V7 3-12 Bft iy . 1 OBA \EERESKUNDE — ^^^— ^— "1 HEFT /fin^^^"^^— ™— ^ -^ U. S. AMERIKAS SCHIFFBAU IN FRIEDEN U: VON PROFESSOR W. LA HERAUSGEGEBEN VOM INSTITUT FÜR MEERESKUNDE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN BERLIN 1918 / ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN KÖNIGLICHE HOFBUCHHANDLUNG / KOCHSTR. 68—71 12. JAHRGANG, 6, HEFT A PREIS 60 PFENNIG ^ MEERESKUNDE ^ SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRAGE Bisher erschienen folgende Hefte: *Das Museum für Meereskunde. Von Prof. Dr, A. Penck, Die Meeresräume, ihre Wasserfüllung und ihre Küsten. Flaschenposten und treibende Wracks. Von Prof. Dr. 0. Krümmel. *Das Eis des Meeres, Von Dr. L. Mecking. *Die Küste der englischen Riviera. Von li. Spethmann. *Unsere Kalisalzlager ein Geschenk des Meeres. Von W, Stahlberg. *Der Deichschutz an Deutschlands Küsten. Von Dr. W. Behrmann. *Der Golfstrom. Von Dr. Ludwig Mecking. *Meer und Küste von Rügen bis Alsen. Von H. Spethmann. Tier- und Pflanzenwelt des Meeres. *Über marine Sedimente und ihre Benutzung zur Zeitbestimmung. Von Dr. G. Braun. *Die Meeressäugetiere. Ihre Stammesgeschichte. Von Prof. O. Abel. *Die westindischen Korallenriffe. Von Dr. R. Hartmeyer. *Das Reich des Todes im Meer. Von Walter Stahlberg. *Tierische Wanderungen im Meere. Von Prof. R. Wolter eck. *Die Scholle, ein Nutzfisch der deutschen Meere. Von Dr. V. Franz. *Gef lederte Bewohner des Meeres. Von Dr. K. Wenke. *Das schwimmende Leben der Hochsee. Von Dr. G. H. Fowler. *Tierisches Licht in der Tiefsee. Von Prof. Dr. E. Mangold. *Neue Forschungen über die Biologie der Tiefsee. Von Professor Dr. F. Doflein. Die zoologische Station in Neapel. Von Prof. Dr. Armin v.Tschermak. Wehr und Schutz der Meerestiere. Von Dr. L. Glaesner. Geschichte, Seekriegsgeschichte, Lebenserinnerungen. Die deutsche Handelsmarine im 19. Jahrhundert. Von Dr. W. Vogel. *Die Anfänge der Nordpolarforschung. Von Dr. P. Dinse. *Zeitalter der Entdeckungen. Von S. Günther. *Der Seeraub. Eine geographisch-historische Skizze. Von Dr. P. Dinse. *Die Kontinentalsperre. Von Rob. Hoeniger. *Nordische Seefahrten im früheren Mittelalter. Von Dr. W. Vogel. *Die Abschaffung des britischen Sklavenhandels im Jahre 1806/07. Von Dr. Franz Hochstetter. *Die Fahrten eines deutschen Seemanns um die Mitte des 19. Jahr- hunderts. Aufzeichnungen des Segelschiff-Kapitäns G.W. Kroß. *Die Schiffahrt auf den Karolinen und Marshallinseln. Von Dr. P. Hambruch. *Die Namen der Schiffe. Von Dr. W. Vogel. *Ein Ausflug nach Sansego in der Adria. Von Dr, L. Glaesner. '^Deutschlands Lage z. Meere im Wandel der Zeiten, Von Dr. W. V o g e 1. ^ Handelswege im Ostseegebiet in alter u, neuer Zeit. Von Chr. Reuter. ^Ostseehandel und Landwirtschaft. Von Chr. Reuter. Die Nautik im Altertum. Von Dr. Aug. Koste r. Das Seekriegsrecht im jetzigen Kriege. Von Johannes Neuberg. Die südeuropäischen Staaten und unser Krieg. Von Prof. Dr, Alfred Merz. Englands Willkür und bisherige Allmacht zur See. Von Vize- admiral z. D. Hermann Kirchhoff. * Preis 50 Pf., die übrigen Hefte kosten 60 Pf. MEERESKUNDE SAMMLUNG VOLKSTÜMLICHER VORTRÄGE ZUM VERSTÄNDNIS DER NATIONALEN BEDEUTUNG VON MEER UND SEEWESEN ZWÖLFTER JAHRGANG SECHSTES HEFT U. S. Amerikas Schiffbau in Frieden und Kriegt). Von Professor W. L aas -Berlin. I m englischen Unterhaus hat Mitte Januar 1918 ein konservativer Abgeordneter bei der Be- sprechung der neuen Rekrutierungsvorlage seine Gegnerschaft gegen die weiteren Aushebungen aus der Industrie damit begründet, daß der Krieg durch den Schiffbau entschieden würde. Mit der vorliegenden Untersuchung, wie weit diese Hoffnung berechtigt ist, kann zweierlei erreicht werden; geht der Krieg weiter, so gewinnen wir ein Urteil über die Bedeutung dieses Kriegsmittels, kommen wir aber bald zu allgemeinen Friedensverhandlungen — und ich glaube, daß Amerika allmählich zu denselben Ergebnissen kommen muß, wie die heutige Untersuchung — , so könnte die Kritik der Möglichkeiten des Schiffbaues in U. S. Amerika unseren Vertretern ein Hilfsmittel sein, um etwaigen Drohungen auf erneuten Beginn der Feindseligkeiten wirksam ent- gegenzutreten, unsere Stellung bei den Verhandlungen zu stärken und Grundlagen für bestimmte Forderungen zu geben. Den Verlust an Frachtraum durch die U-Boote kann England nicht ausgleichen; Frankreich und Italien kommen kaum in Frage, noch weniger die anderen ') Der Vortrag ist am 12. Februar 1918 gehalten worden. Auf diesen Zeitpunkt beziehen sich alle Angaben und Meinungen. Meereskunde, Vorträge. XII. Heft 6. \ 2 Meereskunde, kleinen feindlichen oder neutralen Seemächte; die Hoff- nung ruht in U, S, Amerikas Schiffbau, Zur Beurteilung dieser Hoffnungen müssen zu- nächst die natürlichen Grundlagen und die Geschichte des Schiffbaues in U, S, Amerika kurz behandelt werden. Wir sind dabei in der selten angenehmen Lage, bei einem Rückblick nicht auf die ältesten Zeiten, auch nicht bis ins Mittelalter zurückgehen zu müssen, sondern wir können ein ausreichend klares Bild schon aus der neueren Geschichte dieser neuesten Großmacht ge- winnen. Es wird daher nicht zu vermeiden sein, daß an bekannte Einzelheiten erinnert werden muß, um ein einigermaßen vollständiges Bild der Vergangenheit zu geben, aus dem Schlüsse für die Gegenwart und Zukunft gezogen werden können. I. Zustand vor dem Krieg. Geographische Lage und Gestalt U, S, Amerikas weisen klar auf Schiffahrt und Schiffbau, Die Welt- karte, oder besser ein Globus, zeigt, daß bei den heutigen Hilfsmitteln des Weltverkehrs kein Großstaat so kulturzentral liegt, wie U, S, Amerika, wenn wir dieses als ein einheitliches Wirtschaftsgebiet von großen, gleichmäßigen Auslandsinteressen ansehen könnten: nach jeder Seite führt ein großes Meer zu den älteren Kulturwelten und stellt auf dem kürzesten Wege die Verbindung her mit den anderen Erdteilen, mit Süd- amerika, Afrika und Australien, Zu dieser glücklichen Lage kommt noch die günstige Form, welche nach allen Seiten natürliche Bedingungen gibt für eine Betätigung auf dem Wasser; im Osten liegt eine Reihe tief ein- geschnittener Buchten mit guten Häfen an schiffbaren Flüssen; im Westen wenige, aber hervorragend günstige Häfen; im Süden ermöglicht das Riesenstromgebiet des U, S. Amerikas Schiffbau in Frieden und Krieg. 3 Mississippi mit einer großen Zahl weit hinauf schiffbarer Nebenflüsse ein gutes Eindringen tief in das Land; im Norden, an der Grenze von Kanada, schaffen die großen Seen mitten in einem Gebiet voll reicher Bodenschätze eine vorzügliche Wasserverbindung nach allen Seiten, Auch die geschichtliche Entwicklung ist eng ver- bunden mit dem Wasser. Die Entdeckung geschieht zur See, die ersten Siedlungen im Osten sind Hafenplätze; die Kolonisation dringt zwar allmählich auch auf dem Landwege in das Innere, aber das erschlossene Land bleibt zunächst abhängig von der Zufuhr aller Ge- brauchsartikel über den Atlantischen; und noch in der Jetztzeit fließt die wichtigste Einfuhr aus Europa, die Einwanderung, auf diesem Wege; der innere Aufschluß des Landes folgt bis zu den Zeiten der Eisenbahnen in erster Linie den Wasserwegen, und schon früh finden wir Kolonisten auf den Flüssen und an den großen Seen vordringen, als ringsherum das Land noch unerschlossen war; nach der Erwerbung Kaliforniens von Mexiko in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, war auch dieses Neuland nur zugänglich zur See, und zwar auf dem Wege um das Kap Hoorn herum. In dem Gebiete des heutigen U. S. Amerika mußten daher frühzeitig Schiff- fahrt und Schiffbau zur Geltung kommen, Statistik, Die U, S, Amerikanische Statistik der Handeisflotte (s, Abbildung 1) zeigt im ganzen ein äußerlich glänzendes Bild dauernder Steigerung, sie zeigt gleichzeitig in großen Zügen die Entwicklung des Schiffbaues, Bis zum Jahre 1823 sind nur Segelschiffe statistisch erfaßt, dann erscheinen die ersten Dampfer unter den enrolled vessels, 1830 die ersten Dampfer unter den registered vessels; aber erst im Jahre 1894 überwiegen die Dampfer bei den enrolled vessels, und erst 1902 V Meereskunde, Mill MIIL B.R.T 8 — — 1 1 1 _ Handelsf I 1 1 1 1 1 1 1 oife derVereiniaf. Staaten. /' 7— 6- r 5- - n \ — /y^Jicensed A \ ' \ aJ O , ,., 1 1 enro (kd^ ■lice '}seo / / / / J \ / / / P J f • 1 A / / 1 u yO -greaflakes -1 ■ . A \f\' r^ \ / y regis. '■erea \ 7 O ■ 1 f y ^A ^^ r- / "N/ /-^ / - " 1790 1800 10 20 30 -W7 50 60 70 80 90 1900 10 2L 7 Abbild. 1. Die Entwicklung der Handelsflotte von U, S, Amerika. Die Schiffahrtsstatistik von U. S. Amerika beginnt mit der Verfassung i. J. 1789 und ist seit 1884 enthalten im Annual Report of the Commissioner of Navigation. Registered vessels sind alle Schiffe des Übersee- Verkehrs mit dem Ausland und des Walfangs. Enrolled vessels sind die in der Küstenschiffahrt und der übrigen Fischerei be- schäftigten Schiffe von über 20 Brutto-Register-Tonnen (als Küstenschiffahrt gilt jede Fahrt zwischen den Häfen der Ver. St. oder zwischen diesen und seinen Kolonien), ferner die über 20 Brutto-Register-Tonnen großen Schiffe auf den großen Binnenseen (great lakes) und auf den Flüssen. Licensed vessels sind die übrigen Binnenschiffe von 5 bis 20 Brutto-Register-Tonnen. Die Kurven zeigen den Niedergang des Bestandes an Übersee-Schiffen seit dem Bürgerkrieg und eine dauernde starke Vermehrung der Schiffe in der Küstenfahrt, auf den Flüssen und auf den großen Seen. U. S. Amerikas Schiffbau in Frieden und Krieg. nehmen sie unter den Auslandsschiffen den größeren Raum ein. Besonders auffallend ist die ungleichmäßige Ent- wicklung der Schiffe im Auslandsverkehr (registered vessels); während sie anfangs dauernd zunehmen und 1860 ihren Höhepunkt mit 2,6 Millionen Brutto-Register- Tonnen erreichen, werden sie dann mit kleinen Schwankungen dauernd weniger, bis sie im Jahre 1898 auf % Millionen Tonnen gefallen sind; dann erholen sie sich langsam und erreichen in neuester Zeit wieder eine Million Tonnen, Die enrolled vessels dagegen nehmen dauernd kräftig zu und sind heute auf beinahe 7 Mil- lionen Tonnen angewachsen, von denen die Schiffe auf den großen Seen (Segler, Dampfer und Kanalboote) fast die Hälfte, mit 3 Millionen Tonnen, einnehmen, also dreimal soviel Raumgehalt besitzen wie die gesamte Auslandsflotte, Zum Vergleich dienen die Abbildungen 2 und 3, welche nach Bureau Veritas und Lloyds Register den Bestand an Seeschiffen und die Neu- bauten in Amerika, Deutschland, England und der Welt vom Jahre 1890 an enthalten. Die Zahlen dieser Ab- bildungen über U, S, Amerika sind mit denen der Abbil- dung 1 nicht unmittelbar zu vergleichen, da die Grund- lagen der Statistik verschieden sind. Als das erste wichtige Ergebnis kann hiernach fest- gestellt werden, daß der Anteil U, S, Amerikas am Überseeverkehr mit fremden Ländern vor dem Kriege verhältnismäßig gering gewesen ist; er umfaßte nur etwa ein Zwanzigstel des Tonnengehalts der britischen Han- delsflotte und ein Fünftel der deutschen Handelsflotte, Die Stärke der nordamerikanischen Schiffahrt liegt nicht im Auslandsverkehr, sondern im Inlandsverkehr (Küstenfahrt, Flußfahrt und Fischerei), wobei als Küstenfahrt jeder Verkehr zwischen zwei nordameri- Meereskunde, Mm B.R.T- 45- 40- 35- 30- 25- 20- 15- 10- Handelsflotfe der Welt nach:Veritas. JÜ mR' 1890 " Dampfe^ 'Segler^ fer rEng/and- Deufschland- ifctÖ4^ 'er.Sfaafpnfeinschl.gr.Seen\ 1900 02 O'i- 06 08 10 12 n 16 18 Abbild. 2. Entwicklung der Welthandelsflotte seit 1890. Bureau Veritas umfaßt in der seit 1873 jährlich erscheinenden Statistik alle Handels- flotten in Brutto-Register-Tonnen, und zwar seit 1890 die seegehenden Dampfer von über 100 Netto-Register-Tonnen und die seegehenden Segler von über 50 Netto-Re- gister-Tonnen. Die Schiffe auf den amerikanischen Binnenseen sind mitgerechnet; die Kurven sind daher beim Vergleich mit den anderen Ländern irreführend (s. Bild 1). Be- merkenswert ist die große Zahl der Segler in U. S. Amerika. kanischen Häfen gilt, also auch z, B, zwischen New York und St. Franzisko, oder neuerdings nach den Kolonien, nach Hawaii und den Philippinen, Eines der ersten U. S, Amerikas Schiffbau in Frieden and Krieg. Schiffbau der Welt. nach:Lloyd's Register. Abbild. 3. Entwicklung des Weltschiffbaues seit 1890. Die seit 1890/91 jährlich erscheinende internationale Statistik von Lloyds Register enthält alle seegehenden Dampfer von 100 Brutto-Register-Tonnen und darüber und die sc3gehenden Segler von 100 Netto-Register-Tonnen und darüber; für die U.S. Amerika werden die Neubauten an den großen Seen mitgerechnet. Die gestrichelten Kurven seit 1913 entstammen Fachzeitschriften ; sie geben noch keine endgültigen Zahlen, Gesetze, die der erste Kongreß unter dem ersten Präsi- denten George Washington nach dem Vorbild der engli- schen Navigationsakte von 1651 erließ, war der Akt vom 20, Juli 1789, welcher ausländische Schiffe in der Küsten- fahrt mit hohen Abgaben belegte, und schließlich wurden 8 Meereskunde. im Jahre 1817 ausländische Schiffe durch Gesetz von der Küstenfahrt ganz ausgeschlossen. Neuerdings wurde von den amerikanischen Schiffen in der Küstenfahrt auch verlangt, daß sie im Inland gebaut werden. « Handelsschiffbau, Wenn wir ins einzelne gehen, so finden wir hauptsächlich in den Schiffen für die Küstenfahrt und Binnenfahrt nicht nur bemerkens- werte, sondern eigenartige Erscheinungen, Frühzeitig hat sich der Flußschiffbau ausgebildet; das erste Dampfschiff hat auf dem Hudson gefahren^]; es war im Jahre 1807 der berühmte ,,Clermont", dessen Erbauer Fulton im Jahre 1803 in Paris vergeblich versucht hatte, Napoleon für seine Pläne zu gewinnen. Auch heute noch sind im Flußverkehr Schiffe von einer Größe und Eigenart beschäftigt, wie sonst nirgends auf der Erde, Mit der Ausbreitung der östlichen Staaten wuchs der Küstenverkehr. Entsprechend den regelmäßigen Windverhältnissen an der Ostküste (die Winde wehen dort meist senkrecht zu und von der Küste) haben sich seit Beginn des 18, Jahrhunderts Schiffe mit hierfür be- sonders geeigneter Takelung zu eigenartiger Blüte ent- wickelt, die Schoner, welche neuerdings mit vier, fünf und sechs Masten in bis dahin ungeahnten Größen ge- baut wurden^). Die Mehrzahl dieser Schoner, auch die neueren und großen, sind aus Holz gebaut; zur Bedienung der großen Längssegel haben sie Dampfwinden an Deck und können daher mit einer Besatzung auskommen, die 1) Auch das erste Schiff, das mit einer Dampfmaschine über den Atlantischen fuhr, die „Savannah", war 1819 in Nordamerika ge- baut; es war dies aber kein Dampfer in heutigem Sinne, sondern ein voll getakeltes Segelschiff, das eine Dampfhilfsmaschine mit Räderantrieb erhielt, die nur wenige Stunden während der drei- wöchigen Hochseefahrt in Gebrauch war. (Keble Chatterton, Steamships and their story. London 1910.) ^) W. Laas, Die großenSegelschiffe. Berlin 1908. Julius Springer. U. S. Amerikas Schiffbau in Frieden und Krieg. 9 nur die Hälfte bis ein Drittel der Besatzung eines Rahe- schiffes von gleicher Tragfähigkeit beträgt. Die Schoner werden auch in der Fahrt nach Australien benutzt. Im Jahre 1902 ist der größte Siebenmastschoner („Thomas W, Lawson") von 8000 Tonnen Tragfähigkeit aus Eisen für die große Überseefahrt gebaut worden. Die Fach- zeitschriften waren voll des Lobes über dieses größte Segelschiff der Erde, das „die Ozeanfrachtfahrt revo- lutionieren" sollte. Das Schiff ist auf seiner ersten Reise nach Europa im Jahre 1907 an der Südküste Englands gestrandet. Die Entdeckung des Goldes in Kalifornien im Jahre 1848 erforderte einen schnellen Verkehr dorthin für die Auswanderer und deren Bedürfnisse. In raschem Ent- schluß und erfolgreicher Ausführung wurden für diesen Zweck die wenige Jahre vorher für die ostasiatische (Tee-) Fahrt geschaffenen „clipper" in größerer Zahl ge- baut, berühmte Schnellsegler, die anfangs den eng- lischen Seglern weit überlegen und so schnell waren, daß sie in der Fahrtdauer großer Reisen bis in die Neuzeit auch von großen Fünfmastraheschiffen nicht übertroffen werden konnten. In dieser erfolgreichen Entwicklung ist wieder ein amerikanischer Auswuchs zu verzeichnen. Es wurde im Jahre 1853 die 90 m lange Viermastbark ,,Great Republic" gebaut, für deren Größe damals keine Ladung vorhanden war. Das Schiff war ein technischer Erfolg, aber ein wirtschaftlicher Fehlschlag und als Holz- segelschiff gewissermaßen der amerikanische Vorläufer des gleichfalls -^ technisch gelungenen, aber wirtschaft- lich verfehlten englischen Eisenriesendampfers „Great Eastern". Nach dem Abflauen des Kalifornia-Verkehrs fanden die Klipper gute Beschäftigung während des Krimkrieges 1853 bis 1856, da England und Frankreich mehrere derselben, u. a. auch die „Great Republic", Meereskunde, Vorträge. XII. Heft 6. 2 10 Meereskunde. charterten und ihre Schiffe zum großen Teil aus dem Handel zurückziehen mußten. Die Folge davon war, daß im Jahre 1855 der Höhepunkt des U, S, Amerikanischen Schiffbaues mit fast 600 000 Tonnen erreicht wurde, d. i, das Mehrfache der damaligen britischen Erzeugung, die erst in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts größer wurde als die nordamerikanische, als England für den Bau der Eisen-Dampfschiffe durch seine Eisen- und Maschinenindustrie U, S, Amerika weit überlegen war. In neuerer Zeit haben mit dem Überseeverkehr die Raheschiffe in U, S, Amerika erheblich abgenommen, da für den Küstenverkehr die Schoner besser sind. Auch in der großen Fischerei haben die Ameri- kaner die günstigen natürlichen Bedingungen, insbeson- dere bei den Neufundlandsbänken und in Alaska, gut ausgenützt. Frühzeitig ist dort der Hilfsmotor zur Ver- wendung gekommen, der jetzt auf Tausenden von Booten gute Dienste leistet. Das fünfte und letzte Gebiet eigenartiger Entwick- lung des Schiffbaues bilden die großen Binnen- seen, In diesem in sich abgeschlossenen großen Wirt- schaftsgebiet sind besondere Formen in den Schiffs- typen und in den Werfteinrichtungen zur Herstellung der Schiffe entstanden. An keiner Stelle des Seeverkehrs der Erde gibt es ein so vollkommenes Zusammenstimmen von Eisenbahnen, Hafenanlagen und Schiffen, Da es sich hauptsächlich um Massengüter handelt, ostwärts Erz und Getreide, westwärts Kohle, so werden die Schiffe vom Lande aus beladen und gelöscht und können selbst alle Einrichtungen zum Laden und Löschen entbehren. Das Streben nach äußerster Vereinfachung und Verbilligung führte in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts zur Konstruktion der Walrückendampfer (Whalebacksteamer), deren Vorzüge in billigem Bau, U.S.Amerikas Schiffbau in Frieden und Krieg. \\ guter Seefähigkeit und geringen Betriebskosten be- stehen sollten. Auch hiermit gedachten die Amerikaner die europäische Seeschiffahrt auf den richtigen Weg zu bringen. Im Jahre 1891 kam ein solches Schiff über den Ozean nach Liverpool (allerdings in der besten Jahres- zeit und nicht so tief beladen, wie es auf den großen Seen fuhr) und erregte dort großes Aufsehen, welches zu eingehenden Erörterungen darüber führte, ob der- artige Schiffe allgemein für die Ozeanfahrt eine Ver- besserung bedeuten. Aus diesen Überlegungen ist der Typ der Turmdeckdampfer entstanden, die jahrelang für Massengüter recht beliebt gewesen und in mehreren hundert Stück gebaut worden sind. Einen entscheiden- den Einfluß hat die Anregung der U, S. Amerikaner aber nicht gehabt; die Verhältnisse an den großen Seen sind doch zu verschieden von denen der Weltschiffahrt, als daß eine Schiffsform von jener Stelle auf eine andere ohne weiteres übertragen werden könnte. Dagegen muß den Werften an den Binnenseen un- eingeschränkt das Verdienst zugesprochen werden, im Werftbetriebe Anregung zu wesentlichen Verbcsse- rungen geschaffen zu haben. In Anlehnung an den Bau von großen Eisenkonstruktionen hat sich dort Ende des vorigen Jahrhunderts ein Bauverfahren entwickelt, das fast ganz unabhängig von den damals im Seeschiffbau nach Englands Vorbild üblichen Methoden eigene Wege ging. Abgesehen davon, daß dort allgemein der Quer- ablauf bevorzugt wird (das hat seinen Grund in der ge- ringen Längsfestigkeit der langen, niedrigen Schiffe), mußten die dortigen Werften sich den Arbeiterverhält- nissen anpassen. Es gab dort wenig Menschen, haupt- sächlich ungelernte Ausländer mit hohen Löhnen, Um Löhne zu ersparen und ungelernte Menschen zu ver- wenden, entstand das vom Brückenbau entnommene 2' 12' Meereskunde. Arbeiten nach Holzmallen^), d, h, Schnittmustern aus dünnem Holz für die Platten und Winkelarbeiten des Schiffskörpers, ferner die ausgiebige Verwendung pneu- matischer Werkzeuge und die Verwendung von großen Krananlagen zum Transport der Platten und Win- kel-), In neuerer Zeit sind dort mit solchen Mitteln Schiffe bis zu 200 m Länge und 20 000 Tonnen Trag- fähigkeit gebaut worden. Als dann nach dem Spani- schen Kriege Ende des vorigen Jahrhunderts die Schiffbauindustrie in U, S, Amerika im ganzen einen großen Aufschwung nahm, wurden auch an der Ost- küste die Methoden der großen Seen mit Erfolg ein- geführt, und in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts war U, S, Amerika das Land, wohin die Schiffbauer Europas wanderten, um die neuen Methoden kennen zu lernen. Auch das deutsche Reichs-Marine-Amt hat eine Studien- kommission dorthin entsandt^). Deutschland hat viel von U, S, Amerika übernommen, insbesondere die aus- gedehnte Anwendung der Luftdruckwerkzeuge und die Hellingkrananlagen, England verhielt sich in dem Stolz des alten Schiffbaulandes und infolge des Widerstrebens seiner Gewerkschaften zurückhaltender gegen beides; vielleicht bedauert die Schiffbauindustrie Großbritan- niens es jetzt im Kriege, daß sie die amerikanischen menschensparenden Neuerungen im Schiffbau nicht in größerem Umfange angenommen hat. Kriegsschiffbau, Zu dem Bilde des Handels- schiffbaues mögen zur Ergänzung noch ein paar Züge aus der Kri^gsschiffsgeschichte hinzukommen, Abge- ') Lake Ship Yard methods of Steel Ship Construction by Robert Curr. Cleveland. The Marine Review 1907. '^] Hellingkrananlagen von Prof. W. Laas. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure. Berlin 1908. ^) Der amerikanische Schiffbau im letzten Jahrzehnt. Von Tj. Schwarz im Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft. 1902. U. S. Amerikas Schiffbau in Frieden und Krieg. 13 sehen von den Landkämpfen gegen die Indianer und gegen Texas, hat U, S, Amerika vier größere Kriege ge- führt, in denen die Kriegsflotte eine mehr oder weniger große Bedeutung gewonnen hat. Im Unabhängigkeitskriege ist 1775 ein erster Vor- läufer der U-Boote gegen ein englisches Blockadeschiff vor New York in Fahrt gesetzt worden, allerdings ohne Erfolg, Im Kriege gegen England, 1812 bis 1814, sandte U. S. Amerika ein Fregattengeschwader nach Europa, das der englischen Flotte in verschiedenen Gefechten im Kanal empfindliche Verluste beibrachte. Ganz all- gemein waren die amerikanischen Segler anfangs des vorigen Jahrhunderts den englischen überlegen. Der Bürgerkrieg 1861 bis 1865 brachte nach der einen Seite eine schwere Schädigung der U,S, Amerikani- schen Handelflotte, deren Teile sich gegenseitig durch Kaperung vernichteten (teilweise unter Mithilfe der Eng- länder, Alabamafall), auf der andern Seite aber zwei bemerkenswerte Erscheinungen im Kriegsschiffbau: zu- nächst einen neuen Versuch mit einem Unterseeboot; diesmal gelang es den Südstaaten, eine im Hafen vor Charleston vor Anker liegende Unionssloop durch An- griff des mit einem Spieren-Torpedo ausgerüsteten und durch Menschen bewegten U-Bootes zum Sinken zu bringen; allerdings ging das U-Boot selbst dabei mit allen Mann verloren. Ferner stammt aus dem Bürgerkrieg die Erfindung des Monitors, einer schwimmenden Panzer- batterie, dessen Kampf mit dem gepanzerten Südstaaten- schiff ,,Merrimac" vor Hamptons Roads 1862 berühmt geworden ist und zur allgemeinen Einführung der Panzerschiffe an Stelle der hölzernen Liniensegelschiffe geführt hat. Von diesen Monitoren sind im Bürgerkrieg 60 gebaut. Auch hier wieder veranlaßte der Stolz auf ihre neue Erfindung die Amerikaner nach dem Kriege, 14 Meereskunde. im Jahre 1866, einen Monitor nach England zu schicken, wo allein die Tatsache berechtigtes Aufsehen erregte, daß ein Schiff mit so geringem Freibord über den At- lantischen gefahren war. Im letzten Kriege, 1898 gegen Spanien, bedurfte es keiner besonderen Erfindung; die weit überlegene Abbild. 4, U. S. Amerikanisches Kriegsschiff im englischen Hafen 1866. {Aus London lUustrated News 1866.) Ein amerikanischer Monitor kam 1866 nach England (Cork Harbour); das schlanke niedrige kleine neue Kriegsschiff steht in scharfem Gegensatz zu den schwerfäUigen, hochbordigen großen englischen Schiffen mit Takelung und Seitenrädern. U, S, Amerika-Kriegsflotte konnte die spanische leicht schlagen und vernichten; es war ein Kampf mit sehr ungleichen Waffen, Bemerkenswert ist hier nur die eine Tatsache, welche den Krieg zum Ausbruch ge- bracht hatte, nämlich daß im Jahre 1898 vor Habana das amerikanische Panzerschiff ,, Maine" in die Luft flog, nach Behauptung der Amerikaner durch spanische Tücke, nach Behauptung der Spanier durch Explosion der Munitionskammer, In beiden Fällen ist das Vor- U. S. Amerikas Schiffbau in Frieden und Krieg. 15 kommnis kein gutes Zeichen für den damaligen Zu- stand von Material und Mannschaft in der amerikani- schen Flotte. Im Jahre 1914 war die U. S, Amerika-Kriegsflotte nach Zahl und Größe die dritte, nicht viel kleiner als die Kriegsflotte Deutschlands und etwa halb so groß wie die Englands. Besondere Eigenarten der amerikani- schen Kriegsschiffe waren nicht vorhanden. Es sind zwar oft besondere Neuerungen angekündigt, aber die Erfolge sind stets hinter den Erwartungen zu- rückgeblieben. Bemerkenswert ist vielleicht nur, daß ebenso wie früher vor dem Kriege dem U-Bootsbau in U. S, Amerika große Aufmerksamkeit gewidmet worden ist, daß aber auch hier überragende Leistungen nicht zu verzeichnen sind. Gesamturteil, Fassen wir alle diese Tatsachen zusammen, um zu einem Urteil über die Leistungsfähig- keit des Schiffbaus in U. S, Amerika zu kommen, so er- gibt sich folgendes: die U, S, Amerikaner haben es stets verstanden, besondere Aufgaben im Schiffbau schnell und eigenartig anzufassen und erfolgreich durchzuführen, so- bald ihre Lösung aus wirtschaftlichen oder kriegerischen Gründen notwendig war und nur die Verhältnisse im eigenen Lande betraf (Flußschiffe, Küstensegler, Schnell- segler, Fischerei, Frachtschiffe auf den Binnenseen, Kriegs- fregatten, U-Boote, Monitoren), Ihr Unternehmungs- geist, ihr Wagemut, ihr Geschick ist unbestreitbar; aber — und das ist wohl nicht bloß im Schiffbau der Fall, sondern ein Nationalfehler der U, S, Amerikaner — sie überschätzen ihr Können und sind in ihrer Eitelkeit be- gierig und dabei sehr optimistisch, die im Lande be- währten Formen auch auf andere Länder zu übertragen, geben sich aber nicht die Mühe, die Verhältnisse in anderen Ländern erst kennen zu lernen, ehe sie mit ihren Plänen diese zu beglücken oder zu bekämpfen suchen. 16 Meereskunde, IL Während der „Neutralität". Wie im allgemeinen, so auch im Schiffbau war die Tätigkeit U, S, Amerikas während des jetzigen Krieges zunächst ausschließlich bestimmt durch Geschäftsinter- essen, Sobald die Werften Europas infolge anderweiter Verwendung des Eisens und der Menschen ihre Her- stellung von Handelsschiffen einschränken mußten, über- nahm U, S. Amerika Aufträge auf Neubauten und hat in schnell steigendem Maße Anteil genommen am Welt- schiffbau (s. auch Abb, 3), Über den Zustand im Jahre 1916 hat der Direktor der Klassifikations-Gesellschaft Det Norske Veritas, Herr J, Bruhn, in einem Vortrage vor der Reederei-Vereinigung in Kristiania ausführlich be- richtet, Herr Bruhn hat im letzten Vierteljahr 1916 die meisten Werften U, S, Amerikas besichtigt. Die Zahl der für große Seeschiffe in Frage kommenden Werften, deren es vor dem Kriege neun gab, hat sich bis Mitte 1916 schon verdoppelt und in der zweiten Hälfte 1916 brachte fast jeder Tag die Nachricht von einer neuen geplanten großen oder kleinen Werftgründung, Für Norwegen allein waren damals in U, S, Amerika etwa 700 000 Brutto-Register-Tonnen Eisenschiffe und etwa 100 000 Tonnen Holzschiffe in Auftrag, Auch die Werf- ten an den Binnenseen waren daran beteiligt, allerdings nur mit Schiffen von 2000 bis 4000 Tonnen Tragfähig- keit (etwa 1300 bis 2600 Brutto-Register-Tonnen), da wegen der Abmessungen der Schleusen des Welland- Kanals, der die Niagarafälle umgeht, die Größe ihrer für die Ozeanfahrt bestimmten Schiffe auf etwa 77 m Länge, 13 m Breite und 4 m Tiefgang beschränkt ist. Über die Schwierigkeiten der schnellen Vermeh- rung des Schiffbaues, über die hierdurch bedingten, oft wenig sachgemäßen Abweichungen von der erprobten europäischen Bauart gibt Herr Bruhn interessante Ein- U.S. Amerikas Schiffbau in Frieden und Krieg. 17 zelheiten. Es fehlte schon damals an ausgebildeten In- genieuren, Meistern und Arbeitern, an Werkzeug- maschinen und Material; besonders das Eisen wurde unregelmäßig geliefert, der Stahlguß war schlecht. Gegen die Betriebssicherheit der oft merkwürdig zu- sammengestellten Maschinenanlagen und die Seetüchtig- keit der auf neuen Werften gebauten Eisenschiffe und besonders gegen die Holzschiffe hat Herr Bruhn ernste Bedenken, Außer für Norwegen baute U, S, Amerika auch für andere neutrale Länder in Europa und anderen Erd- teilen und lieferte in weitem Umfange für unsere Feinde Ü-Boote, deren Zahl jedoch nicht bekannt geworden ist, und später eine große Zahl von schnellen Motorbooten zur Abwehr der U-Boote, Bei dieser großen Geschäfts- tätigkeit ist jedoch der Kriegsschiffbau für die eigene Marine nicht zurückgeblieben; die Regierung hat die all- gemeine kriegerische Stimmung geschickt dazu benutzt, die Kriegsflotte wesentlich zu vermehren, und wir stehen heute vor der Aussicht, daß die Kriegsflotte U, S, Amerikas nach dem Kriege diejenige Deutschlands weit überflügelt haben wird, und diejenige Britanniens wohl erreichen kann, falls der weitere Verlauf des Krieges nicht auch hierin noch Überraschungen bringt, III. Im Kriegszustand. Mit dem Eintritt U, S, Amerikas in den Welt- krieg war eine der wichtigsten Fragen die Beschaffung von Schiffsraum, und zwar zunächst für zwei Zwecke: 1. Für die eigene Anteilnahme am Landkriege in Europa, welche den Transport und Ersatz eines großen Heeres und dessen dauernde Ver- sorgung mit Kriegsmitteln und Verpflegung erfordert. 18 Meereskunde, 2. Für die Versorgung von Frankreich, England und Italien nach dem Osten, von Rußland nach dem Westen, nachdem diese Staaten infolge der U-Bootsverluste nicht mehr allein für sich selbst sorgen konnten. Bald und neuerdings recht kräftig trat zu den unmittelbaren Kriegszwecken die Hoffnung, bei dieser günstigen Gelegenheit einen alten Wunsch erfüllen zu können, nämlich die U, S, Amerikanische Handelsflotte wesentlich zu stärken, ganz allgemein für den eigenen Überseehandel und besonders für die aussichtsreiche Zeit nach dem Kriege. Zur Erreichung dieser Zwecke wurden folgende Mittel angewendet; 1. Die Beschlagnahme der in U. S.Amerika liegen- den feindlichen Schiffe, in erster Linie der deutschen. 2. Die Übernahme der für ausländische Rechnung, insbesondere für England, Norwegen und Süd- amerika in Bau befindlichen Schiffe. 3. Die Aufstellung einer weitreichenden Organi- sation zur äußersten Vermehrung der Neubauten, Die beiden ersten Maßnahmen sind einfach, in ihrer Wirkung beschränkt und inzwischen abgeschlossen^). Hier interessiert hauptsächlich der letzte Punkt: Was ist organisatorisch und technisch erstrebt, was erreicht und was kann noch erreicht werden? Als erstrebenswertes Ziel wurde zunächst bezeich- net die Herstellung von 6 Millionen Brutto-Register- Tonnen Frachtraum im Jahre 1918, d. i. 17mal soviel, wie Deutschland in seinen besten Jahren gebaut hat, zehnmal soviel wie U. S. Amerika und dreimal soviel ^) Im März 1918 würde mit der Beschlagnahme der neutralen Schiffe begonnen. U. S. Amerikas Schiffbau in Frieden und Krieg. 19 X' Schiffbau der Ver.Staatenf Holz u. Eisen). 2. Holzschiffbau in%des ges.SchifybauesfJrVerSt. und Weif. ß./?.T 600000 60 500000 50 VOODOO W 300000 ■ff o/z 32% 30 200000 20 100000 10 ' '"x Holz1.S% Q 1900 02 0¥ 08 10 12 n 16 18 Abbild. 5. Entwicklung des Schiffbaues von U. S. Amerika seit 1890. Hier sind alle in der Statistik der Vereinigten Staaten enthaltenen Schiffe (s. Abbild. 1) zusammengefaßt. Auffallend ist der große Anteil des Holzschiffbaues, auch noch in der neuesten Zeit gegenüber dem sehr geringen Prozentsatz der Holzschiffe im Weltschiffbau. wie Großbritannien jemals in einem Jahre gebaut hat (s, Abbild. 3), H o I z s c h i f f b a u. Es ist bekannt, daß zunächst der Streit ausbrach, ob mit Holzschiffbau oder Eisen- schiffbau das Ziel schneller zu erreichen sei, und daß 20 Meereskunde. Wilson schließlich die Hauptvertreter beider Richtungen absetzte. Es erscheint verwunderlich, daß eine derartige Streitfrage heute überhaupt noch entstehen konnte, nach- dem in Europa schon seit Jahrzehnten keine großen Holz- schiffe mehr gebaut worden sind. Aber in U, S, Amerika liegen die Verhältnisse doch anders (s. Abbild, 5), Dort hat noch bis in die neueste Zeit der Holzschiffbau einen wesentlichen Anteil der gesamten Erzeugung behalten, in den letzten Jahren noch 30 bis 40 v, H, gegen nur 1,5 v, H. im Weltschiffbau, U, S, Amerika besitzt besonders an der Westküste eine Fülle des besten Schiffbauholzes, daher werden Holzschiffe dort billiger als Eisenschiffe, Ferner war zu berücksichtigen, daß die Vermehrung des Eisenschiffbaues auf 6 Millionen Brutto-Register- Tonnen den anderen Kriegsindustrien (für Munition, Ge- schütze, Eisenbahnschienen, Wagen, Autos und Kriegs- schiffbau) wesentliche Mengen von Kohle und Eisen entziehen mußte, die auch in U, S, Amerika nicht im Überfluß vorhanden sind. Drittens kam hinzu, daß der Eisenschiffbau besondere Werftanlagen und Arbeits- maschinen braucht, die nicht in genügendem Umfang vorhanden waren, also wieder Zeit, Eisen und Industrie- kräfte erforderten. Die Schwierigkeit liegt eben gar nicht allein im Bau der Schiffskörper, sondern ebenso in der Beschaffung der Maschinen, Kessel, Hilfsmaschinen und der Ausrüstung, Für den Fachmann war es von vornherein klar, daß es gewiß richtig war, durch weitgehende Ausdehnung des noch vorhandenen Holzschiffbaues so viel wie mög- lich Frachtraum zu schaffen, daß aber der Hauptailteil des erforderlichen Frachtraums vom Holz nicht zu er- warten ist. Es war auch richtig, wenige Typen festzu- legen, um Zeit zu sparen; ob die gewählten Typen aber für den Kriegsbedarf die besten sind, kann heute nicht U, S. Amerikas Schiffbau in Frieden und Krieg. 21 beurteilt werden. Die von der Regierung ausgearbeite- ten Pläne für Typschiffe nehmen Rücksicht auf die Ver- wendung der schnell zu beschaffenden und sofort zu verwendenden Hölzer, in erster Linie Oregonpine und Douglasföhre, die in wunderbarer Gleichmäßigkeit und in großen Längen vorhanden sind. Dieses weiche Holz von geringer Festigkeit erfordert für die verhältnis- mäßig niedrigen und langen Frachtdampfer große Ma- terialstärken, und dadurch entsteht ein Schiff, das er- heblich schwerer ist als ein gleich großes Eisenschiff, sowie weniger und schlechteren Laderaum besitzt, da die horizontalen und vertikalen Stützen den Raum stark beeinträchtigen. Diese Art Schiffe sind also nur brauchbar für Stückgüter und schwere Massengüter, nicht aber für sperrige Güter, wie Wagen, Autos, Ge- schütze, Flugzeuge, größere U-Bootsteile und Boote. Die hölzernen Dampfer aus frischem Holz, von wenig geübten Arbeitern schnell zusammengebaut, werden be- stimmt nicht dicht halten, und es ist zu erwarten, daß diese Schiffe nach ihren ersten Reisen in etwas schwe- rerem Wetter so stark beschädigt sind, daß sie längerer Reparaturen bedürfen; einige werden auch in der schlechten Jahreszeit ihr Ziel gar nicht erreichen und somit unseren U-Booten die Arbeit erleichtern^). Trotz aller dieser Beschränkungen und Schwächen ist ein beträchtlicher Raumzuwachs an Holzschiffen im laufenden Jahr zu erwarten. Eisenschiffbau. Aus der geschichtlichen Ent- wicklung des Schiffbaues in U, S. Amerika ergibt sich, daß es ein schwerer Fehler wäre, an der Unternehmungs- kraft, dem technischen Können und der Leistungsfähig- ^) Die vorausgesagten Schäden sind nach Zeitungsnachrichten von Ende März 1918 bereits eingetreten. 22 Meereskunde. keit der U, S.Amerikaner zu zweifeln, wenn ein klares, notwendiges Ziel vorliegt, das nebenbei noch Aussichten auf großen Gewinn gibt. Um aber ein Urteil darüber zu gewinnen, ob auch in diesem Fall Nordamerika das ,,Land der unbegrenzten Möglichkeiten"^) sein kann, muß berechnet werden, wieviel Schiffsraum im Jahr von U, S, Amerika gebaut werden müßte, um den Anforde- rungen des Krieges zu genügen, ferner wieviel Material und Menschen dazu nötig sind. Im Jahre 1917 sind 9,3 Millionen Brutto-Register- Tonnen feindlicher Schiffsraum durch unsere U-Boote vernichtet worden, also im Monat durchschnittlich 775 000 Tonnen; hierbei sind bekanntlich die Verluste durch normale Seeunfälle und Minen nicht mitgezählt. Wenn wir annehmen, daß der Zustand vom 1, Januar 1918 für unsere Feinde eben noch erträglich war, daß aber eine weitere Verminderung des Frachtraumes ver- hängnisvoll für sie werden müßte, kommt die Fort- setzung des Krieges tatsächlich auf einen Wettlauf zwischen Vernichtung durch U-Boote und Schiffbau hinaus. Wie sind die Kräfteverhältnisse und Aussichten? Wir können wohl annehmen, daß im Jahre 1918 durchschnittlich monatlich 700 000 Brutto-Register- Tonnen, d. h, im Jahre etwa 8,5 Millionen Tonnen ver- nichtet werden. Was und wo kann dagegen gebaut v^erden? Unter dem Druck der Not wird es vielleicht in Eng- land gelingen, im Jahre 1918 wieder ebensoviel zu bauen, wie in den besten Jahren vor dem Kriege, d. h, 2 Millionen Brutto-Register-Tonnen. Da die anderen Länder kaum in Frage kommen, müßte U. S. Amerika ^) Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Beobachtungen aus dem Wirtschaftsleben der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Von L. M. Goldberger. Berlin 1903. U. S. Amerikas Schiffbau in Frieden und Krieg. 23 6,5 Millionen Tonnen Schiffsraum im Jahre 1918 schaffen, wenn ein Gleichgewichtszustand eintreten soll. Hiervon kann vielleicht eine halbe Million in Holz gebaut werden, das wäre schon so viel, wie Amerika sonst im ganzen, klein und groß, Holz und Eisen, in den besten Jahren gebaut hat. Es bleiben dann noch 6 Millionen Tonnen Eisenschiffe zu bauen, die Zahl, die ursprüng- lich auch in U. S, Amerika für 1918 in Aussicht genom- men war. Um 1000 Brutto-Register-Tonnen Frachtraum in einem Eisenschiff zu bauen, sind etwa 800 Gewichts- Tonnen Material, hauptsächlich in der Form von Walz- eisen, erforderlich. Dieses wieder braucht Eisenerz, das in den Hochöfen zu Roheisen verarbeitet wird; Hoch- öfen brauchen außer Erz auch Koks, der in besonderen Kokereien aus Steinkohle gewonnen wird. Roheisen wird zu Flußeisen und Walzeisen verarbeitet und in dieser Form' an die Werften geliefert. In Übersicht A ist der Bedarf an Menschen zur Herstellung von 1000 Ton- nen Walzeisen mit 24 für das Jahr, und auf dieser Grund- lage in Übersicht B der Gesamtjahresbedarf für den Bau von 1000 Brutto - Register - Tonnen Frachtraum zu 80 Menschen berechnet. Übersicht A. Bedarf an Menschen im Jahr zur Herstellung von 1000 Tonnen Walzeisen (Platten und Profile) für Schiffe. Material Tonnen Gewinnungsart Menschen im Jahr Erz, . 4000 In Bergwerken usw 6 Kohle 2000 In Bergwerken 7 In Kokereien, Hochöfen und Walzwerken 11 Zus. 6000 Im ganzen für 1000 Tonnen Walzeisen 24 24 Meereskunde, Übersicht B. Bedarf an Menschen im Jahr zur Herstellung von 1000 Brutto- Register-Tonnen Schiffsraum in großen Frachtdampfern. Menschen im Jahr 800 Tonnen Walzeisen Auf der Werft, Schiffbau- und Maschinenbau .... Hilfsindustrie, Hilfsmaschinen und Ausrüstung .... AllgemeinerWerftbetrieb, Bureau, Eisenbahntransport 19 51 5 5 Im ganzen für 1000 Brutto-Register-Tonnen 80 Für die Herstellung von 6 Millionen Brutto-Re- gister-Tonnen werden demnach gebraucht: etwa 5 Millionen Tonnen Eisen und Stahl, 10 Millionen Tonnen Kohle, 480 000 Menschen in der gesamten Industrie, Die Kosten betragen unter der Annahme von 1000 Mark für die Brutto-Register-Tonne (für fertige Schiffe werden jetzt erheblich höhere Preise bezahlt^^) 6000 Millionen Mark, Vergleichsrechnungen. Für die Gegen- rechnung der voraussichtlichen Verluste Deutschlands im Jahre 1918 sei angenommen, daß für die Ver- nichtung der von U, S, Amerika zu ersetzenden 6 Mil- lionen Brutto-Register-Tonnen 200 U-Boote in Tätig- keit gehalten werden müssen (das ergibt als durch- schnittliche Jahresstrecke eines U-Bootes nur den ge- ^) Mitte 1917 waren 557 Eisenschiffe von etwa 2,6 Millionen Brutto-Register-Tonnen für 651,6 Millionen Dollar (1070 M/Brutto- Register-Tonne] und 65 Holzschiffe von 180 000 Brutto-Register- Tonnen für 34 Millionen Dollar (etwa 800 M/Brutto-Register-Tonne) von der amerikanischen Regierung in Auftrag gegeben. Zeitschrift „Hansa" vom 2. Februar 1918, S. 85. U. S. Amerikas Schiffbau in Frieden und Krieg. 25 ringen Betrag von 30 000 Brutto-Register-Tonnen), und daß hiervon die Hälfte (sehr hoch gerechnet nach den bisherigen Erfahrungen) verloren gehen und durch 100 Neubauten (zwei in der Woche) großer schneller U-Boote von einem Deplacement von 1000 Tonnen (zu 1000 kg) und einem Preis von 6 Millionen Mark ersetzt werden müssen. Ein solches U-Boot würde dann nach reichlicher Schätzung in allen Industrien vom Bergwerk bis zur Probefahrt etwa 400 Menschen für das Jahr er- fordern und rund 1000 Tonnen Eisen brauchen. Auf Grund dieser Annahmen ergibt sich die Bilanz der Übersicht C. Das Geschäft ist für U, S. Amerika sehr schlecht und wird noch viel schlechter, wenn die Ver- luste der versenkten Ladungen und Menschen, ferner der Bedarf an Material und Menschen für den Betrieb dieser Flotte berücksichtigt würden, doch fehlen hierzu zahlenmäßig faßbare Unterlagen, Übersicht C. Bilanz des Schiffbaus für 1918 in U. S. Amerika (6 Millionen Brutto-Register-Tonnen) und Deutschland (100 große U-Boote). U.S. Amerika Deutschland Verhältnis Kosten in Millionen Mark . . . 6 000 600 10:1 Menschen für den Bau 480 000 40 000 12:1 Eisen für den Bau, Tonnen . . 5 000 000 100 000 50:1 Kohlen für den Bau, Tonnen . 10 000 000 200 000 50: 1 Aus den Neubaukosten läßt sich aber noch ein wichtiger Punkt mit genügender Annäherung ermitteln, das sind die Kosten der Überführung des amerikanischen Heeres nach Europa. Nehmen wir einmal an, die U. S, Amerikaner wollen an unsrer Westfront eine Million Sol- 26 Meereskunde, daten halten, so brauchen sie für die Überführung im großen Durchschnitt aller Waffen, Heeresgeräte, Muni- tion undTroß, auf denMann mindestens 6 Brutto-Register- Tonnen Schiffsraum^), Mit Rücksicht auf die U-Boots- gefahr werden die Schiffe in Geleitzügen fahren, oder man wird für den Transport möglichst schnelle Schiffe von mindestens 16 Meilen Geschwindigkeit verwenden, deren Kosten zu etwa 1600 Mark die Brutto-Register-Tonne geschätzt werden können. Unter Berücksichtigung aller Aufenthalte und Instandsetzungen wird jedes Schiff höchstens sechs Fahrten im Jahre machen können, es wären also für eine Million Mann von Amerika ab- gehender Truppen für 1918 eine Million Brutto-Register- Tonnen erforderlich, d, h, auf den Mann und aufs Jahr 1 Brutto-Register-Tonne von 1600 Mark Neubauwert. Wenn nun die Unterwegsverluste und die Betriebskosten des Transportes und seines Geleitschutzes in Rechnung gestellt werden, so ergibt sich, daß jeder Amerikaner in Europa allein für den Transport etwa 2500 Mark kostet. Unsere gesamten Kriegskosten betrugen ungefähr 25 Milliarden Mark aufs Jahr; dafür hatten wir rund 10 Millionen Mann unter den Waffen, es betragen also die Gesamtkriegskosten bei uns 2500 Mark für den Mann und das Jahr, d, h, allein die Überführung eines Ameri- kaners an unsere Westfront kostet für U. S. Amerika ebensoviel wie die Gesamtkriegskosten für einen Mann während des ganzen Jahres in Deutschland, Dazu kommen noch die das Mehrfache unserer Kosten be- ^) Der am 5. Februar 1918 versenkte Dampfer „Tuscania" von 14 348 Brutto-Register-Tonnen hatte nach Abzug der Besatzung etwa 2200 Mann amerikanische Truppen an Bord; auf den Mann kamen also 6,5 Brutto-Register-Tonnen. Ob für diese 2200 Mann das ihrer Zahl entsprechende volle Kriegsgerät an Bord war, ist zweifelhaft. U. S. Amerikas Schiffbau in Frieden und Krieg. 27 tragende Ausrüstung, Löhnung, Versorgung, Verpflegung und der spätere Rücktransport des Heeres, Wieder ein sehr schlechtes Geschäft für die U, S, Amerikanische Regierung! Voraussichtliches Ergebnis während der nächsten Jahre, Es wird U, S, Amerika im Jahre 1918 nicht gelingen, sechs Millionen Tonnen Frachtraum in Eisenschiffen fertig zu stellen. Dadurch wird vielleicht auch der Erfolg unserer U-Boote etwas geringer werden, da nicht genügend zu versenken da ist. Die große Bilanz des Frachtraumkrieges wird dadurch für unsere Feinde nicht besser, da die zum Vergleich gemachten Annahmen über die Zahl der gegen den amerikanischen Anteil des Schiffbaues erforder- lichen U-Boote, über den Verlust und über die Kosten des Ersatzes sehr ungünstig für uns in Rechnung ge- stellt wurden- Es bleibt aber die Frage offen, ob es vielleicht möglich ist, daß später U, S, Amerika seinen Schiffbau so stark vergrößert, um für unsere Feinde einen erträglichen Dauerzustand zu schaffen. Im Gegen- satz zu anderen Beurteilern halte ich es, wenn die Not dazu zwingt, nicht für ausgeschlossen, daß etwa 1919 oder 1920 ein solcher Zustand erreicht wö'rden kann. Aber dazu ist es zunächst erforderlich, daß die Werften in U. S, Amerika noch erheblich ver- mehrt und vergrößert werden, und daß die dazu not- wendigen Anlagen, Hellinge, Werkstätten, Werkzeug- maschinen, Krane, Erweiterungen der Maschinen- fabriken und Hilfsindustrien für Hilfsmaschinen und Ausrüstung geschaffen werden. Diese erfordern wieder neue, zunächst unproduktive Kräfte an Material und Menschen, ferner Zeit und vor allem Erfahrung, da brauchbare Seeschiffe nicht so leicht von jeder be- liebigen Stelle zu bauen sind. Ich glaube, daß bei dieser 28 Meereskunde. Tätigkeit doch schließlich den Leitern des Staates in U. S, Amerika — nicht den gut verdienenden Unter- nehmern — angst und bange werden muß, wenn sie sich eine Bilanz wie in der Übersicht C aufstellen. Wir brauchen vorläufig diese Tätigkeit U, S, Amerikas nicht zu fürchten, denn alle Materialien und Kräfte, die für den Schiffbau gebraucht werden, können nicht an der Front verwendet werden, verteuern den U. S. Ameri- kanern den Krieg ins Ungemessene und nehmen ihnen den leicht gewonnenen Riesenverdienst ihrer „neutralen" Kriegslieferungen. Wie lange es allerdings dauern wird, bis diese Er- kenntnis in U. S. Amerika reift, ist schwer zu sagen, aber es muß sich doch mit der Zeit die Frage vordrän- gen, wozu den Krieg fortsetzen, nachdem die einzig er- kennbaren Zwecke der Kriegsbeteiligung erreicht sind, nämlich erstens die Stärkung des Landheeres und der Kriegsflotte für die Vorherrschaft in Gesamt-Amerika und für den Waffengang mit Japan, zweitens die Ver- mehrung der Übersee-Handelsflotte zur größeren Mit- wirkung am Welthandel und als Kraftreservc für die Kriegsflotte. IV. Nach dem Kriege. Es ist zweifellos, daß — in noch höherem Grade als die Kriegsflotte — die Handelsflotte U. S. Ame- rikas nach dem Kriege ganz wesentlich vermehrt sein wird; sie wird zur Betätigung am eigenen Außenhandel und auf dem Weltmarkt drängen, ebenso wie die im Kriege neu erstarkte Schiffbauindustrie, Abbild, 6 zeigt, daß der Anteil der U, S, Amerikanischen Flagge an dem Außenverkehr der Vereinigten Staaten seit dem Bürger- krieg von 70 V, H, auf etwa 20 v. H. gefallen ist. Noch auf- fälliger wird dieser Abfall, wenn statt des Raumgehaltes der Schiffe im Außenhandel der Wert der Einfuhr und U. S. Amerikas Schiffbau in Frieden und Krieg. 29 ^ m. 90. so 1 1 1 1 1 " 1 — Aussen-Verkehr derVer.Staaten(Ausa 1 1, el.+Dnael.Schiffe)./ % 9Q 2 — ?/odesmif eigenen Schiffen bewäl+ial en A \/ 1 L /••• Aussen-VerkehrsTur ver.oTaaren u.ueuTscniana. 1 an \ 1 70 1 l 1 V 1 70 60 v/ \ \ > J 60 50 r ^j 50 'to -'s Qeuh '•Chiana, w ?o ', \ \ V / V ^0 20 V V rSfaafer i P.0 10 >S ^ ^ 1 'Fren ideSch Iffe ^ 1 10 0 :^ •^ A>.- J . , ^ * — ^ 0 'Eigene Seh h Te 1830 35 ^0 4-5 60 55 60 dS iO 75 80 85 90 95 1900 05 10 15 20 j Abbild. 6. Anteil der eigenen Schiffe am Außenverkehr von U- S. Amerika seit 1830. Die Angaben entstammen für U. S. Amerika dem Annual Report (s. Abbild. 1), für Deutschland dem Jahrbuch der Statistik des Deutschen Reiches; die Kurven zeigen in Brutto-Register-Tonnen der ein- und ausgelaufenen Schiffe den Anteil der U.S. Amerika- nischen Schiffe am Außenhandel der Vereinigten Staaten absolut und im prozentualen Vergleich zu dem Anteil der deutschen Schiffe am deutschen Außenhandel. Ausfuhr in Rechnung gestellt wird. Während 1821 noch ungefähr 90 v, H. des Außenhandels nach Schiffsraum und Wert durch amerikanische Schiffe besorgt v^urden, fiel bis zum Jahre 1861 der Anteil des Wertes auf 30 Meereskunde, 65 V, H, und bis zum Jahrhundcrtwechsel auf 8 v, H, und hat sich seitdem langsam auf 9 v, H, im Jahre 1912 ge- steigert. Bei dieser Sachlage ist der Wunsch U. S. Amerikas nach vermehrtem Anteil am eigenen Außen- handel durchaus begreiflich, da der normale Anteil jedes Landes im Seeverkehr mit einem gleichwertigen Schiff- fahrtsland die Hälfte des Handels nach diesem Lande sein muß. (In der Tafel 7 ist der Prozentsatz des mit deutschen Schiffen beförderten deutschen Außensee- handels zum Vergleich angegeben. Er betrug 1880 etwa 40 V, H. und hat sich vor dem Kriege auf über 50 v. H, gesteigert,) Der an sich berechtigte Wunsch der U,S, Ame- rikaner kann eine große Gefahr für Deutschland^) werden, und wir werden alle Kräfte anspannen müssen, um nach dem Kriege, besonders beim Verkehr mit Nord- amerika, in dem Wirtschaftskampf nicht zu unterliegen, in den wir mit unserer auf die Hälfte verminderten Handelsflotte sehr geschwächt eintreten. Aber auch hier zeigen sich hoffnungsvolle Momente. Zunächst der Umstand, daß in Deutschland die Notwendigkeit erkannt ist, die Verluste der Handelsflotte so schnell wie möglich wieder auszugleichen, und daß vom Reich hierfür sehr große Mittel bereitgestellt sind (Gesetz von 1917 zur Wiederherstellung der Handelsflotte). Die andere Hoffnung liegt in der Geschichte Nord- amerikas, die im Anfang in großen Strichen gezeichnet wurde. Die Überseeschiffahrt und der dazu gehörige Schiffbau findet im Gebiet U, S, Amerikas seine besten natürlichen, technischen und wirtschaftlichen Grund- lagen in den Nordost-Staaten an der Küste. Schiffahrt ') In noch höherem Maße sieht man in England dem Wachsen der Handelsflotte und des Schiffbaus in U. S, Amerika mit Besorgnis entgegen. Zeitschrift Engineering vom 3. August 1917, S. 123. American Shipping and Shipbuilding. o/4 U.S.Amerikas Schiffbau in Frieden und Krieg. 31 *^ i und Schiffbau blühten auf nach deren Zusammenschluß ^ - "^ zu dem Gebilde der ersten Vereinigten Staaten und er- ^i reichten ihren Höhepunkt in der Mitte des vorigen Jahr- L rt"^ hunderts. Der Bürgerkrieg brachte dann die in der 2%^ Natur liegenden wirtschaftlichen Gegensätze zum Aus- . ^ trag zwischen den Nord- und Südstaaten, zwischen '(y " *, Schutzzoll und Freihandel. Die weitere Ausbreitung der / ^ / U.S.Amerika nach dem Westen ergab mit der Er- - Schließung neuer reicher Gegenden durch die Eisen- bahnen ganz andere Aufgaben, die eine Konzentration IJ^ i aller Kräfte auf die neuen Arbeiten im Innern erforder- Q^ aWte. ten, hinter denen die Betätigung auf dem Weltmeer zu- '^ ' rückstehen mußte. Die Verschiedenheiten der Auffas- sung sind im Innern noch keineswegs ausgeglichen, be- . j sonders seit im Westen durch die Furcht vor Japan und » den Wunsch nach der Vorherrschaft im Großen Ozeart Interessen erwacht sind, die für die Bedürfnisse des Ostens kein Verständnis haben, ja diesen geradezu ent- gegengesetzt sind. Wenn auch die geographische Lage und Gestalt nach Betätigung auf den Weltmeeren hin- weist, so fehlt doch noch die Grundlage hierfür, die Ein- ^ heitlichkeit der Wirtschaftsinteressen des ganzen Landes. ' Hiergegen helfen keine Gesetze und keine Staatsmittel, wie sie in verschiedenster Form und großer Zahl in den letzten Jahrzehnten erwogen sind^). Amerika ist noch immer ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten im Innern, es hat noch sehr viel zu tun, um die reichen Schätze seines Landes zu verarbeiten; besonders aber bedarf es noch einer gesunden Entwicklung des inneren Lebens, um nicht nur in technischer und wirtschaftlicher, sondern auch in geistiger und sozialer Richtung ein wirk- liches Kulturland zu werden. Solange es ferner noch ^) American Shipping, its history and economic conditions by Dr. H. Keiler, Probleme der Weltwirtschaft Bd. 14. Jena 1913. 32 Meereskunde, Menschen von auswärts braucht, ist die Grundbedingung für seine Weltschiffahrt noch nicht gegeben. Trotz des Reichtums an Erzen und Kohlen und der dadurch be- dingten geringen Eisenpreise macht der Menschen- mangel infolge der hohen Löhne die Schiffahrt und den Schiffbau so teuer, daß ein erfolgreicher Wettbewerb auf dem Weltmarkt ausgeschlossen ist. Der Drang nach großer Handelsflotte und Weltgeltung ist in U. S. Amerika vorläufig nur ein Ausfluß des Kapitalismus, der Unersättlichkeit und Machtgier der Geldmagnaten in den östlichen Staaten, Demgegenüber sind für Deutschland Außenhandel und Weltschiffahrt eine politische Notwendigkeit, um die Bevölkerung zu erhalten und zu ernähren. In diesem Zwang der Not liegt auch unsere Kraft, und wenn es uns vor dem Kriege gelungen ist, gegen Englands weit- überragende Seeherrschaft in immer steigendem Maße unsern Anteil am eigenen Außenhandel und am Welt- handel zu gewinnen, so wird es uns auch gelingen, gegen die von U, S. Amerika im Kriege hochgetriebene, politisch nicht notwendige junge Seeschiffahrt zu bestehen, wenn unsere gesunden Kräfte nicht durch schwere Fehler beim Friedensschluß lahmgelegt werden. Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW68, Kochstraße 68—71. Triest und Venedig. Von Dr. Leopold Glaesner. Politisch-geographische Lehren des Krieges. Von Prof. Dr. A. P e n c k. Eine ägyptische Expedition als Kampfmittel gegen England. Von Prof. G. Roloff. Die Engländer als Inselvolk. (Vom Standpunkt der Gegenwart aus betrachtet.) Von Prof. Dr. H. Spie s. Deutschlands Zurückdrängung von der See. Von Dr. W.Vogel. Angriiie und Angriffsversuche gegen die britischen Inseln. Von Dr. Walter Vogel. Zwei Kriegsjahre in London. Von Missionspastor J. L. O. Krüger. Die Südsee im Weltkriege, Von Prof. Dr. Alfred Man es. Die nordischen Dardanellen. Von Samuli Sario. Bei Kriegsausbruch in Hawaii. Von Pastor Engelhard t. In französischen Lagern Afrikas. Von Else Ficke. Konterbande, Blockade und Seesperre. Von Geh. Justizrat Prof, Dr. Triepel. Hugo Grotius und der Ursprung des Schlagworts vcn der Freiheit der Meere, Von Prof. Dr. W. Vogel. Kriegsmarine. *Kiel und Wilhelmshaven. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. *Kohlenversorgung und Flottenstützpunkte. Von Kontreadmiral Ed. Holzhauer. * Vierzig Jahre Schwarz- Weiß -Rot. Von Geh. Admiralitätsrat P. Koch. *Die Torpedowaffe. Von Kapitän zur See a, D. R. Wittmer, *Kricgsschiffsbesatzungen in Vergangenheit und Gegenwart. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. *Unterseebootsunfälle. Von Fregattenkapitän Mich eisen. ^Die Zusammensetzung und Taktik der Schlachtflotten. Von Kapitän zur See a. D. R. Wittmer. *Die Deutsche Eisenindustrie und die Kriegsmarine. Von P. Koch. Die wichtigsten Kanalhäfen und ihre Bedeutung für den Krieg. Von Prof. F. W. 0. Schulze-Danzig. Englands Mannschaftsersatz in Flotte und Heer. Von Prof. Dr. S p i e s. Volks- und Seewirtschaft. ^Marokko. Von Dr. Joachim Graf v. Pfeil. *Die deutsche Hochsee-Segelfischerei. Von H. Lübbert. "Der Hafen von New York. Von Professor Dr. Albrecht Penck. ^Lübeck, sein Hafen, seine Wasserstraßen. Von Dr. Franz Schulze. *Eine Wanderung durch altnie derländische Seestädte. Von Dr. W.Vo g e 1. *Die Freie Hansestadt Bremen. Von Baurat Prof. G. d. Thierry. *Die Häfen der Adria. Von Dr. N. Krebs. *Tsingtau. Von Professor Dr. Albrecht Penck. *Auf den Färöern. Von Prof. D. Dr. Edward Lehmann. *Valparaiso und die Salpeterküste. Von Dr. Rud. Lütgens. "Die festländischen Nordsee -Welthäfen. Von Dr. H, Michaelsen. "Die deutsche Seekabelpolitik. Von Dr. R. Hennig. *Das Meer als Nahrungsquelle. Von Prof. Dr. H. Henking. *Kriegsrüstung und Wirtschaftsleben. Von P, Koch. *Die großbritannische Hochseefischerei. Von H. Lübbert. *Triest und die Tauernbahn. Von Prof. Dr. F. Heiderich. *Von Singapur bis Yokohama. Von L. Mecking. *San Franzisko. Von A. Rühl. Wohlfahrtseinrichtungen in der Seefischerei. Von F, Duge. Durch die Magellanstraße, Von Gustav Goedel. * Preis 50 Pf., die übrigen Hefte kosten 60 Pf. Überland und Übersee im Wettbewerb, Von Dr. Richard Hennig, Nach Deutsch-Neuguinea, Von Dr. Walter Behrmann. Die Salpeterindustrie Chiles. Von Dr. jur. Alfred Hartwig. Die überseeische Getreideversorgung derWelt. Von Dr. Wa 1 1 e r Vo gel. Antwerpen, Von Prof, Dr. Alfred Rühl, Politische Probleme im westlichen Mittelmeer, Von Dr. P. Mohr, Deutsche Kulturarbeit im nahen Orient, Von Dr. P. Mohr. Englands Kohle und sein Überseehandel, Von Dr. R. Engelhard t. Die versiegelte Nordsee. Von Graf E. Reventlow. Der Außenhandel der Vereinigten Staaten von Amerika. Von Dipl.-Ing. Dr. Th. Schuchart. Die drahtlose Telegraphie im überseeischen Nachrichtenverkehr während des Krieges, Von Dr. Richard Hennig. Edinburg, Glasgow und Liverpool, Von Prof. Dr. Schulze, Lübeck, Die Heimsuchungen der Handelsschifiahrt durch den Krieg. Von C. Schroedter, Hamburg. Gegenwart und Zukunft der deutschen Seeschiffahrt, Von Dr. P. Stubmann. Gegenwart und Zukunft der deutschen Kolonien, (Doppelheft.) Von Prof. Hans Meyer, Leipzig. Das deutsche Kolonialreich der Zukunft, Von Fr, Hupfeld. Die Zukunft des deutschen Außenhandels, Von Prof. Dr. H. Herkner. Die Grundlagen des Ostseehandels und seine Zukunft. Von Dr. Erich Wallroth. Die deutsch- chinesischen Handelsbeziehungen. Von Geh. Ad- miralitätsrat Dr. Schrameier. Britischer Imperialismus, Von Prof. Dr. Friedr. Brie. St. Petersburg- Von Dr. Rieh. Pohle. Japan und seine Stellung in der Weltpolitik. Von Konsul A. Mosle. Wiederaufbau d, deutschen Handelsschiffahrt, Von Dr. K. Isermeyer. Die natürlichen Grenzen Rußlands, Von Prof. Dr. A. Penck. Der Reichstag und die Freiheit der Meere, Von Geh. Justizrat Prof. W. van Calker. Seeklima und Seebäder, *Die Heilkräfte des Meeres. Von Prof. Dr. Albert Eulenburg. *Land- und Seeklima. Von Dr. A. Merz. Seewesen und Schiffahrt. *Der Kompaß. Von Dr. Fr. Bidlingmaier. *Die Post auf dem Weltmeer. Von 0. Klaus. *Schiffsordnungen und Schiffsbräuche. Von Dr. Fr. Schulze, *Der Dienst des Proviantmeisters, Von Dr. G. W. v. Zahn. *Innerer Dienst an Bord, Von Dr. G.W. v. Zahn. *Auf einem Segler um Kap Hom. Von Dr. R. Lütgens. ^Nautische Vermessungen. Von Dr. E. Kohlschütter. ^Sicherheitsdienst an Bord. Von Dr. G. W. v. Zahn. *Der Fährverkehr zur See. Von Prof. Dr. G. Braun. *Auf S. M. S. „Möve". Von Kapitänleutnant Schlenzka. Das Zeppelinschiff zur See, Von Dr. Freiherr v, Gemmingen. Riesenschiffe, Von Dr. H. Michaelsen. Technik des Seewesens, *Die Entwicklung der Schiffsmaschine. Von Prof. P. Krainer, *Auf einem deutschen Kabeldampier. Von W. Stahlberg. ■"Ferngespräche über See. Von Dr. A. Ebeling. * Preis 50 Pf., die übrigen Hefte kosten 60 Pf. Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW68, Kochitr. 68—71.