sc K MEERESKUNDE Jg. 8 ^Gft 4 /IMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE :. 1 lOBA MEER UND SEEWESEN I m ZUM VERSTÄNDNIS DER NATIONALEN BEDEUTUNG VON HEFT 88 DIE NAUTIK IM ALTERTUM VON Dr. AUG. KÖSTER mmmEEtE^KkM 8. Jahrgang 4. Heft BERLIN 1914 ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN KÖNIGLICHE HOFBUCHHANDLUNG KOCHSTRASSE 68-71 ^ MEERESKUNDE ^ SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE Bisher erschienen folgende Hefte: Zur Einführung, Das Museum für Meereskunde. Von Prof. Dr. A. Penck. Die Meeresräume, ihre Wasserfüllung und ihre Küsten. Flaschenposten, treibende Wracks und andere Triftkörper in ihrer Bedeutung für die Enthüllung der Meeresströmungen. Von Prof. Dr. O. Krümmel. Das Eis des Meeres. Von Dr. L. Mecking. Die deutschen Seeküsten in ihrem Werden und Vergehen. Von Dr. Fr. Solger. Die Küste der englischen Riviera. Von H. Spethmann. Unsere Kalisalzlager, ein Geschenk des Meeres an den deutschen Boden, Von W. Stahlberg. Der Deichschutz an Deutschlands Küsten. Von Dr. Walter Behrmann, Der Golfstrom in seiner historischen, nautischen und klimatischen Bedeutung. Von Dr. Ludwig Mecking. Meer und Küste von Rügen bis Alsen. Von H. Spethmann. Tier- und Pflanzenwelt des Meeres, über marine Sedimente und ihre Benutzung zur Zeitbestimmung. Von Dr, G, Braun. Die Meeressäugetiere. Ihre Stammesgeschichte. Von Prof. O. Abel. Die westindischen Korallenriffe und ihr Tierleben. Von Dr. R. Hartmeyer. Das Reich des Todes im Meer. Von Walter Stahlberg. Tierische Wanderungen im Meere. Von Prof. R. Woltereck. Die Scholle, ein Nutzfisch der deutschen Meere. Von Dr. V. Franz. Gefiederte Bewohner des Meeres. Vögel des Atlantischen Ozeans. Von Dr. K. Wenke. Das schwimmende Leben der Hochsee. Von Dr. G. H. Fowler, Tierisches Licht in der Tiefsee. Von Prof. Dr. E. Mangold. Neue Forschungen über die Biologie der Tiefsee. Von Professor Dr. F. Doflein. Die zoologische Station inNeapel. Von Prof . Dr. Armin v.Tschermak. Geschichte, Entdeckungsgeschichte, Seekriegsgeschichte. Die deutsche Handelsmarine im 19. Jahrhundert. Von Dr. W. Vogel. Die Anfänge der Nordpolarforschung und die Eismeerfahrten Henry Hudsons. Von Dr. P. Dinse. Zeitalter der Entdeckungen und die Beteiligung der Deutschen daran. Von S. Günther. Der Seeraub. Eine geographisch-historische Skizze. Von Dr. P. Dinse. Die Kontinentalsperre in ihrer geschichtlichen Bedeutung. Von Rob. Hoeniger. Nordische Seefahrten im früheren Mittelalter. Von Dr. W. Vogel Die Abschaffung des britischen Sklavenhandels im Jahre 1806, 07.- Ein Kapitel aus der britischen Schiffahrtspolitik. Von Dr. Franz Hochstetter. MEERESKUNDE SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE ZUM VERSTÄNDNIS DER NATIONALEN BEDEUTUNG VON MEER UND SEEWESEN ACHTER JAHRGANG VIERTES HEFT Die Nautik im Altertum» Von Aug. Kost er. er Begriff Nautik umfaßt das gesamte Schiffs- wesen, namentlich auch alles, was mit dem Bau und der Ausrüstung der Schiffe zu tun hat. Es ist dies ein wesentlicher Teil des Seewesens, an dessen Ausbildung die Menschheit Jahrtausende arbeiten mußte, bis der Weg vom primitiven Boot des Urmenschen bis zum modernen transatlantischen Dampfer durchlaufen war. Aber es genügt nicht, daß wir imstande sind, große, schnelle und seetüchtige Schiffe zu bauen, es ist ebenso wichtig, daß wir ver- stehen, damit umzugehen, daß wir verstehen, sie die rechten Wege über See zu führen. Diese Kunst, die Nautik im engeren Sinne oder die höhere Steuermanns- kunst, die uns überhaupt erst befähigt, Schiffahrt in großem Maßstabe zu treiben, ist gleichfalls eine Er- rungenschaft des menschlichen Geistes, die erst im Laufe der Jahrtausende geworden ist. Merkwürdig ist allerdings, daß das verflossene Jahr- hundert, mit seinen großen Erfindungen auf den ver- schiedensten Gebieten, der Navigation verhältnismäßig wenig Fortschritte gebracht hat. Seit Erfindung des Sextanten und des Chronometers sind wohl die Me- thoden etwas vervollkommnet, die Instrumente ver- feinert, die verschiedenen Hilfsmittel besser und zuver- lässiger geworden, doch ist eine bahnbrechende Neue- Meereskunde, Vorträge. VIII. Heft 4. \ 2 Meereskunde. rung nicht zu verzeichnen, AugenbHckUch sind jedoch umfangreiche Versuche im Gange, und es ist sehr wohl möglich, daß in einigen Jahren durch neue Methoden, durch weitgehende Benutzung der Elektrizität das ge- samte Navigationswesen auf eine neue Basis gestellt und von Grund auf umgestaltet werden wird. Daß wir über die Navigation im Altertum im all- gemeinen nur mangelhaft unterrichtet sind, liegt in der Natur der Sache begründet. Wir schöpfen ja unsere Kenntnis aus den antiken Schriftstellern, den alten Ab- bildungen und den wirklichen Gegenständen, die uns aus dem Altertum überkommen sind, die entweder die Jahrtausende überdauert haben, oder durch archäolo- gische Ausgrabungen wieder ans Tageslicht gefördert werden. Die Gegenstände, die hier in Frage kommen, Schiffsmodelle, Schiffsutensilien, auch wohl Hafen- und Werftanlagen usw., lehren uns zwar manches über das antike Schiff und seine Einrichtungen, lassen über die Navigation des Schiffes jedoch nur wenig erkennen. Auch die schriftlichen und bildlichen Überlieferungen sind sehr lückenhaft, vor allen Dingen aber waren die Verfasser keine Nautiker, so daß ihre Angaben, die sich auf das Seewesen beziehen, mit großer Vorsicht aufzunehmen sind. Auch bei unseren modernen Schrift- stellern und Zeichnern kann man nach dieser Seite hin ja die wunderbarsten Erfahrungen machen. Als man sich im frühesten Altertum im wesentlichen auf die Binnenschiffahrt oder kleine Küstenfahrt be- schränkte, und eigentlich nie das Land aus dem Auge verlor, genügte es dem Schiffer, wenn er einige Orts- kenntnis besaß und sein Fahrzeug zu handhaben ver- stand. Aber er mußte auch damals schon auf Wind und Wolken achten, um die Anzeichen, die ein herauf- kommendes Wetter vermuten lassen, richtig einzu- Die Nautik im Altertum. 3 schätzen. Wir haben darin schon die allerersten, wenn auch nur elementaren Anfänge einer höheren Nautik, Etwas mehr war schon nötig, wenn man weitere Reisen unternahm und zeitweilig das Land aus Sicht verlor. Man mußte die Lage des Bestimmungshafens kennen und die ungefähre Entfernung bis dahin, vor allen Dingen aber mußte man imstande sein, das Schiff wäh- rend der Fahrt auf seinem Kurs zu halten. Solche Reisen über die offene See sind uns selbst für das früheste Altertum bereits bezeugt, und es wäre durch- aus falsch, die gesamte Schiffahrt des Altertums nur als Küstenfahrt zu bewerten, wie es vielfach geschieht, oder die Fahrten über das offene Wasser als vereinzelte Ausnahmen anzusehen. In Ausnahmefällen ist es wohl möglich, unter günsti- gen Bedingungen, bei gutem Wind und Wetter auch ohne wesentliche nautische Kenntnisse ein Schiff zu führen. So ist es z, B, einmal vorgekommen, daß von einem portugiesischen Fahrzeug der Kapitän und 19 Mann der Besatzung an der Westküste Afrikas von den Eingeborenen erschlagen wurden, und die vier Schiffsjungen, die allein übrig geblieben waren, mit dem Schiffe heil wieder nach Portugal zurück gelangten. Solche Fälle stehen aber ganz vereinzelt da, und gewisse theoretische Kenntnisse — neben der praktischen Er- fahrung, die sie in weitgehendstem Maße besaßen — werden auch bereits den Seeleuten des 2, und 3, vor- christlichen Jahrtausends zur Seite gestanden haben, und wenn wir beispielsweise aus Homer erfahren, daß man mit Vorliebe abends abfährt, also die Nacht zur Fahrt benutzt, so beweist das, daß man gelernt hatte, den Lauf der Gestirne zu beobachten, und es bereits verstand, die Richtung aus den Sternen zu lesen. Wie nun die nautischen Kenntnisse sich im Laufe Meereskunde, Vorträge. VIII. Heft 4. 2 Me ikund« der Jahrhunderte bei den verschiedenen Völkern des Altertums nach und nach entwickelt haben, läßt sich im einzelnen noch nicht klar erkennen; die noch im Anfang stehende Forschung auf diesem Gebiet gestattet uns einstweilen nur, die Resultate dieser Entwicklung zu sehen, d, h, die Summe der nautischen Kenntnisse, die nun das Altertum schließlich sein eigen nannte. Die unentbehrlich- ste Wissenschaft für den Schiffsführer ist wohl die Geographie, und wir müssen des- halb zunächst ganz kurz die Frage strei- fen: welches waren die geographischen Kenntnisse des Alter- tums, d.h. was kannte man von der Welt, und wie dachte man sich die Erde? Bei Homer und Hesiod erscheint die Erde als eine flache Scheibe, die von dem als Strom gedachten Okca- nos umflutet wird- (Abbild, 1.) Über dem kreisförmigen Rand dieser Scheibe erhebt sich in Form einer Glocke das massive Himmelsgewölbe, das die Erde halbkugel- förmig überspannt. An der entgegengesetzten Seite der Erde, also unter der Scheibe, liegt der Tartarus, die Unterwelt, der Aufenthalt der Abgeschiedenen, Wie nun die untergehenden, in den Okeanos ein- tauchenden Gestirne auf der Morgenseite wieder zum Vorschein kommen, darüber machte man sich keine Abbild. 1. Erdkarte nach Hekataeus. (Nach Sieglin.) Die Nautik im Altertum. 5 bestimmten Vorstellungen, erst bei späteren Dichtern findet sich die Sage, daß die Sonne des Nachts auf einem goldenen Nachen über den Ozean nach Osten zurückkehre- Thaies (624 — 543 v, Chr.) hat bereits die Rundung der Erdoberfläche erkannt, Anaximander (611 bis 547 V, Chr.) glaubte, daß die Erde die Gestalt einer Walze hätte und verlegte den Wohnsitz der Menschen auf die ebenen Grundflächen der Walze. Späteren Ge- lehrten, Xenophanes, Heraklit (um 550 v. Chr.), er- scheint die Erde wieder als flaches Blatt von unend- licher Ausdehnung, aber Pythagoras (582 — 507 v, Chr.) hat bereits ein klares Bewußtsein von der Kugelgestalt der Erde, wofür Plato (427 — 347 v. Chr.) und Aristoteles (384 — 322 V. Chr.) dann den Beweis erbringen. Für das Altertum ist seit der Zeit die Frage nach der Gestalt der Erde endgültig entschieden, doch ging mit dem Aus- gang des klassischen Altertums diese Erkenntnis wieder verloren, denn den Christen, namentlich den Kirchen- vätern war die heidnische Gelehrsamkeit ein Greuel, und sie suchten die verhaßten griechischen Philosophen durch mißverstandene Psalmen und Prophetenaus- sprüche zu widerlegen. Die wunderlichsten Ansichten wurden jetzt verbreitet, so lehrte Chrysostomos, daß die Sonne nachts um die nördliche Region, die die Erde gleich einer hohen Mauer verdecke, von Westen nach Osten herumlaufe, um morgens wieder im Osten zu er- scheinen. Nur bei den arabischen Gelehrten blieb die Lehre von der Kugelgestalt der Erde maßgebend, die dann nach und nach auch im Abendlande wieder zu Geltung gelangte, aber doch so langsam, daß z. B. Ko- lumbus die Erde noch als birnenförmig ansieht. Schon ziemlich früh sind die geographischen Kennt- nisse der Menschheit in Büchern niedergelegt worden, und uns ist eine Reihe von Geographiebüchern aus dem 2* 6 Meereskunde, Altertum bekannt. Von den ersten Landkarten hören wir, abgesehen von dem Plan einer nubischen Gold- mine, den ein ägyptischer Papyrus aus dem 13, Jahr- hundert V, Chr, enthält, zuerst bei Herodot (484 — 425 V, Chr,): ,,Es kam Aristagoras, der Tyrann von Milet, nach Sparta, als Kleomenes König war. Und als sie zusam- menkamen, hatte er, wie die Lakedämonier erzählen, eine eherne Tafel, darauf war eingeschnitten der Um- kreis der ganzen Erde und das ganze Meer und alle Flüsse, , , , (Her, V, 49,) Daß zu Herodots Zeit eine Landkarte nichts Außergewöhnliches war, sondern daß man gewohnt war, die Erde in Form einer Karte gra- phisch darzustellen, zeigt ein anderer Ausspruch He- rodots (IV, 36): Ich muß lachen, wenn ich sehe, wie viele den Umkreis der Erde ohne alle Vernunft zeichnen. Da zeichnen sie rings um die Erde strömend den Okeanos, und die Erde ist ganz rund wie von der Drehbank, und Asien machen sie ebenso wie Europa, Mit wenigen Worten will ich die Größe von beiden angeben, und wie jedes gezeichnet werden muß. Die Perser wohnen bis an das Südmeer Sehr lehrreich ist noch eine dritte Stelle aus He- rodot (III, 135): Als der Tag anbrach, rief Darius fünf- zehn angesehene Perser zu sich, und befahl ihnen, sie sollten dem Demokedes folgen und sich die Meeres- küste von Hellas ansehen , , , , Als sie nach Phönikien und nach Sidon, der Phöniker Stadt, gekommen waren, rüsteten sie zwei Dreiruderer aus und ein großes Kauf- fahrteischiff mit viel Proviant, So fuhren sie nach Hellas, immer nahe am Lande, und besahen die Meeres- küste und zeichneten sie auf. Alle diese Karten, und wenn sie auch von Leuten stammten, die wie Demokedes in der Küstenaufnahme Die Nautik im Altertum. 7 geübt waren, beruhten im wesentlichen doch nur auf Schätzung, sowohl der Richtung als auch der Entfer- nung, und waren nur ungefähre Darstellungen der Länderverteilung um das Mittelmeerbecken. Es fehlten eben die Grundlagen, das Gradnetz sowie einigermaßen zuverlässige Messungen, durch die die Lage wenigstens einiger Orte festgelegt werden konnte, Eratosthenes (275 — 195 V, Chr.) war der erste, der eine methodische Abbild. 2. Erdkarte nach Eratosthenes. (Nach Sieglin.) Gradmessung ausführte (Abbild, 2), Er hatte gehört, daß am Tage der Sommersonnenwende in der Stadt Syene, südlich von Alexandrien, die Sonne sich in einem tiefen Brunnen spiegele, also im Zenith stehe. Nun maß er an demselben Tage in Alexandrien die Höhe der Sonne am Mittage und fand, daß hier die Zenithdistanz der Sonne V-jo des ganzen Kreisumfanges betrug, was der Wirklichkeit ziemlich nahe kommt. Nach den Angaben der Reisenden rechnete er auf die Entfernung von Syene bis Alexandrien 500 Stadien,^) das ergab 250 000 Stadien als Erdumfang, die er auf ') Ein Stadium = 185 Meter. 8 Meereskunde, 252 000 erhöhte, um so für den 360, Teil oder einen Grad die Zahl von 700 Stadien zu erhalten, Posei- donios von Rhodos (125 — 50 v, Chr.) hat 150 Jahre später die zweite Erdmessung ausgeführt und kam dabei auf 500 Stadien für die Länge eines Grades, Die Wahrheit liegt in der Mitte, hätte man das arith- metische Mittel genommen, so hätte man mit 600 Stadien ziemlich genau die wirkliche Länge eines Grades erhalten. Diese Messungen mußten vor allen Dingen daran scheitern, daß es nicht möglich war, eine so große Entfernung auf der Erde, wie z. B, zwischen Syene und Alexandrien, mit genügender Genauigkeit zu messen. Einen Schritt weiter kam schon Hipparch, der (150 V, Chr,) die Geographie in die engste Verbindung mit der Astronomie brachte und forderte, daß die Lage der Orte durch astronomische Beobachtungen festgestellt würden. Vor allen Dingen überzog er die Erdober- fläche mit dem gedachten Gradnetz der Meridiane und Breitenparallelen, die wir noch heute gebrauchen. Die Ortsbestimmung war allerdings noch sehr mangelhaft. Um die geographische Breite zu finden, die wir heute in so einfacher Weise mit dem Sextanten feststellen, maß man den Mittagsschatten eines senkrechten Stabes, und aus dem Verhältnis der Stabhöhe und der Schatten- länge berechnete man die Sonnenhöhe, Beobachtete man nun die Sonnenhöhe am längsten und am kürzesten Tag des Jahres, so ergab der halbe Höhenunterschied die Schiefe der Ekliptik, die halbe Höhensumme das Komplement der Breite, Die Beobachtung zur Zeit der Tag- und Nachtgleichen ergab unmittelbar das Komple- ment der Breite, Vervollkommnet wurden die antiken Karten durch Marinus v, Tyrus (100 n, Chr,), der bestrebt war, Die Nautik im Altertum. 9 mit der größten Genauigkeit, die zu erreichen war, Länge und Breite der Orte zu berechnen, und sie dann in ein Gradnetz eintrug, Breitenparallelen und Me- ridiane zeichnete er als gerade Linien, die sich in rechten Winkeln schneiden, und den Abstand der Me- ridiane voneinander nahm er so groß, wie es für die Mittelbreite der damals bewohnten Erde, nämlich den 36. Breitengrad, zutraf. Wie gut dieses System war, sowie überhaupt die Marinische Projektion, können wir daraus entnehmen, daß sie im 15, Jahrhundert von den Portugiesen wieder aufgenommen wurde, und daß vor etwas mehr als 200 Jahren die holländischen Seekarten als Mittelbreite noch den 36. Breitengrad annehmen. Ihren Höhepunkt erreichte die antike geographische Wissenschaft erst 150 n, Chr, mit Ptolemäus von Alexan- drien, dem Urheber des nach ihm benannten Systems, das in der Folgezeit anderthalb Jahrtausende, bis Ko- pernikus, seine Geltung behielt. Seinen geographischen Werken waren zahlreiche Karten beigegeben, und in der richtigen Erkenntnis, daß Karten leicht verloren gehen können, hat er durch genaue Angaben und Ta- bellen dafür gesorgt, daß diese Karten jederzeit wieder- hergestellt werden können. Uns sind aus dem Altertum keine Karten erhalten geblieben, und so sind diese wiederhergestellten ptolcmäischen Karten für uns von größter Bedeutung, Außer dem Kartenmaterial haben unsere heutigen Nautiker als geographisches Rüstzeug noch die so- genannten Segelhandbücher, Solche Segelhandbücher kannte auch bereits das Altertum in großer Anzahl, und mehrere davon sind uns erhalten geblieben. Man pflegte eine solche Segelanweisung als Periplus == Rundfahrt oder auch wohl als Stadiasmos = Stadienzeiger oder 10 Meereskunde. Meilenzeiger zu bezeichnen. Daraus geht schon her- vor, daß in Form einer Rundfahrt die Küsten be- schrieben werden, und daß dabei vor allen Dingen Wert auf die Entfernung gelegt wurde. Die Richtungen, die in unseren modernen Segelhandbüchern eine so große Rolle spielen, sind nur selten vermerkt, denn da man den Kompaß nicht kannte, konnte man einen be- stimmten, nach dem Himmelsstrich genau vorgeschrie- benen Kurs nicht anliegen, und Peilungen sowie Posi- tionsbestimmungen waren nicht zuverlässig. Andere Angaben enthalten die Segelanweisungen jedoch in großer Anzahl, Bei der Beschreibung der Küsten wird die Beschaffenheit des Fahrwassers charakterisiert: ob man dicht unter Land segeln kann, oder der Klippen bzw, der Strömung wegen in gewisser Entfernung von der Küste zu bleiben hat. Das Aussehen des Strandes wird beschrieben, die natürlichen Landmarken und An- seglungspunkte, etwaige Vorgebirge ihrer Gestalt und Höhe nach, Berggipfel von besonderer Form, einzelne in die Augen fallende Bäume, Auch die Festungswerke oder Türme einer Stadt findet man verzeichnet, hohe Tempel sowie andere Gebäude, Berichtet wird, ob ein Ort eine offene Reede, einen einfachen Ankerplatz oder ein geschütztes Hafenbecken besitzt, ob der Hafen schwierig anzulaufen ist, ob Untiefen und Klippen davor liegen, sichtbar oder blind, wie Brandung und Strömung beschaffen sind, auch wird wohl auf die Lotsen hin- gewiesen, die vor der Einfahrt kreuzen, oder auf die Pricken, die das Fahrwasser bezeichnen. Ferner wird berichtet über die Wassertiefe, den Ankergrund, ob felsig oder sandig, ob der Anker gut hält oder nicht, an welcher Stelle man am besten Schutz gegen die herrschenden Winde findet, ob man überwintern kann. Wichtig ist auch, ob an einem Orte Trinkwasser zu Die Nautik im Altertum, H erhalten ist, ob Flüsse oder Brunnen vorhanden sind, oder ob man im Sande danach graben muß: in diesem Falle wird die Stelle genau bezeichnet und hinzugefügt, ob das Wasser süß oder brackig ist. In einer Segelanweisung für das Rote Meer heißt es z. B,: Der Busen bei Barygaza ist schmal und von See her schwer zugänglich, denn die Schiffe geraten entweder nach der rechten oder nach der linken Seite, wo die Einfahrt immerhin noch am besten ist. Auf der rechten Seite nämlich erstreckt sich am Eingang des Busens bei dem Flecken Kammoni eine schroffe und felsige Landzunge, die Herone heißt, und auf der linken Seite liegt das Papike genannte Vorgebirge von Astakampra, das zum Landen ungeeignet ist wegen der Strömung, und weil die Anker nicht halten infolge des rauhen und felsigen Meerbodens, Und wenn nun jemand in den Busen eingefahren ist, so ist doch die Mündung des Flusses bei Barygaza schwer aufzufinden, weil das Uferland niedrig ist, und die Mündung selbst aus der Nähe nicht mit Sicherheit gesehen wird; wenn sie aber gefunden wird, so ist die Einfahrt schwierig wegen der seichten Stellen im Flusse, Deshalb fahren an der Ein- fahrtstelle einheimische königliche Lotsen mit großen Booten, Trappaga und Kotymba genannt, bis nach Syrastrene den ankommenden Schiffen entgegen, und von ihnen werden die Fahrzeuge bis nach Barygaza ge- leitet. Vom Eingange des Busens wenden sie sich so- fort durch die seichten Stellen mit ihren Booten und ziehen die ins Schlepptau genommenen Fahrzeuge an die festgesetzten Stationen, indem sie mit dem Ein- setzen der Flut absegeln, wenn diese aber nachläßt, an irgendwelchen Landungspunkten und Kythrinen an- legen. Diese Kythrinen sind die tieferen Stellen des Flusses bis nach Barygaza, das von der Mündung auf- Meereskunde, Vorträge. VIII. Heft 4. 3 12 Meereskunde. wärts am Flusse etwa 300 Stadien entfernt liegt, (Vgl. auch S, 17.) Daß diese antiken Segelhandbücher von großem Nutzen waren, leuchtet ohne weiteres ein, und selbst der moderne Nautiker, der gewohnt ist, mit unseren heutigen zuverlässigen Segelanweisungen zu arbeiten, wird zugeben, daß sie für die damalige Zeit vorzüglich waren und vollkommen ausreichten. Ja, die Zeit liegt noch gar nicht so weit zurück, daß wir für manche Teile selbst der europäischen Meere noch keine so guten Be- schreibungen und Karten hatten, wie sie das Altertum besaß. So sagt z, B, der französische Admiral Jurien de la Graviere, der 1854 während des Krimkrieges im Schwarzen Meer kommandierte: ,,Wenn ich damals schon das antike Segelhandbuch des Arrian fITsQmZovg Ev^eivov növTOv) gekannt hätte, so würde ich es mit großem Nutzen gebraucht haben; alles, was mir an geo- graphischem Material zur Verfügung stand, hätte mir den Arrian nicht ersetzen können," So stand es also noch vor 60 Jahren mit unseren nautischen Hilfsmitteln, und noch 1885 schreibt derselbe Admiral, daß seines Erachtens eine Flotte, die im Schwarzen Meer zu ope- rieren hätte, immer noch den Arrian mit Vorteil be- nutzen könne. Im allgemeinen darf man also wohl urteilen, daß die geographischen Hilfsmittel, die dem antiken Schiffs- führer zur Verfügung standen, ausreichten, so daß der antike Nautiker mit Hilfe seiner Karten und Hand- bücher sowie seiner Erfahrung den Weg zu seinem Be- stimmungshafen, auch über die offene See, sehr wohl kannte. Die größere Schwierigkeit lag nun allerdings darin, diesen Weg auch zu finden. Dazu war, wie auch heute noch, notwendig, daß man einen bestimmten Kurs an- Die Nautik im Altertum. 13 lag, d. h. eine gewollte Richtung innehielt, und zu jeder Zeit die zurückgelegte Entfernung kannte. Heute be- dienen wir uns dazu der Instrumente, des Kompasses und des Logs, die beide dem Altertum unbekannt waren. Das einzige Mittel, die Richtung zu erkennen, war in der Beobachtung der Gestirne gegeben, tags steuerte man nach der Sonne, nachts nach bestimmten Sternen, — Schon sehr früh hat die Menschheit an- gefangen, sich um die Sterne zu kümmern, zum Teil auch angeregt durch religiöse Anschauungen, und so- wohl die alten Ägypter, wie auch die Chaldäer und Babylonier kannten und berechneten den Lauf der Him- melskörper, Welche Genauigkeit dabei erreicht wurde, ist staunenswert; so haben sie z, B, die Zeit von einer Erdnähe oder Erdferne des Mondes zur anderen nur um 3,6 Sek, kürzer angesetzt als unsere Astronomen, und in der Berechnung des synodischen Monats haben sie nur um 0,4 Sek, geirrt. Für die Schiffahrt scheinen die Phöniker zuerst die Gestirnsbeobachtungen in größerem Maßstabe nutzbar gemacht zu haben, das war auch die Ansicht der griechisch-römischen Gelehrten, ,, Sternbeobachtungen haben bei Seefahrten zuerst die Phöniker angewendet", sagt Plinius, und bei Strabo heißt es: ,,Die Sidonier werden als fleißige Forscher in der Arithmetik und der Astronomie geschildert, dazu angereizt durch Rechen- kunst und Schiffahrt, denn beides ist dem Handel und dem Verkehr unentbehrlich. Von den Phönikern kam die Zahlenlehre und Sternkunde zu den Griechen. , , , Erst seitdem die Phöniker das Sternbild des Kleinen Bären zur Schiffahrt benutzten, kam es zu den Grie- chen," Überliefert wird uns, daß für die griechischen Seefahrer das Sternbild des Großen Bären maßgebend -war, doch wird man schon ziemlich früh die Vorteile 14 Meereskunde. erkannt haben, die das Sternbild des Kleinen Bären mit dem Polarstern bot. Übrigens muß bemerkt werden, daß damals der Unterschied nicht so groß war als heute, die Konstellation des Großen und Kleinen Bären zum Nordpol war eine andere, und zwar so, daß der so- genannte Drache, zwischen Großem und Kleinem Bär liegend, am Pol stand und Polarstern war. Der Pol des Himmels wandert bekanntlich, so daß er z, B. 14 000 n. Chr. im Sternbild der Vega liegen wird. Wie der antike Nautiker seine Sternbeobach- tungen ausnutzte, entzieht sich unserer Beurteilung im allgemeinen, daß aber bereits im Jahre 600 v, Chr, von Thaies aus Milet ein astronomisches Lehrbuch der Nautik fNavtixi] 'AojQoAoyla) verfaßt wurde, scheint doch dafür zu sprechen, daß man imstande war, mehr aus den Sternen zu lesen als den Kurs, Solange die Sonne am Himmel stand oder die Sterne schienen, war es dem Rudersmann sicher nicht schwer, den angegebenen Kurs zu steuern, hinzu kam ja immer — und das müssen wir für die ganze Nautik des Altertums in Rechnung setzen — eine Erfahrung, wie sie heute wohl noch selten angetroffen wird. Zu Hilfe kam den antiken Seeleuten, deren Segel- revier im wesentlichen das Mittelmeer ausmachte, daß man in den von ihnen befahrenen Breiten während des Sommers im allgemeinen auf sichtiges Wetter und sternklare Nächte rechnen kann. Während des Winters pflegte die Schiffahrt zu ruhen. Kam es doch vor, daß während der Fahrt der Himmel sich bedeckte, so war es schon schwieriger, den richtigen Kurs zu steuern, und man mußte sich dann noch mehr auf die Tüchtig- keit und Erfahrung der Seeleute verlassen, die nach der Bewegung der Wellen, der Richtung des Windes, der Art des Seeganges usw. den Kurs zu ermitteln suchten. Die Nautik im Altertum, 15 Natürlich waren den Seeleuten auch die vorherr- schenden Winde, Strömungen usw. bekannt, wobei zu beachten ist, daß im Mittelmeergebiet bei der zerrisse- nen Küstenformation und der Vielgestaltigkeit des Bodens der Seemann mit vielen Lokalwinden zu rech- nen hat, jedoch pflegen Nord- und Südwinde mit einiger Stetigkeit zu wehen. Die regelmäßigen Jahreszeiten- winde, die Etesien, waren den Alten schon früh be- kannt; den NO, -Passat des Ägäischen Meeres kennt Hesiod bereits, und die Phöniker benutzten bei ihren Ophirfahrten wahrscheinlich schon die Passatwinde (Monsune) des Indischen Ozeans, die ein halbes Jahr von SW, nach NO- und dann ebenso von NO, nach SW. wehen. Mit dem Rückgange der phönikischen Schiff- fahrt scheint die Kenntnis dieser Winde verloren ge- gangen zu sein, bis sie dann von Hippalos, der um die Wende unserer Zeitrechnung lebte, wieder erkannt und von da ab für die Reisen nach Ostindien benutzt wurden. Die langwierige Fahrt an der Küste entlang bis nach Indien wurde dadurch bedeutend abgekürzt. Anfang Juli fuhren die Schiffe von Berenike an der ägyptischen Küste mit östlichem Kurse ab, erreichten in etwa 30 Tagen Ocelis vor Bab el Mandeb, und von da führte sie der Monsun über die offene See in 40 Tagen bis nach Indien, Nachdem sie in verschiedenen Häfen Ladung genommen, traten die Schiffe im De- zember mit NO, -Wind die Rückreise an bis Aden und fuhren dann nach Eintritt des Südwindes nach Berenike zurück. Die Benennung der Winde erfolgte nach den Him- melsgegenden, zum Teil allerdings wurden die Himmels- gegenden nach den Winden benannt. Die Zahl der Himmelsrichtungen, die man besonders benannte, war nur gering, zunächst unterschied man überhaupt nur die 15 Meereskunde. vier Haupthimmelsrichtungen, dann teilte man die Windrose in 8, später in 12 Teile. Interessant dabei ist, daß nicht wie bei uns Norden und Süden die vor- nehmeren Striche waren und deshalb bei Zusammen- setzungen voranstehen: Nordost oder Südwest, sondern die vornehmeren Striche waren Osten und Westen. Aus dem Osten kam ihm das Licht, die lebenspendende Sonne, der Osten war dem Menschen daher die Rich- tung, auf die er alles andere bezieht. ,,Und es werden kommen vom Morgen und vom Abend, von Mitternacht und von Mittag, die zu Tische sitzen werden im Reiche Gottes", sagt deshalb auch der Evangelist (Lucas 13, 29). Der Wind zwischen dem Euros (dem Ostwinde) und dem Notos (dem Südwinde) heißt deshalb auch Euro- notos = Ostsüd. Von den uns geläufigen Strömungen waren Ebbe und Flut den Alten etwas Ungewöhnliches und Eigen- artiges, weil im Mittelmeer die Tiden so schwach sind, daß sie kaum in die Erscheinung treten. Sobald die Seefahrer aber in den Atlantischen Ozean kamen und nun, wie sie es in unbekannten Gegenden gewohnt waren, an der Küste entlang fuhren, lief ihnen alsbald bei eintretender Ebbe das Wasser unter dem Kiel weg, und sie saßen auf dem Trockenen. In der Tat für den, der es nie gesehen hat, kaum glaublich, und das Er- staunen der alten Fahrensleute ist wohl verständlich, wie auch die Beurteilung, die ihren Erzählungen in der Heimat zuteil wurde, wo man solche Berichte wohl als abgestandene Lügen bewertete. Herodot erwähnt aller- dings schon die Gezeiten als etwas Bekanntes, und Pytheas (330 v. Chr) hatte schon die Gegend an der Küste Britanniens, wo die Wirkung am stärksten sich zeigt, richtig herausgefunden, auch die Ursachen blieben den Gelehrten nicht verborgen, so bestimmt Poseidonius Die Nautik im Altertum. 17 (125 — 50 V. Chr.) genau den Einfluß des Mondes und erkennt zugleich den Einfluß der Sonne, erklärt die Springfluten zur Zeit des Voll- und Neumondes usw. In dem bereits erwähnten Segelhandbuch für das Rote Meer heißt es: Das ganze indische Land hat sehr viele Flüsse, sehr große Ebbe und Flut, die bei Neumond und Vollmond bis zu drei Tagen zunehmen und in den dazwischen liegenden Phasen geringer werden Weit mehr findet das bei Barygaza statt, so daß plötzlich der Meeres- grund gesehen wird, und bald einige Teile des Landes Meer sind, bald aber trocken, während sie vor kurzem von Schiffen befahren wurden, und daß die Flüsse bei dem Eintreten der Flut, da das gesamte Meer- wasser zusammengedrängt wird, heftiger aufwärts ge- trieben werden wider ihre natürliche Strömung auf viele Stadien hin. Deshalb sind die An- und Abfahrten der Schiffe für die Unerfahrenen und die zum ersten Male nach dem Handelsplatze Segelnden gefahrvoll. Denn wenn der bereits um die Zeit der Flut entstehende Wasserandrang nicht nachläßt, können die Anker nicht widerstehen, und die nach innen zu fortgerissenen und von der Heftigkeit der Strömung auf die Seite gelegten Fahrzeuge werden auf seichte Stellen geworfen Denn so gewaltige Kraftäußerungen finden bei dem Eindringen des Wassers statt, meistenteils während des Neumondes bei der nächtlichen Flut, daß, wenn schon die Einfahrt des Schiffes begonnen hat und die hohe See noch ruhig ist, an der Mündung des Flusses etwas gehört wird, das dem von fern her vernommenen Ge- schrei eines Heeres ähnlich ist, und sich in kurzer Zeit das Meer selbst mit Sausen auf die seichten Stellen stürzt. Um die Länge des zurückgelegten Weges zu be- 18 Meereskunde. stimmen, bedienen wir uns heute der Logvorrichtungen, Das in vielen Systemen gebräuchliche Patentlog ge- stattet in Jedem Augenblick, einfach die zurückgelegte Wegstrecke abzulesen, während durch das Handlog er- mittelt wird, wieviel Knoten ein Schiff läuft, woraus dann wieder die ganze Strecke zu berechnen ist. Ein Log oder eine ähnliche Einrichtung kannte das Alter- tum nicht, der Weg konnte nur schätzungsweise be- stimmt werden. Es kann aber keinem Zweifel unter- liegen, daß diese Schätzungen der Wirklichkeit sehr nahe kamen und an Genauigkeit unserem Handlog nichts nachgaben. Man trifft noch heute einzelne alte Segelschiffkapitäne, namentlich solche, die lange als Steuermann gefahren und jahrelang selbst gelogt haben, die mit einer ans Wunderbare grenzenden Genauigkeit jederzeit die Fahrt eines Schiffes anzugeben vermögen. Eine weit größere Schwierigkeit als das Fehlen einer Logvorrichtung machte dem antiken Nautiker das Fehlen eines allgemein gültigen Zeitmaßes, da die Alten den Begriff der Stunde als den 24, Teil eines Tages nicht kannten. Der Tag begann mit Sonnenaufgang und endete mit Sonnenuntergang, Und diesen Tag — wie in gleicher Weise die Nacht — teilte man in 12 gleiche Stunden, Solche Stunden sind aber je nach der Jahres- zeit sehr verschieden lang, so dauerte z, B, die Stunde Ende Juni in Rom etwa 75 Minuten, Ende Dezember dagegen nur 45 Minuten, nach unseren Minuten ge- messen; ja sogar an ein und demselben Tage waren auf verschiedenen Breiten die Stunden verschieden, die Stunde des längsten Tages war z, B, in Massilia 76, auf Rhodos nur 72 unserer Minuten lang. Dazu kam noch, daß die Stunden des Tages und die der Nacht auch wieder ungleich waren. Nur dann waren sie gleich und umfaßten den 24, Teil von Tag und Nacht, wenn Tag Die Nautik im Altertum. 19 und Nacht gleich waren, also zur Zeit der Tag- und Nachtgleichen, am 21, März und 23. September, Diese Gleichstunden nannte man Äquinoktialstunden, sie waren aber nur den griechischen Astronomen und römi- schen Juristen bekannt, für den Gebrauch im täglichen Leben kamen sie nicht in Frage, Daß nun diese an Länge stets wechselnden Stunden als Zeitmaß, d. h, um eine ganz bestimmte Menge von Zeit abzumessen, nicht zu gebrauchen waren, hatten natürlich auch die Alten erkannt, und sie besaßen für besondere Zwecke die Wasseruhren, die Kiepshydren, Es waren dies Gefäße, deren Boden eine ganz kleine Öffnung enthielt, aus der das Wasser gleichmäßig herausfloß. Ein bestimmtes Quantum brauchte zum Ausfließen stets genau dieselbe Zeit, Uhren in unserem Sinne waren es eigentlich nicht, denn die Kiepshydra wollte keinen Zeitpunkt markie- ren, sondern nur eine Zeitmenge abmessen. Es hatte dieses Zeitquantum weder mit den Stunden des Tages noch mit Sonnenaufgang etwas zu tun, man konnte sie zu jeder Zeit beginnen lassen, wie ja auch unser Log- glas keine Uhr ist, wohl aber ein Zeitmesser, der 14 Sek, abmißt. Der Gebrauch einer solchen Kiepshydra ist für die verschiedensten Vorkehrungen bezeugt, wo es darauf ankam, gleiche Zeiträume abzumessen. So benutzte sie der Arzt, um den gleichmäßigen oder beschleunigten Pulsschlag festzustellen, oder vor Ge- richt wurde die Zeit damit abgemessen, die jedem Red- ner für seine Darlegung gewährt wurde, wobei streng darauf gehalten wurde, daß Ankläger und Angeklagter das gleiche Quantum Wasser zugemessen erhielten. Im Lager bestimmte man die Länge der Nachtwachen nach der Kiepshydra, auch die Schullektionen wurden damit gemessen, Plato maß sich den Schlaf durch ein be- stimmtes Wasserquantum zu, überhaupt waren diese 20 Meereskunde. Wasseruhren sehr verbreitet im Gebrauch, Solche Zeitmesser wird man an Bord dazu benutzt haben, die Geschwindigkeit, d, h, die Fahrt des Schiffes zu be- stimmen und danach die zurückgelegte Wegstrecke zu berechnen. Daß die antiken Schiffe Kiepshydren an Bord hatten, wissen wir aus Cäsar, der mit ihrer Hilfe feststellte, daß die Nächte in Britannien kürzer sind als auf dem Festlande, Wenn also dem Altertum auch das Log unbekannt, und eine einheitliche Zeiteinteilung nicht gebräuchlich war, so konnte doch ein geübter Navigationsoffizier mit Hilfe der Kiepshydra den zurückgelegten Schiffsweg etwa mit derselben Genauigkeit bestimmen, die unser Handlog gestattet. Bei gutem Wetter ließ sich also mit den Mitteln, die dem Altertum zur Verfügung standen, ganz gut navigieren. Solange Sonne oder Sterne am Himmel standen, konnte man die Richtung erkennen, die Ent- fernung wußte man auch, so daß das Besteck stimmte. War es aber längere Zeit trübes Wetter oder kam noch ein Sturm hinzu, so war eine Positionsbestimmung nicht immer ohne weiteres möglich. Auch heute ist es in dem Falle, solange keine Gestirnsbeobachtung vorliegt, trotz des Kompasses schwierig, den Schiffsort zu be- zeichnen, zumal wenn infolge des Sturmes und des damit verbundenen Seeganges das Log unzuverlässig wird. Ein vorzügliches Instrument ist in solchem Falle das Lot, das man auch schon im Altertum kannte und mit großem Erfolg anwendete, wenn auch auf antiken Karten die Meerestiefen noch nicht verzeichnet waren — die finden sich zuerst auf holländischen Seekarten von 1649 — , Auch die sogenannte Grundprobe wurde bereits angewendet, die bekanntlich darin besteht, daß man mit Hilfe des Lotes, das unten mit einer Schicht Die Nautik im Altertum. 21 Talg versehen ist, eine Probe des Grundes heraufholt und daraus erkennt, wie der Meeresboden beschaffen ist. Auf unseren Seekarten finden wir überall die Be- schaffenheit des Grundes angegeben, da steht z, B. in Abkürzungen: feiner Sand, Muscheln, Schlick, grober Sand usw. Vielleicht hatte man im Altertum darüber, wie auch über die Meerestiefen Aufzeichnungen, wahr- scheinlich kannten aber die Seeleute ihre Meere so gut, daß sie das alles aus dem Kopfe wußten. War man auf einer Reise nach Alexandrien, so wußte man, wie He- rodot berichtet, daß man noch 40 bis 50 sm von der Nilmündung entfernt sei, wenn man bei 11 Faden Tiefe auf dem Meeresboden Schlamm feststellte. Andere Merkzeichen für die Positionsbestimmung waren in den Segelhandbüchern vermerkt, so z, B, das weiße Wasser des Indus, das weithin zu erkennen ist, oder wenn man große schwarze und bald darauf kleine grüne Wasser- schlangen antraf, so war man dwars vom Busen von Barygaza im Indischen Ozean. Daß man im Altertum besondere Instrumente be- saß, etwa unseren Sextanten vergleichbar, mit deren Hilfe man an Bord aus dem Stand der Sonne oder der Sterne die Position bestimmen konnte, wird uns durch kein Zeugnis eines antiken Schriftstellers überliefert, und doch sind bei neueren Funden die Reste eines In- strumentes zutage gefördert, das für die Kenntnis der Navigation im Altertum von höchstem Interesse ist. Griechische Schwammfischer kamen gegen Ostern 1900 auf ihrer Rückkehr von Nordafrika, wo sie ihrem Ge- werbe oblagen, vom Winde verschlagen, nach der kleinen Insel Antikythera, die zwischen dem griechi- schen Festlande und der Insel Kreta gelegen ist. Da sie nun einmal hier waren, suchten sie auf dem Meeres- boden nach Schwämmen und fanden dabei dicht unter 22 Meereskunde. Land auf etwa 10 Faden Tiefe einen ganzen Haufen von Bronze- und Marmorstatuen, sowie Geräte und Reste eines gesunkenen Schiffes, Den Arm einer Bronze- statue brachten sie als Beweis mit herauf, — das Fischen der Schwämme geschieht nämlich nicht mit Netzen, sondern die Fischer tauchen bis auf den Grund, um hier die Schwämme loszulösen. Die Kunde von den am Meeresgrunde ruhenden Schätzen war der übrigen Besatzung des Schiffes so überraschend, daß der Kapi- tän selbst sofort in die Tiefe tauchte, um sich von der Wahrheit der Mitteilung zu überzeugen. Nach langen Beratungen mit der Einwohner- schaft ihrer Heimatsinsel Syme, wurde von den Tauchern die griechische Regierung auf diese Entdeckung aufmerksam ge- macht, die dann Marinefahrzeuge zur Ver- fügung stellte und unter Leitung von Ar- chäologen die Schätze durch die Taucher bergen ließ. Es handelt sich um die Reste eines antiken Schiffes, das, mit Kunst- werken beladen, im Altertume hier ver- loren ging, und zwar wahrscheinlich zur Zeit Konstantins des Großen (323 — 337), der 328 — 333 n. Chr, seine neue Haupt- stadt Konstantinopel erbaute, und aus allen Teilen seines zweiten Reiches Kunstschätze herbeibringen ließ, um seine Residenz damit auszu- schmücken. Die geborgenen Funde sind zum Teil Kunstwerke ersten Bronzestatue von Ranges (Abbild. 3); allerdings hat Antikythera. das Meerwasser, das viele Jahr- (Nach Svoronos.) huudertc darüber hinflutete, natür- Die Nautik im Altertum. 23 lieh viel zerstört; immerhin ist der Fund von größtem Interesse und wissenschaftlicher Bedeutung. Mit den zahlreichen Kunstwerken wurde nun ein sehr kompliziertes, gänzlich unbekanntes Instrument aus Bronze vom Meeresboden heraufgeholt, (Abbild, 4,) Das Seewasser hat leider das meiste zerfressen, doch genügen die Reste, um zu erkennen, daß das Ganze in einem hölzernen Behälter sich befand — wie wir heute ja auch noch die Instrumente an Bord aufbewahren — , Abbild. 4. Nautisches Instrument von Antikythera. (Nach Svoronos.) und daß es aus einem ganzen System von Zahnrädern bestand, die mit bewunderungswürdiger Feinheit und Akkuratesse gearbeitet sind. Aus dem ganzen Altertum ist uns weder etwas Ähnliches erhalten, noch konnten wir aus den schriftlichen Überlieferungen überhaupt die Existenz solcher komplizierter Instrumente von einem so feinen Mechanismus erschließen. Neben dem Räder- werk, mit ihm fest zusammengerostet, fand sich eine Platte mit einer Inschrift, die noch erkennen läßt, daß es eine Gebrauchsanweisung war. Obschon diese Ge- brauchsanweisung zum größten Teile zerstört ist, ge- stattet sie doch noch mancherlei Schlüsse. Die Form der Buchstaben usw. läßt zunächst erkennen, daß das 24 Meereskunde. Instrument dem 3, Jahrhundert n, Chr. angehört, das in der Inschrift vorkommende Wort iioiQoypcofiöi'iop (Gradmesser) berechtigt zu der Vermutung, daß das Werk mit einem Gradmesser versehen war, vor allen Dingen aber dürfen wir aus den Worten f]Aiov dxrh'a (Sonnenstrahl) schließen, daß wir ein astronomisches Instrument vor uns haben. Wir müssen natürlich mit der Möglichkeit rechnen, daß es sich hier um ein Werk handelt, das mit den anderen Gegenständen zur Ladung des Schiffes gehörte, aber wenn wir zwischen den Trümmern eines Schiffes, dessen Ladung ausschließlich aus Bronze- und Marmorstatuen bestand, ein astronomi- sches Instrument finden, so liegt es gewiß am nächsten anzunehmen, daß es zur Ausrüstung des Schiffes ge- hörte, und war dies der Fall, so wurde es offenbar zur Messung der Gestirnshöhe an Bord benutzt; es diente mit anderen Worten zur Positionsbestimmung, Mehr können wir einstweilen über diesen interessanten Fund nicht sagen, Kapitän P, Rediadis von der griechischen Marine, der die Reste des bei Antikythera gefundenen Instrumentes genau und sehr sorgfältig untersucht hat, bezeichnet es als Astrolabos; dazu muß jedoch bemerkt werden, daß die Instrumente, die man Jahrhunderte lang, von dem Alexandriner Joannes Philoponos bis zu den Arabern und den Astronomen des Mittelalters, als Astrolaben bezeichnet, ganz anders geartet sind und vor allen Dingen eine Errechnung der geographi- schen Breite erfordern, während das komplizierte Räderwerk von Antikythera offenbar infolge seiner mechanischen Einrichtung vermittelst eines Zeigers die gesuchte Breite, oder was es nun gewesen sein mag, unmittelbar anzeigte. Die Benutzung von Feuerzeichen von Seiten der See- fahrer ist natürlich so alt wie die Seefahrt selbst. Es Die Nautik im Altertum. 25 liegt in der Natur der Sache, sobald man sich auf die See hinaus wagte, konnte es gar nicht ausbleiben, daß man bei anbrechender Dunkelheit den schützenden Hafen noch nicht erreicht hatte, und daß man in solchen Fällen vom Lande her durch Feuerzeichen den Schiffen die Wege wies, bedarf wohl kaum des Nachweises, Ebenso selbstverständlich dürfen wir annehmen, daß selbst in der ältesten Zeit solche Leuchtfeuer zeitweise mehrere Nächte oder gar Wochen hindurch unterhalten wurden, wenn die Ankunft von Schiffen oder gar einer Flotte zu erwarten stand. Als Leuchtfeuer im eigent- lichen Sinne können wir solche Signale aber nicht an- sprechen, da sie nur zeitweise und dann zu einem ganz besonderen, sozusagen privaten Zweck entzündet wurden. Aus einigen Angaben, die sich bei Homer finden, hat man schließen wollen, daß damals bereits einzelne Küsten regelrecht befeuert gewesen seien, doch handelt es sich in allen diesen Fällen nicht um Leuchtfeuer, sondern um Feuer, die die Hirten für sich angemacht hatten, und die nun von See aus zufällig wahrgenommen wurden. Eine andere Angabe ent- stammt der sogenannten ,, Kleinen Ilias" (670 v. Chr,), Danach soll Nauplios aus Rache für den Tod seines Sohnes Palamedes einen Teil der von Troja heim- kehrenden Griechenflotte bei Euboea durch falsche Feuerzeichen irregeleitet und so dem Untergang preis- gegeben haben, ,, Falsche Feuerzeichen" können den beabsichtigten Zweck aber nur erreichen, wenn eine Verwechselung mit richtigen, d, h, bekannten Feuern möglich ist, d. h, wenn überhaupt bekannte Feuer vor- handen sind, denn kein Schiffer wird es sich einfallen lassen, auf ein unbekanntes Licht zuzusteuern. Es scheinen also zu Lesches Zeit bereits einige Leuchtfeuer bestanden zu haben. Die ersten ständigen Leuchtfeuer, 26 M< ;kundc von denen wir sichere Kunde haben, sind die sogenann- ten Leuchtsäulen, die sich am Eingang des Piräus, des Hafens von Athen, befanden. Es sind bereits besondere Bauten mit einem besonders konstruierten Beleuch- tungsapparat, als sie uns um 400 v, Chr. in einer Inschrift zu- erst begegnen. Die Fundamente dieser Bauten haben sich noch nachweisen las- sen. Wie eine sol- che Leuchtsäule aus- sah, veranschaulicht am besten ein Mo- saik aus Präneste (Abbild, 5) : Eine mit ovalen Schilden ver- zierte Säule mit ko- rinthischem Kapitel zeigt oben — auf dem Mosaik deutlich durch die Farbe cha- rakterisiert — rot- flammendes Feuer. Die Säule steht auf einem Unterbau unmittelbar am Meere, auf das auch Ruder und Dreizack hindeuten. Vor der Säule brennt auf einem Rundaltar in Kapitelform ein Opferfeuer, die Leuchtsäule steht also unter dem Schutze der Gottheit, Ob ein sogenanntes Richtungsfeuer gemeint sein könnte, scheint mir sehr zweifelhaft, da aus dem gesamten Altertum nichts auf uns gekommen ist, was vermuten läßt, daß man Richtungsfeuer verwendete. 1 w p^ss^*^.: rr''^ r v::4 Abbild. 5. Leuchtsäule auf einem Mosaik aus Präneste. Die Nautik im Altertum. 27 Der einzige Leuchtturm der Antike, über den wir ausführlicher unterrichtet sind, ist zugleich der bedeu- tendste und berühmteste des ganzen Altertums, es ist der Pharos von Alexandrien, der zu den sieben Welt- wundern gerechnet wurde. Die Lage von Alexandrien, die alsHauptstadt des neuenReiches gedacht war und zu- gleich als Ausgangs - dels die bedeu- an der Nord- ka werden sie ja auch Jahrhun- durch ge- warbeider der Stadt daß auf die großen Ha- Linie Bedacht und es kann kei- terliegen, daß von Errichtung eines vorgesehen war, fenheit derKüste, flachen Ufern den menden Schiffen Abbild. 6. Ägyptische Münze des Kaisers AntoninusPius mit dem Pharos von Alexandrien. (Vergrößerung 3 : 2.) punkt des Welthan- tcndste Seestadt küstevonAfri- sollte, was tatsächlich derte hin- wesenist, Gründung so gewählt, Anlage eines fens in erster genommen war, nem Zweifel un- Anfang an die Leuchtturmes denn die Beschaf- die mit ihren über See kom- keine natürlichen Ansteuerungsmarken bietet, erforderte geradezu eine Befeuerung, Vor dem Hafen von Alexandrien liegen eine Reihe von Klippen, von denen die größte die Insel Pharos bildet, auf der der Leuchtturm errichtet wurde und die ihm den Namen gab. Im Jahre 299 v. Chr. be- gonnen, wurde der Bau, ein Werk des Baumeisters Sostratos von Knidos, unter der Regierung Ptolemäos IL im Jahre 280 v, Chr, vollendet. Wie wir aus antiken Abbildungen, namentlich Münzbildern (Abbild. 6), und 28 Meereskunde, den Schriftquellen erschließen, bestand der Turm aus drei gewaltigen Stockwerken, Das unterste hatte einen quadratischen Grundriß und stieg mit sanfter Böschung bis zu 60 m empor. Nach der dem Lande zugekehrten Seite lag, auf einer Rampe zugänglich, 15 m über dem Wasserspiegel, der Eingang, Daß der Eingang zum Turm so hoch lag, scheint mir dafür zu sprechen, daß der untere Teil des Turmes aus massivem Mauerwerk be- stand, um dadurch ein Gewicht zu schaffen, wie es die Standfestigkeit erforderte und wie es auch bei moder- nen Leuchttürmen ausgeführt wird. Das zweite Stock- werk war von achteckigem Grundriß; das dritte, zylinderförmige trug die Laterne, Der ganze Turm hatte eine Feuerhöhe von etwa 110 m, (Abbild. 7,) Über die innere Einrichtung ist uns nur bekannt, daß eine Rampe in sanften Windungen sich durch zwei Stockwerke emporzog, die infolge ihrer geringen Steigung auch für Tiere gangbar war, wie ja eine ähn- liche Rampe im ,, Runden Turm" zu Kopenhagen bis zur oberen Plattform emporführt. Neben diesem Auf- gang lagen zahlreiche Kammern, Was uns vom nauti- schen Standpunkt ungleich mehr interessiert als die architektonische Einrichtung, ist natürlich die Verwen- dung des Pharos als Leuchtturm, vor allen Dingen: wie war seine Befeuerung? Die antiken Darstellungen des Pharos, in erster Linie die zahlreichen Münzen, ergeben auf das Bestimmteste, daß die Feuerstelle überdacht und das Feuer wenigstens teilweise den Einflüssen von Regen und Wind entzogen war, und da uns ausdrück- lich die etwa 20 Seemeilen große Sichtbarkeit des Feuers bezeugt wird, müssen wir annehmen, daß bereits ein komplizierter, vorzüglich arbeitender Be- leuchtungsapparat vorhanden war, da ein offenes Holz- oder Pechfeuer nur 6 bis 7 sm sichtbar sein würde. Die Nautik im Altertum. 29 Abbild. 7. Pharos von Alexandrien rekonstruiert. (Nach Thiersch.) 30 Meereskunde. selbst bei den günstigen Luftverhältnissen des Mittel- meeres, Den Berichten der mittelalterlichen Schriftsteller zufolge befand sich auf dem Pharos ein großer Ver- größerungsspiegel, in dem man die entferntesten Schiffe sehen konnte. Es handelt sich offenbar um einen Hohlspiegel, oder um ein System von Hohlspiegeln, das als Fernrohr wirkte. Die astronomisch-mathema- tische Wissenschaft, ren Hauptsitz hatte, 3, Jahrhunderts v. stände, ein sol- herzustellen, und nehmen, daß der sächlich mit einem ment ausgerüstet 705 n. Chr, zerstört und zwar nach den ten arabischer Quel- sandte des Kaisers Pharos selbst wurde ben zerstört, immer sert, bis er bald zusammenstürzte. Abbild. 8. Antiker Leuchtturm auf einer Münze des Sextus Pompeius. Vergrößerung 3:2.) die in Alexandrien ih- war zu Anfang des Chr, durchaus im- ches Instrument wir müssen an- Leuchtturm tat- optischen Instru- war, das im Jahre worden sein soll, einmütigen Berich- len durch Abge- von Byzanz, Der öfter durch Erdbe- wieder ausgebes- nach 1300 plötzlich Mehr als IV2 Jahr- tausende hat also der Pharos gestanden, und hat im wesentlichen ununterbrochen als Leuchtturm gedient. Außer dem Leuchtturm von Alexandrien kennen wir noch etwa 20 Feuer aus dem Altertum (Abbild, 8), Lange gestanden hat der Turm von Bologne sur mer (Abbild, 9), der, von Caligula erbaut, von Karl d. Großen während eines Krieges gegen die normannischen See- räuber wieder angezündet, im Mittelalter neu befeuert wurde, bis er infolge der Unterwaschung des Felsens am 29, Juli 1644 zusammenstürzte. Der einzige Leucht- Die Nautik im Altertum. 31 türm, der sich bis heute erhalten hat, ist der Turm von La Coruna, an der Nordwestküste der Pyrenäenhalb- insel (Abbild, 10 u, 11), der wahrscheinlich unter der Regierung des Kaisers Trajan (98 — 117 n.Chr.) erbaut worden ist, Ist die Zahl der bekannten antiken Leuchttürme auch ge- ring, so können wir doch uns der Über- zeugung nicht ver- schließen, daß in hel- lenistischer und rö- mischer Zeit das Leuchtfeuerwesen bereits auf einer ho- hen Stufe stand, und daß alle für die Schiffahrt wichtigen Punkte der in dama- liger Zeit befahre- nen Meere befeuert waren. Nicht unwesent- lich für die Schiff- fahrt, besonders auch für die Navigation ist die Verständigung auf wei- tere Entfernungen, das Signalisieren, das ja neuerdings durch die Anwendung der drahtlosen Telegraphie im Schiffsverkehr seine höchste Stufe der Ausbildung er- reicht hat. Bis vor einigen Jahren und für die Mehr- zahl der Schiffe auch ja heute noch, waren es die Flag- gen und Lichtsignalc, die eine Verständigung auf See ermöglichten. Diese beiden Verständigungsmittel Abbild. 9. Antiker Leuchtturm von Bologne sur mer. (Nach einem alten Stich.) 32 Meereskunde, kannte natürlich auch das Altertum, wenn auch die Flaggensprache noch nicht in ein so genial erdach- tes und durchgeführtes System gebracht war, wie es uns heute im internationalen Signalbuch vorliegt, nach dem wir ja imstande sind, mit 26 verschiedenen Flaggen, von denen aber höchstens 4 zugleich ge- setzt werden, über 350 000 verschie- dene Signale zu geben. Wann man anfing, den einzelnen Flaggen eine bestimmte Bedeutung beizulegen, lassen unsere Quellen nicht erkennen, doch ist wohl nicht daran zu zwei- feln, daß z, Z. der Perserkriege die Kriegsschiffe bereits eine National- flagge führten. Von Artemisia, die in der Schlacht bei Salamis persön- lich auf der Kommandobrücke ihres Flaggschiffes stand, und ihr Kontingent befehligte, wird uns berichtet, daß sie sowohl die persische, als auch die griechische Flagge mit sich führte, Verfolgte sie ein griechisches Schiff, so zeigte sie die persische Flagge, wurde sie aber von einem griechischen Schiff ver- folgt, so ließ sie die griechische Flagge setzen, damit die Verfolger ihr Schiff für ein griechisches halten, und von der Verfolgung ablassen sollten. Für Kriegsschiffe, die in der Regel in größeren Ver- bänden segelten, und ihre taktischen Bewegungen plan- mäßig nach einheitlichem Kommando auszuführen hatten, war außerdem ein gewisses Signalsystem un- entbehrlich. So war vor allen Dingen das Flaggschiff Abbild. 10. Antiker Leuchtturm von La Coruna. Die Nautik im Altertum. 33 des Höchstkommandierenden durch ein Admirals- zeichen kenntlich, und von diesem Schiffe aus wurde auch das Signal zum Angriff gegeben. Als Konon z, B, vor Kallikrates, dessen Flotte doppelt so stark war als seine eigene, auf der Flucht war, und bemerkte, daß die feindlichen Schiffe auseinander- gekommen waren, ließ er die rote Flagge setzen, das Signal zur Schlacht, und bald darauf , als Konon vor der Schlacht von einem Überläufer er- fahren, daß die Feinde es darauf abgesehen hätten, sich des Ad- miralschiffes zu be- mächtigen, ließ er das Admiralszeichen auf einem anderen Schiff setzen und von dort aus den Befehl zur Schlacht signa- lisieren. Auch für die rö- mische Flotte ist uns der Gebrauch einer Admi- ralsflagge bezeugt, und Sueton berichtet uns, daß dem Agrippa nach der siegreichen Seeschlacht ge- gen Pompejus von Octavian eine dunkelblaue Ehren- flagge verliehen wurde. Gewöhnlich war die Kom- mandoflagge rot, wie auch bei den Landarmeen für die Höchstkommandierenden meist purpurfarbene Kommandoflaggen übUch waren, die sich aus dem Pur- Abbild. 11. Der antike Leuchtturm von La Coruna in seinem heutigen Zustande. 34 Meereskunde. purmantel des Feldherrn entwickelt haben, den er vor seinem Zelte aufhängen ließ, wenn die Schlacht befohlen wurde. Auf Jahrhunderte hinaus scheint die rote Flagge das Angriffssignal geblieben zu sein, so meldet die Chronik, daß 1293 in der Schlacht bei St, Matthieu die Normannen 30 Ellen lange Wimpel von roter Farbe führten, und diese Wimpel bedeuteten Kampf auf Leben und Tod, Auch bei den Holländern war die rote Blut- flagge das „große und berümte Zeichen", das nur in be- sonderen Fällen gesetzt wurde, so z, B. am 12, Juli 1666. Als Admiral Tromp in die Mitte der englischen Schiffe geraten war, ließ Großadmiral de Ruyter die Blut- flagge entfalten, drang in die Feinde ein und befreite seinen Unteradmiral, und am 4, Tage der Schlacht, als um 4 Uhr nachmittags die Entscheidung fallen mußte, zeigte de Ruyter wieder die große rote Flagge, um kund zu tun, daß es jetzt darauf ankäme, ,,das Beste zu tun". Natürlich benutzte man im Altertum zum Signa- lisieren auch andersfarbige, sogar schon zweifarbige Flaggen, mit denen man außer dem Zeichen zum An- griff und Rückzug auch andere Befehle übermitteln konnte. Namentlich waren auch die Aufklärungsschiffe imstande, die Ergebnisse ihrer Beobachtung durch Flaggen mitzuteilen, wie es uns z, B, für die Schlacht bei Aegospotamoi bezeugt ist. Von einer Landstation wurde u, a, dem Könige Antiochus die Anwesenheit der Feinde signalisiert, und die kilikischen Seeräuber hatten gar eine ganze Anzahl von Signaltürmen längs der Küste angelegt. Daß das Signalisieren bereits in ein System gebracht war, erfahren wir aus einer sehr inter- essanten Schrift des Kaisers Leo VL, der allerdings erst um das Jahr 900 schrieb, aber doch aus antiken Quellen Die Nautik im Altertum. 35 schöpft, und die Zustände des Altertums richtig schildert: „Zum Signalisieren bedient man sich eines Wimpels oder einer Flagge. Sei es nun, um anzugreifen oder sich zurückzuziehen, den Feind zur Seite zu drängen, oder ihm eine Falle zu stellen, einer in Gefahr befind- lichen Abteilung zu Hilfe zu eilen, schneller zu rudern oder langsamer zu fahren. Auf See kann man sich weder der Stimme noch der Trompete bedienen, weil der Lärm der Wogen und der Riemen, das Geschrei der Kämpfenden, das Handgemenge und der Anprall der Schiffe verhindern, sie zu hören. Jeder Befehl muß durch ein besonderes Signal angegeben werden, das im voraus bestimmt worden ist. Entweder hält man die Flagge gerade, oder man senkt sie nach rechts oder links, man bewegt sie, hebt sie in die Höhe, oder läßt sie herunter; man entfernt sie; oder ersetzt sie durch eine andere von verschiedener Form, oder man wechselt nur die Farbe. Ihr müßt also die Kenntnis der ver- schiedenen Signale einüben, ebenso wie die Komman- danten, damit sich niemand irre, und die Befehle, die ihr gebt, recht versteht, was von größter Wichtig- keit ist." Sobald man unvorhergesehene Mitteilungen zu machen hatte, die aus dem Rahmen des Üblichen her- ausfielen, scheint man trotzdem in Verlegenheit ge- kommen zu sein. Als Scipio nach Afrika übersetzte, wurden alle Kapitäne, Steuerleute und von jedem Schiff eine Mannschaftsabordnung zum Empfang von Instruktionen nach dem Forum befohlen. Um diesen Be- fehl zu übermitteln, wurden Boote herumgeschickt, die bei jedem Schiff das Nötige ansagten. Die Ausdrucks- fähigkeit der Flaggen genügte in diesem Falle also nicht. Allerdings enthält der Befehl das Ungewohnte, 36 Meereskunde. daß der Befehlsempfang nicht auf dem Flaggschiff, son- dern auf dem Forum stattfindet, und daß außer den Offizieren auch Mannschaften dazu befohlen werden. Zum Vergleich mag bemerkt werden, daß man vor der Erfindung unseres jetzigen Signalsystems, auch wenn man die Segel zu Hilfe nahm, in der Mitteilung sehr beschränkt war, 1780 signalisierte man z, B, mit 50 verschiedenen Flaggen, deren jede an sieben verschie- denen Stellen gesetzt werden konnte: im Top, in den Wanten, an den Rahen, am Heck, von der Heckgalerie usw. Wie umständlich ein solches System noch war, liegt auf der Hand, war z. B. die Vorstenge herunter- geschossen, konnten die Signale, die dort gezeigt werden mußten, nicht übermittelt werden. Noch manches ließe sich berichten, was mit der Nautik der Alten im Zusammenhang steht; über die an- tiken Hafenanlagen, über Reedereien und Aktiengesell- schaften, Ein- und Ausfuhrzölle, Freihäfen und Frei- lager, Schmuggel und Diebstahl, Assekuranzwesen usw. Aus allem werden wir aber immer wieder lernen, daß die Nautik vor Jahrtausenden bereits auf einer Stufe stand, die der hohen Kultur des Altertums durchaus entsprach. Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW68. Kochstraße 68—71. '^ MEERESKUNDE '^ SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE Die Fahrten eines deutschen Seemanns um die Mitte des 19. Jahr- hunderts. Aufzeichnungen des Segelschiffs-Kapitäns G. W. Kroß. Die Schiffahrt auf den Karolinen und Marshallinseln. Von Dr. P. Hambruch. Die Namen der Schiffe im Spiegel von Volks- und Zeitcharakter. Von Dr. W.Vogel. Ein Ausflug nach Sansego in der Adria. Von Dr. L. Glaesner. Deutschlands Lage zum Meere im Wandel der Zeiten. Von Dr. W.Vogel. Handelswege im Ostseegebiet in alter u. neuer Zeit. Von Chr. Reuter. Ostseehandel und Landwirtschaft im 16. und 17. Jahrhundert, Von Chr. Reuter. Kriegsmarine. Kiel und Wilhelmshaven. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. Kohlenversorgung und Flottenstützpunkte. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. Vierzig Jahre Schwarz- Weiß-Rot. Von Geh. Admiralitätsrat P. Koch, Große und Kleine Kreuzer. Von Kapitän zur See a. D. R, Wittmer, Die Torpedowaffe, Von Kapitän zur See a. D, R, Wittmer, Kriegsschiffsbesatzungen in Vergangenheit und Gegenwart, Von Kapitän zur See a, D, R, Wittmer. Unterseebootsunfälle unter besonderer Berücksichtigung des Unfalles auf ,,U3". Von Fregattenkapitän Michelsen. Die Zusammensetzung und Taktik der Schlachtflotten. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. Die Deutsche Eisenindustrie und die Kriegsmarine. Von P. Koch. Volks- und Seewirtschaft, Die Seehäfen von Marokko. Von Theobald Fischer. Marokko. Wirtschaftliche Möglichkeiten und Aussichten. Von Dr, Joachim Graf v. Pfeil, Die deutsche Hochsee-Segelfischerei, Von H, Lübbert. Der Hafen von New York. Von Professor Dr. Albrecht Penck. Lübeck, sein Hafen, seine Wasserstraßen. Von Dr. Franz Schulze- Lübeck. Eine Wanderung durch altniederländische Seestädte. Von Dr. W. Vogel. Die Freie Hansestadt Bremen, ihre Hafcnanlagen und Verbindungen mit der See und dem Hinterlande, Von Baurat Prof. G. d. Thierry. Die Häfen der Adria. Von Dr. N. Krebs. Tsingtau. Von Professor Dr. Albrecht Penck. Auf den Färöern. Von Prof. D. Dr. Edward Lehmann, Der Suezkanal. Von Dr. P. Neubaur. Valparaiso und die Salpeterküste. Von Dr, Rud, Lütgens, Die festländischen Nordsee -Welthäfen. Von Dr, H, Michaelsen. Die deutsche Seekabelpolitik, Von Dr. R. Hennig. ^ MEERESKUNDE '^ SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE Das Meer als Nahrungsquelle. Von Prof. Dr. H. Henking, Kriegsrüstung und Wirtschaftsleben. Von P. Koch. Die großbritannische Hochseefischerei. Von H. Lübbert. Triest und die Tauernbahn. Von Prof. Dr. F. Heiderich. Von Singapur bis Yokohama. Von L. Mecking. San Franzisko. Von A. Rühl. Seeklima und Seebäder, Die Heilkräfte des Meeres. Von Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Albert Eulenburg. Land- und Seeklima. Von Dr. A. Merz, Seewesen und Schiffahrt. Der Kompaß in seiner Bedeutung für die Seeschiffahrt w^ie für unser Wissen von der Erde, Von Dr. Fr. Bidlingmaier. Die Post auf dem Weltmeer, Von O, Klaus. Die Segelschiffahrt der Neuzeit. Von Prof. W. Laas. Schiffsordnungen und Schiffsbräuche einst und jetzt. Von Dr. Fr. Schulze. Der Dienst des Proviantmeisters, Von Dr. G. W. v. Zahn. Innerer Dienst an Bord. Von Dr. G.W. v. Zahn. Auf einem Segler um Kap Hörn. Von Dr. R. Lütgens. Nautische Vermessungen. Von Dr. E. Kohlschütter, Sicherheitsdienst an Bord. Von Dr. G.W. v. Zahn. Der Kreisel als Kompaßersatz auf eisernen Schiffen. Von Prof. Dr. H. Maurer. Der Fährverkehr zur See im europäischen Norden. Von Prof. Dr. G, Braun. Auf S. M. S. „Möve". Von Kapitänleutnant Schlenzka. Technik des Seewesens, Die Entwicklung der Schiffsmaschine. Von Prof, P. Krainer. Auf einem deutschen Kabeldampfer bei einer Kabelreparatur in der Tiefsee, Von W. Stahlberg. Femgespräche über See. Von Dr. A. Ebeling. Ansführliche Verzeichnisse mit Abbildungen stehen kostenlos znr Vertagung, Für die nächsten Hefte sind in Aussicht genommen: Politische Probleme des Mittelmeerbeckens. Von Dr. P. Mohr. Durch die Magellanstraße. Von Geh. Konsistorialrat Goedel, Der Chilesalpeter und seine Bedeutung in der Weltwirtschaft. Von Dr. A. Hartufig. Die Farbe des Meerwassers. Von Dr. E. Öttinger. Das Zeppelinluftschiff zur See. Von Dr. Frhr. M. v. Gemmingen. Landengen und Meerengen und der Verkehr. VonProf. Dr. K.Hassert. Wehr und Schutz der Meerestiere. Von Dr. L. Glaesner, D Jedes Heft 50 Pf. Ein Jahrgang von 12 Heften M 5, — D GprIriirUf in Hpr Knnitslirhpn HofhiirhHriirkprpi von E. S. Mittler & Sohn. Berlin SW68, Kochstr. 68—71.