte mit ihr nach Weſtphalen, wo ich von ihrem mitgenomme— nen Löſegelde eine kleine Veſte kaufte. O mein Asmund, du kannſt nicht glauben, wie glücklich ich an ihrer Seite lebte; dieſer Knabe war das Pfand ih— rer Liebe. So ſtrichen beinahe ſieben Jahre vorüber,

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als ein mächtiger Graf von Reifen zurückkehrte, und ſein, eine halbe Tagreiſe weit entferntes Stammſchloß bezog. Mich kümmerte dieß eben ſo wenig, als das Gerücht ſeines böſen Herzens; aber nur zu bald ſollte mir traurige Erfahrung werden. Er ſah meine Gattin’ welche mit mir in meinem Forſte jagte, und die heftigſte Flamme der Liebe ſchlug in ſeiner Bruſt empor. Kein Mittel ließ er unverſucht, ihre Zuneigung zu gewin— nen; als aber alle ſeine Mühe fruchtlos blieb, da er— wachte fürchterliche Rache in ihm, und unſer Verder— ben ward beſchloſſen. Ich ward vor ein Gericht gela— den, mit einer Heidin in unerlaubter Gemeinſchaft zu leben, ich erſchien nicht, und bald wehten des Reichsgerichtes Fahnen vor meinen Mauern. Ich ver— theidigte mich mannhaft, aber die Uebermacht war zu groß, und in einer ſchrecklichen Wetternacht, wo meine, durch anhaltende Kämpfe erſchöpften Leute der Ruhe genoſſen, und ja nicht vermuthen konnten, daß die Feinde etwas unternehmen würden, indem durch meine Späher die Nachricht einlief, daß ſie ſich nach ſo vielen abgeſchlagenen Stürmen zum Abzuge bereites ten, überfielen dieſe plötzlich das Schloß, beſtürmten die Mauern, und warfen Brandfackeln ein. So wü— thete Schwert und Feuer gegen uns; wir erlagen der Uebermacht. Ich ſuchte mich mit Weib und Kind zu retten, wir flohen einem unterirdiſchen Gange zu, da

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ſchwirrte ein Pfeil durch die Luft, und durchbohrt ſank Maſura zu Boden; ich war meines Bewußtſeins beraubt. Wie ich mich ermahnte, fand ich mich im Walde; zwei treue Knechte hatten mich Bewußtloſen fortgefhleppt, und in die Wildniß gebracht; mein Sohn war mit mir zugleich gerettet worden, aber ach, meine Maſura mußte ein Opfer des Todes werden. In einer Köhlerhütte fand ich Unterſtand; ich lag lange, beinahe im Irrſinne dahin, endlich aber gab der Gedanke an Rache mir neue Kraft. Dieß war nun das einzige Gefühl, das mich beherrſchte. Ich vertraute dem Köhler mein Kind; verkleidet eilte ich nach dem Aufenthalte meines Feindes, ich traf ihn auf der Jagd, von wenigen Getreuen umgeben, mich ſchreckte keine Gefahr; ſo wie der Tiger über ſeine Beute herſtürzt, fiel ich ihn an, und ſtieß ihm, ehe er ſich noch zur Wehre ſetzen konnte, mein Schwert bis an das Heft in die verrätheriſche Bruſt. Raſch wollten ſeine Begleiter über mich herfallen, aber ſchneller noch entſprang ich durch das Gebüſche in den nahen Strom, wo ich mich an das jenſeitige Ufer hinarbeitete, | und glücklich in dem hohen Buſchwerke entkam. Geſättiget war nun mein Rachedurſt, die Erhaltung meines Lebens, nicht für mich, ſondern für meinen Sohn, erwachte in mir. Ich holte ihn vom Köhler ab, und eilte Tage lang fort durch die Wildniſſe, wo nur

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abgefallene Waldfrüchte und Quellwaſſer unſere Nahrung waren. So gelangte ich endlich in dieſe Gegenden, wo ein Landmann uns Hülfebedürftige aufnahm. Aber leider bemerkte ich bald, daß die Gefahr mir mit Rieſenſchritten nachfolge. Der von mir Gemordete war ein Mitglied der Vehme geweſen; mein Todesurtheil war alſo gefällt, und ich bin als Opfer anheimgefallen. Mir iſt der Tod nicht ſchrecklich. Ich werde den als hülfebringenden Freund umarmen, der mich wieder mit Maſuren vereiniget, denn ohne ihr iſt das Leben mir zur unerträglichen Qual geworden. Nun weiß ich meinen Oskar in . und ich nehme herzlich ey von euch.

Er drückte den Knaben und Asmunden mit der größten Heftigkeit an ſich, und ſtürzte aus der Höhle. Er war den Augen des nacheilenden Ritters um fo ſchneller entſchwunden, da bereits tiefes Nachtdunkel ſich auf die Erde gelagert hatte. Vergebens rief dieſer ihn beim Namen, nur das Echo gab ferne die verhallenden Töne zurück; aber nach einer kurzen Pauſe erſchallten Jagdhörner. Die Diener Asmund's waren ſeines Ausbleibens wegen beſorgt geweſen, und ſuchten ihn ängſtlich allenthalben. Der Ritter gab mit ſeinem Hüfthorne das Zeichen, und begab ſich mit dem Knaben nach dem Schloſſe; zwei Diener aber ließ er in der Höhle zurück, mit dem Bedeuten, wenn der Fremde

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wiederkehren follte, ihn zu nöthigen, ſich wenigſtens in die Nähe der Burg zu begeben, und dann den Gebieter ſogleich zu wecken.

Der Knabe Oskar wurde einſtweilen, bis nähere Anſtalten getroffen waren, dem Schloßvogte übergeben, wo er nach eingenommenem Mahle ſogleich einfchlief- Asmund aber hatte nun ſo reichlichen Stoff zum Nachdenken erhalten, daß beinahe der Morgen ſchon herangraute, ehe leichter Schlummer ſeine Augenlieder ſchloß. Wie der Tag vollends berangebrochen war, und es wieder lebhafter im Schloſſe zu werden begann, wachte auch Asmund wieder auf, und berief ſeinen Leibdiener zu ſich. Dieſer trat mit ganz verſtörrter Miene ein. »Ach geſtrenger Herr, ſprach er, es mogen wohl gar ſeltſam ie. Dinge ſich ereignet haben, und Heil Euch, daß Ihr glücklich dem Walde entkommen ſeid, denn einer der Diener, welcher ſich bei dem Nachſuchen um Euch i im Dickicht verirrt hatte, kam ungefähr vor einer halben Stunde bleich wie der Tod, und am ganzen Körper zitternd zurück. Er war einen guten Theil der Nacht im Walde umhergeirrt, da gewahrte er plötzlich Fackelſchein, und hörte mehrere Menſchenſtimmen; furchtſam verbarg, er ſich im Gebü iſche, und gewahrte, wie vier ſchwarz, Vermummte einen einzelnen, ns Stricken umwundenen Mann herzuſchleppten, und ihn mit ihren Dolchen durchbohrten. Schrecken ergriff den

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lau ſchenden Knecht, er ſtürzte fort, ſobald die Ver⸗ mummten ihm aus den Augen waren, und erreichte endlich mit Anbruch der Morgendämmerung den Aus⸗ gang des Waldes; aber da erſtarrte er auf's Neue vor Entſetzen, als abermals ein Verlarpter vor ihm ſtand, und eine, mit einer ſchwarzen Schnur zuſammen ge⸗ bundene Rolle mit dem Bedeuten übergab, ſelbe unge⸗ ſaͤumt dem gebiethenden Herrn von Sendenſtein zu übergeben. Der Knecht ſei vom Schrecken ſo ergriffen, daß er das Lager hüthen müſſe, und übergab daher dem Leibdiener die ſchauerliche Rolle. 1

„Asmund entfaltete ſie nicht obne bangem Vorge⸗ fühle, und las: »Ralow fiel als gerechtes Opfer durch die Hand der heiligen Vehme; Sühnung mit dem ewigen Richter, und Ruhe feiner Aſche, möge ihm werden. Die Bluträcher handelten hier ihr trauri⸗ 5 ges Amt. Wohl Euch, wackerer Ritter, daß Ihr dem Vervehmten nicht Schutz und Obdach gewährtet, denn auch Ihr würdet. unſerem Richterſtuhle anheim gefallen „fein. Des Knaben wegen feid unbeſorgt; die ſchuldloſe Kindheit kann nicht für die Verbrechen des Vaters büßen; erzieht ihn zur Tugend, und ſegnen werden Euch

die Richter im Verborgenen. «

As mund ließ das Blatt fallen, und bedeckte mit beiden Händen das Geſicht, doch vermochte er es nicht, die hervorquellenden Thränen um den unglücklichen

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Freund zu unterdrücken, als er ſich aber wieder er: mannte, da war ſeine erſte Sorge, Alles zur Bildung des Knabens vorzukehren, und ja nichts zu unterlaſſen, was zu deſſen Beſten gereichen könne. Die beiden Knaben, Guido und Oskar, waren beinahe im gleichen Alter; für beide hatte die Natur, nicht nur durch treff⸗ liche Bildung, ſondern auch durch herrliche Geiſtesan⸗ lagen geſorgt, nur war Oskar etwas zu lebhaft, zu raſch in ſeinen Handlungen; vergebens ſuchten ſeine Lehrer das, von der Mutter ererbte, lebhafte aſiatiſche Blut zu bändigen. Es ſchien, als ob die Natur in den beiden Knaben eben jene Gefühle fortſetzen wollte, mit welchen ſie ihre Väter, Asmund und Ralow, be⸗ gabt hatte; nur war Guido mehr noch als ſein Vater zur Schwermuth und zu tieferem Eindruck für zarte Gefühle geeignet, während dem Oskar noch weit leb⸗ hafter alle Gegenftände auffaßte, und Alles, was er unternahm, mit unbezwingbarem Feuereifer angriff— Demungeachtet aber waren ſich die Herzen der beiden Knaben auf das Engſte verbunden, und nichts ſchien das Band ihrer innigſten Freundſchaft löſen zu können.

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Drittes Kapitel.

Die Abreiſe an das Hoklager.

SS: mehr fie ſich dem Jünglingsalter näherten, und ihre Kräfte trefflich gediehen, deſto mehr nahmen jene des Ritters ab. Er hatte in ſeinem kriegeriſchen Man⸗ nesalter der Beſchwerlichkeiten zu viele erdulde 1 34 aus mancher tiefen Wunde ſein Blut vergoſſen, und nun, da er dem Greiſenalter ſich näherte, brach manche üble Folge heran, welcher er früher nicht gedachte. Namhafte Schmerzen an verwundet geweſenen Theilen des Körpers ſtellten ſich ein, und er war genöthiget, beſonders bei dem Wechſel der Witterung, das Kranken—

lager zu date Zu dem gewann auch ſein Geiſt die

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auf ihn gemacht, daß er ſich der Schwermuth nicht mehr entwöhnen konnte, und immer riß Oskars Leb— haftigkeit dieſe Herzenswunde auf's Neue wieder auf. Seine Freunde bemerkten dieß nur zu deutlich, und ſannen auf Mittel, wie denn dieſem Unheile geſteuert werden könne. Da fügte ſich's einſt, daß ein Ritter vom Hofe Kaiſer Albrechts, dem Sohne Rudolf's von Habsburg, welcher auf einer Reiſe begriffen war, auf Sendenſtein einſprach, und ſich die beiden Ritter als ehmalige Waffenbrüder aus Paläſtina erkannten. Groß war die Freude des Wiederſehens nach vieljähriger Tren⸗ nung, und da Herrn Bertram, ſo hieß der Ritter, eben nichts zur großen Eile nöthigte, ſo ließ er ſich's gerne gefallen, einige Tage auf dem wirthlichen Sen⸗ denſteine der Rübe zu pflegen. Hier lernte er nun die beiden ſchön herangewachſenen Knaben kennen, und konn e ſich an ihrem, die Jahre weit überſteigenden Benehmen nicht ſatt ſehen. Er meinte, daß es wohl: gethan ware, die beiden Jungens an das kaiſerliche Hoflager zu geben, wo fie noch weit beſſer edle Ritter⸗ ſitte lernen, und ſich für eine thatenvolle Zukunft aus⸗ bilden könnten, denn Kaiſer Albrecht hielt ein gar pracht— volles Hoflager, an welchem immer die Zierde der damaligen Ritterſchaft, und die angeſehenſten A

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ten und Künſtler verſammelt waren, und wo es

2 DO dem aufkeimenden Talente an hundert Gelegenheiten zur Vervollkommnung nicht fehlen konnte. Vater As: mund ſah nicht nur die Richtigkeit dieſer Bemerkung, ſondern ſogar die Nothwendigkeit ein, den Knaben ein weiteres Feld ihres Wiſſens zu eröffnen, bald waren daher die beiden alten Ritter in der Hauptſache einig, und da ſich Herr Bertram erbot, die Knaben ſelbſt mit an das Hoflager zu nehmen, wo er einer beſonderen kaiſerlichen Gunſt genoß, ſo wurden auch ſogleich alle Anſtalten getroffen; da jedoch der Ritter ſo lange nicht verweilen konnte, und zugleich der Winter ſtrenge her— einbrach, ſo verſprach Bertram vor der Hand alles zu ihrem günſtigen Empfange bei Hofe vorzubereiten, und ſie dann entweder ſelbſt abzuholen, oder durch einen vertrauten und rechtlichen Mann an das Hoflager bringen zu laſſen. 5 Noch nie war den beiden jungen Freunt en die Zeit ſo langſam dahin geſtrichen, wie nunz ſchon lange war für ihren emporſtrebenden Geiſt das Vaterhaus zu enge ben; ; ſchon lange hatten fie ſich, von ihrem r von fo vielen glänzenden Thaten mehrerer errichtet, geſehnt, in der großen Welt mit

Ritte verde Eifer dieſen erhabenen Beiſpielen zu folg war ihnen die Ausſicht hiezu geöff⸗

ſie gingen und ſtanden, träumten iner Far eier dees: mit Eifer

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widmeten jie ſich dem ihnen ertheilten Unterrichte, und konnten ſich nicht ſatt hören an den Erzählungen von den Thaten berühmter Ritter. Dieſen nachzuahmen war ihr feſter Entſchluß, und oft, wenn ſie mitſam⸗ men luſtwandelten, und von einer glücklichen Zukunft träumten, ſchwuren fie ſich auf das feierlichſte, nie einer von des Andern Seite zu weichen. Gefahren und Unglück ſo, wie die ihnen entgegenlachenden Lebens— freuden mitſammen zu theilen. Vater Asmund freute ſich dieſes Bündniſſes ihrer Herzen; er verſetzte ſich in die Tage ſeiner Jugend, wo auch er mit gleicher Zärt— lichkeit an ſeinem Freunde Ralow hing, und wünſchte nichts ſo ſehr, als daß nicht ein eben ſo ungünſtiges Schickſal das Band ihrer Freundſchaft zerreißen möge. Endlich verhauchten die Stürme des Winters der mildere Sonnenſtrahl rief die entſchlummerte Nas tur wieder zum neuen Leben empor, und mit jedem Tage erneuerte ſich die Hoffnung der beiden jungen Freunde, ſich nun bald am Ziele ihrer Wünſche zu

ſehen; zu ihrer größten Herzens bangigkeit war aber

das ſchöne Lenzmonat beinahe verſtric e daß Bothſchaft von Herrn Bertram angela Da

meldete man eines Abends einen Tempelritter Einlaß fordere, um mit dem Burgherrn zu jprechen‘ Er wurde mit der damals allgemeinen freiheit empfangen, und als die Ritter bein

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beiſammen ſaßen, eröffnete der Templer, daß er von Herrn Bertram, welchen das böſe Zipperlein an das Krankenlager geſchmiedet hatte, abgeſandt ſei, die beiden jungen Herrlein an das Hof⸗ lager zu führen, wo ihnen kaiſerliche Majeſtät bereits im Voraus eine huldvolle Aufnahme zuge⸗ ſichert habe, auch beurkundete er dieſe feine Sen: dung mit einem eigenen Handſchreiben des alten Bertram. | Ritter Hagemund von Hollenſtein, fo nannte ſich der Templer, war ein alter Mann mit grauem Haupthaar, deſſen biedere Miene ſchon beim erſten Anblicke Zutrauen erregte. Er war wegen Schwäche zwar aus dem Dienſte des Ordens getreten, ohne jedoch ſelben gänzlich verlaſſen zu haben, und lebte nun am kaiſerlichen Hoflager, wo er ſeines Bieder— ſinnes und ſeiner Frömmigkeit willen allgemein hoch geachtet war. Asmund ſah alfo feine Sprößlinge einem würs digen Manne anvertraut, und ſo ſehr es ihm inner— lich wehe that, ſich von ſeinen Lieblingen zu trennen, ſo ſah er doch die Nothwendigkeit hiezu ein, und alles wurde zur Abreiſe thätig betrieben. Endlich nahte der beſtimmte Tag heran; wenig hatten die beiden Jünglinge in dieſer Nacht geſchlafen, da ihre Fantaſie zu ſehr mit den Vorſpieglungen der Zu⸗

kunft befihäftiget war, als daher bie Roſſe gezaͤumt wurden, waren ſie ſchon in ihre Reiſekleider gehüllt, nahmen Abſchied vom Vater Asmund, und traten, von deſſen Segen begleitet, die Reiſe an.

Viertes Kapitel.

Zerſtörung des Freundſchaktsbundes.

Wi. ſehr ſtaunten die Jünglinge, als ſich ihnen ſo viele hunderterlei Gegenſtände zur Bewunderung dar⸗ boten! Schon in den kleineren Städten, welche ſie durchzogen, fanden ſie der Dinge ſo viele, welche ih⸗ nen auf der heimiſchen Burg ganz fremd geblieben wa⸗ ren, als ſie aber erſt nach Wien kamen, welches freilich damals nur noch ein Schattenbild gegen die jetzige Haupt⸗ ſtadt war, wo aber dennoch, weil eben Kaiſer Albrecht dort ſein Hoflager hielt, und ſo viele Edle hauſten, der größte Prunk zur Schau ausgeſtellt war, und es bei den lebensluſtigen Bewohnern nie an Gelegenheit zu Unterhaltungen mangelte, da glaubten ſie ſich in eine andere Welt verſetzt zu ſehen, und als ſie dem Kaiſer vorgeſtellt wurden, und dieſen von den Großen ſeines Reiches umgeben, auf dem goldſtrahlenden Throne

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ſitzen ſahen, da waren beinahe ihre Sinne betäubt, und ſie fühlten ſelbſt, daß ſie anfänglich ein lächerliches Betragen äußerten; als aber der Kaiſer mit der ihm angeſtammten Milde mit ihnen ſprach, da munterte fie fein herablaſſendes Benehmen auf, ihr Geiſt gewann die vorige Freiheit wieder, und ſie beantworteten ſeine Fragen mit einer Einſicht und Unbefangenheit, welche ihren früheren Erziehern Ehre machte. Albrecht fand Wohlbehagen an ihnen, er übergab ſie dem Hof— meiſter der Edelknaben, äußerte aber gegen dem Temp⸗ ler Hagmund den Wunſch, ſich gleichfalls ihrer fee Bildung zu unterziehen.

Bald traten ſie ſo, wie die übrigen Edelknaben, in reiche goldverbrämte Wämſer gehüllt, ihre Dienſt⸗ leiſtungen in den Vorgemächern des Kaiſers an, und alles bewunderte die herrliche Bildung der beiden Jüng⸗ linge. Sie widmeten ſich nun mit Eifer ihren Geſchäf— ten, und da Ritter Bertram noch immer das Kranken— lager hüthen mußte, ſo unterließ der Templer nichts, was zu ihrer gänzlichen Ausbildung beitragen konnte.

Immer mehr entfaltete ſich ihr Charakter. Guido ſchloß ſich mit hoher Innigkeit an ſeinen Lehrer Hoge— mund an; er verrieth große Neigung, dereinſt ſelbſt in den Orden zu treten, wozu ihn aber Hagemund erſt dann rieth, wenn er des Geräuſches und der Ver— folgungen der Welt müde geworden ſei; dagegen fand

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Oskar immer mehr Vergnügen an lärmenden Geſell⸗ ſchaften, achtete weniger mehr der weiſen Lehren des Templers, und ſchloß gegen deſſen Rath ein immer näheres Freundſchaftsbündniß mit den Rittern Palm und Eſchenbach, den Vertrauten Johanns von Schwa⸗ ben, des in der Folge berüchtigten Mörders ſeines erha⸗ benen Oheims. Umſonſt waren ſelbſt Guido's freund⸗ ſchaftliche Warnungen, zu großen Reiz hatte für den leichtſinnigen Jüngling der Umgang mit dieſen über⸗ müthigen verwahrloſten jungen Männern; zu großen Reiz hatten die leichtfertigen ſchwelgeriſchen Feſte, welchen ſie ſich Preis gaben. Dahingegen der ſtille friedfertige Guido des Kaiſers Liebling ward, welcher auch väter lich für ihn ſorgte. ö

So ſtrich eine geraume Zeit vorüber, beide Freunde waren zu ſtattlichen jungen Männern herangewachſen, | und erhielten bei einer großen Feierlichkeit von des Kaiſers Hand den Ritterſchlag, welchen ſie ſich in mehreren beigewohnten blutigen Gefechten gegen Otto, Herzog von Baiern, der wider des Kaiſers Willen ſein Kriegsheer durch Steiermark nach Ungarn führen wollte, reichlich verdient hatten. Zwei wichtige Ereigniſſe traten nun ein. Ritter Asmund ſtarb, von einem Schlagfluſſe befallen, eines plötzlichen Todes; da er keinen letzten Willen hinterlaſſen hatte, ſo wurde

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das Erbe unumſchränkt Guido'n zugeſagt, er wollte brüderlich mit Oskarn theilen, doch dieſer verweigerte das edelmüthige Geſchenk mit der unfreundlichen Be⸗ merkung, daß er ſich ein noch größeres Gut mit ſeinem Schwerte erwerben könne. Tief fühlte ſich Guido da» durch gekraͤnkt, und eine bisher nie gekannte Kälte begann ſich beider Herzen zu bemächtigen.

Um dieſe Zeit begannen die Schweizer, das uner- traͤgliche Joch abzuſchütteln, welches ihnen die, ibre Gewalt mißbrauchenden Landvögte auferlegten, zahlreiche Kriegsſchaaren wurden gegen fie geworben; auch Suido und Oskar freuten ſich innig, neue Gelegenheit zu Helden⸗ thaten zu finden. Doch früher noch ereignete ſich die ſchreck— liche Miſſethat Johanns von Schwaben, welche ent⸗ ſetzend an ihm und feinen Genoſſen die rächende Neme⸗ ſis beſtrafte, wie es in der Geſchichte hinlänglich be— kannt iſt, und auch Oskaͤr, ſchon wegen ſeines Um— ganges mit ihnen in Verdacht, mußte mit den blut: bedeckten gräßlichen Mördern fliehen. Sieben Monate war nach Albrechts gewaltſamen Tode der Thron erlediget, als endlich Heinrich der Sechste zu dieſer erhabenen Würde ernannt wurde. Auch er war dem treuherzigen Guido gewogen, und zeichnete ihn unter ſeinen Getreuen aus. Friede herrſchte nun allgemein in Deutſchland, aber Italien wurde durch die Guel—

BB _ phen und Gibellinen verherrt, und der neue Kaifer ſuchte durch Heeresmacht, auch dieſem Lande den ſo lang entbehrten Frieden wieder zu geben, und nun fängt die eigentliche Epoche an, in welcher unſer Guido von Sendenſtein in fo viele traurige Verpaͤlt⸗ niſſe gerieth. 0

Fünftes Kapitel.

Seltene Erſcheinungen. ö

Ein großer Theil der lombardiſchen Städte hatte be— reits dem ſiegreichen Heere des Kaiſers die Thore ge⸗ öffnet, doch Brescia ſuchte gleichſam dem reißenden Strome einen ſtarken Damm entgegen zu ſetzen, und es kam zu einer Belagerung, welche ſich trotz der An ſtrengung der deutſchen Krieger, ſehr in die Länge zog. Kaiſer Heinrich beſchloß, durch Hunger die Vertheidiger zu entkräften; es kam zwar oft zu blutigen Gefechten, doch nie zu einem Haupttreffen, nie zu einem e denden Sturm.

Mehrere Tage ſchon hatten die Waffen 191 111 Guido'n war dieſe Unthätigkeit zur Qual, er nahm daher oft ſeine Armbruſt zur Hand, und irrte ohne Begleitung umher. An ſeinen verlornen Freund Oskar denkend, war er einſt tiefer wie gewöhnlich in die Waldung gekommen, und da ihm zugleich keine Jagd—

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beute aufgeſtoßen war, warf er ſich mißmuthig in das hohe Gebüſche, und ſtarrte, ohne an etwas zu denken, nach der durch die Offnungen der Bäume hervorſchim⸗ mernden Bläue des herrlichen Himmelsgewölbes. Da dünkte es ihm, von Ferne die Töne einer Laute zu ver⸗ nehmen, er horchte hoch auf; immer näher vernahm er die ſchmelzenden Accorde, und als er jetzt das Laub⸗ werk bei Seite bog, um durchblicken zu können, ge— wahrte er in mäßiger Ferne eine weibliche Geſtalt in einen langen weißen Schleier gehüllt, welche gleich einem geiſtigen Weſen durch die Blumengebüſche fort⸗ ſchwebte. Noch nie dünkte es ihm, ſolche zauberiſche Melodien gehört zu haben, und lange ſchon hatten die Töne verhallt, und immer noch fand er Vergnügen an dem zauberiſchen Nachklange in ſeiner Seele. »Wer mag dieſe Unbekannte ſein?« fragte er ſich ſelbſt, »wie kann dieß zarte Geſchöpf es wagen, einſam dieſe von Kriegern umlagerte Gegend zu durchwandeln 26 Noch war er in Bewunderung verſunken, als jetzt abermal, und zwar näher die Töne der Laute erklan⸗ gen, und nun don einer Stimme begleitet wurden, gleich als ob ein Engel des Himmels den Ather durch⸗ ſchwebte. Euido ſtand wie angefeſſelt, ſeine ganze Seele ſchien ſich emporzuſchwingen, und in ſüßes Ge: fühl aufzulöſen, als endlich die Töne gänzlich ſchwiegen, als ſein Ich wieder zur gehörigen Beſinnung zurückzukeh⸗

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ren ſchien, da erwachte auch der Gedanke in ihm, ſich näher von dem Seltſamen dieſer Erſcheinung zu über— zeigen. Raſchen Schrittes ſtreifte er durch das Gehölz, noch glaubte er von Ferne das Wallen des Schleiers im leichten Abendwinde zu gewahren, jetzt trennte ihn nur mehr ein leichtes Gebüſch von dem Hügel, von dem abermal einige Accorde ihm entgegen tönten, und plötzlich, als er dieſen erreichte, war alles ſo ſchnell vor ſeinen Blicken entſchwunden, wie ein leichter Nebel, vom Winde getrieben über die Flur ſtreifend, in unbemerkbare Dünſte ſich auflöſt. Vergebens durchirrte er das Gebüſch nach allen Richtungen, das Nachtdunkel brach herein, und er mußte unbefriedigt nach dem Lager zurückkehren. Es war ihm unerklärbar, wie dieſes an ſich unbedeutende Ereigniß einen ſolchen heftigen Eindruck auf ihn ma— chen konnte, und dennoch ſchwebte ihm ſogar im Traumbilde die Geftalt vor. Am folgenden Tage war es ſein erſtes Geſchäft, die Gegend genau zu durch- ſpähen, um vielleicht irgend ein Gebäude zu erblicken, wo die Unbekannte haufen könne, er fand zwar rings— um alles blühend in jenem üppigen Schmucke, welchen der Himmelsſtrich dieſer reizenden Gegend gewährt, aber nicht ein Häuschen war weit und breit zu ſehen, welches irgend einem Bewohner ein wirthliches Obdach hätte gewähren können; hie und da nur zeigten ſich

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einige Ruinen von Gebäuden, welche bereits in frühe: rer Zeit die Flamme des Krieges verheert haben mochte. Guido durchſtrich das Steinwerk, aber nirgends ſah er die Möglichkeit ein, hier einen noch bewohnbaren Aufenthalt zu gewahren. Mißmuthig lagerte er ſich am Fuße des Hügels, wo er zuletzt die Sängerin gewahrt hatte, und ſehnte ſich nach dem Hereinbrechen des Abends, um vielleicht dennoch die nämliche Er: ſcheinung zu erblicken.

Allmaͤhlig entſchwand des Tages lichtes Blau, ents weichend den dunkleren Schatten des Abends. Tiefe Todtenſtille herrſchte rings umher, und Guido konnte ſich nicht erwehren, daß ein leiſer Schlummer ſich auf ihn ſenkte, welcher ihn allmälich tiefer in das Gebiet der Träume hinabzuziehen begann; plötzlich aber fuhr er empor, denn die nämlichen Lautentöne— weckten ihn wieder, und die nämliche Geſtalt ſah er in der Ferne durch die Gebüſche ſchweben. Jetzt war er ſeiner nicht mehr mächtig, er mußte das Mädchen näher kennen lernen, und wenn es ſein Leben gelten ſollte; raſch ſtreifte er durch das Gebüſche, er wußte wohl, daß nach der Richtung, welche er zu nehmen hatte, ein Bach ſeine Schritte hemmen werde, doch hatte er bei früheren Wanderungen bemerkt, daß das ſeichte Waſ— ſer leicht zu durchſchreiten ſei, als er aber wirklich dort anlangte, ſah er fi in feiner Erwartung getäuſcht,

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denn in der vorigen Nacht waren im Gebirge hau: fige Regengüſſe gefallen, die Wäſſer ſtürzten raus ſchend in die Tiefe, und der Bach war zum Strome angeſchwollen, welcher mit jedem cee ſein Bett zu überſchreiten drohte.

Nun, ſchon fo nahe dem Ziele feiner Wünſche, denn deutlich ſah er die Sängerin durch das Buſchwerk luſtwandeln, ſollte er ſich in feiner Hoffnung getäuſcht ſehen? Dieſer Gedanke war ihm unerträglich, er achtete in dieſem Augenblicke der drohenden Gefahr nicht, hoffte das Waſſer glücklich zu durchſchwimmen, und ſtürzte ſich in die Fluth; aber vergebens ſuchte er die reißenden Wogen mit ſtarken Armen zu durchbrechen, die Gewalt des Schwalles ergriff ihn in der Mitte des Stromes, und riß ihn unwiderſtehlich mit ſich fort. Guido's Kräfte erlahmten, und ſchon war er dem Unterſinken nahe, da ruderte ein Mann in einem kleinen Nachen heran; er war in einen braunen Kittel gehüllt, ein dichter grauer Bart wallte bis an ſeinen Gürtel hinab, ſein Haupt war beinahe ganz kahl, nur mit wenigen Silberhärchen beſetzt. Mit Rieſenkraft lenkte er das Ruder, die Wellen zu theilen; jetzt hatte er Guiden erreicht, welcher feine letzten Kräfte ans ſtrengte, ſich noch auf der Oberfläche des Waſſers zu erhalten. Jetzt ergriff ihn der Greis, doch er war zu ſchwach, ihn in den Kahn zu bringen, da warf ihm

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der Alte den Strick um den Leib, welchen Guido feft umklammerte, und ſo erreichten ſie endlich das Ufer, wo aber der Gerettete aller Kräfte, und auch feiner Sinne beraubt auf den Boden hinſank. 8

Allmählig kehrte neues Leben in Guido's Körper zurück, doch noch lange war er ſeines Bewußtſeins nicht fähig, und ſtarrte gleich einem Trunkenen nach den Gegenſtänden um ihn her; er fand ſich in einem geraͤumigen Gewölbe, in trockne Kleidung gehüllt, auf einem reinlichen Lager. Neben ihm brannte auf einem Tiſchchen eine Lampe, ihr gegenüber ſtand ein Schrank mit Büchern, nebſt verſchiedenen Inſtrumenten zur Beobachtung der Geſtirne. Je mehr ſich Guido's Sinne wieder ſammeln konnten, deſto mehr ſtieg feine Ver— wunderung, da er zugleich auch auf einem Nebentiſche verſchiedene Zeichnungen und Apparate gewahrte, deren Anwendung er ſich nicht erklären konnte; doch erinnerte er ſich, ähnliche Dinge am Hoflager, in dem Gemache eines weiſen Mannes geſehen zu haben, welcher die Kunſt beſaß, künftige Dinge aus dem Laufe der Ge⸗ ſtirne zu verkünden, eine Kunſt, welche damals an den Höfen der Großen allgemein beliebt war.

Noch war er in Betrachtung verſunken, als jetzt eine Thüre ſich öffnete, und jener alte Mann bereins trat, welcher eben fo kühn als edelmüthig zu feinem Beiſtande herbeigeeilt war. Nicht allein mit Dankge:

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fühl, ſondern auch mit innigem Wohlbehagen hingen Guido's Blicke auf ihm, denn noch nie dünkte ihm, ſolch ein ehrwürdiges Geſicht geſehen zu haben, deflen: erſter Anblick ſchon das innigſte Zutrauen erregen mußte. Mit ſanft lächelnder Miene nahte ſich der Greis dem Lager: »Wohl mir „e ſprach er, »daß es mir gelang, dich dem ſchon fo nahen Tode zu entreis ßen. Spare Deinen Dank, junger Mann, denn ein ſolches Unternehmen lohnt ſich von ſelbſt am ig, lichſten. 4

»Wer biſt Du aber, der Du gedrückt Bein von der Laſt des Alters, und der dennoch mit übermenſch⸗ licher Kraft das Werk meiner Rettung unternommen? Biſt Du ein irdiſches Weſen, oder ſandten dich des Himmels e zu meiner Hülfe herab U

»Diefer Händedruck mag dir ſagen, daß ich ein Bürger dieſer Erde bin; obſchon mein Geiſt oft die höheren Regionen durchſchwebt, zu Nutz und Srommen jener leidenden Mitbrüder, deren Beiſtand mir vorge— zeichnet wird durch die Geſtirne; ſie deuteten mir an, daß es mir vergönnt ſei, einen Unglücklichen zu retten aus der Fluthen Gewalt, und mein feſter Glaube an den Beiſtand der himmliſchen Mächte gab mir Muth und Kraft, das Werk zu vollenden, obwohl du im Übermuthe trotzteſt der 1 aähmbaren Gewalt der Elemente.e« | —ꝗ—

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»Im Übermuthe ſagſt Du? O wenn Du wüßteſt l x

»Daß gleich dem eue des Blitzes eine Flamme Dein Herz ergriff, iſt mir nicht verborgen. Doch nicht rein und lauter iſt bei Dir dieſe Flamme, welche zum ſchönſten Erdenglücke den höheren Regionen entſchwebt. Sinnlichkeit heißt der Urſtoff, welcher ſie in Dir er— | zeugte, und nur dann erſt, wenn fie rein wie Gold abgeſondert iſt von allen irdiſchen Schlacken, nur dann erſt biſt Du würdig, zu fühlen jenen Abglanz der höchſten Wonne, welcher dem Urquelle der ganzen Schöpfung, der Liebe, entſpringt.«

»Du biſt in mein Geheimniß gedrungen. Du deu

teſt auf eine Empfindung bin, welche ich mir ſelbſt noch nicht erklaren konnte, da mir ihr Daſein bisher fo fremd geblieben war. Beim Himmel, ein ſeltſames Gefühl bemächtigte ſich meiner, mein Herz ahnet, daß es noch weit höhere, edlere Freuden geben müſſe, als unſerer Sinnlichkeit ſich darſtellen. Sollte ich denn nie Gewährung des heißeſten meiner Wünſche erlangen, zu ſehen ein Weſen, welches mich fo unvermuthet und ſo überraſchend entzückte?«

»Dieß ſoll Dir werden, doch nie bringt ſüße Früchte der Keim, wo die Kunſt der Natur vorzugrei—

fen bemüht iſt; ihrem eigenen Wirken muß es über⸗

laſſen bleiben, da aufblühen zu machen, was feines 4 =

Sp. =

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Daſeins wuͤrdig iſt, und da zu zerſtören, was durch uͤbergenuß ſich ſelbſt Verderben bereitet. Harre daher ruhig, bis Dein Geiſt und Körper ſich neue Kräfte geſammelt haben, und eine günſtige ien eintritt.

»Man vermißt mich im Kader / man wird es Armes und Schwertes bedürfen.«

»Dann werde ich ſelbſt Dich zur Eile e bis dahin aber bleibe ruhig, und ſieh Deiner Mengen entgegen.

»Wo bin ich aber |

»Der morgige Tag wird Dich überzeugen, wie herrlich auch in rauher Wildniß die Natur die Schön⸗ heiten der Schöpfung beurkundet. «

Der Alte brach nun das Geſpräch ab, reichte Guido'n ſtärkende Arzneien, und hieß ihn ruhig bleiben, bis zu ſeinem Wiedererſcheinen.

Nun hatte Guido Muße genug, das Seltene feiner Lage zu überdenken; hunderterlei Ideen durch⸗ kreuzten ſein Gehirn, wer denn dieſer Greis, und jene unbekannte Sängerin ſein mögen; nur ſo viel ſchien ihm gewiß zu fein, daß beide in enger Verbin: dung mitſammen ſtehen müſſen; die Unruhe ſeines

Geiſtes machte ihm jeden Augenblick unerträglich, wo

er nicht Befriedigung feiner Neugierde erhalten konne. Gerne hätte er ſich wenigſtens eines Näheren von ſei—

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nem jetzigen Aufenthalte überzeugt, aber feine Schwäche erlaubte ihm nicht, das Lager zu verlaſſen, und wirk⸗ lich ſchloß bald, wahrſcheinlich von der Arzenei erzeugt, damit die Unruhe des Geiſtes nicht die Stärkung des abgematteten Körpers hemme, ein ſtarker und anhal⸗ tender Schlaf ſeine Augen.

Sechstes Kapitel.

Strafe des Schickſals.

Schon lange war das Licht des folgenden Tages herange⸗ brochen, als endlich auch Guido's Augen ſich ihm öffneten. Der Greis ſaß an feinem Lager, und lächelte ihm freund⸗ lich entgegen: »Du haſt lange geruht, ſprach er, Dein Körper iſt geſtaͤrkt, und die vorige Röthe der Geſundheit erblüht wieder auf Deinen Wangen. Komme Guido, und laſſe uns im Freien eine ſtärkende Nahrung ge⸗ nießen.« An feiner Hand verließ nun Guido das La⸗ ger und das Gewölbe. Eine ſchmale Wendeltreppe nahm ſie auf, und jetzt befanden ſie ſich auf einem hohen Thurme einer halbverfallenen Burg, von welchem aus ſie weit und breit die im Frühlingsſchmucke blühende

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Landſchaft überſehen konnten. Guido war ergriffen von dem herrlichen Anblicke, von den Reizen, welche die Schöpfung auch in wüſten Gegenden darbietet; hier weilte ſein Auge auf den dunkeln Schatten des Wal⸗ des von fernen Gebirgen umgrenzt, und umgeben von grauſen Felſenſchluchten, zwiſchen welchen wüthend das Wildwaſſer durchſchoß, in welchem Guido bald ſein Grab gefunden hätte, während auf der andern Seite ihm die blühendſten Fluren und Gärten entge— gen lachten, und die heitere Morgenſonne die fernen Thurmſpitzen von Brescia übergoldete. Guido fühlte ſich von dieſem zauberiſchen Anblicke mächtig ergriffen; der Gedanke, daß ihm ohne des Himmels Fügung bald nicht mehr das herrliche Gefühl des Daſeins geworden wäre, erfüllte ſein Herz, und Alles rings um ſich her vergeſſend, ſank er auf ſeine Knie, und ſein Geiſt ſchwebte im heißen Dankgebete zum azurnen Himmel empor. Lange blieb er in dieſer Stellung, wie er ſich wieder ermannte, und ſein Geiſt gleichſam zum irdiſchen Bewußtſein wieder zurückkehrte, ſah er ſeinen Lebensretter neben ſich ſtehen, welcher ſich eine Freudenthräne über die fromme Geſinnung des jungen Mannes aus den Augen trocknete, und ſtürzte innig

gerührt in ſeine Arme. Als ſie ſich beide von ihrem Entzücken erholt hatten, genoſſen ſie ein kleines Mahl, welches der Greis in einem Korbe mit ſich gebracht hatte—

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Nun bas Guido feinen Gefährten um nähere Ent⸗ buflung der feltfemen Dinge, welche ihn umgeben. ch will fie Dir leiſten, fo viel es mir möglich und raͤthlich iſt,« ſprach dieſer, und begann nun feine Er⸗ zahlung: »Italien, ſprach er, iſt mein Vaterland. Mein Name iſt Maſtiglia. Ich bin aus einem der edelſten Geſchlechter von Brescia entſproſſen, und war durch Herkunft und Vermögen zugleich zu den glän— zendſten Ausſichten berechtiget, doch ganz anders hatte es das Schickſal beſchloſſen. Ein ungünſtiges Geſtirn war in der Stunde meiner Geburt eingetreten, und vergebens war all mein Streben, den mir beſtimmten Ereigniſſen entgegen zu arbeiten. Früh war ich ver: waist, ſtand unter der Vormundſchaft eines eben ſo hartherzigen als geizigen Mannes, und genoß ſehr we⸗ nig die Freuden meiner Jugend. Als ich daher endlich mein großes Erbe antreten konnte, war ich noch ganz: lich fremd mit den Genüſſen des Lebens, ſo wie mit den Laſtern der Menſchen. Nun glaubte ich mich fuͤr die verlornen Jahre meiner Kindheit ſchadlos halten zu müſſen, und ſtürzte mich von einem Wirbel der Zerſtrenung in den andern; vergebens warnten mich bedächtigere Freunde, ich achtete ihrer Grundſätze nicht, verſplitterte mein Erbe mit vollen Haͤnden, ohne mir die Mühe zu nehmen, Gewinn und Verluft zu berech— nen. So riß mich der Schwall der Schwelgereien fort,

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———

und ich ſah mich plötzlich, als ich aus meinen Träumen erwachte, nahe am Rande des Verderbens. Hiezu kam noch eine Liebſchaft, welche ich bei meinen geſunkenen Wermoͤgens-Umſtänden nicht mehr weiter fortſetzen konnte. Einer meiner Feinde, nun viel reicher und mächtiger als ich, entzog mir das Herz der feilen Ge— liebten, ich dürſtete nach Rache, wir forderten uns zum Zweikampfe, und ich war ſo unglücklich ihn zu toͤdten. Nur ſchnelle Flucht konnte mich retten. Noch raffte ich die Überreſte meines Vermoͤgens zuſammen; es gelang mir, meinen Verfolgern zu entkommen. Ich kam nach Genua, und hier erreichte mich zuerſt die Hand der rächenden Nemeſis; mein durch Schwelge— reien entkräfteter Körper unterlag endlich den Beſchwer— lichkeiten einer Reiſe, wo ich mich, um nicht in die Hände meiner mächtigen Verfolger zu gerathen, oft Tage lang in Wäldern und Felſenhöhlen hatte verber— gen, und bloß von Waldfrüchten und Quellwaſſer ernähren müſſen; ich erkrankte, und der Reſt meines Vermögens ſchwand dahin; nichts war mir von all meiner ehemaligen Herrlichkeit übrig geblieben, als ein ſiecher Körper, und ein unruhiges, vorwurfvolles Bes wußtſein. Endlich gelangte ich zu einem Theile meiner vorigen Kräfte wieder, aber wo ſollte ich mich hinwen— den, mir Nahrung und Obdach zu verſchaffen? Mir

7 .y > ns . 5 M 1 N 5 48 blieb Niches Ubi, ee une Af einem genus ſiſchen

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Schiffe einzudingen. Doch ich beſaß die Kräfte nicht, welche zur Arbeit eines gemeinen Schiffsknechtes erfor⸗ derlich ſind. Der Kapitän aber gewahrte bald beſſere Anlagen in mir, und ich erhielt die Stelle eines Schiffs⸗ ſchreibers, wo ich durch meine Thätigkeit und geſchickte Verwendung mir bald fein volles Zutrauen erwarb. Mehrere Reifen hatte ich in Handelsgeſchäften mitges macht, und mir Geld und viele Kenntniſſe erworben. Die Wunden meines vorigen Elendes waren verharrſcht, und ich begann aufs Neue, die Freuden des Lebens zu fühlen, da ſtießen wir auf einen Seeräuber aus Afrika, wurden nach einer verzweifelten Gegenwehre über— mannt, und ich ward als Sklave in das Innere des Landes geſchleppt. O laß mich ſchweigen von den Drang⸗ ſalen, welche ich da erdulden mußte. Zwanzig volle Jahre ſchmachtete ich im nameniofen Elende, unter Qualen, welche kaum ein Sterblicher ertragen kann. Da verfiel mein Gebieter und grauſamer Peiniger in Ungnade, Bewaffnete beſetzten in der Nacht das Haus, und er ward mit der ſeidenen Schnur hingerichtet, ſein Haus geplündert, und den Flammen Preis gege— ben. Es gelang mir, bei dem allgemeinen Tumulte und der Verwirrung zu entkommen. Mit einem Sä⸗ bel bewaffnet, entſprang ich nach der nahen Waldung, wo ich, nachdem ich die ganze Nacht fortgeeilt war, mich in einer Höhle verbarg. So irrte ich mehrere

Tage, vor Hunger und Durſt beinahe verſchmachtend, fort, und ſehnte mich nicht Einmal, von einem wü⸗ thenden Thiere des Waldes angefallen zu werden, um unter deſſen Klauen mein elendes Daſein zu enden. Endlich vermochte ich vor Mattigkeit nicht mehr weiter zu ſchreiten, ich ſank ins Gebüſch hin, und gänzliche Ohnmacht und Bewußrtloſigkeit befiel mich. «

Siebentes Kapitel.

Schreckliches Ereignif;.

one, fuhr der Greis in feiner Erzählung fort, mochte ich in Bewußtloſigkeit dahingeſchmachtet haben, und ſtaunte nicht wenig, als ich mich unter einem Zelte fand, und ein Mohrenſklave mir bei meinem Erwachen mehrere Erfriſchungen reichte; nicht lange darnach kam ein alter, reichgekleideter Türke zu mir, und bezeugte feine Freude, daß ich mich wieder zu er: holen begann. Auf ſein Verlangen erzaͤhlte ich ihm alle meine früheren Begebenheiten, und aͤußerte Furcht, noch länger die Mühſeligkeiten des Sklavenſtandes erdulden zu müſſen. Sei ohne Scheu, begann er, ich will Dich zwar in meine Dienſte nehmen, doch ſei es ferne von mir, Dich als Sklave zu behandeln, ich habe kein Recht auf Dich, denn ich habe Dich

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weder erkauft noch erbeutet, Du ſollſt bei mir gutges halten werden; einige Tage will ich hier mit meinem, von der beſchwerrlichen Reife ermatteten Gefolge ausru— hen, dann aber magſt Du mich auf meinem weiteren Zuge nach Cairo begleiten; ja ich will ſogar es Dir reichlich lohnen, und Dir Deine Freiheit geben, wenn die Vor⸗ herſagung eines weiſen Arabers in Erfüllung gegangen iſt, denn wiſſe, mir war bedeutet, daß ich auf meiner Reiſe einen Mann finden werde, welcher meiner Hülfe höchſt nothwendig bedarf: ich möge Wohlthat an ihm üben, ſo viel ich kann, denn über kurze Zeit wird große Gefahr mir drohen, und aus Dankbarkeit wird er mein Lebensretter werden; in Dir glaube ich dieſen Menſchen gefunden zu haben, denn Dein Auge ver— räth Muth, und Deine Miene erregt Zutrauen zu Deiner Redlichkeit. Baue auch auf mich, daß ich jetzt ſchon Dich ſo behandeln werde, daß Du nicht Hay ſache haben ſollſt, über mich zu klagen.

»Dieſe Worte richteten mich wieder auf, ich 15 nete im Gedanken den weiſen Araber, welcher mir durch ſeine Prophezeihung ſolch ein günſtiges Schickſal bereitet hatte, und willigte mit Freuden ein, die Reiſe nach Cairo anzutretenz auch bemerkte ich bald, daß ich von den übrigen Dienern mit Auszeichnung behandelt wurde, und Osmin, mein Gebieter, verſäumte nichts, was zu meiner Bequemlichkeit dienen konnte. Während

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der Reiſe unterhielt ich ihn mit Schilderungen der europäiſchen Sitten, er fand Vergnügen an meinen Geſprächen, und faßte immer mehr Zutrauen zu mir, ſo daß ich ſelten von ſeiner Seite kam, und ſo legten wir wohlgemuth und ſonder Gefährde die Reiſe zurück. e

»Osmin führte in Cairo ein prachtvolles Haus, Alles, was nur aſiatiſcher Luxus erſinnen konnte, war hier aufgehäuft, die zahlreiche Dienerſchaft war reich» lich gekleidet, auch erfuhr ich bald, daß er einer der reichſten Bewohner der ganzen Gegend ſei; aber noch weit mehr zierte ihn feine Sanftmuth / und ſein güti⸗ ges Betragen gegen ſeine Untergebenen. Er beſaß eine große Anzahl gut beſoldeter Diener, und nur wenige Sklaven, aber auch dieſe wurden ſo gut gehalten, daß ſie ſich Zeitlebens keine andere Bedienſtung wünſchten. Um wie viel weniger hatte ich Urſache, unzufrieden zu ſein. Osmin beſaß eine einzige Tochter, ſie war ſein Liebling; noch nie hatte ich ſolche zauberiſche Reize geſehen, es war nicht möglich, gegen ſie gleichgültig zu bleiben, und nur zu bald bemerkte ich, daß auch ihr Auge mit Wohlgefallen auf mir ruhe. Ich erſchrack bei der Entdeckung, daß ich fie liebe, meine Ver⸗ nunft ſtellte mir nicht nur die Unmöglichkeit vor, je zu ihrem Beſitze zu gelangen, ich ſah auch ein, daß es der größte Undank gegen meinen Wohlthäter wäre, ihr Herz mit einer nie zu befriedigenden Leidenſchaft

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zu erfüllen. Ich zog mich zurück, ſo viel ich vermochte, und ſeit dieſem Augenblicke war auch meine Ruhe da⸗ hin; ich konnte nicht mehr ſo heiter fein, wie ehemal, und war oft ſehr verwundert, daß Osmin, an meinen fröhlichen Umgang gewohnt, 3 nicht darüber zu Rede ſtellte.e «es De iss

»Schon lange hatten Weihen Baſſen eine groe Löwenjagd in der Wüſte beſchloſſen, welches gefahrvolle Vergnügen bisher immer verſchiedene Umſtände verhin⸗ dert hatten. Endlich war der Tag hierzu beſtimmt, und Alles, was dieſem Unternehmen beizuwohnen hatte, rüſtete ſich mit Macht dazu. Mehr als dreihundert Wohlbewaffnete zogen aus. Ich ritt dicht an Osmins Seite, von einigen Mohrenſklaven begleitet. Auf einer großen Ebene ſammelten ſich Alle, und nach einem fröhlich eingenommenen Mahle vertheilte man ſich in verſchiedene Rotten, das Wild aufzuſpüren. Mein Herr wagte ſich auf mein Anrathen nicht zu weit in die Wüſte, denn er war alt und gebrechlich, und in der That nicht geeignet, an einem ſolchen gefahrvollen Unternehmen Theil zu nehmen. Bald hörten wir das ſchreckliche Gebrülle der aufgeſchreckten, reißenden Thiere, bald das wüthende Geſchrei der Jäger, da erwachte in Osmin ſein ehemaliges Jugendfeuer, er ließ ſich nicht mehr zurückhalten, und ſprengte dem dichteren Gebüſche zu, und zwar ſo ſchnell, daß wir

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kaum ihm nachfolgen konnten. In dem naͤmlichen Augenblicke jagte ihm mit verhängtem Zügel ein Rei: ter entgegen; er war ungemein reichlich gekleidet, und von Edelſteinen funkelte fein hoch emporgeſchwungener Säbel. »Kennft Du mie, rief er meinem Herrn entgegen, »Du Frecher, der Du mir die Hand Dei— ner Tochter verſagteſt, die Stunde der Rache iſt ge— kommen, und über Deine Leiche ſoll der Weg zu ihrem Brautbette führen. Mit dieſen Worten führte er einen ſchrecklichen Hieb auf Osmins Haupt, in dem Augenblicke, als ich noch Zeit fand, mit meinem Schilde einen ſo gewaltigen Streich aufzufangen, daß dieſer durchbrochen, und ich am Arme ſchwer verletzt wurde. Wuth über dieſe Unthat er⸗ griff mich, mit ſtarker Fauſt faßte ich, bevor noch ein zweiter Hieb mich treffen konnte, den Jagdſpieß, und grub ihn in die Bruſt des Schaͤndlichen, daß er laut brüllend vom Pferde ſtürzte. »Weh uns, rief Osmin, was haſt Du gethan, wir ſind alle verloren. Du haſt den Liebling des Statthalters, den mächtigen Huſſein getödtet. Fort, fort aus dieſer Gegend, du aber jage mit verhängten Zügeln nach meinem Pallaſte, entdecke meiner Tochter Zamira, was vorgefallen iſt, und trage ihr auf, Dich ſchnell in jenes geheime Gemach zu verbergen, welches nur uns Beiden be— kannt iſt. Verſäume keinen Augenblick, ehe die Ge:

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fahr dich ereilt.« Die Bleiche des Entſetzens ſaß in ſeinem Geſichte, Schauer ergriff mich; ich lenkte mein Pferd nach der anderen Gegend, noch ſah ich daß Os⸗ min mit ſeinen Begleitern ſich Waldeinwärts lenkte, ich aber jagte mit Sturmesflügeln nach Cairo, meiner Wunde am Arme nicht achtend. Wie ſehr erſchrack Zamira, als ſie mich blutend ankommen ſah, ſtammelnd entdeckte ich ihr, was geſchehen ſei, vor Schmerz und Blut— verluſt konnte ich mich kaum mehr aufrecht erhalten. Sobald Zamira meine Wunde nothdürftig verbunden, und mich gelabt hatte, brachte ſie mich in eines der geheimſten Gemächer des Pallaſtes, wo ſie abermal meine Wunde wuſch, und mit heilendem Balſame be— legte. Wie ſehr entzückte mich ihre liebvolle Gefchäf: tigkeit, und ihre herzliche Theilnahme, ich fühlte es in dieſem Augenblicke doppelt, wie unendlich theuer fie meinem Herzen geworden war. Als Os min von der Jagd zurückkehrte, an welcher er nach dem traurigen Vorfalle keinen Theil mehr genommen hatte, und die Dienerſchaft entfernt war, begab er ſich nach meinem Gemache; er ſelbſt unterſuchte meine Wunde, welche nichts weniger als gefährlich war, doch bedurfte ich noch der ſorgſamſten Pflege. So verſtrichen drei Tage, wo ich mich immer mehr überzeugte, daß auch ſie mir mit Liebe gewogen war. Einf, ſchon ſpät in der Nacht, trat Osmin in mein Gemach; ungewöhnli— 5

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cher Ernſt und Tiefſinn hatte ſich über fein ganzes Weſen verbreitet. »Mein Giafar,« ſprach er denn dieſen Namen hatte ich mir gegeben, »die Hand des Schickſals ruht ſchwer auf mir, denn ich muß mich, von dir trennen, da ich dich doch zu meinem Lieblinge erkoren habe, und wer weiß, was noch meinem n Haufe bevorſteht a .

»Wie, rief ich, weil ein ſchändlicher Mörder i in feinen Gräuelthaten verhindert ward, deßhalb ſollte Unglück über Dich kommen 2e J N:

»Man fand nur Huſſeins Leiche, wer kann ſeinen Überfall bezeugen? Meine Leute kamen erſt hinzu, als du bereits den Speer in feine Bruſt ſenkteſt.«

»Dann laſſe mich die ganze Schwere des Unglück's füblen; ich will mich ſelbſt als ſeinen Mörder bekennen. 4

»Bohre nicht noch tiefer die Wunde meines een zens. Du warſt mein Lebensretter; nach dem Schluße des Verhängniſſes mußte es fo kommen; in dir ging die Prophezeihung in Erfüllung, und ich bin auser⸗ ſehen, dich zu beglücken. Darum mußt du, um jeder Gefahr zu entgehen, beute Nacht noch aus dieſem Hauſe fliehen. Ein treuer Diener wird dich an einen, ſichern Ort bringen, und bald ſehen wir uns wieder., Welche Belohnung forderſt du aber für deine That?“ Sprich ohne Scheu.«

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Mohlan, fo gewähre mir den Wunſch, nach meinem Vaterlande zurückzukedren.«

»Er ſei dir gewährt, mit Reichthümern will ich dich beglücken. Du trenneſt dich alſo gerne von mir?«

„Herr, zürne nicht, ich muß mich entfernen; auch ober mir waltet ein unerſchütterliches Verhängniß. Meiner Ruhe willen, doch mehr noch meiner Pflicht gemäß muß ich dein Haus verlaffen, denn Undank ift das baͤßlichſte aller Laſter.« ö

»Sprich deutlicher, doch ich will nicht in deine Geheimniſſe dringen, nur eines beantworte mir mit unverfälſchter Wahrheit. Trenneſt du dich ſo leicht von meinem Haufe

»Ich muß es thun; felbft wenn ſich Huſſeins Mord nicht ereignet hätte, würde ich bei nächſter Ge— legenheit dich darum gebeten haben.«

So mächtig wirkt auf dich die Sehnſucht nach

dem Vaterlande?«

»Dieß iſt mir fremd geworden; aber ich werde auch anderswo ein Plätzchen finden, wo ich ſterben kann. Ich eile meinem Unglücke entgegen, das ſehe ich vor, aber die Pflicht gebeut; fie treibt mich fort, um nicht an meinem Wohlthäter zum Verbrecher zu wer— den. Glaube mir, ich trenne mich ſchwer von dir.

»Und ſonſt von Niemanden in meinem Haufe? Hat Zamira nicht auch deine Freundſchaft verdient?

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Sie iſt dir ſehr gut, fie trauert um Dich.« »O fie wird an der Seite eines Glücklicheren leicht dieſe Freundſchaft vergeſſen, rief ich, war meiner Faſ— ſung nicht mehr mächtig, und ſtürzte laut ſchluchzend auf den Armſtuhl zurück. Eine ſtille Pauſe erfolgte. Endlich ſchloß mich Osmin gerührt in ſeine Arme. v»oIch weiß genug, ſprach er, der Menſch kann nicht widerſtreben, wo das Verhängniß gebietet; bereite dich vor, in einer Stunde eileſt du deiner Beſtimmung entgegen. ce 5 | »Mit diefen Worten verließ er ſchnell das Gemach, und ich blieb in tiefe Gedanken verſunken. Eine Stunde ſtrich dahin, da trat Mulai, Osmins ver⸗ trauteſter Diener zu mir. Die Zeit drängt, ſprach er, Alles iſt zu deiner Abreiſe bereitet. Er gab mir Skla— venkleider, und färbte mit ſchwarzer Farbe mein Ge— ſicht, ich ließ mich leiten, wie ein Kind am Gängel— bande. Das Haus war wie ausgeſtorben, alle Diener ſchienen mit Vorbedacht entfernt zu ſein, Mulai zog die Roſſe aus dem Stalle, und durch ein Hinterpfört— chen verließen wir den Pallaſt. Ein Diener mit zwei Kamehlen begleitete uns. Es war beinahe Mitternacht; tiefe Todesſtille lag ringsum ausgebreitet. Bald hatten wir Kairo im Rücken, und nun ging es im ſchnellen Trabe vorwärts ich folgte, ohne zu fragen wohin, denn die Trennung von Zamiren hatte mich für alle

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übrigen Empfindungen gefühllos gemacht. So ſetzten wir viele Tage unſere Reiſe fort, kamen an den ägyp⸗ tiſchen Pyramiden vorüber, und langten endlich in den Gebirgen von Arabiens Grenzen an, wo wir in einem blühenden Thale ausruhten, und uns gütlich thaten von den mitgenommenen Vorräthen. Drei Tage ruhten wir hier, denn mein Führer, ſtets in ſich verſchloſſen, antwortete mir bloß, daß es noch nicht Zeit zum Auf⸗ bruche ſei.

vum vierten Morgen kam der Diener, welcher bis an das Thal uns begleitet batte, zurück. »Es iſt Zeit zum Aufbruche, begann er, denn eine Kara: vane naht, und es dürfte ſehr unruhig in dieſem fried- lichen Thale werden. Folge mir, ſprach mein bisheri⸗ ger Begleiter, dein Blick ruht argwöhniſch auf mir, beſorge nichts, denn dein Freund Osmin hat nur Gutes mit dir im Sinne, und bald ſollſt du mehr von ihm hören. «e Ich belächelte feine Reden, denn was immer das Schickſal über mich beſchloſſen haben mochte, fo war es mir gleichgültig, feit ich von Zami— ren getrennt war. Noch eine halbe Tagreiſe legten wir zurück, als wir auf ein Lager eines arabiſchen Stam— mes ſtießen. »»Nahe dich ohne Scheu „s ſprach mein Begleiter, »odenn du wirft unter Menſchen kommen, bei denen, ſo wie bei mancher Frucht unter ſtachliger Schaale ſüße Milch verborgen iſt; bei denen, trotz

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ihrer rauhen Außenſeite, gefühlvolle Herzen im Buſen pochen. as Er ſprach wahr; unter dieſen Nomaden lernte ich die biederſten Menſchen kennen, und ſo grauſam ſie gegen ihre Feinde ſind, eben ſo gefühlvoll ſind ſie ge— gen jene, welche ſie ihrer Freundſchaft würdig finden. Bei ihnen herrſcht noch jene Gaſtfreiheit, jenes unver— fälſchte Zutrauen, welches von den alteſten Völkern der Welt die Traditionen uns aufbewahrt haben. Doch ich darf nicht von meiner Erzählung abweichen. Als wir dem Lager nahten, kam ein bewaffneter Reiter mit eingelegter Lanze entgegengeſprengt; mein Führer nahte ſich ihm, und wies ihm einen Ring vor; kaum hatte er dieſen erblickt, als er die Lanze ſenkte, mir entges gen ritt, und die Hand freundlich zum Gruße bot. Wir ritten nun in das Lager; ringsum ruhten Krieger auf dem üppigen Grasteppiche, von barbariſchem An— ſehen, neben ſich ihre Waffen, und weidend die ſtatt— lichen Roſſe. Mit wilden Blicken ſtarrten ſie uns an, doch ruhig zogen wir ihre Reihen durch, zu dem Haupt- zelte. Diener leiteten unſere Roſſe zur Weide, wir aber traten in das Innere des Zeltes; da lag ein Mann, den ich für einen mehr als hundertjährigen Greis hielt, auf reichen Kiſſen, von einigen Knaben mit Er— friſchungen bedient; ernſt, doch nicht abſchreckend, fiel ſein Blick auf uns, jetzt übergab ihm mein Füh— rer einen Siegelring, und eine Pergamentrolle. Oft

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und freundlich ruhte während dem Leſen fein Blick auf mir, er winkte, man brachte einen goldenen Becher, er trank, und reichte ihn mir mit dem Bedeuten, ihn bis auf den letzten Tropfen zu leeren. Als dieß geſche— den war, erhob er ſich, und ſchloß mich in feine Arme. Sei mir willkommen, du Freund meines Freundes, ſprach er, wir haben aus einem Becher getrunken, darum gebührt dir unſer heiliges Gaſtrecht; von nun an biſt du als einer der Unſrigen betrachtet, und Ruhe und Sicherheit ſoll in unſerer Mitte dir werden, bis dein Schickſal günſtig ſich ändert. Nach eingenomme— nem frugalem Mahle wurde mir in der Nähe ein Zelt angewieſen, zwei Sklaven waren zu meiner Be— dienung beordert, und mir mangelte überhaupt nichts, was zu meiner Bequemlichkeit dienen konnte. So ſtri— chen einige Tage vorüber, wo ich immer mehr meine neue Umgebung ſchätzen lernte.

»Ruhig lag ich einſt in meinem Zelte; als es ſchon tief in der Nacht war, da weckte mich ein lauter Tumult; Roſſe wieherten, mehrere Männerſtimmen ertönten, und Waffen raſſelten, ich fuhr empor, und geiff nach Säbel und Schild, denn ich wähnte nicht anders, als daß eine feindliche Horde unſern ruhigen Aufenthalt überfallen habe. Schon wollte ich zur Ver— theidigung hinauseilen, als einer der Sklaven eintrat? er mochte meine Abſicht merken, und beruhigte mich

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mit dem Bedeuten, daß Freunde des Alteſten der Horde mit zahlreichem Gefolge angekommen ſeien, und am folgenden Tage mir eine große Freude bevorſtehe, doch wünſche der alte Abdul Hamen, ſo nannte ſich das Oberhaupt dieſes Stammes, daß ich mein Zelt nicht eher verlaſſe, bis er mich zu ſich entbieten werde. Wie der Tag heranbrach, nahten mehrere Diener mit herr⸗ lichen Kleidern, welche mir Abdul Hamen fandte, um würdig zur Feier des heutigen Tages erſcheinen zu können. Man führte mich, nachdem ich geſchmückt war, in deſſen Zelt, und wer beſchreibt mein Staunen, als ich neben Abdul meine Zamira erblickte. Einen lauten Schrei der Verwundexung ſtieß ich aus, und war kaum meiner Sinne mehr mächtig; traulich zog mich Abdul an ſeine Seite, und labte ſich an unſern zärtlichen Blicken, dann aber übergab er mirzein Schrei⸗ ben Osmins. »Mein Freund Giaffar,« ſchrieb er, »endlich iſt die Zeit gekommen, dir meinen Dank für meine Lebensrettung zu entrichten. Nicht unbekannt iſt mir deine und Zamirens Liebe geblieben. Meine geliebte Tochter war dir im Voraus für die Erhaltung meines Lebens beſtimmt. Leider, daß es ſo kommen mußte, daß ich noch getrennt von Euch bleibe; aber wir werden bald uns wieder ſehen, ich vertraue au! deinen Biederſinn, du wirſt meine Zamira, das Liebſte was ich auf dieſer Welt beſitze, nicht unglücklich ma⸗

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chen. Durch meinen Freund Abdul Hamen werdet ihr ver⸗ bunden „— mein Segen ſchwebt über euch, wir wer⸗ den uns bald glücklich wieder ſehen.« Das Blatt entfiel meiner Hand, meine Sinne ſchwindelten, ich ſtürzte in Zamirens Arme, und ſegnend legte Abdul Hamen feine Hände auf unſere Häupter. «

»Mein war ſie, die Heißgeliebte; doch laſſe mich ſchweigen von den Empfindungen, welche mich durch— bebten. Hier wußte Osmin mich und ſie ſicher, und war entſchloſſen, wenn er ſeine Angelegenheiten geord⸗ net habe, uns hieher zu kolgen. Ich wurde als Mit⸗ glied der Horde aufgenommen, und hier verlebte ich die glücklichſten Tage meines Lebens.

Aber zu lange lebte ich glücklich; anders war es im Buche des Schickſals beſtimmt; meine theure, in— nig geliebte Gattin gebar mir eine Tochter, Zoraide wurde fie genannt. Schon früher kränkelte meine Za— mira, und oft ergriff Todesangſt mein Herz; ach,

kaum war der ſo gefürchtete Augenblick der Entbindung

vorüber, ſo trat unvorſichtig ein Bote aus Kairo in unſer Zelt, und brachte ohne alle Vorbereitung die Schreckensnachricht, daß Vater Osmin der Macht ſei— ner Feinde unterlegen, und auf Befehl des Statthal— ters mit der ſeidenen Schnur hingerichtet worden ſei. Es läßt ſich denken, welchen Eindruck dieſe Nachricht in dem bedenklichen Augenblicke auf Zamiren machen

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mußte; fie ſank in Ohnmacht, und in wenigen Stunden weinte ich auf ihrer Leiche. Nichts von meinem Schmerze, ich war nur halb mehr am Leben. Abdul Hamens Frau übernahm die Pflege des Kindes, mich aber dul— dete es an dem Orte nicht mehr, wo mit Zamira mein ganzes Glück zu Grabe getragen wurde; ich machte dem Greiſen meinen Entſchluß bekannt, mich durch einige Jahre auf Reiſen zu zerſtreuen, welchen er nicht mißbilligen konnte, und fo verließ ich denn meinen nun mehrigen Aufenthalt des Jammers, und zog ohne Begleitung fort, nicht ſcheuend die Thiere des Waldes, und die Räuber in der Wüſte, da ich den Tod als den einzigen Freund erkannte, welcher mich meiner Leiden entheben wuͤrde.

Achtes Kapitel.

ur

Ewige Liebe und Treue.

Ohne Zweck irrte ich in den wüſteſten Gegenden umher, welche am meiſten mit meinen Gefühlen har⸗ monirten, und gelangte, ohne ſelbſt es zu wiſſen, in die Gegend der ägyptiſchen Pyramiden. Hier langte ich ganz ermattet an, und ſank, da ich vergebens nach menſchlicher Hülfe mich umſah, entkräftet an dem Fuße eines dieſer koloſſalen Denkmäler der Vorzeit, zu Bo: den. Schon glaubte ich meiner Auflöfung nahe zu ſein, als zwei feemde Männer ſich nahten, und mir hilfreich Erquickung reichten. Ihre einnehmende Miene gewann mein Zutrauen, und als fie fi im freund- ſchaftlichen Geſpraͤche an meine Seite lagerten, ent— deckte ich ihnen mein trauriges Schickſal.⸗Es ſei ferne von mir,« ſprach der Eine, ein ehrwuͤrdiger Greis »deinen Kummer zu tadeln, doch nie ſoll der Menſch mit dem Schickſale rechten, und in frommer Duldung

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jene Laſten tragen, welche ihm aus unergründlichen Urſachen vom Verhängniſſe beſtimmt find, Zerſtreuung nur kann deinen Kummer lindern, doch wirſt du dieſe Linderung nie im Getümmel der Welt finden; dein Geiſt muß eine andere Richtung bekommen, welche ſeiner Faſſungskraft angemeſſen iſt. Bleibe einige Zeit bei uns, und wenn es dir behagt, wirſt du vielleicht in der Folge dankbar mein Anerbieten erkennen, denn ich täuſche mich nicht, daß du zu etwas Beſſerem be⸗ ſtimmt ſeieſt, als dich im zweckloſen Taumel der ge⸗ wöhnlichen Menſchen herumzutreiben.«

Meine hülfloſe Lage nöthigte mich, das R liche Anerbieten anzunehmen. Etwas geſtärkt wanderte ich mit ihnen einer der Pyramiden zu, in deren In⸗ nerem ihr Aufenthalt war. Hier traf ich eine Gefell- ſchaft, welche ſich ferne von der Welt, und doch in Geheim zu deren Beſten handelnd, bemühte, ihren Verſtand zu vervollkommnen, vor deren Wiſſen ſelbſt die geheimſten Wirkungen der Natur geöffnet waren, und deren Geiſt, vertraut mit dem Laufe der Geſtirne, ſelbſt den Schleier der Zukunft zu lüften vermochte. Das Studium der ſchöpfenden Natur nahm meinen Geiſt ein, und entrückte ihn gleichſam allen irdiſchen Gefühlen. Fünfzehn Jahre brachte ich in dieſem fried— lichen, nur der Weisheit gewidmeten Aufenthalte zu. Ich war ein würdiges Mitglied meiner Brüder gewor—

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den. Hier mein Leben zu beſchließen, war mein Wunſch, doch ſelbſt mein alter Freund und Lehrer ermahnte mich an eine heilige Pflicht, welche mir oblag, namlich, an die Sorge für mein Kind. Nur mit Schauer dachte ich an dieſes Geſchöpf, welches gleichſam der geliebten Gattin den Tod gab; doch ich gehorchte der traurigen Pflicht, welche mir oblag; ich trennte mich mit blu⸗ tendem Herzen von meinen Brüdern, mit dem Ver⸗ ſprechen, wenn meine Tochter verſorgt ſei, wieder in ihre Mitte zurückzukehren. 1

Fünfzehn Jahre war ich abweſend geweſen, mein Freund Abdul Hamen war zu feinen Vätern hinüber— ſchlummert, doch ſeine Söhne umarmten mich mit der ihnen angebornen Treuherzigkeit; wie ſehr aber ſtaunte ich, als man mir meine Tochter vorführte, aufblühend in voller jugendlicher Schönheit, ſo ganz das Ebenbilb ihrer geliebten Mutter. Mein Herz thaute unter ihren Umarmungen wieder auf, ich fühlte mich zurückgeſetzt in jene glückliche Zeit, wo ich an Zamirens Seite le— ben konnte; es that mir weh, ſo viele Augenblicke bei dem Heranwachſen meines Kindes verloren zu haben, kurz, ich wandte ihr mein ganzes Herz, meine ganze Liebe zu. Wie ſollte ich aber nun für ihr ferneres Wohl ſorgen? Unter den Nomaden konnte ich ſie nicht laſſen, und eben ſo wenig wollte ich ſie an einen Mann verbunden wiſſen, welcher, nach Sitte der Muſelmän—

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ner keinen Unterſchied zwifchen feiner Gattin und feis nen Sklavinnen kennt. Jetzt erwachte die Erinnerung und zugleich auch die Sehnſucht nach dem Vaterlande wieder in mir; ich war begütert durch den Schmuck, welchen mir Zamira hinterlaſſen hatte, und der jetzt erſt, Zoraidens willen, wieder Werth für mich gewann; ich beſchloß alſo nach Europa zurückzukehren, um dort vielleicht an der Seite eines würdigen Mannes das Glück meiner Tochter zu gründen, und dann wie— der zu meinen Brüdern nach Egypten zurückzueilen. Leieͤider entſchwand dieſe Hoffnung, als ich das Water: land wieder betreten hatte, ich fand keinen der Männer werth, ihm mein beſtes, mein liebſtes Eigenthum an⸗ zuvertrauen; bald erwarb ich mir dadurch Feinde, man ſuchte Zoraiden die verderblichſten Fallſtricke zu legen, ja ſelbſt mein Leben gerieth in Gefahr, und ſo floh ich denn endlich in dieſe Ruinen, mit dem feſten Vorſatze, nach Endigung des Krieges mich nach Deut ſchland zu begeben, wo noch ächter Biederſinn heimiſch iſt. Nun aber, junger Mann, ſollſt du auch in jener nächtlichen Sängerin meine Zoraide ſelbſt kennen lernen. Ich habe durch meine Vertraute, welche mit mir dieſe Ruinen bewohnen, mich von deinem Biederſinne überzeugt, und du wirſt gewiß auch ein redlicher Schützer des Mädchens ſein, wenn Gefahr uns drohen ſollte.

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Guido beſchwur dieß hoch und theuer, nun eröff⸗ nete der Greis eine in der Höhle verborgen angebrachte Thüre, und herein trat Zoraide in all dem Liebreize, welcher ſchon früher ſo heftigen Eindruck auf den jun⸗ gen Ritter gemacht hatte. Kaum behielt er noch ſo viele Faſſung, nicht zu ihren Füßen zu ſinken; auch des Mädchens Wangen umzog glühende Rötbe, und verwirrt ſchlug ſie ihr Auge zu Boden. Giafar bemerkte nur zu deutlich, was in ihrem Inneren vorgehe, und lächelte, dann aber hieß er Beide am kleinen Rundti— ſche Platz nehmen, um bei einem frugalen Mahle ſich im vertraulichen Geſpräche zu vergnügen; aber Guido'n mundete der Becher nicht, er war ganz in Anſtaunen von Zoraidens Reizen verloren, »Mein junger Freund, a begann endlich Giafar, ich leſe deutlich, was im Sn: neren von euch Beiden vorgeht. Jene heilige Empfin⸗ dung, welche der Urſprung alles Guten in unſer Inner⸗ ſtes ſchuf, jene Liebe, welche uns ſelbſt dem nur Liebe ſpendenden Urquelle der Schöpfung näher bringt, hat ſich Eures Inneren bemächtiget, und ich kann dir nicht bergen, daß gerade du, Guido, der Mann feieft, wie ich ihn zum Glücke für meine Tochter wünſche. Außere Vorzüge ſind Seifenblaſen, welche der leiſeſte Windhauch zerſtieben kann, doch dein mir durch die

irne und Nachforſchungen bekannt gewordener . dein von würdigen Ahnen ererbter Edel

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muth ſichert mir Zoraidens Wohl an deiner Seite. Dein Muth, dein offener Sinn wird ihr Wohltbat ſein in den Tagen der Ruhe, und Schutz in den Tagen der Gefahr. Mein Erbe ſichert euch ein bequemes Leben im geſegneten Deutſchlande. Wenn zwei Herzen ſich finden, gleichen fie zwei Silberbächen, welche in blumiger Aue ineinanderfließen, vereiniget, um mit größerer Fruchtbarkeit die duftenden Fluren zu tränken; fanft werden eure Seelen ineinander fließen, um ver: eint einſt glücklich zu ſein, bei dem Urſtoffe alles Lichtes. Mein Erbe ſichert euren Wohlſtand, und mein Segen Euer Glück.« Mit dieſen Worten legte er ihre Hände zuſammen, und mit hochklopfendem Buſen ſank Zoraide an Guido's Bruſt, der Bund ihrer Herzen war auf immer geſchloſſen. Vater Giafar aber begab ſich auf den Gipfel des Felſens, um, wie er ſagte, den Lauf der Geſtirne zu beobachten. Nach geraumer Zeit kehrte er mit düſterer Miene zurück. »Gefegnet ſprach er, »wird eure Liebe, doch den heiteren Him— mel, welcher nun euch umglänzt, werden bald duͤſtere Stürme umwölken; o meine Kinder, wenn mich mein Auge nicht trügte, ſo werden vielfache Gefahren euch umſchweben, und erſt in weiter Ferne wird ein Ro— ſenſchimmer der Freude euch entgegendämmern. Bleibt ſtandhaft, ſtellt den drohenden Gefahren nur euren Edelmuth und eure unerſchütterliche Tugend entgegen,

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und glaubet mir, nach den Tagen ſchwerer Prüfung wird ſich euch die Pforte in das Reich der Freude öff— nen. Du, mein Sohn Guido, mußt mit der kom⸗ mednen Morgendämmerung nach dem Lager zurückkeh⸗ ren. Man bedarf deines Armes und deines Muthes; doch ſchone dich ſo viel möglich für deine Zoraide. Ein böſes Geſtirn tritt in deine Bahn, und erſt ſpät wird dieſes mit günſtigeren Zeichen wechſeln, darum bleibe ſtandhaft, und vergiß nicht, daß nur deine Tugend das Wohl deiner Verlobten gründen kann. Wir aber genießen nun der Ruhe, um uns für die kommenden

Ereigniſſe zu ſtärken.s Dieſe Worte machten tiefen Eindruck auf die Herzen der Liebenden, und Guido fand, nachdem Zoraide ſich entfernt hatte, wenig Ruhe auf dem Laublager, welches ihm Giafar neben ſich bereitet hatte; erſt ſpät ſchloß ein leichter Schlummer ſeine Augen, als aber der erſte Morgenſchein heranbrach, da erwachte auch plötzlich ſeine Sehnſucht nach den ihm bevorſtehen— den Thaten, er waffnete ſich ſchnell, und verlangte von Zoraiden Abſchied zu nehmen. Noch Ein Mal ſchwuren ſie ſich ewige Treue, noch Ein Mal legte Giafar ſegnend ſeine Hand auf Guido's Haupt, und dieſer eilte nun mit raſchen Schritten dem Lager zu. N Mit ungeſtümer Freude empfingen ihn ſeine Krie— ger, welche bereits waͤhnten, daß er ſich zu weit in

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die Nähe der Feinde gewagt habe, und in deren Ge⸗ walt gerathen ſei; auch hatten ſie ſich bereits gelobt, wenn dieſe Muthmaßung ſich beſtätigen ſollte, ihren geliebten Anführer fürchterlich zu rächen. Sobald daber der erſte Freudentaumel vorüber war, erfuhr er, daß bereits alle Anſtalten getroffen ſeien, am nächſtfolgen⸗ den Tage ein, neben Brescia gelegenes Schloß zu be— ſtürmen, welches als ein mächtiges Vorwerk zum Schutze der belagerten Stadt zu betrachten war. Jahrhunderte haben jede Spur dieſes Gebäudes verweht, doch noch weiß der Landmann der dortigen Gegend der Sagen viele von einer kriegeriſchen Frau, welche dort gleich der böhmiſchen Amazone Vlaſta ein Weiberregiment geführt, und mit ihren kriegeriſchen Jungfrauen der Unthaten viele verübt haben fol. Wirk: lich fielen oft dieſe unmännlichen Heldinnen aus ihrer beinahe unüberwindlichen Burg, und kämpften wacker mit den Brescianern gegen die deutſchen Krieger. Dieſe zu bekämpfen, und wo möglich ihre Burg zu zerſtören, war nun die Abſicht des deutſchen Heerführers, wozu bereits alle Anſtalten getroffen waren. Unſerem Guido war die Ausführung dieſes Unternehmens aufgetragen, da man auf ſeinen Muth, und ſeine kriegeriſche Umſicht vollkommen bauen konnte. Mit Freuden übernahm er dieſes Geſchäft, und traf alle nöthige Vorſicht.

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Neuntes Kapitel.

Die Gefangennehmung.

Nach Mitternacht, während düſtere Wolkenmaſſen das Licht der Sterne verbargen, und laut heulend der Wind die Baumwipfeln durchbrauste, „zogen die Be⸗ waffneten fort, gleich den Wogen des von Regengüſſen angeſchwollenen Stromes, um allenthalben Verderben zu verbreiten; jetzt waren ſie in die Nähe des Ortes gekommen, wo bald das Würgeſchwert zahlreiche Opfer hinraffen ſollte. Ganz in Finſterniß gehüllt lag das Schloß; kein einziges Lichtchen verrieth, daß noch irgend einer der Bewohner wach ſei. Guido ließ feine Leute fo nahe als möglich an die Veſte rücken und ausruhen, als aber der erſte Morgenſtrahl am dunkeln Horizonte ſich zeigte, und er eben das Zeichen zum Angriffe des Schloſſes wollte geben laſſen, da ſchmet— 6 *

a terten plötzlich von allen Seiten die Trompeten, und Runvermuthet ſtürmten ringsum bewaffnete Schaaren heran. Der Anſchlag der Deutſchen war den Feinden verrathen worden, in der Stille hatten ſie ſich gerüſtet, und überfielen nun die, von welchen ihnen ein Über— fall gedroht hatte. Wie die Nachtnebel dem werdenden Tage wichen, entſtand eines der blutigſten Gefechte, und Guido ſah ſich mit ſeinen Leuten ſo umringt, daß nicht einer nach dem kaiſerlichen Lager entkommen konnte, um Hülfe herbeizuholen. Jetzt aber, als eben das Gefecht am heftigſten war, öffnete ſich das Thor der Burg, und hervor ſprengte die Burgfrau Arabella in kriegeriſcher Rüſtung, von ihren Amazonen begleitet. Hell ſpiegelte ſich die Morgenröthe in ihrem Silber⸗ harniſche, blendend weiß ſchwangen ſich die dichten Federn auf dem glänzenden goldgeränderten Helme, und während ſich Arabellens Streithenſt wild baumte, ſchwang fie mit Macht die ſtarke Lanze, fie in die Bruſt des nächſten Feindes zu ſenken. Guido konnte nicht umhin, durch einige Augenblicke die ſchöne Ge⸗ ſtalt des Weibes zu bewundern, doch um ſo mehr er— wachte ſein Grimm, als er gewahrte, daß ſeine Leute wichen, zurückgedrängt von Schwertern in Weiberhän— den. Alles um ſich her vergeſſend, drängte er ſich mit Macht durch die Kämpfenden, um an die Amazone zu gelangen. Thörichtes Weib e rief er, »die du

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deiner Beſtimmung vergeſſend, das gefährliche Waffen— ſpiel üben willſt, mit mir beginne den Kampf, und laſſe ſehen, ob du das Schwert beſſer denn die Spindel zu führen vermagſt!« Er ſprach's, und führte einen ſchrecklichen Hieb nach dem Haupte ſeiner Gegnerin; zwar warf dieſe leicht und ſchnell den Schild vor, aber der Hieb war mit ſolcher Manneskraft geführt, daß dieſer zerſplitterte. Aradelic wandte ihr Pferd zur Flucht, in dem nämlichen Augenblicke bekam Guido von ruͤck⸗ waͤrts einen Lanzenſtich, doch hielt das ſtarke Panzer⸗ hemd, welches er unter der Rüſtung trug, die Gewalt des Eiſens zurück; er achtete der erhaltenen Wunde nicht, die Begierde, Arabellen zu beſiegen, und durch ihren Fall ihre Kampfgenoſſinnen gänzlich zu entmuthi⸗ gen, hatte heftig ſich ſeiner bemächtiget. Mir nach! rief er mehreren ſeiner Krieger zu, welche in ſeiner Nähe kämpften, und drückte dem Gaule ſo mächtig die Spornen in die Weiche, daß' dieſer ſich wild auf— baumte, und wüthend der fliehenden Gegnerin nachtoste. Guido wußte es nicht anders, als daß ſeine Gefährten ihm nachfolgen würden, woran aber dieſe durch ſich entgegendrängende Feinde verhindert wurden; er ſtürmte alſo unaufhaltſam der Fliehenden nach; jetzt erreichten ſie das Thor des Schloſſes, donnernd flog Arabellens Gaul über die Zugbrücke, keuchend folgte Guido's Streitroß, und kaum hatte er den Schwiebbogen des

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Einganges erreicht, als dicht hinter ihm ein ſtarkes eiſernes Fallgitter niederraſſelte, und er ſelbſt zugleich durch den vielen Blutverluſt ohnmächtig zu Boden ſank. Mehrere ſeiner Leute waren ihm gefolgt, doch das Fall⸗ gitter hinderte ſie, weiter zu dringen, ſie wurden mit Steinwürfen von der Mauer zurückgetrieben, und da von Brescia aus noch mehrere Verſtärkung anlangte, ſo wurden endlich die Krieger Guido's clic in die Flucht gejagt.

Wie er ſich wieder ermannte, fand er ſich auf ei⸗ nem reinlichen Lager, und ſeine Wunde ſorgfältig ver- bunden; aber der Gedanke, Arabellens Gefangener zu ſein, erfüllte ihn mit inniger Wehmuth, und haͤtte er Zoraiden nicht gekannt, der Tod wäre ihm weit willkommener geweſen, als das Gefühl, ſich in ſo ſchmählicher Gewahrſam zu befinden. Mehrere Tage ſtrichen dahin, ohne daß er jemanden andern, als einen dienenden Knecht und den Arzt zu ſehen bekam. Der Erſtere war ſtumm gegen alle ſeine Fragen, der Letztere aber bedeutete ihm, daß ſeine Wunde ſich trefflich zur Beſſerung zeige, und er wohl bald das Lager werde verlaſſen können, jedoch ſei noch längere Zeit erforderlich, bis ſeine, durch den Blutverluſt entftandene Schwäche wieder gehoben werden könne. Auf ſein dringendes Begehren aber, die Burgfrau zu ſprechen, oder wenigſtens zu erfahren, welches Löſegeld

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fie für ihn fordere, wurde ihm dedeuter, daß Arabella ſich in Brescia befinde, und nur von ihr ſelbſt bei ihrer Wiederkehr ſeine künftige Beſtimmung abhänge. Er ſuchte ſeinen Unmuth ſo viel möglich im Inneren zu verbergen, und war froh, daß man ihm mehrere, nach damaliger Art auf Pergament geſchriebene, und mit künſtlichen Malereien verzierte Bücher übergab, wo er theils durch Leſen, mehr aber noch durch feine Gedanken an Zoraiden ſich die Sagas zu vertreiben ſuchte. 13 In düſteres Nachdenken 3 ſaß er einſt in en Gemache, da begann es äußerſt lebhaft im Schloſſe zu werden; ein unordentliches Hin- und Her— laufen, Waffengeklirre, und das Wiehern von Roſſen zeigte ihm, daß etwas Wichtiges ſich ereignet haben müſſe; der Gedanke, daß vielleicht ſeine Freunde end— lich die Beſtürmung des Schloſſes unternommen haben, durchbebte freudig ſeine Seele, und gerne würde er, wenn man ihm Waffen gelaſſen hätte, ſeine Schwäche nicht ſcheuend, Theil am Streite genommen haben Wirklich hörte er fernes Kampfgetöſe; in der äußerſten Unruhe, und mit hochklopfendem Herzen ſchritt er in feinem Gemache auf und ab, da vernahm er die An näherung von Bewaffneten, die Schlöſſer vor ſeinem Eingange wurden weggeriſſen, die Thüre fprang auf und herein trat Arabella in voller Rüſtung; jetzt erſt

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konnte fie Guido genau ſehen, und ſtaunte nicht we: nig über die hohen Reize, und die majeftätifche Haltung dieſes Weibes, welches in ihrer prachtvoll ſchimmernden Rüſtung gleich einer Kriegesgöttin vor ihm ſtand; doch das wilde Feuer, das aus ihren Blicken flammte, ſchreckte das Auge ſchnell zurück, welches ſo gerne auf ihren Reizen verweilt hätte. »Guide von Gendenfteine, ſprach fie, »ihr ſeid mein Kriegsgefangener, und von mir hängt es ab, euer Löſegeld zu beſtimmen, doch ſo leicht ſoll es euch nicht werden, meiner Gewahrſam zu entkommen. Nun aber müßt ihr ſchnell meinen Leuten folgen; Zeit und Umftände haben dieß noth⸗ wendig gemacht, und ihr müßt es euch gefallen laſſen / mit dieſen meinen Getreuen auf euch unbekannten Wegen zu wandeln; doch baue ich auf euer Ritterwort, nichts zu eurer Befreiung zu unternehmen. Wir ſehen bald uns wieder.« Sie entfernte ſich, und vier Bewaffnete traten herein; er war wehrlos, war Gefangener, und jede Weigerung würde hier fruchtlos geweſen ſein. Wie er aus dem Gemache kam, hörte er deutlich das Getümmel des Kampfes an den Mauern, leicht hatte er einem ſeiner Begleiter das Schwert entreißen, und ſich in das Handgemenge ſtürzen können, doch fein Ehrens wort war ihm zu heilig, und es würde zugleich eben fo toll— kuhn als fruchtlos geweſen fein, einzeln etwas gegen die Menge der verſammelten Schloßvertheidiger zu

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unternehmen. Seine Begleiter führten ihn nun durch einen ſchmalen Bogengang in die Tiefe, wo ſie lange unter der Erde forteilten, bis ſie endlich ferne von dem Schloſſe wieder in's Freie gelangten. Eine tiefe Waldung hatte fie aufgenommen, hier ſtand ein Knecht mit Roſſen, Guido wurde genöthiget, aufzuſitzen, und nun ging es in tollem Jagen vorwärts. Tief in der Nacht langten ſie bei einer Truppe Bewaffneter an; Guido's Führer gab die verlangte Loſung, und nun ſchloſſen dieſe ſich an, und bald ritten fie in Brescia ein, wo Guido nach einem ſtattlichen Haufe, in ein trefflich ausgeſchmücktes Gemach gebracht, und ihm bedeutet wurde, daß es ihm an keiner Bequemlichkeit fehlen werde, aber er ſich's gefallen laſſen müſſe, ruhig die Ankunft der gebiethenden Frau abzuwarten. Zwar ſah er ſich auch hier als einen Gefangenen ſtrenge be:

wacht, doch wurde er mit Auszeichnung behandelt,

und der Pallaſt⸗Aufſeher ſuchte ihm ſowohl durch Mu: ſik, als auch durch ausgewählte Bücher hinlängliche Zerſtreuung zu verſchaffen. Nach mehreren Tagen wurde ihm bedeutet, daß Arabella angekommen ſei, und ihn zu einem kleinen Feſte auf den nächſtkommen⸗ den Abend zu ſich lade. »Mir ziemt es nicht, Feſten beizuwohnens, erwiederte Guido, »ich fordere die Be⸗ dingniſſe meiner Freilaſſung, indem es für mich das glänzendſte Feſt ſein wird, wieder zu den Meinen zu:

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rückzukehren.« Der alte Schloßaufſeher zuckte die Ach: ſeln, indem er hierüber keinen Beſcheid geben könne, bat ihn aber als ein gutmüthiger Mann, die Einla⸗ dung nicht abzulehnen, indem dieß leicht den Zorn der gebietenden Frau reizen könne, und er doch immer denken müſſe, daß er ſich in ihrer Gewalt befinde. Guido ſab wohl die Richtigkeit dieſer Worte ein, und fügte ſich in ſein Schickſal, doch faßte er den fe⸗ ſten Entſchluß, ſobald er mit Arabellen zuſammentref⸗ fen ae allen Ernſtes auf ſeine Loslaſſung zu drin⸗ gen. Da er während der Gefangenſchaft nur das ge⸗ wöhnlich unter der Rüſtung gebrauchte lederne Koller getragen hatte, brachte man ihm reichlich geſchmückte Kleider; aber Guido verwarf ſie mit dem Bedeuten, daß einem Gefangenen ſolche Weichlichkeit nicht: zieme. Doch ließ er ſich's endlich gefallen, als der Kaſtellan ihm be⸗ deutete, daß ihn die gebiethende Frau nicht mehr als ihren Gefangenen, ſondern vielmehr als ihren Gaſt betrachte, und es dem edlen deutſchen Ritter um ſo weniger zieme, e bei einem Feſte zu er⸗ ſcheinen. 290% d 30 Als die A fun Stunde da war, holte ihn der Kaſtellan zum Feſte ab. Herrlich ſah Guido in dem üp⸗ pigen Schmucke aus, denn durch die gute Pflege hatte er ſich ſehr erholt, und ſchon begann wieder Röthe der Geſundheit ſich auf ſeinen Wangen zu zeigen; er war

im vollen Sinne des Wortes ein ſtattlicher junger Mann, und fein Anftand-, feine Haltung erhöhte noch das ſchöne Ebenmaß ſeiner Glieder. So ſchritt er gleich einem Heros der Vorzeit durch eine Reihe reich⸗ lich geſchmückter Gemächer, bis, mer endlich in den Prunkſaal trat; was nur aſiatiſcher Luxus erſinnen konnte, war hier vereiniget. An den goldverzierten Wänden ſpiegelte ſich der Schein von mehr als hundert Kerzen, und aus großen übergoldeten Vaſen dampften betäubende Wohlgerüche emper. Guido ging durch ein Heer von leicht, geſchürzten und niedlich geſchmückten Mädchen, welche mit Blumenguirlanden unbeweglich eine reizende Gruppe bildeten, und gelangte endlich an eine mit künſtlichem Süberwerke beſetzte, Tafel. Hier ruhte Arabella imeleichten Schleierkleide, welches keinen ihrer Reize neidiſch verbarg auf ſchwarzſammt; nen mit Gold reichlich verzierten „Kiffen zu. und vier holde goldlockige Knaben im altgriechiſchen Koſtüme reichten ihr duftende Blumen und Erfriſchungen dar. Guido ſtand einige Augenblicke wie verſteinert, und wähnte nicht anders, als ſich in eine Feenwelt verſetzt zu ſehen. »Wie iſt es möglich, dachte er ſich, daß die⸗ ſes Weib die Waffen ſchwingen und ſich ſättigen kann an dem Blute ihrer Feinde, ſie, die nun einer Liebes⸗ göttin gleichet, welche beinahe unwiderſtehlichen Zauber um ſich her verbreitet?« Lächelnd, richtete ſich Arabella

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auf, und reichte ihm die Hand zum Willkommen dar. Seid mir gegrüßt als mein Gaſt, ſprach fie, und nehmt vorlieb mit dem kleinen Feſte, welches ich zu unſerm erſten friedlichen Wiederſehen veranſtaltet habe, ich hoffe dabei Gelegenheit zu finden, mit euch näher bekannt zu werden. Guido mußte an ihrer Seite Platz nehmen; ſie winkte, und nun trugen reichgekleidete Diener ein Mahl von auserleſenen Erfriſchungen auf, und in goldenen Pokalen perlte der trefflichſte Wein von Italiens durchglühtem Boden. Auf Arabellens holdes Einladen ſürach Guido dem narkotiſchen Geträn⸗ ke mehr wie gewöhnlich zu. Jetzt begann von den zahl⸗ reichen Mädchen ein Tanz, wo die herrlichſten Grup⸗ pirungen das Auge reizten. Guido fand fi überraſcht, und ſeine Sinne ſo gefeſſelt, daß er nicht Zeit fand, an irgend ein ernſthaftes Geſpräch zu denken. Jetzt war das Mahl geendet, Arabella winkte, die Tänze⸗ rinnen und Diener entfernten ſich, wie durch einen Zauberſchlag verloſch der größte Theil der Lichter, und an der Wand / der Tafel gegenüber, welche mit Buſch⸗ werk und Blumen verziert war, ſchwamm wie in Wol> ken eine Mondenkugel herauf, und verſetzte die Gegen⸗ ſtände in bleiche Dämmerung, während ſich, gleichſam aus dem Gebüſche, die lieblichſten Flötentöne hören ließen. Guido war ganz betäubt, ſeine Sinne waren trunken, denn noch nie hatte er einem Feſte der Art

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beigewohnt. Jetzt brachte ein Knabe Arabellens Laute, und in den ſchmelzendſten Akkorden vereinigte ſie ein wunderliebliches Spiel mit einer Stimme , welche ſchmelzend zum Herzen drang. Guido's Wangen glüh⸗ ten, und als ſie am Ende des Geſanges ihr Haupt an ſeine Schulter lehnte, und ſo ſchmachtend ihr flammendes Auge zu ihm aufblickte, da wollte er, je: der Rückerinnerung unfähig, einen Kuß auf ihre Wangen drücken, aber plötzlich erſcholl ein ſchmetterndes Don- nergetöſe, daß das Getäfelwerk der Wände aus ſeinen Fugen zu brechen ſchien. Gleichſam aus dem vergoldeten Schnitzwerke hervor ſchritt eine lange Mannsgeſtalt, mit grauem, an den Gürtel reichendem Barte, und in einen grauen Schleier gehüllt, ſtarrte mit halb er ſtorbenen Blicken auf Arabellen, ſtreifte mit flacher Hand über die gegenüber ſtehende Wand, und verſchwand wieder, als ob ſie ihren Weg durch die Wand genom— men hätte; aber an dieſer zeigten ſich mit hell⸗ flammenden Buchſtaben die Worte: »Guido, traue der Schlange nicht, und denke an Zoraide!«

Guido's volles Bewußtſein kehrte zurück, er er— kannte den Abgrund, welcher vor ſeinen geblendet ge— weſenen Blicken ſich öffnete, und ſprang raſch vom Lager auf. Verführeriſches Weib, rief er, ſteh' mir Rede, warum wollteſt du ſo gefährliches Spiel mit mir beginnen? ſteh' mir Rede, wie willſt du meine

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Freiheit mir wieder geben Arabella hatte durch einige Augenblicke einem lebloſen Marmorbilde geglichen, jetzt aber raffte fie alle ihre Kräfte zuſammen. »Wie e rief fie, vauch hier verfolgt mich dieſer zauberiſche Uns hold? Aber bei den Mächten der Hölle ſeil es geſchwo— ren, ich will nicht ruhen, bis ich dich und dein Blend⸗ werk vernichtet habe. Und ihr, Ritter, deſſen Muth allgemein geſchätzt wird, ihr ſollt thöricht genug ſein, vor einer hölliſchen Taͤuſchung zu beben? Wer iſt dieſe Zoraide »Meine mir vor Gott angetraute Gattin, erwiederte Guido, welcher ich bald, verführt durch eure buhleriſchen Künſte, meine Treue gebrochen, und meine Ehre befleckt hätte. Nun fordere ich euch wiederholt auf, gebt mir meine Freiheit wieder, wenn ich ſie mir nicht mit Gewalt erringen ſoll. Beim Himmel, ihr ſollt mir nicht mehr entkommen, dieſe Stunde muß entſchei⸗ dend ſein.« Er ſprach dieß mit all' jener Haft, wozu ſein noch aufgeregtes Blut ihn antrieb, aber ſchnell riß Arabella an einer Glockenſchnur, und entſprang durch ein Pförtlein; in dem nämlichen Augenblicke ſtürmte bewaffnete Dienerſchaft herein, Guido war wehrlos, mit einem aufgerafften Armleuchter ſuchte er ſich zu vertheidigen, zwar floß hie und da Blut von gewaltigen Streichen, aber er ward übermannt, mit gebundenen Händen wurde er nach ſeinem Gemache geſchleppt, und dort wohl verwahrt.

Zehntes Kapitel

Das e Si

Nun hatte Guido Muße genug, über den Vorfall dieſer Nacht nachzudenken. Innig freute er ſich, den Fallſtricken Arabellens entgangen zu ſein, aber wer war jene Schauergeſtalt, welche den Saal durchſtri— chen, und jene flammenden Warnungsworte an die Wand gezaubert hatte? Wie war es Menſchen möglich, in einem Hauſe, wo alles der Eigenthümerin zu Gebothe ſtand, geheimen Zutritt zu finden, und durch welche Kunſt entſtanden die glühenden Buchſtaben? Oder ſollte ſich wirklich ein geſpenſtiges Weſen in das Spiel gemengt haben? Guido war noch nich' erhaben genug über den Geiſt der damaligen Zeit, um die letztere Meinung gänzlich zu verwerfen; er ſchwur bei ſich ſelbſt, nie mehr von dem Pfade der Tugend zu weichen, und mit ſtandhaftemMuthe die kommenden Exeigniſſe abzuwarten.

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Mehrere Lage verſtrichen, da öffnete ſich die Thüre ſeines Gemaches, und herein trat Arabella von Bewaffneten umgeben. »Ich bedaure, ſprach ſie, auf ſeine Bande weiſend, euch ſo zu ſehen, doch iſt es eure eigene Schuld, mich dadurch gegen eure Wuth ſicher zu ſtellen. Gelobt mir bei Ritterehre und Seligkeit, mich ſonder Gefährde anzuhören, und ich will meine Begleiter entlaſſen, um in Geheim mit euch zu fpre: chen. »Beſorget nichts, erwiederte Guido, nie werde ich ein Weib zu verletzen ſuchen, wenn ſie nicht, ſo wie ihr gewohnt ſeid, im offenen Kampfe gewaffnet mir gegenüberſteht, doch fördert eure Rede, um end- lich einmal zum Ziele zu gelangen. « Arabella winkte, und die Bewaffneten entfernten ſich aus dem. Gemache, um am Eingange ſogleich zur Hülfe bereitet zu ſein.

»Wir find allein begann nun Arabella, »und nun laßt mich im Vertrauen einige Worte des Ernſtes mit euch ſprechen: Glaubt ja nicht, Ritter Guido, daß ich buhleriſche Künſte anwenden wollte, euer Herz zu gewinnen; wahre innige Liebe zog mich unwiderſteh⸗ lich zu euch hin, denn ſeit ich euch das erſte Mal ſah, ſeid ihr mir nicht gleichgültig geblieben. Durch die Waffen, in welchen ich aufgewachſen bin, wurde mein Herz nicht verhärtet; heiß ſchlägt in ihm die Flamme der Liebe empor, ſich ſehnend nach Erwiederung ſeiner innigen zärtlichen Gefühle. Ich bin reich und mächtig

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. m: > denn, wenn gleich meine Veſte, die Vormauer von Brescia, durch eure Leute zerſtört wurde, unter deſſen Ruinen die meiſten meiner tapferen Kampfgenoſſinnen ihr Grab fanden, beſitze ich noch weitläufige Güter tief in Italien, und ihr werdet durch mich zum mächtigen und reich begabten Manne; entſagen will ich meinem Waffenruhme, und allem kriegeriſchen Andenken, um ganz in euren Armen das Glück des häuslichen Lebens

| zu genießen. Schenkt mir euer Herz, ich ſchwöre euch

ewige Treue, und ihr ſeid durch mich im Augenblicke frei. Denkt an euer eigenes Wohl, bedenkt aber auch, daß ich nun, alle weibliche Zurückhaltung verläugnend, es nicht gleichgültig nehmen kann und darf, wenn ihr undankbar meinen Antrag zurückweiſen würdet. Standhaft betheuerte Guido, daß er nie ſeiner Pflicht gegen Zoraiden entſagen, daß er keine Liebe zu einem Weibe fühlen könne, welches ihre Hände mit dem Blute ſeiner Waffenbrüder befleckte, ja daß er eher ſterben würde, als ſich mit einer Feindin ſeines

Fürſten und ſeines Vaterlandes zu verbinden, »Genug der thörihten Worte, rief nun Arabella, kaum mehr

fähig, ihre Wuth zu unterdruͤcken ihr ſollt dieſe Nacht noch mehr von mir hören,s und raſch eilte fie

aus dem Gemache. So ſtrichen mehrere Stunden da—

hin, und als es allgemein ſtille im Hauſe geworden

war, und er ein kleines Mahl zu ſich genommen hatte, 155

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ſchloß ein leiſer Schlummer ſeine Augen. Mitternacht mochte hereingebrochen ſein, da wurde Guido in ſeinem Schlafe geſtört, herein traten vier Bewaffnete mit Fackeln, und befahlen ihm ihnen augenblicklich zu folgen. Langſam ging es durch die langen engen Gänge des Schloſſes, und tief über Treppen hinab nach mehreren unterirdiſchen Gewölben. Jetzt gelangten ſie an eine hohe eiſerne Pforte, dieſe wurde geöffnet, und man bedeutete Guido'n einzutreten. Das Gewölbe war mit Fackeln, welche an den Wänden angebracht waren, erhellt, und als ſeine Augen ſich an das zweifelhaft flackernde Licht gewöhnten, ſah er an einer runden Tafel zwölf Männer ſitzen, in ſchwarze Mäntel ge⸗ hüllt, welche Todtenlarven vor ihren Geſichtern hatten; vor jedem lagen zwei blanke Dolche kreuzweis auf der Tafel. Stumm und unbeweglich, gleich Statuen ſaßen ſie im Kreiſe. Jetzt ertönte eine große Glocke, und von Bewaffneten umgeben trat Arabella im Waffenſchmucke herein; die Vermummten neigten ſich ehrerbietig vor ihr, und ſie nahm Platz auf dem oberſten Stuhle. Edle Männer von Brescia, begann fie, die ihr hier verſammelt ſeid, Gericht zu halten über Ritter Guido von Sendenſtein; er iſt mein Gefangener, erworben habe ich mir das Recht auf ihn, doch ich entſage dieſem freiwillig; euch übergebe ich ihn als Staatsgefangenen und ihr mögt nun über ſein Schickſal entſcheiden.«

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»Viel Schaden hat er uns und unferen Verbün⸗ deten gethan, ſprach der Oberſte der Verſammelten, er that zwar ſeine Pflicht, doch an uns iſt nun die Reihe, uns ſicher zu ſtellen vor einem ſolchen gefährli⸗ chen Manne. Unſre lieben, getreuen Bürger von Brescia bedürfen keines Löſegeldes von Feinden, es thut ihnen vielmehr wehe, einen ſolchen wackern Mann unter ihre Gegner zu zählen; darum wandelt euren Sinn um, Ritter, und tretet zu uns über, nicht nur die erſte Heerführersſtelle ſei euch hier vor dem ehrſa⸗ men Rathe, welcher im Namen des Volkes ſpricht, zu⸗ geſagt, auch beurkunden wir euch den Beſitz von bedeus tenderen Gütern, als ihr in eurem Vaterlande beſitzet, und einer unſerer achtbarſten Bürger ſollt ihr bleiben all euer Lebelang. Was iſt euer Entſchluß?

»Euch mit dem Verſucher in der Wüſte zu ver⸗ gleichen. Wie könnt ihr Schändlichen, meineidig an eurem rechtmäßigen Oberhaupte, mir Verträge zuſichern und euch erfrechen, mich mit ſolchen Anträgen zu ent⸗ ehren? Wann haben je Perräther dem Verräther ihre Bedingniſſe gehalten? Ich erkenne euer Gericht nicht, denn als Rebellen ſeid ihr ſelbſt anheimgefallen dem Reichsgerichte, und im Namen kaiſerlicher Majeſtat fordere ich meine Loslaſſung nach N tte und Kriegsgebrauch.«

»Dieß euer letzter Entſchluß?«

»So iſt es. « 7

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»So hört denn auch unſer letztes Wort. Möchte es ſein, daß wir nach Kriegsgebraud euch eure Frei⸗ beit geſtatten, würdet ihr uns wohl einen unverbrüch⸗ lichen Eid leiſten, nie mehr gegen uns und unſere Ver⸗ bündeten die Hand ans Schwert zu legen „vielmehr alles anzuwenden, was ohne Waffen zu unſerem Beſten gereichen könne? « 1

Nie, Arm und Schwert 5880 ich meinem Kaiſer gelobt, Pflicht und Vatexlandsliebe opferten ihm mein Herz und meine Treue, und wenn er es befiehlt, werde ich im erſten Augenblicke meiner Freiheit auch mein Blut im Kampfe gegen euch vergießen; nur dann ſollen meine Waffen wider euch ruhen, wenn ihr zu des Kaiſers Füßen um die wohin Sea eurer Miſſe⸗ thaten flehet.«

»Ihr habt euer na, urtheil geſprochen. Ein Mann wie ihr iſt uns gefährlich, gegen ihn ſichern uns ſelbſt Schloß und Riegel nicht nur der Tod kann uns von einem ſolchen Feinde befreien. Ich breche den Stab über euch, der Scharfrichter vollziehe fein Amt.«

Er erhob ſich, zerbrach ein ſchwarzes Stäbchen, und hervortrat ein Mann in einen rothen Mantel ge— hüllt, in der Hand das ſchauerliche Richtſchwert haltend. Da ſtand einer der Verlarvten auf, welcher bisher im— mer ſchweigend zugehört hatte. »Haltet ein, rief er, ich widerſpreche, nicht dem Urtheile, ſondern deſſen ſchnel—

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len Vollziehung. Laßt euch nicht von thörichter Leiden⸗ ſchaft verblenden, dem Volke ſeid ihr es ſchuldig, die Stimme der Vernunft zu hören. Habt ihr vergeſ⸗ ſen, daß mit dem anbrechenden Tage unſre idee bothen nach dem kaiſerlichen Lager abgehen? Wie würdet ihr dann euch rechtfertigen können, wenn die Majeſtät einen ihrer getreueſten Diener zurückfordert?«

»Nie wird er N e , geneh⸗ migen. | »Dann haben wir 816 zu neuer Rüstung gewon nen, und das Recht, uns zu ſchützen und zu rächen iſt auf unferer Seite, dann haben wir, vom Reichs oberhaupte verſtoßen, auch die Macht, ein Blutopfe, zu fällen. In drei Tagen iſt Alles entſchieden, und bis dahin fordere ich im Namen des Volkes die Menge

Gewahrſam für den Ritter. «

»Wer biſt du, der ſo in unſerer Mitte zu ſpre— chen wagt?«

»Ein Freund des Volkes, und der eure, der euch

vor Verderben zu verwahren fuchet. Hier ſtoße ich als

Beiſitzer meinen Dolch in die Gerichtstafel, und ſchwöre

bei dem Eide / der von uns eingetragen iſt in die Hand—

veſte der Bürger, daß ich euch in dieſer widerrecht lichen Angelegenheit fordern und anklagen werde, vor

dem Stuhle unſerer oberften drei Richter, und vor

dem Volke auf öffentlichem Platze.«

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Da entſtand ein Gemurmel unter den Verſammel⸗ ten, und endlich bewilligte der Oberrichter die weitere Verhaftnehmung Guido's. Deſſen Hände wurden nun neuerdings mit Feſſeln belegt, und er in ein tiefes, unterirdiſches Gewölbe geſchleppt, wo er nun Muße genug hatte, über ſein Schickſal nachzudenken. Der Tod wäre ihm willkommen geweſen, wenn ſich nicht Zoraidens Bild vor ſeine Seele gedraͤngt hätte; ſeine Gefühle grenzten an Verzweiflung.

Eilftes Kapitel.

Der verdächtige Wohlthäter.

Von Kummer ganz erſchöpft ſank er in einen, obwohl dußerſt unruhigen Schlummer; da dünkte es ihm, als ob er neben ſich ein leiſes Pochen vernaͤhme; lange konnte er ſich nicht des Schlafes ent wehren, doch im⸗ mer näher und näher kamen die Töne aus der Tiefe herauf, er erwachte endlich vollkommen, und plötzlich drang der Dämmerſchein einer Lampe in ſein Auge, und er gewahrte, wie am Boden eine Fallthüre, wel⸗ che er vorher bei der Dunkelheit ſeines Aufenthaltes nicht hatte bemerken können, ſich öffnete, und ein Mann in einen grauen Mantel gehüllt, und eine ſchwarze Larve vor dem Geſichte, über Stufen her⸗ aufſtieg. Der Gedanke, daß man nun ihn abhole, ſei⸗ ne Leiden zu enden, mußte ſich naturlich feiner Seele

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bemeiſtern, der Fremde aber leuchtete ihm ins Geſicht. »Ich bin an den rechten Ort gekommen, ſprach er mit dumpfer Stimme, ſchlug den Mantel auseinander, unter dem er ganz gerüſtet war, und reichte Guido'n einen Pack Kleider hin. »Die Zeit draͤngt, ſprach er, und kein verlorner Augenblick kann wieder erſetzt wer— den; darum laſſe mich ſchnell und ſtille deine Feſſel löſen, und bülle dich in dieſes Gewand, um deine Rettung zu erleichtern. «

»Meine Rettung? Wer biſt du?«

»Forſche jetzt nicht weiter, wann du frei biſt, und zu den Deinen wieder gelangen kannſt, ſollſt du mich näher kennen lernen.

»giemt dem Ritter zu fliehen

N »Aus Mörderhänden allerdings; darum nimm auch dieſes Schwert, um dich bei einem möglichen Ueberfalle vertheidigen zu können. Nun aber beſchwöre ich dich bei allem was dir theuer iſt, verſäume keinen Augenblick mehr, wenn nit ung beiden Gefahr dro⸗ hen ſollte. 6 ä

Das Gefühl der Freiheit, und der Gedanke, fei- nen unbekannten Wohlthater ſelbſt vielleicht in Un⸗ glück zu bringen, bemächtigten fi ſich gleich ark feiner, und in der größten Haft hatte er das mitgebrachte Eremitenkleid umgeworfen, und ſich durch falſchen grauen Bart und Haupthaar entſtellt. Ein Schwert

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fühlte er wieder in feiner Hand, und fein erwachter Muth würde es mit einer ganzen Rotte aufgenommen haben. Jetzt ergriff der Fremde feine Hand und leitete ihn, nachdem er von unten den Riegel an der Fallthür

wieder vorgeſchoben hatte, haſtig die Treppe hinab noch eine zweite ſolche Thüre führte zu einer weiteren Stiege, und nun konnte ſich Guido das im Schlafe gehörte Pochen leicht erklären, da die vielleicht ſeit ſo vielen Jahren eingeſenkten Riegel nicht ſo leicht wieder zu öffnen geweſen. waren Eine außerordentliche Tiefe ging! es nun abwärts, bis ſie endlich ein feuchter Erd⸗ gang aufnahm. Hier konnte der matte Schein der 5 Lanpe Eine Dientte mehr thun; der Fremde nahm eine, bereits zur Vorſicht in eine Ecke gelehnte Fackel hervor, entzündete dieſe, und nun ging es, ſo ſchnell es die Umſtände geſtatteten, vorwärts. Beinahe eine Stunde waren ſie in dieſem unterirdiſchen Aufenthalt fortgewandert, wo allmählich das Erdreich ſich wieder erhob, als ſie endlich freie Luft fühlten, und ſich einer dicht hinter Geſträuch verborgenen Oeffnung nahten, durch welche ſie endlich ins Freie gelangten. Tiefe Waldung und die Schatten der Nacht umgaben ſie. Guido fühlte ſich ganz ermattet, und ruhte einige Augenblicke aus, doch bald ermahnte ihn ſein Gefähr— te, weiter zu ſchreiten, indem ſie zwar durch den un— terirdiſchen Wes aus der Stadt gelangt waren, aber

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dennoch immer ſich zu nahe bei ihren Verfolgern be⸗ fanden. Immer weiter ſchritten ſie in der Waldung fort, bis ſie endlich ein kleines Lichtchen entgegen ſchimmern ſahen; dahin nahmen ſie ihren Weg, der Fremde pochte an die Thüre einer Hütte. Ein alter Mann in Bauerntracht trat hervor.

»Iſt alles bereitet, « fragte jener »Wie Ihr befohlen habt, Ihr könnt nun ungeſcheut der Ruhe pflegen,« war die Antwort. Beide traten nun in die Hütte, da ſchob der Alte mehrere Wollſäcke von der Wand, räumte vieles Strauchwerk hinweg, und man bemerkte nun eine kleine Oeffnung, durch welche ſie gebückt hinein ſchlüpften. Guido war überraſcht, als er hier ein kleines aber ſehr reinliches Gemach fand; ein bequemes Lager lud zur Ruhe, und auf einem Tiſche ſtand eine Kanne mit Wein, und mehrere Er⸗ friſchungen. hai

»Hier ſeid Ihr fiher edle Herren 4 ſprach der Bauer, »denn wenn ſich nur ein Anſchein von Gefahr zeigen ſollte, wird die Oeffnung ſo genau mit Brettern vermacht, daß auch das ſchärfeſte Auge keinen Eingang entdecken ſoll du lieber Himmel, bei unſeren Zeiten iſt wohl ſolch ein Zufluchtsort nothwendig, fein bis“ chen Habe zu verbergen. « |

Als der Alte das Gemach verlaſſen hatte, drückte Guido mannhaft ſeines Retters Hand

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an die Bruſt »Habe Danke ſprach er, »für das Werk der Barmherzigkeit, ſo du an mir übteſt, nun aber laſſe mich auch meinen Retter erkennen, damit ich dein Bild, wenn wir je uns wieder trennen ſollten, tief meinem dankbaren Herzen einprägen kanns da warf der Fremde den Mantel und die ſcheußliche Larre von ſich; wie eine Marmorfäule ſtand Guido einige Augenblicke vor Staunen; »Oskar, mein Oskar,« rief er endlich, und ſtürzte in ſeine Arme, eine ſtumme Pauſe erfolgte, in welcher ſie ſich ſo feſt umſchlungen hielten, wie das Epheu an die Ulme ſich ranket. »O wie viel haben wir uns zu ſagen, s ſprach endlich Guido. »Komm, o komm, daß der Wein den abge⸗ matteten Körper erquicke, und dann die Zungen ge⸗ läufiger mache zum traulichen Geſpräche.« Als fie ſich in etwas gelabt hatten, ergriff Guido zuerſt das Wort, und leiſtete genauen Bericht über ſeine bisherigen Be⸗ gebenheiten. »O mein Guido, a begann nun Oskar, vum wie viel glücklicher biſt du, als ich, und leider durch meine eigene Schuld. Wie unweiſe habe ich gehandelt, daß ich nicht deinen Vorſtellungen, und nicht den Er⸗ mahnungen unſers Erziehers, des Templers Hage⸗ mund Gehör gab; wie thöricht war ich, mich an die lockeren Jugendfreunde des unglücklichen verführten Johann von Schwaben gehalten zu haben, deſſen trauriges Loos nun auf alle ſeine Freunde überging.

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Ich nahm iche Theil an jener grauſen That, aber der Verdacht und der Fluch des Volkes lag auf mir. Zeitlich genug noch entkam ich durch ſchnelle Flucht dem Verderben, aber ich war geächtet, und dadurch war alfo auch meine ganze Ausſicht auf eine glänzende Zukunft mir benommen. Bald trennte ich mich von dem mit Blut befleikten Eſchenbach, denn nur zu deutlich merkten wir, daß die Verfolger auf unſre Spur gekommen ſeien, und in Pilgerkleidern ſetzte ich meine Reiſe fort. Für das Vaterland war ich ver⸗ loren, mein von der Mutter ererbtes roſches Tempe⸗ rament ließ mich nicht lange ruhen, | ich ſehnte mich nach Thätigkeit, und nach Pflege, welche ich als von allem 4 öbter Wandeter ſchon > lange entbehrte. lag ich ermü det an einer Susi mich ſelbſt, und mein hartes Schickſal bitter anklagend, da nahte fi mir ein Mann in einen weiten Mantel gehüllt, und den Krempenhut tief in die & Stirne gedrückt, daß man auch den Theil des Geſchtes, welcher nicht von dem ſtruppigen Batte bedeckt war, gar nicht erkennen konnte. »Arnier Schelm, 5 ſprach er, »es mag dir wohl ſehr übel gehen 24 »Ja wohl Herre erwiederte ich, »denn leider bange ich ſchon drei Tage, und wurde noch von jeder Thüre abgewieſen , wo ich auch nur um eine kleine Brotrinde bat, meinen wüthenden Hunger

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zu ſtillen, ach wie können Menſchen nur fo unbarm⸗ | herzig fein 3 vHoho junger Fant, man ſieht es dir wohl an, daß du ein Mutterkind bit, das ſich noch nicht viel in der Welt umſah, denn ſonſt würdeſt du bei Menſchen keine Menſchenliebe mehr ſuchen. Jeder ſorgt jetzt nur für ſich ſelbſt, und wenn einer wirklich bei voller Tafel ſchwelgt, und er kann noch ſeinem ärmeren Nachbar den letzten Biſſen Brot vom Munde wegſtreiten, fo wird er ja nicht mehr ein Schuft genannt, ſondern er hat ſich noch den Ehrentitel eines Kraft Genies erworben. Doch mein N macht deinen leeren Magen um keinen Broſamen völler, darum komme mit mir, daß ich dich labe und dann ſehe, was weiter für dich zu. thun ſei. s »Ich, fuhr Oskar fort, ließ mir in meiner Lage freilich ſo etwas nicht zweimal ſagen, und ſo unheim⸗ lich mir der Mann auch vorkam, ſo gerne folgte ich ihm. Wir durchſchritten mehrere Straßen, bis wir an ein kleines in einem Winkel gelegenes Haus kamen, und von da in eine ganz mit Rauch angefüllte Stube traten. »Du bleibſt heute wieder lange aus, rief ein altes Weib, das bei dem Kamine eine Brühe zu— richtete, deren Wohlgeruch ſchon meinen hungern— den Magen mit angenehmem Vorgefühle erfüllte.« Sieh zu, daß du bald fertig wirft, ſprach der Mann, ich habe einen ganz erſchöpften Gaſt mitgebracht, deßhalb

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kann ſchon der Topf noch einmal ſo voll fein.« »Alfo wieder einen Miteſſer umſonſt;a brummte die Alte. »Schweige, oder du kennſt mich, ich thue nichts um— ſonſt, und meine volle Schüſſel ſoll mir noch gute Zinſen tragen.« Die Alte ſchwieg, mir that es weh, daß meinetwegen der häusliche Friede geſtört werden ſollte, aber die Eßluſt überwog alle Bedenklichkeiten, und als wir endlich einmal zu Tiſche gingen, ſuchte ich mich, um alles übrige in der Welt unbekümmert, nach Herzensluſt zu erquicken. Mein Gaſtwirth ſchien viel auf eine Flaſche guten Weines zu halten, und wir zechten ſo lange, bis wir taumelnd das Strohla⸗ ger ſuchten. a |

»Als ich am folgenden Tage aufwachte, fand ich mich allein], und die Thüre verſperrt; wahrſcheinlich waren meine Bewirther ihrem Broterwerbe nachgegan⸗ gen; mir that es wohl, ausruhen zu können, auch litt ich nicht Mangel, denn es war Vorrath von Wein, Brot und Fleiſch vorhanden. Ich benützte meine Ein⸗ ſamkeit, mich in meiner neuen Wohnung etwas naher umzuſehen, aber ich fand nicht das Geringſte, das mir hätte verdächtig werden können. Abends kamen meine beiden Leute zurück, es wurde aufs Neue ge: kocht und geſchmauſet, und ſo ſtrichen vier Tage da— hin, ohne daß mein Bewirther mich um meine nähe— ren Verhältniſſe befragte, oder um eine Bezahlung

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mahnte. Ich hatte während dem mich trefflich erholt, und die von der ausgeſtandenen Noth verſcheuchte Röthe der Geſunbheit kehrte wieder auf meine Wan⸗ gen zurück. Endlich konnte ichs ſelbſt „icht ertragen, den guten Leuten länger zur Laſt zu fallen; ein Ring, den ich einſt von Herzog Johann von Schwaben zu ſchenken bekommen hatte, war noch mein letztes Eigen⸗ thum; dieſen gab ich dem Manne zum veräußern, um mich, da ich weiterziehen wollte, meiner Dankbarkeit zu entledigen. Er betrachtete den Ring mit der größ- ten Auf merkſamkeit, ohne ein Wort darüber zu ſagen, als aber der Abend ſtark herangebrochen war, hing er ſeinen Mantel um, und verließ wider ſeine Gewohn⸗ beit die Wohnung. Die Unruhe der Alten war mir auffallend. Ich befragte ſie um die Urſache, lange weigerte fie ih, mir ein Geſtändniß zu leiſten. »Ach, ſprach ſie endlich, Ihr ſeid in üble Hände gerathen, denn wiſſet, das Hauptgeſchäft meines Mannes iſt, junge Leute aufzuſuchen, ſie zu verpflegen, wenn er ſieht, daß ſie zu ſeiner Abſicht tauglich ſind, und dann an irgend einen Ritter als Knechte zu verhandeln. Mit euch als einen fo ſtartlichen jungen Mann mag er ein beſonders Abſehen haben, und wahrſcheinlich hat er euch zum Dienſte bei der mächtigen Gebieterin Arabella beſtimmt, bei welcher heldenmüthigen Frau ſchon mancher wackere Kriegsmann ſein Fortkommen fand;

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dem ſei nun wie ihm wolle, ‚fo verrathet mich nicht,

denn ich könnte es bei meinem jähzornigen Manne

vielleicht mit dem Leben büßen, aber auch zur Flucht kann ich euch nicht verhelfen, da, wie ihr ſeht, er von außen die Thüre verſperrt hat.« Ich beruhigte die Alte ſo viel wie möglich, indem ich bemerkte, daß Kriegsdienſte ſchon lange mein Wunſch geweſen waren, und ich mir, wenn es mir nicht anſtändig wäre, ſchon weiter fort zu helfen wiſſen wer de. Noch ſprachen wir zu⸗ ſammen, als ich von außen mehrere Stimmen vernahm, und jetzt mein bisheriger Bewirther mit vier bärtigen Kriegsmännern hereintrot. »Ich bringe mehrere gute Freunde mit, ſprach er, fördere dich Alte, und ſchaffe volle Humpen.« Dieſe gab mir einen Wink, daß. fie recht geurtheilt habe, und holte Wein, auch war da⸗ durch, daß mich die Fremden genau betrachteten, und ſich bedeutende Winke gaben, meine Muthmaßung

deſto gewiſſer. Wir lagerten uns um den Tiſch, die

vollen Becher gingen wacker herum, und bald fiel das Geſpräch auf das luſtige Leben eines Kriegsmannes, und die vielfache Gelegenheit, ſich Beute zu erwerben. Ich äußerte, daß dieß mein Wunſch ſei, und freudig verſprachen ſie mir Gelegenheit hiezu, wenn ich ſie begleiten wolle. «

»Beinahe graute der Morgen ſchon heran, als

wir uns, da ich Folge verſprochen hatte, zum Aufbru—

1 PET

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che anſchickten, nachdem ich nochmal für meine Be⸗ wirthung gedankt hatte. So gelangten wir nach dem Schloße Arabellens, wo man mir einſtweilen mei— nen Aufenthalt in einer großen von mehreren Knech— ten bewohnten Stube anwies, aus deren Gefpräh ich bald ein Näheres von dem Thun und Treiben dieſes kriegeriſchen Weibes entnahm. Ich kann dir nicht ber— gen, daß ſi ſich mein Stolz aus zweierlei Urſachen ſehr gekränkt fühlt; erſtens war ich vermöͤg Geburt und Erziehung zu größeren Ausſichten beſtimmt, ſtatt nun als gemeiner Knecht zu dienen, und zweitens that es mir weh, daß ich als Ritter nun unter den Befehlen eines Weibes ſtehen ſollte; aber was blieb den vor der Hand wenigſtens dem Geächteten übrig, als ſich in ſein Schickſal zu fügen? Einige Tage brachte ich hier zu, als es endlich hieß, daß die gebietende Frau, welche ſich bisher zu Brescia aufgehalten hatte, an— langen werde, wo ich ſodann ihr ſogleich als ein neuer Dienſtmann vorgeſtellt werden ſoll. Ich brannte vor Neugierde, dieſes ſeltene Weib kennen zu lernen. Men hatte mich mit reinlichen Kleidern verſehen, und endlich ward ich in den Saal zu ihr berufen. Ich konnte mich des Lächelns kaum enthalten, als ich die ben Weiber umherſtehen ſah, welches Beneh— men ich mir nicht anders, als ein Poſſenſpiel vorſtel— Ten konnte, wo ich nach der Hand doch Gelegenheit genug | 8 | | |

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hatte, mich vom Gegentheile zu überzeugen; wie ſonderbar )

war mir aber zu Muthe, als ich Arabellen felbft, ſah, und von ihrem majeſtätiſchen Anblicke von ſelt⸗

ſamer Empfindung mich ergriffen fühlte. Ihr Auge

ſchien mit Wohlgefallen auf mir zu ruhen, ſie fragte

mich mit wenigen Worten um mein Herkommen, ich

gab mich für den Sohn eines im Kampfe gebliebenen Schildknappen des Herzogs von Baiern aus, daher ich

auch in der Jugend eine beſſere Bildung genoſſen habe.

Ein kaum bemerkbares Lächeln war ihre Antwort. Sie

verſprach für mein Beſtes zu ſorgen, und entließ mich mit wohlwollender Miene. Den ganzen Tag, und ſelbſt

im Traume kam das Bild der hohen Herrin nicht aus meinem Sinne, und ich ſuchte mir vergebens Gelegen⸗

heit, ſie irgendwo wieder zu ſehen. Mehrere Tage waren verſtrichen, als, da ich eben einſam im Garten luſtwandelte, ein Edelknabe zu mir

trat. Oskar, ſprach er, du wirſt heute Nacht die Wache im großen Schloßgange haben, dort harre dann meiner,

ich werde dich abholen, und zu unſerer Gebietherin

führen; dieß muß in Geheim geſchehen, denn das, was ſie dir kund zu thun hat, muß vor Allen verborgen

bleiben. Mich freute dieſe Nachricht, ohne daß ich mir

den Grund hierüber erklären konnte, und mit Ungeduld

erwartete ich die beſtimmte Stunde. Stille ward es im Schloſſe, da bereits Alles zur Ruhe gegangen war:

a

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Sinnend und in Erwartung ſtand ich, auf meine Bar: tiſane gelehnt, da nahte endlich der Edelknabe mit leiſem Tritte, und deutete mir, in ein Gemach zu treten, wo indeſſen er am Eingange Wache halten werde, auch möge ich nur kühn durch die Reihe der Gemächer ſchreiten, bis ich zur gebiethenden Frau ge— lange. Dieß geſchah, endlich kam ich in das letzte Ge- mach, wo ich Arabellen auf einem Ruhebette fand; mein Herz klopfte laut, ich hatte noch nie mich ſo be⸗ klemmt gefunden. »Tritt nähere, ſprach fie, din dieſem Augenblicke ſtehſt du nicht vor deiner gebiethenden Frau, ſondern vielmehr vor deiner Freundin, wenn du anders dieſe meine Gutmüthigkeit nicht mißbrauchen wirſt; du haft mich getäͤuſcht, du biſt nicht das, was du ſcheineſt, und zu mehr geboren, als gemeine Knechtdienſte zu leiſten, ich fordere von dir aufrichtiges Geſtändniß, und werde mich darnach zu benehmen wiſſen.« üer dieſe Anrede war ich außerft betroffen. Hohe Röthe flammte auf meinen Wangen, ich war nicht gewohnt eine Lüge zu ſagen, und doch konnte ich jetzt unmöglich der Wahrheit getreu bleiben; meine Stimme ſtockte, und lächelnd betrachtete mich Arabelle durch einige Augenblicke. »Ich habe nicht nöthigs, ſprach fie, »dir dein Geheimniß abzudringen, welches vor mir offen da liegt, ich wollte nur deine Geſinnung erproben. Lüge ſcheint dir fremd, dieß ſchätze ich, daher beant⸗ 8 *

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worte mir vorerſt eine Frage: wuͤnſcheſt du in mei⸗ nem Dienſte zu bleiben :

»&ehr gerne, wenn ich Gelegenheit erhalte, euch meinen Eifer zu beweiſen, denn die Unthätigkeit, in welcher ich mich nun befinde, iſt mir unerträglich.

»Du wünſcheſt alſo kriegeriſche Thaten? Die Zeit dazu wäre nahe, aber kennſt du auch meine Feinde?«

»Würde ich darum minder tapfer fein, wenn ich ſie wüßte? Gegen Jeden wünſche ich euch mit Blut und Leben zu vertheidigen.s v Wackerer junger Mann, wie aber, wenn bu deine Waffen gegen dein Vaterland ziehen müßteft

»Das würde ich nie. Ich erinnere mich nun wohl, gehört zu haben, das vorzüglich die Brescianer es un: redlich gegen das deutſche Reichs oberhaupt meinen, ſeid ihr mit dieſen verbunden, dann ſage ich euch als freier Mann Valet, und nie werde ich gegen meine Landsleute die Waffen ergreifen, nie gegen meine Freunde kämpfen. «

»Iſt dieß dein letzter Entſchluß?“

„Er iſt es. «

»Auch dann würdeſt du deine Geſinnungen nicht ändern, wenn auf der einen Seite dir Ruhm, Ehre und Anſehen entgegen lachte, auf der andern aber nur ſchreckliches Gefängniß, oder wohl gar ſchmähli⸗ cher Tod deiner warten würde??

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»Auch dann nicht. .

»Selbft wenn ich dich vor aller meiner Umge⸗ bung auszeichnete, wenn ich dich fühlen ließe, daß ich ſo herzlich gerne und huldvoll in einer Würde dich zu ſehen wünſchte

»Gnaͤdigſte Frau, wozu wollt ihr mich verleiten? Beim Himmel, eure Huld könnte das höchſte Glück meines Lebens gründen, aber ſelbſt wenn Verzweiflung mein Loos wäre, würde ich nie in euren Vorſchlag willi gen. a

»Genug des Wortwechſels mit euch, rief nun Arabella mit hochflammender Wange, vnicht ungeſtraft läßt eine Arabella ſich beleidigen. Kennt ihr dieſen Ring⸗ den ihr eurem Bewirther im Walde gegeben habt? Diefer war zum Verräther an euch, ihr ſeid ein Ge— noſſe des Meuchelmörders Johann von Schwaben, unſtett irrtet ihr geächtet umher, um nicht in die Hände der ſtrafenden Gerechtigkeit zu fallen; aber dennoch hat euch die rächende Nemeſis ereilt, und ihr ſeid ihr als Opfer anheimgefallen; nicht länger darf ich euch ein Aſyl in meinem Haufe gewähren, ohne mich ſelbſt des Hochverrathes gegen das Reichsoberhaupt, oder gegen meine Verbündeten ſchuldig zu machen.«

Mir diefen Worten zog ſie an einer Glockenſchnur, und raſch traten Bewaffnete herein, welche mich eben jo ſchnell überfielen, und da ich ganz wehrlos war,

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fortſchleppten nach einem tiefen Gefaͤngniſſe, wo ich allein meinen Gedanken überlaſſen wurde. Wie vielen Stoff hatte ich nun zum Nachdenken erhalten. Arabel⸗ lens Reize, ihre unbeſchreibliche Anmuth, welche Her— zenshingebung und Ehrfurcht in gleich hohem Grade erregen mußte, hatte anfangs eine Empfindung in mir aufgeweckt, welche ich beinahe für liebvolle Zuneigung hätte halten können, und nun ſah ich in ihr nur das racheſüchtige, italieniſche Weib, von der ich um fo mehr alles zu fürchten hatte, da ich vielleicht anfangs zu blöde war, ihre wahren Geſinnungen zu faſſen. Auf der anderen Seite drängten ſich mir wieder die Scenen der Zukunft vor; ich ſah mich wegen Albrechts Tod, ſo wenig ich Schuld an dieſer verruchten That hatte, dem Blutgerichte anheim gefallen, ich ſah mich als Opfer der unerſättlichen Rächerin Anna von Ungarn, nicht als Ritter ſterbend im offenen Kampfe, ſondern durch Henkershand, ſtatt bemitleidet, verachtet und mit Fluch beladen. Dieſe Gedanken umflirrten meine Seele in den gräßlichſten Bildern, und erſchöpft und beinahe verzweiflungsvoll ſank ich auf das faule Stroh, welches mir zum Lager unterbreitet war. Schon in der folgenden Nacht holte man mich aus meinem Gekäng— niſſe ab; der Gedanke zu Arabellen geführt zu werden, erfüllte mich mit geheimen Schauer, denn ich war dem Weibe gänzlich abhold geworden, doch meine Führer

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leiteten mich nach den Burghof, dort fanden Roſſe bereitet. Sechs wohl bewaffnete Männer umgaben mich, und ſo ritten wir der Waldung zu, und endlich erblickte ich die Mauern von Brescia vor mir. Wir ritten in die Stadt, und hielten endlich vor einem großen, fin— ſterem Gebäude, wo ich in ein wohlverſchkoſſenes Ge- mach gebracht, und durch anſtändige Erquickung für die Beſchwerlichkeit der Reiſe entſchaͤdiget wurde. Die Nacht brach herein, ich verlangte nach Ruhe, und mein Aufwärter bedeutete mir, daß ich bis Mitternacht ſchla— fen könne, dann würde man mich aber abholen, um nach dem Gerichtsſaale gebracht zu werden, wo man mit mir nothwendig zu ſprechen habe. Kaum war auch die Mitter nachtsſtunde herangebrochen, als man mich in den Saal führte, wo die ſogenannten Väter der Stadt zu Rathe ſaßen. Hier eröffnete man mir nun, daß die Entſcheidung meines Schickſals von dieſer Stunde abhänge. Man bot mir nicht nur Freiheit und ein glän— zendes Leben, ſondern auch eine Feldherrnſtelle in ih⸗ rer Mitte, würde ich mich aber deſſen weigern, ſo ſeien ſchon die Bewaffneten bereitet, welche mich als Ge— noſſen Johanns ausliefern würden.

Mir blieb keine Wahl mehr übrig, ich gelobte der Stadt treue Dienſte, leiſtete den verlangten Eid, und ſogleich wurde ich zum Hauptmanne über einen Zug Söldner ernannt, und mir eine bequeme

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Wohnung, nebſt ſehr anſehnlichem Lebensunterhalte angewieſen. Schwer fiel es nach der Hand auf mein Herz, daß ich gegen mein Vaterland kämpfen ſollte; aber es hatte mich ja ſchuldlos ausgeſtoßen, und die Selbſterhaltung zwang mich, meinem harten Schick— ſale zu weichen. Der Würfel war geworfen, und mir blieb nichts übrig, als meine Pflicht gegen die zu erfüllen, denen nun mein Daſein, ja mein Leben ſelbſt verpfändet war; aber gegen Arabellen ſtritten meine Empfindungen. Sie war mir bei ihrem erſten Anblicke nicht gleichgültig geblieben, jetzt aber ſah ich ſie als die Haupttriebfeder, wodurch ich zu meinem neuen Stande gebracht worden war; dieſes letztere Gefühl behielt die Oberhand, und ich wich jeder Ge— legenheit aus, ſie zu ſehen. Bald konnte ich auch die ſchändliche Buhlerin naͤher kennen lernen, und erhielt Beweiſe, daß ſie nicht nur im Kampfe des Lebens ihrer Feinde nicht ſchone, ſondern daß auch mancher heimlich verblutete, den ſie mit Liſt in ihr Garn lockte, und in der Folge ihm ihre Neigung wieder entzog; auch mich hatte gleiches Schickſal be: troffen, doch war meine Ankunft im Schloſſe dem Rathe von Brescia verrathen, und ſie dadurch ge— zwungen worden, mich auszuliefern. Denke dir, Freund Guido, nun meine Gefühle, da ich ſchon einigemale im Gefechte die mit geſchloſſenem Helme in der

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Naͤhe war, und ſtets dir auswich, denke dir aber auch mein Staunen, als ich erfuhr, du ſeieſt in Arabellens Gewalt gerathen. Dich zu retten war mein feſter Entſchluß, und wenn es mein Leben gelten ſollte. Mein Geld gewann mir Vertraute, und ſo gelang es mir, dich hieher zu bringen. Ach, warum muß der Gedanke, von dir mich wieder trennen zu müſſen, die Freude des Wiederſehens verbittern.

Zwölftes Kapitel.

Sieg und Jubel.

Viel noch ſprachen beide Freunde mitſammen, bis endlich der Schlaf ſie zur Ruhe nöthigte, aber kurz durfte dieſe nur ſein, denn ſchon vor Tages Anbruch ſollte Oskar wieder nach Brescia zurückkehren, um jeden Verdacht zu beſeitigen. Doch früher noch als ſie geglaubt hatten, wurde ihre kurze Ruhe unterbrochen Kaum noch hatten die düſteren Nachtnebel ſich zu he- ben begonnen, kaum noch gewahrte man gegen Oſten | einige heraufſchwebende Lichtſtreifen des werdenden Tages, als Tumult von Außen ertönte, und ehe noch der Bauer vom Schlafe erwachend aufſpringen konnte war bereits die Thüre eingeſchlagen, und die Stube mit Bewaffneten erfüllt. »Vergebens iſt dein Laͤugnen / donnerte ihm der Anführer entgegen, dieſer mit Stri—

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ſcken gebundene Diener des Verräthers Oskar entdeckte uns für ſeine Lebenserhaltung deſſen Aufenthalt, und nun zeige uns feinen verborgenen Schlupfwinkel Fan Du weigerfi Dich? fo nimm dieß zum Lohne, | wir werden ſelbſt den Geſuchten entdecken.« Mit dies | fen Worten ſchlug er ihn mit dem Eiſenhandſchuhe zu Boden, die ganze Stube wurde durchſucht, und alſo | auch der geheime Eingang entdeckt. Guido und Oskar Petzen den Tumult gehört. »Ich vertheidige dich mit meinem Leben, « rief der Erſtere, und eilte mit blan— kem Schwerte den Eindringenden entgegen, da | erkannte er die Leute feiner eigenen Rotte, und dieſe erhoben ein lautes Freudengeſchrei, als ſie ihn erblick— ten. Nun geht es zum gewiſſen Siege, riefen ſie, hoͤrt ihr von ferne die Trompeten ſchmettern? Nun geht es im Sturmſchritte gegen die Mauern von Brescia, unter eurer Anführung wollen wir kämpfen wie die Löwen. « »Ja ich ſtelle mich an eure Spitze,« rief Ben, vihr aber ſchämt euch, gegen einen einzelnen Mann wüthen zu wollen.« »Oskar iſt als geächtet dem Schwerte eines jeden anheimgefallen.s »So wird das meine ſelbſt gegen euch ihn ſchützen. Mir hat er ſich anvertraut; ich entſcheide über fein Schickſal, und eher ſollen eure Waffen meine Bruſt durchbohren, ehe ihr nur ein Haar auf ſeinem Scheitel krümmt; ihr befolgt meine Befehle, und ich werde mich darüber

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rechtfertigen.« Die Bewaffneten wichen gehorchend zu⸗ rück, und Guido führte Oskarn in's Freie. »Lebe wohl, Freund, ſprach er, auf den Mauern von Brescia ſehen wir uns wieder. s |

Beide Freunde umarmten ſich. Oskar flog pfeil: ſchnell durch das Gebüſch hin, Guido aber ließ ſich Waffen reichen, und führte nun die Rotte gegen die Mauern der Stadt. Schon war ringsum Alles in Be— wegung; die Thürme und Bollwerke waren beſetzt; und von allen Seiten ſtürmten die Deutſchen heran. Wüthend kämpften beide Theile, keines wollte dem anderen weichen, und nur über Leichen konnte man den Schritt vorwaͤrts ſetzen. Von Rachedurſt entflammt, beſtürmte Guido mit ſeinen Leuten ein Bollwerk, welches Arabella mit den Ihrigen vertheidigte. Nichts konnte dem Wüthenden widerſtehen, er war der Erſte, welcher die Verſchanzung erſtieg; unaufhaltſam dräng— ten ſich ihm ſeine Kampfgenoſſen nach, da ſtellte ſich ihm Arabella ſelbſt entgegen. »Dich ſuchte ich, elender Flüchtling, rief ſie, mit mir beginne den Kampf, und erliege der Rache eines gekränkten Weibes. Raſch warf ſie ihre Lanze nach ihm, welche aber von ſeinem vorgehaltenen Schilde abprallte. Da erfaßte ſie, ehe ſie noch das Schwert ziehen konnte, Guido mit Rie— ſenkraft, und würgte ſie zu Boden; eben ſo ſchnell fielen feine Begleiter über fie her, doch Guido ſchützte

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ſie mit ſeinem Schilde. »Befleckt eure Heldenwaffen nicht mit dem Blute dieſes elenden Weibes, rief er, ſich ſelbſt zur Schande mag ſie leben; führt ſie ins Freie, und dort laßt ſie ihrem eigenen Schickſale über, die Zeit der Reue über ihre Unthaten wird ſie gewiß ereilen.« Arabella knirrſchte vor Wuth mit den Zähnen. »Du wirft von mir hören, « rief fie, und wurde von Bewaffneten fortgeriſſen. Brescia ging über, theuer mußten die Bewohner ihre Widerſetzlichkeit büßen, und ihre Mauern und Thürme wurden geſchleift. Mit den ruhmbedeckten Helden kehrte Guido ſi e or dem Lager zurück. | "0 Raut: hatte alles den Siegern entzegengeilgetd ein Freudenfeſt wurde im Lager veranſtaltet, und eben wollte ſich Guido nach kurzer Ruhe anſchicken, ſich dem Kaiſer wieder zu zeigen, als ein Hauptmann in das Zelt trat, und ihm im Namen kaiſerlicher Majeſtät befahl, dieſes ohne weiterem Befehle nicht zu verlaſſen.“ Um ſo ſchwerer fiel dieß auf ſein Herz, als er ſich vorgenommen hatte, ſogleich nach geendigtem Feſte

ſich zu Zoraiden in die Ruinen zu begeben. So ſtrichen

drei Tage vorüber, binnen welchen er ſich gleich einem Gefangenen bewacht ſah, als ihm endlich bedeutet wurde, ſich nach dem Gezelte zu begeben, in welchem gewöhnlich die Heerführer zu ihren Berathſchlagungen ſich verſammelten. Mißmuthig, und durch ein ſolches

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Verfahren im Innerſten gekränkt, folgte er dem er⸗ haltenen Rufe. Wie er in das Zelt trat, fand er die angeſehendſten Fürſten, aus denen Heinrichs Kriegs⸗ rath beſtand, verſammelt, und er ward zur Rechen ſchaft gezogen, daß er zweien der gefährlichſten Feinde, Arabellen, und dem gegen das Vaterland meineidigen Oskar das Leben gerettet, und ihnen zur Freiheit ver- holfen habe. Guido brachte wahr und bündig ſeine Vertheidigung vor, und wurde beſchieden, das Urtheil abzuwarten. Abermal ſtrichen einige Tage in der qual vollſten Unruhe dahin; da nahte ſich endlich Graf Ha- ſtulf von Baiern, und bedeutete ihm, daß die ver⸗ ſammelten Richter ihn wegen Begünſtigung von Per⸗ ſonen, die des Meineides, Meuchelmordes und der ſchändlichſten Pflichtverletzung ſchuldig ſeien, als Ver— raͤther des Vaterlandes erklärt, und des Todes ſchul— dig befunden haben, doch habe der hochherzige Heinrich aus angeſtammter Milde dieſes Urtheil dahin abgeän— dert, daß ihm in Hinſicht ſeiner vielen Verdienſte, beſonders bei Bezwingung der aufrühreriſchen Stadt Brescia weder an ſeinem Leib und Leben, noch an ſeinem ritterlichen Wappen Schimpf und Schaden ge— ſchehen ſolle, doch ſei er ſeiner Würde bei dem Heere entſetzt, habe das Hoflager auf Lebenszeit zu vermei— den, und ſich zehn Jahre in fremden Landern, jedoch nie gegen das Vaterland, ſolche Verdienſte zu ſammeln,

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die ihn dann wieder würdig machen könnten, die kai⸗ ſerliche Gnade und Verzeihung anzuflehen.

Guido war bei dieſem Urtheile wie vom Donner getroffen, er bat, bei dem hocherhabenen Herrſcher Heinrich ſelbſt ſeine Rechtfertigung vorbringen zu dür⸗ fen, aber gerade dieſes war ihm auf das ſtrengſte un— terſagt, denn Heinrich fühlte ſich zu erhaben, um einem Menſchen, dem er mit väterlicher Huld von Jugend

m auf zugethan war, und der dieſe Vatergüte ſo ſehr mit Undank belohne, Zweiſprache zu gewähren, ja es wurde ihm vielmehr bedeutet, binnen wenigen Stun⸗ 1 das Lager zu verlaſſen. Guido fühlte ſich im In⸗ ierſten gekränkt, da ſein Gefühl ihm ſagte, 1 er bloß auf dem Scheidewege zwiſchen kalter Pflicht und Menſchlichkeit ſtand, und daß ihm ſeines Fehlers wegen nie eine ſolche harte Züchtigung zuerkannt wor— den wäre, wenn nicht boshafte Neider ſeines Ruhmes der Sache eine andere Wendung gegeben hätten. |

Haſtig befahl er feinen beiden Knappen die Roſſe zu zaͤumen, und wirklich im Innerſten empört, ver- ließ er, ohne ſich von einigen ſeiner bisherigen Freunde zu beurlauben, das Lager.

Dreizehntes Kapitel.

Ewige Liebe und Treue. Daß ſein Weg nun zuerſt nach den, Ruinen ging, bedarf wohl kaum einer Erwähnung, er fprengte fort, ſo ſchnell das von den Spornen geängftigte Roß aus greifen konnte, ſo daß die Knappen ihm kaum zu fol a gen vermochten, als er aber ſchon der Gegend ziemlich nahe war, befahl er den Dienern feiner in der, Wal⸗ dung zu harren, und arbeitete ſich zu Fuße durch das Gebüſche zum Ziele ſeiner Wünſche. Jetzt betrat er die Ruinen, aber vergebens ſpähte ſein Blick umher, er eilte in die bekannten Felſe ngemaͤcher, doch von Giafar und Zoraiden war keine Spur zu entdecken, im Gegen— theile, das Gerdthe lag zertrümmert umher, und Spuren von Blut zeigten ſich an den Felſenwänden. Schwer wie eine Gebirgeslaſt fiel es auf ſein Herz, er getraute ſich gar nicht, die ſchrecklichen Gedanken fortzuſetzen, welche ſich ſeiner zu bemächtigen ſuchten.

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In wilder Haft kletterte er über das Steinwerk, und rief laut die Namen der ihm ſo theuer gewordenen Perſonen, welche bloß das Scho im ſchauerlich hohlen Tone zurückgab. Mit ſtarren Blicken, Händeringend vor Verzweiflung kam er wieder aus dem verfallenen Gemäuer hervor; da dünkte es ihm, nachdem ſchon der Tag ſeinem Ende ſich nahte, als ob er im Zwie— lichte eine Schattengeftalt durch das Gebüſch ſchweben ſähe, und in wilder Haft, wie der Falk durch hohe Luft herab ſich auf ſeine Beute ſtürzet, eilte er hin, gewahrte einen Mann, der in arabiſche Kleidung ge: üllt, ſich eben an einen Baumſtamm lehnte, und er— a nte in dieſem Giafars vertrauten Diener. Ali, rief er, du hier, und wie ich ſehe, in erbärmlichem Zu— ſtande, o geſchwinde, ſprich, wo iſt dein Gebiether, wo iſt Zoraide?« »Seid ihr's, edler Herr, ſtam— melte jener mit ſchwacher Stimme, wohl mir, daß ich euch vor meinem Lebensende noch ſehen kann. Drei Tage ſchleppe ich mich aus der Wildniß in dieſe Ge— gend, euch zu ſuchen; ach dieſer wird wohl der letzte meines Lebens fein, denn tödtlich iſt meine Wunde, und das Schickſal ſcheint mich nur erhalten zu haben,

um euch die Schreckensnachricht zu verkünden. « | »Sprich deutlicher, und faſſe dich kurz ich be⸗

ſchwöre dich, bei allem was dir heilig iſt.« »Ach Herr ich kann nicht, ich bin erſchöpft, und f 9

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im brennenden Durſte trocknet mir die Zunge am Gau⸗ men; nur einen Trunk Waſſer gewaͤhrt mir, um noch in etwas die entfliehenden Lebensgeiſter zurückzuhalten. s Guido zitterte wie das Laub im Winde, er war kaum ſeines Bewußtſeins mehr fähig, und ſtürzte nach der unfernen Quelle, um Waſſer in ſeinem Helme herbeizubringen, mit welchem er den Nothleidenden labte. »O Herr, « begann endlich dieſer nach einer kur⸗ zen Ruhe, uns und euch hat großes Unglück betroffen, und nichts bleibt euch übrig, als die ſchändlichen Mör⸗ der aufzuſuchen, und rächend zu verderben. »Mörder? rief Guido, wie? Giafar und Zoraide? s »Sind nicht mehr! Des Vaters Segen und der Gattin Liebe nur blieb euch zurück.« Mehr hörte Guido nicht mehr, er ſchlug, vom ploͤtzlichen Schrecken ſeiner Sinne beraubt, zu Boden, doch eben fo ſchnell ermannte er ſich wieder, feine ganze Faſſungs⸗ kraft war nur mehr auf einen Punkt konzentrirt. »Sprich, um des Himmels Barmherzigkeit willen, ent- hülle mir ſchnell, was vorgefallen iſt; du ſiehſt, wie ich am ganzen Körper bebe, es iſt die Begierde, durch dich die Opfer meiner namenloſen Wuth kennen zu lernen; o ſei mitleidig mit mir, und leiſte mir Ent— hüllung, bevor der Tod dein ſchon bald erloſchenes Auge auf immer verſchließt.« »Ja Herr, ich muß mich kurz faſſen, denn ich fühle es, wie kalter Todesſchauer

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durch meine Glieder rieſelt, und dieſe tief verwundete Bruſt nur wenige Minuten mehr athmen wird. So wiſſet denn, daß wir ſchon ſeit einigen Tagen eurer mit Sehnſucht harrten. Zoraide bangte für euer Leben im Gefechte, mein Herr Giafar aber ging ſtets mit düſter umwölkter Stirne umher, und tiefe Seufzer ſchwellten ſeine Bruſt, denn er las in den Sternen, daß großes Unglück uns bevorſtehe, doch da eben ein unheilbringender Komet feine Bahn durch die uns be— herrſchenden Zeichen des Thierkreiſes nahm, ſo konnte es ihm nicht deutlich werden, woher uns Gefahr drohe, und wie ſelber vorzubeugen wäre, ſo weit es nämlich Menſchen möglich iſt, den Einfluß der mächtigen Sterne zu hemmen. »Ich muß auf einen Tag von euch ſcheidens, ſprach er, dir mein treuer Ali übergebe ich meine Zoraide, verlaßt die unterirdiſchen Gewölbe nicht, bis ich wiederkehre, kurz nur wird die Zeit meiner Abweſenheit fein, der Himmel gebe, daß fie zum Gu⸗ ten fromme. Schon am folgenden Tage kehrte er zu⸗ rück. »Meine Ahnung, ſprach er, ging in Erfüllung; dein Guido, meine Zoraide, iſt in eine Schlangenhöͤhle gerathen; ach wie wehrlos iſt oft der Menſch gegen liſtige Ungeheuer, welche im Verborgenen ſchleichen, um ihr Gift in ſein Herz zu träufeln, ach wie ſchwach iſt er oft, wenn die Leidenſchaft gleich dem Wuth ent⸗ flammten Löwen einherſtürmt, und er nicht mehr Zeit

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findet, in den ſichern Hord der Vernunft ſich zurückzu⸗ ziehen. Wohl ihm, wenn dann noch eine hülfreiche Hand ihn dem Verderben entreißt, wenn er noch ſtand— haft genug iſt, die Hyder der Leidenſchaft zu Boden zu würgen. Dein Guido iſt durch mich von einem Verderben gerettet, welches ſeinen Geiſt und ſeine Herzensruhe zu umſtricken drohte. Mir find die ver- ſchlungenen Gänge dieſer Schlangenhöhle bewußt, und bekannt mit den geheimen Kräften der Natur, gelang es mir, durch flammende Worte ihn dem drohenden Abgrunde zu entreißen. «

Hier hielt Ali inne, denn das viele Sprechen be— engte ſeine Bruſt, und Guido konnte ſich nun leicht enträthſeln, wer jene Schauergeſtalt war, welche durch ihre Flammenſchrift an der Wand ihn den Fallſtricken Arabellens entrieß. Endlich ſammelte Ali ſeine Kräfte wieder. »Wir konnten uns zwar Giafars Worte nicht erklären, fuhr er fort, aber doch beruhigte dieß Zoraiden, da ſie euch, Herr, nun aus aller Ge- fahr glaubte; wie ſehr wurde ſie jedoch neuerdings beun— ruhiget, als ſie vernahm, daß wir ſchon am folgenden Tage unſeren bisherigen Aufenthalt verlaſſen müßten. Ach wäre es lieber noch in dieſer Unglücksnacht ge— ſchehen. Eben hatten wir uns zur Ruhe gelegt, als wir durch ein lautes Getöſe und Waffengeräuſch aufgeſchreckt wurden. »Wir find verloren«, rief Giafar—

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ein düſterer Nebelſchatten ließ mich die Stunde des Unglücks nicht in den Sternen erkennen. Du Ali, eile ſchnell mit Zoraiden durch dieſen Erdgang, und verbirg dich in der Waldung, ich werde folgen, fort, hier iſt kein Augenblick mehr zu verlieren. « Indem er noch dieſes ſprach, und Zoraide bereits in den finſtern Gang eilte, ſchwirrte ein Pfeil durch den entgegenge⸗ ſetzten Eingang des Gemaches, und Giafar ſtürzte zu Boden; ich eilte ſchnell Zoraiden nach, und, ohne ihr dieſes ſchreckliche Unglück zu verkünden, eilten wir durch den Gang, die tiefe Waldung nahm uns auf; leider war Zoraide ſo erſchöpft, daß ſie ausruhen mußte, aber unſere Verfolger hatten unſere Spur entdeckt; herbei ſtürzte ein Weib in kriegeriſcher Nu: ftung , von Bewaffneten begleitet; ich ſtellte mich zur Wehre, da traf mich ein Lanzenſtoß in die Bruſt, und leider ſah ich noch, wie Zoraide ergriffen, und auf Befehl des. Weibes in die Wellen der vorbeiſtrö— menden Gorza geworfen wurde. Das Licht meiner Au— gen erloſch, ich kehrte zwar wieder ins Leben zurück, aber nur um dieſes hülflos und ſchmerzvoll zu friften, Ach edler Herr, lebt wohl, und ſeid glücklich in euren Unternehmungen; mein Augenlicht verliſcht, des Todes riefige Knochenhand erfaßt mich! Die Glut | in meinem Innern iſt unerträglich, ich bedarf Luft Luft, wenn ich nicht verbrennen ſoll. a Da riß er unter

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gichtiſchen Zuckungen den Verband von feiner Wunde, ein Strom Blutes ſprudelte hervor, und mit einem tiefen Seufzer war ſein Leben verhaucht. Bisher hatte Guido, deſſen Nerven alle in der heftigſten Spannung waren, ſich mit Rieſenkraft aufrecht zu erhalten ge— ſtrebt; jetzt aber, noch mehr durch den Anblick des Sterbenden erſchüttert, ließen dieſe plötzlich nach, und er ſank ohne Bewußtſein neben Ali's Leichnam hin. So fanden ihn ſeine Knappen, welche des langen Har⸗ rens müde, in höchſter Beſorgniß über das Schickſal ihres geliebten Herrn, die Gegend durcheilten. Mit Muͤhe brachten ſie ihn wieder zum Leben zurück, aber ſeine Sinne ſchienen zerrüttet zu ſein, er ſprach irre, denn zu ſehr waren ſeine Geiſteskräfte ergriffen; auch war er ſo geſchwächt, daß er kaum weiter ſchreiten konnte. Nach dem Lager durfte er nicht mehr zurück— kehren, dieß wußten ſeine Knappen wohl; ſie ſchlugen daher einen Nebenweg ein, und brachten ihn in ein nahes Kloſter, wo die Mönche ihn zur Pflege über: nahmen.

Vierzehntes Kapitel

Der unerwartete Entſchlulz.

Monden ſtrichen dahin, und kaum zeigte ſich noch eine Spur von Beſſerung; ſein Körper hatte ſich zwar erholt, aber der Geiſt war zu Boden gedrückt, in tiefe Schwerizuth blieb er verſunken, ſprach wenig, und das nur, was ihm am nothwendigſten ſchien, und bat die frommen Mönche, ihm einen ruhigen Aufent- halt in ihrer Mitte zu gewähren, welches ihm auch um ſo eher bewilliget wurde, da es auf ſein Ver— langen ein Abgeordneter des Kloſters unternommen hatte, die Burg Sendenſtein zu veräußern, und Guido von dem gelösten Betrage eine namhafte Spende an das Kloſter abgegeben hatte.

Die von der kalten Hand des Winters entlaubten Bäume begannen, vom Frühlings hauche wieder belebt, ſich mit neuen, ſaftglaͤnzenden Knoſpen zn ſchmücken.

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Wor dem milderen Blaue des Himmels wichen die bu: ſteren Nebel zurück; ihr Freudenlied anſtimmend fhau- kelten ſich die buntbefiederten Bewohner der Luft auf emporblühenden Zweigen, kurz, die ganze Natur er- wachte zum neuen Leben, nur Guido's gebeugten Geiſt ſchien auch der milde Sonnenſtrahl nicht mehr empor— heben zu können; gefühllos und gleichſam maſchinen⸗ mäßig wandelte er in dem geräumigen Kloſtergarten umher, durchſtrich oft ſtundenlange, ohne auf etwas Beſtimmtes zu denken, die ſchallenden düſteren Klo⸗ ſtergänge, oder weilte am liebſten in der Todtengrufte, wo er oft ſtundenlang im düſteren Dahinſtarren blieb, bis ihn einer der Kloſterbrüder er mahnte, weil die feuchte Moderluft des unterirdiſchen Gewölbes leicht ſeiner ohnehin geſchwächten Geſundheit ſchaden könne. Guido lächelte über dieſe Bemerkung, als wollte er ſagen: Wohl jedem, der bereits im kühlen Schooße der Erde ruht, und ließ ſich leiten, wie ein Kind am Gängelbande. Alle bedauerten ihn, alle waren dem unglücklichen, im Stillen duldenden jungen Manne herzlich gut geworden.

Da traf ſich's nun eines Tages, daß ein fremder Reiſender im Kloſter einſprach, und gegen anſehnliche Vergütung für einige Tage Obdach wünſchte, um noch einige Reiſegefährten, welche ſich in Verona verſpätet hatten, zu erwarten. Es war ein alter Ritter aus dem

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Orden der Templer, deffen Äußeres, fo wie ein ganz zes Benehmen Ehrfurcht und Zutrauen zugleich erre— gen mußte. Der Vorſteher des Kloſters erkannte einen ehemaligen Jugendfreund in ihm, und ſo war es auch dieſem angenehm, einen ſolchen geehrten Gaſt durch längere Zeit bewirthen zu können, um das ehemalige Freundſchaftsbündniß wieder zu erneuern. Unter ver ſchiedenen Geſprächen erwähnte nun auch der Prior ſeines bedauernswerthen Gaſtes; die Erzählung, wel— che er von ſeiner Andacht, Duldſamkeit und der ihn umlagernden, nie verſiegenden Schwermuth machte, wirkte auf des alten Mannes empfängliches Herz, und er äußerte den Wunſch, den Unglücklichen zu ſehen. »Dieß iſt ſchwer, erwiederte jener, denn da oft Fremde in meinem Kloſter einſprechen, weil es zugleich einer Fundation zur Pflege der Reiſenden genießet, ſo iſt immer des Ritters erſte Bitte an mich, ihn ja vor jedem Fremden verborgen zu halten, denn er iſt ganz Menſchenſcheu geworden, und würde es mir bei der reichlichen Spende, welche er an uns geleiſtet hat, mit Recht als Undank auslegen können, wenn ich die— ſen ſeinen Willen nicht befolgte; nur einen Ausweg weiß ich, ich werde dich lieber Freund in den Garten führen, zur gewöhnlichen Stunde, wo er dort luſt— wandelt, daß du dich in einer Laube verbirgſt, um ihn zu beobachten.« »Ich bin damit einverſtanden, ent

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gegnete der Templer, wie nennt ſich der Bedauerns⸗ werthe, und warum haſt du mir den bisher noch ſeinen Namen nicht geſagt?« »Weil er ſich dieß ausdrücklich verboten hat, doch dir kann ich ihn wohl anvertrauen, er heißt Guido von Sendenſtein.s »Wär es mög: lich rief jetzt der Templer, und faltete beide Hände. »O du lieber Himmel, wie ſonderbar leiteſt du mich zur Erfüllung meines heißen Wunſches, wieder meinen geliebten Zögling zu ſehen; ach welch ein Unglücksſtreich mag ihn getroffen haben, da er doch ſehr in der Gunſt des Kaiſers ſtand. Ja ja, ich bin ſchon lange vom Hofe abweſend, und die vorgefallenen Ereigniſſe ſind mir unbekannt, aber nun laſſe ich mich nicht zurück⸗ halten, ihn zu ſprechen; er liebte mich, er wird wies der das vorige Zutrauen zu mir faſſen, mir die Urſache ſeiner Leiden entdecken, und vielleicht gelingt es mir, ſein wundes Herz mit dem Balſam des Troſtes wieder in etwas zu erleichtern. a

Als daher Guido wie gewöhnlich am früheſten Morgen im Garten luſtwandelte, da hatte ſich der Greis, ſeiner Ermattung von der Reiſe nicht achtend, bereits in die ihm vom Prior bezeichnete Laube begeben, und nach kurzer Friſt gewahrte er den Traurenden langſam und ſchwermüthig einherſchleichen. Er erkannte ihn beim erſten Anblicke, ſein theilnehmendes Herz war mächtig ergriffen, und er ward ſeiner nicht mehr

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mächtig, ſich zurückhalten zu können; er ſchritt ihm entgegen, Guido konnte ihm auf dem ſchmalen Fuß— ſteige, welcher ſich durch das Buſchwerk ſchlängelte, nicht ausweichen; mit düſterem Blicke ſtarrte er nach dem ihm gegenüberſtehenden Fremden hin, jetzt aber ſchien ſein Auge ſich in etwas aufzuklären, wie wenn ein matter Lichtſtreif die düſteren Nebelwolken durch— bricht, und es allmälig heiterer zu werden beginnet, ein mattes Lächeln breitete ſich unwillkürlich auf ſeiner Lippe aus, er faltete feine Hände. »Hagemund von Hollenfteine, rief er endlich, und beide lagen ſich mit dem Ausdrucke der innigſten Freude in den Armen, eine lange ſtille Pauſe folgte, in welcher nur unarti— kulirre Töne ihres freudigen Gefühles hörbar waren.

„Du biſt krank, mein Guido?« begann endlich der Greis.

»Sehr Geiſteskrank, geliebter Vater.«

»Und ſollze es kein Mittel geben, dir zu helfen ke

„Keines!

»Wie unglücklich iſt doch der Menſch, von dem ſich unſere treueſte Freundin bis zu dem letzten Au— genblicke, die Hoffnung, losgeriſſen hat.«

»Das fühle ich, Hat wohl ſchon das Grab wieder lebend zurückgegeben, was der Tod mit eiſernem Arme umklammert halt?“

»Nie!«

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»Dieß iſt mein entſetzliches Loos; die Wellen ha— ben meine Seligkeit verſchlungen, und der Tod iſt ge— gen mich ein feiger Feind geworden, der heimtückiſch mir entweicht. a ö

Dieſe Worte ſprach er mit einer ſolchen Empfin— dung, daß ſein ganzer Körper bebte, und er laut wei— nend ſich an Hagemunds Buſen ſtürzte. Dieſer war von innigſter Theilnahme ergriffen, ſein Auge ſchwam in Thränen des Mitleidens. »Ich ehre deinen Schmerz, ſprach er endlich, »denn in deiner edlen Bruſt kann kein unedler Kummer entſtehen; und wenn auch Men: ſchenkräfte nicht mehr hinreichen, dem erlittenen Un: glücke zu ſteuern, ſo hat Gott doch manchem Bedräng⸗ ten eine Wohlthat vorbehalten, welche wenigſtens den heftigſten Schmerz der tiefen Herzenswunde lindert, es iſt Freundestroſt. Erinnerſt du dich noch der frühe— ren Tage? Schon als Knabe, wie du zu mir kamſt, warſt du mir mit kindlicher Zuneigung zugethan; ich war dein Lehrer, und ſpäterhin ſind wir innige Freunde geworden; wie manche frohe Stunde haben wir mit— ſammen verlebt, unſere Herzen lagen gegenſeitig ſo offen vor unſeren Blicken, und nie hätten wir gedacht, daß eine Zeit kommen könnte, wo ſich eines vor dem andern verſchließen würde. Bei dieſer unſerer ebemalı: gen Freundſchaft beſchwöre ich dich, theile mir deinen Kummer mit; helfen kann ich dir freilich nicht, aber

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Freundes Theilnahme thut wohl dem leidenden Herzen. Komm', geliebter Guido, komm' mit mir zum Mor— genimbiße, auch ich habe dir Manches zu erzählen, was ſeit unſerer Trennung mit mir ſich ereignet hat, der Wein ſtimmt des Menſchen Herz zur Vertraulich— keit, wir wollen uns in die verfloſſene Zeit zuruͤckſetzen, und einer dem andern unſere Geheimniſſe mittheilen.« Einige Augenblicke ſchien Guido zu überlegen, dann aber drückte er Hagemund's Hand an ſeine Bruſt, und ging mit ihm nach deſſen Gemach. Allmälig ent— ſpann ſich mehr das freundſchaftliche Geſpräch, und nun erzählte Guido genau alle ſeine bisherigen Bege— benheiten. Aufmerkſam, und mit der innigſten Theil— nahme hatte der Greis zugehört. »Ja wohl, ſprach er endlich, biſt du ſehr zu bedauern, und nichts in der Welt kann dir deinen Verluſt mehr erſetzen. Doch gänzliche Hingebung an den Kummer entehrt den Mann, und es ziemt dem Chriſten nicht, daß er an der Barmherzigkeit des Ewigen verzweifle. Duldſam— keit im Leiden biſt du dem Himmel, Thätigkeit aber der Welt ſchuldig; du biſt ſo gut ein Glied in der all— gemeinen Kette der Schöpfung, wie jedes andere, und es iſt deine heilige Pflicht, deiner Beſtimmung zu ent— ſprechen; darum will ich einen Weg dir vorſchlagen, fern vom Geräuſche, und doch deinen Gefühlen und deiner Thätigkeit angemeſſen. Sieb’, auch mich duldete

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es am Hoflager nicht mehr, ich widme mich auf's Neue der Thätigkeit im Verborgenen. Mein Wega führt nach Cypern, zu dem erhabenen Groß meiſter Jakob Molay. Begleite mich; die Einfachheit der Sit⸗ ten, das ſtille Leben im Tempelhofe zu Limeſol, und die unverfälſchte Sitten-Reinheit ihrer Bewohner, paßt ganz zu deinen Gefühlen, dort wird Niemand deine Trauer ſtören, dort wird Thätigkeit wenigſtens die ſpitzen Pfeile deines Kummers abſtumpfen. Ich werde an deiner Seite leben, und Hand in Hand be⸗ ginnen wir die beſchwerliche Pilgerreiſe bis zum vorge— ſteckten Ziele. «

Mit inniger Theilnahme hörte Guido zu; feine Fantaſie verſetzte ſich in jene frohe Zeit zurück, wo er an Hagemund's Seite ſo manche Stunde vergnügt zu— gebracht hatte; ſein aufgeregtes Gefühl empfand wie— der das Bedürfniß, an der Seite, eines Freundes Troſt und Aufheiterung zu finden, und ohne ſich lange zu bedenken, willigte er in Hagemund's Vorſchlag. Er ſah ſich im Geiſte dem Tempelorden eingeweiht, wo er ſich in einer abgeſonderten Zelle, oder in den düſteren Gängen des Tempelhofes feinen Betrachtungen überlaſſen, oder der Kranken pflegen, oder mit Löwen⸗ muth gegen die Ungläubigen kämpfen könne; von feind⸗ lichen Leichen umgeben, ſah er ſich auf dem Schlacht⸗ felde in Hagemund's Armen liegen, aus tiefer Wunde

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blutend, und Zoraidens Geiſt ſchwebte in rofiger Wolke herab, ihn zu geleiten in das ſelige Land ewiger Wiedervereinigung. So erhielt ſeine Einbildungskraft einen neuen Schwung, und mit Macht ſtrebte ſein Geiſt, ſich aus der bisherigen Betäubung wieder empor zu winden. Hagemund bemerkte die Bewegung, welche im Gemüthe des jungen Mannes vorging, und hohe Freude erfüllte ſein Herz; er ſah es als das einzige Mittel des Troſtes an, Guido'n dem Orden einzuver— leiben, um dort in ſtiller Abgeſchiedenheit zu leben, da er alles verloren hatte, was in dieſer Welt noch Reiz für ihn haben konnte. Auch der ehrwürdige Prior freute ſich über die Wendung, welche Guido's Ge— müthsſtimmung genommen hatte, und die Anſtalten zur Reiſe wurden getroffen. Sobald einige Tempelrit— ter, welche Hagemund aus Verona erwartete, ange— langt waren, verließen ſie das Kloſter, von den Se— genswünſchen der frommen Mönche begleitet. Ohne ſich durch übertriebene Eile zu ermüden, durchzogen ſie die Provinzen Italiens, bis ſie in Genua anlangten, wo ſie ein neapolitaniſches Schiff erwartete, um das mittelländiſche Meer zu durchſegeln, in Morea friſche Ladung zu nehmen, und dann nach Cypern, dem Beſtimmungsorte der reiſenden Templer, zu ſegeln.

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Fünfzehntes Kapitel.

Die Templer.

Ungunſige Winde verzögerten lange die Abfahrt, und Hagemund benützte die Gelegenheit, feinem jun- gen Freunde nicht nur alle Sehenswürdigkeiten der Stadt zu zeigen, ſondern ihn auch an verfchiedenen Unterhaltungen Theil nehmen zu laſſen, doch bald fand er, daß ſelbſt bei den geräufchvonften Zirkeln Guido's Geiſt abweſend ſei, und an nichts Theil neh— me, was nicht mit der Stimmung ſeines Herzens harmonirte. Endlich änderte ſich die Wit terung, guͤn— ſtige Winde ſchwellten die Segel, und mit Blitzes— ſchnelle durchfurchte das Schiff die brauſenden Fluthe n. Kein Unfall ereignete ſich bis Morea, aber dann wurde das Wetter ſehr ungünſtig, und ſie hatten mit wü⸗ thenden Stürmen zu kämpfen. Doch auch dieſe Gefah— ren wurden glücklich überwunden, und jauchzend be—

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grüßten die Schiffer nach zurückgelegter ieee die Küfte von Cypern.

Mit hochklopfendem Herzen nahte fh Guido mit feinen Gefährten dem Tempelhofe von Limeſol, einem nun höchſt freilich unbedeutenden Orte, und freute ſich, den erhabenen, in allen Ländern hochverehrten Großmeiſter Jakob Molay kennen zu lernen, in wel— chem er ſich einen, vermög Würde und Heldenſinn Ehrfurcht erregenden Heros der Vorzeit gedachte. Wie er mit Hagemunden im Gebäude anlangte, wurde ihnen bedeutet, daß der Großmeiſter erſt nach geendeter Sitzung mit den Ordens brüdern, zu ſprechen ſei. Hagemund be— gab ſich alfo zu einigen alten, nicht mehr Dienſtlei— ſtenden Templern, welche ehemal ſeine Waffengenoſſen waren, Guido aber wurde von einem Servienten oder dienenden Bruder nach dem Garten geleitet, um ſich dort die Zeit zu vertreiben. Wohl eine Stunde lang mochte er in Betrachtungen in einer Laube geſeſſen haben, als er durch das Schöpfen an einem Brunnen in ſeinem Nachdenken geſtört wurde; da gewahrte er einen kaum mittelmäßig gewachſenen Mann in einem gemeinen Reiterwamſe, welcher mit zwei voll geſchöpf⸗ ten Waſſereimern der nahen Stallung zuging, nicht lange darnach aber wieder zurückkam, um friſches Waf, ſer zu holen; ſchon vorher hatte Guido die aufrechte

Haltung des Mannes bewundert, deſſen Scheitel nur 10

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mit wenigen Silberlocken bedeckt war; nun konnte er ihm in's Geſicht ſehen, und ſtaunte über den flammenden Blick unter den buſchigen Wimpern, und die erhabene Würde, welche ſein Antlitz beherrſchte. Auch ihn hatte der Alte bemerkt, aber unbekümmert darüber, eilte er mit ſeinem Waſſer wieder in den Stall, und kehrte erſt nach einer Weile zurück. Er trocknete ſich den Schweiß von der Stirne, dabei aber lächelte fein Auge fo freundlich, daß Guido gerne ein Zweigeſpraͤch mit ihm angeknüpft hätte. Wirklich kam dieſer nun auf ihn zu. »Du biſt ein Fremdling ‚« redete er ihn mit mildem ren an, »wen fuchft du e im FE pelho fe 14 »Den großen Meiſter Molay.« ,

»Jakob Molay nennt man mich, was ſtauneſt du? daß ich ſelbſt meine Roſſe tränke? Dieß iſt ver⸗ dienter Lohn, im Felde haben fie gar oft mit mir - gedürſtet; des Herren eigene Hand bringt Gedeihen, der Miethling leiſtet nie ſo treue Pflege. Wie nennſt du dich, wo kömmſt du her?«

»Guido von Sendenſtein iſt mein Name, i in Steyermark war ich geboren.«

»Dieſes Land zählt der biedern Söhne viele. «

»Ich diente in Italien in des Kaiſers Heer.«

»Retteteſt einem Freunde das Leben, und wur— deſt verbannt.«

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»Wie, ihr wißt?

»Zoraidens Tod hat deinen Geiſt gebeugt „Hat Hagemund bereits mit euch geſprochen?« »Noch ſah ich ihn mit keinem Auge. Kannſt du

beurtheilen, mit welcher Kunſt die Spinne ihre Fäden wirkt? Gleicht nicht das ganze Weltgebaude dieſem Geſpunſte, wo ein Faden in den andern greifen muß, muß! ſage ich, um das Vollkommene des Ganzen zu erzielen. Du willſt Templer werden? Noch ſtehſt du auf der unterſten Stufe, nicht einmal zum Ser— vienten geeignet, und bezweifelſt die Macht der Wiſ— ſenden? Bleibe erſt hier in Erfahrung, ehe dir ein Strahl der Wirklichkeit entgegen daͤmmern kann.«

»Du ſcheineſt ein ſtrenger Richter meiner Thaten zu fein

»Das bin ich nicht; ich ſehe im Menſchen nur den Menſchen, und keine Schranken der Verhältniffe beſtimmen mein Urtheil. Du biſt bei uns gut aufge— nommen; als ein liebender Vater will ich deine

Schritte leiten, und fehen, ob dein Geiſt die Gabe

hat, würdig zu werden einer höheren Beſtimmung. Doch nun laſſe mich wieder an meine Gartenarbeit gehen; ſteh', die Pflege dieſer Pflanzen iſt mein Ger ſchäft; minder zart würden. fie blühen unter frem— der Hand, mohlthätig erhalte ich ihr Leben, und 10 *

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fo kann der Menſch mit wenig Mühe Gehen und Freude um ſich her verbreiten.«

Mit dieſen Worten ergriff er das Grabſcheit,

und arbeitete nun an den Pflanzen mit der unermüdeten Kraft und Thätigkeit eines braven Knechtes. Guido war in Staunen und tiefes Nachdenken verſunken. Lange ſchon hatte Molay ſich entfernt, und noch ſah er unbeweglich nach dem Flecke hin, wo dieſer geſtan⸗ den hatte. So traf ihn Hagemund an, welcher ihn nach dem Beiden angewieſenen Gemache führte, und ihm bedeutete, daß er vom Komthur vernommen habe, der Großmeiſter werde ſie am folgenden Tage im Kapitelſaale erwarten und willkommen heißen.

Guido fand immer mehr Stoff zum Nachdenken, doch je weiter er nachſinnen wollte, in ein deſto grö— ßeres Labyrinth verwickelte ſich ſein Geiſt, und er glich dem Blinden, welcher ſelbſt bei dem hellſten Sonnenſchimmer nur in undurchdringlicher Nacht um— herwandelt; Hagemund aber nährte die Hoffnung einer baldigen näheren Aufklärung in ihm.

Kaum konnte Guido den folgenden Tag erwarten, viel zu früh ſtand er von ſeinem Lager auf, während Hagemund noch im ſüßen Schlummer lag; es blieb ihm nichts übrig, als in der Gegend umherzuwandeln; er erſtieg einen mit grünendem Gebuͤſche bewachſenen Hügel, wo ſich in unüberſehbarer Fläche das Meer

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vor feinen Augen ausbreitete, in deſſen Wellen vom Wiederſcheine der aufgehenden Sonne Milliarden von Lichtern emporwallten. Dieſer unbeſchreiblich großartige Anblick mußte auf das heftigſte auf Guido's empfäng⸗ liches Herz wirken, er ſank in ſeine Knie, ſein Geiſt ſchien ſich über feine Sphäre zu erheben, und ſich em: porzuſchwingen in jene höheren Regionen, wo er Zo— raidens verklärte Geſtalt zu finden hoffte. Guido hatte ſich fo ſehr in feine ſchwärmeriſchen Ideen vertieft, daß ihn einer der Diener aufſuchen mußte, um ihm zu bedeuten, daß es Zeit geworden ſei, ſich dem Groß— meiſter vorſtellen zu laſſen. Theils mit Beſorgniß, theils mit Ungeduld harrte Hagemund bereits ſeiner, und ſobald der Anzug in Ordnung gebracht war, folg— ten ſie dem dienſtleiſtenden Templer nach dem Kapitel— ſaale. Der Anblick diefer weitläufigen, und mit mehr als königlicher Pracht verzierten Halle, das Impoſante der Menge gereiht umherſtehender Ritter in blanken Rüſtungen, in ihren mit dem Kreuze gezierten weis ßen Mänteln, die feierliche Stille, welche hier herrſchte, gleich als ob Marmorbilder hier aufgeſtellt wären, und endlich der Anblick des Großmeiſters ſelbſt, welcher in vollem Ornate auf dem erhabenen Stuhle ſaß, mußte fein Staunen im höchſten Grade erregen. War denn dieß der nämliche Molay, der am vorhergehenden Tage ſeine Roſſe getränkt, und mit dem Spaten die

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Erde aufgelockert hatte? Er, der nun mit dem An⸗ tande und der Würde eines Königs eine Reihe von Männern überblickte, welche ihm unterthan, und ſelbſt würdig waren, vermög ihrer Herkunft und ausgezeich⸗ neten Thaten über tauſende zu gebiethen? Doch uns verkennbar war trotz der Majeſtät in der Miene, der holde, vaͤterlich gute Blick, welcher am Tage vorher Guido's Herz fo ſchnell eingenommen hatte. Hold lä— chelte er dem ſcheu nahenden jungen Manne entgegen, und ſuchte ihn dadurch auf's Neue zu ermuthigen. Guido bat nun, in den Orden aufgenommen zu werden, und gab ſeinen Stand und Namen an. Der Name ſeines ehemals mit Ruhm gekrönten Vaters war zu bekannt, um wenigſtens einen Theil dieſer Achtung auf den Sohn zu übertragen. Der Großmeiſter be⸗ fragte die Comthure und Ritter, ob fie ihn würdig fänden, einſtweilen als Laienbruder zu dienen, bis er ſich ſelbſt durch Verhalten und Thaten verdient mache, zur Würde eines wirklichen Mitgliedes aufgenommen zu werden, und als dieſes allgemein bejaht ward, wurde er mit einem Schwerte umgürtet, und feine Bruſt mit dem Zei⸗ chen des Kreuzes geſchmückt. Der Großmeiſter geſtattete ihm den Handkuß, und die Brüder drückten ihn nach trau— lichem Handſchlage an ihre Bruſt, dann ward er dem Hauscomthure übergeben, um in den Regeln des Rit⸗ terordens nach und nach eingeweiht zu werden. Neben

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Hagemunden wurde ihm feine Zelle angewieſen, es fehlte weder an hinreichender Bequemlichkeit, noch an Unterricht und Waffenübung. Strenge waren die Kes geln des Ordens, doch, da ſich ſelbe nur auf die noͤ— thige Zucht und Ordnung, und auf Recht und Billig— keit gründeten, ſo waren ſie auch für den rechtlichen Mann nicht ſchwer zu erfüllen. Guido fühlte ſich mit ſeinem Stande zufrieden, er lebte nun nur ſeinen Pflichten, und fand in Hagemund's Umgang, und in ſeinen ſanften Lehren den ſüßeſten Troſt in ſeiner trau— rigen Lage. So viele Freiheit man ihm ließ, und fo ungezwungen er dem Scheine nach handeln konnte, ſo genau wurde doch in Geheim ſein Thun und Laſſen beobachtet, und man hatte ihn bloß ohne allen Zwang ſich ſelbſt überlaſſen, um ihn deſto genauer beurtheilen zu können. |

Selbſt wenn Guido dieß gewußt hatte, würde er ſich nicht vorſichtiger oder biederer haben benehmen können. Alle ſeine Gefährten waren ihm gut geworden, und der Großmeiſter behandelte ihn mit Auszeichnung, ohne daß er darüber von den Anderen beneidet wurde. Ha— gemund freute ſich innig, feinen Zögling fo ruhmvoll den bezeichneten Weg betreten zu ſehen. Bald fand ſich auch Gelegenheit, ſeinen Muth zu beurkunden. An der äußeren Baſtei der Stadt war Guido einſt dem Untermarſchall zur Beſatzung zugetheilt, welches ab’

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wechſelnd aus denen im Tempelhofe auweſenden jüngern Gliedern geſchah.

Der Untermarſchall war dem Trunke ſehr ergeben; nur zu leicht felgen die Diener dem bö— fen Beiſpiele ihrer Herren, auch hatte die lange Vaf— fenruhe die Gemüther ſorglos gemacht, man vertrieb die Zeit mit Spiel und Trunk, und überließ ſich ſorg⸗ los der Ruhe. Nur Guido, der an ſolchen Vergnügun⸗ gen nie Theil nahm, war wach geblieben, und fchlen- derte ſeiner Gewohnheit nach außer den äußeren Vor⸗ werken umher. Es war eine dunkle Nacht, denn nur ſelten blickte der Mond durch das zuſammengehäufte Gewölke, und laut brauste die See, vom ſtärkeren Winde aufgewühlt. Da dünkte es ihm, als ob er von Ferne ein leiſes Gemurmel vernehme, welches allmä⸗ lig näher zu kommen begann. Er hatte ſich eben hinter ein Gebüſch gelagert, ſo gewahrte er eine Schaar Be— waffneter, welche er an ihrer Kleidung ſogleich als Sa— razenen erkannte. »Ich ſage dir, begann der eine, es iſt ein gewagtes Unternehmen, wir ſind, wenn die übrigen folgen, kaum unſer zweihundert, und wollen uns in eine Stadt wagen, welche von den Templern vertheidiget wird „Kurzſichtiger, wir werden freilich der Stadt nicht viel anhaben, das Vorwerk aber iſt um ſo leichter erſtiegen, da man an keinen Ueberfall denkt; iſt nur ein Mal die wenige Beſatzung übermannt,

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welche aus kaum zwanzig Mann beſteht, dann eilen wir in das unterirdiſche Gewölbe, welches ich genau kenne, wo ein bedeutender Schatz verwahrt iſt; dieſen eignen wir uns ſchnell und in möglichſter Stille zu, eilen damit wieder in unſer Schiff, und ſegeln fort. Verlaßt euch nur auf mich, die Priſe iſt ſchon fo viel als unſer, warten wir nur noch, bis die übrigen aus dem Schiffe nachkommen. «

Die Gefahr war nahe, Guido date keinen Au- genblick ſäumen, raſch wie das geſcheuchte Reh eilte er durch das hohe Buſchwerk, und erreichte das kleine Ausfallthor; ſogleich befahl er der Wache das Fallgit⸗ ter herabzulaſſen; nun eilte er die Krieger zu wecken, ſie lagen in den Armen des tiefſten Schlafes; nur ei— nige konnte er ermuntern, welche er ſchnell auf die Mauer des Vorwerkes führte, während ein Knecht die noch übrigen. Schlafenden zu wecken ſuchte. Schon drängten die Feinde heran, bedeutend war ihre Zahl, fie hatten ſich mit Leitern verſehen, und begannen’ zu ſtürmen; Guido mit nicht mehr als 10 Mann ſtand auf der Mauer, und ein blutiges Gefecht begann. Das Klirren der Waffen, das Geſchrei der Kämpfenden brachte endlich die übrige Veſatzung aus ihrem Schlafe, und kaum halb bewaffnet eilten ſie auf die Mauern; nur der Untermarſchall war, vom Weine ganz betäubt, nicht zu erwecken. Guido, obwohl beinahe der Jüngſte

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unter allen übernahm den Befehl, und von zwölf wa⸗ ckeren Kämpfern begleitet, ließ er ein kleines Neben⸗ pförtchen öffnen, und eilte den Stürmenden in den Rücken. Mehr als zwanzigfach waren ihm die Feinde überlegen, aber gleich dem verheerenden Wetterſtrahle wütheten die Schwerter der Templer. Die Stürmer wichen von den Mauern zurück, und noch ein guter Theil der Beſatzung ſtieß zu Guido's kleiner Schaar; jetzt ſuchten ſich die Feinde durch die Flucht zu retten, ihnen nach ſtürmten die Sieger bis ans Geſtade. Der Weg war mit feindlichen Leichen bedeckt, Wenige fuch> ten ſich durch das Boot zu retten, aber mit ihnen zu⸗ gleich drang Guido mit ſeinen Leuten hinein, und ließ, nachdem die Feinde niedergehauen waren, nach der Goleere feuern. Tiefes Nachtdunkel lag noch auf der Gegend; die in der Galeere zurückgebliebene Be: ſatzung konnte an keinen feindlichen Überfall denken; das Schiff wurde von den Templern erſtiegen, und was von den Ungläubigen ſich zeigte, wurde zu Boden gehauen; zwanzig chriſtliche Ruderſklaven erhielten ihre Freiheit, was von Werth vorhanden war, wurde in die Boote gebracht, das Schiff an mehreren Orten angebohrt, um zu verſinken.

Siegreich, mit Beute beladen, und mit zwanzig befreiten Chriſtenſklaven kehrte Guido nach der Stadt zurück, wo während dem auch die Bürger wach gewor⸗

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den waren, und ſich zur allenfalls nothwendigen Wer: theidigung auf den Allarmplätzen verſammelt hatten. Guido's erſter Gang war zum Untermarſchalle; da kam ihm die Nachricht entgegen, daß dieſer, als er noch vom Weine ganz betäubt aufwachte, das Geſchehene erfuhr, und alſo auch leicht ſeine Beſtrafung wiſſen konnte, plötzlich vom Schlage geruͤhrt worden, und des Todes verblichen ſei.

Sechzehntes Kapitel.

Muth und Edelkinn.

Die zurückgekehrten Streiter waren von einer neuen Beſatzung aus dem Tempelhofe abgelöſet worden? Guido trat alſo ſammt ſeinen Leuten den Weg dahin an, die befreiten Chriſten und Knechte mit der gemach— ten Beute folgten dem Zuge. Schon hatte das Gerücht von der gelungenen Heldenthat ſich verbreitet, zahlreich war das Volk auf den Straßen verſammelt, mit lau— tem Jubelgeſchrei wurden die Sieger empfangen, und Blumenkränze flogen von den Fenſtern auf ſie herab. Jetzt erreichten ſie den Tempelhof; da ward Guido'n bedeutet, ſich nach ſeinem Gemache zu begeben, und zu harren des Befehles vom Großmeiſter, bis er ihn werde in die Verſammlung rufen laſſen. Wohl that ihm nach ſo heftiger Anſtrengung die bisher entbehrte

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Ruhe, aber bedenklich ward es ihm, als bereits meh: - rere Stunden verſtrichen waren, und er weder zu dem Großmeiſter berufen wurde, noch ſein Freund Hage— mund zu ihm kam. Endlich erſchien ein Kapitelbothe, und bedeutete ihm, daß nun die Sitzung geendet ſei, und der Großmeiſter ſammt den Großcomthuren ſeiner im Kapitelſaale harre, und zugleich, daß Ritter Hage⸗ mund in Ordensgeſchäften nach Kreta abgeſendet wor— den ſei. Als er in den Kapitelſaal trat, ſaß der Groß— meiſter auf ſeinem erhabenen Stuhle, von den Alte— ſten aus dem Tempelhofe umgeben. Hoher Ernſt war in ſeiner Miene. »Tritt näher, Guido von Senden— ſtein«, ſprach er, du wünſcheſt aufgenommen zu wer nen in den Orden der Templer, von Geburt aus biſt du ebenbürtig den Brüdern, und untadelhaft war bis— her dein Benehmen, doch ſage an, haſt du auch gehö— rig überdacht, was du für Pflichten dann auf dir haſt? Entſagen mußt du dem Umgange und den Freuden der Welt; du bleibſt wohl ein Ring in der allgemeinen Ve bindung der menſchlichen Geſellſchaft, und dennoch gleichſt du nur einem losgeriſſenen Gliede, denn nur für den Orden darfſt du leben, nur mehr handeln, wie dieſer zum Beſten des Ganzen will. Kein Band der Ans verwandtſchaft, kein Band der Liebe und Freundſchaft darf mehr dein Herz umſchlingen; haſt du dieß alles wohl überdacht?«

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»Ich habe es, ehrwuͤrdiger Meiſter, und bin entſchloſſen. |

»Und doch haft du, bereits als Laie dem Orden einverleibt, das erſte und ſtrengſte Gebot übertreten, und biſt ſtrafbar geworden. Eine ruͤhmliche That haſt du vollbracht, du haſt die Feinde von Beſtürmung des Vorwerkes zurückgehalten, gekämpft haſt du als Held und nicht nur das feindliche Schiff verſenkt, ſondern auch zwanzig Sklaven aus ihrem Elende gerettet. Die Chriſtenheit dankt dir als mannhaften Ritter, und herzlich ſchüttle ich deine Hand, und ehre dich als wackeren Kämpfer; doch verſündigt haſt du dich gegen das erſte und ſtrengſte Geboth des Ordens, gegen den ſchuldigen Gehorſam. Kein Minderer darf ohne Erlaub— niß ſeines Oberen auch nur das Geringſte unternehmen, und es wird ihm zum Verbrechen angerechnet, ſelbſt wenn die Folge davon lobenswerth iſt! denn nur durch den ſtrengſten, mit keiner Klügelei verbundenen Ge— horſam, wird das Ganze in ſeiner Ordnung erhalten, und verantwortlich für die Folge bleiben die, welche bei uns zu gebiethen haben. Einen Eilbothen hätteſt du in den Tempelhof ſenden, die Bürger zum Bei— ſtande aufbiethen ſollen, du aber haſt nur mit wenigen unſerer Getreuen dich eigenmächtig an das feindliche Schiff gewagt, dich zum Befehlshaber aufgeworfen, und ſo vieler Tapferen Leben dem wahrſcheinlichen

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Verderben Preis gegeben. Strafbar haft du in deinem unzeitigen Muthe gegen den Orden gehandelt, und biſt alſo unwürdig geworden der Aufnahme unter uns, daher magſt du, von uns innig bedauert, wieder ir: aus unſerer Mitte treten.«

Der Großmeiſter ſchwieg, eine ſtille Pauſe Kelle; te, Guido's Wange glühte hoch vor innerer Kraͤn— kung, im Bewußtſein ſeiner rühmlich vollbrachten That, doch wollte er nicht, im Gefühle ſeiner edlen Handlung widerſprechen; es kränkte ihn tief das un, gerechte Urtheil des Großmeiſters, und ſchweigend legte er das ihm an die Bruſt geheftete rothe Kreuz zu Molays Füßen; da ſtieg dieſer herab von den Stu— fen feines Thrones und ſchloß ihn in feine Arme. »„Jun— ger Held, ſprach er, den größten Sieg haſt du nun über dich ſelbſt errungen, deine Demuth ſchmücket dich mit der ſchönſten Sieges palme, denn nur, wer ſich ſelbſt beherrſchen kann, iſt würdig, auch Anderen zu gebiethen. Empfange daher von uns allen den Bruder— kuß, du biſt es werth, in unſere Mitte aufgenom— men zu werden.« Nach der Reihe umarmten ihn die Anweſenden, und der Großmeiſter nahm wieder das Wort: Acht Tage ſind dir noch als Probe zuerkannt, ſei weiſe, ſei vorſichtig, denn ſo wie das Gold erſt durch Feuer von den Schlacken gereiniget werden muß, eben ſo kann nur das von allen Vorurtheilen gereinigte

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Herz dich würdig machen zum Mitgliede des Bun⸗ des; mehr zu ſagen iſt mir nicht gegönnt, das üb: rige wird die Folge weiſen.« Mit dieſen Worten wurde Guido entlaſſen, und kehrte wieder nach ſei, nem Gemache zurück, wo er hinlaͤnglich Zeit zum ernſten Nachdenken hatte.

Siebenzehntes Kapitel.

Ueberſtandene Unglückställe.

F ünf Tage waren ihm in ſeiner Einſamkeit verſtri⸗ chen, auch hatten heftige Stürme jeden Ausflug in die Umgegend unmoͤglich gemacht, tödtliche Langeweile quälte ihn; er war daher hocherfreut, als endlich das Un: wetter ausgetobt hatte, und die früh aufgehende Mon⸗ denkugel das dunkle Gewölke durchbrach; da er die Freiheit genoß, außer dem Tempelhofe zu luſtwandeln, benützte er disſe günſtige Gelegenheit, und eilte ins Freie. Nach dem langen Kampfe der erzürnten Elemente ſchien die ganze Natur wieder aufzuleben, ſo wie ſich auch oft über die mit Blut getünchten Schlachtfelder feg- nend die Hand des Friedens ausbreitet der aromati— ſche Geruch der erquickten Kräuter und Blumen der romantiſche Schlag der im Gebüſche verborgenen Wachteln, und das melancholiſche Zirpen des Heimchens, ſo auch das leiſe Flüſtern einer vom Monde verfilberten 11

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Quelle, aus deren ſprudelnden Wellen hundert und hun⸗ dert Lichter empor zu hüpfen ſchienen, alles dieß mach⸗ te tiefen Eindruck auf Guido's empfängliches Gemüth. Ihm war ſo wohl und weh um die pochende Bruſt, und nachdenkend ſchritt er an dem grünenden Ufer des Baches vorüber; da dünkte es ihm, als ob er ein wehmüthiges Geſtöhne vernähme, und ſchnell ſchritt er der Gegend zu, woher die klagenden Laute zu kem— men ſchienen. Spiegelhell beleuchtete die Mondenkugel die Gegenſtände umher, da gewahrte er eine weibliche Geſtalt, welche am Abhange eines Hügels ſaß, und jammernd die Hände rang. Frauenſchutz und Hülfe den Nothleidenden war die heiligſte Pflicht des Ritters, um ſo theuer mußte dieß Guido's empfänglichem Her— zen ſein er eilte ſchnell hin, aber eben ſo ſchnell fuhr bei dem rauſchenden Fußtritte des Nahenden im hohen Graſe eine Fremde empor, und ſtieß einen lauten Angſtſchrei aus. »Warum erſchrickſt du vor mir, ſprach Guido, beim Himmel, ich bin 10 gekommen dir zu ſchaden. a

»Sollte ich es nicht, erwiederte diese mit ſanfter Stimme, und Guido erblickte beim hellen Mondenlich— te ein ungemein liebliches Geſicht vor ſich ach, an eurer Bruſt gewahre ich das Zeichen der Templer, ihr ſeid ihnen einverleibt, und von euch habe ich keine Barmherzigkeit zu hoffen. «

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| »Du irrſt es iſt mir theure Pflicht, jedem Nothleidenden nach Kräften zu helfen. Vertraue dich mir an, und ich gebe dir mein heiliges Ritterwort / ich werde dieß nicht mißbrauchen.« »Ach wie kann ich Hülfe erwarten von euch, wie kann das ſchüchterne, von Jägern verfolgte Reh hoffen, daß ihm Beiſtand komme aus der Höhle des blutdürſtigen Tigers? Doch mag es immerhin ſein, mag mein Vertrauen zu euch mich noch größerem Jammer entgegen führen, was kann mir erwünſchter ſein, als der Tod, oder Theilnahme an dem unglücklichen Schickſale meines Ludoviko? Ja, laßt mich ſein Schickſal mit ihm theilen, ſchleppt mich zu ihm in eure Raubhöhle, denn ihr lechzet ja nur nach Blut, und erquickt 9 5 an Ver⸗ zweiflung. g Das Mädchen hielt nun inne, um ien Thraͤnen freien Lauf zu laſſen, Guido aber ſchauderte vor der Schilderung, welche fie von feinen Bundesgenoſſen machte, und forderte ſie zur umſtändlichen Erzählung auf. »So wiſſet denn, begann das Mädchen, daß mein Ludoviko in ſchrecklicher Gefangenſchaft im Tempelho— fe ſchmachtet. Eine kleine Meile von hier liegt unſer Dörfchen, wo wir in friedlicher Eintracht lebten, und wo auch ſchon der Tag unſrer Verlobung beſtimmt war, da ſprach ein junger Mann aus dem Tempelhofe bei uns ein, und leider entbrannte ſein Herz in tadelhafte 1 ö

| Bu. Leidenſchaft gegen mich. Meine ftandhafte Weigerung, ihn mit Gegenliebe zu lohnen, ſetzte ihn in die größte Wuth, doch war er ſchlau genug, feinen heimlichen Grimm zu verbergen, er ſtellte ſich vielmehr ge beffert, und wußte vorzüglich das Zutrauen meines Ver⸗ lobten zu gewinnen. Dieſen beredete er, mit nach dem Tempelhofe zu gehen, wo man oft einen vertrauten Bothen in die umliegende Gegend gegen ausnehmend gute Bezahlung bedürfe. Ludoviko folgte dieſer Lockung; ihm wurden mehrere Gänge gegen reichliche Belohnung anvertraut, aber plötzlich war er verſchwunden, und kehrte nicht mehr zurück. Ihr könnt euch meine Beſtür⸗ zung und meinen Jammer denken, da erfuhr ich denn, daß ihm zur Laſt gelegt worden ſei, eine bedeutende Summe Geldes unterſchlagen zu haben, und er daher in ein ſchreckliches Gefängniß geworfen wurde, wo er bei Waſſer und Brot ſchmachten müſſe. Ach, dieß iſt des Elendes noch nicht genug. Man iſt Willens, ihn an einen türkiſchen Seeräuber verhandeln zu wollen, und ſchon ſoll das hiezu beſtimmte Schiff gelandet ſein, welches aber durch einen wackeren jungen Ritter, nach⸗ dem er die Barbaren beſiegt hatte, in Grund gebohrt worden iſt. Ach vergebens flehte ich den Großmeiſter ſelbſt um Mitleiden an, der Böſewicht, welcher mei— nem Ludoviko dieſe Falle legte, iſt einer ſeiner Ver— trauten, und für uns iſt keine Rettung mehr zu bof:

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fen. a »Es iſt nicht möglich, nein es iſt nicht möglich, rief Guido fo können die Templer nichk handeln Molay iſt keiner ſolchen entehrenden Handlung fähig.: »Und doch iſt es ſo bei der Wahrheit meines Jammers kann ich es beſchwören o mein guter Herr, Ihr ſeid nur zu eurem Unglücke in den Tem— pelhof gekommen rettet euch und euer Seelenheil, denn zu grauſamen Unthaten wird man euch verleiten, und wenn ihr nicht gegen Ehre und Gewiſſen handeln wollt, ſo iſt es um Euer Leben, oder wenigſtens um Eure Freiheit geſchehen, denn nie werden ſie einen Menſchen unter ſich dulden, der Mitwiſſer ihrer ruchloſen Unternehmungen iſt, und ſelbe verrathen könn— te. Ach, horch, welch ein Gerduſch mit flüchtigen Schritten naht ſich uns jemand o Himmel, täuſcher mich nicht das zweifelhafte Monde nlicht er iſt es! ja es iſt mein Geliebter!« | Da nahte fih mit raſchem Schritte ein junger Mann, und beide ſanken ſich in die Arme aber ſchnell riß Ludoviko ſich wieder los. »Wir ſind verlo— ren, rief er, den hier ſteht einer jener Unholde, wel— cher nur nach denn Verderben ſchuldloſer Menſchen ſinnet, aber du ſollſt nicht zum Verräther an mir werden mit dieſem Baumaſte will ich mich, und meine Jette vertheidigen. Klimmt aber nur noch ein Funke menſchlichen Befühles in deiner Bruſt, ſo

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laß mich, den es erſt vor wenigen Augenblicken gelang, dem unverdienten Gefängniſſe zu entkommen, aus die⸗ ſer Gegend fliehen. Noch ſprach er dieß in höchſter Angſt, als man Waffengeräuſch und viele Männer: ſtimmen vernahm. »Meine Verfolger nahen, rief Zu: doviko, ergriff Jettens Hand, ſtürzte mit ihr auf einem ſchmalen Seitenpfade fort, und war augenblicklich Guido's Augen entſchwunden. Noch ſtarrte dieſer halbbetäubt und verwirrt den Fliehenden nach, da ſah er ſich ſchnell von Söldnern aus dem Tempelhofe umgeben. Der Anführer befragte ihn, ob er keinen Flücht⸗ ling geſehen habe, und forderte ihn auf, dieſen verfol— gen zu helfen. Dieß Zumuthen empörte Guido'n. »Ihr Schändlichen, rief er, wollt ihr auch mich zum Genoſ— fen eurer Schandthaten machen? Bei meinem Kitters worte, wenn ihr nur noch einen Schritt weiter wagt, ſollt ihr die Schärfe meines Schwertes fühlen.

»Ihr wollt euch den Befehlen des Ordens wider— ſetzen? Ihr wagt es wohl gar, die Anordnungen des Meiſters zu beurtheilen? Wir haben den gemeſſenen Auftrag, jeden, der ſich der Gefangennehmung des Flüchtlings wiederſetzet, zu Boden zu hauen. »Das ſoll euch fo leicht nicht werden rief Guido, und wollte ſein Schwert aus der Scheide reißen, aber in dem nämlichen Augenblicke fühlte er ſich von rückwärts er— griffen, entwaffnet zu Boden geriſſen, und mit Stri—

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cken gebunden. »Der Großmeiſter wird ſich freuen, ſprach hohnlachend der Anführer, fo ſchnell dieſes vorlauten Herrchens los zu werden, bringt ihn nach dem Tempelhofe, während ein Theil von Ba bie Sans des Flüchtlings verfolgt.“

Als ſie im Tempelgebaͤude anlangten, forderte Guido ſogleich zu dem Großmeiſter gebracht zu werden, aber man würdigte ihn keiner Antwort, und ſchleppte ihn nach einem unterirdiſchen Gewölbe, wo man ihn forgfältig einſchoß. Dieſe Behandlung empörte ihn auf's Aeußerſte, und er ſchwur bei ſich ſelbſt, ſobald man ihn ſeiner Haft entledigen werde, von dem Großmei— ſter ſelbſt, dem er als Ritter ebenbürtig war, ſtrenge Rechenſchaft zu fordern. Doch die ganze Nacht und der folgende Tag ſtrichen dahin, ohne daß Je mand ſich nahte. Vor Durſt trocknete ſeine Zunge am Gaumen, er ſehnte ſich nach Labung, aber Niemand kam, und ſein Rufen konnte die gewaltigen Mauern nicht durchdringen.

Endlich traten Bewaffnete ein, fie löſten feine Bande, und belegten die Hände mit Feſſeln. Werge: bens ftrdubte er ſich gegen dieſe unritterliche Behand: lung, der Gefangenwärter reichte ihm Brot und einen Krug Waſſer hin, und man überließ ihn neuerdings ſeiner qualvollen Lage. Bald darauf raſſelten abermals bie Schlöſſer und Riegel von feiner Kerkerthüre, und

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herein trat einer der älteſten Komthure des Ordens. »Junger Mann, ſprach er, mich dauert eure traurige Lage, und in der That äußerſt qualvoll mag es fein, in dieſem ſcheußlichen Gefängniſſe zu ſchmachten, doch nur von euch hängt es ab, euer Schickſal zu ändern. Nach ſo kurzer Zeit habt ihr euch zum zweiten Male höchlich an dem Orden vergangen. Ihr ſeid in Ge— heimniſſe gedrungen, worüber ihr nicht nachzuſinnen habt, und wagt es, euch der vom Großmeiſter ſelbſt abgeſendeten Rotte mit bewaffneter Hand zu widerſetzen. Nie wird dieß unter uns geduldet.

»Auch dann nicht, wenn es darauf ankömmt, un— ſchuldig Verfolgte in Schutz zu nehmen?« |

» Auch dann nicht, denn es kömmt den Dienenden nicht zu, die Handlungen der Wiſſenden zu beurtheilen, noch viel weniger zu beeinträchtigen. Selbſt wenn uns Srauelthaten befohlen werden, find wir nur das blin— de Werkzeug in ihren Händen. «

»Beim Himmel, dann müßte man aufboͤren Menſch zu fein, um ſich ganz unter das Sklavenjoch des Ge— horſams zu beugen. Was habe ich nun von euch zu erwarten

„Vollkommene Freiheit, wenn ihr einen theuren, unverbrüchlichen Eid leiſtet, gegen Jedermann über das Vorgefallene das ſtrengſte Stillſchweigen zu be— obachten, nie nach deſſen Grundurſache zu forſchen, ſondern ſogar gut zu heißen, und zu vertheidigen

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mit Wort und Schwert, was ihr nun noch als Un⸗ recht erkennet.

»Das werde ich nie, es wäre denn, daß ich genugſame Aufklärung über das rechtmäßige Verfah— ren des Ordens erhalte, ſo aber dieß nicht iſt, will ich meine ritterliche Ehre nicht mehr an euch ver— pfänden, und ob meiner Behandlung gegen wem immer Rechenſchaft fordern in offenen Schranken. «e

Iſt dieß euer feſter, unabaͤnderlicher Entſchluß?«

„Er iſt es, bei Gott und Ritterehre.«

„Dann habe ich mit euch nichts mehr zu ſprechen, und bedaure das Schickſal, das ihr ſelbſt euch be—

. ffimmet.«

Mit dieſen Worten verließ er ihn, und Guido blieb abermal ſeinem Nachdenken überlaſſen. Nach ſei— ner Rechnung mochte es ungefähr Mitternacht ſein, da däuchte es ihm, ein leiſes Pochen zu vernehmen; er horchte hoch auf, bald kam es näher, und er ver— nahm, daß man dicht neben ihm einen eiſernen Riegel wegſchiebe; Dunkelheit umgab ihn, und ſein Herz fing an heftiger zu pochen, da ihn der Gedanke befiel, daß wan wohl gar ruchlos genug fein könne, ihn zum Tode zu holen, um ihm ewiges Stillſchweigen aufzu—

legen. Jetzt draug matter Lichtſchein in ſeine Augen,

dicht neben ihm öffnete ſich ein kleines eiſernes Pfört— chen, und hervor trat in einen gemeinen, ſchen halb

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verriffenen Kittel gehüllt ein Mann, deſſen Haupt nur hie und da mehr ſparſam eine Silberlocke bedeckte. Er nahte ſich dem Strohlager, auf welchem ſich Guido befand, und ſah ihn lange mit halberfterbenen Bli⸗ cken forſchend an. »Armer Unglücklicher«, begann er endlich, »ſo werden denn die Gräuelthaten und Schre⸗ ckensſcenen in dieſenmit Fluch beladenen Mauern nie aufhören? Alſo ein neues Opfer ihrer Bosheit haben ſie gefällt? Wie ſehr dauerſt du mich, junger Mann, der vielleicht noch der guten und edlen Thaten fo viele hätte üben können. Aus dieſen Grabeshöhlen iſt keine Erlöſung mehr zu hoffen; in Unthätigkeit wird das Mark deiner Gebeine verdorren, Verzweiflung ergreift die feinſten deiner Lebensfaden/ und erſt wenn dein Geiſt gänzlich zu Boden gedrückt iſt, wird die menſch⸗ liche Hülle fallen.«

»Wie, und ich hätte auf keine en mebr zu hoffen

»Auf keine oder wähneſt du, daß man dir ir⸗ gend eine Rechtfertigung geſtatten werde? O erwarte dieß ja nicht, denn kein Sonnenſtrahl darf mehr das beſcheinen, was die Ruͤchloſigkeit der Bewohner hier enthüllen könnte; nur ſo kann ihre Größe geſichert bleiben, und keine Hand darf geduldet werden, wel: che den Schleier von ihren Gräuelthaten lüften würde. Nimm dir ein Beiſpiel an mir, in ber Blüthe

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meiner Jahre ward ich hieher gebracht, ueunzig Jahre drücken meinen Scheitel, und fünfzig davon verſchmach⸗ tete ich bereits in dieſen Schauergewölben. Nicht aus Mitleiden, ſondern um meine Leiden zu verlängern, ließ man mich nicht ſterben. Nun bin ich der Welt, und die Welt iſt mir fremd geworden. Tageslichte und Luft würde ich nicht mehr vertragen können; aber ich habe es mir zur Pflicht gemacht, Unglücksgefährten zu beſuchen und zu tröſten, dadurch verhindere ich, daß fie ſich nicht mit eitler Hoffnung laben. Hoͤre ganz kurz meine Geſchichte, und dann urtheile ſelbſt.« »Aus einem edlen Geſchlechte Italiens bin ich ent— ſproſſen, der Reichthum und das Anſehen meiner Fa— milie berechtigten mich zu den glänzendſten Ausfichten‘, aber leider wurden dieſe durch, einen ſchrecklichen Zu— fall vernichtet. Ganz nach dem Wunſche meines Herzens war ich mit einem der liebenswürdigſten Mädchen ver— lobt, unſere Liebe war grenzenlos, und nahe unſer heiß erſehntes Glück, da bereits der Tag unſerer Ver— mählung beſtimmt war; endlich brach dieſer heran, das Feſt wurde mit der uns angemeſſenen Pracht gefeiert, da brach plötzlich Feuer aus, jeder war nur auf ſeine eigene Rettung bedacht, ich ſuchte meine theure Gat— tin zu retten, ein herabſtürzender brennender Balken ſchlug mich betäubt zu Boden. Ich ward gerettet; aber ach, ſie, meine Geliebte war ein Opfer der

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Flammen geworden. Nichts von meiner Verzweiflung. Mein Verſtand war zerrüttet, ich irrte einige Jahre im Wahnſinne umher, zwar gelang es der Kunſt der Arzte mich zu retten aber konnten fie mir auch meine Seelenruhe wieder geben? Ich war todt für die Freu⸗ den der Welt, und trotz allen Abmahnungen von Seite meiner Familie, ließ ich mich den Templern einverleiben. Die friedliche Stille gefiel mir, zwar be— merkte ich Manches, das mir unheimlich ſchien, aber ich unterdrückte jede Vermuthung mit dem Schilde des blinden Gehorſams. Meine Altern ſtarben, und ich ward der Erbe eines ungeheuren Vermögens; noch hatte ich den Eid nicht abgelegt, und da dereits meine Herzenswunde in etwas verharrſcht war, ſehnte ich mich wieder in die freie Welt zurück; doch war dieß nicht nach dem Sinne der Templer, welche nur Schätze auf Schätze häufen; man drang in mich, das Gelübde abzulegen, und als ich mich deſſen weigerte, wurden mir Ver— brechen mancher Art angedichtet; ich vertheidigte mich ſtandhaft, aber vergebens. Nach den Statuten hatte ich den Tod verdient, und man war grauſam genug,

mich zum lebenslänglichen Gefaͤngniſſe zu verurtheilen.

Der Gewalt und Unbarmherzigkeit mußte ich weichen;

ich ward in's Gefängniß geſchleppt. Der Tod ſpottete meiner mit ſeiner Errettung, und ſo bin ich ſeit ſo vielen Jahren lebend begraben. Du ſiehſt nun, armer

.

. nn

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Leidensgefährte, in welche Hände du gerathen biſt, und welch ein ſchreckliches Schickſal dir bevorſteht. Doch ſtille, mich dünkt ich höre Fußtritte, man darf uns hier nicht beiſammen wiſſen, denn auch dieſe kleine Erholung würde uns grauſam entzogen werden. Wir ſehen uns wieder, wenn man nicht etwa jetzt ſchon dich zum Tode holt, dann werden dir zwar meine Thränen nachfolgen, ich werde dich aber dennoch deines beſſeren Schickſales wegen beneiden.

Schnell entſchlüpfte der Greis wieder in ſein voriges Gefängniß; erſtarrt vor Entſetzen über die ges hörten Gräuelthaten blickte ihm Guido nach, doch ehe er ſich noch recht beſinnen konnte, öffnete ſich ſeine Kerkerthüre, und herein trat der Hauscomthur, wel— cher ihm mit mitleidsvoller Miene nahte. Armer junger Mann, ſprach er, wie ſehr dauert mich dein Schickſal. Du biſt beſtimmt, ſchnell zu enden, ſchon öffnet das Grab ſeinen ſchauerlichen Schlund, dich auf immer in ſe iner Tiefe zu verbergen; doch nur von dir hängt es noch ab, dieß ſchreckliche Loos in eines der glücklichſten umzuwandeln. Wir nehmen dich in unſerer Mitte auf, du aber leiſteſt uns einen furchtbaren Eid, zu verſchwei— gen, was du gehört und geſehen haſt, blinden Gehor— ſam zu beobachten, und zu vollbringen, was dir befoh⸗ len wird, ſelbſt wenn es den böſeſten Schein an ſich trüge, und dein Gefühl ſich dagegen ſträubte; dafür

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wirt du bald Comthur, und Reichthum und alle Ge: nüſſe des Lebens ſtehen dir zu Gebothe.«

»Nie werde ich dieſen Eid leiſten, nie meine Hand zu euren Gräuelthaten bieten. Meine Ehre und Ritter— pflicht iſt mir theurer als mein Leben, und wenn ihr ſchändlich genug ſein könntet, mich als freigebornen Mann eurer Grauſamkeit zu opfern, ſo werde ich eher den ſchmerzhafteſten Tod erdulden, als nur haarbreit von meinen mir heiligen Pflichten weichen.« »D dann haſt du ſelbſt dir dein Urtheil geſprochen, und ich kann nichts mehr zu deiner Rettung beitragen«, er— wiederte der Hauscomthur, und klatſchte dreimal in die Hände; vier Bewaffnete traten ein, ſie nahmen Guido'n in ihre Mitte, öffneten eine Fallthüre am Bo— den, und ſtiegen bei dem Scheine einer Leuchte über eine Treppe in die Tiefe hinab.

Ein großes, in Stein gehauenes Gewölbe nahm ſie auf, hier löste man ſeine Feſſeln; beim Scheine des Lichtes gewahrte Guido neben ſich einen offenen Sarg. »Knie nieder, und bete, denn du biſt dem Ziele nahe, ſprach einer der Bewaffneten. Guido ſank in ſeine Knie, kurz und innig war ſein Gebet, es drückte ja keine Unthat ſein Gewiſſen, und der Gedanke, nun bald mit Zoraiden vereinigt zu ſein, gab ihm neue Kraft und Stärke. Als er ſich erhoben hatte, ermahnte ihn der Bewaffnete, ſich noch einmal zu beſinnen, in—

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dem er hier an der Schwelle des Todes ſtehe, bei ſei⸗ ner Sinnesänderung ihm aber ein glänzendes, Ver: gnügenreiches Leben bevorſtehe; doch Guido war zu dem letzten entſcheidenden Schritte vorbereitet, und blieb ſtandhaft auf ſeiner Weigerung. »Es iſt entſchiedeng, ſprach der Bewaffnete nun, öffnete nur in Etwas eine eiſerne Thüre, verband ihm die Augen, ſtieß ihn hinaus, und praſſelnd ſchlug die Thüre hinter ihm zu.

Er ſtand im Dunkeln, zagend, ob er einen Schritt vorwärts wagen ſoll, aber jetzt fühlte er ſich ſanft von rückwärts ergriffen, die Binde wurde ihm abgenommen, und lange an Dunkelheit gewohnt, mußte er die Hand vor die Augen halten, da heller Schimmer ihn blendete. Als aber allmählig die vorige Sehkraft zurückkehrte, da ſtaunte er gleich einem Trunkenen umher, er befand ſich in dem unge⸗ beuren Meiſterſaale, deſſen kunſtreiche Kuppel auf Rie— fenfäulen von blauen Marmor ruhte. In Lebensgröße ſtan⸗ den die Statuen der bis zu Molap's Zeit gelebten fünf und zwanzig Großmeiſter mit ihren Attributen, allenthalben waren die goldenen Verzierungen in üppiger Fülle ver ſchwendet, und ein Meer von Licht entſchwamm den unzählbaren Kerzen. Zwei Servienten in ihren Or— denskleidern nahmen ihn unter den Arm, und führten ihn durch die Reihe der im Silberharniſche prangenden Ordensritter zu dem reich mit Gold überdeckten Throne

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des Großmeiſters. Jetzt flieg dieſer herab, auf fein Geheiß mußte Guido niederknieen, Molay aber legte feine Hand auf deſſen Haupt. »Ich ſegne dich, Eroft meiner Weihe, ſprach er, mannhaft haſt du die harten Proben beſtanden. Verbrecheriſch erſchienen dir die Handlungen des Ordens, die Wahl zwiſchen einem ſchwelgeriſchen Leben und einem ſchmäblichen Tode wurde dir frei gelaſſen, du wählteſt eher den Letzteren, ehe du von den Pflichten, welche Ritterthum und Ehre uns gebiethen, zurückweichen wollteſt; damit du nun ſiehſt, daß der Orden nur auf rechtlichen Wegen wan⸗ delt, und vorher Jene ſtrenge prüfen muß, welche er der Aufnahme würdig finden ſoll, ſo überzeuge dich von der, nur zu deinem Beſten gelungenen Täuſchung.« Er winkte, und drei Perſonen traten hervor, in wel— chen er Jetta'n, Ludoviko'n und den gefangenen Grei— ſen erkannte, welche dem Orden einverleibte Dienſtleute waren. »Und nun«s, begann Molay wieder, »frage ich, od du willſt in unſere Mitte aufgenommen werden, und treu bleiben deiner Ehre und deinen heiligen Pflichten?« Guido bejabte es ſtandhaft. »Und ihr, liebe Brüder und Freunde, ſeid deſſen einverſtanden Alle bejahten es einſtimmig; da traten auf Molay's Wink zwei Chorknaben hervor, und er wurde mit den Inſignien des Ordens, dem Mantel, dem rothtuchenen Kreuze, und dem Gurte von weißen Fäden geſchmücker.

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Jetzt küßte ihn Molay auf die Stirne. »Gehe denn hin in die Mitte deiner Brüder, und ſei ihnen einverleibt, ſprach er, und gab ihm einen ſanften Stoß, die Tempelritter aber umgaben ihn alle, und drückten ihn an die Bruſt, ein feierlicher vollſtimmiger Geſang ſchloß die Scene. 8 Guido kehrte halb betaͤubt in ſein Gemach zurück; laut pochte ſein Herz vor Freude, ſich in Männern geirrt zu haben, gegen die er vorher mit Ehrfurcht erfüllt geweſen war, und die ihn nun als würdiges Mitglied in ihre Mitte aufgenommen hatten. Er ſehnte ſich ſo ſehr nach Mittheilung, und auch dieſer Wunſch ward ihm plötzlich erfüllt, da ſein alter Freund Hage— mund die Thüre öffnete, und in ſeine Arme ſtürzte. Dieſer war nicht in Ordensgeſchäften verreiſet, ſondern hatte ſich ſtrenge verbergen müſſen, um ohne Aufkläͤ— rung und Mittheilungen, da ihn Alter und Freund— ſchaft leicht hätten geſchwätzig machen können, den angehenden Templer bei den Proben ganz ſich ſelbſt zu überlaſſen. Grenzenlos war nun die Freude der beiden Freunde, und Guido's Geiſt und Körper er— holten ſich wieder von den erlittenen Anſtrengungen.

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Achtzehntes Kapitel

Freund in der Noth. |

Vier Jahre lebte Guido im Tempelhofe. Zweimal kreuzte er gegen die Ungläubigen, und hatte ſich ſo ausgezeichnet, daß er zum Untercomthur ernannt wurde. Seine Gedanken an Zoraiden wurden durch ſeine Pflichterfüllungen vermindert. Hagemund ſtarb endlich, und Molay, der den Kummer des jungen Mannes ehrte, ſandte ihn zur Zerſtreuung in Or— densgeſchäften nach dem Tempelhof in Mödling in Oeſterreich. Schwer trennten ſich Meiſter und Junger, es ſchien ihnen zu ahnden, daß ſie ſich nie wieder ſehen ſollten.

Da der Großmeiſter Guido'n Eile anbefohlen hatte, ſo ſetzte dieſer ſeine Reiſe ununterbrochen fort, und langte endlich bei dem in unſerer Zeit fo haufig beſuchten, äußerſt romantiſch gelegenen Mödling an, wo er mit jener Achtung aufgenommen wurde, welche

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einem Abgeordneten des Großmeiſters gebührte; wie groß war aber ſein Staunen, als er erfuhr, daß Molay ihn in dem mitgebrachten Schreiben zum wirklichen gebiethenden Comthur an die Stelle des Verſtorbenen ernannt habe. Innig dankte er im Stillen dem erhabenen Freunde, und trat ſogleich mit angewohntem Eifer ſeine Dienſtleiſtung an. Viele Gebrechen fand er, welche aus Altersſchwäche ſeines Vorgängers entſtanden waren, und da er Alles aufboth, was zum Nutzen des Ordens ſein konnte, ſo war er dadurch fo in Geſchafte verwickelt, daß ihm nur wenig Zeit zur Zerſtreuung übrig blieb. Dieſe beſtand größten Theils in Spaziergängen in den herrlichen Umgebungen. am liebſten aber verweilte er in der unterirdiſchen Kapelle, welche unter der Pfarrkirche gebaut iſt, und noch heutiges Tages die, welche fie betreten, mit ernſter Erinnerung an die Vergangenheit, und mit geheimen Schauer erfüllet. Die uralte Bauart dieſer Kapelle, die offenen Gräber, aus welchen erſt in unſerer Zeit die Särge und Gebeine der Verblichenen, niemand kann ers forſchen wohin, fortgeſchafft wurden, das ſchauerliche Dunkel in dieſem unterirdiſchen Gewölbe, durch das von oben einfallende Licht nur zur Daͤmmerungerhoben, alles dieſes wirkt mächtig auf die Phantaſie, und belebt die Erinnerung an die 1 und Herrlichkeit des alten Ordens. 12 *

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Dieſe Kapelle nun war Guido's Lieblingsaufenthalt, denn ein darin befindliches Grabmal hatte ſeine vor— zügliche Aufmerkſamkeit erregt. Der Inſchrift nach ruhte hier ein Ritter, welchen in der Blüthe ſeiner Jahre der Gram um ſeine Geliebte verzehrte, die in den Wellen der Donau durch Zufall ihr Grab gefunden hatte. Zu ſehr ſtimmte dieſe Geſchichte mit ſeiner eigenen traurigen Begebenheit überein, um nicht ganz davon ergriffen zu werden. Dieſes Grabmal wählte ſich der von Natur aus zur Schwermuth geneigte Guido zu feinem Lieblingsplätzchen, und oft ſaß er Stundenlange an den Marmorſtufen, in düſteres Nachdenken an Zoraiden verſunken, während die Mitglieder ſeines Konventes bereits im tiefen Schlafe la— gen; dann aber raffte er gewöhnlich ſich auf, und wandelte gleich einem Nachtbilde, bis beinahe der Morgen ſchon heranbrach, in der lieblichen Gegend umher.

So hatte er einſt, verſenkt in düſtere Schwermuth, den ſchauerlichen unterirdiſchen Ort verlaſſen, um ſich in der reizenden, vom Monde hell beleuchteten Gegend wieder aufzuheitern. Sinnend warf er ſich auf einen grünenden Hügel hin, hörte ein Rauſchen im Gebüſche, und ehe er ſich's verſah, ſtand ein Mann, von Kopf bis zu den Füßen in ſchwarze Rüſtung gehüllt, vor ihm, und ſtarrte ihn unbeweglich durch das geſchloſſene Viſir an. Wer biſt du? rief Guido, und legte

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die Hand an den Griff feines Schwertes. »Laſſe die Waffe ruhena, erwiederte jener, »denn nicht bin ich gekommen, um mit dir unfriedlich zu handeln. Lange ſchon ſuchte ich Gelegenheit, mit dir ohne Zeugen zu ſprechen. a

»Und was kannſt du mir zu ſagen haben?«

»Worte der Freundſchaft und der nothwendigen Warnung. Traue einem Manne, der hier ſeine Hand auf ſein bekreuztes Schwert legt, und dir ſchwört, daß er es redlich mit dir meine. Dir droht Gefahr, wandle nicht mehr nächtlicher Weile in dieſer Gegend. «

»Du ſelbſt biſt dem Scheine nach Ritter, und willſt einen Templer zittern machen? «

„Kann ſich der edle mächtige Löwe immer der ſchlei— chenden, giftgeſchwängerten Schlange erwehren? Es iſt auf deine Freiheit und dein Leben abgeſehen.«

»Dann werde ich mit der Waffe Beides zu ver⸗ theidigen wiſſen.«

»Und erliegen gleich dem ee Eber der Vielzahl der verfolgenden Rüden. Ich kenne deinen Muth, Guido, und keine Warnung vermag ihn zu beugen, doch die Freundſchaft iſt ein Anker, der auf feſtem Grunde ruht, ihr nimmer müdes Auge wird dich be— wachen .

»Wer biſt du aber?«

»In der Folgezeit wirſt du es erfahren. Glaube

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mir Guido, auf dieſem Boden blüht dir keine Blume der Freude mehr, weit, weit von hier, im fernen Oriente wird ſie ſich dir erſt entfalten. Ein ſchöner Stern iſt dir untergegangen, und dort erſt wird er dir mit ver- klärtem Lichte wieder entgegen flammen. Nur eines gelobde mir für jetzt; von heute an in der ſechſten Nacht, bevor noch die zwölfte Stunde ſchlägt, finde di in der unterirdiſchen Kapelle am Grabmale des Ritters ein, welcher verblichen ift im Sammer um die en, Geliebte.

»Wie, du weißt Beſcheid in dieſem geheimen Orte? Und was ſoll ich dort?«

»Eines Freundes harren, der nur dein Beſtes ill; gelobſt du mir Erfüllung meines Begehrens auf dein Ritterwort

»Ich gelobe es.«

»So lebe wohl auf Wiederſehen; ſei vorſichtig, und berſchweige dieſe Zuſammenkunft.«

Der Fremde verlor ſich im Gebüſche, Guido ging noch eine Weile herum, dann ſchlug er den Weg nach dem Tempelhofe ein, als er aber eben um eine, dichtem Gebüſche bewachſene Bergecke hinüberbog, ſah er ſich plötzlich von ſechs Bewaffneten angefallen, kaum, daß er noch Zeit gewinnen konnte, ſein Schwert zu ziehen. »Tödtet ihn nicht, « rief der Anführer der Rotte, ver iſt eingeweiht in die Geheimniſſe des Ordens,

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und die Tortur wird ihm die noͤthigen Geſtaͤndniſſe erpreſſen. Guido wehrte ſich mannhaft, da er aber ſeinen Rücken an keinen Baum, oder irgend an eine Wand lehnen konnte, wurde er umzingelt, und ſchon wollte man ihn ergreifen, als eben jener ſchwarz Geharniſchte aus dem Gebüſche hervoreilte, und mit im Monde flammendem Schwerte in Guidos Gegner einhieb. Nun war der Kampf getheilt, gleich dem Hagel fielen die gewaltigen Streiche der Ritter nieder, drei der Gegner ſtürzten zu Boden, die übrigen flohen. »Du haſt meiner Warnung nur halb geachtet, ſprach der Fremde, ſei für die Zukunft beſſer darauf bedacht, denn glaube mir, euren Feinden iſt viel an deiner Perſon gelegen, das verheerendſte Ungewitter zieht ſich ober deinem und dem Haupte deiner Brüder zuſammen, und ſo wenig werdet ihr dem Verderben entgehen können, als eine ſchwache Eiche den vernichtenden Wogen des Waldſtromes. Bis jetzt biſt du noch ſicher in der Mitte deiner Brüder, aber bald wirſt du mit ihnen das weit geöffnete Grab beſteigen, wenn nicht die Hand der Freundſchaft dich emporhält. Doch für jetzt mahne ich dich noch einmal bei deinem Ritterworte, gedenk' der ſechſten Nacht und des Grabmales in der unterir— diſchen Kapelle.«

Mit dieſen Worten entſchwand er abermal feinen Blicken; Guido kehrte nach dem Tempelhofe zurück,

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er gab ſogleich Befehl, nach den im Dickichte gefallenen Mördern zu ſehen, ob man nicht vielleicht auf irgend eine Spur kommen könne, was dieſem Überfalle zum Grunde liege, aber man fand die Körper der Gefallenen nicht mehr, und ſo blieb jede Muthmaßung unbefrie— diget. Guido würde ſeines Muthes wegen der Warnung nicht geachtet, und dennoch die Gegend naͤchtlicher Weile wieder beſucht haben, hätte nicht eine in dem Kampfe erhaltene Wunde ihn daran verhindert. Ver— gebens durchſtreiften die Söldner der Templer die Gegend, auch nicht die geringſte Spur von Räubern oder loſem Geſindel war zu entdecken.

Neunzehntes Kapitel.

Gewalt geht vor Recht.

Do ſtrich die Zeit voruͤber, und der ſechſte Tag war herangebrochen, wo Guido verheißen hatte, in der unterirdiſchen Kapelle zu erſcheinen. Nachdenkend ſaß er, als bereits des Abends Dämmerung hereinbrach, in ſeinem Gemache, als einer der Ordensritter, wel— chen er in wichtigen Aufträgen nach Wien geſendet hatte, in den Tempelhof einritt, und zu ihm eilte, ſich ſeiner Aufträge zu entledigen. Guido war mit deſſen Sendung zufrieden, und wollte ihn entlaſſen, mit dem Bedeuten, nach ſo raſchem Ritte ſich gütlich zu thun. »Herr Comthur,« begann dieſer, dich fühle wenig Sehnſucht nach Ruhe, ja vielmehr die heftigſte Unruhe erfüllt mich, und mir ahndet großes Unglück / das ober unſern Haͤuptern ſchwebt. Schon der Empfang

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bei den Gewaltigen, zu welchen ihr mich geſendet habt, war mir auffallend, man erwies mir nicht die gewöhn— liche Achtung, welche einem Abgeſandten aus dem Tempelhofe gebührt, betrachtete mich nur mit Herab— ſetzung, und als ich von verſchiedenen Rechten ſprach, welche ihr in der Folge wollt im Namen des Groß— meiſters geltend machen, antwortete man bloß mit ſpöttiſcher Miene, daß man bald andere Weiſen auf— ſpielen werde. Es gibt viele Hähne, ſprach ein vorlau: ter Junker, welche das kommende Morgenlied nicht mehr krähen werden. Dieſer Rede folgte ein allgemei— nes Gelächter, und man ließ mich ohne weiterem Ge— fpräche ſtehen. Auch bemerkte ich hie und da Rüſtungen unter den Söldnern der Stadt, und ich kann es nicht bergen, daß ich großes Unglück befürchte. «

Guido entließ den Bothen, nachſinnend, woher denn Gefahr drohen könnte, da er ſich aber allenthal— ben im guten Einvernehmen wußte, ſo befahl er bloß, alle Wachen zu verftärken, und ſich, wenn irgendwo eine unvermuthete Gefahr drohen ſollte, fur alle Falle gefaßt zu halten, er ſelbſt aber konnte, von Neugierde mächtig ge— ſpannt, kaum die Stunde erwarten, um ſich nach getroffe— ner Verabredung in der unterirdiſchen Kapelle einzufin— den. Endlich war die eilfte Stunde vorüber, Guido hatte alle ſeine Geſchäfte in Ordnung gebracht, und jetzt

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eilte er, mit dem Schwerte umgürtet, der Kapelle zu. Alles war ſtille und öde umher; die Unruhe, welche ſich wegen einer bevorſtehenden Gefahr ſeiner bemeiſtert hatte, die Erwartung, welch ein Ereigniß ihm hier an dieſem feierlichen Orte entgegenkommen werde, verbunden mit der eigenthümlichen Schauerlichkeit des Ortes ſelbſt mußte auf ihn wirken; er ſetzte ſich an den Stufen des ihm ſo liebgewordenen Grabmales nieder, und hatte wirklich Anſtrengung nothwendig, ſich bei der vorausgegangenen Aufregung des Geiſtes eines leiſe nahenden Schlummers zu erwehren, aber dennoch bedeckte dieſer allmälig mit ſeinem grauen Fittiche des Ritters Augen, als er plötzlich anfwachte, denn ihm dünkte in dem oberen Theile des Gebäudes lauten Tumult und Waffengeraufh zu vernehmen. Haſtig fuhr er empor, mit der Hand am Griffe ſeines erprobten Schwertes, als die zwölfte Stunde ſchlug, in dem nämlichen Augenblicke an der Wand das Steinwerk herabfiel, und der ſchwarz Geharrniſchte

vor ihm ſtand. »Wir haben Beide Wort gehalten zur

beſtimmten Stunde, ſprach er, nun iſt es aber auch die höchſte Zeit, mir zu folgen, wenn nicht Verderben dich ereilen fol; der Augenblick der Rettung iſt vor— handen, oder du biſt unwiederbringlich verloren, wenn du nur noch wenige Minuten an dieſem bald mit Blut

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entweihtem Orte weileſt.« »Ich dir folgene, ſprach Guido mit höhniſcher Miene, Popanz, der du dich zu ſcheuen ſcheineſt, dein Geſicht vor ehrlichen Männern ſehen zu laſſen ich dir folgen? Hilf Himmel, ich hoͤre Schwerter klirren, und Geſchrei der Fechtenden; meinen Leuten droht Gefahr zurück, wenn ich dich nicht durchbohren ſoll, da nichts mich von meiner heiligen Pflicht abhalten darfs »So mag Gewalt vor Recht gehen, du biſt mir als Opfer anheim ge— fallen«, rief jetzt der Unbekannte, und ehe Guido ſich noch entfernen konnte, faßten ihn herzugeſchlichene Verlarvte von rückwärts, entwaffneten ihn, warfen eine Florkappe über ſein Haupt, banden ihn mit Stricken, und ſchleppten ihn fort durch die Oeffnung in der Niſche. Noch hörte er wie der Tumult der Fechtenden der Kapelle näher kam, aber er konnte ſich, gebunden und von ſtarken Armen erfaßt, nicht bewegen, und wurde mit unwiderſtehlicher Gewalt fortgeriſſen. Durch einen langen ſchmalen Erdgang gelangten ſie ins Freie, da ſtanden mehr als dreißig bewaffnete Reiter, Guido wurde genöthiget in eine Kutſche zu ſteigen, drei Bewaffnete nahmen neben ihm Platz, drohend, bei dem geringſten Laute ihn mit ihren Dolchen zu durchſtoßen, und ſo ging es im vollen Jagen der Pferde vorwärts.

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Als der Tag heranbrach, hielten ſie in einer dichtverwachſenen Aue, Guido wurde aus dem Wagen gehoben, man löste ſeine Bande, und brachte ihm Erfriſchungen. »Nicht laben will ich mich mit Waſſer und Brod, ſprach er, bevor ich nicht Genugthuung über meine entehrende Behandlung erhalte.s »Sie ſoll dir werdens, rief jetzt eine Stimme neben ihm, und der ſchwarz Gerüſtete trat hervor. »Gib mir ein Schwert, rief Guido, du hinterliſtiger Böſewicht, daß ich die an mir verübte Schandthat rächen könne. „Auch dieß fol geſchehen ‚« erwiederte jener kaltblütig, »doch auch die Natur fordert ihre Rechte. Genieße vor— her, was dir zur Erquickung bereit ſtehet.« »Nicht einen Augenblick will ich zögern, meine Unbild zu rächen. a »Du forderſt alſo Kampf mit mir auf Leben und Tod 24

»Aüf Leben und Tod

»Auch auf Leibeigenſchaft ohne Entehrung, ſo lange es der Sieger für gut befindet

»Auch dieſes, denn der Rache Glut durchbebt mein Innerſtes.« N

»Schwörſt du dieſes auf Ritterehre und Seligkeit?

»Ich beſchwoͤre es!«

»Bringet Waffen, damit er ſich rüſte, und gebt ihm fein eigenes ruhmvoll erprobtes Schwert.«

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Es geſchah, Guido rüſtete ſich, und trat ſeinem Feinde entgegen. »Du weißt, was du beſchworen haft, ſprach noch einmal der Unbekannte, Unbedingt biſt du mein Eigenthum, wenn ich ſiege, und ohne Widerrede folgſt du meinen Anordnungen, welche nie dein Gewiſſen beſlecken werden. Dieß beſchwörſt du noch einmal, fo wahr deine Ritterehre dir heilig iſt?«

»Ich beſchwöre es.«

»Dahin wollte ich dich bringen, dich zu retten, und zu beglücken. Falle ich, ſo wandelſt du frei und ungehindert von dannen, überwinde ich dich aber, ſo biſt du mein Eigen, ſo lange ich es für gut befinde. Und nun laßt uns das blutige Spiel beginnen.« Beide ſtellten ſich zum Kampfe, blitzend leuchteten ihre Schwerter im Glanze der Morgenſonne, hageldicht, fielen Streiche auf Streiche, von Klinge gegen Klinge fruchtlos gemacht, da führte Guido einen entſcheidenden Hieb gegen ſeines Gegners Haupt, eben ſo ſchnell warf dieſer feinen Schild vor, und Guido's ſchwer darauf dröhnendes Schwert ſprang entzwei. »Du biſt befiegt, und mein Eigens, rief dieſer. »Ich bin es«, erwiederte Guido mit vor Wuth bebender Stimme, und ſchlug ſich mit dem Eiſenhandſchuhe vor die be⸗ helmte Stirne, da trat der Sieger zu ihm hin. »Keinem Böſewichte, ſprach er, biſt du anheimgefallen,

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ich hebe meine Hand zu dem Himmel empor, und ſchwöre, daß ich dein treueſter Freund ſei, dieſer Kampf war nothwendig, denn vom allgemeinen Ver⸗ derben habe ich dadurch dein Leben, und vor der Welt deine Ritterehre gerettet. Nun mußt du mir unbedingt folgen, und nur dann erſt ſollſt du mich kennen lernen, wenn ſich dir die Bahn des Glückes öffnet; hier aber iſt unſeres Bleibens nicht länger mehr. Du biſt auf dein Wort, ſonder Hehl und Trug mein Gefangener, und mir Folge ſchuldig, ſo lange ich es ſonder Gefährde deines Lebens und deiner Ehre für gut befinde. |

»Ich bin es«, erwiederte ſeufzend Guido, nahm nur einige höchſt nöthige Staͤrkung zu ſich, beſtieg den Wagen, und abermal ging es im ſchärfſten Trotte vorwärts; jede Heerſtraße wurde vermieden, nur durch Waldungen und über Feldwege ging der Zug, und nur in dußerſt abgelegenen Herbergen ſprachen ſie ein, die nöthige Nahrung zu ſich zu nehmen.

Man kann ſich Guido's Lage denken; er war Gefangener, obwohl ihn alle mit der größten Achtung behandelten, und es ihm nicht im Geringſten an der nöthigen Pflege mangelte, ja man ſchien ſo viel mög— lich, und zwar mit Ehrerbietung jedem ſeiner Wünſche zuvorzukommen. Aber kann es eine ſchmerzlichere Em⸗

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pfindung geben, als ſich ſeiner Freiheit beraubt zu ſehen, und noch mehr in einem Augenblicke, wo die, über welche er als Comthur zu gebiethen hatte, viel— leicht von einer Gefahr ereilt worden ſind, ohne daß er ihnen, feinen Bundesbrüdern, hätte beiſtehen Eonnen ? Durch nichts zu beſiegender Gram nagte in ſeinem Innern, er hielt es unter feiner Würde, feine Ems pfindungen laut werden zu laſſen, aber man bemerkte es nur zu deutlich, wie ſehr unter der Niedergeſchla— genheit des Geiſtes auch ſein Körper leide.

Mit angeſtrengter Eile hatten ſie endlich Dal— matien, und Raguſa erreicht. Der unbekannte ſchwarze Ritter hatte ſich während der ganzen Reiſe nicht ſehen laſſen, endlich aber wurde Guido'n bedeutet, daß ein Schiff ſegelfertig liege, und er es ſich nun gef allen laſſen müffe, die Seereiſe mitzumachen. 5

Guido's Geiſt war gebeugt, sleich einem Kinde am Gängelbande ließ er ſich leiten, er beſtieg ohne Widerrede und mehr maſchinenmäßig, als an die Zukunft denkend, die Galeere, und begab ſich in die ihm angewieſene Kajütte; Alles was ihn umgab, und was noch ferner mit ihm geſchehen konnte, war ihm gleichgültig geworden. Schon einige Tage waren verfloſſen; manchmal hatte er das Verdeck beſtiegen, und konnte aus feinen früheren See-Un—

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ternehmungen gegen die Unglaͤubigen entnehmen, daß das Schiff ſeinen Lauf gerade durch das mittel⸗ ländiſche Meer, und wahrſcheinlich gegen die Inſel Creta nehme, doch ihm war wie geſagt, bereits Alles gleichgültig geworden. Endlich landeten ſie auf Candia; hier hoffte Guido Nachricht von Cypern aus zu erfahren, aber auch dieſe Hoffnung war vergebens, denn kaum war das Schiff mit friſchem Waſſer verſehen, ſo wurden die Anker wieder gelichtet, und die Fahrt ging nach Alexandrien.

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Ein und Zwanzigſtes Kapitel.

wiederſehen.

Sinner noch erhielt Guido Feine Aufklärung über ſeine künftige Beſtimmung. In Alexandrien ſtiegen ſie endlich in einer Herberge ab, und während er ſich nun von dieſer ihm fo äußerſt traurigen Reife in dem ihm angewieſenen Gemache zu erhohlen ſuchte, öffnete ſich die Thüre, und herein trat der unbekannte Ritter, welchen er während der ganzen Seereiſe nicht geſehen hatte, obwohl er ſtets von deſſen Gefährten umgeben und bewacht geblieben war.

Lange, ſprach er haben wir uns nicht geſehen, wir ſind nun auf Afrikas Boden, und die Zeit iſt gekommen wo ich dir Aufklärung über mein Be— nehmen geben kann. Mein Gefangener warſt du, doch von dieſem Augenblicke an gebe ich dir deine Freiheit wieder. Bevor du mich aber kennen lerneſt, hoͤre

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meine Gründe an, warum ich fo und nicht anders an dir handeln konnte. Wiſſe alſo, du haſt aufgehört, Templer zu ſeyn, denn nicht nur aufgehoben, ſondern gänzlich vernichtet iſt dein Orden dir und mir kömmt es nicht zu, die Grundurſachen zu unterſuchen ein ſchreckliches Gericht iſt in allen Ländern über euch er— gangen. Molay und viele ſeiner Vertrauten erlit— ten in Frankreich den Feuertod allenthalben, wo eure Beſitzungen waren, wurden dieſe in einer Nacht eingezogen, und ihre Bewohner dem Schwerte ge— opfert euer Bund iſt nicht mehr. Auch dir ſtand glei— ches Schickſal bevor, auch der Tempelhof, in welchem du zu befehlen hatteſt, wurde in der Nacht überfallen. Ihr konntet der Uebermacht nicht widerſtehen, und an der Stätte, wo ich dich in dem entſcheidenſten Au— genblicke, zu deiner Retrung gefangen nahm, ſtarben deine Gefährten, als ihrem letzten Zufluchtsorte, den Heldentod durch Feindesſchwert. Gerne würdeſt du dieſes traurige Loos mit ihnen getheilt haben, doch Beſſeres iſt dir noch vom Sickſale beſchieden, als in einem Kampfe ohne nützlicher Folge dein Blut aus: zuſtrömen. Ich war zum Werkzeuge der Rettung auserſehen, nur gewaltſam konnteſt du befreit werden, daher ging ich den Kampf mit dir ein, vor welchem du dich verpflichten mußteſt, mein Leibeigen zu werden, um deine Rettung vollenden zu können. —«

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Guido ſaß wie verfteinerr, als ihm aber der Frem⸗ de unwiderlegbare Beweiſe von der gänzlichen Ver— nichtung des Ordens vorlegte, da brach er in laute Klagen aus, und über Molays Schickſal entquoll ein heißer Zährenſtrom ſeinen Augen.

Nach einer langen Pauſe, in welcher ſich fein hefti— ger Schmerz durch Thränen Luft gemacht hatte, und der Fremde theilnehmend und ſchweigend an ſeiner Seite blieb nahm er endlich das Wort. »Wer du ſeyn magſt, ſprach er, ſo bin ich dir wohl hohen Dank ſchuldig für die Erhaltung meiner Ehre bei den viel⸗ leicht noch verſchont gebliebenen Gliedern des Ordens, denn als Gefangener konnte ich nicht theilnehmen an dem Kampfe für unſere Rettung aber daß du mich hinderteſt, an der Seite meiner Brüder zu fallen, daß du mich neuerdings einem Leben Preis gabſt, wel— ches ich ſchon ſo lange als eine unerträgliche Laſt mit mir herumſchleppe, dafür bin ich dir keinen Dank ſchul— dig, denn als mein böfefter Feind haft du an mir gehan— delt der Orden iſt vernichtet, und ich ſtehe wieder fo einſam in der Welt, wie ein Baum in Afrikas Wü— ſten; ach für mich hat ſchon ſo lange dieſe Welt keinen Reiz mehr, und ich würde die Hand ſegnen, welche mich zur ſo lange entbehrten ewigen Ruhe für: dert.

»Meiſtere die Verfügungen des Schickſales nicht;

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unerforſchlich find ſeine Wege, und da wo ſich dem Pilger durchs Leben nur ein ſchrecklicher Abgrund zu öffnen ſcheint, kann ein Wink der Vorſicht das Schauer: gemälde zum blühenden Eden umwandeln.

»Mir kann kein Freudenblümchen mehr ent— ſproßen, des Todes kalte Hand hat die blühenden Zwei— ge meines Glückes entlaubt, und zur ſchrecklichen Wü⸗ ſte iſt das Eden geworden, welches mir fo reizend ent: gegen lachte. a 5

„Keine Freude blüht dir mehr?«

»Hat je ſchon das Grab fene Opfer zurückge⸗ geben

„Kann denn ka auch die Blume, welche der Schwall des Waſſers zu Boden drückt, wieder zum neuen Leben empor keimen? O mein Guido, wie un— erforſchlich find die, ſtets zun Guten leitenden Wege des Schickſals.

»Wer biſt du Gewaltiger, an deſſen Schild mein erprobtes Schwert wie Spreu zerſplitterte?«

„Oft wird die Stärke durch magiſche Kunſt beſiegt.«

»Wer biſt du, der nun, gleich dem Spiegel der Fantaſie mir ein Gemälde vorzaubern will, deſſen Möglichkeit meine Sinne nicht faßen können

»So erkenne denn deinen bisher ſcheinbaren Feind, ſprach der Fremde, nahm den Helm ab und Guido glich einem Marmorbilde vor Staunen „da er Zorai—

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tens Vater, den Greifen Giafar vor ſich ſah; feine ganze Beſinnung ſchien entwichen zu ſein, bis er ſich endlich wieder in des Alten zärtlichen Umarmungen erholte. »Ueber Manches, ſprach er, bin ich dir Aufklaͤrung ſchuldig durch die wohlthätige Hilfe herbeieilender Landleute wurde ich dem Tode entrißen, und mitleidig bis zu meiner Wiedergeneſung gepflegt ich verließ das Vaterland, welches ſtets undankbar an mir ge— handelt hatte, mit dem feſten Entſchluſſe, mein Le— bensende bei meinen Brüdern in den Pyramiden zu erwarten. Dein Schickſal blieb mir nicht verborgen; denn durch die ganze Welt verzweigt ſind wir ſtillen Thalbewohner; ich erfuhr, daß du nur zu ſchnell dich dem Orden einverleibt habeſt, aber ich wußte deſſen in Frankreich geſchmiedeten Sturz früher, als es ſelbſt die Wiſſenden eures Bundes ahnden konnten; für mich alſo warſt du, den ich zu meinen Liebling erſehen hatte, dem ohngeachtet nicht verloren. Noch einmal verließ ich deinetwegen meinen ſtillen Aufenthalt, noch einmal begab ich mich in das Getümmel der Welt, und hatte Eile nöthig, da ſich immer mehr und mehr die Un— glücksſchwangeren Wolken ober euren Häuptern häuf— ten. Als ich in deiner Nähe ankam, war mir Gewißheit von dem Verderben, welches ſchon nach dir ſeine Hände ausſtreckte durch meine Verbindungen

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und die vielfachen Mittel, welche ich in Händen habe, gelang es mir, nicht nur treue Diener um mich zu ſammeln, ſondern auch alle Wege auszuſpüren, wel: che zu deiner Rettung nothwendig waren. Nun biſt du frei wohin willſt du dich nun wenden, da dir ſelbſt die Eingangsthore in dein Vaterland durch Hein— richs Machtſpruch verſchloſſen ſind? Ich will dir eine neue Bahn bezeichnen. Reiſe mit mir nach Cairo freundlich wirſt du unter meinen Brüdern aufgenom— men werden, in unſerm verborgenem Aufenthalte kennt man Kabale und Verfolgung nicht, und in ſtiller Ruhe und Erforſchung der Weisheit ſchwinden unſre Tage fo fanft dahin, wie der Silberbach durch die blumige Flur ſich ſchlängelt

»Du ſprichſt aus meinem Innern, erwiederte Guido, doch nur eine Frage geſtatte mir noch, welche ich lange ſchon während deiner Erzählung nur mühſam unterdrückte. Iſt dir Vielwiſſender nicht bekannt, wo Zoraidens Leichnam ruht, um an ihrem Grabe meine letzten Lebenskräfte zu verhauchen?«

»Wenn Regenwolken uns den lieblichen Abendſtern entziehen, und uns nicht mehr fein buntfaͤrbiger Feuer glanz entgegen flimmern kann, iſt er darum auf immer unſeren Augen entzogen, und wird er nicht, wenn die düſteren Schleier entſchwinden, uns in er— neuertem Glanze entgegenſchimmern?

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»Ich begreife dich, jenſeits erſt find wir fähig den Urquell alles Lichtes anzuſtaunen, jenſeits erſt werden wir uns in Welten wieder finden, für deren Urſprung unſere Sinne keine Faſſungskraft haben. O leite mich nach dem glücklichen Thale deiner Brü— der dort will ich meine Tage vertrauern, und langſam dahin welken, wie die Blume, deren Wurzel ein giftiger Wurm durchnagt; dann wird Zoraide mich einführen in das Land der Wiedervereinigung.«

»Ihr ſollt vereint werden auf ewig, doch nun laſſe auch den ermüdeten Körper ſeine Rechte, und wiege dich ein, in ſüße Traumbilder der Zukunft. «

Schon am folgenden Tage war auf Giafars Ge— heiß alles zur Reiſe bereitet Sonder Gefährde gelangten ſie zu dem ruhigen Aufenthalte der Weiſen, doch war es Guidon nicht gegönnt, das Innere ihrer Wohnungen zu ſchauen; unter einem Zelte war in dieſer romantiſchen Gegend ſein Aufenthalt, und ſei— ne Zeit verſtrich in dem Umgange mit Giafars Freun— den. Einige Tage waren verſtrichen, da luſtwan— delte der Greis mit ihm auf den Abhängen der nahen Hügel. »Mein Guido, ſprach er, ich habe dich zwar ſchon vielfach erprobt, doch nun wird ſich auf's Neue zeigen, wie dein Herz fühlt. Bereite dich vor, Jeman— den zu ſehen, der fo tief in deine Verhaͤltniſſe griff, daß alles was ſeither mit dir vorging, eine Folge hie:

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von war nun ſchreite mit mir zu jenem Hügel, und du wirſt Perſonen finden, welche du hier nie vermuthen konnteſt. Sie umgingen das Buſchwerk des Hügels, da kam ihnen ein Mann mit einem Weibe entgegen. »Mein Guido, rief er, o mein geliebter Guido« und ſein Jugendfreund Oskar lag in ſeinen Armen. Lange währte der Freudentaumel des Wiederſehens da ergriff Giafar feine Hand, »blicke auf Guido, ſprach er, dort harrt noch eine reu ige Sünderin nach ſtrenger Buße deiner Verzeihungs Guido nahte ſich, und erkannte Arabellen Giafar hatte die beiden Ver— bannten mit ſich in feinen ruhigen Aufenthalt genom— men, Arabelleus Herz hatte ſich hier wieder zum Gu— ten geneigt, und Oskar lebte glücklich in ihren Armen. Reumüthig flehte fie Guidon um Verzeihung der erlittenen Unbilden er ſchauderte zurück, denn in ihr ſah er Zoraidens Mörderin, aber ſie hatte ja nach Giafars Verſicherung ſtrenge gebüßt, er reichte ihr die Hand zur Verzeihung, und druͤckte ihr den Kuß der Verſöhnung auf die Stirne. Gerührt ſchloß ihn Giafar in feine Arme. »Des Menſchen höchſte Tugend ſprach er, iſt ſeinen Feinden zu verzeihen, und nun erſt biſt du würdig des dir neu aufblühenden Glückes.« Mit dieſen Worten klatſchte er dreimal in die Hände, Guido fühlte ſich von zarten Armen umſchlungen, und blickte rückwärts. »Zoraide, rief er, und ſank beinahe

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feiner Sinne beraubt zu ihren Füßen hin. Vater Giafar hob dankend feine Hände gegen Pimmel, Oskar und Arabella ſchloßen ſich theilnehmend an die zärtliche Gruppe.

Erſt als er ſich erholt, als er erfahren hatte, daß Zoraide mit ihren Kleidern in Geſträuch verwickelt von herbeieilenden Leuten den Wellen entriffen und zu ihrem Vater gebracht wurde, erſt jetzt ſchwand gleich einer ſchwarzen Wetterwolke die Laſt des Kummers von ſeinem Herzen, und er begann wieder, ſich ſeines Dafeins zu erfreuen. Jahre verſtrichen in glücklicher Liebe und Freundſchaft, doch bald forderte das uner⸗ forſchliche Schickſal Giafarn und Zoraiden in eine beſ— ſere Welt; Guido ward nach ihrem Verluſte plötzlich unſichtbar im Thale, er wanderte nach Deutſchland zurück, wo er nach einigen Jahren in einem Kloſter, müde des Lebens, in frommer Andacht verſchied.

In der Carl Haas'ſchen Buch⸗ handlung in Wien, ſind auch noch nachſtehen— de Geiſter- und Ritter⸗Romane erſchie⸗

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Das Köhlermädchen aus dem Dornbacherwalde, oder: die unterirdiſchen Gewölbe in Kloſterneuburg. Von Ludwig Dellaroſa. Mit 1 Titelkupfer. 8. geh. 48 kr. C. M.

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Angelion, der Zauberer in Elis. Ro mantiſche Geſchich⸗ te ſeltſamen Inhaltes. Mit Kupf. 8. 36 kr.

Appel, der böſe, von Witzthum, oder der Greis Loma. Ritter und Geiſterroman, 2 Thle. mit Kupf. und Vign. 8. 1 fl.

Arbigar, der graue Wanderer, oder Laſterſtrafe und een, Ritter⸗Roman. Seitenſtück zum ſchwar⸗ zen Ritter. 2 Thle mit Kupf. und Vign. 8. 48 kr.

Baczko, L. v., Legenden, Volksſagen, Geſpenſter— und Zaubergeſchichten. Mit Kupf. 3. broſch. u fl.

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Dittmar von Arnſtein, oder die Rächer in der Tod— tenhalle. Von L. Dellaroſa. 2 Thle. Mit Kupf. u. Vign. 8. 45 kr.

Donauweibchen, das, eine romantiſche Geſchichte der Vorzeit. Mit einem Kupfer. 8. broſch. 36 kr.

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Fauſt, der große Mann, und deſſen Wanderungen mit dem Teufel durch die ganze Welt bis in die Hölle. 2 Thle. Mit Kupf. und Vign. 8. ı fl.

Findling, der böſe, oder der Schauerthurm. Ritter— Roman. Mit Kupf. und Vign. 8. 36 kr.

Fiſchermaͤdchen, das, oder Ereigniſſe am Mäbelſtein. Mit Kupfer und Vign. 8. 40 kr.

Geiſt, der, des Brunnens, oder Reinſteins Fall. Eine Sage aus den Gräuelzeiten der Vorwelt. f Kupf. 8. 40 kr.

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Geſtalt, die blutende, mit Dolch und Lampe, oder die Beſchwörung im Schloſſe Stern bey Prag. Mit Kupf. und Vign. 8. 1 fl. e

Guntram's Schatten um Mitternacht. Eine . geſchichte aus dem 12. Jahrh. 8. 2 Bde. 45 kr.

Heidenſchuß, der. Eine romantiſche Geſchichte aus der Zeit der letzten türkiſchen Belagerung Wien's. Mit Kupf. 8. broſch. 24 kr.

Höhle, die, des alten Kinderfreſſers, oder die rothen Brüder. Roman. Mit Kupf. und Vign. 8. 42 kr. Hugo von Warnik, Zerſtörer des grauen Bundes, oder die Ruinen von Eisgiebel. Eine Geiſtergeſchich—

te des 14. Jahrhunderts. 2 Thle. Mit K. 8. 48 kr.

Janoſch, der ſchwarze, oder die geheimen Gewölbe von Venedig. 12. br. 40 kr.

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Marnor, der Schreckenvolle, und das Mädchen im Löwenthale. Nomantifhes Gemälde. Mit Kupfer.

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Marſch, E., die Spinnerinn am Kreuze. Eine roman?

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2. Aufl. broſch. 42 Er der Thurm zu Raucheneck oder der Talismann. Romantiſche Volksſage. Seitenſtück zu obigem Mit Kupf. 8. br. 48 kr. ;

Mitternachtsſtunde, die fi ſchreckenvolle. Geiſtergeſchich— te aus dem 12. Jahrhundert. Mit Kupf. und Vign. 8. 36 kr.

Moritz von Tannenhorſt, der Verſteinerte, oder die Eulenhöhle. Ritter⸗ und Geiſtergeſchichte. Mit Kupf. und Vign. 8. 48 kr.

Pleyer Martin, der Kreuzfahrer wider Willen, oder das Amazonenſchloß auf der Halbinſel Morea. Er: zählung aus dem 13. Jahrhundert. 12. geh. 36 kr.

Poltergeiſt, der, im Brühler-Walde. Eine Wunder— geſchichte der öſterreichiſchen Vorzeit. Mit Kupfer. 8. broſch. 48 kr.

Ritter Brendt's Geiſt, oder das Zauberſchwert. Geis

ſtergeſchichte aus der boͤhmiſchen Vorzeit. Mit Kupf. und Vign. Neue Aufl. 8. ı fl. |

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Schlangenritter, die, eine Geiſtergeſchichte aus den Zeiten der Kreuzzüge. 2 Thle. 8. 1 fl. 12 Er.

Todtenfackel, die, oder die Höhle der ſieben Schlä— fer. Ritters und Geiſter-⸗Roman. Mit Kupf. und Vign. 8. 1 fl.

Udo der Stählerne, oder die Ruinen von 9 0 2 1 Niederſächſiſche Volksſage. Mit Kupfer. 8 .

Wallrab von Schreckenhorn, oder das Todtenmahl um Mitternacht. 8. 1 fl.

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