EERESKUNDE 7 wmmmmm^^mmmmmm^ HEFT 135 |^^m^^— "^^^i^™ - 12 ft 3 KONTERBANDE, BLOCKADE UND SEESPERRE VON DR. HEINRICH TRIEPEL GEH. JUSTIZRAT, O. Ö. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT HERAUSGEGEBEN VOM INSTITUT FÜR MEERESKUNDE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN BERLIN 1918 / ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN KÖNIGLICHE HOFBUCHHANDLUNG / KOCHSTR. 68—71 12. JAHRGANG, 3. HEFT A PREIS 60 PFENNIG •^ MEERESKUNDE ^ SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE Bisher erschienen folgende Hefte; *Das Museum für Meereskunde. Von Prof, Dr, A. Penck. Die Meeresräume, ihre Wasserfüllung und ihre Küsten. ^Flaschenposten und treibende Wracks. Von Prof. Dr. 0. Krümmel. *Das Eis des Meeres. Von Dr. L. Mecking. *Die Küste der englischen Riviera. Von H. Spethmann. ^Unsere Kalisalzlager ein Geschenk des Meeres, Von W. Stahlberg. *Der Deichschutz an Deutschlands Küsten. Von Dr. W. Behrmann. *Der Golfstrom. Von Dr. Ludwig Mecking. *Meer und Küste von Rügen bis Alsen. Von H, Spethmann. Tier- und Pflanzenwelt des Meeres. ^Über marine Sedimente und ihre Benutzung zur Zeitbestimmung. Von Dr. G, Braun, ^Die Meeressäugetiere. Ihre Stammesgeschichte. Von Prof. 0. Abel. *Die westindischen Korallenriffe. Von Dr. R. Hartmeyer. *Das Reich des Todes im Meer. Von Walter Stahlberg. *Tierische Wanderungen im Meere. Von Prof, R. Woltereck. *Die Scholle, ein Nutzfisch der deutschen Meere. Von Dr. V. Franz. ^Gefiederte Bewohner des Meeres. Von Dr. K. Wenke. *Das schwimmende Leben der Hochsee. Von Dr. G, H, Fowler. *Tierisches Licht in der Tiefsee. Von Prof. Dr, E. Mangold. *Neue Forschungen über die Biologie der Tiefsee. Von Professor Dr, F. Doflein. Die zoologische Station in Neapel. Von Prof. Dr, Armin v,Tschermak. Wehr und Schutz der Meerestiere. Von Dr. L. Glaesner. Geschichte, Seekriegsgeschichte, Lebenserinnerungen. Die deutsche Handelsmarine im 19. Jahrhundert. Von Dr. W. Vogel. *Die Anfänge der Nordpolarforschung. Von Dr. P, Dinse. '^Zeitalter der Entdeckungen. Von S. Günther, *Der Seeraub. Eine geographisch-historische Skizze, Von Dr, P. Dinse. *Die Kontinentalsperre. Von Hob, Hoeniger. ^Nordische Seefahrten im früheren Mittelalter. Von Dr. W. Vogel. ^Die Abschaffung des britischen Sklavenhandels im Jahre 1806/07. Von Dr. Franz Hochstetter. ^Die Fahrten eines deutschen Seemanns um die Mitte des 19. Jahr- hunderts. Aufzeichnungen des Segelschiff-Kapitäns G. W, Kroß. ^Die Schiffahrt auf den Karolinen und Marshallinseln. Von Dr. P. Hambruch. *Die Namen der Schiffe. Von Dr. W. Vogel. ^Ein Ausflug nach Sansego in der Adria. Von Dr, L, Glaesner, 'Deutschlands Lage z, Meere im Wandel der Zeiten. Von Dr. W, Vogel, ^'Handelswege imOstseegebiet in alter u.neuer Zeit. Von Chr.Reuter. ^Ostseehandel und Landwirtschaft. Von Chr. Reuter. Die Nautik im Altertum. Von Dr. Aug. Koste r. Das Seekriegsrecht im jetzigen Kriege. Von Johannes Neuberg, Die südeuropäischen Staaten und unser Krieg. Von Prof. Dr. Alfred Merz. Englands Willkür und bisherige Allmacht zur See. Von Vize- admiral z. D. Hermann Kirchhoff, * Preis 50 Pf., die übrigen Hefte kosten 60 Pf. MEERESKUNDE SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE ZUM VERSTÄNDNIS DER NATIONALEN BEDEUTUNG VON MEER UND SEEWESEN ZWÖLFTER JAHRGANG DRITTES HEFT Konterbande, Blockade und Seespeire'). ^ * Von Dr. Heinrich Triepel, Geh, Justizrat, o. ö. Professor der Rechte an der Universität Berlin. 1. s sind jetzt genau siebzig Jahre verflossen, seit- dem ein französischer Völkerrechtslehrer ein nachmals berühmt gewordenes Buch über die Rechte der Neutralen mit einer leidenschaftlichen Klage über die Seetyrannei des britischen Reiches eröffnete. Die Völker Europas, so sagte er, hätten für die Her- stellung des Gleichgewichts auf dem Kontinente die längsten und schrecklichsten Kriege geführt. Aber sie schienen vergessen zu haben, daß alle diese Kämpfe vergeblich sein müßten, so lange nicht das Gleich- gewicht der Staaten zu Lande auf ein' Gleichgewicht zur See gestützt werden könne, England habe sich in. ') Der Vortrag soll eine Ergänzung zu meiner Schrift: Die Freiheit der Meere und der künftige Friedensschluß (Berlin, Julius Springer, 1917) liefern. In dieser habe ich die Anschauung vertreten, daß sich eine wirkliche Freiheit der See niemals allein durch völkerrechtliche Vereinbarungen erreichen lasse. Daß indes eine internationale Abmachung über gewisse seekriegsrechtliche Regeln für uns wie für die Neutralen manchen Nutzen stiften würde, habe ich selbstverständlich zugegeben. Ich versuche jetzt, für den Inhalt einer solchen Verständigung einige Vorschläge zu machen. Ob diese mehr als eine Utopie darstellen, muß die Zukunft lehren, Meereskunde, Vorträge. XII. Heft 3. 1 2 Meereskunde. zäher und rastloser Arbeit eine Herrschaft über die Meere verschafft, der alle anderen Nationen auf Gnade und Ungnade ausgeliefert seien, und England miß- brauche sein maritimes Übergewicht, um Handel und Schiffahrt aller seefahrenden Völker zu vernichten. Jeder Seekrieg, an dem England beteiligt sei, zeige die Ohnmacht der Neutralen aufs neue. Indessen, so fuhr er fort, nicht immer werde die Welt den Nacken unter das britische Joch beugen. Es werde die Zeit kommen, da sich die Schiffahrt treibenden Staaten zu einem großen, gegen England gerichteten, bewaffneten Neutralitäts- bunde zusammenschließen würden. Drei Mächte, pro- phezeite er, würden bereit und imstande sein, sich an die Spitze einer heiligen Allianz der Neutralen zu stellen: Frankreich, Rußland und die Vereinigten Staaten von Amerika. Wäre es dem wackeren Hautefeuille beschieden gewesen, die kriegerischen Ereignisse der letzten Jahre mitzuerleben, so hätte er zu seinem Schmerze fest- stellen müssen, daß seine Weissagung in vollem Um- fange zuschanden geworden ist. Noch immer ist die Freiheit der Meere, für die er mit brennendem Eifer gefochten hat, nichts anderes als der Gegenstand einer Zukunftshoffnung, Schrecklicher als in irgendeinem Seekriege der Geschichte sind die Leiden und die De- mütigungen, die Großbritannien im gegenwärtigen Kriege den Neutralen zumutet. Die neue bewaffnete Neutralität großen Stils ist ein Traum geblieben, und die drei Staaten, denen die Führung im Befreiungs- kampfe zugedacht war, haben sich auf die Seite des Unterdrückers geschlagen, Frankreich hatte schon vor dem Kriege begonnen, die alten Überlieferungen seiner liberalen Seerechtspolitik aus Rücksicht auf den engli- schen Verbündeten über Bord zu werfen; im Kriege hat Konterbande, Blockade und Seesperre. 3 CS sich, wie auf anderen Gebieten, so auch hier, als ge- horsamer Vasall Großbritanniens erwiesen, Rußland ist seit einem Jahrhundert nicht mehr imstande ge- wesen, in Fragen des Seerechts einen eigenen Kurs zu steuern. Den Vereinigten Staaten bot sich in den ersten Kriegsjahren eine wundervolle Gelegenheit, berechtigte Forderungen des neutralen Seehandels gegen englische Willkür durchzusetzen; sie haben die günstige Stunde jämmerlich verpaßt. Und seitdem sie in die Reihe der Kriegführenden eingetreten sind, ziehen sie mit England am selben Strange, Zwar verkündet Präsident Wilson auch heute noch, daß sich die große Republik die Frei- heit der Meere zu einem ihrer vornehmsten Kriegsziele gesetzt habe. Allein die Einschränkung, die er seiner Forderung in der Botschaft vom 8. Januar d, J, ge- geben hat, läßt für den, der zwischen den Zeilen zu lesen vermag, deutlich erkennen, daß es schon jetzt den englischen Bemühungen gelungen ist, die amerikanische Regierung ein starkes Stück von dem Wege abzudrän- gen, der dem angelsächsischen Bruder allzu bedenklich erschien. So ist es gekommen, daß heute der Kampf gegen die britische Seetyrannei und für die Rechte der Neutralen nur von einer Macht geführt wird, von deren Aufstieg sich der französische Prophet vor zwei Menschenaltern noch nichts hat träumen lassen: von der jungen Seemacht des Deutschen Reiches, In der Tat, wie die Dinge heute liegen, können die schwächeren Seestaaten in ihrem Streben nach einer größeren Freiheit des neutralen Handels in Kriegszeiten einzig und allein bei Deutschland auf eine vorbehalt- lose und dauernde Unterstützung rechnen. Wir haben ihnen diese Hilfe wiederholt in bündigster Form zu- gesichert. Und zwar stellen wir uns nicht bloß aus Mitgefühl mit den Schwachen und nicht etwa in un- r 4 Meereskunde. eigennütziger Vertretung eines großen Grundsatzes auf ihre Seite, sondern in klarster Erkenntnis unserer ur- eigenen Interessen, Auch wenn wir es nicht schon früher gewußt hätten, so würden uns diese letzten Jahre gezeigt haben, daß wir in jedem Seekriege, jedenfalls in einem Kriege, den wir gegen England führen, aus einer weitgehenden Handelsfreiheit der Neutralen den größten Nutzen ziehen können, und daß umgekehrt in jedem solchen Kriege die Leiden der Neutralen unsere eigenen Leiden sind. Unsere geographische Lage und unsere politische Stellung in Europa macht uns zum natürlichen Bundesgenossen aller Staaten, die sich dafür einsetzen, daß der neutrale Seehandel in Kriegszeiten endgültig von unerträglich gewordenen Fesseln befreit werde. Daher bedeutet die Parole, die wir mit den Worten ,, Kampf für die Freiheit der Meere" ausgegeben haben, zweierlei, Sie bedeutet erstlich, daß wir entschlossen sind, die britische Macht in allen ihren Teilen und allen ihren Formen so sehr zu schwächen, daß England ge- nötigt wird, seinen Anspruch auf die Scediktatur auf- zugeben, Sie bedeutet zweitens, daß wir den Versuch machen wollen, das jetzt geltende Seekriegsrecht mit seiner Unfreiheit des Seehandels durch ein neues zu er- setzen, das dem Handel die ersehnte Bewegungsfreiheit gewährleistet. Freilich, für jeden, der nüchtern denken kann, ist es von vornherein klar, daß die zweite Aufgabe mit Aussicht auf Erfolg nicht eher in Angriff genommen werden kann, als die erste gelöst ist. Nur ein ge- schwächtes England wird sich zu einer Verständigung über ein Seekriegsrecht herbeilassen, das den Neutralen eine wirkliche Verbesserung ihrer Lage verschafft. Aber selbst unter dieser Voraussetzung dürfen wir die Hoffnungen auf die Zukunft nicht über ein gewisses Konterbande, Blockade und Seesperre. 5 Maß hinaufschrauben. Die Erfahrungen des Weltkrieges haben auch die harmlosesten Schwärmer darüber be- lehrt, wie gering die Bürgschaften dafür sind, daß völkerrechtliche Abmachungen über die Führung der Kriege im Ernstfalle wirklich eingehalten werden. Ge- wiß entbindet uns das nicht von der Pflicht, sehr ernst- haft über die bestmögliche Gestaltung kriegsrechtlicher Regeln nachzudenken und das Ergebnis unseres Nach- denkens zu Vorschlägen zu verdichten. Aber selbst wenn solche Vorschläge den Beifall der anderen See- mächte finden sollten, und wenn sie in die Form eines internationalen Vertrages gegossen würden, so könnte niemand in der Welt eine Sicherheit dafür bieten, daß die Vereinbarung in jeder Lage und von jeder Kriegs- partei getreulich eingehalten werde. Etwas anderes ist aber fast noch wichtiger. Die Ehrlichkeit gegen die Neutralen und gegen uns selbst gebietet uns, ohne Umschweife festzustellen, daß eine vollkommene Freiheit der Meere im Kriege niemals herrschen kann, weder für den Seehandel der Krieg- führenden, noch für den der Neutralen, So lange es einen Seekrieg geben wird, so lange wird sich der Kampf nicht nur gegen Kriegsschiffe und Küstenbefesti- gungen, sondern auch gegen die wirtschaftlichen Kräfte des feindlichen Staates, in erster Linie gegen seinen Seehandel, richten. Da sich nun dieser Kampf auf dem Weltmeere abspielt, also auf demselben Boden, auf dem sich wie auf einer breiten Fahrstraße der gesamte fried- liche Seehandelsverkehr bewegt, so ist es ganz unver- meidlich, daß hier die Interessen der Kriegführenden und die der Neutralen in vielfältiger Beziehung zu- sammenstoßen. Niemals werden die Kriegführenden den Neutralen ein solches Maß von Freiheit zugestehen, daß ihnen der Erfolg ihrer kriegerischen Unternehmungen Meereskunde, Vorträge. XII. Heft 3. 2 5 Meereskunde. vereitelt oder auch nur wesentlich beeinträchtigt wird. Und noch weniger werden sie dulden können, daß die Neutralen den Kriegszustand benutzen, um sich auf Kosten der Kriegführenden zu bereichern! Immer wird deshalb der neutrale Seehandel Beschränkungen, Be- lästigungen, Gefahren ausgesetzt sein. Die Frage kann also nur so gestellt werden: lassen sich die Beschrän- kungen des neutralen Seeverkehrs beseitigen oder ver- ringern, ohne die Rechte der Kriegführenden über das für sie erträgliche Maß zu schmälern? Drei Kriegsmittel sind es bisher gewesen, mit denen zur See der Kampf gegen das feindliche Wirtschaftsleben geführt wurde. Das erste war die Wegnahme des auf dem Meere schwimmenden feindlichen Privateigentums, die Handhabung des Rechtes der Seebeute, Das zweite ist die Unterdrückung der Zufuhr von Konter- bande, das dritte die Blockade, Von ihnen spielt das Seebeuterecht für die Neutralen eine verhältnis- mäßig untergeordnete Rolle, jedenfalls seitdem die Pariser Deklaration von 1856 die beiden Regeln auf- gestellt hat, daß neutrales Eigentum unter feindlicher Flagge der Wegnahme nicht unterliegt, und daß die neutrale Flagge auch die feindliche Ware deckt. Gewiß wird die Handhabung des Seebeuterechts immer auch mit Belästigungen der neutralen Schiffahrt ver- bunden sein, schon deshalb, weil sich der neutrale Schiffer zum mindesten wird gefallen lassen müssen, daß die Kreuzer der Kriegführenden auf hoher See eine Prüfung vornehmen, ob sich nicht unter der neutralen Flagge ein feindliches Handelsschiff verbirgt. Aber der Schaden, der dem Handel hierdurch zugefügt wird, läßt sich schlechterdings nicht vergleichen mit den Nach- teilen, die er durch die anderen Kriegsmittel erleidet. Ich lasse deshalb bei unserer heutigen Betrachtung das Konterbande, Blockade und Seesperre. 7 Seebeuterecht außer Spiel, zumal ich der Meinung bin, daß seine Abschaffung in absehbarer Zeit nicht zu er- warten und — wie ich nebenbei bemerken möchte — aus verschiedenen Gründen auch vom Standpunkte des deutschen Interesses nicht zu empfehlen ist. Ich will mich fürs erste nur mit dem Konterbande- und mit dem Blockaderechte beschäftigen. Die beiden Einrichtungen stehen geschichtlich wie praktisch in einem nahen Zusammenhange. Sie sind hervorgegangen aus allgemeinen Verkehrsverboten, durch die im Mittelalter die kriegführenden Staaten ihre Feinde von der gesamten Seezufuhr abzuschneiden trachteten, aus Verboten, die sie nicht nur an ihre eigenen Untertanen, sondern auch an die der neutralen Obrigkeiten richten zu dürfen glaubten. Noch im 15. Jahrhundert hat die Hanse in Kriegszeiten mit solchen allgemeinen Handelssperren gearbeitet- All- mählich ist dann diese Überspannung maritimer Macht- ansprüche durch die völkerrechtliche Praxis, insbeson- dere durch zahlreiche Verträge zwischen den See- staaten, auf ein bescheideneres Maß zurückgeführt wor- den. Die Verbote des Seehandels mit dem Feinde gelten nur noch insoweit für zulässig, als sie sich selbst teils sachliche, teils örtliche Beschränkungen auferlegen. Seit dem 16, Jahrhundert wagen die Kriegführenden den Neutralen nur die Zufuhr solcher Waren an den Feind zu untersagen, die dessen militärische Wider- standskraft zu stärken vermögen; ein allgemeines Zu- fuhrverbot wird als maßgeblich nur dann hingenommen, wenn es sich auf einen belagerten Platz oder eine für gesperrt erklärte Küstenstrecke bezieht. So bilden sich auf der einen Seite die Unterdrückung der Konter- bande, auf der anderen die Blockade als gesonderte Rechtsinstitute aus. Allein den gemeinsamen Ursprung, 2' S Meereskunde, dem sie ihre Entstehung verdanken, haben sie niemals verleugnen können. Unter bestimmten Bedingungen ver- mag das Konterbandeverbot die Blockade, unter an- deren vermag die Blockade das Konterbandeverbot zu ersetzen. Und vor allem haben beide Kriegsmittel bis auf den heutigen Tag die Neigung beibehalten, sich bei Gelegenheit wieder zu allgemeinen Verkehrssperren aus- zuwachsen. Der gegenwärtige Krieg hat uns dafür von neuem einen vollgültigen Beweis geliefert. 2. Wenn ich zunächst von der Unterdrückung der Konterbande handele, so kann es nicht meine Absicht sein, Sie in dieser kurzen Stunde durch die vielfach verschlungenen Pfade des gesamten Konter- banderechts zu führen. Es kommt mir heute allein darauf an, mit einigen Strichen ein Bild von der Be- deutung zu entwerfen, die jene völkerrechtliche Ein- richtung im Laufe der Zeit für den Welthandel ge- wonnen hat. Es hat eine Periode gegeben, in der der Begriff der Konterbande durch Staatsverträge und Marineordon- nanzen endgültig auf einen verhältnismäßig beschei- denen Umfang zurückgeführt zu sein schien. Das war das Zeitalter Ludwigs XIV. Der sogenannte Marine- vertrag zwischen König Philipp von Spanien und den niederländischen Generalstaaten aus dem Jahre 1650 bestimmte, daß lediglich der Kriegsbedarf im engsten Sinne, also Waffen und Munition, Kürasse und Bande- liere, Pferde und Pferdegeschirre, als Konterbande zu gelten habe; dagegen sollte die Zufuhr von allen anderen Waren, namentlich von Getreide und Gemüse, von Salz, Wein und Öl, nach feindlichen Plätzen nur dann ver- hindert werden dürfen, wenn sie belagert oder blockiert Konterbande, Blockade und Seesperre. 9 seien. Zahlreiche andere Verträge dieser Epoche, na- mentlich der Pyrenäische Friede zwischen Frankreich und Spanien von 1659 und der Utrechter Traktat zwi- schen Frankreich und England von 1713, haben sich auf denselben Boden gestellt und sind von gleichzeitigen und späteren Verträgen als Modell benutzt worden. Aber dieser Rechtszustand hat nicht lange gewährt. Man ward sich darüber klar, daß auch die Zufuhr von an- deren Dingen als Waffen und militärischen Ausrüstungs- gegenständen dem feindlichen Heere oder der feindlichen Flotte unmittelbar zugute kommen könne; denn Lebens- mittel und Geld, Kleider und Segeltuch, Bauholz und Roheisen sind nicht nur für die friedliche Bevölkerung des feindlichen Landes, sondern auch für Heer und Flotte von Nutzen, Schon Hugo Grotius hatte in seinem Jus Belli ac Pacis (1625) neben den Waren, die nur im Kriege einen Wert haben, die „res ancipitis usus", d, h, diejenigen gestellt, die an sich ebensowohl für fried- liche wie für kriegerische Zwecke verwendbar sind, und er hatte ihre Wegnahme nach natürlichem Rechte für zulässig erklärt. Im Anschluß daran hat die spätere Praxis, namentlich die britische, den Gegensatz der absoluten und der bedingten (relativen) Konterbande aufgestellt. Der Unterschied zwischen den beiden Arten macht sich geltend in der verschie- denen Art, in der der Kriegführende gegen die Zufuhr vorgeht. Der absoluten Konterbande ist ihr kriege- rischer Verwendungszweck ohne weiteres anzusehen. Sie wird daher auch absolut unterdrückt, d, h, sie ist verfallen, wenn sie überhaupt nach dem feindlichen Gebiete reist. Bei der relativen Konterbande muß im Einzelfalle untersucht werden, ob sie kriegerische oder friedliche Verwendung finden soll. Wenn in einem Kriege, den Frankreich gegen England führt, ein 10 Meereskunde. amerikanisches Schiff Kanonen nach irgendeinem fran- zösischen Hafen befördert, so gilt es ohne weiteres als sicher, daß sie für die französische Militärverwaltung bestimmt sind, und der Engländer behandelt sie als Konterbande, Führt aber dasselbe Schiff Weizen nach Frankreich, so muß erst nachgewiesen oder aus den Umständen der Reise, etwa der Art des Empfängers oder des Bestimmungshafens, erschlossen werden, daß der Weizen dem Heere oder der Flotte, nicht der fried- lichen Bevölkerung zugute kommen soll. Auf den ersten Blick scheint diese Regelung der Angelegenheit ebenso gerecht wie einfach zu sein. Es ist offenbar nichts natürlicher, als daß der Kriegführende den neutralen Kaufmann, der den Feind durch Lieferung von Armeebedarf unterstützt, gleichfalls als Feind be- trachtet und ihm nötigenfalls mit Gewalt das unneutrale Vorhaben vereitelt. Selbst wenn der Kreis der unter die relative Konterbande fallenden Waren sehr groß gezogen wird, so leidet doch scheinbar nur der neutra- litätswidrige, nicht der harmlose Handel, Allein bei genauerer Belichtung gewinnt das Bild doch ein anderes Ansehen, Zunächst hat es bis in die neueste Zeit eine Reihe von Staaten gegeben, die den Unterschied zwischen ab- soluter und relativer Konterbande nicht gemacht haben. So z, B, Preußen, Österreich-Ungarn, Frankreich, Italien und Rußland, Wenn sie dabei die Konterbandeiiste auf solche Gegenstände beschränkten, die auch ander- wärts als absolute Konterbande galten, so hatte das ja noch keine Gefahr, Das preußische Prisenreglement von 1864 kannte nur eine Art der Kriegskonterbande, aber es führte auch nur Kanonen, Waffen, Munition, Arma- turgegenstände, Sättel und Zäume unter den ausdrück- lich verbotenen Waren auf. Das gereichte gewiß nie- Konterbande, Blockade und Seesperre. JJ mandem zur Beschwer. Aber wenn Rußland im Kriege mit Japan Kohlen, Naphtha, Lebensmittel und Baumwolle auf die Bannwarenliste setzte, so hatte das doch ein anderes Ansehen, Werden nämlich alle diese Dinge als absolute Konterbande behandelt, d, h. werden sie beschlagnahmt, wenn sie überhaupt nach dem feindlichen Gebiete verschifft sind, so wird unter Umständen der größte Teil des ganzen, nach jenem Lande gerichteten neutralen Einfuhrhandels unterbun- den. Vielleicht legen sich in solchem Falle die neutralen Regierungen ins Mittel, und wenn der Kriegführende genötigt ist, auf sie Rücksicht zu nehmen, so erreichen sie wohl eine Milderung, Aber es kann sich ereignen, daß die Hilfe zu spät kommt. Im Jahre 1885 erklärte Frankreich während des Krieges mit China den Reis als Konterbande, Als England eine scharfe Verwahrung erhob, wagte die französische Regierung nicht, die Drohung zur Wahrheit zu machen. Indes schon die Furcht vor der in Aussicht gestellten Wegnahme hatte die Händler veranlaßt, die Verschiffung von Reis zum größten Teile einzustellen. Aber auch wo die Staaten ihren Konterbandelisten die Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Konterbande zugrunde legen, kann die Bewegungs- freiheit des neutralen Handels in enge Fesseln ge- schlagen werden. Auf der einen Seite kommt es natür- lich ganz darauf an, an welcher Stelle der Kriegführende die Grenze zwischen den beiden Konterbandearten zieht. Das britische Naval Prize Law stellt u. a, alle Schiffsausrüstungsgegenstände, wie Masten und Spieren, Hanf und Tauwerk, Pech und Teer, ferner alles Kupfer, alles Zement und die Stoffe zu seiner Herstel- lung, alles Niet- und Winkeleisen, alle Dampfkessel und Kesselrohre Unter den absoluten Konterbandebegriff, 12 Meereskunde, verpönt folglich von vornherein die Zufuhr auch von zahllosen Waren, die für den Bau und die Unterhaltung von Handelsschiffen und für die Bedürfnisse der fried- lichen Industrie vonnöten sind. Wenn man ferner solche Listen noch durch eine Generalklausel ergänzt, die alles umfaßt, was zu einer unmittelbaren ,, Verwendung" im Kriege „geeignet" ist, oder alles, was zur „Herstellung" von Kriegswerkzeugen benutzt werden ,,kann", so schafft man ein ungeheuer weites Blankett, dessen Aus- füllung sich jeder Berechnung entzieht. Wir brauchen uns nur einen Augenblick zu überlegen, was alles zur Ausrüstung eines modernen Heeres Verwendung finden kann! Es kommt hinzu, daß die großen Seemächte in der Behandlung des Konterbandebegriffes durchaus nicht folgerichtig sind. In einem Kriege sind sie streng, im nächsten nachsichtig, je nachdem es die strategische Lage und die Verhältnisse des Weltmarktes erforderlich zu machen scheinen. Sogar während ein und desselben Krieges ziehen sie die Maschen des Konterbandenetzes bald enger, bald weiter. Was sie als Neutrale bei an- deren aufs heftigste bekämpfen, ahmen sie in eigenen Kriegen ohne Besinnen nach. Nimmt man hinzu, daß in bezug auf manche wichtigen Dinge die Konterbande- listen der verschiedenen Staaten ein ganz verschiedenes Aussehen besitzen, daß z, B, Pferde vom einen als ab- solute, vom andern als relative Bannware, daß Stahl und Messing vom einen als absolute, vom andern als bedingte Konterbande behandelt werden, so kann man sich einen Begriff von der Unsicherheit machen, unter der der neutrale Handel zu leiden hat. Und zwar lastet diese Unsicherheit nicht nur auf dem, der sich tatsächlich der unter das Konterbandeverbot fallenden Handlung schuldig macht, sondern auch auf dem harmlosen Ver- kehr mit unschuldigen Waren. Grundsätzlich soll ja Konterbande, Blockade und Seesperre. ^3 auch relative Konterbande nur dann verfallen sein, wenn sie im konkreten Falle, wie man zu sagen pflegt, „feindliche Bestimmung" hat, also dem Heere, der Flotte oder der Verwaltung des feindlichen Staates zugute kommen soll. Grundsätzlich müßte also der Kaptor be- weisen, daß diese Bestimmung vorliegt. Aber die See- mächte halten sich für berechtigt, sich diesen Beweis durch mannigfache Vermutungen der feindlichen Be- stimmung zu erleichtern, und vor allem bürden sie in dem über die Zulässigkeit der Wegnahme stattfindenden prisengerichtlichen Verfahren dem neutralen Rekla- manten meistens den Beweis für die Harmlosigkeit der Sendung auf. Auch der juristische Laie vermag sich zu denken, wie schwer ein solcher Beweis in vielen Fällen zu führen ist. So leidet hier tausendfach der Gerechte ebenso wie der Ungerechte, Die gleiche Gefahr, wie aus der Unbestimmtheit des Konterbandebegriffs erwächst aber dem legitimen Handel aus der Art, wie die Konterbandeunterdrückung gehandhabt wird. Um den Konterbandehandel mög- lichst vollständig zu unterbinden, nimmt der Krieg- führende die Befugnis in Anspruch, alle neutralen Schiffe auf hoher See anzuhalten, ihre Papiere zu prüfen und ihre Ladung zu untersuchen. Man sagt nun zwar, das solle nur geschehen, wenn das Schiff des Konterbande- handels verdächtig sei. Aber wann wäre solcher Ver- dacht von vornherein gänzlich unbegründet! Das An- halte- und Durchsuchungsrecht kann deshalb nach an- erkanntem Rechte auch in Meeresteilen ausgeübt wer- den, die vom Kriegsschauplatze und vom feindlichen Staatsgebiete weit entfernt sind. Es war ein besonderes Zugeständnis, wenn während des Burenkrieges die briti- sche Regierung der deutschen die Zusicherung machte, die britischen Kreuzer würden deutsche Handelsschiffe Meereskunde, Vorträge. XII. Heft 3. 3 14 Meereskunde. nordwärts von Aden oder anderwärts in entsprechender Entfernung vom Kriegsschauplatze nicht behelligen. Ferner; die Praxis beschränkt sich nicht darauf, den Teil der Schiffsladung, der Konterbande ist, zu konfis- zieren, sondern sie läßt, unter verschieden gestalteten Voraussetzungen, namentlich wenn die Konterbande einen beträchtlichen Teil der Ladung ausmacht, auch das an Bord befindliche unverfängliche Gut verfallen sein. Endlich: daß ein Schiff, das sich vorsätzlich in den Dienst des verbotenen Handels gestellt hat, der Ein- ziehung unterliegt, ist selbstverständlich. Aber viele Prisenordnungen machen diese Einziehung nicht davon abhängig, daß der Reeder oder der Kapitän des Schiffes um die Bannwaren-Eigenschaft der Ladung gewußt hat. Sie lassen das Schiff verfallen sein, wenn nur die ver- frachtete Konterbande in einem bestimmten Mengever- hältnisse zur Gesamtladung stand. Nun geben aber die verwickelten Methoden des modernen Handels Hunderte von Möglichkeiten, die wahre Endbestimmung einer Schiffsladung vor den Augen derer zu verheimlichen, durch deren Hände sie geht. Und so bietet das Konter- banderecht eine schier unbegrenzte Fülle von Gelegen- heiten, auch die unschuldige Schiffahrt und den unschul- digen Handel ebenso wie den schuldigen zu gefährden oder gar zu unterdrücken. Die Gefahr wird schließlich ins Ungemessene ge- steigert, wenn man die sogenannte Theorie von der , (fortgesetzten" oder ,, einheitlichen Reise" auf das Konterbanderecht anwendet. Bringt man diese Lehre, die nicht überall ganz gleich verstanden wird, auf eine einfache Formel, so sagt sie folgendes. Ein Schiff kann sich der Konterbandezufuhr auch dann schuldig machen, wenn es Bannware nach einem neutralen Hafen beför- dert, sofern nur die Endbestimmung der Ware eine Konterbande, Blockade und Seesperre. 15 feindliche ist. Denn das Schiff will vielleicht den neu- tralen Platz nur als Zwischenhafen ansteuern, von dort aus jedoch mit der Konterbande nach dem feindlichen Lande weiterfahren, Oder es will zwar im neutralen Hafen seine Ladung löschen; diese soll jedoch auf ein anderes Schiff und von ihm nach dem Feindeslande ge- bracht werden, Oder endlich die Absicht besteht, die Konterbande vom neutralen Gebiete aus auf dem Land- wege dem Feinde zuzuführen. Wird also z, B, im jetzigen Kriege argentinischer Weizen von einem niederländi- schen Kauffahrer nach Rotterdam geschafft, so behan- deln das die Engländer als eine Konterbandefahrt, wenn sie annehmen, daß der Weizen von dem holländischen Empfänger mit der Eisenbahn nach Deutschland expor- tiert und hier für das Heer verwendet werden soll. Man muß , gerechterweise zugeben, daß die Kriegführenden in der Lage sein müssen, dem echten Konterbande- handel gerade dann einen Riegel vorzuschieben, wenn er sich durch Umwege der Entdeckung entziehen will oder mit Täuschung und Verschleierung arbeitet. Aber die Lehre von der einheitlichen Reise setzt auch den legitimen neutralen Handel den allerschwersten Ge- fahren aus, indem sie den Verkehr zwischen neutralen Häfen nicht nur aufs schwerste beunruhigt, sondern unter Umständen geradezu unmöglich macht. Das Schlimme bei der Sache ist nun, daß die Krieg- führenden sowohl in bezug auf den Umfang des Konter- bandebegriffes, wie in bezug auf die Methoden der Konterbandeunterdrückung von völkerrechtlichen Hem- mungen fast völlig fröi sind. Es gibt zwar allerlei Ver- träge zwischen einzelnen Staaten, aber so gut wie kein allgemein gültiges Völkerrecht, das die Angelegen- heit mehr als in den äußersten Umrissen regelte. Alle Versuche in dieser Richtung sind bisher gescheitert. Im 3* 16 Meereskunde. nordamerikanischen Freiheitskriege ist es der Kaiserin Katharina von Rußland gelungen, eine Reihe von See- staaten zweiten Ranges zu einem Bunde gegen die Kriegführenden, insbesondere gegen England zusammen- zubringen, und die Koalition hat unter anderem auf eine starke Einengung des Konterbandebegriffes hin- gewirkt. Allein diese erste bewaffnete Neutralität von 1780 hat nur vorübergehenden, die zweite von 1800, während des europäischen Krieges gegen Frankreich, hat überhaupt keinen Erfolg gehabt. Im Jahre 1909 hatte die Londoner Seekriegskonferenz mit großer Sorg- falt eine Reihe von Konterbanderegeln ausgearbeitet, in denen die entgegenstehenden Interessen der Kriegfüh- renden und der Neutralen in befriedigender Weise in Ein- klang gesetzt waren. Die Londoner Erklärung enthielt ausführliche Listen der absoluten und der relativen Konterbande, sowie eine Liste von Waren, die niemals als Konterbande sollten erklärt werden dürfen, und sie verpönte die Lehre von der einheitlichen Reise für die relative Konterbande, Aber die Deklaration ist be- kanntlich, weil sich das englische Oberhaus widersetzte, nicht ratifiziert worden, und so steht es heute noch in der Tat so, daß in Sachen des Konterbanderechtes jeder Kriegführende vornehmen kann, was er will, und was er den Neutralen gegenüber durchzudrücken vermag. Diese Freiheit hat England im gegenwärtigen Kriege in unerhört brutaler Weise ausgenutzt. Die von der britischen Regierung veröffentlichten Konterbandelisten haben einen solchen Umfang angenommen, daß man heute nicht mehr fragen kann, was Konterbande ist, sondern fragen muß, was nicht als Konterbande be- handelt wird. Der Unterschied zwischen absoluter und relativer Konterbande ist völlig verwischt worden. Nicht nur Wolle und Baumwolle, Kupfer und Nickel und Konterbande, Blockade und Seesperrc. 17 vieles andere, was die deutsche Industrie nicht ent- behren kann, sondern auch Gold, Silber, Papiergeld, Zinsscheine, Wechsel und Schecks stehen im Verzeich- nisse der absoluten Bannware, werden also auf der Fahrt nach deutschem Gebiet weggenommen, ohne Rücksicht darauf, für wen sie bestimmt sind. Die Vermutungen für die feindliche Bestimmung einer Sendung, mit denen die Konterbandepraxis zu arbeiten pflegt, sind unange- messen erweitert worden. Die britische Regierung stellt sich auf den Standpunkt, daß im Zweifel alles, was nach Deutschland geht, für die deutsche Verwaltung, namentlich die Heeresverwaltung, bestimmt sei, — ein- mal weil bei uns so gut wie jede Ware unter der ,, Kon- trolle" der Regierung stehe, sodann weil man zwischen Zivilbevölkerung und bewaffneter Macht heutzutage keinen Unterschied mehr machen könne. Die Lehre von der einheitlichen Reise wird auf relative wie auf ab- solute Konterbande angewandt, und sie wird außerdem in ganz eigentümlicher Weise erweitert. Um nämlich Deutschland in jeder Beziehung auszuhungern, betrachtet man als Konterbande nicht nur, was wirklich oder an- geblich nach Deutschland reist, sondern auch Rohstoffe und Fabrikate, die ohne Zweifel für unsere neutralen Nachbarländer bestimmt sind, sofern der Verdacht be- steht, daß sie hier ersetzen, was etwa aus neutralen Beständen zu uns ausgeführt wird, Konterbande ist demnach beispielsweise nicht nur Getreide, das über Holland nach Deutschland gehen soll, sondern auch das, das die Holländer selber verbrauchen wollen, wenn und weil es ihnen durch die Einfuhr von Getreide ermöglicht wird, uns aus ihren Speichern etwas abzugeben. Um sich dies Verfahren zu erleichtern, setzt England die neutra- len Staaten auf Rationen; überschreitet die Menge der an ihre Händler gerichteten Sendungen den festgesetzten 18 Meereskunde. Umfang, so mutmaßt man, daß der Überschuß für den Feind bestimmt sei, und nimmt ihn als Konterbande weg. Ebenso willkürlich ist die Praxis der Konterbande- unterdrückung, Man visitiert die neutralen Kauffahrer nicht nur auf hoher See, sondern schleppt sie zu pein- lichster Untersuchung nach britischen Häfen. Ja, man zwingt die neutrale Schiffahrt überhaupt, auf der Reise einen britischen oder verbündeten Hafen anzulaufen. Wer sich nicht fügt, ist des Handels mit Konterbande von vornherein überführt. Man kontrolliert den neu- tralen Handel nicht nur auf dem Meere, sondern durch Einfuhrgesellschaften im neutralen Bestimmungslande, durch Konsuln, Agenten und Spione im neutralen Ab- gangshafen, Das alles sind nur einzelne Züge aus dem abstoßenden Bilde, Es wäre leicht, sie durch viele an- dere zu ergänzen. Aber die Dinge sind ja so oft und so ausführlich besprochen worden, daß ich Sie mit weiteren Schilderungen verschonen darf. Man muß ehrlicherweise zugestehen, daß diese Überspannung des Konterbanderechts nicht ganz ohne innere Logik ist. Ohne Zweifel wird ja in unseren Tagen der Krieg mit einem so ungeheuren Aufwände an technischen Mitteln der verschiedensten Art geführt, daß das Anschwellen der Konterbandelisten eine natür- liche Erscheinung ist. Und im Zeitalter der Millionen- heere, der allgemeinen Wehrpflicht, des vaterländischen Hilfsdienstes und der Militarisierung der Industrie mag es in der Tat nicht ganz leicht sein, zwischen dem zu unterscheiden, was für das Heer und die Staatsverwal- tung, und dem, was für die Zivilbevölkerung bestimmt ist. Aber eben deshalb könnte man sagen, daß die britische Praxis die ganze Einrichtung des Konterbande- rechts schließlich ad absurdum geführt hat. Die Ent- wicklung des Konterbandeverbots ist überhaupt nach Konterbande, Blockade und Seesperre. 19 einem langen Kreislaufe wieder zu dem mittelalterlichen Ausgangspunkte zurückgekehrt. Wenn alles auf der Welt als Konterbande gilt, dann bedeutet das Bann- warenverbot nichts anderes als ein an alle Neutralen ge- richtetes Verbot, mit dem Feinde überhaupt noch Handel zu treiben. Ein Verfahren, das Jahrhunderte lang zu nichts anderem bestimmt war, als die militäri- sche Schlagkraft des Feindes durch Abschneiden der militärisch wichtigen Zufuhr zu schwächen, hat sich zu einer mit ungeheurer Wucht geführten Waffe im Wirt- schaftskriege verwandelt. Ein Kampfmittel, das den Feind schädigen soll, wird heute dazu mißbraucht, dem Handel und der Industrie neutraler Länder tödliche Streiche zu versetzen und — was noch schlimmer ist — die Kriegführenden auf Kosten des neutralen Seehandels zu bereichern- Staaten, die nicht in der Lage sind, ihre Neutralitätspolitik auf eine gewaltige Kriegsflotte zu stützen, müssen ihr ganzes Wirtschaftsleben einer drückenden und entehrenden Überwachung unterstellen, ja sie werden schließlich vor die Wahl gestellt, aus der Neutralität herauszutreten oder selber zu verhungern. Ich werde kaum Widerspruch finden, wenn ich behaupte, daß das Konterbanderecht für die Neutralen allmählich schlechterdings unerträglich geworden ist, 3. Die Entwicklung, die ich versucht habe, Ihnen zu schildern, wird sich schwerlich wieder rückgängig machen lassen. Und so liegt es nahe, daß man den Vor- schlag erhebt, es solle durch eine allgemeine inter- nationale Abmachung das ganze Konterbanderecht ein für allemal beseitigt werden. Mit Stumpf und Stiel, nicht nur in bezug auf die relative, sondern auch auf die absolute Konterbande, Der Gedanke ist nicht neu. Er 20 Meereskunde. ist sogar von England auf der zweiten Haager Konferenz von 1907 mit Eifer vertreten worden. Aus welchen Gründen er damals keine Annahme fand, werden wir sofort sehen. Ich zweifle freilich sehr, daß England nach den glänzenden Erfahrungen, die es in diesem Kriege mit der Konterbandeunterdrückung gemacht hat, geneigt sein wird, seinen damaligen Standpunkt von neuem ein- zunehmen. Nicht minder ungewiß ist mir neuerdings, ob die Vereinigten Staaten für die Beseitigung des Konter- banderechts zu haben sein werden. Aber daß der Vor- schlag nicht wieder von der Tagesordnung verschwinden wird, ist sicher. Und so fragt sich, wie wir uns zu ihm zu stellen haben? So viel ich sehen kann, deckt sich das deutsche Interesse gerade an dieser Stelle vollkommen mit den Interessen der Neutralen. Ich meine, daß wir auch als Kriegspartei in einem künftigen Kriege nur Vorteile haben würden, wenn die Konterbande inzwischen aus dem Wörterbuch des Seerechts gestrichen wäre. Aber zwei wesentliche Voraussetzungen sind dabei zu machen. Die Abschaffung des Konterbandeinstituts ist nutz- los, wenn dem Kriegführenden die Möglichkeit gelassen ist, durch Ausnutzung anderer Kriegsmittel die neutrale Schiffahrt genau so lahmzulegen wie durch die Anwen- dung des Konterbandeverbots, Auf derselben Haager Konferenz, auf der die britische Regierung so lebhaft die Beseitigung des Konterbandebegriffs empfahl, brachte sie den Antrag ein, es solle fortan jedes feind- liche oder neutrale Handelsschiff, das zur Beförderung von Munition, Heizmaterial, Lebensmitteln oder an- derem Bedarf für eine Flotte Verwendung finde und zu diesem Behufe auch nur indirekt den Marschbefehlen der Kriegsflotte unterstellt sei, als ,, Hilfskriegsschiff" be- handelt werden. Wäre der Antrag angenommen wor- Konterbande, Blockade und Seesperrc. 21 den, so hätte sich England für den Kriegsfall trotz der Abschaffung des Konterbandebegriffs das Recht ge- sichert, jedes neutrale Schiff anzuhalten, zu durchsuchen und nach Befinden auch unter dem Vorwande zu be- schlagnahmen, daß die Ladung bestimmt sei, den Be- darf einer feindlichen Flotte zu decken. Da in diesem Falle das Schiff als Kriegsschiff behandelt worden wäre, hätte ihm nicht einmal die Reklamation bei einem Prisengerichte freigestanden. Damit wäre also das Kon- terbanderecht nur scheinbar abgeschafft gewesen, und eben deshalb gelang es England nicht, auf der Konferenz seinen Plan durchzusetzen. Auch bei einer künftigen internationalen Verhandlung über die Angelegenheit wäre also hier Vorsicht zu üben. Das gilt auch noch in anderen Beziehungen, Zum Beispiel hat England schon in diesem Kriege vor dem Grundsätze der Pariser Deklaration, daß feindliches Eigentum unter neutraler Flagge der Wegnahme nicht unterworfen ist, geringe Achtung bezeugt. Wird nun das Konterbanderecht ab- geschafft, das Seebeuterecht aber beibehalten, so weiß ich nicht, ob nicht England der Versuchung unterliegen wird, den von ihm früher mit Zähigkeit verteidigten Grundsatz wieder lebendig zu machen, wonach feind- liches Gut überall, auch auf neutralem Fahrzeug, ge- nommen werden kann, Kraft dieses Grundsatzes bliebe die neutrale Schiffahrt dem Durchsuchungsrecht in vollem Umfange ausgesetzt und hätte von der Beseiti- gung des Konterbandeinstituts nur wenig Nutzen, Man wird also Sorge tragen müssen, dem einen Riegel vorzu- schieben. Ebenso wichtig ist etwas anderes. Man darf sich bei unserer Frage nicht ausschließlich auf den Stand- punkt der Neutralen stellen. Selbstverständlich ver- langt auch das Interesse der Kriegführenden gebührende 22 Meereskunde. Berücksichtigung, Wir müssen uns hüten, für die Ein- führung kriegsrechtlicher Regeln einzutreten, die im Ernstfalle nicht eingehalten werden können, weil sich das Wesen des Krieges nicht mit ihnen verträgt. Wir sahen ja schon vorhin, daß der Seekrieg niemals darauf verzichten wird, die wirtschaftlichen Kräfte des Feindes zum Angriffsziel zu nehmen. Die Beseitigung des Kon- terbanderechts mutet aber den Kriegführenden ein un- gemein schweres Opfer zu. Ja, dieses Opfer scheint unerträglich zu sein, wenn nicht allein die relative, son- dern sogar die absolute Konterbande dem Zugriffe ent- zogen werden soll. Aber dies würde gar nicht zu um- gehen sein. Der Verzicht nur auf die relative Konter- bande wäre eine nutzlose Halbheit, Da sich nämlich schon wegen der ständigen Veränderung der Kriegs- technik eine abschließende Liste der absoluten Konter- bande niemals aufstellen läßt, so müßte man immer die Möglichkeit von Ergänzungen offen lassen, würde aber damit die Kriegführenden dauernd in Versuchung führen, das, was sie mit der einen Hand gegeben, mit der an- deren wieder zu nehmen. Allein, so werden Sie fragen, ist denn ein Verzicht auf die Wegnahme absoluter Kon- terbande überhaupt denkbar? Kann man im Ernste ver- langen, daß ein kriegführender Staat fortan Kanonen und Granaten, Tanks und Schießgewehre nicht mehr als Kon- terbande behandelt? Die Antwort lautet: Ein solches Verlangen kann nur dann gestellt werden, wenn man dem Kriegführenden andere völkerrechtliche Mittel be- läßt oder gibt, die ihm ermöglichen, dem Feinde die Zufuhr solcher Gegenstände auf dem Meere abzu- schneiden. Die Frage muß folglich so gestellt werden; Läßt sich das Institut der Konterbandeunterdrückung durch ein Kriegsmittel ersetzen, das die berechtigten Interessen der Kriegführenden wahrt, ohne doch die Konterbande, Blockade und Seesperre. 23 Neutralen in gleichem Maße zu schädigen, wie es das Konterbanderecht bisher getan hat? Es liegt nahe, diesen Ersatz in der Blockade zu suchen, Sie ist ja die Schwester der Konterbande- unterdrückung, Sie scheint die Bedürfnisse der Krieg- führenden in angemessenem Umfange zu befriedigen. Denn wer eine feindliche Küste vollkommen absperrt, der verhindert mindestens, daß der Feind auf dem See- wege erhält, was ihm abgeschnitten werden soll. Ob die Neutralen von der Abschaffung der Konterbande unter Beibehaltung der Blockade einen sehr großen Nutzen haben würden, ist freilich noch die Frage, Die Ameri- kaner und die Engländer wenden die Lehre von der ein- heitlichen Reise auch auf die Blockade an, Sie behan- deln also insbesondere ein Schiff auch dann als Blok- kadebrecher, wenn es sich in Fahrt nach einem neu- tralen oder einem nicht blockierten feindlichen Hafen befindet, seine Ladung aber nachher dem blockierten Gebiete zugeführt werden soll. Damit ist der neutrale Handel keinen geringeren Belästigungen und Gefahren ausgesetzt wie bei Bestehen des Konterbanderechtes, Aber vielleicht gelänge es, die Anwendung der Reise- theorie auf die Blockade vertragsmäßig auszuschließen, was übrigens die Londoner Erklärung bereits getan hat; dann hätten die Neutralen allerdings den großen Vorteil, daß der neutrale Verkehr zwischen neutralen Häfen von den Kriegführenden nicht behelligt werden könnte. Indes, es hat mit der Blockade seine eigene Bewandtnis, Die Entwicklung des Blockaderechts hat sich selt- samerweise gerade in der umgekehrten Richtung voll- zogen wie die des Konterbanderechts, Während das heutige Völkerrecht bezüglich der Unterdrückung der Konterbande so gut wie keine gemeingültigen Regeln 1 24 Meereskunde. enthält, ist die Ausübung der Blockadebefugnis in ganz bestimmte rechtliche Schranken gebannt- Während das Konterbanderecht seit geraumer Zeit die Neigung zeigt, die Rechte der Kriegführenden mehr und mehr zu er- weitern, ist es den Neutralen gelungen, diese im Bereiche des Blockaderechts nach und nach in engere Grenzen zu bannen. Während sich das Konterbandeinstitut in der Richtung des mittelalterlichen allgemeinen Handels- verbots zurückgebildet hat, haben es die Neutralen ver- standen, die Blockade vor diesem Rückfall zu bewahren. Die ursprüngliche Handelsblockade war eine fiktive, eine Papierblockade, Der Kriegführende erklärte eine feindliche Küstenstrecke für blockiert, ohne sie wirklich durch Kriegsschiffe vom Seeverkehr abzu- sperren, und seine Kreuzer fahndeten nicht nur im Küstenbereiche, sondern überall auf dem Meere nach neutralen Schiffen, die wirklich oder angeblich dem verbotenen Zugange zum Feindeslande zusteuerten. Die Holländer gelten als die Erfinder dieser Scheinblockade. Sie haben sie in ihrem Freiheitskampfe gegen Spanien in bedeutendem Umfange und mit gewaltigem Schaden für den neutralen Handel gehandhabt. Aber schon im 17, und zu Beginn des 18, Jahrhunderts regt sich auf neutraler Seite der Widerspruch, Die Neutralen ver- langen, daß eine Blockade, die für sie verbindlich sein soll, nicht nur erklärt, sondern auch durch Seestreit- kräfte tatsächlich durchgeführt werden müsse. Sie for- dern, wie man heute sagt, die Effektivität, die Wirksam- keit der Blockade, Es hat freilich lange gedauert, bis sich das siegreich durchgesetzt hat. Die Handelsverträge im Zeitalter Ludwigs XIV, zeigen sich dem Gedanken günstig. Aber noch in der zweiten Hälfte des 18, Jahr- hunderts, in den Kriegen gegen Frankreich, hat sich England der Papierblockade in großem Maßstabe be- Konterbande, Blockade und Seesperre. 25 dient; damals brachten es die englischen Prisenrichter fertig, zu behaupten, die französischen tfnd selbst die spanischen Häfen seien schon wegen ihrer geographi- schen Lage von England blockiert! Welche Rolle die Scheinblockade im Kriege gegen Napoleon gespielt, wie dieser die englische Blockadewillkür mit der Erklärung der Kontinentalsperre beantwortet hat, ist ja allgemein bekannt. Aber schließlich ist der Grundsatz der Effek- tivität doch zu einem der Eckpfeiler des Seekriegs- rechts geworden. Nach der Pariser Deklaration von 1856 muß eine Blockade, um den Neutralen gegenüber verbindlich zu sein, durch eine Streitmacht aufrecht- erhalten werden, die genügt, um den Zugang zur feind- lichen Küste tatsächlich zu verhindern. Gewiß ist das noch immer nicht so deutlich ausgedrückt, daß alle Zweifel ausgeschlossen wären, und in der Tat gehen die Auffassungen über den Begriff der „tatsächlichen Ver- hinderung" auseinander. Aber so viel ist gewiß, daß ein heute ganz allgemein anerkanntes völkerrechtliches Prinzip jedenfalls die Papierblockade verpönt. Und ebenso sicher ist ein zweiter Satz im Völkerrecht ver- ankert; daß nämlich eine Blockade nur die feindliche oder vom Feinde besetzte Küste abschließen, aber nicht den Zugang zu neutralen Gestaden versperren darf. Diese Strenge des Blockaderechts rechnet nun aber nicht mit den ungeheuren Schwierigkeiten, die sich heute zufolge der Entwicklung der Technik einem Blockadeunternehmen entgegenstellen. Wenn die blok- kierende Kriegsmacht die Blockade wirksam gestalten will, so muß sie in aller Regel ein Blockadegeschwa- der in unmittelbarer Nähe der feindlichen Küste auf- stellen oder mindestens dort kreuzen lassen. Allein der Gegner kann dies Geschwader mit furchtbaren Waffen bedrohen. Selbst ein Staat, der nur über eine kleine 26 Meereskunde. Kriegsmarine verfügt, oder dessen Flotte in offener Seeschlacht geschlagen worden ist, vermag durch Minen und Torpedos, durch Unterwasserboote und Luftfahr- zeuge einem Blockadegeschwader so hart zuzusetzen, daß diesem die Lust zum Verweilen sehr bald vergehen möchte. Der Blockierende wird also genötigt, den Blockadegürtel in weite Entfernung von der Küste zu legen. Aber das wird entweder die Effektivität der Blockade lockern, diese also für die Neutralen nicht mehr verbindlich machen, oder es wird in einer Weise geschehen, daß das Blockadegeschwader den Zugang auch zu neutralen Häfen verhindert, und das werden die Neutralen nicht dulden- England würde z, B, viel- leicht imstande sein, Deutschland effektiv zu blockieren, indem es die Eingänge zur Nordsee versiegelt. Indes es würde damit auch eine Blockade über sämtliche Nordsee- und Ostseeuferstaaten verhängen und diese damit aus der Neutralität herausdrängen. Es ist deshalb kaum eine Übertreibung, wenn man behauptet, daß eine effektive Blockade heutzutage allenfalls gegenüber einem ohnmächtigen mittelameri- kanischen oder asiatischen Staatswesen, oder gegen- über einer von dem Mutterlande abgeschnittenen Ko- lonie, aber nicht mehr gegenüber einer mit technischen Hilfsmitteln reich versehenen Seemacht angewendet werden kann. Die Erfahrungen des gegenwärtigen Krieges haben das deutlich bewiesen, England hat eine förmliche Blockadeerklärung zwar für die Küste von Deutsch-Ostafrika, aber nicht für die deutsche Nord- see- oder gar Ostseeküste erlassen. Die Engländer nennen zwar die hunderterlei Maßregeln, die sie zur Verhinderung der Einfuhr nach und der Ausfuhr aus Deutschland erfunden und durchgeführt haben, eine Blockade, Aber diese Maßnahmen sind keine Blockade, Konterbande, Blockade und Seesperre. 27 Soweit die britische Regierung für ihre Aüshungerungs- methoden überhaupt eine fechtliche Begründung gege- ben, hat sie sich nicht auf das Recht der Blockade, sondern auf die Grundsätze des Konterbanderechts be- rufen. Und das war auch ganz richtig. Die sogenannte Blockade Deutschlands ist nichts anderes als eine ins Ungeheuerliche gesteigerte Ausdehnung des Konter- bandeinstituts, Die Blockade hat nicht als Ersatz der Konterbande, sondern das Konterbandeverbot hat als Ersatz der unmöglich gewordenen Blockade gedient. Damit ist nun die Frage, die wir vorhin stellten, ohne weiteres beantwortet. Wir wollten prüfen, ob man die Abschaffung der Konterbandeeinrichtung den Kriegführenden dadurch schmackhaft machen kann, daß man ihnen ein anderes, bis zu gewissem Grade gleich wirksames und doch für die Neutralen leidlich erträgliches Kriegsmittel zur Verfügung stellt- Wir wissen jetzt, daß die Blockade dieser Aufgabe nicht gewachsen ist, Sie ist es so wenig, daß man sogar in England den Gedanken nicht mehr so schroff wie früher abzulehnen scheint, es könne die Blockade in Zukunft überhaupt aus dem Völkerrechte entfernt werden — ein Gedanke, dessen Verwirklichung freilich nur dann von Nutzen wäre, wenn auch das Schwesterinstitut der Blockade, das Konterbandeverbot, beseitigt würde. 4. Aber vielleicht läßt sich der gesuchte Ersatz in anderer Weise beschaffen. Ich meine, daß wir gar nicht weit nach ihm zu suchen brauchen; denn er hat sich bereits im jetzigen Kriege als überaus wirksam er- wiesen. Es ist die Seesperre in der Form, die ihr von Deutschland durch die Erklärung vom 31, Ja- nuar 1917 gegeben worden ist. 28 Meereskunde, Die Presse, und zwar nicht nur die uns feindliche oder die neutrale, sondern zum Teil auch die deutsche, hat den Versuch gemacht, das von Deutschland ge- wählte Kriegsmittel für eine Form der Blockade zu erklären, und unter diesem Gesichtspunkte die völker- rechtliche Zulässigkeit der Maßregel je nachdem zu verneinen oder zu bejahen. Auch manche Verlaut- barungen neutraler Regierungen, Proteste und Ver- wahrungen gehen von jener Annahme aus. Es ist an der Zeit, mit allem Nachdrucke darauf hinzuweisen, daß unsere Seesperre mit einer Blockade im technischen Sinne des Wortes nichts zu tun hat. Die Seesperre von 1917 steht in geschichtlichem Zusammenhange mit unserer, zwei Jahre zuvor, am 4, Februar 1915, erlassenen Erklärung, durch die wir die Gewässer rings um Großbritannien und Irland als ,, Kriegsgebiet" bezeichneten. Auch diese Maßnahme war keine Blockade, Denn die Erklärung richtete sich nach Wortlaut und Sinn nur gegen die feindliche Schiff- fahrt. Allerdings warnte der deutsche Admiralstab auch die neutrale Handelsmarine vor den Gefahren, die sie beim Befahren des Kriegsgebiets laufen werde, und er machte darauf aufmerksam, daß der von der britischen Regierung kurz zuvor angeordnete Mißbrauch neutraler Flaggen leicht zu einer Verwechslung von feindlichen und neutralen Schiffen würde führen können. Selbst- verständlich verfolgte auch diese Warnung den Zweck, die neutrale Schiffahrt von dem Verkehr mit den Häfen der britischen Inseln abzuhalten. Allein ganz ausdrück- lich wies sowohl die Bekanntmachung wie die ihr bei- gegebene Denkschrift darauf hin, daß die Angriffe im Kriegsgebiet nur auf feindliche Schiffe berechnet, und daß die deutschen Seestreitkräfte mit entsprechenden Anweisungen versehen seien. Die Erklärung von 1915 Konterbande, Blockade und Seesperre. 29 knüpfte noch an bekannte seekriegsrechtliche Einrich- tungen an. Nach wie vor blieb der neutrale Seehandel keiner anderen Beschränkung ausgesetzt, als daß er mit der Ausübung des Konterbanderechts und mit der Ge- fahr zu rechnen hatte, die jeder Schiffer läuft, der sich in den Bereich von Kampfhandlungen oder in die Nähe von Minenfeldern begibt. Das einzige Neue war eine Verschärfung der überlieferten Methoden des Prisen- rechts, soweit es feindliche Schiffe anging. Die von England und seinen Verbündeten in größtem Maßstabe durchgeführte Bewaffnung der Kauffahrteischiffe, die diesen erteilte Anweisung, sich ihrer Waffen auch zum Angriff zu bedienen, aber auch die Rücksicht auf die vergleichsweise sehr große Verwundbarkeit der neuer- dings im Handelskriege verwendeten Unterseeboote machten es für die deutsche Flottenleitung notwendig, von der herkömmlichen Anhaltung und Durchsuchung feindlicher Schiffe im Kriegsgebiete Abstand zu nehmen. Ein Verbot aber an die Neutralen, die am Saume dieses Gebiets gelegenen feindlichen Häfen anzulaufen und zu verlassen, enthielt die Erklärung von 1915 nicht, und schon deshalb war sie keine Blockade, Während sich die Kriegsgebietserklärung von 1915 dem Grundsatze nach noch ganz in den Grenzen des alten Kreuzerkrieges hielt, tritt die Seesperre von 1917 vollständig aus diesem Rahmen heraus, Sie ist etwas ganz anderes als jene, Sie richtet sich von vornherein ebensosehr gegen die neutrale wie gegen die feindliche Schiffahrt, Allein sie teilt mit der Erklärung von 1915 das eine, daß sie ebensowenig wie sie eine Blockade zu bedeuten hat. Allerdings verfolgt die Seesperre dasselbe strate- gische Ziel wie eine Blockade, Sie will den Seehandel von den Häfen des Feindes fernhalten, die Einfuhr nach 30 Meereskunde. dem feindlichen Lande und die Ausfuhr aus diesem in vollem Umfange unterbinden. Auch enthält sie, wie die Blockade, ein Verbot an die neutrale Schiffahrt, Sie tritt, wie es in der Ankündigung heißt, im Sperr- gebiet , (jedem Seeverkehr ohne weiteres mit allen Waffen entgegen". Aber das Verbot richtet sich nicht gegen die Fahrt nach und von der feindlichen Küste, sondern gegen das Befahren einer nach Länge und Breite bezeichneten Zone des Meeres, Diese Unter- scheidung ist keine Sophisterei, sondern hat ihre guten inneren Gründe, Das in einer Blockadeerklärung enthaltene Verbot wendet sich gegen den Versuch, unter Überschreitung einer Linie, der Blockadelinie, dem Feinde etwas zuzu- führen oder etwas aus seinem Gebiete auszuführen. Und zwar zielt dieses Verbot immer gegen die diesem Zwecke dienende Reise als solche. Gewiß verlangt ja das heutige Recht, daß eine Blockade effektiv gestaltet werden muß, und daß ein Schiff nur innerhalb des Aktionsbereichs der Blockadeschiffe als Blockade- brecher beschlagnahmt werden darf. Allein diese uns heute als notwendig erscheinende Beschränkung des Blockaderechts folgt keineswegs aus dem Wesen der Blockade von selbst. Wir sahen ja, daß die Geschichte der modernen Handelsblockade mit der nichteffektiven, der Papierblockade, anhebt, und daß der Grundsatz der Effektivität sich mühsam durchgesetzt hat. Wir sahen ferner, daß die Amerikaner und Engländer noch heute die Lehre von der einheitlichen Reise auf die Blockade anwenden, Sie betrachten ein Schiff auch dann als Blockadebrecher, wenn es sich nicht auf der Fahrt nach einem blockierten Hafen befindet, sofern nur dieser seine Endbestimmung darstellt, und sie gestatten die Weg- nahme des aus dem blockierten Hafen entwischten Konterbande, Blockade und Seesperre. 31 Blockadebrechers bis zu seiner Rückkehr in den Heimat- hafen, Ob diese Praxis zu billigen ist oder nicht, ist eine Frage ganz für sich; daß sie aber überhaupt auf- kommen konnte, beweist, daß die Blockade im Grunde als das Verbot einer Reise in bestimmter Richtung oder mit bestimmtem Ziele aufgefaßt wird. Wir sehen deut- lich, wie sich der alte Gedanke des allgemeinen Han- delsverbots noch erhalten hat! Und ferner: nach einem allgemein anerkannten Grundsatze ist ein Blockade- brecher auch außerhalb des Aktionsbereichs des Blok- kadegeschwaders der Aufbringung ausgesetzt, solange er durch eines der blockierenden Kriegsschiffe verfolgt wird. Auch das läßt sich nur aus jenem Grundgedanken erklären. Die Kriegsmaßregel der Seesperre stellt sich von Anfang an auf einen ganz anderen Boden, Sie ist kein Handelsverbot, Sie ist das Verbot, eine genau abge- grenzte Zone des Meeres zu befahren, Sie unterdrückt allen Seeverkehr im Sperrgebiete, gleichviel in welcher Richtung er sich bewegt, Sie ist also auf der einen Seite härter als die Blockade, Denn sie ergreift unter Um- ständen auch solche Schiffe, die im Sinne des Blockade- rechts harmlos sein würden, weil sie in Wirklichkeit weder nach, noch von einem feindlichen Hafen Kurs haben. Aber sie ist anderseits viel milder als die Blok- kade; denn der Bruch der Blockade wird nur innerhalb der Sperrzone bestraft, niemals außerhalb dieses Be- reiches, Gelingt es einem neutralen Schiffe, das Sperr- gebiet in der Richtung nach der freien See zu durch- fahren, so findet keine Verfolgung statt, und der neu- trale Kauffahrer, der von außen her der Sperrzone zu- steuert, bleibt unbehelligt, sofern er nicht etwa mit Konterbande befrachtet ist. Von einer Anwendung des Grundsatzes der einheitlichen Reise kann hier von vorn- 32 Meereskunde, herein keine Rede sein. Gewiß werden im Sperrgebiet auch Schiffe versenkt, die sich auf der Fahrt von neu- tralen nach neutralen Häfen befinden. Aber das ge- schieht nicht, weil die Endbestimmung des Schiffes viel- leicht eine unneutrale ist, sondern weil ein Stück seiner Reise in den Bereich der verbotenen Zone fällt. Die Regeln des Blockaderechts finden also auf die See- sperre überhaupt keine Anwendung, Der Angriff auf feindliche oder neutrale Schiffe im Sperrgebiete ist keine Ausübung des Prisenrechts, Er ist ein kriegeri- scher Akt, der ein Verkehrsverbot in einer Bannzone gewaltsam durchsetzt. Die Regeln über die Zerstörung neutraler Prisen, über Reklamationen bei Vernichtung neutraler Waren, die etwa bei einem Blockadebruche der Einziehung nicht unterworfen sein würden, die Grundsätze über das prisengerichtliche Verfahren in solchen Angelegenheiten, alles das kommt hier schlech- terdings nicht in Betracht, Mit vollem Rechte hat das deutsche Oberprisengericht im Falle der ,,Eemland" und „Gaasterland" entschieden, daß die Vernichtung eines Schiffes wegen Befahrens des Sperrgebietes nicht unter den Begriff einer prisenrechtlichen Handlung falle, daß folglich die Prisengerichte über die Rechtmäßigkeit solcher Maßnahme nicht zu entscheiden haben. So kann denn schließlich die Frage, ob die Seesperre „effektiv" sei, gar nicht aufgeworfen werden, Sie hat nur für die Blockade einen Sinn, und die Seesperre ist keine Blockade, Die Seesperre in der von Deutschland seit dem vorigen Jahre angewandten Form ist vielmehr ein voll- kommen neues Mittel der Kriegführung, Daher brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn unsere Feinde sowohl wie die Neutralen die Frage an uns richten, auf welchen Rechtstitel wir die neue Methode der Krieg- Konterbande, Blockade und Seesperre. 33 führung zu stützen vermögen. Es dürfte sich lohnen, hierauf etwas näher einzugehen. Schon die Kriegsgebietserklärung von 1915 war in bezug auf ihre Zulässigkeit heftig angegriffen worden. In den Antworten der deutschen Presse und in den Noten, mit denen die deutsche Regierung den Bean- standungen des Auslandes begegnete, wurde neben und nacheinander eine ganze Reihe von Rechtfertigungs- gründen geltend gemacht. Man wies auf das Recht der Selbsterhaltung, das Recht der Notwehr, auf das Recht des Notstandes hin. Das war alles nicht unrichtig, wenn auch vielleicht nicht notwendig. Sehr unglücklich aber war es, daß man auch von einer Repressalie sprach. Denn eine Repressalie ist eine an sich unrechtmäßige Handlung, die durch den Zweck, den Gegner zur Ab- stellung einer Rechtswidrigkeit zu zwingen, zu einer rechtmäßigen Handlung wird. Wer eine Maßregel als Repressalie bezeichnet, gibt zu, daß sie widerrechtlich sein würde, wenn sie nicht im gegebenen Falle jenem Zwecke diente, und stellt in Aussicht, von ihr abzu- lassen, sobald sie ihren Zweck erreicht hat. Aber in der Erklärung vom 4, Februar 1915, an die man sich doch in erster Linie halten muß, war weder von dem einen, noch von dem andern die Rede, Man berief sich ein- fach auf das Recht der ,, Vergeltung", und das entsprach vollkommen der Sachlage, Denn bekanntlich war Groß- britannien mit einer Maßnahme genau der gleichen Art vorangegangen. Schon am 3, November 1914 hatte die britische Regierung kundgemacht, daß fortab die ge- samte Nordsee als Kriegsgebiet (military area) anzu- sehen sei, innerhalb dessen die Schiffe aller Länder den schwersten Gefahren durch Minen und durch Kriegs- schiffe ausgesetzt seien, und vor dessen Betreten die neutralen Schiffe gewarnt würden. Abgesehen von der 34 Meereskunde. Örtlichen Bezeichnung des Kriegsgebiets stimmten die Hauptsätze der deutschen Erklärung beinahe im Wort- laute mit der britischen überein, „Wie England", sagte die erläuternde Denkschrift, „das Gebiet zwischen Schottland und Norwegen als Kriegsschauplatz bezeich- net hat, so bezeichnet Deutschland die Gewässer rings um Großbritannien und Irland als Kriegsschauplatz." Die deutsche Kriegshandlung war also, um den techni- schen Ausdruck des Völkerrechts zu gebrauchen, eine Retorsion gegenüber England. Über das Recht hierzu konnte ein Zweifel nicht obwalten. Auch soweit die Retorsion mittelbar eine Beeinträchtigung der neutralen Schiffahrt im Gefolge hatte, war sie gerechtfertigt; denn die Neutralen hatten sich die britische Nordseesperre gefallen lassen. Bei der Verhängung der Seesperre von 1917 hat es die deutsche Regierung unterlassen, die Zulässigkeit der neuen Kriegsmethode auf einen besonderen Rechtstitel zu gründen. Weder von Retorsion, noch von Repres- salie ist jetzt die Rede. In der Note an die amerikani- sche Regierung, in der die deutsche Rechtsauffassung dargelegt wurde, wies das Auswärtige Amt lediglich auf die Notwendigkeit hin, den dem deutschen Volke auf- gedrungenen Kampf ums Dasein ,, nunmehr unter vollem Einsatz aller Waffen" fortzuführen, damit kein Mittel unversucht bleibe, ,,das Ende des Krieges zu beschleu- nigen". Das ist in der Tat der allein richtige Standpunkt, Es ist die Berufung auf den alten, aber nicht veralteten Satz des großen Holländers: omnia Heere in hello quae necessaria sunt ad finem belli. Dieser Satz gewährt dem Kriegführenden gewißlich nicht einen Freibrief für jede Gewalttat; denn er gestattet nur das, was zur Er- reichung des Kriegsziels, d, h, zur Niederwerfung des Feindes, notwendig ist. Er spielt ferner keine Rolle, Konterbande, Blockade und Seesperre. 35 soweit ausdrückliche Vereinbarung oder unzweifelhaftes Gewohnheitsrecht die kriegerische Gewalt in genau be- stimmte Grenzen bannen. Aber innerhalb des so ge- zogenen Rahmens erlaubt er dem Kriegführenden, nach freiem Ermessen das Maß dessen zu bestimmen, was er für erforderlich hält, um den Gegner zum Frieden zu zwingen. Das gilt im Seekriege nicht weniger wie im Landkriege, und es gilt im Verhältnisse zu den Neutralen nicht weniger wie gegenüber dem Feinde, Wenn die Neutralen den Grundsatz von der ,, Freiheit der Meere" anrufen, um zu beweisen, daß es dem Kriegführenden nicht erlaubt sei, die Waffengewalt des Seekrieges in einer sie schädigenden Weise zu steigern, so ist das eine petitio principii. Wir wissen ja, daß und warum die Freiheit der Neutralen zur See im Kriege immer Ein- schränkungen erlitten hat und erleiden wird. In der Protestnote der drei skandinavischen Staaten vom 13, Februar 1917 findet sich der Satz: „Die ein- zigen Regeln des Völkerrechts, die angezogen werden könnten, um die Maßnahmen zur Unterbindung jedes Handels und jeder Schiffahrt mit dem feindlichen Lande zu rechtfertigen, sind diejenigen über die Seeblockade," Das beruht auf der irrigen Vorstellung, daß das Völker- recht den Kriegführenden für alle Zeiten einen festen Bestand an Kriegsmitteln zur Verfügung stelle, der, keiner Erweiterung fähig sei. Die Geschichte des Kriegsrechts beweist, daß das Gegenteil richtig ist. Die Regeln über die Zulässigkeit der Verwendung von An- griffs- und Verteidigungsmitteln befinden sich in dauern- dem Flusse, Alte Kriegsmethoden werden beiseite geschoben, wenn ein von einem tieferen Humanitäts- ideal erfülltes Geschlecht sie als unmenschlich verwirft. Manche verschwinden von selbst, wenn sie durch wirt- schaftliche oder militärisch-organisatorische Entwick- 36 Meereskunde, lungen überflüssig gemacht werden. Auf der anderen Seite aber schafft die rastlos arbeitende Technik ständig neue Mittel der Zerstörung, die in den Dienst des Krieges gestellt werden, und diese heischen und finden ihre Anerkennung im Rahmen des Völkerrechts. Man denke an das Abwerfen von Sprengstoffen aus Luftfahr- zeugen und an die merkwürdige Geschichte der hierauf bezüglichen beiden Deklarationen von 1899 und 1907. Man denke vor allem, weil das mit dieser Frage eine nahe Verwandtschaft hat, an die Verwendung der Minen im Seekriege, Als der Russisch-Japanische Krieg die schweren Gefahren zeigte, die der neutralen Schiffahrt aus der Verwendung der Minen erwachsen können, vor allem wenn diese auf hoher See gelegt werden, erhob sich ein lauter Protest gegen die Zulässigkeit des Ver- fahrens, Heute ist von einer grundsätzlichen Verwer- fung der neuen Seewaffe nicht mehr die Rede. Man hat sich sehr bald mit dem Versuche begnügt, ihrer Anwen- dung im Interesse der Neutralen Fesseln anzulegen, die für die Kriegführenden einigermaßen erträglich sind. Es ist immer ein nutzloses Unterfangen gewesen, den Kriegführenden den Gebrauch von Kampfmitteln zu untersagen, deren Wirksamkeit die Kriegspraxis gezeigt hat. Das gilt nicht nur für die einzelnen Werkzeuge der Vernichtung, sondern auch für große Angriffs- und Ver- teidigungsmethoden, die sich aus einer Fülle gesonder- ter Kampf- und Zwangshandlungen zusammensetzen. So wenig es fortan gelingen wird, die Handgranate und die Wasserbombe, den Gasminenwerfer und den Tank, das Kampfflugzeug und das Unterwasserboot als ver- botene Waffen zu bezeichnen, so wenig wird sich die Seesperre wieder aus der Praxis des Seekrieges ent- fernen lassen. Deutschland Jedenfalls ist nicht gesonnen, sich die neue Waffe aus der Hand winden zu lassen. Konterbande, Blockade und Seesperrc. 37 Aber wir sind uneigennützig genug, sie — auch anderen Kriegführenden zur Verfügung zu stellen. Ja, wir wollen mehr. Wir wollen versuchen durchzusetzen, daß die Seesperre in förmlicher Weise anerkannt, gleichzeitig indes durch eine möglichst genaue völkerrechtliche Regelung in feste Formen gezwungen werde. Wie ich meine, sind diese Formen schon in deutlichen Umrissen durch die Art vorgezeichnet, in der Deutschland die Seesperre erklärt und gehandhabt hat: genaue Fest- stellung der räumlichen Ausdehnung bei der Verhän- gung, ausreichende Bekanntmachung, genügende Frist für das Auslaufen neutraler Schiffe aus feindlichen Küstenplätzen, vor allem Gewähr dafür, daß der Ver- kehr zwischen neutralen Häfen den erforderlichen Spielraum behält. Wird die Seesperre in bindender Weise, als Kriegsmittel anerkannt, so können die Krieg- führenden auf die ohnehin überlebte Blockade ver- zichten, Sie können aber dann auch in Erwägung ziehen — und damit kehren wir zum Ausgangspunkt unserer Untersuchung zurück — -, ob ihnen nicht die See- sperre den Verzicht auf das Konterbandeverbot er- möglicht, Deutschland würde von einer solchen Umgestaltung des Seerechts nur Vorteile, keine Nachteile haben. Eben deshalb wird sich England der Neuerung mit allen Kräf- ten widersetzen. Der Widerstand wird sich nicht leicht überwinden lassen. Aber an Bundesgenossen wird es uns nicht fehlen. Wir dürfen überzeugt sein, daß sich die jetzt noch schmollende neutrale Welt schließlich auf unsere Seite stellen wird. Denn wir bieten ihr ein Ge- schenk von unermeßlichem Werte, Wir stellen ihr in Aussicht den Ersatz der Blockade mit ihren technischen und juristischen Fußangeln durch ein Kriegsmittel, das gegenüber der Blockade mindestens den Vorzug der 38 Meereskunde, Einfachheit besitzt, und das der neutralen Schiffahrt im Grunde kein anderes Opfer zumutet als jene. Unser Vorschlag stellt aber vor allem die Beseitigung des Konterbandeverbots in Aussicht, Sollte er sich ver- wirklichen lassen, so würde den Neutralen die Freiheit der Meere in einem Umfange zuteil geworden sein, den sie sich noch vor vier Jahren nicht hätten träumen lassen. Möchten sich endlich auch die Neutralen, die heute noch grollend beiseite stehen, zu der Erkenntnis durchringen, daß sie die Freiheit der See nur im Kampfe gegen England und in Verbindung mit Deutschland er- ringen können! Antike Münze von Tarent. Gedruckt in der Königlichen Hof buchdruckerei von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW68, Kochstraße 68—71. Verlag von E. S.Mittler&Sohn, Königliche Hoibuchhandlung, == Berlin SW68 ==^== Graf Rcvcntlow Brauchen wir die flandrische Küste? 13, bis 17. Tausend :: Preis M 2, — \Wohl niemals hat ein großes Volk gleichgültiger und weniger unterrichtet den übe r seine Zukunft entscheidenden Aufgaben gegenübergestanden als das deutsche. Dies gilt vor allem hinsichtlich der heiß umstrittenen sogenannten belgischen Frage, die in Wirklichkeit die deutsche Frage ist. Diese sachkundige Schrift enthält eine klare Darlegung vor allem des militärisch-maritimen Problems und erörtert, weshalb es für die Zukunft nur ein Belgien unter englischer oder ein Belgien unter deutscher Oberherrschaft geben kann. Sie besitzt größte vaterländische Bedeutung. Graf Reventlow Deutschlands auswärtige Politik 1888—1914 Neunte Auflage :: Geheftet M 12,50 Pappband M 15,25, Leinen M 18, — pin überaus wertvolles Buch, dessen Blätter wir uns seit Kriegsbeginn täglich durch die Finger gleiten lassen. Dieser Reventlow stellt sich ganz in den Dienst des deutschen Flottengedanlcens, der Ausdehnung und Weltpolitik umfaßt. Reventlow schreibt gegen England. Konnte ein Mann zeitgemäßer sein! Alle welt- politischen Probleme Deutschlands reiht er auf diesen englischen Faden. Für einen denkenden Zeitungsleser, der"sich nicht in den Rahmen seiner Partei zwängen läßt, wüßten wir kein gediegeneres Oeschenkwerk. Neue Hamburger Zeitung. Verlag von E. S. Mittler&Sohn, Königliche Hoibuchhandlung, ==^= Berlin SW68 ■ Der Einfluß der Seemacht im Großen Kriege Von Graf Ernst Rcvcntlow = Dritte Auflage = Kriegspreis M 10,65, gebunden M 12,50 ps ist ein nicht hoch genug zu schätzendes Verdienst des als Autorität bekannten ^ Verfassers, das Erfahrungsmaterial , das dieser Krieg geschaffen hat und das für den Marinefachmann von höchstem Belang ist, liier zusammengefaßt zu haben. Man muß daraus den Schluß ziehen, daß das Deutsche Reich eine Seemacht braucht, um sein Leben im Frieden zu sichern, im Kriege verteidigen zu können; ferner daß das Rückgrat und die Seele der deutschen Seemacht nach wie vor, ja in steigendem Grade, eine starke, strategisch bewegungsfreie Hoch- seeflotte bleibt, mit dem Hochseelinienschiff als Keimzelle. Hessische Landeszeitung, Homer Lca Des Britischen Reiches Schicksalsstunde Aus dem Englischen und mit einer Einleitung von Graf Ernst Revcntlow Dritte Auflage ;: Mit 4 Kartenskizzen im Text : ; M 7,50, gebunden M 9,40 P\ie zynische Brutalität der angelsächsichen Rasse feiert in diesem vor dem Kriege *-^ zum ersten Male in deutscher Sprache erschienenen Werke eines modernen amerikanischen Machiavell wahre Triumphe. Der dringende Rat des Verfassers ist, daß England mit allen erlaubten oder unerlaubten Mitteln die Weltherrschaft be- haupten müsse und sich beizeiten auf jeden Gegner stürzen solle, der ihr gefährlich werden könnte. Der Lauf der Ereignisse hat gelehrt, daß Lea die Kriegsgefahr besser übersehen hat, als viele deutsche Gelehrte und Staatsmänner, die bis zuletzt nicht an einen schnöden Verrat Englands am Germanentum und an sein Verbrechen an der Menschheit glauben wollten. Das Buch ist heute zeitgemäßer denn je. Triest und Venedig. Von Dr, Leopold Glaesner. Politisch-geographische Lehren des Krieges. Von Prof. Dr. A. P e n c k. Eine ägyptische Expedition als Kampfmittel gegen England. Von Prof. G. Roloff. Die Engländer als Inselvolk. (Vom Standpunkt der Gegenwart aus betrachtet.) Von Prof. Dr. H. Spie s. Deutschlands Zurückdrängung von der See. Von Dr. W.Vogel. Angriffe und Angriffsversuche gegen die britischen Inseln. Von Dr. Walter Vogel. Zwei Kriegsjahre in London. Von Missionspastor J. L. 0. Krüger. Die Südsee im Weltkriege. Von Prof. Dr. Alf red Man es. Die nordischen Dardanellen. Von Samuli Sario. Bei Kriegsausbruch in Hawaii. Von Pastor Engelhard t. In französischen Lagern Afrikas. Von Else Picke. Konterbande, Blockade und Seesperre. Von Geh. Justizrat Prof. Dr. Triepel, Kriegsmarine. '^Kiel und Wilhelmshaven. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. *Kohlenversorgung und Flottenstützpunkte. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. * Vierzig Jahre Schwarz- Weiß-Rot. Von Geh. Admiralitätsrat P. Koch, *Die Torpedowaffe. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer, 'Kriegsschiffsbesatzungen in Vergangenheit und Gegenwart. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. ^ Unterseebootsunfälle. Von Fregattenkapitän Mich eisen. *Die Zusammensetzung und Taktik der Schlachtflotten. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. *Die Deutsche Eisenindustrie und die Kriegsmarine. Von P. Koch. Die wichtigsten Kanalhäfen und ihre Bedeutung für den Krieg. Von Prof. F. W. 0. Schulze-Danzig. Englands Mannschaftsersatz in Flotte und Heer. Von Prof. Dr. S p i e s. Volks- und Seewirtschaft. '^Marokko. Von Dr. Joachim Graf v. Pfeil. *Die deutsche Hochsee-Segelfischerei. Von H. Lübbcrt. *Der Hafen von New York. Von Professor Dr. Alb recht Penck. '^Lübeck, sein Hafen, seine Wasserstraßen. Von Dr. Franz Schulze. *Eine Wanderung durch altniederländischeSeestädte. Von Dr. W. Vo gel. 'Die Freie Hansestadt Bremen. Von Baurat Prof. G. d. Thierry. *Die Häfen der Adria. Von Dr, N. Krebs, ^Tsingtau. Von Professor Dr. Albrecht Penck. *Auf den Färöem. Von Prof. D. Dr. Edward Lehmann. * Valparaiso und die Salpeterküste. Von Dr. Rud. Lütgens. "Die festländischen Nordsee -Welthäfen. Von Dr. H. Michaclsen. 'Die deutsche Seekabelpolitik. Von Dr. R. Hennig. *Das Meer als Nahrungsquelle. Von Prof. Dr. H. Henking, ^ Kriegsrüstung und Wirtschaftsleben. Von P. Koch. ^Die großbritannische Hochseefischerei. Von H. Lübbert, *Triest und die Tauernbahn. Von Prof. Dr. F. Heiderich. *Von Singapur bis Yokohama. Von L. Mecking. *San Franzisko. Von A, Rühl. Wohlfahrtseinrichtungen in der Seefischerei. Von F. Duge, Durch die Magellanstraße. Von Gustav Goedel. Überland und l&bersee im Wettbewerb. Von Dr. Richard Hennig. Nach Deutsch-Neuguinea. Von Dr. Walter Behrmann. * Preis 50 Pf,, die übrigen Hefte kosten 60 Pf. Die Salpeterindustrie Chiles. Von Dr, jur. Alfred Hartwig, Die überseeische Getreideversorgung der Welt. Von Dr. Wa 1 1 e r Vo g e 1. Antwerpen. Von Prof. Dr. Alfred Rühl. Politische Probleme im westlichen Mittelmeer. Von Dr. F. Mohr. Deutsche Kulturarbeit im nahen Orient. Von Dr. P, Mohr, Englands Kohle und sein Überseehandel. Von Dr. R, Engelhard t. Die versiegelte Nordsee. Von Graf E. Reventlow. Der Außenhandel der Vereinigten Staaten von Amerika. Von Dipl.-Ing. Dr. Th. Schuchart. Die drahtlose Telegraphie im überseeischen Nachrichtenverkehr während des Krieges. Von Dr. Richard Hennig. Edinburg, Glasgow und Liverpool. Von Prof. Dr. Schulze, Lübeck. Die Heimsuchungen der Handelsschiifahrt durch den Krieg. Von C. Schroedter, Hamburg. Gegenwart und Zukunft der deutschen Seeschiffahrt. Von Dr. P. Stubmann. Gegenwart und Zukunft der deutschen Kolonien. (Doppelheft.) Von Prof. Hans Meyer, Leipzig. Das deutsche Kolonialreich der Zukunft. Von Fr. Hupfeld. Die Zukunft des deutschen Außenhandels. Von Prof. Dr. H. Herkner. Die Grundlagen des Ostseehandels und seine Zukunft. Von Dr. Erich Wallroth. Die deutsch - chinesischen Handelsbeziehungen. Von Geh. Ad- miralitätsrat Dr. Schrameier. Britischer Imperialismus. Von Prof. Dr. Fr'iedr. Brie. St. Petersburg. Von Dr. Rieh. Pohle. Japan und seine Stellung in der Weltpolitik. Von Konsul A. Mosle. Wiederaufbau d. deutschen Handelsschiffahrt. Von Dr. K. Isermeyer. Die natürlichen Grenzen Rußlands. Von Prof. Dr. A. Penck. Der Reichstag und die: Freiheit der Meere. Von Geh. Justizrat Prof. W. van Calker. Seeklima und Seebäder. ^Die Heilkräfte des Meeres. Von Prof. Dr. Albert Eulenburg. *Land- und Seeklima. Von Dr. A. Merz. Seewesen und Schiffahrt. *Der Kompaß. Von Dr. Fr, Bidlingmaier. *Die Post auf dem Weltmeer. Von O. Klaus. *Die Segelschiffahrt der Neuzeit. Von Prof. W, Laas. '^Schiff sordnungen und Schiffsbräuche. Von Dr. Fr. Schulze. *Der Dienst des Proviantmeisters. Von Dr, G, W. v. Zahn, *Innerer Dienst an Bord. Von Dr, G, W, v. Zahn. *Auf einem Segler um Kap Hom. Von Dr. R. Lütgens. ^Nautische Vermessungen. Von Dr. E. Kohlschütter. '^Sicherheitsdienst an Bord. Von Dr. G. W. v. Zahn. *Der Kreisel als Kompaßersatz. Von Prof. Dr. H, Maurer, *Der Fährverkehr zur See, Von Prof. Dr. G. Braun. *Auf S. M. S. „Möve". Von Kapitänleutnant Schlenzka. Das Zeppelinschiff zur See. Von Dr. Freiherr v, Gemmingen. Riesenschiffe. Von Dr. H. Michaelsen. Technik des Seewesens. *Die Entwicklung der Schiffsmaschine. Von Prof. P. Krainer, ^Auf einem deutschen Kabeldampfer. Von W. Stahl b erg. '■Ferngespräche über See, Von Dr. A, Ebeling. * Preis 50 Pf., die fibrigen Hefte kosten 60 Pf. Gedruckt in der Köni]{Iichcn Hofbuchdruckcrci von E. S. Mittler k Sohn, Berlin SW68, Kochttr. 68 — 71.