HEFT 142 T i EERESKUNDE 1*137 — Jg. 12 Heft 10 c. 1 ROBA DER KAMPF DER MINENSUCH- FLOTTIL VON KAPITÄNLEUTNANT - \- ..-;*»', • >••■' HERAUSGEGEBEN VOM INSTITUT FÜR MEERESKUNDE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN BERLIN 1918 / ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN KÖNIGLICHE HOFBUCHHANDLUNG / KOCHSTR. 68—71 12. JAHRGANG, 10. HEFT A PREIS 60 PFENNIG 10 MEERESKUNDE ^ SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE Bisher erschienen folgende Hefte: *Das Museum für Meereskunde. Von Prof. Dr. A. Penck. Die Meeresräume, ihre Wasserfüllung und ihre Küsten. * Flaschenposten und treibende Wracks. Von Prof. Dr. 0. Krümmel. *Das Eis des Meeres. Von Dr. L. Mecking. *Die Küste der englischen Riviera. Von H. Spethmann. * Unsere Kalisalzlager ein Geschenk des Meeres. Von W. Stahlberg. *Der Deichschutz an Deutschlands Küsten. Von Dr. W. Behrmann. *Der Golfstrom. Von Dr. Ludwig Mecking. *Meer und Küste von Rügen bis Alsen. Von H. Spethmann. Tier- und Pflanzenwelt des Meeres. Über marine Sedimente und ihre Benutzung zur Zeitbestimmung. Von Dr. G. Braun. *Die Meeressäugetiere. Ihre Stammesgeschichte. Von Prof. O. Abel. *Die westindischen Korallenriffe. Von Dr. R. Hartmeyer. *Das Reich des Todes im Meer. Von Walter Stahlberg. *Tierische Wanderungen im Meere. Von Prof. R. Woltereck. *Die Scholle, ein Nutzfisch der deutschen Meere. Von Dr. V. Franz. * Gefiederte Bewohner des Meeres. Von Dr. K. Wenke. *Das schwimmende Leben der Hochsee. Von Dr. G. H. Fowler. *Tierisches Licht in der Tiefsee. Von Prof. Dr. E. Mangold. *Neue Forschungen über die Biologie der Tiefsee. Von Professor Dr. F. Doflein. Die zoologische Station in Neapel. Von Prof. Dr. Armin v. Tschermak. Wehr und Schutz der Meerestiere. Von Dr. L. Glaesner. Geschichte, Seekriegsgeschichte, Lebenserinnerungen. Die deutsche Handelsmarine im 19. Jahrhundert. Von Dr. W. Vogel. "'Die Anfänge der Nordpolarforschung. Von Dr. P. Dinse. ''Zeitalter der Entdeckungen. Von S. Günther. "Der Seeraub. Eine geographisch-historische Skizze. Von Dr. P. Dinse. *Die Kontinentalsperre. Von Rob. Hoeniger. *Nordische Seefahrten im früheren Mittelalter. Von Dr. W. Vogel. Die Abschaffung des britischen Sklavenhandels im Jahre 1806/07. Von Dr. Franz Hochstetter. *Die Fahrten eines deutschen Seemanns um die Mitte des 19. Jahr- hunderts. Aufzeichnungen des Segelschiff-Kapitäns G. W. Kroß. Die Schiffahrt auf den Karolinen und Marshallinseln. Von Dr. P. Hambruch. *Die Namen der Schiffe. Von Dr. W. Vogel. *Ein Ausflug nach Sansego in der Adria. Von Dr. L. Glaesner. Deutschlands Lage z. Meere im Wandel der Zeiten. Von Dr. W.Vogel. *Handelswege im Ostseegebiet in alter u. neuer Zeit. Von Chr. Reuter. Ostseehandel und Landwirtschaft. Von Chr. Reuter. Die Nautik im Altertum. Von Dr. Aug. Koste r. Das Seekriegsrecht im jetzigen Kriege. Von Johannes Neuberg. Die südeuropäischen Staaten und unser Krieg. Von Prof. Dr. Alfred Merz. Englands Willkür und bisherige Allmacht zur See. Von Vize- admiral z. D. Hermann Kirchhoff. Triest und Venedig. Von Dr. Leopold Glaesner. * Preis 50 Pf., die übrigen Hefte kosten 60 Pf. MEERESKUNDE SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE ZUM VERSTÄNDNIS DER NATIONALEN BEDEUTUNG VON MEER UND SEEWESEN ZWÖLFTER JAHRGANG ZEHNTES HEFT Der Kampf der Minensuchflottillen1). Von Kapitänleutnant M. Doflein. ls das Institut für Meereskunde an der König- lichen Universität in Berlin im Herbst wegen Abhaltung eines Vortrages über die Tätigkeit der Minensuchflottillen an die Kaiserliche Marine her- angetreten war, wurde ich vom Kommando der Hoch- seestreitkräfte gefragt, ob ich diese Aufgabe über- nehmen wolle. Trotz berechtigter Bedenken, ob ich die hierfür nötige Zeit erübrigen könnte, da ich mich als Chef einer Minensuchflottille in einem Bordkommando an der Front befinde, habe ich mich dennoch mit Freuden be- reit erklärt, das verdienstvolle Vorhaben des Instituts für Meereskunde zu unterstützen, vor allem auch im Interesse meiner im Binnenlande sehr wenig bekannten Waffe. Über die Minensuchwaffe Erklärungen ab- zugeben oder vorzutragen, galt mir und meinen Kame- raden immer als eine schwere, undankbare Aufgabe. Oftmals, wenn ich in See während unserer Tätigkeit überlegte, ob dies oder jenes für den Zuhörer von Wert sein könnte, drängte sich mir schließlich die Frage auf: Wie soll man nur unsere Tätigkeit fesselnd schildern! Es *) Der Vortrag ist am 5. Februar 1918 gehalten worden. , Meereskunde, Vorträge. XII. Heft 10. 1 2 Meereskunde. geschieht ja nichts ordentlich Kriegerisches, im land- läufigen Sinne gesprochen. Es wird nicht erobert, es wird keine Beute gemacht, es werden auch keine Bomben geworfen — im Gegenteil, sie werden beseitigt! Wieviel leichter hat es doch jemand, der von einer erfolgreichen U-Boots-Kriegsfahrt oder von einer Kreuzerjagd im Ozean erzählen kann. Das ist auch der Grund dafür, daß über unsere Waffe von der Front aus wenig geschrieben wird. Gewiß führen auch die Minensuchboote weit draußen in der Nordsee Gefechte mit Kanonen, wenn englische Vorpostenstreitkräfte sie bedrängen. Es ge- hört aber nicht zu ihrer eigentlichen Aufgabe, und ist nur eine angenehme Abwechslung. Da wurde ich plötzlich Mitte September letzten Jahres durch die Ösel-Unternehmung aus meiner Nord- see-Tätigkeit herausgerissen und jagte mit der Flottille nach dem Osten. Bei dieser großen strategischen Flottenunterneh- mung, die zur Eroberung von Ösel; Dago und Moon führte, wurden den Minensuchverbänden wichtige und reizvolle Aufgaben gestellt; und wenn auch an Aus- arbeitung eines Vortrages nun erst recht monatelang nicht zu denken war,, da wir vier Wochen zunächst kaum aus dem Zeuge kamen und das Land nur von Bord aus sahen, so belebte mich doch bei den vielen bedeutsamen Vorkommnissen und Gefechten oft der Gedanke, dies ist der beste Stoff zu einer Schilderung unserer Kampf- tätigkeit. Deshalb will ich mir erlauben, im zweiten Teil des heute Vorzutragenden einige Episoden aus dieser letz- ten und durchaus eigenartigen Offensive, die gegen Rußland durchgeführt worden ist, zu bringen; ich glaube, dadurch das im ersten Teil über Zweck und Bedeu- Der Kampf der Minensuchflottillen. tung der Minensuchflottillen Gesagte in anschaulicher Weise ergänzen zu können. Wenn mein Vortrag nicht formvollendet ist, so bitte ich um Nachsicht unter Berücksichtigung des Umstandes, daß er nur das Ergebnis der knappbemessenen Hafen- ruhetage werden konnte. I. Minensuchen und Minenräumen. Zweck und Ziel der Minensuch- und Minenräum- tätigkeit kann man naturgemäß erst begreifen, wenn man die Mine und ihre Verwendung kennt. Mit der großen Bedeutung, welche die Mine in diesem Kriege erlangt hat, wird auch die große Bedeu- tung der Minensuchflottillen und ihr enger Zusammen- hang mit der ganzen Seekriegsführung klar. Ich muß daher etwas ausholen und vom eigentlichen Feind des Minensuchbootes — der Mine — erzählen. Die Mine ist ein meist kugel- oder eiförmiges Gefäß, annähernd zur Hälfte gefüllt mit einer außerordentlich kräftigen Sprengladung. Das Gefäß kann mit Anker und Ankertau so auf dem Meeresboden verankert werden, daß es später in einem bestimmten Abstand unter der Meeresoberfläche schwebt. Man sagt, die Mine steht 2, 3, 4, 5 usw. Meter unter Wasser, wenn die Oberkante des Gefäßes sich ebenso viele Meter unter der Wasseroberfläche befindet. Wenn das Ankertau der Mine so lang ist, daß die Mine aus dem Wasser heraussieht, spricht man von einem Oberflächenstand, wenn sie dicht unter der Wasseroberfläche steht, von einem Flachstand. Die Mine besitzt eine Zündeinrichtung, mittels derer bei Berührung durch ein feindliches Schiff die Spreng- ladung in ihrem Innern zur Detonation gebracht wird. Hierdurch wird das Schiff mit mehr oder weniger 1* 4 Meereskunde. großem Erfolg, je nachdem, wo die Berührung stattfindet, zerstört. Sinnreich durchkonstruierte feine Apparate sorgen dafür, daß die über Bord geworfene Mine sich voll- Abbild. 1. Inneneinrichtung einer englischen Pendelmine. kommen selbständig so tief unter der Wasseroberfläche verankert, wie es gerade gewünscht wird. Daneben sind an einer modernen Mine noch andere Apparate vorhanden, wie z. B. die Entschärfereinrich- tung, welche dafür sorgen soll, daß eine Mine, die sich von ihrem Ankertau infolge Sturm und Seegang los- gerissen hat und nun herumtreibt auf der Wasserober- fläche, wirkungslos wird. Der Kampf der Minensuchflottillen. Leider hat die Praxis gelehrt, daß solche treibenden feindlichen Minen noch wirksam sind, sie werden daher von allen Streitkräften, wo man sie nur sichtet, mit Ge- schützfeuer vernichtet. In ihren Einzelheiten ist die Mine bei allen Nationen ganz ver- schieden durchkonstruiert, und bei jeder gibt es wieder mannigfaltige Arten und Größen, je nach dem Zweck, zu dem sie Verwendung finden sollen. Es ist bezeichnend, daß bei der englischen Nation, die ihr Ver- trauen stets auf die große Kampf- flotte gesetzt hat und die ihre großen Handelsschiffe nicht behin- dert wissen will, für die also eine feindliche Mine die unangenehm- sten Folgen haben muß, der Minen- typ am wenigsten entwickelt wor- den war. Im Laufe dieses Krieges haben aber die Engländer in dem Maße, als die deutsche U-Boots- gefahr wuchs, die Bedeutung der Mine als Gegenmittel erkannt und sie verbessert. Sie haben sich da- bei unsere Minen zum Vorbild genommen, die ihnen das Meer in losgerissenem Zustand an deu Strand gespült hat. Im Gegensatz zum Engländer war beim Russen die Mine stets sehr hoch entwickelt. Der Russe ist ja auch im Landkrieg Meister im Augenblick des steigens. Meereskunde. - r - ig i 1 utt 1.1» {§ i I "1 ■ 1 V 1 ' 1» 7 Hfl ^ . ;■. c ' \, Abbild. 3. Eine russische Mine mit Tiefensteiler. Daneben die Zündeinrichtung. in der Verteidigung. Schon im Russisch-Japanischen Krieg, bei der Verteidigung von Port Arthur, hat die Mine eine bedeutende Rolle gespielt und lenkte damals die Aufmerksamkeit aller Marinen in hohem Maße auf diese Waffe. Im jetzigen Kriege hat unseren Minensuchflottillen die russische Mine in der Ostsee bei den Unternehmun- Der Kampf der Minensuchflottillen. 7 gen zur See gegen Libau, Windau, bei den Einbrüchen in den Rigaischen Meerbusen und zuletzt bei der Er- oberung der Baltischen Inseln recht hart zu schaffen gemacht. Ich möchte zur Vermeidung jeden Irrtums nochmals Abbild. 4. Angetriebene englische Göpelmine am Strande. Durch Drehung des Hebels beim Anstoßen wird die Zündeinrichtung betätigt. darauf hinweisen, daß es sich beim Minensuchen nur um unsichtbar unter der Wasserfläche verankerte Minen handelt. Über die Verwendung der Minen ist fol- gendes zu sagen nötig: Man kann von offensiven und defensiven Minensperrungen sprechen. Die defensiven legen wir zum Schutz vor unsere Flußmündungen, vor unbewachte Buchten und Durch- fahrten oder dort, wo wir den Seeverkehr in bestimmte 8 Meereskunde. Wege zwingen wollen, wie z. B. am Südausgang des Sundes. Offensiv wird die Mine, wenn sie von uns durch schnelle Kreuzer, Torpedoboote oder durch Minenleger, Hilfskreuzer in meist nächtlichen Vorstößen und schließ- lich durch U-Boote an der feindlichen Küste oder auf den Anmarschwegen der feindlichen Flotte ausgelegt wird. So verwenden die Mine jetzt die Engländer in größtem Maßstabe gegen unsere U-Boote, indem sie große Gürtel von Minen in der deutschen Nordseebucht auslegen oder indem sie auf Grund von Beobachtungen bestimmte Wege mit Minen verseuchen, die unsere U- Boote nehmen müssen. Dieser englische Gegenkrieg mit Minen ist es, der die Tätigkeit unserer Minensuchflottillen heute so be- sonders wichtig und bedeutungsvoll macht und die höchsten und härtesten Anforderungen an sie stellt! — Seit Jahr und Tag arbeiten unserer Minensuchboote ohne Unterbrechung stets bei vollem Einsatz an Per- sonal und Booten ihren Kameraden von der U-Waffe in die Hand. Ohne Minensuchboote kein U-Boots- krieg! Wie .sich diese Aufgabe im einzelnen gestaltet, bildet einen späteren Teil meines Vortrages; ich muß zunächst noch erklären, wie man ein Seegebiet mit Minen sperrt. Wie sieht ein mit Minen belegtes Seegebiet aus? Ja, wie es aussieht, weiß nur immer der Feind, der die Minen gelegt hat; das große Wasser sieht uns über- all gleich unschuldig und unwissend an. Deshalb ist auch das genaue Absuchen eines See- gebiets auf feindliche Minen eine langwierige Arbeit und später das Feststellen von Umfang und Richtung Der Kampf der Minensuchflottillen. 9 einer Minensperre für die Minensuchflottillen eine schwierige Programmnummer. Die einfachste Form einer Minensperre ist eine Reihe in gerader Richtung ausgeworfener Minen mit bestimmtem Abstand. Die Länge solcher Sperren richtet sich nach der Minenzahl, die das Schiff oder Boot mitnehmen kann. Ein jeder kann sich ohne Abbild. 5. Tragefloß einer englischen U-Boots-Netzsperre. Es enthält die elektrische Batterie, von der die einzelnen am Netz befestigten Minen bei Schluß des Stroms infolge Anstoßens an einen ihrer Kontaktknöpfe zur Explosion gebracht werden. weiteres vorstellen, wieviel wirksamer mehrreihige und gekrümmte Sperren sein können. Sie sind naturgemäß aber auch schwieriger zu legen. Wenn Zweck und Ort es vorteilhaft erscheinen lassen, wirft man Minen auch regellos in ein bestimmtes Seegebiet, man verseucht es. Es ist klar: Je verwickelter eine Minensperre ist, um so schwieriger ist sie für die Minensuchboote zu räumen. Eine einzelne verankerte Mine, die irgendwo festgestellt wird, gibt der Flottille zunächst immer ein Rätsel auf. Meereskunde. Vorträge. XII. Heft 10. 2 10 Meereskunde. Ich bin einmal gefragt worden: Kann man denn durch Aufpassen nicht das Minenlegen verhindern? Ich möchte auch an dieser Stelle daran erinnern, wie unabsehbar groß die offene See ist. — Allein die Verbindungslinie von Hornsriff (dort, wo die dänische Küste beginnt) bis Terschelling (dort, wo die holländische Küste nach Süden umbiegt) beträgt 175 sm = 320 km, und in dunkler Nacht ist die See erst recht nicht zu über- wachen, von Minen legenden U-Booten, die auch bei hellichtem Tage unbeobachtet ihre Tätigkeit ausüben können, ganz zu schweigen. Der Zweck der Minensuchflottillen läßt sich kurz dahin zusammenfassen: nach feindlichen Minen- sperren zu suchen, gefundene Sperren oder verseuchte Seegebiete nach Ausdehnung und Richtung genau fest- zustellen, Lücken in die Sperren zu brechen, die von den größten Schiffen ohne Gefahr passiert werden kön- nen, oder die gefundenen Sperren ganz fortzuräumen. Ferner fällt ihnen die Aufgabe zu, durch Vorweg- fahren vor einem Verband von Kampfschiffen oder U-Booten diese gegen die Minengefahr zu schützen, und schießlich sollen sie die Seestraßen auf Minenfrei- heit dauernd durch Stichfahrten nachprüfen. Diese Aufgaben erfordern Spezialfahrzeuge, die in- folge geringen Tiefgangs nicht in dem Maße wie große Schiffe durch Minen gefährdet werden und deren Ver- lust durch Minentreffer weniger in die Wagschale fällt, als der von großen Schiffen. Die Forderung nach geringem Tiefgang ist leider durch viele andere Forderungen beschnitten und findet ihre untere Grenze in der Seefähigkeit des Bootes. Denn das Minensuchboot soll auf hoher See arbeiten, muß Sturm und Wetter abreiten können und muß Der Kampf der Minensuchflottillen. 11 starke Kanonen haben, um sich gegen den Feind zu wehren; es muß außerdem auch eine gute Geschwindig- keit entwickeln. Die Besatzung eines Hochsee-Minensuchbootes, die dazu nötig ist, um Kessel- und Maschinenanlage, Abbild. 6. Auf dem Marsche. die Mittel der Schiffsführung, Minensuchgeräte und Waffen zu bedienen, beträgt 40 bis 50 Mann; danach kann die Größe eines solchen Fahrzeuges bemessen werden. Neben dem beschriebenen Typ hat man noch so- genannte Minenräum-Divisionen aus kleinen Motorbooten gebildet, die unter dem Schutz der Küste und eigener Streitkräfte besonders flachstehende Minen- sperren forträumen sollen; die können aber nur bei sehr gutem Wetter arbeiten. Und endlich hat man aus see- 2* 12 Meereskunde. tüchtigen Fischdampfern Hilfsminensuchflot- t i 1 1 e n zusammengestellt. Ich bin es diesen beiden letztgenannten Minensuch- formationen schuldig, hier auszusprechen, mit welchem Schneid und unter welchen Entbehrungen ihre Be- satzungen dem harten, gefahrvollen Kriegshandwerk seit Kriegsbeginn nachgehen. Die Namen Ösel, Rigabusen bedeuten für die kleinen Motorboote Ruhmestage, ebenso wie mit den U-Bootserfolgen auch der Name der Hilfsminensuchflottillen aufs engste verknüpft ist. Womit stellen die Minensuchboote verankerte Minen fest und mit welchen Apparaten werden sie ge- faßt und fortgeräumt? Ich möchte nicht mit den verwickelten technischen Einzelheiten unserer verschiedenen Minensuch- und -räumgeräte langweilen. Mit Worten allein ließe sich das auch schlecht darstellen, ebensowenig, wie ich einen Torpedo ohne Modell nicht gut erklären kann. Zudem müssen die Einzelheiten der Apparate aus militärischen Gründen geheim gehalten werden. Zum Verständnis ge- nügen einige kurze Erklärungen, welche die Wirkungs- weise kennzeichnen. Das Suchgerät wie auch das Räumgerät wird am Heck der Boote zu Wasser gebracht und von den Booten nachgeschleppt. Es besteht aus verschieden- artigen stählernen Leinen, die zwischen den Booten von Heck zu Heck in großer Bucht gespannt sind und die durch sinnreiche Apparate in bestimmter Tiefe unter der Wasseroberfläche beim Fahren gesteuert werden. An diesen Leinen sind zum Fassen und zum Fortspren- gen gefaßter Minen unter Wasser noch weitere Einrich- tungen, in der Hauptsache Greifer mit Sprengpatronen, angebracht. Der Kampf der Minensuchflottillen. 13 Daraus geht also hervor, daß ein Boot allein keine Minen feststellen kann. Minensuchboote arbeiten in Gruppen zu mehreren Booten, die ausgerichtet in Linie nebeneinander mit bestimmtem Bootsabstand vonein- ander, verbunden durch die Geräte, dahinfahren. Abbild. 7. Einstampfen in die See. Mehrere solcher Gruppen bilden dann zusammen eine Flottille, zu der noch ein besonderes Führerboot gehört. Das Fahren in solchen Formationen erfordert viel Ausbildung und Aufmerksamkeit und ist besonders in dunkler Nacht sehr anstrengend, da bei geringen Fahr- fehlern die Suchleinen zwischen den Booten aus- einanderreißen. Kommt so etwas einmal vor, so weiß der Führer zunächst noch gar nicht, daß diesmal keine Minen ins Garn gegangen waren, bis ihn das Flaggensignal , »Falscher Alarm" über Fahrfehler des schuldigen Bootes 14 Meereskunde. aufklärt und ihm Gelegenheit gibt, dem betreffenden Bootskommandanten ein paar Liebenswürdigkeiten, ebenfalls mit Flaggensignal, zu sagen. Bei Nacht hat man es in solchem Falle auch vom Führerboot schon grausig zu dem Boot hinübertönen hören durch das be- liebte Sprachrohr, durch das dann am Ende der ein- seitigen Unterhaltung ganz liebenswürdig von der an- deren Seite zurückkam: „Wie befehlen bitte!" — da diese wohl verstanden hatte, aber nicht gern verstehen wollte. Wozu der Wind und die dunkle Nacht nicht alles gut sind! Die Wirkungsweise des Geräts Verstehen wir am besten, wenn wir in Gedanken auf einem der Minen- suchboote mitfahren, das inmitten seiner Flottille einen Streifen Nordseewasser mit Richtung auf Englands Küste auf Minen abzusuchen hat: An Bord herrscht bei solch einer Minensuch- fahrt bis auf das gleichmäßige Geräusch der stampfen- den Maschine und die nötigen Kommandos auf der Brücke eine gewisse Ruhe, die sich demjenigen, der das Handwerk kennt, als das abwartende Schweigen mit ge- spannten Nerven wohl verrät! Voraus von der Flottille, oben unter den Wolken, kreuzt ein Luftschiff, das in Richtung auf den Feind zu aufklärt. Zuweilen schert auch mal ein Boot aus der Formation aus, um eine treibende Mine, die in Sicht gekommen ist, abzuschießen; sonst ist nur Himmel und Wasser zu sehen. Da plötzlich auf unserem Boote der laute Kom- mandoruf: ,,M i n e n a 1 a r m !", und gleichzeitig ein schriller langer Ton aus der Dampfsirene. — Was ist geschehen? Die Suchleinen des Geräts haben am Ankertau einer Mine Widerstand gefunden und zeigen uns durch weitere Übertragung an, daß wir uns über einem mit Minen belegten Gebiet befinden. Der Kampf der Minensuchflottillen. 15 Auf einer anderen Bootsgruppe weht das Flaggen- signal ,, Minen", dort hat das Gerät sogar eine Mine vom Ankertau losgerissen, und sie schaukelt sich nun, ver- gnügt über ihre Befreiung, auf den Wellen, als ob sie uns vormachen wollte, sie habe nie etwas Böses im Abbild. 8. Der letzte Augenblick eines durch Minentreffer schwerbeschädigten Minensuchbootes. Schilde geführt. Aber das Vergnügen dauert nicht lange, schon ist ein Boot dabei, sie mit ein paar Granatschüssen zu strafen; beim dritten Schuß: Treffer, ein ohren- betäubender Krach, gleichzeitig eine haushohe Wasser- säule, dann ein Sprengstückregen, und fort ist der Bösewicht! Solch Minenalarm bringt alles in Bewegung, die Boote und die Menschen auf ihnen. An den Leinen- winden zur Bedienung der Geräte gibt es harte Arbeit. A-uch unten in den Kessel- und Maschinenräumen hat 16 Meereskunde. der bekannte Ton mit der Dampfsirene die Nerven- spannung ausgelöst, da geht das Wort um: Wir haben Minen gefunden! Auch die Detonation ist unten gehört worden; aber sie wissen in diesem Augenblick dort unten nicht, ob jene Mine abgeschossen wurde oder ob etwa ein braves Boot durch eine dicht unter der Wasser- oberfläche stehende Mine, durch einen sogenannten Flachstand, in die Luft geflogen ist. Nerven gehören da- zu, dort unten unbekümmert weiter seine Pflicht zu tun. Wie wenige wissen etwas von dem großen stillen Heldentum dieses Maschinenpersonals! Nur gar zu oft rächt sich der unterseeische tücki- sche Feind bei seiner Entdeckung dadurch, daß er sich ein Opfer aus der Reihe herausholt. Es ist ein erschüt- ternder Anblick, wenn ein braves Boot unter einem Minentreffer zusammenbricht. Ungeachtet der eigenen Todesgefahr eilen dann Nachbarboote herbei, um den getroffenen Kameraden mit Stahltrossen zu unterfangen und zu versuchen, ihn in den nächsten Hafen einzuschleppen. Bei der gewaltigen Sprengladung der Mine, die ja für große Schiffe bestimmt ist, versagt oft das Rettungs- werk und der zu Tode getroffene Genosse ernster und heiterer Stunden sinkt in die Tiefe, oft gerade die Besten seiner Besatzung mit sich nehmend. Ein Fall von schönem Heldentum, den ich bei solcher Gelegenheit erlebte, verdient genannt zu werden: Eines unserer Boote, das mit gewaltiger De- tonation auf eine Mine lief, ging in wenigen Minuten unter. Auf dem Wasser fand das herbeieilende Boot nur noch eine Anzahl mehr oder weniger schwer verletzter Leute schwimmend. Der erste, den sie aufgreifen woll- ten, war der älteste Unteroffizier des Bootes; dieser aber wehrte ab und bezeichnete aus dem Wasser seinen Der Kampf der Minensuchflottillen. 17 Abbild. 9. Sprengung einer auf Strand getriebenen Mine. Die Menschen geben einen Maßstab für die Höhe der Sprengsäule. Rettern durch Zuruf, in welcher Reihenfolge seine Ka- meraden, entsprechend ihrer Verwundung, herausgeholt werden sollten, bis er selbst als Letzter erschöpft auf- genommen wurde. 18 Meereskunde. Doch die Flaggensignale vom Führer- boot mahnen an die Aufgabe und drängen trübe Ge- danken in den Hintergrund. Die Signale bedeuten, daß die gefundene Sperre geräumt werden soll, und zum Anlauf sammeln die Boote zu ihrem Führer, der sie über den unsichtbaren Feind weiter zu neuem Kampfe führt. Vorläufig weiß jedermann nur das eine: Dort eben hinter uns bezeichnen jetzt einige so- fort ausgeworfene verankerte Bojen eine Stelle, wo Minen liegen. — Stehen wir nun gerade auf dieser Minensperre oder läuft sie quer hinter uns vorbei? Sind es etwa nur einzelne Minen gewesen oder ist es ein wahllos beworfenes verseuchtes Gebiet? Sind es flache oder tiefe? Diese Fragen alle kann erst die weitere Arbeit be- antworten; durch die Wasseroberfläche vermag das Auge nicht zu dringen. Dieses Weiterherumfahren auf Minen mit dem vollen Bewußtsein der Gefahr, das ist der Teil des Kampfes unserer Minensuchboote, der an die Nerven die härte- sten Anforderungen stellt. Ein bekannter Maler, der seine erste Fahrt auf einer Minensuchflottille mitmachte, schildert das in seinem Buch „Minensucher an die Front" so treffend, daß er mir erlauben möge, die Stelle im Wortlaut anzuführen. Er schreibt: ,,Das Bewußtsein, sich auf einem mit Minen belegten Gebiet zu befinden, ist für den Neuling zuerst verzweifelt ungemütlich. Man fühlt sich stark versucht zu fragen: Erlauben Sie, wo ist die nächste Haltestelle? Ich möchte gerne aussteigen. Ein ziemliches Kältegefühl steigt den Rücken herauf bei dem Gedanken, der nächste Augenblick kann dein letzter sein." — Soweit der Maler. Nun, der Heizer unten im doppelt luftdicht ver- schlossenen Heizraum wird auch diesmal nicht gefragt, Der Kampf der Minensuchflottillen. 19 was er möchte, er schaufelt mit erneuter Kraft Kohlen in die Feuer, da er weiß, daß nun von seinem Boot etwas Besonderes verlangt wird: Fort muß sie, die Sperre, damit unsere U-Boote fahren können. Und so denkt auch alles an Deck. Da ist kein Kältegefühl vorhanden, sondern warme Begeisterung für die große Sache. „Ha, Minen!" ruft man da! Streifen neben Streifen suchen die Bootsgruppen im Minenfeld ab und stecken ihre abgesuchten Wege fein säuberlich durch ausgeworfene Bojen ab. Mit ihrem Räumgerät fassen sie jedesmal Minen, die unter gewal- tiger Detonation von besonders hierfür bestimmten Booten in die Luft gesprengt werden. Wie ein schwerer Donner rollt es dann über die weite See. Da taucht während der Arbeit ein graues Etwas plötzlich aus dem Dunst voraus auf. Durch ein Doppel- glas kann das Erkennungssignal abgelesen werden und danach auch ein Morsespruch: ,,U 250", von einer Unternehmung zurückkehrend, fragt an, ob da Minen sind und wo man durchfahren kann. — Schnell wird eine Gruppe abgeteilt, die das U-Boot sicher durch ein eben erst frisch geschlagenes Loch in der Sperre hin- durchlotst. Allmählich ist unsere Flottille dahinter gekommen, in welcher Richtung die Minenreihe verläuft, und man weiß jetzt ungefähr, wann man auf Minen herumtanzt und wann nicht. Bis endlich die Nachricht an die Kriegsleitung ab- gehen kann, die Lage und Ausdehnung der Sperre oder ihre Beseitigung meldet, vergehen so oft Wochen harter Arbeit, besonders wenn stürmisches Wetter dazwischen gekommen ist. Finden diese Sperre-Räumearbeiten in allzu großer Entfernung von der Küste statt, so befindet sich die 20 Meereskunde. Flottille nicht ganz allein auf weiter Flur; dicht hinter ihr auf den abgesuchten Wegen stehen die Siche- rungsstreitkräfte, bestehend aus Kleinen Kreuzern, Großen Kreuzern und dahinter wieder Linienschiffsverbänden. Diese Teile der großen Hoch- seeflotte stoßen vor, wenn der Feind die Minen- suchboote angreift. So hat die ganze Hochseeflotte mit Anteil an dem großen U-Bootskrieg gegen England. Um die anderen vorher angeführten Aufgaben der Minensuchflottillen zu begreifen, muß man sich noch- mals die Bedeutung der Mine für die Bewegungsfreiheit alles dessen vergegenwärtigen, was auf unserem Kriegsschauplatz zur See fährt. Die feindliche Mine bedroht unsere Aus- und Eingänge zu den Flußmün- dungen, sie bedroht unsere strategischen Hauptmarsch- wege, unsere Handelswege und all die unsichtbar auf dem graugrünen Wasser gezogenen Linien, auf denen täglich sich der Verkehr unserer vorstoßenden und zurück- kehrenden Torpedo- und Vorpostenboote, Geleitfahr- zeuge, Kohlenschiffe und Verkehrsdampfer mit einer ge- wissen Regelmäßigkeit abspielt. Alle diese Wege müssen von den Minensuchflot- tillen auf ihre Sicherheit dauernd abgesucht werden. Besonders aber muß unseren U-Booten, die als Kostbarkeit gegen die Vernichtung durch Minen beim Ausmarsch und auf dem letzten Teil einer ertolgreichen Reise bis in das schützende Wattenfahrwasser mit allen Mitteln behütet werden müssen, sicheres Geleit gegeben werden. Das ist das Bemerkenswerte beim Minenkrieg und muß hervorgehoben werden: Wenn ich heute einen See- weg auf Minen abgesucht oder eine Sperre geräumt habe und stolz und froh meinen Funkspruch abgebe, daß Der Kampf der Minensuchflottillen. 21 die Bahn frei ist — beim nächsten Morgengrauen weiß niemand mit Gewißheit, ob der Weg nicht aufs neue verseucht ist. Vielleicht hat der Feind durch die Gunst der dunklen mondscheinlosen Nacht oder im Nebel in die Nähe der alten eine neue Sperre gelegt, womöglich sogar auf dieselbe Stelle, die durch den unbemerkt ge- bliebenen Beobachter am Sehrohr eines feindlichen U- Bootes der feindlichen Kriegsleitung gemeldet wurde. Seit auch das U-Boot im Laufe dieses Krieges zum Minenlegen entwickelt worden ist, sind die Wege auf dem Meer erst recht unsicher geworden, und die Eng- länder spüren es täglich, welch unheimlicher Feind ihnen im U-Boot mit ein paar Minen im Bauch vor ihren zahl- reichen Haustüren auflauert. Das sind vielleich die schlimmsten Ratten, die aus dem Loch gekommen sind. Nur eine kurze Skizze: See- wärts von einem englischen Hafen liegt ein deutsches U-Boot und beobachtet unbemerkt schon längere Zeit den Verkehr ein- und auslaufender Fahrzeuge, auch eine Gruppe englischer Minensuchboote hat soeben den Kurs nach dem Hafen abgeprüft. Da kreuzt das U-Boot schnell den Einlaufkurs und wirft dabei einige Minen. Ein großer, tiefbeladener Dampfer taucht am Horizont auf, ein Lotse fährt ihm entgegen, um ihn von Untiefen und Klippen frei, besonders aber, um ihn genau auf dem abgesuchten Kurse einzubringen. Angesichts des siche- rens Hafens fliegt plötzlich der Dampfer in die Luft und sinkt, gleichzeitig das Fahrwasser sperrend, in die Tiefe. Wieder wird die englische Minensuchflottille herbeigerufen und sieht sich einer Sysiphusarbeit gegen- über, die womöglich noch ein weiteres Opfer auch aus ihren Reihen fordert. Auch die moralische Wirkung wird auf die Dauer sehr groß sein. 22 Meereskunde. Ich bin am Schluß des ersten Teils meines Vortrages angelangt und hoffe, mit meinen Ausführungen ein ver- ständliches Bild von der Tätigkeit unserer Minensuch- flottillen im allgemeinen gegeben zu haben- Nur eines sei noch erwähnt: Wenn einst — wir wollen hoffen bald — auf allen Fronten der Waffenlärm verstummt und ein deutscher Friede erkämpft ist, ein Friede, der uns nicht nur die volle Sicherung unserer Grenzen, sondern vor allem auch die Freiheit der Meere gebracht hat, dann muß der Kampf der Minensuchflottillen mit ihrem unpersön- lichen Feinde, der Mine, noch eine ganze Zeitlang weitergehen, dann heißt es, so schnell wie möglich die See von all den Tausenden von Minen zu befreien, um die Seestraßen freizumachen für unsere Schiffahrt, die Roh- stoffe hereinbringen soll und die deutsche Art und deut- sche Kultur hinausbringen wird in alle Welt, um das Lügengewebe, mit dem unsere Feinde uns umschlossen haben, ein für allemal zu zerreißen. IL Die Minensuchflottillen bei der Eroberung der Baltischen Inseln. Unsere Flottille war gerade aus dem Sperrgebiet der Nordsee in den Hafen eingelaufen; nach harter Arbeit auf englischen Minen sollten die vorgesehenen Ruhetage folgen. Während ich beider Arbeit sitze und mir mein Flagg- leutnant die während der Seetage eingegangene Dienst- post vorlegt, deren Dickleibigkeit die Hafentage leider unangenehm zu verkürzen droht, rasselt das Dienst- telephon aus Wilhelmshaven. Ich melde mich und von der andern Seite ertönt es: „Hier Admiralstabsoffizier des B. d. A.1) Sie sollen mit Ihrer Flottille sofort nach Libau gehen; alles weitere erfahren Sie dort!" *) Befehlshabers der Aufklärungsschiffe. Der Kampf der Minensuchflottillen. 23 Libau, der mir wohlbekannte alte Stützpunkt, brachte mich doch etwas in Erstaunen — „Libau", rufe ich fragend zurück, „von da bin ich ja noch nicht allzu lange fort!" Es kam aber keine Antwort mehr. Sofort werden die nötigen geheimnisvollen Befehle an die Halbflottillen losgelassen, und in die Schreib- stuben schleudert mein Flaggleutnant seinen getreuen federbewanderten Hilfskräften die lakonischen Worte hinein: „Flottenbureau einpacken, wieder an Bord ziehen!" Derartige Umzüge mit Sack und Pack waren uns allen von unserem Nomadenleben in den zwei Kriegs- jahren an der Kurländischen Küste nichts Außergewöhn- liches mehr. Besonders seinerzeit 1915 war unsere Flot- tille bei der Offensive gegen die Kurländische Küste von Memel nach Libau, Windau bis in den Rigaischen Meer- busen immer mit dabei gewesen. Jetzt aber 1917 war außer der Einnahme Rigas da oben ja gar nichts mehr los gewesen, und die Flottille war seit Monaten schon in der Nordsee, um dem U-Bootskrieg zu helfen. Wir waren in unserem neuen Arbeitsgebiet schon ordentlich warm geworden und dachten kaum noch an den kalten Osten und die üblen russischen Minen. Hätten wir jetzt schon gewußt, daß unsere neue Kriegsfahrt auf das so oft besprochene Ösel und auf unseren jahrelangen Traum: Riga — Moonsund, abzielte; ich fürchte, man hätte vor Begeisterung das Ausplaudern des militärischen Geheimnisses kaum abstoppen können. Nachdem in Eilmärschen der große Seeweg durch die Ostsee zurückgelegt war, fanden wir in Libau schon unsere erste Aufgabe fix und fertig vor. Nachtvorstoß der Minensuchflottille. Es galt einen Vorstoß mit der Flottille allein in die Nähe des beabsichtigten Landungsplatzes, der Tagga- 24 Meereskunde. bucht an der Nordküste von Ösel, zu unternehmen, um festzustellen, ob und welche feindlichen Minensperren auf dem langen Anmarschwege lagen, den später Flotte und Truppentransporter nehmen sollten, und wo ein freier Weg durch unsere eigenen Schutzsperren führte. Die Hauptsache war natürlich, daß dieser Vorstoß von den feindlichen Vorpostenstreitkräften und Küsten- wachen unbemerkt blieb; er mußte also in der Nacht erfolgen. Das war schon fahrtechnisch für die Minen- suchboote eine schwere Aufgabe, ganz abgesehen von den erhöhten Gefahren beim Auftreffen auf Minen- sperren in dunkler Nacht. Mit Unterführern und Kommandanten mußte die taktische Lösung der Aufgabe und jede Eventualität, die der Flottille auf dem mehrere hundert Seemeilen langen Marsch und beim Zusammentreffen mit dem Feind be- gegnen konnte, durchgesprochen werden. Denn später auf dem Nachtmarsch mußte abgeblendet gefahren werden, um sich nicht dem Feinde zu verraten, da durften also keine überflüssigen Signalbefehle mehr ge- macht werden. Es hing für den Aufbau der großen Unternehmung gegen Ösel viel von dem Ergebnis dieses Vorstoßes abf und somit mußte er bald ausgeführt werden. Nachdem wir mehrfach wegen grober See und allzu harten Windes die Fahrt wieder abbrechen mußten, ge- lang es endlich eines Tages, den Vorstoß durchzuführen. Schon tagsüber war das Wetter drohend. Bei Einbruch der Nacht wurde westlich der russischen Inseln inmitten von stürmischen Regenböen das Suchgerät zu Wasser gebracht. Und die braven Boote versagten nicht. Trotz stockfinsterer Regennacht, die man sozusagen nur mit einem Auge voll Verantwortung eben bis zum Der Kampf der Minensuchflottillen. 25 nächsten Boot durchdringen konnte, zeigen die schwach aufblitzenden Morselaternen der Unterführer an, daß alles klar ist. — So verbarg die stürmische Nacht nun mehr als 20 Boote mit rund 600 entschlossenen Menschen, die oben an Deck auf ihrem Posten standen oder unten ein- geschlossen in Maschinen- und Heizraum bei hellem Licht arbeiteten, im Vertrauen auf die, die sie oben auf der Kommandobrücke führten. — Womit wir zu rechnen hatten, waren Nachtangriffe durch feindliche Bewachungsstreitkräfte von vorn und feindliche Minen von unten. Heute bemerkte uns kein Feind, keine Mine ging uns ins Gerät. Nach Mitternacht standen wir vor der Taggabucht — die Kanonen von Kap Hundsort und Ninnast schliefen. Ein kurzes Lichtsignal vom Führer- boot: und wie beim Manöver machen die Bootsgruppen ihre Wendung auf Gegenkurs. Das Schwerste ist ge- schafft, doch auch auf dem Rückmarsch muß ein Kurs abgesucht werden. Es war gerade keine Belohnung, daß die bisher von achtern rollende See nunmehr von vorne kam und uns so häßlich naß spritzte. Je mehr wir hinter der Nord- westecke Ösels hervorkamen, um so höher schlug die schwere See über Boote und Kommandobrücken hin- weg. Das Führerboot kann besonders gut schlingern, die Leute nennen es schon die amerikanische Schaukel. Doch wenn es nach dem Hafen zurück geht, ist es einem schon gleich, ob man mehr oder weniger naß ankommt, wenn nur die Zigarre und der Kaffee nicht leiden. Als der Morgen dämmert, befindet sich die Flottille auch wieder aus Sicht der feindlichen Küste; die Auf- gabe ist gelöst. Einige Blenden werden aufgemacht, und es kommt frische Morgenluft in einige Räume. Die 26 Meereskunde. meisten Luks aber müssen wegen des Seegangs ver- schlossen bleiben. Am Ende der befohlenen Strecke wird das Suchgerät aufgenommen. Wie von der Leine befreite nasse Pudel kommen die Boote angelaufen und sammeln zum Führerboot, das das Flaggensignal: ,, Marschformation, Kurs Süd" gesetzt hat. Während die Flottille sich nach dem noch weit ent- fernten Hafen durch die widerspenstige See hindurch- kämpft, geht schon vom Führerboot der Funkspruch an die Leitung ab, die darauf wartet, um weitere Ent- schlüsse sofort in die Tat umsetzen zu können. Und die ließ nicht lange auf sich warten. Der entscheidende Funkspruch geht hinaus, auf den hin die große Flotte, bestehend aus Linienschiffen, Kreuzern, Torpedobooten und dem endlosen Zug der Truppentransportschiffe, den nächtlichen Vormarsch nach der Taggabucht antritt. Wiederum fährt schützend die Minensuchflottille voraus, um nochmals den ganzen Weg abzusuchen. Trotz dunkler Nacht kommt die Kriegs- und Trans- portflotte pünktlich und ohne Verluste durch das kriti- sche Gebiet, an das rechts und links hart die eigenen und feindlichen Minensperren heranreichen. Wie dann die überraschende Landung nach dem Niederkämpfen der Forts auf Hundsort und Ninnast im Morgengrauen durch unsere Kampfschiffe gelang, ist wohl bekannt. Für die Minensuchflottille aber findet sich sofort noch reichliche Arbeit. Eine große russische Minen- sperre lag in der Taggabucht und störte das Einlaufen der Transportflotte, und erst als hier noch 35 Minen fortgeräumt worden waren, konnten unsere Schiffe sicher in die Bucht einlaufen, um Truppen und Kriegs- material zu löschen. Der Kampf der Minensuchflottillen. 27 Der Einbruch in den Rigaischen Meer- busen. Das Vordringen eigener Seestreitkräfte in den Rigaischen Meerbusen nach dem Moonsund möglichst gleichzeitig mit der Landung in der Taggabucht war von größter Bedeutung für das lückenlose Gelingen des Unternehmens gegen die Baltischen Inseln. Gelang es nämlich, die starken russischen Seestreitkräfte im Moon- sund, der die Inseln Moon und Ösel vom Festland trennt, rechtzeitig zu vernichten oder nach Norden hinauszu- jagen und somit in diese Enge einzudringen, so war die russische Armee auf den Inseln vom Festland ab- geschnitten und ihre Lage hoffnungslos. Andrerseits war es auch nötig, die rechte Flanke unserer eigenen auf Ösel vordringenden Armee gegen Angriffe von See zu decken. Die Bedeutung eines solchen Vorstoßes war den Russen selbst nur zu klar gewesen von jeher, und so hatten sie die Tür hierzu — den Eingang des Rigaischen Meerbusens — verriegelt, wie es wohl kaum irgendwo in diesem Kriege geschehen ist. Die Einfahrt in den Rigabusen ist ein Seegebiet von etwa 75 km Länge und 27 km Breite, das nördlich Windau ansetzt, im Süden begrenzt wird durch den Verlauf der nordkurländischen Küste und im Norden durch die Halbinsel Sworbe, einen Ausläufer der Insel Ösel. Dieses große Gebiet war von den Russen mit un- zähligen Minensperren aller Art, Netzsperren und ver- senkten Schiffen auf das dichteste übersät. Hier gab es nur höllisch flachstehende Minensperren, eigens gegen Minensuchboote gelegt. Die bekannten Einbrüche in den Rigaischen Meer- busen im Jahre 1915, wobei einige russische Schiffe später im Gefecht bei der Insel Kühnö vernichtet wur- den, hatten uns gezeigt, wie harte Arbeit und welche 28 Meereskunde. Opfer ein Durchbruch damals auf schmalem Streifen für die Minensuchflottillen kostete. Jene Augusttage 1915, an denen Minensuch- und Minenräumboote unter dem Feuer von ,,Sslawa", „Chrabry" und russischen Torpedo- booten den Einbruch erzwangen, sind für sie Ehrentage gewesen. Unablässig waren seitdem die ganzen Kriegsjahre hindurch unsere hier oben stationierten Motor-Minen- räumboote bemüht gewesen, eine schmale Einfahrts- straße frei zu machen, aber ebenso hartnäckig warfen die Russen in nächtlichen Unternehmungen mit kleinen Motorbooten und unter dem Schutz schwerer 30-cm- Batterien auf Sworbe den Weg wieder voll Minen. Unseren Minenräumbooten hatten die Kanonen von Zerel auf Sworbe im Sommer 1917 schon öfter ihre An- wesenheit durch dicke Granataufschläge auf das leb- hafteste klar gemacht. Jetzt galt es wieder den Durchbruch mit vollem Ein- satz zur Eroberung der Baltischen Inseln! — Truppen- transporter nach Arensburg! Kampf schiffe nach dem Moonsund! Unermüdlich vom frühesten Morgen bis in die Dunkelheit arbeiteten über eine Woche die Minensuch- flottille und kleinen Motor-Minenräumdivisionen am Einbruchswege. Die Nachtruhe wird durch Kohlenüber- nahme ersetzt. Haushohe Wassersäulen und Spreng- wolken verbunden mit donnerndem Krachen der ge- sprengten Minen geben Kunde vom Fortschritt der Ar- beiten. Bei Nacht aber patrouillieren abgeblendete Minensuchboote mit drohenden Geschützen wachsam auf und ab, um das mit harten Opfern bisher frei- gemachte Gebiet gegen russische Minenleger zu ver- teidigen. Deren Angriffsversuche wurden mehrfach ab- geschlagen. In die Richtung, aus der durch die stille Der Kampf der Minensuchflottillen. 29 Nacht hindurch das Knattern fremder Motoren zu hören ist, schwenken blitzschnell Scheinwerfer und Kanonen ein. Da plötzlich heißt es: Scheinwerfer leuchten! Schnellfeuer! Und hastig verschwinden die feindlichen Boote wieder aus dem mit Granataufschlägen bedeckten unangenehmen Lichtkegel in die Nacht zurück. Tag für Tag fressen sich so die Minensuchboote einen Weg durch alle Hindernisse, und als an einem Morgen im Norden von den zum Einbruch klarliegenden Schiffen der Donner schwerer Geschütze hörbar wird von anderen unserer Kampfschiffe, die die Zerel-Batte- rien niederkämpfen, da sind auch von den Minensuch- booten die letzten Sperren durchbrochen. Während bei Zerel hohe Feuersäulen und Brände das Vernichtungswerk deutscher Geschütze verkünden, treten hinter der voranmarschierenden Minensuch- flottille die Kampfschiffe und Truppentransporter den Vormarsch in den Rigaischen Meerbusen an. Der Weg aber, den alle Schiffe durch die minenfreie schmale Gasse nehmen, ist nicht nur bezeichnet durch ausgelegte Fahrwassertonnen, ihn bezeichnet auch das nasse See- mannsgrab so mancher braven Helden der Minensuch- boote, die auf den tückischen flachen Minen, oft auch mitsamt dem schneidigen Boot, ihr frühes Ende fanden. Wir hatten auf unserer Flottille beim Einbruch noch eine besondere Freude. Mit scharfen Gläsern sahen wir plötzlich vom Führerboot voraus ein größeres russisches Fahrzeug unter der Küste, auf dem lebhafte Bewegung herrschte. Es war ein Teil der russischen Besatzung von Sworbe, der über See fliehen wollte. Mit einem Schuß vor dem Bug wird dem Fahrzeug klargemacht, daß es zu spät ist. Ein Minensuchboot wird mit äußerster Kraft voraus geschickt und bekommt Befehl: Gefangennehmen und Herbringen! Inzwischen marschiere ich mit der 30 Meereskunde. Flottille hinterher und sehe, wie das russische Fahrzeug vor Angst gleich zwei weiße Flaggen setzt. Das er- leichterte die Arbeit. Als wir in unmittelbare Nähe des Fahrzeuges kommen, das unser vorausgeschicktes Boot bereits in Schlepp genommen hat, da plötzlich macht sich das Gefühl, welches jene feindlichen Männer auf ihnen bewegt, in einem mehrfachen lauten ,,Hurra" Luft. Auch ein paar helle Sopranstimmen waren darunter, deren Besitzer sich als ganz angenehm aussehende Mädchen entpuppten. Bei späterem Abzählen wurde unsere Beute festgestellt: 300 Matrosen und Artilleristen, 2 Mädchen, etwa 100 Gasmasken und 180 Gewehre. Während die Transporter in Arensburg ihre Trup- pen landen und ihren Kameraden, die von der Tagga- bucht kommen, von Süden her nunmehr die Hand reichen, marschiert das Kampfgeschwader weiter nach dem Moonsund, voran die Minensuchflottille. Vor Ein- tritt der Nacht gelingt es einem russischen U-Boot auf eins unserer Großkampfschiffe zwei Torpedos abzu- schießen; beide verfehlen gottlob ihr Ziel. Das Seegefecht im Moonsund. In der Nacht stehen wir vor dem Südausgang des Moon- sundes. Der Geschwaderchef läßt seine Unter- führer längsseit kommen und gibt seine Absichten für den kommenden Tag bekannt: „Morgen früh greife ich die uns wahrscheinlich überlegenen feindlichen Schiffe und Landbatterien im Moonsund an. Es wird einen har- ten Kampf geben; denn ich vermute, daß die hinter ihren Minensperren liegenden Russen sich hartnäckig verteidigen. Deshalb sollen die Minensuchgruppen vor- an und einen Weg auf den Feind zu freilegen. Be- kommen sie Feuer, wird weitergefahren, ich stoße nach, um den Feind vor seinem Entkommen überraschend zu vernichten." Der Kampf der Minensuchflottillen. 31 Es war keine leichte Aufgabe für den Admiral, in den mit Kanonen und Minen gespickten Trichter hin- einzustoßen- Eine schwere Beschädigung eines der großen Schiffe bei dem flachen Wasser hätte leicht eine Lage herbeiführen können, wie sie die Ententeflotte bei den Dardanellen erlebt hat. Aber auf seine Minensuch- flottille konnte sich der Geschwaderchef verlassen. Im Morgengrauen stoßen die Minensuchboote vor, eine Halbflottille auf den Kleinen Moonsund zu, eine andere in den Großen Moonsund hinein gerade auf den Feind zu. Die Umrisse von drei großen russischen Schiffen und vielen Torpedobooten sind erkennbar. Als eben die erste Halbflottille eine feindliche Sperre zu fassen bekommt, blitzt es vom Ufer aus auf. Die schweren Kanonen der Batterie Woi nehmen die Halbflottille unter ein wohlgezieltes Feuer und lassen sie auf ihrem kühnen Vormarsch nicht wieder los; auch ein russischer Kreuzer fällt mit ein in das Konzert. Unter sich die Minen, vor sich die immer näher kom- menden Geschütze, unfähig, sich richtig zu verteidigen, da die Boote ja durch die Minensuchgeräte verbunden sind und ganz genau fahren müssen; so stößt die Halbflottille vor bis zum befohlenen Punkt. Inmitten des Salven- feuers wird das Gerät aus dem Wasser genommen, kehrt gemacht, und dann geht es mit äußerster Kraft zurück auf die eigenen Schiffe zu, die schon den Vor- marsch auf das abgesuchte Gebiet angetreten haben und über die Halbflottille hinweg in die feindlichen Batterien hineinschießen. Nicht anders ergeht es der zweiten Halbflottille, bei der sich auch das Führerboot befindet. Sie soll un- seren beiden Großkampfschiffen mit dem Admiral an Bord den Weg bahnen. Ein unaufhörliches Trommel- feuer von zwei russischen Linienschiffen und der Land- 32 Meereskunde. batterie Werder deckt uns ein. Haushohe Aufschläge liegen inmitten der Boote, so daß ein Sprengstück- und Wasserregen die Decks überschüttet. Kein Boot kommt aus dem Kurs, todesmutig führt sie ihre Auf- gabe durch. Nun stoßen plötzlich mit höchster Fahrt die beiden Großkampfschiffe auf den Feind los. Schwere Salven rollen über die Halbflottille nach den Russen hin. Der kühne Vorstoß kommt den feindlichen Schiffen, die sich bisher in ihrer günstigen taktischen Lage tadellos schlugen, unerwartet. Nach wenigen Salven zogen sich zwei Schiffe schwer beschädigt nach Norden aus dem Sund hinter weitere Minensperren zurück. Aus- gerechnet ,,Sslawa" aber, die uns so oft schon geärgert, der ,, Bauernschreck", wie die Armee, die in den Schützengräben an der nordkurländischen Küste lag, den ihr wohlbekannten geräuschvollen Besucher nannte, blieb als unsere Beute, zu Tode verwundet, auf flachem Wasser liegen, III. Dienst und Mannschaft. So geht der Kampf der Minensuchflottillen seit Kriegsbeginn, ohne einen Tag Unterbrechung und ohne nach außen hervorzutreten. Das kommt zum Teil daher, daß dieser Kampf sich im allgemeinen ohne Störung durch die feindlichen Streitkräfte abspielt, wenn es auch oft schon zu Kämpfen gekommen ist, wobei sich die Minensuchboote ruhmvoll mit dem immer über- legenen Feind geschlagen und ihn zum Umdrehen ge- zwungen haben. Man kann naturgemäß nicht jedesmal den Sieg über eine große feindliche Minensperre melden, bei dem so und soviel Hunderte von braven Kerls ihr Leben mit Erfolg eingesetzt haben und wodurch es ge- lungen ist, in kurzer Zeit einen Ausfallweg für unsere Der Kampf der Minensuchflottillen. 33 Schiffe oder U-Boote freizumachen. All das tritt eben- sowenig in die Öffentlichkeit wie die örtlichen Kämpfe, die sich täglich im Schützengraben oder bei Patrouillen- unternehmungen abspielen. Es kann und darf von solchen Dingen in den Tagesberichten auch deshalb nichts erwähnt werden, weil es um unserer Seekriegs- unternehmungen willen nach Ort und Zeit geheim bleiben muß. Man kann die Tätigkeit der Minensuchboots- besatzungen mit dem Kampf derjenigen ihrer feldgrauen Kameraden vergleichen, die jetzt im Stellungskrieg mit der Drahtschere aus dem Graben heraus vorschleichen, um vor dem Sturm schon die feindlichen Hindernisse zu durchschneiden, oder mit den Pionieren, die bei der Offensive voraus müssen, um Hindernisse fortzuspren- gen und Brücken für das nachfolgende Gros zu schlagen. So nennen sich unsere Leute auch selbst scherzweise die „Pioniere der Hochseeflotte". Eiserne Kerls werden zum Minensuchdienst ge- braucht, und was daran noch fehlt, das bringt die harte Seemannsschule an Bord allmählich zur Entwicklung. Guter Humor muß über die Gefahrmomente hinweg- helfen. Im Augenblick, wo die Flottille auf die neue unbekannte Sperre kommt, herrscht zuweilen gespann- tes Schweigen; da tönt es plötzlich aus der Mitte der alten erfahrenen Leute: „Vorsicht, auf den Zehenspitzen treten!" oder „Achtung, Knallbonbons!", wie die Leute auch sagen. So etwas schafft den rechten Ernst! Solche Leute sind Gold wert und sind die besten Erzieher ihrer jungen Kameraden, und sie sind es auch, die mit der Tat vorweg sind, überall, ob auf dem Minenfeld oder im Artilleriegefecht oder in stürmischer Nacht. Es hängt etwas mit dem Seemannsberuf zusammen, daß die Tüchtigen sich im Hafen gerade gern freie Bahn Meereskunde, Vorträge. XII. Heft 10. 3 34 Meereskunde. machen, „Seemanns Landgang", nennt man das. Die Ausgelassenheit liegt in dem Kontrast zu dem entbeh- rungsreichen Bordleben auf den engen kohlenbeschmutz- ten Booten. Gewiß erleben auch unsere Feldgrauen jetzt diese Kontraste; man darf aber nicht vergessen, daß unsere Kriegsschiffsbesatzungen zum großen Teil schon im Frieden unter denselben harten Bedingungen gelebt und gearbeitet haben: Krieg im Frieden war das Losungswort an Bord täglich auch schon vor diesem Kriege. Sturm und Not sind auch da keine Unbekannten gewesen. So kommt es, daß unsere Seeleute, wenn sie einmal festen Boden haben und an Land gehen können, sich mit mädchenhafter Eitelkeit zurechtmachen. Der Ma- trose oder Heizer entsteigt dem sogenannten „Bord- päckchen" wie ein Phönix aus der Asche, und als letztes die unvermeidliche Zigarette angezündet, beginnt er die Unternehmung. Die Pfeife wird er niemals an Land rauchen, dafür ist sie nicht vornehm genug, sie fliegt in die Backskiste zum Bordpäckchen. An Land wird das „Minchen-Suchgerät" ausgebracht, wie der Matrose sich äußert, und Bräute findet er auch immer genug. Fröhlich und stolz sind unsere Minensuchbootsleute, ihr Admiral hat ihnen oft gesagt, daß jeder brave Minensuchbootsmann ihm ebensoviel wert ist wie einer von den U-Booten, und auch ihr Kaiser hat ihnen jüngst erst, als er in Cuxhaven ihre Front abging, seinen Dank und seine besondere Anerkennung ausgesprochen und hierbei einer ganzen Reihe Tapferer das „Eiserne Kreuz" persönlich ausgehändigt. Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW68, Kochstraße 68-71. (T Politisch-geographische Lehren des Krieges. Von Prof. Dr. A. P e n c k. Eine ägyptische Expedition als Kampfmittel gegen England. Von Prof. G. Roloff. Die Engländer als Inselvolk. (Vom Standpunkt der Gegenwart aus betrachtet.) Von Prof. Dr. H. Spie s. Deutschlands Zurückdrängung von der See. Von Dr. W.Vogel. Angriffe und Angriffsversuche gegen die britischen Inseln. Von Dr. Walter Vogel. Zwei Kriegsjahre in London. Von Missionspastor J. L. 0. Krüger. Die Südsee im Weltkriege. Von Prof. Dr. Alfred Manes. Die nordischen Dardanellen. Von Samuli Sario. Bei Kriegsausbruch in Hawaii. Von Pastor Engelhard t. In französischen Lagern Afrikas. Von Else Ficke. Konterbande, Blockade und Seesperre. Von Geh. Justizrat Prof. Dr. Triepel. Hugo Grotius und der Ursprung des Schlagworts von der Freiheit der Meere. Von Prof. Dr. W. Vogel. Die Grundlagen des italienischen Imperialismus. Von Prof. Dr. Rühl. Kriegsmarine. *Kiel und Wilhelmshaven. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. *Kohlenversorgung und Flottenstützpunkte. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. ^Vierzig Jahre Schwarz- Weiß-Rot. Von Geh. Admiralitätsrat P. Koch. *Die Torpedowaffe. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. *Kriegsschiffsbesatzungen in Vergangenheit und Gegenwart. Von Kapitän zur See a.D. R. Wittmer. * Unterseebootsunfälle. Von Fregattenkapitän Mich eisen. Die Zusammensetzung und Taktik der Schlachtflotten. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. Die Deutsche Eisenindustrie und die Kriegsmarine. Von P. Koch. Die wichtigsten Kanalhäfen und ihre Bedeutung für den Krieg. Von Prof. F. W. O. Schulze-Danzig. Englands Mannschaftsersatz in Flotte und Heer. Von Prof. Dr. S p i e s. Luftschiff angriffe auf England. Von Kapitänleutnant Frhr. Treusch v. Buttlar-Brandenf eis. Das Seeflugzeugwesen. Von Fregattenkapitän a.D. Schnell. Volks- und Seewirtschaft. ^Marokko. Von Dr. Joachim Graf v. 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Duge. * Preis 50 Pf., die übrigen Hefte kosten 60 Pf. ^ «ja Bj Durch die Magellanstraße. Von Gustav Goedcl. Überland und Übersee im Wettbewerb. Von Dr. Richard Hennig Nach Deutsch-Neuguinea. Von Dr. Walter Behrmann. Die Salpeterindustrie Chiles. Von Dr. jur. Alfred Hartwig. Die überseeische Getreideversorgung derWelt. Von Dr. Wa Her Vo gel. Antwerpen. Von Prof. Dr. Alfred Rühl. Politische Probleme im westlichen Mittelmeer. Von Dr. P. Mohr. Deutsche Kulturarbeit im nahen Orient. Von Dr. P. Mohr. Englands Kohle und sein Überseehandel. Von Dr. R. Engelhardt. Die versiegelte Nordsee. Von Graf E. Reventlow. Der Außenhandel der Vereinigten Staaten von Amerika. Von Dipl.-Ing. Dr. Th. Schuchart. Die drahtlose Telegraphie im überseeischen Nachrichtenverkehr während des Krieges. Von Dr. Richard Hennig. Edinburg, Glasgow und Liverpool. Von Prof. Dr. Schulze, Lübeck. Die Heimsuchungen der Handelsschiff ahrt durch den Krieg. Von C. Schroedter, Hamburg. Gegenwart und Zukunft der deutschen Seeschiffahrt. Von Dr. P. Stubmann. Gegenwart und Zukunft der deutschen Kolonien. (Doppelheft.) Von Prof. Hans Meyer, Leipzig. Das deutsche Kolonialreich der Zukunft. Von Fr. Hupfeld. Die Zukunft des deutschen Außenhandels. Von Prof. Dr. fl. Herkner. Die Grundlagen des Ostseehandels und seine Zukunft. Von Dr. Erich Wallroth. Die deutsch -chinesischen Handelsbeziehungen. Von Geh. Ad- miralitätsrat Dr. Schrameier. Britischer Imperialismus. Von Prof. Dr. Friedr. Brie. St. Petersburg. Von Dr. Rieh. Pohl e. Japan und seine Stellung in der Weltpolitik. Von Konsul A. Mo sie. ' Wiederaufbau d. deutschen Handelsschiffahrt. Von Dr. K. Isermeyer. Die natürlichen Grenzen Rußlands. Von Prof. Dr. A. Penck. Der Reichstag und die Freiheit der Meere. Von Geh. Justizrat Prof. W. van Calker. U. S. Amerikas Schiffbau im Frieden und Krieg. Von Prof. W. Laas. Seeklima und Seebäder. *Die Heilkräfte des Meeres. Von Prof. Dr. Albert Eulenburg. *Land- und Seeklima. Von Dr. A. Merz. Seewesen und Schiffahrt. *Der Kompaß. Von Dr. Fr. Bidlingmaier. *Die Post auf dem Weltmeer. Von O. Klaus. *Schiffsordnungen und Schiffsbräuche. Von Dr. Fr. Schulze. *Der Dienst des Proviantmeisters. Von Dr. G. W. v. Zahn. *Innerer Dienst an Bord. Von Dr. G.W. v. Zahn. *Auf einem Segler um Kap Hörn. Von Dr. R. Lütgens. ^Nautische Vermessungen. Von Dr. E. Kohlschütter. ^Sicherheitsdienst an Bord. Von Dr. G. W. v. Zahn. * Der Fährverkehr zur See. Von Prof. Dr. G. Braun. "'Auf S. M. S. „Möve". Von Kapitänleutnant Schlenzka. Das Zeppelinschiff zur See. Von Dr. Freiherr v. Gemmingen. Riesenschiffe. Von Dr. H. Michaelsen. Technik des Seewesens. *Die Entwicklung der Schiffsmaschine. Von Prof. P. Krainer. *Auf einem deutschen Kabeldampfer. Von W. Stahlberg. *Ferngespräche über See. Von Dr. A. Ebeling. * Preis 50 Pf., die übrigen Hefte kosten 60 Pf. Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler & Sohn Berlin SW68, Kochstr. 68—71.