TU - MEERESKUNDE 9-8 ef t 10 VMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE ZUM VERSTÄNDNIS DER NATIONALEN BEDEUTUNG VO OBA MEER UND SEEWES1 HEFT 94 NACH DEUTSCH-NEUG VON DR. WALTER BEHRMANN i * i 1 \i * V ' » iw t^3 ^LijI" lg By SSBflBHKaaf ™l Bfcs ^#" 8. Jahrgang 10. Heft BERLIN 1914 ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN KÖNIGLICHE HOFBUCHHANDLUNG KOCHSTRASSE 68-71 ^ MEERESKUNDE ^ SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE Bisher erschienen folgende Hefte: Zur Einführung. Das Museum für Meereskunde. Von Prof. Dr. A. Penck. Die Meeresräume, ihre Wasserfüllung und ihre Küsten. Flaschenposten, treibende Wracks und andere Triftkörper in ihrer Bedeutung für die Enthüllung der Meeresströmungen. Von Prof. Dr. 0. Krümmel. Das Eis des Meeres. Von Dr. L. Mecking. Die deutschen Seeküsten in ihrem Werden und Vergehen. Von Dr. Fr. Solger. Die Küste der englischen Riviera. Von H. Spethmann. Unsere Kalisalzlager, ein Geschenk des Meeres an den deutschen Boden. Von W. Stahlberg. Der Deichschutz an Deutschlands Küsten. Von Dr. Walter Behrmann. Der Golfstrom in seiner historischen, nautischen und klimatischen Bedeutung. Von Dr. Ludwig Mecking. Meer und Küste von Rügen bis Alsen. Von H, Spethmann. Tier- und Pflanzenwelt des Meeres. Über marine Sedimente und ihre Benutzung zur Zeitbestimmung. Von Dr. G. Braun. Die Meeressäugetiere. Ihre Stammesgeschichte. Von Prof. 0. Abel. Die westindischen Korallenriffe und ihr Tierleben. Von Dr. R. Hartmeyer. Das Reich des Todes im Meer. Von Walter Stahlberg. Tierische Wanderungen im Meere. Von Prof. R. Woltereck. Die Scholle, ein Nutzfisch der deutschen Meere. Von Dr. V. Franz. Gefiederte Bewohner des Meeres. Vögel des Atlantischen Ozeans. Von Dr. K. Wenke. Das schwimmende Leben der Hochsee. Von Dr. G. H. Fowler. Tierisches Licht in der Tief see. Von Prof. Dr. E. Mangold. Neue Forschungen über die Biologie der Tiefsee. Von Professor Dr. F. Doflein. Die zoologische Station in Neapel. Von Prof. Dr. Armin v. Tschermak. Wehr und Schutz der Meerestiere. Von Dr. L. Glaesner. Geschichte, Entdeckungsgeschichte, Seekriegsgeschichte. Die deutsche Handelsmarine im 19. Jahrhundert. Von Dr. W. Vogel. Die Anfänge der Nordpolarforschung und die Eismeerfahrten Henry Hudsons. Von Dr. P. Dinse. Zeitalter der Entdeckungen und die Beteiligung der Deutschen daran. Von S. Günther. Der Seeraub. Eine geographisch-historische Skizze. Von Dr. P. Dinse. Die Kontinentalsperre in ihrer geschichtlichen Bedeutung. Von Rob. Hoeniger. Nordische Seefahrten im früheren Mittelalter. Von Dr. W. Vogel- Die Abschaffung des britischen Sklavenhandels im Jahre 1806/07. Ein Kapitel aus der britischen Schiffahrtspolitik. Von Dr. Franz Hochstetter. MEERESKUNDE SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE ZUM VERSTÄNDNIS DER NATIONALEN BEDEUTUNG VON MEER UND SEEWESEN ACHTER JAHRGANG ZEHNTES HEFT Nach Deutsch -Neuguinea. Von Dr. Walter Behrmann. s waren Tage edelsten Genusses, von denen ich heute berichten darf. Hinter uns lag die Zeit nervösen Hastens und sich drängender Arbeit, galt es doch, in kürzester Zeit eine große wissenschaftliche Expedition auszurüsten, die das Reichs-Kolonialamt zur Erforschung weiter unbekann- ter Strecken Neuguineas aussenden wollte, mußten doch nebenher viele laufende Arbeiten abgeschlossen werden. Weihnachten 1911 waren wir mit allem fertig. Kisten über Kisten, mit den verschiedenen Streifen bemalt, die sich die einzelnen Wissenschaftler ausge- sucht hatten, waren abgesandt, die große Arbeit der Vorbereitung war pünktlich fertig geworden, und als wir am 28. Dezember 1911 Genua mit dem Reichs- postdampfer ,,Derfflinger" verließen, hatten wir nichts mehr zu sorgen. Vor uns lag eine verlockende Aufgabe. Uns sollte das Glück beschieden sein, was heute nur noch wenigen Sterblichen zuteil wird, völlig unbe- kannte Gebiete zu erforschen und mit gänzlich unbe- rührten Völkerschaften in Verbindung zu treten. Und auf der Fahrt hinaus konnten wir weite Zonen der Erde berühren und die Wunder der Subtropen und Tropen, Ägyptens, Arabiens, Indiens und der Südsee auf unser trunkenes Auge wirken lassen. Endlich konnte der Geo- graph, der sonst nur in Büchern weite Erdräume durch- Meereskunde, Vorträge. VIII. Heft 10. \ 2 Meereskunde. reisen muß, sich selbst auf den Weg machen. Alles, was theoretisch an Wissen aufgespeichert war und was nur zu oft auf einem Vertrauen auf die Beobachtungs- gabe anderer beruht, konnte selbst nachgeprüft werden, und so ein tiefer Wunsch langer Studienjahre in Erfül- lung gehen. Dabei traten wir die Reise an als ein Kreis gleichgesinnter Wissenschaftler, die ein Band echter Kameradschaft umschloß, das alle Mühen fast zwei- jähriger Forscherarbeit überdauern sollte. So wollen wir denn die Reise im Geiste noch einmal zurücklegen von Genua über Suez nach Ceylon und Singapur und über Hongkong und die Philippinen nach der Südsee. Wir wollen auch am Schluß noch die wichtigsten Plätze unserer deutschen Kolonien in der Südsee berühren. Für die eigentliche For- schungsreise ins Innere aber bleibt heute keine Zeit mehr übrig. Am 28. Dezember 1911 brachen wir von Genua auf und erreichten am kommenden Tage nach einer Fahrt an der Küste Italiens entlang, während der wir in der Ferne Rom, die Sabiner Berge und alle bekannten Plätze Italiens sahen, Neapel. Neapel hat durch den letzten Ausbruch des Vesuvs an Schönheit sehr ein- gebüßt. Die Zierde des Golfes, der Vesuv, hat, nach- dem er im April 1906 bei dem letzten großen Aus- bruch seine Spitze verloren hat, nicht mehr die schöne malerische Form wie vordem. Das Leben Italiens ist oft genug geschildert worden. Wir wollen uns im Mittelmeer nicht lange aufhalten, sondern an Calabriens Küste entlang durch die Straße von M e s s i n a eilen. Calabrien zeigte uns die Spuren jugendlicher Hebung in gleichmäßigen Strandterrassen bis hinauf zu den Bergen; Messina hatte sich noch nicht von den Nachwirkungen des Erdbebens erholt, noch Nach Deutsch-Neuguinea. 3 sahen wir eine weite Barackenstadt vor uns. Schön hob sich vor der untergehenden Sonne die gleichmäßige Form des Ätna ab. Wir dampften hinaus in das weite Meer, um erst nach zwei Tagen wieder eine unschein- bare Küste zu erblicken. Es war dies die afrikanische Küste bei Port Said. Am Eingang des Suezkanals grüßt uns als erstes Wahrzeichen das Standbild des Erbauers Lesseps. Es wirkt mehr komisch als erhebend. Eine Figur mit theatralischer Bewegung ladet ein zur Einfahrt in den Kanal. Sie steht aber so verlassen in dem weiten Meere, daß sie nicht imponierend wirken kann. Viel schöner sind die vielen Schiffe der Araber, welche mit ihren lateinischen sich überkreuzenden, mit blauen und grünen Streifen und Sonnen bemalten Segeln die Fläche bevölkern. Port Said ist eine der häßlichsten und verkommensten Städte der Erde. Alles Gesindel aus drei Erdteilen findet sich hier zusammen. Aus der kahlen Wüste heraus steigen die schnell zusammen- geschlagenen zwei- bis dreistöckigen Häuser. Man sieht viele Kneipen, viele Gaukler treiben sich umher, und wenn auch im Verhältnis zu früheren Zeiten weit bessere Ordnung herrscht, so ist die Verwaltung doch noch nicht ganz über das hier zusammengeströmte Ge- sindel Herr geworden. Den Reisenden, der aus Europa kommt und noch nicht an asiatisches oder afrikanisches Treiben gewöhnt ist, zieht es besonders zur Araberstadt, zu dem malerischen Schmutz der einstöckigen Häuser, wo die Kinder auf der Straße herumspielen, wo man schachert, wo man schläft, wo schwarz gekleidete tief- verschleierte Frauen einhergehen und vor einem Trauerhause einen Klagegesang anstimmen. Die Schiffe legen in Suez nicht an einem Kai an, sondern bleiben zum Kohlen im Hafen an Tonnen liegen, so daß der 1* 4 Meereskunde. Verkehr mit Booten bewerkstelligt werden muß. Ge- genüber liegen auf der weiten Wüstenfläche große weiße Berge. Es ist dies aufgeschüttetes Salz, welches durch die Verdunstung aus dem Meere ge- wonnen wird. Die Kanalfahrt durch die 160 km lange Landenge von Suez ist oft beschrieben worden. Geradlinig zieht sich der Kanal zuerst am Nildelta dahin, durch einen Leitdamm gegen seine Lagune abgedämmt. Man sieht in den Sümpfen Tausende von Flamingos stehen, die zusammen mit Störchen in der Nähe des Ufers einher- stolzieren. Zwischen Lagune und Kanal führt auf dem Damm die Eisenbahn, die Suez mit Port Said und beide Städte mit Kairo verbindet. Dann tritt der Kanal ein in die einförmige Wüste. Schöner als bei Tage ist die Fahrt bei Nacht, wo jeder Dampfer vorn am Bug yT^ \ X \ -~-.~*MaMM* auU L^Bj^^^^^ ^^m^^g^^w^&m"^^ i -+■' " : "'• ., ■JF^^i'»a*gg" - y«M m Abbild. 1. Einfahrt in den Suezkanal mit dem Lessepsdenkmal. Nach Deutsch-Neuguinea. Abbild. 2. Der Suezkanal im Gebiet der Wüste. einen großen Scheinwerfer trägt. Die weißen Licht- streifen strahlen in die dunkle Nacht hinaus, sie treffen auf die weite Fläche der Wüste. Gespenstig hell er- scheint das Gelb des Wüstensandes, während das tiefe Dunkel rechts und links die Einsamkeit nur noch gigantischer erscheinen läßt. Der Kanal ist nicht breit genug, als daß man ihn in voller Fahrt durch- messen könnte, wir müssen die Geschwindgkeit her- absetzen, damit unsere hohen Wellen nicht das lockere Sandmaterial am Ufer des Kanals hinab- reißen. Kommen uns Dampfer entgegen, so müssen wir als die Hinausfahrenden halten, während die heim- fahrenden Dampfer ungestört ihren Weg zur Heimat fortsetzen können. Wir passieren den großen und den kleinen ßittersee, und dann noch ein Stück Kanal. Endlich wird in Suez gehalten, um den Scheinwerfer abzugeben und die Lotsen zu entlassen. Angesichts des Hafens stürzen 800 bis 900 m hohe Tafelberge steil zum Golf von Suez ab, wie die Wüste, die wir im Suezkanal durchkreuzt haben, völlig vegetationslos. Weithin konnte man die geologischen Schichten der Meereskunde, Vorträge. VIII. Heft 10. 2 6 Meereskunde. Berge verfolgen, welche etwas zu dem Einbruch des Golfes von Sinai geschleppt waren. Nun begann die Fahrt durch das wegen seiner Hitze berüchtigte Rote Meer. Wir aber, die wir um die Jahreswende hindurchfuhren, hatten unter der Hitze nicht zu leiden. Ja, wir hatten die meteorologische Seltenheit zu verzeichnen, daß wir an einem Tage sogar etwas Regen im Roten Meere bekamen. Im Golf von Suez fährt man noch angesichts der Küste. Die einzige Vegetation, die erscheint, ist die Oase der sogenannten Mosesquelle. Sowohl an der asiati- schen wie an der afrikanischen Seite bricht völlig wagerecht gelagertes vegetationsloses Gebirge zum Meere ab. Abwechslungsreicher wird die Land- schaft erst, wenn der scharf gezackte und wild zerrissene Sinai erscheint, der mit seinen düsteren schwarzen Laven gegen das sonnige Gelb der Wüste absticht. Das Rote Meer ist einer der großartigsten Grabenbrüche, die wir auf der Erde haben; und wie sich in dem Grabenbruch des Mittelrheins ein Vulkan, der Kaiserstuhl, emporgedrängt hat, so ist auch der Einbruch des Roten Meeres mit vulkanischen Erschei- nungen verbunden gewesen. Wir erwähnten eben den Sinai. Kommt man weiter in südlichere Breitenzonen jenseits des Wendekreises, so tauchen aus dem Meere einzelne Vulkaninseln heraus. Besonders malerisch fällt uns der Djebel Tair in die Augen, ein kleines vulkanisches Ringgebirge, wo das Meer in das Innere des Kraters hineingedrungen ist und man heute mit Schiffen durch den Krater hindurchfahren kann. Nur eine enge Pforte verbindet das Rote Meer mit dem Indischen Ozean. Die Straße von Babelmandeb ist außerdem noch durch die Insel Perim gesperrt. Wie an allen wichtigen Punkten der Erde, haben sich auch Nach Deutsch-Neuguinea. 7 hier wieder mit großem Geschick die Engländer fest- gesetzt und sperren so durch ihre Forts die enge Meeres- straße. Die Ein- oder Ausfahrt von Meeresstraßen ist meist mit starkem Wellengang verbunden, zumal wenn, wie an der Straße von Babelmandeb, die Richtung der verbundenen Meere wechselt und so verschiedene Windrichtungen aufeinanderstoßen. So hatten auch wir beide Male beim Durchkreuzen dieser riffreichen Abbild. 3. Der Djebel Tair im Roten Meer. und nicht gefahrlosen Straße sehr bewegte See. Wir sahen nunmehr zur Linken das Gebirgsland S ü d - arabiens, welches genau so öde und wüst wie das der afrikanischen Seite erscheint. Die großen Tempe- raturunterschiede bei der intensiven Bestrahlung des Tages und bei der nicht geringeren Ausstrahlung bei Nacht rufen im Verein mit den Winden schroffe Felsformen hervor. Nackte kahle Felsen bilden die Berggipfel; nur dort, wo Wüstensand gleich einer Tisch- decke sich über die Berge breitet, finden wir mildere Formen. Der englische Kriegshafen Aden ist ein vom Meere vollgelaufener Krater; eine große ringförmige Kraterwand verbindet sich mit einem kleineren Krater, 2* 8 Meereskunde. welcher in der Mitte durchgeborsten und halb in die Tiefe gesunken ist. So kann man in der prächtigsten Weise die Schichtung eines Stratovulkans an den Wänden des kahlen Gebirges von Aden studieren. Das Vulkangebirge von Aden wird durch eine wasserlose Wüste mit dem arabischen Hinterlande verbunden, ist aber selbst fast ebenso wasserlos, so daß die Zisternen- anlagen, die das Regenwasser auffangen sollen, eine der größten Sehenswürdigkeiten des sonst nicht sehr Abbild. 4. Die Eselsohren an der südarabischen Küste. sehenswerten Aden darstellen. Wir konnten nicht an Land und bedauerten es nicht sehr. Unsere Fahrt führte uns weiter entlang der Küste des Somalilandes. Wie im Roten Meer, so ist auch diese Küste Afrikas hervorgerufen durch riesenhafte Verwerfungen. Man macht sich nach dem Karten- studium kaum einen richtigen Begriff von der Groß- artigkeit dieser Erscheinung. Man muß erst selber von Suez bis zum Kap Guardafui durch etwa 20 Breitengrade hindurch an dieser Verwerfung entlanggefahren sein, um das Riesenausmaß der Erscheinung würdigen zu können. Kap Guardafui ist ein großer wildzackiger Felsen, welcher des öfteren mit einem ruhenden Löwen Nach Deutsch-Neuguinea. verglichen worden ist. Über ihn breitet sich weit her- unterhängender Wüstensand, der aber doch die schrof- fen Gipfel nicht vollkommen hat verbergen können. Mit diesem letzten Ausläufer Afrikas verließen wir die afrikanische Wüstentafel und damit die Trocken- zone der Erde, wo in reizvollem Gegensatz wasserlose Wüste an die Wasserwüste des Meeres stößt. Jetzt begann die Reise quer über den Indischen Abbild. 5. Aden. Ozean bis nach Ceylon und von dort weiter nach Penang. Man richtete sich auf dem Schiffe allmählich gemütlicher ein; man hatte Bekanntschaften geschlossen. Das schöne Treiben, das auf allen deutschen Passagier- schiffen, insbesondere denen des Norddeutschen Lloyd, gepflegt wird, hatte eingesetzt. Es gab Maskeraden und Bälle. Wettspiele wurden getrieben. Man suchte mit Kissen auf einem Balken sitzend, sich gegenseitig in ein großes Wasserbassin zu schlagen oder auch weniger auf- regende Spiele, wenn man mit Säcken nach einzelnen Zielen wirft. Aber nicht nur der Ruhe und dem Genuß lebten wir, wir wollten auch etwas für die Wissenschaft von unsrer Fahrt heimbringen. So hatte ich denn im 10 Meereskunde. Auftrag des Instituts für Meereskunde eine Reihe von Beobachtungen während unsrer Fahrt durch den Indi- schen und Großen Ozean übernommen, und mein Ex- peditionsgenosse, Herr Dr. Roesicke, unterstützte mich aufs bereitwilligste und aufopferndste. Wir hatten vierstündlich Tag und Nacht eine Bestimmung der Tem- peratur und der Feuchtigkeit der Luft durchzuführen und täglich einmal die Verdunstungsgröße zu ermitteln. Die Windstärke und die anderen meteorologischen Ele- mente konnten dem Schiffsjournal, das auf allen Schiffen geführt wird, entnommen werden. Temperatur und Feuchtigkeit aber galt es über dem Meere mit den ge- nauen Instrumenten zu messen, die wir für unsere For- schungsreise an Bord hatten. Für diese liegt denn nun eine Serie vierstündlicher Beobachtungen vor, die, mit dem Aßmarmschen Aspirationspsychrometer gewonnen, Anspruch auf die größte Exaktheit machen können. Un- sere zweite Aufgabe, die tägliche Verdunstung auf dem Meere zu messen, ist vor uns nur selten ausgeführt worden, und doch spielt die Verdunstung auf dem Meere die größte Rolle im Wasserhaushalt der Erde. Es sei mir erlaubt, auf die wissenschaftlichen Re- sultate dieser Beobachtungen, die schon jetzt von Herrn Kandidaten Wüst im Institut für Meereskunde ver- arbeitet vorliegen, etwas einzugehen. Während der Fahrt durch das Rote Meer hatten wir keinen ausgesprochenen Wind, er wechselte lokal. Mit dem Eintritt in den Indischen Ozean kamen wir in das Monsungebiet, wo der Wind in fast gleich- bleibender Stärke von etwa 3 aus NE wehte, vom kalten Hochdruckgebiet über Asien zur warmen dünnen Luft über dem Ozean. Die Tage waren meist heiter, kaum Regen fiel. Die Bewölkung machte nur etwa drei Zehntel des Himmels aus und steigerte sich selbst Nach Deutsch-Neuguinea. 11 auf dem Stillen Ozean nur bis zur halben Bedeckung des Himmels. Da der Wind auf lange Strecken über das trockene Land geweht war und nur einen kurzen Weg über See zurückgelegt hatte, so war die Feuchtig- keit der Luft relativ sehr gering, besonders im Indischen Ozean, wo sie nur 72 % statt 80 %, wie man im all- gemeinen annimmt, betrug. Die Mittelwerte unserer Beobachtungen sind in der beigegebenen Tabelle zusammengestellt. Anm. : Die zweiten Zahlen be- deuten die Minimal- und Maxi- malwerte der Beobachtungen. Vorherrschende Wind- | richtung und mittlere ; Stärke . . , J Bewölkung I Differenz Wasser minus Lufttempe- \^ ratur f Relative Feuchtigkeit . . ! Verdunstung für den Tag ) in mm / Jährliche Verdunstung ^ in mm / Indischer Ozean Indischer Ozean Rotes Meer Stiller Ozean Südchin. Meer Marian. See 3,3 3,0 1,3 NE-Monsun 2,5 . _ 1,7 3,8 2,0 5,0 0,1 0,8 3,0 2,4 3,7 1,0 3,5 NE-Monsun NE-Monsun 2,5 1,3 11 2 1 6,1 3,8 ' 3,0 4 7 13 5.4 l5 ' 10,0 8.2 0,4 0,8 1,1 0.1 0.1 U 4,2 •» 1,1 70 50 81 72 67 77 2,8 5.3 5,9 „7 6,8 9,1 2150 7,9 78 6,7 2480 75 82 5,0 8,9 2450 81 5.3 79 86 3,7 6,8 2110 Unsere Beobachtungen geben auf das Jahr eine ganz erhebliche Menge von Feuchtigkeit, die von der Atmo- sphäre über dem Ozean aufgesogen wird. Es ent- sprechen die Werte, die sich aus unseren während der Trockenperiode gemachten Beobachtungen er- geben, den Regenhöhen tropischer Feuchtigkeits- gebiete. Für die Zeit des Südost-Monsuns werden sie 12 Meereskunde. natürlich geringer sein, da der Wind längere Zeit über dem Ozean geweht hat und mit Feuchtigkeit stärker be- laden ist. Unsere Werte sind erheblich höher als die von Lütgens theoretisch berechneten, der 1900 mm für den Indischen Ozean annimmt. Der fast konstante Wind während unserer Reise beeinflußte die Ver- dunstung nicht merklich. Wir fanden die größte Ver- dunstung im Roten Meer bei geringer Feuchtigkeit. Gleichzeitig wurden alle 4 Stunden Salzgehalts- proben dem Meere entnommen, welche alle im Institut für Meereskunde titriert wurden. Durch diese exakte Methode konnte eine merkliche Abweichung der Isoha- linen, der Linien gleich Salzgehaltes, von der Dar- stellung von Schott nachgewiesen werden, wurden sie doch bis zu 2 Längengrade östlicher im Indischen Ozean gefunden als Schott sie angibt, d. h. das Meer ist wesentlich salzreicher als angenommen. Im Golf von Suez fanden wir mit 42,5 pro Mille Salzgehalt das Maxi- mum, in der Straße von Malakka wurde mit 30,37 pro Mille das Minimum gefunden. Auf meine Veranlassung setzte der erste Offizier des Norddeutschen Lloyds, Herr Venediger, auf zahlreichen Fahrten zwischen Yokohama und Sidney die Verdunstungs- und Salz- messungen in dankenswerter Weise fort. Unsere im ganzen 250 Salzgehaltsproben, die nach den neuesten Methoden untersucht wurden, stellen, das kann man schon heute sagen, eine wesentliche Bereicherung unserer Kenntnis dar; sie machen eine neue Bearbeitung der Karte der Salzgehaltsverteilung wünschenswert. Unsere Verdunstungsmessungen stellen die ersten Werte aus diesen Erdgegenden überhaupt dar. Doch von der Wissenschaft wieder zurück zu unseren Erlebnissen. Wir landeten nach ruhiger Fahrt durch den Indischen Ozean in Ceylon. Man ist bei dem Nach Deutsch-Neuguinea. 13 ersten Anblick der Küste etwas enttäuscht. Ein flaches Vorland erstreckt sich vor dem 25C0 m hohen Gebirge, welches nur in dämmernder Ferne zu sehen ist. Es flacht sich langsam zum Meere ab und bildet hier La- gunen. Daher kommt es, daß man erst in unmittel- barer Nähe von Ceylon, auf das wir schon bei unseren Temperaturmessungen durch die Kälte des aus der Tiefe des Meeres kommenden Auftriebwassers aufmerksam geworden waren, die flache Küste sieht. Vorbei an kühn sich mit ihren kleinen Auslegerkanus auf das Meer hinauswagenden Eingeborenen fuhr unser stolzer Dampfer durch den Eingang im Wellenbrecher in den Hafen C o 1 o m b o. Es gibt kaum einen größeren Gegensatz als Aden und Colombo. Dort das wildeste und kahlste Gebirge, hier ein flaches Land mit üppigster Tropenvegetation. Dort eine Festung und eine Kohlen- station mit nur wenigen Häusern der Europäer und den schlanken Gestalten der Somali-Neger und jüdisch drein- schauenden Arabern, hier eine reiche, wohlgepflegte Kaufmannstadt, wimmelnd von dem Völkergelriebe Indiens. Der Verwitterungsboden der Tropen ist roter Latent. So ist denn der Boden ganz Colombos rot. Darüber prangt das dunkle Grün üppiger Tropen- vegetation, und zwischen beiden wimmelt das bunteste Leben. Nur mit einem Lendentuch bekleidete schlanke Farbige ziehen schnellfahrende Rikschas. Ernst und feierlich fahren weiße Zebu-Gespanne mit ihren weit ausliegenden Hörnern, geleitet von weißgekleideten Singhalesen, die in ihrem aufgesteckten Haar kronen- artige Schildpattkämme tragen. T a m u 1 e n und Singhalesen sind die Hauptbevölkerungselemente Ceylons, die Tamulen, ein Stamm der Dravidas, die niedere Klasse, mit schlanken schwarzen Glie- dern, meist wenig bekleidet, die Frauen mit gol- Meereskunde, Vorträge. VIII. Heft 10. 3 14 Meereskunde. denen Knöpfen in den Nasenflügeln, die Singhalesen, die feinere und vornehmere Klasse. Wir hatten Zeit genug, die Hauptsehenswürdigkeiten Colombos zu be- wundern. Es ging vorbei an indischen Tempeln, die man nur barfuß betreten darf, vorbei an Teichen, in denen Abbild. 6. Wasserschlucht bei Colombo. die Zebus gewaschen wurden, hin nach dem berühm- ten Ausflugsort Mount Lavini a. Hier sah ich, daß die Abdachungsebene nicht aus reinem Schwemm- land bestand, sondern eine eingeebnete Fläche von tief- gründig verwittertem Gneis darstellte, in die sich ein- zelne Bäche tiefer eingeschnitten hatten. An ihren Ufern trat die ganze Pracht der tropischen Vegetations- fülle zutage. Mount Lavinia ist ein derartiger Gneis- hügel, welcher in das Meer hinausragt. Von ihm hatte ich zum ersten Male den Blick auf Kokoshaine. Diese Nach Deutsch-Neuguinea. 15 wirken dort malerisch, wo der Wind die Stämme zer- zausen konnte, wie am Meeresufer, dagegen einförmig und infolge der glatten Stämme wenig schön, wo sie in den geradlinigen Zeilen der Plantagen sich aufreihen. Am Ufer, wo das Wasser hoch über die einzelnen vorgelager- Abbild. 7. Badende Tamulen in Mount Lavinia bei Colombo. ten Felsgruppen spritzte, vergnügten sich badende Ta- mulenjungen. Für weniges Geld holen uns Kinder Kokosnüsse von den Bäumen herunter. Wir konnten die Auslegerkanus, die wir schon vorher gesehen hatten, bewundern und standen staunend vor diesen primitiven Fahrzeugen, von denen man annehmen sollte, daß jeder Wellenschlag sie zertrümmerte. Leider dauerte unser Aufenthalt in Colombo nur V/2 Tage, dann umfing uns wieder die Wasserwüste, und wir mußten unser Auge erfreuen an den kleinen Abwechselungen des Meeres, 3* 16 Meereskunde. wenn Delphine auftauchten, Wasser hochschleudernde Walfische erschienen oder vor dem Bug des Dampfers schwalbenähnlich silberne fliegende Fische enteilten. Dann erreichten wir die Insel Penang mit ihrer Haupt- stadt George-Town. Penang ist ein guter Hafen auf einer kleinen Insel vor der Halbinsel Malakka, es liegt gegenüber der Insel Sumatra und diesem Umstände verdankt die Stadt ihre Bedeutung. Das Schwemmland Sumatras bietet nämlich keine günstigen Hafenplätze für große Dampfer, Dagegen ist es ja bekannt, daß gerade dieses Land für den Tabaksbau so hervorragende Eigenschaf- ten besitzt. Gegenüber von Penang liegt Deli, welches die berühmten Deckblätter für die Zigarren erzeugt. So liegt die Hauptbedeutung Penangs in der Aus- fuhr des wertvollen Sumatra-Tabaks, der behandelt wird wie das kostbarste Gut. Wenn es regnet, müssen die großen Dampfer mit allen ihren Passagieren liegen bleiben, bloß damit die kunstvoll in Matten verpackten Tabakballen nicht naß werden und so vielleicht der Geschmack der Raucher durch ein paar Regentropfen beeinträchtigt wird. George-Town selbst bietet ein wesentlich anderes Bild als Colombo; zwar auch hier die gleichen schönen Villen der Europäer, welche in prächtigen Gärten mit tropischen Zierpflanzen liegen, auch hier dieselben schön gepflegten Straßen, die die Engländer überall anzulegen wissen, die Bevölkerung aber besteht hier vornehmlich aus Malaien, denen ein großer Prozentsatz Chinesen beigemischt ist. Die Malaien haben eine viel schlankere Körperform als die Tamulen oder Singhalesen; ihre Körperfarbe ist gelber, ihr Haar strähniger, der ganze Gesichts- ausdruck und Körper etwas weichlicher. Wir sollten aber die Leistungsfähigkeit dieser Leute würdigen Nach Deutsch-Neuguinea. 17 lernen, als wir uns im Laufschritt in Sänften auf den 834 m hohen Crag Hill hinauftragen ließen. Bei dieser Tour lernte ich zum ersten Male den Urwald kennen, den Urwald, in dem ich V/z Jahre in Neuguinea zubringen sollte. Ich sah hier die ganze Undurchdringlichkeit des Waldes, die besonders dort hervortritt, wo durch Wege oder durch Kahlschlag 1 \äi \ "\ \ ^ \ m 8 71 . *'•"■■* '.' ~,, ' ~- g «*r ««Ib^MBb. fA Mdfe» "" ~ " ägse-jzzz- -—-' Abbild. 8. Auslegerkanu mit Tamulen in Mount Lavinia bei Colombo. Licht in den Wald hineinströmen kann. Bei den vielen Laubbäumen, die bald schirmartig, bald als dichte runde kugelige Bäume wachsen, fallen die wenigen da- zwischengestreuten Palmen nicht auf. Auf engstem Räume stehen die verschiedensten Arten von Pflanzen zusammen. So hat man trotz der Einförmigkeit des dichten Blätterdaches doch im einzelnen Abwechselung in Hülle und Fülle, insbesondere wenn man sein Augen- merk auf die alles verknüpfenden Lianen und die vielen Epiphyten richtet. Auf der Spitze des Berges genossen 18 Meereskunde. wir nach Osten den Anblick auf die hinterindische Halbinsel, wo nach einem niedrigen mit Mangroven besetzten Küstenland und einem Flachland mit Kultur- zone das dichtbewaldete Gebirge in regelmäßigen Formen ansteigt. Im Westen blickten wir auf das Meer, dessen Horizont in die gleiche Höhe unserer Augen gerückt war und welches bei der senkrecht stehenden Sonne wie ein Opal glitzerte und schimmerte. Unter uns aber, über 800 m tiefer, über den Urwald hinweg, sahen wir den belebten Hafen und die malerischen Dschunken der Chinesen. Zwischen Berg und Stadt schiebt sich als Übergang von der Villenstadt zum Urwald der Bo- tanische Garten ein, dessen wohlgepflegte Gewächse die volle Formenpracht der Tropen bewundern lassen. Die Straße vonMalakka, zwischen Sumatra und Hinterindien gelegen, bietet meteorologisch sehr viel des Interessanten. Die unregelmäßige Erwärmung des Landes und des Wassers ruft häufige Wirbelwinde hervor. So konnten wir nicht weniger als 7 Windhosen zählen. Des Nachts entlädt der wasserdampfgesättigte aufwärts steigende Luftstrom seine Elektrizität in stän- digem Wetterleuchten und Blitzen. Nach einem Tage erreichten wir Singapur, durch die enge Pforte zwischen den Holländischen Inseln und dem englischen Hinterindien. Schmal nur ist die Einfahrt. Die englische Kolonie Singapur liegt an einer der günstigsten Stellen der Erde, dort, wo der ganze Handel von Ostasien, von den Sunda-Inseln, von Australien und der Südsee zu- sammenströmt, um in die große Verkehrsader über Colombo und das Rote Meer geleitet zu werden. So ist Singapur ein Umschlaghafen, aber auch ein Durch- gangshafen allerersten Ranges. Neben den Villen der Europäer, neben den Festungswerken der Engländer den engen Straßen der Chinesen und den als Wohnun- Nach Deutsch-Neuguinea. 19 gen dienenden Dschunken sieht man die Pfahlhäuser der Malaien, welche sich an der Küste hinziehen. Malaien, die auf dem Wasser groß geworden sind, umschwärmen in kleinen Kanus den Riesendampfer, um nach aus- geworfenen Münzen zu tauchen. In Singapur tritt das chinesische Element vornehmlich in den Vordergrund; in den engen Straßen betreiben Chinesen ihre offenen Handwerksläden. Wir bestiegen ein Auto, um in möglichst kurzer Abbild. 9. Pfahldorf der Malaien an der Einfahrt in Singapur. Zeit möglichst viel zu sehen, und fuhren auf prächtigen Landstraßen hindurch durch weite Ananasplantagen, durch Kokoshaine und entlang an den dunkelgrünen Mangroven, die in merkwürdigen Stelzbäumen aus wenig schön riechenden Sümpfen emporragen. Die Insel besteht aus steil aufgefalteten Schichten, welche oben abgeschnitten sind und heute nur ein sanftes, sich wenig aus dem Meer heraushebendes Hügelland bilden. Unser Ziel war die Hauptstadt des Eingeborenen- Vasallen- staates, J o h o r e , die jenseits des trennenden Meeres- armes schon auf der Halbinsel Hinterindien selbst liegt. Wir besuchten den Palast des einheimischen Fürsten, 20 Meereskunde. Abbild. 10. Hongkong. welcher, in reizvoller Umgebung gelegen und mit dem Luxus indischer Pracht ausgestattet, einen merkwür- digen Gegensatz zu den Hütten und verfallenen Häusern des Hauptortes bildet, sowie die Spielhöllen, wo die Chinesen ihrer Hauptleidenschaft, die sie neben dem Opiumrauchen haben, frönten und mit Gleichmut er- staunlich große Geldsummen umsetzten. So hatten wir denn in unserer Fahrt fast den Äqua- tor erreicht und mit ihm, trotz des Winters, die tropische Hitze. Als wir aber jetzt wieder nach Norden fuhren entlang der Küste Cochinchinas und uns Hongkong zuwandten, kamen wir zum letzten Mal in mildere Temperaturen hinein. Die Stadt Hongkong ist in ihrer Lage mit das Schönste, was ich je auf Erden ge- sehen habe. Die chinesischen Gebirgsketten, die fast ganz Süd-China erfüllen und die mit sinischem, d. h. Nordost-Streichen verlaufen, brechen an der Küste ab und tauchen in das Meer unter. So sieht man, bevor man in Hongkong einfährt, einzelne Gebirgsinseln aus dem Meer emporragen, die Inseln werden größer und Nach Deutsch-Neuguinea. 21 schließen sich zusammen in Gebirgszügen, durch die sich der Dampfer hindurchwindet, bevor er in die Meeresstraße hineinfährt, die die Insel Hongkong mit Victoria von dem chinesischen Festlande trennt. Je näher man dem Hafen kommt, desto belebter wird die See. Eine malerische Dschunke, hinten mit dem Ruder bewegt, nach der anderen taucht auf; die Dampfer mehren sich, Leuchttürme erscheinen, Unterseeboote, Kriegsschiffe sieht man, und wenn man um die Ecke fährt, liegt malerisch an dem hohen Pic sich hinauf- bauend die Stadt Hongkong. Man hat Hongkong oft mit Genua verglichen. Der Vergleich ist zutreffend, nur ist Hongkong noch bedeutend großartiger in seiner Lage. Das Leben und Treiben Hongkongs ist viel bunter, mischt sich doch zu dem europäischen Element das chinesische, der Verkehr auf dem Hafen ist reger, haben wir doch in Hongkong denjenigen Hafen Abbild. 11. Blick vom Pic von Hongkong auf die unter- getauchten Gebirgsketten. 22 Meereskunde. vor uns, der den größten Verkehr an Tonnenzahl über- haupt aufweist. Was die Engländer aus der kahlen Felseninsel gemacht haben, ist bewunderungswürdig. Drahtseilbahnen, wohlgepflegte Straßen führen hinauf zu dem prächtigen Aussichtspunkt des Pics, welcher an seinen Flanken schwere Befestigungswerke trägt. Von oben blickt man hinunter auf die Stadt, auf das Gewimmel der chinesischen Dschunken, auf den Hafen mit seinem riesigen Verkehr. Man sieht hinüber nach Kaulun, wo die deutschen Reichspostdampfer an großen Kais anlegen. Nach der anderen Seite blickt man auf den weiten Ozean und sieht hier deutlich das schon erwähnte Hinuntertauchen einzelner Gebirgs- züge unter den Ozean. Wir selbst konnten auf der Hinfahrt von Hongkong nur wenig genießen, galt es doch unseren Expeditionsdampfer, die kleine ,, Kolonial- gesellschaft' , zu übernehmen. Dagegen hatten wir auf der Rückfahrt Zeit genug, die Pracht der Stadt und die Gastfreundschaft zu genießen, die unsere Deutschen draußen den Deutschen, die hinauskommen, in so be- wunderungswürdiger Weise stets von neuem gewähren. In Hongkong verläßt man die Hauptpostlinie und mithin die eleganten großen Dampfer des Norddeutschen Lloyd und tritt in eine Nebenlinie derselben Gesell- schaft über, welche zwischen Japan und Australien ver- kehrt, die Philippinen und die deutschen Kolonien anläuft und den Verkehr der Südsee mit der Heimat bewerkstelligt. Die Fahrt von Hongkong nach den Philippinen ist berüchtigt. Die südchinesische See pflegt im allgemeinen stürmisch zu sein, und so war auch auf unserem Schiff im allgemeinen die Tischgesellschaft nur eine sehr kleine. Das Meer beruhigte sich, als Luzon, die größte Philippineninsel, in Sicht kam, auf der in majestätischer Folge ein Riesenvulkan an Nach Deutsch-Neuguinea. 23 den anderen sich reihte, oben wild zerzackt, in har- monischen Linien unten ausklingend und mit Urwald bewachsen. Dicht vor der Hafeneinfahrt nach Manila noch erblickt man einen derartigen prächtigen 1400 m Abbild. 12. Kathedrale in Intramuros, Manila. hohen Vulkan. Dann fährt man, vorbei an der stark befestigten Felseninsel Corregidor, in die weite Bucht von Manila, ein kleines Meer für sich, das gegen den offenen Ozean durch die vorgelagerten hohen Berg- ketten geschützt ist. Manila ist eine Stadt voller Widersprüche. Die alte spanische Kultur mischt sich mit den nüchternen, 24 Meereskunde. praktischen Einrichtungen der Amerikaner. Dazwischen drängt sich das bunte Leben der einheimischen Bevöl- kerung der Philippinen, der Tagalen, einer Misch- bevölkerung mit hauptsächlich malaiischen Elementen. So sieht man im Innern der Stadt noch die alten mittel- alterlichen Festungsmauern der spanischen Stadt, welche den Stadtteil Intramuros umfassen. In ihm liegen alte Kathedralen im Rokokostil neben spanischen Pa- lästen an engen Straßen, viele Mönche sieht man noch heute, das Spanische klingt einem überall noch entgegen. Außerhalb dieser Mauer dagegen liegt die schrecklich nüchterne amerikanische Stadt, wo schnell aufgerichtete Bauwerke, die der Erdbebengefahr wegen alle aus Holz zusammengeschlagen sind, mit geschmacklosen Tele- phon- und Starkstromleitungen wechseln. Der Ameri- kaner ist nicht wie der Engländer in seinen Kolonien der vornehme Herr, er ist vielmehr wie die Eingeborenen nur der arbeitende Mensch. So bietet das Äußere Manilas wenig des Sehens- werten, wenn man nicht sein Augenmerk auf die Be- völkerung richtet, wo die Tagalenfrauen in hellen Blusen mit großen Glockenärmeln durch die Straßen gehen oder auf schwerbeschlagenen Wagen sitzen, die von Wasserbüffeln mit dem merkwürdigen greisenhaften Bart gezogen werden. Auch hier wieder benutzten wir das moderne Beförderungsmittel, das Automobil, und fuhren hinein in die Landschaft. Wohlgepflegte Straßen führen durch die weiten Reisfelder, welche bei unserem Besuch gerade alle überschwemmt waren. Wir kamen dann an die malerischen Flußufer des Pasig, welcher, für kleinere Dampfer noch schiffbar, sich sein Bett durch die wagerecht lagernden Sandsteinschichten gebahnt hat. An seinem Ufer stehen die leichten Hütten der Philippiner, welche aus Bambus und leichten Mat- Nach Deutsch-Neuguinea. 25 tengeflechten gebaut sind. Sie stehen meist im Bambusgebüsch, und das zarte Grün dieser Pflanzen im Verein mit den zierlichen Häusern geben der ganzen Landschaft ein merkwürdiges leichtes und anmutiges Aussehen. Zuweilen fuhren wir vorbei an weiten Klosterruinen, welche jetzt von der tropischen Vege- tation überwuchert wurden. Dann aber ging es in eiliger Abbild. 13. Malaiendorf an der Straße nach Antipollo bei Manila. Fahrt durch lange kilometerweit andauernde Straßen- dörfer, wo man das Leben der Tagalen sich in seiner Ungeniertheit und Offenheit abspielen sah. Nach mehr- stündiger Fahrt erhob sich ein neues Gebirge, eine zweite Kette der Insel Luzon. Wir fuhren über einen großen Schwemmkegel hinauf und kamen in eine tiefe Schlucht des Kalkgebirges. Hier liegen die Wasser- reservoire der Stadt Manila, Monte Albano genannt. Doch nur kurz war unser Aufenthalt, denn der Dampfer verließ noch am selben Tage wieder Manila. Er brachte uns mitten durch die Philippinen hin- durch durch die Straße von St. Bernardino, welche 26 Meereskunde. beiderseits wieder von Vulkanen eingefaßt ist. An den bis zu 200 m hohen Strandterrassen konnte man die jugendliche Emporhebung verfolgen, die hier die Eilande durchgemacht haben müssen. Die Straße wurde oft so eng, daß man an beiden Seiten den schönsten An- blick auf die üppige Urwaldvegetation oder die weiten mit Alang-Alang bestandenen Grasflächen genießen konnte. Nur selten wurde das Landschaftsbild durch Siedlungen unterbrochen. Dann ging es hinaus in den Stillen • Ozean. Die nächste Insel, die wir sehen sollten, war schon deut- sche Kolonie. Es war Jap, die bekannte Insel, auf der die Tele- graphenkabel landen und die da- durch eine große Bedeutung für unsere Kolonien gewonnen hat. Der Dampfer blieb auf der Reede liegen. Von weitem sah man nur die hellen Häuser der Kolonie aus dem Urwald herüberleuchten hinter der Brandungszone, wo das Meer an den Korallenriffen hoch aufspritzte. Wir konnten hier an Bord deutsche Be- amte und Farmer begrüßen, welche auch Eingeborene der Karolinen mit sich führten. In den Adern dieser Eingeborenen muß sehr viel spanisches Blut kreisen. Sie haben eine viel hellere Hautfarbe als sämt- liche Eingeborenen, die ich sonst in der Südsee gesehen habe; ihr Haar ist nicht wollig, sondern strähnig; un- geniert kämmen sie mit langen Holzkämmen ihr schönes langes Haar, um es dann aufzustecken. Besonders auf- fallend ist bei ihnen eine Verstümmelung, die auch in der Südsee des häufigeren betrieben wird, die Ver- Abbild. 14. Mann aus Yokomok bei Jap mit erweiterten Ohr- läppchen. Nach Deutsch-Neuguinea. 27 größerung der Ohrläppchen durch Einstecken von Holz- pflöcken, so daß sie den herunterhängenden Hautlappen ganz über das Ohr herüberziehen können. Wir fuhren weiter zu der Koralleninsel Maron. Von weitem sah man nur wenige Kokosnüsse über den Abbild. 15. Möwen auf einer Atollinsel bei Maron. weiten Ozean hinausragen, und hinter ihnen in einer Entfernung von mehreren Kilometern eine kleine höhere Vulkaninsel, die aber schon durch die Atmosphärilien zu runden Hügeln erniedrigt ist. Als wir durch eine Lücke des Korallenriffs in die Lagune hineingefahren waren, trennte uns rings wilde Brandung von dem be- wegten Meere draußen, während wir im ruhigen Innern lagen. Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Konsul Walens, welcher eine ausgedehnte Kokosnußplantage sein eigen nennt, war es uns möglich, einen tieferen 28 Meereskunde. Einblick in dieses Eiland zu gewinnen. Wir fuhren hinaus zu dem Korallenriff, sahen beim Näherkommen durch die Flut die herrlichen buntfarbigen Korallen- stöcke unter uns, zwischen denen ein buntes Tierleben wimmelte, und betraten die höchstens 100 m breite ganz flache Insel. Auf ihr standen nur sehr wenige Bäume, aber Möwen in schier unzähligen Mengen umkreisten die Insel. Die Möwen waren so zutraulich, daß wir sie aus allernächster Nähe photographieren konnten. Man kann es bei diesen ungeheuren Tiermengen wohl verstehen, daß man die reichen Phosphatlager auf einigen der Südsee-Inseln auf die Umwandlung zurückführt, die der Korallenkalk durch die Einwirkung des Vogelguanos erleidet, denn auch hier war nicht bloß der Korallen- boden unten weiß von Kalk, sondern auch die ganzen Bäume waren durch die Vögel überkalkt worden. Von der gastlichen Villa des Herrn Konsul Walens auf der zentralen Vulkaninsel genossen wir einen prächtigen Blick über die Kokosnußplantage hinweg auf den Hafen mit dem umgebenden Riff. Noch einen Tag Meerfahrt! Endlich wurde ich des Morgens durch den Ruf geweckt: „Land, Neuguinea in Sicht". So lag denn das Gebiet, nach dem wir uns jetzt gut V/-2 Monate gesehnt hatten, vor uns. Schnell entstieg ich der Kabine, mit Skizzenbuch und Karte bewaffnet, und verglich das, was ich sah, mit dem, was die Karte darstellte. Da zeigte mir schon der erste nur flüchtige Blick bei der Fahrt an der Küste entlang, wieviel noch in Neuguinea zu arbeiten ist. Zwar weiß man etwas darüber, wo das Gebirge sich befindet, über den Verlauf der Kette im einzelnen aber zeigte die Karte auch hier schon ein völlig falsches Bild. Hohe Gebirgszüge im Hintergrunde, niedrige Gebirgsketten vorn, meist mit Urwald besetzt, der nur zuweilen durch Alang-Alang- Nach Deutsch-Neuguinea. 29 Flächen durchbrochen war, so erschien Neuguinea un- seren Blicken. Vor der Insel lag die hohe dem Ätna zu vergleichende Vulkaninsel Karkar. Zwischen ihr und der Hauptinsel hindurch nahm das Schiff seinen Weg. In regenschwere Wolken gehüllt, lag im Hintergrunde das Finisterre-Gebirge. Abbild. 16. Friedrich -Wilhelmshafen mit „Madany" und „Komet" in Neuguinea. Plötzlich wandte der Dampfer rechtwinkelig um und fuhr auf die Küste los; erst kurz vor der Küste kann man zwischen den mit dichtestem Urwald bestandenen Koralleninseln eine schmale Einfahrt entdecken, welche hineinführt in den prächtigen, nicht sehr großen, aber tiefen Hafen von Friedrich-Wilhelmshafen. Das Neuguinea an einzelnen Stellen umgebende Strand- riff ist hier etwas gehoben worden. Die kleine Europäersiedlung von etwa 30 Häusern liegt auf dem eben über das Meer hinwegragenden Korallenriff. 30 Meereskunde. Dieser Boden eignet sich in ganz hervorragender Weise zum Anpflanzen von Kokosnüssen, der ganze Ort liegt in einem malerischen Kokosnußhain. Der Dampfer legt an dem kleinen Pier an, wo Eingeborenen- Soldaten in Reih und Glied aufmarschiert sind und auf kurze Rufe der Polizeimeister herbeieilen, die Taue er- greifen und das Schiff festmachen. Hier sah ich zum ersten Male die Eingeborenen-Be- völkerung, die land- läufig Kanaker ge- nannt wird und in der Kolonie infolge der Anwerbung aus den verschiedensten Regionen bunt zu- sammengewürfelt ist. Pechschwarze Leute aus Buka wechseln mit helleren breit- nasigen Leuten der Gazelle - Halbinsel, kleine aber kräftige Küstenbewohner von Neuguinea gesellen sich zu ihnen. Admiralitäts-In- sulaner mit hochgekämmten verfilzten Haaren vervoll- ständigen das Bild. Der kurze Aufenthalt, den wir nahmen, war völlig ausgefüllt mit dem Ausladen unseres Expeditionsgepäcks, welches die ganze Hälfte des großen Lagerschuppens der Neuguinea-Compagnie aus- füllte. In liebenswürdiger Gastfreundschaft empfing uns der Administrator der Neuguinea - Compagnie, Herr Heine, der uns auch weiterhin auf der Expedition Ge- fälligkeit über Gefälligkeit erwiesen hat. Abbild. 17. Straße in Friedrich- Wilhelmshafen. Nach Deutsch-Neuguinea. 31 Wir erfuhren inFriedrich-Wilhelmshafen den Wunsch Seiner Exzellenz des Herrn Gouverneurs Dr. H a h 1 , uns in der Regierungsstation Rabaul sprechen zu können. So konnte ich die ganze Nordküste N e u - Pommerns abfahren, wo sich backbordseits ein Vulkan nach dem anderen in langer Kette aus dem Meere erhob, dieFrench-Inseln genannt, während Steuer- &£. • Atife. Abbild. 18. Villa Heine in Friedrich -Wilhelmshafen. bordseits das noch fast unbekannte Bergland von Neu- Pommern erschien, das teilweise vulkanisch ist, teilweise aber, wie aus der merkwürdigen tafelförmigen Form zu ersehen war, aus Schichtgestein besteht. Am nächsten Morgen fuhren wir hinein in die Bucht des Simson- Hafen im Norden der Gazelle-Halbinsel, an der Ra- baul liegt. Es ist dies ein riesiger unter das Meer gesunkener Krater von ungefähr 20 km Durchmesser. Am Nordrand dieses Riesenkraters liegen kleinere Vul- kane, die , .Mutter", die „Nord"- und ,, Süd-Tochter" und der Schwefelkrater. So liegt Rabaul mitten in einem noch 32 Meereskunde. intensiv vulkanischen Gebiete. Es tauchte erst im Jahre 1878 mitten aus den Fluten der Simson-Bucht die Vukaninsel auf; zwei Felseneilande im Innern, die „Bienenkörbe", sind wohl als Konus wie der be- rühmte Konus im Mont Pelee aufzufassen. Die ganze Umgebung der Bucht setzt sich zusammen aus den Aus- würflinge der Vulkane, sie ist eine poröse das Wasser durchlassende Tuffhochfläche. Von dem Gipfel der 700 m hohen „Mutter", welche wir in der Hitze eines besonders warmen Morgens durch die baumlose Alang- Alang-Fläche, in der die Glut festgehalten wurde, er- stiegen hatten, genossen wir einen Blick, den man mit einer Mondlandschaft vergleichen könnte, wenn nicht die Vegetation uns an die Erde erinnerte. Wir blickten hinein gerade in den kleinen Schwefelkrater, wo gelbe Dämpfe dem Innern des Vulkans entstiegen. Wir sahen vor uns die von der Erosion nur wenig angegriffenen Bergflanken der „Südtochter", wo aber schwarze Laven mit dem Grün der Grasfläche und der Urwaldvegetation wechselten. Die „Mutter" selbst war ein schon alter untätiger Vulkan, ein Aufschüttungskegel, welcher einem alten zerborstenen Kraterwall jung entstiegen war. Der älteste Vulkan aber war die weiter im Norden liegende „Nordtochter", die über und über mit Urwald bedeckt ist, und in der die Wasser der tropischen Regen schon tiefe Schluchten gerissen und bei dem wechselnden Gestein von Lava und Asche steilwandige Rinnen er- zeugt haben. In dieser Vulkanlandschaft liegt an schönem tiefen Hafen der kleine Regierungssitz des Gouverneurs, eine noch ganz jugendliche Ansiedlung mit geradlinigen Straßen, an denen die luftigen Häuser der Europäer etwas nüchtern aufgereiht sind. Von der Villa des Gouverneurs Namanula, hoch über Rabaul liegend, genießt man einen herrlichen Blick sowohl über Nach Deutsch-Neuguinea. 33 den ganzen Innenhafen als auch über die weite Fläche der See nach draußen. Eine frische Brise tritt hier an die Stelle der stagnierenden Luft über dem Innern des Hafens. So haben sich denn auch alle oberen Beamten der Kolonie in der Nähe dieser Villa auf der Bergeshöhe angesiedelt, während sich unten am Hafen nur die Ge- Abbild. 19. Blick von Jomba nach Bili Bili bei Friedrich- Wilhelmshafen. schäftsräume finden. Das Erdbeben ist hier eine der häufigsten Erscheinungen. So wird der Sitz der Herrns- heim-Kompagnie, die kleine bekannte Insel Matupi, im Innern des Hafens gelegen, fast täglich von einem Erd- beben berührt, liegt sie doch in unmittelbarer Nähe des Schwefelkraters, den wir zu ersteigen die Zeit hatten. Man fährt von der freundlichen Villa des Kompagnieleiters über den schmalen siedend heißen Meeresarm hinweg an das Ufer des Kraters, wo Fuma- rolen dem Wasser und dem Erdboden entsteigen. Dann 34 Meereskunde. ging es steil über die Aschen hinan zu dem etwa 150 m hohen Kraterrand, für uns mit Schuhen ein angenehmes Gehen, für die Schwarzen aber, die auf dem heißen Boden mit ihren nackten Füßen kaum auftreten konn- ten, weniger erfreulich, da die Laven außerdem noch sehr scharfe Spitzen und Ecken haben. Im Innern des Kraters sind besonders die großen Schwefelausdünstun- gen mit ihrer prächtigen Kristallbildung bemerkenswert. Die Tätigkeit des Kraters beschränkte sich bei unserem Besuch auf ein Ausstoßen giftiger Schwefelgase mit etwas Rauchentwicklung. Zur Einübung meiner Jungens und meiner selbst benutzte ich drei Tage, um die Gazelle-Halbinsel zu durchziehen. Ich hatte so Gelegenheit, meine Instru- mente noch einmal zu prüfen, bevor ich in Neuguinea an die wirkliche Arbeit herantreten sollte. Ich lernte gleichzeitig mit schwarzen Jungens umzugehen und mußte mich in der merkwürdigen Mischsprache der Südsee, in dem Pitschin-Englisch, mit ihnen ver- ständigen. Ich gewann außerdem einen Einblick in Land und Leute, Der Weg führte mich auf die Tuffhochfläche, dann entlang des Strandes bis zur Pflanzung des Herrn v, Blumenthal, wo wieder die echte Gastfreundschaft der Südsee an mir geübt wurde. Der nächste Tag endlich brachte mich über die Hoch- fläche der Gazelle-Halbinsel, welche kein ausgesproche- nes Flußnetz besitzt, wo kahle Alang-Höhen mit be- waldeten Mulden abwechseln, bis zur Missionsstation Rakunai, Die Kulturen beschränken sich vornehmlich auf die Anpflanzung von Kokosnüssen. Das sauere Alang- Alang-Gras aber ist der größte Feind der Kulturen, Besonders wenn die Nüsse noch klein sind, kann ihnen das wuchernde Gras leicht gefährlich werden, aber auch bei hohem Stande der Plantagen entzieht das Alang- Nach Deutsch-Neuguinea. 35 Alang dem Boden zuviel Nährstoffe. Es ist daher eine der Hauptaufgaben der eingeborenen Arbeiter, ständig den Boden von diesem Unkraut freizuhalten. Auf dem Wege passierte ich verschiedene Dörfer mit Einge- borenen-Hütten, wo mir von den Dorfhäuptlingen frische Kokosmilch angeboten wurde. Dann ging es auf gut- gepflegten Wegen durch Bananen-, Jam- und Taro- Pflanzungen. Der dritte Tag endlich führte mich nach Abbild. 20. Kokosnußplantage am Weg von Jomba nach Friedrich -Wilhelmshaien. Herbertshöhe, dem ältesten Ort der Gazelle-Halb- insel, wo infolgedessen die Kokosnußplantagen in üppigster Fülle gedeihen. Von hier aus genießt man einen prächtigen Blick, der durch die Palmwedel ein- gerahmt wird, über die Bucht hinweg nach der Vulkan- landschaft von Rabaul. Besonders schön war dieser Blick von der Villa des uns herzlich aufnehmenden Konsul Walens, des Bruders des Besitzers von Maron. Die Abende der kurzen Zeit, die ich an den Hauptpunk- ten der deutschen Kolonie verweilen konnte, waren der Gastlichkeit gewidmet. Die Morgende wurden aus- 36 Meereskunde. gefüllt durch die geschäftlichen Besorgungen, die unsere Expedition erheischte, wenn ich nicht, wie schon ge- schildert, auf Touren und Wegen in das Innere begriffen war. Trotz der glänzenden Aufnahme, die wir sowohl von Seiten Seiner Exzellenz des Herrn Gouverneurs, als der ganzen deutschen Kolonie in Rabaul genossen hatten, freuten wir uns doch, wie endlich der Tag der Abreise gekommen war und wir auf dem schmucken Regierungsschiff ,, Komet" nach Friedrich-Wilhelms- hafen zurückfahren konnten. Vorher aber galt es noch einige Küstenpunkte Neu-Pommerns anzulaufen, wo mir die erste Gelegenheit gegeben wurde, die Eingeborenen ganz in ihrem naturwüchsigen Zustande kennen zu lernen. Die Eingeborenen des Ortes Talangone hatten vor Jah- ren die Nachbarn überfallen, welche schon regierungs- freundlich waren, und diese hatten sich daher um Unter- stützung an die Regierung gewandt, die ihnen bereit- willigst gewährt wurde. Bei einer frühreren Reise waren zur Bestrafung des Dorfes mehrere Männer mit nach Rabaul genommen worden, welche dort gleichzeitig die Sprache der Regierung lernen sollten. Diese brach- ten wir jetzt zu dem Dorfe zurück, nachdem sie ein Jahr fortgewesen waren. Wir wurden daher festlich empfangen. Auf ihren Auslegerkanus mit ihren hohen Aufbauten und dem schöngeschnitzten Schnabel kamen die Eingeborenen uns weit entgegen, und ihre Freude war groß, als die mit Geschenken reich versehenen Männer wieder zu ihnen kamen. Für uns Europäer ist es ein selten komischer Anblick, einen derartigen Schwarzen, welcher eine Zeitlang bei der Kultur ge- wesen ist, in die Heimat zurückkehren zu sehen. Hat er sich doch mit allem Schund, den die Kultur aufzu- bringen vermag, behangen, um seinen Dorfbewohnern zu imponieren. So erscheint er mit einer hellen Schiffer- Nach Deutsch-Neuguinea. 37 mutze, mit langen gelben Schnabelschuhen, mit einer Jacke aus Khaki, hat aber die Beinkleider zu seinem Kostüm vergessen. In dem Dorf selbst wurde den Leuten mitgeteilt, daß es der Wunsch der Regierung wäre, daß sie auf der Insel blieben und nicht mehr Krieg führten, worin sie bereitwilligst einstimmten. Zu Ehren der Europäer wurde an dem Abend ein großes Singsing, ein Tanz, aufgeführt. Zwischen den primitiven Hütten, unter den hohen Bäumen des Urwaldes, bei Be- leuchtung großer Feuer tanzten die Männer hin und her, taktmäßig auf ihren Handtrommeln, den Garamuts, schlagend. Der Tanz ahmte eine Schweinejagd nach, und bald stürzten auch Reihen von Mädchen auf die tanzenden Männer zu, indem sie mit lautem Gequiek das Schreien der Schweine nachahmten. Wir berührten noch einen anderen Punkt Neu- Pommerns, Kilingene, wo wir angeworbene Arbeiter an Land setzten und durch Verteilen von undefinierbar aussehendem Rauchtabak bei Männern und Weibern große Freude erregten. Dann gingen wir nach Finsch- Hafen, um auf dem etwas über 900 m hohen Sattelberg eine meteorologische Station zu errichten, die in un- eigennützigster Weise Herr Lehrer K r o d e 1 der Neu- dettelsauer Mission zu führen übernahm. Am Sattel- berg haben wir eine der merkwürdigsten Stellen der ganzen Erdoberfläche vor uns. Der etwa 1000 m hohe Berg besteht ganz aus Korallenkalk, kann also nur im Ozean entstanden sein. Man sieht noch deut- lich, wie in ganz junger Zeit das Land hier dem Meere entstiegen sein muß, denn wie die Reihen eines antiken Theaters ragen hier die Strandterrassen eine über der anderen mit Alang-Alang bestanden und nur an den steilen Abfällen etwas Gebüsch tragend aus dem Meere heraus. Auf ihnen liegen noch einige los- 38 Meereskunde. Abbild. 21. Eingeborene Weiber von der Vulkaninsel Manam, Neuguinea. gelöste Korallenfelsen mit deutlichen Brandungskehlen, welche zu Zeiten geschaffen wurden, als die jetzt etwa 300 m höhere Terrasse noch von den Wogen des Meeres bespült wurde. Diese großartigen Erscheinungen in Ver- bindung mit dem Vulkanismus, den ich schon oft er- wähnen konnte, zeigen uns, daß wir es in Neuguinea mit einem Land allerjugendlichster Entstehung zu tun haben. Finschhafen besteht aus drei verschiedenen hintereinander liegenden Becken, von denen das letzte allerdings nur durch ein eben überspültes Korallenriff mit dem vorderen Hafen verbunden ist. Dahinter hatte sich gerade bei einer Sturmflut ein Walfisch gefangen, der so eine willkommene Beute der Eingeborenen wurde. Dann brachte uns der ,, Komet" mit dem liebens- würdigen Kapitän Möller zurück nach Friedrich-Wil- helmshafen, wo wir unser Expeditionsgepäck einluden. Nach Deutsch-Neuguinea. 39 Vorbei an Karkar und dem hohen noch tätigen Vulkan Manam ging es zur Mündung des Kaiserin- Augusta-Flusses. Der Vulkan Manam, den wir auf unserer Rückreise besuchten, ist ein echter Stratovulkan mit einem jugendlichen Aschenkegel, der sich aus einem etwas älteren, aber auch noch kaum angegriffenen Kegel heraushebt. Tiefe Barrankos ziehen vom Gipfel des Berges hinunter zum Meere, das durch die Lava- ströme der Ausbrüche der letzten Jahre erreicht wurde. An seinem Fuß sind verschiedene Eingeborenen-Kul- turen. Gegenüber von Manam liegt die Missionsstation und die Station der Neuguinea-Compagnie Potsdam- hafen. Die Anzahl der Europäer in Neuguinea ist noch eine sehr geringe. Die Fläche, die unter Kultur ge- nommen, ist im Verhältnis zur Größe des Landes ver- schwindend klein, wenn sie auch an und für sich schon eine ganz namhafte Stelle in der Kultur einnimmt. So ist hier in Potsdamhafen, wo sowohl die Mission als auch die Compagnie Pflanzungen haben, ein blühendes Plantagenland entstanden, wo, wie fast immer in Neu- guinea, nur die Kokosnuß gepflegt wird. Große Wal- dungen dieses wertvollen Baumes existieren hier. Die Abbild. 22, Potsdamhafen in Neuguinea. 40 Meereskunde. steil ins Meer herabführenden Höhen sind mit geradlinig angepflanzten Bäumen besetzt und machen von weitem den Eindruck eines gepflügten und aufgerissenen Landes. So näherten wir uns endlich unserem Ziele. Weit hinein in den Ozean sahen wir Treibholzmassen, wel- che der Mündung des Kaiserin - Augusta- Flusses entstammten, welcherStrom bis weit- hin das durchsichtige Wasser des Ozeans trübte. Dies also sollte unsere Einfahrtspforte werden in das Innere des Landes, eines Lan- des, das noch völlig un- berührt von der Kultur daliegt, in dem noch nicht einmal die Sage vom Weißen und die Kenntnis vom Eisen bis in alle Teile des Innern gedrungen ist, wo wir noch hohe Kulturzentren der Steinzeit auffinden durften. Auf diesem Kaiserin-Augusta-Flusse sollten wir 19 Monate hausen, von der Kultur völlig abgeschnitten, mit ihr nur durch wenige Dampfer verbunden, die uns Pro- viant und Post brachten. Abbild. 23. Unsere Soldaten. Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW68, Kochstraße 68—71. ^ MEERESKUNDE ^ SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE Die Fahrten eines deutschen Seemanns um die Mitte des 19. Jahr- hunderts. Aufzeichnungen des Segelschiff-Kapitäns G. W. Kroß. Die Schiffahrt auf den Karolinen und Marshallinseln. Von Dr. P. Hambruch. Die Namen der Schiffe im Spiegel von Volks- und Zeitcharakter. Von Dr. W.Vogel. Ein Ausflug nach Sansego in der Adria. Von Dr. L. Glaesner. Deutschlands Lage zum Meere im Wandel der Zeiten. Von Dr. W.Vogel. Handelswege im O stseegebiet in alter u. neuer Zeit. Von C h r. R e u t e r . Ostseehandel und Landwirtschaft im 16. und 17. Jahrhundert. Von Chr. Reuter. Die Nautik im Altertum. Von Dr. Aug. Koste r. Kriegsmarine. Kiel und Wilhelmshaven. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. Kohlenversorgung und Flottenstützpunkte. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. Vierzig Jahre Schwarz-Weiß-Rot. Von Geh. Admiralitätsrat P. Koch. Große und Kleine Kreuzer. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. Die Torpedowaffe. Von Kapitän zur See a.D. R. Wittmer. Kriegsschiffsbesatzungen in Vergangenheit und Gegenwart. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. Unterseebootsunfälle unter besonderer Berücksichtigung des Unfalles auf „U3". Von Fregattenkapitän Michelsen. Die Zusammensetzung und Taktik der Schlachtflotten. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. Die Deutsche Eisenindustrie und die Kriegsmarine. Von P. Koch. Volks- und Seewirtschaft. Die Seehäfen von Marokko. Von Theobald Fischer. Marokko. Wirtschaftliche Möglichkeiten und Aussichten. Von Dr. Joachim Graf v. Pfeil. Die deutsche Hochsee-Segelfischerei. Von H. Lübbert. Der Hafen von New York. Von Professor Dr. Albrecht Penck. Lübeck, sein Hafen, seine Wasserstraßen. Von Dr. Franz Schulze- Lübeck. Eine Wanderung durch altniederländische Seestädte. Von Dr. W.Vogel. Die Freie Hansestadt Bremen, ihre Hafenanlagen und Verbindungen mit der See und dem Hinterlande. Von Baurat Prof. G. d. Thierry. Die Häfen der Adria. Von Dr. N. Krebs. Tsingtau. Von Professor Dr. Albrecht Penck. Auf den Färöern. Von Prof. D. Dr. Edward Lehmann. Der Suezkanal. Von Dr. P. Neubaur. Valparaiso und die Salpeterküste. Von Dr. Rud. Lütgens. Die festländischen Nordsee -Welthäfen. Von Dr. H. Michaelsen. Die deutsche Seekabelpolitik. Von Dr. R. Hennig. «ff MEERESKUNDE SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE ^ Das Meer als Nahrungsquelle. Von Prof. Dr. H. Henking. Kriegsrüstung und Wirtschaftsleben. Von P. Koch. Die großbritannische Hochseefischerei. Von H. Lübbert. Triest und die Tauernbahn. Von Prof. Dr. F. Heiderich. Von Singapur bis Yokohama. Von L. Mecking. San Franzisko. Von A. Rühl. Wohlfahrtseinrichtungen in der Seefischerei. Von F. Duge. Durch die Magellanstraße. Von Gustav Goedel. Überland und Übersee im Wettbewerb. Von Dr. Richard Hennig. Seeklima und Seebäder. Die Heilkräfte des Meeres. Von Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Albert Eulenburg. Land- und Seeklima. Von Dr. A. Merz. Seewesen und Schiffahrt. Der Kompaß in seiner Bedeutung für die Seeschiffahrt wie für unser Wissen von der Erde. Von Dr. Fr. Bidlingmaier. Die Post auf dem Weltmeer. Von 0. Klaus. Die Segelschiffahrt der Neuzeit. Von Prof. W. Laas. Schiffsordnungen und Schiffsbräuche einst und jetzt. Von Dr. Fr. Schulze. Der Dienst des Proviantmeisters. Von Dr. G. W. v. Zahn. Innerer Dienst an Bord. Von Dr. G.W. v. Zahn. Auf einem Segler um Kap Hörn. Von Dr. R. Lütge ns. Nautische Vermessungen. Von Dr. E. Kohlschütter. Sicherheitsdienst an Bord. Von Dr. G.W. v. Zahn. Der Kreisel als Kompaßersatz auf eisernen Schiffen. Von Prof. Dr. H. Maurer. Der Fährverkehr zur See im europäischen Norden. Von Prof. Dr. G. Braun. Auf S. M. S. „Möve". Von Kapitänleutnant Schlenzka. Riesenschiffe. Von Dr. H. Michaelsen. Das Zeppelinschiff zur See. Von Dr. Frhr. v. Gemmingen. Technik des Seewesens. Die Entwicklung der Schiffsmaschine. Von Prof. P. Krainer. Auf einem deutschen Kabeldampfer bei einer Kabelreparatur in der Tiefsee. Von W. Stahlberg. Ferngespräche über See. Von Dr. A. Ebeling. Ausführliche Verzeichnisse mit Abbildungen stehen kostenlos zur Verfügung. Für die nächsten Hefte sind in Aussicht genommen: Politische Probleme des Mittelmeerbeckens. Von Dr. P. Mohr. Der Chilesalpeter und seine Bedeutung in der Weltwirtschaft. Von Dr. A. Hartwig. Die Farbe des Meerwassers. Von Dr. E. Öttinger. Landengen und Meerengen und der Verkehr. Von Prof. Dr. K.Hasser t. D Jedes Heft 50 Pf. Ein Jahrgang von 12 Heften M 5, D Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW68, Kochstr. 68—71.