37 9.12 eft 2 - 1 OBA A EERESKUNDE HEFT 134 DER REICHSTAG UND DIE FREfflEIT DER MEERE VON WILHELM VAN CALKER GEH. JUSTIZRAT, O, Ö, PROFESSO AN DER UNIVERSIT HERAUSGEGEBEN VOM INSTITUT FÜR MEERESKUNDE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN BERLIN 1918 / ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN KÖNIGLICHE HOFBUCHHANDLUNG / KOCHSTR, 68—71 12.JAHRGANG, 2. HEFT PREIS 60 PFENNIG ^ MEERESKUNDE ^ SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE Bisher erschienen folgende Hefte: *Das Museum für Meereskunde. Von Prof, Dr. A. P e n c k. Die Meeresräume, ihre Wasserfüllung und ihre Küsten. ''Flaschenposten und treibende Wracks. Von Prof. Dr. 0. Krümmel. *Das Eis des Meeres. Von Dr. L. Mecking. *Die Küste der englischen Riyiera. Von H. Spethmann. *Unsere Kalisalzlager ein Geschenk des Meeres. Von W, Stahlberg. *Der Deichschutz an Deutschlands Küsten. Von Dr. W, B ehr mann. *Der Golfstrom. Von Dr. Ludwig Mecking. *Mecr und Küste von Rügen bis Alsen. Von H. Spethmann. Tier- und Pflanzenwelt des Meeres. ^Über marine Sedimente und ihre Benutzung zur Zeitbestimmung. Von Dr. G, Braun. *Die Meeressäugetiere. Ihre Stammesgeschichte. Von Prof. O. Abel. *Die westindischen Korallenriffe. Von Dr. R. Hartmeyer. *Das Reich des Todes im Meer. Von Walter Stahlberg, *Tierische Wanderungen im Meere. Von Prof. R. Woltereck. *Dic Scholle, ein Nutzfisch der deutschen Meere. Von Dr. V. Franz. ^Gefiederte Bewohner des Meeres. Von Dr. K. Wenke. *Das schwimmende Leben der Hochsee. Von Dr, G. H. Fowlcr. *Tierisches Licht in der Tiefsee. Von Prof, Dr. E, Mangold, *Neue Forschungen über die Biologie der Tiefsee. Von Professor Dr, F, Doflein. Die zoologische Station inNeapel. Von Prof, Dr, Armin v,Tschcrmak. Wehr und Schutz der Meerestiere. Von Dr, L, Glaesner, Geschichte, Entdeckungsgeschichte, Seekriegsgeschichte. Die deutsche Handelsmarine im 19, Jahrhundert, Von Dr, W, Vogel, *Die Anfänge der Nordpolarforschung. Von Dr, P, Dinse. ^Zeitalter der Entdeckungen. Von S. Günther. *Der Seeraub. Eine geographisch-historische Skizze. Von Dr. P. Dinse. *Die Kontinentalsperre. Von Rob. Hoeniger. ^Nordische Seefahrten im früheren Mittelalter. Von Dr. W. Vogel. ^Die Abschaffung des britischen Sklavenhandels im Jahre 1806/07. Von Dr. Franz Hochstetter. ^Die Fahrten eines deutschen Seemanns um die Mitte des 19. Jahr- hunderts. Aufzeichnungen des Segelschiff-Kapitäns G.W. Kroß. ^Die Schiffahrt auf den Karolinen und Marshallinseln. Von Dr. P, Hambruch, *Die Namen der Schiffe. Von Dr, W, Vogel. ^Ein Ausflug nach Sansego in der Adria. Von Dr. L. Glaesner. ^'Deutschlands Lage z. Meere im Wandel der Zeiten. Von Dr. W. Vogel. '^Handelswege im Ostseegebiet in alter u. neuer Zeit. Von Chr. Reuter. ^Ostseehandel und Landwirtschaft. Von Chr. Reuter. Die Nautik im Altertum. Von Dr. Aug. Koste r. Das Seekriegsrecht im jetzigen Kriege. Von Johannes Neuberg. Die südeuropäischen Staaten und unser Krieg. Von Prof. Dr. Alfred Merz. Englands Willkür und bisherige Allmacht zur See. Von Vize- admiral z. D. Hermann Kirchhoff. * Preis 50 Pf., die übrigen Hefte kosten 60 Pf. MEERESKUNDE SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE ZUM VERSTÄNDNIS DER NATIONALEN BEDEUTUNG VON MEER UND SEEWESEN ZWÖLFTER JAHRGANG ZWEITES HEFT Der Reichstag und die Freiheit der Meere^). Von Wilhelm van Calker, Kiel. n einer Zeit, in der man kaum ein Zeitungs- blatt in die Hand nehmen kann, ohne daß der Blick auf die gesperrt gedruckten Worte ,,F r e i h e i t der Meere" fällt, bedarf eine Unter- suchung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, d i e Stellung des Deutschen Reichstags in dieser Frage zu erörtern, keiner ausführlichen Ein- leitung, Daher sei nur so viel vorausgeschickt, daß mit dem Ausdrucke Meeresfreiheit nach heutigem Sprach- gebrauch ein Zustand bezeichnet wird, der darin be- steht, daß das ganze offene Meer von allen Völkern der Welt aus eigenem Recht, ungestört durch willkürliche Eingriffe, unter den gleichen Bedingungen zum Handels- verkehr und zu allen anderen friedlichen Zwecken be- nützt werden kann. Der Gedanke, daß die Freiheit der Meere in diesem Sinne für Friedenszeiten die absolut verbindliche Regel bilde, und daß die Meeresfreiheit nur in Kriegszeiten gewissen Einschränkungen unterworfen sei, war bis zum Ausbruch des Weltkrieges ^) Der Vortrag ist am 18. Januar 1918 im Institut für Meeres- kunde gehalten worden. Meereskunde, Vorträge. XII. Heft 2. 1 2 Meereskunde. die allgemeine Rechtsüberzeugung aller Kulturvölker. Die wichtigste Ausnahme von dem Grundsatz der Meeresfreiheit in Kriegszeiten sah man in dem völkerrechtlich anerkannten Rechte der Seebeutc, das heißt in der Befugnis der kriegführenden Mächte, den Gegner im Seekrieg nicht nur durch Wegnahme und Vernichtung von Staats eigcntum, sondern auch durch Wegnahme und Vernichtung des schwimmenden Pri- vat eigentums seiner Staatsangehörigen zu schädigen. Als weitere Ausnahme waren anerkannt das Konterbanderecht, das heißt die Befugnis zur Wegnahme auf See befindlicher, für einen Kriegführen- den bestimmter, sogenannter Bannwaren, und das Blockadcrecht, das heißt die Befugnis zur Ab- sperrung feindlicher Küstenstriche vom Seeverkehr, Die beiden letztgenannten, hauptsächlich den neutralen Verkehr treffenden Maßnahmen wurden jedoch im all- gemeinen als für die Freiheit des Seeverkehrs weniger bedrohlich angesehen. Wenn daher früher von „Beseitigung der Schranken der Meeresfreiheit" gesprochen wurde, so geschah dies meistens nur in dem Sinne einer Aufhebung des Seebeuterechts — an alle weiteren Probleme und Postulate, die sich heute mit diesem Gedanken für uns verbinden, wurde in der Regel kaum gedacht. Dies gilt auch von der Behandlung, welche diese Frage im Deutschen Reichstage und dessen unmittelbarem Rechtsvorgänger, dem Reichstage des Norddeutschen Bundes, erfuhr. Unter den ersten Drucksachen, welche wenige Mo- nate nach der Gewinnung der deutschen Einheit der Präsident des Norddeutschen Reichstages den zum ersten Male versammelten Vertretern des deutschen Volkes zur Beratung vorlegte, fand sich ein Antrag, der Der Reichstag und die Freiheit der Meere. 3 CS wohl verdient, zur Erinnerung an das fünfzigjährige Bestehen des deutschen Parlaments der Vergessenheit der ReichstagScikten entrückt zu werden. Es ist ein von 17 Mitgliedern der freikonservativen Fraktion unterzeichneter Antrag Aegidi und Gen.'"), der dahin geht, der Reichstag wolle den Be- schluß fassen: ,,Den Bundeskanzler aufzufordern, zu veranlassen, daß bei dem gegenwärtigen friedlichen Einvernehmen mit den auswärtigen Mächten Verhandlungen eingeleitet werden, welche zum Zweck haben, durch Übereinkunft von Staat zu Staat die Freiheit des Privat- eigentums zur See zu Kriegszeiten zu einem vertragsmäßig anerkannten Grundsatz des Völker- rechts zu erheben," Der Mann, der diesem Antrage nicht nur den Na- men, sondern auch das Leben gab, ist der bekannte Mitarbeiter Bismarcks, der Staats- und Völker- rechtslehrer Ludwig Karl v. A e g i d i. Er ist der erste deutsche Parlamentarier und Staatsmann, der das un- bestreitbare Verdienst hat, inner- und außerhalb des Reichstages in Wort und Schrift für eine politische Be- wegung eingetreten zu sein, die damals weit über Deutschlands Grenzen hinaus ihre Kreise zog, und deren Losung hieß : ,,Freiheit des Privateigentums zur See in Kr i eg s z e i t e n", oder wie wir heute, den Teil fürs Ganze nehmend, sagen würden: ,, Freiheit der Meere." Um die Tragweite jener Bewegung und den Wider- '») Rcichstagsprotokolle, 1. Leg. Per. 1868, Bd. 1, S. 40; Bd. 2, S. 76, Nr, 28. — Die Sperrung einzelner Worte und Sätze in den zitierten Reden beruht hier und im folgenden auf Anordnung des Verfassers, r 4 Meereskunde. hall, den sie im Reichstag des Norddeutschen Bundes fand, richtig zu verstehen, ist es — auf die Gefahr hin, Bekanntes zu wiederholen — notwendig, einen kurzen Überblick darüber zu geben, wie sich die großen See- mächte im Laufe der letzten Jahrzehnte vor jenem An- trag zu der Frage der Meeresfreiheit gestellt hatten. Wir können dabei in der Hauptsache den Ausfühnmgen der damaligen Reichstagsreferenten, Abgeordneten L e s s e und Dr, Schieiden, folgen, von denen namentlich der letztere als vormaliger hanseatischer Ministerresident über die intimeren Einzelheiten der damaligen Seekriegsrechtspolitik aus unmittelbarer per- sönlicher Anschauung unterrichtet war. Während das Landkriegsrecht bekanntlich schon längst auf dem Standpunkt steht oder wenigstens da- mals noch stand, daß der Krieg nur von Staat zu Staat geführt wird, und daß er demgemäß das Privat- eigentum der Untertanen nach Möglichkeit zu schonen hat, haben sich für den Seekrieg wesentlich inhumanere Grundsätze erhalten. Als Ersatz für das Zwangsrecht, welches der Staat im Landkriege in der Besetzung und Eroberung feindlichen Landes besitzt, schreibt er sich im Seekrieg das vorerwähnte Recht der sog, S e e - b e u t e , d, h, die Befugnis zu, nicht nur das Staats- eigentum des Feindes, sondern auch die im Privat- eigentum von feindlichen Staatsangehörigen stehenden, auf See befindlichen, auf feindlichen oder neutralen Schiffen verladenen Güter und die feindlichen Schiffe selbst als sein Eigentum zu erklären und zu behandeln. Die durch diesen Grundsatz herbeigeführte Schädi- gung des Überseehandels veranlaßte zwar schon früh- zeitig zahlreiche, diesen Zustand mildernde Sonderab- machungen einzelner Staaten, ließ aber das Prinzip un- berührt. Der Reichstag und die Freiheit der Meere. 5 Zum ersten Male kam das ideale Prinzip der abso- luten Schonung des Privateigentums im Seekrieg in dem in den letzten Jahren so oft genannten Vertrage des Königs Friedrich des Großen von Preußen mit dem Prä- sidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Benja- min Franklin, vom Jahre 1785 zur rechtlichen Anerken- nung. Der Vertrag fand freilich keine praktische Nach- folge, und von dem Idealismus, der zur Zeit seines Ab- schlusses in Amerika bestanden haben mag, war dort bald nichts mehr zu verspüren. Außerordentlich günstig erschienen die Aussichten für die allgemeine Einführung der Unverletzlichkeit des Privateigentums dagegen wieder um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Das englisch-französische Bündnis gegen Rußland vom Jahre 1854 zwang die Verbündeten, welche bisher ganz verschiedenartige seekriegsrecht- liche Grundsätze befolgt hatten, sich über bestimmte gemeinschaftliche Prinzipien zu einigen: Frankreich ver- zichtete auf sein angebliches Recht, neutrales Gut unter feindlicher Flagge aufzubringen, Eng- land auf seine vermeintliche Befugnis zur Aufbringung feindlichen Gutes unter neutraler Flagge; zu- gleich erklärten beide Mächte, daß sie vorläufig von dem Rechte der Ausstellung von Kaperbriefen keinen Gebrauch machen und nur effektive Blockaden ein- richten wollten. Diese, ursprünglich auf England und Frankreich beschränkten Abmachungen erhielten später durch die Vereinbarungen der Pariser Seerechtskonfe- renz von 1856 für einen größeren Kreis von Staaten dauernde Geltung. Die Pariser Seerechtsdeklaration besagt im einzelnen folgendes: 1. Die Kaperei ist und bleibt abgeschafft. 2. Die neutrale Flagge deckt die feindUche Ladung mit Ausnahme der Kriegskonterbande. Meereskunde, Vorträge, XII. Heft 2. 2 6 Meereskunde. 3. Die neutrale Ware ist, mit Ausnahme der Kriegskonterbande, unter feindlicher Flagge nicht nehmbar. 4. Um bindende Kraft zu haben, müssen Blockaden effektiv sein, d, h, durch eine hinreichende Kraft auf- rechterhalten werden, um wirklich den Zugang zu feind- lichen Küsten zu untersagen. Unter den Signataren der Pariser Seerechtsdekla- ration fehlten die Vereinigten Staaten von Amerika, Im Einklang mit ihrem auch schon früher vertretenen Standpunkt erklärten diese, auf die Abschaffung der Kaperei nur unter der Bedingung eingehen zu können, daß zu dem Satz 1: (,,Die Kaperei ist und bleibt abge- schafft") folgender Zusatz gemacht werde; ,,und soll das Privateigentum von Untertanen oder Bürgern eines kriegführenden Staates auf hoher See der Beschlagnahme durch Kriegsschiffe des anderen kriegführenden Teiles nicht unter- liegen, mit einziger Ausnahme der Kriegskonter- bande"^). Die Verhandlungen mit Amerika zerschlugen sich in erster Linie wegen des Widerspruchs Englands, das sich trotz anfänglichen Lavierens nicht zur Aner- kennung der Unverletzlichkeit des Privateigentums ent- schließen konnte; dann aber auch wegen der mit dem Präsidentenwechsel eingetretenen Veränderung der Stellungnahme der Vereinigten Staaten, Der neue Präsident Buchanan war der Überzeugung, daß Amerika der Abschaffung der Kaperei erst dann zu- stimmen könne, wenn es eine der englischen Seemacht 2) Vgl. Sten. Ber. a. a. O., S. 130 (Abgeordneter Lesse). — Be- züglich der einschlägigen Urkunden und Verhandlungen s. Nie- meyer, Urkundenbuch zum Seekriegsrecht, Berlin 1913, S. 53 ff . Der Reichstag und die Freiheit der Meere, ^ ebenbürtige Flotte besitze, und stellte, um dies zu mas- kieren, neue Bedingungen in bezug auf die Regelung des Blockaderechts, die zum Scheitern der Verhandlungen führen mußten. Während die Vereinigten Staaten also davon ab- sahen, dem in dem vorgenannten Ergänzungsvorschlag zu Satz 1 der Pariser Seerechtsdeklaration (dem sog. Amendement Marcys) enthaltenen rechtspolitischen Ge- danken weitere Folge zu geben, fand die Idee der Un- verletzlichkeitserklärung des Privateigentums in Deutschland freudigen Anklang, Mit besonderer Begeisterung eigneten sich die Regierung und Bürger- schaft der Freien Hansestadt Bremen die amerikani- schen Vorschläge an, so daß diese in damaliger Zeit viel- fach geradezu als „Bremer Programm" bezeich- net wurden. Unter der Führung einiger hervorragender Männer aus Handels-, politischen und wissenschaftlichen Krei- sen, unter denen namentlich der Gründer des Nord- deutschen Lloyds, Hermann Hendrich Meier, der vor- genannte Professor Ludwig Karl A e g i d i , Dr, Alfred K 1 a u h o 1 d und die hanseatischen Diplomaten S c h 1 e i d e n und Geffken zu nennen sind, wurde von Bremen aus eine systematische Propaganda zu- gunsten der Einführung des Prinzips der Unverletzlich- keit des Privateigentums entfaltet. Diese Propaganda wandte sich mit Unterstützung der hanseatischen Mi- nisterresidenten in Berlin, London, Kopenhagen und Washington und der deutschen Konsuln der alten und neuen Welt vor allem an die Vertretungen des Handels in Deutschland, Dänemark, Holland, England und den Vereinigten Staaten, aber auch an einzelne deutsche Städte, Volksvertretungen und Regierungen, und er- zielte in kurzer Zeit überraschend große Erfolge, 2* 8 Meereskunde, Das beste Zeichen für das siegreiche Fortschreiten des Unverletzlichkeitsprinzips war die Tatsache, daß dasselbe zunächst in einem Staatsvertrage zwischen Kostarika und Neugranada vom Juni 1856, dann in den dänischen Waffenstillstandsverträgen von Malmoe von 1848 und 1859, in dem franzö- sisch-österreichischen Frieden vom Novem- ber 1859 und in einer französisch-englischen Abmachung vom März 1860 Anerkennung fand und daß er schließlich in den Jahren 1865/66 auch von Italien, Österreich, Preußen und den Hanse- städten förmlich adoptiert wurde. Dies war die Sachlage, als sich im Jahre 1868 der Norddeutsche Reichstag aus Anlaß des Antrages Aegidi u. Gen. zum ersten Male ex officio und ex pro- fesso mit der Frage der M e e r e s f r e i h e i t zu befassen hatte*). Die Aktivlegitimation des Norddeutschen Bundes zur Anregung dieser Frage und die Hoffnung auf eine wohlwollende Unterstützung dieser Politik durch Preu- ßen konnte mit Recht durch den Hinweis auf die rühm- liche Vergangenheit der deutschen Präsidialmacht be- gründet werden. Hatte doch die preußische Regierung ^) Dabei lasse ich die von mir anderwärts berührte Tatsache unberücksichtigt, daß der Wunsch nach Einführung der Unverletz- lichkeit des Privateigentums auch schon bei früherer Gelegenheit, nämlich während des erstmaligen Versammeltseins des Konsti- tuierenden Norddeutschen Reichstags am 2. April des Jahres 1867 bei der Generaldebatte über den Etat und im gleichen Jahre nochmals anläßlich der Verhandlungen über den Gesetzentwurf, betreffend die Nationalität der Kauffahrteischiffe, von mehreren Abgeordneten in hoffnungsfreudiger Weise vertreten wurde. Vgl, van Calker, Das Problem der Meeresfreiheit und die deutsche Völkerrechtspolitik. Jena (Fischer). 1917, S, 2, Der Reichstag und die Freiheit der Meere. 9 durch den vorerwähnten Vertrag mit den Vereinigten Staaten und durch die seekriegsrechtlichen Vorschriften des Preußischen Landrechts die Deklaration von Paris längst antizipiert und sich auch bei den Kommissions- beratungen des Preußischen Abgeordnetenhauses von 1860 über den auf die Einführung des Unverletzlichkeits- prinzipes hinzielenden Antrag v. R ö n n e*) zu jeder För- derung der gewünschten Verbesserung des Seevölker- rechts bereit erklärt. Demgemäß konnte sich der Ver- treter des Bundeskanzleramtes Delbrück, ohne den Vorwurf zu vorsichtiger Zurückhaltung gewärtigen zu müssen, vorerst damit begnügen, „ein stückweises Ar- beiten" in der Weise in Aussicht zu stellen, daß die Frage „im Wege von Einzelverträgen, welche mit Rücksicht auf die obwaltenden Stimmungen und reellen Interessen möglich werden, nach und nach ge- fördert und so allmählich zu einem Stück des allge- meinen europäischen Völkerrechts in dem Sinne gemacht wird, wie es der Antrag sich vorzeichnet". In der Tendenz, sich zunächst auf den Abschluß von Einzelverträgen von Staat zu Staat zu beschränken, dagegen aber den Weg von Kongreß- verabredungen zu vermeiden, befand sich die Präsidialregierung in voller Übereinstimmung mit den Antragstellern, den beiden Referenten und dem ganzen Reichstag, Der Korreferent Dr. S c h 1 e i d e n wies zwar darauf hin (S, 134], „daß ein Vertrag von Staat zu Staat, solange er nur zwischen zweien oder wenigen ge- schlossen wird, an sich kein Völkerrecht begründet", betonte aber auf der anderen Seite die unverkennbare moralische Bedeutung eines solchen, wenn auch *) Siehe Sten. Ber. 1860, Bd. 5, S. 1286ff. und Sten. Ber. d, Nordd. Reichstags 1868, Bd. 1, S. 134. 10 Meereskunde, nur zwischen zweien geschlossenen Vertrages, sowie die starke vorbildliche Wirkung von Präzedenz- fällen, Auch der Referent L e s s e stellte ausdrück- lich fest, daß der Antragsteller nur Einzel vertrage, nicht aber einen Kongreß vorschlage, da es ja be- kannt sei, daß auf einem solchen Kongreß durch den Widerspruch eines einzigen Staates die ganzen Ver- handlungen scheitern können. Daneben erwähnte er als besonderen Vorzug eines isolierten, autono- men Vorgehens nach Art des bekannten, die Kaperei verbietenden preußischen Erlasses vom 19, Mai 1866 noch den Umstand, daß der Staat bei diesem Verfahren für den Fall des Ausbleibens einer Gegenseitigeitserklä- rung von selten der feindlichen Staaten von einem solchen einseitigen Erlaß ohne weiteres wieder zurück- treten könne — ein Vorteil, der in ähnlicher Weise übrigens auch bei förmlichen Gegenseitigkeitsverträgen von Staat zu Staat gegeben ist, solange eben die vertragliche Bindung nicht über zwei Kontrahenten hin- ausgeht, und solange hierdurch keine allgemeine Aner- kennung der Vertragsabmachung als völkerrechtliches Prinzip bewirkt wird. Ich habe den Eindruck, als ob diese Gedanken auch heute noch die Be- achtung unserer Politiker verdienten. Denn ich kann mich der Befürchtung nicht verschließen, daß ein allzu großes Entgegenkommen hinsichtlich des Abschlusses weitreichender, auf eine größere Zahl von Staaten bezüglicher internationaler Verträge und in bezug auf die Einführung allgemeiner völkerrechtlicher Prinzipien uns vor schwere Gefahren stellen könnte. Auf einem Gebiete, wie dem des Seekrieges, wo jeder Tag, neue technische Erfindungen, neue Waffen und Verteidigungsmittel, neue wirtschaftliche und Der Reichstag und die Freiheit der Meere. 1 1 juristische Probleme bringt, bedeutet jede unwiderruf- liche vertragliche Bindung möglicherweise einen Verzicht von unübersehbarer Tragweite! Unter den Gründen, die von den beiden Be- richterstattern zur Unterstützung des Antrages auf Ein- führung des Immunitätsprinzips vorgebracht wurden, war im wesentlichen ein negatives Moment maß- gebend, nämlich der ungenügende Schutz, den die Pariser S e e r e c h t s d e k 1 a r a t i o n von 1856 dem internationalen Handel und der Reederei gewährt. Vor allem wurde darüber geklagt, daß der Art. III der Konvention keinerlei Garantie gegen eine vor- übergehende Aufbringung von Schiffen mit neu- traler Ware enthält; Der bloße Verzug, der dadurch entstehe, daß solche Schiffe nach Häfen hingeschafft werden, wohin die Ware nicht bestimmt war, und daß die Ware dort bis zu der prisengerichtlichen Entschei- dung über Kondemnation oder Freisprechung des Schif- fes liegen bleiben muß, bedeute nicht selten eine solche Entwertung der Ware, daß sie der Vernichtung der Ware nahezu gleichkomme — eine Behauptung, deren Richtig- keit, nebenbei bemerkt, der Weltkrieg durchaus bestä- tigt hat. Dies sei ein Mangel, dem nur durch die unein- geschränkte Anerkennung des Immunitätsprinzips voll- kommen abgeholfen werden könne. Ein weiterer schwerer Mangel der Pariser See- rcchtsdeklaration wurde darin gesehen, daß die Vor- schrift des Art, I über die Abschaffung der Kaperei zwar die Beseitigung der Privat- k a p e r e i in dem früheren Sinne des Wortes, das heißt auf eigene Rechnung und Gefahr des betreffen- den Privatschiffes, ausspricht, daß sie es aber in das Belieben jeder kriegführenden Macht stellt, so viele 12 Meereskunde. Privatschiffe, wie sie will, für den Staat zu chartern und neben ihren eigentlichen Staatsschiffen als öffentliche Kriegsschiffe zur Staatskaperei zu verwenden: An die Stelle der Pr i va t k ap e r ei sei also einfach die Staatskaperei getreten. Die Folgen dieser Mißstände werden mit großer Anschaulichkeit geschildert; Unter ihnen leidet nicht nur die Reederei, deren Schiffe still liegen oder zerstört werden, sondern auch der neutrale Han- del, der oft ganze Schiffsladungen an Bord feindlicher Schiffe hat, und schließlich nicht minder der Produ- zent; „denn heutzutage ist jeder Strumpfwirker und jeder Handschuhmacher im Binnenlande auch bei dem Seeverkehr aufs äußerste interessiert". Nur eine längst überwundene, durchaus irrige Handelspolitik habe glauben können, daß es möglich sei, durch Vernichtung des feindlichen und des neutralen Handels Konkur- renten zu beseitigen, dem eigenen Lande Vor- teile zuzuwenden und den Frieden schneller zu erzwin- gen — jetzt aber sei jedermann überzeugt von der So- lidarität der internationalen Inter- essen, und nichts wirke dem System des Seeraubes mehr entgegen, als das neue Prinzip des Freihandels. Dazu komme, daß die modernen technischen Erfindun- gen, wie Eisenbahnen, Dampfschiffe und neue wunder- bare Zerstörungswerkzeuge, notwendig zu einer Abkür- zung des Krieges und zu einer erheblichen Abschwä- chung der praktischen Bedeutung der Staatskaperei führen müßten; und endlich, daß jeder Staat mit einem großen Seehandel schon wegen der bloßen Gefahr, in einen bestehenden Krieg mit hineingezogen zu wer- den, gewärtigen müsse, seinen ganzen Frachthandel zu verlieren.. Die Gewinnenden in einem europäischen Krieg, an welchem England etwa als Gegner Frank- Der Reichstag und die Freiheit der Meere. 13 reichs teilnehme, seien voraussichtlich die Vereinigten Staaten von Nordamerika, die im Gegensatz zu allen größeren europäischen Staaten, wie namentlich England, in den meisten Kriegen in der Lage seien, neutral zu bleiben und somit den Schutz der neutralen Flagge zu genießen- Das alte Wort: ,,Rule Britannia, rule the waves", gelte nicht mehr in seiner früheren Bedeutung (S. 132). Die Befürworter des Antrages A e g i d i begnügten sich jedoch nicht damit, die Nachteile zu schildern, deren Beseitigung sie sich von der Einführung der Un- verletzlichkeit des Privateigentums erwarteten, sondern sie wußten auch positive Vorteile in Aussicht zu stellen (S, 133), Der Hauptvorteil des vorgeschlagenen neuen Systems besteht, wie Schieiden hoffnungsfroh ausführt, in der Erreichung des großen Zieles, daß hierdurch der ganze Ozean neutrali- siert werde. Ein weiterer Vorzug soll der sein, daß mit der Beseitigung des Seebeuterechts der Anlaß zu vielen neuen Kriegen und Streitig- keiten beseitigt werde. Trotz aller Begeisterung für die Aufstellung des Immunitätsprinzips konnte ein so gewiegter Kenner des Seekriegsrechts wie Schieiden freilich nicht dar- über im Zweifel sein, daß mit der Annahme jenes Prin- zips noch nicht alle Mängel des Seevölkerrechts be- seitigt seien: ,,Es bleiben dann" — bemerkte er opti- mistisch — ,,nur noch drei große Fragen zu ordnen übrig: diejenige des Blockaderechts, die Frage der Kriegskonterbande und das Durch- s u c h u n g s r e c h t." „Auch diese Fragen sind", wie er zugab, ,,von ungeheurer Bedeutung," Gleichwohl setzte er sich über sie mit auffallender Leichtigkeit hin- weg: Es sei „unopportun", den vorliegenden Antrag mit Meereskunde, Vorträge. XII. Heft 2. 3 14 Meereskunde, dem Vorschlage zu beschweren, auch diese Punkte jetzt schon zu ordnen, und man könne zu der Weisheit der Bundesregierung das Vertrauen haben, daß sie jede Gelegenheit, auch diese Punkte zu regeln, benutzen, werde; dabei dürfe die Regierung der Zustimmung des Reichstags ,,zu jeder Sicherstellung" gewiß sein- interessant ist, wie S c h 1 e i d e n bei dieser Ge- legenheit auf den erst in neuester Zeit (namentlich in Niemeyers Vortrag über die Prinzipien des Sec- kriegsrechtes [Berlin 1909] S, 15, und Triepels Ab- handlung [vgl- Anm, 27] über die Freiheit der Meere) wieder richtig erkannten Zusammenhang zwi- schen S e e b e u t e r e c h t und Blockade- recht hinweist, ,,. , , Darüber , , ,, glaube ich, werdea wir alle einig sein, daß, wenn das Privateigentum auf hoher See von Wegnahme frei ist, es an sich widersinnig ist, wenn man es drei Meilen von der feindlichen Küste noch aufbringen will , . ," Bemerkenswert ist schließlich die Tatsache, daß S c h 1 e i d e n als gewichtigsten Zeugen für die Not- wendigkeit der Beseitigung des Blockaderechts auch im Interesse Englands keinen Geringeren als Richard Cobden anführen konnte. Wie oft möchte man England heute an die Manen dieses Mannes erinnern, dessen Lehren in seiner eigenea Heimat scheinbar so gänzlich vergessen sind! — Der Antragsteller A e g i d i fügte den Ausführungen der Referenten verhältnismäßig nur wenig bei (S. 135 f.)- Gleichwohl wird jeder, der sich der KausaHtät der Ge- schehnisse des Weltkriegs bewußt ist, mit Interesse fest- stellen, wie viel Wahrheit in den kurzen Sätzen A e g i d i s enthalten ist. So namentUch in seiner Be- merkung über dieunhaltbareNotlage, in welche England durch die Annahme der Pariser Seerechts- Der Reichstag und die Freiheit der Meere. 15 deklaration gekommen sei: ,,So wie es jetzt ge- stellt ist, kann England der Eventua- lität eines Seekrieges nicht entgegen- sehen und nicht entgegengehen," Klingt es nicht wie das Wort eines Propheten, wenn A e g i d i zur Begründung seines Antrages auf eine rechtzeitige Reform der Pariser Vereinbarungen mah- nend ausruft: ,,Wenn . , , England, um aus dem jetzigen Dilemma herauszukommen, statt den Fortschritt zu be- günstigen, welchen unser Antrag begünstigt, einen Rückschritt machen sollte und den Beschlüssen des Pariser Kongresses die fernere Geltung bestritte, dann würden nicht bloß die Verhältnisse der Krieg- führenden untereinander, welche unser Antrag ins Auge faßt, sondern dann würden auch die Rechte der Neu- tralen von neuem in Frage gestellt sein, die in Paris auf das befriedigendste geregelt sind." Wie richtig die Annahme A e g i d i s war, daß England nur seinem ver- meintlichen Vorteil, nicht aber idealen Intentionen fol- gen, und daß es die Pariser Übereinkunft leichten Her- zens über Bord werfen werde, ist heute nur allzu be- kannt ! Wir könnendaraus die Lehre ziehen, daß es nichts als einegefährliche Selbst- täuschung ist, wenn Staatsverträge ge- schlossen werden, deren Durchführung mit dem L e b e n s in t e r e ss e eines der Kon- trahenten in unlösbarem Widerspruche steht. Und wir müssen voller Anerkennung einer Bewegung gedenken, die bei allem Idealismus ihrer Führer von so gesunden realpolitischen Anschauungen bestimmt war, wie sie beispielsweise in folgenden Worten Aegidis zum Ausdrucke kommen (S. 136): „, , . nicht bloß mit der Tendenz auf einen humanen, philanthropischen Fortschritt betrachte ich unseren An- 3* 16 Meereskunde, trag, sondern als das einzig richtige und unentbehrliche Mittel dafür, daß der nach jahrhundertelangem Ringen endlich gewonnene, für uns günstige Zustand im Völker- rechte uns erhalten bleibe," ,,Ich glaube nicht, den Antrag dadurch zu schwächen, daß ich hier den Beweis zu führen versuche, wie es auch im wohlverstandenen Interesse und im Vorteil unserer Nation liegt, diesen Fortschritt anbahnen zu helfen," — Was ist nun aus dem Antrage A e g i d i und Gen. geworden? Das Protokoll berichtet nur, daß er am 18. April 1868 ohne Widerspruch „fast einstimmig" an- genommen wurde (S. 136), Aus einer späteren, gele- gentlichen Bemerkung des Abgeordneten Schieiden aus dem Jahre 1871 erfahren wir noch genauer, daß der Antrag nur einen einzigen Gegner gehabt hat, dessen Name nicht genannt wird. Aber gleichzeitig lesen wir die bedauernden Worte des einstigen Korreferenten: „Bis jetzt wissen wir noch nichts von Erfolgen, die die Regierung in dieser Veranlassung gehabt hat." Die Schuld lag damals freilich nicht auf selten der deutschen Regierung, sondern auf selten der Gegner, von denen wir uns den billigen Hohn gefallen lassen mußten: „0, eure Tugend, mit der ihr auf die Kaperei verzichtet, ist wohlfeil; ihr habt eben nicht die Mittel, uns zu schaden, deshalb spielt ihr die Großmütigen und sagt, ihr wollt uns nicht schaden!" (Sten, Ber. 1871, I, Sess,, B, II. S. 983.) So ist es bis auf den heutigen Tag geblieben! — Je- doch ich will der Entwicklung nicht vorgreifen, sondern möchte Sie bitten, es sich die Mühe nicht verdrießen zu lassen, den Spuren des Gedankens der Meeresfreiheit bis in die neueste Zeit hinein zu folgen. Wir werden dabei noch mehrmals förmlichen Anträgen nach Art des soeben geschilderten begegnen; im übrigen müssen wir Der Reichstag und die Freiheit der Meere, \^ uns damit zufrieden geben, den Gedanken, der mehr- mals für einige Jahre hindurch anscheinend ganz ver- schollen war, bald bei dieser, bald bei jener Gelegenheit im Zusammenhang mit verschiedenartigen anderen An- gelegenheiten vorübergehend wieder auftauchen und wirksam werden zu sehen. Der erste Anlaß zur Beschäftigung mit Fragen des Seekriegsrechts bot sich dem Reichstag des Deutschen Reiches") bei der Beratung über den Gesetzentwurf, betr. die Entschädigung der deutschen Reeder, im Jahre 1871. Die Regierung des Norddeutschen Bundes hatte bekannt- lich im Einklang mit den altpreußischen Traditionen und mit den soeben geschilderten Tendenzen des Norddeut- schen Reichstags durch Verordnung vom 18, Juli 1870 den Grundsatz der Freiheit der Meere proklamiert, während Frankreich den entgegengesetzten Standpunkt einnahm und den deutschen Seehandel erheblich schä- digte. Erst am 18. Februar 1871 gab die Bundesregie- rung diesen Grundsatz, durch Frankreichs Verhalten gezwungen, auf. Wenn seit diesem Zeitpunkt noch einige französische Handelsschiffe aufgebracht wurden, so bedeutet dies keine grundsätzliche Abkehr von dem überkommenen Immu- nitätsprinzip. Vielmehr wurde von selten Deutsch- lands gerade im Gegenteil entschiedenes Gewicht darauf gelegt, diesem Prinzip bei den Friedensverhandlungen mit Frankreich ausdrückliche Anerkennung zu ver- schaffen. Und wenn auch der Bundeskanzler infolge auswärtiger Einflüsse darauf verzichten mußte, den Franzosen in den Friedenspräliminarien vom 2. März ^) Ich sehe hier ab von den Verhandlungen des Deutschen Zollparlaments über den Deutsch-Mexikanischen Handelsvertrag, die mancherlei Interessantes in bezug auf Kontrcbande, Blockade und Embargo enthalten. 18 Meereskunde, 1871 und im Frankfurter Frieden vom 10, Mai 1871 die förmliche Anerkennung abzuzwingen, so wurde doch wenigstens die mittelbare Anerkennung jenes Prinzips erreicht- Dies geschah dadurch, daß im Reichs- tag ausdrücklich festgestellt wurde, in der Kriegs- entschädigung solle auch die Entschä- digung für die gekaperten Schiffe ent- halten sein, und daß dies auch in der vorgenannten Regierungsvorlage deutlich zum Ausdruck kam — eine Tatsache, deren prinzipielle Bedeutung namentlich von dem um die deutsche Schiffahrt hochverdienten Ab- geordneten van Freeden im Reichstage mit großer Genugtuung hervorgehoben wurde"). Im übrigen bestä- tigten die Erfahrungen des Deutsch-Französischen Krie- ges in der unerfreulichsten Weise die Richtigkeit der Gründe, mit welchen in Deutschland für die Prokla- mierung des Immunitätsprinzips gekämpft worden war. Man kann es daher wohl verstehen, wenn im Deutschen Reichstag bei dieser Gelegenheit die schwersten Vor- würfe nicht nur gegen Frankreich, sondern auch gegen den Pariser Traktat von 1856 als solchen erhoben wurden. In berechtigtem Unmut erklärte der Abg. V, H e n n i g es als notwendig, sich durch Kün- digung von diesem Vertrage zu befreien: ,,denn von der Gerechtigkeit der anderen Völker, welche mit uns im Kriege sind, können wir nichts erwarten, ganz allein von ihrer Furcht, und daß diese Furcht ein- treten wird und eintreten muß, davon bin ich überzeugt, denn ich glaube, daß unsere Schiffe, die wir zum Kapern ausrüsten, imstande sind, mit jedem anderen Schiffe zu rivalisieren"^). Auch dies war ein prophe- tisches Wort! '') Reichstagsprotokolle, 1. Leg. Per., 1. Sess. 1871, Bd. 2, S. 981. ^) A. a. 0.„ S. 983. Der Reichstag und die Freiheit der Meere. 19 Die Ereignisse des 70er Krieges hatten eine so gründliche Mißstimmung gegen die Pariser Abmachun- gen im deutschen Volke erzeugt, daß sich der Gedanke an einen weiteren Ausbau des Seekriegsrechts auf dieser Basis im Deutschen Reichstage lange Jahre nicht mehr hervorwagte. Erst im Jahre ISS^"*) wurde gelegentlich •der Beratung des Gesetzentwurfes über die Prisenge- richtsbarkeit von den Reichstagsabgeordneten Meyer- Jena und Kapp wieder einmal an die Bestrebungen nach Herstellung der Unverletzlichkeit des Privateigen- tums im Seekriege erinnert und die Bitte an die Bundes- regierung gerichtet, „daß sie mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln dahin wirken möge, im Kriege dem Grundsatz der UnverletzHchkeit der Person und des Privateigentums zur See die völkerrechtliche Anerken- nung zu verschaffen". Von einem so ausgesprochenen Feinde der Pariser Seerechtsdeklaration wie dem Fürsten B i s m a r c k , der den Pariser Kongreß noch zwanzig Jahre später in bitterem Grimme als eine Art von C a n o s s a bezeichnete**), konnte indessen nicht er- wartet werden, daß er den Engländern und den Fran- zosen nach all den üblen Erfahrungen der letzten Jahr- zehnte noch einmal die Hand bieten werde! Fürst Bismarck war vom Schauplatze seiner Taten abgetreten. Andere Männer und andere Rich- tungen standen sich gegenüber, als zu Anfang der 90er Jahre der Gedanke einer energischen Propagierung des Immunitätsprinzips im Deutschen Reichstag neuerdings Gestalt gewann. Eine zum Etat des Auswärtigen Amtes für 1892/93 eingebrachte Resolution Barth u. Gen., betreffend den Schutz des Privateigentums zur See, «) Reichstagsprotokolle 1884, Bd. 1, S. 231. 9) Reichstagsprotokolle 1887/88, 7. Leg. Per., 2. Sess., Bd. 2, S. 726. 20 Meereskunde. wiederholte mit völlig gleichem Wortlaut den Antrag; A e g i d i u, Gen, vom Jahre 1868^"). Der Antrag trug, die Unterschriften der Abgeordneten Baumbach, Barth, Jebsen, Hausmann, Rickert, B ü s i n g , also in der Hauptsache die Unterschriften von Mitgliedern der freisinnigen Partei, jedoch mit einem nationalliberalen Einschlag, Der Abg. B a u m - b a c h unterließ es nicht, den Reichskanzler ausdrück- lich darauf hinzuweisen"), daß es sich nicht um einen freisinnigen Parteiantrag handele, da der Herr Reichs- kanzler sonst „vielleicht von vornherein eine ge- wisse Abneigung gegen diesen Antrag hätte infolge eines unbehaglichen Gefühls von freisinniger Umheim- lichkeit". Die Begründung des Antrages bewegte sich im großen und ganzen in den gleichen Gedankengängen wie im Jahre 1868, Ein Hauptargument bildete die seit- her eingetretene große Steigerung der Marine - ausgaben und die Erwägung, daß die Zer- störung von Privateigentum zur See trotz des großen Schadens, den dadurch die Reederei und der Handel erführen, nach den Erfahrungen von 1870/71 inderRegelgar keine Bedeutung für den Erfolg des Krieges habe^-). Irgendwelche neuen Gründe wurden von den Wortführern des Antrags, den Ab- geordneten Baumbach, Barth und Jebsen, nicht vorgebracht; es müßte denn sein, daß man die starke populäre Strömung, die sich nach den von dem •0) Siehe Reichstagsprotokolle 1892/93, Bd. 7, S. 4553 ff.; Anl. B, III, Drucks. 705, 718. 1») Siehe S. 4557. ^^) Siehe besonders S. 4560 f. (v. Bar und Barth). Der Reichstag und die Freiheit der Meere. 21 Abg, Barth unternommenen Untersuchungen infolge der Erfahrungen des Sezessionskrieges und anderer Er- eignisse in den Vereinigten Staaten von Amerika und in England zugunsten des Immunitätsprinzips gebildet hatte, auch vom deutschen Standpunkte aus ohne weiteres zugunsten dieses Prinzips wertet. Auch der Abg. Professor v. Bar, der sich als Völkerrechtsgelehrter und Mitglied des bekannten internationalen Institut de droit international einer be- sonders gründlichen Kenntnis der in den völkerrecht- lich-technischen Kreisen herrschenden Anschauungen rühmen durfte, wandte gegen die Wegnahme von Privat- eigentum zur See neben der herrschenden „allgemeinen Theorie des Seekriegs" namentlich die angebliche Nutzlosigkeit dieser Maßregel ein. Er äußerte sich darüber folgendermaßen; ,,Wenn man auch zu dem Zwecke des Krieges die äußersten Gewaltmittel ver- teidigen kann, so kann man doch nicht die Anwendung von Gewaltmitteln gut heißen, wenn diese gar keinen Erfolg verheißen." ,,U nd daß diese Wegnahme von Privateigentum zur See keinen Er- folghabenkann,ergibtsichganz einfach daraus, daß z. B, alle Staaten, die nicht absolute Inselstaaten sind, in der Lage sind, durch ihre ausgedehnten Eisen- bahnverbindungen mittels der neutra- len Häfen alles dasjenige auf kleinem Umwege zu erhalten, was sie sonst zur See erhalte n." „Der einzige Schaden, der den Feinden zugefügt wird, ist, daß die Schiffe in den Häfen, wo sie sich befinden, bleiben müssen." ,,Es wird der Handel allerdings den Neutralen zugeführt, und die kriegführenden Teile müssen ihren Handel einstellen." „Das schädigt beide Teile gleichmäßig, hat aber auf 22 Meereskunde, das Schicksal des Krieges so gut wie gar keinen Einflu ß^ ')," Das war kein prophetisches Wort! Der Reichskanzler Grafv. Capriv i") erwiderte auf den Antrag zunächst mit einer platonischen Liebeserklärung: „Der vorliegende Antrag ist ein altes Postulat der Kaufleute und humaner Herzen aus allen Ständen, und auch die verbündeten Regierungen würden ihrem humanen Herzen nach dieser Richtung hin gerne Luft machen, wenn sie sich zur Zeit einen Erfolg davon versprechen könnten," Im übrigen machte C a p r i v i jedoch kein Hehl daraus, daß sein Verstand dem Herzen nicht folgen könne; auch bestritt er mit Entschiedenheit die Richtigkeit der Barthschen und v. Barschen Be- hauptungen über die angebliche Zunahme der aus- ländischen Freunde des Immunitätsprinzips; ,,Es ist eine hervoragende, unzweifelhaft das deutsche Gemüt und den deutschen Sinn ehrende Erscheinung, daß in der Literatur, die sich mit diesen Gegenständen beschäftigt, die Deutschen allemal in erster Linie stehen; auch heute noch, wenn ich die Zahl und das Gewicht der Stimmen, die sich über diese Dinge geäußert haben, gegen ein- ander abwäge, habe ich, abweichend vom Herrn Ab- geordneten Baumbach, den Eindruck, daß auf Seiten der humanen Tendenz in der Hauptsache die Deutschen stehen, während die Vertreter der anderen Staaten mehr nach der anderen Seite gravitieren," Der ausschlaggebende Grund für die ablehnende Stellung C a p r i V i s gegenüber dem Antrag Barth war aber seine Überzeugung, daß die realen Verhältnisse hinsichtlich der Entwicklung des Seehandels und der Mittel der Seekriegführung seit dem Jahre 1856 zu einer ^^) Vom Verfasser gesperrt. 1*) Reichstagsprotokolle a. a. O., S. 4557. Der Reichstag und die Freiheit der Meere, 23 großen Veränderung der Sachlage geführt hätten, und zwar zu einer Veränderung zuungunsten des Schutzes des Privateigentums zur See. ,, Seeschlachten", so faßte der vormalige Staats- sekretär des Reichs-Marine-Amts seine auf gründlich- ster Kenntnis der Seekriegsgeschichte beruhende Mei- nung zusammen, ,, entscheiden sehr selten, werden ent- scheidend vielleicht nie in der Zukunft über das Schick- sal der Staaten, sondern erst die Folgen der See- schlachten sind das Entscheidende," ,,Wenn zwei große Flotten den Kampf miteinander ausgekämpft haben, so ist an der Lage der beiden Staaten, die den Kampf auskämpfen, nichts weiter geändert, als daß jeder von beiden einen größeren oder geringeren Betrag seiner Kraft zur See eingebüßt hat," ,,Auf die Neigung des in ■der Seeschlacht Besiegten, Frieden zu schließen, kann der Sieger nur auf zwei Wegen einwirken, einmal , , , durch eine Landung im größeren Stil, und zweitens durch die Zerstörung des feindlichen Handels," Da nun eine solche Landung in der Regel nicht möglich sei, so werde in den meisten Fällen die Lage im Seekrieg künftighin d i e sein, daß dereineTeiltrachten müsse, den Handel des anderen Teiles zu zerstören. Dies Trachten werde um so notwen- diger sein, je mehr der Gegner auf seinen Handel an- gewiesen sei, sei es in bezug auf seine Ernährung, sei «s in bezug auf die zur Aufrechterhaltung seiner In- dustrie erforderlichen Rohprodukte, „Es ist der Krieg «in roh, gewaltsam Handwerk", hat schon Schiller gesagt, „und das gilt zu Lande, so gut wie zur See," „W er Krieg führt, will den Kriegszweck erreichen; und wenn er energisch ist, erreicht er ihn unter Anwendung aller Mittel: und es wird zu diesem Zweck im 24 Meereskunde. Seekriege der Versuch, den feindlichen. Handel zu zerstören, für denjenigen ge- hören, der die Mittel dazu besitz t," ,, Dar- aus folgt weiter" — mit diesem Argumentum ad hominem beschloß der Reichskanzler diesen Gedankenkreis — ^ „daß die Stellung der Seemächte zu der Frage, die an- geregt ist, eine sehr verschiedene sein kann, daß Eng- land, die größte Seemacht der Welt, eine ganz andere Stellung dazu einnehmen kann als kleinere Seemächte.'^ Dem ,,B r a V o ! link s", mit dem nach der Fest- stellung des Reichstagsstenographen die Ausführungen der Anhänger des Antrages Barth u. Gen. auf- genommen wurden, entsprach ein ,,B r a v o ! rechts" am Schlüsse des Vortrages des Kanzlers, und gar ein ,,lebhaftes Bravo rechts" am Ende der Er- klärung des Abgeordneten Dr, Hartmann, der den Antragstellern kurz entschlossen den guten Rat gab^ ihren Antrag zurückzuziehen. Die Worte C a - privis hatten augenscheinlich im ganzen Reichstage einen tiefen Eindruck hinterlassen. Auch das Zentrum schloß sich durch den Mund des Abgeordneten Dr. O r t e r e r dem Rate des Abg, Hartmann an, mit der Begründung, daß der größte Teil seiner Mit- glieder aus Opportunitätsgründen zur Zeit nicht in der Lage sein würde, dem Antrage seine Zustimmung zu geben. Unter diesen Umständen erschien es den An- tragstellern begreiflicherweise als zweckmäßiger, es nicht auf eine Abstimmung ankommen zu lassen, und so zogen sie denn ihren Antrag mit dem Vorbehalt zurück, ,,zu geeigneter Zeit später darauf zurückzu- kommen". Auffallenderweise hielten die Abg, Baumbach u. G e n. diesen Zeitpunkt schon im nächsten Etats- jahrc für gekommen und brachten daher den Antrag Der Reichstag und die Freiheit der Meere, 25 ein; ,,Dcn Herrn Reichskanzler zu ersuciien, dem Grundsatz der Unvcrletzlichkeit des Privateigentums zur See in Kriegszeiten auf einer internationalen Kon- ferenz die völkerrechtliche Anerkennung zu ver- schaffen^'')," C a p r i V i nahm gegen den Antrag, noch ehe der- selbe formell zur Diskussion stand, gelegentlich der Be- sprechung des Marineetats abermals mit Entschieden- heit Stellung und begründete seine Undurchführbarkeit mit der Überzeugung, daß derjenige, dem im Kriege die Verletzung feindlichen Eigentums vorteilhaft sei, wenn er stark genug sei, sich keinen Augenblick ge- nieren werde, dazu zu schreiten. — Der Antrag, der außer den Namen der vorgenannten fünf Antragsteller die Unterschriften von 39 „unterstützenden" Abgeord- neten der freisinnigen und der nationalliberalen Frak- tion") zeigt, blieb infolge der Reichstagsauflösung am Schlüsse der Session unerledigt. Damit war der Antrag anscheinend gründlicher er- ledigt als durch die eingehendste Debatte! Denn wenn- gleich der Wunsch nach Schutz des Privateigentums im Seekriege gelegentlich noch einmal im Zusammenhang mit anderen Fragen gestreift wurde^^), so kam es ^^) Siehe R eichstagsprotokolle 1892/93, Bd. 3, S. 1499 (v. Caprivi) ; Anl. B. 1, S. 172, Drucks. Nr. 43. ^^) Adt, Althaus, Bamberger, Böttcher, Dau, Funck, Gold- schmidt, Hastedt, Hermes (Jauer), Hirsch, van Hülst, Jeschke, Knoercke, Kraemer, Langerhans, MüUensiefen, Müller, Münch Osann, Pfaehler, Pflüger (Baden), Pieschel, v. Reibnitz, Rimpau, Roesickc, Rüge, Sander, Schenck, Schmieder, Schneider (Nord- hausen), Schroeder, Seelig, Sigle, Troeltsch, Uhlendorff, Weiß (Eßlingen), Wilisch, Witte, Zangermeister. 1^) Vgl. Reichstagsprotokolle 1895/97, Bd. 2, S. 1536 f. (Abg. Fritzen für Unverlctzlichkeit); 1900/02, Bd. 3, S. 1988 (Abg. Pachnike für Unverletzlichkeit); S. 1989 (Staatssekretär Frhr. V. Richthofen, grundsätzlich geneigt, solche Wünsche trotz ihrer Aussichtslosigkeit zu unterstützen). 26 Meereskunde. doch erst im Jahre 1909 wieder zu einem förm- lichen, auf diese Angelegenheit bezüglichen Antrag, Waren es im Jahre 1868 Angehörige der f r e i - konservativen, 1890 92 und 1892/93 Mitglieder der freisinnigen und der nationalliberalen. Partei gewesen, welche den Schutz des Privateigentums im Seekriege auf ihre Fahne geschrieben hatten, so waren es im Jahre 1909 die Sozialdemokraten, an welche die Führung in dieser Frage überging. Die Frage erschien allerdings nicht mehr als eine bloß völkerrechtliche Angelegenheit, sondern sie wurde nunmehr mit einer rein politischen Frage zusammengekoppelt. Zum Etat des Reichskanzlers für 1909 wurde von den Abgeordneten Ab 1 a ß u. G e n, eine Resolution mit dem Antrage eingebracht; ,,Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, unter Hinweis auf die von der deutschen Regierung gebilligten Beschlüsse der Haager Konfe- renzen in den Jahren 1899 und 1907 die erforderlichen Schritte zu tun, um eine internationale Verständigung der Mächte zur gegenseitigen Begrenzung der Rüstungen zur See sowie zum Verzicht auf dasPrisenrecht baldigst in die Wege zu leiten^^)," Unter rühmender Anerkennung der Tatsache, daß die deutsche Regierung den humanitären Grundsatz der Achtung des Privateigentums zur See von jeher ver- treten und auch praktisch geübt habe, wies der Abg. Ledebour zur Begründung der sozialdemokratischen Resolution namentlich auf die neuerdings eingetretene Veränderung in der Haltung der englischen Regierung hin, die sich heutigen Tages der Einsicht nicht mehr ^^) Reichstagsprotokolle 1909, 12. Leg. Per., 1. Sess., Bd. 236. S. 7814 ff. Der Reichstag und die Freiheit der Meere, 27 völlig verschließe, daß auch sie bei dem Fortbestehen der fraglichen Bestimmungen Gefahr laufe. Hiernach sei zu hoffen, daß die deutsche und die englische Regie- rung für einen gemeinsamen Beschluß im Sinne der be- antragten Resolution gewonnen werden könnten, wo- bei die deutsche Regierung in bezug auf die Abrüstungs- frage, die englische in bezug auf das Immunitätsprinzip gewisse Konzessionen zu machen hätten. Der Antrag Ablaß fand beim Reichstag wenig Gegenliebe, Die Diskussionsredner, Bassermann, Erbprinz von Hohenlohe-Langenburg, Lie- bermann V, Sonnenberg, Fürst Bülow, V, Tirpitz und v, Skarzynski beschränkten sich auf die Abrüstungsfrage, hinsichtlich deren auch der nationalliberalen Fraktion trotz ihrer Sym- pathie für das Immunitätsprinzip ein Entgegenkommen unmöglich erschien. So wurde die Resolution am Ende der Beratung über das Gehalt des Reichskanzlers schließlich ohne weitere Diskussion sang- und klanglos abgelehnt (a. a, O. S. 7882), Der folgende Tag (31, März 1909) brachte indessen noch ein freundliches Nachspiel in Gestalt eines von dem Abg. Scheidemann verlesenen Telegramms des englischen Arbeiterführers Henderson an die deutsche Sozialdemokratie, Das Telegramm bildete die Antwort auf die telegraphische Mitteilung des Abg, Paul Singer von dem geschilderten Antrag Ablaß u, Gen, und lautete: ,,Die britische Arbeiterpartei ist von ganzem Herzen mit euch und euren Bestrebungen ein- verstanden, ein internationales Abkommen herbeizu- führen, das den Ausgaben des Wettrüstens Einhalt tut und das Kaperrecht abschafft. Mit dem besten Wunsche für euren Erfolg und mit brüderlichen Grüßen von der Arbeiterpartei, Henderso n," (S, 7903,) 28 Meereskunde. Wollen wir — was wir auch sonst über die in Frage stehenden Probleme denken mögen — hoffen, daß die in jenen Worten ausgeprägte Gesinnung des heute an so wichtiger Stelle stehenden Mannes sich in England durchsetzen möge. Kurz vor Schluß des Jahres 1909 lief beim Deut- schen Reichstag nochmals ein Antrag Dr, Ablaß u, Gen, (vom 1. Dezember 1909) ein, der — die Gefahr der Verkoppelung mit der Abrüstungsidee vermei- dend — lediglich dahin ging: „Der Reichstag wolle be- schließen: Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß die Unverletzlichkeit des PrivateigentumszurSeeinKriegszeiten zu einem vertragsmäßig anerkannten Grundsatz des Völkerrechts erhoben werde^**)," Dieser, von An- gehörigen der sozialdemokratischen, der nationallibe- ralen und der Volkspartei unterzeichnete Antrag blieb jedoch „u n e r 1 e d i g t", d, h. er kam vor Sessionsschluß nicht mehr auf die Tagesordnung-"), Im Jahre 1911 unternahm die sozialdemokratische Partei in bezug auf die beiden Fragen der Abrüstung und der Abschaffung des Seebeuterechts im Deutschen Reichstag abermals einen Vorstoß, Ein von sämtlichen 51 Fraktionsmitgliedern unterschriebener Antrag Albrecht u, Gen, (vom 16, März 191 1)-^) ging dahin: ,,Der Reichstag wolle beschließen, den Herrn Reichs- kanzler zu ersuchen, er möge im Hinblick darauf, daß die französische Deputiertenkammer und das englische Unterhaus die Bereitwilligkeit zu Rüstungsbeschrän- kungen ausgesprochen haben, sofort Schritte tun, um 19) Siehe Reichstagsprotokolle, Bd. 270 (Anlagen), Nr. 46, ^") Siehe Reichstagsprotokolle, Registerband, Bd. 269. 21) Reichstagsprotokolle 1911, Bd. 266, S. 5982; Bd. 278 (An- lagen), Nr. 855. Der Reichstag und die Freiheit der Meere. 29 eine internationale Verständigung über die allgemeine Einschränkung der Rü- stungen in Verbindung mit der Abschaffung des Seebeuterechts herbeizuführen," Dieser Antrag fand zwar hinsichtlich seines zweiten Teiles bei den Nationalliberalen (Abg, Bassermann S. 5985) und bei der Volkspartei (Abg. Eickhoff S. 6008, Abg, W i e m e r , S, 5995) freundliche Aufnahme, wurde aber nach kurzer Diskussion, die namentlich das geringe Vertrauen in die ehrliche Haltung der eng- lischen Regierung zum Ausdruck brachte, a b - gelehnt (S, 6047), Im Jahre 1912 erfolgte nochmals eine Wiederholung des Antrages Ablaß u, G e n,--). Der vom 9, Februar 1912 datierte Antrag teilte jedoch das Schicksal des soeben erwähnten Antrages vom 1. Dezember 1909, das heißt, er blieb unerledigt. Es läßt sich nicht verkennen, daß die Neigung, in der Frage der Abschaffung des Seebeute- rechts von Reichs wegen die Initiative zu ergreifen, bei den bürgerlichen Parteien des Deutschen Reichstags im Laufe der Jahre stark abgenommen hatte-^). Trotz der wohlwollenden Aufmerksamkeit, mit der in Deutsch- land jeder Spur einer freundlicheren Stellungnahme der englischen Regierung und des englischen Parlaments in bezug auf jene Frage nachgegangen wurde, befestigte sich doch mehr und mehr der Eindruck, daß von dort her in Wahrheit nichts zu erwarten sei. Namentlich war es, wie der Reichstag aus einem Berichte des Groß- admirals V, Tirpitz entnehmen konnte, das Verhalten Englands auf der zweiten Haager Konferenz, das jeden 22) Reichstagsprotokolle, Bd. 298 (Anlagen), Anl. 2, Nr, 50. — Vgl. auch Registerband. 2^) \'^gl. van Calker, DasProblemderMeeresfreiheitusw.,S.20. 30 Meereskunde. Zweifel darüber beseitigen mußte, daß England einst- weilen gar nicht daran denkt, in bezug auf den Schutz des Privateigentums zur See eine für Deutschland an- nehmbare Vereinbarung zu treffen. Daher kann man es nur als zutreffend bezeichnen, wenn der Abg. S p a h n gegenüber einer Bemerkung des Abg. David, die eng- lische Regierung habe in bezug auf das Seebeuterecht ,, entgegenkommende Erklärungen abgegeben", und es werde sicher möglich sein, ,, dieses Faustrecht" zu be- seitigen, sobald die englische Regierung sich vor deut- schen Angriffsplänen sicher fühle, folgende Erklärung abgab'*): ,, Meiner Ansicht nach überschätzt der Abg. David die Auffassung der Engländer, die doch immer auf die Aufrechterhaltung des Seebeuterechts den aller- größten Wert gelegt haben." „W ir sind es nicht, die auf die A u f r e c h t e r h a 1 1 u n g des See- beuterechts Wert legen; das Seebeuterecht spielt für uns nur in dem Sinne eine Rolle, daß wir es nicht anerkennen. Aberwirhabenmitunseren Wünschen nach der Richtung hin bei den Engländern nichts erreicht, und wenn wir jemals etwas erreichen, so erreichen wir es nur dadurch, daß wir eine Flotte haben, die es uns ermöglicht, dafür zu sorgen, daß die Engländer keine See- beute bekommen," Durch das Verhalten Englands in den letzten zwei Jahren vor dem Beginne des Weltkrieges wurde die Richtigkeit dieser Bemerkung vollkommen bestätigt. Die von dem Abg. Vogtherr berichtete Tatsache, daß die nordenglischen Handelskammern unter Führung 2^) Reichstagsprotokolle 1912, Bd. 285, S. 2093 (Sitzung vom 18. Mai 1912). Der Reichstag und die Freiheit der Meere, 31 der Handelskammer von Manchester im Jahre 1914 in eine Agitation für Abschaffung des Seebeuterechts ein- traten, daß der frühere liberale Großkanzler von Eng- land, Earl Loreburn, im Jahre 1913 eine sehr beach- tenswerte, auf eine durchgreifende Reform des See- kriegsrechts abzielende Schrift über das Privateigentum im Seekrieg schrieb^^) und daß Sir Edward G r e y noch am 6, Mai 1914 eine auf freundliche Töne gestimmte Rede über seine Stellung zur Konterbande, zur Blockade und zur Behandlung des Privateigentums im Seekriege hielt, beweist, wie der Abg, S p a h n am 14. Mai 1914 im Reichstage richtig hervorhob'-'), nur, daß England seinen Standpunkt etwas geändert hat, weil es jetzt selbst befürchten muß, daß die Zufuhr seiner Lebens- mittel und seiner Arbeitsprodukte durch feindliche Kriegsschiffe gestört werden könnte. „Deshalb soll das Privateigentum frei von Wegnahme werden," ,,Nun besteht England aber auf der Aufrechterhal- tungderBlockade, gegen die von uns angekämpft wird." , .Weiter schwebt die Frage, was als Kriegs- konterbande zu bezeichnen ist — eine Frage von großer Wichtigkeit, weil ja gerade die Lebens- mittel im Sinne Englands von keiner Seite und in keinem Falle als Kriegskonterbande erklärt werden sollen . . ," Mit diesen wenigen Sätzen des Abg, S p a h n wird die ausschlaggebende Bedeutung des untrennbaren Zusammenhanges der drei Hauptpro- bleme der M e er e s f r e i h e i t im Kriege — Seebeute, Konterbande und Block ad e — blitzartig beleuchtet. WennEnglandmitdem -^) Loreburn, Privateigentum im Seekrieg. Die deutsche Übersetzung hgg, von Th. Niemeyer, München und Leipzig 1914. 2ß) Reichstagsprotokolle 1914, Bd. 295, S. 8849. 32 Meereskunde. S e e b e u t e r e c h t nicht gleichzeitig auch auf das B 1 o c k a d e r e c h t verzichtet und seineAuffassungüberdasKonterbande- recht ändert, dann ist jener Verzicht für das Deutsche Reich völlig wertlo s-'). Ein Abkommen, das uns nicht die Sicherheit gewährt, daß mit dem Seebeuterecht zugleich alle anderen Mög- lichkeiten einer Beschränkung des friedlichen Übersee- verkehrs fallen, wäre gleichbedeutend mit der Über- nahme der Verpflichtung zum Selbstmord, Die absolute Unmöglichkeit der Erlangung solcher Sicher- heiten kann aber kaum deutlicher zum Ausdruck ge- bracht werden, als es in einer der letzten Friedens- sitzungen des Deutschen Reichstags (am 15, Mai 1914) in einer die bisherige Seerechtspolitik Englands ent- schuldigenden Bemerkung des Abg. Bernstein ge- schehen ist-^); „Vergessen Sie doch nicht, daß England heute gegen Großstaaten keinen Landkrieg führen kann," ,,SolangeEnglandKonflikte drohen mit kontinentalen Mächten, gegen die es imKriegsfall zu Lande nichts ausrichten kann, sind eben die Engländer zum großen Teil noch der Ansicht oder können sich sehr wenig trennen von dem, was lange Zeit gegolten hat, nämlich auf See das geltend zu machen, was ja bei Land- kriegen überall geschieht; Beschlagnahme von Häusern und sonstigem fremden Eigentum, Haus- suchungen u, dgl, — wo läßt sich eine Land- macht verbieten, das unter Umständen zu tun, wenn sie in ein fremdes Land ein- ^^) Vgl. über diesen ganzen Fragenkomplex die vortrefflichen Ausführungen von Triepel, Die Freiheit der Meere und der künftige Friedensschluß, Berlin 1917. ^^] Reichstagsprotokolle 1914, Bd. 295, S. 8887, Der Reichstag und die Freiheit der Meere. 33 dringt? Also unerhört kann man die Über- tragung dieser Dinge auf den See krieg nicht gerade nennen!" Damit war das letzte, wahrhaft prophetische Wort vor Ausbruch des Weltkrieges im Deutschen Reichstag gesprochen! England hat sich tatsächlich nicht gescheut, so weit seine Gewalt reichte, das weite Meer in aller Welt zu behandeln wie ein erobertes Land! Nur in dem Sinne war die Prophezeiung falsch; Es ist wahrhaft Unerhörtes in der Übertragung land- kriegsrechtlicher Gebräuche auf den Seekrieg ge- schehen! Durch seine Seesperre, deren Völker- rechtswidrigkeit wohl kein Kenner des Völkerrechts bestreiten wird, hat England, wie der Reichskanzler M i c h a e 1 i s in der Reichstagssitzung vom 29, Juli 1917 bekundete, den legitimen Handel der Neutralen mit Deutschland unterbunden und den Aushungerungskrieg gegen Deutschland proklamiert""). Es hat damit ein Verbrechen begangen, wie man der- gleichen noch nie gehört! Und was ist nun aus all den Wünschen, Hoffnungen und Träumen vom Schutze des Privateigentums zur See geworden, die wir an uns haben vorüberziehen sehen? Hat das Sturmesbrausen des Weltkrieges sie verweht, hat der Donner der Geschütze sie verschlungen, hat der Ozean sie begraben? Nichts von dem ist geschehen! Lauter und entschie- dener, denn je, geht der Ruf nach Meeresfreiheit durch die Welt. Seitdem die Erfahrungen des Weltkrieges uns darüber belehrt haben, daß alle völkerrechtlichen Ver- einbarungen über Blockade und Kriegskonterbande für ^^) Vgl, die Worte des Reichskanzlers Michaelis in der eichstagssitzung vom 19, Juli 1917, Reichstagsprotokolle, S, 3570. 34 Meereskunde. England und Frankreich ein leerer Schall waren, und daß die Beseitigung des Seebeuterechts nur eines von den Problemen ist, die das Gesamtproblem der Meeres- freiheit in sich schließt, hat das Verlangen nach Freiheit der Meere an Inhalt und Be- stimmtheit nur noch zugenommen. In der Reichstagssitzung vom 19, August 1915 sprach der Reichskanzler v. Bethmann Holl- weg — der ganzen Welt vernehmlich — das Wort aus: ,,Wir müssen zu unserem wie zum Schutze und Heile aller Völker die Freiheit der Weltmeere er- ringen, nicht um die Meere, wie es England will, allein zu beherrschen, sondern damit sie allen Völ- kern in gleicher Weise dienstbar sein könne n." Lebhafte Zustimmung des Reichstags be- gleitete seine Worte, Und in der so viel umstrittenen Friedensresolution der Reichstagsmajorität vom 19, Juli 1917 heißt es: „Der Reichstag weist , , , alle Pläne ab, die auf eine wirtschaftliche Abgrenzung der Völker nach dem Kriege ausgehen," ,,D ieFreiheitderMeere muß sichergestellt sei n," Das Reichstags- stenogramm konstatiert hierzu: ,, Zustimmung im Zen- trum, bei der Fortschrittlichen Volkspartei und den Sozialdemokraten," Diese Worte der Friedensresolution bedeuten ein Programm! Und zwar ein Programm, das, wenn- gleich es weder von den Mehrheitsparteien noch von der auf ihrem Boden stehenden Regierung näher erklärt wurde, in seiner Tendenz offenbar weit hinausgeht über das, was einst in der Gründungszeit des Deutschen Reiches von unseren Vätern erstrebt wurde. Der Abg, H a a s e von den Unabhängigen Sozialdemokraten be- merkte hierzu^*'): ,,Sie fordern, daß die Freiheit der 3«) A. a. O., S. 3589. Der Reichstag und die Freiheit der Meere, 35 Meere sichergestellt werde. Was verstehen Sie unter dieser Forderung? Der Aufschwung unserer Handels- flotte war vor dem Kriege der glänzendste. Stolz zog unsere Flotte durch alle Meere, und niemand hinderte sie daran. Was bedeutet also die Redensart: »Die Freiheit der Meere muß sichergestellt werden?« Im Frie- den ist diese Freiheit auch in Zukunft gewährleistet. Wie wollen Sie sie jedoch für den Fall eines Krieges sicher- stellen? Für eine Gesellschaftsordnung, die einen Krieg nicht mehr erzeugt, wie die sozialistische Gesellschafts- ordnung, ist die Freiheit der Meere kein Problem. So lange es aber Kriege gibt, wird die Freiheit der Meere im Kriegszustand beschränkt werden von demjenigen, der die nötigen Kriegsmittel dazu in der Hand hat. Welche Garantien wollen Sie dagegen einführen? Es gibt nur ein Mittel, das Erfolg verspricht: all- gemeine Abrüstung mit gleichzeitiger Ab- schaffung des Seebeuterechts." Mit diesen Worten — ich brauche nicht im ein- zelnen zu erörtern, warum ich ihnen nicht zustimmen kann — müßte ich eigentlich schließen. Denn mein Bericht über das, was der Reichstag als Organ des Nord- deutschen Bundes und des Deutschen Reiches in seiner Gesamtheit und in seinen einzelnen Mitgliedern in fünfzigjährigem Wirken gesagt und getan hat, enthält, wenngleich mir bei dem Rieseninhalte der 308 Bände deutscher Reichstagsdrucksachen sicher manches gute Wort entgangen ist, im ganzen, wie ich hoffe, keine wesentlichen Lücken. Wenn ich gleichwohl noch einiges Wenige, was mir auf dem Herzen liegt, aus Eigenem und aus eigener Überzeugung beifügen möchte, so ist es das Folgende: 36 Meereskunde. Die Idee der Meeresfreiheit ist auf dem Marsche! Auch der, der ihre Verwirklichung für unwahrscheinHch oder für unerwünscht hält, muß mit dieser Tatsache rechnen und muß ihr, soweit er auf dem Gebiete der Politik tätig ist, so viele Vorteile ab- zugewinnen suchen, wie nur möglich. Als die bedeutsamste Seite des Problems der Meeresfreiheit hat bisher die Frage der Durchführung dieses Prinzips in Kriegszeiten gegolten. Wenn es zur vertraglichen Regelung dieser Frage kommen sollte, wird es vor allem auf folgendes ankommen: den ganzen Komplex der hierher ge- hörigen Einzelfragen als ein einheit- liches Ganzes zu behandel n^^) ; keine Verpflichtungen einzugehen, die nur eine einseitige Bindung bedeuten; nationale und internationale Siche- rungen zu schaffen, die die Gefahren des Vertragsbruchs als größer erscheinen lassen als dessen voraussichtliche Vor- teile! Wichtiger aber als die Meeresfreiheit in Kriegs- zeiten ist m, E, die Aufrechterhaltung der Meeresfreiheit für F r i e d e n s z e i t e n^-). So vertrauensvoll und so zuversichtlich auch immer wieder versichert wird, daß die Freiheit der Meere in Zeiten des Friedens überhaupt ^^) Gleicher Ansicht ist wohl auch Professor Franz v, Liszt, M. d, R., wenn er erklärt: „Die Freiheit der Meere setzt eine alle Gebiete des Seekriegsrechts umfassende Regelung voraus." („Die Freiheit der Meere als Kriegsziel" im Berliner Börsen-Courier Nr. 410 vom 2. September 1917). Ähnlich Admiral z. D. Dick (im ,,Tag" Nr. 147 vom 27. Juni 1917). ^^) Einer der ersten Schriftsteller, der entschieden für diese Forderung eintrat, ist Stier-Somlo in seiner inhaltsreichen Schrift ,,Die Freiheit der Meere und das Völkerrecht", Leipzig 1917. Der Reichstag und die Freiheit der Meere. 37 nicht gefährdet sei, so sehr widersprechen dieser Ver- sicherung die Erfahrungen des Weltkrieges, Wer mit offenen Augen die Abmachungen der Pariser Wirt- schaftskonferenzen und andere Maßnahmen unserer Gegner verfolgt''), der kann nicht im Zweifel darüber sein, daß die Gefahren, von welchen das deutsche Volk infolge der von der Entente beabsichtigten Einschrän- kungen und Boykottierung des deutschen Weltverkehrs in künftigen Friedenszeiten bedroht ist, auf die Dauer größer sind als die Gefahren einer Absperrung Deutschlands im Seekriege^'^), Die in den letzten Tagen (Januar 1918) von dem kleinen Nachfolger des großen Franklin verkündete Formel der Meeresfrei- heit im anglo-amerikanischen Sinn gibt unseren Gegnern nicht mehr und nicht weniger als die Befugnis, deutschen Schiffen, deutschen Waren und deutschem Blut unter dem Scheine des Rechts alle Küsten gcwässer der Welt und damit jede Möglichkeit eines übersee- ischen Verkehrs auf der hohen See zu ver- schließen! Wenn diese Meeresfreiheit zur Tat- sache werden würde, dann würde es wahrlich kaum besser um uns stehen, als wenn wir die braunäugigen ^^) Vgl, die Veröffentlichungen des Instituts für Seeverkehr und Weltwirtschaft an der Universität Kiel a. d, J. 1914 bis 1918. ^*) Die DeutscheWirtschafts-Zeitung vom 15. September 1917, Nr. 18, enthält einen Bericht über eine amerikanische Gegen- bewegung gegen den Handelskrieg der Entente nach dem Kriege. — Bezüglich der englischen Pläne vgl. besonders Neue Zürcher Zeitung Nr. 787, 800 und 1006 von 1917, lerner Weser-Zeitung Nr. 25 546 vom 15. Oktober 1917. — Adolf Grabowsky, Die Frei- heit der Meere, in ,,Das neue Deutschland" Heft 17 vom 1. Juni 1917 hält zwar die Bedrohung der Meeresfreiheit im Kriege für ■wichtiger als diejenige im Frieden, stellt aber auch die Gefahren der letzteren in eindringlicher Weise dar. 38 Meereskunde. Gurkhas mit ihren Barbarenwaffen unter den Linden lustwandeln sehen müßten, wie es einstens Englands stolze Minister träumten! Darum gilt es, auch gegen diese Gefahren nationale und internationale Siche- rungen zu schaffen, Sie zu finden und machtvoll zu gestalten, dazu helfe uns der deutschen Regierung, der deut- schen Diplomatie und des deutschen Reichs- tags Wissen und Wollen und des deutschen Volkes Heldenkraft! Rückseite einer Münze des Kaisers Hadrian mit der Aufschrift; Neptano Reduci, dera heimgeleitenden Neptun. Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler & Sohn Berlin SW. Kochstraße 68—71. Triest und Venedig. Von Dr. Leopold Glaesner. Politisch-geographische Lehren des Krieges. Von Prof. Dr. A. P e n c k. Eine ägyptische Expedition als Kampfmittel gegen England. Von Prof. G. Roloff. Die Engländer als Inselvolk. (Vom Standpunkt der Gegenwart aus betrachtet.) Von Prof. Dr. H. Spie s. Deutschlands Zurückdrängung von der See. Von Dr. W.Vogel. Angriffe und Angriffsversuche gegen die britischen Inseln. Von Dr. Walter Vogel. Zwei Kriegsjahre in London. Von Missionspastor J. L. O. Krüger. Die Südsee im Weltkriege. Von Prof. Dr. Alfred Man es. Die nordischen Dardanellen. Von Samuli Sario. Bei Kriegsausbruch in Hawaii. Von Pastor Engelhard t. Kriegsmarine. *Kiel und Wilhelmshaven. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. ^ Kohlenversorgung und Flottenstützpunkte. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. ^Vierzig Jahre Schwarz-Weiß-Rot. Von Geh. Admiralitätsrat P. Koch. *Die Torpedowaffe. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. ^ Kriegsschiffsbesatzungen in Vergangenheit und Gegenwart. Von Kapitän zur See a. D, R, Wittmer. ^Unterseebootsunfälle. Von Fregattenkapitän Mich eisen. '^Die Zusammensetzung und Taktik der Schlachtflotten. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. ^Die Deutsche Eisenindustrie und die Kriegsmarine. Von P. Koch. Die wichtigsten Kanalhäfen und ihre Bedeutung für den Krieg. Von Prof. F. W. 0. Schulze-Danzig. Englands Mannschaftsersatz in Flotte und Heer. Von Prof. Dr. S p i e s. Volks- und Seewirtschaft. ''Marokko. Von Dr. Joachim Graf v. Pfeil. ^Die deutsche Hochsee-Segelfischerei. Von H. Lübbert. *Der Hafen von New York, Von Professor Dr. Albrecht Penck. '^Lübeck, sein Hafen, seine Wasserstraßen. Von Dr. Franz Schulze. ^Eine Wanderung durch altniederländischeSeestädte. Von Dr. W.Vogel. 'Die Freie Hansestadt Bremen. Von Baurat Prof. G. d. Thierry. *Die Häfen der Adria. Von Dr. N. Krebs. ^Tsingtau. Von Professor Dr. Albrecht Penck. *Auf den Färöem. Von Prof. D, Dr. Edward Lehmann. ^'Valparaiso und die Salpeterküste. Von Dr. Rud. Lütgens. ^'Die festländischen Nordsee -Welthäfen. Von Dr. H. Michaelsen. 'Die deutsche Seekabelpolitik. Von Dr. R. Hennig. *Das Meer als Nahrungsquelle. Von Prof. Dr. H. Henking. '^ Kriegsrüstung und Wirtschaftsleben. Von P, Koch. '^Die großbritannische Hochseefischerei. Von H. Lübbert. *Triest und die Tauernbahn. Von Prof. Dr. F. Heiderich. *Von Singapur bis Yokohama. Von L. Mecking. ''^San Franzisko. Von A, Rühl. Wohlfahrtseinrichtungen in der Seefischerei. Von F, Duge. Durch die Magellanstraße. Von Gustav Goedel. Überland und Übersee im Wettbewerb. Von Dr. Richard Hennig. Nach Deutsch-Neuguinea. Von Dr. Walter Behrmann. Die Salpeterindustrie Chiles. Von Dr, jur. Alfred Hartwig. Die überseeische Getreideversorgung der Welt. Von Dr. Wa Her Vo gel. Antwerpen. Von Prof. Dr. Alfred Rühl. * Preis 50 Pf., die übrigen Hefte kosten 60 Pf. (^ Politische Probleme im westlichen Mittelmeer. Von Dr. P, Mohr. Deutsche Kulturarbeit im nahen Orient. Von Dr. F. Mohr. Englands Kohle und sein Überseehandel. Von Dr. R. Engelhard t. Die versiegelte Nordsee. Von Graf E. Reventlow, Der Außenhandel der Vereinigten Staaten von Amerika. Von Dipl.-Ing. Dr. Th. Schuchart. Die drahtlose Telegraphie im überseeischen Nachrichtenverkehr während des Krieges. Von Dr. Richard Hennig. Edinbu'g, Glasgow und Liverpool. Von Prof. Dr. Schulze, Lübeck. Die Heimsuchungen der Handelsschiffahrt durch den Krieg. Von C. Schroedter, Hamburg. Gegenwart und Zukunft der deutschen Seeschiffahrt. Von Dr. P. Stubmann. Gegenwart und Zukunft der deutschen Kolonien. (Doppelheft.) Von Prof. Hans Meyer, Leipzig. Das deutsche Kolonialreich der Zukunft. Von Fr. Hupfeld. Die Zukunft des deutschen Außenhandels. Von Prof. Dr. li. Herkner. Die Grundlagen des Ostseehandels und seine Zukunft. Von Dr. Erich Wallroth. Die deutsch -chinesischen Handelsbeziehungen. Von Geh. Ad- miralitätsrat Dr. Schrameier. Britischer Imperialismus. Von Prof. Dr. Friedr. Brie. St. Petersburg. Von Dr. Rieh. Pohle. Japan und seine Stellung in der Weltpolitik. Von Konsul A. Mosle. Wiederaufbau d. deutschen Handelsschiffahrt. Von Dr. K. Isermeyer. Die natürlichen Grenzen Rußlands. Von Prof. Dr. A. Penck. Seeklima und Seebäder. ^2;, /^Die Heilkräfte des Meeres. Von Prof. Dr. Albert Eulenburg. *Land- und Seeklima. Von Dr. A. Merz. Seewesen und Schiffahrt, *Der Kompaß in seiner Bedeutung für die Seeschiffahrt wie für unser Wissen von der Erde. Von Dr. Fr. Bidlingmaier. *Die Post auf dem Weltmeer. Von 0. Klaus. *Die Segelschiffahrt der Neuzeit. Von Prof. W. Laas. ^Schiffsordnungen und Schiffsbräuche. Von Dr. Fr. Schulze. *Der Dienst des Proviantmeisters. Von Dr. G. W. v. Zahn, *Innerer Dienst an Bord. Von Dr. G.W. v. Zahn. *Auf einem Segler um Kap Hom. Von Dr. R. Lütgcns. *Nautische Vermessungen. Von Dr. E. Kohlschütter. * Sicherheitsdienst an Bord. Von Dr. G. W. v. Zahn. *Der Kreisel als Kompaßersatz auf eisernen Schiffen. Von Prof. Dr. H. Maurer. *Dcr Fährverkehr zur See im europäischen Norden. Von Prof. Dr. G. Braun. *Auf S. M. S. „Möve". Von Kapitänleutnant Schlenzka. Das Zeppelinschiff zur See. Von Dr. Freiherr v. Gemmingen. Riesenschiffe. Von Dr. H. Michaelsen. Technik des Seewesens. *Die Entwicklung der Schiffsmaschine. Von Prof. P. Kr a in er. *Auf einem deutschen Kabeldampfer bei einer Kabelreparatur in der Tiefsee. Von W. Stahlberg. ^Ferngespräche über See. Von Dr. A. Ebeling. "" Preis 50 Pf., die übrigen Hefte kosten 60 Pf. Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW68, Kochstr. 68—71.