2 pub Dre Zar ern ERDE WE DE LT WERL = zz .. De HE faieit Aare Bern srl Dr ah PSREEEE $ : . - aaars, . EEE Fe Ari 95a 3 rETIIEL Ar PRLIEPEHLEER.S =. Deep IH T2-7.0 men - Fa Art si Fitn Ark Pirate al (ch nt sBzSagEsitze res äs an ä u n rge ASHTON ALLIS HIS BOOK «Mn Dr . BE Ne: ENCYKLOPADIE DER NATURWISSENSCHAFTEN HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. G. JÄGER, PROF. Dr. A. KENNGOTT, PROF. DR. LADENBURG, PROF. DR. von OPPOLZER, PROF. DR. SCHENK, GEH. SCHULRATH DR. SCHLÖMILCH, PROF. DR. G. C: WITTSTEIN,. PROF: Dr: von ZEGER I ABTHEILUNG. I THEIL: HANDBUCH DER BOTANIK HERAUSGEGEBEN VON ProFEssoR Dr. A. SCHENK. BRESLAU, VERLAG VON EDUARD TREWENDT. 1882. HANDBUCH BEOUOTANTIK PROFESSOR DR. A. SCHENK. UNTER MITWIRKUNG VON PROF. DR. FERD, COHN zu BRESLAU, Pror. Dr. DETMER zu Jena, Pror. Dr. DRUDE zu DRESDEN, DR. FALKENBERG zu GÖTTINGEN, Pror. Dr. A. B. FRANK zu BERLIN, PROF. Dr. GOEBEL zu Rostock, ProFr. Dr. HABERLANDT zu GRAZ, DR. HERMANN MÜLLER zu Lippstanr, PROF. Dr. PFITZER zu HEIDELBERG, PROF. Dr. SADEBECK zu HAMBURG, Dr. W. ZOPF zu BErLm. MIT96 HOLZSCHNITTEN. ZWEITER BAND. BRESLAU, VERLAG VON EDUARD TRE WENDT. 1882. LIBRARY NEW YORK BCTANICAL hai e Das Recht der Uebersetzung bleibt vorb Inhaltsverzeichniss. Pflanzenphysiologie. I. Theil von Prof. Dr. DETMER. Einleitung Physiologie der Errährung. I. Nährstoffe der Pflanzen. 1. Assimilationsprocess Begriffsbestimmung Historisches . ae Organ der De lorigeken Thätigkeit Kohlensäure und Assimilationsprocess - Einfluss äusserer Bedingungen auf die Aa hon nergie.. Die ersten sichtbaren Assimilationsprodukte . Das Licht als Kraftquelle . . Die Entstehung der Proteinstoffe . Wesen des Processes der Proteinstoff bildung Stickstoffhaltige Nahrungsmittel . Aschenbestandtheile der Pflanzen . DEE RE Nee a Aschengehalt der Gewächse und Zusammensetzung der Pflanzenaschen . Bedeutung der Aschenbestandtheile im Allgemeinen Bedeutung der einzelnen Aschenbestandtheile . Vertretbarkeit der einzelnen Aschenbestandtheile i . Die organischen Verbindungen als Nahrungsmittel der Pflanzen Die chlorophylihaltigen Gewächse Die chlorophylifreien Gewächse II. Die Molekularkräfte der Pflanzen. . Allgemeines über die Molekularstructur organisirter pflanzlicher Gebilde . Anschauungen NÄGELTS Erweiterung der Anschauungen NÄGELTS . . Specielles über die organisirten pflanzlichen Gebilde Amylumkörner Zellhäute ; Plasmatische Gebilde E Zerstörung der Molecularstruktur ER Shenslichet Gebilde Vorbemerkungen . 6 A EN Einfluss niederer Bo sluren auf die Pflanzenzellen Einfluss höherer Temperaturen auf die Pflanzenzellen . re se Den er EFT ni Eu .“ re Be; Fe DUFT WER Fe 4 7 v an he Te re Na a 4 N a Ger Ga BR RN BEE a a at a a a an ans VI Inhaltsverzeichniss. Seite * Einfluss ‘der. Blectricität auf die Pflanzenzellen ; 1a. on ee Einfluss verschiedener Substanzen auf die Pflanzenzellen. . . 2. 2 2 22.2....64 Veränderungen der Pflanzenzellen mit zunehmenden Alter . 2 2. 2 22 202....65 4. Elementare Molecularvorgänge in den Pflanzenzelen . . . „2 2 2 2. 2.20...65 Imbitionsprotess : ..:.0 0 al hun in. ae 1) un a Alena ne A a Flüssigkeitsdiffussion und Osmose . ». . “2.2 vw euutn 00 00a De ee 12 A a FR Hultration, 02 0.208 a a N ee aa We ; Temperaturzustand der Geranlse he ea ee SE Electromotorische Wirkungen an Pflanzen . . „u 022 2a vr Protoplasmabewegungen . » u mn en > , 5. Bewegung der Gase in den Pflanzen . ». 2 - . 2 een ale nn 2 Physikalische Gesichtspunkte . . . 22 2 um. 20 ea Verhalten der Pflanzen gegen "Gase. . u u. ln lee nn N 6.. Wasseraufnahme seitens der Pflanzen . . 2 nu. 0 u u nel. Wassergehalt der Pflanzen . - . » . 2... 5: i Allgemeines über die Wasseraufnahme seitens der ae un u Aufnahme tropfbar flüssigen Wassess . - - 2» 2. 0020 2 2 ws ..n 0 Wassergasaufnahme seitens der Pflanzen. N 7. Wasserbewegung in den Pflanzen . » . 2. nn m ern de en 00 v0 Ge Allgemeines 72.0 1 el a EN we R Wurzeldruck =." 0.21... Sonn ne es N Sr Wasserbewegung in den Stammgebilden . . 2m 2 won m won Transpiration ’der' Gewächse" «47H Ye, 0 a ae aa 21 ET: Zusammenwirken des Wurzeldruckes, der Wasserbewegung, in den Starngebalden und der Transpiration .. 2 72 te 0a a u. ee Denen a 8. Mineralstoffaufnahme seitens der Pflanzen . ut... u Wa cu hu) 2 Allgemeines : 12 02.0 De ne ee Verhalten der Wurzeln in Berührung mit Nährstofflösungen . . . 2 .2.2..... 108 Verhalten der Wurzeln in Berührung mit dem Boden. . . . x» 2 = ao 0. . ıı III. Stoffwechsel im vegetabilischen Organismus. 1. Einleitende Bemerkungen . : : a... un me Begrifisbestimmung . "» vu 0 wa ta nee Te Le Wesen des Lebensprocesses . . 1. 22 u wen Allgemeine Charakteristik der Stoffwechselprocesse . . . . .» 2. u.» 2. . ı20 2. Das Verhalten der stickstoffhaltigen Verbindungen der Pflanzen . . 2. 2... ...122 Die pflanzlichen Proteinsubstanzen . . » » 2 „u nu 00 0 2) u Pflanzenpepsin und Pepton . . WW. „U. u ee Anderweitige stickstoffhaltige Verbindungen . . © . «un 2.2 0 0 U Pre Entstehung der Säureamide und Amidosäuren . . . . . u. 2 au Esser Proteinstöffregeneration. - 0: 12 00 00, 0 m un im en nun 3. Der Athmungsprocess der Planzen . . . 2 22 0.0 u wu Normale Athmung ... a nn ee Vinculationsathmung . . 2 Vene tn ee Innere Athmung . = u 0 ee ne ne N Insolationsathmung- . vu ee ee ee Wärmeentwicklung und Phosphorenz der Pflanzen. . . . . . 0.0 VL erEseEEe 4. Verhalten der stickstofffreien Verbindungen der Pflanzen. Baustoffe der Zellhaut im Allgemeinen . . 00 nur a Verhalten der Kohlehydrate. . « . 2 2 ul 0 Se nn un Verhalten der Fette . ... u. ton u le a er Weitere plastische Stoffe . .\. 0 wu ua ee 7 ua TE Inhaltsverzeichniss. Degradationsprodukte Nebenprodukte 5. Translocation plastischer Stoffe. Einleitende Bemerkungen SR: Gewebeformen, in denen die Trahelocation a. Kräfte, welche die Translocation vermitteln I. Die Algen im weitesten Sinne. von Dr. FALKENBERG. Einleitung Florideen Algen im engeren Sinne Melanophyceen . Fucaceen . Cutleriaceen . Phaeosporeen Sphacelariaeen RE EUR: Ectocarpeen, Me ieaccen, Desmarestieen GR Phyllitis, Scytosiphon, Colpomenia, Asperococcus, Punctaria . Laminarieen . Tilopterideen Dictyotaceen Chlorophyceen Characeen Confervoiden Coleochaeteen Oedogoniaceen . Sphaeropleaceen Ulotrichaceen Chladophoreen . Chaetophoreen Ulvaceen . Siphoneen Vaucheriaceen Codieen Dasycladieen Caulerpeen Protococcoideen Protocaccaceen . Palmellaceen Volvocineen . Conjugaten Zygnemaceen Desmidiaceen Mesocarpeen . Diatomaceen (Bacillariaceen) Schizophyceen Oscillariaceen Nostocaceen . Rivulariaceen Stigonemeen . Chroococcaceen . VII Seite 146 146 149 150 153 II. Die Muscineen von Professor Dr. K. GÖBEL. BE RI ne Re En N A Brabeose ee ln ee en RR: er EEE = Vegetationsorgane . . . -» ß - ET EEE TR h Bau des Vegetationspunktes, Blattbildung, RAR 2 ET En F Bildung von Brutknospen . . . re nn A An Rückblick auf die vegetative haune dir Daher en Geschlechtsorgane . . . ee Entwicklung der ae ieeifiaten Cenerilion NEE En en ee RE Keimung der Sporen .. ai... na tn Syanbiotische' Erscheinungen. „2 a... 2 wen en Er ee f Systematische Uebersicht . . . . N or en RR Fauhmoose naeh er I Eee, jun ee a Vesetattonsorgane .... .. mu lan m re ae ne are Bebensdaner vs vun a ee en Blattstellung .. . - a a a en ch 6 h Vegetationspunkt, ee ae a rn Kae Vene a 5" MAL, 1 GR Kr Beschlechtsorgane: ., „.,0u.e Den Zuender a en Eee ee BR Krümmungserscheinungen .. . 0. 0 u at ne le wein ne Systematische Debersicht. - ... 00H. ne ea Rückblick B IV. Die Bacillariaceen (Diatomaceen) 5 ’ von Professor E. PFITZER, Br = 3. ı. Das Vorkommen und äussere Ansehen der Bacillariaceen. 2. Bau der Bacillariaceen Br 3. Lebenserscheinungen der Bacillariaceen . RE Ernährung und Stoffwechsel se’; Bewegungserscheinungen Fi Ruhezustände rn B Zelltheilung . x 3 Bildung der Auxosporen - en: 4. Systematik und geographische Verbreitung Zn V. Pflanzenphysiologie. Abtheilung I. Be . von Professor Dr. DETMER. Br. - I. Physiologie des Wachsthums. 3 er 1. Einleitende Bemerkungen P Er Ernährung und Wachsthum Br, Begriffsbestimmung en Wachsthumsbedingungen a 2 2. Allgemeine Eigenschaften wachsender Pflanzentheile RER Aufzählung der Eigenschaften . Bun -. Delmbarket und’ Blasticitatz 2 1 ve er ER | Erschütterungskrümmungen . an 3. Theorie des Wachsthumsprocesses Turgor u Tr N 2 ER en Ursprung der bei der Imbition sowie beim Turgor zur Geltung Br Flächenwachsthum der Zellhäute . ; 2 h Ber Dickenwachsthum der Zellhäute, Wachsthum ng Stärkekörner, : R; R Verhältniss des Wachsthums zur Zelltheilung . B ag er Inhaltsverzeichniss. IX Fi Seite je BEEWEHEFBannUnE REN. EB EN a nn ee 469 4 BEEISE ERUNE ee Ae eee fee e ana ge | Grundursachen der Spannungserscheinungen der Pflanzen . 2 2 2 2 20 0020...470 | Erscheinungen der Gewebespannung . . Fe ker Ar RR KR ALTER | Veränderungen der Spannungsintensitäten . » > nn non nenn 474 | II. Die durch innere Wachsthumsbedingungen hervorgerufenen Wachsthums- | erscheinungen. | 1. Wachsthumsgeschwindigkeit und Torsionserscheinungen. | De heihumsseschwindigkeit rl. nn rn ee ee ATI Br chamungen.. 9 ee De a re et a RAS 2. Grosse Wachsthumsperiode N ER ie Bruno ‚der Frscheinungen.. ... cn u ae ee ne je ee DAR Brsachen der srossen Wachsthumsperiode . 2.0. un nmel ne 485 3. Spontane Nutationserscheinungen im Pflanzenreiche . » 2 2 2 2 nn nn 487 Allsemeinesen.. au. de 0 nn, : 487 Bund Epinastie ...: vu nat He ee BEnIneRTERNUtatlone u ee Eee AO Rotirende Nutation und Winden der Schlingpflanzen . . .» » 2 2 a 20200. .490 - MI. Die nothwendigen Wachsthumsbedingungen und der Einfluss äusserer Verhältnisse E auf das Wachsthum. { =. Die nothwendigen Wachsthumsbedingungen. . » : 2 2. nun men nn = 493 BeeNahustofe und das«Wachsthum 1: un na ae een 495 Allmnungsprocess und das’ Wachsthum. » . . 2. » In 02. anal mn 012 495 { Wassergehalt der Pflanzen und das Wachsthum . . » 2. 2 nn an 020. 497 Eintusszder Temperatur auf das Wachsthum 2.0. . ru au. nu 499 ir 2. Beeinflussung des Wachsthums durch Druck und Dehnung . . » 2 20.2.02....504 N a alla ee a Se er ae EEE er HRanken. ch. Tan TRENNEN ee ET \ Bewegungen der Blätter von Drosera und andern Pflanzen. . » 2 2 2. . 511 | 3. Wirkung der Gravitation auf das Wachsthum der Pflanzen . . . . RR NEON 512 EÜBETENRER. aka Aa, OR er rk RE Bee OR ch - Specielles über das Verhalten positiv geotropischer Organe . . 2 220.0. 516, | Specielles über das Verhalten negativ geotropischer Organe . . . 2. 20.0. 517 Bizehen® Seotropischer Krümmungen „2. Et y Einige weitere Wirkungen der Schwerkraft auf das Wachsthum . . . 2.2... 520 | 4. Einfluss der Beleuchtungsverhältnisse auf das Wachsthum der Pflanzen . . . . . 521 NIE EIDER U rn. ya ee 1a eigen ee, ee ee ER ET ZET SEES SLSETENIE en er BR, EAN ERT GE ger A sr a HERRN ee ln ‚Einfluss des Beleuchtungswechsels auf das Pflanzenwachsthum . . . 2. .......525 | Eiekotropische Erscheinungen im Pflanzenreiche 2 mn nn 527 j Specielles über das Verhalten heliotropischer Pflanzenthele . . 2 2 2 2.0... 530 Birsachen der heliotropischen Krümmungen . ns en 5532 Die durch Licht sowie Temperaturschwankungen bedingten Bewegungen wachsender Better und Blüithentheile, > 2.0 u um an a N IV. Die natürliche Richtung der Pflanzentheile. Bemisotmopie und: Festigung der Pflanzentheile,. 7.2 12 nm u nn I 54o Be rapıei.der Eilanzentheile:, Hr mtr alt re a re BE ent der. Pllanzentheile: -... . .. ".. nn tn ey an le a al hr te FE 2@=Specielles über die natürliche Richtung der’ Pflanzentheille . . nn, 543 Br enhichen: Momente <27 vs ee Ne EL NEN RER nn Specielles über die natürliche Richtung der Pflanzenthele . . 2 . nn ni. 544 Inhaltsverzeichniss. V. Die Variationsbewegungen der Pflanzen. 1. Constatirung der Erscheinungen Einleitende Bemerkungen Ay Die verschiedenen Formen der RS BAR ENTIeh Einfluss äusserer Verhältnisse auf die Variationsbewegungen 2. Ursachen der Variationsbewegungen . Die spontanen Variationsbewegungen > ee Die durch Veränderung der Beleuchtung indie Variationsbewegungen ü \ v) a UNR Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe von Dr. G. HABERLANDT. I. a . Das Princip der Arbeitstheilung - \ AT . Die anatomisch-physiologische Betrachtungsweise ae Gewebe 3. Die anatomisch-physiologischen Gewebesysteme II. Das Hautsystem. EBELTHETTEHS 1 EU RT N NEE NEN # Begriffsbestimmung A har b) Bau und Function der Eoiderane. ERERNE Bu Anhangsgebilde der Epidermis . . Das Periderm 2 A. Begriffsbestimmung ; B. Bau und Function des De 2 . Der Kork - 2. Das Phellogen . Die Borke . A a. Die a eersechte = Estee Das mechanische System. . Die mechanischen Zellen DER A. Morphologie der mechanischen Zellen - B. Elastizität und Festigkeit der mechanischen Zellen 2. Die mechanischen Bauprincipien A. Die Biegungsfestigkeit B. Die Zugfestigkeit C. Die Druckfestigkeit So 3. Anordnung der mechanischen Gewebe A. Herstellung der Biegungsfestigkeit 1. Cylindrische Organe a) System der subepidermalen Rippen b) System der zusammengesetzten peripherischen Träger c) System der subcorticalen Fibrovasalstränge zuweilen mit Vermelzung in tangen- gentialer und radialer Richtung ee. : d) System des einfachen Hohlcylinders mit eingebetteten oder Mestom- strängen a are Ka e) System des gerippten Hohlcylinders mit Anschluss der Rippen an die Epidermis 2. Bilaterale Organe ER : . Die mechanischen Einrichtungen zur E ling: a (Juerschnittsform . WS 4. Die mechanischen Einrichtungen für den intercelaren Aufbau B. Herstellung der Zugfestigkeit . C. Herstellung der Druckfestigkeit 1. Festigkeit gegen radialen Druck 2. Festigkeit gegen longitudinalen Druck 619 622 622 ER Br nn Ba a — . II. Inhaltsverzeichniss. D. Herstellung der Schubfestigkeit . Die Beziehungen des mechanischen zu pe un "Geweben . Die Beziehungen zum Hautsystem 2. Die Beziehungen zum Assimilationssystem 3. Die Beziehungen zum Leitungssystem . Die Entwickelungsgeschichte des mechanischen ee. 1. Entstehung des Stereoms aus dem Cambium 2. Entstehung des Stereoms aus dem Protoderm 3. "Entstehung des Stereoms aus dem Grundparenchym 4. Entwickelungsgeschichte der einzelnen Stereide . IV. Das Ernährungssystem. Das Assimilationssystem ah a oe 2 A. Die assimilirenden Zellen 1. Die Zellformen . e 2. Die Chlorophyllkörper 3. Die Zellwände 3 ER B. Der anatomische Bau des a 1. Das Bauprincip der Oberflächenvergrösserung 2. Das Bauprincip der Stoffableitung auf kürzestem Wege a) Das Assimilationsgewebe zugleich Ableitungsgewebe b) Assimilationsgewebe und Ableitungsgewebe vorhanden . RR c) Assimilationsgewebe, Zuleitungsgewebe und Ableitungsgewebe vorhanden C. Die Beziehungen der Assimilationsgewebe zum Lichte D. Die Entwickelungsgeschichte des Assimilationssystems Das Leitungssystem . A. Die Leitung des Wassers . Die verholzten Zellwände 2. Die Gefässe . & B. Die Leitung der Nährsalze ei een ile C. Die Leitung der plastischen Bildungsstoffe 1. Die stickstofflosen Baustofie 2. Die stickstoffhaltigen Baustoffe D. Bau und Anordnung des Leitungssystems E. Ausbildung des Leitungssystems bei verringerten oder gesteigerten Ansprüchen des Leitungsvermögens Se: F. Entwickelungsgeschichte des Leitungssystems 1. Die Gefässbündel 2. Das Leitparenchym III. Das Durchlüftungssystem A. Ausbildung und Vertheilung der Tnschläftunestäune i B. Ausgänge des Durchlüftungssystems 1. Die Spaltöffnungen le rer a) Bau und Mechanik des Spaltöffnungsapparates 22 Base ei b) Sonstige Beziehungen des Baues und der Lage der Spaltöffnungen . ce) Vorkommen und Vertheilung der Spaltöffnungen . d) Functionswechsel der Spaltöffnungen . e) Die Nebenzellen des Spaltöffnungsapparates 2. Die Lenticellen . : Die a kcinbsgesthichte a ee nnessysteme RN * EA SHNTEN + System der Pflanzenphysiologie. Von Dr. W. Detmer, Professor an der Universität Jena. Einleitung. DD: Pflanzenphysiologie hat einerseits die Aufgabe, gewisse Phänomene, welche in Folge des Lebensprozesses der Gewächse hervortreten, zu con- statiren; vor allen Dingen sucht die Pflanzenphysiologie aber andererseits Auf- schluss über die den normalen Lebenserscheinungen der vegetabilischen Organis- men zu Grunde liegenden Ursachen zu gewähren. In Folge des Lebensprozesses erfahren die chemischen Bestandtheile der Pflanzen, die in den vegetabilischen Organismen zur Geltung kommenden Kräfte sowie die Formen einzelner Zellen oder gesammter Pflanzenglieder gewisse Ver- änderungen, und die Pflanzenphysiologie hat also insbesondere die Ursachen fest- zustellen, welche diese Veränderungen bedingen. Während man früher von der Vorstellung ausging, dass in den Organismen eine ganz besondere Kraft, die Lebenskraft nämlich, thätig sei, sucht man heute einer anderen Anschauung eine tiefere Begründung zu verleihen, wonach die materiellen Veränderungen in den Organismen durch dieselben Kräfte bedingt werden und nach den nämlichen Gesetzen erfolgen wie diejenigen Veränderungen, welche unbelebte Körper erfahren können. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dass es bereits heute möglich ist, das Räthsel des Lebensprozesses zu enthüllen. Unsere Kenntniss von den Lebensvor- gängen der Pflanzen ist vielmehr noch immer eine sehr geringe und lückenhafte, aber die physikalisch-chemische Behandlung physiologischer Probleme schafft allein das sichere Fundament, auf welchem die Wissenschaft mit Aussicht auf Erfolg weiter bauen kann. Die Pflanzenphysiologie hat es, da die meisten Gewächse (abgesehen von den Pilzen sowie einigen höher organisirten Pflanzen) Chlorophyll in gewissen Zellen ihrer oberirdischen Organe führen, vor allen Dingen mit der Erforschung des Lebensprozesses der grünen Organismen zu thun. In den folgenden Darstellungen werden übrigens die physiologischen Vorgänge im Organismus chlorophylifreier Pflanzen an geeigneter Stelle Berücksichtigung erfahren. Was die Behandlung des Stoftes anbelangt, so habe ich mich bemüht, die-, selbe in streng systematischer Weise durchzuführen, wie ich dies ebenfalls in meinen Vorlesungen über Experimentalphysiologie der Pflanzen thue. Ich meine, dass dies Verfahren der vorliegenden Schrift nicht zum Nachtheil gereichen wird, trotzdem der mir zur Disposition stehende beschränkte Raum, SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II, I 2 System der Pflanzenphysiologie. ausschliesslich ein näheres Eingehen auf die wichtigsten Probleme der Pflanzen- physiologie zuliess.!) Endlich sei noch bemerkt, dass ich namentlich den Darstellungen im dritten Abschnitte die von mir bereits an anderer Stelle specieller behandelte Dissociationshypothese zu Grunde gelegt habe, wonach die lebendigen Eiweiss- moleküle oder Lebenseinheiten des lebensthätigen Plasma unter allen Umständen in stickstoffhaltige sowie stickstofffreie Atomgruppen zerfallen. Physiologie der Ernährung. Erster Abschnitt. Die Nährstoffe der Pflanzen Erstes Kapitel. Der Assimilationsprozess. $ ı. Begriffsbestimmung. — Den chlorophyllhaltigen Pflanzenzellen fällt im Haushalte der Natur die überaus bedeutungsvolle Aufgabe zu, aus an- organischem Material organische Substanz zu erzeugen. Die producirten organischen Verbindungen können vielfältigen Veränderungen unterliegen, und sie liefern in erster Linie das Material zur Bildung der Zellenbestandtheile der chlorophyliführenden Pflanzen selbst, der chlorophylifreien Gewächse sowie der animalischen Organismen. Dass den einen grünen Farbstoff führenden Zellen in der That jene Fähigkeit zukommt, aus rein anorganischem Material organische Substanzen?) zu bilden, oder dass sie, wie man kurzweg sagt, assimiliren können, lässt sich sehr leicht nachweisen. Man braucht nur die Samen grüner Pflanzen in ein Bodenmaterial, welches völlig frei von organischen Stoffen ist, etwa in ausgeglühten Sand, auszusäen, dem Boden hinreichende Wasserquantitäten, sowie genügende Mengen gewisser anorganischer Salze zuzuführen, und die sich ent- wickelnden Untersuchungsobjecte geeigneten Vegetationsbedingungen (hinreichend hoher Temperatur, sowie günstigen Beleuchtungsverhältnissen) auszusetzen, um zu beobachten, dass der Gehalt der Pflanzen an organischen Stoffen alsbald ein viel bedeutenderer ist, als derjenige der ruhenden Samen ursprünglich war. Als organische Bestandtheile des vegetabilischen Organismus sind stickstoff- freie, sowie stickstoffhaltige Verbindungen anzusehen. Diese letzteren lassen wir einstweilen ausser Acht, denn es wird sich im Laufe unserer Darstellungen zeigen, dass ihre Entstehung das Vorhandensein organischer Körper in den Pflanzen- ") Die gesammte Pflanzenphysiologie gliedert sich in die Physiologie der Ernährung, die Physiologie des Wachsthums und die Physiologie der Fortpflanzung. Hier soll zunächst allein die Physiologie der Ernährung behandelt werden. ?) Wenn in diesem Buche von organischen Stoffen die Rede ist, so sind stets solche kohlen- stoffhaltige Verbindungen darunter zu verstehen, die verbrannt werden können. Danach ist allein die Kohlensäure als anorganische kohlenstoffhaltige Verbindung aufzufassen. Für die ferneren Auseinandersetzungen ist es von principieller Bedeutung, das soeben Gesagte niemals aus dem Auge zu lassen. I. Abschnitt. ı. Der Assimilationsprozess. 3 zellen voraussetzt. Für uns handelt es sich zunächst darum, die Fragen nach der Entstehung stickstofffreier organischer Substanzen ins Auge zu fassen. Da alle organischen Stoffe Kohlenstoff enthalten, solchen Pflanzen aber, die sich, in ausgeglühtem Sande wurzelnd, entwickeln, allein die Kohlensäure der Atmosphäre als kohlenstoffhaltiges Nahrungsmittel bei der thatsächlich erfolgenden Production von organischer Substanz zur Disposition steht, so ergiebt sich, dass eben die Kohlensäure für das Zustandekommen des Assimilationsprozesses von grösster Bedeutung sein muss. Neben der Kohlensäure beansprucht das Wasser als ein Körper, der für die Production organischer Substanz in der Pflanze unentbehrlich ist, unser besonderes Interesse, und es ist als eine unzweifelhaft feststehende Thatsache anzusehen, dass gewisse Pflanzenzellen aus Kohlensäure, sowie Wasser, also aus rein anor- ganischen Verbindungen, stickstofffreie organische Körper zu erzeugen im Stande sind. Wenn hiermit das Wesen des Assimilationsprozesses bezeichnet ist, so sind im Folgenden die Merkmale näher angegeben, welche für den in Rede stehen- den Vorgang charakteristisch erscheinen: 1. Die Assimilation kann ausschliesslich in der chlorophyllhaltigen Pflanzen- zelle erfolgen; 2. Assimilation ist nur unter dem Einflusse des Lichtes möglich; 3. Der Assimilationsprozess ist immer mit Sauerstoffabscheidung verbunden; 4. In Folge der Assimilation wird das Trockengewicht der Pflanzen vermehrt; 5. In Folge des Assimilationsprozesses geht die actuelle Energie (lebendige Kraft) des Lichtes in potentielle Energie (chemische Spannkraft) der gebildeten organischen Substanz einerseits und des abgeschiedenen Sauerstoffes anderer- seits über.t) S 2. Historisches. — Es hat sehr vieler Forschungen bedurft, um diejenigen Thatsachen, welche im vorigen Paragraphen zur Kenntniss gebracht worden sind, absolut sicher zu stellen, und der Gegenstand, mit dem wir uns zunächst zu be- schäftigen haben, besitzt eine so fundamentale Bedeutung für die gesammte Pflanzenphysiologie, dass es geboten erscheint, an dieser Stelle einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung der Anschauungen über den Assimilationsprozess zu werfen. Als eigentlicher Begründer der Lehre von der Assimilation ist INGENHOUSZ anzusehen, denn durch die Arbeiten BonnEtT’s sowie PRIESTLEY’s über das Ver- halten der Pflanzen ın Contact mit der Luft, ıst dieselbe direkt nicht wesent- lich gefördert worden. Bonner?) hatte beobachtet, dass Blätter, die unter Wasser dem Sonnenlicht ausgesetzt werden, Gasblasen abscheiden. Mit dieser Beobachtung wusste BONNET übrigens nicht viel anzufangen, er glaubte, dass das erwähnte Phänomen eine Folge der Wärmewirkung der Sonnenstrahlen wäre. Werden Blätter unter Wasser getaucht, so sind die Pflanzentheile allerdings von einer Luftschicht überzogen, und diese Luft kann in der That unter dem Einflusse der Wärmestrahlen in Form von Gasblasen entweichen. Aber der Umstand, dass viele Blätter, wenn sie insolirt werden, sehr erhebliche Gasmengen zur Ab- scheidung gelangen lassen, hätte bereits BOonNnET zu der Ueberzeugung führen müssen, dass die von ihm geltend gemachten Anschauungen nicht zur Erklärung 1) Zu dem Assimilationsprozesse in einem gewissen Gegensatze stehen die Stoffwechsel- vorgänge. Vergl. darüber die Darstellungen zu Beginn des 3. Abschnittes. 2) Vergl. BOnnET, Recherches sur l’usage des feuilles etc. Deutsch von ARNOLD 1762. pag I5. ı* x KL ET en . 4 - - er s * eV Br De 4 System der Pflanzenphysiologie. des beobachteten Phänomens ausreichten. Erst InGenHousz!) blieb es vorbe- halten, auf Grund der Resultate verschiedener Experimente den Satz auszusprechen, dass die Gasabscheidung aus Pflanzentheilen durch das Sonnenlicht als solches und nicht durch die Wärmewirkung der Sonnenstrahlen bedingt werde. Die Pflanzen sind nach INGENHoUSZ im Stande, die »verdorbene Luft, welche durch Thiere, brennende Kerzen oder selbst durch Gewächse erzeugt worden ist, »zu verbessern.«< Der genannte Forscher weist aber immer wieder darauf hin, dass dies nur am Tage geschehe, und dass nur die grünen Pflanzentheile im Stande seien, dephlogistirend zu wirken. Die Luft ist, wie InGEnHousz besonders betont, als ein wichtiges Nahrungsmittel der Pflanzen anzusehen, und sie wird insbesondere von den oberirdischen Theilen der Gewächse eingesogen, während die Wurzeln die Bestimmung haben, Feuchtigkeit, Salze etc. aufzu- nehmen. InGENHOUSz, ursprünglich ein Anhänger der phlogistischen Theorie, säumte nicht, als er mit den grossartigen Entdeckungen, die am Ende des vorigen Jahr- hunderts auf dem Gebiete der Chemie gefördert worden waren, bekannt wurde seine Anschauungen über das Verhalten der Pflanzen der Luft gegenüber, mit den neu gewonnenen Ergebnissen chemischer Forschung in Einklang zu bringen. Im Jahre 1796 veröffentlichte INGENHoUsZz eine kleine Schrift,2) in welcher der- selbe betont, dass die grünen Pflanzentheile im Sonnenlicht die Kohlensäure der Luft zu zersetzen vermögen. Der Sauerstoff wird abgeschieden, während der Kohlenstoff im vegetabilischen Organismus zurückbleibt. Die Kohlensäure der Atmosphäre wird als hauptsächlichste Kohlenstoffquelle für die Vegetation an- gesehen. Noch bevor InGEnHouUsz die zuletzt erwähnte Schrift publicirt hatte, gab SENNEBIER®?) zwei Bände physikalisch-chemischer Abhandlungen heraus, in welchen er unter Hinweis auf die Arbeiten von INGENHoUSz die Resultate seiner eigenen Untersuchungen über die hier in Rede stehenden Verhältnisse mittheilt. Dieselben stimmen in allen wesentlichen Punkten, mit denjenigen überein, welche von INGENHOUSZ gewonnen worden waren, und SENNEBIER hat es ebenso späterhin nicht unterlassen, seine Ansichten über den Assimilationsprozess und anderweitige physiologische Prozesse, die im vegetabilischen Organismus zur Geltung kommen, in sehr umständlicher Weise vom Standpunkte der neueren Chemie zu beleuchten.?) Im Jahre 1804 erschien nun ein berühmt gewordenes Werk 'THEODORE DE SAUSSURE’s,’) in welchem der Verfasser die wichtigsten Probleme der Ernährungs- physiologie der Pflanzen mit bewunderungswürdiger Einsicht und Klarheit be- leuchtet. Hatten InGEnHoUsz und SENNEBIER die Fragen, welche sich auf die Assımilation beziehen, nur ganz im Allgemeinen behandelt, so ging SAUSSURE auf das Detail ein. Jenen Männern war die quantitative Methode fast fremd geblieben; ') Ingenhousz veröffentlichte seine wichtigen Untersuchungsresultate in seinem Werke: Experiments upon vegetables etc. Mir steht die von SCHERER in den Jahren 1786—88 in 2 Bänden herausgegebene Ausgabe dieses Buches zur Disposition. ?) Vergl. InGenHousz, Die Ernährung der Pflanzen und die Fruchtbarkeit des Bodens. Deutsch v. FISCHER. Leipzig 1798. %) Vergl. SENNEBIER, Physikalisch-chem. Abhandlungen über den Einfluss des Sonnen- lichtes auf alle drei Reiche der Natur. 2 Bände. Leipzig 1785. #) Vergl. SENNEBIER, Physiologie vöge£tale. >) Vergl. Saussur£, Recherches chimiques sur la v&g&tation. 1804. jet - . I. Abschnitt. ı. Der Assimilationsprozess. 5 für Saussure bildete sie das wichtigste Hülfsmittel zur Erforschung derErscheinungen und ihrer Ursachen. SAaussuUrRE constatirte, dass Pflanzen, deren Wurzeln sich im Wasser entwickelten, deren oberirdische, grüne Organe sich aber mit der Luft in Contact befanden, eine Bereicherung an Trockensubstanz resp. Kohlenstoff erfuhren. Nach Saussur& ist die Kohlensäure der Atmosphäre als wichtigste Kohlenstoffquelle für die Vegetation anzusehen, und jenes Gas wird neben dem Wasser in den grünen Pflanzenzellen unter dem Einflusse des Lichtes zur Bildung organischer Substanzen verwendet. Unglücklicherweise hat der berühmte Genfer Gelehrte einige Experimente angestellt, deren Resultate ihn zu der Ansicht führten, dass ein gewisser, wenngleich geringer Theil der organischen Substanzen des Pflanzenleibes aus organischen (humosen) Körpern, welche die Pflanzen mit Hülfe ihrer Wurzeln aufgenommen haben, entstehen könnte. Es ist zu bedauern, dass gerade auf das Ergebniss dieser Experimente SAUSSURE’s von verschiedenen Männern, die sich mit den Fragen nach den Ernährungsvorgängen der Pflanzen beschäftigten, ein so übergrosses Gewicht gelegt wurde. In Folge dessen geriethen die Beobachtungsresultate von INGENHOUSZ, SENNEBIER sowie von SAUSSURE über die Kohlensäurezersetzung seitens der grünen Pflanzenzellen mehr und mehr in Vergessenheit. Dafür bildete sich aber die Humustheorie aus, ein Umstand, der von den nachtheiligsten Folgen für die Weiterentwicklung unserer Wissenschaft geworden ist. THAER!) stellte den Satz auf, indem er sich zumal auf die Saussurr’schen Beobachtungen sowie auf gewisse Erfahrungen der Praktiker berief, dass der Humus des Bodens neben dem Wasser als Hauptnahrungsmittel der Pflanzen angesehen werden müsse. Er legte der Kohlensäure der Luft keine Bedeutung als Kohlen- stoffquelle für die Vegetation bei, und ganz Aehnliches geschah während der ersten Decennien unseres Jahrhunderts selbst von Seiten der Botaniker in mehr oder minder ausgeprägter Weise.?2) Es liegt auf der Hand, dass die Pflanzen- physiologie zu einer Zeit, in der man nicht einmal über die wichtigsten Pro- zesse, die im vegetabilischen Organismus zur Geltung kommen, gehörig unter- richtet war, keine grossen Fortschritte machen konnte. Dazu kommt noch, dass die Annahme von der Existenz der Lebenskraft in jener Zeit eine grosse Rolle in der Physiologie spielte und sich echter Forschung hindernd in den Weg stellte. Erst im Jahre 1840, als LiesiG die erste Auflage seines berühmten Werkes: »Die Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie« herausgab, wurde Klarheit in die auf dem Gebiete der Ernährungsphysiologie herrschende Verwirrung gebracht. Für uns ist dies hier vor allen Dingen von Bedeutung, dass LießiG mit aller Entschiedenheit die Ansicht vertritt, wonach nicht der Humus, sondern die Kohlensäure der Atmosphäre als wichtigste Kohlenstoffquelle für die Vegetation anzusehen ist. Der Humus ist, so hebt LiesıG besonders her- vor, doch unzweifelhaft als ein Zersetzungsprodukt vegetabilischer Massen anzu- sehen. Er konnte sich erst bilden, als die ersten Pflanzen sich entwickelt hatten. Woher sollen nun diese Gewächse ihren Kohlenstoff genommen haben???) Ueber- dies betont Liesıc, dass die im Boden vorhandenen humosen Stoffe im Allge- D) Vergl. THAER, Grundsätze d. rationellen Landwirthschaft. 1809. 2) Man vergl. z. B. TREVIRANUS (Physiologie d. Gewächse, 1835—1838) und MEvEN (Neues System der Pflanzenphysiologie. 1837— 1839). 3) Dieser Ausführung stehen übrigens einige Bedenken gegenüber, auf die ich jedoch nicht näher eingehen will. 6 System der Pflanzenphysiologie. meinen sehr schwer in Wasser löslich sind, also den Pflanzenwurzeln überhaupt nur in beschränkter Quantität zur Disposition stehen, und dass ein üppiger Pflanzen- wuchs nicht dazu beiträgt, wie man vom Standpunkte der Humustheorie aus erwarten sollte, den Humusgehalt des Bodens zu vermindern, sondern ganz im Gegentheil den Humusgehalt des Bodens steigert. LıiesıG's Werk machte sehr grosses Aufsehen in der wissenschaftlichen Welt, aber alsbald erhoben sich viele Stimmen gegen ihn. So haben HLuBECK, THÜNEN, MULDER und andere ver- sucht, die Humustheorie mehr oder weniger aufrecht zu erhalten, und es entspann sich zwischen LiEBIG und seinen Gegnern ein lebhafter Streit über die uns hier speziell interessirenden sowie viele anderweitige Verhältnisse. Die Wahrheit ging siegreich aus diesem Streite hervor; man gelangte, namentlich unter Berücksich- tigung der Ergebnisse solcher Experimente, bei deren Ausführung man den Pflanzen keine organischen Stoffe zur Aufnahme darbot, immer mehr zu der Einsicht, dass die Kohlensäure als wichtigstes kohlenstoffhaltiges Nahrungsmittel der grünen Pflanzen anzusehen sei, und davon ausgehend, sind in Laufe der neuesten Zeit viele und sehr gründliche Untersuchungen über den Assimilations- prozess ausgeführt worden, die wir später kennen lernen werden. S 3. Das Organ der assimilatorischen Thätigkeit. a) Allgemeines. Als Organ der assimilatorischen Thätigkeit sind die Chlorophylikörper anzusehen. Dieselben kommen in den verschiedensten Pflanzen vor, und ihr Auftreten ist keineswegs auf ein bestimmtes Organ beschränkt. Alle Algen, mögen dieselben aus einer Zelle oder aus vielen Zellen bestehen, führen Chlorophylikörper und können in Folge dessen assimiliren. Wenn der gesammte vegetabilische Organis- mus nur eine einzige Zelle repräsentirt, so müssen sich selbstverständlich die sämmtlichen Lebensthätigkeiten der Pflanze in dieser einen Zelle abwickeln. Bei den höheren Pflanzen, zumal den Phanerogamen, ist dagegen eine weitgehende Arbeitstheilung zu constatiren. Gewisse Organe dienen dazu, dem Boden Wasser sowie Mineralstoffe zu entziehen, andere haben die Fortpflanzung zu besorgen, wieder andere sind bestimmt, aus Kohlensäure und Wasser organische Körper zu erzeugen, also zu assimiliren etc. Und zwar erscheinen, wie auf den ersten Blick ersichtlich, vor allen Dingen die eigentlichen Laubblätter für diesen Zweck geeignet, denn sie bieten der Atmosphäre durch ihre gesammte Organisation eine grosse Oberfläche dar, sie können daher reichliche Kohlensäurequantitäten auf- nehmen und in Folge ihres bedeutenden Chorophyligehaltes eine lebhafte Kohlen- säurezersetzung unterhalten. Uebrigens ist nicht zu übersehen, dass sehr allgemeinan ein und derselben Pflanze nicht nur die Laubblätter, sondern ebenso die grünen Gewebe anderweitiger Organe, z. B. der Stengeltheile oder unreifer Früchte, assi- milatorisch thätig sind, wenngleich nicht in dem Maasse wie die Blätter. Wenn den Pflanzen die grünen Laubblätter fehlen, wie es bei Zgwisetum, Ephedra, Rus- cus und anderen Gewächsen der Fall ist, so übernehmen die grünen Stammgebilde die Functionen der Blätter und erzeugen in ihren Zellen reichliche Mengen organischer Substanzen. Die Chlorophyllkörper entstehen stets im Protoplasma. Sie besitzen nur bei den Algen mannigfaltige Gestalten. In den Zellen der höheren Gewächse erscheinen sie als rundliche oder polyädrische Gebilde und werden dann als Chlorophyllkörner bezeichnet. Es ist von grosser Bedeutung, dass die Chlorophylikörper aus einer proto- plasmatischen Grundmasse und einem Farbstoffgemenge, welches der ersteren imprägnirt ist, bestehen. Die Grundmasse an sich zeigt alle Reactionen I. Abschnitt. ı. Der Assimilationsprozess. | 7 der Protäinstoffe, und über die Bildung der Chlorophylikörper hat sich Sachs, nachdem von Grıs!) sowie anderen Forschern schon einige Untersuchungen über die Entstehung dieser Zellenbestandtheile ausgeführt worden waren, wie folgt ausgesprochen‘?) »Niemals entstehen Chlorophylikörner im Zellsaft, sondern immer im Proto- plasma selbst. In der Substanz des letzteren bilden sich, zwischen seinen Mole- külen zerstreut, Substanztheilchen von wenigstens zweierlei Art; nämlich solche von eiweissartiger Natur und solche eines Chromogens, welches den Chlorophyllfarbstoff liefert. Beiderlei Moleküle, anfangs im Protoplasma gleichmässig vertheilt, sammeln sich später um bestimmte Anziehungspunkte, wobei sie sich von denen des Proto- plasma selbst mehr und mehr absondern und unter sich zusammenlagern, Chloro- phylikörner bilden.« Die Stärkekörner, welche, wie später ausführlicher gezeigt werden soll, in Folge des Assimilationsprozesses in den Chlorophylikörpern entstehen, haben gewöhnlich nichts mit der Bildung derselben zu thun. Nur in bestimmten Fällen, allerdings nach den neueren Untersuchungen von G. HABERLANDT®) und anderer Beobachter häufiger, als man früher annahm, erfolgt die Bildung der Chlorophylikörner nicht derartig, dass sich Plasmamassen um bestimmte Bildungsmittelpunkte, die aber keine Stärkekörner sind, ansammeln und unter normalen Verhältnissen ergrünen, sondern in anderer Weise. Bei Beginn der Keimung der Samen von PAaseolus vulgaris treten z. B. in den Epidermiszellen der Cotyledonen, die vorher stärkefrei waren, alsbald Amylumkörner auf. Diese umgeben sich mit ergrünendem Protoplasma und die auf diese Weise entstandenen Chlorophylikörner können sich nun fernerhin genau so wie die entsprechenden, auf anderem Wege entstandenen Gebilde verhalten. Die Stärke kann aus den Körnern verschwinden; dieselben sind im Stande sich zu theilen und assimilatorische Thätigkeit geltend zu machen. Manche Pflanzen und Pflanzentheile zeigen keine grüne Farbe, enthalten aber dennoch Chlorophyll und sind in Folge dessen im Stande, zu assimiliren. So ist es bei vielen Algen, indem nämlich die protoplasmatische Grundmasse der Chlorophylikörper neben dem grünen Chlorophylifarbstoff noch mit Chromo- genen von anderer Farbe imprägnirt ist, wodurch eben die grüne Färbung des ersteren Farbstoffes verdeckt wird. Die blaugrünen Phycochromaceen führen in ihren Chlorophylikörpern neben Chlorophyll einen in Wasser löslichen Farbstoff (wahrscheinlich ein Farbstoffgemisch), das Phycochrom. In den Chlorophylikörpern der Florideen hat man einen in Wasser löslichen Körper, das Phycoerythrin, der die rothe Farbe jener Algen bedingt, entdeckt. Die Fucaceen und Diatomeen führen einen in Alkohol löslichen braungelben Farbstoff in ihren Chlorophyll- körpern. Ebenso hat WıEsner®) in den Zellen des Haut- und Grundgewebes von ‚Neottia nidus avis und der Orobanchen bräunliche Farbstoftkörperchen entdeckt, die sich bei der Behandlung der Pflanzengewebe mit Alkohol, Aether oder Benzin grün färben. Der braune Farbstoff ist leichter in jenen Flüssigkeiten löslich als der grüne. Dieser letztere ist mit dem Chlorophyll identisch, und DruDE hat sogar constatiren können, dass die Neoffia nidus avis im Stande ist, schwach zu assimiliren. I) Vergl. Grıs, Annal. d. sc. nat. 1857. T. 7 pag. 179. 2) Vergl. Sachs, Handbuch d. Experimentalphysiologie d. Pflanzen. pag. 315. 3) Vergl. G. HABERLANDT, Botan. Zeitung 1877» pag. 362. 4) Vergl. WIESNER, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissensch. Botanik. 8. Bd. pag. 576. 8 System der Pflanzenphysiologie. Manche chlorophyllreiche Laubblätter erscheinen nicht grün, weil ihre chlorophyliführenden Zellen selbst noch anderweitige Farbstoffe (im Zellsaft gelöste) enthalten, oder weil sie von einer besondere Farbstoffe führenden Epidermis überzogen werden. Das letztere ist z. B. bei den jüngeren Pflanzen von Afriplex hortensis der Fall, und es genügt hier, die rothe Epidermis von den Blättern zu entfernen, um die grüne Färbung der Mesophyllzellen sofort zu erkennen. Auch die rothblätterigen Varietäten von Corylus sowie Fagus lassen das Vor- handensein des Chlorophylis nur in Folge der Gegenwart anderer Farbstoffe nicht unmittelbar erkennen; die bunten Blätter der Pflanzen sind aber, wie CORENWIEDER!) fand, im Stande, Kohlensäure zu zerlegen, weil sie, wie CLoEz2) besonders nachwies, Chlorophyll führen. Ueberhaupt haben alle bezüglichen Untersuchungen ergeben, dass nur chlorophyllhaltige Pflanzentheile assimiliren können, und dass die Energie, mit der die Assimilation stattfindet, in genauester Beziehung zu dem Chlorophyligehalt der Pflanzentheile steht. b) Das optische Verhalten des Chlorophyllfarbstoffes. Ueber das optische Verhalten des Chlorophylifarbstoffes liegen sehr viele Untersuchungen vor. Es kann hier keineswegs unsere Aufgabe sein, die Resultate derselben nur einigermaassen eingehend zu behandeln; vielmehr kommt es allein darauf an, auf einige der wichtigsten Ergebnisse, die man bei dem Studium des grünen Farbstoffes, welcher sich in Verbindung mit einer protoplasmatischen Grundmasse in den Chlorophylikörpern vorfindet, gewonnen hat, aufmerksam zu machen, und vor allen Dingen muss auf die bezüglichen Untersuchungen von Kraus hinge- wiesen werden.?) Derselbe stellte sich zunächst alkoholische Chlorophylllösungen dar und untersuchte dieselben im frischen, unveränderten Zustande spectroskopisch. Das Absorptionsspectrum einer weingeistigen Chlorophylllösung zeigt sieben Bänder, von denen vier (I—IV) schmale in der ersten, drei breite (V—VIH) in der zweiten Spectralhälfte liegen. Die vier ersten Bänder liegen im Roth, Orange, Gelb und Lichtgrün; das erste, zwischen B und C gelegene, ist allein scharf begrenzt und vor allen Dingen für den Chlorophylifarbstoff charakteristisch. Es ist wichtig, dass das Spectrum einer alkoholischen Chlorophylllösung in allen wesentlichen Punkten mit denjenigen grüner Blätter übereinstimmt. Das Chlorophylispectrum ist nach Kraus als ein Combinationsspectrum anzusehen. Es entsteht durch Uebereinanderlagerung der Spectra von min- destens zwei Farbstoffen, eines gelben und eines blaugrünen Körpers nämlich, von denen der erstere nur Absorption im Blau und Violett, der letztere in diesem und insbesondere im Roth und Grün besitzt. Die beiden im Chlorophyli mit einander gemischten Farbstoffe kann man am zweckmässigsten von einander trennen, wenn man die alkoholische Flüssigkeit mit Benzol schüttelt. Der blau- grüne Farbstoff, das Kyanophyll, löst sich in dem Benzol auf, der gelbe, das Xanthophyll, dagegen wird vom Alkohol zurückgehalten.%) Das Kyanophyli !) Vergl. CORENWIEDER, Compt. rend. 1863. T. 57, pag. 266. ?) Vergl. CLorz, Ebendaselbst. pag. 834. %) Vergl. Kraus: Zur Kenntniss der ChlorophylIfarbstoffe. Stuttgart. *) Konkan (Flora. 1872. pag. 396) ist der Ansicht, dass die Zerlegung des Chlorophylis in Kyanophyll und Xanthophyli, wie sie von Kraus durchgeführt worden, durch keinen rein dialytischen Prozess, sondern durch chemische Zersetzung des normalen Chlorophyllfarbstoffes bedingt werde, Treus (Flora, 1874, pag 55) hat aber die Unhaltbarkeit dieser Auffassung schlagend dargethan. vo, I. Abschnitt. ı. Der Assimilationsprozess. 9 verursacht die Absorptionsbänder des Chlorophylis im Roth, Orange, Gelb und Grün (I—IV) und besitzt ausserdem drei Bänder im Blau und Violett, von denen besonders das zweite den hervorragendsten Antheil an der Bildung des Bandes VI im Chlorophylispectrum hat. Das Xanthophyll besitzt drei Bänder im Blau und Violett, von denen das erste bei F gelegene das Band V des Chlorophylis hervorruft. Wenn sich Keimpflanzen von Mono- sowie Dicotyledonen im Finstern ent- wickeln, so bildet sich bekanntlich die protoplasmatische Grundmasse der Chlo- rophylikörner ganz normal aus. Die Körner nehmen aber keine grüne, sondern eine gelbe Farbe an, und das entstandene Chromogen soll nach Kraus völlig identisch mit dem Xanthophyll sein. Es ist angegeben worden, dass das Xanthophyli nach Kraus ein Absorptions- spectrum besitzt, dem die Bänder in der weniger brechbaren Hälfte völlig fehlen sollen. PRINGSHEIM,") der sich neuerdings mit eingehenden Studien über das Chlorophyll befasste, hebt dagegen hervor, dass eine verdünnte, nach der Methode von Kraus dargestellte Xanthophylllösung allerdings jene Bänder nicht hervortreten lässt, dass dieselben sich aber leicht nachweisen lassen, wenn man ceoncentrirtere Lösungen verwendet, oder wenn man dickere Schichten der Xanthophylllösung beobachtet. Das Xanthophyll lässt dann alle sieben Absorptions- streifen einer normalen Chlorophylllösung erkennen. Diese Thatsache veranlasste PRINGSHEIM aber noch nicht, eine definitive Anschauung über die optischen Eigenschaften des Xanthophylis auszusprechen, denn es wäre möglich, dass die erwähnten optischen Erscheinungen der gelben Lösungen, namentlich das Hervor- treten des Bandes I zwischen B und C, zum Theil in Folge einer Verunreinigung derselben mit geringen Quantitäten des blaugrünen Farbstoffes verursacht werden. Und in der That scheinen nach neuen Untersuchungen von SacHssE?) in den Chlorophyllkörpern neben grünen gewisse gelbe Farbstoffe vorzukommen, die das minder brechbare Licht gar nicht absorbiren, wenn sie in möglichst reinem Zu- stande dargestellt worden sind, hingegen im brechbaren Theil des Spectrum eine continuirliche Endabsorption, keine Bandabsorption, bedingen. Die Kyanophylllösung zeigt nach PRINGSHEIM dasselbe Absorptionsspectrum wie eine normale alkoholische Chlorophylllösung, nur mit dem Unterschiede, dass die Bänder durch den Einfluss des Lösungsmittels etwas verschoben erscheinen. Man wird demnach unzweifelhaft, wie es auch PRINGSHEIM und SACHSSE thun, daran festhalten müssen, dass in der protoplasmatischen Grundmasse der Chlorophylikörper zwei Farbstoffe oder Farbstoffgruppen neben einander existiren. Bezeichnet man das gesammte Farbstoffgemisch als »Chlorophyli«, so wird man die grünen Substanzen als Kyanophyll- die gelben aber als Xanthophylikörper unterscheiden dürfen. Das Spectrum des normalen Chlorophylis ist aber nicht als ein Combinationsspectrum im Sinne von Kraus aufzufassen, sondern es werden die sieben Absorptionsstreifen desselben durch das Kyanophyll bedingt und das Xanthophyll verdunkelt, in Folge seiner continuirlichen Endabsorption, nur denRaum zwischen den Bändern des Kyanophylis auf der brechbareren Seite des Spectrum. Der gelbe Farbstoff im Dunkeln erwachsener Pflanzentheile, der von PRINGS- HEIM zutreffend als Etiolin bezeichnet worden, ist nicht, wie Kraus annahm, mit dem Xanthophyll identisch, sondern muss als ein besonderer Körper, der dem Kyanophyll allerdings sehr nahe steht, angesehen werden. Das Absorptions- U) Vergl. PRINGSHEIM, Monatsber. d. berlin. Akad. 1874 u. 18735. 2) Vergl. SacHsse, Phytochemische Untersuchungen. Leipzig 1880. pag. 37. 10 System der Pflanzenphysiologie. spectrum des Etiolins ist nicht sehr wesentlich verschieden von demjenigen des Chlorophylis. Der Absorptionsstreifen I zwischen B und C tritt im Absorptions- spectrum des Etiolins nur hervor, wenn man mit dickeren Schichten der Etiolin- lösung arbeitet, und ein fernerer Unterschied zwischen dem Etiolin und dem Chlorophyll besteht darin, dass das Band II des Chlorophylispectrum im Etiolin- spectrum eine Spaltung in zwei Bänder (Band IIa und Band IIb nach Prıncs- HEIM) erleidet.!) | Sehr beachtenswerth ist noch die Thatsache, dass der Chlorophyllfarbstoff lebhafte Fluorescenzerscheinungen zeigt, und im auffallenden Licht besitzt daher eine alkoholische Lösung des Blattgrüns eine blutrothe Farbe.?) Wenn man ein reines Spectrum auf die Oberfläche einer Chlorophylllösung fallen lässt, so zeigt sich, dass die Ausdehnung des Fluorescenzlichtes der Ausdehnung des Absorptionsspectrum des Chlorophylls fast genau entspricht. Ueberdies ergiebt sich, dass die Fluorescenz an der Oberfläche der Chlorophylllösung nicht an allen Stellen des Spectrum mit gleicher Intensität auftritt. Vielmehr entspricht der Lage der Bänder in Absorptionsspectrum des Chlorophylis fast genau die Lage derjenigen Stellen, an denen die Fluorescenz am lebhaftesten zur Geltung kommt. Die Untersuchung des von einer Chlorophylllösung erzeugten Fluorescenzlichtes hat ergeben, dass dasselbe von fast homogener Beschaffenheit ist. Das Spectrum des Fluorescenzlichtes beschränkt sich nämlich auf einen kleinen Streifen im Roth. Bemerkt sei noch, dass nach N. ]J. C. MüLtLEr?) auch das in lebenden Blättern vorhandene Chlorophyll Fluorescenzerscheinungen zeigen soll, und dass Etiolinlösungen dieselbe monochromatische Fluorescenz wie Chlorophylllösungen erkennen lassen. c) Die chemische Natur des Chlorophyllfarbstoffes. Das Studium der chemischen Eigenschaften des Chlorophyllifarbstoffes ist aus verschiedenen Gründen mit sehr bedeutenden Schwierigkeiten verbunden, denn einerseits ist es nicht leicht, hinreichende Quantitäten des Körpers aus Pflanzentheilen zu isoliren, und weiter ist die Reindarstellung des Untersuchungsmaterials sehr umständlich und zeitraubend. Dazu kommt, dass das Chlorophyll ein Farbstoffgemenge repräsentirt, also die Nothwendigkeit vorliegt, die einzelnen Bestandtheile des Farbstoffes von einander zu trennen. Viel Gewicht ist bei der Behandlung der hier in Rede stehenden Verhältnisse von jeher auf die Frage gelegt worden, ob im Chlorophyll ein eisenhaltiger organischer Farbstoff vorhanden sei. Diese Frage scheint mir noch keineswegs sicher entschieden zu sein, obgleich unzweifel- haft feststeht, wie später gezeigt werden soll, dass die Gegenwart des Eisens als nothwendige Bedingung für die Entstehung des Chlorophylis angesehen werden muss. Ueber die procentische Zusammensetzung der Chlorophylifarbstoffe liegen viele Angaben vor, die aber zum grössten Theil wenig Vertrauen beanspruchen können. Sehr beachtenswerth dürften übrigens die Resultate der neuesten Unter- suchungen Sachsse’s?) sein, wonach das Chlorophyll ein Gemenge mehrerer Farb- stoffe darstellt, welche 66—72% C und ı5—24% O enthalten. SAacHssEe konnte !) Mit dem Etiolin sehr nahe verwandt sind die gelben Blüthenfarbstoffe, die Anthoxanthin- körper. 2) Ueber die Fluorescenzerscheinungen des Chlorophylis vergl. man HAGENBACH in Poggd. Annal., Bd. 141. pag. 245 und LomMmEL, Ebendaselbst, Bd. 143. pag. 568. 3) Vergl. N. J. C. MÜLLer, Botan. Untersuchungen. 1871. Heft ı. pag. 12. #) Vergl. Sacusse, Phytochemische Untersuchungen. Leipzig. 1880, Y Ye r I. Abschnitt. ı. Der Assimilationsprozess. 1 fünf grüngefärbte Körper (Kyanophylikörper) und mehrere gelbe Substanzen (Xanthophylisubstanzen) isoliren. Die letzteren sind stickstofffrei; jedem gelben Farbstoff entspricht ein grüner, stickstoffhaltiger, mit demselben Kohlenstoffgehalt. Zu bemerken ist noch, dass die Chlorophyllfarbstoffe, zumal die gelben, höchst wahrscheinlich den Kohlehydraten chemisch nahe stehen. d) Die Entstehung der Chlorophyllfarbstoffe. Werden die Samen von Mono- sowie Dicotyledonen ausgesäet, und entwickeln sich die jungen Pflanzen im Finstern, so nehmen sie eine mehr oder minder gelbe Farbe an. In diesen 'etiolirten Pflanzen, ebenso in denjenigen, welche im Finstern aus Knollen oder Zwiebeln hervorgehen, ist kein normales Chlorophyll, sondern nur Etiolin mit der protoplasmatischen Grundmasse der Chlorophylikörner verbunden. Werden die gelben Pflanzen dem Lichte ausgesetzt, so ergrünen sie alsbald, und ich habe z. B. beobachtet, dass selbst ein Exemplar von Zyacinthus, das aus einer Zwiebel erwachsen war, sich zwei Monate lang im Finstern entwickelt hatte und viele Blätter sowie prachtvoll roth gefärbte Blüthen besass!), als dasselbe ans Licht gebracht wurde, noch ergrünte.?) Sehr merkwürdig ist, dass die Cotyledonen der Coniferen sowie die Laubblätter der Farne bei hinreichend hoher Tempe- ratur selbst in tiefster Finsterniss ergrünen. Wenn, wie angeführt worden, das Ergrünen der meisten Chlorophylikörper allerdings an die Gegenwart des Lichtes gebunden ist, so muss doch betont werden, dass die normale Chlorophylibildung bei zu geringer Lichtintensität, natürlich alle sonstigen Bedingungen vorausgesetzt, nicht erfolgt.?) Bei sehr schwachem Licht kommt das Ergrünen nicht zu Stande, aber es genügt schon einigermaassen intensives Licht (selbst Gaslicht), um den in Rede stehenden Prozess deutlich in die Erscheinung treten zu lassen. Indem man speciellere Untersuchungen über den Einfluss des Lichtes auf den Vorgang des Ergrünens der Chlorophylikörper anstellte, suchte man auch die Frage zu beantworten, welche Strahlen des Sonnenlichtes sich in erster Linie bei dem Zustandekommen jenes Prozesses betheiligen. Man hat etiolirte Keim- pflanzen in die einzelnen, durch Schirme von einander gesonderten Regionen des objectiven Sonnenspectrums gebracht und gefunden, dass vor Allen die gelben und die benachbarten Lichtstrahlen das Ergrünen schnell herbeiführen. SacHs®) liess auf etiolirte Keimlinge Licht einwirken, welches entweder eine Lösung von doppelt chromsaurem Kali oder eine Lösung von Kupferoxydammoniak passirt hatte. Die Apparate standen an einem hellen, aber nicht von direkten Sonnenstrahlen getroffenen Orte, und während die erstere Lösung nur rothe, orangefarbene, gelbe, einige grüne Strahlen und keine sogen. chemischen Strahlen, die zersetzend auf Chlorsilber einwirken, durchlässt, können von der zweiten Lösung gerade die brechbareren Strahlen des Sonnenlichtes (inclus. der chemischen Strahlen) nicht absorbirt werden. Es ergaben die Versuche von Sachs, dass die Bildung des normalen ChlorophyllIfarbstoffes hinter der gelben Flüssigkeit ebenso schnell oder etwas schneller als hinter der blauen Lösung erfolgte. Die neueren Untersuchungen von WIESNER®) zeigen ebenfalls, wie die bereits erwähnten Beobachtungen anderer !) Die Blüthenfarbstoffe bilden sich überhaupt im Finstern im Allgemeinen ganz normal aus. 2) Uebrigens habe ich auch beobachtet, dass einige Pflanzentheile (Blätter von Erbsenkeim- lingen), wenn sie sehr lange im Finstern verweilt hatten, im Licht gar nicht mehr oder sehr schwach ergrünen. 3) Vergl. WIESNER, Die Entstehung d. Chlorophylis. Wien 1877. pag. 61. #) Vergl. Sachs, Botan. Zeitung. 1864. °) Vergl. WIESNER, Sitzungsber. d. Akad. d. Wissensch. in Wien. 1874. Aprilheft. 12 System der Pflanzenphysiologie. s Forscher, dass diejenigen Strahlen, welche die bedeutendste subjective Intensität besitzen, das Ergrünen am schnellsten herbeiführen. Diffuses gelbes Licht be- wirkt die Entstehung der grünen Chlorophyllfarbstoffe schneller als diffuses Licht, welches vorwiegend aus rothen oder blauen Strahlen besteht. Interessant ist aber, wie WIESNER fand, die Thatsache, dass, wenn man die Versuche über den Einfluss verschieden brechbarer Lichtstrahlen auf die Chloro- phylibildung nicht mit diffusem, sondern mit direktem Sonnenlicht durchführt, wesentlich andere Ergebnisse erhalten werden. Es zeigt sich dann, dass die etiolirten Keimlinge im Weiss am langsamsten, schneller in einem vorwiegend aus gelben Strahlen bestehenden und noch schneller im rothen und blauen Lichte ergrünen. Dies merkwürdige Phänomen lässt sich nur in der folgenden Weise erklären. Es geht schon aus anderweitigen Untersuchungen hervor (vergl. WIESNER, Sitzungsber. d. Akadem. d. Wiss. in Wien, 1874, pag. 372 und 380), dass das Chlorophyll in den Pflanzenzellen unter dem Einfluss intensiven Lichtes ziemlich schnell zerstört wird. Die hier speciell angeführten Resultate der Arbeiten WIESNER’s und ebenso anderweitige, auf die wir noch zurückkommen, lassen keinen Zweifel darüber bestehen, dass gelbe Lichtstrahlen die Zersetzung des Chloro- phylis schneller herbeiführen, als rothe oder blaue, und das von WIESNER ge- wonnene Resultat, wonach etiolirte Keimlinge in direktem Sonnenlicht unter dem Einfluss der brechbareren sowie rothen Lichtstrahlen schneller ergrünen als unter dem Einfluss des gelben Lichtes, wird nur erklärlich, wenn man von der Voraussetzung ausgeht, dass diese letzteren Strahlen unter den bezeichneten Um- ständen eine Chlorophyliquantität zersetzen, die so beträchtlich ist, dass sich weitaus nicht die Gesammtmenge des producirten Farbstoffes in den Pflanzen- zellen anhäufen kann, während die blauen und rothen Strahlen keine so energisch zersetzende Wirkung zur Geltung bringen können. Man denke sich, dass im gelben Licht eine Chlorophylimenge = 104, im blauen aber eine Quantität = 86 er- zeugt werde. Im gelben Licht werde eine Chlorophylimenge = 50, im blauen eine solche — 20 zersetzt. Die factisch zur Anhäufung gelangenden Chlorophyll- mengen werden demnach = 54, resp. = 66 sein müssen. Erfolgt das Ergrünen der Keimlinge nicht im direkten Sonnenlicht, sondern im diffusen Tageslicht, so ist die Chlorophylibildung im gelben Licht, wie unter dem Einflusse direkten Sonnenlichtes, weit energischer als im rothen und blauen Licht. Jetzt muss sich aber thatsächlich in den Keimlingen, die den Strahlen von bedeutendster sub- jectiver Intensität ausgesetzt sind, die erheblichste Farbstoffmenge anhäufen, weil die Chlorophylizersetzung überhaupt nur sehr schwach ist und keinen wesentlichen Einfluss auf die zur Anhäufung gelangenden Chlorophyliquantitäten ausüben kann. Bezüglich mancher Einzelheiten, die WIEsnER bei seinen Untersuchungen über den Einfluss des Lichtes auf die Chlorophylibildung erhielt, muss ich auf die eitirte Abhandlung des genannten Forschers hinweisen. Dagegen ist hier noch speciell zu betonen, dass das Licht durchaus nicht als alleiniges Moment, welches einen Einfluss auf den Ergrünungsprozess ausübt, angesehen werden dart. Werden etiolirte Keimlinge bei niederer Temperatur dem Einfluss des Lichtes ausgesetzt, so ergrünen sie nämlich nicht, und daraus erhellt, wie schon Sachs hervorgehoben, dass die Temperaturverhältnisse von wesentlicher Bedeutung für den Vorgang der Chlorophylibildung erscheinen. WiIEsnER fand z. B., dass etiolirte Gersten- keimlinge im Licht bei Temperaturen unter 4—5° C. nicht ergrünen. Am schnellsten erfolgt das Ergrünen bei 35° C., während höhere Temperaturen den Verlauf des I. Abschnitt. ı. Der Assimilationsprozess. 13 Ergrünungsprozesses wieder verlangsamen. Kressekeimlinge ergrünen bei einer Temperatur von 8°C. noch nicht. Steigende Temperatur, bis etwa 30° C., be- schleunigt den in Rede stehenden Vorgang, während noch beträchtlichere Wärme- grade wieder verlangsamend auf denselben einwirken.!) Wenn man die Beobachtung macht, dass die protoplasmatische Grundmasse der Chlorophylikörner in den Zellen der Pflanzen, die sich im Finstern entwickelt haben, mit Etiolin imprägnirt ist, und wenn man ferner sieht, dass dieser Farb- stoff bei hinreichend hoher Temperatur und unter geeigneten Beleuchtungsver- hältnissen durch normales Chlorophyll (Gemenge von Xanthophyll- sowie Kyano- phylifarbstoffen) ersetzt wird, so liegt offenbar die Vermuthung nahe, dass diese letzteren Substanzen in genetischer Beziehung zu dem Etiolin stehen. In der That will WIEsNER unter Benutzung einer hier nicht specieller zu beschreibenden Methode gefunden haben, dass etiolirte Pflanzentheile reicher an .gelben Farbstoffen (Etiolin) als grüne (bezogen auf gleiche Trockensubstanzmengen) sind, und daraus würde also folgen, dass das Etiolin unter dem Einfluss des Lichtes zur Chlorophylibildung Verwendung findet, indem ein Theil desselben in Xantho- phyll, ein anderer aber in Kyanophyll übergeht. Ob die von WIESNER ausge- sprochene Anschauung richtig ist, dass bei Helligkeiten, welche das Ergrünen, nicht aber die Sauerstoffabscheidung aus ergrünten Pflanzentheilen ermöglichen, etiolirte Keimpflanzen im Dunkeln in Folge einer Oxydation des Etiolins mehr Kohlensäure ausscheiden, als im Licht während der Chlorophylibildung, erscheint für mich noch fraglich. e) Die Zersetzung des Chlorophyllfarbstoffes. Wenn man eine alkoholische Chlorophylllösung mit wenig Salzsäure versetzt, so macht sich sogleich eine auffallende Veränderung derselben kenntlich. Die Flüssigkeit nimmt eine bräunlichgelbe Farbe an, und man kann durch genaue Untersuchung leicht con- statiren, dass das Chlorophyll tiefgreifende Veränderungen erfahren hat. Ebenso sind organische Säuren im Stande, das Chlorophyll zu zersetzen. Sehr beachtenswerth ist ferner der Umstand, dass Chlorophylllösungen, die dem Lichteinfluss ausgesetzt werden, sich alsbald zersetzen (Verfärben) und ein braungelbes Aussehen annehmen. Im direkten Sonnenlicht erfolgt die Verfärbung sehr schnell; sie kann unter den bezeichneten Verhältnissen bereits nach einer halben Stunde beginnen. Verdünntere Chlorophylllösungen werden schneller als concentrirtere zersetzt. Im Dunkeln bleiben Chlorophylilösungen häufig wochen- lang unverändert; ebenso verfärben sie sich in wenig intensivem Licht nur sehr langsam. Alle Beobachter stimmen darin überein, dass der Prozess der Verfärbung als ein Oxydationsvorgang aufzufassen sei. Dass diese Anschauung in der That als eine wol begründete anzusehen ist, geht schlagend aus den Ergebnissen solcher Untersuchungen hervor, bei deren Ausführung man Chlorophylllösungen bei Ab- wesenheit des freien Sauerstoffs dem Einfluss des Lichtes ausgesetzt hat. Eine Verfärbung ist unter solchen Umständen nicht zu constatiren, während dieselbe aber alsbald zu Stande kommt, wenn dem Sauerstoff freier Zutritt zu den Chlorophyll- lösungen gewährt wird. Im Zusammenhange mit dem hier berührten Verhältnisse steht auch die Thatsache, dass die Lösung des Chlorophylis in Terpentinöl sich ) Bemerkt sei noch, dass nach BöHnm (Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. in Wien. 1873, Juliheft) ein höherer Kohlensäuregehalt der Luft das Ergrünen etiolirter Keimlinge im Licht sehr verlangsamt oder gar völlig unmöglich macht. 14 System der Pflanzenphysiologie. viel schneller als die alkoholische Chlorophylllösung verfärbt, und dass sich diese letztere wieder viel schneller verändert als die ätherische (natürlich immer Licht- zutritt vorausgesetzt). Das Terpentinöl ist nämlich im Stande, sehr erhebliche Sauerstofimengen zu absorbiren, während Alkohol und namentlich Aether viel weniger Sauerstoff binden können. Mit Bezug auf die Frage nach denjenigen Strahlen des Sonnenlichtes, welche die Zersetzung des Chlorophyllfarbstoffes in einer Lösung am schnellsten herbei- führen, ist zu bemerken, dass weder die sogen. chemischen Strahlen noch die- jenigen, welche vom Chlorophyllfarbstoff am energischsten absorbirt werden, hier- bei am lebhaftesten wirken. Vielmehr vermögen die gelben sowie die Strahlen von ähnlicher Brechbarkeit wie diese, die Verfärbungserscheinung am. schnellsten zu bewerkstelligen.!) Sehr beachtenswerth ist der Umstand, dass der in lebenden Pflanzenzellen vorhandene Chlorophyllfarbstoff ebenfalls vielfältigen Veränderungen anheimfallen kann, und dass dieselben häufig mit anderweitigen Veränderungen, welche die protoplasmatische Grundmasse der Chlorophylikörper erfährt, Hand in Hand gehen. Wenn man grüne Pflanzentheile ins Dunkele bringt, so verschwindet zunächst das Amylum aus den Chlorophylikörpern; die plasmatische Grundmasse derselben verliert ihre homogene Beschaffenheit und wird feinkörnig, bis schliesslich die Veränderung, die der Farbstoff erleidet, immer deutlicher hervortritt.2) Der Chlorophylifarbstoff erleidet aber auch in den Zellen unter dem Einflusse inten- siveren Lichtes eigenthümliche Modificationen. Hierher gehört die Beobachtung BaTaLın’s,?) dass die Färbung stärker beleuchteter Blätter der Coniferen eine gelb- liche wird, während Bedecken der Blätter mit halb durchsichtigem weissem Papier die grüne Farbe wieder hervorruft. Ebenso ist es bekannt, dass etiolirte Keim- pflanzen im direkten Sonnenlicht langsamer ergrünen als im diffusen Licht, und ASKENASY*) fand, dass gewisse Moose an sonnigen Standorten eine gelbliche Farbe besitzen, im Schatten vegetirend aber grün erscheinen.) Alle diese Thatsachen zwingen zu der Annahme, dass in den Chlorophyll- körpern zwei Prozesse nebeneinander verlaufen. Es wird einerseits unter dem Einfluss des Lichtes stets Chlorophyll gebildet, andererseits erfolgt aber auch stets eine Zerstörung des Chlorophylis, und dieser letztere Prozess kann unter Umständen (bei intensiver Insolation) mit besonderer Lebhaftigkeit zur Geltung kommen, so dass der Erfolg jenes ersten Vorganges mehr oder weniger in den Hintergrund tritt. Wenn Früchte reifen, so nehmen sie häufig eine mehr oder weniger gelbe Farbe an, während sie im unreifen Zustande grün gefärbt waren. Auch dieser Prozess der Bildung eines gelben Farbstoffes in den Chlorophylikörnern ist mit einer Veränderung des normalen Chlorophylls verbunden. Merkwürdig sind die Farbenveränderungen, welche an über Winter aus- ') Man vgl. über das hier Gesagte SacHs (Handbuch. pag. 13) und WIEsNER (Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. in Wien, B. 69. Aprilheft). 2) Vergl. Sacus, Handbuch. pag. 335. %) Vergl. BaraLın, Botanische Zeitung. 1874. pag. 433. #) Vergl. Askenasy, Ebendaselbst. 1875. pag. 460. 5) Mit diesen Erscheinungen nicht zu verwechseln ist das Phänomen des Hellerwerdens grüner Blätter bei intensiver Beleuchtung, welches in Folge der Lage und Gestaltveränderung der Chlorophylikörner in den Zellen zu Stande kommt. Vergl. Specielleres bei StAut, Botan. Zeitung. 1880. No, 22. ‘ I. Abschnitt. ı. Der Assimilationsprozess. 15 dauernden Blättern zu constatiren sind, und die von MoHL, KRAUS, sowie G. HABER- LANDT!) und anderen Forschern genauer studirt wurden. 1. Die Gelbfärbung. Dieselbe lässt sich namentlich an den Blättern der Coniferen beobachten. Sie besteht darin, dass die Chlorophylikömer eine gelb- liche Färbung annehmen, sehr wenig scharf contourirt erscheinen und häufig völlig mit dem Plasma verschmelzen. Die Gelbfärbung macht sich häufig vor eintretendem Frost geltend; sie wird durch Lichtwirkung hervorgerufen und beruht darauf, dass der Chlorophyllfarbstoff in Folge der Lichtwirkung zerstört wird, aber wegen der herrschenden verhältnissmässig niederen Temperatur gar nicht oder nicht in genügenden Mengen neu entsteht. Werden die gelben Coniferen- blätter ins warme Zimmer gebracht und dem Einfluss des Lichtes ausgesetzt, so ergrünen sie. 2. Die Braunfärbung. Dieselbe ist namentlich schön an den Blättern von Thuja zu beobachten. Das Plasma der Pallisadenzellen sowie die Chlorophyli- körner nehmen eine rothbraune Farbe an, und die letzteren verschmelzen schliess- lich völlig mit dem Plasma. Das Eintreten der Braunfärbung ist streng an den Eintritt des Frostes gebunden. Das Plasma wird unter der Einwirkung der Kälte, ohne übrigens seine Lebensfähigkeit einzubüssen, permeabel für gewisse Körper (wahrscheinlich organische Säuren), und diese wirken chemisch auf einen Theil des Chlorophylifarbstoffes ein, während ein anderer Theil desselben, mit dem gebildeten braunen Farbstoffe gemischt, als solcher erhalten bleibt. Trotzdem die Braunfärbung durch die Frostwirkung erst in die Erscheinung tritt, ist das Licht doch für das Zustandekommen derselben nicht ohne Bedeutung. Nur die beleuchtete Seite der 7hujazweige wird unter dem Einfluss der Kälte nämlich gebräunt, und wenn man die Zweige, wie HABERLANDT dies that, um 180° dreht, so dass nun die grüne Schattenseite nach aussen gewendet erscheint, so ist selbst nach wochenlanger Frostwirkung keinerlei Aenderung der grünen Farbe bemerkbar. Das Licht schafft im Sommer und Herbst die Vorbedingung der winterlichen Braunfärbung und somit auch des einseitigen Auftretens der- selben. Die Kälte ruft aber die Braunfärbung erst thatsächlich hervor. Werden die gebräunten 7%ujazweige hinreichend hoher Temperatur (15 bis 18° C.) ausgesetzt, so ergrünen ihre Blätter wieder. Dieser Prozess findet auch im Dunkeln statt und beruht auf einem Verschwinden des unter Vermitte- lung der Frostwirkung gebildeten braunen Stoffes. 3. Die Rothfärbung. Manche über Winter ausdauernde Blätter zeigen die interessante Erscheinung, dass sie sich auf ihrer Oberseite (selten auf der Ober- sowie Unterseite) schön roth färben. Diese Färbung kann allein in den Epidermiszellen oder in diesen und gleichzeitig in den Mesophylizellen zur Geltung kommen. Das Phänomen, welches auf die Bildung eines rothen, im Zellsaft gelösten Stoffes (des Anthokyan) zurückgeführt werden muss, ist an den Blättern von Sedum, Sempervivum, Mahonia, Waccinium etc. beobachtet worden. ‘Die Chlorophylikörner bleiben schön grün und völlig intact; sie werden nur im Innern der Zellen zusammengedrängt. Die ganze Erscheinung wird offenbar im Herbst durch die sinkende Temperatur herbeigeführt und das Licht ist bei dem Zustandekommen derselben nur in den Fällen betheiligt, in welchen allein die Oberseite der Blätter die Rothfärbung erkennen lässt. Wenn man anthokyan- 1) Vergl. G. HABERLANDT, Sitzungsber. d. Akadm. d. Wiss. in Wien. 1876. Aprilheft, Man vergl. daselbst auch die ältere Literatur. E > j N Sn an A ER Ru / De ER 2 16 System der Pflanzenphysiologie. 4% haltige Blätter im Dunkeln hinreichend hoher Temperatur aussetzt, so verschwindet der rothe Farbstoff, und die Chlorophylikörner nehmen ihre normale Stellung wieder ein.!) Mit den hier erwähnten Erscheinungen nicht zu verwechseln sind diejenigen, welche sich in den Zellen der im Herbst abfallenden Blätter geltend machen. Die herbstliche Färbung der Blätter ist entweder eine gelbe, eine braune oder eine rothe, und in sehr vielen Fällen lassen sich an einem und demselben Blatte diese verschiedenen Farbentöne nebeneinander erkennen. Bei der Gelbfärbung der Blätter nehmen die Chlorophylikörner selbst einen gelben Farbenton an, und es ist mir sehr wahrscheinlich, dass dieser Erscheinung ganz ähnliche Ursachen zu Grunde liegen wie der analogen bei der Besprechung der Winterfärbung aus- dauernder Blätter angeführten.?2) Die Braunfärbung der Blätter im Herbst be- ruht, wie es scheint, auf einer durch die Kälte herbeigeführten mehr oder weniger weitgehenden Entmischung des Zellinhaltes, ein Prozess, der häufig mit der Bildung braun gefärbter humoser Stoffe verbunden sein mag. Die Rothfärbung ist auf die Entstehung gerbstoffartiger Körper, die sich im Zellsaft auflösen, zu- rückzuführen. S 4. Die Kohlensäure und der Assimilationsprozess. — Es ist als eine unzweifelhaft feststehende Thatsache anzusehen, dass den assimilationsfähigen Pflanzenzellen, wenn wirklich eine Bildung stickstofffreier organischer Verbindungen unter Vermittelung des Chlorophylis und unter dem Einflusse des Lichtes erfolgen soll, Kohlensäure sowie Wasser zur Disposition stehen müssen. Das Zustande- kommen der Lebensthätigkeit in irgend einer Zelle überhaupt, setzt das Vorhanden- sein grösserer Wassermengen nothwendig voraus, so dass es also als überflüssig erscheint, hier weitere Rücksicht auf das Wasser zu nehmen. Dagegen fragt es sich, woher die Kohlensäure, welche den Kohlenstoff der in Folge der Assimi- lation gebildeten organischen Körper liefert, stammt. Vor allen Dingen ist hier auf den Kohlensäuregehalt der Atmosphäre hin- zuweisen. Wenn derselbe auch thatsächlich nur ein relativ geringer ist (To000 Volumtheile Luft enthalten etwa 3 Volumtheile Kohlensäure), so lassen dennoch schon die Ergebnisse, zu denen man mit Hülfe der Methode der Wassercultur gelangt ist, erkennen, dass die Kohlensäure der Atmosphäre thatsächlich von den Pflanzen verarbeitet werden kann, und dass ferner dıe Kohlensäure der Luft völlig ausreicht, um die Vegetation mit hinreichenden Quantitäten des noth- wendigen kohlenstoffhaltigen Nahrungsmittels zu versorgen. Was den ersten Punkt anbelangt, so hat man zum Ueberfluss zu dessen Sicherstellung noch be- sondere Untersuchungen ausgeführt, und BoussinGAULT verfuhr dabei z. B. der- artig, dass er grüne Sprosse in einen Glasballon brachte, um nunmehr Luft, deren Kohlensäuregehalt genau bekannt war, durch denselben zu leiten. Es zeigte sich, dass die aus dem Glasballon austretende Luft weit kohlensäure- ärmer als die eintretende war. Weiter drängt sich die Frage auf, ob in den Blättern etc., nicht auch Kohlensäure, die aus dem Boden stammt, verarbeitet werden kann. Dass diese ') Häufig scheinen in ein und demselben Blatte die verschiedenen hier erwähnten Färbungen neben einander zu Stande zu kommen. 2) Bemerkt sei noch, dass der gelbe Farbstoff in herbstlich gefärbten Blättern, mit dem Chlorophyll noch nahe verwandt ist. Die Verfärbung der Chlorophylikörner im Herbst geht mit der Zerstörung der protoplasmatischen Grundmasse derselben Hand in Hand. Vergl. Sachs, Handbuch, pag. 332. P% hr ' w* I. Abschnitt. ı. Der Assimilationsprozess. 17 Frage eine berechtigte ist, liegt auf der Hand, denn im Boden werden ja in Folge der Zersetzung humoser Körper nicht unerhebliche Kohlensäurequantitäten gebildet; dieselben können, so darf man a priori annehmen, von der Bodenflüssigkeit aufgelöst werden und somit in den vegetabilischen Organismus, zunächst in die Wurzeln und von diesen aus in die grünen, assimilirenden Pflanzentheile, gelangen. Die hier berührte Frage hat neuerdings durch MorL!) eine eingehende expe- rimentelle Behandlung erfahren. Derselbe cultivirte nämlich Exemplare von Phaseolus, Cucurbita, Tropaeolum und Beta in einem humusreichen Boden, und setzte die Untersuchungsobjecte, nachdem sich dieselben kräftig entwickelt hatten, unter Benutzung geeigneter Apparate solchen Bedingungen aus, dass die Blätter sich in einer völlig kohlensäurefreien Atmosphäre befanden, während die Wurzeln in dem humosen Boden weiter wuchsen. Nach Verlauf einiger Zeit (2—3 Tagen) wurden die Blätter auf einen Gehalt an Amylum untersucht, um die Frage entscheiden zu können, ob dieselben unter den bezeichneten Umständen assimilirt hatten.2) Es war aber das Vorhandensein von Amylum nicht zu con- statiren, und daraus ergiebt sich das merkwürdige Resultat, dass Blätter in einem kohlensäurefreien Raum keine Assimilation unterhalten, wenn sie auch mit der Pflanze verbunden bleiben, und die Wurzeln derselben sich in einem humosen Boden, in welchem viel Kohlensäure erzeugt wird, entwickeln. Weitere Versuche, die hier ebenfalls angeführt werden mögen, wurden derartig ausgeführt, dass die eine Partie eines grünen Pflanzentheils sich mit kohlensäure- freier Luft in Berührung befand, während eine andere Partie desselben Pflanzen- theils gleiehzeitig und in organischer Verbindung mit jenem ersteren in einer Atmosphäre, die 5°/, Kohlensäure enthielt, verweilte. Bei Beginn der Versuche waren die grünen Pflanzentheile stets stärkefrei. Die Amylumbildung erfolgte unter dem Einflusse des Lichtes nur in denjenigen Pflanzenzellen, welche sich in unmittelbarem Contact mit der kohlensäurereichen Luft befanden; sie unterblieb hingegen in denjenigen, welche von kohlensäurefreier Luft umgeben waren. Aus diesen und anderen Beobachtungen von Mor geht hervor, dass die Kohlensäure, welche einem beliebigen Pflanzentheil (Wurzel oder Blattstück) im Ueberfluss zur Verfügung steht, in einem mit diesem in organischer Verbindung stehenden anderen Pflanzentheil, welcher sich in kohlensäurefreier Luft befindet, niemals zur sichtbaren Stärkebildung Veranlassung geben kann. Ebenso hat sich ergeben, dass die einem beliebigen Pflanzentheil (Wurzel oder Blattstück) im Ueber- fluss zur Disposition stehende Kohlensäure niemals die thatsächlich in einem mit jenem ersteren in organischer Verbindung stehenden Pflanzentheil, der von ge- wöhnlicher Luft umgeben ist, erfolgende Amylumbildung sichtbar zu beschleunigen im Stande ist. Man wird somit zu der Annahme gedrängt, dass allein diejenige Kohlensäure, welche sich in unmittelbarer Berührung mit den grünen assimilirenden Pflanzen- organen befindet, thatsächlich für die Assimilationsthätigkeit derselben Verwendung 1) Vergl. Mor, Landwirthschl. Jahrbücher. Bde. 6. pag. 327. 2) Vor Beginn der Versuche enthielten die Blätter niemals Stärke. Es wurden nämlich ent- weder im Dunkeln erwachsene Blätter, die also erst während der Versuche selbst ergrünen mussten, benutzt, oder grüne Blätter, welche durch längeres Verweilen im Finstern entstärkt worden waren. Zu bemerken ist noch mit Bezug auf das im Text Gesagte, dass das Amylum, wie später eingehender gezeigt werden soll, das verbreitetste erste leicht sichtbare Assimilations- produkt repräsentirt. Erfolgt keine Assimilation, so entsteht auch keine Stärke in den Chloro- phylikörnern. SCHENK, Handbuch der Botanik, Bd, II, 2 a Ba BB SEEN Ste Aa ne 18 System der Pflanzenphysiologie. finden kann, eine Erscheinung, über deren Ursachen wir allerdings noch nicht unterrichtet sind. Die im Vorstehenden mitgetheilten Beobachtungsresultate lassen auch erkennen, dass ohne die Gegenwart der Kohlensäure überhaupt keine Assimilation möglich ist und dies Resultat stimmt mit den Ergebnissen, zu denen anderweitige Beob- achtungen sowie allgemeine Betrachtungen über das Leben der grünen Pflanzen führen, durchaus überein. Wenn Pflanzen in einer kohlensäurefreien Atmosphäre vegetiren, so ist die Assimilation ausgeschlossen), und die Organismen verhalten sich in mancher Hinsicht genau so, als ob sie im Finstern verharrten; sie können nur so lange leben, als dies der vorhandene Vorrath an KReservestoffen gestattet.?) Interessant sind die bereits von SAUSSURE und neuerdings auch von BOUSSINGAULT untersuchten Phänomene, welche sich geltend machen, wenn grüne Pflanzen in einer abgesperrten Luftmenge, welche nicht künstlich entkohlensäuert wird, dem Wechsel von Tag und Nacht ausgesetzt werden. Unter solchen Um- ständen wird zur Zeit der Nacht in Folge von Stoffwechselprozessen, auf die wir im dritten Abschnitte specieller zurückkommen, viel Kohlensäure erzeugt. Am Tage wird diese Kohlensäure in Folge des Assimilationsprozesses wieder zersetzt, und der dabei frei werdende Sauerstoff dient abermals zur Kohlensäurebildung, die Kohlensäure aber aufs Neue zur Bildung organischer Körper. Das absolute Gewicht der Pflanzen kann unter den bezeichneten Umständen, da der Zutritt der Kohlensäure von aussen gehindert ist, natürlich keine Zunahme erfahren, aber nichts desto weniger bleiben die Gewächse unter günstigen Bedingungen, d. h. bei hinreichend langen Beleuchtungsperioden, selbst Monate lang am Leben. Ihr Trockensubstanzgehalt ist nach Abschluss der Versuche der nämliche wie vor Beginn derselben, denn die organische Substanz, die in Folge der Stoffwechsel- prozesse zersetzt worden ist, wird in Folge der Assimilation immer wieder neu gebildet. °) Es ist schon hervorgehoben worden, dass der procentische Kohlensäuregehalt der atmosphärischen Luft als ein sehr geringfügiger anzusehen ist. Allerdings wissen wir, dass die Vegetation trotzdem hinreichende Kohlensäurequantitäten in der Atmosphäre vorfindet, um sich normal entwickeln zu können, und es ist für das Verständniss dieser Thatsache wichtig, daran zu erinnern, dass die grünen Pflanzenzellen sich der Kohlensäure gegenüber unter dem Einflusse «des Lichtes gewissermaassen wie Anziehungscentra verhalten. Sie zerlegen die aufgenommene ') Man kann sich denken, dass grüne 'Pflanzentheile, die von einer kohlensäurefreien Atmosphäre umgeben werden, unter dem Einflusse des Lichtes geringe Kohlensäuremengen, die in Folge von Stoffwechselprozessen in den Pflanzenzellen selbst entstehen und den Gewächsen nicht schnell genug entzogen werden, zur Assimilation verwenden. Dass aber die Assimilations- energie der grünen Pflanzen in künstlich entkohlensäuerter Atmosphäre gewiss eine äusserst un- bedeutende ist, geht aus dem Umstande hervor, dass weder MoLL noch GODLEWSKI (vgl. Flora, 1873, pag. 377) in solchen grünen Zellen, die dem Licht in einer künstlich entkohlensäuerten Luft ausgesetzt waren, die Entstehung nachweisbarer Stärkemengen constatiren konnten. 2) Von der Bedeutung der Reservestoffe für die Pflanzen wird im dritten Abschnitt die Rede sein. 3) Sollen die hier erwähnten Experimente gelingen, so ist es zweckmässig, die Pflanzen- theile mit einem verhältnissmässig grossen Luftvolumen in Berührung zu bringen, damit der procentische Kohlensäuregehalt der Luft in der Nacht kein zu erheblicher wird. Beträchtlichere Kohlensäuremengen wirken nämlich schädlich auf die Pflanzen ein, I. Abschnitt. ı. Der Assimilationsprozess. 19 Kohlensäure, und damit ist die Ursache für das Zustandekommen einer Gas- bewegung gegeben, als deren Erfolg eine Sauerstoffabgabe seitens der Pflanzen- zellen und eine Aufnahme von Kohlensäure aus der Luft angesehen werden muss. Eine Steigerung des Kohlensäuregehalts der Atmosphäre, mit der sich die grünen Pflanzenzellen in Contact befinden, erhöht, wie GopLEwsKI!) nachgewiesen hat, die Assimilationsenergie derselben. Dabei ist aber wohl zu beachten, dass dieser Erfolg nur zur Geltung kommt, wenn der Kohlensäuregehalt der Luft eine be- stimmte Grenze nicht überschreitet. Die Blätter von Göyceria spectabilis scheiden unter dem Einflusse hellen Tageslichts in der Zeiteinheit bei einem Kohlen- säuregehalt der Luft von 8—ı02 die grösste Sauerstoffmenge ab; die weitere Erhöhung des Kohlensäuregehalts der Luft deprimirt die Sauerstoffabscheidung wieder. Für Zypha latifolia sind die günstigsten Assimilationsbedingungen bei einem Kohlensäuregehalt der Luft von 5—7% gegeben. S 5. Der Einfluss äusserer Bedingungen auf die Assimilations- energie. — a) Vorbemerkungen. Wenn es sich überhaupt darum handelt, die Abhängigkeit physiologischer Prozesse von äusseren Verhältnissen zu studiren, ‘so ist es vor allem wichtig, die Untersuchungsobjecte solchen Bedingungen auszusetzen, dass nur derjenige Faktor, dessen Wirksamkeit speciell geprüft werden soll, varıırt, während alle übrigen Momente, die daneben noch von Ein- fluss auf den Verlauf der physiologischen Vorgänge im Organismus sein können, constant in derselben Weise auf die Pflanzen einwirken. Soll z. B. der Einfluss verschiedener Lichtintensität auf die Assimilationsenergie studirt werden, so sind die Pflanzentheile in allen Paralleiversuchen derselben Temperatur auszusetzen etc. und nur die Beleuchtungsverhältnisse dürfen modificirt werden. Handelt es sich dagegen um das Studium des Einflusses, den die Temperatur auf die Assimilation ausübt, so werden die Versuche bei verschiedenen Wärmegraden, aber immer bei derselben Beleuchtung u. s. w. durchgeführt. Es liegt auf der Hand, dass die experimentelle Behandlung der Fragen nach dem Einflusse äusserer Bedingungen auf die Assımilationsenergie mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist; indessen die Untersuchungen können allein dann brauchbare Resultate liefern, wenn man die angeführten Gesichtspunkte keinen Augenblick unberücksichtigt lässt, und wenn man fortwährend strenge Selbstkritik übt. Zur genauen Feststellung der Energie, mit der die Assimilation erfolgt, stehen verschiedene Wege offen, und man wird je nach Umständen diesen oder jenen Weg betreten, um das erwünschte Ziel zu erreichen. Man kann die Menge der zersetzten Kohlensäure feststellen, oder man kann die Quantität des abgeschiedenen Sauerstoffs bestimmen. Ebenso ist die Ermittelung der in Folge der Assimilation von den Pflanzen erzeugten Menge an organischer Substanz häufig für die Feststellung der Assimilationsenergie von Bedeutung, oder es wird gar erforderlich, die Untersuchungsobjecte nach erfolgter Assimilation der Elementaranalyse zu unterziehen, um genau ermessen zu können, wie viel Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff in organische Verbindungen übergeführt worden sind. b) Die Wirkung des Lichtes im Allgemeinen. Es ist bereits angeführt worden, dass die grünen Pflanzenzellen nur unter dem Einflusse des Lichtes assi- miliren können. Die Kohlensäurezersetzung sowie die Sauerstoffabscheidung erfolgen nur unter dem Einflusse des Lichtes, und während grüne Pflanzentheile, D) Vgl. GoDLEWSsKI, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. ı. pag. 343. 2° 20 System der Pflanzenphysiologie. wenn man sie unter Wasser gebracht hat, bei Lichtzutritt reichlich Gasblasen entweichen lassen, die wesentlich aus Sauerstoff bestehen, hört diese Gasab- scheidung sofort auf, wenn man die Untersuchungsobjecte ins Dunkele bringt. Samen, die im Finstern keimen, werden fortschreitend ärmer an organischer Sub- stanz, weil die Keimlinge nicht assimiliren können. Bei Zutritt des Lichtes ent- wickeln sich hingegen aus den Samen unter sonst günstigen Bedingungen kräftige Pflanzen, die fortwährend reicher an organischer Substanz werden. Instruktiv sind in dieser Hinsicht die Resultate der folgenden von BoussinGAauLrt!) durch- geführten Versuche: Es wurde am 26. Juni je eine Bohne in einen mit ausgeglühtem Bimsstein ge- füllten Topf gesteckt. Die eine Pflanze entwickelte sich unter dem Einflusse des Lichts, die andere im Finstern. Während der Vegetation wurde den Unter- suchungsobjecten reines Wasser zugeführt, und am 22. Juli wurde der Versuch beendet. im Licht. im Finstern, Gewicht der Samen 0,922 Grm. 0,926 Grm. „ der Pflanzen 1,293 se 0,566 ni Gewinn — 0,371 Grm. Verlust = 0,360 Grm. Kohlenstoff as o:102 0m , — 0,1505 Wasserstoff 0020082 1 0,02R2 Sauerstoff DER-—/oN ROT yo T700 Für die genauere Beurtheilung des vorstehend mitgetheilten Beobachtungs- resultates ist es wichtig darauf hinzuweisen, worauf ich übrigens im dritten Haupt- abschnitte specieller zurückkomme, dass die Pflanzen nicht nur im Finstern, son- dern ebenso unter dem Einflusse des Lichtes eine erhebliche Menge ihrer Trockensubstanz in Folge von Stoffwechselprozessen verlieren. Wenn sich Keim- pflanzen einerseits im Finstern, andererseits in einer kohlensäurefreien Atmosphäre unter dem Einflusse des Lichtes ausbilden, so erfahren die letzteren Unter- suchungsobjecte fast genau denselben Trockensubstanzverlust wie jene ersteren. Die Assımilation kann unter den bezeichneten Umständen nicht erfolgen, und die in Folge des Stoffwechsels herbeigeführten Verluste an organischen Sub- stanzen können nicht ersetzt werden. Wenn hingegen die Entwicklung der Pflanzen in einer kohlensäurehaltigen Luft bei Lichtzutritt stattfindet, so werden nicht nur unter sonst günstigen Umständen die durch Stoffwechselvorgänge herbei- geführten Verluste an organischen Stoffen gedeckt, sondern die Assımilation be- wirkt sogar, dass das 'Trockensubstanzgewicht der Pflanzen mehr und mehr zu- nimmt und alsbald grösser als dasjenige der ausgelegten Samen wird.?) c) Die Lichtintensität. Dass die Energie der Assimilation eine Abhängig- keit von der herrschenden Lichtintensität zeigt, lässt sich leicht demonstriren. Wenn man Pflanzen, die unter Wasser dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt sind und unter diesen Umständen reichliche Sauerstoffmengen abscheiden, ins diffuse Licht bringt, so sinkt die Energie der Blasenabscheidung sofort. Ebenso kann man zeigen, wie ich es gethan habe, dass Pflanzen, die unter sonst gleichen Umständen verschieden intensivem Licht längere Zeit hindurch ausgesetzt sind, }) Vergl. BoussinGAULT, Comptes rendus. T. 58. pag. 883. 2) Es ist hier noch zu betonen, dass auch die Strahlen irdischer Lichtquellen (Magnesium- licht, Gaslicht, elektrisches Licht, Drumöondsches Kalklicht), wenn dieselben intensiv genug sind, die Zersetzung der Kohlensäure in der grünen Pflanzenzelle herbeiführen können. Vgl. HEINRICH, Versuchsstationen. Bd. 13. pag. 136 und PrirLLisux, Compt. rend. T. 69. pag. 408. "I. Abschnitt. ı. Der Assimilationsprozess. 21 durchaus nicht die nämlichen Mengen an organischer Substanz in gleicher Zei. produciren. Schwieriger gestaltet sich die Frage nach den Beziehungen zwischen der Lichtintensität und der Assimilationsenergie, wenn es sich darum handelt, die genauen Relationen zwischen der Helligkeit des Lichtes einerseits sowie der Grösse der Assimilation andererseits festzustellen, und vor allen Dingen wird hier der Mangel an solchen photometrischen Methoden fühlbar, die eine Be- stimmung der absoluten Grösse der Lichtintensität überhaupt und speciell der absoluten Intensität der für den Assimilationsprozess wichtigen Lichtstrahlen ermöglichen. Man ist aber im Stande, die hier berührten Schwierigkeiten zu umgehen, und voN WOLKOFF!) hat das Verdienst, unseren Anschauungen über die Abhängigkeit der Energie, mit welcher die Assimilation erfolgt, von der Lichtintensität eine ganz bestimmte Richtung gegeben zu haben. Als Untersuchungsobject dienten grüne Pflanzen (Ceratophyllum, Potamogeton, Ranunculus fluitans), die in kohlen- säurehaltiges Wasser gebracht wurden. Die Untersuchungsobjecte gelangten aufeinem Schlittenapparate in einen allseitig geschlossenen Kasten, der nur von vorn durch eine matte Glasplatte Licht empfing. Die Pflanzen, deren Assimilationsenergie an der Lebhaftigkeit, mit der die Gasblasenabscheidung erfolgte, gemessen wurde,?) konnten mit Hülfe des Schlittens in verschiedene Entfernungen von der Glas- platte gebracht werden. Es ist nun ferner möglich, für jede Entfernung mit Hülfe der Bunsen-Roscor’schen Methode die Menge der chemischen Strahlen des Lichtes zu ermitteln, und da unter den eingehaltenen Versuchsbedingungen für alle leuchtenden Strahlen proportionale Intensitätsänderungen erfolgen mussten, so konnten die bei den Bestimmungen der Intensität der chemischen Strahlen ge- wonnenen Werthe auch als Maass für die Intensität der bei dem Prozesse der Assimilation thätigen Strahlen gelten. Alle Versuche wurden nur über kurze Zeit- räume ausgedehnt, in denen keine erhebliche Aenderung des relativen Gehaltes des Sonnenlichtes an einzelnen Strahlengattungen eintritt. Eine mit Ceralophyllum demersum durchgeführte Versuchsreihe lieferte die folgenden Resultate: Gemessene Licht- Zahl der Blasen Quotienten. intensität. pro Minute. 100 25 4,0 200 50 4,0 150 36 4,1 120 30 4,0 Die Assıimilationsenergie (gemessen an der Grösse der Sauerstoffab- scheidung) ist also der Intensität des Lichtes direkt proportional. Zu beachten ist aber, dass dieser Satz höchst wahrscheinlich nur für die Intensität des Lichtes innerhalb bestimmter Grenzen Gültigkeit besitzt. Es ist sehr wohl möglich, dass, wenn eine bestimmte Lichtintensität überschritten wird, die Assi- milationsenergie wieder sinkt. Fraglich bleibt übrigens, ob die Intensität des Sonnenlichtes, wie sich dieselbe an der Erdonerfläche geltend macht, schon hin- reicht, um eine derartige Depression der Assimilationsenergie zu bewerkstelligen. j d) Der Einfluss der Strahlen von verschiedener Brechbarkeit auf die Kohlensäurezersetzung. Nicht alle Strahlengattungen des Sonnen- lichtes sind befähigt, die Kohlensäurezersetzung in der chlorophyllhaltigen Zelle I) Vergl. von WOLKOFF, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissensch. Botanik. Bd. 5. pag. 12. 2) Dass diese Methode, wenn es sich um die Erlangung relativer Werthe für die Assimi- lationsenergie unter verschiedenen Umständen handelt, brauchbar ist, hat PFEFFER (vergl. Arbeiten des botan. Instituts in Würzburg, Bd. ı. pag. I) gezeigt. u: u Ve > in nt u. Gr N, u. « r.L.,; I a a ad er re I ER - %; x % er: Pa a ee a ae N Asa I SR rn BAT n er \ a De u Z eoaz ap ce “ ! 22 System der Pflanzenphysiologie. in gleichem Maasse herbeizuführen, und man hat sich vielfältig mit der experi- mentellen Behandlung der einschlägigen Fragen beschäftigt. Vor allen Dingen ist niemals aus dem Auge zu verlieren, dass es sich in der Pflanzenphysiologie ° | und auch im Folgenden zunächst noch immer um die Beantwortung der Frage handelt, in welcher Weise die einzelnen Strahlengattungen des Sonnenlichtes, so wie sie in demselben vorhanden sind, auf die Kohlensäurezersetzung in der Pflanzenzelle einwirken.!) In dieser Beziehung sind vor allen Dingen drei | Thatsachen durchaus sicher gestellt. ; Erstens ist nämlich zu betonen, dass den ultrarothen Strahlen keine Thätig- keit bei der Assimilation zukommt. Ferner ist gewiss, dass die Kohlensäure- i zersetzung resp. die Sauerstoffabscheidung aus grünen Pflanzenzellen, ja sogar der gesammte Prozess der Production von organischer Substanz in denselben unabhängig von der Mitwirkung der sogen. chemischen Strahlen, also der ultravioletten Strahlen, erfolgen kann.?) Hier sei die Bemerkung gestattet, dass es von einiger Wichtigkeit erscheint, wie es soeben geschehen, wenigstens von vornherein einen Unterschied zu machen zwischen dem Einfluss äusserer Bedingungen auf die Kohlensäurezersetzung bei der Assimilation und auf die schliessliche Bildung bestimmter Assimilationsprodukte. Denn es ist z. B. wohl denkbar, dass ein bestimmtes Moment die Sauerstoffabscheidung in gewissem Maasse begünstigt, aber nicht in demselben Grade fördernd auf die Entstehung des ersten leicht sichtbaren Assimilationsproduktes, der Stärke nämlich, einwirkt. Als dritte feststehende Thatsache ist diese zu bezeichnen, dass die minder brechbaren, dem Auge heller erscheinenden Strahlen des Sonnenlichtes die Kohlen- säurezersetzung vor allen Dingen herbeiführen, während sich die brechbareren Licht- strahlen nur in unbedeutendem Maasse an dem Zustandekommen des in Rede stehenden Prozesses betheiligen. Wenn hier von minder brechbaren Strahlen die Rede ist, so sind darunter solche zu verstehen, welche von einer Lösung des zweifach chromsauren Kalıs von bestimmter Concentration nicht absorbirt werden, sondern dieselbe ungeschwächt passiren, während als brechbarere Strahlen die- jenigen anzusehen sind, welche von der Lösung des Kupferoxydammoniaks nicht zurückgehalten werden. Die Lösung des chromsauren Kalis, mit der SAcHs?) bei seinen schon vor längerer Zeit durchgeführten Untersuchungen über den Einfluss des Lichtes auf die Kohlensäurezersetzung experimentirte, liess das Roth, Orange, Gelb und etwas Grün durch; das Licht wirkte in höchst unbedeutender Weise auf photographisches Papier ein. Die Lösung des Kupferoxydammoniaks liess hingegen Violett, Blau und wenig Grün passiren, aber das Licht übte eine sehr energische Wirkung auf photographisches Papier aus. Als Maass für die Energie, mit der die Kohlensäurezersetzung erfolgte, diente die Anzahl von Gas- blasen, welche in gleichen Zeiten von den in kohlensäurereichem Wasser ver- weilenden Wasserpflanzen, die dem Licht von verschiedener Brechbarkeit ausgesetzt waren, abgeschieden wurde, und dabei ergab sich, dass die Untersuchungsobjecte, während sie unter dem Einflusse des Lichtes, welches die Lösung von chrom- - saurem Kalı passirt hatte, 20—23 Gasblasen in der Minute abschieden, unter dem Einflusse des gemischten blauen Lichtes höchstens 2 Blasen in der Minute lieferten. !) Vergl. Sacus, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. ı. pag. 278. ?) Vergl. A. Mayer, Lehrbuch d. Agriculturchemie. 2. Aufl. pag. 44, sowie Versuchstationen, 1867. pag. 396 und 1869. pag. 207. 3) Vergl. Sacıs, Botan. Zeitung. 1864. I. Abschnitt. ı. Der Assimilationsprozess. 23 Es ist begreiflich, dass man sich nicht allein darauf beschränkte, den Ver- lauf der Sauerstoffabscheidung aus grünen Pflanzenzellen unter dem Einflusse des gemischten farbigen Lichtes zu studiren, sondern dass man weiter ging, und sich bemühte, die Bedeutung ganz bestimmter Strahlengruppen des Sonnenlichtes für den in Rede stehenden Prozess festzustellen. Zu dem Zwecke brachte man die Pflanzen, mit denen man experimentirte, entweder in die verschiedenen Regionen des objectiven Spectrums und suchte mit Hülfe der Methode der Blasenzählung oder unter Anwendung gasanalytischer Methoden die Energie der Kohlensäure- zersetzung festzustellen, oder man setzte die Untersuchungsobjecte dem Einflusse solchen Lichts von genau bekannter Beschaffenheit aus, welches verschiedene farbige Flüssigkeiten passirt hatte. Es liegt von vornherein nahe, anzunehmen, dass diejenigen Strahlen, welche das bei dem Zustandekommen des Assimilationsprozesses unentbehrliche Chlo- rophyll am lebhaftesten absorbirt, auch die grösste Bedeutung für den Vor- gang der Bildung organischer Substanz, resp. der Sauerstoffabscheidung seitens der Pflanzenzellen haben müssen. Unsere Auseinandersetzungen über das Absorptions- spectrum des Chlorophylls haben zu dem Ergebnisse geführt, dass das Blatt- grün vor allen Dingen die rothen Lichtstrahlen zwischen B und C lebhaft ab- sorbirt, und in Uebereinstimmung damit geben auch LommEL), N. J. C. MÜLLER?) sowie TIMIRJASEFF?) an, dass die Kohlensäurezersetzung gerade unter dem Einflusse dieser Lichtstrahlen am allerlebhaftesten erfolge. Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, die Methode, deren sich die genannten Beobachter bei der Ausführung ihrer Untersuchungen bedienten, genau zu be- leuchten. Und derartige Auseinandersetzungen erscheinen mir wenigstens hier um so entbehrlicher, als das Hauptresultat der erwähnten Untersuchungen selbst ganz sicher unrichtig ist. Ich sehe hier von den Ergebnissen älterer Arbeiten ab, möchte aber dagegen die Aufmerksamkeit des Lesers um so mehr auf diejenigen Untersuchungen hinlenken, welche PrErFER*#) über den in Rede stehenden Gegen- stand ausgeführt hat. PFEFFER benutzte zunächst zur Herstellung des Lichtes von bestimmter Brechbarkeit farbige Flüssigkeiten. Dabei zeigte sich z. B., dass die Kohlen- säurezersetzung hinter einer Lösung von doppeltchromsaurem Kalı fast dreimal so lebhaft erfolgte, wie hinter einer Lösung von Anilinroth. Die erstere Flüssig- "keit liess aber Roth, Orange, Gelb und etwas Grün ungeschwächt passiren; die letztere hingegen absorbirte alle Lichtstrahlen bis auf die rothen und orange- farbenen, welche ohne merkliche Lichtschwächung durchgingen. Daraus erhellt offenbar, dass nicht diejenigen Strahlen, welche die Lösung des Anilinroth zu passiren vermögen, also nicht die rothen Strahlen, den Assimilationsprozess am meisten begünstigen, sondern dass in dieser Hinsicht vor allen Dingen jene Strahlen von Bedeutung erscheinen, welche von der Lösung des doppelt chrom- sauren Kalis neben den rothen sowie orangefarbenen nicht absorbirt werden. Damit in Uebereinstimmung stehen die Ergebnisse anderweitiger Versuche N) Vergl. LoMMEL, POGGEND. Annal. Bd. 219. pag. 26. 2) Vergl. N. J. C. MÜLLER, Botan. Untersuchungen. 1872. Hft. ı. 3) Vergl. TIMIRJASEFF, JUsT’s botanischer Jahresbericht f. 1875. pag. 779 %), Vergl. PFEFFER, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. ı. Hft. 1. und botan. Zeitung, 1872. No. 23. Man vergl. auch die Angaben PFEFFER’S in seiner ersten Abhandlung über die ältere Literatur. La Y In.% 5: Bars % - _ 7 } ; I BEN TER ERS he BG a A a Yan a De a A a FE 0 rt. 7 5 “3 r ar 1% ,: F x “ 24 System der Pflanzenphysiologie. PFEFFER s, und wenn man die Assimilationsgrösse im gemischten weissen Licht gleich ıoo setzt, so ist dieselbe nach dem genannten Forscher im Roth und Orange = 321% Gelb — Nr Grün = Blau, Indigo und Violett = 7,6 „ 100,8 }. »Die Summirung der für die Strahlen von bestimmter Brechbarkeit gefundenen Zersetzungswerthe giebt also fast genau 100, den Zersetzungswerth des gemischten Lichtes. Hieraus folgt aber ganz evident, dass jeder Spectralfarbe eine specifische Zersetzungskraft für Kohlensäure zukommt, welche dieselbe bleibt, gleichviel ob die betreffenden Strahlen für sich oder mit anderen combinirt auf assimilationsfähige Blätter einwirken; wenigstens so lange die Beobachtungen auf kurze Zeiten aus- gedehnt werden.« Die Versuche, deren Resultate von PFEFFER in der botanischen Zeitung publicirt worden sind, und die im objectiven Spectrum unter Benutzung der Methode der Gasblasenzählung durchgeführt wurden, lassen ebenso erkennen, dass nicht die rothen, sondern die gelben Lichtstrahlen am energischsten auf die Kohlensäurezersetzung in den grünen Pflanzenzellen einwirken, und aus vielen Zahlenreihen haben sich dabei die folgenden mittleren Zersetzungswerthe für die einzelnen Regionen des Sonnenspectrums ergeben: Roth 25,4 Orange 63,0 Gelb 100,0 Grün 37,2 Blau PORN Indigo 13,5 Violett 758: Es sind nur die dem menschlichen Auge sichtbaren Strahlen des Sonnen- lichtes im Stande, die Kohlensäurezersetzung in den Pflanzenzellen zu bewerk- stelligen. Bei genauerer Betrachtung der Verhältnisse zeigt sich, dass diejenigen Strahlen, welche unserem Auge als die hellsten erscheinen, die gelben nämlich, in erster Linie von Bedeutung für die Sauerstoffabscheidung sind, während sowohl den minder brechbaren als auch den brechbareren Lichtstrahlen eine geringere subjective Helligkeit und zugleich eine geringere Bedeutung für den Prozess der Kohlensäurezersetzung in den grünen Pflanzenzellen als den gelben |zukommt. Diese Relation zwischen der subjectiven Helligkeit der einzelnen Lichtstrahlen einerseits und ihrem Vermögen andererseits, die Sauerstoffabscheidung mehr oder minder zu begünstigen, ist selbstverständlich nur als eine zufällige anzusehen. Das objective Spectrum, mit welchem PFEFFER arbeitete, besass eine Länge von 230 Millim., und zwar kamen dabei auf Roth 33, auf Orange 20, auf Gelb 25, auf Grün 36 und auf die übrigen Farben 116 Millim. Somit leuchtet ein, worauf schon WOLKOFF!) hingewiesen hat, dass die Intensität der bei der Aus- führung der Versuche PreErrer's wirkenden Strahlen des Spectrums nicht gleich der Intensität der Strahlen im gemischten weissen Licht sein konnte. Die verschiedenen Strahlengruppen erfahren bei ihrem Durchgange durch ein Prisma nicht dieselbe Zerstreuung, während sie vor dem Spalt des Spectroskops denselben Raum einnehmen. Diese Verhältnisse sind bei der Be- ') Vergl. WOLKOFF, Just’s botan. Jahresbericht f, 1875. pag. 783. . I. Abschnitt. ı. Der Assimilationsprozess. 25 urtheilung derjenigen Resultate, zu denen man bei dem Studium des Einflusses der verschiedenen Strahlengattungen des objectiven Spectrums auf die Kohlen- säurezersetzung gelangt ist, zu berücksichtigen, denn nur dann wird man die Frage nach der Abhängigkeit des Assimilationsprozesses von den einzelnen Strahlengruppen des Sonnenlichtes, so wie sie in demselben vorhanden sind, end- gültig entscheiden können. WOLKoFF hat daher die von PFEFFER für die Sauer- stoffabscheidung gewonnenen Werthe corrigirt, aber es ist zu beachten, dass der Sinn jener Beziehung zwischen der Brechbarkeit des Lichtes, resp. der Farbe desselben und dem Vermögen der einzelnen Strahlengruppen, die Kohlensäure- zersetzung in den Pflanzenzellen mehr oder minder zu begünstigen, dennoch in der Hauptsache derselbe bleibt. Die gelben, dem menschlichen Auge als die hellsten erscheinenden Lichtstrahlen sind in erster Linie von Bedeutung für den Prozess der Kohlensäurezersetzung in den grünen Pflanzenzellen. e) Die Abhängigkeit der Sauerstoffabscheidung von der Tempe- ratur. Die Abhängigkeit der assimilatorischen Thätigkeit der grünen Zellen von den herrschenden Temperaturverhältnissen ist noch nicht eingehender studirt worden. Es liegt aber eine Untersuchung von HEINRICH!) über diesen Gegen- stand vor, und zwar experimentirte derselbe mit den Blättern von Zotonia palus- Zris. Die Sauerstoffabscheidung dieser Pflanzentheile beginnt, wenn dieselben in Wasser liegend, dem Sonnenlichte ausgesetzt werden, bei 2,8° C. Die höchste Temperatur, bei der die Blätter noch Gas abscheiden, soll zwischen 5o und 56° C. liegen. Zwischen diesen beiden Temperaturen, der niedrigsten und der höchsten, bewegt sich die Sauerstoffabscheidung in der Weise, dass sie energischer wird, je mehr sich die Temperatur von den äussersten Grenzen entfernt. Unge- fähr bei 31° C. ist die Sauerstoffabscheidung am lebhaftesten. Die vorstehenden Angaben haben zunächst allein Bedeutung für die Blätter von Zoffonia palustris. Die Sauerstoffabscheidung aus den Blättern anderweitiger Pflanzen wird zwar eine ähnliche Abhängigkeit von den Temperaturverhältnissen zeigen, aber es ist keineswegs von vornherein zu behaupten, dass die Lage des Temperaturmini- mums, Optimums und Maximums für den Prozess der Sauerstoffabscheidung in allen Fällen dieselbe ist. S 6. Die ersten leicht sichtbaren Assimilationsprodukte. — Wenn man grüne Pflanzentheile in einer kohlensäurereichen Atmosphäre dem Einflusse des Sonnenlichtes aussetzt, so zeigt sich, wie bereits die älteren Untersuchungen von BoussinGAULT mit einiger Sicherheit ergeben haben, dass das Volumen der Luft in Folge des Assimilationsprozesses keine wesentlichen Veränderungen erleidet. Neuerdings ist die Thatsächlichkeit dieses Verhältnisses insbesondere von HorLE?) aufs Neue experimentell unter Benutzung der Blätter von Prunus Laurocerasus eonstatirt worden. Derselbe gelangte bei einigen seiner Experimente z. B. zu den nachfolgend aufgeführten Ergebnissen: Gesammtes Luft- Darin CO 2 volumen in Ce. Ee: Versuch 1. Vor d. Versuch 66,81 4,46 Nach ‚, Er 66,83 0,62 —- 0,02 !) Vergl. HeinrıcH, Versuchsstationen. Bd. 13. pag. 136, 2) Vergl. HoLLe, Flora, 1877. pag. 118, 26 System der Pflanzenphysiologie. Gesammtes Luft- Darin CO 2 volumen in Cc. Gc, Versuch 2. Vor d. Versuch 67,36 - 8,12 Nach ‚, > 67,40 —_ Versuch 3. Vor d. Versuch 65,19 3,10 Nach. 65,00 — — 09,19. Die Blätter von Prunus Zaurocerasus haben also bei der Ausführung dieser Versuche unzweifelhaft Kohlensäure zersetzt und Sauerstoff producirt. Wenn man nun bedenkt, dass der Prozess der Assimilation nicht allein mit einem Ver- brauch von Kohlensäure verbunden ist, sondern dass zur Bildung organischer Substanz ebenso Wasser erforderlich ist, und wenn man weiter in Erwägung zieht, dass das Volumen der in Folge der Zersetzung einer gewissen Kohlensäuremenge entstehenden Sauerstoffquantität gleich dem Volumen der zersetzten Kohlen- säure selbst ist, so wird man unter Berücksichtigung der vorstehenden Zahlen schon zu gewissen Anschauungen über den Vorgang bei der Assimilation gelangen können. Es ist wenigstens denkbar, dass, da das Volumen der kohlensäurereichen Luft ın Folge der Bildung organischer Substanz in den grünen Pflanzenzellen keine irgendwie wesentliche Veränderungen erleidet, die Gesammtmenge des abgeschiedenen Sauerstoffes der Kohlensäure entstammt, während das Wasser keinen Sauerstoff liefert.) Demnach würde es nahe liegen, ein Kohlehydrat als Assımilationsprodukt anzusehen. Auf ganz anderem Wege ist Sacus zu demselben Resultat gelangt. MoHL?) hatte nämlich die wichtige Entdeckung gemacht, dass in den Chlorophylikörnern der Pflanzen sehr allgemein Stärkekörner auftreten. SacHs®) fand dann, dass die Chlorophylikörner ergrünt sein müssen, wenn in den vorher stärkefreien Gebilden Amylum auftreten soll, und dass diese Amylumbildung in den ergrünten Chlorophylikörnern allein unter dem Einflusse des Lichtes erfolgt. Die autochthone Stärkebildung im Chlorophyll ist also an dieselben Bedingungen geknüpft wie der Prozess der Sauerstoffabscheidung, und deshalb gelangte SacHs zu dem eine ganz fundamentale Bedeutung besitzenden Satze, dass das in den ergrünten Chlorophyllkörpern der Pflanzen unter dem Einfluss des Lichtes entstehende Amylum als direktes Assimilationsprodukt angesehen werden müsse. In der That hat man durch ein eingehendes Studium der Abhängigkeit der Sauerstoffabscheidung einerseits und der Amylumbildung in den Chlorophyll- körpern andererseits von äusseren Bedingungen die Richtigkeit der Schlussfol- gerung von SAcHs nur bestätigen können. Kraus?) fand, dass mit steigender Licht- intensität die Geschwindigl:eit der Stärkebildung steigt. In amylumfreien Chloro- phylikörpern von Spirogyra bildeten sich im diffusen Tageslicht in 2 Stunden, im direkten Sonnenlicht aber in 5 Minuten Amylummengen. GopLEwsk1°) fand, !) Ob der Assimilationsprozess thatsächlich in der hier angedeuteten Weise erfolgt, soll erst später entschieden werden. ?) Vergl. Mont, Botan. Zeitg. 1855. pag. 113. 3) Vergl. Sachs, Botan. Zeitg. 1862. No. 44. #) Vergl. Kraus, PRINGSHEIM’s Jahrbücher. Bd. 7. pag. 5ıı, 5) Vergl. GopLEwskKı, Flora. 1873. No. 24. Pr a‘ = DPA j f I. Abschnitt. ı. Der Assimilationsprozess. 27 dass die Stärkebildung im Chlorophyll bei einem Gehalte der umgebenden Luft von 8% Kohlensäure viel schneller erfolgte als in gewöhnlicher Luft. In kohlen- säurefreier Luft erfolgte die Neubildung von Stärke in den Chlorophyll- körnern nicht!). FaAmintzın?) constatirte, dass die Stärkebildung in den Zellen von Spirogyra unter dem Einflusse des Lampenlichtes zu Stande kommen kann. Unter dem Einflusse der minder brechbaren Strahlen, welche die Lösung des doppelt chromsauren Kalis passirt haben, erfolgt nach Beob- achtungen des zuletzt erwähnten Forschers eine sehr lebhafte Amylumbildung in den Spirogyrazellen, während das gemischte blaue Licht, welches von einer Lösung des Kupferoxydammoniaks nicht absorbirt wird, die Entstehung von Stärkekörnern im Chlorophyll nach Kraus?) nur sehr langsam herbeiführt. Es ist ferner experi- mentell festgestellt, dass nur grüne Pflanzen unter dem Einflusse des Lichtes und bei Gegenwart von Kohlensäure eine Steigerung ihres Trockensubstanz- gewichtes erfahren können. Ferner hat MoRGEN*) ermitteln können, dass die weniger brechbaren Strahlen des Sonnenlichtes die Trockensubstanzzunahme der Pflanzen in höherem Maasse als die brechbaren Strahlen begünstigen, und unter Berücksichtigung der sämmtlichen, hier angeführten Thatsachen ergiebt sich, dass die Sauerstoffabscheidung aus grünen Pflanzenzellen einerseits, sowie die Neubildung organischer Substanz, speziell die Stärkeerzeugung im Chloro- phylikorn, andererseits, sich genau von denselben äusseren Bedingungen abhängig erweisen. Dies berechtigt ferner zu dem Schluss, dass das Amylum in den Chlorophylikörpern zum Mindesten in sehr vielen Fällen als erstes leicht sichtbares Assimilationsprodukt angesehen werden muss. Nur selten werden andere Körper als erste leicht sichtbare Assimilations- produkte gebildet. Nach Sachs) fehlt die Stärke den meisten Chlorophylikörnern der grünen Theile von Alöum Cepa; dafür kommen in den Zellen sehr bedeu- tende Glycosemengen vor, und Sachs betrachtet die Glycose in diesem Falle als erstes leicht sichtbares Assimilationsprodukt. Nach Bakrıosı®) soll in den Blättern verschiedener Musaceen (Musa Stre- hitzia) fettes Oel als direktes Assimilationsprodukt auftreten. HoLLE”) sowie GODLEWSKI®) haben aber die Unrichtigkeit dieser Angaben dargethan. Wenn nämlich in Folge der Assimilation aus Kohlensäure und Wasser direkt fettes Oel gebildet würde, so müsste, da die Fette sehr sauerstoffarme Körper repräsen- tiren, viel mehr Sauerstoff, als in der verarbeiteten Kohlensäure vorhanden ist, abgeschieden werden. Das ist aber, wie die zuletzt genannten Forscher zeigten, nicht der Fall. Vielmehr erfährt das Luftvolumen, mit dem sich assimilirende D) Wenn Pflanzen, deren Chlorophylikörner Stärke führen, in kohlensäurefreier Luft dem Einflusse des Lichtes ausgesetzt werden, so verschwindet das Amylum nach GODLEWSKI wie im Dunkeln aus den Chlorophylikörnern. Unter normalen Verhältnissen verlässt ein Theil der producirten Stärke unzweifelhaft ebenfalls das Chlorophylikorn, aber die Menge des erzeugten Amylums ist erheblicher, als die Quantität des verschwindenden, und aus diesem Grunde muss sich die Stärke in den assimilirenden Zellen anhäufen. 2) Vergl. FAMINTZIn, PRINGSHEIM’s Jahrbücher. Bd. 6. pag. 42. 3) Vergl. die soeben citirte Abhandlung von Kraus. *) Vergl. MoRGEn, Botan. Zeitg. 1877. No. 35. 5) Vergl. Sachs, Handbuch der Experimentalphysiologie. pag. 326. 6) Vergl. Brıosı, Botan. Zeitg. 1873. No. 34. ?) Vergl. HoLLe, Flora. 1877. pag. 213. 8) Vergl. GopLewskı, Flora. 1877. pag. 216. I 2 EEE? ER RE ENDE ERENTO Ta RT EN TIERE IE DE EEE ER 28 System der Pflanzenphysiologie. Blätter von Musaceen in Contact befinden, keine wesentliche Veränderung. Die Musaceen verhalten sich demnach anderen Pflanzen analog, und Hore hat in der That in den Blättern von ‚Sirelitzia Reginae' Glycose nachweisen können, die er als erstes leicht sichtbares Assimilationsprodukt betrachtet, während GoDp- LEWSKI nicht nur in den Blättern der genannten Pflanze, sondern ebenso in denjenigen von Musa die Gegenwart von Stärkekörnern constatirte. Uebrigens will ich hier noch erwähnen, dass nach Boropın') in den Zellen von Vaucheria sessilis fettes Oel als alleiniges leicht sichtbares Assimilationsprodukt auftreten soll. Es liegt auf der Hand, dass sich das Wasser bei dem Prozesse der Assimi- lation nicht einfach als solches mit dem Kohlenstoff der zersetzten Kohlensäure zu Stärke verbindet. Vielmehr muss vom chemischen Standpunkte aus daran festgehalten werden, dass bei der Amylumbildung aus Kohlensäure und Wasser eine ganze Reihe intermediärer Produkte entsteht. SacHssE?) hat die Ansicht ausgesprochen, dass das Chlorophyll selbst als ein bei der Stärkebildung aus Kohlensäure und Wasser auftretendes Mittelglied anzusehen sei. Der Chloro- phyllfarbstoff repräsentirt nach SAcHssE eine Substanz, die zu den Kohlehydraten in näherer Beziehung steht, und während das Chlorophyll selbst durch Reduction aus Kohlensäure sowie Wasser unter dem Einflusse des Lichtes gebildet wird, soll die Stärke erst aus dem Farbstoff hervorgehen. Neuerdings hält SAcHssE die hier geltend gemachte Auffassung übrigens nicht mehr aufrecht.?) In zwei sehr beachtenswerthen Abhandlungen hat PRINGSHEIM®) kürzlich die Ansicht ausgesprochen, dass bei der Assimilation zunächst ein Körper von viel geringerem Sauerstoffgehalt als die Kohlehydrate entstehe. Diese Substanz, welche der genannte Forscher, als Hypochlorin bezeichnet, kann unter Bei- hülfe von Salzsäure aus grünen Pflanzentheilen isolirt werden. Das Hypochlorin ent- steht in den grünen Zellen der Angiospermen nur unter dem Einflusse des Lichtes, und es wird in den Zellen erst später bemerkbar, als der grüne Chlorophylifarb- stoff. In den bei Abschluss des Lichtes ergrünenden Zellen der Coniferen, tritt das Hypochlorin auch im Finstern auf; aber auch hier ist der grüne Farb- stoff das Primäre.’) Der Chlorophylifarbstoff und ebenso das Hypochlorin repräsentiren sehr sauerstoffarme Verbindungen. Wenn die genannten Körper wirklich die ersten leicht sichtbaren Assimilationsprodukte darstellen sollten, so müsste also zunächst bei der Assimilation eine sehr weitgehende Reduction der Kohlensäure sowie I) Vergl. Boropin, Botan. Zeitg. 1878. No. 32. 2?) Vergl. SacHsse, Die Chemie und Physiologie d. Kohlehydrate. 1877. pag. 56. 3) Vergl. SacHsse, Phytochemische Untersuchungen. 1880. pag. 45. #, Vergl. PrınGsmeim, Monatsber. d. Akad. d. Wiss. z. Berlin. 1879. Juli- und Novemberheft. 5) PrınGsHEIm’s Anschauungen über die physiologische Bedeutung des Chlorophylis sind ganz eigenthümlich. Die Anhäufung des Hypochlorins in den Pflanzenzellen ist allerdings an das Vorhandensein des Chlorophylis gebunden, aber das Chlorophyll ist dennoch bei dem Pro- zesse der Assimilation nicht direkt betheiligt. Vielmehr dient der grüne Farbstoff vermöge seiner starken Lichtabsorption nur dazu, die Athmungsintensität der Pflanzen, welche nach PRINGSHEIM an sich durch die Lichtstrahlen eine wesentliche Steigerung erfährt und deshalb bei Abwesenheit des Chlorophylis unter dem Einfluss des Lichtes sehr viel bedeutender als im Finstern sein würde, zu deprimiren, so dass das Hypochlorin sich in der Pflanze anhäufen und in ander- weitige organische Körper (namentlich Stärke) übergehen kann. Das Hypochlorin der im Dunkeln erwachsenen Coniferen ist kein Assimilationsprodukt, sondern gleich dem Amylum, welches z. B. häufig aus Fetten hervorgeht, ein Produkt von Stoffwechselprozessen, I ea ee A EN ke “ = TR . z N ” | E I. Abschnitt. ı. Der Assimilationsprozess. 29 des Wassers erfolgen und später müsste dann aus dem Chlorophyll oder Hy- pochlorin die Entstehung von Kohlehydraten unter Sauerstoffaufnahme bewerk- stelligt werden. Denn nur unter diesen Voraussetzungen wird die Thatsache verständlich, dass die Assimilation mit der Abscheidung einer Sauerstoffmenge verbunden ist, deren Volumen demjenigen der verarbeiteten Kohlensäure ent- spricht. Man sieht, dass der Forschung hier noch ein weites Feld offen steht. Vor der Hand möchte ich für meinen Theil noch daran festhalten, dass das Amylum in den bei weitem meisten Fällen als erstes leicht sichtbares Assimi- lationsprodukt aufzufassen ist, und zwar habe ich mir, anknüpfend an die An- sehauungen von BAYER!) und WIESNER?), die folgende Vorstellung über das Wesen des Assimilationsprozesses gebildet. Als Organ der Assimilation ist das ergrünte Chlorophylikorn anzusehen. Bei Abschluss des Lichtes wird aus Kohlehydraten Etiolin gebildet. Dieses geht gewöhnlich erst unter dem Einflusse des Lichtes in normales Chlorophyl! (Xanthophyll und Kyanophyll) über. Ein Theil des Chloro- phylifarbstoffs wird im Chlorophylikorn durch Oxydationsprozesse unter allen Um- ständen zersetzt, so dass bei Lichtzutritt eine entsprechende Menge neu entstehen muss?) Der Assimilationsprozess selbst wird ermöglicht, indem die im Chlorophylikörper unter dem Einflusse des Lichtes zu Stande kommenden eigenthümlichen Bewegungszustände die Bildung einer Atomgruppe aus Kohlensäure sowie Wasser herbeiführen, welche die Zusammensetzung des Methyl- aldehyds besitzt.*) c0,—-—0=C0+0; CO+H,0=CH,0-+0. Es wird also eine Sauerstoffmenge abgeschieden, deren Volumen gleich dem- jenigen der zersetzten Kohlensäure ist. Die Gruppe CH,O kann, wie BUTLEROW’) gefunden hat, leicht in zuckerartige Körper übergehen, und aus diesen entsteht schliesslich in der Regel Amylum. Sr. Das Licht als Kraftquelle. — Der Assimilationsprozess führt, wie oft betont worden ist, zur Bildung organischer Substanzen. Diese Körper sind verbrennlich, und bei ihrer Oxydation wird Wärme frei, während die Kohlensäure sowie das Wasser, also das Material, welches zur Bildung organischer Stoffe in den grünen Pflanzenzellen verwandt wurde, als unverbrennlich erscheinen. Zieht man das Princip des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft in Betracht, so drängt sich die Frage nach dem Ursprung jener Wärme, welche in Folge der Oxydation der organischen Stoffe frei wird, sofort auf. Wir wissen heute mit aller Bestimmtheit, dass die Lichtstrahlen als Kraftquelle für den Prozess der Erzeugung organischer Körper angesehen werden müssen. Ohne den Zutritt des Lichtes ist ja keine Assimilation denkbar. Durch die Lichtstrahlen wird das Zu- standekommen dieses Vorgangs erst ermöglicht, und es geht dabei die actuelle 0) Vergl. BAvER, Berichte d. deutschen chem. Gesellsch. Bd. 3. pag. 63. 2) Vergl. WIESNER, Die Entstehung des Chlorophylls. Wien. 1877. 3) Die Kohlensäure, welche im Chlorophylikörper eventuell bei der Oxydation des Kyano- phylis entsteht, wird vielleicht sofort wieder für den Assimilationsprozess in Anspruch genommen und die gebildete Stärke kann aufs Neue für die Regeneration von Chlorophyllfarbstoffen Ver- wendung finden. #) Die Gruppe CH,O besitzt insofern ein grosses physiologisches Interesse, als sie nicht nur in Folge des Assimilationsprozesses, sondern ebenso, wie später gezeigt werden soll, sehr allgemein bei Stoffwechselprozessen in der Pflanze entsteht. 5) Vergl. BUTLEROW, Annal. d. Chm. u. Pharm. Bd. 70. pag. 295. u 4 ya ’“ 7 sw; y 4 30 System der Pflanzenphysiologie. 3 Energie (lebendige Kraft) des Lichtes in potentielle Energie (chemische Spann- kraft) der producirten organischen Substanz einerseits und des frei werdenden Sauerstoffes andererseits über. Die in den organischen Körpern angesammelte chemische Spannkraft wird bei der Oxydation derselben in Form von Wärme frei. Wenn wir noch einmal auf die bereits berührte Frage nach der Leistungs- fähigkeit der einzelnen Strahlengattungen bei dem Assimilationsprozesse zurück- kommen, so ist hier abermals mit Nachdruck zu betonen, dass die sogen. che- mischen (ultravioletten) Strahlen die chemische Arbeit bei der Assimilation nicht leisten können. Ebenso wenig dürfen jene rothen Lichtstrahlen, welche vam Chlorophyllfarbstofft so energisch absorbirt werden, als diejenigen angesehen werden, welche sich in erster Linie an dem Zustandekommen des Assimilations- prozesses betheiligen. Es ist allerdings einleuchtend, dass nur solche Strahlen für die Kohlensäurezersetzung eine Bedeutung besitzen können, welche von den Chlorophylikörpern absorbirt werden, aber es würde durchaus unrichtig sein, wollte man die Entscheidung über die hier in Rede stehenden Fragen von dem Resultate rein deductiver Betrachtungen abhängig machen. Denn obgleich die- jenigen Strahlen, welche das photographische Papier energisch zu schwärzen ver- mögen, und ebenso gewisse rothe Lichtstrahlen sehr lebhaft vom Chlorophylifarb- stoff absorbirt werden, haben die experimentellen Forschungen ergeben, dass die chemische Arbeit in den Chlorophylikörpern in erster Linie von den gelben Lichtstrahlen geleistet wird. Es muss bei der Beurtheilung der in Rede stehen- den Verhältnisse eben Berücksichtigung finden, dass nicht allein der grüne Farb- stoff für das Zustandekommen der Assimilation von Bedeutung ist, sondern dass der gesammte Chlorophylikörper (plasmatische Grundmasse und Farbstoff desselben) die Bildung von organischer Substanz vermittelt. Jene Strahlen, welche der Farbstoff so vollkommen absorbirt, gehen unzweifelhaft in neue Kraftformen über, aber ebenso gewiss ist es, dass den gelben Strahlen des Lichtes in erster Linie die Fähigkeit zukomnmit, die chemische Arbeit bei der Assimilation zu leisten. !) In Folge des Assimilationsprozesses werden der Atmosphäre im Laufe einer gegebenen Zeit sehr bedeutende Kohlensäuremengen entzogen. Dieser Kohlen- säureverlust ist so erheblich, dass die Luft, wie man berechnet hat, wenn ihr gar keine Kohlensäure wieder zuflösse, in etwa 60 Jahren völlig kohlensäurefrei sein müsste. Es ist deshalb von grosser Wichtigkeit für die Fortexistenz des ge- sammten organischen Lebens auf unserem Planeten, dass der Kohlenstoff, der in den organischen Substanzen der Pflanzen vorhanden ist, sich nach dem Tode der Gewächse aufs Neue mit dem Sauerstoff zu Kohlensäure verbindet, welche ihrerseits wieder in den chlorophyliführenden Zellen unter dem Einflusse des Lichts zur Bildung organischer Körper Verwendung finden kann. Allein ein Bruchtheil des Kohlenstoffes der Pflanzenleiber fällt jenem Oxydationsprozesse nicht direkt anheim, sondern liefert das Material zur Bildung der sogen. Kohlen- gesteine (T'orf, Braunkohlen, Steinkohlen). Dieser Kohlenstoff kann Jahrtausende lang im Schosse der Erde ruhen. Aber wenn der Mensch jene Kohlengesteine als Brennmaterial verwendet, so verbindet sich der Kohlenstoff derselben mit dem !) Die tbrigen leuchtenden Strahlen sind für die Kohlensäurezersetzung zwar nicht bedeutungslos, aber keine Strahlengattung leistet eine so grosse chemische Arbeit in den Pflanzen- zellen wie die gelben Lichtstrahlen dies vermögen. £ I. Abschnitt. 2. Die Entstehung der Proteinstoffe in den Pflanzen. 3ıI Sauerstoff der Luft zu Kohlensäure, und die potentielle Energie, welche seit un- endlich langen Zeiten in den Kohlengesteinen aufgehäuft war, geht aufs Neue in lebendige Kraft über. Sehen wir von gewissen rein chemischen Prozessen, durch welche in der Natur höchst wahrscheinlich gewisse organische Verbindungen aus anorganischem Material erzeugt werden, ab, so ist allein unter Vermittelung der chlorophyll- haltigen Zellen die Möglichkeit der Ueberführung anorganischer Körper in or- ganische gegeben. Dadurch wird nun das Leben der grünen Pflanze von der eminentesten Bedeutung für dasjenige aller chlorophylifreien Organismen (Thiere, sowie chlorophylifreie Gewächse). Diese sind nicht im Stande zu assimiliren. Sie können sich allein auf Kosten bereits gebildeter organischer Verbindungen er- nähren. Ohne die Thätigkeit der grünen Zellen ist auf unserem Planeten unter den bestehenden Verhältnissen kein thierisches Leben denkbar, denn unter Ver- mittelung jener Zellen erfolgt erst die Bildung der für die Entwicklung animalischer Organismen erforderlichen Stoffe, sowie die für das thierische Leben nicht minder bedeutungsvolle Ueberführung der actuellen Energie des Sonnenlichtes in potentielle Energie.) Zweites Kapitel. Die Entstehung der Proteinstoffe in den Pflanzen. S8. Das Wesen des Prozesses der Proteinstoffbildung. — Wie die Assimilationsprodukte (Stärke, Zucker, Fette) das Material zur Bildung der Zellhaut liefern, so finden die Proteinstoffe in erster Linie bei der Entstehung des Protoplasma Verwendung. Im Folgenden kann es nun durchaus noch nicht unsere Aufgabe sein, genaueren Aufschluss über die merkwürdigen Eigenschaften des Protoplasma zu geben; es kommt vielmehr allein darauf an, denjenigen Pro- zessen, welche zur Bildung der wichtigsten Bestandtheile desselben, der Protein- stoff- nämlich, führen, unsere Aufmerksamkeit zu schenken.?) Während die Assimilationsprodukte allein aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehen, enthalten alle Proteinstoffe neben diesen Elementen — was von ganz hervorragender Bedeutung erscheint — noch Stickstoff sowie Schwefel. Die Entstehung der Eiweisskörper ist demnach nur unter Beihülfe stickstoff- sowie schwefelhaltiger Verbindungen möglich. Wenn man grüne Pflanzen mit Hülfe der Methode der Wassercultur cultivirt und den Untersuchungsobjecten allein anorganische Körper, den Stickstoff speciell in Form von Ammoniaksalzen oder salpetersauren Salzen, als Nahrungsmittel dar- bietet, so zeigt sich, dass sich die Gewächse durchaus normal entwickeln. Für uns beansprucht zumal diese Thatsache ein lebhaftes Interesse, dass unter den bezeichneten Umständen die Bildung bedeutender Proteinstoffquantitäten erfolgen kann, und es ist von vornherein wahrscheinlich, dass die Entstehung der Eiweiss- körper auf Kosten der in Folge des Assimilationsprozesses erzeugten stickstoft- freien organischen Verbindungen sowie der Salpetersäure oder des Ammoniaks Y) Ich will hier noch bemerken, dass sich das Pflanzenreich heute allerdings in seiner Ent- wicklung in vielfältiger Beziehung abhängig von der Thierwelt zeigt, aber dass die Existenz der Vegetation doch keineswegs nothwendig an das Leben der Thiere gebunden erscheint. 2?) Die im dritten Hauptabschnitt vorzunehmende Unterscheidung zwischen lebendigen und todten Eiweiss- oder Proteinstoffmolekülen lasse ich hier noch gänzlich ausser Acht, Bi. 32 System der Pflanzenphysiologie. erfolgt. Erinnert man sich ferner an die sicher festgestellte Thatsache, dass die Pilze, z. B. die Gährungspilze, im Stande sind, unter geeigneten sonstigen Vege- tationsbedingungen auf Kosten von Zucker und Ammoniaksalzen erhebliche Proteinstoffquantitäten zu bilden!), so wird man in der Ansicht, nach welcher in den Pflanzenzellen aus stickstofffreien organischen und stickstoffhaltigen anor- ganischen Stoffen Proteinkörper hervorgehen können, nur noch bestärkt. Die hier zuletzt erwähnten Erfahrungen beanspruchen aber noch ein weitergehenderes Interesse, denn sie zeigen, dass der Prozess der Proteinstoffbildung selbst in Zellen erfolgen kann, die kein Chlorophyll enthalten. Es unterliegt gar keinem Zweifel, dass die Proteinstoffe nicht nur in grünen Zellen, sondern überhaupt in jeder Pflanzenzelle entstehen können, und wenn EMMERLING?) kürzlich gezeigt hat, dass die von den Pflanzen aus dem Boden aufgenommene Salpeter- säure in allen Theilen der Wurzeln und des Stengels in erheblichen Mengen nachgewiesen werden kann, in den grünen Blättern aber fast völlig verschwindet, so darf daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass diejenigen Organe, welche das Geschäft der Assimilation in erster Linie besorgen, allein für die Proteinstoff- bildung von Bedeutung erscheinen. Jene Thatsache erklärt sich vielmehr einfach unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Blätter in Folge ihrer assimi- latorischen Thätigkeit insbesondere reich an stickstofffreien Körpern, also an solchen Stoffen sind, die neben Salpetersäure oder Ammoniak bei dem Zustande- kommen der Eiweissbildung Verwendung finden. Wenn man von der gewiss begründeten Vorstellung ausgeht, dass die Pro- teinstoffbildung nicht allein in den grünen, sondern überhaupt in allen Pflanzen- zellen, mögen dieselben Chlorophyll führen, oder mag ihnen dieser Farbstoff fehlen, erfolgen kann, so ist von selbst klar, dass dem Prozesse, welcher bei der Erzeugung von Eiweisskörpern zur Geltung kommt, ein wesentlich anderer Charakter als dem Assimilationsvorgange eigenthümlich sein muss In der That haben die vorliegenden experimentellen Forschungen zu dem Ergebnisse geführt, dass die Proteinstoffbildung, aus stickstofffreien organischen Körpern (z. B. Substanzen von der Zusammensetzung der Kohlehydrate) und stickstoffhaltigen anorganischen Verbindungen (z. B. Salpetersäure), wie von vornherein zu er- warten, nicht mit einer Sauerstoffabscheidung, sondern im Gegentheil mit Kohlen- säureproduktion verbunden ist.) KELLNER®) beobachtete, dass die Salpetersäure, welche keimenden Samen (Erbsen) in Verbindung mit Basen dargeboten wird, und welche die Samen aut- genommen haben, mit fortschreitender Evolution des Embryo verschwindet. Die Salpetersäure ist unzweifelhaft mit den vorhandenen Kohlehydraten in chemische Wechselwirkung getreten, und die zur Geltung kommenden Prozesse haben schliesslich zur Bildung von Proteinstoffen geführt. Besondere Beachtung ver- dient aber hier mit Bezug auf das oben Gesagte der Umstand, dass die Erbsen, welche salpetersaure Salze aufgenommen hatten, ausnahmslos in der Zeiteinheit grössere Kohlensäuremengen producirten als diejenigen, denen jene stickstoff- haltige anorganische Substanz nicht zur Disposition gestellt worden war. Die ') Vergl. die Zusammenstellungen in A. MAver’s Gährungschemie. 1874. pagı 100. 2) Vergl. EMMERLING, Versuchsstationen. B. 24. pag. 113. 3) Die Prozesse, welche bei der Proteinstoffbildung zur Geltung kommen, gehören, wie im dritten Hauptabschnitt gezeigt werden soll, in die Kategorie der Stoffwechselvorgänge. #) Vergl. KELLNER, Versuchsstationen. B. 17. pag. 408. I. Abschnitt. 2. Die Entstehung der Proteinstoffe in den Pflanzen. 23 Proteinstoffbildung auf Kosten von Kohlehydraten sowie Salpetersäure ist, so dürfen wir gewiss schliessen, mit Kohlensäurebildung verbunden. Sehen wir zunächst gänzlich von dem Schwefelgehalte der Proteinstoffe ab, so können wir die Zusammensetzung derselben durch die empirische Formel Ca H,;s N; O, ausdrücken, und wir können uns ferner, wie es A. MAYER bereits gethan, mit Hülfe der nachstehenden Formelgleichung eine Vorstellung über die bei der Eiweissbildung stattfindende Reaction bilden: E34 0, +6 HNO, =2 C,5 H,; N; O,+ 21 H,0 + 13 CO;,. Es darf als höchst wahrscheinlich angesehen werden, dass die salpetersauren Salze, welche mit Hülfe der Wurzeln von den Pflanzen aufgenommen worden sind, nicht direkt mit stickstofffreien organischen Stoffen zur Bildung der Proteinkörper in chemische Wechselwirkung gerathen. EMMERLING!) hat nämlich gefunden, dass salpetersaurer Kalk sowie salpetersaures Kalı ausserhalb des Organismus durch Oxalsäure zersetzt werden können, und es ist anzunehmen, dass die im vegetabilischen Organısmus so häufig entstehende Oxalsäure (wahr- scheinlich auch andere organische Säuren) ebenfalls zersetzend auf die Nitrate einwirkt. Als Produkte des Zersetzungsprozesses werden einerseits oxalsaure Salze gebildet, die sich entweder im Pflanzensaft auflösen (oxalsaure Alkalien), oder in Kıystallform in den Zellen abgeschieden werden (oxalsaurer Kalk?), andererseits wird aber Salpetersäure in Freiheit gesetzt. Dieser chemisch active Körper wirkt auf organische stickstoffireie Verbindungen ein. Es kommt unter Kohlensäure- sowie Wasserabscheidung ein Reductionsprozess zu Stande, der so- wohl in chlorophyllhaltigen als auch in chlorophyllireien Zellen vor sich gehen kann und keineswegs, wie der Assimilationsprozess mit dem Uebergang actueller in potentielle Energie verbunden ist, sondern gerade von dem entgegengesetzten Erfolg begleitet sein muss. Als Endprodukte der Reaction sind, abgesehen von der Kohlensäure sowie dem Wasser, Proteinstoffe anzusehen. Möglich ist es, dass als intermediäre Produkte Säureamide oder Amidosäuren gebildet werden.?) Dass das Ammoniak als solches chlorophyllhaltigen sowie chlorophylifreien Gewächsen als Nahrungsmittel dienen kann, ist kaum zweifelhaft. Die Prozesse, welche bei der Proteinstoffbildung auf Kosten von Ammoniak und stickstofffreien organischen Stoffen zur Geltung kommen, sind den soeben etwas spezieller betrachteten in vieler Hinsicht ähnlich, namentlich insofern, als die Eiweissbildung aus stickstofffreien organischen Substanzen und Ammoniak ebenfalls mit Kohlen- säure sowie Wasserabscheidung verbunden sein wird. Die Frage, ob der freie atmosphärische Stickstoff für die Proteinstoffbildung von Bedeutung erscheint, und ob stickstoffhaltigen organischen Körpern eine Bedeutung in der hier in Rede stehenden Beziehung beigemessen werden darf, soll im folgenden Paragraphen ihre Beantwortung finden. S 9. Die stickstoffhaltigen Nahrungsmittel der Pflanzen. a) Der freie atmosphärische Stickstoff. Mit der Frage, ob der ungebundene Stickstoff der Luft in den Pflanzen zur Bildung von Proteinstoffen Verwendung finden kann, haben sich die Pflanzenphysiologen bereits lange beschäftigt. Diese D) Vergl. EMMERLING, Versuchsstationen. B. 17. pag. 173. 2) Ich will hier noch bemerken, dass nach HoLznErR (Flora 1867) auch dadurch Krystalle von oxalsaurem Kalk in den Pflanzenzellen entstehen, dass die Oxalsäure zersetzend auf phosphor- sauren und schwefelsauren Kalk einwirkt. 3) Vergl. EMMERLING, Versuchsstationen. B. 24 pag. 113 und KELLNER, landwirthschl. Jahr- bücher. B. 8. Supplementheft. SCHEnk, Handbuch der Botanik. Bd. II. 3 34 System der Pflanzenphysiologie. Frage beansprucht auch in der That ein hohes theoretisches sowie praktisches Interesse, und es ist erfreulich, dass wir heute im Stande sind, dieselbe in ganz bestimmter Weise zu beantworten. Nachdem SaussurE durch seine bezüglichen Untersuchungen zu dem Resultat gelangt war, dass der freie Stickstoff der Luft nicht von den Pflanzen verarbeitet werden könne, stellte weiterhin vor allen Dingen BoussinGauLrt!) sehr gründliche Forschungen über den nämlichen Gegenstand an. Die mit peinlichster Sorgfalt von BoussinGAULT durchgeführten Versuche haben ebenfalls zu dem Resultate geführt, dass der freie Stickstoff der Atmosphäre nicht zur Erzeugung stickstoffhaltiger organischer Verbindungen in der Pflanze Ver- wendung findet. Bei der Ausführung der Versuche entwickelten sich die Pflanzen, mit denen BOUSSINGAULT experimentirte, in ausgeglühtem Bimsstein, der mit Asche gemengt und mit destillirtem Wasser befeuchtet wurde. Die Pflanzen befanden sich stets mit einer Luft in Berührung, welche keine Stickstoffverbindungen enthielt, und ein Vergleich des Stickstoffgehalts der ausgelegten Samen mit demjenigen der geernteten Pflanzen nach Abschluss der Versuche, musste demnach Aufschluss über die Frage nach der Verwerthbarkeit des freien atmosphärischen Stickstoffs seitens der Gewächse geben. Ich gehe hier nicht spezieller auf die von BoUsSSIN- GAULT bei der Ausführung seiner Untersuchungen in Anwendung gebrachte Methode ein, sondern theile sogleich einige Ergebnisse der Beobachtungen mit. Dauer Gewicht Gewicht Stickstoff Stickstoff Stickstoffgewinn Versuchspflanze. der der Aussaat | der Ernte der Aussaat der Ernte oder Verlust Versuche. in Grm. in Grm. in Grm. in Grm. in Grm. Zwergbohne . . | 2 Monate 0,780 | 1,870 0,0349 0,0340 — 0,0009 Hafer 20a 0,139 0,440 0,0031 0,0030 — 0,0001 Weisse Lupine 6 Wochen 0,825 1,820 | 0,0480 0,0483 —+- 0,0003 Die Differenzen zwischen dem Stickstoffgehalt der Aussaat und der Ernte sind so unbedeutend, dass der Ursprung derselben unzweifelhaft auf kleine 3eobachtungsfehler zurückgeführt werden muss, und dass es entschieden als be- rechtigt erscheint, den freien Stickstoff der Atmosphäre auf Grund der Resultate der mitgetheilten sowie anderweitiger Experimente BouSSINGAULT’s als einen Körper anzusehen, der in den Pflanzenzellen nicht zur Bildung stickstoffhaltiger organischer Verbindungen dienen kann. Die von BoussinGAauLT über das Verhalten des freien Stickstoffs in den Ge- wächsen ausgesprochenen Ansichten wurden aber keineswegs allgemein als richtig anerkannt. Namentlich hat VırLE?) versucht, auf experimentellem Wege den Nachweis zu liefern, dass der freie Stickstoff in den Pflanzenzellen zur Bildung von organischen Stickstoffverbindungen Verwendung finden könne, aber diese Anschauung hat sich mehr und mehr als eine unhaltbare erwiesen. Vor allen Dingen haben die ausgedehnten Arbeiten von LAwEs, GILBERT und PuGH wesent- lich dazu beigetragen, die Resultate der Untersuchungen BoUSSINGAULTS zu Ehren zu bringen, und heute besteht unter den vorurtheilsfreien Pflanzenphysiologen kein Zweifel mehr darüber, dass der freie atmosphärische Stickstoff nicht direkt für die Zwecke der Ernährung der Pflanzen Verwendung findet. Dieses Ergeb- niss hat nachgewiesenermaassen nicht nur Gültigkeit für die höheren Gewächse, sondern ebenso für die niederen, z. B. die Hefepilze und andere. b) Die Salpetersäure. Die Salpetersäure kann in Verbindung mit Basen I) Vergl. BoUssInGAULT, Compt. rend. T. 39. pag. 601. 2) Vergl. Vırre, Compt. rend., T. 35, 38 und 41. “1m | 4 I. Abschnitt. 2. Die Entstehung der Proteinstoffe in den Pflanzen, 35 (zumal Kalk, Natron, Kali) von den Pflanzenwurzeln leicht aufgenommen werden, und der experimentellen Behandlung der Frage, ob die Salpetersäure in den Pflanzenzellen zur Bildung von Proteinstoffen Verwendung findet, stellen sich auch keine besonderen Schwierigkeiten in den Weg. Man braucht die Unter- suchungsobjecte nur in einem ausgeglühten Bodenmaterial oder in einer Nähr- stofflösung zu cultiviren, welche hinreichende Quantitäten der erforderlichen Pflan- zennährstoffe (den Stickstoff in Form von Salpetersäure) enthalten, und die Vege- tation der Pflanzen genauer ins Auge zu fassen. Vergleicht man die Gewächse, die sich unter den bezeichneten Verhältnissen entwickelt haben, mit solchen, welche bei völligem Ausschluss eines geeigneten stickstoffhaltigen Nahrungsmit- tels, sonst aber unter normalen Vegetationsbedingungen, cultivirt worden sind, so zeigt sich, dass diese letzteren Pflanzen eine höchst kümmerliche Ausbildung und kaum eine Zunahme ihres Stickstoffgehalts erfahren, während jene ersteren kräftig gedeihend, reichliche Proteinstoffmengen bilden.!) Zahlreiche Beobachtun- gen haben übereinstimmend zu dem Ergebnisse geführt, dass viele höhere Gewächse die Salpetersäure als Nahrungsmittel verwerthen können, und dass dieselben durchaus normal zur Entwicklung gelangen, wenn ihnen die Gesammt- menge des erforderlichen Stickstoffs in Form von Salpetersäure dargeboten wird. c) Das Ammoniak. Die Behandlung der Frage nach der Bedeutung des Ammoniaks als Pflanzennahrungsmittel stellen sich nicht unerhebliche Schwierigkeiten in den Weg, und ich bin sogar der Ansicht, dass diese Frage heute noch keineswegs absolut sicher beantwortet ist. Wenn man den Gewäch- sen, die sich, in einem Bodenmaterial wurzelnd, unter durchaus normalen Vege- tationsbedingungen befinden, den Stickstoff in Form von Ammoniak darbietet, so liegt immer, wie weiter unten noch specieller gezeigt werden soll, die Mög- lichkeit vor, dass das Ammoniak im Boden durch Oxydationsprozesse in Salpe- tersäure übergeführt wird, und dass diese erst die Pflanzen mit Stickstoff versorgt. Daher sind alle jene Versuche, welche zur Entscheidung der hier in Rede ste- henden Frage angestellt wurden, und bei deren Ausführung sich die Pflanzen im Boden wurzelnd entwickelten, nach meiner Ueberzeugung nicht durchaus beweiskräftig. Beachtenswerther scheinen dagegen die Resultate der Versuche von G. KüHn und HamPpr?) zu sein, denn die Untersuchungsobjecte dieser Beob- achter wurzelten nicht in einem Bodenmaterial, sondern sie nahmen den Nähr- stoff (Stickstoff in Form von Ammoniak) aus wässeriger Lösung auf. Aber selbst die Ergebnisse dieser Versuche beweisen nicht zwingend, dass das Ammoniak, ohne vorher in Salpetersäure übergeführt worden zu sein, von der Pflanze als Nahrungsmittel verwerthet worden ist. Wenn die ein Ammoniaksalz enthaltende Nährstofflösung in den vegetabilischen Organismus eindringt oder sich in demselben verbreitet, so machen sich, wie im zweiten Abschnitt genauer gezeigt werden soll, Imbibitionsvorgänge geltend. Die Möglichkeit der Salpeter- säurebildung ist dabei keineswegs ausgeschlossen, und es_iragt sich, ob das den Pflanzenzellen zur Disposition stehende stickstoffreiche Nahrungsmittel nicht erst in dem Maasse, wie die Salpetersäurebildung zu Stande kommt, für die Zwecke der Proteinstofferzeugung Verwendung findet. Bei alledem liegt eigentlich kein Grund zu der Annahme vor, dass das D) Solche Versuche, wie wir sie hier im Sinne haben, sind von BoUSSINGAULT, KnoPp (vergl. Kreislauf des Stoffs, Bd. I, pag. 613), STOHMANN und Anderen durchgeführt worden. 2) Vergl. G. Künn und HamPpE, Versuchsstationen. 1867. pag. 157 und 167. 3% 36 System der Pflanzenphysiologie. Ammoniak niemals direkt zur Entstehung von Eiweissstoffen in der Pflanze ver- werthet werde. Vielmehr ist es sehr wahrscheinlich, dass das Ammoniak, wie die Salpetersäure, direkt mit stickstofffreien organischen Stoffen in den Pflanzen- zellen in Wechseiwirkung geräth, und zur Bildung von Eiweisskörpern Veran- lassung giebt. Dies hat unzweifelhaft nicht nur für die niederen Pflanzen, son- dern ebenso für die höheren Gewächse Gültigkeit. Diese letzteren sind einer- seits im Stande, Ammoniaksalze aus dem Boden aufzunehmen, andererseits kommt ihren oberirdischen Theilen nach den Untersuchungen von Sachs!) und A. MAYER?) die Fähigkeit zu, Ammoniak, welches sich in der Atmosphäre vorfindet, zu absor- biren und für die Zwecke der Proteinstoffbildung zu verwerthen. d) Stickstoffhaltige organische Verbindungen. Die vorstehenden Auseinandersetzungen haben zu dem Ergebnisse geführt, dass der freie atmosphä- rische Stickstoff nicht als solcher für die Bildung stickstoffhaltiger organischer Verbindungen in der Pflanzenzelle Verwendung finden kann. Dagegen ist die Salpetersäure unzweifelhaft als ein sehr wichtiges Pflanzennahrungsmittel anzusehen. Dasselbe gilt für das Ammoniak, und höchst wahrscheinlich kann dieser Körper unmittelbar als solcher im vegetabilischen Organismus verarbeitet werden. Es ist leicht begreiflich, dass man bei dem Studium des Ernährungs- prozesses der Pflanzen noch ferner die Frage ins Auge fasste, ob bestimmten stickstoffhaltigen organischen Verbindungen die Fähigkeit zukomme, die Gewächse mit Stickstoff zu versorgen, und zwar verfuhr man bei der Ausführung der bezüg- lichen Experimente im Allgemeinen derartig, dass man die Untersuchungsobjecte mit Hülfe der Methode der Wassercultur erzog. Die Nährstofflösungen, mit denen sich die Wurzeln in Berührung befanden, enthielten dabei neben Mineralstoffen lediglich stickstoffhaltige organische Körper. CAMERON?) sowie HAMmPE®#) geben an, dass der Harnstoff von den höheren Pflanzen als Nahrungsmittel verwerthet werden könne. Der letztere Forscher hat die Gegenwart des Harnstoffs während der Versuche in seinen Untersuchungs- objecten (Gersten- und Maispflanzen) nachweisen können. Harnsäure, Hippur- säure sowie Guanin beförderten die Entwicklung der Pflanzen weniger als Harn- stof. Auch Leucin, Tyrosin und Glycocoll werden nach Knop und W. WoLF>) von Roggenpflanzen aufgenommen und können im Organismus derselben als Nahrungsmittel fungiren. Andere organische Körper (z. B. Coffein, Chinin, Mor- phin etc.) sind dagegen nach den zuletzt genannten Forschern dazu nicht im Stande. Man könnte daran denken, dass gewisse stickstoffhaltige organische Stoffe nur in dem Maasse in den Pflanzenzellen zur Verarbeitung gelangen, wie sie Zer- setzungen erfahren, so dass erst die entstehenden Zersetzungsprodukte (zumal das Ammoniak) zur Bildung von Proteinstoffen Verwendung finden. Aber es liegt wenigstens für manche Fälle kein Grund Zu einer derartigen Annahme vor. Vielmehr ist es z. B. für Leucin sowie Tyrosin so gut wie gewiss, dass diese Körper unmittelbar in den Pflanzen verarbeitet werden, und ich möchte mich hier auf die im dritten. Abschnitt eingehender zu begründende Thatsache ') Vergl. Sacus, Chemischer Ackersmann. 1860. pag. 159. ?) Vergl. A. MAvEr, Versuchsstationen. Bd. 17. #) Vergl. CAMERON, Versuchsstationen.. Bd. 8. pag. 235. *) Vergl. Hames, Versuchsstationen. Bd. 7, 8 und 9. °) Vergl. Knor, Kreislauf des Stoffs. Bd. ı. pag. 618, IL. Abschnitt. 2. Die Entstehung der Proteinstoffe in den Pflanzen. 37 stützen, dass die stickstoffhaltigen Körper des lebensthätigen Plasma fortdauernd unter anderem Säureamide sowie Amidosäuren als Zersetzungsprodukte liefern, die aber unter Beihülfe von stickstofffreien organischen Stoffen aufs Neue zur Regeneration von Proteinstoffen Verwendung finden können. e) Die für die Ernährung der Pflanzen geeignetsten Stickstoff- verbindungen. Es ist nicht genug zu betonen, dass den verschiedenen stick- stoffhaltigen Verbindungen, welche überhaupt in Pflanzenzellen zur Proteinstoff- bildung dienen können, keineswegs in allen Fällen dieselbe Bedeutung für das Zustandekommen des in Rede stehenden Prozesses beigemessen werden darf. Die Salpetersäure ist für die höheren chlorophyllhaltigen Gewächse gewiss im Allgemeinen als die geeignetste Verbindung anzusehen, in welcher der Stickstoff denselben dargeboten werden kann. Aber dennoch ist schon hier zu betonen, dass nach LEHMANN!) die Maispflanzen während der ersten Stadien ihrer Entwick- lung besser gedeihen, wenn ihnen Ammoniaksalze (schwefelsaures Ammoniak) dargeboten werden, als dann, wenn sie salpetersaure Salze empfangen. Bei weiterer Entwicklung der Maispflanzen sollen sich die Verhältnisse umkehren; die Salpetersäure erweist sich dann als eine geeignetere Stickstoffquelle als das Ammoniak. Buchweizenpflanzen gehen zu Grunde, wenn ihnen der Stickstoff allein in Form von Ammoniaksalzen dargeboten wird. Welche Körper als die geeignetsten stickstoffhaltigen Nahrungsmittel der phanerogamen Saprophyten und Parasiten anzusehen sind, ist noch nicht sicher festgestellt. Dagegen liegen mit Bezug auf Stickstoffversorgung niederer chlorophyllfreier Organismen, zumal der Hefepilze, beachtenswerthe Angaben vor.?) Es hat sich ergeben, dass Protein- stoffe die Hefezellen in dem Maasse wie sie diffusionsfähig sind, mit Stickstoff versorgen können. Besonders geeignet haben sich aber Peptone als Nahrungs- mittel der Hefezellen erwiesen, und auch anderweitige stickstoffreiche organische Körper (Allantoin, Harnstoff etc.) ermöglichen die Entwicklung derselben. Sehr beachtenswerth ist endlich die Thatsache, dass sich die Hefe in einer Flüssigkeit, die neben Zucker und Mineralstoffen allein Ammoniaksalze enthält, normal aus- zubilden vermag, während die Salpetersäure, also diejenige Verbindung, welche für die höheren pflanzlichen Organismen als stickstoffhaltiges Nahrungsmittel in erster Linie in Betracht kommt, nicht im Stande ist, den genannten Pilz mit Stickstoff zu versorgen. 8 ı0. Die stickstoffhaltigen Pflanzennahrungsmittel in der Na- tur. — Im Vorstehenden konnte es sich zunächst nur darum handeln, zu unter- suchen, welche Verbindungen überhaupt befähigt sind, den Pflanzen als stick- stoffhaltige Nahrungsmittel zu dienen. Eine ganz andere Frage ist diejenige nach den stickstoffhaltigen Substanzen, welche den vegetabilischen Organismen in der Natur als Nahrungsmittel zur Disposition stehen. Wir berühren da- mit einen Gegenstand der Pftanzenphysiologie, für dessen Verständniss es absolut nothwendig ist, sich mit gewissen Lehren der Bodenkunde vertraut gemacht zu haben, wie denn überhaupt nicht genug betont werden kann, dass die Boden- kunde als eine der wesentlichsten Hülfswissenschaften der Pflanzenphysiologie anzusehen ist, eine Wahrheit, die selbst heute oft nicht in genügender Weise gewürdigt wird. Wir haben gesehen, dass die Pflanzen gewisse anorganische sowie organische I) Vergl. LEHMANN, Zeitschrift des landwirthschaftl. Vereins in Bayern. 1874. pag. 451. 2) Vergl. die Zusammenstellungen von A. MAVER, Gährungschemie. 1874. pag. II3. > ”T 38 System der Pflanzenphysiologie. stickstofthaltige Verbindungen als Nahrungsmittel verwerthen können. Ursprüng- lich ist die Gesammtmenge des Stickstoffs jener Verbindungen unzweifelhaft in ungeburdener Form, d. h. als freier Stickstoff, in der Atmosphäre vorhanden gewesen. Es fragt sich daher, welche Prozesse den freien Stickstoff in der Natur in chemische Verbindung mit anderweitigen Elementen bringen können.!) Wenn sich, wie es thatsächlich der Fall, kleine Wasserstoffmengen in der Luft vorfinden, so können sich diese unter Vermittelung des elektrischen Funkens (Blitz) mit Stickstoff zu Ammoniak vereinigen. SCHÖNBEIN?) hat ferner bekanntlich angegeben, dass sich häufig, z. B. schon bei der Verdunstung des Wassers, saipetrigsaures Ammoniak bilde. Diese Angabe ist, wie von Carıus?) nachgewiesen worden, unrichtig; überhaupt hat der zuletzt genannte Forscher gezeigt, dass als durch Thatsachen nachgewiesene Entstehungsweisen von salpetriger Säure und Salpeter- säure in der Luft nur die folgenden anzusehen sind: a) Aus freiem Stickstoff. 1. Durch elektrische Entladung in Luft; 2. Durch Oxydation verschiedener Körper an der Luft. b) Oxydation von Ammoniak. 1. Durch elektrische Entladung; 2. Durch Ozon. Man hat häufig behauptet, dass der freie Stickstoff auch im Stande sei, sich unter geeigneten Umständen mit organischen stickstoffireien Körpern zu verbin- den;*) für mich ist es aber noch fraglich, ob wirklich auf einem derartigen Wege stickstoffhaltige organische Substanzen entstehen können. Die relativ geringen Mengen von Ammoniak (kohlensaures Ammoniak), sal- petriger Säure sowie Salpetersäure (in Verbindung mit Ammoniak), welche sich in der Luft vorfinden, werden unter Vermittelung der atmosphärischen Nieder- schläge dem Boden zugeführt. Diese Körper, sowie auch die stickstoffhaltigen organischen und anorganischen Verbindungen, welche in Folge der Fäulniss thierischer und pflanzlicher Reste im Boden entstehen, können von den Pflanzen als Nahrungsmittel verwerthet werden. Aber man würde fehlgehen, wollte man an- nehmen, dass den Stickstoffioxyden, dem Ammoniak, sowie den stickstoffhaltigen organischen Stoffen sämmtlich in der Natur die nämliche Bedeutung als stick- stoffhaltige Nahrungsmittel der Pflanzen zukäme. Einer solchen Annahme gegen- über liessen sich schon unter Berücksichtigung des im vorigen Paragraphen Gesagten schwerwiegende Bedenken äussern, aber vor allen Dingen verdient an dieser Stelle der Umstand Erwähnung, dass die stickstoffhaltigen Verbindungen im Boden unter Vermittlung verschiedenartiger Prozesse mehr und mehr zur Bil- dung von Salpetersäure Veranlassung geben. Namentlich ist sehr beachtenswerth, dass das dem Boden aus der Luft zugeführte Ammoniak und ebenso dasjenige, welches im Boden selbst in Folge von Fäulnis»prozessen entstanden ist, sehr leicht in Salpetersäure übergeht.’) Zwar mögen die Pflanzen der Luft mit Hülfe !) Vergl. die Zusammenstellung in meinem Lehrbuch d. Bodenkunde. 1876. pag. 477. 2) Vergl. ScHöngein, Annl. d. Chem. u. Pharm. Bd. 124. pag. 1. 3) Vergl. CAarıus, Annl. d. Chem. u. Pharm. Bd. 174. pag. 1. #) So entstehen nach BErTHELoOT (vergl. Comptes rendus, Bd. 83, pag. 677) amidartige Verbindungen, wenn Zellstoff oder Dextrin mit Luft unter dem Einfluss elektrischer Spannungen in Wechselwirkung gerathen. °) Ueber die Entstehung von Salpetersäure im Boden habe ich mich, namentlich unter Berücksichtigung der bezüglichen Arbeiten Knor’s, eingehend in meiner Bodenkunde ausgesprochen. ” = 1. Abschnitt. 3. Die Aschenbestandtheile der Pflanzen. 39 ihrer oberirdischen Organe geringe Ammoniakmengen entziehen; sie mögen auch kleine Mengen von Ammoniak oder stickstoffreichen organischen Verbindungen aus dem Boden aufnehmen. Die Salpetersäure, welche mit Basen in der Boden- flüssigkeit leicht lösliche Salze bildet, muss dennoch als das wichtigste stickstoff- haltige Nahrungsmittel der sich in der freien Natur entwickelnden höheren Gewächse angesehen werden. Für die lebende Generation wildwachsender Pflanzen besitzen zunächst die im Boden in Folge des Fäulnissprozesses auf Kosten der stickstoffhaltigen Bestand- theile früherer Pflanzengenerationen entstandenen Stickstoffverbindungen Bedeu- tung. Zwar kann der Fäulnissprozess zu einer Entbindung freien Stickstoffs füh- ren,!) aber der auf diese Weise entstehende Verlust von Stickstoffverbindungen wird dadurch wieder ausgeglichen, dass in der Natur Prozesse zur Geltung kom- men, die eine Ueberführung des freien atmosphärischen Stickstoffs in gebundene Form bewerkstelligen.?) Drittes Kapitel. Die Aschenbestandtheile der Pflanzen. $ ıı. Der Aschengehalt der Gewächse und die Zusammenset- zung der Pflanzenaschen. Wenn man irgend welche Pflanzen oder Pflanzen- theile (einzellige Gewächse, höhere Pflanzen, oder Wurzeln, Blätter, Blüthen, Samen etc.) verbrennt, so werden die organischen Stoffe derselben zerstört, aber es bleibt stets ein unverbrennlicher Rückstand, die Asche der Pflanzen oder Pflanzentheile, übrig. In dieser auf die angedeutete Weise gewonnenen Roh- asche sind neben verschiedenen unwesentlichen Körpern (Staubtheilchen, die den Pflanzentheilen vor der Verbrennung vielleicht noch anhafteten und nicht von denselben getrennt werden konnten, Kohlenpartikelchen und Kohlensäure, welche sich in Folge der Einäscherung bildete) verschiedene für uns wichtige Basen und Säuren vorhanden. Subtrahirt man die Quantität jener unwesentlichen Bestandtheile von der Menge der erhaltenen Rohasche, so erlangt man Aufschluss über die Quantität der vorhandenen Reinasche. Ich will hier übrigens gleich bemerken, dass die Verbindungsformen, in denen die einzelnen Aschenbestand- theile in den Pflanzenaschen selbst auftreten, durchaus nicht immer dieselben sind, in denen man den einzelnen hier in Betracht kommenden Elementen oder chemischen Verbindungen im vegetabilischen Organismus begegnet. So findet sich die Hauptmasse des Schwefels z. B. in den Pflanzen in den Proteinstoffen vor, während der Schwefel in den Aschen in Form von Schwefelsäure auftritt. Das Kali ist in den Pflanzenzellen häufig an Pflanzensäuren gebunden; die Pflan- zenaschen enthalten oft reichliche Mengen kohlensauren Kalis. ®) 1) Ueber die Freiwerdung von Stickstoff bei der Fäulniss vergl. E. WOLFF (naturgesetzliche Grundlagen d. Ackerbaues 1856, pag. 597) und Könıg (landwirthsch. Jahrbücher, Bd. 2, pag. 107). 2) Während die wildwachsenden Pflanzen ohne künstliche Stickstoffzufuhr normal gedeihen können und müssen, ist es beim Anbau der meisten Culturpflanzen nothwendig, dem Boden grös- sere oder geringere Quantitäten stickstoffreicher Düngemittel zuzuführen. Durch die Ernten wird dem Boden ja die Hauptmasse der producirten Pflanzensubstanz entzogen, und nachgewiesener- maassen reichen die stickstoffhaltigen Bestandtheile der meteorischen Niederschläge nicht aus, um die Vegetation mit hinreichenden Stickstoffquantitäten zu versorgen. 3) Vergl. übrigens meine vergl. Physiologie d. Keimungsprozesses d. Samen. 1880. pag. 89 40 System der Pflanzenphysiologie. Für unsere weiteren Frörterungen dürfte es nicht ohne Interesse sein, zunächst einige Angaben über den Aschengehalt verschiedener Pflanzentheile sowie tiber die Zusammensetzung einiger Pflanzenaschen selbst mitzutheilen. 1) Die folgenden Zahlen, welche Mittelwerthe repräsentiren, beziehen sich auf die Zusammensetzung von je 1000 Gewichtstheilen lufttrockener oder frischer Pflan- zensubstanz. 2 |H> 0.| Asche. | K2 O. |Na2 0. Mg 0. Ca 0. |Pz 0r.|5 03. 5102. | Ur LER: Kartoffelknolle. . . 750 9,4 5,6 | 01 | 04 0,2 1,8 | 0,6 0,2 Runkelrübenwurzel . 816 8,0 4,021 0.82.1007 0,5 2,1 0.420208 Cichorienwurzel . . || 800 | 10,4 4,2 | 0,8. 007 0,9 T,50 no 0,6 Kartoffelblätter. . . | 770 11,8 0,7 SH ER] 5,5 0,6 | 0,6 0,5 Weisskraut . . . . || 885 | 12,4 5,08 nor 04 1,9 2702 0147 0,1 Winterweizenstroh. . || 141 | 42,6 4,9 IR 2 TS. 2,6 2,3"| 200282 Winterroggenstroh . || 154 | 40,7 | 7,6| 13 | 13 aME 1,9. | 0,32 02897 Basshohre:; Fe a] RAT AA DE oT W212 18 ir 1,8_|.1,5 | 2m2 Brbsensttoh. .. ... 143. 1949,22 10% 2,02 03,9 278,0 28210258 2,8 Weizenfrüchte . . DAS RT eher || 272 0,6 8,2 | 04 | 03 Roggenfrüchte . . . 149,.1,1277,3: | 215,492|...0,30 5.29 0,5 8,2, |0/42 10.208 Haferfrüchte . . . 140 | 26,4 22 10 | 58 1,0 5,5. | -0,4°|01253 Rapssamen . . . . T20R| 93753012.8,8. 04% 104,0 5,2 | 16,4. | 0,3, Kor Teinsamen'. . - . 118 | 32,2 | 10,4 | 0,6 | 4,2 2,74, 1350% Mord: 0,4 Lupinesamen . . . 1381| 34,08 | 11,4 | 6,00 112,2 2,7 | 78,7 33: Birkenholz- „+ ..%% 150 2,6 0,3 Du E02 1,5 02 | — 0,1 Nussbaumholz . . . | 150 | 25,5 3,9 — Ho I 3,1 100,8 0,7 Kiefernhoz . . . . | 150 | 2,6 0,3 0,121102 | 1162) 0,2 NOW 0,4 Es liegt mir durchaus fern, die Resultate, zu denen man bei dem Studium der Zusammensetzung der Pflanzenaschen gelangt ist, einer eingehendere Discus- sion zu unterziehen. Ich möchte hier allein auf einige allgemeine Gesichtspunkte hinweisen und hebe zunächst hervor, dass die Früchte sowie Samen im Allge- meinen weniger Asche als das Stroh (Stengel- und Blattgebilde) der nämlichen Pflanze enthalten. Die Asche der Früchte und Samen ist relativ reich an Phos- phorsäure und Magnesia; ebenso enthält sie oft ziemlich viel Kali. Die Stroh- asche zeichnet sich dagegen durch einen hohen Kalk- und Kieselsäuregehalt aus. Die Asche der Knollen und Wurzeln ist reich an Kalı; die Holzasche enthält namentlich erhebliche Kalkmengen. Die genannten Stoffe (Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium, Phosphor, Schwefel, Silicium, Chlor) und das Eisen kommen gemeinschaftlich fast in allen Pflanzenaschen vor. Andere Elemente werden seltener, obgleich noch immer in nicht unerheblicher Quantität und einer gewissen Allgemeinheit, in den Pflanzen- aschen angetroffen. Das Jod findet sich in manchen Seetangen sowie Strand- pflanzen in beträchtlichen Mengen vor. Ebenso hat man die Gegenwart des Fluors in manchen Pflanzenaschen nachgewiesen. Aluminiumreich sind nament- lich die Aschen von I,ycopodiaceen. Dem Mangan begegnet man sehr oft, aber nur in geringen Mengen, in den Pflanzenaschen. Das Zink kommt in der Asche weniger Pflanzen in auffallend grosser Menge vor, und es ist sehr merkwürdig, ') Vergl. E. Worrr, Die mittlere Zusammensetzung der Aschen etc., 1865 und Aschen- analysen etc., 1871. u EB a 1. Abschnitt. 3. Die Aschenbestandtheile der Pflanzen. 4X dass Gewächse (Viola tricolor und Tihlaspi alpestre), wenn sie auf zinkreichem Boden wachsen, eine eigenthümliche Habitusänderung erfahren. !) Verschiedene Elemente werden nur in äusserst geringen Mengen in den .Aschen der Gewächse angetroffen; sie besitzen zum Theil aber eine grosse Ver- breitung. Ich nenne hier die folgenden Stoffe: Brom, Bor, Arsen, Lithium, Rubi- dium, Strontium, Barium, Titan. 8 ı2. Die Bedeutung der Aschenbestandtheile im Allgemeinen. Es darf uns nicht wundern, dass man vor etwa ıoo Jahren noch nicht einmal darüber orientirt war, in welcher Weise die Aschenbestandtheile der Pflanzen in den Organismus gelangen. WALLERIUS meinte, dass das von den Gewächsen aufgenommene Wasser unter Vermittelung vitaler Kräfte zum Theil in Aschenbe- standtheile übergeführt werde, und Du HAmeEL hat in seiner bekannten »Physique des arbres« ähnliche Anschauungen ausgesprochen. Von grossem historischen Interesse ist die Thatsache, dass die Akademie der Wissenschaften in Berlin selbst noch im Jahre 1800 die Frage stellen konnte, ob die Pflanzen die Aschen- bestandtheile von aussen aufnehmen oder in ihrem Organismus durch vitale Kräfte erzeugen. SCHRADER, der sich zur Beantwortung dieser Frage anschickte, cultivirte Pflanzen in einem vermeintlich aschenfreien Bodenmaterial, und da er in den geernteten Untersuchungsobjecten grössere Mengen unverbrenn- licher Stoffe als in den ruhenden Samen vorfand, so schloss er, dass dem vege- tabilischen Organismus in der That die Fähigkeit zukomme, Aschenbestandtheile durch vitale Kräfte zu erzeugen.?) JaBLonskı, Davv und Andere suchten die Unhaltbarkeit der Ansichten SCHRADER’s darzuthun, aber der Nachweis, dass die Pflanzen nicht im Stande sind, Aschenbestandtheile durch vitale Kräfte zu erzeugen, ist merkwürdigerweise von WIEGMANN und POLSTORFF?) erst im Jahre 1842 in aller Schärfe beigebracht worden. Nachdem die Thatsache feststand, dass die Pflanzen die Aschenbestandtheile von aussen aufnehmen und keineswegs unter Vermittelung vitaler Kräfte in ihrem Organismus erzeugen, handelte es sich weiter um die Frage, ob jene unverbrenn- lichen Körper als wesentliche, unentbehrliche Pflanzennährstoffe oder nur als zufällige Bestandtheile der pflanzlichen Organismen zu betrachten seien. SAUSSURE trat schon mit grosser Bestimmtheit für die erstere Ansicht ein; ebenso wurde dieselbe von SPRENGEL vertheidist. Vor allen Dingen vertheidigte aber LiEBIG in seinem 1840 in erster Auflage erschienenen Buche: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie, sowie in vielen ande- ren Schriften die Ansicht von der Unentbehrlichkeit der Mineralstoffe für die Ernährung der Gewächse. Man mag sagen, dass LiesıG’s gesammte Beweisfüh- rung mehr oder weniger einen deductiven Charakter führt; man mag jenem Forscher den Vorwurf machen, dass er gerade bei der Behandlung der uns hier speciell interessirenden Frage das Experiment zu wenig zur Begründung seiner Anschauungen heranzog; immer bleibt es LiegiG’s unbestreitbares Verdienst, das Problem nach der Bedeutung der Mineralstoffe für die Pflanzen zuerst mit der nothwendigen Schärfe ins Auge gefasst und dasselbe wesentlich in richtiger Weise gelöst zu haben. Lirpıg’s epochemachende Schriften veranlassten viele Forscher, I) Vergl. SacHs, Handbuch der Experimentalphysiologie. pag. 153. 2) Vergl. über das Gesagte und das Folgende die ausführlichen historischen Darstellungen in meiner Inaugural-Dissertation, Leipzig, 1871. 3) Vergl. WIEGMANN und POLSTORFF, Die Bedeutung der Raise Bestandtheile der Pflanzen. 1842. pag. 36. pr we x en j en ? BY 42 System der Pflanzenphysiologie. sich mit dem Studium des Mineralstoffbedarfs der Pflanzen zu beschäftigen, und allmählich drang die Ueberzeugung mehr und mehr durch, dass die Aschen- bestandtheile der Gewächse, obgleich sie nur einen relativ kleinen Theil vom Gewicht der Trockensubstanz der Pflanzen ausmachen, dennoch als wesentliche _ Bestandtheile des pflanzlichen Organismus agesehen werden müssen. 1)?) Man begnügte sich aber nicht damit, die Unentbehrlichkeit der Mineralstoffe für die Entwicklung der Pflanzen ganz im Allgemeinen erkannt zu haben. Viel- mehr legte man sich jetzt naturgemäss die Frage nach der Entbehrlichkeit oder Unentbehrlichkeit der einzelnen Aschenbestandtheile für die Gewächse vor. Die Aschenanalysen ergaben, dass bestimmte Stoffe in besonders grossen Mengen, andere aber nur in kleinen Quantitäten in den Pflanzen angetroffen werden, wäh- rend wieder andere gänzlich fehlen. Was Wunder, dass man zunächst auf den Gedanken kam, die Resultate der Aschenanalysen für die Beantwortung der Frage nach der Entbehrlichkeit oder Unentbehrlichkeit der Mineralstoffe für die Vege- tation zu benutzen. Aber es liegt von vornherein die Möglichkeit vor, dass bestimmte Stoffe, die keine Bedeutung für die Pflanzen besitzen, dennoch zufällig, gemeinsam mit anderen unter Vermittelung der Wurzeln in den Organismus gelan- gen. Und in der That ist dem so. Das Natrium z. B. gehört, wie später gezeigt werden soll, zu den entbehrlichen Aschenbestandtheilen. Dennoch kommt jenes Element sehr allgemein in den Pflanzenaschen vor. Andere Körper zeigen ähn- liche Verhältnisse. Später kam man auf den Gedanken, die Wurzeln der Pflanzen, also diejeni- gen Organe derselben, : welche die Mineralstoffaufnahme zu besorgen haben, in Medien zur Entwicklung zu bringen, die der Hauptsache nach aus einem indiffe- renten Material bestehen, dem man aber verschiedene Mineralstoffe beimischen konnte. Als indifferentes Material benutzt man entweder, wie namentlich HELL- RIEGEL dies zumal gethan hat, mit Säuren behandelten, ausgewaschenen und aus- geglühten Sand; insbesondere hat aber die weitere Verfolgung jener angedeute- ten Bestrebungen zur Entwicklung der Methode der Wassercultur geführt.?2) Ich kann hier nicht specieller auf die Vorsichtsmaassregeln, welche man bei der Cul- tur von Pflanzen mit Hülfe der Methode der Wassercultur in Anwendung zu bringen hat, eingehen. Im Allgemeinen verfährt man bei der Ausführung der Untersuchungen heute derartig, dass man die Samen der Untersuchungsobjecte keimen lässt, und die Wurzeln der Keimpflanzen mit einer Nährstofflösung, die auf ı Liter Wasser z. B. ı Grm. salpetersauren Kalk, '}; Grm. phosphorsaures Kali, ; Grm. salpetersaures Kali, !;, Grm. krystallisirtes Bittersalz, '); Grm. Chlorkalium und wenig phosphorsaures Eisenoxyd enthalten kann, in Berührung bringt. Die Capacität der Gefässe, welche die Nährstofflösung enthalten, braucht 1000 oder 1500 Ce. nicht zu überschreiten. Vielfältige Versuche mit Hafer-, Gersten-, Mais- sowie Buchweizenpflanzen und manchen anderen Gewächsen !) Man vergl. z. B. Sar.m-HoRsTMAR, Versuche und Resultate über die Nahrungsmittel der Pflanzen, 1856, und Journal für prakt. Chemie, Bd. 46, pag. 193. ?) Auch niedere Pflanzen, z. B. Gährungspilze etc., können nachgewiesenermaassen nicht olıne die Gegenwart von Mineralstoffen gedeihen. °) Um die Ausbildung der Methode der Wasserkultur haben sich namentlich Sachs (vergl. Handbuch der Experimentalphysiologie, pag. 124) und Knor (vergl. Kreislauf des Stoffs, Bd. 1. pag. 836) Verdienste erworben. Weitere bezügliche Untersuchungen sind von SACHS, KNnoP, STOH- MANN, NoBBE und Anderen namentlich in den verschiedenen Jahrgängen der Versuchsstationen mitgetheilt, en 1. Abschnitt. 3. Die Aschenbestandtheile der Pflanzen. 43 haben ergeben, dass es gelingt, die Untersuchungsobjecte bei völligem Ausschluss organischer Stoffe zu überaus üppiger Entwicklung zu bringen und viele reife Samen zu ernten. Bei Benutzung der Lösung von der erwähnten Zusammensetzung entwickeln sich die Pflanzen also ganz normal. Bietet man nun aber einigen Exemplaren der Untersuchungsobjecte nicht die complete Nährstofflösung, sondern eine solche dar, in der vielleicht nur eines derjenigen Elemente, die in der ersteren vorhan- den sind, fehlt, und zeigt sich jetzt, dass die Pflanzen nur eine kümmerliche Entwicklung erfahren, so muss der Schluss gezogen werden, dass jener fehlende Körper einen unentbehrlichen Pflanzennährstoff repräsentirt. Das Princip der Methode, welche bei der Ausführung der Untersuchungen über die Entbehrlich- keit oder Unentbehrlichkeit einzelner Aschenbestandtheile in Anwendung gebracht wird, ist demnach ein sehr einfaches, und wir wollen im Folgenden die Ergeb- nisse der mit Hülfe jener Methode durchgeführten Beobachtungen näher ins Auge fassen. Ueberdies wird aber auch die Frage nach der physiologischen Function der einzelnen Aschenbestandtheile im vegetabilischen Organismus unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. 8 ı3. Die Bedeutung der einzelnen Aschenbestandtheile. Die Zah- len, welche wir über die Zusammensetzung der Aschen einiger Pflanzen mitge- theilt haben, lassen erkennen, dass Schwefel, Phosphor, Silicium, Chlor, Kalium, Calcium, Magnesium und Eisen als sehr verbreitete Aschenbestandtheile anzu- sehen sind, und wir wollen die Frage nach der Bedeutung dieser Elemente für die höheren Gewächse zunächst ins Auge fassen. 1. Der Schwefel. Alle Beobachter stimmen darin überein, dass die Pflan- zen sich bei Ausschluss des Schwefels höchst kümmerlich entwickeln und bald zu Grunde gehen. Die Gewächse können schwefelsaures Ammoniak, schwefel- saures Kali, schwefelsaures Natron, schwefelsaure Magnesia, schwefelsauren Kalk von aussen aufnehmen, und in der That ist ja bekannt, dass bestimmte Schwe- felsäuremengen im vegetabilischen Organismus nachgewiesen werden können. !) Von besonderem Interesse ist aber die Thatsache, dass der Schwefel als ein wesentlicher Bestandtheil der Proteinstoffe anzusehen ist, und dieser Umstand wirft auf die hauptsächlichste physiologische Function des Schwefels im Organis- mus ein helles Licht. Ohne die Gegenwart des Schwefels können sich die Plas- mamassen in den Zellen nicht normal ausbilden, bei Abwesenheit jenes Elements ist daher keine Entwicklung der Gewächse denkbar. Die in den Organismus eingeführten schwefelsauren Salze erfahren in dem- selben unter Vermittelung von Pflanzensäuren eine Zersetzung. Die frei gewordene Schwefelsäure unterliegt bei der Bildung der Proteinstoffe unzweifelhaft wie die Salpetersäure einem Reductionsprozesse, und der Schwefel tritt mit Kohlenstoff, Wasserstoff etc. in chemische Verbindung. Wenn sich die Proteinstoffe des Plasmas dagegen im Zustande lebhafter Zer- setzung befinden und aus später zu erörternden Gründen keine rasche Neubildung von Proteinstoffen erfolgen kann, so wird der Schwefel der Eiweisskörper unter Bildung von Schwefelsäure oxydirt und dieselbe häuft sich in den Pflanzenzellen an. Dies ist z. B. in ausgeprägtester Weise nach den Untersuchungen von E. SchurzE*) bei der Keimung der Samen von Zupinus luteus im Finstern der Fall. 1) Vergl. ARENDT, Das Wachsthum der Haferpflanze, Leipzig. 1859. pag. 33. 2) Vergl. E. ScHuLzE, Landwirthschaftl. Jahrbücher. Bd. 5. pag. 856 und Bd. 7, pag. 438, — +. . Erz A Er u ji p, “ x ae Re 2 5 BA 44 System der Pflanzenphysiologie. Neben den Proteinstoffen enthalten einige Pflanzentheile noch anderweitige schwefelhaltige Verbindungen, für deren Entstehung der Schwefel demnach eben- falls unentbehrlich ist. Ich erinnere hier z. B. daran, dass in den schwarzen Senfsamen myronsaures Kali (Cro Hı8 KNS2 Oro) vorhanden ist. 2. Der Phosphor. Der Phosphor gehört zu den unentbehrlichen Pflanzen- nährstoffen, und keine Pflanze kann bei Abwesenheit dieses Elementes eine irgend wie normale Entwicklung erfahren. Die Pflanzenwurzeln sind im Stande, die leicht löslichen Verbindungen der Phosphorsäure mit Kali, Natron, Kalk etc. aufzunehmen; aber sie können ebenso die schwer löslichen Eisenoxyd- und Kalk- phosphate verwerthen. Früher hat man den Phosphor wol als zur Constitution der Proteinstoffe gehörend angesehen. Diese Anschauung hat neuerdings einer anderen, von RITT- HAUSEN!) vertretenen Platz gemacht, wonach die Phosphorsäure im Stande sein soll, sich chemisch mit den Eiweisskörpern zu verbinden. Neben phosphorsauren Salzen enthalten die Pflanzenzellen danach Phosphorsäureverbindungen der Pro- teinstoffe. Die Angaben von W. MAvER?), wonach zwischen dem Gehalt der Getreidekörner an Phosphorsäure und Stickstoff stets ein constantes Verhältniss bestehen soll, scheinen diese Ansicht zwar wesentlich zu stützen, aber weitere Untersuchungen haben doch ergeben, dass jenes Verhältniss keineswegs ein so constantes ist, sondern innerhalb weiter Grenzen schwankt. Es ist gewiss, dass im Grossen und Ganzen ein hoher Proteinstoff- resp. Stickstoffgehalt der Pflan- zentheile mit einem bedeutenden Phosphorsäuregehalt derselben Hand in Hand geht. Der Fürst zu Sarm-HOoRSTMAR®) zeigte bereits, dass die Phosphorsäure namentlich in Beziehung zu der Fruchtbildung der Pflanzen stehe. ARENDT®) fand bei der Ausführung seiner bahnbrechenden Untersuchungen über das Wachs- thum der Haferpflanze, dass die Aehren bei der Reife fortdauernd reicher an Phosphorsäure werden, und nach Kraus?) wandern sowol Proteinstoffe als auch Phosphorsäure aus den im Herbst absterbenden Blättern in reichlichen Quanti- täten aus, während sie in den sommerdürren Blättern im Gegensatz zu anderen Körpern (Kali und Amylum) zurückbleiben. Alle diese Thatsachen zwingen aber noch keineswegs zu der Annahme, dass sich die Phosphorsäure chemisch mit den Proteinstoffen zu verbinden vermag; sie weisen nur darauf hin, dass zwi- schen jener Säure und den Eiweisskörpern irgend welche Relationen bestehen, und es scheint in der That, dass die Phosphorsäure bei der Entstehung oder Wanderung der Proteinstoffe in der Pflanze irgend eine wichtige Rolle zu spie- len hat, weshalb sich die Gewächse bei Abwesenheit der Phosphorsäure nicht normal entwickeln können. 3: Das Silicium. Dem Silicium begegnet man in Verbindung mit Sauer- stoff in allen Pflanzenaschen. Insbesondere sind aber die Aschen der Vegeta- tionsorgane der Gewächse (Stengel und Blätter) reich an Kieselsäure. Mit dem Alter der Pflanzentheile wächst im Allgemeinen ihr Kieselsäuregehalt; derselbe erreicht sein Maximum, wenn die Zellen aufgehört haben zu wachsen. Die !) Vergl. Rırrnausen, Die Eiweisskörper etc. pag. 204. ?) Vergl. W. MAver, Annalen der Chemie und Pharm. Bd. 101. pag. 152. %) Vergl. SaLm-HorSTMAR, Versuche und Resultate über die Nahrung der Pflanzen. Braun- schweig, 1856. # Vergl. Arenpt, Haferpflanze. pag. 194. 5) Vergl. Kraus, Botan, Zeitung. 1873, Nr. 26. I. Abschnitt. 3. Die Aschenbestandtheile der Pflanzen. 45 Repräsentanten gewisser Pflanzengruppen (Gramineen, Equisetaceen, Diatomeen etc.) sind besonders kieselsäurereich, und zwar lässt sich in diesen Fällen die Thatsache besonders leicht constatiren, dass die Kieselsäure der Substanz der Cellulosemembranen der Zellen eingelagert ist. Die Pflanzenwurzeln können die Kieselsäure in Verbindung mit Wasser als lösliches Kieselsäurehydrat aufnehmen. Ebenso mögen lösliche kieselsaure Salze in den Organismus übergehen. !) Früher hielt man das Silicium für einen unentbehrlichen Pflanzennährstoff. Die Kieselsäure sollte die Festigkeit und Widerstandsfähigkeit der Stammgebilde der Pflanzen bedingen, und man glaubte z. B. die Ursache der Erscheinung des Lagerns des Getreides auf eine ungenügende Kieselsäureaufnahme seitens der Pflanzen zurückführen zu dürfen. Heute wissen wir, dass dem Lagern ganz andere Ursachen zu Grunde liegen, dass Etiolirungsphänomene dasselbe bedingen, die mit dem Kieselsäuregehalt der Pflanzenzellen gar nichts zu thun haben. Ferner will ich hier betonen, dass nicht die steifen Halme der Getreidearten, sondern gerade die Blätter am meisten Kieselsäure enthalten. Ich fand z. B. in Roggen- blättern 7,05 °, Asche (auf die Trockensubstanz der Blätter bezogen). Die Rog- genhalme enthielten 3,85 °/', Asche. In der Asche der Blätter waren 71,10), Kieselsäure, in derjenigen der Stengeltheile aber 44,12 °/, vorhanden. Die Trockensubstanz der Blätter enthielt demnach 5,01 °/,, diejenige der Halme aber 1,70 °/, Kieselsäure. Von besonderer Bedeutung ist hier aber die Thatsache, dass es z. B. Sachs?) gelungen ist, Maispflanzen mit Hülfe der Methode der Wassercultur ohne künst- liche Zufuhr von Kieselsäure zu durchaus normaler Entwicklung zu bringen. Ebenso ist es HÖHnEL?) gelungen, die im normalen Zustande sehr aschen- und kieselsäurereichen Früchte von Zifhospermum arvense unter Beihülfe einer durchaus kieselsäurefreien Nährstofflösung zur Entwicklung zu bringen. Die mangelnde Kieselsäure wird dabei in den Früchten zum Theil durch kohlensauren Kalk, zum Theil durch organische Stoffe ersetzt, und die Möglichkeit der Vertret- barkeit der Kieselsäure durch Kalkcarbonat ist auch noch insofern von Interesse, als dieselbe es unwahrscheinlich macht, dass das Silicium, wie einige Forscher meinen, in den Zellmembranen in chemischer Verbindung mit der Cellulose vor- handen ist. Es ist dagegen wol als sicher anzusehen, dass Kieselsäure als solche in den Zellhäuten abgelagert wird. Wir gelangen somit zu dem Ergebnisse, dass die höheren Pflanzen das Sili- cium zur normalen Entwicklung entbehren können. Ob die Equisetaceen sich analog verhalten, ist noch fraglich. Uebrigens will ich bemerken, dass dem Sili- cium eine gewisse Nützlichkeit für die Vegetation unter Umständen nicht abge- sprochen werden darf. Stark verkieselte Membranen werden z. B. dem Eindrin- gen der Mycelienfäden von Pilzen, welche die Pflanzen schädigen, einen grösseren Widerstand als schwach oder gar nicht verkieselte entgegenstellen können.) 4. Das Chlor. Das Chlor, welches sehr constant, wenngleich nicht in bedeu- I) Bemerkt sei, dass sich die Humussubstanzen des Bodens bei der Ueberführung der Kie- selsäure in die Pflanzen zu betheiligen scheinen. Vergl. A. MAyEr, Lehrbuch der Agricultur- chemie. 2. Auflage. Bd. ı. pag. 252. ?) Vergl. Sachs, Handbuch der Experimentalphysiologie. pag. 151. 3) Vergl. HÖHNEL in Wissenschaftl.-praktische Untersuchungen auf dem Gebiete des Pflanzen- baues, herausgegeben von FR. HABERLANDT, Bd. 2, pag. 160. #) Vergl. Knop, Kreislauf des Stoffs. Bd. ı. pag. 221. 46 System der Pflanzenphysiologie. tenden Mengen in den Pflanzenaschen angetroffen wird, scheinen viele höhere Pflanzen völlig entbehren zu können. Dagegen hält Nog£E!) das Chlor für einen unentbehrlichen Nährstoft der Buchweizenpflanze. Bei Abwesenheit des Chlors entwickelt sich dieselbe kümmerlich; die Blätter nehmen einen fleischigen Cha- rakter an, und die in Folge des Assimilationsprozesses producirte Stärke häuft sich in grosser Menge in den Blattzellen an. Aus NopprE’s Beobachtungsresulta- ten scheint hervorzugehen, dass das Chlor eine Bedeutung für die Translocation des Amylums besitzt, und dass die Leitung der Stärke aus den Blättern der Buchweizenpflanze in anderweitige Organe derselben bei Chlormangel nicht nor- mal zu Stande kommen kann. Somit würde sich auch die Thatsache in einfacher Weise erklären, dass in chlorfreien Lösungen erwachsene Buchweizenpflanzen fast immer »taube« Früchte liefern. In Berührung mit chlorhaltigen Nährstofflösungen entwickelten sich NogßgßeE's Buchweizenpflanzen hingegen ganz vortrefflich und pro- ducirten normal ausgebildete Früchte. Knop?) hat dagegen Buchweizenpflanzen in völlig chlorfreien Lösungen zu üppiger Entwicklung gebracht und unter den erwähnten Umständen normal fruc- tificirende Pflanzen erhalten. Angesichts dieser verschiedenen Beobachtungsresul- tate ist es heute noch nicht möglich, sich mit aller Bestimmtheit über die phy- siologischen Functionen des Chlors im vegetabilischen Organismus auszusprechen. Wahrscheinlich dürfte aber sein, wie das auch schon von A. MAvER betont wor- den, dass das Chlor in der That unter Umständen für den Prozess der Wande- rung des Amylum in der Pflanze eine Bedeutung besitzt, während die Translo- cation der Stärke in vielen Fällen (im Organismus mancher Gewächse oder selbst in den Buchweizenpflanzen, wenn die Nährstofflösung, welche denselben zur Disposition steht, eine gewisse Zusammensetzung besitzt) ebenso bei Ausschluss des Chlors normal erfolgen kann. Das Chlor kann somit zu den unter bestimmten Verhältnissen nützlich wir- kenden Pflanzennährstoffen gezählt werden, und zwar scheint das Chlor nament- lich in Verbindung mit Kalium als Chlorkalium unter Umständen vortheilhaft auf die Vegetation einzuwirken. Wenn Chlorkalium, Chlornatrium, Chlorcalcium oder Chlormagnesium (namentlich aber die beiden zuletzt genannten Chloride) den Pflanzen in erheblichen Quantitäten zugeführt werden, so üben sie übrigens (vielleicht in Folge der Entstehung von Salzsäure) stets einen nachtheiligen Ein- fluss auf die Vegetation aus.) 5. Das Kalium. Dieses Element, welches von den Pflanzenwurzeln in Verbindung mit Salpetersäure, Schwefelsäure, Phosphorsäure, Kieselsäure, Koh- lensäure®) oder Chlor aufgenommen werden kann, gehört nachgewiesenermaassen zu den unentbehrlichen Pflanzennährstoffen. So hat sich noch neuerdings durch Nopege’s?) Untersuchungen ergeben, dass sich die Pflanzen im höchsten Grade kümmerlich entwickeln, wenn ihnen in der Nährstofflösung kein Kalium zur Dis- position gestellt wird, und es ist dem genannten Beobachter auch bis zu einem bestimmten Grad gelungen, Aufschluss über die Ursache dieser Erscheinung resp. über die physiologische Function des Kaliums im pflanzlichen Organismus zu erhal- I) Vergl. Nosse, Versuchsstationen. Bd. 7. pag. 371 und Bd. 13, pag. 396. 2) Vergl. Knor, Kreislauf des Stoffs. Bd. ı. pag. 615. %) Man vergl. übrigens A. MAver, Lehrbuch der Agriculturchemie. Bd. 1. pag. 256. #) Grössere Mengen von kohlensaurem Kali sind den Pflanzen, weil sie den Säften dersel- ben eine alkalische Reaction ertheilen, durchaus nachtheilig. 5) Vergl. Nosse, Versuchsstationen. Bd. 13. pag. 321. I. Abschnitt. 3. Die Aschenbestandtheile der Pflanzen. 47 ten. Bei Abwesenheit des Kalıums unterbleibt nämlich die Amylumbildung in den Chlorophylikörnern der Gewächse, womit selbstverständlich der gesammte Ernährungsprozess der Pflanzen gestört ist. Wenn das Kalium einerseits eine Bedeutung für die Neubildung des Amylum besitzt, so scheint dasselbe anderer- seits ebenso von Wichtigkeit für die Translocation der Kohlehydrate zu sein. Denn gerade diejenigen Pflanzentheile (Kartoffelknollen, Rübenwurzeln etec.), welche reichliche Stärke oder Zuckermengen enthalten, in denen also diese Kör- per nach erfolgter Translocation in erheblichen Quantitäten abgelagert werden, enthalten ebenfalls viel Kalium. Ebenso wandern aus den sommerdürren Blät- tern Amylum und Kali gemeinschaftlich aus, während Proteinstoffe neben Phos- phorsäure in denselben verbleiben. Ich will noch bemerken, dass nach NoBBE das Chlorkalium diejenige Verbindungsform des Kaliums darstellt, welche die Translocation der Stärke am meisten begünstigt. Dem Chlorkalium am nächsten steht das salpetersaure Kalı; weniger günstig wirken anderweitige Kaliumverbin- dungen auf den Verlauf der erwähnten Prozesse im vegetabilischen Organismus ein. !) 6. Das Natrium. Das Natrium ist in der Natur weit verbreitet. Trotz- dem ist der Natriumgehalt der Pflanzenaschen in der Mehrzahl der Fälle ein viel geringerer als der Kaliumgehalt derselben. Das Natrium häuft sich auch nicht, wie z. B. Kalium oder Phosphor, in besonderen Pflanzentheilen erheblich an. Durch Culturversuche ist für viele höhere Pflanzen der experimentelle Nachweis geliefert worden, dass dieselben bei Abwesenheit des Natriums zu durchaus nor- maler Entwicklung gelangen können. Ob gewisse Gewächse, z. B. die Salsola- oder Salicorniaspecies, das Natrium völlig entbehren können, ist fraglich. 7. Das Calcium. Dieses Element gehört wieder zu der Gruppe der unent- behrlichen Pflanzennährstoffe. Bei Abwesenheit einer Calciumverbindung scheint namentlich die Entwicklung der Stengel- sowie Blattorgane der Gewächse behin- dert zu werden. Dieser Umstand in Verbindung mit dem anderen, dass nament- lich die Aschen der erwähnten Pflanzentheile calciumreich sind, während die Wurzeln, Knollen und Samen wenig Calcium enthalten, berechtigt wol zu der Annahme, dass das in Rede stehende Element eine besondere Bedeutung für die Entwicklung der oberirdischen Vegetationsorgane der Pflanzen besitzt. Genaueres ist aber über die physiologische Function des Calciums nicht bekannt. ?) Die Pilanzenwurzeln sind im Stande, kohlensauren, salpetersauren, schwefel- sauren oder phosphorsauren Kalk aufzunehmen. Diese Kalksalze, welche be- sonders den Uebergang anorganischer Säuren in den Organismus vermitteln, werden in der Pflanze häufig durch organische Säuren zersetzt. Der oxal- saure Kalk ist z. B. als ein beachtenswerthes Produkt solcher Reactionen anzu- sehen. Kohlensaurer Kalk kann übrigens, wie der oxalsaure Kalk, in den Pflan- zenzellen in fester Form (z. B. in den Cystolithen) abgelagert werden. Aus den Kalkdrüsen am Blattrande vieler Saxrfragaarten wird eine Lösung von doppelt- kohlensaurem Kalk in Wasser abgeschieden. 8. Das Magnesium. Ohne die Gegenwart des Magnesiums kann es keine höhere Pflanze zu einer einigermaassen üppigen Entwicklung bringen.) Da zumal solche Pflanzentheile, welche reichliche Proteinstoffmengen enthalten, D) Dies ist, wie NOBBE fand, selbst der Fall, wenn Chlor, allerdings nicht in Verbindung mit Kalium, sondern mit Calcium, zugegen ist. 2) Vergl. Bönm, Botan. Zeitung. 1875. pag. 373. 3) Man vergl. z. B. die Angaben von STOHMANN, Annalen der Chem. und Pharm. Bd. ı21. Pag. 337: ne Pa 7A os 2. - e n® : 48 System der Pflanzenphysiologie. gleichzeitig relativ reich an Magnesium sind, so liegt die Vermuthung nahe, dass den Verbindungen dieses Elements eine Bedeutung für die Prozesse der Entste- hung oder Translocation der Eiweisskörper zukommt. 9. Das Eisen. Das Eisen gehört zu den unentbehrlichen Pflanzennährstof- fen, obgleich sich dasselbe nur in kleinen Quantitäten in den Pflanzenaschen vor- findet. Wenn man höhere Pflanzen mit Hülfe der Methode der Wassercultur erzieht, ohne der Nährstofflösung Eisensalze hinzuzufügen, so entwickeln sich die aus den Samen hervorgehenden jungen Untersuchungsobjecte zunächt noch ganz normal, weil ihnen das Eisen der Samen zur Disposition steht. Später treten dann Symptome von Krankheitserscheinungen auf.!) Die oberirdischen Pflanzen- theile nehmen nämlich ihre normale grüne Färbung nicht an. Sie gehen in den icterischen und chlorotischen Zustand über°). Bei mikroskopischer Untersuchung der längere Zeit bei Eisenmangel erwachsenen weisslich gefärbten Pflanzentheile ergiebt sich, dass in den Zellen derselben form- und farbloses Protoplasma vor- handen ist, dass aber die Chlorophylikörner nicht ausgebildet sind. Bietet man den Pflanzen Eisen zur Aufnahme dar, indem man die Wurzeln mit Eisensalzen in Be- rührung bringt, oder die Blätter äusserlich mit Lösungen von Eisensalzen bestreicht, so zeigt sich, dass sich alsbald normale, grün gefärbte Chlorophyllkörner in den Zel- len der Stengel und Blätter ausbilden. Es ist zwar noch nicht nachgewiesen, ob das Eisen als ein wesentlicher Bestandtheil des Chlorophyllifarbstofis angesehen werden muss, aber dennoch darf mit aller Bestimmtheit behauptet werden, dass das Eisen für die normale Ausbildung der Chlorophylikörner absolut unentbehr- lich erscheint. Die Gewächse können sich bei Eisenmangel durchaus nicht freu- dig entwickeln, denn wenn das Assimilationsorgan nicht zu fungiren im Stande ist, so muss es ja an den für das Wachsthum erforderlichen plastischen Stoffen fehlen. Aus den vorstehenden Darstellungen geht unzweifelhaft hervor, dass für die höheren Gewächse Schwefel, Phosphor, Kalium, Calcium, Magnesium und Eisen als unentbehrliche Nährstoffe angesehen werden müssen. Silicium sowie Chlor können dagegen als unter Umständen nützliche Nährstoffe betrachtet werden. Das Natrium ist entbehrlich. Ich möchte nun aber mit besonderem Nachdruck betonen, dass es durchaus geboten erscheint, sich vor einer zu schnellen Ver- allgemeinerung des Gesagten zu hüten. Das Eisen z. B. ist zweifelsohne für chlorophyllfreie Parasiten oder Saprophyten von keiner Bedeutung. Ebenso fragt es sich, ob z. B. das Silicium, welches im Grossen und Ganzen nur als nützlicher Nährstoff betrachtet werden kann, nicht etwa für die Equisetaceen unentbehrlich ist. Es fragt sich auch, ob verschiedene Aschenbestandtheile, die, wie z. B. das Aluminium oder Brom, zwar im Allgemeinen keine Bedeutung für die Pflanzen- ernährung besitzen, nicht vielleicht im Organismus bestimmter Gewächse sehr wichtige physiologische Functionen zu erfüllen haben. Das charakteristische Merkmal der Unentbehrlichkeit eines Nährstoffs für eine Pflanze bleibt aber immer dieses, dass dieselbe sich bei Abwesenheit des noth- wendigen Stoffs stets mehr oder minder kümmerlich entwickelt, eine Erscheinung, die sich selbst dann geltend macht, wenn alle sonstigen Vegetationsbedingungen in durchaus normaler Weise gegeben sind. Ebenso kann ein Gewächs keines- ) Man vergl. über das Folgende: A. Grıs, Annal. d. sc. nat. 1857, T. 7, pag. 201; SALM- HORSTMAR, Versuche und Resultate etc., 1856; Sachs, Handbuch der Experimentalphysiologie, pag. 144. 2) Wol zu unterscheiden von Icterus und Chlorosis ist das Etiolement der Gewächse. Jene Krankheitserscheinungen werden durch Eisenmangel, diese durch Lichtmangel verursacht, I. Abschnitt. 3. Die Aschenbestandtheile der Pflanzen. 49 wegs zu völliger Ausbildung gelangen, wenn dasselbe nicht im Stande ist, hin- reichende Quantitäten der erforderlichen Nährstoffe aufzunehmen. Die schärfere Berücksichtigung dieser Erfahrung hat namentlich LiesıG!) zur Aufstellung des Gesetzes des Minimums geführt, wonach die Productionsgrösse einer Pflanze sich richtet nach der Menge desjenigen unentbehrlichen Nährstoffs, welcher ihr in geringster Quantität zur Disposition steht. Wenn einer Pflanze z. B. überreich- liche Mengen fast aller Nährstoffe zur Disposition stehen, und nur das Kalium in beschränkter Quantität zugegen ist, so kann die Production dennoch nur nach Maassgabe der kleinen Menge des vorhandenen, unentbehrlichen Kaliums erfolgen. ?) Jenes Gesetz des Minimums hat übrigens nicht nur mit Bezug auf die Pflanzen- nährstoffe, sondern überhaupt mit Bezug auf alle erforderlichen Lebensbedingun- ‘gen der Pflanzen Gültigkeit. Den höheren Pflanzen verhalten sich mit Bezug auf ihr Mineralstoffbedürfniss die niederen pflanzlichen Organismen in vieler Hinsicht ganz analog. So ist z. B. zu vermuthen, dass viele Algen sich gewiss nur dann normal entwickeln können, wenn ihnen dieselben Elemente wie den höheren Gewächsen in genü- genden Quantitäten dargeboten werden. Mit Bezug auf den Mineralstoffbedarf einiger niederer Pflanzen, z. B. der Hefezellen, liegen genauere Beobachtungen vor.?) Es ist nämlich nachgewiesen, dass der Sacharomyces cerevisiae des Kali- ums, Phosphors und Magnesiums nothwendig in bedeutenden Mengen zur nor- malen Entwicklung bedarf. Ebenso ist der Schwefel gewiss als ein unentbehr- licher Nährstoff jenes Pilzes anzusehen. Kalcium kann der Hefepilz wahrschein- lich entbehren; Silicum, Chlor, Natrium und Eisen sind für die Entwicklung des Pilzes nicht nothwendig. $ 14. Die Vertretbarkeit der Aschenbestandtheile. Es ist ganz ver- zeihlich, dass man früher, als man noch nicht eingehender über die Unentbehr- lichkeit einzelner Aschenbestandtheile orientirt war, die Ansicht von der Vertret- barkeit der Mineralstoffe im pflanzlichen Organismus aufstellte. Man konnte sich vorstellen, dass eine Pflanze normal zur Entwicklung gelangte, wenn ihr kein Kalium, dafür aber vielleicht neben anderen Stoffen recht viel Natrium, oder viel- leicht kein Kalcium, aber eine reichliche Magnesiummenge zur Disposition gestellt würde. Diese Anschauungen von der völligen Vertretbarkeit der Nährstoffe, die man namentlich für nahe mit einander verwandte Elemente in Anspruch nahm, musste selbstverständlich sofort aufgegeben werden, als die Ernährungsphysiologie weitere Fortschritte machte, als sich zeigte, dass die Pflanzen ohne die Gegen- wart ganz bestimmter Stoffe nicht zur Entwicklung gelangen können. In der That haben alle bezüglichen Untersuchungen zu dem Resultat geführt, dass keiner der als unentbehrlich zu bezeichnenden Pflanzennährstoffe durch andere Körper zu ersetzen ist. So kann das Kalium weder durch Natrium noch Lithium, das Eisen nicht durch Mangan vertreten werden. Ebenso wissen wir heute, dass diejenige Quantität eines Pflanzennährstoffes, welche für die normale Ausbildung eines Gewächses absolut nothwendig ist, keineswegs theilweise durch andere Körper ersetzt werden kann.*) D) Vergl. LiEsIG, Grundsätze der Agriculturchemie, 1855. In anderen Schriften behandelt LiEBiG das hier in Rede stehende Verhältniss ebenfalls. 2) Vergl. die interessanten Untersuchungen HELLRIEGEL’s, Versuchsstationen. Bd. II. pag. 136. 3) Vergl. über das Folgende A. MAYER, Gährungschemie. pag. 121. % Man vergl. E. WoLrr, Festschrift zum 5o jährigen Jubiläum d. Akadem. Hohenheim, 1868 und NOBBE, Versuchstationen, Bd. 13, pag. 321. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd, II. 50 System der Pflanzenphysiologie. Dagegen scheint der Vertretbarkeit eines nicht als unentbehrlich, sondern nur als nützlich zu bezeichnenden Nährstoffes durch andere Körper nichts im Wege zu stehen, und ich brauche hier zur Begründung des Gesagten nur auf unsere Erörterungen über die Bedeutung des Chlors sowie des Siliciums für die Pflanzen hinzuweisen. Viertes Kapitel. Die organischen Verbindungen als Pflanzennahrungsmittel. $ ı5. Die chlorophyllhaltigen Gewächse. Es unterliegt heute zwar keinem Zweifel mehr, dass sehr viele grüne Pflanzen eine durchaus normale Ent- wicklung erfahren können, wenn ihnen ausschliesslich anorganische Stoffe als Nahrungsmittel zur Disposition gestellt werden. Die Wasserculturversuche haben gezeigt, dass viele Pflanzen üppig entwickelte Vegetationsorgane, normal gebaute Blüthen, sowie reichliche Mengen keimfähiger Samen produciren, wenn ihnen neben der Kohlensäure der Luft und dem Wasser hinreichende Quantitäten einiger anorganischer Salze zur Verfügung stehen. Bei alledem ist es klar, dass. die Wurzeln derGewächse, wenn dieselben sich in der Natur in einem an organischen Stoffen mehr oder minder reichen Boden ausbilden, eben mit diesen organischen Stoffen in Berührung gelangen, und man ist berechtigt, die Frage aufzuwerfen, ob diese Verbindungen, obgleich viele Pflanzen ohne dieselben durchaus normal gedeihen, nicht dennoch von der Vegetation verwerthet werden können. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass verschiedene stickstoffhaltige organische Stoffe höchst wahrscheinlich als solche im Organismus bei der Bildung von Proteinstoffen Verwendung finden. Ebenso ist es durchaus nicht unmöglich, dass grüne Pflanzen, die allerdings bei Abwesenheit organischer Bodenbestandtheile gedeinen können, dennoch unter Umständen stickstofffreie organische Stoffe aufnehmen und verarbeiten. Früher hat man den Humus bekanntlich als ein mehr oder minder wichtiges Pflanzennahrungsmittel angesehen. Zwar habe ich nachgewiesen,!) dass ein Hauptbestandtheil des Humus, die Humirsäure nämlich, nicht als solche in die Pflanzenzellen eintreten kann, aber 'es ist keineswegs ausgeschlossen, dass ander- weitige organische Bodenbestandtheile sich nicht in derselben Weise verhalten. Uebrigens liegt ja die Möglichkeit vor, dass die Pflanzenwurzeln chemisch ver- ändernd auf organische Körper des Bodens, die als solche nicht von denselben aufgenommen werden können, einwirken und zur Entstehung aufnehmbarer und im Organismus verwerthbarer Substanzen Veranlassung geben. Es wird im dritten Hauptabschnitt der specielle Nachweis geführt werden, dass den Embryonen vieler Samen die Fähigkeit zukommt, die organischen Reservestoffe des Endosperm (Amylum, Zellstoff etc.) aufzulösen. Das Studium dieser Vorgänge ist insofern für die Beurtheilung der hier berührten Fragen von Wichtigkeit, als sich dabei er- geben hat, dass jene Auflösungsprozesse unter Vermittlung von Fermenten zu Stande kommen und zur Entstehung organischer Stoffe Veranlassung geben, die für die Zwecke des Wachsthums des Embryo verwerthet werden. Man wird da- her schliessen dürfen, dass ebenso die entwickelte Pflanze unter Umständen Fer- mente erzeugt, welche modificirend auf organische Bodenconstituenten einwirken und die Ueberführung derselben in den vegetabilischen Organismus bedingen, ) Vergl. DETMER, Versuchsstationen. Bd. 14. pag. 294. u a ee u ee I. Abschnitt. 4. Die organischen Verbindungen als Pflanzennahrungsmittel. 51 Für eine gewisse, wenngleich nicht sehr grosse Anzahl grüner Pflanzen ist es im höchsten Grade wahrscheinlich oder gar gewiss, dass sie normalerweise auf die Aufnahme und Verarbeitung gewisser Mengen organischer Stoffe angewiesen sind. ı. Zunächst erinnere ich an solche Pflanzen, die, wie die Zrzca-, Callına-, Rhododendron- oder Vaccinium-Arten auf mehr oder minder humusreichem Boden vegetiren. Ob sie der organischen Stoffe absolut nothwendig zur normalen Ent- wicklung bedürfen, ist allerdings fraglich. 2. Ueber die Ernährungsvorgänge der fleischverdauenden oder insekten- fressenden Pflanzen brauche ich mich hier nicht eingehender auszusprechen, da dieselben bereits von DRUDE in diesem Handbuche eingehender behandelt worden sind. Ich will nur erwähnen, dass das Insektenfangen nach den Unter- suchungen von Fr. Darwın!) sowie REESS?) von Nutzen für diese merkwürdigen Organismen zu sein scheint?), obgleich manche derselben nach SCHENK auch ohne Fleischfütterung gedeihen können. 3. Die chlorophyllhaltigen Saprophyten nehmen gewisse Mengen organischer Stoffe aus dem Boden auf, aber sie sind daneben im Stande zu assimiliren. Die Neottia nidus avis zeigt, wie WIESNER fand, worauf bereits früher hingewiesen, einen geringen Chlorophyligehalt und vermag nach DRrUDE in der That schwach zu assimiliren. Die Hauptmasse der organischen Stoffe nimmt sie auf jeden Fall aus dem humusreichen Boden auf, in welchem sich das mit dicken Wurzeln besetzte Rhizom entwickelt. Das chlorophyllifreie, aus sehr kleinen Samen her- vorgehende Rhizom von Corallorhiza innata entwickelt sich im Boden unter Aufnahme organischer Stoffe bis zu bedeutender Grösse®). Der blüthentragende Stengel, der wenig Chlorophyll führt, kommt erst später zur Ausbildung. 4. Die grünen Parasiten scheinen im Allgemeinen recht viel Chlorophyll zu enthalten und daher beträchtliche Quantitäten organischer Stoffe selbst erzeugen zu können. Hierher gehören z. B. Viscum album, die Thesium-arten, sowie viele Rhinanthaceen (Zuphrasia, Rhinanthus, Melampyrum). Die Wurzeln von Viscum verbreiten sich im Holz, sowie zwischen dem Cambium und Bast der Aeste des Wirthes; die übrigen hier genannten Gewächse besitzen Wurzeln, deren Haustorien in die Wurzeln der Nährpflanzen eindringen5). Um das Zustandekommen dieses letzteren Prozesses zu ermöglichen, werden vielleicht häufig fermentartig wirkende Körper erzeugt, welche die Auflösung gewisser Gewebepartien der Nährpflanze herbeiführen. S 16. Die chlorophyllfreien Gewächse. Viele Pflanzen enthalten gar kein Chlorophyll und sind daher auf die Aufnahme organischer Stoffe von aussen durchaus angewiesen. Ich werde erst im dritten Abschnitte diejenigen Prozesse näher berühren, welche bei der Verarbeitung der organischen Stoffe im Organismus zur Geltung kommen; hier genügt es zu betonen, dass chlorophyll- freie Gewächse auf Kosten organischer Nahrungsmittel leben. I) Vergl. Fr. Darwın, Naturforscher. 1879. 2) Vergl. ReEss, Botan. Zeitg. 1878. No. 14. 3) Die entgegenstehenden Angaben von REGEL (vergl. Gartenflora, 1879) scheinen mir nicht beweiskräftig zu sein. %) Vergl. REINKE, Flora. 1873, pag. 179. 5) Vergl. Sorms-LAUBACH, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissensch, Botanik. Bd. 6. pag. 509. Bemerkt sei noch, dass die chlorophyllarmen Orobanchen parasitisch auf den Wurzeln anderer Pflanzen leben, indem die Stengelbasis und die Adventivwurzeln des Schmarotzers in dieselben eindringen. 4" re a ins 52 System der Pflanzenphysiologie. 3 Viele Schizomyceten verwerthen unter Erregung von Fäulnisserscheinungen oder Gährungsphänomenen (Milchsäure- und Buttersäuregährung) stickstoffhaltige, resp. stickstofffreie organische Stoffe für die Zwecke ihrer Ernährung. Der Hefe- pilz entwickelt sich in einer Flüssigkeit, die neben anorganischen Salzen allein Zucker enthält, ganz normal und verwendet gewisse Atomgruppen des Zuckers für sein Wachsthum, während andere Atomgruppen desselben Kohlensäure und Alkohol liefern. Zmpusa Muscae lebt, nachdem der Pilz die Chitinhaut der Stubenfliege durchdrungen hat, auf Kosten der organischen Stoffe des Leibes jenes Insektes. Viele Pilze leben parasitisch auf grünen Pflanzen und ernähren sich auf Kosten der in Folge des Assimilationsprocesses gebildeten organischen Körper. Namentlich sind in dieser Hinsicht merkwürdig viele Repräsentanten aus den Abtheilungen der Zyrenomyceten und Discomyceten, welche bekanntlich in Verbindung mit Algen leben und mit diesen zusammen die Flechtenkörper darstellen. Viele Pilze ziehen endlich ihre Nahrung aus dem Humus unserer Wälder. Als phanerogamer chlorophyllfreier Saprophyt ist zunennen: Zpipogium Gmelini, dessen wurzelloses Rhizom sich nach REINKE im humusreichen Boden ausbildet. Monotropa Hypopitys, welcher Pflanze nachgewiesenermassen der normale grüne Chlorophyllifarbstoff fehit, lebt, wenn sie in Buchenwaldungen vorkommt, sapro- phytisch, in Fichtenwaldungen aber parasitisch, indem ihre Wurzeln in diesem Falle in diejenigen der Nährpflanzen eindringen. Die Zathraea sgquamaria zieht mit Hülfe der Haustorien ihrer Wurzeln aus den Wurzeln anderer Gewächse Nahrung!). Ebenso sind die Cuscuia-Arten als echte Parasiten anzusehen. Zweiter Abschnitt. Die Molekularkräfte der Pflanzen. Erstes Kapitel. Allgemeines über die Molekularstructur organisirter pflanzlicher Gebilde. $ 17. Die Anschauungen NÄGELIs. — In dem Paragraphen über die Imbibitionsprozesse werde ich mich eingehender darüber aussprechen, worin das charakteristische Merkmal organisirter pflanzlicher Gebilde besteht. Hier sei nur dies bemerkt, dass die Stärkekörner, die Zellmembranen sowie die verschiedenen plasmatischen Gebilde (Krystalloide, Zellkerne etc.) als solche organisirte Körper aufgefasst werden müssen. Mit der Molekularstructur derselben ist man erst genauer bekannt geworden, nachdem man damit begonnen hat, das Polarisations- mikroskop zur Erforschung ihres inneren Baues in Anwendung zu bringen. Der- artiges ist bereits von EHRENBERG?) und H. v. MoHL®) geschehen, aber erst die Untersuchungen NÄGELIs haben zu Resultaten geführt, die von der weittragendsten 3edeutung geworden sind, und ich stelle die folgenden Worte des zuletzt genannten Forschers an die Spitze unserer ferneren Erörterungen®): !) Vergl. Krause, Beiträge zur Anatomie der Vegetationsorgane von Lathraea squamaria, Inaugural-Dissert. Breslau 1879. 2) Vergl. EHRENBERG, Berichte d. Verhandl. d. Berliner Akadem. 1849. pag. 55. 3) Vergl. H. v. MoHL: Botan. Zeitg. 1858. pag. 1. *) Vergl. NÄGeELı, Sitzungsber. d. Akadem. d. Wiss. zu München. 1862. Bd. 1. pag. 311, 4 h- x Ps Oi II. Abschnitt. ı. Allgemeines über die Molekularstructur organisirter pflanzl. Gebilde. 53 »Die organisirten Substanzen bestehen aus krystallinischen, doppeltbrechenden (aus zahlreichen Atomen zusammengesetzten) Molekülen, die lose, aber in bestimmter, regelmässiger Anordnung neben einander liegen. Im befeuchteten Zustande ist, in Folge überwiegender Anziehung, jedes mit einer Hülle von Wasser umgeben; im trockenen Zustande berühren sie sich gegenseitig. In der organisirten Substanz ist demnach eine doppelte Cohäsion vorhanden; die eine verbindet die Atome zu Molekülen, in gleicher Weise wie dieselben sonst zusammentreten, um einen Krystall zu bilden; die andere vereinigt die Moleküle 1), NÄGeELı war bereits früher bei dem Studium der Molekularstructur organisirter Gebilde, speciell der Amylumkörner, zu der Ansicht gekommen, dass die Massen- theilchen (Moleküle) derselben, nicht Kugelgestalt besitzen können?). Die Moleküle hielt NÄcELı vielmehr für poly&drische Gebilde. Der genannte Forscher hat ferner mit Hülfe des Polarisationsmikroskops nachgewiesen, dass die Stärke- körner, Zellhäute, sowie die Krystalloide jene schönen Interferenzfarben hervor- treten lassen, wie dieselben ebenfalls von optisch zweiaxigen Krystallen im polari- sirten Licht hervorgerufen werden, und nun stand für NÄGELI die Ansicht fest, dass den Molekülen der genannten vegetabilischen Gebilde die Natur von Krystallen zukäme.?) Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Massentheilchen der organisirten Gebilde sich in Contact mit Wasser mit Flüssigkeitshüllen umgeben. Die pflanzlichen Gebilde imbibiren sich, wie man sagt, mit Wasser. Dies ist aber von besonderem Interresse, dass z. B. ein mit Flüssigkeit imbibirtes Stärke- korn nicht als eine homogene Masse erscheint, sondern, wie weiter unten specieller gezeigt werden soll, das Vorhandensein wasserärmerer und wasserreicherer Schichten deutlich erkennen lässt. Diese Thatsache hat NÄGELI zu der Ansicht geführt, dass die verschiedenen Moleküle ein und desselben Stärkekornes nicht dieselbe Grösse, sondern verschiedene Dimensionen besitzen. Und zwar werden in den wasserreicheren Regionen eines Amylumkornes kleinere Stärkemoleküle als in den wasserärmeren vorhanden sein müssen®). $ 18. Erweiterung der Anschauungen NäÄGELIs. — NÄGELI unterliess es, die Anschauungen, welche er sich über die Molekularstructur der Stärkekörner, Zellhäute und Krystalloide gebildet hatte, ebenso auf das Plasma zu übertragen. Dies ist zuerst von SacHs?) geschehen. Und in der That lässt sich die Vor- stellung, dass die Substanz des Plasma, der Zellkerne sowie der plasmatischen Grundmasse der Chlorophylikörper in Gestalt isolirter Moleküle (im Sinne NÄceırs) vorhanden ist, die sich, selbst für Was$er undurchdringlich, bei dem Zustandekommen der Imbibition mit Wasserhüllen umgeben, sehr wol.mit den bekannten Thatsachen in Einklang bringen. Zu bemerken ist übrigens, dass es l) Es ist wol zu beachten, dass NÄGELI’s »Atome« dem entsprechen, was wir heute als Moleküle bezeichnen. NÄGELI's »Moleküle« repräsentiren demnach in Wirklichkeit Aggregate von Molekülen. 2) Vergl. NÄGELI, Stärkekörner. 1858. pag. 333. 3) Bevor NÄGELI die hier geltend gemachten Anschauungen definitiv aussprach, hat er sich davon überzeugt, dass die Interferenzfarben, welche organisirte pflanzliche Gebilde im polarisirten Licht hervortreten lassen, nicht in Folge von Spannungsverhältnissen hervorgerufen werden. #) Vergl. NÄGELI, Stärkekörner. pag. 333. Die im Text zur Kenntniss gebrachten Anschauungen NÄGELTs haben nicht nur für die Amylumkörner Gültigkeit, sondern sie sind ebenso auf ander- weitige organisirte Gebilde zu übertragen. 5) Vergl. Sachs, Handbuch d. Experimentalphysiologie der Pflanzen. 1865. pag. 443. _ \ ir, 54 System der Pflanzenphysiologie. bis jetzt noch nicht gelungen, mit Hülfe des Polarisationsmikroskops Aufschluss über die Krystallbeschaffenheit der Moleküle der hier erwähnten plasmatischen Gebilde zu erlangen, denn dieselben lassen im polarisirten Licht keine Interferenz- farben hervortreten; möglich wäre es aber immerhin, dass das Plasma aus Krystallmolekülen, die dem regulären Systeme angehörten, bestände. Nach den Vorstellungen der modernen Chemie sind diejenigen Gebilde, welche .NÄcenı als Krystallmoleküle bezeichnet hat, als Aggregate von Molekülen anzusehen. Ein jedes dieser Aggregate besteht aus sehr vielen Stärke- oder Zell- stoffmolekülen etc., und jedes dieser Moleküle ist aus Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Sauerstoffatomen zusammengesetzt. Es ist daher ein glücklicher Gedanke PFEFFER’st) gewesen, die Moleküle NÄceLfs als Tagmen zu bezeichnen?). Die verschieden organisirten Gebilde (Stärkekörner, Zellhäute und plasmatische Gebilde) repräsentiren daher Syntagmen und den einzelnen aus vielen Molekülen be- stehenden Tagmen ist in vielen Fällen bestimmt die Krystallbeschaffenheit eigen- thümlich. Zweites Kapitel. Spezielles über die organisirten pflanzlichen Gebilde. S$S ı9. Die Amylumkörner. — Die Amylum- oder Stärkekörner sind im Pflanzenreich sehr weit verbreitete Gebilde. Sie entstehen vor allen Dingen in den Chlorophylikörpern als Assimilationsprodukte und werden sehr häufig als Reservestoffmaterial in Knollen und Samen etc. aufgespeichert. Wenn die Reservestoffbehälter kein Amylum führen, so sind natürlich anderweitige stickstoftfreie Verbindungen (Zucker, Inulin, Fette) vorhanden, welche, wie wir an anderer Stelle eingehender sehen werden, im Stande sind, die fehlende Stärke in physiologischer Beziehung zu ersetzen. Bei mikroskopischer Betrachtung erweisen sich die Stärkekörner als solide, mehr oder minder rundliche Gebilde. Die Grösse der Stärkekörner ist sehr ver- schieden. NÄGELI, der überhaupt sehr umfassende und gründliche Studien über die Beschaffenheit sowie das Verhalten der Amylumkörner angestellt hat, giebt an, dass die einfachen Stärkekörner aus dem Samen von Zagus silvatica z. B. einen Durchmesser von 6, diejenigen aus dem Samen von Zisum sativum aber einen Durchmesser von 65 Mikromill. besitzen.?) Sehr beachtenswerth ist die Thatsache, dass die Stärkekörner eine Schichtung erkennen lassen. Haben die Körner eine gehörige Grösse erreicht, so zeigt sich, dass sie aus Schichten bestehen, die um einen Mittelpunkt gruppirt sind, der aber meist nicht mit dem mathematischen Centrum identisch ist. Betrachtet man ein frisches Amylumkorn genauer unter dem Mikroskop, so findet man, dass von aussen nach innen abwechselnd dichtere und minder dichte Schichten auf einander folgen. Die weicheren Stellen erscheinen röthlich, die dichteren weisslich oder bläulich weiss. Wenn man die Stärkekörner mit wasserentziehenden Mitteln, z. B. mit absolutem Alkohol, behandelt, so verschwindet die Schichtung, !) Vergl. Prerrer, Osmotische Untersuchungen. 1875. pag. 32. ?) Die Tagmen repräsentiren dieselben Gebilde, welche von NÄGELI nnd SCHWENDENER (vergl. das Mikroskop, 2. Aufl., 1877, pag. 424) als Micellen bezeichnet werden. #%) Diese und manche der folgenden Angaben entnehme ich dem grossen Werk NÄGELI’'s über Stärkekörner. O. Abschnitt. 2. Spezielles über die organisirten pflanzlichen Gebilde. 55 und die Gesammtmasse der Körner wird weisslich. Die Schichtung der Stärke- körner wird also dadurch bedingt, dass das Verhältniss zwischen Wasser und Amylumsubstanz nicht an allen Punkten der in Rede stehenden Gebilde das- selbe ist. Die dichter erscheinenden Schichten sind die wasserärmeren, die weniger dicht erscheinenden die wasserreicheren. Der Wassergehalt der Stärkekörner nimmt, abgesehen von den soeben be- rührten Verhältnissen, im Allgemeinen von innen nach aussen ab. Der Gesammt- wassergehalt eines aus einer Kartoffelknolle entnommenen Amylumkornes beträgt etwa 40°/,; andere Stärkekörner sind noch wasserreicher. Erwärmt man Amylum gemeinsam mit Wasser, so beginnt bei etwa 50°C. das Aufquellen der Körner!). Die Stärkekörner vergrössern sich, die äusseren Theile derselben werden zer- sprengt, und schliesslich bildet das Amylum mit dem Wasser eine mehr oder minder dickflüssige, homogene Masse (Kleister), in welcher von der Organisation der Amylumkörner durchaus nichts mehr zu erkennen ist. Vor allen Dingen ist ferner darauf hinzuweisen, dass das Amylum kein chemisches Individuum repräsentirt. Es ist nämlich NÄGELI?) gelungen, das Vor- handensein von zwei verschiedenen Substanzen in Stärkekörnern mit Sicherheit nachzuweisen. NäceLı behandelte nämlich Stärke bei 40—47°C. mit Speichel. Es zeigte sich, dass ein Theil der Stärkesubstanz unter dem Einflusse des Ptya- lins extrahirt wurde, während ein anderer Theil zurückblieb. Die extrahirte Substanz bezeichnet man als Granulose, die Substanz des Rückstandes aber als Stärkecellulose. Die Granulose zeigt in Berührung mit Jod die charakte- ristische Stärkereaction; die Stärkecellulose färbt sich in Contact mit Jod und Schwefelsäure blau, Jod allein ertheilt ihr aber nur eine rothgelbe oder bräun- liche Färbung. Interessant ist, dass, trotzdem die Stärkekörner nur zu etwa 2—60/, aus Stärkecellulose bestehen, diese nach der Entfernung der Granulose dennoch die gesammten Structurverhältnisse des Amylumkornes erkennen lässt. Die Granulose kann man den Amylumkörnern,. wie hier noch bemerkt werden mag, auch unter Anwendung von Säuren, zumal von Salzsäure, bei gewöhnlicher Temperatur, entziehen. Wenn man Amylum mit kochendem Wasser behandelt und die gewonnene - . Flüssigkeit filtrirt, so kann man in dem Filtrat grosse Stärkemengen nachweisen. Bei gewöhnlicher Temperatur geben aber die unversehrten Stärkekörner an das Wasser, mit welchem sie in Contact gelangen, keine nachweisbaren Substanz- mengen ab; dagegen ist das Wasser im Stande, solchen Amylumkörnern, die man zunächst durch Zerreiben mit Sand zertrümmert hat, geringe Granulose- mengen zu entziehen. Die Stärke erleidet, wenn sie mit verschiedenen Körpern in Berührung ge- langt, merkwürdige Veränderungen. Zumal hat man die Wirkung der Diastase auf das Amylum eingehender studirt, und während man früher der Ansicht war, dass jenes Ferment die Stärke zunächst in Dextrin und dieses dann in Trauben- zucker umwandelt, haben neuerdings MuscuLus sowie E. SCHULZE und M. MÄRCKER?) gezeigt, dass die Stärke in Berührung mit Diastase unter Wasseraufnahme in I) Die Temperatur, bei der die Stärke in Berührung mit warmem Wasser aufzuquellen be- ginnt, ist für verschiedene Stärkesorten, ja selbst für die einzelnen Partien ein und desselben Stärkekornes nicht dieselbe. 2) Vergl. NÄGELI, Stärkekörner. pag. 121. 3) Vergl, E. SCHULZE und M. MÄRCKER, Journal f. Landwirthschaft. 1872. pag. 57- 56 System der Pflanzenphysiologie. Dextrin und eine eigenthümliche Zuckerart (Maltose) gespalten wird. Der letztere Körper kann allerdings unter besonderen Verhältnissen unter Vermittlung des Ferments weiter in Traubenzucker übergeführt werden. Wird Amylum in der Wärme mit verdünnter Säure (Salz- oder Schwefel- säure) behandelt, so werden Dextrin und Traubenzucker gebildet. Es scheint festzustehen, dass die Säuren keine Spaltung des Amylum wie Diastase bewirken, sondern dass sie die Stärke successive in Dextrin und dieses in Zucker über- führen. Erwähnung mag die Thatsache finden, dass die Stärke im Stande ist, sich mit Metalloxyden und Säuren zu verbinden. In Berührung mit Jod färben sich die Stärkekörner (bei Gegenwart von Wasser und nicht zu hoher Temperatur) violet oder blau. Der zur Geltung kommende Farbenton ist aber nicht immer derselbe; verschiedene Stärkesorten, ja selbst die einzelnen Partien ein und desselben Amylumkornes färben sich nicht gleichartig. Die Stärke kann recht erhebliche Jodmengen (3—7°/, auf- nehmen. Die Jodstärke ist aber nicht als eine chemische Verbindung von Amy- lum mit Jod aufzufassen, denn ihr fehlt ein wesentliches Merkmal einer che- mischen Verbindung, nämlich die Aenderung der Naturbeschaffenheit der sich vereinigenden Substanzen. Die Jodstärke bildet sich vielmehr nur dadurch, dass sich die Jodmoleküle zwischen die Tagmen der Stärkekörner einlagern. Die Stärkekörner in den Pflanzenzellen sind nicht immer einfach, sondern sehr oft ganz oder halb zusammengesetzt. Im ersteren Falle besteht das gesammte Amylumkorn aus mehreren Bruchkörnern, die durch Theilungsvor- gänge entstanden sind, aber noch zusammenhalten. Die halb zusammengesetzten Stärkekörner sind dadurch charakterisirt, dass gewisse Schichten der ursprünglich einfachen Körner als solche bestehen bleiben und einzelne kleinere Amylum- körner umschliessen!). S 20. Die Zellhäute. — Die meisten Zellen der Pflanzen besitzen Zell- membranen, welche das Plasma umschliessen. Die Zellhäute sehr junger Zellen scheinen allein aus Zellstoff oder Cellulose und Wasser zu bestehen; später lagern sich mehr oder minder grosse Mineralstoffquantitäten in die Zellhäute ein. Die mit Wasser imbibirten Zellmembranen lassen, wie NÄGELI?) eingehend gezeigt hat, Schichtungs- sowie Streifungserscheinungen hervortreten, welche, wie die. Schichtung der Amylumkörner, auf einer verschiedenen Vertheilung von wasser- ärmerer und wasserreicherer Substanz zurückgeführt werden müssen. Der Zellstoff der Zellmembranen wird fast von keiner Flüssigkeit (allein von der Kupferoxydammoniakflüssigkeit) aufgelöst. Nur wenige Zellmembranen färben sich mit Jod direct blau. Meistens ertheilt das Jod den Membranen eine gelbe oder bräunliche Färbung. Wenn man das Jod aber bei Gegenwart sogen. assis- tirender Substanzen (Schwefelsäure, Jodkalium, Chlorzink etc.) auf Zellhäute ein- wirken lässt, dann tritt allerdings ein blauer Farbenton hervor. Der Zellstoff der Membranen kann in der Pflanze in Folge chemischer Pro- zesse verschiedene merkwürdige Veränderungen erfahren, wodurch, was insbe- sondere von physiologischem Interesse erscheint, Substanzen von eigenthümlichen physikalischen Eigenschaften entstehen. ') Ueber die durch Intussusception bedingten Wachsthumserscheinungen der Stärkekörner und der organisirten pflanzlichen Gebilde überhaupt wird zweckmässig erst in der Physiologie des Wachsthumsprozesses gesprochen. 2) Vergl. NÄGELı, Sitzungsber. d. bayr. Akadem. d. Wiss. 1864. B. I. pag: 297. VaRE II. Abschnitt. 2. Spezielles über die organisirten pflanzlichen Gebilde. 57 ı. Cuticularisirung und Verkorkung. Die Cuticula überzieht mit Ausnahme der Wurzelspitzen die gesammte Oberfläche der höheren Gewächse. Das Kork- gewebe tritt an älteren Pflanzentheilen oft in bedeutender Ausdehnung auf. In der Cuticula und dem Kork sind verschiedene Substanzen mit einander gemengt. Es scheint immer noch ein bestimmtes Quantum der Muttersubstanz, des Zell- stoffes nämlich, vorhanden zu sein. Ferner begegnet man aber in der Cuticula sowie den Korkmassen Mineralstoffen, fett- und wachsartigen Verbindungen und namentlich erheblichen Cutin- resp. Suberinmengen. Diese letzteren Stoffe sind beträchtlich kohlenstoffreicher als die Cellulose und liefern höchst wahrscheinlich das Material zur Bildung jener fett- oder wachsartigen Substanzen, die häufig in grösseren Mengen an der Oberfläche der Cuticula abgeschieden werden.!) 2. Die Verholzung. Jene in das Innere der verschiedenartigsten Holzelemente vorspringenden Verdickungsschichten verdanken einer eigenthümlichen Metamor- phose des Zellstoffs ihre Entstehung. Bei der Verholzung bilden sich sehr wahrscheinlich mannigfaltige Produkte, die reich an Kohlenstoff sind, und zu- sammen als Ligninsubstanzen bezeichnet werden. Man kann dieselben durch Maceration des Holzes mit chlorsaurem Kali und Salpetersäure von der noch vorhandenen Cellulose trennen. Diese letztere bleibt dabei erhalten, während die Ligninsubstanzen durch Oxydation völlig zerstört werden. 3. Die Verschleimung. Manche Zellen enthalten bedeutende Mengen von Pflanzenschleim oder Gummiarten, die in Berührung mit Wasser ganz ausser- ordentlich stark aufquellen und wenigstens in manchen Fällen (nicht immer) aus Zellstoff durch Degradationsprozesse entstanden sind. So erinnere ich hier an die Schleim- und Gummiarten der Epidermiszellen der Lein- und Quittensamen.?) Ebenso entstehen auch das Traganthgummi und das Arabin (unter völliger Ver- schleimung ganzer Gewebepartien) aus dem Zellstoff der Zellmembranen.?) 8 21. Die plasmatischen Gebilde. — Die plasmatischen Gebilde sind als die eigentlichen Träger des Lebens anzusehen, wie dies im dritten Abschnitte spezieller begründet werden soll. Zellen, die keine plasmatischen Massen mehr enthalten, sind als abgestorben zu betrachten. Die plasmatischen Gebilde treten in den Pflanzenzellen in zwei wesentlich verschiedenen Formen auf, und zwar erscheint es zweckmässig, zwischen den lebensthätigen und lebensfähigen plasmatischen Gebilden zu unterscheiden. Zu den ersteren gehört vor allen Dingen der eigentliche, Bewegungs- “ erscheinungen zeigende Protoplasmaleib der lebensthätigen, mehr oder minder wasserreichen Zellen. Ausserdem sind aber auch die Zellkerne, sowie die Plasma- massen der Chlorophylikörper etc. hierher zu rechnen. Diese plasmatischen Gebilde bestehen aus einem Gemenge verschiedener Körper. Die Tagmen der in Rede stehenden organisirten pflanzlichen Gebilde bestehen wesentlich aus eiweissartiger Substanz und sind im Stande, sehr viel Wasser festzuhalten. Die protoplasmatische Grundmasse in den lebensthätigen Zellen zeigt daher eine flüssigkeitsähnliche Beschaffenheit; sie ist aber keineswegs mit einer gewöhnlichen Flüssigkeit identisch. Neben den proteinstoffartigen Körpern und dem Wasser sind, wie man auf Grund physiologischer Beobachtungen I) Ueber das Wachs und Fett der Cuticula hat DE Baryv (vergl. bot. Zeitung, 1371, pag. 129 etc.) sehr eingehende Untersuchungen angestellt. 2) Vergl. FRANK, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissenschaftl. Botanik. Bd. 5, pag. 161 und Journal f. prak. Chem. Bd. 95, S. 479. 3) Vergl. WIGAND, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissenschaftl. Botanik. Bd. 3, pag. 117. 58 System der Pflanzenphysiologie. schliessen darf, eine Reihe von stickstoffhaltigen sowie stickstofffreien organischen Körpern im Plasma in gelöster Form vorhanden. Ebenso fehlen Mineralstoffe niemals im Plasma, und es treten auch mehr oder minder leicht sichtbare körnige Gebilde (Stärkekörner, Fetttröpfchen etc.) in demselben auf. Es kann an dieser Stelle nicht meine Aufgabe sein, auf die innere Differen- zirung des Protoplasmaleibes der Pflanzenzellen näher einzugehen. Nur darauf“ möchte ich hinweisen, dass man heute immer mehr und mehr bemüht ist, einen Unterschied zwischen der hyalinen Hautschicht des Plasma und der Körner- schicht desselben zu constatiren. Die letztere zeichnet sich durch einen grossen Reichthum an kleinen Körnchen (wahrscheinlich Fetttröpfchen) aus; der ersteren fehlen diese körnigen Einlagerungen. Jede Partie eines Protoplasmakörpers um- giebt sich, wenn sie isolirt wird, sofort mit einer Hautschicht. Dieselbe, welche von PFEFFER!) im Gegensatz zum Körnerplasma auch als Hyaloplasma be- zeichnet wird, besitzt nicht nur in morphologischer, sondern insbesondere in physiologischer Hinsicht ein grosses Interesse. Ich werde in dem Abschnitt über Stoffwanderung spezieller zeigen, dass verschiedene Körper (Zucker, Farb- stoffe etc.), die allerdings im Stande sind, die Cellulosemembranen zu passiren, dennoch nicht als solche auf osmotischem Wege aus den lebenden Pflanzen- zellen austreten können. Ebenso ist es ja bekannt, dass in der Vacuolenflüssig- keit der Zellen gelöste Farbstoffe etc., nicht in das Protoplasma eindringen. ?) Das Körnerplasma kann unmöglich das eigenthümliche Verhalten des Protoplasmas bei osmotischen Prozessen bedingen, denn wenn in demselben in Folge strömen- der Bewegungen sogar jene erwähnten kleinen Körnchen translocirt werden, so müssen gelöste Stoffe noch viel leichter im Körnerplasma eine Ortsveränderung erfahren. Das Hyaloplasma ist daher unzweifelhaft als diejenige Region des Protoplasma anzusehen, welche in Folge ihres eigenthümlichen molekularen Baues das merkwürdige Verhalten desselben bei osmotischen Prozessen bedingt. Als lebensfähige plasmatische Gebilde sind vor allen Dingen jene wasser- armen, spröden, brüchigen Inhaltsstoffe der Zellen ruhender Pflanzentheile, z. B. der Samen, anzusehen. Diese plasmatischen Gebilde zeigen zunächst noch keine Lebenserscheinungen, sie lassen dieselben aber erkennen, wenn die Samen mit Wasser in Berührung gelangen, und die Evolution des Embryo beginnt. In den Zellen der ruhenden Samen begegnet man einer plasmatischen Grundmasse, die mehr oder minder fettreich ist. In dieser Grundmasse liegen die Protein- körner eingebettet.?) Es liegt mir hier fern, auf den morphologischen Charakter derselben näher einzugehen; ich will nur erwähnen, dass dieselben, abgesehen von gewissen Einschlüssen, fast ausschliesslich aus Proteinstoffen bestehen, und dass als Einschlüsse Krystalle von oxalsaurem Kalk, Globoide sowie Krystalloide auftreten. Diese letzteren, welche übrigens ebenso im lebensthätigen Protoplasma vorkommen, besitzen die Form wahrer Krystalle; sie unterscheiden sich aber wesentlich durch ihre Imbibitionsfähigkeit von denselben. Die Krystalloide be- stehen der Hauptmasse nach aus Proteinstoffen. I) Vergl. PFEFFER, Osmotische Untersuchungen 1877. 2?) Todtes Protoplasma zeigt das hier angedeutete merkwürdige Verhalten nicht ‚mehr. 3%) Vergl. namentlich PFEFFER, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissenschaftl. Botanik. B. 8, pag. 429. Di he n _ ’ II. Abschnitt. 3. Die Zerstörung der Molekularstructur organisirter pflanzl. Gebilde. 59 Drittes Kapitel. Die Zerstörung der Molekularstructur organisirter pflanzlicher Gebilde. 8 22. Vorbemerkungen. — Die Molekularstructur der organisirten pflanz- lichen Gebilde kann durch verschiedene äussere Einflüsse (Temperaturverhältnisse, Elektricität etc.) zerstört werden, und .mit der Vernichtung derselben geht der Tod der Pflanzenzellen, resp. des gesammten vegetabilischen Organismus Hand in Hand. Das Wesen des Zerstörungsprozesses scheint niemals alleinin einer einfachen Umlagerung der Tagmen der organisirten Gebilde zu bestehen, sondern es muss wohl immer auf eine mehr oder weniger vollständige Vernichtung der Tag- men selbst zurückgeführt werden. Wenn man wasserreiche Stärkekörner z. B. allmählich erwärmt, so verändern: sich dieselben zunächst nicht augenfällig; bei etwa 60° C. aber erfolgt eine Verkleisterung derselben. Bereitet man sich eine grössere Quantitäf von Kleister und bringt die Masse auf ein Filter, so erhält man eine vollkommen klare Flüssigkeit als Filtrat, in dem mit Hülfe von Jod bedeutende Stärkemengen (Granulosemengen) nachgewiesen werden können. Man hat es hier, wie ich meine, mit einer wahren Lösung zu thun, und die Granulosetagmen der Amylumkörner müssen also in Folge des Quellungs- prozesses bei der Verkleisterung in ihre Moleküle zerfallen sein. Ebenso scheinen die Tagmen (Lebenseinheiten) des Plasma unter dem Einflusse zu hoher, oder zu niedriger Temperaturen, überhaupt unter dem Einflusse ungünstiger Bedingungen, gänzlich zerstört zu werden‘). Die Lebensthätigkeit der Pflanzen- zellen, die ja in erster Linie auf eine normale Beschaffenheit des Plasma zurück- geführt werden muss, wird durch jene nachtheiligen Einflüsse völlig vernichtet, und namentlich spricht der Umstand, dass getödtete Pflanzenzellen keine Athmung mehr unterhalten?), dafür, dass die Tagmen ihres Plasma gänzlich zerstört sind. $ 23. DerEinfluss niedererTemperaturenaufdie Pflanzenzellen. — Es ist ein Factum, welches nicht bestritten werden kann, dass das Wasser des Saftes krautiger Pflanzentheile bei niederer Temperatur zu Eis erstarrt. Uebri- gens braucht diese Eisbildung nicht immer bereits bei 0° zu erfolgen, sondern sie wird sich häufig erst bei Temperaturen unter 0° geltend machen, weil die Anwesenheit verschiedener Körper in den Pflanzensäften sich nicht ohne Einfluss auf den Gefrierpunkt derselben erweist, und weil, wie vor allen Dingen zu be- tonen, Wassermoleküle, die durch Imbibitionskräfte in den Pflanzenzellen festge- halten werden, den bei der Eisbildung zur Geltung kommenden Krystallisations- kräften einen energischen Widerstand entgegensetzen®). Dagegen haben ältere Physiologen wol die Ansicht ausgesprochen, dass das Wasser im Innern lebens- fähiger, unversehrter Bäume nicht zu Eis erstarren könne. Diese Ansicht ist aber, wie bereits Erwägungen allgemeiner Natur ergeben, falsch, und sie darf zumal nicht mehr aufrecht erhalten werden, seitdem SCHÜBLER und GÖPPERT?) das Vor- handensein von Eis im Innern von Bäumen zur Zeit des Winters thatsächlich constatirt haben. 1) Uebrigens sei bemerkt, dass nach den Resultaten gewisser Beobachtungen behauptet werden muss, dass niedere Temperaturen an sich, selbst solche unter o°, nicht immer den Tod der Pflanzenzellen und eine Zerstörung der Tagmen des Plasma derselben herbeiführen. 2) Todte Pflanzenzellen können zwar in der Zeiteinheit sehr geringe Kohlensäuremengen ausgeben, aber die Prozesse, welche dies bedingen, haben mit der Pflanzenathmung nichts zu thun. 3) Vergl. MÜLLER-THURGAU: Landwirthschaftl. Jahrbücher 1880. H. ı. #) Vergl. GÖPPERT: Ueber die Wärmeentwicklung i. d. Pflanzen. Breslau. 1830. pag. 160, 60 System der Pflanzenphysiologie. Das Verhalten der Pflanzen niederen Temperaturen gegenüber ist ausser- ordentlich verschieden. Viele Gewächse (Moose, Flechten, aber auch höher or- ganisirte Pflanzen, wie Zelleborus-Arten, Viscum album) ertragen die strengste Kälte wie es scheint ohne Nachtheil. Andere Gewächse (zumal tropische Pflanzen) sollen nach Harpy!) bereits bei niederen Temperaturen, die noch über dem Gefrierpunkte des Wassers liegen, zu Grunde gehen?), und wenn dies richtig ist, so mögen manche Gewächse ebenso in Folge des Gefrierens ihrer Säfte an sich ihre Lebensfähigkeit einbüssen. Von sehr grossem Interesse ist nun die Thatsache, dass viele Pflanzentheile durch Abkühlung auf Temperaturen unter o° an sich nicht getödtet werden, und dass die gefrorenen Zellen ebenso in Folge nachträglichen langsamen Auf- thauens nicht zu Grunde gehen, während schnelles Aufthauen sie dagegen vernichtet. SacHs?) hat z. B. Blätter von Runkelrüben, Raps, Kohl etc. bei — 4—6°C. gefrieren lassen und dann in Luft von + 2—3° C. oder in Wasser von 6—ı0° C. gebracht. Es zeigte sich, dass die Pflanzentheile zu Grunde gingen. Die erfrorenen, d. h. die durch Gefrieren und schnelles Aufthauen getödteten Untersuchungsobjecte, hatten ihren Turgor verloren, sie waren schlaff geworden und liessen den Zellsaft bei dem geringsten Druck austreten. Erfrorene Gewebe- massen werden durchscheinend, die Säfte verschiedener Zellregionen mischen sich mit einander, und dadurch erfolgt eine rasche Zersetzung der Bestandtheile der- selben. Erfrorene Pflanzentheile verändern ihre Farbe und vertrocknen schliess- lich. Als Sachs die gefrorenen Blätter in Wasser von o° sehr langsam aufthaute, gelang es ihm, dieselben am Leben zu erhalten. Ebenso wie die Blätter verhalten sich Kartoffelknollen und Rübenwurzeln. Die gefrorenen Knollen oder Wurzeln gehen in Folge langsamen Aufthauens nicht, wol aber nach schnellem Aufthauen zu Grunde. Experimentirt man mit rothen Rüben, so lässt sich bei der Aus- führung der Untersuchungen noch ein interessantes Phänomen beobachten. Ge- sunde Zellen rother Rüben geben nämlich an Wasser von gewöhnlicher Tempe- ratur, mit dem sie in Contact gerathen, kaum merkliche Farbstoffmengen ab. Erfrorene Zellen der Wurzeln lassen den Farbstoff hingegen in Berührung mit Wasser in Folge der Zerstörung des Hyaloplasma leicht fahren. Neben der Thatsache, dass viele Pflanzentheile nicht durch das Gefrieren an sich, sondern erst in Folge der Art und Weise des Aufthauens getödtet werden, ist der fernere Umstand besonders für uns von Interesse, dass die Kälte um so weniger nachtheilig auf die Pflanzenzellen einwirkt, je wasserärmer. die- selben sind. So ist es bekannt, dass die wasserarmen Winterknospen unserer Bäume sehr bedeutende Kältegrade ohne Nachtheil ertragen. Ebenso sind luft- trockene Samen in hohem Grade widerstandsfähig niederen Temperaturen gegen- über. GÖPPERT?) setzte Jufttrockene oder angequollene Samen sehr verschiedener Pflanzenspezies Temperaturen von — 25 bis — 40°C. aus. Die ersteren hatten nach Abschluss der Versuche ihre Keimfähigkeit nicht eingebüsst, während die wasser- reicheren Untersuchungsobjecte sämmtlich zu Grunde gegangen waren. Zu ähn- ') Vergl. Harpv, Botan. Zeitung. 1856. pag. 202. ?) Allerdings sollen nach H. DE VrıEs niedere Temperaturen über 0° an sich das Leben der Pflanzen niemals gefährden. Dennoch scheinen mir die Angaben HArpy’s noch nicht völlig widerlegt zu sein. 3) Vergl. Sachs, Versuchsstationen. Bd. 2, pag. 177 und Handbuch der Experimentalphysio- logie der Pflanzen; pag. 59. #) Vergl. GöPPERT, Wärmeentwicklung. pag. 49. II. Abschnitt. 3. Die Zerstörung der Molekularstructur organisirter pflanzl. Gebilde. 61 lichen Resultaten gelangte ich unter Benutzung der Früchte von Triticum vul- eare))?). Bei dem Bestreben, die Ursachen zu ermitteln, welche den nachtheiligen Wirkungen des Frostes auf Pflanzenzellen zu Grunde liegen, dachte man wol zu- erst daran, die gesammten Erscheinungen auf die Ausdehnung des Wassers bei der Eisbildung zurückführen zu können. Man kann sich vorstellen, dass die Volumenzunahme, welche der Zellinhalt beim Gefrieren erleidet, ein Zerreissen der Hautschicht des Plasma sowie der Zellmembranen bedingt, und dass diese Vorgänge ihrerseits den Tod der Pflanzen herbeiführen. Wenn der Inhalt vieler Zellen plötzlich zu Eis erstarrt, so mögen in der That unter Umständen der- artige Prozesse, wie wir solche soeben erwähnten, zur Geltung kommen, aber die Resultate der Untersuchungen NÄGELTIs?) sowie Erwägungen allgemeiner Natur führen zu dem Schlusse, dass das Gefrieren der Pflanzentheile in der Regel nicht von einem Zerreissen der Zellmembranen etc. begleitet sein kann. Wenn überdies Pflanzentheile in Folge der Frostwirkung an sich nicht, sondern erst in Folge eines zu schnellen Aufthauens zu Grunde gehen, so kann von einem Zerreissen der Membranen ihrer Zellen überhaupt gar nicht die Rede sein. Eine einigermassen klare Vorstellung kann man sich über die Ursachen der Frost- wirkungen auf Pflanzenzellen bilden, wenn man gewisse Verhältnisse, auf die von SACHS®) hingewiesen worden ist, näher ins Auge fasst. Wenn man nämlich Stärkekleister oder geronnenes Eiweiss gefrieren und wieder aufthauen lässt, so erhält man Massen, in denen die molekulare Anord- nung des Wassers und der festen Substanz eine wesentlich andere als vor dem Gefrieren geworden ist. Es zeigt sich, dass man es jetzt nicht mehr mit homo- genen Gemischen von Wasser mit Amylum, resp. Eiweiss zu thun hat; vielmehr haben sich die Stärke- und Eiweissmoleküle in Folge des Gefrierens derartig zusammengruppirt, dass sie jetzt ein aus festen Partikeln bestehendes Netzwerk repräsentiren, in dessen Maschen sich das Wasser bewegt. Beim Gefrieren der Pflanzen, so dürfen wir annehmen, machen sich nun ganz ähnliche Vorgänge wie beim Gefrieren des Stärkekleisters etc. geltend. Die normale Anordnung der Tagmen und der Wasserhüllen organisirter Gebilde wird durch die niederen Temperaturen gänzlich modificirt. Ein Theil des Wassers des Zellsaftes sowie das von den Zellmembranen und dem Plasma imbibirte Wassers trennt sich von dem saftigen Pflanzengewebe und wird bei langsamem Gefrieren oft in be- deutenden Mengen in Form von Eiskrusten, die aus dicht gedrängten kleinen Eiskrystallen bestehen, an der Oberfläche desselben abgeschieden. Die Eis- krystalle wachsen an ihrer Basis, während das Pflanzengewebe sich nach Maass- gabe des Wasserverlustes zusammenzieht und seinen Turgor verliert’. Wenn das Aufthauen gefrorener Pflanzentheile langsam stattfindet, so kann die gesammte in Folge des Aufthauens entstehende Wassermenge aufs Neue von den Pflanzen- zellen aufgenommen werden, der Zellsaft nimmt seine ursprünglichen Concen- I) Vergl. DETMER, WOLLNY, Forschungen auf d. Gebiete d. Agriculturphysik. B. 2. H. ı. 2) Besonders unempfindlich niederen Temperaturen gegenüber sind, selbst im wasserreichen Zustande, ölreiche Samen. Vergl. TAurpHöus, Ueber die Keimung d. Samen. Inaugural- Dissertat. München 1876. pag. 65. 3) Vergl. NÄGELI, Sitzungsber. d. k. bayr. Akadem. d. Wiss. 1861. Bd. ı. pag. 267. #) Vergl. Sachs, Handbuch der Experimentalphysiologie der Pflanzen. pag. 60. 5) Vergl. Spezielleres bei SacHs, Berichte d. k. sächsischen Gesellsch. d. Wiss., 1860 und Lehrbuch der Botanik. 4. Aufl. pag. 703. 62 System der Pflanzenphysiologie. trationsverhältnisse wieder an, Protoplasma und Zellmembranen kehren wieder in den normalen Imbibitionszustand zurück, und das Leben des Pflanzentheiles bleibt erhalten, wenn dasselbe nicht schon durch das Gefrieren an sich vernichtet worden war. Bei sehr schnellem Aufthauen gefrorener Pflanzentheile kann das sich bildende Wasser nicht schnell genug von den Zellen aufgenommen werden. Die normalen Concentrations- und Imbibitionszustände der Zellen werden nicht wieder hergestellt, und dies führt in vielen Fällen den Tod der Pflanzen herbei). Die hier geltend gemachten Anschauungen erklären auch die Thatsache, weshalb wasserreiche Pflanzentheile in Folge der Frostwirkung mehr als wasserarme leiden. Die Krystallisationskräfte können den Tagmen der ersteren das Wasser nämlich offenbar viel leichter entziehen als denen der letzteren, und somit erfahren wasser- reiche Zellen unter dem Einflusse des Frostes viel weitergehende Veränderungen als wasserärmere. S 24. Der Einfluss höherer Temperaturen auf die Pflanzen- zellen. — Aus seinen eingehenden Untersuchungen über den Einfluss höherer Temperaturen auf saftige Pflanzentheile (Blätter etc.) zieht SacHus?) den Schluss, dass die Zellen derselben zu Grunde gehen, wenn sie kurze Zeit lang (10 bis 2o Minuten) in Luft von etwa 51° C. verweilen,?) während 2—3° C. tiefer liegende Temperaturen selbst längere Zeit hindurch ohne Nachtheil ertragen werden. ®) Wenn das die saftigen Pflanzentbeile umgebende Medium nicht Luft, sondern Wasser ist, so gehen dieselben, wie SacHs ebenfalls constatirt, viel leichter zu Grunde. Ein ıo Minuten langes Verweilen von Blättern in Wasser von 45 bis 46° C. führt den Tod derselben herbei. Ebenso wie die Pflanzen niedere Temperaturen weit leichter ertragen, wenn sie wasserarm sind, leiden sie auch unter dem Einfluss höherer Temperaturen weit weniger, wenn sie arm an Feuchtigkeit sind, als dann, wenn ihr Gewebe von Wasser durchtränkt wird. Die Resultate der bekannten auf Anregung von Sacus von H. FIEDLER°®) durchgeführten Experimente lassen das berührte Ver- hältniss in ein helles Licht treten. Die Untersuchungen sind mit lufttrockenen und mit angequollenen Samen angestellt worden. Dieselben blieben der höheren Temperatur eine Stunde lang ausgesetzt und wurden dann auf ihre Keimfähigkeit geprüft. 100 Stück lufttrockener Samen gequollener Samen lieferten Keime, die über die Erde kamen.s) Nicht 57 — 64 — TASG. Nicht 49 — 53 — 54. — erhitzt. Fl OR Dark erhitzt. BOT er 56 & Erbsen 88 75 I 96 75 20 Gerste 96 98 6 90 3 Mais 100 90 25 88 2 I) Mit den hier zuletzt erwähnten Prozessen geht gewiss eine völlige Zerstörung der Lebenseinheiten des Plasma Hand in Hand. 2) Vergl. Sacus, Flora. 1864. No. I etc. 3%) Uebrigens ist zu bemerken, dass die Pflanzentheile in dieser. kurzen Zeit wahrscheinlich nicht genau die Temperatur der sie umgebenden Luft annehmen. #) Verweilen Pflanzen aber recht lange, z. B. viele Stunden, in einem Raume, in welchem eine Temperatur von 48—49° C. herrscht, so gehen sie zweifelsohne zu Grunde. 5) Vergl. Sachs, Experimentalphysiologie. S. 66. 6) Die leeren Felder in der Tabelle sollen anzeigen, dass die entsprechenden Samen des Versuchs nicht gekeimt haben. DI. Abschnitt. 3. Die Zerstörung der Molekularstructur organisirter pflanzl. Gebilde. 63 Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass Samen, wenn man ihnen das Wasser, welches sie im lufttrockenen Zustande noch enthalten, künstlich möglichst vollständig entzieht, Temperaturen zwischen 120—ı25° C. noch vertragen.!) Diese hohen Temperaturgrade schädigen die Samen allerdings bis zu einem bestimmten Grade meistens, aber sie vernichten die Keimfähigkeit derselben doch nicht vollständig. Trockene Pilzsporen können ebenso, ohne ihre Keimfähigkeit ein- zubüssen, auf Temperaturen über ıoo°C. erhitzt werden. Die Ursachen, welche bedingen, dass Pflanzentheile unter dem Einflusse höherer Temperaturen zu Grunde gehen, sind noch keineswegs genau erforscht. Auf jeden Fall bewirkt die Wärme eine mehr oder weniger vollständige Zerstörung der Molekularstructur der organisirten Zellbestandtheile, und es ist von vornherein ersichtlich, dass wasserreiche Pflanzentheile unter dem Einflusse höherer Wärme- grade mehr leiden werden als wasserarme. Vor allen Dingen wird sich die Wirkung höherer Temperaturen zunächst auf das wasserreiche Plasma erstrecken. In sehr vielen Fällen führt schon der einfache Gerinnungsprozess der in den Pflanzenzellen vorhandenen Eiweissstoffe den Tod derselben herbei, und bei der Be- urtheilung der bezüglichen Verhältnisse ist nicht zu übersehen, dass die Tempera- tur, bei der die Coagulation der Eiweissstoffe erfolgt, wesentlich abhängig ist von den Concentrationsverhältnissen des Zellsaftes sowie von der Gegenwart oder Abwesenheit anderweitiger Substanzen. Uebrigens braucht der Tod selbst sehr wasserreicher Zellen unter dem Einflusse höherer Temperaturen durchaus nicht immer Hand in Hand mit einer Coagulation der Proteinstoffe zu gehen, denn man ist berechtigt, anzunehmen, dass die höheren Wärmegrade an sich, indem durch sie die Bewegung der Atome in den Lebenseinheiten des Plasma übermässig ge- steigert wird, eine völlige Vernichtung derselben und damit das Absterben der Pflanzenzellen herbeizuführen vermögen. S 25. Der Einfluss der Elektricität auf die Pflanzenzellen. — Schwächere elektrische Ströme (constante Ströme und Inductionsströme) üben keinen besonders nachtheiligen Einfluss auf die Pflanzen aus; starke elektrische Ströme vernichten aber die Lebensfähigkeit derselben. Man hat sich zumal be- müht, die Wirkungen, welche die Elektricität auf die Bewegungserscheinungen des Plasma geltend macht, zu studiren, und JÜRGENSEN?) gelangte z. B. bei be- züglichen Untersuchungen zu folgenden Resultaten. Schwache elektrische Ströme bringen auf die Bewegung des Plasmas in den Zellen des Blattgewebes von Vallis- neria spiralis keine sichtbaren Wirkungen hervor. Stärkere Ströme verursachen eine Verlangsamung der Bewegung; bei längerer Dauer der Versuche Stillstand derselben. Wird die Leitung unterbrochen, wenn die Bewegung nur verlangsamt war, so stellt diese sich nach Verlauf einiger Zeit wieder her. Hat die Bewegung des Plasmas aber völlig aufgehört, so macht sie sich selbst nach sofortigem Oeffnen der Kette nicht wieder geltend. Sehr intensive elektrische Ströme führen sofortigen dauernden Stillstand der Bewegung des Plasmas in den Zellen herbei. Inducirte Ströme wirken ähnlich wie constante auf das Plasma der Vallisneria- Zellen ein.®) >) Man vergl. zumal die Angaben von Jusr (botan. Zeitung, 1875, pag. 52) und von HÖHNEL (wissenschaftl.-praktische Untersuchungen auf d. Gebiete d. Pflanzenbaues, herausgegeben v. F. HABERLANDT. Bd. 2, pag. 77). 2) Man vergl. Sachs, Lehrbuch der Botanik. 4. Aufl., pag. 737. 3) Ueber den Einfluss der Elektricität auf das Plasma vergl. man auch die Angaben von KÜHNE (Unters. über d. Protoplasma. 1864, pag. 79 etc.) und VELTEN (Sitzungsber. d. Akadem. d. Wiss. zu Wien. 1876. Bd. 73, Aprilheft). 64 System der Pflanzenphysiologie. $S 26. Der Einfluss verschiedener Substanzen auf die Pflanzen- zellen. — In der botanischen Literatur begegnet man häufig der Angabe, dass bestimmte Stoffe in hohem Grade giftig auf die Pflanzenzellen einwirken, d. h. die Lebensfähigkeit derselben bedeutend deprimiren oder gar völlig vernichten. In der That sind solche Angaben als der Ausdruck richtiger Beobachtungen anzusehen, aber es muss bemerkt werden, dass die Untersuchungen über die giftigen Wirkungen verschiedener Stoffe auf die Pflanzen im Allgemeinen bis jetzt in wenig exacter Weise durchgeführt worden sind.!) Säuren, zumal Schwefelsäure, rufen im sehr verdünntem Zustande zwar eine lebhaftere Quellung organisirter Gebilde als reines Wasser hervor, aber vernichten dieselben doch nicht. Concentrirtere Säuren bedingen ausserordentlich lebhafte Quellungserscheinungen und führen eine Zerstörung der Molekularstructur vege- tabilischer Gebilde herbei. Völlig concentrirte Schwefelsäure wirkt natürlich chemisch verändernd auf alle pflanzlichen Gebilde ein. Kalilösung veranlasst im Contact mit organisirten pflanzlichen Gebilden lebhafte Quellung derselben, aber die Erscheinungen, welche sich in Folge dessen geltend machen, sind in mehr als einer Hinsicht verschieden von denjenigen, welche mit der durch Säuren bedingten Quellung Hand in Hand gehen. In verschiedenem Grade, aber unzweifelhaft giftig wirken ferner Oxalsäure, Gerbsäure, Chlornatrium, schwefelsaures Kupferoxyd, Quecksilberchlorid, Carbol- säure, ätherische Oele?) etc. auf Pflanzenzellen ein; indessen bleibt es erst ferneren Untersuchungen vorbehalten, die Erscheinungen, welche sich geltend machen, wenn jene genannten sowie weitere Stoffe mit Pflanzen in Contact gerathen, näher festzustellen und die den auftretenden Phänomenen zu Grunde liegenden Ursachen zu ermitteln. Metallsalze (Kupfer- und Quecksilbersalze) vernichten die Lebens- fähigkeit der Pflanzenzellen offenbar, indem sie zur Entstehung von Metallverbin- dungen der vorhandenen Eiweissstoffe Veranlassung geben. Häufig ist es aber sehr schwierig, den Grund für die nachtheilige Wirkung dieses oder jenes Kör- pers auf Pflanzenzellen anzugeben, und nach NÄGELI®) ist die erwähnte toxico- logische Wirkung der ätherischen Oele auf Pflanzenzellen z. B. Folge einer Contact- wirkung der organischen Stoffe auf das lebendige Plasma. “ 8 27. Der Einfluss mechanischer Eingriffe auf die Pflanzen- zellen. — Druck, Stoss, Zerrung von geringer Intensität wirken nicht nachtheilig, weil die an den Pflanzen hervorgerufenen Veränderungen sich wieder ausgleichen können. Werden Amylumkörner oder Plasmamassen in einzelne Stücke zer- schnitten, so bedingt die Operation noch keineswegs eine Zerstörung der Moleku- larstructur der organisirten Gebilde. Bruchstücke von Stärkekörnern verhalten sich dem polarisirten Lichtstrahl gegenüber z. B. genau so wie unversehrte Amylum- körner. Stücke eines Myxomycetenplasmodiums können selbständig weiter leben. Völlige Zerstörung der Pflanzentheile wird erst durch Zerreiben derselben herbeigeführt. Die Gruppirung der Tagmen unter einander wird dadurch völlig modificirt, und nun treten häufig secundäre Folgen, chemische Veränderungen der Zellbestandtheile auf, die dazu beitragen, die Vernichtung der organisirten Pflanzengebilde zu einer recht vollständigen zu machen. I) Dies tritt namentlich deutlich hervor, wenn man die umfänglichen Zusammenstellungen Nozsr’s (vergl. dessen Handbuch d. Samenkunde, pag. 254) über den Einfluss verschiedener Körper auf Samen durchgeht. 2) Vergl. Nopse, Versuchsstationen. Bd. 21. pag. 449. %) Vergl. NÄceLı, Theorie d. Gährung. 1879. pag. 85. » DI. Abschnitt. 4. Elementare Molekularvorgänge in den Pflanzenzellen. 65 S 28. Die Veränderungen der Pflanzenzellen mit zunehmendem Alter. — Die meisten plasmareichen Pflanzenzellen haben als solche nur eine relativ beschränkte Lebensdauer. Wenn die Zellen dagegen, ohne ihre Lebens- fähigkeit direkt einzubüssen, in den lufttrockenen Zustand übergehen können, wie dies namentlich für die Zellen der Samen gilt, so vermögen sie in vielen Fällen sehr lange Zeit hindurch im lebensfähigen Zustande zu verharren. Es sind Fälle sicher bekannt, dass Samen viele Jahre lang, ja selbst Jahrhunderte lang ihre Keimfähigkeit bewahrt haben,!) und vor allen Dingen müssen die Samen, wenn sie lange keimfähig bleiben sollen, vor dem nachtheiligen Einflusse der Feuchtig- keit geschützt werden. FR. HABERLANDT?) constatirte z. B., dass neun Jahre alte Weizenkörner, die im lufttrockenen Zustande aufbewahrt worden waren, nicht mehr keimten, während Proben derselben Weizenfrucht, die neun Jahre lang bei 50—60° aufbewahrt worden waren, sich noch zu 70°/, keimfähig erwiesen. Ueber- dies hat der zuletzt genannte Beobachter — was von anderer Seite ebenfalls be- stätigt worden ist — gefunden, dass die Keimfähigkeit der Samen mit zunehmen- dem Alter derselben sinkt, bis sie schliesslich gleich Null wird. Viele Samen sind in Folge der Beschaffenheit des Gewebes ihrer Testa in hohem Grade vor den nachtheiligen Wirkungen der Feuchtigkeit geschützt, und diese Samen werden gewiss in erster Linie sehr lange Zeit hindurch keimfähig bleiben. Aber es ist sehr wohl möglich, dass jeder Same, mag derselbe selbst unter den günstigsten Verhältnissen aufbewahrt werden, allein in Folge von Umlagerungen der Atome der organisirten Zellengebilde, seine Lebensfähigkeit mit der Zeit völlig verliert. Viertes Kapitel. Elementare Molekularvorgänge in den Pflanzenzellen. S 29. Der Imbibitionsprozess. Wir können von der Voraussetzung aus- gehen, dass sich bei dem Prozesse der Auflösung eines Körpers in einem andern Medium die Moleküle der zu lösenden Substanz und diejenigen des Lösungsmittels vollkommen mit einander vermischen. In einer wahren Lösung existirt dem- nach eine vollkommen gleichartige Vertheilung der Moleküle der in Betracht kommenden Substanzen. Im schroffen Gegensatz zu dem Verhalten der in irgend einer Flüssigkeit löslichen Körper steht das Verhalten solcher Substanzen, die als unlöslich bezeichnet werden müssen. Wir dürfen annehmen, dass die Anzie- hungskräfte, welche zwischen den Molekülen derselben zur Geltung kommen, viel bedeutender sind, als diejenigen, welche von Seiten der Flüssigkeitstheilchen auf die Moleküle des unlöslichen Körpers ausgeübt werden. Aus diesem Grunde wird die Lage der Moleküle eines unlöslichen Körpers im Contact mit einer Flüssigkeit nicht modificirt.®) Von den hier berührten Erscheinungen wol zu unterscheiden ist das Phäno- l) Man vergl. zumal die Angaben von NosBE (Handbuch d. Samenkunde, pag. 368) und diejenige von ERNST (botan. Zeitung, 1876, No. 3). 2) Vergl. F. HABERLANDT, JusT’s botanischer Jahresbericht. 1873. pag. 259. 3) Ich brauche hier wol kaum darauf hinzuweisen, dass viele Körper, die in einer bestimmten Flüssigkeit löslich sind, von anderen Flüssigkeiten nicht gelöst werden, und dass manche Sub stanzen nicht als in einer gegebenen Flüssigkeit unlösliche, sondern nur als schwer lösliche zu bezeichnen sind. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II. 5 66 System der Pflanzenphysiologie. men der Imbibition, und es ist, um das Wesen des Imbibitionsprozesses richtig beurtheilen zu können, vor allen Dingen wichtig, sich an jene Vorstellungen zu erinnern, welche wir uns, zumal auf Grund der Untersuchungen NÄGELIS, über die Molekularstructur vegetabilischer Körper gebildet haben. Als imbibitionsfähige Körper sind nämlich solche aus Tagmen bestehende Gebilde aufzufassen, welche im Contact mit Flüssigkeiten begrenzte Quellung zeigen. Wir stellen uns vor, dass die Tagmen imbibitionsfähiger Gebilde, so lange dieselben sich im trockenen Zustande befinden, einander unmittelbar berühren. Gelangen die imbibitionsfähigen Körper aber mit Flüssigkeiten in Berührung, so dringen die Flüssigkeitsmoleküle zwischen die Tagmen ein und entfernen diesel- ben mehr oder weniger von einander. Das Zustandekommen des Imbibitionspro- zesses muss also mit einer Volumenzunahme der quellenden Substanz verbunden sein, und in der That ist leicht zu constatiren, dass pflanzliche Gebilde (einzelne Stärkekörner, Stücke von Zellmembranen, Samen, Holzmassen), wenn sie im trocke- nen Zustande mit Wasser in Contact gelangen, ihr Volumen vergrössern. Häufig lässt sich überdies feststellen, dass die Wassereinlagerung nach verschiedenen Richtungen hin nicht in derselben Weise erfolgt. Da die Wassermoleküle, um zwischen die Tagmen einzudringen, dieselben von einander entfernen müssen, so ist der Imbibitionsprozess offenbar mit einer Arbeitsleistung verbunden. Ande- rerseits darf allerdings nicht übersehen werden, dass bei dem Zustandekommen der Imbibition in Folge von Flüssigkeitsverdichtung Wärme frei wird. Wenn der Prozess der Quellung zum Abschluss gelangt ist, wenn die in Folge der Quellung hervorgerufene Volumenzunahme der imbibitionsfähigen Gebilde ihr Maximum erreicht hat, so bestehen immer noch Attractionskräfte zwischen den einzelnen Tagmen. Dies Verhältniss erscheint für die Beurtheilung des Wesens der Imbibition von besonderer Bedeutung. !) Ich will hier noch betonen, dass übrigens nicht alle aus Tagmen bestehen- den Gebilde imbibitionsfähig zu sein brauchen. Man kann sich vorstellen, dass Syntagmen existiren, deren einzelne Tagmen einander so lebhaft anziehen, dass bestimmte Flüssigkeiten nicht im Stande sind, zwischen dieselben einzudringen, und andererseits ist es möglich, dass es Syntagmen giebt, deren Tagmen ausser- ordentlich geringe Anziehungskräfte auf einander geltend machen, und in Folge dessen selbst in Contact mit kaltem Wasser jene Erscheinung, welche in der Anmerkung als unbegrenzte Quellung bezeichnet worden ist, hervortreten lassen. Im weitesten Sinne des Wortes könnte man nun sämmtliche Syntagmen, mögen sie sich in Berührung mit Flüssigkeiten in dieser oder jener Weise verhalten, als organisirte Gebilde ansehen. Vom physiologischen Standpunkte aus erscheint es aber geboten, lediglich diejenigen Syntagmen als organisirte Gebilde zu bezeichnen, welche in Berührung mit Wasser von gewöhnlicher Temperatur begrenzter Quellung fähig sind. Die bereits näher betrachte- ten pflanzlichen Körper (Stärkekörner, Zellhäute und plasmatische Gebilde) ver- ») Wol zu unterscheiden von den hier erwähnten Imbibitionsprozessen sind jene Vorgänge, welche durch das Zustandekommen unbegrenzter Quellung charakterisirt werden. Wenn Gummi- arten und Pflanzenschleim mit Wasser in Contact gelangen, so erfolgt eine ausserordentlich leb- hafte Quellung. Die Theilchen der Gummi- oder Schleimmassen üben schliesslich keine in Betracht kommenden Anziehungskräfte mehr auf einander aus, und hierdurch ist die zu Stande kommende Erscheinung der unbegrenzten Quellung ganz wesentlich von derjenigen, welche als begrenzte (QJuellung bezeichnet werden muss und durch den Imbibitionsvorgang bedingt wird, ver- schieden. I. Abschnitt. 4. Elementare Molekularvorgänge in den Pflanzenzellen. 67 halten sich in der That in der soeben angegebenen Weise und müssen deshalb als organisirte Gebilde gelten. S 30. Die Flüssigkeitsdiffusion und die Osmose. In den Gewächsen sind bekanntlich viele Ursachen thätig, welche die Concentrationsverhältnisse der Pflanzensäfte modificiren. Die dadurch hervorgerufenen Gleichgewichtsstörungen suchen sich immer wieder auszugleichen, und dies geschieht durch Diffusionsvor- gänge sowie osmotische Prozesse. Wenn zwei Flüssigkeiten von verschiedener chemischer Beschaffenheit mit einander in Berührung gelangen, so machen sich sehr häufig Diffusionserscheinun- gen geltend, d. h. die Flüssigkeiten mischen sich mit einander. Dies erfolgt bereits, wenn die Anziehungskraft zwischen den Molekülen der einen Flüssigkeit nicht so’ energisch als diejenige Anziehungskraft ist, welche die Moleküle der zweiten Flüssigkeit auf jene der ersten ausüben. Der Verlauf des Diffusionspro- zesses erweist sich abhängig von den specifischen Anziehungskräften, welche die Moleküle der Flüssigkeiten auf einander geltend machen, von der Molekularge- schwindigkeit der Flüssigkeitstheilchen, sowie von den Concentrations- und Tem- peraturverhältnissen der Lösungen. Viel complicirter gestalten sich die Verhält- nisse, wenn die Flüssigkeitsschichten sich nicht, wie es bei der gewöhnlichen Diffusion der Fall ist, unmittelbar berühren, sondern durch eine Scheidewand (Membran) von einander getrennt sind. Die in diesem Falle hervortretenden Erscheinungen der Osmose sind nicht allein abhängig von den oben angeführ- ten Momenten, sondern der Verlauf der zu Stande kommenden Prozesse wird jetzt überdies wesentlich von den specifischen Anziehungskräften beeinflusst, welche die Membrantheilchen auf die Flüssigkeitsmoleküle ausüben, und die Natur der Membran ist schon aus diesem Grunde, wie bekannt, von grosser Bedeutung für den Verlauf der osmotischen Prozesse. Um den Prozess der Osmose genauer zu erforschen, hat man sich namentlich aus Schweinsblase oder Pergamentpapier angefertigter Membranen bedient.!) Die gewonnenen Resultate dürfen allerdings nicht ihrem gesammten Umfange nach unmittelbar auf das Verhalten der Cellu- losemembranen vegetabilischer Zellen übertragen werden, aber es kann dennoch behauptet werden, dass die Zellhaut sich bei dem Zustandekommen osmotischer Prozesse in den Pflanzen ganz ähnlich wie jene künstlichen Membranen bei der Ausführung rein physikalischer Experimente verhalten wird. Dies ist um so wahr- scheinlicher, als ich in der That constatiren konnte, dass gewisse Stoffe, wie z. B. Traubenzucker, die ım Stande sind, Membranen von vegetabilischem Per- gament zu passiren, ebenso die Fähigkeit besitzen, in Zellmembranen einzudrin- gen. Andere Körper, z. B. Eiweisssubstanzen, vermögen weder künstliche noch natürliche Membranen zu durchwandern. Es ist nun aber mit Nachdruck zu betonen, dass die Cellulosemembran durchaus nicht als einzige Schicht der lebenden Zellen anzusehen ist, welche den Verlauf der osmotischen Prozesse in denselben bestimmt. Es ist bereits früher betont worden, dass das Plasma im normalen Zustande an seinen freien Flächen von einer Schicht begrenzt wird, die man als Hautschicht oder Hyaloplasma bezeichnet, und es ist heute als eine unzweifelhaft feststehende Thatsache anzu- sehen, dass das Hyaloplasma eine äusserst wichtige Rolle bei dem Zustandekom- D) Die Theorie der osmotischen Prozesse ist namentlich von BRÜCKE (vergl. Poggd. Annal., Bd. 58, pag. 77) und Fick (vergl. Poggd. Annal., Bd. 94, pag. 59 und medicinische Physik, 2. Auflage, 1866, pag. 59) entwickelt worden. Bi 68 System der Pflanzenphysiologie. men osmotischer Prozesse im vegetabilischen Organismus spielt. Manche Substanzen, Traubenzucker, viele Farbstoffe etc., sind, wie ich ebenfalls constatiren konnte, nicht im Stande in das Plasma der Zellen einzudringen oder den Zellsaft der Vacuo- len, welcher sie in Lösung enthält, zu verlassen, und diese Erscheinungen werden nur erklärlich, wenn man von der Voraussetzung ausgeht, dass bestimmte Regio- nen des Plasma, eben die Hautschichten desselben, das osmotische Verhalten jener Körper bestimmen.t) Soll demnach eine Substanz aus einer Pflanzenzelle in eine andere übergehen, so muss dieselbe im Stande sein, sowol die Cellu- losemembranen der Zellen als auch das Hyaloplasma derselben zu passiren. Manche Körper (Traubenzucker, Farbstoffe) sind zwar im Stande, der ersteren Forderung Genüge zu leisten, aber da sie die Hautschicht des Plasma nicht durchdringen können, so werden sie dennoch nicht als solche auf rein osmotischem Wege aus einer Pflanzenzelle in eine benachbarte translocirt. Kommt es darauf an, sich eine Vorstellung über die Wirkung des Hyalo- plasma bei dem Zustandekommen osmotischer Prozesse zu bilden, so erscheint es von Bedeutung, auf die Eigenschaften der von TRAUBE?) und PFEFFER?) dar- gestellten Niederschlagsmembranen Rücksicht zu nehmen. Wenn z. B. Lösungen von schwefelsaurem Kupferoxyd und Ferrocyankalium in geeigneter Weise mit ein- ander in Berührung gelangen, so entsteht an der Contactfläche der Flüssigkeiten eine Niederschlagsmembran von Ferrocyankupfer. Die Niederschlagsmembranen zeigen allerdings — wie mit Nachdruck zu betonen ist — durchaus nicht in jeder Beziehung dasselbe Verhalten wie die Hautschicht des Plasma, aber sie sind derselben doch unzweifelhaft vergleichbarer als die gewöhnlich bei dem Stu- dium der Osmose benutzten Membranen von Schweinsblase oder vegetabilischem Pergament, und dies zeigt sich unmittelbar darin, dass viele Körper, welche die Hautschicht des Plasma nicht oder nur sehr schwierig zu passiren vermögen (Traubenzucker, Dextrin, Mineralstoffe), jene Niederschlagsmembranen ebenfalls nicht oder nur in geringen Quantitäten durchwandern können. $ 31. Der Turgor. Die in den Pflanzenzellen, speciell im Protoplasma vorhandenen Körper ziehen das Wasser mehr oder minder lebhaft an. Die Zel- len nehmen also aus ihrer Umgebung Wasser auf. Dieses Wasser füllt nicht nur den von der Zellhaut umschlossenen Raum der Zellen einfach aus, sondern es führt sogar häufig eine Erweiterung desselben herbei. Wenn die Inhaltsstoffe der Zellen nämlich mehr und mehr Flüssigkeit von aussen aufsaugen, so wird der Zellinhalt einen allmählich lebhafter werdenden Druck auf die Hautschicht des Plasma und die Zellmembran geltend machen. Diese Schichten werden lebhaft vom Zellinhalt gedehnt, das Hyaloplasma legt sich der Zellmembran dicht an, und die Zelle befindet sich im Zustande des Turgors, sie turgescirt. Die Grösse dieses Turgors, die Turgorausdehnung, ist offenbar abhängig von zwei Momenten. Einerseits nämlich von der Grösse der Turgorkraft, d.h. von der Grösse des Drucks, den der Zellinhalt auf die gespannten Zellenschichten aus- übt, und der wesentlich abhängig ist von der osmotischen Saugkraft des Zell- !) Ueber die hier berührten Verhältnisse sind zu vergleichen: HOFMEISTER, Die Lehre von der Pflanzenzelle, 1867, pag. 4; H. pe Vrıes, Archives N£@erlandaises, 1871, T. 6; DETMER, Journal für Landwirthschaft, 27. Jahrgang, pag. 361. ?) Vergl. TrAuBE, Botanische Zeitung, 1875, pag. 56. TRAUBE hat bereits im Jahre 1867 Untersuchungen über Niederschlagsmembranen im Archiv für Anatomie und Physiologie von DU Bois-ReyMONnD und REICHERT mitgetheilt. 3) Vergl. PFEFFER, Osmotische Untersuchungen. 1877. ne II. Abschnitt. 4. Elementare Molekularvorgänge in den Pflanzenzellen. 69 inhaltes, andererseits von dem Widerstande, den die gespannten Zellschich- ten (Hyaloplasma und Cellulosemembran) der Turgorkraft entgegensetzen. Eine sich mit Wasser in Berührung befindende Zelle vergrössert ihr Volumen so lange, bis sich die durch die osmotische Saugkraft des Zellinhaltes hervorgerufene Turgor- kraft und die Elasticität der gedehnten Zellenschichten das Gleichgewicht halten. Eine Steigerung der Turgorausdehnung kann jetzt nur eintreten, wenn die Tur- gorkraft durch irgend welche Ursachen erhöht wird, oder wenn der Widerstand der gespannten Zellenschichten abnimmt. Nach dem Gesagten ist es klar, dass nur geschlossene Zellen turgesciren können. Zellen, deren Wandungen mit wirk- lichen Löchern versehen sind, können nicht in den Zustand der Turgescenz über- gehen. Ueberdies ist auch zu bemerken, dass für das Zustandekommen einer normalen Turgescenz der Zellen die Hautschicht des Plasma durchaus unentbehr- lich ist, denn die Cellulosemembran allein würde dem vom Zellinhalt ausgeüb- ten Druck einen viel zu geringen Filtrationswiderstand entgegensetzen, als dass die Erscheinung des Turgors zu Stande kommen könnte.) $ 32. Die Filtration. Wenn die Turgorkraft der Zellen nicht übermässig gross ist, so setzen die gespannten Schichten der Zellen diesem Druck einen hinreichenden Widerstand entgegen, um den Austritt von Flüssigkeit aus den Zellen zu verhindern. Steigt aber die Turgorkraft bedeutend, so kann der Wider- stand der gespannten Zellenschichten überwunden und ein Theil der Flüssigkeit des Zellinhaltes durch die gespannten Schichten nach aussen filtrirt werden. Da der Zellsaft nicht aus reinem Wasser besteht, sondern eine Lösung sehr verschiedener Stoffe repräsentirt, so ist klar, dass in Folge der Filtrationsvorgänge aus den Zellen Lösungen austreten müssen. Diese Lösungen besitzen aber durchaus nicht die nämliche Concentration wie der Zellsaft, denn man hat ermitteln können, dass die Substanz der Membranen, durch welche man Flüssig- keiten künstlich hindurchfiltrirt, nicht ohne Einfluss auf die Zusammensetzung der Filtrate ist. RUNEBERG?) fand z. B., dass, wenn Eiweisslösungen durch Mem- branen hindurchgepresst werden, das Filtrat meist eine geringere Concentration als die ursprüngliche Lösung besitzt. Salzlösungen zeigen hingegen bei der Fil- tration ein anderes Verhalten. Die Filtrationsgeschwindigkeit der Lösungen ist abhängig von äusseren Verhältnissen und der Beschaffenheit der Lösungen selbst. Höhere Temperatur und höherer Druck steigern die Filtrationsgeschwindigkeit; Eiweisslösungen passiren die Membranen viel langsamer als Salzlösungen von gleicher Concentration. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Zellmembranen bei dem Vorgange der Filtration ganz ähnlich wie die bis jetzt benutzten thierischen und pflanzlichen Membranen verhalten werden. Ueber das Verhalten des Hyaloplasma solchen Flüssigkeiten gegenüber, welche durch dasselbe filtrirt werden, sind wir aber zur Zeit nicht weiter unterrichtet. S 33. Der Temperaturzustand der Gewächse. — Es ist bereits mehr- fach darauf hingewiesen worden, dass die verschiedensten physiologischen Pro- zesse in den Pflanzen sich in hohem Grade abhängig von den Wärmeverhält- nissen erweisen, und es ist aus diesem Grunde selbstverständlich, dass es ein Interesse besitzt, diejenigen Momente, welche den Temperaturzustand der Pflanzen bestimmen, zu kennen. N) Vergl. SacHs, Lehrbuch der Botanik, 4. Auflage, pag. 757, und H. DE VRIES, Unter- suchungen über die mechanischen Ursachen der Zellstreckung, Halle 1877. %) Vergl. RUNEBERG, WAGNER’s Archiv f. Heilkunde. 18. Jahrgang. pag. 1. 70 System der Pflanzenphysiologie. Sieht man von der im Allgemeinen geringen Wärmemenge ab, welche im vegetabilischen Organismus selbst in Folge von Stoffwechselprozessen frei werden (Eigenwärme der Pflanzen), so wird die Temperatur eines Pflanzen- theiles einerseits abhängig sein müssen von seiner Lage im Organismus und andererseits von den thermischen Verhältnissen der den Pflanzenkörper umgebenden Medien (Luft, Wasser, Boden), denn zwischen diesen Medien und den Gewächsen findet fortdauernd ein Wärmeaustausch durch Leitung und Strahlung statt.!) Ueberdies übt in vielen Fällen der Transpirationsprozess (da bei der Wassergasbildung Wärme latent wird) einen sehr wesentlichen Ein- fluss auf den Temperaturzustand der Pflanzentheile aus. Die Wärmestrahlungsverhältnisse (Absorption und Emission) besitzen zumal für solche Pflanzentheile, die, wie es bei den Blättern der Fall ist, eine erheb- liche Flächenentwicklung erfahren, grosse Bedeutung, und es ist ja bekannt, dass sich manche Blätter unter dem Einflusse der Sonnenstrahlen sehr beträchtlich erwärmen, dass sie aber auch unter anderen Umständen reichliche Wärmemengen durch Strahlung verlieren und sich in Folge dessen mit Thau oder Reif über- kleiden. Das Wärmeleitungsvermögen der Pflanzentheile ist ein nur geringes, und dieser Umstand erklärt das Zustandekommen verschiedener Erscheinungen im Pflanzenleben. In Folge der erwähnten Wärmeleitungs- und Wärmestrahlungsverhältnisse u. s. w. werden kleine submerse oder subterrane Pflanzen im Allgemeinen annähernd die Temperatur der sie umgebenden Medien besitzen. Die krauti- gen, stark transpirirenden Pflanzentheile sind meist (nicht immer) kälter als die Luft. Im Innern der Bäume ist die Temperatur in Folge des Wärmeleitungs- vermögens des Holzes bald höher, bald niedriger als diejenige der umgebenden Medien. Die Baumstämme sind im Allgemeinen am Tage kälter, in der Nacht aber wärmer als die umgebende Luft.?) S 34. Die elektromotorischen Wirkungen an Pflanzen. — Die von mehreren Seiten bestätigten Resultate der sorgfältigen Untersuchungen Burr’s?), welche unter Benutzung einzelner Pflanzentheile sowie unversehrter Pflanzen durchgeführt wurden, lassen erkennen, dass sich die inneren Gewebe und die Wurzeloberfläche der Landpflanzen zu der Oberfläche der Stamm- und Blattge- bilde derselben dauernd negativ elektrisch verhalten. Werden die Untersuchungs- objecte in den Schliessungskreis eines sehr empfindlichen Multiplicators einge- führt, so geht ein elektrischer Strom von der cuticularisirten Oberfläche der Pflanzentheile durch den Leitungsdraht zur Wundfläche oder der Wurzelober- fläche. Neuerdings hat KunkEL*) die elektromotorischen Wirkungen, welche man ') Uebrigens ist nicht zu vergessen, dass nicht nur die eigentlichen Wärmestrahlen, sondern auch die Lichtstrahlen, soweit dieselben nicht in den Pflanzenorganen sonst verbraucht werden oder gar nicht in denselben zur Absorption gelangen, Wärmewirkungen im Organismus hervor- rufen können. ?) Ueber die in diesem Paragraphen angedeuteten Verhältnisse vergl. man GÖPPERT, Wärme- entwicklung, Breslau 1830; Sachs, Handbuch d. Experimentalphysiologie, pag. 49 und Lehrbuch d. Botanik, 4. Aufl. pag. 695. Mit Bezug auf die Leitungsfähigkeit des Holzes für Wärme ver- dient die Thatsache Beachtung, dass dieselbe in der Längsrichtung des Holzes bedeutender als in der (uerrichtung ist. 3) Vergl. Burr, Anal. d. Chem. und Pharm. 1854. Bd. 89. pag. 8o. #) Vergl. KunkeL, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. 2. pag. 1. e. / II. Abschnitt. 4. Elementare Molekularvorgänge in den Pflanzenzellen. 71 von gewissen Oberflächenpunkten unversehrter Blätter sehr verschiedener dicotyler Pflanzen erhalten kann, genauer studirt. Die Blattnerven verhalten sich, wie KUnkeEL fand, stets positiv elektrisch gegen das Blattparenchym. Ein derartiges Resultat berechtigt aber noch nicht, worauf bereits Burr mit Bezug auf die Er- gebnisse seiner Beobachtungen hinwies, zu der Annahme, dass in den Pflanzen- theilen elektrische Spannungsdifferenzen präexistiren. Vielmehr ist nur zu schliessen, wie auch KunkEı betont, dass Verschiedenartigkeiten in der Art und Anordnung der Theilchen des vegetabilischen Gewebes vorhanden sind, welche bei dem Anlegen feuchter Elektroden Unterschiede in dem Auftreten gewisser Bewegungsvorgänge (Wasserbewegung) bedingen, deren theilweise Ausgleichung in der Form elektrischer Ströme erfolgt. Nichts desto weniger ist es gewiss, dass an der Oberfläche und im Innern solcher Gewächse, welche sich normalen Vegetationsbedingungen ausgesetzt be- finden, elektrische Spannungen und Ströme zu Stande kommen können, denn einerseits leuchtet ein, dass dies bei dem Benetzen der Pflanzentheile mit Wasser der Fall sein muss, und andererseits darf nicht übersehen werden, dass gewisse Lebensäusserungen der Pflanzen unmittelbar das Hervortreten elektrischer Er- scheinungen zur Folge haben. Es ist nämlich von Munk!) unter Benutzung der Dionaea muscipula und von KUNKEL unter Anwendung der Mimosa pudica der Nachweis geliefert worden, dass in dem Momente, in welchem in Folge einer Reizung der Blätter die Bewegung derselben eintritt, eine Aenderung in dem bis- her beobachteten Ausschlag des Elektrometers, also eine Stromschwankung, zur Geltung kommt. KUNKEL weist übrigens auf Aehnliches hin, wenn er sagt (pag. 17 seiner Abhandlung): »Die an Pflanzen beobachteten elektromotorischen Wirkungen sind durch Wasserströmungen veranlasst, die ich entweder durch das Anlegen von Elektroden erst hervorrufe, oder die durch active und passive Bewegungen der Pflanzen bedingt sind.«) Bei der Beurtheilung der hier erwähnten Verhältnisse ist aber, dies muss besonders betont werden, stets zu beachten, dass die elektrischen Spannungen und Ströme nicht nothwendig als Folge des eigentlichen Lebensprozesses der Pflanzen angesehen werden müssen; vielmehr werden sie unter Vermittlung gewisser physikalischer oder chemischer Prozesse hervorgerufen, die ausserhalb des Or- ganismus ebenso gut zur Geltung kommen können. Erwähnung verdient hier noch die Thatsache, dass sich bekanntlich die häufig sehr bedeutenden elektrischen Differenzen zwischen der Luft und dem Boden durch die Pflanzen in Form von Blitzschlägen ausgleichen können. So- mit ist es sicher, dass ebenfalls geringe elektrische Differenzen zwischen Luft und Erde ihren Ausgleich durch die Gewächse finden werden. Ob die auf diesem Wege entstehenden elektrischen Ströme, die das Gewebe der Pflanzen fast immer durchsetzen dürften, etwa von Vortheil für die Vegetation sind, ist wissenschaft- lich noch nicht festgestellt worden, obgleich manche bezügliche Versuche vor- liegen. S$ 35. Die Protoplasmabewegungen. — a. Allgemeines. Es unter- liegt keinem Zweifel, dass bei den verschiedenen Formen der Zellbildung (Ver- D) Vergl. MunK, Archiv f. Anatomie v. Du Boıs-Revmonp. 1876. H. ı und 2. 2) Neben den Wasserströmungen machen sich in den Pflanzen noch eine Reihe physika- lischer und chemischer Prozesse geltend, welche zur Entstehung elektrischer Spannungen und Ströme im vegetabilischen Organismus Veranlassung geben können. 72 System der Pflanzenphysiologie. jüngung, Zelltheilung etc.) gewisse Bewegungsvorgänge der Tagmen des Plasma zur Geltung kommen, aber es ist oft selbst nicht leicht, das nächste Resultat dieser Bewegungsprozesse im Einzelnen genauer zu verfolgen. Dagegen zeigt das Plasma der bereits mehr oder minder völlig ausgebildeten Zellen Bewegungs- erscheinungen, die sich bei stärkerer Vergrösserung leichter verfolgen lassen, ja die sogar unter Umständen als sehr rapide verlaufende erscheinen. Halten wir uns an das Aeusserliche dieser Bewegungsvorgänge, so können wir dieselben nach Sachs!) wie folgt classificiren: A. Bewegung nackter Protoplasmakörper. ı. Das Schwärmen der Schwärmsporen und Spermatozoiden. Die Protoplasmakörper verändern ihre äussere Form nicht, aber ihre beweg- lichen Cilien bewirken eine Rotation um die Längsachse und zugleich eine fortschreitende Bewegung im Wasser. 2. Amöbenbewegungen. Die Plasmamassen (z. B. Plasmodien der Myxomy- ceten) verändern ihre äusseren Umrisse fortdauernd und kriechen so auf festen Körpern hin. Im Innern des Plasma findet strömende Bewegung statt. B. Bewegung des Protoplasma innerhalb der Zellhaut. 1. Die Circulation des Plasma. Dieselbe kommt in den plasmareichen Zellen vieler Pflanzen, zumal in den Zellen der Haare zur Geltung, und bei ihrem Zustandekommen laufen von dem wandständigen Plasma aus Stränge und Bänder zu der den Kern umgebenden Plasmamasse hin. Man unterscheidet dabei Massenbewegung grösserer Plasmaportionen und strömende Bewegung an diesen selbst. Jene besteht in Anhäufung oder Veränderung des Wandbeleges bald hier, bald dort, Wanderung des kern- haltigen Klumpens nach verschiedenen Richtungen und dem entsprechend verschiedener Gruppirung derStränge; innerhalb desPlasma finden strömende Bewegungen, oft in entgegengesetzten Richtungen in ein und demselben Strange, statt, die an der Bewegung der vorhandenen Körnchen sichtbar werden. 2. Die Rotation des Plasma. — Dieselbe kommt namentlich in den Zellen mancher Wasserpflanzen (Characeen, Vallisneria), zur Geltung. Sie besteht darin, dass sich die ganze Masse des einen Saftraum umschliessenden Plasma an der Zellwand wie ein dicker, in sich selbst geschlossener Strom hinbewegt und die in ihm enthaltenen Körnchen und Körner mit fortführt. Eigenthümliche Bewegungserscheinungen, von denen bis jetzt noch nicht die Rede war, zeigen auch die Schizomyceten, /die Zellen der Oscillarien und Dia- tomeen?) sowie diejenigen der Desmidiaceen?). Ueber die eigentlichen Grundursachen der Bewegungserscheinungen, die sich am Protoplasma beobachten lassen, sind wir noch sehr wenig unterrichtet. Auf alle Fälle sind jene Ursachen zum Theil in molekularen Bewegungen zu suchen, und HOormEISTER, SACHS, sowie andere Forscher haben es unter Zugrundelegung dieses Gesichtspunktes versucht, das Zustandekommen der in Rede stehenden Phänomene zu erklären. Auf einige bezügliche Verhältnisse komme ich im dritten !) Vergl. Sachs, Lehrbuch d. Botanik. 4. Aufl. pag. 39. 9) Vergl. EnGELMANN: Botan. Zeitung. 1879. Nr. 4. %) Vergl. Stanz, Verhandlungen d. phs.-medic. Gesellschaft zu Würzburg. Neue Folge. Bd. 14. I. Abschnitt. 4. Elementare Molekularvorgänge in den Pflanzenzellen. 73 Abschnitt noch zurück, muss aber hier bei dem beschränkten mir zur Disposition stehenden Raum leider darauf verzichten, die Anschauungen jener Männer über die Ursachen der Protoplasmabewegungen zu beleuchten; dagegen ist es erforderlich, diejenigen Verhältnisse zu berühren, welche sich auf die Wirkung äusserer Ein- flüsse auf die Plasmabewegungen beziehen. b) Der Einfluss des Lichtes auf die Bewegungserscheinungen des Plasma. — Wir werden erfahren, dass das Licht allerdings einen ganz bestimmten Einfluss auf die Schwärmsporen vieler Pflanzen ausübt, aber es ist mit Nachdruck zu betonen, dass die Schwärmsporen sich auch im Dunkeln schwärmend bewegen können!). Es gelingt, die Schwärmer von UVlothrix bis gegen drei Tage lang, diejenigen von Haematococcus bis über 2 Wochen im Dunkeln in Bewegung zu erhalten. Die frischen Schwärmer vertheilen sich dabei gleichmässig in der ganzen Flüssigkeit, mit der sie sich in Berührung befinden. Manche Schwärmer, z. B. diejenigen der Saprolegnien, reagiren in keiner Weise auf Lichtwirkungen. Andere dagegen, zumal die chlorophyllhaltigen, werden in ganz eigenthümlicher Weise vom Licht beeinflusst, und man kann sie als photometrische Schwärmer bezeichnen. Diese Schwärmer (Haematococcus, Ulothrix, Bryopsis, Botrydium) werden, wie die Untersuchungen ergeben haben, durch den Lichteinfall gezwungen, ihre Längsachse in der Richtung des Strahlen- ganges zu stellen und sie bewegen sich dann in mehr oder minder geraden Bahnen entweder der Lichtquelle zu, oder sie suchen dieselbe zu fliehen. Die Erscheinung, dass manche Schwärmer einer bestimmten Art sich dem Lichte ent- gegen bewegen, während andere Individuen derselben Species das Licht fliehen, wird durch einen gewissen Zustand, in welchem sich die Schwärmer befinden, durch ihre sogen. Lichtstimmung, bedingt. Diese Lichtstimmung wird durch verschiedene äussere Umstände, zumal aber durch den Entwicklungszustand der Schwärmer selbst, inducirt. Die Schwärmsporen sind nämlich im Allgemeinen in ihrer Jugend auf Licht höherer Intensität als im Alter gestimmt. Sie wenden ihr farbloses, cilientragendes Ende daher im Alter von der Lichtquelle ab und suchen dieselbe zu fliehen’). Bemerkt sei noch, dass nach den Untersuchungen STRASBURGER’S nur die blauen, indigofarbigen und violetten Strahlen in bestimmter Weise richtend auf die photometrischen Schwärmer einwirken. Auch auf die Plasmodien von Ae/halium wirkt das Licht in bestimmter Weise ein. Es gelingt nämlich, dieselben, so lange sie noch jung und noch nicht zur Sporenbildung bereit sind, durch Licht von geringer Intensität an die Oberfläche der Gerberlohe hervorzulocken. Steigerung der Lichtintensität hat ein Zurück- ziehen der Plasmodien in das Substrat zur Folge. Das Hervortreten der reifenden Plasmodien im vollen Tageslicht an die Oberfläche der Lohe, muss mit einer veränderten Lichtstimmung der Plasmodien in Verbindung gebracht werden. Es muss hier ferner darauf hingewiesen werden, dass das Licht auf die Stellung der Chlorophylikörper von erheblichem Einfluss ist, eine Erscheinung, die offenbar dadurch zu Stande kommt, dass die Lichtstrahlen zunächst die Lagerungs- verhältnisse des Plasma modificiren, so dass die Chlorophylikörper passiv mit fort- geführt werden. Die hier in Betracht kommenden Erscheinungen sind von 1) Man vergl. über das Folgende STRASBURGER, (Wirkung d. Lichtes und der Wärme auf Schwärmsporen. Jena, 1878) und STAHL’s bereits citirte Abhandlung. 2) Die Schwärmer, welche das Licht fliehen, haben in besonders ausgeprägter Weise die Neigung, sich zur Ruhe zu setzen. 74 System der Pflanzenphysiologie. FAMINTZIN, BORODIN!) und FRANK?) genau studirt worden. Der letztere hat diese Phänomene von allgemeineren Gesichtspunkten aus betrachtet; er hat fest- gestellt, dass das Plasma in ein und derselben Zelle überhaupt zwei verschiedene Vertheilungsweisen zeigen kann. In der Epistrophe sammelt sich das Plasma sammt den Chlorophylikörpern vorwiegend an den freien, nicht unmittelbar an benachbarte Zellen stossenden Zellwandungen an?), während das Plasma sammt Chlorophylikörpern sich in der Apostrophe insbesondere den nicht freien, mit anderen Zellen in Verbindung stehenden Wandungen anlegt. Die Epistrophe kommt unter normalen Vegetationsverhältnissen überhaupt zu Stande; die Apo- strophe macht sich hingegen geltend, wenn die Pflanzen längere Zeit hindurch im Finstern verharren, ungünstigen Temperaturen ausgesetzt sind, nicht normal athmen können etc. Die Plasmamassen und die Chlorophylikörper können sich unter demerregenden Einflusse desLichtes in ganz bestimmter Weise in den Zellen orientiren, und FRANK ist der Ansicht, dass diese Orientirung ganz unabhängig von der jeweiligen Stellung der Zellen zur Richtung der Lichtstrahlen, wol aber an morphologisch bestimmten Regio- nenderZellen erfolgt, während jene Orientirung nach den neuesten Arbeiten STAHL’s®) direkt von der Richtung der Lichtstrahlen bedingt wird. Hiernach unterschieden sich die erwähnten Phänomene nicht von gewissen anderen Erscheinungen, die auch schon von FRANK in seinen citirten Abhandlungen beschrieben worden sind. Werden Pflanzentheile (FRANK experimentirte mit den submersen Blättern von Sagittaria, Farnprothallien, Moosblättern) in deren Zellen das Plasma im Zustande der Epi- strophe vorhanden ist, einseitig beleuchtet, so sammelt sich das Plasma sammt den Chlorophylikörnern vorwiegend am beleuchteten Rande der Zellen an. Die plasmatischen Gebilde bewegen sich dem Lichte entgegen und verhalten sich in gewisser Hinsicht den photometrischen Schwärmsporen ähnlich. c) Der Einfluss der Temperaturverhältnisse auf die Bewegungs- erscheinungen des Plasma. Die Wärmestrahlen üben, wie STRASBURGER gefunden hat und in seiner citirten Abhandlung genauer zeigt, keinen richtenden Einfluss auf die photometrischen Schwärmer aus. Hingegen beeinflussen die Wärmestrahlen das Verhalten gewisser Schwärmer dem Licht gegenüber bedeutend, so zwar, dass Erhöhung der Temperatur bis auf ein bestimmtes Maass sie auf höhere, Erniedrigung der Temperatur bis auf ein gewisses Maass sie auf niedrigere Lichtintensität stimmt. Es lässt sich ferner feststellen, dass die Geschwindigkeit der Schwärmerbewegung bis zu bestimmten Temperaturen wächst, um schliesslich wieder langsamer zu werden. Die Schwärmer von Haematococcus bewegen sich z. B. bei Temperaturen zwischen 30—40° C. am schnellsten; bedeutendere Wärme- grade verlangsamen ihre Bewegung sehr schnell und führen schliesslich, wenn die Temperatur über 50° C. steigt, ihren Tod herbei. Auch die strömende Bewegung sowie die Rotation des Plasma in den Zellen werden in erheblichem Grade von den Temperaturverhältnissen beeinflusst. }) Vergl. Boropin, M&langes biologiques. T. 6. pag. 541. 2) Vergl. FRANK, botan. Zeitung. 1871. S. 209 und PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissensch. Botanik; Bd. 8. pag. 217. 3) In den oberflächlichen Zellen mehrschichtiger Organe (Blätter von Sagittaria, Vallisneria) sammeln sich die Chlorophylikörner zumal an der Oberflächenseite; in einschichtigen Organen (Moosblätter, Prothallien) aber an den oberen und unteren Wandflächen der Zellen an. %) Vergl. Stanı, Botanische Zeitung. 1880. No. 20. II. Abschnitt. 5. Die Bewegung der Gase in den Pflanzen. 75 Darüber liegen Untersuchungen von M. SCHULTZEI!), SACHS?), VELTEN®) u. A. vor. SachHs fand, dass die Plasmaströmung in den Haaren von Cucurbita, Pepo- und Tra- descantia bei ıı—ı6° C. langsam ist, zwischen 30—40° C. sehr lebhaft wird und bei Temperaturen über 40° C. wieder langsamer wird. Wenn die Haarzellen von Cucurbita im Wasser liegen, so steht die Plasmaströmung bei 46—47° C. binnen 2 Minuten, bei 47—48°C. in ı Minute still. Die Bewegung macht sich bei niederer Temperatur aufs Neue geltend. Wenn sich die Pflanzenzellen mit strömendem Plasma nicht mit Wasser, sondern mit Luft in Berührung befinden, so erfolgt der Stillstand der Bewegung erst bei etwas höherer Temperatur als in dem zuerst erwähnten Falle; die Strömung kann aber auch dann bei Tem- peraturerniedrigung wieder beginnen. Man sieht also, dass höhere Temperaturen, wenn sie eine gewisse Grenze nicht überschreiten, das Plasma noch nicht tödten. Es geht dasselbe in den Zustand der Wärmestarre über, und eine Temperatur- erniedrigung ruft die normalen Lebenserscheinungen wieder hervor. Fünftes Kapitel. Die Bewegung der Gase in den Pflanzen. S 36. Physikalische Gesichtspunkte.®) — In allen im lebensthätigen Zustande befindlichen Pflanzenzellen machen sich Athmungserscheinungen geltend. Unter gewöhnlichen Verhältnissen nehmen die Pflanzenzellen Sauerstoff auf und produciren Kohlensäure. Die meisten Pflanzenzellen können ohne die Gegen- wart des freien Sauerstoffes nicht wachsen; aber sie sind dennoch im Stande, bei Abschluss der Luft ihre Lebensthätigkeit längere oder kürzere Zeit zu be- wahren. Unter diesen Umständen erzeugen sie Kohlensäure und einige scheinen sogar daneben noch Wasserstoff zu bilden. In den chlorophylihaltigen Pflanzen- zellen wird bei Lichtzutritt Kohlensäure zersetzt und Sauerstoff producirt. Wenn man die hier berührten Thatsachen überblickt, ferner aber die Verhältnisse des anatomischen Baues der pflanzlichen Organismen in Betracht zieht und berück- sichtigt, dass die Planzenzellen mehr odermindergrosse Flüssigkeitsmengen enthalten, welche im Stande sind, Gase zu absorbiren, und dass die Gase in den Gewächsen sehr häufig Druckdifferenzen zeigen, so ist von selbst einleuchtend, dass die Gas- moleküle in den Pflanzenzellen sich gewöhnlich nicht im Zustande der Ruhe, sondern in mehr oder minder lebhafter Bewegung befinden müssen. Die Pflanzen nehmen aus den sie umgebenden Medien (Luft, Wasser, Boden) Gase auf; andererseits geben sie Gase an diese Medien ab, und endlich erfolgt im Organismus selbst ein mehr oder minder lebhafter Gasaustausch. Es ist zunächst erforderlich, bevor wir die Erscheinungen der Gasbewegung in den Pflanzen vom physiologischen Gesichtspunkte aus untersuchen, einige Bemerkungen über das physikalische Verhalten der Gase voranzuschicken. I. Gasabsorption durch Flüssigkeiten. Die verschiedensten Flüssig- keiten sind im Stande Gase zu absorbiren, und die Gasmenge, welche von einem I) Vergl. M. ScHULTZE, Das Protoplasma der Rhizopoden. 1863. pag. 46. 2) Vergl. Sachs, Flora. 1864. No. 4 u. 5. 3) Vergl. VELTEN, Flora. 1876. pag. 198. #%) Ich bemerke hier ausdrücklich, dass von dem Verhalten des Wassergases in den Pflanzen in diesem Kapitel noch nicht die Rede sein wird. 2. EUREN - u 76 System der Pflanzenphysiologie. gegebenen Flüssigkeitsvolumen absorbirt wird, hängt unter sonst gleichen Um- ständen ab von der Natur des Gases selbst sowie von derjenigen der Flüssigkeit. Mit steigender Temperatur nimmt das Absorptionsvermögen der Flüssigkeiten für Gase ab. Dagegen ist die von einer Flüssigkeit absorbirteGasmenge dem herrschen- den Druck proportional. Wenn sich nicht ein einziges Gas, sondern ein Gasge- misch mit einer Flüssigkeit in Wechselwirkung befindet, so erfolgt die Absorption proportional dem Druck, welchen jeder der Gemengtheile ausüben würde, wenn er sich allein in dem vom Gasgemenge erfüllten Raum befinden würde (partiärer Druck). 2. Gaseffusion. Von Gaseffusion redet man, wenn ein Ausgleich zwischen chemisch gleichen oder verschiedenen Gasen erfolgt, die von einander durch eine mit wirklichen Löchern versehene dünne Scheidewand getrennt sind und unter ° verschiedenem Druck stehen. 3- Gastranspiration. Dieselbe ist ebenso wie die Gaseffusion mit einer Massenbewegung der Gasmoleküle verbunden, und sie kommt zu Stande, wenn ein Ausgleich zwischen Gasen, die unter verschiedenem Druck stehen, durch Capillaren eıfolgt. 4. Diffusion der Gase. Die Moleküle gasförmiger Körper führen so leb- hafte Bewegungen aus, dass die Bahnen, welche sie beschreiben, nicht unter dem Einflusse der übrigen Gasmoleküle stehen. Gase lassen sich vollkommen mit ein- ander mischen, und sie erfüllen einen ihnen zur Disposition gestellten Raum durch- aus. Wenn zwei chemisch verschiedene Gase mit einander in Berührung gelangen und durch keine Scheidewand von einander getrennt sind, so wird weder die Be- wegung der Moleküle des Gases a durch dieMoleküle desGases b, nach dieBewegung der Moleküle des Gases b durch die Moleküle des Gases a behindert, und es kommt schliesslich eine völlige Vermischung der Gastheilchen zu Stande. Es ist aber für das genauere Verständniss des Diffusions prozesses erforderlich, auf diejenigen Verhältnisse, welche sich auf die Geschwindigkeit der Moleküle verschiedener Gase beziehen, einzugehen. Nach der Theorie der Gase besitzen die Moleküle verschiedener Gase be- kanntlich bei gleicher Temperatur eine und dieselbe lebendige Kraft. Die leben- dige Kraft eines in Bewegung begriffenen Körpers kann aber gemessen werden durch seine Masse und das Quadrat seiner Geschwindigkeit. In der Volumenein- heit verschiedener Gase sind ferner, wie bekannt, unter gleichen äusseren Ver- hältnissen gleich viel Moleküle vorhanden. Da aber das Gewicht der Moleküle verschiedener Gase ein verschiedenes ist, so muss sich die Molekulargeschwin- digkeit verschiedener Gase unter denselben äusseren Umständen umgekehrt proportional dem Quadrat ihres Molekulargewichtes verhalten. Es ist klar, dass die Geschwindigkeit der Gasmoleküle bei dem Zustande- kommen der Diffusionserscheinungen eine grosse Rolle spielen muss, und nach dem Gesagten ist einleuchtend, dass, wenn zwei verschiedene Gase mit einander in Wechselwirkung gerathen, die Moleküle des leichteren Gases sich schneller als diejenigen des schwereren Gases bewegen werden. Schliesslich kommt aber ein vollkommener Ausgleich der Gase zu Stande, und in einer bestimmten Volumen- einheit finden sich gleich viele Moleküle des Gases a und des Gases b vor. In modificirter Weise wird die Erscheinung der Bewegung der Gase zur Geltung kommen, wenn zwei verschiedene Gase (z. B. Wasserstoff und Kohlensäure) nicht in unmittelbarem Contakt mit einander stehen, sondern durch eine mit sehr feinen Poren versehene trockene Scheidewand von einander getrennt sind, deren I. Abschnitt. 5. Die Bewegung der Gase in den Pflanzen. 77 Substanz aber keine specifische Anziehungskraft auf die Gasmoleküle ausübt. Wasserstoff wird zunächst in grösserer Menge zur Kohlensäure über- treten als umgekehrt, denn die Geschwindigkeit der Wasserstoffmoleküle ist ja grösser als diejenige der schweren Kohlensäuremoleküle. In Folge dessen muss aber zwischen den Gasen, die durch die poröse Scheidewand von einander getrennt sind, eine Druckdifferenz zur Geltung kommen,!) so zwar, dass auf derjenigen Seite der Scheidewand, auf der sich ursprünglich nur Kohlensäure ‚befand, der Gasdruck zunimmt, während er auf der entgegengesetzten Seite schwächer wird. Diese Druckdifferenzen suchen sich nun natürlich auszugleichen, und die Bewegung der Gase ist in dem hier speciell in Rede stehenden Falle also nicht allein auf Diffusionsvorgänge, sondern überdies auf Prozesse der Gas- effusion oder Gastranspiration zurückzuführen. Höherer Druck steigert die Mole- kulargeschwindigkeit der Gastheilchen keineswegs, aber er vermehrt doch die lebendige Kraft der Gasmassen, die in einem gegebenen Raum eingeschlossen sind, weil in der Volumeneinheit eines unter höherem Druck stehenden Gases absolut mehr Moleküle vorhanden sind, als in der Volumeneinheit eines Gases, welches unter geringerem Druck steht.?) 5. Die Gasabsorption. Von der Gasabsorption durch Flüssigkeiten wol zu unterscheiden ist derjenige Vorgang, den man schlechthin als Gasabsorption bezeichnet. Diese Gasabsorption kommt zu Stande, wenn Gase durch Scheide- wände, die keine wirklichen Löcher besitzen, und deren Substanz imtrocke- nen Zustande eine specifische Anziehungskraft auf die Gasmoleküle ausübt, von einander getrennt sind. Als Scheidewände von der erwähnten Be- schaffenheit sind namentlich die Membranen anzusehen, und wenngleich nicht übersehen werden darf, dass bei der Bewegung der Gase durch Membranen — welche Bewegung als eine besondere Form der Gasdiffusion, nämlich als Os- mose zu bezeichnen ist — die Verhältnisse der gewöhnlichen Gasdiffusion eine erhebliche Rolle spielen, so muss hier doch die Gasabsorption, bedingt durch die specifischen Anziehungskräfte, welche die Theilchen der Scheidewand auf die Gasmoleküle ausüben, ın erster Linie unsere Aufmerksamkeit fesseln. Es ist er- wähnt worden, dass der Wasserstoff bei der reinen Gasdiffusion eine weit leb- haftere Bewegung als die Kohlensäure zeigt. Wenn aber Kohlensäure und Wasser- stoff durch eine dünne Kautschukschicht von einander getrennt sind, so macht sich geradezu das Entgegengesetzte geltend. Die Kohlensäure wird sehr ener- gisch von der Substanz der Scheidewand absorbirt, und sie tritt deshalb in der Zeiteinheit in weit grösserer Menge zum Wasserstoff als dieser zur Kohlensäure über. In Folge dessen wird eine Druckdifferenz zwischen den von einander ge- trennten Gasmassen entstehen, die sich allmählich ausgleichen kann. S 37. Das Verhalten der Pflanzen gegen Gase. a) Die Thallophyten. Wenn eine einzellige grüne Pflanze normalen Assimilationsbedingungen ausgesetzt ist, so nimmt sie aus dem umgebenden Medium (Luft, Wasser) Gase auf und giebt andere Gase an dasselbe ab. Vor allen Dingen interessirt uns hier die That- sache, dass die Zelle sich der in der Luft oder dem Wasser vorhandenen ) Solche Druckdifferenzen kommen ebenfalls zu Stande, wenn sich Diffusionsbewegungen zwischen Gasen, die nicht durch eine Scheidewand von einander getrennt sind, geltend machen; aber in diesem Fall lassen sich dieselben nicht leicht beobachten. 2) In modificirter Weise tritt die Diffusion der Gase auch hervor, wenn dieselben in Flüssig- keiten gelöst vorhanden sind. 78 System der Pflanzenphysiologie. Kohlensäure gegenüber wie ein Anziehungscentrum verhält. Die Kohlensäure passirt die Zellhaut!) und wird im Innern der grünen Zelle zerlegt. Der gebildete Sauerstoff löst sich im Zellsaft auf, aber alsbald wird derselbe nicht mehr im Stande sein, die producirten beträchtlichen Sauerstoffmengen in Lösung zu erhalten, und ein Theil des Sauerstoffgases entweicht in Folge dessen, die Membran passirend, nach aussen. Wenn unsere grüne Pflanzenzelle dem Einflusse des Lichtes entzogen wird, so wirkt sie nicht mehr als Anziehungscentrum für Kohlensäure; sie nimmt unter solchen Umständen ausschliesslich Sauerstoff aus ihrer Umgebung auf und giebt dafür Kohlensäure ab. Ganz ähnlich verhalten sich chlorophylifreie Zellen unter allen Verhältnissen. Weit complicirter gestalten sich die Verhältnisse der Gasbewegung bereits, wenn man es nicht mit einem einzelligen Organismus, sondern mit Pflanzen zu thun hat, welche Zellfäden, Zellflächen- oder Zellkörper darstellen. Unter diesen Umständen findet nicht allein ein Gasaustausch zwischen dem umgebenden Me- dium und dem Innern der Zellen statt, sondern es können ebenso Wechsel- beziehungen zwischen den in den benachbarten Zellen vorhandenen Gasen hervor- treten, und in einem Zellkörper befinden sich ja viele Zellen überhaupt gar nicht in unmittelbarer Berührung mit der Luft oder dem Wasser. Man stelle sich vor, dass der eine Theil eines grünen Algenzellfadens inten- siv beleuchtet werde, der andere aber nur schwaches Licht empfange. Die Zellen jenes ersten Theiles werden viel Kohlensäure aufnehmen, in denjenigen des anderen Theiles kann aber eventuell die Energie, mit welcher die Stoffwechsel- prozesse verlaufen, bedeutender als die Assimilationsenergie ausfallen. Unter diesen Umständen wird der Zellsaft der intensiv beleuchteten Zellen sehr reich an Sauerstoff, derjenige der schwach insolirten Zellen aber reich an Kohlensäure sein müssen. Es ist unzweifelhaft, dass jene Zellen Sauerstoff, diese aber Kohlen- säure an das umgebende Medium abgeben werden, dagegen sind wir über die Gasbewegung, welche innerhalb des Zellfadens selbst zu Stande kommt, noch gar wenig orientirt. Wir dürfen nicht einmal behaupten, dass die schwach beleuch- teten Zellen Kohlensäure an die intensiv insolirten abgeben, denn die Resultate der bereits früher in einem ganz anderen Zusammenhange erwähnten Unter- suchungen Morr’s haben ergeben, dass die Kohlensäure, welche gewissen Zellen eines Pflanzentheils in reichlichen (Quantitäten zur Verfügung steht, und welche in diesen Zellen unter geeigneten Umständen eine reichliche Stärkebildung ver- anlasst, für das Zustandekommen des Assimilationsprozesses in benachbarten Zellen desselben Gewebes bedeutungslos erscheint. b) Die höheren Wasserpflanzen. Für das Verständniss der Erscheinung der Gasbewegung in den höheren Gewächsen ist es unerlässlich, die anatomischen Eigenthümlichkeiten derselben nicht aus dem Auge zu verlieren und bei der eurtheilung der Gasbewegung in den Wasserpflanzen, zunächst den submersen Wasserpflanzen, sind namentlich zwei Punkte von entscheidender Bedeutung. Erstens ist es nämlich sehr wichtig, dass die Spaltöffnungen diesen Gewächsen in der Regel fehlen, und zweitens verdient dies Beachtung, dass die Wasserpflanzen ein sehr mächtig ausgebildetes System von Intercellularräumen besitzen. In diesen Intercellularräumen müssen sich natürlich, da dieselben nicht durch Spaltöffnungen mit dem die Pflanzen umgebenden Medium in Communication stehen, ') Ueber diejenigen Verhältnisse, welche sich beim Durchtritt von Gasen durch pflanzliche Membranen geltend machen, werde ich mich weiter unten eingehender aussprechen. II. Abschnitt. 5. Die Bewegung der Gase in den Pflanzen. 79 erhebliche Gasmengen ansammeln!), und zwar wird dies namentlich am Tage der Fall sein. Wenn submerse Wasserpflanzen von Sonnenstrahlen getroffen werden, so nehmen sie Kohlensäure aus dem Wasser auf. Der Sauerstoff, welcher in Folge des Assimilationsprozesses gebildet worden ist, kann sich in erheblichen Mengen in den weiten Intercellularräumen ansammeln, und da er nicht in dem Maasse, wie er gebildet wird, nach aussen, das Pflanzengewebe durchdringend, entweicht, sogar im Innern der Gewächse unter nicht unerheblichem Druck stehen. Wenn man von der Sonne beschienene Exemplare von Vallisneria, Ceratophyllum oder Potamogeton verletzt, so entweicht aus der Wunde in der That ein lebhafter Blasenstrom. Sachs?) hebt hervor, dass aus verwundeten Wasserpflanzen, die aber nicht unter dem Einfluss des Lichtes, sondern im Finstern unter Wasser verweilten, nur wenige Gasblasen entweichen. Daraus folgt, dass der Gasdruck im Innern der Gewächse bei Lichtabschluss weniger bedeutend sein muss als dann, wenn dieselben den Sonnenstrahlen ausgesetzt sind, und diese Thatsache wird auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die zur Kohlensäurebildung führenden Stoffwechselprozesse im Allgemeinen weniger energisch als die von Sauerstoffbildung begleiteten Assimilationsvorgänge verlaufen, dass die Kohlen- säure das Pflanzengewebe leichter als der Sauerstoff passiren kann, und dass die Kohlensäure in grösseren Mengen als der Sauerstoff vom Zellsafte aufgelöst werden kann, ganz erklärlich. Nach dem Gesagten ist es klar, das sich in den Intercellularräumen der un- versehrten submersen Wasserpflanzen unter dem Einfluss des Sonnenlichtes eine sehr sauerstoffreiche Luft ansammeln wird. Das Gas wird allerdings zum Theil durch die Gewebe der Pflanzen entweichen, und die herrschenden Druckverhältnisse werden noch beschleunigend auf den Verlauf dieses Vorganges einwirken, aber die Energie der Assimilation ist immerhin in vielen Fällen so lebhaft, dass ein völliger Ausgleich der Druckdifferenzen nicht zu Stande kommen kann. Zur Zeit der Nacht ist der Gasdruck im Innern submerser Wasserpflanzen auf jeden Fall geringer als am Tage?). c. Die höheren Landpflanzen. Die Erscheinungen der Gasbewegung in den Landpflanzen müssen sich zumal deshalb in wesentlich anderer Weise als bei den submersen Wasserpflanzen gestalten, weil jene Spaltöffnungen besitzen, welche diesen ja in der Regel fehlen. Ein Theil der im Innern der Landpflanzen vorhandenen Gase steht also unzweifelhaft mit der atmosphärischen Luft in un- mittelbarer Wechselbeziehung. Ich komme hierauf weiter unten zurück, und möchte zunächst Einiges über die Beschaffenheit der im Innern der Landpflanzen vorhandenen Atmosphäre selbst bemerken. Manche Pflanzen führen nicht nur in den Intercellularräumen schizogenen Ursprungs und den Holzelementen der Gefässbündel Gase, sondern ihr Gewebe umschliesst überdies noch grössere Hohlräume, in denen sich beträchtliche Gas- mengen ansammeln können. Ich habe hier natürlich die mit Luft erfüllten Räume in den hohlen Stengeln, Blättern und Früchten vieler Pflanzen (Gramineen, V) Diese mit Gasen erfüllten Intercellularräume dienen den submersen Wasserpflanzen als Schwimmapparate. 2) Vergl. Sacus, Handbuch d. Experimentalphysiologie. pag. 245. %) Gewissermassen in der Mitte zwischen den submersen Wasserpflanzen und den Land- pflanzen stehen in der hier in Rede stehenden Beziehung solche Wasserpflanzen, welche auf dem Grunde der Gewässer wurzelnd, ihre Blätter und Blüthenstände erst später über die Oberfläche des Wassers emporheben. R Y ur a ı V ATEE f vo 80 System der Pflanzenphysiologie. Umbelliferen, Cucurbitaceen, Allium Cepa etc.) im Auge, und will gleich bemerken, dass die in jenen Hohlräumen vorhandenen Gase, wie die chemische Unter- suchung derselben ergeben hat, häufig relativ reich an Kohlensäure (zuweilen ist der Kohlensäuregehalt — 2 — 48) sind, eine Erscheinung, welche sich leicht er- klärt, wenn man bedenkt, dass im lebenden Pflanzengewebe stets Kohlensäure producirt wird, und dass der Austausch zwischen der atmosphärischen Luft und den Gasen im Innern der Landpflanzen immer mit mehr oder minder grossen Schwierigkeiten verbunden ist!). Mit Bezug auf die in den Elementen des Holzkörpers der Pflanzen vor- handenen Luft ist zu bemerken, dass dieselbe allerdings zu Zeiten schwacher Transpiration der Gewächse, zumal dann, wenn aus der Wurzel eine reichliche Saftmenge in den Stamm hineingepresst wird, unter positivem Druck stehen kann. Aber unter anderen Verhältnissen steht die Luft im Holz, und dies verdient be- sondere Beachtung, unter negativem Druck). HÖHRNEL hat die Stammgebilde sehr verschiedener holziger und krautiger Pflanzen unter Quecksilber durchschnitten, und es zeigte sich, dass das Queck- silber sofort bis zu bedeutender Höhe (bei Kobinia Pseudoacacia z. B. einmal bis zu einer Höhe von mehr als 50 Centim.) in den geöffneten Gefässen emporstieg. Ebenso hat Sachs den Nachweis geliefert (pag. 322 seiner soeben citirten Ab- handlung), dass die Holzzellen der Nadelhölzer, welche bekanntlich nach den neuesten Untersuchungen bestimmt nicht durch offene Kanäle der gehöften Tüpfel unter einander in Verbindung stehen, nur verdünnte Luft führen können. Aber dieser negative Druck der Gase in den Holzelementen kann nur dann zu Stande kommen, wenn die Pflanzen mehr oder minder stark transpiriren, denn unter solchen Verhältnissen verschwindet das vorher in den Holzgefässen und Holzzellen vorhanden gewesene Wasser schnell, und dieselben führen nur noch verdünnte Luft. Wenn dagegen die Transpiration sehr deprimirt wird, so nimmt der Wassergehalt in den capillaren Hohlräumen des Holzkörpers zu, und das von unten emporgepresste Wasser comprimirt die vorhandenen Gasmengen. Dass die Capillaren des Holzes wegsam für Gase sind, und die Vorgänge der Gastranspi- ration auch in der Pflanze selbst zu Stande kommen können, ist unzweifelhaft, denn es gelingt unter Benutzung geeigneter Apparate, Luft durch die Holzgefässe der verschiedensten Gewächse hindurchzupressen. Der Umstand, dass die Gase ın den cellularen Lufträumen der Pflanzen unter Umständen einen sehr bedeutenden negativen Druck zeigen können, führt schon bei einiger Ueberlegung von vornherein zu der Vermuthung, dass die Gase in den Holzelementen nicht in direkter Communication mit den Gasen der Intercellularräume stehen können. Die letzteren endigen ja bei den höheren Landpflanzen mit den Spaltöffnungen, und man sollte meinen, dass, wenn im Organismus wirklich offene Communication zwischen den cellularen Lufträumen und den Intercellularräumen bestände, die Druckdifferenz zwischen der atmo- sphärischen Luft und den Gasen in den cellularen Räumen niemals eine so be- deutende Grösse erreichen könnte, wie dies thatsächlich der Fall ist. HÖHNEL®) !) Zwischen den Gasmassen in verschiedenen Regionen ein und desselben grösseren Hohl- raumes müssen häufig reine Diffusionsbewegungen stattfinden. ?) Vergl. HönseL in HABERLANDT’s wissensch. prakt. Untersuchungen auf d. Gebiete des Pflanzenbaues. Bd. 2. pag. 89, und PrINGSHEIM’S Jahrbücher f. wissensch.. Botanik, Bd. 12, H. 1. Ferner vergl. Sacıs, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. 2, pag. 321. ) Vergl. Hönner’s zuletzt cit. Abhandl. in PrInGSHEIM’s Jahrb. u. bot. Ztg. 1879, No. 34. = E: II. Abschnitt. 5. Die Bewegung der Gase in den Pflanzen. S1 hat wirklich nachgewiesen, dass von einer offenen Verbindung zwischen cellularen Lufträumen und Intercellularräumen nicht die Rede sein kann. Man hat daher in den Pflanzen zwischen zwei von einander getrennten Systemen von Lufträumen zu unterscheiden. Im cellularen System können die Gase unter Umständen unter sehr hohem oder unter sehr geringem Druck stehen; im intercellularen System werden die Gase fast immer annähernd Atmosphärendruck zeigen. Die Gase aus den Räumen des einen dieser Systeme können in die Lufträume des andern über- gehen, wenn sie die zwischen beiden Systemen vorhandenen Zellen passiren. Suchen wir uns nach diesen Erörterungen über die Luft im Innern der Gewächse, eine Vorstellung über die Wechselwirkung zwischen den Gasen in den Pflanzen und denjenigen der Atmosphäre zu bilden, so ist zunächst die Thatsache, auf deren Bedeutung wir bereits hinwiesen, von Wichtigkeit, dass das intercellulare Luftsystem der meisten höheren Landpflanzen durch viele Spalt- Öffnungen (Luft- und Wasserspa!ten) sowie durch Lenticellen mit der Atmosphäre in offener Communication steht. Es können sich somit die in Folge von chemischen Prozessen, Temperaturverhältnissen etc. zwischen der Luft in den Intercellularräumen und der Atmosphäre eventuell vorhandenen Druck- differenzen durch Gaseffusion ausgleichen, aber für die richtige Beurtheilung dieser Druckausgleichung ist es von Belang, zwei Momente nicht aus dem Auge zu verlieren. Einerseits ist nämlich zu erwähnen, dass die Spaltöffnungen vieler Pflanzen sehr eng sind, und andererseits weiss man, dass verschiedene äussere Einflüsse ein Schliessen der Luftspalten zur Folge haben. Diese Verhältnisse müssen den Gasaustausch zwischen der Luft in den Gewächsen und der Atmo- sphäre nicht unerheblich erschweren.!)?) Ueberblickt man das Gesaste, so muss sofort die Frage auftauchen, ob der Gasaustausch zwischen der Luftim Innern der Pflanzen und der Atmosphäre nicht auch unter Vermittelung der Membranen geschlossener Zellen erfolgen kann. Dass Gase, die unter Druck stehen, die Membranen der Mark- sowie Holzzellen passiren können, ist von WIESNER in seiner in der vorletzten Anmerkung citirten Abhandlung gezeigt worden. Besonderes Interesse beansprucht hier aber für uns die Frage, ob Gase im Stande sind, die unversehrten Epidermiszellen zu durch- dringen, und ob dies auch möglich ist, wenn die Gase nicht unter Druck stehen. BARTHELEMY hat in seiner citirten Abhandlung in der That den Nachweis geliefert, dass durch getrocknete Blätter von Begonien, welche bekanntlich nur auf der Unterfläche Stomata besitzen, Gase passiren können, und zwar ergab sich dabei, dass sich die Blattsubstanz den Gasen gegenüber ähnlich wie Kautschuk verhält. Die Kohlensäure passirte die trockenen Blätter viel schneller als der Sauerstoff, und dieser wurde leichter als Stickstoff durchgelassen. Ebenso hat 1) BARTHELEMY (Annl. d. sc. nat., 5. ser. T. 19, pag. 131) giebt an, dass sich selbst ge- schlossene Spaltöffnungen öffnen und Gase durchlassen, wenn der in den Intercellularräumen herrschende Druck grösser als der Druck ist, unter dem die Gase in der Atmosphäre stehen. Wenn dagegen im Innern der Pflanze ein geringerer Druck als ausserhalb derselben herrscht, so lassen die Spaltöffnungen meist keine Gase in das Innere der Gewächse eintreten, in dem sie sich schliessen sollen. Mit dieser letzteren Angabe stehen einige Beobachtungsresultate WIESNER’S im Widerspruch (Sitzungsber. d. Akadem. d. Wiss. in Wien, Bd. 79. Aprilheft, Separatabdruck, pag. 38). Uebrigens giebt BARTHELEMY an, dass die grossen Spaltöffnungen der Blätter von Nelumbium speciosum Gase in jeder Richtung leicht durchtreten lassen. 2) H. v. MOHL (vergl. botan. Zeitung, 1856, pag. 697) fand, dass die Luftspalten sich im Dunkeln schliessen, im Licht aber öffnen. Bei sehr vielen Pflanzen (Gräsern) bewirkt Benetzung der Oberfläche der Gewächse ein Schliessen der Luftspalten. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. I. 6 er 2 nn SIERT tr ER 82 System derYPflanzenphysiologie. MÜLLER!) beobachtet, dass die ‚Kohlensäure solche Blätter, deren Spalt- Öffnungen durch elektrische Reize geschlossen worden waren, in grösseren Mengen durchwandert, als es die atmosphärische Luft vermag. Die Substanz der Zell- membranen wirkt also unzweifelhaft absorbirend auf Gase ein, und sie verhält sich in dieser Hinsicht gerade wie Kautschuk nicht allen Gasen gegenüber in derselben Weise. Bei den mit Wasser imbibirten Membranen der lebenden Zellen kommt noch hinzu, dass das Wasser lösend auf die Gase einwirkt, und gerade die Kohlensäure wird ebenfalls vom Wasser in relativ bedeutenden Quan- titäten aufgenommen. Zieht man noch in Erwägung, dass die Gase, welche in das Innere der spaltöffnungsfreien Wasserpflanzen eingedrungen sind, die, Zellen derselben auf alle Fälle passirt haben müssen, so unterliegt es wohl keinem Zweifel mehr, dass nicht nur durch die Spaltöffnungen der Epidermis der Landpflanzen, sondern ebenso durch die cuticularisirten Membranen der Epidermiszellen selbst, Gase in das Innere der Gewächse eindringen, und insbesondere ist es wichtig, dass die Kohlensäure, welche für den Assimilationsprozess in reichlichen Quantitäten in den Zellen zur Disposition stehen muss, die Membranen in beträchtlichen Mengen durchwandert. Da die cellularen Lufträume mit den intercellularen Lufträumen, wie ange- geben worden ist, nicht in offener Communication stehen, und da, was besonders wichtig ist, die Gase in den cellularen Räumen bei lebhafterer Transpiration der Gewächse unter negativem Druck, diejenigen der Intercellularräume aber mehr oder weniger unter Atmosphärendruck stehen, so wird der Ausgleich der Druckdifferenzen zwischen der Luft jener verschiedenen Systeme, wenn derselbe überhaupt zu Stande kommt, durch geschlossene Membranen erfolgen müssen. Uebrigens werden die Membranen der Holzelemente, wie HöHneEL's Angaben in seiner in PRINGSHEIM’s Jahrbüchern veröffentlichten Abhandlung zeigen, erst per- meabel für Gase, wenn sie unter hohem Druck stehen, wenn der negative Druck in den Holzelementen also ein bedeutender geworden ist. Uebrigens betheiligen sich durchaus nicht in allen Fällen Druckkräfte bei dem Zustandekommen der Gasbewegung im Innern der Gewächse. Wenn in Folge der Stoffwechselvorgänge oder des Assimilationsprozesses der Gleichgewichts- zustand zwischen den Gasen in den Pflanzen gestört worden ist, so sucht sich derselbe vielmehr häufig genug wesentlich unter Vermittelung von Diffusions- vorgängen, wobei die mit Flüssigkeit imbibirten Zellen eine wichtige Rolle spielen, wieder herzustellen. Sechstes Kapitel. Die Wasseraufnahme seitens der Pflanzen. 8 38. Der Wassergehalt der Pflanzen. — Die Gewächse bedürfen. des Wassers nothwendig zu ihrer normalen Entwicklung. Allerdings kann man vielen Pflanzen oder Pflanzentheilen das Wasser fast völlig oder gar gänzlich entziehen, ohne dass dieselben ihre Lebensfähigkeit einbüssen; aber eine freudige Entwicklung des vegetabilischen Organismus ist ohne die Gegenwart hinreichend grosser Wassermengen nicht möglich. Viele Algen, Pilzsporen, Flechten und Samen ") Vergl. PrInGsHEIM’S Jahrbücher f. wissenschaftl. Botanik. 1873, pag. 36. Br I. Abschnitt. 6. Die Wasseraufnahme seitens der Pflanzen. 83 verharren in der Natur lange Zeit hindurch im wasserarmen Zustande. Ihre Vegetation ist dann aber auch sistirt; dieselbe kommt erst nach erfolgter Auf- nahme grösserer Wasserquantitäten zur Geltung. Die Wassermengen, welche die einzelnen Gewächse und die einzelnen Theile derselben enthalten, sind sehr verschiedene. Viele grüne Blätter und Stengeltheile bestehen etwa zu 752 ihres Lebendgewichts aus Wasser. Die Runkelrübenblätter enthalten sogar unter Umständen mehr als 90% Wasser. Ebenso sind die Knollen und Wurzeln mancher Pflanzen sowie gequollene Samen sehr wasserreich. Weniger Wasser als die genannten Pflanzentheile enthalten die Holzmassen unserer Bäume, manche Blattgebilde, viele Haare und Emergenzen, sowie manche reife Früchte und Samen. Es ist selbstverständlich, dass der Wassergehalt eines bestimmten Pflanzen- theiles sich in hohem Grade abhängig erweist von den äusseren Bedingungen, denen derselbe ausgesetzt ist. Am Tage werden die Glieder transpirirender Ge- wächse z. B. im Allgemeinen wasserärmer als zur Zeit der Nacht sein, und es müssen überhaupt alle diejenigen Bedingungen, welche den T'ranspirationsprozess deprimiren, eine Steigerung des Wassergehaltes der Pflanzenzellen herbeiführen. Weiter ist aber auch gewiss, dass der Wassergehalt der Pflanzentheile während der einzelnen Entwicklungsstadien derselben Schwankungen zeigt, die keine direkten Beziehungen zu äusseren Einflüssen erkennen lassen, sondern durch die ÖOrganisationsverhältnisse der Gewächse bedingt werden. Man hat früher wohl behauptet, dass der procentische Wassergehalt der Pflanzentheile mit zunehmen- dem Alter derselben stets sinke; die Unhaltbarkeit einer derartigen Auflassungs- weise ist aber kürzlich von Hönner!) dargethan worden, indem derselbe feststellte, dass viele Blätter das absolute Maximum ihres Wassergehaltes erst nach völliger Evolution zeigen. Einige Blätter verhalten sich allerdings anders. Es ist bereits betont worden, dass eine normale Vegetation nur bei Gegen- wart hinreichender Wassermengen zu Stande kommen kann. Von der Richtigkeit dieser Behauptung überzeugt man sich leicht, wenn man in Erwägung zieht, welche wichtigen Functionen das Wasser im lebenden vegetabilischen Organismus zu er- füllen hat. Das Wasser findet neben anderen Substanzen bei der Bildung organı- scher Körper Verwendung. Das Wasser dient als allgemeines Lösungsmittel, und seine Gegenwart ermöglicht erst das Zustandekommen der für die Stoffwechsel- und Wachsthumsprozesse in den Pflanzenzellen so bedeutungsvollen osmotischen Vorgänge und Imbibitionserscheinungen. Ohne die Anwesenheit hinreichender Wasserquantitäten kann die Dissociation der Lebenseinheiten des Plasma nicht zu Stande kommen, und daher beobachtet man z. B., dass lufttrockene Samen nicht keimen. Erst nach erfolgter Quellung machen sich in den Samen diejenigen Stoff- wechselprozesse geltend, welche das Wachsthum des Embryo schliesslich herbeiführen. S 39. Allgemeines über die Wasseraufnahme seitens der Pflan- zen. — Gewächse, welche gar nicht oder schwach transpiriren, also untergetauchte Wasserpflanzen, subterran lebende Gewächse und vegetabilische Organismen, die sich allerdings in Berührung mit der atmosphärischen Luft befinden, aber in Folge eigenthümlicher Organisationsverhältnisse höchstens geringe Feuchtigkeits- mengen an dieselbe abgeben?), werden fast ausschliesslich oder nur dann Wasser- I) Vergl HönneL, Worıny’s Forschungen auf dem Gebiete der Agrikulturphysik. Bd. 1. pag. 299. 2) Dies ist zumal bei Euphorbien, manchen Cacteen und Crassulaceen der Fall. 6* 84 System der Pflanzenphysiologie. mengen von aussen aufnehmen, wenn im Organismus in Folge der Bildung organischer Stoffe oder des Wachsthumsprozesses Wasser verbraucht worden ist. Neben dieser langsamen Wasserbewegung macht sich in vielen Pflanzen eine rapide Wasserströmung geltend, die dahin führt, dass den Organismus in kurzer Zeit Flüssigkeitsmassen durchwandern, deren Gewicht und Volumen weit beträcht- licher als dasjenige der Pflanzen selbst ist. Gewächse nämlich, welche Blätter von zarter Structur und erheblicher Flächenentwicklung besitzen, müssen an die Atmosphäre, wenn sie sich mit derselben in Berührung befinden, bedeutende Wasserquantitäten abgeben. In Folge der Transpiration werden die Blätter wasserärmer; sie suchen daher den Zweigen, von welchen sie getragen werden, Wasser zu entziehen. Diese sind dann bestrebt, den Feuchtigkeitsverlust ebenfalls wieder zu decken, und auf diese Weise entsteht in den Pflanzen in Folge der Transpiration eine lebhafte Wasserströmung. Wenn die Transpiration zur Geltung kommt, und die Pflann bedeutende Wassermengen verlieren, so müssen sie, um frisch und turgescirend zu bleiben, entsprechende Feuchtigkeitsmengen von aussen aufnehmen. Sowol die langsame, durch Neubildung organischer Körper in den Pflanzen- zellen oder durch Wachsthumsprozesse bedinste Wasserströmung, als auch die in Folge der Transpiration zur Geltung kommende lebhafte Wasserströmung, führen schliesslich eine Wasseraufnahme seitens der Pflanze herbei, und in beiden Fällen ist es der Verbrauch des im Organismus vorhandenen Wassers, welcher als letzte Ursache dieser Wasseraufnahme angesehen werden muss. In anderen Fällen hat ein derartiger Verbrauch des in den Pflanzenzellen bereits vorhandenen Wassers mit der Wasseraufnahme nichts zu thun. Wenn z. B. in den Wurzelzellen schwach transpirirender Gewächse bedeutende Druckkräfte ent- wickelt werden, oder wenn Samen, die sich in Contact mit Wasser befinden, Quellungserscheinungen zeigen, so setzt das Zustandekommen dieser Prozesse eine Wasseraufnahme seitens der Pflanzentheile voraus, die zu einem Wasserver- brauch im erwähnten Sinne nicht in Beziehung steht, sondern deren Ursachen in osmotischen Prozessen und Imbibitionsvorgängen zu suchen sind. Das Wasser wird von den Gewächsen in verschiedenen Formen und durch- aus nicht immer mit Hülfe derselben Organe aufgenommen. Ich habe mich selbst mit eingehenden Untersuchungen über die Wasseraufnahme seitens der Pflanzen beschäftigt, und ich verweise denjenigen Leser, der sich 'speciell mit dem Studium der in dem folgenden Paragraphen kurz zu behandelnden Verhält- nisse beschäftigen will, auf meine bezüglichen Abhandlungen.!) $ 40. Die Aufnahme tropfbar-flüssigen Wassers seitens der Pflanzen. — a) Wasseraufnahme der Wurzeln. Am einfachsten gestalten sich die Verhältnisse der Wasseraufnahme seitens der Wurzeln, wenn sich diese Organe nicht im Boden, sondern im Wasser entwickeln.?2) Es stellen sich der !) Vergl. DETMER, WorLny’s Forschungen auf dem Gebiete d. Agriculturphysik, Bd. ı, Heft 2 und Journal f. Landwirthschaft, 27. Jahrgang, pag. 91. 2?) Hier sei erwähnt, dass die Wassermenge, welche die Wurzeln in bestimmter Zeit auf- nehmen, sich von verschiedenen Momenten abhängig erweist. Einerseits wird sie natürlich bestimmt durch die Ausgiebigkeit im Verlaufe derjenigen Prozesse, welche die Wasseraufnahme überhaupt herbeiführen können (Transpiration etc.). Andererseits ist aber zu erwähnen, dass die Geschwindigkeit, mit der die Imbibitionsprozesse, welche die Wasseraufnahme seitens der Wurzel- zellen bedingen, zur Geltung kommen, wie bekannt, im hohen Grade abhängig von Temperatur- verhältnissen und der Concentration der zur Disposition stehenden Flüssigkeit ist. II. Abschnitt. 6. Die Wasseraufnahme seitens der Pflanzen. 85 Wasseraufnahme dann keine weiteren Schwierigkeiten in den Weg.!) Viel ver- wickelter werden die Erscheinungen, wenn sich die Wurzeln in Berührung mit Bodenmassen befinden.?) Die einzelnen Bodenelemente (Skelett- und Feinerde theilchen) lassen zwar Hohlräume zwischen sich, die zu bestimmten Zeiten mit Wasser angefüllt sein können, welches dann natürlich auch von den Wurzeln aufgenommen wird, aber viele Pflanzen, z. B. die meisten unserer Culturgewächse, gedeihen in einem völlig mit Wasser durchtränkten Boden nicht normal, sondern entwickeln sich nur dann üppig, wenn die Hohlräume des Bodens wenigstens für gewöhnlich Luft und keine Flüssigkeit enthalten. Somit leuchtet ein, dass die Wasser aufnehmenden Wurzelzellen (Wurzelhaare etc.) die Fähigkeit besitzen müssen, den compacten Bodenbestandtheilen Feuchtigkeitsmengen zu entziehen. Die Skelett- und Feinerdepartikelchen umgeben sich, wenn sie mit Wasser in Wechselwirkung gerathen, mit Flüssigkeitshüllen. Sie halten das Wasser durch Adhäsionskräfte fest, und die Wurzeln können die Flüssigkeit erst nach Ueber- windung dieser Kräfte aufsaugen. Die sich unmittelbar bei der Wasserauf- nahme seitens der: Wurzeln geltend machenden Prozesse sind immer Imbibitions- vorgänge. Transpiriren die Gewächse stark, so wird den Wurzelzellen das Wasser, welches sie bereits aufgenommen, schnell entzogen. Die Imbibitions- fähigkeit der Membranen der Wurzelzellen kann sich in Folge dessen aufs Neue geltend machen, und die Wasserverdunstung der Pflanzen ruft auf diesem Wege eine fortdauernde Wasseraufnahme aus dem Boden hervor. Bei schwacher oder gänzlich unterdrückter Transpiration der Gewächse kommen sehr häufig in den Wurzelzellen selbst, wie später eingehender gezeigt werden soll, Druckkräfte zu Stande. Dieselben verdanken osmotischen Vorgängen ihre Entstehung, und man sieht also bei einiger Aufmerksamkeit, dass den Membranen der aufsaugenden Wurzelzellen unter bestimmten Umständen auch durch osmotische Prozesse Wasser entzogen werden kann, welcher Vorgang ebenfalls schliesslich zu einer erneuten Flüssigkeitsaufnahme von aussen führen muss. Es ist bereits oben betont worden, dass sich die Bodenpartikelchen in Con- tact mit Wasser mit Flüssigkeitshüllen umgeben. Die gröberen Bodenelemente werden natürlich relativ weniger Wasser in Folge von Adhäsionswirkungen fest- halten als die feineren, und überdies ist zu bemerken, dass die einzelnen Theile der die Bodenelemente umgebenden Wasserhüllen von denselben nicht mit gleicher Energie angezogen werden. Auf die Theilchen der äusseren Regionen der Wasserhüllen üben die Bodenpartikelchen schwächere Anziehungskräfte als auf diejenigen aus, welche ihnen näher liegen, und diese letzteren können ihnen in Folge dessen nicht so leicht wie die ersteren entzogen werden. Je feinkörniger das Bodenmaterial, je grösser also die zur Wirkung kommende Gesammtoberfläche des Bodenmaterials ist, um so grössere Wassermengen werden von diesem letzteren 1) Ebenso gestalten sich die Verhältnisse der Wasseraufnahme für die Luftwurzeln, die bekanntlich bei Baumfarnen, Aroideen und Orchideen etc. vorkommen, sehr einfach. Das den genannten Organen direkt oder in Folge von Thaubildung zugeführte Wasser kann ohne Schwierigkeiten von denselben aufgenommen werden. 2) Dasjenige, was im Folgenden gesagt wird, hat ebenso Bedeutung für die Beurtheilung derjenigen Vorgänge, die sich bei der Wasseraufnahme solcher Pflanzen geltend machen, die, wie z. B. die Muscineen, keine Wurzeln, sondern nur Wurzelhaare besitzen. Ferner wird es hier keiner besonderen Auseinandersetzungen über die Wasseraufnahme der Thallophyten (Algen und Pilze) und der parasitisch lebenden Pflanzen bedürfen. ha In us PT . . » Er % vo Wan f ER ss. y & FEED IT | BE En a a, 86 System der Pflanzenphysiologie. mit relativ beträchtlicher Kraft festgehalten. Zur Begründung des Gesagten führen wir die Resultate einiger von SachHsl) angestellter Beobachtungen an. Einer Tabakpflanze, die sich in einem aus grobkörnigem Sande bestehenden Bodenmaterial entwickelte, wurde, als sie eine beträchtliche Grösse erreicht hatte, kein Wasser mehr zugeführt. Als die Pflanze welkte, enthielt der Boden noch 1,59 Wasser. Der Sand (bei 100° C. getrocknet) vermochte 20,8% Wasser fest- zuhalten. Eine zweite Tabakpflanze, welche sich unter ähnlichen Verhältnissen wie die erste, aber in einem Lehmboden wurzelnd, entwickelt hatte, welkte, als derselbe noch 8% Wasser enthielt. Der absolut trockene Lehmboden war im Stande, 52,10 Wasser durch Adhäsionswirkung festzuhalten. Das Welken der Pflanzen darf übrigens nicht als Zeichen des gänzlichen Auf- hörens der Wasseraufnahme seitens der Pflanzenwurzeln angesehen werden. Nur dies ist sicher, dass welkende Gewächse mehr Wasser durch die Transpiration verlieren, als sie aufzunehmen vermögen. Werden welke Pflanzen vor einer ferneren lebhaften Wasserverdunstung geschützt, so erlangen sie ihre Turgescenz alsbald wieder. Unter Berücksichtigung des hier Gesagten drängt sich die Frage auf, ob die Pflanzenwurzeln im Stande sind, aus dem Boden tropfbar-flüssiges Wasser, welches ihm in Folge seines Condensationsvermögens für Wassergas zugeführt worden ist, aufzunehmen. Jeder feste Körper ist bekanntlich im absolut trockenen Zustande befähigt, Wassergas zu tropfbar-flüssigem Wasser zu verdichten. Das Conden- sationsvermögen verschiedener Bodenarten ist sehr verschieden, und namentlich sind natürlich die besonders feinerdereichen Böden dazu befähigt, grössere Wasser- mengen auf die angegebene Weise zu binden.?2) In der Natur können die Böden unter dem Einflusse der Sonnenstrahlen, wie die Untersuchungen von A. MAYER?) gezeigt haben, in der That so weit austrocknen, dass ihr Condensationsvermögen zur Geltung kommt. Noch vor wenigen Jahren hat man dem Condensationsvermögen des Bodens für Wassergas eine grosse Bedeutung für die Vegetation zugesprochen, und man glaubte, dass das von den Bodenpartikelchen verdichtete Wasser von den Pflanzenwurzeln aufgenommen werden könne. Zu einer solchen Anschauung führten namentlich die Resultate gewisser von SacHs®) ausgeführten Experimente, sowie gewisse allgemeine Erwägungen über die Wasserbilanz der Gewächse. Neuere experimentelle Untersuchungen haben aber mit aller Sicherheit ergeben, dass die Pflanzenwurzeln keineswegs im Stande sind, dem Boden sein Conden- sationswasser zu entziehen. A. MAvER’) füllte Blumentöpfe mit Sand, Sägespänen oder Mergel an, setzte Erbsenkeimlinge in das Bodenmaterial ein und brachte die Erbsenpflanzen, nach- dem sie sich kräftig entwickelt hatten, unter Verhältnisse, welche eine bedeuten- dere 'Transpiration der Gewächse nicht ermöglichten. Dem Boden wurde kein Wasser mehr zugeführt.°) Die Pflanzen verloren ihre Turgescenz allmählich, und als sie dem Absterben nahe waren, wurden die Versuche unterbrochen. Das ') Vergl. Sacns, Handbuch d. Experimentalphysiologie d. Pflanzen. pag. 173. ?) Ueber die Verhältnisse, welche sich auf das Condensationsvermögen des Bodens für Wassergas beziehen, habe ich mich in meinen naturwissenschl. Grundlagen d. allgem. landwirthschl. 3odenkunde, 1876, pag. 231, eingehend ausgesprochen. ) Vergl. A. Maver, FünuLıng’s landwirthschaftl. Zeitung. 1875. pag. 93. #) Vergl. Sacıs, Handbuch d. Experimentalphysiologie, pag. 173. 5) Vergl. A. Maver, Füntıng’s landwirthschaftl. Zeitung 1875. pag. 93. 6)-Auch Thaubildung war in dem Raume, in welchem die Pflanzen verweilten, ausgeschlossen, II. Abschnitt. 6. Die Wasseraufnahme seitens der Pflanzen. 87 B*. a Da RS Ber RR Ela N ' / Ar # , Bodenmaterial wurde aus den Töpfen herausgenommen und auf seinen Feuchtig- keitsgehalt geprüft. Feuchtigkeitsgehalt des Der Boden gab in einer nahezu Condensationsvermögen Bodens, bei welchem dunstgesättigten Atmosphäre des absolut trockenen die Pflanzen welkten. Feuchtigkeit ab. Bodens. Sand 1,38 0,148 (1!/y Std.) 0,38 Sägespäne 39,36 1,80 , (3 He) 10,307; Mergel 4,7 » 0,30 ,, (4 „ ) I,9 ;; Als die Pflanzen dem Absterben nahe waren enthielt das Bodenmaterial also noch so viel Feuchtigkeit, dass an die Condensation von Wassergas nicht zu denken war; vielmehr gaben die Bodenmassen selbst an eine fast mit Wassergas gesättigte Atmosphäre noch Wassergas ab. Ich habe’ über die hier berührten Verhältnisse ebenfalls Untersuchungen angestellt!) und gefunden, dass die Pflanzen selbst dann nicht im Stande sind, dem Boden mit Hülfe ihrer Wurzeln Conden- sationswasser zu entziehen, wenn die Transpiration ihrer oberirdischen Organe auf das äusserste deprimirt ist. Wird dem Boden kein Wasser zugeführt, so welken die Pflanzen unter solchen Verhältnissen sehr allmählich, "aber die Erd- massen geben, wenn die Gewächse dicht vor dem Absterben stehen, noch immer nicht unbeträchtliche Feuchtigkeitsmengen an eine nahezu mit Wassergas ge- sättigte Atmosphäre ab. Ein ganz eigenthümliches Verhalten zeigen die Wurzeln solcher Pflanzen der Bodenfeuchtigkeit gegenüber, wie ich feststellen konnte,?) deren oberirdische Theile von fleischiger Natur sind, schwach transpiriren und deshalb stets viel Wasser enthalten. Derartiges ist z. B. bei Sedum-, Opuntia- und Echinopsis- Arten etc. der Fall. Ich habe gefunden, dass die Wurzeln dieser Pflanzen, wenn der Boden, in welchem dieselben sich entwickelten, so weit ausgedörrt ist, dass er sein Condensationsvermögen in Contact mit wassergashaltiger Luft geltend macht, in derselben wassergasreichen Atmosphäre noch Feuchtigkeit abgeben. Die Resultate der angeführten Beobachtungen führen aber zu dem Schluss, dass Gewächse, die in Folge ihrer gesammten Örganisationsverhältnisse stets sehr wasserreich sind, dem stark ausgetrockneten Boden ebenfalls kein Wasser ent- ziehen, welches er durch sein Condensationsvermögen fixirt hat. Vielmehr ent- zieht der wasserarme Boden dem wasserreichen Gewebe der Wurzeln Feuchtig- keit. Wir gelangen also zu dem merkwürdigen Ergebnisse, dass das Wasser sich in den untersuchten Pflanzen — und ihnen analog mögen sich noch manche andere verhalten — zu Zeiten grosser Trockenheit nicht nur zu den Transpirations- organen hin bewegt, sondern dass sich überdies ein Wasserstrom in den Ge- wächsen geltend macht, dessen Richtung derjenigen der in stark transpirirenden Pflanzen hervortretenden Wasserströmung geradezu entgegengesetzt ist. b) Wasseraufnahme der Blätter. — Die Blätter sind nicht eigentlich als Organe der Wasseraufnahme anzusehen, denn sie haben vor allen Dingen ganz andere physiologische Functionen zu erfüllen. Es lässt sich in der That sehr leicht auf experimentellem Wege feststellen, dass Gewächse durchaus normal gedeihen können, wenn ihre Blattoberflächen vor jeder äusserlichen Benetzung geschützt bleiben, und nur die Wurzeln mit hinreichend grossen Feuchtigkeits- mengen in Berührung gerathen. Immerhin ist aber die Frage, ob die Blattgebilde D) Vergl. DETMER, WoLLny’s Forschungen auf d. Gebiete der Agriculturphysik. Bd. t. Heft 2. 2) Vergl. DETMER, Journal f. Landwirthschaft. 27. Jahrgang. pag. 100. i n 4 x 88 System der Pflanzenphysiologie. im Stande sind, tropfbar-flüssiges Wasser von aussen aufzunehmen, nicht ohne Interesse. Die experimentelle Behandlung des hier berührten Gegenstandes ist mit manchen Schwierigkeiten verbunden, und diesem Umstand muss es auch wol zu- geschrieben werden, dass jene Frage von verschiedenen Beobachtern in sehr verschiedenem Sinne beantwortet worden ist. Ich gehe bier nicht weiteraufdie Literatur über die in Rede stehenden Verhältnisse ein, sondern bemerke nur, dass nach den neueren Untersuchungen und auch nach den Beobachtungen, welche ich in verschiedenen bereits in diesem Paragraphen citirten Abhandlungen mitgetheilt habe, die unversehrten Blattoberflächen ın der That die Fähigkeit besitzen, tropfbar-flüssiges Wasser, mit dem sie in Contact gerathen, aufzunehmen.) Am einfachsten gestalten sich die Verhältnisse der Wasseraufnahme seitens der Blätter, wenn sich dieselben unter Wasser befinden. Die Epidermis submerser Blätter erscheint meistens spaltöffnungsfrei; ebenso führt die Cuticula kein Wachs, und der Wasseraufnahme, die allerdings für den in Rede stehenden Fall höchstens in sehr beschränktem Maasse zur Geltung kommen kann, stellen sich keine Schwierigkeiten entgegen. Dagegen erschweren die in und auf der Cuticula der sich mit Luft'in Berührung befindenden Blätter vorhandene Wachsmengen die Wasseraufnahme in hohem Grade. Werden mit Wachsüberzügen versehene Blätter unter Wasser getaucht, so macht sich ein sehr schönes Phänomen geltend. Die Pflanzentheile erscheinen nämlich von einer bald mehr, bald minder deutlichen, silberglänzenden Schicht überzogen, die nur hier und dort das Grün des Chlorophylifarbstoffes hervorteten lässt. Die Ursache dieser Erscheinung ist darin zu suchen, dass die Wachs- mengen nicht benetzbar sind und das Licht nun in Folge des Vorhandenseins einer Luftschicht zwischen der Blattsubstanz und dem Wasser eine totale Re- flexion erfährt. Entfernt man die Blätter aus dem Wasser, so sieht man, dass die Cu- ticula über dem Blattparenchym in der That keine Benetzung erfahren hat; nur an denjenigen Theilen der Blätter, die unter Wasser grün erschienen, an den grösseren Blattnerven sowie an etwa vorhandenen Haaren, hängen in perlen- schnurartiger Anordnung Wassertropfen. Verharren die Blätter längere Zeit unter Wasser, so verschwindet der erwähnte Silberglanz allmählich, und die Flüssigkeit adhärirt an der gesammten Blattfläche. Werden aber Pflanzentheile, die man mit Wasser in Berührung bringt, von demselben direkt oder nach einiger Zeit benetzt, so wird die Flüssigkeit — dies kann a priori angenommen werden — auch in die Zellmembranen selbst ein- dringen. In der That wird die Richtigkeit dieser Voraussetzung durch die Re- sultate bezüglicher Untersuchungen, die von EpEr?) durchgeführt worden sind, bestätigt. Die Experimente des genannten Beobachters haben ergeben, dass die spaltöffnungsfreie, aber wachshaltige Epidermis mancher Blätter in Berührung mit Wasser erst nach Verlauf mehrerer Tage permeabel für die Flüssigkeit wird, während die Epidermis anderer Blätter das W»sser bereits nach Verlauf kurzer Zeit aufzunehmen im Stande ist. Uebrigens habe ich in verschiedenen Ab- hand!lungen darauf hingewiesen, dass die Spaltöffnungen, wenn sie vorhanden, !) Die Blätter können übrigens nur dann Wasser von aussen aufnehmen, wenn ihr Gewebe nicht bereits mit Wasser völlig gesättigt ist. Blätter, die man von sehr schwach transpirirenden Pflanzen abschneidet, sind unfähig, weitere Wassermengen zu absorbiren. 2) Vergl. Ever, Separatabdruck aus d. 72. Bande d. Sitzungsber. d. Akadem. d. Wiss. in Wien, II. Abschnitt. 6. Die Wasseraufnahme seitens der Pflanzen. 89 nicht ganz ohne Bedeutung für die Vorgänge der Wasseraufnahme seitens der Blätter erscheinen. Die physiologische Bedeutung des Prozesses der Wasseraufnahme seitens der Blätter ist, wie bereits angedeutet, keine erhebliche. Wichtig ist aber dennoch dies, dass die Blätter zumal am Abend, wenn die Pflanzen mehr oder minder welk erscheinen, und wenn nun Thau fällt, gewisse Flüssigkeitsmengen, mit denen ihre Oberfläche in Berührung gelangt, aufzusaugen vermögen. Das bisher Gesagte bezog sich immer nur auf das Verhalten der Blattspreite dem Wasser gegenüber. Es muss deshalb noch bemerkt werden, dass auch der Blattstiel nach erfolgter Benetzung im Stande ist, gewisse Feuchtigkeitsmengen zu absorbiren. Ferner ist zu erwähnen, dass manche Blätter an ihrer Basis grosse Scheiden entwickeln, mit denen sie den Stengel umfassen. Dies ist namentlich bei Pflanzen aus der Familie der Umbelliferen, z. B. bei den Zeracleum-, Angelica- und Zaserpitiumspecies der Fall. Ich fand, dass die Blattscheiden oft sehr be- deutende Wassermengen führen, und dass sie selbst noch viel Wasser enthalten, wenn nach Regenwetter trockene Witterung eingetreten und die übrigen ober- irdischen Organe der Gewächse bereits völlig abg&trocknet sind. Das in den Blattscheiden angesammelte Wasser kann unzweifelhaft in das Innere der Pflanzen eindringen. Sehr interessant ist das Verhalten gewisser Blattgebilde des Blüthenstandes von Carlina acaulis dem Wasser gegenüber. Diese Pflanze, welche zu den Com- positen gehört, besitzt ein sehr entwickeltes Involucrum, und die inneren glänzend weissen Blätter desselben legen sich bei Regenwetter über den Blüthen- kopf zusammen; die Unterseite der Blattgebilde ist dann convex, die Oberseite derselben aber concav gekrümmt. Bei trockener Witterung breiten sich die Involucralblätter strahlig aus; ihre Unterseite ist dann concav, ihre Oberseite aber convex gekrümmt. Werden trockene Involucralblätter der Carlina, mögen sie sich noch im Zusammenhange mit der Pflanze befinden oder lange Zeit von derselben abgetrennt aufbewahrt worden sein, mit Wasser benetzt, so macht sich eine lebhafte Bewegungserscheinung geltend, und die Unterseite der Blattgebilde wird convex, die Oberseite aber concav. Diese Bewegungserscheinung tritt aber nur ein, wenn die mittlere Partie der Unterseite der Blätter mit Wasser in Con- tact geräth, und die Ursache derselben ist darin zu suchen, dass die Membranen der betreffenden Zellen der Unterseite der Organe sich sehr schnell mit Wasser imbibiren und sich in Folge dessen lebhaft ausdehnen.) c) Wasseraufnahme der Stammgebilde. Ueber die Wasseraufnahme solcher Stengelgebilde, die noch grün sind und von Epidermis überzogen werden, brauchen wir uns hier nicht weiter auszusprechen, denn die bezüglichen Ver- hältnisse sind ohne Weiteres unter Berücksichtigung des unter b Gesagten ver- ständlich. Aeltere, mit Periderm überzogene Zweige können nur unter Vermittelung etwa vorhandener Lenticellen und Rindenrisse Wasser, welches mit ihrer Ober- fläche in Berührung gelangt, aufnehmen. Aehnlich gestalten sich die Verhältnisse, wenn Kartoffelknollen mit Wasser in Contact gerathen, da das mehrschichtige Korkgewebe derselben impermeabel für Wasser ist. Die Flüssigkeitsaufnahme ungeschälter Kartoffeln ist stets nur eine unbedeutende. d) Wasseraufnahme der Früchte. Viele Früchte (Steinfrüchte, Beeren) D) Man vergl. DETMER, Journal f. Landwirthschaft. 27. Jahrgang. pag. Ir. Zr - WET TEE AN ERREN ER A ! 03 L r en, ar TE Ar T ö T En 90 System der Pflanzenphysiologie. ‘ sind sehr wasserreich. Diese Früchte nehmen aber, wie ich fand, wenn ihre un- versehrte Oberfläche mit Wasser in Contact geräth, und wenn sie noch nicht das Maximum ihres Wassergehaltes erreicht haben, doch noch Flüssigkeit von aussen auf. Die Erscheinung, dass saftige Früchte häufig bei regnerischer Witterung. aufreissen, hat einerseits in einer solchen Wasseraufnahme seitens der Früchte ihren Grund; insbesondere wird sie aber dadurch bedingt, dass die gesammte Transpiration der Pflanzen unter den angedeuteten Verhältnissen sehr gering ist, die Wurzeln dem Boden erhebliche Feuchtigkeitsmengen entziehen, und die Zellen im Innern der Früchte nun in Folge ihres starken Turgors ein Zerreissen der weniger dehnbaren Gewebepartien (zumal des Epicarps) herbeiführen. Das Gewebe vieler Früchte trocknet bei der Reife derselben fast völlig aus, und wenn die Samen die Früchte nicht verlassen, sondern vom Pericarpium um- schlossen an die Orte, welche sich für ihre Keimung eignen, gelangen, so ge- winnt das Verhalten der Gewebe der Fruchtschale dem Wasser gegenüber eine erhebliche Bedeutung. Mit grosser Leichtigkeit dringt das Wasser z. B. in das Gewebe der Fruchtschale der Gräser ein. Die Samen der Gramineen quellen in Folge dessen sehr schnell, und die Evolution des Embryo beginnt bereits, wenn die in Rede stehenden Schliessfrüchte sich nur kurze Zeit lang mit Wasser in Contact befunden haben. In anderen Fällen setzen die Gewebe des Pericar- piums dem Eindringen des Wassers einen grösseren Widerstand entgegen, ein Verhältniss, welches nicht ohne Einfluss auf den Verlauf gewisser Prozesse bei der Keimung der vorhandenen Samen sein kann. e) Wasseraufnahme der Samen. Es ist bekannt, dass die Samen im reifen Zustande relativ arm an Feuchtigkeit sind. Die vorhandenen Wasser- mengen reichen durchaus nicht hin, um den Embryo zur Entwicklung anzuregen. Soll die Keimung der Samen erfolgen, so muss denselben tropfbar-flüssiges Wasser zugeführt werden, und es handelt sich zunächst um die Frage, welche Kräfte das Eindringen des Wassers in die Substanz der Samen vermitteln. Vor allen Dingen ist hier auf die Imbibitionskräfte hinzuweisen. Die Testa der Samen saugt das Wasser von aussen auf, aber wenn die Tagmen der Cellulose- membranen sich mit Wasserhüllen umgeben haben, so wird ihnen sofort eine gewisse Feuchtigkeitsmenge von den Tagmen der im Innern der Samen vor- handenen Gewebemassen wieder entzogen. Dieser Vorgang muss sofort zu einer erneuten Wasseraufnahme von aussen führen, und auf diesem Wege geht der Same allmählich in den gequollenen Zustand über. Ueberdies machen sich aber bei dem Zustandekommen der Quellung osmotische Prozesse geltend, indem gewisse in den Zellen der Samen vorhandene Stoffe eine lebhafte Anziehungs- kraft auf die Wassermoleküle ausüben. Die Zellen füllen sich nach und nach mit Wasser an; sie turgesciren und geben, wie hier noch bemerkt werden mag, in Folge des Zustandekommens der osmotischen Vorgänge kleine Quantitäten anorganischer sowie organischer Stoffe an das (uellwasser nach aussen ab. In besonderen Fällen treten aber neben den Imbibitionsprozessen und den osmotischen Vorgängen bei der Quellung der Samen noch anderweitige Prozesse, die zu einer Wasseraufnahme führen müssen, deutlicher hervor. Die Epidermiszellen der Testa mancher Samen (Quitten-, Leinsamen etc.) besitzen Membranen, welche ausserordentlich stark schleimig verdickt sind.!) In Contact mit Wasser umgeben I) Man vergl. HormEISTER, Berichte d. sächs. Gesellschaft d. Wiss., 1858 und FRANK, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissenchaftl. Botanik, Bd. 5. pag. 161. I. Abschnitt. 6. Die Wasseraufnahme seitens der Pflanzen. gI sich die erwähnten Samen daher mit einer Schleimschicht, und dieselbe verdankt nicht etwa dem Zustandekommen von Imbibitionsvorgängen ihre Entstehung, denn diese können immer nur begrenzte Quellung zur Folge haben. Bei der Schleim- bildung gehen vielmehr einerseits bestimmte Stoffe der Verdickungsmassen der Zellen in Lösung, andererseits aber bleibt ein gewisser Theil der Verdickungs- massen ungelöst und mischt sich in Folge unbegrenzter Quellung mit den Wasser- molekülen (Permixtionsprozess). Endlich ist noch zu bemerken, dass die Testa der Samen von Canna mit Spaltöffnungen bedeckt ist, welche das Wasser, mit dem die Pflanzentheile in Contact gerathen, capillar aufsaugen und in das Innere der Samen leiten können. Die angeführten Thatsachen weisen bereits darauf hin, dass die Beschaffen- heit der Gewebemassen der Testa in genauester Beziehung zu dem Verlauf der Quellungserscheinungen stehen muss. Und dasselbe tritt noch deutlicher hervor, wenn man bedenkt, dass die Zellen der Testa in der That häufig genug eine ganz eigenthümliche Ausbildung erfahren und in Folge dessen sehr beschleunigend oder sehr verlangsamend auf den Verlauf der Quellung einwirken. Ungemein leicht quellen z. B. die Samen von Cydonia und Zinum, indem die schleimigen Verdickungsmassen der Epidermiszellen der Testa selbst die geringsten Wasser- mengen, mit denen sie in Contact gelangen, lebhaft anziehen. Andere Samen (Erbsen, Bohnen etc.) quellen zwar bei weitem nicht so leicht wie die soeben angeführten, aber ihre Tresta setzt dem Eindringen des Wassers doch keineswegs erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Andere Samenarten quellen dagegen ausser- ordentlich langsam. Derartiges lässt sich z. B. leicht constatiren, wenn man grössere Samenquantitäten von Zupinus, Trifolium oder Robinia mit Wasser in Berührung bringt.!) Es zeigt sich dann, dass manche Samenindividuen selbst nach Wochen ‘oder Monaten noch hart sind und kein Wasser absorbirt haben. Die Ursache dieser Erscheinung ist in einer eigenthümlichen Beschaffenheit der Zellen der Pallisadenschicht der Testa jener Samen zu suchen. Die Zellen setzen dem Eindringen des Wassers einen ausserordentlichen Widerstand entgegen, aber der- selbe wird sofort beseitigt, wenn man die Testa an irgend einer Stelle verletzt. Die Untersuchungen über den Quellungsprozess haben nun weiter ergeben, dass die Quellungscapacität verschiedener Samenspecies sehr verschieden ist, so dass also eine Samenart weit mehr Wasser aufzunehmen vermag, bis die Quellung zum Stillstande gelangt, als eine andere. Sieht man von den individuellen Eigenthümlichkeiten der einzelnen Samenkörner einer grösseren Samenprobe ab, so lässt sich hervorheben, dass die Körner des Weizens und Roggens etwa 5o—600 Wasser aufsaugen können, während z. B. Bohnen- und Erbsensamen mehr als 100% Wasser absorbiren. Höhere Temperatur des Quellungswassers steigert die Quellungscapacität nicht,?) aber übt selbstverständlich einen Einfluss auf den Verlauf des Quellungsactes aus, indem das Quellungsmaximum, d. h. die Aus- dehnung, welche ein Körper in Contact mit Wasser überhaupt erfahren kann, bei höherer Temperatur weit schneller als bei niederer erreicht wird. Aus unseren Erörterungen über das Wesen des Imbibitionsprozesses geht hervor, dass jedes organisirte Gebilde, dessen Tagmen sich mit Wasserhüllen um- geben, eine Volumenzunahme erfahren muss. Und in der That lässt sich dies bei dem Studium der Quellungserscheinungen der Samen in ausgezeichneter I) Vergl. NosBE, Versuchsstationen. Bd. 20. pag. 71. 2) Vergl. REINKE, HANSTEIN’s botan. Abhandlungen. Bd. 4. Hft. ı. pag. 82. 92 System der Pflanzenphysiologie. Weise constatiren, denn man braucht nur einen Samen, z. B. eine Erbse, mit Wasser in Berührung zu bringen, und man wird alsbald beobachten, dass der- selbe in dem Maasse wie er sich mit Wasser imbibirt, sein Volumen vergrössert. Für die Physiologie hat nun die Frage ein besonderes Interesse, ob die Grösse der Volumenzunahme der Grösse der absorbirten Wassermenge genau entspricht, oder ob dies nicht der Fall ist. Ich habe mich in verschiedenen Abhandlungen über den Keimungsprozess sowie in meiner vergleichenden Physiologie des Keimungs- prozesses der Samen bemüht, die hier berührte Frage genauer zu beantworten. Die bezüglichen Untersuchungen haben ergeben, dass manche Samen, was hier für uns von besonderem Interesse erscheint, in der That ihr Volumen in Folge der Quellung stärker vergrössern, als der absorbirten Wasserquantität entspricht, und diese Erscheinung ist von mir darauf zurückgeführt worden, dass bei der Quellung zwischen der Testa und den inneren Theilen der Samen mit verdünnter Luft erfüllte Hohlräume entstehen, und dass der Fortgang der Quellung zu einer Erweiterung der z. B. in den Cotyledonen der Erbsen vorhandenen und mit Luft erfüllten Intercellularräume führen muss. Die Resultate meiner Untersuchungen lassen nun auch auf die Beobachtungen über das Zustandekommen von Druck- kräften in Folge der Quellung, die von verschiedenen Forschern gemacht worden sind, ein helles Licht fallen. Es unterliegt gar keinem Zweifel, dass z. B. Erbsen, wenn sie sich in verschlossenen Gefässen mit Wasser in Berührung befinden, auf die Wandungen der Gefässe, weil sie eine Volumenzunahme erfahren, die grösser als diejenige ist, welche den absorbirten Wassermengen entspricht, in Folge der Quellung einen Druck geltend machen müssen. Aber man hat die auf diesem Wege zu Stande kommenden Druckwirkungen oft genug zu hoch an- geschlagen, und es waren namentlich bei der Ausführung der bekannten Ver- suche mit Samen von Harzs!) ganz andere Momente, welche die bedeutenden Druckwirkungen erzeugten. HaALEs setzte seine Versuche nämlich mehrere Tage lang fort; das Untersuchungsmaterial ging allmählich in Zersetzung über, und der schliesslich constatirte Druck war hier also nicht in erster Linie durch den Quellungsprozess selbst, sondern durch die Spannung der sich bildenden Gase hervorgerufen. 8 41. Die Wassergasaufnahme seitens der Pflanzen. — Wenn die Luft im Innern der Pflanzen, was allerdings nicht sehr häufig der Fall sein wird, ärmer an Wassergas ist, als die atmosphärische Luft, so wird Wassergas von aussen durch die Spaltöffnungen der Gewächse in die Intercellularräume ein- dringen. Dieses Wassergas kann von direkter Bedeutung für den vegetabilischen Organismus werden, wenn dasselbe in Folge von Abkühlung der Gewächse im Innern derselben zu tropfbar-lüssigem Wasser condensirt wird. Die Frage, ob gewöhnliche Laubblätter im lebensthätigen Zustande befähigt sind, Wassergas zu verdichten, muss ich auf Grund meiner Versuche entschieden im verneinenden Sinne beantworten, denn die Blätter bedürfen zur normalen Entwicklung so viel Wasser, dass sie selbst unmittelbar nach ihrem durch Ab- welken herbeigeführten Tode noch sehr reich an Feuchtigkeit sind, so dass so- gar zu dieser Zeit an das Zustandekommen einer Wassergasverdichtung nicht ge- dacht werden kann. Andere Pflanzentheile sind aber, weil sie selbst in der Natur im Zusammenhang mit den sie tragenden Organen, sehr bedeutend aus- trocknen, in der That, wie ich fand, im Stande, Wassergas zu verdichten, und dies Wassergasverdichtungsvermögen ist nicht ganz ohne biologische Bedeutung )) Vergl. HALES, veget. Staticks. 1727. pag. 204. 2 II. Abschnitt. 7. Die Wasserbewegung in den Pflanzen. 93 für das Pflanzenleben. Derartig verhalten sich die gereiften Samen von Zisum und Cacurbita, sowie die Pappushaare von Cirsium arvense, die Grannen von Avena, die Schnäbel der Geranienfrüchte, und die Kapselstiele mancher Laub- moose.!) Auch Flechten Zvernia-, Bryopogon- und Ramalinaarten) trocknen, wie ich fand, in der Natur oft soweit aus, dass sie im Stande sind, Wassergas zu verdichten. Siebentes Kapitel. Die Wasserbewegung in den Pflanzen. $ 42. Allgemeines. — Es ist bereits, als von der Wasseraufnahme seitens der Pflanzen die Rede war, darauf hingewiesen worden, dass dieselbe durch Verbrauch des im Organismus vorhandenen Wassers herbeigeführt werden kann, dass die Wasseraufnahme aber unter Umständen auch gar nichts mit einem Wasserverbrauch zu thun hat. Ebenso ist die Wasserbewegung in den Ge- wächsen in vielen Fällen Folge des Wasserverbrauchs; unter Umständen wird sie indessen durch ganz andere Momente bedingt. Wenn abgehauene Baumstämme, Knollen oder Zwiebeln in einer mehr oder minder trockenen Atmosphäre verharren und keine Gelegenheit finden, von aussen Wasser aufzunehmen, so zeigt sich dennoch häufig, dass die vorhandenen Knospen zur Entfaltung gelangen. Die jungen, sich entfaltenden Blätter müssen das für ihr Wachsthum erforderliche Wasser den nicht wachsenden Pflanzen- theilen entziehen; diese werden allmählich wasserärmer und trocknen mehr und mehr aus. Das Wasser bewegt sich also in dem hier in Rede stehenden Fall continuirlich dem Verbrauchsorte zu, und ganz ähnliche Erscheinungen, allerdings in viel grossartigerem Maassstabe, machen sich in lebhaft transpirirenden Ge- wächsen geltend. Wenn den Transpirationsorganen, insbesondere den Blättern, das Wasser entzogen wird, indem die Atmosphäre vor allen Dingen das in den Intercellularräumen gebildete Wassergas unter Vermittelung der Spaltöffnungen aufnimmt, so suchen die Blattzellen, welche Feuchtigkeit verloren haben, immer wieder neues Wasser aufzunehmen, und dadurch kommt eine Wasserbewegung in den Pilanzen zu Stande, die, an dem Orte des Verbrauchs verursacht, nach rückwärts immer weiter und weiter um sich greift. Der Wasserverbrauch, speciell der durch Transpiration veranlasste, ist aber keineswegs als alleinige Ursache der Wasserbewegung in den entwickelten, von der Luft umgebenen Gewächsen anzusehen. Es kommen nämlich sehr häufig in den Wurzeln sowie in anderweitigen Organen Wasserbewegungen zu Stande, die, durch osmotische Verhältnisse verursacht, gar nichts mit der Transpiration zu thun haben. Diese Wasserbewegung, welche sehr oft Veranlassung zur Entstehung bedeutender Druckverhältnisse in den Gewächsen giebt, macht sich sogar nur dann in ausgiebiger Weise geltend, wenn die Wasserverdunstung möglichst depri- mirt ist. Gerade dieser Umstand, dass die Phänomene der Wasserbewegung in den Gewächsen durch sehr verschiedene Grundursachen bedingt werden, er- schwert das Verständniss der Gesammterscheinung in hohem Grade, und es ist bei der Behandlung der in Rede stehenden Verhältnisse vor allen Dingen noth- wendig, die elementaren Prozesse wol aus einander zu halten. I) Man vergl. auch WICHURA, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissenschaftl. Botanik. Bd. 2. pag. 193. y EEE a TE En . 4 2 NanLdie, ET ee ‚+ | 2 94 System der Pflanzenphysiologie. $ 43. Der Wurzeldruck. a) Das Phänomen des Wurzeldrucks im Allgemeinen. — Wenn eine Pflanze stark transpirirt, so wird die Wasser- bewegung in derselben vor allen Dingen durch Imbibitionsprozesse vermittelt. Diese Imbibitionsvorgänge können natürlich nur in der Substanz der Zellwände selbst verlaufen, und man beobachtet in der That, dass die Capillaren des Holzes zur Zeit starker Wasserverdunstung im Allgemeinen keine Flüssigkeiten, sondern Luft enthalten. Ganz anders gestalten sich die Verhältnisse im Frühjahr vor der Entfaltung der Knospen oder überhaupt unter Umständen, welche die Transpirations- grösse der Gewächse beträchtlich herabsetzen. Dann füllen sich die Holzgefässe mit Flüssigkeit an, und wenn man die Pflanzen anbohrt oder den Stamm der- selben dicht über dem Boden abschneidet, so quillt die Flüssigkeit in geringerer oder grösserer Quantität hervor. Um die hier in Rede stehenden Erscheinungen bequem beobachten zu können, verfährt man zweckmässig derartig, dass man, nachdem der Stamm der Gewächse dicht über der Bodenoberfläche durchschnitten worden ist, mit Hülfe eines wohl schliessenden Kautschukschlauches ein Glasrohr (Steigrohr) auf den sich noch mit der Wurzel in Verbindung befindenden Stamm- stumpf aufsetzt. Der Flüssigkeitsausfluss beginnt nun alsbald, und das Steigrohr füllt sich mehr und mehr mit Flüssigkeit an. Man kann sich leicht davon über- zeugen, dass dieselbe aus dem Holzkörper, bei Monocotyledonen aus dem Xylem- theil der zerstreuten Fibrovasalstränge, hervorquill. Das Volumen der aus- tretenden Flüssigkeitsmenge ist nach Verlauf einiger Zeit viel grösser geworden, als das Volumen des ganzen Wurzelstocks, Beweis genug dafür, dass die Wurzeln während des Versuchs Wasser aus dem Boden aufnehmen und dasselbe nach aufwärts befördern. Die hier berührte Erscheinung des Saftausflusses aus Wurzel- stöcken hat man an sehr vielen Pflanzen beobachtet (Vitis vinifera, Betula, Acer, Cucurbita, Ricinus, Begonia, Helianthus etc. etc.).!) Die genannten Pflanzen liefern sämmtlich bedeutende Saftmengen, und der Saftausfluss kann viele Tage lang, ja selbst wochenlang fortdauern. Andere Gewächse liefern nur wenig Saft, und einige sollen nach Pırra’s Angabe aus allerdings noch nicht genau bekannten Ursachen, überhaupt niemals Saft aus den Wurzelstöcken ausströmen lassen.?) Gehen wir etwas näher auf die Erscheinungen des Saftausflusses aus Wurzel- stöcken ein, so muss zunächst Erwähnung finden, dass die bezüglichen Verhält- nisse zuerst von Hares?) eingehender studirt worden sind. Derselbe fand schon, dass der Saft — und hiermit berühren wir einen sehr wichtigen Punkt — mit einer erheblichen Kraft von der Wurzel emporgepresst wird, und im Stande ist, bedeutende Widerstände zu überwinden. Später hat HormEIsTER®) z. B. gefunden, indem er auf die Wurzelstöcke verschiedener Pflanzen Manometer aufsetzte, dass !) Der Saftausfluss aus Wurzelstöcken macht sich auch bei monocotylen Pflanzen (z. B. Zea Mays) und nach PırrA (vergl. PRINGSHEIM’s Jahrbücher, B. ı1, pag. 437) ebenso bei Coni- feren geltend. 2) Nicht zu verwechseln mit der Erscheinung des Saftausflusses aus Wurzelstöcken ist das sogen. Bluten abgeschnittener wasserreicher Stämme im Winter. Dies Phänomen verdankt ganz anderen Ursachen seine Entstehung als das hier in Rede stehende, und wir kommen darauf weiter unten noch zurück. 3) Vergl. HaLes, veget. Staticks, 1727. Ueber die ältere Literatur vergl. man ferner meine Zusammenstellungen in den Mittheilungen aus dem botan. Institut d. Universität Leipzig, B. 1, pag. 419. 4) Vergl. HOFMEISTER, Berichte d. sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1858, H. 2 u. 3., ferner Flora 1862, pag. 101. II. Abschnitt. 7. Die Wasserbewegung in den Pflanzen. 95 der ausströmende Saft Quecksilbersäulen von nachstehend angegebener Höhe das Gleichgewicht hielt: Atriplex hortensis . . . 65 Millim. Chrysanthemum coronarium IA 1; Digitalis media . . . .461 , Papaver somniferum . .212 ,„ WVOFUSEOIED EA 2 hs NEUBAUER!) fand sogar, dass der aus einer Rebe ausströmende Saft die Fähigkeit besass, einer Quecksilbersäule von ırz Centim. das Gleichgewicht zu halten. Daraus ersieht man, dass der aus den Pflanzen unter Vermittelung des Wurzeldrucks ausgepresste Saft in der That sehr bedeutende Widerstände zu überwinden im Stande ist.?) Die Saftmengen, welche Pflanzen liefern, wenn man sie im Frühjahr anbohrt, sind oft sehr bedeutende. Davon kann man sich leicht überzeugen, wenn man z. B. Birken als Untersuchungsobjecte benutzt. Es gelingt dann oft leicht, in wenigen Minuten beträchtliche Flüssigkeitsquantitäten zu sammeln. CAnSTEIN®) fand ebenso, dass ein Weinstock (Kleinberger) mit vier Reben im Laufe von mehreren Wochen über 20 Liter Saft lieferte. Der Saft, welcher aus Pflanzen austritt, enthält Mineralstoffe, sowie organische Körper in Lösung; unter den letzteren treten Proteinstoffe (Albumin), Pflanzensäuren und häufig (Birkensaft etc.) ganz erhebliche Zuckermengen auf. b) Die Ursachen des Wurzeldrucks. — Für die sachgemässe Beurtheilung der Ursachen des Wurzeldrucks ist es wichtig, sich an die Resultate unserer Er- örterungen über den Turgor der Zellen und über die Filtrationsverhältnisse zu erinnern. Der Saftausfluss aus Wurzelstöcken kommt offenbar dadurch zu Stande, dass die Wurzelzellen auf osmotischem Wege Wasser von aussen aufsaugen. Sie turgesciren allmählich, und der im Innern der Zellen zur Geltung kommende Druck wird schliesslich so bedeutend, dass er im Stande ist, die Filtrationswider- stände der gespannten Zellschichten (Hautschicht des Plasma sowie Cellulose- membran) zu überwinden. Der Saft wird in die Gefässe des Holzes hineingepresst, und dies geschieht mit solcher Kraft, dass der aus vorhandenen Wunden der Gewächse ausfliessende Saft selbst noch im Stande ist, bedeutende Widerstände zu überwinden. Das günstigste Verhältniss für den Saftauftrieb in der Pflanze muss offenbar dann vorhanden sein, wenn die gespannten Zellschichten nach dem Innern der Pflanze zu, dem in den Zellen herrschenden und sich nach den Ge- setzen der Hydrostatik in der vorhandenen Flüssigkeit gleichmässig vertheilenden Druck einen relativ geringen Filtrationswiderstand entgegenstellen, während die äusseren gespannten Zellschichten einen bedeutenden Filtrationswiderstand leisten. Unter solchen Umständen würde der Saft vielleicht allein in die Gefässe, nicht aber gleichzeitig nach aussen befördert werden können. Es ist bekannt, dass die Membranen der aufnehmenden Wurzelzellen nach aussen hin cuticularisirt sind, und dies Verhältniss dürfte bei der Beurtheilung der hier in Rede stehenden Phänomene von einiger Wichtigkeit erscheinen, da die Cuticula doch wol den Filtrationswiderstand der Zellschichten erhöht. Uebrigens habe ich mich in I) Vergl. NEUBAUER, Annal. d. Oenologie. B. 4. pag. 499. 2) Der Druck, den der ausströmende Saft auf das Quecksilber im Manometer ausübt, ist übrigens thatsächlich schon geringer als der Druck, den der Saft überhaupt zur Geltung bringen kann. 3) Vergl. CAnSTEIN, Annal. d. Oenologie. B. 4. pag. 517. e Pr 96 System der Pflanzenphysiologie. meiner zweiten Abhandlung über den Wurzeldruck bemüht, nachzuweisen, dass selbst dann Saft aus den Wurzelzellen in das Innere der Gewächse hineingepresst werden könnte, wenn gleichzeitig ein Flüssigkeitsaustritt nach aussen erfolgte.t) c) Der Einfluss äusserer Verhältnisse auf den Saftausfluss. — Wenn man auf Wurzelstöcke Glasröhren aufsetzt, so muss der ausströmende Saft natür- lich in denselben emporsteigen. Man kann sich nun leicht davon überzeugen, dass verschiedene äussere Momente die Höhe, welche die Flüssigkeitssäulen in den Steigröhren in der Zeiteinheit erreichen, in ganz hervorragender Weise bestimmen. Wenn man von der gewiss begründeten Anschauung ausgeht, dass die gesammten Erscheinungen des Saftausflusses zuletzt auf das Stattfinden osmotischer Prozesse zurückgeführt werden müssen, so ist von vornherein klar, dass diejenigen Momente, welche diese Vorgänge beeinflussen, ebenso von Be- deutung für die hier in Rede stehenden physiologischen Prozesse sein müssen. In der That habe ich mich vielfältig davon überzeugt, dass aus Wurzelstöcken bei höherer Temperatur des Bodens weit mehr Flüssigkeit in der Zeiteinheit ausfliesst als bei niederer. Ebenso konnte ich oft constatiren, dass grösserer Wasserreichthum des Bodens den Saftausfluss beschleunigt, während derselbe in Folge grösserer Concentration der Bodenflüssigkeit verlangsamt wird. d) Die selbständige tägliche Periodicität des Wurzeldrucks. — Es soll hier nicht von der Erscheinung die Rede sein, dass der Saftausfluss aus Wurzelstöcken oft zunächst ein schwacher ist, allmählich lebhafter wird, um schliesslich, nachdem er wieder unbedeutender geworden, gänzlich aufzuhören. Von diesem Phänomen wird erst später gesprochen werden. An dieser Stelle inter- essirt uns vielmehr die Thatsache, dass die Saftmengen, welche zu verschiedenen Tageszeiten aus Wurzelstöcken hervortreten, selbst dann nicht dieselben sind, wenn die Untersuchungsobjekte fortdauernd gleichen Wärme- und Feuchtigkeits- verhältnissen ausgesetzt bleiben. Wir haben es hier also mit einer Erscheinung zu thun, deren Zustandekommen sich nicht in direkter Weise von äusseren Momenten (Licht, Wärme, Feuchtigkeit) abhängig erweist, und die aus diesem Grunde eben als selbständige Periodicitätserscheinung bezeichnet werden kann. Die tägliche Periodicität des Wurzeldrucks, welche die Schwankungen im Saftausfluss herbeiführt, ist von HorMEISTER entdeckt worden.?2) Ich habe mich selbst mit eingehenden Untersuchungen über die Periodieität des Wurzel- drucks beschäftigt?), und es hat sich dabei ergeben, dass die Saftmengen, welche in der Zeiteinheit (z. B. in einer Stunde) aus Wurzelstöcken hervortreten, im Allgemeinen in den ersten Stunden des Nachmittags am grössten sind, dann all- mählich während des Abends und der Nacht kleiner werden, bis am Morgen der Ausfluss am schwächsten geworden ist. Nun nimmt die in der Zeıteinheit ausfliessende Flüssigkeitsmenge bis zum Nachmittag wieder zu. Beachtenswerth ist, was ich ebenfalls feststellen konnte, dass manche junge Pflanzen (Froszran- thera nivea, Cucurbita Melopepo) die Eigenthümlichkeit der Periodicität des Wurzel- drucks noch nicht zeigen; dieselbe entwickelt sich erst allmählich mit dem Alter dieser Gewächse®). I) Vergl. DeirmEer, Theorie des Wurzeldrucks. Sammlung physiolog. Abhandlungen, herausgegeb. v. PREYER. B. ı. H. 8. pag. 25. 7) Vergl. HoFrmEISTER, Flora. 1862. 3) Vergl. meine citirten Abhandlungen über den Wurzeldruck. #4) Neuerdings hat auch BArANETZKY (vergl. Abhandl. d. naturf. Gesellschaft zu Halle, B. 13, H. ı) eingehende Untersuchungen über die Periodicität des Wurzeldrucks angestellt. 2 II. Abschnitt. 7. Die Wasserbewegung in den Pflanzen. 97 Die Ursachen, welche die Periodieität des Wurzeldrucks bedingen, können hier nicht spezieller beleuchtet werden, denn bezügliche Betrachtungen würden an dieser Stelle zu viel Raum erfordern. Ich habe in meinen citirten Ab- handlungen versucht, den Nachweis zu liefern, dass das Phänomen der Periodici- tät des Wurzeldrucks im genauesten Zusammenhange mit den periodischen. Schwankungen der Intensität des Wachsthums sowie der Gewebespannung steht, und aus diesem Grunde kann eine erfolgreiche Behandlung des Problems nach den Ursachen der Periodieität des Wurzeldrucks erst in der Physiologie des Wachsthumsprozesses geschehen. S 44. Die Wasserbewegungin den Stammgebilden. — a) Die Ursachen derselben. Die langsamen Wasserströmungen, welche in den Pflanzen durch Wachs- thums-, Stoffwechsel- sowie Assimilationsprozesse angeregt werden, müssen natürlich in sämmtlichen Gewebeformen zur Geltung kommen. Wenn die Zellen der Vege- tationspunkte der Stämme oder Wurzeln sich theilen und ein Flächenwachsthum zeigen, so muss das erforderliche Wasser diesen Zellen zugeführt werden, und in dem Maasse wie der Wasserverbrauch stattfindet, geschieht dies auch thatsächlich. Ebenso werden jene ausgiebigen Wasserströmungen in den Pflanzen, welche durch die Transpiration bedingt sind, in Folge eines Wasserverbrauchs eingeleitet, aber hier sind es, was uns an dieser Stelle speziell interessirt, ganz besondere Gewebemassen der Stammgebilde, welche den Blättern das Wasser zuführen. Es ıst nämlich mit Nachdruck zu betonen, dass die in den höheren Ge- wächsen, deren oberirdische Organe unmittelbar mit der Atmosphäre in Wechsel- wirkung stehen, zur Geltung kommende Wasserströmung wesentlich im Holz erfolgt. Dies geht unzweideutig schon daraus hervor, dass diese Wasserströmung nicht ausge- schlossen werden kann, wenn man die anderweitigen Gewebe eines Stammes an irgend einer Stelle zerstört und nur das Holz bestehen lässt. Ebenso ist diese Thatsache als ein Argument für die angeführte Auffassung anzusehen, dass es in submersen Pflanzen gar nicht oder nur in beschränktem Maasse zu einer Ver- holzung der Xylemelemente kommt. Suchen wir die Ursachen der Wasserbewegung im Holz festzustellen, so leuchtet von vornherein ein, dass osmotische Prozesse nicht als solche angesehen werden können. Die Hohlräume ım Holze sind ja gerade zur Zeit lebhaftester Transpiration und Wasserströmung nicht mit Flüssigkeit, sondern mit Luft ange- füllt, und das Zustandekommen osmotischer Vorgänge in denselben ist somit aus- geschlossen. Durch die Thätigkeit des Wurzeldrucks kann allerdings zu Zeiten schwächerer Transpiration eine bedeutende Flüssigkeitsmenge in den Holzkörper hineingepresst werden, aber die Erfahrung lehrt unmittelbar, dass zu Zeiten lebhafter Wasser- verdunstung, aus Bohrlöchern, die man z. B. an dem Stamm der Birke oder anderer Bäume anbringt, kein Wasser ausfliesst. Wenn die Gewächse schwach trans- piriren, so müssen sich die Hohlräume im Holz in Folge der bereits oben be- rührten Thätigkeit der Wurzelzellen mehr und mehr mit Flüssigkeit anfüllen, ja ich will hier gleich bemerken, dass auch die Thätigkeit der lebenskräftigen Parenchymzellen der Stammgebilde selbst diese Wasseransammlung in den Holz- gefässen etc. begünstigen kann. So fand Sachs), dass abgeschnittene Internodien von Gräsern, die mit ihrem unteren Ende ın Wasser eingetaucht waren, aus den D) Vergl. SacHs, Lehrbuch der Botanik. 4. Aufl. pag. 660. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. I. 5 98 System der Pflanzenphysiologie. Gefässen der oberen Schnittfläche Wasser austreten liessen. Diese Erscheinung ist auf ganz ähnliche Ursachen zurückzuführen, wie solche ebenfalls in den Wur- zeln thätig sind, und Pırra?) hat gezeigt, dass den lebhaft turgescirenden Paren- chymzellen der verschiedensten Pflanzentheile ganz allgemein die Fähigkeit zu- kommt, Wasser unter Druck auszupressen. Die hier erwähnten Prozesse des Wurzel- drucks etc. können bei manchen Gewächsen dahin führen, dass sich der gesammte Pflanzenkörper strotzend mit Wasser anfüllt; ja es kommt nicht selten vor, dass das Wasser sogar nach aussen hervorgepresst wird. Auf diesem Wege kommt die Tropfenausscheidung aus manchen Blättern (Zea, Aroideen, Calliandra)?) zu Stande. Es ist a priori denkbar, dass der Wurzeldruck, wenn die Transpiration der Gewächse sehr stark ist, überhaupt gar nicht zur Geltung kommt, aber man darf keineswegs, wenn es nicht gelingt, aus Bohrlöchern Saft zu gewinnen, die man an Stämmen oberhalb des Bodens angebracht hat, den Schluss ziehen, dass unter diesen Umständen überhaupt gar kein Wurzeldruck in dem Organismtis vorhanden sei. Denn man kann sich sehr wohl vorstellen, dass derselbe nur in beschränktem Maasse zur Geltung kommt und höchstens hinreicht, kleine Flüssigkeitsmengen in die untersten Regionen der Gefässe des Holzkörpers der Wurzeln zu pressen. Diese geringfügigen Druckkräfte besitzen aber dennoch eine Bedeutung für die Wasserbewegung im Holz, denn Sachs?) hat festgestellt, dass das Wasser durch mit Flüssigkeit imbibirtes Holz selbst unter Vermittelung der denkbar kleinsten Druckkraft filtrirt werden kann. Uebrigens kommen Druckkräfte auch noch auf anderem Wege in den Pflanzen zu Stande. Man denke sich die Hohlräume im Holz eines Stammes oder Astes zunächst völlig mit Wasser angefüllt. Es werde dem Stamme oder Aste jetzt durch Trans- pirationsvorgänge Wasser entzogen, so kann bei der eigenthümlichen Vertheilung der Aeste am Stamm, resp. der Zweige am Ast dies eintreten, dass die Wasser- säulen im Stamm oder Ast in ihrer Continuität unterbrochen werden. Wir haben jetzt Systeme von Wassersäulen in den Pflanzentheilen vor uns, welche an den verschiedensten Punkten von Luftblasen (aus verdünnter Luft bestehenden) unter- brochen werden?) Wenn diese Luftblasen durch Temperaturverhältnisse eine Ausdehnung erfahren, so müssen sie die vor ihnen vorhandene Flüssigkeit in Bewegung setzen, und dies Moment bedingt z. B. die Erscheinung, dass aus abgehauenen, wasserreichen Stämmen oder Aesten, die eine künstliche Erwärmung erfahren, oder die in der Natur unter dem Einfluss der Sonnenstrahlen erwärmt werden, Saft ausfliesst (Prozess des sogen. Blutens). Die wahre Bedeutung der Entstehung mit verdünnter Luft erfüllter Hohlräume im Holz durch die Transpiration, ist aber erst kürzlich von SacHs klar erkannt worden. Derselbe äussert sich auf pag. 321 des zweiten Bandes der Arbeiten des botan. Instituts in Würzburg darüber wie folgt: »Und diese Einrichtung (dass sich eben die Holzelemente bei lebhafter Transpiration der Gewächse mit verdünnter Luft anfüllen) ist von grossem Nutzen, denn eben dadurch allein ist es möglich, dass, wenn die Ver- dunstung aufhört oder sich vermindert (Nachts und im Winter), nunmehr wieder I) Vergl. PrrrA, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissensch. Botanik. Bd. II, pag. 437. 2) Man vergl. Ernst, Bot. Zeitung. 1876. pag. 35. 3) Vergl. Sachs, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. 2. pag. 296. #) Ich will hier noch erwähnen, dass von Luftblasen unterbrochene Wassersäulen, deren Wasser capillar festgehalten wird, im Holzkörper entstehen können, wenn im Innern der Ge- wächse in Folge von Temperaturschwankungen Thaubildung eintritt. 2 II. Abschnitt. 7. Die Wasserbewegung in den Pflanzen. 99 neues Wasser in die Zellenräume hineingepresst werden kann, um als Vorrath für die Zeit stärkeren Verbrauchs zu dienen.« Der wichtigste Punkt des gesammten Problems über die Wasserbewegung im Holz ist nun aber die Frage nach den Ursachen, welche die Wasserleitung in stark transpirirenden Gewächsen vermitteln. Man hat, wie wir in einem der nächsten Paragraphen genauer zeigen werden, feststellen können, dass die Flüssigkeitsmengen, welche selbst unter sehr günstigen Verhältnissen durch den Wurzeldruck in die Pflanzen hineingepresst werden, keineswegs ausreichen, die Wasserverluste zu decken, welche die beblätterten Pflanzen im Sommer in Folge der Transpiration erfahren. Es müssen also, um das Abwelken der Pflanzen zu verhüten, noch besondere Kräfte in Thätigkeit gesetzt werden, und zwar sind es die Imbibitionskräfte, welche unsere Aufmerksamkeit hier lebhaft fesseln. Bei dem Zustandekommen der Imbibitionsprozesse bewegt sich das Wasser nicht etwa "in präformirten Capillaren. Vielmehr geht ja schon aus unseren früheren Andeutungen über das Wesen der Imbibition hervor, dass das Wasser die Tagmen der Membranen der Holzelemente erst von einander entfernen muss, und sich also in der Wandsubstanz der letzteren selbst bewegt. Dabei ist es von grosser Bedeutung, dass die imbibirten Wassertheilchen offenbar keinen Druck auf einander ausüben, woraus ersichtlich wird, dass es gleichgültig erscheint, ob die imbibirte Flüssigkeit sich im Holzkörper in einer Höhe von wenigen Fussen oder vielleicht in einer Höhe von 100 Metern vorfindet.!) Wenn die Parenchymzellen der Blätter einen gewissen Theil des von ihnen imbibirten Wassers in Dampfform an die Luft der Intercellularräume abgegeben haben, und der Prozess der Transpiration damit eingeleitet worden ist, so suchen jene Zellen den Blattnerven, um den Feuchtigkeitsverlust zu decken, eine gewisse Wassermenge zu entziehen. Durch den Transpirationsvorgang wird das Gleichgewicht in der Vertheilung des Imbibitionswassers immer wieder gestört, und es muss sich deshalb eine von den Blättern ausgehende, durch den Holz- körper des Stammes bis in die Wurzeln nach rückwärts fortschreitende Wasser- bewegung, welche durch Imbibitionsprozesse vermittelt wird, geltend machen. Dabei ist von Belang, dass, wie SACHS in seiner mehrfach citirten Schrift (pag. 314) hervorhebt, gerade das vom Holz imbibirte Wasser so leicht verschiebbar ist, und wir brauchen gar kein Bedenken zu tragen, zu behaupten, dass das Wasser unter Vermittelung der Imbibitionsprozesse bis in die Kronen der höchsten Bäume geleitet werden kann.?) b) Die Geschwindigkeit der Wasserleitung in den Pflanzen. Die Frage nach der Geschwindigkeit der Wasserleitung in den Gewächsen ist bereits von Hares vor langer Zeit in’s Auge gefasst worden. Neuerdings haben Mac NAB, PFITZER?), sowie SacHs*) die bezüglichen Verhältnisse auf's Neue unter Be- nutzung verschiedener Methoden eingehender verfolgt, und ich möchte hier nur auf einige Resultate hinweisen, welche der zuletzt genannte Forscher erzielte. Es ist wichtig, dass die Untersuchungsobjecte im Zustande möglichst lebhafter I) Vergl. SacHs, Arbeiten des botan. Instituts in Würzburg. Bd. 2. pag. 306. 2) Man hat früher, zumal auf Grund der Untersuchungen JAMIns (Compt. rend. 1860, T. 50, pag. 172) geglaubt, der Capillarität eine grosse Bedeutung für den Prozess des Saftsteigens im Holz beimessen zu dürfen. Diese Ansicht muss man natürlich heute fallen lassen. 3) Vergl. PFITZER, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissensch. Botanik. Bd. ıı. pag. 183. #) Vergl. Sachs, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. 2. pag. 148. = ur 5 F EEE A FE 1 Ye fi 1 100 System der Pflanzenphysiologie. Transpiration zur Verwendung gelangten. Den unversehrten Wurzeln der Pflanzen wurde Lithiumsalpeter dargeboten und nach Verlauf einiger Zeit spectro- skopisch geprüft, bis zu welcher Höhe sich das Lithium in den Gewächsen erhoben hatte. Einige Beobachtungen lieferten die folgenden Ergebnisse: Wurzeln in Nährstofflösungen. Steighöhe pro Stunde. SURKTORES Fu er LS Eentim: ARRE IVOVSE EEE tele alas 36 ” Wurzeln in Erde. Micotiana Tabaum . . . . 118 en Musa sapientum . . . .. 99,7 n Gucurbtia, Reno, 2. nes 63 e Helianthus annuus . » . . 63 nn Podocarpus macrophylla . . . 18,7 ' S 45. Die Transpiration der Gewächse. — a) Die Organisation der Pflanzen und die Transpiration. Es ist allerdings unzweifelhaft, dass die Blätter als die eigentlichen Transpirationsorgane der Pflanzen aufzufassen sind; dennoch darf nicht übersehen werden, dass ebenso anderweitige Theile der Ge- wächse, die mit der Luft in Berührung stehen, Wassergas an dieselbe abgeben können. Ich habe hier natürlich vor allen Dingen die Stammgebilde im Auge, muss aber bemerken, dass die Transpirationsgrösse derselben in der Regel eine nur sehr unbedeutende ist. Die Stammgebilde haben unter anderem die Aufgabe zu erfüllen, die Wasserleitung zwischen den wasseraufsaugenden Organen (Wurzeln) und den Transpirationsorganen (Blättern) zu vermitteln, und sie sind daher in Folge ihrer gesammten ÖOrganisationsverhältnisse vor bedeuten- deren Wasserverlusten geschützt. Dies tritt schon insofern bei den grünen Stengeln krautiger Pflanzen hervor, als dieselben im Vergleich zu ihrem Volumen eine relativ geringe Oberfläche besitzen. Wenn mit fortschreitendem Alter der Stengeltheile die Peridermbildung erfolgt, so wird durch das Entstehen des Korkgewebes die Transpiration der Organe noch mehr deprimirt, denn die unveränderten Korkzellen sind impermeabel für Wassergas. Sehr bequem lässt sich die Impermeabilität des Korkgewebes für Wasser demonstriren, wenn man die Feuchtigkeitsmengen ermittelt, welche in gleicher Zeit und unter gleichen äusseren Umständen aus geschälten und gleich grossen ungeschälten Kartoffeln entweichen. Die ersteren verlieren, wovon ich mich überzeugte, beträchtliche, die letzteren aber nur sehr geringe Wasserquantitäten, und diese kleinen Feuchtigkeits- mengen verlassen die unversehrten Knollen in Folge des Vorhandenseins von Lenticellen und Rissen im Korkgewebe.!) Wenn die Stämme der Holzpflanzen 3orkenbildungen zeigen, so sind diese natürlich ebenfalls als Schutzeinrichtungen vor irgend wie erheblicheren Wasserverlusten anzusehen. Interessant ist, dass manche Pflanzen, die an sehr trockenen Standorten vegetiren (z. B. Cacteen) keine gewöhnlichen Laubblätter, sondern ganz reducirte Blattgebilde, und massig entwickelte Stammtheile besitzen. Diese Stämme zeigen eine relativ geringe Oberfläche; ihre Epidermiszellen sind ausserordentlich stark cuticularisirt, so dass die 'Transpiration der Gewächse auf ein Minimum beschränkt bleibt, und die inneren Gewebemassen der Pflanzen selbst dann, wenn dieselben auf einem Boden vegetiren, dem lange Zeit hindurch keine Feuchtigkeit zugeführt wird, sehr wasserreich bleiben. !) Auch die von Periderm überzogenen Stammtheile können unter Vermittlung von Lenti- cellen und Rindenrissen geringe Wassermengen verlieren. II. Abschnitt. 7. Die Wasserbewegung in den Pflanzen. 101 Wenn ich mich nunmehr zur Betrachtung des Verhaltens der eigentlichen Transpirationsorgane, der Blätter nämlich, bei der Wasserverdunstung wende, so dürfte namentlich das Folgende zu bemerken sein. ı. Es ist bekannt, dass reines Wasser schneller verdunstet als das Wasser einer Salzlösung. Die Pflanzenzellen sind nicht von reinem Wasser imbibirt, son- dern sie halten Lösungen sehr verschiedenartiger Körper fest, und es ist somit zu schliessen, dass die Natur der gelösten Substanzen sowie die Concentrations- verhältnisse des Zellsaftes nicht ganz ohne Einfluss auf den Verlauf des Transpi- rationsprozesses sein werden. 2. Das soeben erwähnte Moment führt bereits dahin, dass von einer gegebenen Blattfläche selbst unter den denkbar günstigsten Umständen weniger Wasser abdunstet, als von einer gleich grossen freien Wasserfläche. Aber auch andere Umstände müssen in demselben Sinne wirken. Es ist nämlich sicher, dass Wassermoleküle, welche durch Imbibitionskräfte festgehalten werden, unter dem Einflusse gleicher äusserer Umstände nicht so leicht in die Luft übergehen wie Wassertheilchen, auf welche lediglich von Seiten anderer Flüssigkeitsmole- küle Anziehungskräfte ausgeübt werden, denn jene Imbibitionskräfte machen eine viel energischere Wirkung als diese letzteren Kräfte geltend. Ueberdies tritt das Wassergas bei der Transpiration der Blätter ja vorwiegend nur aus den Spalt- öffnungen hervor, während ein bedeutender Theil der Blattoberfläche, der von den cuticularisirten Epidermiszellen gebildet wird, höchstens geringe Feuchtigkeits- mengen an die Luft abgiebt. Zwar ist es ja gewiss, dass das Wassergas, das aus den Spaltöffnungen hervortritt, in den Intercellylarräumen des Blattgewebes gebildet wird, aber trotzdem kann die Transpiration der Blätter nicht übermässig gesteigert werden und nicht so bedeutend wie die Wasserabgabe einer ent- sprechenden freien Wasserfläche ausfallen.?)?) 3. Ein und dasselbe Blatt verdunstet, bezogen auf die Flächeneinheit des- selben, während der einzelnen Entwicklungsstadien, die es durchmacht, durchaus nicht immer die nämlichen Wasserquantitäten. Die genauesten Angaben über dies Verhältniss liegen wol von HöHnEL®) vor. Die Versuche mit den Blättern von Beta, Brassica, Cucurbita etc. zeigten, dass die jüngsten Blätter ein Transpirations- maximum repräsentiren, dass während der Entwicklung der Blätter die Transpi- rationsgrösse anfangs fällt, um dann wieder zu steigen. Weiter macht sich ein zweites Transpirationsmaximum geltend, von wo aus wieder ein langsames Fallen beginnt. Die Beobachtungen an den verschiedenalterigen Blättern von Deia vul- garis lieferten z. B. folgende Ergebnisse: Nasder Blätter’! 1, DL, II IV. Ve. ZYL VIE SV TR. R, Transpir. pro Stunde u, zoogCent. in Mgrm. 123,6 77,2 74,7 52,8 81,2 94,7 77,0 62,7 64,2 64,0 N) Ich glaube bestimmt, dass die hier geltend gemachten Anschauungen der Hauptsache nach richtige sind, trotzdem exacte experimentelle Untersuchungen über die berührten Verhältnisse noch nicht vorliegen. Derartige Untersuchungen sind übrigens nicht so leicht anzustellen, als man auf den ersten Blick glauben möchte. 2) Getödtete Blätter verdunsten nachgewiesenermaassen grössere Wassermengen als lebende. Der Turgor der Blattzellen geht in Folge der Vernichtung ihrer Lebensfähigkeit verloren; ein er- heblicher Theil des Zellsaftes tritt an die Blattoberfläche hervor, und dies führt eine rasche Wasser- verdunstung herbei. 3) Vergl. HöHneL, WorLny’s Forschungen auf d. Gebiet d. Agriculturphysik. Bd. 1. pag. 315. 102 System der Pflanzenphysiologie. Es ist gewiss, dass der Wassergehalt der Blätter, der im Verlaufe der Ent- wicklung derselben, wie bereits an anderer Stelle angeführt worden, Schwankungen erleidet, nicht ohne Einfluss auf den Verlauf der Transpiration sein wird. Aber es ist zu bemerken, dass dieser Factor bei der Beurtheilung der hier in Rede stehenden Verhältnisse nicht sehr ins Gewicht fällt, denn Transpirationsgrösse und Wassergehalt der Blätter laufen durchaus nicht immer parallel. Die zunächst sich geltend machende Verminderung der Transpirationsgrösse wird wesentlich durch die fortschreitend bedeutender werdende Verdickung der Cuticula bedingt. Wenn weiterhin die Spaltöffnungen ihre vollkommene Ausbildung erfahren und sich sämmtlich öffnen, so muss die stomatäre Transpiration lebhafter werden, und da- mit ist die Ursache für das Zustandekommen einer erneuten energischen Wasserverdunstung von der Blattoberfläche, wie sie ja thatsächlich zur Geltung kommt, gegeben. Schliesslich wird die Transpirationsgrösse allerdings wieder geringer. 4. Die Transpirationsgrösse gleichalteriger Blätter verschiedener Pflanzen- species (bezogen auf gleiche Oberflächen, gleiche Gewichte oder Volumina der Organe) ist keineswegs dieselbe. Man wird unmittelbar zu einer solchen Ansicht hingeführt, wenn man bedenkt, dass die spezifischen Organisationsverhältnisse der Blätter von erheblichem Einfluss auf die Wasserverdunstung derselben sind. Es kommt hierbei in Betracht, dass verschiedene Blätter nicht dieselbe Zahl von Spaltöffnungen besitzen, dass die Weite sowie die Gestalt der Intercellularräume sehr mannigfaltig sein können, dass die Cuticula verschiedener Blätter nicht die- selbe Beschaffenheit aufweist und in Folge dessen bald mehr, bald minder per- meabel für Wasser ist!) etc. Im Allgemeinen ist zu bemerken, dass die Laub- blätter schnell wachsender Pflanzen von zarter, krautiger Natur am lebhaftesten transpiriren. Eine relativ schwache Wasserverdunstung unterhalten hingegen die lederartigen immergrünen Blätter sowie die sehr stark behaarten Blätter. 5. In der Mehrzahl der Fälle ist die Unterseite der Blätter reicher an Spalt- öffnungen als die Oberseite. Dem entsprechend verdunsten von der Blattunter- seite in der Zeiteinheit grössere Wasserquantitäten als von der Oberseite. Ein derartiges Verhältniss ist bereits von GARREAU?) und auch neuerdings unter Benutzung verbesserter Methoden von HÖHNEL (vergl. dessen soeben citirte Abhandlung) constatirt worden. Eine genaue Proportionalität zwischen der Anzahl der vorhandenen Spaltöffnungen und der Transpirationsgrösse ist aber dennoch schon von vornherein nicht zu erwarten. 6. Man hat sich häufig bemüht, die Wassermengen festzustellen, welche die Gesammtmenge der Pflanzen, die eine bestimmte Bodenfläche einnehmen, im Verlaufe ihrer Vegetation an die Atmosphäre abgeben. Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Untersuchungen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sind, und dass die Resultate derselben selbst im besten Falle der Wahrheit höchstens einigermaassen nahe kommen können. Erwähnenswerth erscheinen mir dennoch die Angaben HABERLANDT's.?) Derselbe gelangte durch seine ausführ- lichen Untersuchungen zu dem Ergebniss, dass, wenn ein Hektar Bodenfläche in runder Zahl von einer Million Individuen der Getreidearten bedeckt ist, durch !) Man vergl. Ever, Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. in Wien. 1875. Octoberheft. 2) Vergl. GARREAU, Annal. d. sc. nat. 1850. ®) Vergl. HABERLANDT: Landwirthsch. Jahrbücher, Bd. 5. pag. 85 und wissenchaftl. prakt. Untersuchungen auf dem Gebiete d. Pflanzenbaus, Bd. 2. pag. 146. II. Abschnitt. 7. Die Wasserbewegung in den Pflanzen. 103 Transpiration derselben im Mittel die folgenden Wassermengen in die Atmo- sphäre übergehen. Sommerroggen pro Hektar im Ganzen 834890 Kilogrm. Sommerweizen „, „ „ „ 1179920 ” Gerste „ » „ „ I 236710 2) Hafer m) „ [2 2) 1277 760 ”„ Die verdunsteten Wassermengen entsprechen Wassersäulen, welche den Boden 83,5, 118,0, 123,7 und 127,8 Millim. hoch bedecken würden. Zieht man nun in Erwägung, dass der Getreidebau selbst noch in solchen Gegenden mög- lich ist, wo der gesammte jährliche Niederschlag nur 370—400 Millim. beträgt, und bedenkt man ferner, dass von dieser Wassermenge höchstens # bis 3, sonach 123—ı133 oder 148—160 Millim., den Getreidepflanzen zu Gute kommen können, so wird man in der Ansicht bestärkt, dass die Resultate der Unter- suchungen HABERLANDT’s die Transpirationsgrösse der genannten Pflanzen relativ genau zum Ausdruck bringen. Diese Ergebnisse sind auch in sofern beachtens- werth, als sie lehren, dass wir nicht nöthig haben, das Condensationsvermögen des Bodens für Wassergas in Anspruch zu nehmen, um zu einer befriedigenden Vorstellung über die Wasserbilanz des Bodens zu gelangen. b) Die Einwirkung äusserer Verhältnisse auf die Transpiration. — ı. Denken wir uns, eine Pflanze wurzele in einem sehr wasserreichen Boden, dem aber fortan keine Feuchtigkeit mehr zugeführt werde. Die Transpiration der Pflanze kann zunächst unter günstigen Umständen sehr bedeutend ausfallen; sie muss aber allmählich schwächer und schwächer werden, und es kann das Untersuchungsobject sogar schliesslich unter den bezeichneten Umständen welken. Führt man dem Boden neue Wassermengen zu, so muss die Transpirationsgrösse der Pflanze wieder steigen. Nach dem Gesagten ist von selbst einleuchtend, dass die Verdunstungsgrösse der Gewächse sich abhängig erweist von dem Wassergehalt des Bodens sowie von all jenen Momenten, die von Einfluss auf die Wasseraufnahme seitens der Pflanzenwurzeln sind. (Bodentemperatur, Feuchtigkeitsgehalt des Bodens, Concentration der Bodenflüssigkeit etc.). 2. Bei gleich bleibender Lufttemperatur wird die Transpiration um so ausgiebiger sein müssen, je geringer der Feuchtigkeitsgehalt der Luft ist. Uebrigens kann eine Pflanze selbst in einer völlig mit Wassergas gesättigten Atmosphäre geringe Wassergasmengen ausgeben. Es ist nämlich bekannt, dass in den Gewächsen in Folge verschiedenartiger Prozesse, zumal in Folge von Stoff- wechselvorgängen, Wärme producirt wird. Diese Eigenwärme der Pflanzen lässt sich an denselben, wenn sie stark transpiriren, nur in seltenen Fällen direkt constatiren, da mit dem Vorgange der Wasserverdunstung selbst, ein Verbrauch von Wärme verbunden ist. Bei möglichst behinderter Transpiration kann aber die Eigenwärme dazu verwandt werden, die Temperatur des Pflanzenkörpers über diejenige der Umgebung zu erhöhen. Wenn nun die Pflanze eine höhere 'Tem- peratur als die umgebende, mit Wassergas gesättigte Luft besitzt, so zeigt das Wassergas in den Intercellularräumen eine höhere Spannung als das Wassergas in der umgebenden Luft. Dasselbe wird deshalb aus den Spaltöffnungen ent- weichen und ausserhalb des Organismus natürlich sofort eine Condensation zu tropfbar-flüssigem Wasser erfahren. 3. Bei constant bleibendem relativem Feuchtigkeitsgehalt der Luft steigt und fällt die Transpirationsgrösse mit der Temperatur. 104 System der Pflanzenphysiologie. 4. Die Bewegung der Luft kann schon insofern eine Steigerung der Wasser- verdunstung herbeiführen, als in Folge jener Bewegung die Luftschicht über den Transpirationsorganen fortdauernd erneuert wird. $ 5. Wenn die Luftbewegung lebhaft ist und die Pflanzen in Folge dessen Erschütterungen erfahren, so bedingen diese, wovon ich mich überzeugte, eine Steigerung der Transpirationsgrösse. 6. Dass die Transpiration unter dem Einflusse des Lichtes lebhafter verläuft als im Finstern, betrachte ich unter Berücksichtigung der Resultate, zu denen BARANETZKY!), ich?) sowie WIESNER®) bei bezüglichen Untersuchungen gelangt sind, als eine sicher constatirte Thatsache. Als Ursachen, welche die Wasser- verdunstung im Licht erhöhen, sind gewiss verschiedene anzusehen. Einerseits führt das Licht eine Erweiterung der Spaltöffnungen herbei, wie bereits früher angegeben worden ist; weiter aber darf wol mit WIESNER angenommen werden, dass die Lichtstrahlen in der Pflanze unter Vermittelung des Chlorophylis in Wärme umgesetzt werden, und in Folge dessen die Transpirationsgrösse steigern. WIESNER fand nämlich, dass nicht die Lichtstrahlen von grösster subjectiver Helligkeit den Verdunstungsprozess am meisten begünstigen, sondern dass eine . derartige Wirkung insbesondere von denjenigen Lichtstrahlen zur Geltung ge- bracht wird, welche zugleich am energischsten von dem Chlorophylilfarbstoff absorbirt werden, also gewisses strahlendes Roth und Blau. 7. Ob in den’ Pflanzen selbst Ursachen existiren, welche eine tägliche Periodicität der Transpiration bedingen, die sich unabhängig von der direkten Wirkung äusserer Umstände (Wärme- sowie Feuchtigkeitsverhältnisse der Luft und Beleuchtung) geltend macht, ist noch fraglich. Von UNGER®) wurde eine solche Periodicität behauptet; neuerdings ist ihre Existenz häufig geradezu ge- leugnet worden. Für mich ist das Problem noch keineswegs erledigt. S 46. Das Zusammenwirken des Wurzeldrucks, der Wasser- bewegung in den Stammgebilden und der Transpiration. — Für die Beurtheilung des Prozesses der Wasserbewegung im vegetabilischen Organismus ist es schliesslich noch von Wichtigkeit, nicht zu vergessen, dass das Gesammt- resultat jenes Vorganges sich wesentlich von der Energie, mit der die einzelnen betheiligten Prozesse verlaufen, abhängig erweisen muss, und dass das Statt- finden eines Vorganges einen erheblichen Einfluss auf den Verlauf eines anderen Vorganges ausüben kann. Wenn die Transpiration der Gewächse zur Zeit des Erwachens der Vegetation im Frühling sehr gering ist, so wird das Wasser, welches unter Vermittelung des Wurzeldrucks in den Holzkörper des Stammes hineingepresst wird, nicht in dem Maasse, wie dasselbe in die Pflanze übergeht, verbraucht. Es muss sich deshalb ein erhebliches Flüssigkeitsguantum im Organismus ansaımmeln und bei Ver- letzung desselben ausfliessen. Ich fand in der That, dass aus Bohrlöchern, die ich im Frühjahr an Birken anbrachte, deren Blätter noch nicht entfaltet waren, sofort Saft ausfloss. Kurze Zeit darauf, nachdem die Blätter sich entfaltet hatten und eine lebhaftere 'I'ranspiration der Birken begonnen hatte, hörte der Saftausfluss I) Vergl. BARAnETZKY, Botan. Zeitung. 1872, pag. 97. 2) Vergl. Dermer, Theorie d. Wurzeldrucks im 8. Heft d. ersten Bandes von PREYERS physiolog. Abhandlungen. pag. 47. #) Vergl. WıEsner, Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. zu Wien. 1876. Octoberheft. *#) Vergl. UnGER, Anat. u. Phys. d. Pflanzen. 1855, pag. 333. II. Abschnitt. 7. Die Wasserbewegung in den Pflanzen. 105 aber auf. Derselbe war während des Sommers niemals zu constatiren; die Unter- suchungsobjecte sogen vielmehr jetzt, wenn das Glasrohr, welches in das Bohr- loch eingeführt worden war, mit seiner freien Oeffnung unter Wasser getaucht wurde, dieses Wasser ein. In Folge der Transpiration war also der Saft aus den Hohlräumen des Holzkörpers der Bäume verschwunden. Die Luft in den Gefässen muss unter negativem Druck gestanden haben, und aus diesem Grunde wurde das Wasser durch den Luftdruck in den Pflanzenkörper hin- eingepresst. Ich habe auch beobachtet, was sich unter Berücksichtigung des Gesagten leicht erklärt, dass zur Zeit lebhafteren Wurzeldrucks in den Birken, lediglich in der Nacht und am Morgen Saft aus den Bohrlöchern austrat, am Tage, wenn die Wasserverdunstung der Pflanzen energischer wurde, hörte der Saftausfluss auf. Dass der Wurzeldruck in den Gewächsen aber auch im Sommer zur Geltung kommen kann, unterliegt keinem Zweifel. Werden die oberirdischen Theile solcher Pflanzen, die vor irgend lebhafterer Transpiration geschützt waren, während der warmen Jahreszeit dicht über dem Boden abgeschnitten, so tritt sofort Flüssigkeit aus deren Wurzelstöcken hervor. Der Saftausfluss ist zunächst am lebhaftesten und nimmt allmählich ab. Wenn die Pflanzen vor der Verletzung stark transpirirt hatten, so liefert der Wurzelstock zunächst keinen Saft, er saugt sogar Wasser, mit dem die Wundfläche in Contact geräth, ein. Erst allmählich macht sich ein Saftausfluss geltend. Es ist gewiss, dass in stark transpirirenden Pflanzen keine einzige Zelle, selbst keine Wurzelzelle, das höchste Maass des Turgors zeigt!), und dass unter solchen Verhältnissen der Wurzeldruck gar nicht zu Stande kommt. Dann wird die Wasserbewegung in den Gewächsen allein unter Vermittelung der durch die Wasserverdunstung eingeleiteten Imbibitionsprozesse erfolgen müssen. Uebrigens ist hier zu bemerken, dass die Saftmengen, welche in Folge des Wurzeldrucks in den Holzkörper der Pflanze hineingepresst werden, wol niemals, selbst dann nicht, wenn die denkbar günstigsten Bedingungen für das Zustandekommen des letzteren herrschen, hinreichen, um die gesammten Transpirationsverluste zu decken.?2) Man hat nämlich gefunden, dass aus den Wurzelstöcken von Pflanzen weit weniger Saft ausfliesst, als die abgeschnittenen beblätterten Stengel derselben Pflanzen, aufzusaugen vermögen). So z.B. betrug die Saugung des Gipfels einer Tabakpflanze in 5 Tagen 200 Cc., während der Wurzelstock in derselben Zeit nur 15,7 Cc. Flüssigkeit ausschied. Wenn die Transpiration während längerer Zeit mit grosser Energie statt- findet, und den Pflanzen überdies nur relativ kleine Wassermengen im Boden zur Disposition stehen, so genügt das von den Wurzeln aufgenommene Wasser- quantum häufig nicht, um den Blättern hinreichende Feuchtigkeitsmengen zuzu- führen. Die Gewächse müssen unter diesen Umständen welken, und diese Er- N) Es liegt auf der Hand, dass die Pflanzen, wenn ihre Zellen auch nicht das höchste Maass des Turgors zeigen, doch noch nicht welk zu sein brauchen. Der welke Zustand tritt erst ein, wenn der Turgor beträchtlich. sinkt. 2) Für das richtige Verständniss dieses Satzes ist es erforderlich, nicht aus dem Auge zu lassen, dass ich hier unter »gesammten Transpirationsverlusten«e die Wassermenge verstehe, welche eine Pflanze überhaupt während der Dauer einer Vegetationsperiode an die Luft abgiebt. 3) Vergl. Sachs, Lehrbuch d. Botanik, 4. Aufl., pag. 661 und H. DE VRIES, Arbeiten des botan. Instituts in Würzburg, Bd. ı, pag. 287. DER a I taten at Ace 7 © c RES ZN NET 3 7 106 System der Pflanzenphysiologie. scheinung beobachtet man ja häufig genug, bei der Betrachtung der Vegetation am Abend nach heissen Sommertagen.!) Der Turgor der Zellen der Blätter ist erheblich deprimirt, und diese Organe hängen mehr oder minder schlaff herab, aber sie nehmen bei erneuter lebhafterer Wasserzufuhr oder verminderter Trans- piration ihr normales Aussehen wieder an. Im Zusammenhange mit den hier berührten Verhältnissen muss noch auf das sehr merkwürdige Verhalten abgeschnittener Pflanzentheile hingewiesen werden.?) Schneidet man Sprosse in der Luft ab und stellt sie mit der Schnitt- fläche in Wasser, so tritt das Welken derselben alsbald ein, im Allgemeinen um so früher, je länger sich die Schnittfläche mit der Luft in Contact befand. Dieses schnelle Welken kann man verhindern, wenn man den Spross nicht in der Luft, sondern unter Wasser von der Mutterpflanze abtrennt und dafür sorgt, dass die‘ Schnittfläche gar nicht mit Luft in Berührung geräth. Sachs sowie H. DE VRIES sind der Ansicht, dass das schnelle Welken der in Luft abgeschnittenen und dann in Wasser gestellten Sprosse eine Folge der schnell veränderten Leitungs- fähigkeit des Pflanzengewebes für Wasser sei, welche ihrerseits durch Wasser- verlust der sich direkt mit der Luft in Contact befindenden Zellen an der Schnittfläche bedingt werde und in einer nicht näher bekannten Veränderung des Zustandes dieser Zellen bestehe. Von solchen Gesichtspunkten aus suchen die genannten Forscher auch die folgenden Phänomene zu erklären. Wenn man in welke Sprossen Wasser unter Druck hineinpresst, so werden dieselben wieder turgescent. Dasselbe ist der Fall, wenn man von solchen Sprossen, die in der Luft abgeschnitten worden sind, dann einige Zeit im Wasser gestanden haben und welk geworden sind, ein hinreichend langes Stück über der ersten Schnittfläche unter Wasser abschneidet. Es verliert eben nur das Gewebe des unteren Theiles eines in der Luft abgeschnittenen Sprosses die normale Wasserleitungsfähigkeit, und daher genügt die Entfernung dieser Partie des Pflanzentheiles, um denselben auf’s Neue turgesciren zu sehen.?) I) Uebrigens können die Pflanzen auch welken, wenn ihre Wurzeln sich mit einem wasser- reichen Boden in Berührung befinden. Wenn nämlich die Temperatur eines solchen Bodens keine hohe ist, so wird keine hinreichende Wassermenge aufgesogen, um die Transpirations- verluste zu decken. 2) Vergl. Sachs, Lehrbuch, pag. 654 und H. DE VRrIES, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. ı, pag. 297. 3) Neuerdings hat sich auch HönHneL (vergl. HABERLANDT’s wissensch.-prakt. Untersuchungen auf d. Gebiete d. Pflanzenbaues, Bd. 2, pag. 120, sowie botan. Zeitung 1379, pag. 319) mit der Frage nach den Ursachen des Welkens abgeschnittener Sprosse beschäftigt., In den citirten Ab- handlungen macht HÖHNEL auf verschiedene beachtenswerthe Momente aufmerksam, ‚aber jene Anschauung, dass das Pflanzengewebe an sich in Contact mit der Luft Veränderungen erfahren kann, wodurch die Wasserleitungsfähigkeit desselben sehr vermindert wird, erachtet er für unhaltbar. Ueber das Wesen dieser Veränderung sind wir allerdings noch nicht unterrichtet; dass sie faktisch zur Geltung kommt und neben den von HÖHNEL hervorgehobenen Momenten sehr bedeutungsvolle Folgen hat, scheint mir aber unzweifelhaft und auch durch Angaben von SACHS (vergl. Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg, Bd. 2, pag. 316) noch speciell bestätigt zu sein. =. ” — r} 4 ” “ Lö u 9 > “ x nV d u 173 II. Abschnitt. 8. Die Mineralstoffaufnahme seitens der Pflanzen. 107 Achtes Kapitel. Die Mineralstoffaufnahme seitens der Pflanzen. 8 47. Allgemeines. — Es ist bereits an einer andern Stelle dieses Buches mit Nachdruck betont worden, dass der Vegetation, wenn sie sich normal entwickeln soll, bestimmte Mineralstoffe zur Disposition stehen müssen. Die Wurzeln der Gewächse sind nun in erster Linie als diejenigen Organe anzusehen, denen neben der Aufgabe, das Wasser aufzusaugen, ebenfalls diese Aufgabe zufällt, den Organismus mit hinreichenden Mineralstoffmengen zu versorgen, und es wird sich in diesem Capitel darum handeln, zu untersuchen, welche Prozesse sich bei dem Zustandekommen der beregten Function der Wurzeln geltend machen. L Es musste den Beobachtern auffallen, dass verschiedene Pflanzen, deren Wurzeln sich in ein und demselben Medium (Boden oder Wasser) entwickeln, die einzelnen Mineralstoffe trotzdem keineswegs in demjenigen Verhältnisse, in welchem sich dieselben in jenem Medium vorfanden, enthielten. So ermittelte z. B. ScHuLz-FLEETH!) die folgenden Kali-, Kalk- und Phosphorsäurequantitäten in 1000 Theilen Wasser und in je 100 Theilen Asche der folgenden in jenem Wasser erwachsenen Pflanzen: : ı00o Theile der Asche von ı0o00 Theile Wasser Chara Hollonia enthielten. enthielten. K,0 0,0054 0,49 8,34 CaO 0,0533 5473 21,29 P,O, 0,0006 0,31 2,88 Ueberblickt man diese Zahlen, so zeigt sich, dass das Verhältniss von Kali zum Kalk im Wasser etwa — 1:10, in der Asche von Chara etwa = 1:108 und in der Asche von Yottonia etwa = 1: 2,5 ist. Solche Erfahrungen haben die älteren Physiologen wol auf die Vermuthung gebracht, dass jede Pflanze den verschiedenen Mineralstoffen gegenüber ein Wahlvermögen zeige und unter Ver- mittelung vitaler Kräfte diese oder jene Stoffe in besonders erheblichen Mengen aufsaugen. Eine derartige Anschauung entspricht dem heutigen Standpunkte unserer Wissenschaft durchaus nicht. Die moderne Physiologie sucht vielmehr alle Lebenserscheinungen von physikalisch-chemischen Gesichtspunkten aus zu erklären, und gelingt dies nicht, so sieht man sich dennoch keineswegs veranlasst auf das Princip der Lebenskraft zurückzugreifen, sondern man bleibt sich des Umstandes wol bewusst, dass unsere heutigen Untersuchungsmethoden nicht ent- fernt ausreichen, um den wahren Ursachen der physiologischen Prozesse im vegetabilischen Organismus auf den Grund zu kommen. Die Fragen nach derjenigen Ursache, welche bei der Mineralstoffaufnahme seitens der Pflanzen wirksam sind, können heute noch keineswegs in durchaus befriedigender Weise beantwortet werden, aber es ist allerdings bereits möglich, auf verschiedene wichtige Gesichtspunkte, welche bei der Lösung der bezüglichen Probleme nicht aus dem Auge gelassen werden dürfen, hinzuweisen, und dies soll vor allen Dingen im Nachfolgenden geschehen. Es leuchtet von vornherein ein, dass sich die Verhältnisse der Mineralstoff aufnahme am einfachsten gestalten werden, wenn die Wurzeln sich lediglich mit Wasser, in welchem verschiedene Stoffe in Lösung vorhanden sind, in Con- !) Vergl. ScCHULZ-FLEETH, Poggd. Annal. 1851. Bd. 160. pag. 80. 108 System der Pflanzenphysiologie. tact befinden. Viel verwickelter sind die Verhältnisse dann, wenn die Pflanzen im Boden wurzeln. Unter solchen Umständen nehmen die Wurzelzellen die Mineralstoffe natürlich ebenfalls in gelöster Form auf, denn die ganze Beschaffen- heit der Wurzelzellen ist ja eine derartige, dass nur in Lösung vorhandene Mineralstoffe in dieselben eintreten können. Aber woher stammen diese Lösungen im Boden? Zunächst ist klar, dass das vom Boden festgehaltene oder auch frei in dem- selben circulirende Wasser bestimmte Pflanzennährstoffe in Lösung enthält. Das Wasser der meteorischen Niederschläge führt schon verschiedene Körper, die dasselbe aus der Atmosphäre aufnahm, in Lösung, wenn es mit dem Boden in Berührung gelangt. Nunmehr wirkt das Wasser aber weiter auf viele Boden- bestandtheile lösend und zersetzend ein, und die in Folge der Zersetzung organischer Substanzen im Boden entstehende Kohlensäure trägt nicht wenig dazu bei, den Gehalt der Bodenflüssigkeit an Pflanzennährstoffen noch mehr zu steigern. Es ist aber von besonderem Interesse, dass die Pflanzenwurzeln nicht nur im Stande sind, dem Organismus die in der Bodenflüssigkeit vor- handenen Substanzen gleichzeitig mit dem Wasser zuzuführen, sondern dass den- selben überdies noch die Fähigkeit zukommt, ein nicht unerhebliches Quantum von Pflanzennährstoffen, welches zunächst noch im ungelösten Zustande im Boden zugegen ist, durch eigenthümliche Prozesse, die wir weiter unten specieller zu betrachten haben, selbst in Lösung überzuführen, und schliesslich aufzunehmen. S 48. Das Verhalten der Wurzeln in Berührung mit Nährstoff- lösungen. — Ich sehe hier zunächst völlig davon ab, dass den Pflanzenwurzeln, wie soeben bemerkt, die Fähigkeit zukommt, auf gewisse Bodenbestandtheile lösend einzuwirken. Dagegen soll es in diesem Paragraphen unsere Aufgabe sein, das Verhalten der Wurzeln bereits vorhandenen Lösungen gegenüber näher ins Auge zu fassen, und vor allen Dingen muss es sich darum handeln, die in dieser Beziehung auf experimentellem Wege festgestellten Thatsachen näher kennen zu lernen. Die ersten eingehenderen Studien über die Salzaufnahme seitens der Pflanzen- wurzeln sind von DE SaussurE durchgeführt worden!). Derselbe experimentirte mit Zolvgonum Persicaria sowie Bidens canabina, und er stellte die aus dem Boden gehobenen Untersuchungobjecte so lange in destillirtes Wasser, bis die Wurzel- spitzen der Pflanzen sich zu verlängern begannen. Darauf wurden die Gewächse mit Salzlösungen in Berührung gebracht; sie verweilten in denselben so lange, bis das Volumen der Lösungen sich in Folge der Flüssigkeitsaufnahme seitens der Wurzeln auf die Hälfte vermindert hatte. Hätten die Pllanzenwurzeln die Lösungen genau in derjenigen Concentration, in welcher dieselben den Untersuchungsobjecten dargeboten wurden, aufgenommen, so würden die Lösungsrückstände nach Ab- schluss der Versuche genau die Hälfte der ursprünglich den Pflanzen dargebotenen Stoffe enthalten haben müssen. Es ergab sich aber, dass die Gewächse statt 505 nur die folgenden Mengen der einzelnen Salze aufgenommen hatten: Polygonum Persicaria. Bidens canabina. Chlorkalum” ....... 149% 16,09 CHliomatiumg!'..% ..% vr30 19,0,; Chlorammonium . . . 12,0, 17.0; Schwefels. Natron . . 14,4, I0,0,, Salpetere. Kalk’... 9. 00,07, Sn I) Vergl. DE SAUSSURE, Recherches sur la veg£tation. 1804, pag. 247: II. Abschnitt. 8. Die Mineralstoffaufnahme seitens der Pflanzen. 109 Die Ergebnisse dieser sowie anderweitiger Beobachtungen SaussureE’s be- rechtigen also zu dem Schluss, dass die Pflanzenwurzeln die ihnen zur Disposition stehenden Nährstofflösungen nicht als solche absorbiren, sondern dass sie relativ viel Wasser und verhältnissmässig wenig Salz aufsaugen. (SaussurE’sches Gesetz.) Weitere Versuche DE SAussurE’s, bei deren Ausführung derselbe den Pflanzen ‚nicht ein Salz allein, sondern gleichzeitig gleiche Quantitäten verschiedener Sub- stanzen zur Disposition stellte, haben ergeben, dass die Pflanzenwurzeln die einzelnen Salze, welche nebeneinander in den Lösungen vorhanden waren, nicht in den nämlichen Mengen aufnahmen. u Den Untersuchungen SAUSSURE’s hat man lange Zeit hindurch keine weitere Aufmerksamkeit zugewandt; erst neuerdings ist die Bahn, welche jener Gelehrte betreten hatte, weiter verfolgt worden, und zwar ist es das Verdienst von W. Worr!), sehr eingehende Studien über die Mineralstoffaufnahme seitens der Bohnen sowie Maispflanzen durchgeführt zu haben. Ebenso beschäftigte sich KnoP?) mit den uns an dieser Stelle interessirenden Fragen, und wenn ich die Hauptresultate der Untersuchungen über die Mineralstoffaufnahme seitens der Pflanzenwurzeln kurz zusammenfassen soll, so wäre etwa das Folgende geltend zu machen: ı. Aus den Lösungen verschiedener Salze, mögen dieselben auch die gleiche Concentration besitzen, nimmt eine und dieselbe Pflanze mit denselben Wasser- mengen nicht die gleichen Salzquantitäten auf. 2. Unter gewissen Umständen (bei erheblicherer Concentration der Lösungen) nehmen die Pflanzen aus Lösungen, mit denen sie sich in Berührung befinden, relativ weniger Salz als Wasser auf. 3. Unter anderen Umständen (bei geringer Concentration der Lösungen) treten aus den Salzlösungen relativ grössere Salz- als Wasserquantitäten in den vegetabilischen Organismus über?°). 4. Stehen einer Pflanze gleichzeitig verschiedene Salze in ein und derselben Lösung zur Disposition, so übt häufig die Anwesenheit eines Salzes einen Einfluss auf die Aufnahme eines anderen Salzes aus. Für die Beurtheilung derjenigen Erscheinungen, welche sich bei der Salz- aufnahme seitens der Wurzeln geltend machen, und die, wie betont werden muss, in genauester Beziehung zu jenen bei der Bewegung der Mineralstoffe in den Pflanzen selbst zu Stande kommenden Phänomenen stehen, ist vor allen Dingen nicht zu vergessen, dass die Gewächse keineswegs als einfache Saugapparate fungiren. Würden die Wurzeln die ihnen zur Verfügung stehenden Nährstoff- lösungen als solche aufsaugen, so müssten sich bei lebhafter Transpiration der vegetabilischen Organismen alsbald sehr erhebliche Mineralstoffmengen in denselben anhäufen, und das gesammte Pflanzengewebe müsste wie mit Salzen incrustirt erscheinen. Zwar darf behauptet werden, dass der Transpirationsprozess nicht völlig ohne Einfluss auf den Verlauf der Salzaufnahme seitens der Wurzeln ist®), aber der Hauptsache nach sind doch anderweitige Vorgänge massgebend für den Modus derselben. Als wichtigste Factoren der Salzaufnahme seitens der Pflanzen sind nämlich die Prozesse der Imbibition, der gewöhnlichen Flüssigkeitsdiffusion I) Vergl. W. WoLr, Versuchsstationen, B. 6, pag. 23I u. B. 7, pag. 193. 2) Vergl. Knor, Kreislauf d. Stoffs, B. ı, pag. 655 u. B. 2, pag. 2309. 3) Dieses zuerst von W. WoLr festgestellte Resultat zeigt also, dass das sogen. DE SAUSSURE’sche Gesetz keine allgemeine Gültigkeit besitzt. 4) Man vergl. ScHLösıng, Compt. rend. T. 69, pag. 353. 110 System der Pflanzenphysiologie. und ÖOsmose sowie die speziell im vegetabilischen Organismus zur Geltung kommenden physiologischen Vorgänge, welche den Verbrauch der Mineralstoffe normiren, anzusehen. Von diesen Gesichtspunkten aus wollen wir die vier Haupt- resultate der Untersuchungen SaussurE’s, W. WorLr's und Knor’s betrachten. | Zu ı. Dass ein und dieselbe Pflanze aus Lösungen verschiedener Salze von gleicher Concentration nicht dieselben Salzmengen aufnimmt, wird zum Theil bereits verständlich, wenn man sich an das immer wieder aufs Neue bei der Aus- führung der Untersuchungen über das Wesen der osmotischen Prozesse constatirte Ergebniss erinnert, wonach verschiedene Salze ein und dieselbe Membran mit ungleicher Geschwindigkeit passiren. Namentlich ist hier aber daran zu erinnern, dass diejenigen Körper, welche in der Pflanze in Folge physiologischer Prozesse in erheblichen Mengen verarbeitet werden, auch in beträchtlichen Quantitäten aufgenommen werden müssen. Erfährt ein Stoff im vegetabilischen Organismus keine Verarbeitung, so wird der Pflanzensaft alsbald relativ reich an dieser Substanz sein, und es liegt keine Ursache zur weiteren Aufnahme derselben von aussen vor. Wenn aber ein Körper im Organismus verbraucht wird, also aus dem Zell- safte verschwindet und dadurch seines osmotischen Gegendrucks verlustig geht, so wird dıe Pflanze neue Quantitäten dieser Verbindung aufnehmen können. Zu 2. Die Erscheinung, dass die Pflanzen aus concentrirteren Salzlösungen, mit denen sich ihre Wurzeln in Berührung befinden, relativ wenig Salz, aber viel Wasser aufnehmen, erklärt sich für lebhafter transpirirende Gewächse in folgender Weise. Die von den Pflanzen aufgenommenen Salze können nur in beschränkten Quantitäten im Organismus verarbeitet werden. Die Pflanzensäfte müssen daher alsbald die Concentrationsverhältnisse der den Wurzeln zur Disposition stehenden Salzlösungen annehmen, wodurch der ferneren Salzaufnahme ein Ziel gesetzt wird, während die Wasserströmung durch die Pflanze unbehindert fortdauern kann. Zu 3. Die Erscheinung, dass die Pflanzen den Salzlösungen relativ viel Salze und relativ wenig Wasser entziehen, muss sich namentlich dann geltend machen, wenn man es mit verdünnten Lösungen solcher Stoffe zu thun hat, die in den Zellen der Gewächse eine ausgedehntere Verarbeitung erfahren‘). Diese Stoffe gehen in Folge dessen ihres osmotischen Gegendrucks verlustig, und die Diffu- sionsprozesse führen eine erneute Aufnahme derselben von aussen herbei. Zu 4. Zur Erklärung der Erscheinung, dass die Aufnahme eines Körpers seitens der Pflanzen durch die Gegenwart anderer beeinflusst wird, ist zunächst darauf aufmerksam zu machen, dass z. B. nach NIEwERTH?) das osmotische Ver- halten eines Körpers selbst ausserhalb des Organismus durch die Gegenwart eines anderen Körpers modificirt wird. Wenn ferner z. B. eine Verbindung die Ver- arbeitung einer zweiten Verbindung in den Pflanzenzellen beschleunigt, so muss diese letztere bei Gegenwart jener ersteren in grösseren Quantitäten als bei Ab- wesenheit derselben von aussen aufgenommen werden. Die vorstehenden Auseinandersetzungen bezwecken allein, den Leser ganz im Allgemeinen über das Verhalten der Pflanzenwurzeln Salzlösungen gegenüber zu orientiren. Einer spezielleren Behandlung der berührten Verhältnisse stellen sich überhaupt heute noch erhebliche Schwierigkeiten in den Weg, da die ex- !) In der That werden nach Knop’s Untersuchungen vollständige Nährstofflösungen, mit denen sich Pflanzenwurzeln in Berührung befinden, vor allen Dingen an Kali, Salpetersäure, Phosphorsäure und Schwefelsäure erschöpft. 2) Vergl. NiEWERTH, Inaugural-Dissert. Jena, 1875. II. Abschnitt. 8. Die Mineralstoffaufnahme seitens der Pflanzen. 111 perimentellen Forschungen über die Mineralstoffaufnahme seitens der Pflanzen bis jetzt keineswegs zu einem auch nur einigermaassen befriedigenden Ab- schlusse gebracht worden sind. Ich möchte an dieser Stelle übrigens noch betonen, dass die Salze, welche den Wurzelzellen zur Aufnahme zur Verfügung stehen, in vielen Fällen gewiss nicht als solche in den pflanzlichen Organismus übertreten, sondern dass jene Salze vielmehr häufig unter dem Einfluss der Pflanzenzellen selbst eine Zersetzung erleiden. Dafür sprechen namentlich die Resultate gewisser Beobachtungen von KNnOP, SACHSSE, LEHMANN, SCHREBER, W. Worr!) und BIEDERMANN,”) wonach die Zellen solcher Samen, die sich mit Gyps- lösungen oder Lösungen von Chloriden in Berührung befinden, diese Verbindungen zersetzen können, sowie die Erscheinung, dass Nährstofflösungen, in denen sich Pflanzenwurzeln entwickeln, leicht eine stärker saure oder stärker alkalische Reaction annehmen können.?®) S 49. Das Verhalten der Wurzeln in Berührung mit dem Boden. — Wenn den Gewächsen in der Natur oder unter künstlich hergestellten Be- dingungen allein wässerige Lösungen bestimmter Stoffe zur Disposition stehen, so werden sich die aufnehmenden Pflanzenzellen diesen letzteren gegenüber ın der Weise verhalten, wie dies im vorigen Paragraphen angedeutet worden ist. Wenn die Gewächse sich aber in Contact mit Bodenmassen entwickeln, so machen sich noch eine Reihe anderweitiger Erscheinungen geltend, und für das Ver- ständniss derselben ist namentlich auf das Nachstehende hinzuweisen. 1. Wenn eine Lösung, in der z. B. Kali- oder Ammoniaksalze vorhanden sind, mit Bodenmassen in Contact geräth, so macht sich die merkwürdige Er- scheinung geltend, dass jenen Lösungen mehr oder minder erhebliche Quantitäten des Kalis oder Ammoniaks entzogen werden. Die Fähigkeit des Bodens, in der angedeuteten Weise auf eine Salzlösung einzuwirken, wird durch sein »Absorptions- vermögen« bedingt. An der Ausbildung der Lehre von den Absorptionser- scheinungen hat sich eine grosse Anzahl hervorragender Naturforscher betheiligt. (BRONNER, THOMPSoN, WAv, PETERS, LIEBIG, HENNEBERG, STOHMANN, Knop, A. MAYvER etc.). Ich habe ebenfalls einige Untersuchungen über die hier in Rede stehende wichtige Bodeneigenschaft durchgeführt, aber es liegt mir fern, hier ge- nauer auf die Resultate derselben sowie auf diejenigen anderer Beobachter einzu- gehen.*) Nur wenige Punkte müssen an dieser Stelle hervorgehoben werden. Nicht alle Pflanzennährstoffe werden in gleichem Maasse von den Boden- bestandtheilen absorbirt. Ammoniak, Kali sowie Phosphorsäure absorbirt der Boden sehr lebhaft. Kalk, Magnesia, Natron Schwefelsäure und Kieselsäure vermag der Boden nur in relativ geringen Mengen zu absorbiren. Chlor sowie Salpetersäure werden nicht vom Boden gebunden. Es ist möglich, dass nicht nur die Basis, sondern ebenso die Säure desselben Salzes vom Boden absorbirt wird (z. B. phosphorsaures Kali). Unter Umständen wird allein die Basis, oder allein die Säure eines Salzes, welches in gelöster Form mit Bodenmassen in Con- tact geräth, von diesen festgehalten. Was die Ursachen der Absorptionserscheinungen D) Vergl. Knop, Kreislauf des Stoffs. Bd. 2. pag. 200. 2) Vergl. BIEDERMANN, Versuchsstationen. Bd. 9. pag. 372. 3) Vergl. A. MAvER, Lehrbuch d. Agriculturchemie. 2. Aufl. Bd. ı. pag. 278 und Knop, Kreislauf d. Stoffs. Bd. ı. pag. 603. #) Ich verweise den Leser auf meine umfänglichen Darstellungen über die Absorptions- erscheinungen in meinen naturwissenschaftl. Grundlagen d. allgem. landwirthschaftl. Bodenkunde, 1876. pag. 308. x 112 System der Pflanzenphysiologie. anbelangt, so glaube ich daran festhalten zu müssen, dass die Absorptionspro- zesse als physikalisch-chemische Vorgänge angesehen werden müssen. Ich habe diese Anschauungsweise in meinen naturwissenschaftlichen Grundlagen der Bodenkunde näher zu begründen versucht und bin der Ansicht, dass die Salz- theilchen den Lösungen seitens der Bodenpartikelchen zunächst unter Vermitte- lung rein physikalischer Kräfte (Adhäsionskräfte) entzogen werden. Damit allein kommt aber noch keine eigentliche Absorption zu Stande; diese erfolgt erst, wenn gewisse Bestandtheile der Bodenelemente mit den Salzmolekülen in che- mische Wechselwirkung treten. Die Natur der zur Geltung kommenden chemischen Prozesse kann allerdings eine sehr mannigfaltige sein. Häufig ist der Verlauf der Vorgänge ein derartiger, dass, wenn der Boden z. B. mit einem Salz in Be- rührung gelangt, dessen Basis absorbirt wird, dessen Säure der Boden aber nicht zu binden vermag, die Bodenbestandtheile eine der Menge der absorbirten Basis äquivalente Quantität einer anderen Basis abgeben, die sich ihrerseits mit der nicht absorbirbaren Säure chemisch verbindet. Das neu entstandene Salz bleibt in der Bodenflüssigkeit gelöst. 2. Es liegt auf der Hand, dass die Wassermassen, welche von den absorp- tionsthätigen Bodenbestandtheilen durch Adhäsionskräfte festgehalten werden oder sich im ungebundenen Zustande zwischen den Bodenelementen bewegen, trotz des Absorptionsvermögens dieser letzteren dennoch gewisse Mineralstoffquantitäten in Lösung enthalten können. Denn wenn die Bodenflüssigkeit reich an diesen oder jenen Stoffen ist, so wird häufig nicht die Gesammtmenge derselben absor- birt, und ebenso darf nicht übersehen werden, dass die absorbirten Stoffe, wenn- gleich sie in Folge der erwähnten chemischen Prozesse unzweifelhaft in die Con- stitution der compacten Bodenelemente eingetreten sind, keineswegs in einen absolut unlöslichen, sondern nur in einen schwer löslichen Zustand übergeführt werden. Absorbirte Körper können nachgewiesenermaassen aufs Neue von der Bodenflüssigkeit in Lösung gebracht werden, und somit ist es gewiss, dass den Pflanzenwurzeln, die sich in Contact mit Bodenmassen entwickeln, neben absor- birten ebenso bereits in Lösung vorhandene Nährstoffe zur Disposition stehen. Aber immerhin ist die Menge dieser letzteren eine nicht sehr erhebliche. Dies gilt ganz insbesondere für das Kalı, das Ammoniak sowie die Phosphor- säure, denn diese Körper sind einerseits nur in verhältnissmässig minimalen (Quantitäten im Boden vorhanden, und die Erdtheilchen absorbiren dieselben andererseits besonders lebhaft. Wir gelangen daher schon von vornherein zu dem Resultate, dass den aufnehmenden Wurzelzellen die Fähigkeit zukommen muss, den Bodenmassen absorbirte Stoffe entziehen zu können. Der erste, der mit allem Nachdruck auf dies Vermögen der Wurzelzellen hingewiesen hat, ist Liesıc!) gewesen. Im Anschluss an die Auseinandersetzungen dieses Naturforschers sind dann mannigfaltige Fragen, die sich auf die Mineral- stoffaufnahme der Pflanzen beziehen, von verschiedenen Seiten eingehender be- handelt worden. Ich muss aber darauf verzichten diese, ein vorwiegend prak- tisches Interesse beanspruchenden Fragen hier näher zu beleuchten, und möchte die Aufmerksamkeit des Lesers allein auf jene Untersuchungen hinlenken, welche den Zweck hatten, die Fähigkeit der Wurzeln, dem Boden absorbirte Stoffe zu entziehen, auf experimentellem Wege darzuthun. I) Vergl. Lieeıc, Annal. d. Chem. u. Pharm. Bd. 105. pag. 139. I. Abschnitt. 8. Die Mineralstoffaufnahme seitens der Pflanzen. 113 3. Zunächst ist auf die von NÄGELI und ZÖLLER!) sowie von STOHMANN?) durchgeführten Vegetationsversuche über die Aufnahme absorbirter Nährstoffe hinzuweisen. Der letztere stellte seine Untersuchungen z. B. in der folgenden Weise an: Es wurde Torf mit einer Flüssigkeit, welche verschiedene Nährsteffe enthielt (Mistjauche) in Berührung gebracht, so dass der Torf die letzteren absor- biren konnte. Dann wurde der Torf 3 Wochen lang mit grossen Wassermengen ausgewaschen. Mit dem auf diesem Wege gewonnenen Material (ganz gesättigter Torf) wurden zwei Töpfe angefüllt. Zwei andere Töpfe empfingen eine Mischung, die aus gleichen Theilen des gesättigten und rohen Torfes bestand (halb gesättigter Torf). In zwei weitere Töpfe wurde eine Mischung, die aus ı Theil gesättigtem und 3 Theilen rohem Torf bestand, eingefüllt (4 gesättigter Torf). Endlich wurden noch zwei Töpfe mit rohem Torf beschickt. Am 16. Mai wurden in jeden Topf 5 Maiskörner ausgesäet. Das Bodenmaterial wurde durch Begiessen mit destillirtem Wasser gleichmässig feucht erhalten, und es zeigte sich, dass sich die Pflanzen in Contact mit ganz gesättigtem Torf durchaus normal entwickelten, ja sogar schliesslich reife Samen producirten, während die Pflanzen im rohen Torf klein blieben und bald abstarben. Die Untersuchungsobjecte im halb oder 4 gesättigten Torf bildeten sich zwar nicht so kräftig wie die im ganz gesättigten aus; sie entwickelten sich aber dennoch ziemlich normal. Die Resultate der mitgetheilten Untersuchungen beweisen nun übrigens noch nicht unzweifelhaft, dass den Wurzelzellen die Fähigkeit zukommt, den Boden- elementen im absorbirten Zustande vorhandene Pflanzennährstoffe unmittelbar zu entziehen. Denn man kann annehmen, dass das destillirte Wasser, welches zur Durchfeuchtung der Torfmassen diente, denselben die absorbirten Körper allmählich entzog, so dass den aufnehmenden Wurzelzellen eine Nährstofflösung zur Disposition stand. Aus diesem Grunde ist es nothwendig, hier noch den directen Beweis dafür zu liefern, dass die Pflanzenwurzeln im Stande sind, im ungelösten Zustande vorhandene mineralische Massen anzugreifen. Wenn man polirte Gesteinplatten auf den Boden passender Töpfe legt, die Platten mit Erde bedeckt und in diese Samen aussäet, so werden die sich ent- wickelnden Wurzeln bei ihrem nach abwärts gerichteten Wachsthum alsbald auf jene Gesteinplatten treffen und sich, diesen dicht anschmiegend, auf denselben ausbreiten. Bei der Ausführung derartiger Versuche, die namentlich von SacHs®) unter Benutzung von Marmor-, Dolomit-, Magnesit- sowie ÖOsteolithplatten und sehr verschiedener Pflanzen durchgeführt worden sind, zeigte sich schliesslich, dass die Wurzeln im Stande sind, das Gestein an den Contactstellen aufzulösen und ein mehr oder minder scharf begrenztes Bild ihres Verlaufes auf denselben zurückzulassen. Danach unterliegt es keinem Zweifel mehr, dass die Pflanzen- wurzeln, wie sie unter besonderen Umständen im Stande sind, Gesteinplatten zu corrodiren, ebenso unter natürlichen Verhältnissen lösend und zersetzend auf die Bodenbestandtheile einzuwirken. Auf diese Weise können aber nicht allein absorbirte Stoffe, sondern ebenso geringe Mengen solcher Körper, die sich von vorn herein an der Zusammensetzung der compacten Bodenelemente betheiligten, in Lösung übergeführt werden, um schliesslich in den vegetabilischen Organismus selbst überzugehen. 1) Vergl. NÄGELI und ZÖLLER, Versuchsstationen. Bd. 5. pag. 40. 2) Vergl. STOHMANN, Versuchsstationen. Bd. 6. pag. 424. 3) Vergl. SacHs, Handbuch d. Experimentalphysiologie. pag. 188. SCHENKk, Handbuch der Botanik. Bd. II, 8 114 System der Pflanzenphysiologie. Handelt es sich schliesslich darum, die Ursachen, welche das Zustandekommen der Corrosionserscheinungen bedingen, festzustellen, so ist in erster Linie darauf hinzudeuten, dass sich die aufnehmenden Wurzelzellen (namentlich. die Wurzel- haare) den compacten Bodenelementen überaus dicht anschmiegen, förmlich mit ihnen verwachsen und somit in den innigsten Contact mit denselben gerathen. Die im imbibirten Zustande in den Membranen der erwähnten Zellen vorhandene Flüssigkeit enthält Kohlensäure und vielleicht auch diese oder jene organische Verbindung in Lösung. Diese Flüssigkeit wird also an den Contactstellen zwischen den Bodenelementen und den Pflanzenzellen lösend und zersetzend auf die Erd- theilchen oder grösseren Gesteinbruchstücke einwirken müssen, also zur Ent- stehung löslicher Verbindungen Veranlassung geben, die unmittelbar in die Pflanzenzellen überzutreten vermögen. ZurVeranschaulichung dererwähnten Verhält- nisse hat ZöÖLLER auf Anregung Liepıc’s das folgende Experiment angestellt. Es wurde ein Glasgefäss mit angesäuertem Wasser angefüllt, über die Oeffnung des Glases eine thierische Membran gebunden, so dass jene Flüssigkeit die untere Fläche der Haut berührte, und auf die nach aussen gewandte Seite der Membran gelangten schliesslich Stückchen von phosphorsaurem Kalk. Die saure Flüssigkeit imbibirte die Membran, wirkte lösend auf das Phosphat ein, so dass sich in dem angesäuerten Wasser die Anwesenheit von phosphorsaurem Kalk alsbald constatiren liess. Das Resultat des erwähnten Versuchs zeigt demnach schlagend, dass Flüssigkeiten, die im imbibirten Zustande in Membranen vorhanden sind, lösend auf solche Körper, welche sich mit diesen Membranen in innigem Contact befinden, einwirken können, und damit fällt zugleich ein helles Licht auf die Ursachen, welche das Zustandekommen der durch die Wurzelzellen hervorgerufenen Corro- sionserscheinungen bedingen. | Dritter Abschnitt. Die Stoffwechselprozesse im vegetabilischen Organismus. Erstes Kapitel. Einleitende Bemerkungen. $ 50. Begriffsbestimmung. — Es ist als eine unzweifelhaft feststehende Thatsache anzusehen, dass sämmtliche Pflanzen bestimmter organischer Ver- bindungen zur normalen Entwicklung bedürfen. Das organische Bildungsmaterial wird den Gewächsen entweder von aussen als solches zugeführt, oder sie erzeugen dasselbe selbst in ihrem Organismus. (Assimilation, Bildung von Proteinstoffen). Diese in den Pflanzen producirten oder von denselben aufgenommenen organischen Stoffe erfahren in den Zellen selbst mannigfaltige Metamorphosen. Sie können zur Bildung für die Zwecke des Wachsthums der Gewächse geeigneter Verbindungen, zur Erzeugung sehr verschiedener anderweitiger Substanzen, die im Innern der Zellen abgelagert werden, dienen, ja sie erfahren sogar sehr allgemein tiefgreifende, mit Kohlensäure- sowie Wasserproduction verbundene Zersetzungen. In Folge der erwähnten Vorgänge werden aber nicht allein die für die Fortexistenz der Pflanzen nothwendigen Stoffe gebildet, sondern jene Prozesse führen ebenso zur Freiwerdung der für das Leben der Gewächse erforderlichen Kräfte, und im Folgenden wird II. Abschnitt. ı. Einleitende Bemerkungen. 115 es nunmehr unsere Aufgabe sein, diese Stoffwechselprozesse des vegetabilischen Organismus näher zu beleuchten. Wenn man einen Blick auf die Lebensvorgänge in dem Organismus einer einzelligen Alge wirft, so zeigt sich, dass in diesem Falle in ein und derselben Zelle jene Vorgänge, welche zur Erzeugung stickstofffreier organischer Stoffe aus anorganischem Material führen, sowie Stoffwechselprocesse räumlich und zeitlich neben einander zu Geltung kommen können. Unter dem Einfluss des Lichtes ist das Zustandekommen des Assimilationsprozesses möglich; ebenso können Protein- stoffe auf Kosten der erzeugten Assimilationsprodukte und von aussen aufge- nommener Stickstoffverbindungen gebildet werden, und gleichzeitig verlaufen mannigfaltige anderweitige Stoffwechselprozesse in dem einzelligen Organismus. Mit der weitgehenden morphologischen Gliederung, welche die höheren Gewächse erfahren, geht, wie bereits an anderer Stelle erwähnt worden ist, auch eine aus- gedehnte physiologische Arbeitstheilung Hand in Hand. Bestimmten Organen fällt unter solchen Umständen in erster Linie die Aufgabe zu, assimilatorisch thätig zu sein; andere besorgen die Wasser- sowie Mineralstoffaufnahme aus dem Boden, und wieder andere können z. B. in sofern für die Existenz der Pflanzen von Be- deutung sein, als sie sich allmählich während der Dauer einer Vegetationsperiode mit Reservestoffen, d. h. solchen Körpern anfüllen, die zunächst noch keine weitere Verwendung erfahren, sondern erst im kommenden Jahre für das erste Wachsthum junger Pflanzen oder neuer Sprosse Verwendung finden. So sammeln sich im Endosperm, im Perisperm oder in den Cotyledonen der Samen, in Knollen, Wurzeln oder holzigen Stammtheilen nicht selten erhebliche Reservestoffquantitäten an, und in dem Maasse, wie die Pflanzentheile, welche später während einer gewissen Periode auf Kosten der aufgespeicherten organischen Körper leben, zur Ausbildung gelangen, verschwinden die Inhaltsstoffe der genannten Reservestoff- behälter. Wenn aber nicht alle Organe höherer Pflanzen im Stande sind, das organische Material, welches für die Weiterentwicklung des Organismus unent- behrlich ist, zu erzeugen, so leuchtet von selbst ein, dass in der Pflanze Stofi- bewegungen zu Stande kommen müssen, die den Uebertritt bestimmter Substanzen aus einem Pflanzentheil in andere vermitteln. Die Wurzelzellen sind z. B. nicht im Stande, organische Körper durch Assimilation zu erzeugen. Sie bedürfen aber organischer Stoffe für die Zwecke des Wachsthums, und es müssen ihnen dieselben also aus den oberirdischen, grünen Organen zugeführt werden. Während es, wie im ersten Abschnitt gezeigt worden, keine besonderen Schwierigkeiten hat, die Eigenthümlichkeiten des Assimilationsprozesses scharf zu charakterisiren, so gelingt es keineswegs so leicht, die allgemeinen Merkmale der Stoffwechselprozesse anzugeben. Das Wesen des Stoffwechsels ist darin zu suchen, dass in den Pflanzen vorhandene organische Substanzen in anderweitige Körper übergeführt werden, und zwar kann bei diesen Vorgängen eine Bildung von Kohlensäure und Wasser sowie anderer Gase erfolgen, oder es kann dies unter- bleiben. Zur Charakteristik der Stoffwechselvorgänge ist noch das Folgende hervorzuheben, und namentlich darf der Unterschied, der zwischen der Assimi- lation einerseits und den Stoffwechselprozessen andererseits besteht, nicht übersehen werden!). I) Mit den nachfolgeflien Sätzen sind daher diejenigen zu vergleichen, welche im ersten Paragraphen dieses Buches zur Charakteristik des Assimilationsvorganges aufgestellt wurden. 8* 116 System der Pflanzenphysiologie. ı. Stoffwechselprozesse machen’sich nicht allein in den chlorophyllführenden, sondern überhaupt in allen lebenden Pflanzenzellen geltend. 2. Stoffwechselprozesse finden in den Pflanzenzellen bei Abschluss sowie bei Zutritt des Lichtes statt. 3. Während der Assimilationsprozess stets zu einer Sauerstoffabscheidung führt, sind nur vereinzelte Stoffwechselprozesse im Stande, die nämliche Er- scheinung herbeizuführen. Es scheint mir festzustehen, wie ich im vierten Kapitel dieses Abschnittes zeigen werde, dass in den. Pflanzenzellen unter Umständen Pflanzensäuren zu Kohlehydraten reducirt werden können, und dass derartige Prozesse, die allein unter Mitwirkung des Lichtes in chlorophylihaltigen Zellen zu Stande kommen, mit Sauerstoffabscheidung verbunden sind. Da das Wesen der Assimilation nun in einer Bildung organischer Verbindungen aus anorganischem Material besteht, die erwähnten Säuren aber zu den organischen Körpern gehören, so sind die hier in Rede stehenden Reductionsprozesse als Stoffwechselvorgänge anzusehen. Neben organischen Körpern werden in Folge vieler Stoffwechsel- prozesse Wasser und Kohlensäure erzeugt. Zuweilen treten auch noch andere Gase als Stoffwechselprodukte auf, während bestimmte Stoffwechselprozesse über- haupt nicht zur Bildung gasförmiger Körper führen. 4. Wenn grüne Pflanzen dem Einflusse des Lichtes entzogen werden und in Folge dessen nicht assimiliren können, so erleidet ihr Trockengewicht eine fort- dauernde Verminderung. Die Stoffwechselprozesse führen unter Kohlensäure- sowie Wasserbildung zu einer Zerstörung vorhandener organischer Verbindungen, aber trotzdem diese Vorgänge sich unter allen Umständen in den Pflanzenzellen geltend machen, tritt der Erfolg, den sie herbeiführen, dennoch allein bei Ab- wesenheit des Lichts deutlich hervor, da die Verluste bei Lichtzutritt durch das Stattfinden der Assimilation mehr als gedeckt werden können. Uebrigens sei bemerkt, dass, wenngleich der Stoffwechsel im Ganzen und Grossen zu einer Verminderung des Trockengewichtes der Pflanzen führt, dennoch einige Stoff- wechselprozesse existiren, welche eine Steigerung des Trockensubstanzgehaltes bestimmter Pflanzenzellen bedingen. 5. Im Allgemeinen muss der Stoffwechsel in den Pflanzen zu einer Aus- lösung der in der organischen Substanz aufgespeicherten potentiellen Energie und Freiwerdung actueller Energie (Wärme, Licht, mechanische Arbeit) führen. Sehr deutlich tritt dieser Vorgang der Auslösung von Kräften bei der durch den freien atmosphärischen Sauerstoff vermittelten und mit Kohlensäure- sowie Wasserbildung verbundenen langsamen Verbrennung (Verathmung) organischer Stoffe in den lebenden Pflanzenzellen hervor. Ebenso wird bei der Bildung der Proteinstoffe aus Kohlehydraten und stickstoffhaltigen anorganischen Verbindungen eine gewisse Kraftsumme ausgelöst, und dieser Umstand, insbesondere aber der weitere, dass die Entstehung der Eiweisskörper nur unter Beihülfe organischer Substanzen erfolgen kann, lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die Vorgänge bei der Proteinstoffbildung als Stoffwechselprozesse gedeutet werden müssen. In Folge einiger Stoffwechselvorgänge geht übrigens actuelle Energie in potentielle Energie über. S 51. Das Wesen des Lebensprozesses. — Für die Naturwissenschaft ist die Erkenntniss von der weittragendsten Bedeutung geworden, dass sich die eigentlichen Lebensprozesse der Organismen in dem Protoplasma der Zellen ab- wickeln. Solche Zellen, die kein Plasma mehr führen, können daher keineswegs noch als lebende Gebilde angesehen werden. Man hat sich vielfach bemüht, II. Abschnitt. ı. Einleitende Bemerkungen. 117 die letzte Ursache der wunderbaren Lebenserscheinungen der Pflanzen und Thiere festzustellen, und wenngleich sich derartigen Bestrebungen sehr be- deutende Schwierigkeiten in den Weg stellen, so liegt doch von vornherein auf der Hand, dass dem Protoplasma als dem Träger der Lebenserscheinungen eine ganz eigenthümliche Natur zukommen muss, denn das Zustandekommen der besonderen Lebensphänomene setzt auch die Wirksamkeit ganz besonderer Ur- sachen voraus.!) Es gehört, wie sich von selbst versteht, zu den wichtigsten Aufgaben der Physiologie, diese Ursachen der Lebenserscheinungen festzustellen, und ich werde mich bemühen müssen, das in Frage stehende Problem in diesem Paragraphen zu behandeln. Aber um dafür den geeigneten Ausgangspunkt zu gewinnen, müssen zunächst noch einige anderweitige Verhältnisse Berücksichtigung erfahren. Man ging in der Pflanzenphysiologie bisher fast allgemein von der Anschauung aus, dass die stickstofffreien organischen Körper in den Zellen bei dem Zustande- kommen des Stoffwechsels, ohne vorher mit stickstoffhaltigen Stoffen in chemische Wechselwirkung gerathen zu sein, gewisse tiefgreifende Zersetzungen erleiden. Nach dieser Auffassung tritt z. B. die Stärke, die bei der Keimung amylumreicher Samen verarbeitet wird, als solche oder nachdem sie in andere stickstofffreie Stoffe übergegangen ist, in chemische Wechselwirkung mit dem Sauerstoff der Luft. Kohlensäure, Wasser sowie eine für die Zwecke des Wachsthums verwerth- bare Substanz werden gebildet, und in dem Maasse, wie die Evolution des Em- bryo der Samen fortschreitet, verschwindet das Amylum. Ebenso glaubte man dass die durch den Assimilationsprozess erzeugte und für den direkten Verbrauch in grünen oder kein Chlorophyll führenden Pflanzenzellen bestimmte Stärke, un- mittelbar verarbreitet werde. Dagegen ist in neuester Zeit eine andere Anschauung mehr in den Vorder- grund getreten, und ich habe mich selbst bemüht, derselben eine tiefere Be- gründung zu verleihen, weil es mir allerdings von der höchsten Wichtigkeit er- scheint, dieser neuen Auffassung die grösste Aufmerksamkeit zuzuwenden.?) Es wird im nächsten Kapitel dieses Abschnittes gezeigt werden, dass in den Pflanzenzellen ganz allgemein — allerdings leicht nachweisbar nur unter besonderen Umständen — Säureamide sowie Amidosäuren (z. B. Asparagin und Leucin) entstehen. Diese stickstofthaltigen Verbindungen gehen aus den Eiweiss- stoffen des Protoplasma hervor, und wir dürfen annehmen, dass diese letzteren neben jenen Stickstoffverbindungen stets gewisse stickstofffreie organische Körper als Zersetzungsprodukte liefern. Dafür sprechen einerseits gewisse Ergebnisse, zu denen man bei dem Studium des Verhaltens der Eiweissstoffe verschiedenen Reagentien gegenüber gelangt ist; andererseits aber findet die erwähnte Auf- fassung ihre vorzüglichste Stütze durch gewisse Beobachtungsresultate, die an lebenden Pflanzenzellen selbst gewonnen werden können. Ich werde nämlich im nächsten Kapitel zeigen, dass die in den Pflanzenzellen entstandenen Säureamide und Amidosäuren nach den übereinstimmenden Resultaten verschiedener neuerer Untersuchungen unter Beihülfe stickstofffreier organischer Körper zur Neubildung !) Man hüte sich nur vor der Anschauung, als ob hier besondere Lebenskräfte, die von ganz anderer Natur als unsere bekannten physikalischen und chemischen Kräfte sind, in Betracht kämen. 2) Vergl. DETMER, Vergleichende Physiologie des Keimungsprozesses der Samen, 1880, pag. 155. Vergl. ferner eine von mir verfasste, demnächst in PRINGSHEIM’s Jahrbüchern für wissenschaftl. Botanik erscheinende Abhandlung. 118 System der Pflanzenphysiologie. von Eiweissstoffen Verwendung finden können, und wenn dies, wie in keiner Weise bezweifelt werden kann, der Fall ist, so erscheint es ebenso im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die Proteinstoffe in den Pflanzenzellen stickstofffreie organische Verbindungen neben Amidosäuren und Säureamiden als Zersetzungs- produkte liefern. Hält man an dieser Anschauung fest, so hat man sich vorzu- stellen, dass die Proteinstoffe des lebenden Plasma unter allen Umständen in stickstoffhaltige und stickstofifreie Körper zerfallen. Die ersteren können sich entweder in den Pflanzenzellen als solche anhäufen oder sich unter günstigen Umständen mit stickstofffreien Verbindungen (z. B. mit Zuckermolekülen, die aus Amylum, welches soeben als Assimilationsprodukt entstanden oder vielleicht be- reits in Reservestoftbehältern abgelagert war, hervorgegangen sind) zur Neu- bildung von Proteinstoffen vereinigen. Die stickstofffreien Zersetzungsprodukte der Proteinstoffe unterliegen dagegen bei Luftzutritt einem Oxydationsprozesse; sie liefern das Material zur Bildung von Kohlensäure und Wasser (Athmungs- produkte), sowie eines für die Zwecke des Wachsthums verwerthbaren Körpers. Somit können die gewöhnlichen Erscheinungen der Pflanzenathmung (Kohlensäure- und Wasserbildung) nicht dadurch zu Stande kommen, dass der atmosphärische Sauerstoff zersetzend auf die in den Pflanzenzellen vorhandenen Assimilationsprodukte oder auf solche Körper, die unmittelbar aus denselben hervorgegangen sind, einwirkt. Vielmehr muss jenen Athmungsprozessen die Bildung des für die Athmung geeigneten Materials in Folge der Zersetzung von Proteinstoffen vorangehen. Die dabei entstehenden stickstoft haltigen Zersetzungs- produkte können aufs Neue zur Proteinstofferzeugung Verwendung finden, und da die entstandenen Eiweissmoleküle wiederum zerfallen, so macht sich unter bestimmten Bedingungen ein fortdauerndes Spiel der Zersetzung und Neubildung von Proteinstoffen in den lebenden Zellen geltend. Auf verschiedene der hier flüchtig erwähnten Verhältnisse komme ich weiter unten eingehender zurück. An dieser Stelle verdient allein der Umstand unser besonderes Interesse, dass die Proteinstoffe des Plasma der Pflanzenzellen unter Bildung stickstoffhaltiger sowie stickstofffreier Produkte ganz allgemein einem Zersetzungsvorgange unterliegen. Fragt man nach den Ursachen dieser Zersetzung, so ist meiner Meinung nach zu antworten, dass dieselbe in der eigenthümlichen Constitution der Proteinstoffe des Plasma selbst gesucht werden muss. Wie sich die Cyanwasserstoffsäure allmählich von selbst zersetzt, wie Chlorstickstoff und Jod- stickstoff unter Umständen ohne äussere nachweisbare Veranlassung in ihre Ele- mente zerfallen, so zerfallen die Eiweissstoffe des lebensthätigen Plasma ebenfalls in verschiedene Körper. Wir haben es hier wie dort mit einer Selbstzer- setzung der Moleküle zu thun, und auf diese Selbstzersetzung ist das Wesen des Lebensprozesses zurückzuführen. Nach der von mir in meiner vergleichenden Physiologie des Keimungsprozesses der Samen sowie in einer demnächst in PRINGSHEIM’s Jahrbüchern für wissen- schaftliche Botanik erscheinenden Abhandlung bereits ausführlicher entwickelten Dissociationshypothese unterscheide ich mit PFLÜGER!) zwischen lebendigen und todten Eiweissmolekülen. Die Atome der letzteren befinden sich in dem Zustande eines stabilen Gleichgewichts; sie können zwar durch äussere Ein- flüsse zur Umlagerung und zur Bildung neuer Verbindungen veranlasst werden, I) Vergl. PrLücer, Archiv f. d. gesammte Physiologie, 1875. Bd. ıo, pag. 300. Ich schliesse mich in verschiedenen Punkten den Ausführungen PFLÜGER’s an. III. Abschnitt. ı. Einleitende Bemerkungen. 119 aber sie lagern sich nicht ohne äusseren Anstoss um. Den todten Eiweissmole- külen fehlt die Fähigkeit der Selbstzersetzung. Die lebendigen Eiweissmoleküle zerfallen unter allen Umständen in stickstoffhaltige und stickstofffreie Atomgruppen. Ihre Atome unterhalten continuirlich eine lebhafte intermolekulare Bewegung, und dieselbe ist die Ursache der erfolgenden Selbstzersetzung oder Dissocia- tion, die eben als besondere Ursache der besonderen Lebenserscheinungen anzusehen ist. Zur näheren Charakteristik meiner Dissociationshypothese ist noch auf das Folgende hinzuweisen: 1. Ich nehme an, dass die lebendigen Eiweiss- oder Proteinstoffmoleküle mit den Tagmen des Plasma identisch sind, d. h. jedes Tagma des Plasma stellt ein lebendiges Eiweissmolekül, oder, wie ich sage, eine Lebenseinheit dar. 2. Verschiedene äussere Umstände können die Energie, mit der die inter- molekulare Bewegung der Atome der Lebenseinheiten resp. die Selbstzersetzung derselben erfolgt, beschleunigen oder verlangsamen. Höhere Temperatur muss z. B. beschleunigend auf den Verlauf der in Rede stehenden Prozesse einwirken, aber wenn die Temperatur eine gewisse Grenze überschreitet, so wird die Be- wegung der Atome der Lebenseinheiten eine so lebhafte, dass diese letzteren eine völlige Vernichtung erfahren. 3. Die Zerstörung der lebendigen Eiweissmoleküle oder Lebenseinheiten, die durch sehr verschiedene Ursachen bedingt werden kann (zu hohe oder zu niedrige Temperatur, Gifte etc.) führt, indem die Atome aus dem labilen in den stabilen Gleichgewichtszustand übergehen, zur Bildung todter Eiweissmoleküle.!) 4. Die Tagmen der plasmatischen Gebilde, welche in den Zellen ruhender Pflanzentheile (z. B. der Samen) vorhanden sind, dürfen nicht als lebensthätig aufgefasst werden. Die Eiweissmoleküle ruhender Pflanzentheile sind aber ebenso wenig sämmtlich todt; sie sind vielmehr lebensfähig, denn die intramolekulare Bewegung ihrer Atome und die Selbstzersetzung, welche nur eine vorübergehende Sistirung erfahren haben, können unter günstigen Bedingungen (Wasserzufuhr) leicht in die Erscheinung treten. 5. Die Entstehung der lebendigen Eiweissmoleküle ist nothwenig mit einem Verbrauch von actueller Energie verbunden, denn die intermolekulare Bewegung der Atome der Lebenseinheiten ist ohne einen solchen vorausgegangenen Kraft- verbrauch undenkbar. Umgekehrt muss bei der Dissociation der Lebenseinheiten actuelle Energie frei werden. Wenn Pflanzenzellen getödtet werden und die lebendigen also in todte Eiweissmoleküle übergehen, so muss ebenfalls lebendige Kraft ausgelöst werden, denn die Atome der Lebenseinheiten werden ja in Folge der Vernichtung der Lebensfähigkeit des Plasma in einen stabilen Gleichgewichtszustand übergeführt. Vielleicht liesse sich sogar auf experimentellem Wege direct nachweisen, dass Wärme frei wird, wenn Pflanzentheile aus dem leben- den in den todten Zustand übergeführt werden.?) . I) Bezüglich der Wirkung der Gifte auf die Lebenseinheiten sei hier noch bemerkt, dass manche derselben die Lebensthätigkeit der Zellen unzweifelhaft vernichten, indem sie sich chemisch mit den Lebenseinheiten verbinden. Andere Gifte scheinen die Lebenseinheiten des Plasma aber dadurch in todte Eiweissmoleküle überzuführen, dass sie die Bewegung der Atome der ersteren in bestimmter Weise beeinflussen. Solche Gifte können entweder lähmend oder reizend wirken. ?) Ich will hier noch erwähnen, dass meiner Meinung nach die mechanische Kraft, welche für das Zustandekommen der Protoplasmabewegungen (Rotation, Schwärmsporenbewegung etc.) 120 System der Pflanzenphysiologie. 6. Ich nehme an, namentlich um die Verschiedenartigkeit der Stoffwechsel- prozesse, wie eine solche ja thatsächlich im Organismus verschiedener Gewächse r hervortritt, zu erklären, dass sich die Lebenseinheiten der einzelnen Pflanzenspe- $: cies nicht vollkommen gleichen. Die Lebenseinheiten oder lebendigen Ei- | weissmoleküle nahe verwandter Gewächse sind einander sehr ähnlich; Pflanzen von durchaus verschiedenartigem Charakter bergen auch in ihren Zellen Lebens- f einheiten, denen ein recht differentes Verhalten eigenthümlich ist. Ich nehme demnach keinen Anstand, die lebendigen Eiweissmoleküle verschiedener Pflanzen- species als verschiedene chemische Individuen aufzufassen, die sich allerdings in mancher Hinsicht sehr ähnlich verhalten. S 52. Allgemeine Charakteristik der Stoffwechselprozesse. — Nach- dem festgestellt worden ist, welche Merkmale den Stoffwechselprozessen im Allge- meinen und namentlich im Gegensatz zu der Assimilation eigenthümlich sind, und nachdem wir versucht haben, uns eine Vorstellung über das Wesen des Lebensprozesses zu bilden, erscheint es, bevor wir zur speziellen Besprechung des pflanzlichen Stoffwechsels übergehen, noch geboten, die verschiedenen Kategorien der Stoffwechselprozesse sowie die mit denselben Hand in Hand gehenden Athmungsvorgänge in Kürze zu charakterisiren?). ı. Als Athmungsprozesse überhaupt sind diejenigen Vorgänge in den lebenden Pflanzenzellen aufzufassen, welche mit einer Aufnahme oder Ab- scheidung von Gasen verbunden sind. Dieser Satz bedarf aber einiger Ein- schränkung, indem die in Folge der Assimilation zur Geltung kommende Kohlen- säureaufnahme und Sauerstoffabgabe nicht als Athmungserscheinungen betrachtet werden dürfen. Ebenso kann die Wassergasabgabe der Pflanzen in Folge der Transpiration nicht als ein Athmungsprozess gedeutet werden. Von Athmungs- prozessen kann nur die Rede sein, wenn in den Pflanzenzellen Stoffwechsel- prozesse zur Geltung kommen, und es erscheint mir zweckmässig, nicht allein die Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureabgabe, wie es häufig geschehen ist, sondern überhaupt jeden unmittelbar in Folge des Stoffwechsels zu Stande kommenden Gasaustausch als einen Athmungsprozess aufzufassen. 2. Alsnormale Athmung bezeichne ich diejenige Form der Pflanzenathmung, welche mit Aufnahme von Sauerstoff und Abgabe eines gleichen Volumen Kohlen- säure verbunden ist. 3. Die Vinculationsathmung, welche neben normaler Athmung nament- lich dann zur Geltung kommt, wenn Fette im Pflanzenkörper einer Oxydation unterliegen, ist durch alleinige Sauerstoffaufnahme ohne Kohlensäureabgabe charakterisirt. 4. Die innere Athmung unterscheidet sich dadurch ganz wesentlich von den erwähnten Formen der Athmung, dass sie nicht mit einer Aufnahme freien athmosphärischen Sauerstoffs verbunden ist. Bei dem Zustandekommen der inneren Athmung wird sehr allgemein Kohlensäure producirt, aber der Sauer- stoff dieser Kohlensäure stammt nicht aus der Atmosphäre, sondern er wird erforderlich ist, der Dissociation der Lebenseinheiten in den lebensthätigen Zellen ihren Ursprung verdankt. Wie das Wasser dem Fisch, oder die Luft dem Vogel, so bietet der Zellsaft oder das Wasser ausserhalb der Zellen dem Protoplasma die Stützpunkte dar, deren es zur Ausführung seiner Bewegungen bedarf. Man vergl. NÄGELI und SCHWENDENER. Das Mikroskop 1877, Pag. 393- I) Man vergl. über das Folgende meine vergl. Physiologie d. Keimungsprozesses d. Samen 1880. pag. 8. 4 A nt N EEE L- Pr 3 > Lad un - Pe EN FERT 7 Eu 65 - > n \ BET “ s II. Abschnitt. ı. Einleitende Bemerkungen. 121 solchen Verbindungen, die bereits in den Pflanzenzellen vorhanden waren, ent- zogen. Einige Pilzformen erzeugen neben Kohlensäure auch Wasserstoff als Produkt innerer Athmung. 5. Die Insolationsathmung kommt zur Geltung, wenn organische Säuren unter dem Einflusse des Lichtes zur Bildung von Kohlehydraten Verwendung finden. Diese Form der Athmung ist mit Sauerstoffabgabe und einer Anhäufung von potentieller Energie in den producirten Verbindungen verbunden. 6. Die in den Pflanzenzellen ganz allgemein zur Geltung kommenden Dissociationsprozesse sind dadurch ausgezeichnet, dass sie ohne Mitwirkung des atmosphärischen Sauerstoffs zu einer Zersetzung organischer Substanzen führen. Nach meiner Anschauung zerfallen die Lebenseinheiten des Plasma unter allen Umständen in stickstofthaltige Körper sowie in stickstofffreie Atomgruppen. Diese letzteren können unter besonderen Umständen (Mangel des freien Sauer- stoffs) unter weiterer Dissociation das Material zur Bildung von Kohlensäure, Alkohol etc. liefern. Dissociationsprozesse finden ferner in den Zellen statt, wenn z. B. Amylum in Dextrin und Maltose zerfällt, oder wenn Glyceride in freie Fettsäuren und Glycerin gespalten werden. Diese letzteren Vorgänge eıfolgen unter Vermittelung von Fermenten. 7. Im Gegensatz zu den Dissociationsprozessen stehen die Associations- vorgänge. Dieselben bewirken die Entstehung neuer Verbindungen in Folge der Vereinigung organischer Körper. Ein in den lebenden Pflanzenzellen ganz all- gemein zur Geltung kommender Associationsprozess ist dadurch charakterisırt, dass sich Säureamide oder Amidosäuren mit stickstofffreien organischen Körpern zur Bildung von Proteinstoffen vereinigen. 8. Das Wesen der Decompositionsprozesse ist darin zu suchen, dass gewisse organische Verbindungen in den Pflanzenzellen unter Bildung von Kohlensäure sowie Wasser tiefgreifende Zersetzungen erfahren. Diese Vorgänge sind aber mit der Aufnahme freien atmosphärischen Sauerstoffs verbunden, oder sie erfolgen unter Mitwirkung von Sauerstoffatomen, die in Verbindung mit ander- weitigen Elementen neben der sich zersetzenden Substanz in den Zellen vor- handen waren. Die Decompositionsprozesse führen stets zu einer Freiwerdung von Kräften, und meistens entstehen in Folge derselben neben den Athmungsprodukten organische Verbindungen, die in den Zellen verbleiben und zur Bildung neuer Körper Verwendung finden können. Decompositionsprozesse, verbunden mit normaler Athmung, kommen in den Pflanzen zur Geltung, wenn die stickstoff- freien Dissociationsprodukte der Lebenseinheiten unter Mitwirkung des freien Sauerstoffs verbrennen und neben Kohlensäure sowie Wasser, organische, für die Zwecke des Wachsthums verwerthbare Stoffe gebildet werden. Mit innerer Athmung verbundene Decompositionsprozesse vollziehen sich bei der Bildung von Proteinstoffen aus organischen stickstofffreien Substanzen (wahrscheinlich den stickstofffreien Dissociationsprodukten der Lebenseinheiten) und Salpetersäure. 9. In Folge der Prozesse der Stoffmetamorphose erleiden die orga- nischen Verbindungen keine tiefgreifenden Zersetzungen; sie werden vielmehr, häufig unter Wasseraufnahme und unter Mitwirkung von Fermenten, ihrer Ge- sammtmasse nach in andere organische Verbindungen übergeführt. Prozesse der Stoffmetamorphose kommen z. B. zur Geltung, wenn Proteinstoffe in Peptone umgewandelt werden, oder wenn Maltose in Dextrose übergeht. ıo. Als plastische Stoffe sind diejenigen Körper zu bezeichnen, welche 122 System der Pflanzenphysiologie. zur Bildung der organisirten Zellenbestandtheile (Cellulosemembranen, Stärke- körner, plasmatische Gebilde) Verwendung finden können. Dextrin, Zuckerarten, Inulin, Fette, Asparagin etc. sind demnach als plastische Stoffe zu betrachten. ıı. Als Degradationsprodukte sind solche Substanzen aufzufassen, welche in Folge stoftlicher Veränderungen organisirter Zellenbestandtheile entstehen und keine weitere Verwendung zur Bildung neuer organisirter Gebilde erfahren. Als Degradationsprodukte sind z. B. anzusehen: DBassorin, Arabin, Lignin, Cutin etc. ı2. Nebenprodukte des Stoffwechsels sind solche Körper, die in Folge von Dissociations- oder Decompositionsprozessen aus plastischen Stoffen ent- stehen, aber keine weitere Verwendung zur Bildung organisirter Zellenbestand- theile finden. Vor allen Dingen sind Kohlensäure, Wasser und Alkohol als Nebenprodukte des pflanzlichen Stoffwechsels aufzufassen. Ferner betrachte ich die Alkaloide, Glycoside, Pflanzensäuren etc. als Nebenprodukte, und man kann sich vorstellen, dass diese stickstofffreien oder stickstofthaltigen Ver- bindungen neben plastischen Körpern in Folge der Dissociation der Lebensein- heiten des Plasma oder der Decomposition der stickstofffreien Dissociationspro- dukte der Eiweissmoleküle gebildet werden. Zweites Kapitel. Das Verhalten der stickstoffhaltigen Verbindungen der Pflanzen. S 53. Die pflanzlichen Proteinsubstanzen — a) Eigenschaften der Proteinstoffe. Es unterliegt keinem Zweifel, das die Proteinstoffe als wichtigste Bestandtheile der plasmatischen Gebilde der Pflanzenzellen, mögen dieselben im lebensthätigen oder nur im lebensfähigen Zustande vorhanden sein, angesehen werden müssen. Für den Physiologen besitzt selbstverständlich vor allen Dingen die Frage nach der chemischen Natur der lebendigen Eiweissmoleküle ein besonders lebhaftes Interesse, und nach der oben von mir geltend gemachten Anschauung, dass den Proteinstoffmolekülen in den Zellen verschiedener Pflanzen- species nicht durchaus die nämlichen Eigenschaften zukommen, müsste es sich in erster Linie darum handeln, die Ursachen festzustellen, welche einem derartigen differenten Verhalten zu Grunde liegen. Aber man hat noch nicht einmal damit begonnen, der Lösung dieser schwierigen Aufgabe auf experimentellem Wege”nahe zu treten, und vor der Hand kann es sich allein darum handeln, die Eigenschaften sowie das Verhalten der todten Eiweissmoleküle im Sinne der modernen Chemie ins Auge zu fassen. Die Proteinstoffe enthalten sämmtlich Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel, und zwar ist der prozentische Gehalt der einzelnen Eiweisskörper an den genannten Elementen ein ziemlich gleicher. Die Protein- stoffe sind nicht flüchtig, ihre Reaction ist weder eine saure noch eine alkalische. Concentrirte Salpetersäure färbt die Proteinstoffe beim Erhitzen gelb. Jod färbt die Proteinstoffe ebenfalls gelb, und dieses Verhalten, insbesondere aber das andere, dass die Eıweisskörper sich in Contact mit alkalischer Kupferoxyd- lösung violett färben, wird vielfach zur mikrochemischen Nachweisung der in Rede stehenden Verbindungen in den Pflanzenzellen benutzt. Alle Proteinstoffe sind fäulnissfähig, d. h. sie werden in Contact mit niederen Organismen (Schizomyceten), und zwar in Folge der Lebensthätigkeit dieser merk- II. Abschnitt. 2. Das Verhalten der stickstoffhaltigen Verbindungen der Pflanzen. 123 würdigen Pilze, unter Bildung von flüchtigen Fettsäuren, Leucin, Tyrosin, Ammoniak, Schwefelwasserstoff etc. zersetzt. Bei der Behandlung mit Brom und Wasser liefern die Proteinstoffe neben Kohlensäure: Bromanil, Tribromamidobenzoesäure, Bromoform, Bromessigsäure, Asparaginsäure, Ammoniak etc. Nach Hrasıwerz und HABERMANN!) geben die Eiweissstoffe bei der Behandlung mit Salzsäure und Zinnchlorür Glutaminsäure, Asparaginsäure, Leucin, Tyrosin und Ammoniak als alleinige (?) Zersetzungs- produkte. Die Proteinstoffe der Pflanzen kann man in drei Hauptgruppen bringen: Albuminstoffe, Pflanzencaseine und Kleberproteinstoffe?). Die wichtigste Eigenschaft der Albuminstoffe besteht darin, dass dieselben in Berührung mit Wasser eine klare Lösung liefern, die das Gelöste beim Erhitzen für sich oder nach Zusatz weniger Tropfen Salpetersäure in Form eines flockigen Niederschlages fallen lässt. Die abgeschiedene Substanz ist in höchst verdünnter Kalilauge sowie in Säuren unlöslich. Das Albumin kommt namentlich in den in Lebensthätigkeit begriffenen Zellen vor; aber es enthalten ebenso z. B. viele Samen Albumin, indessen in nur geringen Mengen. Erhitzt man Pflanzensäfte oder wässerige Samenextracte, so scheidet sich das Albumin als ein Coagulum ab. Zu den Pflanzencaseinen rechnet man das Legumin, das Conglutin und das Gluten-Casein. Diese Substanzen lösen sich in reinem Zustande gar nicht oder nur in sehr geringen Mengen in Wasser auf. Dagegen werden sie von verdünnter Kalilauge sowie von Lösungen phosphorsaurer Salze in reichlichen Quantitäten aufgenommen. Die Pflanzencaseine werden aus ihren Lösungen auf Zusatz geringer Säuremengen und durch Kali in Form flockiger Massen abgeschieden. Legumin- reich sind insbesondere die Samen der Erbsen, Bohnen, Wicken, Linsen. Die Haferfrüchte enthalten wenig Legumin. Das Conglutin ist als ein Hauptbestand- theil der Lupinen- sowie Mandelsamen anzusehen, während das Gluten-Casein zumal in den Früchten der Gräser aufgespeichert ist. Zu der dritten grossen Gruppe der pflanzlichen Eiweisskörper, den Kleber- proteinstoffen, rechnet man das Gluten-Fibrin, das Gliadin oder den Pflanzenleim und das Mucedin. Diese Substanzen bilden im frischen, wasserhaltigen Zustande mehr oder minder zähe, schleimige Massen; sie sind theilweise etwas löslich in Wasser, werden aber leicht von Alkohol und angesäuertem Wasser aufgenommen. Die Kleberproteinstoffe sind, so weit wir heute unterrichtet, sämmtlich als wesentliche Bestandtheile der plasmatischen Gebilde der Gramineenfrüchte anzusehen. b) Allgemeines Verhalten der Proteinstoffe. Die verschiedenen hier erwähnten Proteinstoffe scheinen in den lebenden Zellen leicht in einander über- gehen zu können, ein Verhältniss, welches sich namentlich bei dem Prozesse des Reifens der Samen sowie bei der Keimung derselben in auffälligster Weise con- statiren lässt. Es ist bereits hervorgehoben worden, dass die lebensthätigen Zellen der Pflanzen insbesondere reich an Albuminstoffen sind, während der Albumingehalt solcher Zellen, die in den Ruhezustand übergegangen sind, häufig ein nur geringer ist. Wenn die Samen reifen, so liefern die in der Pflanze ursprünglich vorhandenen albuminreichen und lebensthätigen plasma- tischen Gebilde das Material zur Entstehung der mehr protoplasmatischen I) Vergl. HLASIWETZ und HABERMANN, Journal f. prakt. Chem. Neue Folge. Bd. 7. pag. 397- 2) Vergl. über das Folgende namentlich bei RITTHAUSEN, Die Eiweissstoffe d. Getreide- arten etc. Bonn, 1872. 124 System der Pflanzenphysiologie. Grundmasse der Zellen des Embryo und der Reservestoffbehälter, in welchen die Proteinkörner mit ihren Einschlüssen ruhen. Ebenso unterliegt es keinem Zweifel, dass sich die Proteinstoffe der Krystalloide sowie der Hüllmasse der Proteinkörner der Samen auf Kosten solcher Eiweisskörper bilden, die zunächst den lebensthätigen Zellen angehörten, und da nun die Proteinsubstanzen der reifen Samen in vielen Fällen von ganz anderer Natur wie diejenigen der noch in Lebensthätigkeit begriffenen Plasmamassen sind, so muss geschlossen werden, dass ein Eiweisskörper das Material zur Bildung eines anderen zu liefern im Stande ist. Zu dem nämlichen Resultate gelangt man, wenn man das Verhalten der plasmatischen Gebilde der Samen bei der Keimung näher ins Auge fasst. Es unterliegt z. B. nach den Untersuchungsresultaten von E. SCHULZE und UnmrAurrt!) keinem Zweifel mehr, dass bei der Keimung der Lupinen das in den Cotyledonen des Embryo in reichlicher Menge vorhandene Conglutin das Material zur Bildung von Albumin liefert. Bei mikroskopischer Beobachtung der keimenden Samen überhaupt, zeigt sich, dass die Proteinkörner in Folge des Quellungsprozesses erhebliche Veränderungen erleiden und sich mit der Grundmasse mischen. Bei LZupinus luteus nehmen die Proteinkörner sehr bald nach Beginn der Quellung eine zähflüssige Beschaffenheit an. Dabei schmelzen sie gleichsam von aussen ab, oder ihre Auflösung macht sich zunächst im Innern bemerkbar?). Zu gleicher Zeit mit diesen Vorgängen nimmt auch der in den Zellen der ruhenden Samen im ausgetrockneten Zustande vorhandene Protoplasmaleib seine normale Be- schaffenheit wieder an. Ebenso werden die Globoide der Proteinkörner aufgelöst, und wenn in einer Samenspecies Krystalloide vorhanden sind, so mischt sich die Substanz derselben ebenfalls mit derjenigen der protoplasmatischen Grundmasse. Es ist selbstverständlich, dass die Substanz der protoplasmatischen Gebilde der keimenden Samen nicht in denjenigen Zellen, in denen sie sich ursprünglich befindet, verweilt. Vielmehr findet dieselbe zur Bildung neuer Zellen des sich entwickelnden Embryo Verwendung. Diejenigen Beobachter, welche sich mit den hier in Rede stehenden Verhältnissen beschäftigt haben, stimmen sämmtlich darin überein, dass die plasmatischen Massen bei der Keimung der Samen mehr und mehr aus den Zellen der Reservestoffbehälter verschwinden, um den in lebhafter Zelltheilung begriffenen Regionen der sich entwickelnden Pflanzen in dem Masse zugeführt zu werden, wie die Evolution des Embryo fortschreitet.?) Die stickstoffreichen Substanzen, welche ursprünglich in den Zellen der Reservestoff- behälter vorhanden waren, liefern also das Material zur Bildung des Protoplasma- leibes der neu entstehenden Zellen. Ebenso werden sie zur Bildung der Zell- kerne sowie der plasmatischen Grundmasse der Chlorophylikörner der jungen Zellen verbraucht®), und wenn die Keimpflanzen keine Gelegenheit haben, neue lebendige Eiweissmoleküle auf Kosten von stickstofffreien organischen Substanzen und Salpetersäure oder Ammoniak zu erzeugen, so müssen die sämmtlichen plasmatischen Gebilde der Zellen des Embryo auf Kosten der einmal vorhandenen J.iweisskörper entstehen. Unter solchen Umständen kann die Entwickelung der ') Vergl. E. SchuLze und UMLAUFT, Landwirthsch. Jahrbücher. B. 5. pag. 821. 9) Vergl. PFEFFER, PRINGSHEIMS Jahrbücher f. wissensch. Botanik. B. 8. pag. 525. %) Vergl. namentlich die bekannten Abhandlungen von SACHs über die Keimung der Samen. Botan. Zeitung 1859—63. #) Ueber die Entstehung der Chlorophylikörner in den Pflanzenzellen vergl. man die An- gaben von SacHs (Experimentalphysiologie d. Pflanzen, pag. 315); HABERLANDT (botan. Zeitung, 1377, pag. 362) und MıkoscH (botan. Zeitung, 1878, pag. 516). IH. Abschnitt. 2. Das Verhalten der stickstoffhaltigen Verbindungen der Pflanzen. ı2r Pflanzen selbstverständlich nur eine beschränkte sein. Wenn die Keimpflanzen oder die Gewächse überhaupt dagegen’normalen Lebensbedingungen ausgesetzt werden, d. h. wenn ihnen Gelegenheit zur Aufnahme oder zur Erzeugung stick- stofffreier sowie stickstoffhaltiger organischer Stoffe geboten wird, so erfolgt in der Regel die Bildung unzählig vieler Zellen und die plasmatischen Gebilde der- selben gehen, nachdem die etwa vorhandenen Reservestoffe verbraucht sind, un- mittelbar aus den neu producirten lebendigen Eiweissmolekülen. hervor. S 54. Das Pflanzenpepsin und die Peptone. — Vor einigen Jahren ist von GORUP-BESANEZ!) die interessante Entdeckung gemacht worden, dass manche Samen (Wicken, Leinsamen etc.) sowie Keimpflanzen (Gerstenkeimpflanzen) ein stickstoff- und schwefelhaltiges Ferment führen, welches mit dem Pepsin des thierischen Organismus die grösste Aehnlichkeit besitzt und als Pflanzenpepsin bezeichnet werden kann. Uebrigens hat man das Vorhandensein des in Rede stehenden Fermentes ebenfalls in den Secreten der Drüsen der fleischverdauenden Pflanzen (z. B. der Nepenthes — sowie Droseraarten etc.) nachgewiesen. Das Pflanzenpepsin ist, wie das Pepsin des thierischen Organismus, im Stande, bei Gegenwart von Säuren peptonisirend auf Proteinstoffe einzuwirken. Die Reserve- proteinstoffe der Samen oder die mit den Secreten fleischverdauender Gewächse in Berührung gelangenden Eiweisssubstanzen erfahren in Folge dessen eine Um- wandlung in leicht lösliche und, was insbesondere von Wichtigkeit ist, relativ erhebliche Diffusionstähigkeit besitzende Substanzen (Peptone), welche in den Geweben der sich entwickelnden Gewächse translocirt und verarbeitet werden können. Die Peptone entstehen aus Eiweissstoffen unter Vermittlung des Pepsins höchst wahrscheinlich in Folge eines Prozesses der Stoffmetamorphose durch Wasseraufnahme und können unzweifelhaft zur Neubildung von Proteinsubstanzen Verwendung finden. ?) $ 55. Anderweitige stickstoffhaltige Verbindungen. Neben den genannten Körpern begegnet man in den Pflanzen noch einer grossen Reihe stickstoffhaltiger Substanzen. Sieht man von den in den nächsten Paragraphen eingehender zu besprechende Säureamiden sowie Amidosäuren ab, so ist zu be- merken, dass wir über die physiologischen Funktionen dieser Verbindungen höchst mangelhaft orientirt sind. Die sehr häufig in bestimmten Pflanzenspecies vor- kommenden stickstoffhaltigen Glycoside, wie Amygdalın und Myronsäure etc. unterliegen wahrscheinlich in den Zellen unter Vermittelung von Fermenten, Spaltungsprozessen, und als Produkte derselben ist unter anderem Traubenzucker anzusehen. Dieser Zucker kann wie derjenige, welcher ganz allgemein auf anderem Wege in den Gewächsen gebildet wird, als plastisches Material Ver- wendung finden. Verschiedene giftige oder übelschmeckende, resp. -riechende Stickstoffverbindungen der Pflanzen mögen denselben auch wol als Schutzmittel thierischen Feinden gegenüber dienen. Ich bin der Ansicht, dass die erwähnten Stickstoffverbindungen sowie viele anderweitige Körper (z. B. Nicotin, Coffein, Strychnin, Brucin, Veratrin etc. etc.) neben den sehr wichtigen Säureamiden und Amidosäuren sowie stickstofffreien Stoffen als Nebenprodukte des Stoffwechsels in Folge der in den Zellen der Pflanzen unter allen Umständen zur Geltung kommenden Dissociation der leben- digen Eiweissmoleküle entstehen. Die Frage, weshalb in bestimmten Pflanzen- D) Vergl. GORUP-BESANEZ, Berichte d. deutschen chem. Gesellschaft 1875, pag. I51o und neues Repertorium f. Pharmacie, 1875. Bd. 24. pag. 44. 2) Vergl. MALy, PFLÜGER’s Archiv. Bd. 9. pag. 585. DER N na a a _ \ € n. #, F ir RE # . 126 System der Pflanzenphysiologie. species gerade bestimmte stickstoffhaltige Körper gebildet werden, kann man wol nur beantworten, wenn man an der von mir geltend gemachten Anschauung festhält, dass die Lebenseinheiten verschiedener Gewächse einander nicht völlig gleichen und deshalb auch nicht genau dieselben Zersetzungsprodukte liefern. $ 56. Die Entstehung von Säureamiden und Amidosäuren in den Pflanzenzellen. — a. Allgemeines. Es ist bereits angedeutet worden — und ich komme darauf noch in einem besonderen Kapitel spezieller zurück — dass die plastischen Stoffe, wenn sie irgend eine Verwendung im pflanzlichen Orga- nismus erfahren sollen, zunächst sehr häufig translocirt werden müssen. Die Proteinstoffe sind nun, wie mit Bestimmtheit nachgewiesen werden kann, nicht im Stande, aus einer geschlossenen Pflanzenzelle in eine andere überzugehen, da ihnen die Fähigkeit nicht zukommt, die Cellulosemembran sowie die Haut- schicht des Plasma passiren zu können. Die Wanderung stickstoffhaltiger Ver- bindungen in den aus geschlossenen Zellen bestehenden Pflanzengeweben muss also unter Vermittlung anderer Körper als der Eiweisssubstanzen geschehen, und es lässt sich nachweisen, dass die Säureamide sowie Amidosäuren in der hier in Rede stehenden Beziehung eine überaus wichtige Rolle zu spielen berufen sind. Nach der bereits etwas spezieller begründeten Dissociationshypothese ent- stehen die Säureamide sowie Amidosäuren neben stickstofffreien Atomgruppen in Folge der Zersetzung der Lebenseinheiten des Plasma, und ich will dem früher Erwähnten hier noch hinzufügen, dass dieser Dissociationsprozess nur in seltenen Fällen mit einer Bildung freien Stickstoffs oder stickstoffreicher anor- ganischer Verbindungen verbunden zu sein scheint. Wenn sich die Lebensein- heiten der Bakterien unter Hervorrufung der Fäulnisserscheinungen zersetzen, So ist damit allerdings die Bildung von freiem Stickstoff und Ammoniak verbunden, aber im Organismus der höheren Pflanzen machen sich derartige Phänomene, soweit wir darüber orientirt sind, niemals geltend. Man hat namentlich mit Sicherheit nachgewiesen, dass der Stickstoffgehalt der Samen bei normaler Keimung derselben keine Veränderungen erleidet, so dass also die Keim- pflanzen selbst nach wochenlanger Vegetation, wenn ihnen keine Gelegenheit ge- boten wird, Stickstoffverbindungen von aussen aufzunehmen, die nämlichen Stick- stoffmengen enthalten, die ursprünglich in den ruhenden Samen vorhanden waren.!) Die Richtigkeit der Angaben von Borscow, wonach höhere Pilze bei ihrer Vegetation Ammoniak entwickeln sollen, wird von WoLr und ZIMMERMANN’?) bestritten. b) Die Entstehung von Säureamiden und Amidosäuren in den Keim- pflanzen. — ı. Das Asparagin. (Amidobernsteinsäureamid). Während es bis jetzt nur gelungen ist, das Vorhandensein des Asparagins in keinem andern Samen als dem Mandelsamen zu constatiren, hat man in vielen Keimpflanzen mehr oder minder grosse (Juantitäten dieses Säureamides aufgefunden. Nament- lich sind die Keimpflanzen der Papilionaceen (z. B. der Lupinen-, Bohnen-, Erbsen- und Kleekeimlinge) reich an Asparagin. Aber ebenso ist die Gegen- wart dieses Körpers in den Keimpflanzen von Zea Mays, Tropaeolum majus, So- lanum tuberosum, Silybum marianum etc. leicht zu constatiren. Der Asparagin- gehalt der Keimpflanzen ist oft ein sehr bedeutender. So fanden SCHULZE und Umraurt?) z. B. dass die Trockensubstanz ı2 Tage alter, im Finstern erwachsener I) Vergl. DErmER, Vergleichende Physiologie d. Keimungsprozesses etc. 1880. pag. 138. 2) Vergl. WOLF u. ZIMMERMANN, Botan. Zeitung. 1871. No. 18 u. 19. %) Vergl. E. SCHULTZE u. UMLAUFT Landwirtsch. Jahrbücher, Bd. 5. pag. 849., Si II. Abschnitt. 2. Das Verhalten der stickstoffhaltigen Verbindungen der Pflanzen. 127 Lupinenkeimpflanzen zu etwa 209 aus wasserfreiem Asparagin bestand. Andere Keimlinge sind asparaginarm .?) Für die Physiologie musste es selbstverständlich von grosser Bedeutung sein, ein Mittel zu besitzen, mit Hülfe dessen man in den Stand gesetzt wurde, das Asparagin auf mikrochemischem Wege in den Pflanzenzellen nachzuweisen. Das Asparagin ist bekanntlich unlöslich in Alkohol, und es scheidet sich das Säure- amid daher, wenn jene Flüssigkeit mit asparaginhaltigen Pflanzenzellen in Contact geräth, in Krystallen von charakteristischer Gestalt ab. Dies Verhalten der in Rede stehenden Substanz hat vor allen Dingen PFEFFER bei seinen eingehenden Studien über die Entstehung und die physiologische Function des Asparagins in Keimpflanzen in Anwendung gebracht’). In den Keimpflanzen der Lupinen ist die Gegenwart des Asparagins von PFEFFER constatirt worden, wenn die Wurzel des Embryo ı2, das hypocotyle Glied etwa 2 Millim. Länge erreicht hatten. Diese Organe sowie die unteren Theile der Stiele der Cotyledonen enthalten jetzt bereits ziemlich viel Asparagin, und mit fortschreitender Evolution des Embryo wächst auch der Gehalt der Keim- blätter an dem Säureamid. Während der ersten Entwicklungsstadien des epicotylen Stammgliedes sowie der beiden ersten Laubblätter enthalten diese Organe, mögen sich die Untersuchungsobjecte im Finstern oder bei Lichtzutritt ausgebildet haben, stets Asparagin; später dagegen verschwindet dieser Körper aus den Zellen solcher Pflanzen, die dem Einfluss des Lichtes ausgesetzt bleiben, vollkommen, während Lupinenkeimlinge, die bis zu ihrem Tode im Dunkeln verharren, selbst zur Zeit des Absterbens noch sehr asparaginreich sind. Ganz ähnlich wie bei Zupinus verhält sich das Asparagin bei der Keimung der Samen von T7rifolium, Pisum etc., obgleich die in diesen Fällen nachweisbaren Mengen des Säureamides nicht so bedeutende sind wie im speziell erwähnten Falle. Die Keimpflanzen von Tropaeolum majus enthalten hingegen nur während der ersten Entwicklungsstadien Asparagin; später verschwindet diese Substanz völlig, mögen sich die Pflanzen im Finstern oder bei Lichtzutritt weiter ausbilden. Die quantitativ-chemischen Arbeiten, welche von SAcHssE, E. SCHULZE und mir zur Feststellung des Verhaltens des Asparagins in Keimpflanzen vorgenommen worden sind, haben im Allge- meinen zu ganz ähnlichen Resultaten wie die erwähnten mikroskopischen Unter- suchungen geführt. 2. Glutamin (Amidopyroweinsäureamid). Das Glutamin wird in den Keim- pflanzen häufig neben dem Asparagin sowie einigen noch zu erwähnenden Ver- bindungen in Folge der Dissociation der Lebenseinheiten des Plasma gebildet. Man hat z. B. ziemlich erhebliche Glutaminquantitäten neben wenig Asparagin in den Kürbiskeimlingen nachgewiesen. Ebenso enthalten Wicken- und wahr- scheinlich auch Lupinenkeimlinge Glutamin.?) 3. Leucin (Amidocapronsäure). Diese Amidosäure ist in den Wickenkeim- pflanzen nachgewiesen worden. I) Die Ursachen, welche den hier erwähnten Phänomenen zu Grunde liegen, sowie die Ur- sachen mancher anderer Erscheinungen, welche noch berührt werden sollen, können erst im folgenden Paragraphen spezieller beleuchtet werden. 2) Vergl. PFEFFER, PRINGSHEIM’s Jahrbücher. Bd. 8. S. 530. 3) Die Untersuchungen über das Vorkommen des Glutamins, Leucins und Tyrosins in Keimpflanzen sind namentlich von GORUP-BESANEZ Sowie E. SCHULZE u. A. ausgeführt worden. Man vergl. darüber meine Keimungsphysiologie. 1880. S. 180. 128 System der Pflanzenphysiologie. 4. Tyrosin (Aethylamidoparaoxybenzoesäure). Die Gegenwart des T'yrosins ist in Wicken- und Kürbiskeimpflanzen constatirt worden. c. Die Entstehung von Säureamiden und Amidosäuren im Orga- nismus entwickelterer Pflanzen. — Während man noch vor wenigen Jahren ganz allgemein annahm, dass Säureamide und Amidosäuren, zumal Asparagin, allein bei der Keimung auftreten, ist neuerdings mit aller Bestimmtheit der Nach- weis geliefert worden, dass jene Substanzen in allen Pflanzenzellen und auf jedem Stadium der Entwicklung der Gewächse aus den plasmatischen Gebilden hervor- gehen müssen, obgleich es in Folge secundärer Momente nicht immer gelingt, das Vorhandensein der Amidverbindungen direkt zu constatiren. Diese Verhält- nisse sind von fundamentalem physiologischem Interesse, weil sie nothwendig zu der Annahme zwingen, dass die Stoffwechselprozesse in allen Pflanzenzellen bis zu einem gewissen Grade einen analogen Charakter tragen, und während ich mich im nächsten Paragraphen über die Anschauungen, zu denen man bezüglich des Verhaltens der Säureamide sowie Amidosäuren in den Pflanzenzellen gelangt ist, aussprechen werde, kommt es vorerst allein darauf an, gewisse Thatsachen, mit denen wir uns vertraut machen müssen, zu constatiren. Es ist namentlich das Verdienst von BoRoDIN?!), auf das sehr allgemeine Vor- kommen des Asparagins, um diesen Körper zunächst ins Auge zu fassen, hin- gewiesen zu haben. So fand BoropIn reichliche Asparaginmengen in den sich entfaltenden Knospen abgeschnittener Zweige von Tilia parvifolia, Syringa vul- garis, Spiraea sorbifolia, Sorbus aucuparia, Sambucus racaemosa etc., die während des Winters im Zimmer verweilten. Wurden die im Freien treibenden Knospen verschiedener Pflanzen untersucht, so ergaben sich z. B. die folgenden Resultate: Die sich entfaltenden Knospen verschiedener Pflanzen (Syringa vulgaris, Sorbus aucuparia, Fraxinus excelsior, Alnus glutinosa etc.) enthielten unter nor- malen Bedingungen niemals nachweisbare Asparaginmengen. Ferner existiren Pflanzen (Populus tremula, Quercus pedunculata, Prunus Padus etc.), deren Knospen- entfaltung im Freien von sehr schwacher Asparaginanhäufung begleitet ist. In einigen Pflanzen (Spiraea sorbifolia, Ulmus effusa etc.) tritt Asparagin normal, freilich nur temporär in bedeutenden Quantitäten auf. Boronin hat das Vorhandensein des Asparagins ebenso in den Zellen der unter normalen Bedingungen sich entfaltenden Blüthen- sowie in den Fruchtständen von Prunus Padus nachweisen können. Die Blüthenknospen von Zupinus varius ent- halten ebenso normalerweise Asparagin. In den grünen Schoten von VWicia Faba tritt derselbe Körper neben 'T'yrosin normal auf. In allen Pflanzentheilen, in denen sich unter gewöhnlichen Lebensbedingungen kein Asparagin anhäuft, tritt das Säureamid, wie BoropDın mit Bestimmtheit nachgewiesen hat, in reich- lichen Quantitäten auf, wenn dieselben einige Zeit in schlecht beleuchteten Räumen verweilt haben. E. ScHuLzE und UrıcH?) haben in den Zellen der Rüben neben Eiweissstoffen, Nitraten, Ammoniak und Betain das Vorhandensein von Asparagin sowie Gluta- min nachgewiesen. Die Kartoffelknollen enthalten nach E.ScHuLzeE und BARBIERL?) Asparagin sowie Amidosäuren von unbekannter Natur. KELLNER®) hat nach- I) Vergl. BoropDın, Botan. Zeitung. 1878. No. 51 u. 52. 2) Vergl. E. SCHULZE und UrıcH, Versuchsstationen. Bd. 20. pag. 193. 3) Vergl. E. SCHULZE und BARBIERI, Versuchsstationen. Bd. 21. pag. 63. #), Vergl. KELLNER, Landwirthsch. Jahrbücher. Bd. 8, Supplementheft. pag. 243. II. Abschnitt. 2. Das Verhalten der stickstoffhaltigen Verbindungen der Pflanzen. 129 gewiesen, dass sehr verschiedene Pflanzen vor oder während der Blüthezeit Amidverbindungen (Säureamide sowie Amidosäuren) enthalten. S 57. Die Proteinstoffregeneration. Die Erfahrung hat gelehrt, dass die Abwesenheit des Lichts die Anhäufung von Säureamiden und Amidosäuren in den Pflanzenzellen im Allgemeinen begünstigt. Pflanzentheile, in denen, wenn sich dieselben unter normalen Verhältnissen entwickelt haben, kein Asparagin etc. nachgewiesen werden kann, enthalten reichliche Mengen von Amidosäuren sowie Säureamiden, nachdem sie einige Zeit lang im Dunkeln verweilt haben. Es wäre von vornherein denkbar, dass das Licht als solches die Anhäufung von Säureamiden und Amidosäuren in den Zellen verhindere. Aber eine derartige Anschauung steht nicht mit den bekannten Thatsachen in Einklang, und es ist vor allen Dingen das Verdienst PF£FFer’s!), die Unhaltbarkeit derselben, zunächst mit Bezug auf das Asparagin, klar dargethan zu haben. Der genannte Forscher cultivirte Lupinenpflanzen bei Zutritt des Lichtes in einer kohlensäurefreien Atmosphäre. Unter solchen Umständen wurden Pflanzen gewonnen, die in ihren grünen Or- ganen reichliche Asparaginmengen enthielten, und man sieht also, dass das Licht als solches die Entstehung des Säureamides nicht zu unterdrücken im Stande ist Daher muss die Thatsache, dass sich das Asparagin oder die Amidverbindungen überhaupt im Allgemeinen nur in solchen Pflanzenzellen, die dem Einfluss des Lichts entzogen sind, in besonders erheblichen Mengen anhäufen, auf andere Weise erklärt werden. Die neueren Beobachtungen über das Verhalten der Säureamide sowie Amidosäuren haben zu dem wichtigen Resultate geführt, dass jene Körper nur dann in reichlichen Quantitäten in den Pflanzenzellen nachgewiesen werden können, wenn dieselben arm an gewissen stickstofffreien Substanzen sind, während die Gegenwart dieser letzteren, die Ansammlung der Amidverbindungen in den Zellen verhindert. Dieses Ergebniss berechtigt unzweifelhaft zu der Schlussfolgerung, dass jene stickstofffreien Körper im Stande sind, sich mit Säureamiden sowie Amidosäuren zur Bildung von Proteinstoffen zu vereinigen, und wenn man an dieser Anschauung festhält, so finden die mannigfaltigsten Erscheinungen im Leben der Pflanzen eine höchst einfache, ungezwungene und durchaus befriedigende Erklärung. Wir dürfen, wie früher auseinandergesetzt worden ist, annehmen, dass die Lebenseinheiten des Plasma unter allen Umständen (bei Abwesenheit sowie bei Zutritt des Lichtes, bei Gegenwart oder Mangel von Kohlensäure in der die Pflanzen umgebenden Atmosphäre) in stickstoffhaltige Verbindungen (zumal Säureamide und Amidosäuren) sowie in stickstofffreie Atomgruppen zerfallen. Diese letzteren unterliegen bei Gegenwart des Sauerstoffs einer theilweisen Oxydation, als deren Produkte namentlich Kohlensäure und Wasser entstehen. Die stickstoffhaltigen Dissociationsprodukte der Lebenseinheiten verhalten sich aber je nach Umständen sehr verschiedenartig. Sie müssen sich in den Pflanzen- zellen anhäufen, wenn dieselben arm an solchen stickstofffreien Körpern sind, die für die Zwecke der Proteinstoffregeneration Verwendung finden können; dagegen muss die Proteinstoffregeneration (und damit das Verschwinden der Säureamide und Amidosäuren) eintreten, wenn es nicht an geeigneten stickstofffreien Substanzen mangelt. Keimpflanzen, die, wie z. B. die Lupinenkeimlinge, relativ arm an stickstoff- I) Vergl. PFEFFER, Botan. Zeitung. 1874. pag. 251. SCHENK, Handbuch der Botanik, Bd. II, 9 130 System der Pflanzenphysiologie. freien Verbindungen sind, müssen, wenn sie sich im Dunkeln entwickeln, in kurzer Zeit sehr reich an Säureamiden und Amidosäuren werden, eine Anschauung, die in vollkommenem Einklange mit der Erfahrung steht. Wenn sich Lupinenpflanzen, die zunächst noch viel Asparagin etc. enthalten, bei Zutritt des Lichtes weiter entwickeln, so verschwinden die Säureamide sowie Amidosäuren schliesslich mehr oder weniger vollständig aus den Zellen, weil in Folge des Assimilationsprozesses stickstofffreies, für die Zwecke der Proteinstoffregeneration verwendbares Material erzeugt wird. Die Erbsen- und Bohnenkeimpflanzen etc. sind, selbst wenn sie sich im Dunkeln ausbilden, während der ersten Stadien ihrer Entwicklung arm an Säure- amiden und Amidosäuren, weil erhebliche Mengen stickstofffreier Reservestoffe, die das Material zur Porteinstoffregeneration liefern, vorhanden sind. Bei längerer Vegetation der Erbsen oder Bohnenkeimlinge im Dunkeln sammeln sich natürlich beträchtliche Quantitäten der stickstoffhaltigen Dissociationsproducte der Lebens- einheiten des Plasma in den Zellen an. Wenn, wie BoRoDIN gezeigt hat, die treibenden Knospen vieler Pflanzen kein Asparagin enthalten, so erklärt sich diese Erscheinung unter Berücksichtigung des Umstandes, dass den Zellen unter normalen Verhältnissen in Folge des Assimilations- prozesses meistens hinreichende Mengen solcher stickstofffreier Körper zugeführt werden, welche sich mit der Gesammtmenge des vorhandenen Säureamids zur Bildung von Eiweissstoffen vereinigen können. Dunkelheit oder Abwesenheit von Kohlensäure in der Luft muss, da der Assimilationsprozess unter solchen Umständen nicht normal zur Geltung kommt, eine Anhäufung von Asparagin und anderweitigen Stickstoffverbindungen in den Pflanzenzellen herbeiführen. Nach alledem sind wir keineswegs berechtigt zu behaupten, dass die Bildung von Amidosäuren und Säureamiden in solchen Zellen, in denen man das Vorhanden- sein dieser Körper nicht unmittelbar nachweisen kann, nicht stattfindet. Das Phänomen der Entstehung jener stickstoffhaltigen Körper entzieht sich vielmehr unter normalen Vegetationsbedingungen nur deshalb meistens der directen 3eobachtung, weil die erwähnten Dissociationsproducte der Lebenseinheiten des Plasma sofort nach ihrer Entstehung wieder zur Proteinstoffregeneration Verwendung finden. Wenn die Bildung von Säureamiden oder Amidosäuren übrigens sehr ener- gisch zur Geltung kommt, und wenn nicht hinreichende Mengen des für die Proteinstoffneubildung geeigneten stickstofffreien Materials in den Zellen vorhanden sind, so kann es selbst in Pflanzentheilen, die sich unter durchaus normalen Vegetationsbedingungen entwickeln, zu einer Anhäufung der stickstoffhaltigen Dissociationsproducte der Lebenseinheiten des Plasma kommen. Vor allen Dingen macht sich diese Erscheinung aber geltend, wenn die Pflanzen bei Zutritt des Lichtes in einer kohlensäurefreien Atmosphäre oder im Dunkeln verweilen. Schliesslich ist es nicht ohne Interesse, die Frage zu berühren, welcher Natur jene stickstofffreie Substanz sein mag, die im Stande ist, sich mit Säure- amiden oder Amidosäuren zu Proteinstoffen zu vereinigen. Es lässt sich von vornherein behaupten, dass Amylum sowie Rohrzucker nicht die Fähigkeit besitzen, die Eiweissregeneration herbeizuführen, denn die rohrzuckerreichen Rüben und die stärkereichen Kartoffelknollen enthalten, wie bereits oben angeführt worden ist, sehr erhebliche Quantitäten von Amidverbindungen. Dagegen ist sowol vom rein chemischen als auch vom physiologischen Standpunkte aus die Ansicht gewiss als eine berechtigte anzusehen, dass die Glycose sich mit Säureamiden und Amidosäuren zur Proteinstoffneubildung vereinigen kann. Ich selbst sowie III. Abschnitt. 3. Der Athmungsprozess der Pflanzen. 131 andere Beobachter haben daher auch constatiren können, dass Zellen, die-z. B. viel Asparagin führen, glycosearm sind, während in Pflanzenzellen umgekehrt bei einem reichlichen Glycosegehalte derselben gar keine oder geringe Asparagin- mengen nachgewiesen werden können!). Drittes Kapitel. Der Athmungsprozess der Pflanzen. S 58. Die normale Athmung. — a) Allgemeines. Es existiren, wie im folgenden Paragraphen gezeigt werden soll, allerdings einige Pflanzen (Pilze), welche sogar bei völliger Abwesenheit des freien Sauerstoffs wachsen können. Die meisten Pflanzen sind dagegen als vollkommene Aörobien anzusehen; sie gehen alsbald zu Grunde, wenn sie dem Einflusse der Luft entzogen werden, denn unter solchen Umständen können weder die Stoffe gebildet, noch die Kräfte in Freiheit gesetzt werden, deren die Zellen zur normalen Entwicklung absolut nothwendig bedürfen. Alle lebensthätigen Pflanzenzellen (die Zellen der Pilze, der Wurzeln, Laubblätter, Blüthen, Früchte höherer Pflanzen etc.) nehmen in Berührung mit der Luft stets Sauerstoff auf und erzeugen dafür Kohlensäure sowie Wasser. Todte Pflanzentheile unterhalten keine normale Athmung oder überhaupt keine Athmung, und wenn sie geringe Kohlensäuremengen abgeben, so sind dieselben nur als Produkte von Verwesungs-, Vermoderungs- oder Fäulniss- prozessen anzusehen. Bisher nabm man an, dass der atmosphärische Sauerstoff unmittelbar zer- setzend auf die stickstofffreien Bestandtheile der Pflanzen (Amylum, Zuckerarten, Inulin, Fette etc.) einwirke. Die Dissociationshypothese führt zu einer anderen Auffassung der Verhältnisse. Man muss sich vorstellen, dass die stickstofffreien Dissociationsprodukte der Lebenseinheiten des Plasma dasjenige Material repräsen- tiren, welches direkt verathmet wird, und jene soeben erwähnten stickstofffreien Körper (Amylum, Fette etc.) besitzen nur in sofern eine Bedeutung für den Athmungs- prozess, als ihr Vorhandensein die Neubildung lebendiger Eiweissmoleküle und damit den Fortgang der Dissociations- sowie Athmungsprozesse ermöglicht. Wenn, wie im vorigen Paragraphen angegeben ist, die Glycose als diejenige Substanz angesehen werden muss, die im Stande ist, sich mit Säureamiden und Amidosäuren zu Proteinstoffen zu vereinigen, so unterliegt es wol kaum einem Zweifel, dass auch bei der Dissociation der Lebenseinheiten neben stickstoffhaltigen Körpern eine stickstofffreie Atomgruppe von der Zusammensetzung der Glycose entsteht. Diese stickstofffreie Atomgruppe unterliegt einer theilweisen Oxydation, und ich habe mich in meiner vergleichenden Physiologie des Keimungsprozesses eingehen- der darüber ausgesprochen, dass als Produkte des in Rede stehenden Prozesses namentlich Kohlensäure, Wasser und eine für die Zwecke des Wachsthums ver- werthbare Substanz angesehen werden müssen. Der Vorgang kann daher durch die nachstehende Formelgleichung zum Ausdruck gebracht werden: GH: 0: #100 =5C0, 45H, 0 -5CH,'0. Die sich mit der Luft in Berührung befindenden Pflanzentheile liefern also, wenn der Sauerstoff auf die stickstofffreien Dissociationsprodukte der Lebenseinheiten des Plasma oxydirend einwirkt, ein Kohlensäurevolumen, welches dem Volumen 1) Vergl. DETMER, Keimungsphysiologie. 1880, pag. 194. 132 System der Pflanzenphysiologie. der absorbirten Sauerstoffmenge gleich ist; es macht sich in allen Pflanzenzellen unter den bezeichneten Verhältnissen ein Prozess geltend, den man als normale Athmung bezeichnet. Da diese normale Athmung mit einer Kohlensäure- und Wasserbildung auf Kosten organischer Substanz der Pflanzenzellen verbunden ist, so leuchtet von selbst ein, dass der in Rede stehende Vorgang mit einer Ver- minderung des Trockensubstanzgehaltes der Pflanzentheile verbunden sein muss, und in der That lässt sich auf experimentellem Wege leicht feststellen, dass athmende Pflanzentheile (wenn das Stattfinden des Assimilationsprozesses aus- geschlossen wird) fortschreitend ärmer an Trockensubstanz werden. Der erste Forscher, welcher sich eingehender mit der normalen Athmung der Pflanzen beschäftigte, ist INGENHoUSZ!) gewesen?). Später veröffentlichte dann SaussurE?) die Resultate seiner klassischen Untersuchungen über die Respirations- vorgänge im Organismus der Gewächse. Auf die Arbeiten der genannten Forscher sowie DUTROCHET's und anderer Beobachter über Pflanzenathmung komme ich im Verlaufe meiner Darstellung noch zurück; es sei an dieser Stelle nur noch erwähnt, dass KÜHne*) im Jahre 1864 die Unentbehrlichkeit des Sauerstoffs für das Zustandekommen der Protoplasmabewegung nachwies. Nach diesen allge- meinen Bemerkungen will ich die Vorgänge der normalen Athmung der Gewächse etwas spezieller beleuchten. b) Die Keimpflanzen. Die Samen sind nur im Stande zu keimen, wenn denselben gewisse Quantitäten freien Sauerstoffs zur Disposition stehen°). In sauerstofffreien Medien kann das Wachsthum der höheren Pflanzen nicht zur Geltung kommen, und die Evolution des Embryo ist daher unmöglich. Von der Thatsächlichkeit der Sauerstoffabsorption bei der Keimung kann man sich leicht überzeugen, wenn man das Untersuchungsmaterial (gequollene Samen oder Keimpflanzen) mit einer beschränkten Luftmenge über Quecksilber in Berührung bringt. Es zeigt sich dann, dass der Sauerstoff der Luft mehr und mehr verschwindet, während dafür Kohlensäure, wie leicht zu constatiren ist, producirt wird. Das Volumen der erzeugten Kohlensäure ist, wenn man mit amylumreichen Samen experimentirt, dem Volumen der absorbirten Sauerstoff- menge nahezu gleich, während fettreiche Samen aus Gründen, die im folgenden Paragraphen berührt werden sollen, ein viel beträchtlicheres Sauerstoffvolumen aufnehmen‘). Bei normaler Entwicklung des Embryo wird allein Kohlensäure als gasförmiges Athmungsprodukt erzeugt; andere Gase (etwa Wasserstoff oder Kohlenoxyd etc.) entstehen nicht. c) Die Pilze. Ich habe häufig beobachtet, dass Pilze nicht unerhebliche I) Vergl. InGenHousz, Versuche mit Pflanzen. 1786— 1788. ?) Uebrigens will ich hier bemerken, was wenig bekannt zu sein Scheint, dass bereits MAyow etwa 100 Jahre vor InGEnHoUsZz mit der Thatsache der Unentbehrlichkeit der Luft für das Gedeihen der höheren Gewächse vertraut war. Vergl. Jenaische Zeitschrift für Medicin und Naturwissenschaft. B. 4. pag. 141. 3) Vergl. SAaussuRE, Chem. Untersuchungen über die Vegetation. Deutsch. v, VOIGT. 1805. pag. I u. 54. #), Vergl. Künne, Untersuchungen über das Protoplasma. 1864. pag. 88. 5) Es ist häufig die Ansicht ausgesprochen worden, dass keimende Samen auch im Stande seien, den Sauerstoff des Stickstoffoxyduls für die Zwecke der Athmung zu verwerthen. Meiner Meinung nach reichen die bekannten Thatsachen zur Begründung einer derartigen Anschauung noch nicht hin. Vergl. übrigens meine Keimungsphysiologie, pag. 220. 6) Vergl. namentlich SAUSSURE, FRORIEP’s Notizen. 1842. B. 24. No. 16. pag. 243. IH. Abschnitt. 3. Der Athmungsprozess der Pflanzen. 133 Kohlensäuremengen erzeugen, und zwar ist die Menge der von diesen Pflanzen producirten Kohlensäure nach meinen allerdings noch nicht abgeschlossenen Unter- suchungen gleich gross, mögen die Untersuchungsobjecte, unter sonst gleichen Umständen, dem Licht ausgesetzt sein oder im Dunkeln verweilen. In Contact mit hinreichend grossen Luftmengen absorbiren die Pilze eine Sauerstoffmenge, deren Volumen dem Volumen der exspirirten Kohlensäure nahezu gleich ist. d) Die Blüthen. Nach den sorgfältigen Untersuchungen Saussure’s!) über die Athmung der Blüthen absorbiren die Geschlechtsorgane mehr Sauerstoff aus der Luft und hauchen mehr Kohlensäure aus als die übrigen Blüthentheile. Männliche Blüthen oder Blüthentheile athmen nach Saussure bei gleichem Volumen stets lebhafter als weibliche. Die Athmungsintensität der Blüthen (bezogen auf die Volumen- oder Gewichtseinheit) ist in der Zeiteinheit und unter denselben Umständen grösser als die Athmungsintensität einer entsprechenden Quantität von Laubblättern derselben Pflanze, selbst wenn diese letzteren im Finstern verweilen. Das Kohlensäurevolumen, welches Blüthen aushauchen, ist dem absorbirten Sauerstoffvolumen nahezu gleich. e) Die chlorophyllhaltigen Pflanzentheile. Dass grüne Pflanzentheile eine ziemlich lebhafte Athmung unterhalten, lässt sich leicht zeigen, wenn man z. B. Blätter im Finstern mit einer durch Quecksilber abgesperrten Luftmenge in Berührung bringt. Die gewöhnlichen, dünnen Laubblätter der Gewächse scheiden eine Kohlensäuremenge ab, deren Volumen demjenigen der absorbirten Sauerstoffquantität nahezu gleicht. Sehr eigenthümlich verhalten sich unter den bezeichneten Umständen, wie SaussuRE durch mustergültige Versuche gezeigt hat, die dicken, fleischigen Blätter von ‚Sempervivum, Agave etc. sowie die Stamm- glieder der Opuntien. In Berührung mit einer beschränkten Luftmenge vermindern diese letzteren das Volumen der Luft zunächst beträchtlich. Sie nehmen Sauer- stoff auf, scheiden dafür aber keine Kohlensäure ab. Ist der Versuch einige Zeit lang fortgesetzt worden, so wird allerdings noch immer Sauerstoff absorbirt, aber jetzt macht sich gleichzeitig eine entsprechende Kohlensäureabgabe seitens der Pflanzentheile geltend, und die beschränkte Luftmenge erleidet in Folge dessen keine wesentlichen Volumenveränderungen mehr. Die während der ersten Versuchsperiode im Gewebe der Stammglieder der Opuntien auf Kosten des absorbirten Sauerstoffs gebildete Kohlensäure wird in den Zellen vom Zell- safte durch Absorption, vielleicht auch zum Theil durch chemische Kräfte zurück- gehalten, und sie kann daher nicht nach aussen abgegeben werden. Wenn man die Athmungserscheinungen chlorophyllreicher Pflanzentheile bei Zutritt des Lichts untersucht, so kann das Hauptresultat des Respirations- prozesses (die Kohlensäureproduktion) nicht ungestört beobachtet werden, da die Assimilation neben der Athmung zur Geltung kommt, und mehr oder minder grosse Mengen der durch Athmung erzeugten Kohlensäure sogleich wieder in den grünen Zellen unter Sauerstoffabscheidung zersetzt werden. GARREAU?) hat mit Hülfe einer Methode, der gegenüber sich allerdings ver- schiedene Bedenken geltend machen lassen, gezeigt, dass grüne Blätter im Finstern relativ viel Kohlensäure abscheiden, weniger in diffusem Licht und noch weniger in direktem Sonnenlicht. Ich glaube, gestützt auf die Resultate meiner N) Vergl. SAUSSURE’s chem. Untersuchungen etc. und Annal. de chim. et de phys. 1822. T. 21. pag. 279. 2) Vergl. GARREAU, Annal. d. sc. nat. 1851. T. 25. pag. 35. 134 System der Pflanzenphysiologie. allerdings noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen, annehmen zu dürfen, dass das Licht von keinem direkten Einflusse auf die Kohlensäureproduction der Pflanzenzellen ist. Chlorophylifreie Pflanzentheile scheinen unter übrigens gleichen Umständen im Licht ebenso viel Kohlensäure wie im Finstern abzuscheiden. Grüne Pflanzentheile verhalten sich nur deshalb anders, weil bei Lichtzutritt in Folge assimilatorischer Thätigkeit des Chlorophylls mehr oder minder grosse Mengen der durch Athmung erzeugten Kohlensäure sofort wieder zersetzt werden. Daher muss die Kohlensäureabscheidung seitens grüner Pflanzentheile im Licht um so geringfügiger ausfallen, je reicher dieselben an Chlorophyll sind. Die indirekte Bedeutung des Lichtes für die Athmungsintensität grüner Pflanzentheile ist selbstverständlich eine erhebliche, denn das Licht vermittelt ja erst die Bildung des Materials, welches schliesslich für die Zwecke der Athmung Verwendung findet. Werden grüne Pflanzentheile im Finstern auf ihre Athmungs- intensität untersucht, so zeigt sich, dass dieselbe alsbald beträchtlich sinkt. Dies ist ganz natürlich, da das durch Assimilation erzeugte stickstofffreie Material, welches zur Regeneration der in Folge des Stoffwechsels zersetzten Lebens- einheiten des Plasma Verwendung findet, bald aufgezehrt sein muss. Werden die grünen Pflanzentheile jetzt einige Zeit lang dem Einfluss des Lichtes ausge- setzt und dann abermals im Dunkeln auf ihre Athmungsintensität geprüft, so ergiebt sich, dass dieselbe wieder gewachsen ist, weil durch Assimilation neue Quantitäten stickstofffreier organischer Verbindungen gebildet werden konnten, deren Atome zwar nicht unmittelbar, wol aber nach erfolgter Association mit den stickstoffhaltigen Dissociationsprodukten der Lebenseinheiten des Plasma und erneuter Zersetzung der letzteren für die Zwecke der Athmung Verwendung finden.!) f) Der Einfluss äusserer Verhältnisse auf den Verlauf der nor- malen Athmung. Ich habe mich auf experimentellem Wege davon über- zeugen können, dass der Wassergehalt der Zellen nicht ohne Einfluss auf die Athmungsintensität derselben ist. Wasserreichere Pflanzentheile geben nämlich in der Zeiteinheit und unter gleichen Umständen mehr Kohlensäure als wasser- arme ab. Die Fragen nach den Beziehungen zwischen der Höhe der constant ge- haltenen Temperatur und der Sauerstoffaufnahme sowie Kohlensäureabgabe in Folge des Respirationsprozesses, sind noch keineswegs als gelöst zu betrachten. Höhere Temperaturen (bis zu denjenigen, welche die Lebensthätigkeit der Pflanzen- zellen vernichten) steigern zwar die Athmungsintensität der Gewächse nach jeder Richtung, aber während WoLkorr und A. MAvER?) aus ihren Untersuchungen den Schluss ziehen, dass eine Proportionalität zwischen der Höhe der constant gehaltenen Temperatur und der Grösse der Sauerstoffabsorption seitens der Pflanzenzellen existire, scheiden sehr verschiedene Pflanzentheile nach den Beob- achtungen von DEBERAIN, MoIssan®) und PEDERSEN®) bei höheren Temperaturen verhältnissmässig viel mehr Kohlensäure als bei niederen ab. Es müssen fernere !) Vergl. über die hier berührten Verhältnisse zumal die Angaben BoroDpIn’s in Just’s botan. Jahresbericht für 1876. pag. 920. ?) Vergl. WoLKOFF und A. MAvEr, Landwirthsch, Jahrbücher. Bd. 3. pag. 481. *) Vergl. Des£rAın und MoIssan, Compt. rend., T. 78, pag. ııı2, und Moıssan, Annal. deser nat, Ser- 0, 1% 27, No, Iskund»o, #) Vergl. PEversen, Mittheilungen aus d. Carlsberger Laboratorium. Kopenhagen 1878, H. I. pag. 59. II. Abschnitt. 3. Der Athmungsprozess der Pflanzen. 135 Untersuchungen ausgeführt werden, um die hier kurz berührten interessanten Fragen ihrer Lösung entgegenzuführen. Mit Bezug auf den Einfluss, den der Sauerstoffgehalt der Luft auf die Kohlensäureproduction athmender Pflanzenzellen ausübt, ist namentlich zu betonen, dass Keimpflanzen nach den Untersuchungen RıscHawr’s!) in der Zeiteinheit und unter sonst gleichen Umständen in Berührung mit reinem Sauerstoff ebenso viel Kohlensäure wie in Contact mit gewöhnlicher atmosphärischer Luft produciren. Verweilen Keimpflanzen übrigens längere Zeit in reinem Sauerstoff, so gehen dieselben meistens zu Grunde. Dasselbe tritt ein, wie BERT?) feststellen konnte, wenn man die Keimlinge dem’Einflusse einer unter höherem Druck stehenden Atmosphäre gewöhnlicher Luft aussetzte, und daraus folgt, dass nicht der Luft- druck an sich, sondern ein hoher Partialdruck des Sauerstoffs schädlich auf die lebensthätigen Zellen einwirkt. 8 59. Die Vinculationsathmung. — Werden fettreiche Samen (Raps-, Lein-, Ricinussamen etc.) im gequollenen Zustande mit einer, über Quecksilber abgesperrten Luftmenge in Berührung gebracht, so zeigt sich, dass das Volumen der Luft, selbst bei Abwesenheit von Aetzkali, alsbald eine erhebliche Verminderung erleidet. Es muss also Sauerstoff absorbirt werden, ohne dass dafür eine ent- sprechende Kohlensäuremenge zur Abscheidung gelangt. Wie die Fette sich ausser- halb des Organismus mit dem Sauerstoff verbinden, wenn sie der Luft ausgesetzt sind, und zur Entstehung stark sauer reagirender Verbindungen Veranlassung geben, so geschieht dasselbe in ausgedehntem Maasse bei der Keimung fettreicher Samen, während die Vinculationsathmung fettarmer Samen eine nur sehr unbedeutende sein kann. Ueberdies ist zu bemerken, dass die Fette bei der Keimung, wie im folgenden Kapitel eingehender gezeigt werden soll, in Kohlehydrate übergehen, und dieser Prozess, bei dessen Zustandekommen also sauerstoffarme Verbindungen in sauerstoffreiche übergehen, muss ebenso mit einer Sauerstoffabsorption ohne entsprechende Kohlensäureabgabe verbunden sein. Uebrigens macht sich bei der Keimung fettreicher Samen neben der Vinculationsathmung selbstverständlich die gewöhnliche normale Athmung in bemerkenswerther Weise geltend. 8 60. Die innere Athmung. — Das Phänomen der inneren Athmung lässt sich in ungetrübtester Form beobachten, wenn man Pflanzentheile (Keimlinge, Blätter, Stengel, Blüthen, Früchte etc.) in eine sauerstofffreie Atmosphäre bringt. Es zeigt sich dann, dass das Volumen dieser Atmosphäre alsbald eine Ver- grösserung erleidet. Die lebensthätigen Zellen der Pflanzentheile-athmen Kohlen- säure aus, und zwar entstammt der Kohlenstoff, sowie der Sauerstoff derselben, organischen Stoffen, die in den Zellen bereits vorhanden waren. Die von BoRoDIN®), sowie WORTMANN®) durchgeführten Untersuchungen über die innere Athmung haben ergeben, dass die Kohlensäuremenge, welche die Zellen während der ersten Stadien des Versuches in sauerstofffreier Luft aushauchen, ebenso gross wie diejenige Kohlensäuremenge ist, welche sie unter gewöhnlichen Um- ständen in Folge normaler Athmung in derselben Zeit aushauchen würden. Ferner ist von Wichtigkeit, dass die Zellen höherer Pflanzen bei Sauerstoffmangel natürlich nicht wachsen, dass sie aber ihre Lebensfähigkeit in Contact mit sauer- I) Vergl. RıscHawı, Versuchsstationen. Bd. 19. pag. 336. 2) Vergl. BERT, Versuchsstationen. Bd. 17. pag. 117. 3) Vergl. BoRODIn, Just’s botan. Jahresbericht. 1875. pag. 880. #4) Vergl. WORTMANnN, Ueber die Beziehungen der intramolekularen zur normalen Athmung der Pflanzen. Inaugural-Dissert. Würzburg 1879. 136 System der Pflanzenphysiologie. stofffreien Medien, wenn sie nicht zu lange in denselben verweilen, nicht ein- büssen, sondern dass sie, an die Luft gebracht, weiter wachsen. Von einem ganz hervorragenden physiologischen Interesse ist nun die zuerst von LECHARTIER und BELLAMY!), neuerdings ebenso von BREFELD?) sicher con- statirte Thatsache, dass alle Pflanzen und Pflanzentheile (so z. B. Stengel, Blätter, Blüthen, Früchte etc.) bei Abwesenheit des freien atmosphärischen Sauerstoffs neben dem erwähnten Produkt der inneren Athmung (der Kohlen- säure) auch Alkohol in geringeren oder grösseren Quantitäten erzeugen. Die Zellen der höheren Pflanzen sind nicht im Stande, wie bereits angeführt worden ist, bei Sauerstoffabschluss zu wachsen; aber andererseits ist zu betonen, dass keine Pflanzenzelle, nachdem sie getödtet worden ist, noch die Fähigkeit besitzt, zur Entstehung von Alkohol Veranlassung zu geben. Die hier berührten Vorgänge besitzen deshalb insbesondere ein hohes In- teresse, weil sie bis zu einem bestimmten Grade Aehnlichkeiten mit jenem Prozesse darbieten, den man gewöhnlich als alkoholische Gährung bezeichnet, und der durch lebende Pilzzellen verursacht wird. Die Resultate der von PAsTEUR°), LieBiG®), BREFELD®), A. MAVER®) sowie von anderen Beobachtern durchgeführten Untersuchungen haben ergeben, dass der gewöhnliche Hefepilz (Sacharomyces cerevisiae) in Contact mit sauerstoffreicher Luft ein Verhalten zeigt, wie ein solches sonstigen Pflanzenzellen unter den nämlichen Umständen überhaupt eigenthümlich ist. Die Hefezellen wachsen und unterhalten normale Athmung; sie erzeugen aber (allerdings nur dann, wenn ihnen sehr bedeutende Sauerstoffmengen zur Disposition gestellt werden) keinen Alkohol. Bei Sauerstoffmangel bilden die Hefezellen dagegen in Contact mit Zuckerlösung viel Alkohol, aber sie wachsen gleichzeitig eine gewisse Zeit lang, und hierdurch unterscheiden sie sich wesentlich von den Zellen höherer Pflanzen, die ja bei Abwesenheit des freien Sauerstoffs niemals wachsen. Wenn’ Hefezellen lange Zeit bei Sauerstoffabschluss verharren, so hört ihr Wachsthum allmählich auf. Die Zellen gehen in den Zustand des Absterbens über; sie erzeugen aber, bis sie wirklich abgestorben sind, noch Alkohol. Den Zellen des gewöhnlichen Hefe- pilzes ganz ähnlich verhalten sich diejenigen von Mucor racemosus. Einige Mucorarten sind dagegen wol noch im Stande, Zuckerlösungen bei Sauerstoff- abwesenheit in Gährung zu versetzen; sie können aber unter solchen Umständen nicht mehr wachsen. Meine Anschauungen über das Wesen der inneren Athmung und über die >eziehung derselben zur normalen Athmung habe ich bereits auf pag. 241 meiner vergleichenden Physiologie des Keimungsprozesses der Samen wie folgt formulirt: »1. Der normalen sowie der inneren Athmung der Pflanzenzellen geht stets eine Dissociation der Lebenseinheiten des Plasma voran. 2. Die stickstofffreien Zersetzungsprodukte haben stets die Tendenz, sich durch intramolekulare Bewesung ihrer Atome weiter zu dissociren, 3. Befinden sich die Pflanzenzellen aber mit dem freien Sauerstoff in Con- ) Vergl. LECHARTIER und BELLAMY. Compt. rend., T. 69, 75 und 79. ) Vergl. BREFELD, Landwirthsch. Jahrbücher. Bd. 5. pag. 328. ) Vergl. PASTEUR, Compt. rend. 1861 u. 1863. ) Vergl. Lıesıs, Ueber Gährung, als Quelle d. Muskelkraft und Ernährung. 1870. ) Vergl. BrREFELD, Landwirthsch. Jahrbücher, Bd. 3 u. 5. 6) Vergl. A. MAver, Lehrbuch der Gährungschemie, 1874. Vergl. auch den im Jahre 1876 erschienenen Nachtrag zu diesem Werke. III. Abschnitt. 3. Der Athmungsprozess der Pflanzen. 137 tact, so kommt dieser letztere Dissociationsprozess nicht zum Abschluss, weil der Sauerstoff oxydirend auf die stickstofffreien Verbindungen einwirkt und zur Bildung von Kohlensäure, Wasser, sowie eines Körpers, der für die Zwecke des Wachs- thums in Anspruch genommen werden kann, Veranlassung giebt (Normale Athmung). 4. Bei Sauerstoffabschluss vollzieht sich die Dissociation der stickstofffreien Verbindungen in den Pflanzenzellen in augenfälligster Weise, aber der Verlauf dieses Vorganges ist nicht in allen Fällen derselbe, übrigens stets mit innerer Athmung verbunden.!) 5. Normale alkoholische Gährung, die bei Sauerstoffabschluss mit Wachsthum der Gährungserreger verbunden ist, vermögen lediglich die Zellen einiger Pilze hervorzurufen.?) Die Zellen höherer Pflanzen (und ihnen analog verhalten sich die Zellen der erwähnten Pilze, wenn sie zu lange bei Sauerstoffabschluss ver- weilen) können bei Mangel des freien Sauerstoffs nicht wachsen; sie sterben allmählich ab, aber sie unterhalten in diesem Zustande, so lange sie noch nicht völlig getödtet sind, innere Athmung, und als Dissociationsprodukte der in Folge der Zersetzung der Eiweisskörper gebildeten stickstofffreien Stoffe treten geringe Alkoholmengen, Kohlensäure, sowie anderweitige Substanzen auf.« Die alkoholische Gährung ist demnach keineswegs als ein fermentativer Prozess aufzufassen, sondern sie ist Folge der Lebensthätigkeit von Pflanzenzellen, und nach meiner Dissociationshypothese sind die Phänomene der Alkoholbildung seitens der Zellen höherer Pflanzen sowie der Zellen des eigentlichen Hefepilzes mit Leichtigkeit unter einheitliche Gesichtspunkte zu bringen. Ich ziehe es des- halb auch vor, bei der Erklärung der Gährungserscheinungen die Dissociations- hypothese und nicht die von NÄGELI®) kürzlich aufgestellte molekular-physi- kalische Hypothese zu Grunde zu legen, und nach meiner Auffassung kommen die gesammten Gährungserscheinsingen, welche sowol von höheren Pflanzen als auch von dem eigentlichen Hefepilze hervorgerufen werden, wie gesagt dadurch zu Stande, dass die stickstofffreien Dissociationsprodukte der Lebenseinheiten bei Sauerstoffabschluss in Folge der Bewegung ihrer Atome in Alkohol, Kohlensäure und andere Stoffe zerfallen. Der Fortgang der Gährung wird dadurch ermög- licht, dass die stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukte der lebendigen Eiweiss- moleküle sich wieder mit vorhandenen stickstofffreien Stoffen (Glycose) zur Bildung neuer Lebenseinheiten verbinden, die abermals zerfallen können. Abgesehen von den bereits erwähnten Pilzen sind auch noch einige andere im Stande, bei Sauerstoffabschluss zu vegetiren und Gährungserscheinungen hervorzurufen. Vor allem ist hier auf das merkwürdige Verhalten des Closzridium butyricum hinzuweisen. Dieser Schizomycet, welcher die Buttersäuregährung ver- ursacht, indem derselbe z. B. die Milchsäure unter Bildung von Buttersäure, Alkohol, Kohlensäure und Wasserstoff zersetzt, muss nach den sehr beachtens- I) Einige Pflanzen (Pilze) liefern auch Wasserstoff als Produkt innerer Athmung. Vergl. MÜNTZ, Annal. d. chim. et de phys. Ser. 5, T. 8, pag. 67. =) Uebrigens ist hier zu bemerken, dass die Zellen einiger Pilze (Sacharomyces, Mucor) in Contact mit Zuckerlösungen selbst bei anscheinend beträchtlichem Sauerstoffzutritt Alkohol erzeugen, eine Erscheinung, die, wie ich meine, darin ihre Erklärung findet, dass diese Pflanzen den Sauer- stoff nicht mit der bedeutenden Energie, wie es die höheren Pflanzen vermögen, an sich reissen, aber dafür um so energischer Alkoholbildung hervorzurufen befähigt sind. 3) Vergl. NÄGELI, Theorie d. Gährung. 1879. 138 System der Pflanzenphysiologie. werthen Untersuchungen PRAZMOwsKTs!) als ein vollkommenes Anaerobıum aufgefasst werden. Der Pilz ruft allein bei Sauerstoffabwesenheit Gährungs- erscheinungen hervor; die sämmtlichen Lebensvorgänge desselben können sich nicht nur bei vollkommenem Sauerstoffmangel vollziehen, sondern Sauerstoffzutritt unterdrückt sogar die Entwicklung des Organismus.?) Es scheint, dass ebenso eine gewisse Micrococcusspecies, welche den Trauben- und Milchzucker zersetzen kann, bei Sauerstoffabschluss zu vegetiren vermag. Die Lebenseinheiten dieses Pilzes liefern aber nicht in erster Linie wie diejenigen des Sacharomyces cerevisiae Alkohol, oder wie diejenigen der erwähnten C/oszridium- species Buttersäure als stickstofffreie Dissociationsprodukte, sondern es werden erhebliche Milchsäurequantitäten gebildet. Es existirt noch eine Reihe niederer Organismen, welche in Folge ihrer Lebensthätigkeit im Stande sind, organische Körper oder gar Organismen, mit denen sie sich in Contact befinden, in eigenthümlicher Weise zu verändern. Ich nenne hier z. B. den Micrococcus ureae, welcher den Harnstoff in kohlen- saures Ammoniak umwandelt, ferner die eigentlichen Fäulnissbacterien (Bacterium Termo), welche Proteinstoffe unter Bildung mannigfacher organischer Körper sowie verschiedener Gase (Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Stickstoff etc.) zersetzen. Fäulnissprozesse ohne gleichzeitige Gegenwart der Bacterien sind noch niemals beobachtet worden, und alle Verhältnisse, welche das Leben der letzteren vernichten, bedingen auch einen Stillstand der Fäulniss. Interessant ist, dass die Fäulnissbacterien, wenn sie in nicht zu grosser Menge in den lebenden thierischen Organismus eingeführt werden, nach TRAUBE’S Untersuchungen absterben. Es muss an dieser Stelle noch darauf hingewiesen werden, dass viele pathologische Zustände der Thiere und Menschen in Folge des Lebensprozesses niederer Or- ganismen hervorgerufen werden. Sicher nachgewiesen ist dies, — wenn allein die durch Schizomyceten verursachten Krankheiten Berücksichtigung finden, — z.B. für den durch eine Dacillusspecies verursachten Milzbrand und für die jetzt vor- herrschende Krankheit der Seidenraupe, die Schlaffsucht. Wahrscheinlich werden aber auch Cholera, T'hyphus, Diphtheritis, Variola etc. durch den Lebensprozess niederer Organismen hervorgerufen.?) Ueber das Verhalten der zuletzt genannten Pilze dem freien Sauerstoff gegenüber ist nichts Genaueres bekannt. Dagegen ist es gewiss, dass jene Schizomy- ceten, welche, wie z. B. die Mycoderma aceti, die Essigsäurebildun& aus Alkohol hervorrufen, oder welche die Nitrificationsprozesse im Boden bedingen, des freien Sauerstoffs für ihre normale Entwicklung bedürfen, denn sie wirken ja unzweifel- haft als Sauerstoffüberträger. S 61. DieInsolationsathmung. — Den Säften der Blätter einiger Pflanzen (Crassulaceen) kommt, wie bereits Mont angegeben hat, die merkwürdige Eigen- schaft zu, dass sie während der Nacht eine saure Reaction annehmen, die aber am !) Vergl. PrAzMmowskı, Untersuchungen über Entwicklungsgeschichte und Fermentwirkung einiger Bacterien. Leipzig, 1880. ?) Uebrigens ist zu bemerken, dass keineswegs sämmtliche Schizomyceten zu den Anaärobien gehören. So ist z. B. nach PrAazmowskı das mit dem hier zuletzt erwähnten Pilz sehr nahe verwandte C/osiridium Polymyxa nur bei Sauerstoffzutritt im Stande, sich normal zu entwickeln. %) Ueber die hier berührten Verhältnisse vergl. man die Zusammenstellungen in LÜERSSEN’s medicinisch-pharmaceutischer Botanik, Bd. 1, sowie in der kürzlich erschienenen Schrift: Zur Aetiologie der Infectionskrankheiten. München bei Finsterlin, 1881. Vergl. auch Koch’s Unter- suchungen über den Milzbrand in Comn’s Beiträgen zur Biologie der Pflanzen. Bd. 2, III. Abschnitt. 3. Der Athmungsprozess der Pflanzen. 139 Tage wieder verschwindet. Unter Berücksichtigung dieses Beobachtungsresultates hat A. Mayer!) das Verhalten der Blätter von Crassulaceen in kohlensäurefreier Atmosphäre bei Zutritt des Lichtes, nachdem dieselben vorher im Dunkeln ver- weilt hatten, genauer untersucht und gefunden, dass die Blätter unter solchen Um- ständen erhebliche Sauerstoffmengen abgeben. Man könnte meinen, dass dieser Sauerstoff seiner Gesammtmasse nach durch Zersetzung von Kohlensäure entstände, die, wie es für die Stengelglieder der Opuntien gilt, in den Zellen aufgespeichert werden kann; aber A. MavEr hat diese Auffassung schon auf Grund der Ergeb- nisse besonderer Versuche als eine irrthümliche hingestellt. Die Blätter der Crassulaceen scheinen, soweit wir heute orientirt sind, in kohlensäurefreier Athmosphäre bei Lichtzutritt deshalb Sauerstoff abzugeben, weil unter diesen Bedingungen eine Pflanzensäure (nach A. MAvEr eine Isomcre der Aepfelsäure), die sich im Dunkeln im Gewebe der Blätter anhäufen kann, unter Sauerstoffabscheidung zersetzt wird. Als ein ferneres Produkt des in Rede stehenden Reductions- prozesses, der gewiss unter Mitwirkung des Chlorophylis zu Stande kommt, sind wahrscheinlich Kohlehydrate anzusehen. Der frei werdende Sauerstoff ist, da er einem Stoffwechselprozesse seine Entstehung verdankt, als ein Athmungs- produkt aufzufassen. S62. Die Wärmeentwicklung und die Phosphorescenz der Pflanzen. — Wenn wir unser Augenmerk allein auf diejenigen Prozesse im Innern der Pflanze richten, durch welche der Temperaturzustand des Organismus in einiger- maassen erheblicher Weise beeinflusst wird, so ist vor allen Dingen zu bemerken, dass die in den Pflanzenzellen ganz allgemein zur Geltung kommenden Disso- ciations- sowie Decompositionsprozesse eine Freiwerdung von Wärme herbei- führen müssen. Wenn die Lebenseinheiten des Plasma eine Spaltung in stickstoff- haltige und stickstoffireie Atomgruppen erleiden, wenn diese letzteren einer ferneren Dissociation unterliegen, oder wenn sie unter Vermittelung des Sauer- stoffs der Luft oxydirt werden, so wird in actuelle Energie in Freiheit gesetzt, und diese tritt unter anderem in Form von Wärme auf (Eigen- wärme der Pflanzen). Damit ist nun aber keineswegs gesagt, dass die Pflanzen stets eine höhere Temperatur als die sie umgebenden Medien besitzen müssen, und man findet in der That, dass die krautigen Theile der im Freien vegetirenden Pflanzen meistens nicht wärmer, sondern sogar kälter als die umgebende Lüft sind, eine Erscheinung, die sich in einfachster Weise erklärt, wenn man bedenkt, dass neben jenen Ursachen, welche die Temperatur des Pflanzenkörpers erhöhen können, gleichzeitig anderweitige Momente thätig sind, durch welche die Temperatur der Gewächse eine Erniedrigung erfährt. So wird in Folge der Wärmeausstrahlung sowie der Transpiration krautiger Pflanzentheile die Eigenwärme derselben gewöhnlich nicht ohne weiteres in die Erscheinung treten; es bedarf besonderer Maassnahmen (vor allem Beseitigung irgendwie lebhafterer Transpiration) um die Entwicklung der Eigenwärme im Gewebe krautiger Pflanzentheile constatiren zu können. Andere Pflanzentheile hingegen, deren Oberfläche im Vergleich zu ihrer Masse relativ gering ist, die eine nur schwache Transpiration unterhalten, oder in denen die Stoffwechselprozesse mit I) Vgl. A. MAvEr, Versuchsstationen. B. 21. pag. 277. Ich glaube nicht, dass die Ansichten, welche H. DE VRIES (vergl. landwirthschaftl. Jahrbücher, Bd. 5, pag. 469) über die hier in Rede stehenden Verhältnisse geäussert hat, nach den neueren Publicationen A. Maver’s als solche angesehen werden können, welche mit den Thatsachen in Einklang stehen. 140 System der Pflanzenphysiologie. besonderer Energie zur Geltung kommen, eignen sich unter Umständen vor- trefflich dazu, um die Existenz der pflanzlichen Eigenwärme direkt zu constatiren. Dass in der That in Folge des Lebensprozesses der Pflanzenzellen Wärme entwickelt wird, lässt sich z. B. deutlich beobachten, wenn man den Temperatur- zustand gährender Zuckerlösungen mit demjenigen der umgebenden Medien ver- gleicht. Es zeigt sich, dass die Gährung mit lebhafter Wärmeentwicklung ver- bunden ist. Ebenso lässt sich leicht zeigen, dass bei der Keimung der Samen Wärme frei wird.!) Recht beträchtlich sind die Wärmemengen, welche in den Blüthen entwickelt werden. Man kann dies leicht constatiren, wenn man z. B. den Temperaturzustand der Antheren der Kürbisblüthen untersucht; aber vor allen Dingen ist hier auf die lebhatte Selbsterwärmung der einzelnen Theile des Kolbens der Aroideen hinzuweisen, denn dieser Pflanzentheil zeigt häufig einen Temperaturüberschuss von mehreren Graden.?”) DUTROCHET hat in der soeben ceitirten Abhandlung unter Benutzung eines thermoelektrischen Apparates den Nachweis geliefert, dass sich das Auftreten der Eigenwärme auch im Gewebe grüner Vegetationsorgane leicht nachweisen lässt, wenn man diese Pflanzentheile, nachdem man sie vor irgendwie lebhafterer Transpiration geschützt hat, zum Experiment verwendet. Die Athmung einzelner Pflanzen kann so lebhaft erfolgen, dass sogar Phospho- rescenzerscheinungen auftreten. Sicher nachgewiesen ist das Leuchten verschiedener Agaricusarten (namentlich des Agaricus olearius ın der Provence), ferner dasjenige der Rhizomorphen. Die erwähnten Pflanzen besitzen die Fähigkeit der Lichtent- wicklung nur im lebenden Zustande; entzieht man ihnen den Sauerstoff, so hört die Phosphorescenz auf. Die häufig in der Literatur wiederkehrenden An- gaben bezüglich des Leuchtens verschiedener Blüthen, sind von sehr zweifel- haftem Werth.?) Viertes Kapitel. Das Verhalten der stickstofffreien Verbindungen der Pflanzen. S 63. Die Baustoffe der Zellhaut im Allgemeinen. — Der Zellstoff der Zellmembranen kann auf keinen Fall als ein direktes Assimilationsprodukt angesehen werden. Dagegen liegt einerseits die Möglichkeit vor, dass gewisse in den Pflanzenzellen vorhandene stickstofffreie Verbindungen unmittelbar zur Zellstoftbildung Verwendung finden, andererseits kann man aber auch von vorn- herein der Ansicht sein, dass erst durch die Zersetzung der Proteinstoffe, das für die Zwecke der Zellstoffbildung erforderliche Material gewonnen wird. Nach allem, was bereits in diesem Abschnitte gesagt worden ist, muss man heute dieser letzteren Auffassung den Vorzug geben, aber es ist schon hier zu betonen, dass die stickstofffreien Dissociationsprodukte der Lebenseinheiten des Plasma keines- wegs in ihrer Gesammtmasse in Zellstoffe umgewandelt werden, sondern dass sie I) Vergl. GöPPERT, Ueber Wärmeentwicklung in den lebenden Pflanzen, Breslau 1830 und WIESNER, Sitzungsber. d. k. Akadem. d. Wiss. zu Wien. Bd. 64. 2) Vergl. SENNEBIER, Physiol. vegetale. T. 3, pag. 315 und DUTROCHET, Annal. d. sc. nat. 2, 13, Pag I: ?) Vergl. Meven, Neues System der Pflanzenphysiologie. 1838, Bd. 2, pag. 192 und Sachs, Experimentalphysiologie, pag. 304. II. Abschnitt. 4. Das Verhalten der stickstofffreien Verbindungen der Pflanzen. 141 zunächst unter Kohlensäure- sowie Wasserbildung einem Decompositionsprozesse anheimfallen, über dessen Verlauf die im 58. Paragraphen aufgestellte Formel«- gleichung näheren Aufschluss giebt. Jene Nebenprodukte des Stoffwechsels (Kohlensäure und Wasser) werden von den Pflanzenzellen abgeschieden; die Gruppe CH, O verbleibt aber in den Zellen und kann in Cellulose übergeführt werden. Soll der Prozess der Zellstoffbildung in den Pflanzen und damit der Vorgang des Wachsthums nicht stille stehen, so müssen die stickstoffhaltigen Dissociationsprodukte der Lebenseinheiten des Plasma natürlich aufs Neue mit stickstofffreien Körpern zur Bildung lebendiger Eiweissmoleküle in Wechsel- wirkung treten. Für diesen Zweck finden in der That die direkten Assimilations- produkte (Amylum, Zucker, Fette) oder die in vorhandenen Reservestoffbehältern aufgespeicherten Substanzen (Amylum, Rohrzucker, Dextrin, Inulin, Fette etc.) Verwendung, und alle diese Körper können daher in einem bestimmten Sinne noch heute als Material angesehen werden, welches für die Bildung der Zell- membranen verbraucht wird. Jene Verbindungen sind ferner noch heute, wie dasselbe bereits von SacHs vor etwa 20 Jahren mit so grossem Nachdruck betont worden ist, als physiologisch gleichwerthige Substanzen aufzufassen.!) -8 64. Das Verhalten der Kohlehydrate. — Die in den Assimilations- organen der Gewächse gebildete Stärke bleibt unter normalen Verhältnissen nicht in den Chlorophylikörnern liegen, sondern sie wird in Glycose übergeführt und findet darauf im vegetabilischen Organismus die mannigfaltigste Verwendung. Für die Beurtheilung des Prozesses der Auflösung der in -Pflanzenzellen vorhan- denen Amylumkörner überhaupt, ist es von Wichtigkeit zu betonen, dass dabei nach den neueren Untersuchungen Fermente ganz allgemein eine wichtige Rolle spielen. Die Beobachtungen von BARANETZKY?) und anderer Forscher haben gezeigt, dass nicht nur in den Samen Fermente (Diastase) vorhanden sind, welche auflösend auf die Amylumkörner einwirken können, sondern dass ebenso die grünen Blatt- und Stammgebilde der Pflanzen solche Fermente führen. Die Fermente wirken corrodirend und chemisch verändernd auf die Amylumkörner ein, und in dem Maasse, wie diese Corrosion, die übrigens in sehr mannigfaltiger Weise in die Erscheinung treten kann, fortschreitet, entsteht Glycose auf Kosten der ver- schwindenden Stärke.?) Die aus der durch Assimilation erzeugten Stärke gebildete Glycose strömt nun, was zunächst unsere Aufmerksamkeit verdient, den wachsenden Pflanzen- theilen zu. Sie wandert aus den Blättern in die Stammgebilde, kann in diesen nach aufwärts und abwärts bewegt werden, also schliesslich in alle Organe der Pflanzen (Wurzeln, junge Laubblätter, Blüthen etc.) gelangen, in denen ein Flächenwachsthum der Zellhäute oder Zelltheilungsvorgänge zur Geltung kommen. An dem Orte ihres Verbrauchs angelangt, vereinigt sich die Glycose mit den stickstoffhaltigen Dissociationsprodukten der Lebenseinheiten des Plasma. Es entstehen neue lebendige Eiweissmoleküle, und diese liefern endlich, nachdem I) Vergl. SacHs, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissensch. Botanik, Bd. 3, pag. 183 und Experimentalphysiologie, pag. 347. SACHS hat das Verhalten plastischer Stoffe in den Pflanzen auf mikroskopischem Wege eingehender verfolgt und mit Bezug auf die dabei in Anwendung zu bringenden Methoden sind die citirten Schriften zu vergleichen. Man vergl. ferner Sachs, Flora, 1862, pag. 289. 2) Vergl. BARANETZKY, Die stärkeumbildenden Fermente in d. Pflanzen. Leipzig 1878. 3) Wenn hier und im Folgenden von Glycose die Rede ist, so ist darunter stets eine aur Fehling’sche Flüssigkeit direkt reducirend einwirkende Zuckerart zu verstehen. 142 System der Pflanzenphysiologie. die oft erwähnten Dissociations- und Decompositionsvorgänge zur Geltung ge- kommen sind, das für die Zwecke des Wachsthums verwerthbare Material. Mit Bezug auf die Wanderung stickstofffreier Verbindungen in den Gewächsen muss bereits an dieser Stelle betont werden, dass sich die in Rede stehenden Körper hauptsächlich im Parenchym der Pflanzen bewegen. Ferner ist von Wichtigkeit, dass die auf der Wanderung begriffene Glycose sehr allgemein in den Parenchymzellen transitorisch in Stärke übergeht, und endlich darf nicht übersehen werden, dass, während in allen in Streckung begriffenen Zellen der Pflanzen diese oder jene stickstofffreien Verbindungen (Glycose, Stärke etc.) nach- gewiesen werden können, ein derartiger Nachweis nicht gelingt, wenn man die sich lebhaft theilenden Zellen der Vegetationspunkte der Stengel und Wurzeln oder des Cambiums untersucht. Zwar werden gerade diesen Zellen relativ erheb- liche Quantitäten stickstofffreier Substanzen zugeführt; aber der Stoffverbrauch in denselben ist ein so lebhafter, dass jene Verbindungen sich nicht anhäufen können, und sich deshalb dem direkten Nachweis entziehen.!) Die in den Assimilationsorganen der Pflanzen gebildete Stärke, resp. die aus denselben gebildete Glycose kann aber nicht allein für die Zwecke des Wachsthums eine unmittelbare Verwendung finden, sie kann vielmehr ebenso zur Bildung solcher Körper dienen, die zunächst in Reservestoffbehältern zur Aufspeiche- rung gelangen, um erst in einer folgenden Vegetationsperiode verarbeitet zu werden. Wenn sich die Rübenwurzeln ausbilden, so zeigt sich, dass das Parenchym der Stiele der Blätter grosse Glycosemengen enthält. Transitorische Stärkebildung tritt in diesem Falle nur in beschränktem Umfange auf. Die Glycose wandert aus den Assimilationsorganen in die Wurzel und wird hier in Rohrzucker umge- wandelt. Bei der Entwicklung der Kartoffeiknollen werden beträchtliche Mengen des durch Assimilation erzeugten stickstofffreien Materials den Zellen derselben zugeführt, um schliesslich in Form von Amylumkörnern abgelagert zu werden. Ganz analoge Prozesse machen sich bei der Ausbildung der inulinreichen Knollen von Helianthus tuberosus, bei der Aufspeicherung von Reservestoffen in Zwiebeln, im Holz der Stämme, im Endosperm und Perisperm, der Samen oder in den Cotyledonen der Embryonen geltend. Die im Vorstehenden in aller Kürze mitgetheilten Resultate über das Ver- halten der Assimilationsprodukte der Pflanzen sind durch eine lange Reihe mikro- chemischer, sowie quantitativ-chemischer Untersuchungen gewonnen worden. Mıt Hülfe ähnlicher Methoden hat man aber auch das Verhalten der Reserve- stoffe bei der Keimung der Samen, bei der Knospenentwicklung der Holzpflanzen im Frühjahr und bei dem Austreiben der Knospen oder Knollen etc. untersucht. Dabei hat sich wieder ergeben, dass die stickstofitreien Reservestoffe das Material zur Bildung grösserer oder geringerer Glycosemengen liefern, die in die wachsen- den Pflanzentheile übergehen und für die Zwecke der Zellstoffbildung Verwendung finden. In dem Maasse, wie die Embryonen oder Knospen sich entwickeln, ver- I) Bemerkt sei hier noch, dass die Chlorophylikörper solcher Pflanzentheile, die zunächst dem Einfluss des Lichtes ausgesetzt waren, alsbald (bei höherer Temperatur in wenigen Tagen) völlig von Assimilationsprodukten entleert erscheinen, wenn jene Pflanzentheile ins Dunkele ge- langen. Die Stärkekörner gehen in Glycose über; diese letztere kann auch im Finstern für die Zwecke des Wachsthums Verwendung finden, aber dasselbe hört sehr bald gänzlich auf, weil kein neues stickstofffreies Material durch Assimilation erzeugt wird. (Man vergl. SAacHs, Botan. Zeitung, 1864. No. 38). II. Abschnitt. 4. Das Verhalten der stickstofffreien Verbindungen der Pflanzen. 143 schwinden die Reservestoffe aus den Reservestoffbehältern, so dass die Zellen derselben endlich fast völlig entleert erscheinen. Sehr klar lassen sich die Vorgänge, welche mit dem Verbrauch von Reserve- stoffen Hand in Hand gehen, bei der genaueren Betrachtung des Keimungs- prozesses der Samen übersehen.!) Wenn man z. B. den Keimungsprozess der Gramineensamen näher ins Auge fasst,?) so verdient zunächst die Thatsache Beachtung, dass der Embryo mit einem besonderen Saugorgan (dem Scutellum) versehen ist, welches den Zweck hat, dem Keimling die im Endosperm aufgespeicherten Reservestoffe zuzuführen. Bald nach Beginn der Keimung werden die Stärkekörner in den dem Scutellum am nächsten liegenden Endospermzellen corrodirt; es tritt Glycose im Endosperm auf, und indem diese mehr und mehr in den Embryo übergeht, macht der Auf- lösungsprozess der Inhaltsstoffe der Endospermzellen weitere Fortschritte. Die Glycose verbreitet sich in dem Parenchym des Embryo; sie geht in die jungen Blätter, sowie Wurzeln über, und während bestimmte Glycosemengen sofort für die Zwecke der Zellstoffbildung Verwendung finden, können gewisse Quantitäten derselben vorübergehend in Stärke umgewandelt werden, die natürlich schliesslich wieder aufgelöst wird. Der Embryo der Dattelsamen ist wie derjenige der Gräser mit einem Saug- organ verschen.®) Während das Scutellum der Gräser aber bei der Keimung der Samen nicht wächst, vergrössert sich das Saugorgan der Dattelembryonen bei der Keimung beträchtlich. Als wichtigster stickstofffreier Reservestoff der Samen von Phoenix dactylifera ist nicht Amylum, sondern Zellstoff, der in Form mächtig entwickelter Verdickungsschichten der Endospermzellen vorhanden ist, anzusehen. Dieser Zellstoff wird unter Vermittelung des Saugorgans aufgelöst und in Glycose übergeführt, welche letztere den wachsenden Theilen des Embryo zuströmt. Die angeführten Thatsachen lassen schon erkennen, dass in den Embryonen der genannten Samen (und diesen analog verhalten sich diejenigen anderer Samen) bestimmte Stoffe (Fermente) vorhanden sein oder gebildet werden müssen, welche in die Zellen der Reservestoffbehälter übergehen und die Auflösung der Reservestoffe herbeiführen. Dasselbe haben auch die Resultate der in- teressanten Untersuchungen vAN TIEGHEM'S,*) sowie anderer Beobachter ergeben, wonach manche Embryonen sogar auf Amylumkörner, mit denen sie sich ın Contact befinden, die aber nicht mehr in Pflanzenzellen eingeschlossen sind, lösend einwirken und die gebildeten Stoffe für die Zwecke ihres Wachs- thums verwerthen. Wenn die Reservestoffe der Samen nicht im Endosperm, sondern in den Cotyledonen der Embryonen selbst aufgespeichert sind (Ziswrn, Phaseolus etc.), so ist die Gegenwart eines besonderen Saugorganes natürlich nicht erforderlich, um die plastischen Stoffe den sich entwickelnden Organen der Keimpflanzen zuzuführen. Instructiv sind auch die Ergebnisse, zu denen man bei quantitativ-chemischen Untersuchungen der Samen einerseits und der Keimpflanzen andererseits gelangt N) Die Literatur über die Keimung solcher Samen, welche reich an Kohlehydraten sind, habe ich im fünften Hauptabschnitte meiner Keimungsphysiologie zusammengestellt. 2) Angaben über die Keimungsgeschichte der Gräser findet man bei Sachs, Botan. Zeitung, 1862. pag. 145. 3) Angaben über die Keimung der Dattel findet man bei Sachs, Botan. Zeitg. 1862, pag. 241. %) Vergl. VAN TIEGHEM, Annal. d. sc. nat. Botanique. Ser. 5. T. 17. pag. 205. « m ER I Se RATE 144 System der Pflanzenphysiologie. ist. So liess BoussinGAULT!) z. B. Maiskörner 20 Tage lang im Finstern keimen. Die Beobachtungsresultate sind in der folgenden kleinen Tabelle zusammengestellt: | Trocken- | Amylum Stickstoff- Unbe- 32 | subst. bei | und Dex- | Glycose. Fett. Cellulose. | haltige Asche. stimmte Mai u 1°C. trin (2). Stoffe. Stoffe. Grm. Grm. Grm. Grm. Grm. Grm. Grm. Grm. 22 Körner 8,636 6,386 0,000 0,463 0,516) 0,880 0,156 0,236 22 Keimpflanzen 4,529 0,777 0,953 0,150 1,316| 0,880 0,156 0,397 Differenz | — 4,107 | — 5,609 | + 0,953| — 0,313| + 0,800| 0,000 | 0,000 |-+ 0,161 Zunächst ist von Wichtigkeit, dass die Maiskeimlinge, da sie sich im Finstern entwickelten, natürlich nicht assimiliren konnten. Deshalb ist auch der Trocken- substanzgehalt der Keimlinge viel geringer als derjenige der ruhenden Körner. Ferner ist aber vor allen Dingen dies Resultat für uns von Bedeutung, dass ein erheblicher Theil des Amylum in Folge der Keimung verschwand. Diese Stärke- menge ist zunächst in Glycose übergegangen. Ein Theil derselben hat sich in den Keimpflanzen angehäuft, während ein anderer Theil mit den stickstoffhaltigen Dissociationsprodukten der Lebenseinheiten in Wechselwirkung gerieth, und zur Neubildung von Proteinstoffen Verwendung fand. Durch den fortdauernd zur Geltung kommenden Prozess der Selbstzersetzung der Lebenseinheit des Plasma ist schliesslich das Material gewonnen worden, welches zur Bildung von Kohlen- säure, Wasser und Zellstoff verbraucht wurde. In der That lassen die vorstehen- den Zahlenangaben deutlich erkennen, dass die Keimpflanzen mehr Cellulose als die ausgelegten Körner enthalten.?)°) S 65. Das Verhalten der Fette. — Es dürften wol kaum vollkommen fettfreie Pflanzentheile existiren. Die Wurzeln, Stengel, Blätter sind aber meistens sehr fettarm. Ebenso enthalten viele Samen nur geringe Fettmengen, andere dagegen (Raps-, Mohn-, Ricinussamen) sehr bedeutende (30—502). Auch das Fleisch einiger Früchte (z. B. diejenigen von Olea europaca) ist sehr fettreich. Die Fette zeichnen sich durch hohen Kohlenstoff- und geringen Sauerstoff- gehalt aus. Als nähere Bestandtheile der Fette sind zunächst Glyceride (wol meist Triglyceride) verschiedener Säuren, z. B. der Capronsäure, Myristinsäure, Stearinsäure, Oelsäure, Ricinölsäure etc. zu nennen. Neben Glyceriden ent- halten die Pflanzenfette aber nachgewiesenermaassen häufig freie Fettsäuren.?) Die Fette entstehen in den Pflanzen, wie es scheint nur sehr selten und ganz vereinzelt in Folge des Assimilationsprozesses. In der Regel sind sie als Stoff- wechselprodukte aufzufassen. Bei dem Studium des Reifungsprozesses fettreicher Samen hat sich ergeben, dass Kohlehydrate in letzter Instanz das Material zur Fettbildung liefern’). Die unreifen Samen sind reich an Amylum; aber in dem Maasse, wie die Entwicklung der Samen Fortschritte macht, häuft sich Fett im Gewebe derselben an, während die Stärke verschwindet. Bedenkt man, dass in dem in Rede stehenden Falle sauerstoffarme Verbindungen (Fette) aus sauer- stoffreichen hervorgehen, und zieht man ferner in Erwägung, dass das Zustande- I) Vergl. BoussinGAULT, Compt. rend. T. 58. pag. 917. ?) Weitere Angaben über die in diesem Paragraphen berührten Verhältnisse findet man bei Sachs (Handbuch der Experimentalphysiologie und Lehrbuch der Botanik), DETMER (Keimungs- physiologie), H. DE Vrızs (landwirthsch. Jahrbücher, Bd. 5, 6, 7 und 8), sowie Just (Annal. d. Oenologie, Bd. 3. H. 4). %) Auf das Verhalten einiger Kohlehydrate komme ich weiter unten zurück. #) Vergl. König, Versuchsstationen. Bd. 17, pag. 13. 5) Vergl. PFEFFER, PRINGSHEIM’s Jahrbücher, Bd. 8, pag. 429. IH. Abschnitt. 4. Das Verhalten der stickstofffreien Verbindungen der Pflanzen. 145 kommen eines solchen Reductionsprozesses im chlorophylifreien Gewebe der reifen- den Samen nicht unter Sauerstoffabscheidung zu Stande kommen kann, so leuchtet ein, dass die sauerstoffreichen Verbindungen unter Kohlensäureentwicklung in Fette übergehen werden. Man hat sich, so meine ich, vorzustellen, dass die stick- stofffreien Dissociationsprodukte der Lebenseinheiten diejenigen Atomgruppen repräsentiren, aus denen das Fett direkt hervorgeht, während die in den reifen- den Samen vorhandenen Kohlehydrate den Fortgang des in Rede stehenden Prozesses in bekannter Weise ermöglichen.!) Es ist bereits an anderer Stelle betont worden, dass Kohlehydrate und Fette als physiologisch gleichwerthige Verbindungen angesehen werden müssen, und dieser Satz stützt sich zumal auf. die Erfahrungen, welche man bei dem Studium des Keimungsprozesses fettreicher Samen gemacht hat. Es hat sich dabei näm- lich ergeben, dass die Fette, ebenso wie Stärke oder andere Kohlehydrate, das Material zur Cellulosebildung liefern können. Die mikrochemischen Untersuchungen von SacHs?), ebenso die quantitativ-chemischen Arbeiten, welche HELLRIEGEL, PETERS und ich?) über den Keimungsprozess fettreicher Samen durchgeführt haben, lehren, dass das Fett in dem Maasse, wie die Evolution des Embryo fortschreitet, und die Zelistoffbildung in Folge dessen bedeutender wird, aus den Reservestoffbehältern verschwindet... Dabei macht sich die bemerkenswerthe Thatsache geltend, dass das Fett zunächst in Stärke oder Glycose (letzteres namentlich bei der Keimung der Samen von Allum Cepa) übergeht, während sich diese Kohlehydrate dann weiter in ganz ähnlicher Weise verhalten, wie dies im vorigen Paragraphen dargelegt worden ist. Auf Grund der Ergebnisse gewisser von Müntz®) durchgeführter Untersuchungen darf man heute annehmen, dass die Glyceride bei der Keimung unter Vermittelung von Fermenten in Glycerin und freie Fettsäuren gespalten werden. Ersteres geht wahrscheinlich in sogen. unbestimmte Stoffe über, während die freien Fettsäuren einem Oxydations- prozesse anheimfallen und das Material zur Entstehung von Kohlehydraten liefern. Dabei wird, da aus sauerstoffarmen Verbindungen (Fettsäuren) sauerstoffreiche Körper (Kohlehydrate) entstehen, sehr viel Sauerstoff verbraucht. 8 66. Weitere plastische Stoife. — Es ist nicht zu übersehen, dass neben den Kohlehydraten und Fetten noch anderweitige stickstofffreie Substanzen in den Pflanzen vorkommen, die als plastisches Material aufgefasst werden müssen. Zunächst möchte ich hier auf den Mannit (C, H,, O,) hinweisen, welche Ver- bindung im reinen Zustande farblose, seidenglänzende Nadeln darstellt, die einen süssen Geschmack besitzen und in Wasser leicht löslich sind. Der Mannit kommt in vielen Pilzen, aber auch in vielen höheren Pflanzen (Olivenbaum, Apfelbaum, Lärche etc.) vor, und aus den Resultaten einer Arbeit DE Lucä’s°) scheint hervorzugehen, dass die in Rede stehende Substanz sich in den Gewächsen ganz ähnlich wie Amylum oder Glycose verhalten kann. In gewissem Sinne können auch wol manche Glycoside des pflanzlichen Organismus, mögen dieselben stickstofffrei oder stickstoffhaltig sein, als plastisches Material angesehen werden. Für alle diese Verbindungen (Salicin, Populin, Phlo- 1) Man vergl. auch NÄcELI’s Angaben über die Fettbildung des Pexicilium. Sitzungsber. der bayerischen Akadem. d. Wissensch. 1879, pag. 287. 2) Vergl. Sachs, Botan. Zeitung. 1859, pag. 177, u. 1863, pag. 57. 3) Vergl. die Angaben in meiner Keimungsphysiologie. pag. 334. 4), Vergl. MÜnTz, Annl. de chim. et de phys. Ser. 4, T. ı2, pag. 472. 5) Vergl. DE LucA, Comptes rendus 1862. pag. 506. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II. 10 146 System der Pflanzenphysiologie. rıdzin, Rubierythrinsäure, Digitalin, Solanin, Amygdalin, Myroensäure etc.) ist es nämlich charakteristisch, dass dieselben bei der Behandlung mit Säuren in Trauben- zucker und andere Körper zerfallen. Man hat einigen Grund zu glauben, dass die Glycoside im vegetabilischen Organismus unter bestimmten Umständen eben- falls Glycose als Zersetzungsprodukt liefern, und wäre dies wirklich der Fall, so würde der gebildete Zucker unzweifelhaft als plastisches Material Verwendung finden können. In demselben Sinne wie die eigentliche Glykoside dürfen auch wol manche Gerbstoffe als plastisches Material gelten. In der Chinarinde kommt z. B. Chinagerbsäure neben Chinaroth vor. Wenn man aber China- gerbsäure mit Schwefelsäure behandelt, so bilden sich Zucker und Chinaroth, weshalb die Vermuthung sehr nahe liegt, dass die hier in Rede stehende Spaltung des Gerbstoffs ebenfalls in der lebenden Pflanze zu Stande kommen kann. S 67. Die Degradationsprodukte. — Bestimmte Stoffe des pflanzlichen Organismus können ganz unzweifelhaft als Degradationsprodukte, d. h. als solche Körper angesehen werden, welche aus organisirten Gebilden der Zellen ent- standen sind, aber keine weitere Verwendung zur Bildung neuer organisirter Zellenbestandtheile finden. Zunächst ist hier auf das Lignin des Holzes hinzu- weisen, dessen Entstehung aus dem Zellstoff der Membranen sowol vom physio- logischen als auch vom rein chemischen Standpunkte aus als sehr wahrscheinlich . angesehen werden muss.!) Ebenso dürfen das Suberin des Korks, sowie das Cutin der Cuticula als Degradationsprodukte der Cellulose der Zellmembranen gelten, und es ist nicht minder wahrscheinlich, dass der Zellstoff ebenfalls das Material zur Entstehung des Wachses der Cuticula liefert.?2) Als fernere Degradationsprodukte sind zu nennen: das Arabin, welches namentlich aus ver- schiedenen Acaciaarten gewonnen wird, das Bassorin, ein Hauptbestandtheil des Traganthgummis einiger Aszragalusspecies, die Gummiarten und Pflanzen- schleime in den Epidermiszellen vieler Samen und Pericarpien,?) sowie die Pectinstoffe (Pectin), jene Körper, die mit Wasser Gallerten bilden, und unter Vermittelung von Fermenten aus der Pectose entstehen sollen. $ 68. Die Nebenprodukte. — Wenn in den Pflanzen Dissociationsprozesse oder Decompositionsprozesse zur Geltung kommen, so entstehen neben den plastischen Stoffen, die für die Zwecke der Zellhaut- sowie Protoplasma- bildung Verwendung finden können, noch eine Reihe anderweitiger Körper, welche nicht zur Bildung organisirter Zellenbestandtheile dienen. Vor allen Dingen sind Kohlensäure, Wasser sowie Alkohol als Nebenprodukte des Stoff- wechsels anzusehen. Ueberdies bilden sich aber in Folge der Dissociation der Lebenseinheiten des Plasma oder der Decomposition der stickstofffreien Zer- setzungsprodukte der lebendigen Eiweissmoleküle noch manche andere Ver- bindungen, die hier für uns von Interesse sind, und es kommt, wie ich meine, ganz auf die specifische Natur der Lebenseinheiten der Zellen an, welche Stoffe eben entstehen. ") Vergl. Sachsse, die Chemie u. Physiologie der Farbstoffe, Kohlehydrate und Protein- substanzen. 1877, pag. 146. 2) Vergl. DE Bary, Botan. Zeitung. 1871, pag. 614. 3) Uebrigens entstehen diese Körper, wie FRANK (PRINGSHEIM’s Jahrbücher, Bd. 5, pag. 161) gezeigt hat, nicht immer auf Kosten des Zellstoffes. Der sogen. Leinsamenschleim scheint z. B. aus Amylum hervorzugehen. IH. Abschnitt. 4. Das Verhalten der stickstofffreien Verbindungen der Pflanzen. 147 Als Nebenprodukte des Stoffwechsels sehe ich an: Die ätherischen Oele (z. B. das Terpentinöl [C,, H,s) das ebenfalls sauerstofffreie Pomeranzenöl der Orangenschalen, das sauerstoffhaltige Zimmt-, Nelken- und Thymianöl, den gewöhnlichen Camphor [C,, Hı. O]), die Harzet), die Bitterstoffe, manche Farbstoffe (z. B. Blüthenfarbstoffe, der rothe Farbstoff des auf Brod, gekochten Speisen oder Milch lebenden Micrococcus prodigiosus, das Triphenyl- rosanilin des die Bildung der sogen. blauen Milch verursachenden Dacterium Syncyaneum), die Alkaloide, die Glycoside, die Gerbstoffe und die Pflanzen- säuren (Oxal-, Aepfel-, Citronensäure etc.). Mit Bezug auf die Glycoside und Gerbstoffe ist allerdings noch einmal auf das im 66. Paragraphen Gesagte hinzuweisen, aber wenn man von der dort erwähnten Wichtigkeit der Zuckerbildung aus diesen Stoffen absieht, so sind dieselben unzweifelhaft als Nebenprodukte des Stoffwechsels aufzufassen. Dieser Ansicht ist eine um so grössere Berechtigung zuzuerkennen, als SACHS in seinen mehrfach citirten Abhandlungen über den Keimungsprozess hervorhebt, dass z. B. die in den Keimlingen neu entstehenden Gerbstoffe in denjenigen Zellen, in welchen sie zuerst auftreten, ruhig liegen bleiben und keine weitere Verwendung für die Zwecke des Wachsthums erfahren. ; Von den Pflanzensäuren glaubte man früher (und namentlich hat LiesiG diese Ansicht in seiner Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur und Physiologie vertreten), dass dieselben in Folge des Assimilationsprozesses enständen. Die in den Pflanzensäften in löslichen Verbindungen auftretenden organischen Säuren sollten demnach aus Kohlensäure sowie Wasser entstehen und weiterhin das Material zur Bildung anderweitiger Pflanzenstoffe (z. B. Zucker) liefern. Man stützte sich zur Begründung dieser Auffassung zumal auf die Thatsache, dass viele unreife Früchte, so lange dieselben noch grün sind, sehr sauer schmecken, während mit fortschreitender Reife der saure Geschmack einem süssen Platz macht.?) Dabei hat man aber völlig übersehen, dass der Chlorophyligehalt unreifer Früchte meistens ein relativ nur geringfügiger ist, so dass also gerade den Früchten keine besondere Bedeutung als Reductionsapparaten der Gewächse zuerkannt werden darf. Ueberdies stellte MÜLLER-THURGAU?®) kürzlich fest, dass Weinbeeren, wenn die Entwicklung derselben nicht unter normalen Verhältnissen, N) Uebrigens lassen sich bezüglich der ätherischen Oele und Harze auch Thatsachen geltend machen, welche dafür sprechen, dass dieselben keine Nebenprodukte des Stoffwechsels, sondern Degradationsprodukte repräsentiren. Man vergl. auch DE Bary, Vergleichende Anatomie der Vegetationsorgane etc. 1877, pag. 215. 2) In der That haben spezielle Untersuchungen gezeigt, dass die reifenden Früchte (Birnen, Aepfel, Weinbeeren etc.) fortdauernd absolut reicher an Zucker werden. Mit Bezug auf den absoluten Gehalt reifender Früchte an titrirbarer Säure fand PFEIFFER (vergl. chem. Untersuchungen über das Reifen des Kernobstes, Inaugur.-Dissert. Jena, 1875), dass derselbe bei Birnen und Aepfeln eontinuirlich bis gegen das allerletzte Reifestadium zunimmt, während der absolute Gehalt‘ der Weinbeeren an titrirbarer Säure nach NEUBAUER (vergl. Annl. d. Oenologie, B. 4, pag. 490) bereits ziemlich frühzeitig sein Maximum erreicht, um dann abzunehmen. Uebrigens ist es sehr wol denkbar, dass sich gewisse Mengen der ursprünglich in den Früchten vorhandenen titrirbaren Säuren früher oder später mit Basen zu unlöslichen Salzen verbinden und in Folge dessen nicht mehr leicht nachgewiesen werden können. ®) Vergl. MÜLLER-THURGAU, Botan. Jahresbericht, herausgegeben v. Just. 5. Jahrgang, pag. 715. 10* Re = Br Pe ee 7 a | ET E x - - # r er ”% u (RE: Pr u “x $ re EN \ j 148 System der Pflanzenphysiologie. sondern im Finstern erfolgt, während die Stamm- und Blattgebilde der Reben natürlich dem Einfluss des Lichtes ausgesetzt bleiben, ganz gut zur Reife kommen können. Der Zuckergehalt im Finstern erwachsener Weinbeeren ist nicht wesent- lich verschieden von demjenigen solcher Früchte, die dem Wechsel von Tag und Nacht ausgesetzt sind, eine Thatsache, die unmittelbar zu dem Schluss berechtigt, dass der geringe Chlorophyligehalt der reifenden Weinbeeren keinen irgendwie erheblichen Einfluss auf die Glycoseanhäufung im Fruchtgewebe aus- üben kann, und dass ferner die organischen Säuren das Material zur Zucker- bildung nicht liefern.!) Die Glycose entsteht vielmehr, wie MÜLLER-THURGAU speciell nachgewiesen hat, in dem hier in Rede stehenden Fall genau auf die- selbe Weise, wie dies sonst im vegetabilischen Organismus zu geschehen pflegt, d. h. es werden den reifenden Früchten erhebliche Stärkemengen aus den Assimilationsorganen der Pflanzen (zumal den Blättern) zugeführt, und diese gehen in Zucker über. Die organischen Säuren entstehen in der Pflanze also nicht durch Reductions- prozesse aus Kohlensäure sowie Wasser, wie man früher annahm, sondern auf ganz anderem Wege. Sie sind, wie z. B. die Oxalsäure, die in den Pflanzen- zellen so sehr allgemein in Verbindung mit Kalk oder Kali vorkommt, als Oxydationsprodukte aufzufassen, welche wahrscheinlich aus den stickstofffreien Dissociationsprodukten der Lebenseinheiten unter Vermittelung des atmosphärischen Sauerstoffs hervorgehen, oder sie können als Dissociationsprodukte der leben- digen Eiweissmoleküle selbst angesehen werden. Dies letztere gilt, wie A. MAYER?) wahrscheinlich gemacht hat, für die Isomere der Apfelsäure der Crassu- laceen, aber ebenso für die Milch- und Buttersäure, die bei dem Zustande- kommen der Milchsäure- und Buttersäuregährung bei Sauerstoffabschluss unter Vermittelung niederer Organismen (Schizomyceten) entstehen. Nach alle dem müssen die organischen Pflanzensäuren als Nebenprodukte des Stoffwechsels angesehen werden. Sie finden im Allgemeinen keine Ver- wendung zur Bildung organisirter Zellenbestandtheile, und wir können mit Be- zug auf ihre physiologische Function im Organismus vor allen Dingen nur dies hervorheben, dass sie im Stande sind, in die Pflanzen übergegangene salpeter- saure und schwefelsaure Salze zu zersetzen. Diese Function der organischen Säuren ist, wie bereits an anderer Stelle hervorgehoben wurde, von erheblicher Bedeutung für die Bildung von Proteinstoffen in den Gewächsen. ®) I) Höchstens können ganz geringe Zuckermengen aus den Pflanzensäuren durch Reductions- prozesse unter dem Einflusse des Lichtes entstehen. (Man vergl. die Darstellungen im 61. Paragraphen.) 2) Vergl. A. MAvER, Versuchsstationen. Bd. 21. pag. 331. #) Uebrigens will ich bemerken, dass die Degradationsprodukte sowie die Nebenprodukte des Stoffwechsels, wenn sie gleich keine Verwendung zur Bildung organisirter Zellenbestandtheile erfahren, doch sehr allgemein wichtige physiologische Functionen im pflanzlichen Organismus zu erfüllen haben. So bedingt das Lignin vor allen Dingen die charakteristischen Eigenthümlich- keiten des Holzes, welche für die Wasserleitung in den Gewächsen eine so grosse Bedeutung besitzen. Die Schleim- und Gummimassen der Samen sind für den Quellungsprozess derselben von Wichtigkeit. Die ätherischen Oele dienen dazu, Insekten, welche die Befruchtungsvorgänge in den Blüthen vermitteln, anzulocken etc. etc. II. Abschnitt. 5. Die Translocation plastischer Stoffe in den Pflanzen. 149 Fünftes Kapitel. Die Translocation plastischer Stoffe in den Pflanzen. 8 69. Einleitende Bemerkungen. — a) Die Nothwendigkeit der Stoffbewegung in den Pflanzen. Wenn die Sporen der Kryptogamen in Be- rührung mit Wasser keimen, so bewegen sich die vorhandenen Reservestoffe nach dem fortwachsenden Ende der Keimschläuche hin. Sie erfahren hier Ver- wendung zur Zellstoffbildung, während der Raum der Sporen selbst allmählich entleert wird. Complicirter als in dem soeben erwähnten einfachen Falle ge- stalten sich die Verhältnisse schon, wenn wir die Stoffbewegung im Organismus eines höheren Pilzes, einer Moospflanze oder eines Farnprothalliums betrachten, denn hier muss das plastische Material sehr allgemein zunächst eine mehr oder minder grosse Anzahl von Zellen durchwandern, um an die Orte des Verbrauchs zu gelangen. Noch viel verwickeltere Erscheinungen lassen sich aber constatiren, wenn man die Translocation plastischer Stoffe in der aus der befruchteten Eizelle der Gefässkryptogamen hervorgehenden Pflanze oder im Organismus der ent- wickelten phanerogamen Gewächse ins Auge fasst. In diesen Fällen tritt die Nothwendigkeit der Stoffbewegung besonders deutlich hervor, denn die physio- logische Arbeitstheilung im Organismus der höheren Pflanzen ist eine weitgehende geworden, und die Stoffe, die in einem Organ producirt worden sind, werden keineswegs ihrer Gesammtmasse nach in diesem Organ selbst verbraucht. Ich brauche zur Illustration des Gesagten wol nur auf die Thatsache hinzuweisen, dass in den Blättern viel mehr Amylum erzeugt wird, als für das Wachsthum der Assimilationsorgane selbst erforderlich ist. Der Ueberschuss der Stärke verharrt aber nicht in den Blättern, sondern er wandert in die Stengeltheile und Wurzeln etc., um in diesen Organen für die Zwecke des Wachsthums verbraucht, oder abgelagert zu werden. Wäre die Möglichkeit der erwähnten Translocation plastischer Stoffe aus den Blättern in die Wurzeln oder in andere Pflanzen- theile, welche nicht selbst assimilatorisch thätig sind, nicht gegeben, so könnten sich dieselben natürlich überhaupt gar nicht ausbilden. b) Die Richtung, in welcher sich die plastischen Stoffe in den Pflanzen bewegen. Das plastische Material kann sich im vegetabilischen Organismus, wie schon Sachs!) hervorgehoben hat, ı. vom Entstehungs- zum Verbrauchsorte, 2. vom Entstehungs- zum Ablagerungsorte, 3. vom Ablagerungs- zum Verbrauchsorte bewegen. Dabei kann ein und derselbe Körper die ver- schiedenartigsten Richtungen einschlagen, d. h. er kann in den Pflanzen von oben nach unten, von unten nach oben oder in horizontaler Richtung wandern. Die Wurzelentwicklung kann allein stattfinden, wenn grosse Mengen plastischer Stoffe aus den Blättern in den Stamm übergehen und sich in diesem nach abwärts bewegen. Diese Bewegungsrichtung behält ebenso noch einen er- heblichen Antheil des plastischen Materials in der Hauptwurzel bei, während andere Stoffmengen, diejenigen nämlich, welche in die Seitenwurzeln übergehen, in mehr oder minder horizontaler Richtung translocirt werden. Die stickstoft- freien und stickstoffhaltigen Verbindungen, welche, nachdem sie gewisse Metamor- phosen erlitten haben, in den unterirdischen Reservestoffbehältern (Wurzeln, Knollen, Zwiebeln etc.) zur Ablagerung gelangen, bewegen sich von oben nach unten, während die Substanzen, die zur Anfüllung der Zellen der Reservestoff- 1) Vergl. Sachs, Handbuch d. Experimentalphysiologie. pag. 376. 150 System der Pflanzenphysiologie. behälter der Samen und Früchte dienen, in vielen Fällen im Gegentheil von unten nach oben wandern. Sehr allgemein tritt in den Pflanzen eine nach aufwärts und abwärts gerichtete Bewegung plastischer Stoffe gleichzeitig her- vor, und ein solches Verhältniss lässt sich z. B. in klarer Weise bei der Ent- wicklung des Embryo der Samen auf Kosten der im Endosperm oder in den Coty- ledonen aufgespeicherten Reservestoffe verfolgen, denn gewisse Quantitäten plastischen Materials wandern aus den Reservestoffbehältern nach abwärts in die Wurzeln, während andere Mengen stickstofffreier und stickstoffhaltiger Substanzen in Folge einer nach aufwärts gerichteten Bewegung in die sich ausbildenden Stengeltheile eintreten. Die vorstehenden Auseinandersetzungen lassen keinen Zweifel darüber be- stehen, dass es mit dem heutigen Standpunkte der Pflanzenphysiologie nicht mehr verträglich ist, von einem in den Pflanzen sich ausschliesslich nach abwärts bewegenden Bildungssaft zu sprechen. Früher hat man allerdings häufig an einer derartigen Anschauung festgehalten, und noch DE CANDOLLEI) ist, wie wol be- hauptet werden darf, in der älteren Auffassung befangen. S 70. Die Gewebeformen, in denen die Translocation plastischer Stoffe erfolgt. — Die ersten eingehenden experimentellen Untersuchungen über die in diesem Paragraphen zu behandelnden Fragen sind von HANSTEIN?) durchgeführt worden. Dieser Forscher benutzte zunächst die Zweige verschiedener dicotyler Pflanzen zu seinen Beobachtungen und brachte sogen. Ringelschnitte an denselben an, indem er das Rindengewebe, den Bast und das Cambium rings im Umfange am unteren Theile der Zweige an einer Stelle entfernte. Wenn bei derartigen Experimenten z. B. Weidenzweige oder überhaupt solche Zweige be- nutzt werden, deren Mark frei von Gefässbündeln oder Bastelementen ist, so bilden sich aus den vorhandenen Wurzelanlagen oberhalb der Ringelung viele, unterhalb derselben keine oder sehr wenige Wurzeln aus.?) Zu ganz anderen Resultaten führt der Versuch, wenn man mit solchen Pflanzen (Ziper medium, Mirabilis Jalappa) experimentirt, in deren Mark Gefässbündel verlaufen, oder wenn man mit den Stämmen monocotyler Gewächse arbeitet. In diesen Fällen erfolgt nämlich auch unterhalb der Ringelung eine nicht unerhebliche Wurzel- bildung. Besonderes Interesse verdienen endlich die Beobachtungen an solchen Pflanzen, bei denen auf der Innenseite der Gefässbündel Weichbastelemente vor- handen sind, deren Mark selbst aber keine Gefässbündel führt. Derartiges ist 2. B. bei NVerium Oleander, Vinca minor sowie Solanum Dulcamara der Fall, und nach erfolgter Ringelung bilden sich die Wurzeln bei diesen Gewächsen ebenfalls unterhalb der Ringelung aus. HAnsTEın spricht sich nun auf Grund der Resul- tate seiner Untersuchungen dahin aus, dass die Weichbastelemente, mögen die- selben in den Pflanzen an diesen oder jenen Orten vorkommen, allein für die Translocation plastischer Stoffe von Bedeutung seien. Das Parenchym soll dagegen nach der Anschauung des genannten Beobachters keine Bedeutung für die Wanderung des Bildungsmaterials in den Gewächsen besitzen. !) Vergl. DE CANDoLLE, Physiologie vegetale 1832. Bd. ı. pag. 421. Vergl. auch die deutsche Uebersetzung des citirten Werkes v. RÖPER. Bd. ı. pag. 419. 2) Vergl. Hansteın, PRINGSHEIM’S Jahrbücher f. wissensch. Botanik. Bd. 2. %) Je länger das sich unterhalb des Ringelschnitts befindende Stengelstück ist, um so kräftiger entwickeln sich die Wurzeln an demselben. II. Abschnitt. 5. Die Translocation plastischer Stoffe in den Pflanzen. 151 Diese Anschauung ist aber unzweifelhaft als eine unzulängliche anzusehen, denn wie schon Sachs!) richtig hervorgehoben hat, müssten die Weichbastelemente, wenn sie die Translocation der plastischen Stoffe allein zu besorgen hätten, stickstoff- haltige sowie stickstofffreie organische Körper in reichlichen Quantitäten führen, da die Pflanzen beider Gruppen dieser Substanzen für eine normale Entwicklung be- dürfen. Die weiteren Untersuchungen über -die hier in Rede stehenden Verhält- nisse haben nun zu dem Resultate geführt, dass die Weichbastelemente zwar sehr erhebliche Proteinstoffmengen enthalten, aber sehr arm an stickstofffreien Ver- bindungen sind. Daher müssen sich an dem Vorgange der Translocation plastischer Stoffe abgesehen von dem Weichbaste noch anderweitige Gewebe- formen betheilisen, und als solche sind vor allem die verschiedenen parenchyma- tischen Gewebe anzusehen, die, wie leicht constatirt werden kann, thatsächlich grosse Mengen von Stärke, Glycose etc. führen. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Andeutungen gelingt es leicht, die Ergebnisse der Untersuchungen HANSTEIN’S richtig zu deuten. Ich will hier aber nicht näher auf die Resultate der erwähnten Ringelungsversuche eingehen, sondern sogleich darzulegen versuchen, welche Anschauungen heute über die Function der einzelnen Gewebeformen der Pflanzen bei der Translocation plastischer Stoffe im vegeta- bilischen Organismus geltend gemacht werden können. Dabei stütze ich mich weniger auf die Resultate, zu denen die Ringelungsversuche geführt haben, son- dern fasse nach dem Vorgange von Sachs vor allem die Beobachtungen über das Vorkommen der verschiedenen Bildungsstoffe in den einzelnen Gewebeformen selbst ins Auge, ein Verfahren, welches sicher als ein berechtigtes angesehen werden muss. 1. Die Weichbastelemente. Die Weichbastelemente führen einen eiweiss- reichen Schleim und vor allem sind die Siebröhren reich daran. Nach den neuesten Untersuchungen von WILHELM?) ist das Innere der Siebröhren von einem körmigen, protoplasmatischen Hüllschlauch ausgekleidet. Die Hüllschläuche der einzelnen Glieder der Siebröhren stehen, indem sie die Poren der Siebplatten durchsetzen, mit einander in Verbindung und umschliessen den erwähnten Schleim. Da derselbe sich, wie weiter unten gezeigt werden soll, in den Siebröhren bewegen kann, so dürfen diese Organe unzweifelhaft als solche, denen eine Bedeutung für die Stoffwanderung in der Pflanze zukommt, betrachtet werden.?)%) Neben den Eiweissstoffen begegnet man in den Siebröhren, wie vor allem Brıosı?) gezeigt hat, häufig grösseren oder geringeren Amylummengen. Es ist dem genannten Forscher gelungen, die Stärkekörner unter Anwendung künstlichen Druckes durch die Poren der Siebplatten aus einem Siebröhrengliede in ein anderes zu pressen, I) Vergl. Sachs, Flora. 1863. pag. 33. *) Vergl. WILHELM, Beiträge zur Kenntniss des Siebröhrenapparates dicotyler Pflanzen. Leipzig, 1880. 3) Nach HArTIG (vergl. botan. Zeitung, 1862, pag. 75 u. 86), soll der Bast die plastischen Stoffe allein nach abwärts, das Holz soll dieselben dagegen allein nach aufwärts leiten. Diese Ansicht ist aber unrichtig, denn thatsächlich bewegen sich plastische Stoffe im Bast sowohl nach abwärts als auch nach aufwärts. #) Es sei noch bemerkt, dass der eiweissreiche Schleim der Weichbastelemente eine alka- lische Reaction besitzt, während der Saft aus den Zellen des Parenchyms sauer reagirt. Vergl. Sachs, Botan. Zeitung, 1862, No. 33. 5) Vergl. Brıosı, Botan. Zeitung 1873. pag. 303. ii „+ 152 System der Pflanzenphysiologie. und da das Zustandekommen analoger Erscheinungen in den lebenden Pflanzen nicht ausgeschlossen ist, so werden die Siebröhren mancher Gewächse nicht allein von Wichtigkeit für die Translocation stickstoffhaltiger, sondern ebenso für diejenige stickstofffreier Verbindungen sein. Man darf aber diesem letzteren Verhältniss keine zu allgemeine Bedeutung beimessen, denn WILHELM hat in seiner soeben citirten Abhandlung besonders darauf hingewiesen, dass z. B. die Sieb- röhren von Czcurbita Pepo überhaupt keine Amylumkörner führen, und dass die Stärkekörner in den Siebröhren von Vizs entschieden viel zu gross sind, um die Poren der Siebplatten als solche passiren zu können. 2. Das Parenchym des Grundgewebes. Während die Weichbastelemente vor allen Dingen die Fortleitung von Eiweissstoffen in den Pflanzen zu besorgen haben, ist das Parenchym des Grundgewebes unzweifelhaft in erster Linie von Be- deutung für die Translocation stickstofffreier Verbindungen im vegetabilischen Or- ganismus. Die erheblichen Amylum- sowieGlycosemengen, denenmanindem aus aus- gewachsenen Zellen bestehenden Parenchym des Grundgewebes begegnet, sind ganz sicher als Substanzen, die sich auf der Wanderung befinden, zu betrachten. Sie strömen den wachsenden Pflanzentheilen aus den Asimilationsorganen oder den Re- servestoffbehältern zu und werden im Parenchym in eigenthümlicher Weise fort- bewegt, worauf ich im nächsten Paragraphen zurückkomme. Uebrigens darf man sich nicht vorstellen, dass sämmtliche Gewebeformen des Grundgewebes dieselbe Bedeutung für die Translocation stickstofffreier Körper besitzen. Vielmehr treten im Mark- sowie Rindenparenchym nur dann grössere Quantitäten derselben auf, wenn erhebliche Amylum- oder Glycosemengen in den der Stoffwanderung dienenden Organen der Pflanze vorhanden sind. Dagegen ist vor allem das Parenchym, welches die Gefässbündel unmittelbar umgiebt (entweder die einzelnen Bündel, wie z. B. beim Mais, oder das gesammte System der Fibrovasalstränge, wie z. B. bei ZAhaseolus) von Wichtigkeit für die Bewegung stickstofffreier Körper, und man redet daher von einer Stärkescheidel) und einer Zuckerscheide?). Mehr, als dies seither geschehen ist, muss darauf Gewicht gelegt werden, dass das Parenchym nicht allein zur Fortleitung stickstofffreier Körper dient, sondern dass dasselbe ebenso nicht ohne Bedeutung für die Translocation stick- stofthaltiger Körper erscheint. Es muss hier vor allem daran erinnert werden, dass die lebendigen Eiweissmoleküle des Plasma in den in Lebensthätigkeit begriffenen Zellen unter allen Umständen in Amidosäuren und Säureamide sowie stickstoff- freie Körper zerfallen, und dass dem Asparagin etc. thatsächlich die Fähigkeit zukommt, aus einer Pflanzenzelle in andere überzugehen. Jenes in allen Pflanzen- zellen unter normalen Verhältnissen zu Stande kommende Spiel der Zersetzung und der Neubildung der Eiweissstoffe deutet mit Sicherheit darauf hin, dass nicht allein den Weichbastelementen, sondern dass ebenso dem Parenchym eine Bedeutung für die Translocation stickstoffhaltigen Materials zukommt, und in vielen Fällen mag das letztere sogar eine sehr hervorragende Rolle bei dem Zustandekommen der in Rede stehenden Prozesse spielen. 3. Die Milchsaftbehälter. Die Milchsaftbehälter treten in den Pflanzen ent- weder als Schläuche, d.h. als Zellen von geringer Grösse (Sambucus, Isonandra), als I) Vergl. SACHS, PRINGSHEIM’s Jahrbücher. Bd. 3. pag. 196. 2) Vergl. H. pe Vrıes, Landwirthschaftl. Jahrbücher. Bd. 8. pag. 447. Die Function der Zuckerscheide lässt sich insbesondere genau verfolgen, wenn. man die Stiele der Rübenblätter als Untersuchungsobjecte verwendet. II. Abschnitt. 5. Die Translocation plastischer Stoffe in den Pflanzen. 153 vielfach verzweigte, sehr lange Zellen (Euphorbiaceen, Asclepiadeen, Urticaceen) oder als Milchsaftgefässe (Cichoriaceen, Campanulaceen, Papaveraceen) auf. Hier beanspruchen in erster Linie die beiden zuletzt genannten Formen der Milchsaft- behälter unser Interesse, denn der Umstand, dass sie die Orte der Bildung plasti- schen Materials mit denjenigen des Verbrauchs oder der Ablagerung desselben in Communication setzen, sowie der fernere Umstand, dass die Milchsaftbehälter stickstoffhaltige und stickstofffreie plastische Körper als Inhaltsstoffe führen, !) lassen über die Bedeutung der in Rede stehenden Gebilde für die Stoffwanderung in den Gewächsen von vorn herein keinen Zweifel bestehen. 4. Das Holz. Nach den Untersuchungen von Sanıo führen die Zellen des Holzkörpers mancher Pflanzen im Winter Stärke. Die Stärke oder andere Sub- stanzen (z. B. Rohrzucker) wandern vor der Ruheperiode in das Holz ein, und sie gehen demselben im Frühjahr, wenn die Knospen der Pflanzen sich entfalten, wieder verloren. Unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse sowie der Ergebnisse gewisser Untersuchungen Harrıc’s?) hat schon Sachs mit vollem Recht darauf hingewiesen, dass das Holz als eine Gewebeform betrachtet werden muss, die nicht ohne Bedeutung für die Wanderung plastischer Stoffe in den Gewächsen erscheint. S$ 71. Die Kräfte, welche die Translocation plastischer Stoffe vermitteln. a) Allgemeines. In den Pflanzen sind mannigfaltige Kräfte thätig, um die Bewegung des plastischen Materials herbeizuführen. Diese Kräfte bewirken in vielen Fällen eine Massenbewegung der Bildungsstoffe, aber es würde dennoch die Vorstellung völlig unrichtig sein, als werde der Bildungssaft seiner Gesammtmasse nach in einer geschlossenen Strombahn in den Pflanzen, wie etwa das Blut im thierischen Organismus, fortgeführt. Dass eine solche Anschauung in der That als unhaltbar erscheinen muss, wird sofort klar, wenn man sich z. B. daran erinnert, dass dem Parenchym eine grosse Bedeutung bei der Trans- location plastischer Stoffe in den Gewächsen zukommt, denn der Uebertritt eines Körpers aus einer allseitig geschlossenen Zelle in andere wird, wie von vornherein klar ist, vor allem durch Molekularbewegungen der Theilchen der plastischen Stoffe vermittelt, wodurch wenigstens das unmittelbare Zustandekommen von Massen- bewegungen ausgeschlossen bleibt. Versuchen wir es, uns eine genauere Vorstellung über die Natur derjenigen Kräfte zu bilden, welche die Wanderung plastischer Stoffe in den Pflanzen ver- mitteln, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Bildungsmaterial im Organismus der Thallophyten und Muscineen in aller erster Linie auf osmotischem Wege translocirt wird. Aehnliches gilt auch, wie ich dies schon in meiner vergleichen- den Physiologie des Keimungsprozesses der Samen darzulegen versucht habe, für die jungen Keimpflanzen der höheren Gewächse.?) In allen diesen Fällen tragen solche Kräfte, welche eine Massenbewegung plastischer Stoffe herbeiführen, wenig zur Fortleitung derselben in den Pflanzen bei, während dagegen derartige Kräfte in dem entwickelteren Organismus der höheren Pflanzen eine nicht zu unter- schätzende Rolle spielen. b) Die Massenbewegung plastischer Stoffe. Das Zustandekommen 1) Vergl. die Angaben von WeEIss und WIESNER, Botan. Zeitung. 1862, pag. 125. 2) Vergl. HArTIG, Botan. Zeitung. 1858, pag. 338. 3) Vergl. DETMER, Vergleichende Physiologie d. Keimungsprozesses der Samen, 1880. Pag. 345. 154 System der Pflanzenphysiologie. von Massenbewegungen plastischer Stoffe im vegetabilischen Organismus lässt sich vor allem bei genauerer Betrachtung des Verhaltens der Inhaltsstoffe der Sieb- röhren sowie der Milchsaftbehälter verfolgen. Durchschneidet man die Stengel- theile geeigneter Untersuchungsobjecte, so quillt der proteinstoffreiche Schleim der Siebröhren, resp. der Milchsaft aus der Wundfläche hervor, und das Ergeb- niss dieses einfachen Experimentes beweist wol unzweideutig, dass auch im un- versehrten Organismus Kräfte zur Geltung kommen müssen, welche die erwähnten Flüssigkeiten in Bewegung zu versetzen im Stande sind. In der That kann a priori behauptet werden, dass der Schleim der Siebröhren sowie der Milchsaft in Folge von Krümmungen, welche die Pflanzentheile unter dem Einflusse der bewegten Luft erfahren, durch Temperaturverhältnisse und vor allem durch die eigenthümlichen Gewebespannungsphänomene in ihrer Gesammtmasse in den Pflanzen Massenbewegungen unterliegen. Mit Bezug auf die Bedeutung der Gewebespannung für die Stoffwanderung in den Gewächsen ist namentlich von Wichtigkeit, dass die erstere in Folge der Wasseraufnahme sowie der Trans- pirationsverhältnisse der Pflanzen wesentlichen Schwankungen: in ihrer Intensität erfährt, und dass sie in Folge der eigenthümlichen Organisation der Gewächse keine gleichmässige Vertheilung über den ganzen Pflanzenkörper zeigt. Die jüngsten, im lebhaftesten Wachsthum begriffenen Gewebepartien der Pflanzen sind spannungslos, während die Intensität der Spannung in den ältereren Gewebe- massen mehr und mehr zunimmt. Der Inhalt der Siebröhren und Milchsaftbehälter dieser letzteren steht somit unter einem nicht unerheblichen Druck, welcher seinerseits eine Translocation des vorhandenen plastischen Materials nach den spannungslosen Regionen der Pflanzentheile hin vermitteln muss.) Schliesslich sei hier noch erwähnt, dass auch die in den Zellen des Paren- chyms in gelöster Form vorhandenen plastischen Stoffe unter Umständen Massen- bewegungen im pflanzlichen Organismus erfahren können. Wenn diese Zellen nämlich in den Zustand sehr bedeutenden Turgors gerathen, so liegt offenbar die Möglichkeit vor, dass plastisches Material unter Vermittelung der auf bekannte Weise zu Stande kommenden Druckkräfte aus einer Zelle in eine andere über- geht. Auch Gewebespannungsverhältnisse können Massenbewegungen plastischer Stoffe im Parenchymgewebe herbeiführen. c) Die Molecularbewegung plastischer Stoffe. Die in den Sieb- röhren sowie den Milchsaftbehältern vorhandenen plastischen Stoffe werden zwar in erster Linie unter Vermittelung solcher Kräfte, die eine Massenbewegung der- selben bedingen, translocirt, aber es muss dennoch hervorgehoben werden, dass Molecularbewegungen ihrer Theilchen für ihre Translocation nicht als völlig be- deutungslos erscheinen. Wenn die Concentration der Milchsäfte oder des Inhaltes der Siebröhren durch irgend welche Verhältnisse Störungen erlitten hat, so müssen Diffusionsströmungen in den erwähnten Flüssigkeiten zur Geltung kommen, es müssen also Phänomene hervortreten, als deren Erfolg Stoffbewegungen anzu- sehen sind, und als deren Ursachen Molecularbewegungen der Theilchen der plastischen Stoffe selbst betrachtet werden müssen. Den Molecularbewegungen der plastischen Stoffe ist aber vor allem eine sehr grosse Bedeutung beizumessen, wenn es sich darum handelt, die Ursachen der I) Vergl. Sacns, Handbuch der Pflanzenphysiologie, pag. 392 und Kraus, Botan. Zeitung 1867. II. Abschnitt. 5. Die Translocation plastischer Stoffe in den Pflanzen. 155 Stoffbewegungen im Parenchym festzustellen, denn das Bildungsmaterial geht in diesem Falle in erster Linie auf osmotischem Wege aus einer allseitig ge- schlossenen Zelle in andere über. Früher hat man bei der Behandlung der hier speciell zu beleuchtenden Fragen fast ausschliesslich Rücksicht auf die Permeabilität der Cellulosemembranen der Zellen für die vorhandenen plastischen Inhaltsstoffe derselben genommen, während es heute als unerlässlich erscheint, daneben ebenso das eigenthümliche Verhalten der Hautschicht des Plasma bei dem Zustandekommen osmotischer Vorgänge mit in den Kreis der Betrachtung hereinzuziehen. Es erwächst daraus die absolut nothwendige, nicht von der Hand zu weisende Forderung, dass nur solche plastische Stoffe auf osmotischem Wege aus einer geschlossenen lebens- thätigen Zelle in benachbarte Zellen überzugehen vermögen, welche im Stande sind, sowol das Hyaloplasma als auch die Cellulosemembran der Zellen zu passiren. Ueber das eigenthümliche Verhalten des Hyaloplasma sowie der Cellulose- membran der Pflanzenzellen bei dem Zustandekommen osmotischer Prozesse habe ich mich bereits in $ 30 ausgesprochen. Hier sei zunächst hervorgehoben, dass die Translocation stickstoffhaltiger plastischer Stoffe im Parenchym in relativ einfacher Weise zu Stande kommt, denn obgleich die Proteinstoffe als solche, mögen sie in wässeriger, alkalischer oder saurer Lösung vorhanden sein, nach meinen Untersuchungen nicht im Stande sind, von Zelle zu Zelle zu wandern, !) weil sie weder das Hyaloplasma noch die Zellmembran zu passiren vermögen, so sind doch die in Folge der Dissociation der Lebenseinheiten des Plasma ent- standenen Säureamide und Amidosäuren translocationsfähig.?) Mit Bezug auf die Wanderung stickstofffreier plastischer Stoffe im Parenchym beansprucht vor allem das Verhalten der Kohlehydrate unser Interesse. Die Bewegung der in Rede stehenden Stoffe in dem vegetabilischen Organismus macht sich in augenfälligster Weise bei dem Verlaufe des Keimungsprozesses sowie bei der Ausbildung der Früchte geltend, und es ist gewiss als eine be- achtenswerthe Thatsache anzusehen, dass in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle reichliche Stärkemengen in den die plastischen Stoffe leitenden Parenchym- geweben auftreten. Es ist von vornherein klar, dass die Stärkekörner als solide Gebilde nicht im Stande sind, aus einer geschlossenen Zelle in benachbarte Zellen überzugehen. Aber die Ergebnisse meiner Untersuchungen sowie diejenigen anderer Beobachter haben auch zu dem Resultat geführt, dass gewissen leicht in Wasser löslichen Kohlehydraten, die thatsächlich in Pflanzengeweben vorkommen, (Rohrzucker, Glycose etc.) ebensowenig die Fähigkeit zukommt, auf osmotischem Wege aus einer lebensthätigen Zelle in andere Zellen zu wandern.) Diese Erscheinung I) Vergl. DETMER, WoLLnY’s Forschungen, Bd. 2. Hft. 3. 2) Es sei hier erwähnt, dass nach dem Gesagten auch die Eiweissstoffe, welche z. B. in den Siebröhren translocirt worden sind, natürlich nicht als solche in benachbarte Zellen übertreten können. Man hat sich daher vorzustellen, dass die Säureamide sowie Amidosäuren, die in Folge der Dissociation der Lebenseinheiten des Plasmas des Hüllschlauches der Siebröhren ent- stehen, die Translocation der stickstoffhaltigen Körper vermitteln, während die Proteinstoffe des von dem Hüllschlauche umschlossenen Schleimes zur Erzeugung neuer Lebenseinheiten des ersteren in Anspruch genommen werden. 3) Vergl. DETMER, Journal f. Landwirthschaft. 1879, pag 381. 156 System der Pflanzenphysiologie. findet ihre Erklärung in dem Unvermögen der genannten Körper, das Hyaloplasma zu passiren, und es lässt sich in der That leicht zeigen, wie das bereits an anderer Stelle hervorgehoben worden ist, dass z. B zuckerreiche Früchte oder Keimpflanzen, die unter Wasser gebracht sind, keine Glycose an dasselbe abgeben. Nach alledem werden wir zu der Annahme gedrängt, dass aus jenen stickstoff- freien Stoffen, die in den Pflanzen translocirt werden sollen, eine Substanz entsteht, über deren chemische Natur wir nicht unterrichtet sind, welcher aber nothwendiger- weise die Fähigkeit zukommen muss, die Cellulosemembran sowie das Hyaloplasma passiren zu können. Es ist höchst wahrscheinlich, dass das Amylum, welches translocirt werden soll, zunächst unter Vermittelung der Diastase das Material zur Bildung von Glycose liefert. Diese letztere geht dann in jene Substanz un- bekannter Natur, welche für das Zustandekommen des Translocationsprozesses stickstofffreier Verbindungen unentbehrlich ist, über, und sie kann nach ihrem Uebertritt aus einer Zelle in andere aufs Neue zur Bildung von Glycose oder ' Stärke Verwendung finden. Somit erklärt sich das Auftreten transitorischer Stärke- körner und Glycosemengen in den leitenden Partieen des Parenchym, trotzdem die genannten Körper nicht im Stande sind, als solche von Zelle zu Zelle zu wandern, wenn man nur daran festhält, dass die Substanz unbekannter Natur, die für das Zustandekommen der Translocation der Kohlehydrate durchaus un- entbehrlich ist, nach erfolgter Bewegung aus einer Zelle in andere, aufs Neue das Material zur Stärke- oder Glycosebildung liefern kann, und wenn man ferner von der Vorstellung ausgeht, dass der Verbrauch der Kohlehydrate in den leitenden Gewebepartien in geringerem Maasse erfolgt, als dieselben dem Parenchymgewebe zugeführt werden. Es ist sehr beachtenswerth, dass die Entstehung transitorischer Stärkekörner — und die Bildung von Amylumkörnern in nicht assimilirenden Pflanzentheilen überhaupt — keineswegs an beliebigen Stellen des Plasma der Zellen erfolgen kann. Die Untersuchungen von SCHIMPER!) haben vielmehr ergeben, dass im Plasma eigenthümliche lichtbrechende Körperchen von gewöhnlich kugeliger oder spindelförmiger Gestalt auftreten, und dass die Stärkebildung allein in diesen protoplasmatischen Gebilden zu Stande kommt. Diese »Stärkebildner« sind den Chlorophylikörnern sehr ähnlich gebaut; sie unterscheiden sich aber natürlich in- sofern wesentlich von diesen letzteren, als sie keinen grünen Farbstoff führen. Die Entstehung des Amylums in den Stärkebildnern ist daher nur auf Kosten bereits vorhandenen organischen Materials möglich. Sehr wahrscheinlich dürfte es librigens sein, dass die organische Substanz, welche einerseits in den Chloro- phylikörnern und ebenso andererseits in den Stärkebildnern zur Amylumbildung Verwendung findet, dieselbe Natur besitzt. In den Chlorophylikörnern wird dieses organische Material aber durch Assimilation producirt, während dasselbe den Stärkebildnern zugeführt werden muss. Es sei hier noch bemerkt, dass die meisten Stärkebildner nach SCHIMPER’s Untersuchungen durch einen Ergrünungs- prozess in Chlorophylikörner übergehen können,?) und dass viele Chlorophylil- körper neben ihrer assimilatorischen Thätigkeit auch die Function der Stärke- bildner zu übernehmen vermögen, also im Stande sind, nicht nur auf Kosten N) Vergl. SCHIMPER, Botan. Zeitung. 1880. No. 52. : 2?) Einige Stärkebildner, sogar wenn dieselben ihre ganze Entwicklung im Licht durch- machen, sind nicht im Stande, sich in Chlorophylikörner umzuwandeln. Derartig verhalten sich z. B. die Stärkebildner in den Epidermiszellen von Phtlodendron und Phajus. II. Abschnitt. 5. Die Translocation plastischer Stoffe in den Pflanzen. 157 selbst erzeugten, sondern ebenso auf Kosten bereits vorhandenen, in der Pflanze auf der Wanderung befindlichen organischen Materials Amylumkörner zu er- zeugen. Während in allen Zellen des Parenchyms, welches zwischen den Entstehungs-, ‚Ablagerungs- und Verbrauchsorte plastischer Stoffe vorhanden ist, und welchem daher in erster Linie eine Bedeutung bei dem Prozesse der Stoffwanderung zu- kommt, mehr oder minder reichliche Quantitäten transitorischer Stärke oder Glycose nicht fehlen, sind diese Stoffe niemals in den allerjüngsten, in lebhafter Theilung begriffenen Zellen der Vegetationspunkte oder des Cambium nachzu- weisen. Dies Phänomen, welches allerdings auf den ersten Blick schwer verständlich erscheint, kommt, wovon man sich bei einiger Ueberlegung leicht überzeugen wird, dadurch zu Stande, dass der Verbrauch plastischen Materials in den Zellen der Vegetationspunkte und des Cambium ein sehr erheblicher ist. Die Disso- ciation der Lebenseinheiten des Plasma erfolgt in diesen Zellen unzweifelhaft mit grosser Energie, so dass das zuströmende stickstofffreie Material in erheb- lichen Quantitäten für die Zwecke der Proteinstoffregeneration in Anspruch ge- nommen wird und sich in Folge dessen nicht in Form transitorischer Stärke oder Glycose anhäufen kann. Im Anschluss an das Gesagte erscheint, es nothwendig, der Frage unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden, welche Grundursachen die fortdauernd zur Geltung kommende Bewegung der in den Parenchymgeweben der Pflanzen vorhandenen plastischen Stoffe veranlassen. Bei der Beantwortung dieser Frage müssen wir vor allem davon ausgehen, dass in den lebensthätigen Zellen der Pflanzen fort- während ein Verbrauch plastischen Materials erfolgt, sei es, dass bestimmte Stoffe zur Ablagerung in Reservestoffbehältern gelangen, sei es, dass sie für die Zwecke der Proteinstoffregeneration Verwendung finden. Somit ist klar, dass das . Material, welches die Wanderung plastischer Stoffe in den Gewächsen vermittelt, den Zellen der Verbrauchsorte als solches verloren geht, und damit ist die Be- dingung für das Zustandekommen osmotischer Erscheinungen gegeben. Die Thatsache, dass sich die plastischen Stoffe in den Pflanzen in bestimmter Richtung bewegen, und dass in gewissen Organen oder Gewebepartien eine be- sonders lebhafte Verarbeitung des Bildungsmaterials erfolgt, bedarf aber einer besonderen Erklärung. Wenn z. B. in den Kartoffelknollen reichliche Stärkemengen, in den Rübenwurzeln grosse Rohrzuckerquantitäten und in manchen Früchten viel Glycose angehäuft wird, so setzt dies voraus, dass in den erwähnten Organen chemische Kräfte thätig sind, welche die Ueberführung derjenigen Substanz, welche die Translocation stickstofffreier Stoffe vermittelt, in Amylum, Rohrzucker und Glycose leicht zu bewerkstelligen im Stande sind. Dadurch geht jene Substanz von hypothetischer Natur ihres osmotischen Gegendrucks in den Zellen der erwähnten Organe verlustig; osmotische Prozesse können sich aufs Neue geltend machen, und man sieht also, dass die in bestimmten Pflanzentheilen stattfindende Stoffaccumulation die Bewegung des plastischen Materials nach bestimmter Richtung hin zur Folge haben muss.) D) Wichtig ist für das Verständniss der hier berührten Erscheinungen die Thatsache, dass manche im Zellsaft lösliche Körper (z. B. Rohrzucker und Glycose), die eine Accumulation in bestimmten Organen ‘erfahren, nicht im Stande sind, die Hautschicht des Plasma als solche zu passiren. 158 System der Pflanzenphysiologie. Im genauesten Zusammenhange mit den soeben berührten Verhältnissen steht auch die Frage nach den Ursachen, welche es bedingen, dass bestimmten Gewebepartien für die Translocation gewisser plastischer Stoffe gerade eine be- sondere Bedeutung zukommt. Wenn Amylum und Glycose z. B. in besonders reichlichen Quantitäten in der Stärke- resp. Zuckerscheide angetroffen werden, so kann diese Erscheinung ihre Ursache darin haben, dass die Stärke- und Zuckeraccumulation in den Zellen derselben mit besonderer Leichtigkeit erfolgt. Es ist aber auch möglich, dass Amylum sowie Glycose deshalb in bestimmten Gewebepartieen in erheblicheren Mengen als in anderen auftreten, weil die Zellen derselben die osmotische Bewegung des die Translocation der Kohle- hydrate vermittelnden Körpers unbekannter Natur vorzüglich leicht zulassen, und eventuell können sich die beiden hier erwähnten Momente bei dem Zustande- kommen der Stoffwanderung in der Pflanze nebeneinander geltend machen.!) \ ) Man vergl. auch über die hier berührten Verhältnisse H. DE VrIEs, Landwirthsch. Jahr- bücher. Bd. 8. pag. 441 u. 446. Ra a De aa) ra ee, - . Die Algen ım weitesten Sinne. Von P. Falkenberg. Earaylie Du no. Die Stellung der Algen im natürlichen System und das System der Algen. DD: niedrigste Entwicklungsstufe pflanzlicher Organisation wird repräsentirt durch die Klasse der Thallophyten, d.h. durch diejenigen Gewächse, beidenen der vegetative Körper noch gar keine Differenzirung in Stamm und Blatt erkennen lässt oder bei denen, wenn eine Gliederung bereits vorhanden ist, die seitlichen Ausgliederungen doch immer noch mehr oder weniger streng den Charakter der tragenden Achse wiederholen. Algen, Pilze und Flechten waren die drei grossen Gruppen von Pflanzen, welche nach der Anschauungsweise der ersten beiden Drittel unseres Jahrhunderts gleichwertig zur Bildung der T'hallophytenklasse zusammentraten. Erst mit dem Jahre 1866 begann eine Bewegung gegen die systematische Gleichstellung dieser drei Gruppen sich geltend zu machen, eine Bewegung, deren verschiedene Stationen durch Publikationen von DE BARY, SCHWENDENER, FAMINTZIN und BARANETZKI, REES, BORNET und STAHL bezeichnet werden; sie endete mit dem Nachweis, dass die Flechten keine selbständigen systematisch individualisirten Gewächse sind, son- dern dass ihr Körper zu Stande kommt durch die innige Vereinigung von Pilzen aus der Klasse der Ascomyceten mit gewissen niederen Algenformen, und dass Pilz und Alge im Flechtenthallus in dem Verhältniss von Parasit und Nähr- pflanze zu einander stehen. Der einzelne Pilz und die Alge, die im Flechten- thallus mit einander vereinigt sind, bringen somit bereits auf das schärfste den Gegensatz in dem biologischen Verhalten zum Ausdruck, auf dessen leicht con- statirbarer Existenz die althergebrachte Gegenüberstellung von Pilzen und Algen beruht. Denn nur ein Merkmal physiologischer Natur ist es, mittelst dessen man die beiden grossen 'T'hallophytengruppen, die nach der constatirten Un- selbständigkeit der Flechten allein übrig blieben, scharf charakterisirte. Während die Pilze mit ihrer Ernährung auf die Existenz anderer Organismen angewiesen sınd, aus deren lebenden oder abgestorbenen Körpern sie als Parasiten oder Saprophyten die organischen Stoffe für ihre eigene Ernährung direkt entnehmen, besitzen die Algen die Fähigkeit, mit Hilfe des in ihnen vorhandenen Chloro- phylis und der Surrogate desselben anorganische Stoffe in die organischen Ver- bindungen überzuführen, deren sie zum Leben benöthigt sind. Conn war der Erste, der im Jahre 1872 durch die Aufstellung seines Krypto- SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. I. II P.; od u EEE ne YO as SE Re > 4 er TU. U - Ye © . z 160 Die Algen im weitesten Sinne. gamensystems!) öffentlich gegen die Anschauungsweise protestirte, welche die Form der Ernährungsweise zur Grundlage für die Constatirung natürlicher Ver- wandtschaftsverhältnisse wählte. Mit Recht forderte er auch für die natürliche Systematik der Thallophyten die Innehaltung desselben Prinzipes, das in Bezug auf die höheren Gewächse längst adoptirt worden war, — dass nämlich die Ge- sammtheit der morphologischen Merkmale zur Begründung natürlicher Ver- wandtschaftsverhältnisse herangezogen werden müsse. Wie bei den Phanerogamen parasitisch und saprophytisch lebende Gattungen und Arten nicht zu einer selb- ständigen, abgesonderten Gruppe vereinigt sind, die einzelnen Formen vielmehr da unter die übrigen Phanerogamen, wo sie ihrem Bau und ihrer Entwicklungs- weise nach hingehören, eingeordnet sind, so lag es nun nahe zu versuchen, ob man nicht auch die Pilze oder wenigstens einzelne Gruppen derselben zwischen die Algen einreihen könnte, zumal man aus früheren Untersuchungen bereits wusste, dass manche morphologische Verhältnisse in ähnlicher Weise sich bei Gliedern beider Hauptgruppen wiederholen. CoHn suchte selbst seiner Forderung gerecht zu werden, indem er die Thallophyten zu einer grösseren Anzahl von Ordnungen zusammenstellte?), die — nach morphologischen Gesichtspunkten ge- bildet — zum Theil Algen und Pilze neben einander enthielten, während andere nur aus Gliedern der einen oder der andern Gruppe bestanden. Noch weiter in dieser Richtung ging Sachs in seinem Lehrbuche (4. Aufl., pag. 248.). Die vielfach noch unbekannte oder zum Theil auch vielleicht anderer Deutung fähige Art der Befruchtung und Fruchtbildung zu Grunde legend, schuf er vier grössere Klassen, deren jede Pilze und Algen neben einander in sich vereinigte. Indem er aber diese vier Klassen lediglich auf sexuelle Charaktere begründete, ohne den anderen Merkmalen Rechnung zu tragen, nahm er seinem System den Cha- rakter eines natürlichen Systems: im Prinzip ähnlich dem System Linne's, riss es wie dieses nächstverwandte Formen auseinander und stellte andererseits ganz heterogene Wesen unmittelbar neben einander. Neben den Versuchen Conn’s und Sachs’, durch Aufstellung ihrer Systeme der schroffen Gegenüberstellung von Algen und Pilzen den Boden zu entziehen, verlor die entgegengesetzte Anschauungsweise, die in den beiden grossen Thallo- phytengruppen zwei selbständige Verwandtschaftskreise erblickte, niemals ihre Geltung und dieser Anschauungsweise, die in den 'I'hallophytensystemen von FiIscHER, EICHLER und WINTER vertreten wurde, hat neuerdings auch DE BARY®) Ausdruck gegeben. DE Bary giebt zu, dass einzelne Pilzgruppen isolirt betrachtet ohne grossen Zwang mit gewissen Algengruppen vereinigt werden können, er constatirt aber auch, dass — mit Ausschluss der Schleimpilze (Myxomyceten) und der Spaltpilze (Schizomyceten), alle diejenigen Formen, welche ehedem ihrer Lebensweise wegen als Pilze zusammengefasst wurden, in der That auch auf Grund der mörphologischen Verhältnisse sich als Glieder einer einzigen natürlichen Entwicklungsreihe erweisen. Bei dem annähernd parallelen Verlauf, welchen die Steigerung der gesammten Organisation sowol bei den Pilzen wie !) Conn, Conspect. Fam. cryptogam. sec. method. nat. dispositarum Hedwigia 1872, No. 2, pag. 17. ?) ]. c. und später modifieirt in Jahresber. d. Schles. Ges. f. vaterl. Cultur 1879, pag. 279. #) pE Bary, Zur Systematik d. Thallophyten, (bot. Zeit. 1881, pag. I.) — FISCHER, SACHS Lehrbuch, Aufl. IV, pag. 248; EıchtLer, Syllabus der Vorlesungen üb. spec. u. medic, pharm. 3otanik 1880; Winter, Ueb. ein nat. System d. 'Thallophyten. Hedwigia 1879, pag. I. Einleitung. 161 den Algen nimmt, ist es nur natürlich, dass gewisse Verhältnisse, die bei den Algen auftreten, sich auch bei einzelnen Gliedern der Pilzreihe wiederholen. Wenn man aber auf Grund dieser Aehnlichkeiten die betreffenden Pilzgruppen den Algen einreihen wollte, so würde der natürliche Zusammenhang zwischen den übrigbleibenden Pilzgruppen zerstört werden. Man würde eben, um Ver- wandtschaftsverhältnisse zu statuiren, die zweifelhaft sind, unzweifelhaft natürliche Verbindungen zerreissen. Wenn es bei der getrennten Beibehaltung der beiden grossen Thallophyten- gruppen im ersten Augenblick den Anschein haben könnte, als sei man auf den von CoHn angegriffenen Standpunkt zurückgekehrt, so liegt doch im Gegentheil ein wesentlicher Fortschritt gegen die ältere Auffassungsweise darin, dass die Pilze nicht mehr wie früher als einheitliches Ganze den Algen gegenübergestellt werden, sondern dass an Stelle der einen Klasse drei selbständige Thallophyten- reihen getreten sind: Myxomyceten, Schizomyceten und Pilze im engeren Sinne. — Und eine ähnliche Spaltung erweist sich als nothwendig für die Algen. Die Fräge »was sind Algen?« hat lange Zeit hindurch keine befriedigende Beantwortung gefunden. Die älteren Autoren, denen man die grob-systematische Bearbeitung des Algengebietes verdankt, wie Harvev, KÜTZING, AGARDH!), hatten sehr wohl die Unmöglichkeit erkannt, eine Definition des Begriffes »Algen« zu geben und sich deshalb auf die Aufzählung der Formen beschränkt, aus denen sich ihrer Ansicht nach die Klasse der Algen zusamensetzte. Bei dem Umfang, den man dieser Klasse gab, lag es in der Natur der in ihr vereinigten Pflanzen begründet, dass sich gemeinsame Charaktere nicht auffinden liessen und eine Definirung der »Algen« unmöglich gemacht wurde. In den entwicklungsgeschichtlichen Unter- suchungen der letzten dreissig Jahre haben namentlich BRAUN, DE BArY, CoHN, NAEGELI, PRINGSHEIM, BORNET und THURET eine solche Fülle der verschiedensten morphologischen Momente zu Tage gefördert, dass die Unnatürlichkeit einer Algenklasse in ihrem alten Umfang mit jedem Jahre deutlicher hervortrat. Man versuchte zwar noch durch die Bezeichnung der Algen als »chlorophyllhaltige Thallophyten« über die in dieser Klasse zusammengefassten Pflanzen den Schein innerer Zusammengehörigkeit auszubreiten, aber das einzige Merkmal, welches die ganze Klasse charakterisirt, ist doch nur die selbständige Ernährungsweise der Algen auf Grund der Assimilation. Sobald man diesem Merkmal einen systematischen Werth nicht mehr zuerkennt, und damit das einzige Band löst, das die Algen als ein einheitliches Ganze zusammenhält, zerfällt die alte Algen- klasse in eine Anzahl sehr verschiedener kleinerer Gruppen. Aber diese kleineren Gruppen, durch morphologische Charaktere scharf charakterisirt und eine jede für sich von einheitlichen Entwicklungsgesetzen beherrscht, haben den Vorzug, dass sie zweifellos natürliche Verwandtschaftskreise repräsentiren. Aus dem Rahmen der Algen lassen sich zunächst die beiden sehr charakter- istischen Ordnungen der Diatomaceen und der Schizophyceen zwanglos heraus- lösen. Während der Bau der ersteren so eigenthümlich ist, dass dieselben nicht wohl irgend wie mit andern Pflanzen vereinigt werden können, zeigen die Schizo- phyceen oder Phycochromaceen so grosse Uebereinstimmung mit den Schizomyceten oder Spaltpilzen, dass man die Vereinigung beider Gruppen zu der einen Ordnung !) Harvey, Manual of the British Algae, London 1841. — Kürzıng, Phycologia generalis Anat. Physiol. u. Systemkunde der Tange Leipzig 1843; — Species algarum, Leipzig 1849. — I. G. AGARDH, Spec. gen. et ordines Algarum, Lond. 1848—18So. LI® 162 Die Algen im weitesten Sinne. der Schizophyten hat vorschlagen können. Einen scharfbegrenzten Verwandt- schaftskreis bilden, ferner die Florideen und wenn dieselben auch mit Hilfe von Deutungen und Hypothesen dem Hauptstamm der Algen angegliedert werden können, so trennt sie doch in der gegenwärtigen Erdepoche von den letzteren eine Kluft, die breit genug ist, um die selbständige Stellung der Florideen, die schon aus praktischen Gründen geboten erscheint, auch theoretisch rechtfertigen zu können. — Nach der Isolirung der Diatomaceen, Schizophyceen und Florideen bleibt eine sehr formenreiche Gruppe von chlorophyllhaltigen Thallophyten übrig, welche aus den Chlorophyceen und Melanophyceen gebildet wird und auf welche der Name »Algen« in Zukunft mit demselben Recht eingeschränkt werden darf, mit dem man die Bezeichnung »Pilze« auf einen enger umgrenzten Formenkreis concentrirt hat. Im Gegensatz zu den chlorophylifreien Thallophyten, welche durch die Zersetzungs- und Gährungserscheinungen, die sie hervorrufen und begleiten, durch ihre Beziehungen zu contagiösen Krankheiten, durch den Schaden, den sie dem Ackerbau zufügen, in die wichtigsten Interessen des täglichen Lebens hinein- greifen, ist die direkte Bedeutung der chlorophyllhaltigen 'Thallophyten für den Menschen eine sehr geringe. Ihre Verwendung als Nahrungsmittel, als Dung- mittel oder zu technischen Zwecken findet nur in beschränktesten Verhältnissen und im wesentlichen nur bei wenigen Meeresalgen statt; den landschaftlichen Charakter einer Flora beeinflussen sie nicht, da die meisten Formen im Wasser untergetaucht leben und die wenigen Arten, welche ausserhalb desselben vor- kommen, die sogen. Luftalgen bei aller Massenhaftigkeit ihrer Individuenzahl in Folge ihrer fast mikroskopischen Kleinheit wenig ins Auge fallen. Wenn die chlorophyllhaltigen "T'hallophyten oder Algen im weitesten Sinne, deren alleiniger Betrachtung dieser Abschnitt des Handbuches be- stimmt ist, trotzdem immer und immer wieder zum Gegenstand erneuter und eingehender Forschungen gemacht werden, so geschieht es wegen des rein wissenschaftlichen Interesses, welches sie ihrer systematischen Stellung wegen in eminenter Weise beanspruchen. Während man in einer früheren Periode wissenschaftlicher Forschung den Begriff »Verwandtschaft« in der Systematik als gleichbedeutend mit Formenver- wandtschaft oder äusserer Aehnlichkeit gefasst hatte und sich damit begnügte, äusserlich mehr oder minder übereinstimmende Gruppen von Organismen im System gleichwerthig neben einander zu stellen, hat man unter dem Einfluss der Descendenztheorie dem Begriff »Verwandtschaft« den vollen Sinn echter Blutsver- wandtschaft beigelegt, wie dieselbe auf der Abstammung von gemeinsamen Vor- fahren beruht; demgemäss verlangt man von dem natürlichen System, dass es nicht mehr eine willkürliche Aneinanderreihung grösserer Gruppen von äusserlich mehr oder weniger übereinstimmenden Organismen biete, sondern in möglichst ge- treuer Wiedergabe ein Bild von demStammbaum derÖrganismen geben soll. Wenn nun auch über die Stellung der grossen Hauptgruppen der Pflanzen in dem Stamm- baum kein Zweifel mehr herrschen kann, und wenn diejenige Auffassung, welche in den Thallophyten nicht nur die niedrigst organisirten, sondern auch die ältesten Pflanzen erblickt, aus denen sich später in steigender Vervollkommnung die Archegoniaten und die Blüthenpflanzen entwickelt haben, auch in dem successi- ven Auftreten ihrer fossilen Reste eine Unterstützung finde, — so hat doch die Eintragung des Details in den seinen Hauptumrissen nach bekannten Stamm- baum seine grossen Schwierigkeiten. Und wenn eine sogen. natürliche Anordnung, Er ee N HB a A Einleitung. 163 sobald es sich um ein Eingehen auf kleinere Verwandtschaftskreise handelt, immer in ihren einzelnen Ausführungen discutabel sein wird, so stellen sich einer befriedigenden Lösung speciell für die Gruppirung der Thallophyten noch besondere Schwierigkeiten in den Weg. Der Stammbaum der Thallophyten verhält sich, wenn ein Vergleich gestattet ist, ähnlich den Torfmoosen, deren Stamm am Gipfel weiterwachsend sich verzweigt, während sein unteres Ende dem Verwesungsprocess anheim gefallen ist; greifen wir in einen Rasen hinein, so ziehen wir wohl eine Anzahl isolirter Aeste heraus, aber in welcher Weise sich ihre unteren Enden einstmals aneinandergesetzt haben, und ob sie sich jemals alle zu einem Hauptstamm vereinigt haben — das lässt sich nicht mehr nachweisen. Versuchen wir es, die sieben vorher erwähnten, scharf umgrenzten Ver- wandtschaftskreise, in welche die Thallophyten sich aufgelöst haben, nachdem die Unhaltbarkeit der Klassen der Algen und der Pilze in ihrem alten Umfange anerkannt worden ist, nach Art eines Stammbaumes in eine Tabelle zu ordnen, so tritt der Mangel eines befriedigenden Abschlusses nach unten hın scharf hervor. 1. Melanophyceen 2. Chlorophyceen. I. Florideen. VI: ‚Pilze, — — II. Algen. Sue ER III. Diatomaceen. (Schizophyten.) —_ IV. Schizophyceen. V. Schizomyceten. |VII. Myxo- | | myceten ———o — (chlorophyllhaltige Thallophyten.) (chlorophylifreie T'hallophyten.) ‚ Jede der sieben Gruppen umschliesst Pflanzen, welche den Typus des Verwandtschaftskreises, dem sie angehören, höher oder niedriger ent- wickelt zum Ausdruck bringen, so dass innerhalb jeder Gruppe die Gattungen sich zu einer mehr oder weniger zusammenhängenden Reihe ordnen lassen, welche unten mit den niedrigst organisirten Gliedern beginnend zu höher organisirten Formen allmählich aufsteigt. Der Entwicklungsgrad, den die Gesammtorganisation bei den am höchsten stehenden Gliedern einer Reihe erreicht hat, ist massgebend für die höhere oder niedrigere Stellung ihres Namens in der vorstehenden Tabelle. Innerhalb des Rahmens der letzteren setzt sich von den sieben natürlichen Verwandtschaftsreihen nur der Florideen-Ast vielleicht mit einiger Wahrscheinlich- keit an die Algen an. Fragen wir nach dem etwaigen Zusammenhang zwischen den sechs anderen Reihen, welche in der Tabelle nach unten blind endigen, so ist zunächst schon vorher auf die Möglichkeit hingewiesen, die Schizophyceen und die Schizomyceten als Zweige eines Astes, der Schizophyten, zu betrachten. In den beiden Hauptreihen der Algen und Pilze endlich finden sich zwischen ihren niedrigst organisirten Gliedern Aehnlichkeiten, welche auf eine wahrscheinliche Abstammung dieser von gemeinsamen Vorfahren hindeuten. Für weitere An- schlüsse der unteren Enden der übrigen Verwandtschaftsreihen fehlt jeder Anhalt, so dass der Stammbaum der Thallophyten, so weit er sich nach abwärts ver- folgen lässt, im besten Falle sich auf vier isolirte Aeste zusammenzieht — Diatomeen; Algen und Pilze; Schizophyten; Myxomyceten — über deren gegenseitige Beziehungen wir zur Zeit völlig im Unklaren sind. Wo der Stammbaum der höheren Organismen solche Lücken zeigt wie das untere Ende des Thallophytenstammes, da bietet sich bei jenen immer noch die 164 Die Algen im weitesten Sinne. Möglichkeit, zur Ausfüllung dieser Lücken auf die ausgestorbenen Formen von Organismen zurückzugreifen, wie sie aus früheren Entwickiungsperioden unserer Erde im fossilen Zustande uns übermittelt worden sind. Aber für die Erkenntniss von Uebergangsformen, welche vermittelnd zwischen die unteren Enden der Thallophytenzweige eingeschaltet werden könnten, lassen uns auch jene Beweis- mittel im Stich. Die ältesten pflanzlichen Reste, welche bekannt sind, stammen freilich von Algen her, aber sie gehören — soweit sich das überhaupt noch ermitteln lässt — zu höchstorganisirten Algen. Gerade von den auf den untersten Stufen der Organisation stehenden Formen, auf die es für die Ergänzung der Reihen im Stammbaum der Thallophyten ankommt, scheint jede Spur ver- loren gegangen zu sein. Und selbst wenn sie noch aufgefunden werden sollten, so würde die Kenntniss ihrer Form für uns ziemlich werthlos sein, so lange wir nichts über ihren Entwicklungs- gang wissen, und auf Klarlegung des letzteren müssen wir wol ein- für allemal verzichten. — Dass überhaupt so wenig fossile Thallophyten uns erhalten sind, mag sich neben der Kleinheit der betreffenden Organismen daraus erklären, dass die Zartheit ihres Thallus ihrer Ueberführung in den fossilen Zustand erschwerend im Wege gestanden hat. — Von ausgestorbenen Algenarten haben sich erkennbar nur solche fossil erhalten, welche aus compacten Gewebemassen bestanden (Fucaceen), oder solche, welche wie die Diatomeen und wie die Corallineen und manche Siphoneen durch die Einlagerung oder Auflagerung von Kieselsäure und Kalk schon bei Lebzeiten ein festes Skelett aus unorganischer Substanz gebildet hatten. Da die Thallophyten die niedrigst organisirten Repräsentanten pflanzlichen Lebens umschliessen, so hat man es versucht sie in Beziehung zu setzen mit den auf unterster Entwicklungs-Stufe stehenden Formen thierischer Organisation. Manche ihrer am tiefsten stehenden Gruppen haben in Folge dessen längere oder kürzere Zeit der Klasse der Protisten angehört, welche man für diejenigen Organis- men geschaffen hatte, bei denen weder die thierische noch die pflanzliche Natur scharf ausgeprägt war, und welche als auf der Grenze zwischen Thier und Pflanze stehende Wesen — zeitweilig in gleicher Weise von Seiten der Botaniker wie der Zoologen für sich in Anspruch genommen wurden. Doch ist — von Seiten der Botaniker wenigstens — die Grenze durch das Gebiet der Protisten nach und nach derart festgestellt, dass die Diatomaceen, Myxomyceten, Schizomyceten und namentlich auch die Volvocineen dem Pflanzenreich einverleibt worden sind. Während die Wurzel des Thallophytenstammes in einem Nebel von mehr oder weniger kühnen Hypothesen sich verbirgt, kann man für den Anschluss der Thallophyten nach oben hin auf entwicklungsgeschichtliche Thatsachen sich stützen. Es ıst danach wol gegenwärtig zweifellos anerkannt, dass unter den Thallophyten allein die Algen im engeren Sinn und zwar speciell die Unterklasse der Chloro- phyceen als Ausgangspunkt angesehen werden muss für den Hauptstamm der ge- sammten höheren Pflanzen, der durch die Vermittelung der Archegoniaten sich bis zu den Blüthenpflanzen hin fortsetzt und in den letzteren seinen gegenwärtigen Abschluss und den Höhepunkt pflanzlicher Organisation erreicht. — Für die einheitliche Auf- fassung dieses Hauptstammes würden die Algen selbst dann nieht an Bedeutung verlieren, wenn wir auch annehmen wollten, dass die jetzt lebenden Algen nicht als die direkten Vorfahren der Archegoniaten und der Blüthenpflanzen betrachtet werden dürften, sondern nur als die Nachkommen ausgestorbener Pflanzenformen, welche gleichzeitig die Ureltern für die Algen sowohl wie für die Archegoniaten darstellten. Denn immer werden wir doch die Algen als die am wenigsten ver- änderten Nachkommen der gemeinsamen Ureltern betrachten müssen, die in ihrer Gesammtentwicklung den Charakter jener ausgestorbenen Urformen am meisten bewahrt haben und damit wenigstens ein annähernd ähnliches Bild der- Einleitung. i 165 selben bis in die Welt der jetzt lebenden Organismen hinein gerettet haben. Für die Annahme, dass gerade die Algen — wenn sie nicht selbst die Ureltern der höheren Pflanzen sind — die Charaktere der Ureltern am erkennbarsten bewahrt haben, spricht der Umstand, dass für die mannigfachsten Verhältnisse, die uns bei den höheren Pflanzen in vollkommenster Weise entwickelt entgegentreten, primitive Urstadien derselben sich bei den Algen und zwar unter allen Thallophyten nur bei diesen nachweisen lassen. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Thallophyten hat der Pflanzenkörper die Form des Thallus noch nicht überschritten und diesem Umstande verdankt ja die ganze Klasse ihren Namen. Aber wie die thallodische Körperform nicht auf die Thallophyten allein eingeschränkt ist, sondern noch in gewissen Familien der Archegoniaten die vorherrschende ist und vereinzelt auch bei den Blüthen- pflanzen auftritt, so giebt es umgekehrt Fälle, wo die Gliederung des Pflanzen- körpers, die bei den höheren Gewächsen typisch zur scharfen Differenzirung von Stengel und Blatt geführt hat, bereits innerhalb der Thallophyten und zwar aus- geprägt nur bei den Algen im engern Sinne zur Bildung beblätterter Sprosse führt. Die am weitesten durchgeführte Gliederung des Thallus, die bereits vollständig den Charakter der Gliederung bei höheren Pflanzen trägt, kommt wol bei einigen Species der Melano- phyceen-Gattung Sargassum vor, deren flache seitliche Triebe nicht nur in der acropetalen Entstehungsweise unter Einhaltung constanter Divergenzwinkel, sondern auch in ihrer äussern Form den Phanerogamen -Blättern entsprechen und die aus ihren Achseln die auf besonderen Inflorescenzästen vereinigten Fructifikationsorgane entwickeln. In der Chlorophyceen-Gattung Cazderpa tritt der Thallus als kriechendes Rhizom auf, das auf seiner unteren Seite Büschel von Wurzel- haaren trägt, während auf der oberen Seite eine Reihe acropetal entstandener Kurztriebe sich erhebt, die bald die Form mannigfach ausgerandeter Blätter zeigen, bald als moosähnliche Stämme mit kleinen blattartigen Bildungen dicht besetzt auftreten. Auf einer gleichfalls sehr hohen Stufe der Gliederung stehen auch die Characeen und unter den Florideen die Rhodome- leen, wenn hier auch habituell die Uebereinstimmung mit dem Phanerogamentypus nicht so scharf hervortritt. — In vielen Fällen ist dagegen die Aehnlichkeit einzelner Thallustheile mit Phanerogamenblättern eine rein äusserliche wie z. B. bei der Phaeosporeengattung Macrocystis, bei der die scheinbare Gliederung in Stamm und Blätter erst in Folge eines regelmässig sich wiederholenden Zerreissens des an der Spitze noch völlig ungegliederten flachen Thallus zu Stande kommt. In noch anderen Fällen hat der ganze Thallus (Zaminaria) oder die einzelnen Spitzen des verzweigten Thallus (Udozea, Scytothalia) die Form von Blättern. Echte Wurzeln fehlen dagegen noch sämmtlichen Algen, doch werden sie häufig ersetzt durch einfache oder verzweigte Wurzelhaare, die wenigstens als Haftorgane fungiren. Dieselben haben bald langgestreckte fadenförmige Gestalt und sind dann befähigt in das Substrat (sandigen Boden und Schlamm oder das Gewebe anderer Algen) einzudringen; bald endigen sie vorn als breite Saug- scheiben, mit denen sie sich an der Oberfläche anderer Körper festklammern. Ob diese wurzel- artigen Bildungen als wesentliche Organe für die Nahrungsaufnahme dienen, ist nicht ganz zweifellos, da die Möglichkeit offen bleibt, dass die Nahrungsaufnahme bei den im Wasser lebenden und eine ausgebildete Cuticula nicht zeigenden Algen auf der ganzen Oberfläche des Thallus vor sich gehen kann. Jedenfalls giebt es zahlreiche Thallophyten, die wie die Diatomaceen, Desmidiaceen, Zygnemaceen, Schizophyceen, Volvocineen, Hydrodictyeen und Sphaeroplea einer jeden Andeutung einer Wurzelbildung vollständig entbehren. Während bei den höheren Pflanzen der Körper fast durchgehend aus massig entwickeltem Zellgewebe besteht, findet sich echte Gewebebildung bei den Thallophyten überhaupt nur bei den Florideen und Melanophyceen, und andeutungs- weise bei den Characeen. Die Entwicklung solcher aus massigem Gewebe bestehenden Algenkörper findet aber so statt, dass die oberflächlichen Zellen 166 Die Algen im weitesten Sinne. stets die jüngsten sind, und in manchen Fällen kann die Zelltheilungsfähigkeit der oberflächlichen Zellen Jahre hindurch andauern und so die Ursache eines ausgiebigen Dickenwachsthums werden. Diese Entwicklungsweise ist aber zugleich der Grund, weshalb alle Algen einer Epidermis im Sinne der höheren Pflanzen entbehren. Von dem Gewebe der höheren Pflanzen unterscheidet sich das Massengewebe der Melano- phyceen und Florideen zunächst durch die ausserordentliche Gleichförmigkeit in der Form der Zellen und der Beschaffenheit der Membran. Von der mannigfachen Sculptur der Zellmembran bei den höhern Pflanzen findet sich nur in der Tüpfelbildung bei den Fucaceen und Florideen eine schwache Andeutung. — Auch entbehrt das Algengewebe vollständig der luftführenden Intercellularräume: die Bildung derselben wird unmöglich gemacht durch die ausserordentliche Quellungsfähigkeit der Membran und ihre Neigung zu vollständiger Vergallertung, welche es zu einer Spaltung der Membran nicht kommen lässt. Nur bei den Schwimmblasen der Fucaceen kommen gaserfüllte Gewebelücken zu Stande, die nach ROSANOFF Stickstoff enthalten und wol erst in Folge ıder Gasausscheidung sich bilden. Im geschlossenen Gewebe vieler Florideen und Melanophyceen besitzen gewisse Zellen die Fähigkeit, nachträglich zu langen, dünnen, den Vilzhyphen vergleichbaren Fäden auszuwachsen. Diese Fäden durchziehen — innerhalb der weichen Membranen des Gewebes mittelst Spitzenwachsthums sich verlängernd — in unregelmässigen Windungen das ganze Gewebe oder bestimmte Theile desselben in der Weise, dass schliesslich auf Querschnitten die weiten Lumina der primären Zellen durch breite Wände durcheinander gewirrter, enger Hyphenfäden von einander getrennt werden. Viel häufiger als aus massigem Zellgewebe besteht der Thallus der Algen aus einfachen oder verzweigten Zellreihen oder aus Zellschichten. Wiederholt wird diese faden- oder scheibenförmige Anordnung der Zellen von vielen ein- zelligen Algen, bei welchen nach dem Theilungsprozess die Tochter-Individuen sich nicht isoliren, sondern mit einander verbunden bleiben (manche Diatomaceen, Desmidiaceen, — Volvocineen); in ähnlicher Weise aber aus ursprünglich isolirten Individuen setzen sich erst nachträglich die scheibenförmigen oder uelpauah durchbrochenen Familien mancher Protococcaceen zusammen. Die Chlorophyceen zeigen sämmtlich diese letzteren einfacheren Formen der Thallus-Structur. Diesem Umstande, der es meist gestattet, die unverletzte Pflanze unter dem Mikroskop zu betrachten, ohne dass man, wie es bei massiger Gewebebildung nöthig ist, erst gezwungen wäre, durch Messerschnitte das Leben der Pflanze zum Zweck mikroskopischer Beobachtung zu gefähr- den, sowie ihrem geselligen Auftreten im süssen Wasser verdanken es die Chlorophyceen, dass sie vorzugsweise zur Untersuchung herangezogen worden sind, wo es sich um die Betrachtung der lebenden Zelle handelte. Unsere heutige Anschauungsweise von den Lebensvorgängen in den vegetabilischen Zellen überhaupt beruht im wesentlichen auf den Beobachtungen an Chloro- phyceen, wie sie zuerst von Mont, 1835 an Cl/adophora angestellt worden sind und seitdem von den klassischen Arbeiten NÄGELI's an bis zu den neuesten Untersuchungen von STRASBURGER und SCHMITZ immer wieder das allgemeinste Interesse auf sich gezogen haben. — Der Grad der Ausbildung, den die äussere Gliederung der Algen erreicht, ist völlig unabhängig von der inneren Differenzirung der Algenkörper. Der anatomische Bau kann bereits auf einer verhältniss- mässig hohen Stufe der Entwicklung stehen, während jede äussere Gliederung des Thallus unter- drückt ist und umgekehrt vermag ein äusserlich reichgegliederter Thallus, wie ihn die Gattung Canlerpa besitzt, aus einer einzigen Zelle zu bestehen. Die einzelne Zelle zeigt überhaupt nirgend eine grössere Mannigfaltigkeit in ihren äusseren Formen als bei denjenigen Thallophyten, bei denen der ganze Thallus von einer einzigen Zelle repräsentirt wird. Zeugniss legt dafür der ungeheuere Formenreichthum ab, den Gruppen einzelliger Algen wie die Diatomaceen und Desmidiaceen aufzuweisen haben. Aber während in diesen beiden Familien das einzelne Individuum mikroskopische Dimensionen niemals zu überschreiten vermag, entwickelt sich die einzelne Zelle der Vaucheriaceen und der Siphoneen zu beträchtlicher Grösse; sie nimmt dann meist die Form langer cylindrischer Schläuche an, die sich mehr oder weniger verästeln können. ur te Pe Sue Einleitung. 167 Wie in Bezug auf äussere Gliederung und innere Structur ein scharfer Gegensatz zwischen den Thallophyten und den höheren Pflanzen nicht vorhanden ist, sondern Charaktere höherer Organisation spurweise bereits innerhalb der Thallophyten auftreten, so repräsentiren die Thallophyten auch in Bezug auf die sexuellen Vorgänge die niedrigst organisirten Glieder jener Reihe, die in ununter- brochener Steigerung ihrer Organisation bis zu den Blüthenpflanzen sich erhebt. Trotz der Mannigfaltigkeit der äusseren Form, unter der der Befruchtungspro- zess bei den Thallophyten auftritt, lassen die Befruchtungsvorgänge sich auf zwei wesentlich verschiedene Typen zurückführen, die man als Gametencopulation und als Procarpbefruchtung bezeichnen kann. Bei der Gametencopulation verschmelzen die membranlosen Geschlechtszellen, die Gameten, im Befruchtungs- prozess unmittelbar mit einander zu einerneuen Zelle, der Zygote. Bei der Procarp- befruchtung handelt es sich dagegen um die Befruchtung eines meist mehrzelligen weiblichen Geschlechtsapparates, des Procarpes, der bei den Florideen aus zwei verschieden functionirenden Theilen zusammengesetzt ist. Der eine dient als Empfängnissapparat; der andere, das Carpogon, wächst in Folge der Befruchtung, die an dem Empfängnissapparat vollzogen wurde, zu einem Fruchtkörper aus, in dem die Fortpflanzungszellen, die Carposporen entstehen, während der Empfängniss- apparat zu Grunde geht.!) Innerhalb des Typus der Procarpbefruchtung treten nur geringfügige Unterschiede in der äusseren Form des Befruchtungsactes auf, dem- jenigen der Gameten-Copulation dagegen lassen sich eine Reihe von Befruchtungs- formen unterordnen, die ihrem Wesen nach völlig identisch sind, deren äussere Form aber, durch die verschiedene Form der copulirenden Gameten bedingt, mannig- fache Modificationen aufweist. Zwei Hauptstufen lassen sich innerhalb des Typus unterscheiden, die früher für die Gruppirung der Algen als Charactere von höchstem systematischem Werthe betrachtet worden sind. Entweder stimmen nämlich die beiden am Befruchtungsprozess betheiligten Gameten habituell voll- ständig mit einander überein, und dann hat man sie als Isogameten bezeichnet. Oder aber die Gameten sind ihrer verschiedenen Function als empfangende weibliche und als befruchtende männliche Zelle entsprechend auch äusserlich verschieden entwickelt und dann bezeichnet man sie nach Analogie der thierischen Organisation als Eier und Spermatozoidien. Die Copulation so hoch diffe- renzirter Gameten greift über die Grenzen der Thallophyten weit hinaus, indem sie sich als die herrschende Befruchtungsform in der ganzen Gruppe der Arche- goniaten wiederholt. Von den Algengattungen mit am höchsten entwickelter Ge- schlechtsdifferenz der Gameten, wie sie in den Familien der Vaucheriaceen, Co- leochaeteen, Oedogonieen vorkommen, ausgehend, bedarf es nur noch eines kleinen Schrittes in der äusseren Ausbildung der Organe in welchen die weib- lichen Gameten entstehen, um von den Eibehältern dieser Gattungen zu den charakteristischen Eibehältern der Archegoniaten — den Archegonien — zu ge- langen. Steigt man von den genannten Familien dagegen tiefer hinab zu den einfacher organisirten Algen, so wird der Unterschied zwischen Eiern und Sper- matozoidien immer geringer und beide Gametenformen gehen allmählich in die Form der Isogameten über, bei denen jeder geschlechtliche Unterschied fehlt. I) Ausführliche Darstellung der Florideenbefruchtung s. pag. 179 und ff. Ueber die Art und Weise wie man hypothetisch die complicirten Vorgänge bei der Befruchtung der Florideen auf die einfacheren Verhältnisse der Algen mit Gametencopulation zurückführen kann vergl. unter »Coleochaeteen«. re En Di. ‚a we U re VER E E RE NIT, Den 7ER ER 168 Die Algen im weitesten Sinne. a, Dieser letztere Umstand hat den äusseren Anlass gegeben, die indifferente Bezeichnung »Gameten«, die bisher nur auf die Isogameten beschränkt angewendet wurde, im folgenden auf alle membranlosen Zellen der Thallophyten (und Archegoniaten) auszudehnen, die im Be- fruchtungsprozess mit einander verschmelzen und die bisher als Geschlechts- oder Sexualzellen bezeichnet wurden. Durch diese Erweiterung des Begriffes »Gameten« vermeidet man den Uebelstand, von geschlechtslosen Geschlechtszellen sprechen zu müssen oder für die letzeren nach einem anderen Namen suchen zu müssen, der den Unterschied zwischen geschlechtslosen Gameten und Gameten mit differenzirtem Geschlecht grösser erscheinen lassen würde, als er in der Natur vorhanden ist. — Gleichzeitig ist in entsprechender Weise die Bezeichnung Zygote ausgedehnt worden auf das Produkt der Gametencopulation, mögen die Gameten auftreten, unter welcher Form sie wollen. An Stelle der früheren Bezeichnungen »Zygospore«, »Oosporee«, »befruchtetes Eie ist damit eine einheitliche Bezeichnung für den wichtigsten Abschnitt im Leben der Pflanze getreten. Denn wo der Befruchtungsprozess bei den Algen constatirt ist, hat er darum eine besondere Bedeutung für die Kenntniss des Lebensganges der betreffenden Art, weil er den Höhepunkt und Abschluss ihrer Entwicklung bildet. Mag der Lebenslauf bei vielen Algen auch noch so complieirt erscheinen durch das Auftreten verschieden ge- staltiger Dauerzustäinde und durch die mannigfachen Formen ungeschlechtlicher Fortpflanzung: der Befruchtungsprozess ist immer nur in einer Form vorhanden und bildet so einen festen Markstein in der Lebensgeschichte der Alge. Kennt man die Entwicklungsvorgänge, welche die aus dem Befruchtungsprozess hervorgegangenen Zellen durchmachen müssen, bis sie selbst wieder . zu Individuen herangewachsen sind, an denen der Geschlechtsact sich wiederholt, so kann man sicher sein, alle wesentlichen Lebensprozesse der betreffenden Alge zu kennen. Unwesentlich sind neben ihnen alle diejenigen Erscheinungen, welche durch specielle äussere Umstände her- vorgerufen, als Anpassungserscheinungen an bestimmte nicht regelmässig sich wiederholende Vegetationsverhältnisse aufgefasst werden müssen. Unter solchen Umständen bildet nur der Befruchtungsact und sein Produkt einen einheitlichen Ausgangspunkt, wenn es sich darum handelt, den Entwicklungsgang verschiedener Algen mit einander zu vergleichen, und deshalb erscheint es wünschenswerth, diesen gemeinsamen Ausgangspunkt auch mit gemeinsamem Namen zu bezeichnen. Die Copulation von Isogameten repräsentirt die denkbar niedrigste Form eines Befruchtungsprozesses. Aber wenn auch Geschlechtsdifferenzen der copulirenden Gameten bei ihr auch noch nicht vorhanden oder für uns wenigstens nicht wahr- nehmbar sind, so muss doch die durch Copulation von Isogameten eingeleitete Art der Fortpflanzung bereits als eine geschlechtliche Fortpflanzung aufgefasst werden, insofern als man unter ungeschlechtlicher Fortpflanzung eine solche ver- steht, die sich ohne Befruchtungsprozess vollzieht; und die Natur eines Be- fruchtungsprozesses kann dem Copulationsprozess der Isogameten heutzutage schlechterdings nicht mehr abgesprochen werden. Wenngleich für viele Algen im weitesten Sinne ein Befruchtungsprozess noch nicht hat nachgewiesen werden können, so unterliegt es doch in den meisten Fällen keiner besonderen Schwierigkeit, derartige Pflanzenformen nach ihrer ge- sammten übrigen Organisation solchen Familien anzuschliessen, bei denen der Befruchtungsprozess bereits bekannt ist. In dieser Lage befinden wir uns zahl- reichen Algen gegenüber, die wir wol zweifellos richtig den Klassen der Melano- phyceen und Chlorophyceen unterzuordnen pflegen. Dagegen giebt es auch solche Thallophyten, für die uns in Bezug auf den Befruchtungsprozess zur Zeit jede Muthmassung fehlt, während auch ihre vegetativen Verhältnisse einen engeren Anschluss an die eine oder die andere bekannte natürliche Klasse nicht fordern. Eine solche Gruppe bilden die Schizophyceen, bei denen uns bisher jede An- deutung fehlt, wo wir überhaupt einen Befruchtungsprozess suchen sollen. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung zeigt ebensowenig wie die geschlecht- Einleitung. - 169 liche eine einheitliche Form. In den einfachsten Fällen ist ungeschlechtliche Ver- mehrung identisch mit einer Zweitheilung des Mutterindividuums: so fällt bei den einzelligen Algen aus den Familien der Chroococcaceen, Conjugaten, Palmellaceen und Diatomeen der Begriff der normalen vegetativen Zelltheilung zusammen mit der ungeschlechtlichen Vermehrung der Individuenzahl. Dass ein mehrzelliger Thallus in grössere oder kleinere Abschnitte zerfällt, die später in neue Individuen aus- wachsen, kommt nur bei den Schizophyten vor und ist das charakteristische Merkmal, dem die ganze Klasse ihren Namen verdankt (Spaltpilze und Spaltalgen). Sonst findet bei mehrzelligem T'hallus die ungeschlechtliche Vermehrung ver- mittelst besonderer Zellen, der Sporen, statt, die von der Mutterpflanze sich ablösend zu neuen Individuen sich entwickeln. Bei den chlorophyllhaltigen Thallo- phyten treten sie vorzugsweise in zwei verschiedenen Formen in die Erscheinung: nämlich entweder als nackte, unbewegliche Primordialzellen, die gewöhnlich zu je vieren in einer Mutterzelle erzeugt als Tetrasporen bezeichnet werden; oder aber als nackte Zellen, die vermittelst beweglicher Cilien sich selbständig fortzu- bewegen vermögen, als Zoosporen. Unter Zugrundelegung der wesentlichen Unterschiede in der geschlecht- lichen und ungeschlechtlichen Fortpflanzung lassen sich nun die Hauptabtheilungen der chlorophyllhaltigen 'Thallophyten mit Berücksichtigung auffälliger Merkmale aus der vegetativen Sphäre in folgender Weise charakterisiren: Klasse I. Florideen: Ungeschlechtliche Fortpflanzung durch nackte, unbeweg- | liche Plasmazellen (Tetrasporen). Geschlechtliche Fort- pflanzung durch nackte unbewegliche Carposporen. Letz- tere entstehen einzeln in den Zellen eines Fruchtkörpers, der sich aus dem carpogenen Theil des weiblichen Geschlechts- organes (Procarpium) durch Auswachsen desselben erst entwickelt, nachdem die Befruchtung an dem Empfängniss- organe des Procarpes, an der Trichogyne durch unbe- wegliche Spermatien vollzogen worden ist. Meist deut- lich roth gefärbte T'hallophyten, vorzugsweise Bewohner des Meeres (pag. 176). (? Dietyotaceen) Marine Thallophyten mit unbekanntem Befruchtungsprozess, deren systematische Stellung noch ganz unsicher ist. In der Bildung bewegungsloser Tetrasporen und Spermatien mit den Florideen übereinstimmend, schliessen sie sich in ihren vegetativen Organen den Melanophyceen an. Klasse II. Algen: Ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Zoosporen. Ge- schlechtliche Fortpflanzung durch Zygoten, welche direkt aus der Verschmelzung membranloser Gameten hervorgehen. Gameten entweder gleichgestaitig (Isogameten) oder weibliche und männliche Gameten verschieden (Eier und Spermatozoidien). Unterklasse I. Melanophyceen. Schwärmende Zellen — ungeschlechtliche sowol, wie geschlechtliche — stets mit zwei Cilien, die der Basis des Schnabels inserirt sind. Braungefärbte Meeres- algen, Zucaceen, Cutleriaceen, Phaeosporeen, Tulopterideen. Unterklasse II. Chlorophyceen: Zoosporen in Zahl und Insertion der Cilien sehr mannigfaltig. Wenn zwei Cilien vorhanden sind, so stehen sie auf der Spitze des Schnabels. Chloro- 170 Die Algen im -weitesten Sinne. phyligrüne Thallophyten, Bewohner des Meeres und des süssen Wassers, seltener Luftalgen, Characeen, Confervoideen, Siphoneen, Protococcaceen, Conjugaten. Klasse III. Diatomaceen: Einzellige Organismen, deren verkieselte Membran aus zwei mit den Rändern übereinandergeschobenen Hälften besteht. Ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Zelltheilung. Bei manchen Gattungen sind Formen von Copulation ruhender Gameten beobachtet worden. Färbung ähnlich der der Melanophyceen. Klasse IV. Schizophyceen: Geschlechtliche Fortpflanzung fehlt gänzlich. Un- geschlechtliche Fortpflanzung durch Theilung des Thallus. Färbung sehr mannigfaltig, aber niemals rein chlorophyll- grün. Die Färbung, welche den Thallophyten durch verschiedene Chlorophyll- modificationen verliehen wird, ist so mannigfaltig wie in keiner anderen Pflanzen- gruppe, und da die Färbungsdifferenzen dem Habitus der Pflanzen ein constantes charakteristisches Gepräge geben, so hat man früh versucht, diese Unterschiede für die Umgrenzung grösserer Gruppen zu verwerthen. Neben dem normalen Grün der höheren Pflanzen war es eine braune und eine rothe Färbung, welche vorzugsweise häufig beobachtet wurden, und unter Zugrundelegung dieses Merk- males statuirte man die Klassen der Grüntange, Brauntange und Rothtange. Neuerdings spricht man den Verschiedenheiten der Färbung vielfach jeden syste- matischen Werth ab, da sie nur von habitueller Bedeutung seien. Aber ganz so bedeutungslos, wie es nach der letzteren Auffassungsweise scheinen möchte, ist die verschiedene Färbung der T'hallophyten in der That doch nicht und das Auftreten der einen oder der anderen Färbung keineswegs ein rein zufälliges. Denn Thallophyten-Gruppen, welche auf Grund ihrer gesammten Entwicklungs- verhältnisse als Verwandte betrachtet und zu einer Klasse vereinigt werden müssen, pflegen auch in ihrer Färbung übereinzustimmen, und wenn es einzelne wirkliche oder scheinbare Ausnahmen giebt, so ändert das doch nichts an dem systematischen Werthe des aus der Färbung genommenen Charakters. Am constantesten in ihrer Farbe verhalten sich die Klassen der Melanophyceen und Diatomaceen, deren Angehörige keine einzige Ausnahme von der typischen braunen Färbung aufzuweisen haben. — Die reine Chlorophylifärbung der höheren Pflanzen findet sich unter allen Thallophyten nur bei den Chlorophyceen, die somit ihre nahe Verwandtschaft mit den höheren Pflanzen auch durch gleiche Färbung dokumentiren. Mit dieser scheinbar rein äusserlichen Achnlichkeit gehen bei allen rein grün gefärbten Pflanzen gleiche chemische Vorgänge im Innern der Zellen Hand in Hand: die Bildung des Hypochlorins hat PrınGsmEim in gleicher Weise bei allen chlorophyligrünen Zellen nachgewiesen, zugleich aber auch constatirt, dass die Fähigkeit der Hypochlorinbildung allen anders gefärbten Zellen abgeht. Es ist das doch schon ein Unterschied, der nicht mehr bloss auf den Habitus der Pflanze Bezug hat, sondern tief in die Lebensvorgänge im Innern der Pflanze eingreift. Unter diesen Umständen würde es ungerechtfertigt sein, die Farbstoffe der Thallophyten ganz zu ignoriren und aus den Diagnosen vollständig zu verbannen, wenn auch nicht geleugnet werden soll, dass ihre Berücksichtigung in erster Linie, wie es früher geschah, zu unrichtigen Resultaten führen kann. Am weitesten gehen die Schwankungen in der Färbung bei den Florideen, indem die am dunkelsten gefärbten Formen habituell an die dunkelbraunen 2 Einleitung. 171 Melanophyceen erinnern, während andere Formen mehr oder weniger deutlich grünliche Färbung aufweisen, wenn diese auch niemals den Charakter des rein- grünen Chlorophylis der höheren Pflanzen zeigt. Aber auch der Farbstoff der Florideen erweist sich seinem Wesen nach als identisch beı allen Formen, wenn auch äusserlich graduelle Unterschiede in seinen Schattirungen sich geltend machen. Durch verschiedene Behandlungsweise lassen sich aus allen Florideen zwei verschiedene Farbstoff-Lösungen extrahiren. Der eine in Alkohol löslich, in Wasser fast unlöslich, zeigt bei durchfallendem Lichte grüne Farbe und wird daher Florideen-Grün genannt. Der andere, das Florideen-Roth oder Phycoery- thrin, ist in Wasser löslich, in Alkohol dagegen unlöslich; bei durchfallendem Licht erscheint er purpurroth, bei auffallendem Licht orangegelb oder ausnahmsweise (bei Ayziphloea tinctoria) grün. So verschieden beide Farbstoffe äusserlich zu sein scheinen, so übereinstimmend verhalten sich beide bei spectroskopischer Unter- suchung. Bei beiden haben die Absorptions-Maxima ‚und Minima die gleiche Lage und nur in dem früheren oder späteren Auftreten derselben bei zunehmen- der Concentration der Lösung finden sich Differenzen. Die Absorptionsspectra der Florideenfarbstoffe, namentlich das des Florideen-Grüns, zeigen zugleich eine ausserordentliche Aehnlichheit mit dem des normalen Chlorophylis, ohne indessen völlig mit ihm identisch zu sein, da sie sich von ihm durch das Auftreten eines neuen Absorptionsmaximum unterscheiden. In den lebenden Florideen lässt sich das gleichzeitige Vorhandensein beider Farbstoffe nebeneinander mikroskopisch nicht nachweisen, so dass es möglich: sein könnte, dass die beiden mit süssem Wasser und mit Alkohol extrahirbaren Farbstoffe erst unter dem Einfluss dieser Reagentien entstandene Derivate eines einheitlichen, dem Chlorophyll nahe verwandten Florideen-Farbstoffes darstellen. Sind aber Florideen-Grün und Florideen-Roth in der lebenden Pflanze schon neben- einander vorhanden, so verdeckt der eine den andern mehr oder weniger voll- ständig. In weitaus den meisten Florideen tritt das Florideen-Grün äusserlich gänzlich zurück gegen das Phycoerythrin. Nur ausnahmsweise, aber bei gewissen Species constant, herrscht auch in üppig vegetirenden Florideen zeitlebens schmutzig-grünliche Färbung vor; so bei Zaurencia papillosa, Laur. obtusa var. gelatinosa, Rissoella verruculosa, bei vielen Exemplaren von Gracdaria dura, an einzelnen Theilen des T'hallus von Gigartina Teedi u. a. m. Sehr regelmässig findet dagegen eine Verfärbung der Florideen beim Absterben statt, und in dieser Zeit zeigen fast alle vorübergehend eine grünliche Farbe, bevor sie ganz verbleichen. In ähnlicher Weise wie bei den Florideen lassen sich auch bei den Melano- phyceen, Diatomaceen und Schizophyceen ausser dem grünen Chlorophyll ver- schiedene Farbstoffe aus dem Thallus extrahiren. Bei den Melanophyceen lässt sich durch Behandlung mit süssem Wasser ein bräunlicher Farbstoff, das Phyco- phaein gewinnen, ebenso erhält man bei vorher durch Reiben zerkleinerten Schizophyceen einen in Wasser löslichen blauen Farbstoff, das Phycocyan. Ausser diesen in Alkohol nicht löslichen Substanzen lassen sich aus den Schizo- phyceen und Melanophyceen durch Extraction mit Alkohol weitere Farbstoffe gewinnen. In dem alkoholischen Extract bleibt nach Schütteln mit Benzol das bernsteingelbe Phycoxanthin zurück, während in das Benzol ein grüner Farbstoff übertritt, der als Chlorophyll bezeichnet wird, wenn er auch bei spectroskopischer Untersuchung sich nicht als völlig identisch mit dem grünen Chlorophyll der Ei Pr ” a TA ee RT EEE TR ACH, DIR Var BETEN SEN EEE EIN IN z u _ np‘ 172 Die Algen im weitesten Sinne. = höheren Pflanzen erweist. In jedem Falle ergiebt sich aber aus der Vergleichung der Absorptionsspectra, dass die extrahirten grünen Farbstoffe der Florideen, Schizophyceen, Diatomaceen und Melanophyceen sich nur wenig von dem im engeren Sinn als Chlorophyll bezeichneten Farbstoff der rein grün gefärbten höheren Pflanzen unterscheidet. Auch die nicht grünen Farbstoffe der Thallo- phyten können nach Prüfung ihrer Absorptionsspectren als stärker abweichende, aber doch die Verwandtschaft mit dem eigentlichen Chlorophyll nicht verleug- nende Chlorophylimodifikationen bezeichnet werden. CoHn, Beitr. z. Physiologie der Phycochromaceen u. Florideen (Max SCHULTZE’s Archiv für mikroskop. Anatomie. Bd. II. 1867.) -—- ROSANOFF, Observat. sur les fonctions et les proprietes des pigments de diverses algues. 1867. (Me&m. d. l. Soc. imp. des Sc. nat. de Cher- bourg. Tome XIII.) — AskEnasy, Beitr. z. Kenntniss d. Chlorophylis u. einiger dass. begleitenden Farbstoffe. (Bot. Zeit. 1867, pag. 233.) — Kraus et MILLARDET, Etudes sur la matiere colorante des Phycochromacees et des Diatome&es. (Me&m. d. 1. Soc. des Sc. nat. de Strassbourg. Tome VI. 1866— 70.) — MILLARDET, Sur la nature du pigment des Fucoid&es (Comptes Rendus 22. Fevr. 1869.) — Kraus, Zur Kenntniss d. Chlorophyllfarbstoffe u. ihrer Verwandten. Stuttgart 1872. — PRINGSHEIM, Ueb. d. Absorptionsspectra d. Chlorophyllfarbstoffe. (Monatsber. d. Berl. Akad. 22. Oct. 1874.) — PRINGSHEIM, Ueb. natürl. Chlorophylimodifik. u. d. Farbstoffe d. Florideen. (ebenda, Dez. 1876.) — REINKE, Beitr. z. Kenntniss des Phycoxanthins. (PrınGsH. Jahrb. Bd. X.) — NEBELUNG, Spec- troskop. Unters. der Farbstoffe einiger Süsswasseralgen. (Bot. Zeit. 1878.) J,ebensweise der Algen: Der von den chlorophylihaltigen Thallophyten bevorzugte Standort ist das Wasser, in welchem die Pflanzen entweder an anderen Gegenständen angewurzelt oder wurzellos und frei schwimmend leben. Die gesammte Flora des Meeres wird, wenn man von wenigen Monocotylenspecies und einem Paar kaum gekannter Saprolegniaceen und Chytridieen absieht, lediglich aus Algen im weitesten Sinne zusammengesetzt. Einen geringeren und namentlich weniger augenfälligen Antheil haben die Algen an der Bildung der Flora des süssen Wassers, zumal hier die Mehrzahl ihrer Species mikroskopische Dimensionen kaum überschreitet, was dann nur bei periodisch auftretender massenhafter Ver- mehrung in auffälliger Weise sich bemerklich macht. Auch diejenigen Algen, welche ausserhalb des Wassers leben, die sogenannten Luftalgen, sind an feuchte Lokalitäten gebunden und bedürfen zu ihrer Entwicklung mindestens zeitweiliger Wasserbenetzung. — Seltener ist der Fall, dass Algen im Innern anderer Organismen nisten: so kommen manche Schizophyceen in den Geweben von höheren Gewächsen vor, in deren Intercellularräumen sie sich ansiedeln. Während aber die Schizophyceenformen, welche von REINKE in Gunnera und Cycas, von CoHn in Zemna, von JANCZEwSKI in J,ebermoosen beobachtet worden sind, nur beiläufig endophytisch auftreten, daneben aber auch ausserhalb der Pflanzen leben, giebt es andere Species, die nur endophytisch bekannt sind und nicht allein in vor- handenen Hohlräumen des Gewebes, sondern auch in der Membran der Wirths- pflanze leben. Dahin gehören Conn’s Chlorochytrium Lemnae, die Eintocladia viridis Reınke’s, Kreps’ Gattungen Zindosphaera, Phyllobium, Scotinosphaera, CUNNINGHAM’S Mycoidea, sowie verschiedene andere Algen, welche von Conn, Kny und Reinscn in dem Gewebe der Florideen beobachtet worden sind. Aber bei allen diesen Pflanzenarten finden sich trotz ihrer eigenthümlichen Lebensweise im Innern anderer Pflanzen die Bedingungen zu selbständiger Assimilation vor. Kress hat in neuester Zeit für die Chlorophyll führenden Algen, welche endophytisch leben, den Begriff des »Raumparasitismus« aufgestellt, nachdem er nachgewiesen hatte, dass die genannten Algen es lediglich auf einen geschützten Platz zu ihrer Entwick- Einleitung. 173 lung abgesehen haben, dass sie die Wirthspflanze in keiner Weise durch Saftent- ziehung schädigen, sondern sogar mit abgestorbenen Pflanzentheilen vorlieb nehmen, und eventuell auch ohne dergleichen Schutzmittel sich zu entwickeln vermögen. — Manche Chlorophyceen und namentlich viele Angehörige der Klasse der Schizo- phyceen treten als Ernährer von Pilzen auf und aus der innigen Vereinigung von Parasit und Nährpflanze gehen dann die schon oben erwähnten Flechten hervor, deren assimilirende Bestandtheile als »Flechtengonidien« zusammengefasst werden. REINKE, Morphol. Abhandl. 1873, pag. 12 u. 92. — JANCZEWSKI, Zur parasitischen Lebens- weise des Nostoc lichenoides. (Bot. Zeit. 1872, pag. 73.) — COHn, Ueb. paras. Algen, (Beitr. z. Biologie d. Pfl. Bd. I. Heft 2.) — Kny, Ueb. einige paras. Algen. (Bot. Zeit. 1873, pag. 139.) — REINnsSCH, Ueb. endophyte Pflanzenparasiten.. (Bot. Zeit. 1879, pag. 17.) — REINKE, Zwei paras. Algen. (Bot. Zeit. 1879, pag. 473.) — Kıxss, Beiträge z. Kenntniss niederer Algenformen. (Bot. Zeit. 1881, pag. 247.) — SCHWENDNER, Die Algentypen d. Flechtengonidien. (Rect. Progr. Basel 1869.) — STAHL, Beitr. z. Kenntniss d. Flechten: I. die Bedeutung der Hymenialgonidien. 1878. — DE Bary, Ueb. die Erscheinung der Symbiose. (Vortrag auf d. Naturf.-Vers. zu Cassel 1878.) — CUNNINGHAM, On Mycoidea parasitica, a new Genus of Parasitic Algae (Transactions of the Linnean Soc. of London. IH. Ser. vol I. 1880.) Auf zwei Punkte sei hier noch etwas näher eingegangen, von denen der eine für das Leben der Thallophyten des süssen Wassers, der andere für die Vege- tation des Meeres von Bedeutung ist. Das stagnirende Wasser kleinerer Teiche und Lachen, in denen die thallo- phytischen Pflanzenformen des süssen Wassers sich besonders reich entwickeln, unterliegt im Sommer häufig einer mehr oder weniger vollständigen Verdunstung. Da der Thallus fast aller im Wasser lebenden Algen aber beim Austrocknen zu Grunde geht, so würde eine Trockenlegung des Standortes die völlige Vernichtung der Algenvegetation an solchen Standorten nach sich ziehen, wenn es bei den Süsswasseralgen nicht Entwicklungszustände gäbe, welche befähigt wären, auch vollständige Austrocknung ohne Schaden für ihre weitere Entwicklungsfähigkeit zu überstehen. Bei manchen Chlorophyceen sind es beliebige, bei denSchizophyceen meist bestimmt gelegene vegetative Zellen des Thallus, welche zu »Dauerzellen« oder »Dauersporen« werden können. Aeusserlich sind solche Zellen im ausge- bildeten Zustande gewöhnlich dadurch gekennzeichnet, dass ihre Membran stark verdickt ist, während der Plasmaleib wenig Zellsaft aber viel plastische Stoffe umschliesst. Bei den Diatomaceen treten biologisch gleichwerthige Ruhestadien, die »Craticularzustände« auf, deren äusserlich abweichende Bildung durch den eigenthümlichen Bau der Diatomaceen-Membran bedingt wird. An die Stelle der Membranverdickung tritt hier eine wiederholte Neubildung von Schalenhälften inner- halb der schon vorhandenen Schalen, wobei gleichzeitig das Plasma unter Wasser abgabe auf ein kleineres Volumen eingeschränkt wird. Das wichtigste Ruhestadium, weil für eine Reihe von Gattungen das einzige, welches Austrocknung sowohl wie hohe Kältegrade zu überdauern vermag, wird bei den Chlorophyceen durch das Produkt der Befruchtung, durch die Zygoten gebildet. Die letzteren repräsentiren zugleich diejenige Entwicklungsphase, in welcher der nor- male grüne Chlorophyllfarbstoff der vegetativen Chlorophyceenzelle bei vielen Gattungen constant verschwindet und durch einen bräunlichen, purpur- oder ziegel- rothen Farbstoffersetzt wırd. Derselbe ist ankleine im Protoplasma vertheilte Schleim- oder Oeltröpfchen gebunden und macht erst beim Beginn der Keimung allmählich wieder dem grünen Chlorophyll Platz. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Farben- änderung der Zygote zu ihrer zeitweiligen Existenz ausserhalb des Wassers in 174 Die Algen im weitesten Sinne. 2 vs Beziehung steht, wird vermehrt durch die eigenthümlichen Erscheinungen, die sich an den ausserhalb desWassers lebenden ChlorophyceengattungenChroolepus und Mycoidea beobachten lassen. Bei der Luftalge Chroolepus tritt die ziegelrothe Färbung constant auch in allen vegetativen Zellen ihres Thallus auf und sie beruht hier gleich- falls auf der Existenz rothgefärbter Schleimkugeln, neben denen aber ausserdem noch grünes Chlorophyll vorhanden ist. Gos1!) hat nun für Chroolepus nachgewiesen, dass man die Farbe der Alge durch den Feuchtigkeitsgrad, unter dem man die Pflanze cultivirt, modificiren kann: bei grosser Trockenheit verschwindet das Chlorophyll vollständig, während umgekehrt in den Zellen der in sehr feuchter Luft cultivirten Exemplare die Chlorophylifärbung die Oberhand gewinnt und die rothgefärbten Kügelchen ins Innere der Zelle sich zurückziehen. Noch schlagender zeigt sich die Beziehung der Färbung zu der Existenz an der Luft bei der ost- indischen Mycoidea parasitica, deren Thallus theils oberflächlich auf Camellia-Blättern lebt, theils unterhalb der Cuticula wächst. Die an der Luft wachsenden Thallus- abschnitte sind bräunlichroth, die in der Membran des Camellia-Blattes lebenden Theile dagegen grün gefärbt.) Im Hinblick auf andere Verhältnisse scheint es freilich, als ob die Rothfärbung der Zellen ein nützliches Schutzmittel für sie gegen intensive Beleuchtung sei. Wenigstens können die nicht rothwerdenden Zygoten von Hydrodictyon zwar vollständig ohne Lebensgefahr austrocknen — aber sie müssen vor Beleuchtung geschützt werden, da die ausgetrockneten grünen Zy- goten dem Lichte ausgesetzt sich sofort entfärben und unfehlbar absterben. Ob man sich die Wirksamkeit des rothen Farbstoffes in den ausgetrockneten Zygoten und bei Chroolepus in ähnlicher Weise wie die des Chlorophylls vorzustellen habe, als eine mechanisch schützende, welche die durch die Assimilation gebildeten Stoffe vor zu schneller Oxydation durch intensive Beleuchtung bewahrt, dafür fehlt es bisher an Anhaltspunkten. Doch hat PRINGSHEIM in seinen Untersuchungen über die Zerstörung des Chlorophylis bei intensiver Beleuchtung constatirt, dass der rothe Farbstoff derChlorophyceen-Zygoten im Gegensatz zu dem grünen Chlorophyll und seinen Modifikationen durch intensive Beleuchtung wahrscheinlich nicht, oder doch nur sehr schwer zu zerstören ist.?) Die marinen T'hallophyten sind der Gefahr dauernder Austrocknung nicht ausge- setzt und es handelt sich für sie nur darum, die kürzeren Perioden zu überstehen, in denen während der Ebbezeit ihre Standorte trocken gelegt werden. Während dieser kurzen Zeit wird das vollständige Austrocknen des T'hallus für die grösseren Formen der beiden specifisch marinen T'hallophytenklassen, der Florideen und der Melanophyceen dadurch unmöglich gemacht, dass die äusserst quellungsfähigen Zellmembranen so grosse Wassermengen aufzuspeichern vermögen, dass dadurch jeder schädliche Einfluss während der Ebbezeit von dem plasmatischen Zellleibe ferngehalten werden kann. Die grösseren Melanophyceenbüschel pflegen dabei ihrerseits wieder zartere Formen, die zwischen ihnen wachsen, gegen die Ver- dunstung zu schützen. Wo an den durch die Ebbe freigelegten Standorten die grösseren Melanophyceeen-Formen gänzlich fehlen, wie im Mittelmeer, da kann im Sommer die Insolation freilich schon genügen, um kleinere Algenformen während der Ebbezeit völlig auszutrocknen und zu tödten. Im Gegensatz zu den Chloro-, !) Gosı, Algolog. Studien üb. Chroolepus AG. Bull. de l’acad. imp. des Sc. de St. Petersb. Tome XVL. 2) CUNNINGHAM, On Mycoidea parasitica. Trans. Linn. Soc. 1880. 3) PRINGSHEIM, Ueber Lichtwirkung und Chlorophyllfunction in der Pflanze. PRINGSHEIM’S Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XI. 1831, pag. 351. Einleitung. 175 phyceen des süssen Wassers, sind weder bei den Melanophyceen noch bei den Florideen irgend welche Zellen bekannt geworden, welche die Fähigkeit besässen, eine völlige Austrocknung zu überleben. Besondere Lebensbedingungen werden für die Meerespflanzen durch die nach der Tiefe ihres Standortes sehr varıirenden Beleuchtungs-Verhältnisse geschaffen. Wenn man auch Genaues über die Quantität und die Qualität des Lichtes, das bis in grössere Tiefen des Meeres hinab zu gelangen vermag, nicht weiss, so ist doch das als sicher nachgewiesen, dass beim Durchgang durch das Wasser gerade die für die Assimilation der Pflanzen wirksamsten Strahlen zuerst ausge- löscht werden und dass schon durch Wasserschichten von relativ geringer Mächtigkeit nur noch die grünen und blauen Strahlen hindurch gelangen.!) Die Unmöglichkeit, in grösseren Tiefen noch zu assimiliren, setzt daher, selbst wenn alle übrigen Lebensbedingungen sich realısirt finden, der Aus- breitung pflanzlichen Lebens über den ganzen Meeresgrund hin ein absolutes Hinderniss entgegen und beschränkt die Meeresvegetation auf eine relativ schmale Zone. Während thierisches Leben in allen untersuchten Tiefen noch anzutreffen ist, treten die Pflanzen schon in einer Tiefe von 1oo Metern äusserst spärlich auf, um in 400 Meter Tiefe die absolute Grenze ihrer Verbreitung zu finden.?) Inner- halb der für Pflanzen bewohnbaren Zone des Meeresgrundes vertheilen sich die Thallophyten je nachdem sie mehr oder weniger Licht zu ihrer Existenz bedürfen, denn in diesem Punkte verhalten sich verschiedene Species ausserordentlich verschieden, und es giebt wol kaum eine Meeresalge, welche durch die ganze bewohnbare Region gleichmässig verbreitet wäre. Unter besonderen Verhältnissen können allerdings Formen, welche gewöhnlich in einer Tiefe von 50—60 Metern zu Haus sind, bis unmittelbar unter die Meeresoberfläche aufsteigen und dort üppig vegetiren. Das geschieht aber nur in besonderen Fällen an der Unter- seite überhängender Felsklippen oder in halb dunklen Grotten, d. i. an Stand- orten, die gegen direkte Beleuchtung vollkommen abgeschlossen sind. Aus diesem Umstande schon kann gefolgert werden, dass es die Beleuchtungsverhält- nisse sind, welche vorzugsweise als regulirende Faktoren für die Verbreitung der Meeresalgen auftreten.?) In wie hohem Grade bedürfnisslos gewisse marine Thallo- phyten in Bezug auf Licht sind, zeigt die Meeresvegetation der polaren Meere. KJELLMAnN®) hat gefunden, dass bei Spitzbergen an den Algen der dortigen Meeresflora nicht nur die vegetative Weiterentwicklung ihres Thallus trotz der dreimonatlichen Polarnacht ungestört vor sich ging, sondern dass die meisten Algen (bei einer Wassertemperatur von durchschnittlich — ı° C.) gerade in dieser Zeit fruktificirten. I) Nachgewiesen durch die spectroskopische Untersuchung des Lichtes in der blauen Grotte auf Capri. Letztere erhält ihr Licht dadurch, dass die Lichtstrahlen von den Kalkfelsen des Meeresgrundes reflectirt und in die durch überhängende Felsmassen gebildete und gegen direkte Beleuchtung geschützte Grotte geworfen werden. 2) WvvILLE THoMmson, The depths of the Sea. London 1873, pag. 45. 3%) FALKENBERG, Die Meeres-Algen des Golfes von Neapel. (Mitth. d. zool. Stat. in Neapel. Bd. I. p. 220.) #) KJELLMANN, Vegetation hivernale des Algues ä Mosselbay, observ. pendant l’exp£dition sued. (Comptes rendus; Paris 1875. Tome 80). SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II. 12 176 Die Algen im weitesten Sinne. Klasse 1. Florideen. Die Florideen — ihrer meist deutlich rothen Färbung wegen (pag. 171) auch Rothtange oder Rhodospermeen genannt — sind ein- oder mehrjährige Wasser- pflanzen, deren überwiegende Mehrzahl Bewohner des Meeres sind. Ausserhalb | des Meeres werden sie in Europa nur durch die in Wasserläufen mit möglichst rapider Strömung gedeihenden Gattungen Bafrachospermum, Chantransia, Lemanea, Bangia und Hildenbrandtia vertreten. Der Thallus der Florideen!) zeigt sowol seiner äusseren Gliederung, als auch seiner anatomischen Structur nach einen grossen Reichthum an Formen, die sich aber bisher einer vergleichenden Betrachtung noch entziehen, da es an speciellen Untersuchungen, auf welche die Vergleichung sich stützen könnte, für viele Familien noch gänzlich fehlt. — In anatomischer Beziehung finden sich bei den Florideen alle Uebergänge vor von einreihigen Zellfäden (Bangia, Callitham- nion) und einschichtigen Zellflächen (FPorphyra) bis zu massigen Gewebecomplexen von verhältnissmässig complieirtem Bau. Wenn der Thallus vermittelst einer Scheitelzelle wächst, so tritt letztere meist so auf, dass ihre Segmentation durch annähernd parallele Wände bewerkstelligt wird (Ceramieen, Callithamnieen, Rhodomeleen, Delesseria, Plocamium, Nitophyllum, Caula- canthus, Gelidium). Seltener tritt die Scheitelzelle in zweischneidiger Form auf und es erfolgt ihre Segmentation durch regelmässig alternirende nach rechts und links geneigte Wände (Khizophyllis dentata, Cryptopleura lacerata, Rhodophyllis bifida). Eine dreiseitige Scheitelzelle, wie sie bei den Muscineen und Pteridophyten weit ver- breitet ist, scheint bei den Florideen nicht vorfukommen, wenn auch bei Gracdaria armata und Cystoclonium purpurascens neben scheinbar regelloser Segmentation der Scheitelzelle sich auch oft genug beobachten lässt, dass ihre Segmente in drei — allerdings meist unregelmässig verschobenen Längsreihen angelegt werden. — An die Stelle einer einzigen Scheitelzelle tritt bei dem flachen, kriechenden Thallus der Squamarieen und Melobesieen eine Reihe gleichwerthiger Initial- zellen, die den freien Rand des Thallus einnehmen. Und in ähnlicher Weise hängt bei dem cylindrischen Thallus der Corallineen und von Chylocladia das Längenwachsthum von Gruppen gleichwerthiger Initialen ab, welche auf dem Gipfel des Thallus gelegen sind. Bei den Nemalieen findet das Spitzenwachs- thum gleichfalls vermittelst zahlreicher Initialen statt: die einzelnen Zellreihen, deren Zellvermehrung von den Initialzellen ausgeht, besitzen hier aber eine grössere Selbständigkeit, wie bei den Corallineen und sind bereits im Vegetationspunkt völlig von einander isolirt, so dass ihr T'hallus als von zahlreichen hyphenartig ver- flochtenen Fäden mit Spitzenwachsthum zusammengesetzt betrachtet werden kann. In den Fällen, wo der Thallus vermittelst einer Scheitelzelle wächst, pflegt gewöhnlich das Gewebe des ganzen T'hallus aus den Segmenten einer und der- selben Scheitelzelle hervorzugehen. Neben dieser monopodialen Entwicklung des ) Kürzıng, Phycologia generalis oder Anatomie, Physiologie und Systemkunde der Tange, 1843. — NAEGELI, Die neueren Algensysteme und Versuch der Begründung eines eigenen Systems der Algen und Florideen, 1847. — JAC. GEORG AGARDH, Florideernes Morphologie (Act. Acad. Scient. Ilolmiens. Vol. XV. 1880 und Spec. genera et ordines algarum. Vol. III. pars 2). Klasse I. Florideen. 177 Thallus aber, die bei den Florideen bei weitem die häufigste ist, findet sich bei einigen wenigen Gattungen, nämlich bei Zlocamium, Monospora, Dasya!) und Dictyurus (Thuretia) ein sympodialer Aufbau des Thallus. Der letztere setzt sich hier zusammen aus einer unbegrenzten Reihe von Sprossen mit begrenztem Wachsthum. Die Spitze der einzelnen Sprosse wird von einem kräftig sich ent- wickelnden Seitenast zur Seite gedrängt, der an Stelle der verdrängten Spross- spitze die Verlängerung des Thallus übernimmt. Bei Plocamium ist es stets der letzte und oberste Seitenast eines Sprosses, welcher zur Bildung des Sympodiums herangezogen wird. Bei Dasya und Dictyurus hingegen ist es stets der erste unterste Seitenast, welcher der Verlängerung des Thallus dient, während die Spitze der successiven Sprosse nebst ihren jüngeren Aesten abwechselnd nach rechts und links zur Seite gebogen wird. Die verschiedenen Species der Gattung Dictyurus sind auch noch dadurch ausgezeichnet, dass die zur Seite gebogenen Sprossspitzen und ihre nicht in die Sympodienbildung hineingezogenen mono- siphonen Seitenäste nachträglich unter einander zu regelmässig maschigen Netzen verwachsen, die z. B. bei Dicfyurus purpurascens in Form eines ununterbrochenen, regelmässig aufsteigenden, flügelartigen Schraubenbandes die sympodiale Achse des Thallus umkreisen. i Das nachträgliche Verwachsen ursprünglich getrennter Thallusäste wiederholt sich auch in den Gattungen Cl/audea, Vanvoorstia und Haloplegma, deren Species ebenso wie die von Dictyurus sämmtlich Bewohner der südlichen Hemisphäre sind. Die Fortpflanzung kann bei den Florideen auf zweifache Weise vor sich gehen: einmal vermittelst ungeschlechtlicher Sporen, die gewöhnlich in Vierzahl auftretend als Tetrasporen bezeichnet werden, und zweitens durch geschlechtlich erzeugte Fortpflanzungszellen, die Carposporen. Den mütterlichen Organismus verlassen beide Formen von Fortpflanzungszellen als farbstoffreiche, vacuolen- freie, membranlose Plasmakörper die einer selbständigen Bewegungsfähigkeit fast immer vollständig ermangeln. Nur bei den Carposporen von Helminthora sowie bei Porphyra und Bangia ist beobachtet worden, dass die membranlosen Zellen unter beständiger Aenderung ihres Umrisses einer wenig ausgiebigen amöben- artigen Bewegung fähig sind, bis sie zur Ruhe kommend sich abrunden und mit Membran umkleiden. Gewöhnlich ist die Bildung der Tetrasporen und der Geschlechtsorgane auf verschiedene Individuen vertheilt. Manchmal entwickeln sich indessen auch an solchen Individuen, welche Geschlechtsorgane tragen gleichzeitig daneben Tetra- sporen wie dies bei Chylocladia kaliformis, Callithamnion corymbosum, Solieria chordalis, Spermothamnion roseolum, Polysiphonia variegata und fidrillosa beobachtet worden ist; aber eine derartige Vereinigung ist immer so selten, dass ihr Auf- treten als ein abnormes betrachtet werden kann. Andrerseits treten in der Familie der Nemalieen ungeschlechtliche Fortpflanzungszellen regelmässig an den- selben Individuen auf, welche auch Geschlechtsorgane entwickeln, aber unter Ver- hältnissen, die vom Typus der übrigen Florideen so abweichen, dass sie kaum den Tetrasporen der übrigen Florideen gleichwerthig sein dürften. (Vergl. unten pag. 189). Die normalen ungeschlechtlichen Sporen oder Tetrasporen, welche nur den Lemaneaceen und den Nemalieen gänzlich zu fehlen scheinen, werden wie ihr !) NAEGELI, Algensysteme, pag. 228. — NAEGELI, Ceramiaceen, (Monatsber. Münch. Akad. 12. Dez. 1861). — Knv, Ueb. Axillarknospen bei Florideen. 1873, pag. I;5. 12% en e ve BEER Tun 178 Die Algen im weitesten Sinne. Name andeutet gewöhnlich zu vieren in ihren Mutterzellen gebildet. Sie zeigen im ausgebildeten Zustand in ihren gegenseitigen Lagerungsverhältnissen Unter- schiede, welche auf die Zelltheilungsvorgänge bei ihrer Entstehung zurückzu- führen sind. Entweder werden die vier Zellen simultan ausgebildet und dann ent- sprechen sie in ihrer Lage den vier Ecken eines Tetraäders (Sporae triangule divisae, Fig. ı 1). Entstehen sie dagegen durch succedane Zweitheilung, so erscheint ihre Lage modificirt durch die Richtung, in welcher in der schon zweigetheilten Mutterzelle die folgenden Theilungs- wände auftreten. Wenn letztere pa- rallel zurersten Theilungswandstehen, so liegen die vier Tetrasporen in Form eines einreihigen Zellfadens übereinander (Sporae zonatıim divisae, Fig. ı I). Treten dagegen die bei- den sekundären Theilungswände senk- recht zur ersten auf, so erhalten die Tetrasporen die Form von Kugel- quadranten. In letzterem Falle pflegen die beiden sekundären Theilungswände nicht in eine Ebene zu fallen, sondern sind gewöhnlich gegen einander um go° gedreht (.Spo- rae cruciatim divisae, Fig. ı II). Nur in dem Verwandtschaftskreise der Ceramiaceen und zwar speciell unter den Formen, welche ehemals die g2, 497) ed Gattung Callithamnion in ihrem wei- Tetrasporen von: I Spermothamnion flabellatum ; testen Unlan darstellten in (160). — II Dudresnaya-Species von Mauritius (300). : ? 8 % ’ — III Gracilaria confervoides (300). — IV Bildung sich nicht selten Abweichungen von der Carposporen am Nucleus von Grac, confervoides.— der normalen Vierzahl der unge- V Brutknospe von Melobesia Callithamnioides mit zwei _ hlechtlie Klare dä Thallusanlagen (100). II,IV nach THURET u. BORNET, schlechtlieben ö OTIEEERSPOTE EN V nach SoLms-LAUBACH. dadurch herbeigeführt werden, dass die Sporenmutterzelle sich gar nicht oder nur einmal theilt, oder aber durch mehrfach wiederholte Theilungen mehr als vier Sporen erzeugt. In den ersten Fällen werden die so entstehenden Sporen von NAEGELIı als Haplosporen und Disporen, in letzterem Fall als Polysporen bezeichnet. Je nach dem anatomischen Bau des Thallus werden verschieden gelegene Zellen zur Erzeugung der Tetrasporen und ihrer eben erwähnten Vertreter herangezogen. Bei den monosiphonen Callithamnieen sind es die Scheitelzellen kurzer Seitenäste, welche als Mutterzellen der ungeschlechtlichen Sporen fungiren. Bei Florideen mit parenchymatischem Thallus erscheinen die Mutterzellen der Tetrasporen in verschiedener Weise angeordnet. Nur ausnahmsweise entwickelt der Thallus behufs der T’etrasporenbildung durch fortgesetztes Wachsthum seiner oberflächlichen Zellen polsterförmige Erhöhungen, ‘wie bei Zeyssonelia und noch weit ausgezeichneter bei Gymnogongrus, bei dem die radial angeordneten Zellen des Polsters zu ebensoviel Tetrasporenmutterzellen werden können. Gewöhnlich liegen aber die 'T’etrasporenmutterzellen nur in einer einzigen Schicht im Thallus und zwar meistens unmittelbar unterhalb einer äussersten sterilen Zellschicht. Hier können sie vereinzelt auftreten oder zu unregelmässig umschriebenen Gruppen r ER 202 42 Bi. a 7 AT a A y u en )- De te Ten Fe . A . ur 2; Klasse I. Florideen. 179 Sorus-artig vereinigt sein. Manchmal ist die Entwicklung der Tetrasporen auf besondere Thallus-Aeste beschränkt und alsdann erscheint der Habitus der Tetra- sporen erzeugenden Aeste gewöhnlich so verändert, dass dieselben mit dem besondern Namen der »Stichidien« belegt worden sind, wie bei zahlreichen Rhodomeleen und bei Zocamium. Das charakteristische Merkmal, das trotz aller äusserlichen Verschiedenheiten der Florideen für ihre engste systematische Zusammengehörigkeit entscheidet, liegt in dem Modus der Befruchtung und der Fruchtbildung, mit welchem nur der ähnliche Vorgang bei den Ascomyceten unter den chlorophylllosen Thallo- phyten verglichen werden kann. ; Die befruchtenden männlichen Geschlechtszellen der Florideen sind stets un- beweglich und werden als Spermatien bezeichnet. Durch das Wasser werden sie passiv zu den weiblichen Geschlechtsorganen — den Procarpien — getragen, an denen stets zwei wesentlich verschiedene Theile zu unterscheiden sind: ı. der Empfängnissapparat und 2. der Fruchtbildungsapparat oder das Carpogon. Den wesentlichen und gewöhnlich allein vorhandenen Theil des Empfängniss- apparates stellt die fadenförmig verlängerte Trichogyne dar, mit der die Spermatien verwachsen (Fig. 2 I II und IH t) und mit dessen Plasma nach Resorption der trennenden Mem- branen das Plasma des Sperma- tiums sich vereinigt. Diese Be- fruchtung der Trichogyne führt zu keiner Weiterentwicklung der Trichogyne, sondern veran- lasst nur das Carpogon zu einem Zellcomplex auszuwach- sen, dessen Zellen alle oder nur zum Theil je eine Fortpflanzungs- zelle — eine Carpospore — bilden. Bisweilen wird der Fruchtkör- per, in dem die Carposporen entstehen, von einer gleichfalls erst nach der Befruchtung sich entwickelnden Fruchthülle um- \ geben. Die Gesammtheit der Fig. 2. (B. 193.) nach der Befruchtung sich ent- Fruchtbildung von Chantransia corymbifera. Ip einzelliges wickelnden Fruchttheile, d. h. der Procarp im Moment der Befruchtung mit anhaftendem a arkanne . Spermatium an der Trichogyne, b Tragzelle des Procarps. Ener mitden Carposporen — II beginnende Verästelung aus dem untern Theile des und eventuell die Fruchthülle wird Procarps. — IIT— V weitere Entwicklungszustände mit zusammengefasst als Cystocarp. Bildung eines Büschels von Zellfäden. — VI der Reife ie} di id nahe Frucht, in deren Zellen sich je eine Carpospore Von der Irichogyne, dıe mit dem ntwickelt. Vergr. I—-V 400, VI 250mal (nach THURET). Befruchtungsact ihre Thätigkeit beendigt hat, ist in dem Cystocarp gewöhnlich keine Spur mehr zu erkennen, da sie bald, nachdem sie ihren Zweck erfüllt und die Wirkung der Befruchtung dem Carpogon übermittelt hat, abstirbt. Die Geschlechtsorgane finden sich bei der Mehrzahl der Florideen auf verschiedene Individuen vertheilt, so dass bei denjenigen Species, welche auch Tetrasporen besitzen, sich männliche, weibliche und ungeschlechtliche Individuen unterscheiden lassen. Bei einer Anzahl von Arten sind indessen männliche und weib- 180 Die Algen im’ weitesten Sinne. liche Geschlechtsorgane regelmässig auf derselben Pflanze vereinigt. Solche regel- mässig monöcische Florideen sind z.B. Zalymenia ligulata, Nemastoma marginifera, Gloeosiphonia capillaris. Naccaria hypnoides, Helminthora divaricata, Dudresnaya coccinea und purpurifera. Als nicht gerade seltene Ausnahmen finden sich auch bei normal diöcischen Florideen bisweilen beiderlei Geschlechtsorgane nebenein- ander auf demselben Thallus. Die männlichen Sexualzellen oder Spermatien der Florideen sind farb- lose runde oder eiförmige Zellen, die mit äusserst zarter Membran umgeben sind. Ihre Loslösung vom Thallus erfolgt durch- Vergallertung der Aussenschicht der Mutterzellmembran, so dass der ganze Plasmakörper der Mutterzelle als ein einziges Spermatium sich ablöst. Die Spermatienmutterzellen treten in mannig- facher Weise angeordnet am Thallus auf. Entweder stehen dieselben vereinzelt, wie dies der Fall ist bei Datrachospermum oder Dudresnaya an den dicho- oder trichotomisch verzweigten Aesten, welche wirtelig gestellt die Hauptachse umhüllen. Hier werden die Scheitelzellen der äussersten Verzweigungen der aus einer Zellreihe gebildeten Wirteläste zu eben so viel Spermatien-Mutterzellen (Fig. 3 Is). Wo der Thallus aus parenchymatischem Gewebe besteht, werden die Spermatien von meist unregel- zr, wässig umschriebenen Gruppen ober- flächlicher Zellen erzeugt, die in ihrer #0--5 Gesammtheit als Antheridien bezeich- net werden können (Delesseria, Mar- tensia, Halymenia, Peyssonnelia etc.). Gewöhnlich ragen dann dieSpermatien- erzeugenden Zellen als Sorus-artiges Polster ein wenig über die umgeben- den sterilen Theile der Thallusober- fläche hervor. (Fig.3 la). Regelmässig in Vertiefungen des Thallus eingesenkt und vom umgebenden Gewebe umwallt (B. 194.) Pe erscheinen die Antheridien von Co- I Längsschnitt durch den Rand eines Antheridium rallina und Gracilaria confervoides a von Khodymenia palmata (250).— I Längsschnitt : erh durch Antheridien a von Gracilaria confervoides (250). (Fig. 3 ID). In besonders charakteristi- — II Spermatienbildender Ast von Dudresnaya scher Gestalt erscheinen die Anthe- (400). — IV Blatt einer Polysphonia mit Antheri- ridien bei den Rhodomeleen, wo sie dium a (nach THURET). > ; H als metamorphosirte Theile der Blätter auftreten und bald keulenförmig gestaltet sind (Fig. 3 IVa), bald die Form blattartig flacher Scheiben zeigen. THURET, Recherches sur les antheridies des cryptogames (Ann. Sc. nat serie 3. Tome XV). — THURET, Recherches s. ]. anth. des algues (Ann. Sc. nat. serie 4. Tome I1.). Die weiblichen Geschlechtsorgane, die Procarpien, können zur Zeit ihrer Befruchtungsfähigkeit bereits einen mehr oder minder complicirten Bau besitzen, aber über dieses Stadium hinaus können sie ohne eintretende Befruchtung sich nicht weiter entwickeln. — Gewöhnlich besteht jedes Procarp aus einem Empfängnissapparat und einem Carpogon und diese beiden Theile können im einfachsten Falle nur Abschnitte einer und derselben Zelle sein, wie das bei den Nemalieen (Fig. 2) und Bangiaceen stets der Fall ist. Gewöhnlich ist aber das Procarp bereits mehrzellig, Empfängnissapparat und Carpogon werden durch beson- dere Zellen repräsentirt, und die befruchtende Wirkung des Spermatiums muss durch a Mi ” P Klasse I. Florideen. 181 g.schlossene Zellmembranen hindurch von der Trichogyne dem Carpogon über- mittelt werden. Bei mehrzelligen Procarpien tritt bisweilen eine Verdoppelung des einen oder des anderen Procarptheiles ein: so besitzt. das Procarp bei Callithamnion neben dem einfachen Empfängnissapparat zwei getrennte Carpo- gonzellen, (Fig. 4 II c c) während umgekehrt bei Ceramium das Pro- carp neben einer Carpogonzelle zwei Empfängnissaparate aufzu- weisen hat. Derjenige Theil des Empfäng- nissapparates, der bei allen Flori- deen ausnahmslos wiederkehrt, ist die Trichogyne, die ihren Namen ihrer meist haarförmig verlängerten Gestalt verdankt (Fig. 2, Fig. 4 II t), und bei oft sehr beträcht- licher Länge, zuweilen spiralig ein- gerollt ist (bei Dudresnaya Fig. 5 II). Bei den Nemalieen er- scheint sie häufig von kürzerer flaschenförmiger Gestalt, bei den (B. 195.) Bangiaceen endlich ist sie auf eine Callithamniorn corymbosum. 1. Erstes Auftreten des kurze Ausstülpung der einzigen Procarpes an einer vegetativen Thallus-Zelle. — Fig. 4. b ; .__ H Befruchtungsfähiges Procarp aus fünf Zellen gebil- Zelle reducirt, aus der das Procarp det, welche die Thalluszelle im Halbkreise umgeben. cc die beiden Carpogonzellen, dazwischen der Tri- chophorapparat, bestehend aus der Trichogyne t und zwei Trägerzellen. — HI—IV befruchtete Carpogone sich entwickelnd nach dem Schwinden des Trichophor- besteht. Auf der anderen Seite kann der Bau des Empfängniss- apparates dadurch complicirt wer- apparats. — V—VI abnorme Weiterentwickelung zur Bildung sogen. »Seirosporen«.. — VI Fast reifes Seirosporen-Cystocarp. den, dass die Trichogyne von einem Complex von Zellen begleitet und getragen wird, die weder bei der Befruchtung noch bei der Fruchtbildung direkt betheiligt sind (Fig. 4 II) und dieser ganze Zellkörper mit Einschluss der Trichogyne wird dann als Tricho- phorapparat des Procarps bezeichnet. Bei der Gattung Ceramium besitzt jedes 'Procarp zwei derartige Trichophorapparate, die zu beiden Seiten der einzigen Carpogonzelle stehen. Wo die Procarpien mehr oder weniger tief in dasZellgewebe eingesenkt sind, ver- mag die sich entwickelnde Trichogyne zwischen den oberflächlichen Zellen des Thallus in deren gallertigen Membranen sich einen Weg nach aussen zu bahnen, so dass schliesslich auch bei nicht oberflächlicher Lage des Procarps die Trichogyne doch frei über die Oberfläche des Thallus hervorragt. Während das Lumen der Tricho- gyne oft auf ein Minimum reducirt ist, erscheint die Membran derselben stets ausser- ordentlich gequollen und wird dadurch wol befähigt, an ihrer Oberfläche die vom Wasser angespülten, gleichfalls mit vergallerteter Membran bekleideten Spermatien- zellen zunächst festzuhalten. Spermatien und Trichogyne verwachsen dann fest mit einander und die ihre Plasmamassen von einander trennenden Theile der Membran werden soweit resorbirt, dass derInhalt des Spermatiums mit dem der Trichogyne sich vereinigen kann. Auch nach erfolgter Befruchtung bleibt die Form des befruch- tenden Spermatiums noch zu erkennen, indem seine Membran als knopfförmige 182 Die Algen im weitesten Sinne. Ausbuchtung an der Trichogyne zu erkennen ist, so lange die letztere erhalten bleibt. E Die charakteristische Eigenartigkeit der Florideenfruchtbildung spricht sich nun einmal darin aus, dass die befruchtete Trichogyne an der Bildung der Frucht vollständig unbetheiligt bleibt, die Fruchtbildung vielmehr lediglich von der Carpogonzelle des Procarps ausgeht. Und ferner wird auch die Carpogonzelle nicht unmittelbar zur Frucht, sondern es entwickelt sich zunächst nach der Be- fruchtung aus ihr ein meist vielzelliger Körper, der Nucleus, dessen Zellen sämmtlich oder nur zum Theil den eigentlichen Fortpflanzungszellen, den Carposporen den Ursprung geben. Diese Wirkung des Befruchtungsaktes ist stets dieselbe, gleich- viel ob Carpogon und Trichogyne nur differenzirte Theile derselben Zelle sind oder ob beide durch feste Membran geschieden als selbständige Zellen auftreten und die befruchtende Wirkung also von der Trichogyne aus durch die Membran hindurch der Carpogonzelle übermittelt werden muss. Während in der Form des Befruchtungsactes und in dem schliesslichen Resultat der Befruchtung, in der Erzeugung der Carposporen vollständige Uebereinstimmung zwischen allen Florideen besteht, ist der Gang, den die Entwicklung der carpogenen Zelle zur Erreichung dieses Zweckes einschlägt, bei verschiedenen Formen ein sehr verschiedener. Am einfachsten stellt er sich bei den Bangiaceen dar, die bei der Einzelligkeit ihres Procarps und bei dem geringen Grad der Ausbildung der Trichogyne an demselben die primitivste Form der Fruchtbildung zeigen. Der carpogene Theil des Procarps, neben dem die Trichogyne als schwache Ausstülpung auftritt, theilt sich nach der Befruchtung ohne an Volumen zuzu- nehmen in höchstens acht Zellen, deren Plasmakörper bei der Auflösung des Thallus als ebenso viele Carposporen frei werden. Bei allen übrigen Florideen, deren Fruchtentwicklung bisher untersucht worden ist, findet ausser dem Zelltheilungsprocess auch ein Wachsthum, eine Volumen- zunahme des Carpogones statt. Dieses Wachsthum tritt in zwei Modificationen auf, welche wesentliche Unterschiede in dem Habitus des Nucleus bedingen. Entweder zeigt nämlich das Carpogon localisirtes Wachsthum, indem es kurze Zelläste erzeugt, die sich durch Membranbildung gegen die Mutterzelle abgrenzen; indem diese Aeste ihrerseits in der gleichen Weise sich weiter entwickeln, ent- steht ein büschelförmiges Köpfchen von isolirten, verzweigten, nach allen Richtungen ausstrahlenden Zellfäden, zwischen denen der nach Abgrenzung der Hauptäste übrig bleibende Theil der Carpogonzelle als Centralzelle des Köpfchens meist erkennbar bleibt (vergl. die Fruchtentwicklung von Chantransia, Fig. 2). Oder aber das Carpogon nimmt nach allen Seiten gleichmässig an Volumen zu und wird — durch successive Scheidewände gefächert — allmählich in einen allseitig geschlossenen massiven Gewebekern verwandelt. (Vergl. Cadlithamnion, Fig. 4 HIIV und Dudresnaya, Fig. 5 VII). Gewöhnlich schliessen die beiden Modificationen der Nucleus-Form sich gegenseitig aus und nur an der Gattung Callithamnion ist das Auftreten beider Formen nebeneinander bei derselben Species beobachtet worden. Bei Callithamnion corymbosum entwickelt sich normal die Frucht derart, dass nach erfolgter Befruchtung der Trichophorapparat völlig zu Grunde geht und nur die beiden diametral am Thallus gegenüberstehenden Carpogon-Zellen des Procarps sich zu zwei ge- schlossenen Gewebekörpern entwickeln (Fig. 4 IH und IV), die schliesslich die Form der Dudres- naya-Frucht (Fig. 5 VIII) zeigen. Bisweilen fangen aber an einzelnen Individuen (Callith. corym- bosum var, seirospermum) nach den ersten Zelltheilungen in der Carpogonzelle die einzelnen Zellen an, astförmig auszuwachsen (Fig. 4 V VI) und sich zu büschelförmig verzweigten Köpfchen auszubilden. Klasse I. Florideen. \ 183 Während bei der überwiegenden Mehrzahl der auf ihre Befruchtungsverhält- nisse bereits untersuchten Florideen Carpogon und Empfängnissapparat in der- selben Procarpanlage vereinigt neben einander vorkommen, giebt es eine Anzahl von Florideen, bei denen Empfängnissapparat und Fruchtbildungsapparat von einander isolirt als selbständige Organe ausgebildet sind. Für die durch diese räumliche Trennung beider Theile hervorgerufene Complication des typischen Fruchtbildungsactes der Florideen mag Dudresnaya coccinea, bei der dieselbe zuerst beobachtet worden ist, als Beispiel dienen. Der Thallus von Dudresnaya besteht aus einem einreihigen Zellfaden, der wirtelig gestellte, verzweigte, gleichfalls monosiphone Aeste trägt. Einzelne Zweige von der Form des in Fig. 5 I dargestellten spitzen ihre Endzelle zu einer langen Trichogyne (Fig. 5 IIt) zu, während die darunter ge- legenen Zellen zu kurzen Aesten auswachsen (f). Nach erfolgter Befruchtung der Trichogyne entwickeln sich diese Aeste nicht zu einem Nucleus, wie man es nach Analogie anderer Florideen erwarten sollte, sondern die kurzen Aeste (f) die aus den Tragzellen Fig. 5. (B. 196.) der Trichogynehervorgehen, Dudresmaya coccinea. Fig. I junger Trichophorapparat. — wachsen zu langen mehr- II desgl., Trichogyne t,_Fadenapparat f im Beginn der Ent- > & ? wicklung. — II befruchteter Trichophorapparat mit Spermatien zelligen und bisweilen ver- „n der gewundenen Trichogyne, der Fadenapparat im Aus- zweigten Fäden aus, den wachsen begriften, der Faden f successive die Carpogonien VII, VI und V befruchtend. — IV Carpogon vor der Befruchtung, c carpogene Zelle (nach THURET). Befruchtungsschläuchen, welche zwischen den Wirtel- ästen des Thallus weiterwachsen und den befruchtenden Stoff den carpogenen Zellen übermitteln. Die carpogenen Zellen stehen terminal auf kurzen unver- zweigten Aesten (Fig. 5 IV c) von keulenförmiger Gestalt und unterscheiden sich durch die Grösse und ihre zartere Membran von den sterilen Zellen des Carpogonastes. Niemals findet an diesen Aesten die Entwicklung einer Trichogyne statt, sondern die carpogene Zelle wird dadurch zur Weiterentwicklung angeregt, dass der Befruchtungsschlauch mit ihr verwächst, und die Membran an der Be- rührungsstelle resorbirt wird. Derselbe Befruchtungsschlauch vermag dabei an der Spitze weiterzuwachsen und so nach und nach eine ganze Reihe von Carpo- sonzellen zu befruchten (Fig. 5s VII VI V), die dann zu einem geschlossenen Gewebekern auswachsen (Fig. 5 VIII). In Folge der Isolirung der beiden Procarp- theile, des Trichophorapparates und des Carpogons, auf gesonderte Aeste kann eine Weiterentwicklung der carpogenen Zelle selbstverständlich nach der Be- fruchtung der Trichogyne nicht sofort stattfinden, und der Befruchtungsact erscheint somit bei Dudresnaya in zwei Theile zerlegt: r. die Befruchtung der Trichogyne 184 Die Algen im weitesten Sinne. durch Spermatien. 2. Die Befruchtung der carpogenen Zellen durch die aus den Trichophorzellen sich entwickelnden Befruchtungsschläuche. Das Verhältniss, dass die beiden im typischen Florideenprocarp vereinigten Theile, der Empfängnissapparat und der Fruchtbildungsapparat gesondert auf- treten und demgemäss der Befruchtungsakt ein complicirterer wird, beschränkt sich nicht auf Dudresnaya allein. Schon BORNET und THURET, denen man die Entdeckung auch der eigenthümlichen Dudresnaya-Befruchtung verdankt, haben den gleichen Befruchtungsmodus für Zolyides rotundus beschrieben, und derselbe Vorgang wiederholt sich nach BERTHOLD!) bei Zalymenia Floresia und ulvoidea, Nemastoma dichotoma und cervicornis, Grateloupia Consentinüi, fllicina und dichotoma und nach ScHaiTz in ähnlicher Weise bei den Squamarieen. Nach SOoLMS-LAUBACH schiebt sich zwischen diese letztere Art der Be- fruchtung und die typische Florideenbefruchtung die von THURET beschriebene Befruchtung der Corallineen als ein Uebergangsglied ein, welches die beiden scheinbar unvermittelt gegenüberstehenden Typen der Procarpausbildung in glück- lichster Weise mit einander vermittelt. Bei Corallina finden sich die aus Carpo- gonzelle und Empfängnissapparat zusammengesetzten Procarpien in grosser An- zahl zu einem Diskus zusammengedrängt. Aber obwol die sämmtlichen Pro- carpien denselben Bau zeigen, sind sie in ihren Leistungen doch wesentlich verschieden. Carposporen werden nämlich nur von den am Rande der Scheibe stehenden Procarpien entwickelt, deren Empfängnissapparat zwar im Uebrigen den gleichen Bau zeigen wie die centralen Procarpien, deren Trichogynen aber immer nur rudimentär entwickelt sind, so dass wol nur ausnahmsweise eine Be- fruchtung derselben stattfinden kann. Umgekehrt sind die centralen Procarpien, an denen die Befruchtung vollzogen wird, immer unfähig, aus ihrer Carpogon- zelle einen Nucleus und Carposporen zu erzeugen. Die Uebertragung der be- fruchtenden Wirkung von den befruchteten centralen. Procarpien zu den carpo- sporenbildenden Procarpien des Diskusrandes erfolgt unter Verschmelzung aller Carpogonzellen zu einer flachen scheibenförmigen Zellfusion, die auf ihrer oberen Fläche die Empfängnissapparate der sämmtlichen Procarpien des Diskus trägt, während nur an den peripherischen Carpogonzellen die Carposporenbildung eintritt. Es haben bei Corallina alle Procarpien noch im Wesentlichen den Bau der typischen Florideenprocarpien, indem die beiden Organe für Befruchtung und Fruchtbildung nebeneinander in denselben vorhanden sind: aber die randständigen Procarpien haben unter Abort der Trichogyne nur die Function, welche bei Dudresnaya die isolirten Carpogone besitzen, während die centralen Procarpien umgekehrt die Rolle der Trichophorapparate von Dxdresnaya übernehmen. Die carpogenen Zellen der centralen Procarpien — unfähig, zur Frucht auszuwachsen — tibernehmen die Rolle, welche bei der Befruchtung von Dudresnaya die Trichophorzellen spielen; mit dem einzigen Unterschied, dass sie nicht zu Be- fruchtungsschläuchen auszuwachsen brauchen, sondern direkt mit einander ver- schmelzen können, da sie sich schon vorher unmittelbar berühren. Die Befruch- tung der Corallineen stellt somit die Verbindung mit dem scheinbar so ab- weichenden Befruchtungsmodus von Dudresnaya insofern her, als die Eigenthüm- lichkeit der Dudresnaya-Befruchtung durch die noch weiter gesteigerte Differenz bedingt wird, welche zwischen den empfängnissfähigen Procarpien und den ') Nach brieflicher Mittheilung, deren Benutzung gütigst gestattet wurde. Klasse I. Florideen. 185 fruchtbildenden Procarpien besteht, und die hier nicht nur in ihrer Function, sondern auch in dem verschiedenen Bau zum Ausdruck gebracht wird. BORNET et THURET, Recherches sur la f&condation des Floridees. (Ann. des sciences natur. ser. 5. Tome VII. 1867.) — Sorns-LAUBACH, Fruchtentwickelung von Batrachospermum. Bot. Zeit. 1867. pag. 161. — BORNET et THURET, Notes Algologiques. Paris 1876. — JANCZEWSKI, Ike developpement des cystocarpes dans les Floridees. (Mem. d. 1. Soc. des Sc. nat. de Cherbourg. Tome XX. 1876.) -— Tiurer, Etudes phycologiques. Paris 1878. — SCHMITZ, Ueber Frucht- bildung der Squamarieen. (Sitzber. d. Niederrhein. Ges. f. Nat.- u. Heilkunde zu Bonn, 4. Aug. 1879.) — BERTHOLD, Zur Kenntn. d. Bangiaceen. (Mittheil. d. Zool. Station zu Neapel. Bd. II. 1880.) — Sorms-Lausacn, Die in Neapels Umgebung bis jetzt beobachteten Corallineenformen und ihre Befruchtung. (Fauna und Flora des Golfes von Neapel, hrsg. von der Zool. Station. Heft IV. 1881.) Die Anlage des Nucleus aus der sich entwickelnden carpogenen Zelle ist schon oben in ihren beiden äusserlich verschiedenen Formen als geschlossener Gewebe-Körper oder als lockerverzweigtes Köpfchen kurz geschildert worden. In ihrer weiteren Ausbildung verhalten sich beide Arten des Nucleus völlig über- einstimmend: in beiden Fällen erfolgt die Vermehrung seiner Zellen in centri- fugaler Richtung, so dass immer die äussersten Zellen die jüngsten sind. Um- gekehrt schreitet der Entwicklungsprocess, durch welchen in dem Nucleus die Carposporen angelegt werden, centripetal von aussen nach innen fort. (Fig. ı IV, pag. 178.) In der Gattung Zolyides erzeugen nur die oberflächlichen Zellen des Nucleus Carposporen, während die ganze innere Gewebemasse unverändert bleibt. Dieser steril bleibende Theil des Nucleus, der in systematischen Werken als »Placenta« bezeichnet wird, wird in seiner Ausdehnung um so mehr eingeschränkt, je tiefer die Umbildung der Nucleuszellen zu Carposporen-Mutterzellen in das Innere des Nucleus fortschreitet. Bei den Nemalieen und Ceramiaceen fungiren alle Zellen des Nucleus als Carposporen-Mutterzellen, so dass eine Placenta diesen Cystocarpien ganz fehlt oder auf vereinzelte Zellen eingeschränkt wird. Zwischen dem letzteren Extrem einerseits und dem entgegengesetzten Extrem, wie es bei Polyides ausgebildet ist, finden sich alle Uebergänge bei den Florideen vertreten. Bei der Umbildung der Nucleus-Zellen in Carposporen-Mutterzellen nehmen die Zellen an Volumen bedeutend zu und füllen sich reichlich mit Farbstoff. In diesem Entwicklungsstadium lässt sich beobachten, dass auch da, wo der Nucleus ursprünglich einen massiven Gewebekern darstellte, die äusseren, Carposporen- bildenden Gewebepartien ihren festen Gewebeverband vielfach aufgeben und sich in radial verlaufende Zellreihen auflösen. (vergl. Fig. ı IV, pag. 178.) Bei dem gegenwärtigen Bestreben, die ehemals für alle möglichen Formen cryptogamischer Fortpflanzungszellen gebräuchliche Bezeichnung » Sporen « auf bestimmte ungeschlechtliche Fort- pflanzungszellen einzuschränken, bedarf die Benennung der in Folge dieses Befruchtungsactes sich entwickelnden Fortflanzungszellen als » Carposporen« einer Motivirung. Da dieselbe aber erst auf Grund der Deutung des ganzen Florideen-Fruchtbildungsprocesses, wie sie im Anschluss an die Coleochaeteen gegeben werden soll, möglich ist, so genüge hier die Andeutung, dass die Carposporen ja gewissermassen ungeschlechtlich in dem nach dem Befruchtungsprocess ent- wickelten Nucleus erzeugt werden und dass man auch die Fortpflanzungszellen der eigentlichen Algen, welche sich in den geschlechtlich erzeugten Zygoten bilden, bedingungslos als Sporen bezeichnet. Auf einen für viele Florideen wesentlichen Theil der Frucht ist oben noch keine Rücksicht genommen worden, indem vorausgesetzt wurde, dass der Nucleus stets ohne Hülle auftritt, wie das allerdings bei Chantransia, Callithamnion, 186 Die Algen im weitesten Sinne. Dudresnaya und bei zahlreichen andern Florideen der Fall ist. Aber ebenso häufig kommt noch zur Vervollständigung des Cystocarpes eine mehr oder weniger geschlossene Hülle hinzu, welche den Nucleus, resp. die Placenta und die Carpo- sporen umgiebt. Im einfachsten Falle besteht diese Hülle aus einer Anzahl kurzer isolirter monosiphoner Aeste, welche sich aus den das Procarp tragenden vegetativen Zellen entwickeln. Unter dieser Form tritt die Hülle bei den meisten Nemalieen auf. In anderen Fällen verbinden sich die entstehenden Hüllzweige seitlich mit einander zu einer mehr oder weniger vollständig geschlossenen Hülle, welche den Nucleus umgiebt, wie bei Scinaia oder bei Zejolisia. Oder es kann endlich vor- kommen, dass die Fruchthülle bereits in ihrer ersten Anlage als solide Gewebe- masse unter der Form eines Ringwalls auftritt, wie bei den Rhodomeleen (pag. 192). Unterschiede in der Bildung der Fruchthülle zeigen sich auch in Bezug auf die Zeit ihrer Anlegung: bei den meisten Nemalieen und Scinaia wird ihre Entwicklung erst durch die Befruchtung angeregt. Bei Batrachospermum werden dagegen die Hüllzweige der Frucht bereits vor der Befruchtung angelegt, und ebenso ist bei den Rhodomeleen das Pericarp bereits vor der Befruchtung verhältnissmässig weit entwickelt. Die reifen Carposporen sowol wie auch die Tetrasporen der Florideen scheinen eines Stadiums der Ruhe nicht zu bedürfen, da mehrfach die Beobachtung ge- macht worden ist, dass sie noch innerhalb des mütterlichen Organismus zu keimen vermögen. Da indessen viele Florideen nur während einer kurzen aber be- stimmten Zeit des Jahres gefunden werden, muss man nethwendigerweise eine äusserst langsame Entwicklung des Keimlings während seiner ersten Jugendstadien annehmen. Da bisher die marinen Florideen allen systematisch angestellten Culturver- suchen getrotzt haben, ist es bisher nicht gelungen, die Beziehungen zwischen den geschlechtslosen und geschlechtlichen Individuen zweifellos klar zu legen. Am einfachsten würde man sich dieselben mit einander verbunden vorstellen können durch einen Generationswechsel, der unter der Form eines regelmässigen Alternirens geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Individuen auftritt. Allein das überwiegende Vorkommen von Tetrasporen-Exemplaren bei relativer Selten- heit der Cystocarpien-Exemplare möchte dafür sprechen, dass Geschlechtspflanzen erst nach einer längeren Reihe von ungeschlechtlichen Generationen erzeugt werden. Bei der allgemein auftretenden grösseren Häufigkeit von Tetrasporen-Pflanzen ist es um so auffallender, unter den Florideen einigen Familien zu begegnen, bei denen Tetrasporen überhaupt nicht bekannt sind und ihr Vorhandensein nach- gerade unwahrscheinlich zu werden anfängt. In den Lemaneaceen und Nemalieen würden wir damit zwei Florideenfamilien besitzen, bei denen ein Generations- wechsel ausgeschlossen ist (vgl. pag. 188, 189). Neben der allgemein vorhandenen geschlechtlichen Fortpflanzung durch Car- posporen und der ungeschlechtlichen durch Tetrasporen ist die Vermehrung der Florideen durch Brutknospen von bestimmter Form eine ausserordentlich seltene Erscheinung. Vielleicht hat man in der Gattung Monospora eine Brutknospen- bildung, denn neben Tetrasporen giebt es hier kurze zweizellige Aeste, deren obere Zelle den Reichthum an Farbstoff und den Vacuolenmangel zeigt, wie ihn die Fortpflanzungszellen der Florideen besitzen. Dass es sich weder um eine Carpospore noch ein modificirtes Tetrasporangium handelt, geht daraus hervor, Klasse I. Florideen. 187 dass diese Endzelle mit ihrer Membranhülle abgestossen wird um bald zu keimen. Die einzig sicher beobachtete Bildung einer individualisirten Brutknospe ver- dankt man SorLms-LAUBAacH, der bei Melobesia callithamnioides solche in fächer- förmiger Gestalt beobachtet hat (vgl. pag. 178, Fig. ı V). BORNET et THURET, Notes algologiques, Planche VII. pag. 21. Monospora. — SOLMS- LAUBACH, Corallina. 1. c. pag. 59. Eine befriedigende systematische Anordnung der Florideen, welche in gleicher Weise dem Bau und der Entwicklungsgeschichte der vegetativen Theile des Thallus und den mannigfachen Verhältnissen der Procarp- und Frucht-Bildung Rechnung trüge, ist bis jetzt unmöglich, da man von vielen Abtheilungen bisher noch kaum mehr als den Habitus und die gröbsten Umrisse der Anatomie der ausgewachsenen Pflanzen kennt. Unter diesen Verhältnissen sollen im Folgenden . nur einige Gruppen erwähnt werden, die — besser bekannt — sich als zweifellos natürlich herausgestellt haben oder die sonst ein besonderes Interesse bieten. Bangiaceen. Der Thallus der einjährigen monöcischen oder diöcischen Pflanzen besteht aus einem unverzweigten einreihigen Zellfaden (Dangia) oder einer einschichtigen Zellplatte von unregelmässigem Umriss (ZPorphyra); ihr Wachsthum ist intercalar. Wie die Bangiaceen in den vegetativen Theilen des Thallus den niedrigsten Entwicklungsgrad unter den Florideen bezeichnen, so zeigt auch die von BERTHOLD entdeckte geschlechtliche Fortpflanzung den Be- fruchtungsprozess der Florideen und die Ausbildung des Procarps in der denk- bar einfachsten Form. Die Spermatien werden dadurch gebildet, dass in den bisherigen vegetativen Zellen des Thallus unter allmählicher Entfärbung eine wiederholte Zweitheilung eintritt. Durch diese successiven Theilungen, die anfangs in ihrer Richtung sich regelmässig kreuzen, später aber unregelmässig werden, verwandeln sich die vege- tativen Zellen in Complexe zahlreicher kleiner farbloser Spermatien, die durch Auflösung der Mutterzellen frei werden. Die Procarpien unterscheiden sich von vegetativen Zellen nur dadurch, dass sie eine kurze seitliche Vorstülpung bilden, die einzige Andeutung einer Trichogyne. Bei /orphyra, deren Procarpien nach beiden Seitenflächen des Thallus hin eine Trichogyne entwickeln, verändert der carpogene Theil des Procarps weder seine Form noch seine Grösse nach der Befruchtung: er verwandelt sich durch auf einander etwa senkrecht gestellte Zellwände in einen achtzelligen Nucleus. Der bisher einschichtige Thallus wird dadurch an den Stellen, wo Procarpien lagen, zweischichtig und zeigt in jeder der beiden Schichten vier Zellen. Aus den Carposporen gehen kleine kugelige Dauerpflänzchen hervor, deren weiteres Schicksal noch unbekannt ist. In ihrem entwickeltsten Zustand, soweit derselbe bekannt ist, bestehen sie aus einem wenigzelligen Körper, der die Form und Grösse der ursprünglichen Carposporen beibehalten hat, aber durch dicke Membranen ausgezeichnet ist. Von dem Zellkörper gehen dünne, mehrzellige und verzweigte hyphenartige Fäden aus. Neben den Carposporen der Bangia- ceen, die bisher — bei Zorphyra als Octosporen bezeichnet — als ungeschlecht- liche Fortpflanzungszellen betrachtet wurden, treten ungeschlechtliche Sporen bei den Bangiaceen entweder auf den Geschlechtspflanzen oder auf besonderen In- dividuen auf. Die Teetrasporen sind heller und etwas grösser als die Carposporen und bei ihrer Bildung bleibt der Zorphyra-Thallus einschichtig, da die Theilungen nur senkrecht zur Thallusfläche erfolgen. Diese Sporen wachsen im Gegensatz zu den Carposporen unmittelbar zu neuen Pflänzchen aus. JANCZEWSKI, Etudes anatomiques sur les Porphyra. (Ann. d. Sc. nat. Botan. Ser. 5, 188 Die Algen im weitesten Sinne. Tome XVH, 1872.) — REINKE, Ueb. die Geschlechtspflanzen von Bangia fusco-urpurea, (PRINGSHEIM’s Jahrb. f. wiss. Botanik. Bd. XL, 1878.) — BERTHOLD, Zur Kenntniss der Bangia- ceen. (Mitth. d. zool. Station zu Neapel. Band II.) — THURET, Porphyra laciniata (in »Etudes phycologiques. «) Ceramiaceen. In der Familie der Ceramiaceen lassen-sich zwei grössere Kreise von Gattungen unterscheiden, von denen sich der eine um die Gattung Callithamnion, der andere um die Gattung Ceramium gruppirt. — Der Thallus der Callithamnieen besteht aus einreihigen Zellfäden, die meist vielfach und sehr regelmässig verzweigt sind. Häufig, wenn auch oft nur an der Basis der Pflanze, tritt eine Berindung dadurch ein, dass hyphenartige Fäden, welche aus der Basal- zelle der Seitenäste entspringen, dem Hauptspross fest angeschmiegt abwärts wachsen. — Die Teetrasporen entstehen aus den Endzellen meist bestimmter Zweige. An ihrer Stelle erzeugt die Mutterzelle bisweilen nur zwei Sporen, häufig acht oder mehr Sporen (vgl. pag. 178). — Die Mutterzellen der Spermatien erscheinen zu Antheridien gruppirt am oberen Ende gewisser vegetativer Zellen. Bald hat ein Antheridium die Form eines kleinen reich verzweigten Seitenästchens, bald erscheint es bei verkürzter Achse zu einem flachen sitzenden Polster reducirt. In Betreff der Procarpstructur sei auf die Erklärung von Fig. 4, pag. 181, verwiesen. Bei den Ceramieen entsteht am oberen Ende jeder vegetativen Zelle des fadenförmigen Thallus ein Kranz von peripherischen Zellen, welche die Stelle überkleiden, an welcher zwei benachbarte Fadenzellen aneinander grenzen. In- dem diese peripherischen Zellen zu kurzen dichtvereinigten, dem Hauptstamme festangeschmiegten Aesten auswachsen, bekleiden sie die Gelenke des Thallus mit einer kleinzelligen Rindenzone. Bisweilen bleiben die Rindenzonen isolirt und lassen zwischen sich den primären Zellfaden des Stammes oft auf weite Strecken hin frei; in anderen Fällen verschmelzen die successiven Gewebezonen mit einander und bilden so eine ununterbrochene Berindungsschicht. Auf der Aussenfläche der Berindungsschicht entwickeln sich die Mutterzellen der Sper- matien, die oft grosse Abschnitte des Thallus als gleichmässige Schicht über- kleiden. Das Procarp der Ceramieen, bestehend aus einer Carpogonzelle und zwei seitlichen Trichophorapparaten, geht aus der ältesten Zelle des Kranzes hervor, aus dessen übrigen Zellen die Berindungszone sich entwickelt. NAEGELI und CRAMER, Pflanzenphysiolog. Untersuchungen, Heft I und Heft IV. — CRAMER, Physiol. systemat. Unters. üb. d. Ceramiaceen. I. (Neue Denkschriften. Schweiz. Gesellsch. Bd. XX., Zürich 1864.) — NAEGELI, Beitr. zur Morphologie und Systematik der Ceramiaceae (Sitzungsber. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 1861. vol. I.) — JanczEwsKı, Cystocarp, 1. c. Lemaneaceen. Der dunkel olivengrüne bis schwarzviolette Thallus der im süssen Wasser lebenden Lemaneaceen besteht aus zwei habituell sehr ver- schiedenen Theilen, die sich ähnlich zu einander verhalten, wie das Protonema der Laubmoose zu dem die Geschlechtsorgane entwickelnden Spross. Aus ihren Carposporen gehen monosiphone Zellfäden oder einschichtige, kriechende Zell- platten hervor, an denen sich einzeln oder zu mehreren seitliche Aeste von sehr abweichendem und complicirtem Bau entwickeln, die Träger der Geschlechts- organe. Diese heteromorphen Aeste entwickeln an ihrer Basis Wurzelhaare und werden selbständig, wenn der kurzlebige Vorkeiın abstirbt. Die einfachen oder verzweigten fertilen Aeste, die in kurzen Abständen gelenkartig angeschwollen sind, bestehen anfangs aus einem soliden cylindrischen Gewebekörper, in welchem die äusseren (Rinden-) Schichten durch radiale Streckung der darunter gelegenen Zellen von der centralen Zellreihe abgehoben werden, so dass die letztere Klasse I. Florideen. 189 schliesslich zum grössten Theile frei als axiler Zellfaden den gallerterfüllten Hohl- raum durchläuft und jede ihrer langgestreckten Zellen nur durch einen Wirtel von radial-verlängerten Zellen mit den abgehobenen Rindenschichten im Zu- sammenhang steht. Die Ansatzstellen der wirtelig gestellten Zellen an die cen- trale Zellreihe liegen in der Mitte zwischen je zweien der gelenkförmigen An- schwellungen des Thallusastes. Die oberflächlichen Zellen der gelenkförmigen Anschwellungen erzeugen die Spermatien, deren Mutterzellen bald zu isolirten rundlichen oder unregelmässig zusammenfliessenden Gruppen vereinigt sind, bald in Form einer geschlossenen ringförmigen Zone ununterbrochen die Anschwellungen bekleiden. Die Procarpien entstehen im Innern des 'Thallus auf der Spitze der radial gestreckten Zellen oder aus den innersten Zellen der Rindenschicht, zwischen deren Zellen die sich entwickelnde Trichogyne sich ihren Weg bahnt. Hat die Befruchtung an der über die Thallusoberfläche hervortretenden Trichogyne stattgefunden, so entwickelt sich aus der Carpogonzelle der sehr lockere Nucleus, der in den freien Raum zwischen der Rinde und der axilen Zellreihe hineinragt. Aus den keimenden Carposporen geht sofort die vorkeimartige Thallusform hervor, die mit der Aus- bildung von heteromorphen fructiicirenden Aesten ihren Abschluss findet. Die Tetrasporen der übrigen Florideen oder andere ungeschlechtliche Fort- pflanzungszellen fehlen den Lemaneaceen vollständig und damit auch die Möglich- keit des Generationswechsels: Die Geschlechtspflanze erzeugt sofort wieder Ge- schlechtspflanzen. WARTMANN: Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Algengattung Lemanea, 1854. — SIRODOT, Etude sur la famille des Lemandacees. (Ann. des Sc. nat. ser. 5. Tome XV.) Nemalieen. Unter den Nemalieen zeigt die im süssen Wasser lebende Gattung Dafrachospermum ähnliche Verhältnisse wie die Lemaneaceen insofern als hier gleichfalls ein vegetativer Sprosswechsel auftritt und die Geschlechtsorgane an heteromorphen Aesten sich entwickeln, welche später selbständig werden. Die dem Protonema der Lemaneaceen entsprechenden, unverzweigten, monosi- phonen Thallusabschnitte von Dafrachospermum sollen identisch sein mit bisher als selbständig betrachteten Florideen, die für Species der Gattung Chantransia gehalten werden. Wenn dem so ist, so würde sich das Protonema von Batracho- spermum von dem der Lemaneaceen dadurch unterscheiden, dass es die Fähig- keit besitzt, längere oder kürzere Zeit hindurch. sich selbständig durch unge- schlechtliche Sporen fortzupflanzen. Früher oder später entwickeln sich einzelne Aeste der Chantransia-artigen Thallusform in abweichender Weise: wirtelig ver- zweigt und die axile Zellreihe von der Basis der Wirteläste aus berindet, stellt er die Antheridien und Cystocarpien bildenden Theile des Thallus dar, auf den allein früher der Name Bafrachospermum beschränkt wurde. Aus den Carpo- sporen von Dafrachospermum geht zunächst wieder ein Chanfransia-artiger Vor- keim hervor. Der Wechsel zwischen ungeschlechtlich sich fortpflanzenden Ent- wicklungszuständen von Dafrachospermum und solchen mit geschlechtlicher Fort- pflanzung, darf nicht als Generationswechsel bezeichnet werden, sondern ent- spricht vollständig dem vegetativen Sprosswechsel der Lemaneaceen. Denn sowohl die Entwicklungsformen, welche ungeschlechtliche Fortpflanzungszellen produciren, als auch diejenigen mit geschlechtlichen Fortpflanzungsorganen sind auch bei Batrachospermum nur Theile eines und desselben Thallus. — Der habituelle Unter- schied zwischen den Thallusästen, je nachem sie geschlechtliche oder ungeschlecht- liche Fortpflanzungszellen erzeugen, wie er für Batrachospermum charakteristisch ist, 190 Die Algen im weitesten Sinne. fällt bei anderen Nemalieen fort; so bei der marinen Chantransia corymbifera und der Chantransia (Balbiania) investiens des süssen Wassers, die bei unverändertem Habitus anfangs ungeschlechtliche Sporen ausbildet, später Geschlechtsorgane entwickelt (vgl. die Fruchtbildung, pag. 179, Fig. 2). Neben diesen beiden Chantransia-Species giebt es eine Reihe mariner Chantransien (Ch. efflorescens, luxurians, velutina), von denen man nur unge- schlechtliche Fortpflanzung kennt. Aber auch bei diesen letzteren treten die ungeschlechtlichen Fortpflanzungszellen nicht wie bei den anderen Florideen unter der Form von Tetrasporen auf, deren Bildung in dem ganzen Verwandtschafts- kreise der Nemalieen zu fehlen scheint. Ausser den genannten Formen giebt es eine Reihe von Nemalieen, bei denen man nur die geschlechtliche Fortpflanzung kennt (Zelminthora, Helminthocladia, Nemalion, Liagora, Scinaia), die in dem Bau ihres Procarps vollständig mit Chantransia corymbifera und Batrachospermum übereinstimmen und mit Ausschluss der letztgenannten Gattung auch im Bau ihres Thallus an die Fruchtäste von Bafrachospermum erinnern. Nur wird bei ihnen die eine axile Zellreihe von Bafrachospermum durch einen aus zahlreichen verschlungenen Zellfäden gebildeten Strang‘ ersetzt, der von radial ausstrahlenden kurzen mehrfach dichotom verzweigten Seitenästen bekleidet wird. Es wäre nicht unmöglich, dass weitere Untersuchungen zwischen den zuletzt genannten Gattungen mit geschlechtlicher Fortpflanzung und jenen nur ungeschlechtlich sich vermehren- den Chantransia-Formen einen ähnlichen Zusammenhang constatirten, wie SIRODOT ihn zwischen den geschlechtlichen Aesten von Batrachospermum und den unge- schlechtlichen Chantransia-artigen Vorkeimen annimmt. SOLMS-LAUBACH, Ueb. d. Fruchtentwicklung von Batrachospermum. (Bot. Zeit. 1867.) — SIRODOT, Öbservations s. 1. devel. des algues d’eau douce compos. le genre Batrachospermum. (Bull. de la Soc. Bot. de France. Tome XXII. 1875.) — SıropoT, Le Balbiania investiens. (Ann. des Sc. nat. ser 6. Tome III.) Corallineen. Der Thallus der Corallineen ist allen anderen Florideen gegenüber habituell dadurch auf’s schärfste gekennzeichnet, dass den Zellmem- branen kohlensaurer Kalk so reichlich eingelagert ist, dass der ganze Thallus dadurch steinharte Beschaffenheit annimmt. Nur die der Fortpflanzung dienenden Zellen, resp. Organe sind von dem Verkalkungs-Prozess ausgeschlossen. Bei den Melobesieen ist der flache, dem Substrat mehr oder weniger fest angeschmiegte Thallus in seiner Jugend regelmässig kreisförmig. Er besitzt ein Wachsthum ver- mittelst gleichwerthiger Initialzellen, welche dem ganzen Rand des Thallus ein- nehmen und durch perikline und radiale Wände gefächert werden. Später wird der Thallusumriss mehr oder weniger unregelmässig, indem einzelne Theile des Randes früher oder später ihre Weiterentwicklung einstellen und der Zuwachs sich unregelmässig auf einzelne Theile des freien Randes lokalisirt. ' Bisweilen kann auch das scheibenförmige Zusammenschliessen der radialen Zellreihen im T'hallus aufgegeben werden und der Thallus aus isolirten Fäden gebildet werden (vergl. pag. 178, Fig. ı V, Melobesia callithamnioides). Das Gewebe des aus-. gewachsenen Thallus besteht aus einer oder mehreren Schichten von Zellen; den Zellen der obersten Schicht liegt je eine Zelle, die sogenannte Rinden- oder Deckzelle schräg auf und da diese Deckzellen oft nur einen Theil der darunter liegenden Thalluszelle bedecken so schliessen sie nicht zu einer continuirlichen Schicht zusammen, sondern liegen isolirt dem vorderen.Ende der einzelnen Zellen auf (vergl. die cit. Figur pag. 178). — Während bei Meobesia und Zithop hyllum das Dickenwachsthum äusserst beschränkt ist, wird dasselbe bei Zifhothamnion Klasse I. Florideen. 191 viel ausgiebiger und führt dahin, dass die oberflächlich angelegten Conceptacula mit Fortpflanzungsorganen allmählich durch das Dickenwachsthum des um- gebenden Thallusgewebes überwallt werden. So entstehen nach und nach durch das Dickenwachsthum stumpfe Höcker, welche beim Zerbrechen die Reste über- wallter Conceptacula aus früheren Vegetationsperioden als Gewebelücken erkennen lassen. Manche Corallineen (Corallina mediterranea) besitzen gleichfalls einen Melobesia-artig flachen basalen Thallustheil, von dem erst die Entwicklung frucht- tragender Sprosse ausgeht; und die letzteren erreichen hier solche Dimensionen, dass dagegen die basale Thallusscheibe völlig in den Hintergrund tritt und ihre Bedeutung auf die eines Haftorganes reducirt erscheint. Bei anderen Corallina- Arten (C. sguamata, virgata) endlich unterbleibt die Bildung der flachen Basal- theile vollständig und der ganze Thallus beschränkt sich auf die Ausbildung eines den Fruchtsprossen von Corallina mediterranea homologen Sprosses. Die aufrechten Fruchtsprosse von Corallina, Amphiroa und ihren nächsten Verwandten sind reich zweizeilig verzweigt und dadurch, dass die Verkalkung der Mem- branen zonenweise unterbleibt, werden sie gelenkartig gegliedert. Die Conceptacula, welche Tetrasporen, Antheridien oder Procarpien enthalten, concentriren sich bei den flach kriechenden Formen auf einzelne massiger ent- wickelte Stellen des Thallus, die sich als stumpfwarzenförmige oder kegelförmige Erhöhungen über die sterilen Thallustheile erheben. Bei Corallina entstehen die Conceptacula aus den Spitzen der Thallusäste, während sie bei Amphiroa seit- lich an den Gliedern der Fruchtsprosse auftreten. Ueber Procarpbau und Befruchtung vergl. pag. 184. Ueber Brutknospen pag. 187. ROSANOFF, Recherches anatomiques sur les Melobesiees. (Mem. d. 1. Soc. imp. des Sc. nat. de Cherbourg. Tome XU. 1866.) — THURET, Etudes phycologiques 1878. — SOLMS-LAUBACH, Corallina (Fauna und Flora des Golfes v. Neapel. IV. 1881). Rhodomeleen. Die Familie der Rhodomeleen umfasst zahlreiche Gattungen, welche durch die gemeinsamen entwicklungsgeschichtlichen Vorgänge nicht nur bei der Fruchtbildung, sondern ebensosehr auch bei dem Aufbau der vegetativen Thallustheile zusammengehalten, sich zur Bildung einer der natürlichsten Florideen- gruppen vereinigen. — Das Spitzenwachsthum des Thallus wird vermittelt durch eine Scheitelzelle, in welcher durch annähernd parallele Scheidewände eine Reihe von Segmentzellen abgeschnitten wird. Durch eine Reihe excentrischer Längs- wände zerfällt ein jedes Segment in eine centrale Zelle (m) und eine Schicht oberflächlicher gleichlanger pericentraler Zellen, deren Zahl meist fünf ist (Fig. 6 Ia—e). In anderen Fällen, namentlich bei Arten der Gattung Zolysiphonia, welche den Rhodomeleentypus in seiner einfachsten Form repräsentirt, treten die Pericentralzellen häufig nur in Vierzahl auf oder aber ihre Zahl steigt bis auf achtzehn bis zwanzig pericentrale Zellen. Bei zahlreichen Polysiphonien bleibt die Ausbildung der einzelnen Segmente der Scheitelzelle auf diesem Entwicklungs- stadium stehen. Häufiger wird aber bei den Rhodomeleen der oberflächliche Theil der Pericentralzellen zur Bildung einer kleinzelligen Rinde verwendet und dadurch die bei unberindeten Formen scharf hervortretende Gliederung des T'hallus in einzelne Abschnitte, die den ursprünglichen Segmenten der Scheitelzelle ent- sprechen, äusserlich mehr oder weniger verwischt. Indem der Berindungsprozess in den jedesmaligen oberflächlich gelegenen Zellen des 'T'hallus sich wiederholen kann, hat er ein oft bedeutendes Dicken-Wachsthum des Thallus zur Folge. Die Verzweigung erfolgt aus den noch ungetheilten Segmenten der Sprossspitze SCHENK, Handbuch der Botanik. Pd. II, 13 u a 0, =. y # ee , N. 2 PR RERN a r d « N 2, 1 192 Die Algen im weitesten Sinne. durch seitliches Auswachsen derselben. Diese seitlichen Verzweigungen können werden: entweder zu monosiphonen hyalinen Aestchen, die als Blätter bezeichnet werden können, im ausgebildeten Zustand fast regelmässig gegabelt erscheinen, und an denen bei männlichen Pflanzen die Antheridien auftreten (Fig. 3 IV, pag. 180), oder sie werden zu Procarpien (Fig. 6 II—XI); oder endlich zu Lang- trieben vom Habitus des Muttersprosses. In den Gattungen Flacophora, Jeanne- rettia und Pollexfenia verwachsen die sämmtlichen in einer Ebene liegenden Langtriebverzweigungen zu einem flachen blattartigen Körper, während in anderen Gattungen der einzelne Langtrieb durch vorwiegende Entwicklung in diametral entgegengesetzter Richtung flach bandförmige Gestalt annimmt (Küfzingia, Lenor- mandia, Vidalia, Amansia). Nicht immer erfolgt die Verzweigung des Thallus bei den Rhodomeleen in der angeführten Weise aus dem ungetheilten Segment exogen. In den Gattungen Polyzonia, Amansia, Vidalia, Rytiphloea kommt die Astbildung en- dogen durch Auswachsen der Centralzelle des schon getheilten Segmentes zu Stande. Während bei der Mehrzahl der Rhodomeleen der Aufbau des Thallus mono- podial erfolgt, so dass dieselbe Scheitelzelle dauernd für die Verlängerung des Thallus sorgt, besitzen die Gattungen Dasya und Dictyurus sympodialen Aufbau. Die Scheitelzelle eines Sprosses wird von einem kräftiger sich entwickelnden Seitenast auf die Seite gedrängt, und an letzterem wiederholt sich der gleiche Prozess nach einiger Zeit. Habituell stimmen die zur Seite geschobenen Spross- spitzen in ihrem ausgewachsenen Zustand mit den seitlich entstandenen hyalinen »Blättern« der Polysiphonieen überein. — Die Spermatien werden gebildet in einer einfachen Zellschicht, welche entweder einen einzel- nen fadenförmigen Gabelastdes Blattes bekleidet (kätzchenför- mige Antheridien: Folysiphonia Fig. 3 IV) oder aber grössere zu geschlossenen Flächen ent- wickelte Abschnitte des Blattes überzieht (blattartige Antheri- dien: Zaurencia, Chondriopsis, KRytiphloea). — Die Bildung der Cystocarpien geht an seitlichen Kurztrieben vor sich und zwar (B. 197) aus einem Segment, das nur Polysiphonia variegata. 1 Theilungsschema für die Scheitel- wenig unterhalb der Scheitel- zellsegmente (der Rhodomeleen überhaupt) nach Reihen- zelle gelegen ist und sich folge der Buchstaben. — II Querschnitt durch jugendliches schon früh durch einseitige An- Stadium der Cystocarpanlage, e Mutterzelle des Procarp. — 2 I —IV junge Cystocarpanlagen von aussen in Seiten- Schwellung vor den wenigen ansicht, V in Vorderansicht. — VI—VIII successive Ent- vegetativen Zellen des Kurz- wicklungsstadien einer Pericarphälfte, bei VIII die Tricho- r Du ; gyne schon zwischen den en Pericarpschalen hervor- triebes auszeichnet (Fig. 6 I). ragend. — IX Längsschnitt durch eine Cystocarpanlage Wie in den vegetativen Seg- vom Alter von Fig. VIII mit Trichogyne und carpogenen Fig. 6. Zellen. — X das eigentliche Procarp isolirt in Vorderansicht: die fünf oberflächlichen carpogenen Zellen; darunter der Tri- chophorapparat, bestehend aus Trichogyne und einer Trage- zelle. — XI Cystocarp nach erfolgter Befruchtung. menten der Pflanze, erfolgt zu- nächst eine Theilung des zur Fruchtbildung bestimmten Seg- mentes durch Längswände in eine centrale Zelle und fünf peripherische Zellen (Fig. 6 II und IV). Aus der zuletzt gebildeten Zelle e gehen die Trichogyne und die Carpogonzellen hervor, während Klasse II. Algen im engeren Sinne. 193 die beiden Nachbarzellen (c und d) sich vorwölbend je eine Hälfte der Frucht- hülle oder des Pericarps erzeugen, die in ihrer Form zwei Muschelschalen ver- ‚ gleichbar, das eigentliche Procarp einschliessen (Fig.V). Jede Hälfte der Frucht- hüllenanlage verwandelt sich durch mehrfache Zelltheilungen in eine zunächst einschichtige Zellplatte (Fig. VI—-VIII), deren freier Rand bei Zolysiphonia schliess- lich von fünf (Fig. VIII s), bei Zaurencia von zehn Zellen eingenommen wird. Von der Zelle e des Entwicklungsstadiums Fig. II sind inzwischen zwei oberflächlich gelegene Zellen abgeschnitten worden, die in Fig. V in Vorderansicht, in Fig. IX im Längsschnitt erkennbar sind und von denen die obere sich weiter in 4 Tochter- zellen theilt (Fig. 6IX und X). Der von dieser fünfzelligen Schale überwölbte Rest der ursprünglichen Mutterzelle e theilt sich in zwei Zellen (Fig. IX). Von diesen beiden Zellen bleibt die untere, welche in der ganzen Procarpanlage eine centrale Lage einnimmt, unverändert. Die obere entwickelt sich zur Trichogyne und ragt endlich zwischen den Schalenhälften des Pericarpes neben der Spitze des zur Fruchtanlage verwendeten Kurztriebes hervor. Nach der nun möglichen Befruchtung entwickeln sich die fünf oberflächlichen Schalenzellen (Fig. IX X) zu dem Fruchtgewebe, das die Carposporen erzeugt; die Trichogyne geht zu Grunde, die beiden Schalenhälften des Pericarpes verwachsen zu einem geschlossenen Ringwall, dessen zweimal fünf oder zweimal zehn freie Randzellen (s in Fig. VIII und XT) als ebensoviel Scheitelzellen für das nunmehr auswachsende und mehr- schichtig werdende Pericarp fungiren. Die Stelle, an der ehemals die Trichogyne zwischen den Pericarphälften nach aussen trat (Fig. XIx), verwächst vollständig. Die Tetrasporen-bildenden Aeste der Rhodomeleen nehmen häufig einen von den sterilen Verzweigungen abweichenden Habitus an und werden dann als Stichidien bezeichnet. NAEGELI, Polysiphonia und Herposiphonia (NAEGELI und SCHLEIDEN, Zeitschr. f. wissensch. Bot. Heft II und IV.) — Kxv, Ueb. Axillarsprossen der Florideen. (Festschrift z. 100 jährigen Bestehen d. Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin.) — FALKENBERG, Ueb. endogene Bildung nor- maler Seitensprossen bei Rhodomeleen. (Nachrichten von der Göttinger Gel. Gesellsch. 1879.) — FALKENBERG, Ueber congenitale Verwachsung am Thallus der Pollexfenieen. (ebenda 1881.) — AMBRONN, Ueber einige Fälle von Bilateralität bei Florideen. (Bot. Zeit. 1880.) — AMBRONN, Ueb. Sprossbildung bei Vidalia, Amansia und Polyzonia. (Sitzber. d. bot. Vereins d. Prov. Bran- denb. 19. März 1880.) Klasse II. Algen im engeren Sinne. Trotz aller Mannigfaltigkeit im äusseren Habitus und in dem Gesammtverlauf ihrer Entwicklung repräsentiren die als Algen im engeren Sinne zusammengefassten Reihen der Melanophyceen und der Chlorophyceen einen einheitlichen Pflanzen- typus. Die beiden wesentlichen Merkmale, die ihn charakterisiren, die unge- schlechtliche Fortpflanzung durch Zoosporen, die geschlechtliche Fortpflanzung durch Zygoten, welche unmittelbar aus der Verschmelzung nackter Gameten hervor- gehen, treten zwar mannigfach modificirt auf, der eine oder der andere Vorgang kann uns auch noch unbekannt oder auch ganz unterdrückt sein, — stets finden sich dann aber noch hinreichende Uebereinstimmungen in Merkmalen von unter- geordneterer Wichtigkeit, welche einen Zweifel an der Zusammengehörigkeit solcher abweichenden Algenformen mit den typisch entwickelten nicht aufkommen lassen. 12% 194 Die Algen im weitesten Sinne. Die Zoosporen: Als Zoosporen oder Schwärmsporen bezeichnet man ungeschlechtliche, membranlose Fortpflanzungszellen, welche im Gegensatz zu den Tetrasporen der Florideen und Dictyotaceen eine durch schwingende Cilien und Geisseln bedingte selbständige Bewegungsfähigkeit besitzen. Gewöhnlich haben die Zoosporen kreisel- oder birnförmige Gestalt, indem das bei der Bewegung nach vorwärts gekehrte Ende derselben zu einem mehr oder weniger hervor- tretenden Schnabel ausgezogen ist (Ulothrix Fig. 17 VI, Oedogonium Fig. 16 IV). Seltener erscheint auch das hintere Ende der Zoosporen zugespitzt, wie bei Sphaeroplea, so dass die Zoosporen eine spindelförmige Gestalt zeigen. Als membranlose Zellen vermögen die Zoosporen vielfach ihre Gestalt zu verändern, sich zu biegen oder den Schnabel mehr oder weniger einzuziehen oder vorzustrecken und endlich, wenn sie zur Ruhe kommen, sich abzurunden. Während der Schnabel resp. das Vorderende der Schwärmspore gewöhnlich farb- los ist, zeigt die Zoospore im Uebrigen die Farbe der Mutterpflanze: bei den Mela- nophyceen braun, bei den Chlorophyceen grün, und wenn sie aus Dauerzellen hervorgegangen sind, in denen das Chlorophyll durch rothen Farbstoff ersetzt wurde (vergl. pag. 173), so sind auch die Schwärmsporen dauernd oder vorübergehend roth gefärbt. — Neben dem grünen oder braunen Farbstoff der Schwärmsporen lässt sich gewöhnlich noch ein deutlich purpurn- oder rothbraun- gefärbtes Körperchen unterscheiden, das einseitig an der Grenze des hyalinen Theiles der Zoospore auftritt, und in einer Zeit, wo man die Schwärmsporen als Thiere betrachtet hat, als »Augenfleck« bezeichnet wurde. Der Plasmakörper der Zoosporen enthält meist eine oder mehrere Vacuolen, von denen für eine Reihe von Algen nachgewiesen ist, dass sie periodische Contractionen erfassen. So besitzen die Zoosporen von Aydrurus, Tetraspora, Gloeocystis, Chaetophora, Ulothrix je eine pulsirende Vacuole, während bei solchen von Szigeoclonium und Draparnaldia sich zwei Vacuolen finden, deren Contrac- tionen regelmässig mit einander alterniren. Als Bewegungsorgane der Zoosporen fungiren fadenförmige Verlängerungen des Protoplasma (Cilien, Wimperhaare, Flimmerhaare oder Geisseln), die ihrer Sub- stanz nach der Hautschicht der Zoospore entsprechen. Die Zahl der Cilien schwankt bei den verschiedenen Algen und kann sogar bei verschiedenen Zoosporenformen derselben Alge eine verschieden grosse sein. Während gewisse Zoosporen von Botrydium und ZAydrodictyon (Fig. 20) nur eine einzige Cilie am vorderen Ende besitzen, ist der weitaus häufigste Fall der, dass Zoosporen zwei Cilien tragen. Dieselben stehen bei den Chlorophyceen auf der Spitze des Schnabels (Fig. zo III X), bei den Melanophyceen sind sie stets seitlich vom Schnabel an der Grenze zwischen dem gefärbten und dem ungefärbten Theil der Zoospore inserirt (vergl. Fig. 8 X). Bei einer Gruppe der Chlorophyceen tragen die Zoosporen 4 Cilien auf der Spitze des Schnabels (Cladophora, Ulwa, Chaeto- phoreen), bei einer andern (Oedogoniaceen) besitzen die Zoosporen zahlreiche Cilien, die einer ringförmigen Zone inserirt sind, an der Basis des hyalinen Schnabels (Fig. 16 III). Völlig einzigartig steht bisher die Anordnung der Cilien an den Zoosporen von Vaucheria da, bei der sie in grosser Anzahl auf- treten und mehr oder weniger regelmässig über die ganze Oberfläche der Zoo- sporen vertheilt sind (siehe »Vaucheriaceen« und Fig. ı8 I). Die Contractionen der Cilien veranlassen die Schwärmbewegung der Zoo- sporen, welche aus einer Combination verschiedener Bewegungen hervorgeht. Einmal findet eine Vorwärtsbewegung der Zoosporen statt, wobei sich der hyaline RER 1 N NR FR De a a I EN IE Du N! PL PZ OU Pgte ae a. 2 Klasse II. Algen im engeren Sinne. 195 Theil derselben stets als das vordere Ende der Zoospore erweist. Gleichzeitig rotirt die Zoospore um ihre Längsachse und endlich findet bisweilen eine dritte Art der Bewegung statt, die namentlich vor dem Aufhören der Schwärmbewegung auftreten kann und dadurch charakterisirt wird, dass die Längsachse der Zoospore ihre feste Lage aufgiebt und die Mantelfläche eines Kegels beschreibt, dessen Spitze mit dem Hinterende der Zoospore zusammenfällt. Die Zoosporen werden in verschieden grosser Anzahl von der Mutterzelle erzeugt und zwar unterliegt ihre Zahl häufig bei derselben Pflanze bedeutenden Schwankungen. Zu einer einzigen Zoospore wird der Inhalt der Mutterzelle um- geformt bei Oedogonium, Coleochaete, Ulothrix, Tetraspora, Hydrurus (Vaucheria). Gewöhnlich zerfällt indessen der Inbalt der Mutterzelle zum Zweck der Bildung von Zoosporen durch wiederholte Zweitheilung in eine kleinere oder grössere Menge von Primordialzellen, deren Zahl somit bei regelmässig verlaufen- der Zweitheilung niedrigeren oder höheren Potenzen von Zwei entspricht. Bei den Chaetophoreen entstehen in solcher Weise durch succedane Zweitheilung ge- wöhnlich 2, 4, 8 oder ı6 Zoosporen in einer Mutterzelle. In anderen Fällen, wo das Plasma der Mutterzelle als einfacher Wandbeleg der Membran anlıegt und im Innern eine grosse Vacuole umschliesst, findet die Bildung der Zoosporen durch simultane Theilung statt (Dofrydium, Hydrodictyon, Bryopsis, Halo- sphaera) und alsdann pflegt ihre Zahl eine sehr viel grössere zu sein: bei Zydro- dictyon schätzt AL. Braun die Zahl der Zoosporen, die von einer Mutterzelle erzeugt werden, auf 7000—20000. Die Mutterzelle, welche Zoosporen erzeugt, zeigt im einfachsten Falle keine Formenverschiedenheiten gegenüber den vegetativen Zellen der Pflanze, und so verhalten sich sämmtliche Chlorophyceen. — Speciell als Zoosporangium wird die Mutterzelle der Zoosporen gewöhnlich nur in solchen Fällen be- zeichnet, wo dieselben eine von den vegetativen Zellen wesentlich ab- weichende Gestalt annimmt. Doch ist naturgemäss die Grenze für die Be- nennung als Zoosporangium nicht scharf zu ziehen. Hochentwickelte Zoospo- rangien finden sich namentlich bei manchen Phaeosporeen (Zefocarpus, Meso- gloeaceen, Discosporangium), während bei anderen die Sporangien äusserlich kaum von vegetativen Zellen sich unterscheiden und dann häufig zu Sorus-artigen Gruppen vereinigt auftreten (Laminarieen, Phyllitis, Scytosiphon). Das Ausschlüpfen der Zoosporen aus der Mutterzelle wird dadurch ermög- licht, dass entweder die ganze Membran der letzteren vergallertet (Chaetophoreen) oder dass sich in der Membran einzelne Löcher (C/adophora, Chaetomorpha) oder Risse (Pediastrum, Fig. zo VII) bilden. Seltener öffnen sich die einzelnen cylindri- schen Mutterzellen durch einen die ganze Membran in zwei Hälften zerschneiden- den Kreisriss (Microspora, Oedogonium, Sciadium, Fig. 20 X). Der Austritt der Zoosporen erfolgt in den meisten Fällen in den frühesten Morgenstunden, nachdem die Bildung der Zoosporen im Verlauf der Nacht eingetreten ist. Eine Erklärung für diese Abhängigkeit vom Licht hat ROSTAFINSKI zu geben versucht. Nach ihm muss der Bildung der Zoosporen eine gleichmässige Vertheilung der in der Zelle vorhandenen Stoffe vor- hergehen. Bei Tage wirkt der unter dem Einfluss des Lichtes stattfindende Assimilationsprozess durch Anhäufung der Assimilationsprodukte an einzelnen Stellen der Zelle im entgegengesetzten Sinne, so dass erst nach dem Aufhören der Assimilation und nach gleichmässiger Vertheilung der Assimilationsprodukte die für die Zoosporenbildung nöthigen Theilungen vor sich gehen können. Der Austritt der Zoosporen aus der Mutterzelle wird meistens begleitet und vielleicht wesentlich unterstützt von einer Vergallertung der innersten Schicht der \ 196 Die Algen im weitesten Sinne. Mutterzellmembran. In vielen Fällen ist die Gallertbildung optisch nicht nach- weisbar, macht sich aber dadurch kenntlich, dass die Zoosporen nach ihrem Aus- treten aus der Mutterzelle gewöhnlich eine kurze Zeit als geschlossene Masse liegen bleiben, ehe sie nach allen Seiten auseinander schwärmen. Die Annahme, dass die Zoosporen hier durch gleichzeitig mitausgetretene Gallerte zusammen- gehalten werden, liegt um so näher, als in anderen Fällen die innerste Membran- lamelle der Mutterzelle, als geschlossene Blase deutlich erkennbar, zugleich mit den Zoosporen und diese umhüllend ausgestossen wird (z. B. Zediastrum, Fig. zo VI). Während in den meisten Fällen die umhüllende Gallert-Blase bei der Be- rührung mit Wasser bald zerfliesst und die Zoosporen frei werden lässt, bleiben die Zoosporen von Zediastrum während der ganzen Zeit ihrer Bewegungsfähigkeit von derselben umschlossen und beenden innerhalb derselben ihre Bewegungen. Die Zoosporen endlich, welche sich in den vegetativen Zellen des Wassernetzes (Aydrodictyon) bilden, verlassen ihre Mutterzelle überhaupt nicht, sondern kommen in derselben zur Ruhe. In allen Fällen ist der Zustand des Schwärmens nur ein vorübergehender von verhältnissmässig kurzer Dauer: oft schon nach wenigen Minuten, in den äussersten Fällen nach etwa drei Tagen werden die Bewegungen schwächer und hören endlich ganz auf, wobei die zur Ruhe kommenden Zoosporen sich ent- weder haufenweise auf dem Grunde des Wassers ansammeln, oder an unterge- tauchten Steinen und Pflanzen sich ansetzen. Als Anheftungspunkt dient immer das hyalıine Vorderende der Zoospore, welche gleichzeitig ihre Cilien verliert und sich zur Kugelform abrundet. Früher oder später erfolgt im Zusammen- hang mit dem Eintritt der Ruhe auch die Umhüllung der Plasmazelle mit fester Membran. Beim Auswachsen der ehemaligen Zoospore zur Form der Mutter- pflanze wird der hyaline, cilientragende Theil der Zoospore stets zur Basis der sich entwickelnden Pflanze. Von den Zoosporen wohl zu unterscheiden, aber mit ihnen häufig zusammengeworfen sind die schwärmenden Individuen der Volvocineengattungen Chlamydomonas und Chlamydococeus (siehe »Volvocineen«). Von fester Zellmembran umhüllt, stellen sie kein schnell vorübergehendes Entwicklungsstadium dar wie die Zoospooren, sondern repräsentiren die ganze, ausgewachsene, vegetative Pflanze und gehen erst bei der Erzeugung von Tochterindividuen zu Grunde. Wenn bei Zydrodictyon und in gewissem Sinne auch bei Zediastrum das Schwärmstadium der Zoosporen schon innerhalb der Mutterzelle sein Ende er- reicht, so bedarf es nur noch eines kleinen Schrittes in dieser Richtung weiter, um endlich das Schwärmstadium vollständig zu unterdrücken. Innerhalb der im Uebrigen in hohem Grade einheitlich organisirten Gattung Vaucheria, lässt sich an ihren verschiedenen Species der Uebergang von der Schwärmzellenform bis zu der Form unbeweglicher Sporen aufs deutlichste verfolgen. Ebenso lässt sich beobachten, dass bei manchen Algen, welche normal Zoosporen bilden, aus- nahmsweise der Fall eintreten kann, dass die Zoosporen ohne auszuschwärmen bereits in der Mutterzelle auszuwachsen beginnen. So wird man auch die ruhenden membranbekleideten Sporen, die bei manchen Chlorophyceen (z. B. Chaetophoreen) neben den Zoosporen auftreten, als von Zoosporen abgeleitete jildungen sich vorstellen dürfen, Die geschlechtliche Fortpflanzung. Das Produkt der Befruchtung bei den Algen ist die Zygote, zu deren Bildung die gewöhnlich in Zweizahl am Be- B en 5 a Klasse II. Algen im engeren Sinne. 197 fruchtungsprocess betheiligten Gameten unmittelbar mit einander verschmelzen. Der Akt der Verschmelzung wird als Copulation bezeichnet. Wenn die Gametencopulation ihrem Wesen nach bei allen Algen und darüber hinaus auch noch bei den Archegoniaten identisch auftritt, so unterliegt doch die äussere Form des Befruchtungsprozesses manchen Veränderungen je nach der Organisation der Gameten, die mit einander copuliren. Bei den niedrigst organisirten Algen findet die Copulation zwischen gleichgestalteten Gameten statt und einen solchen Befruchtungsvorgang kann man als eine Copulation von Isogameten (isogame Befruchtungsform) bezeichnen. An ihre Stelle tritt bei den am höchsten entwickelten Algen eine Gametencopulation, bei der männ- liche und weibliche Zellen gestaltlich so differenzirt sind, dass man den Sprach- gebrauch der Zoologen adoptirend sie als Eier und Spermatozoiden unter- scheiden kann. In dem Fall, wo die Gameten so hoch entwickelt sind, kann man von einer oogamen Befruchtungsform sprechen. Die Isogameten können ihrerseits wieder als bewegliche (Planogameten) oder als unbewegliche Zellen (Aplanogameten) auftreten, so dass sich drei schärfer charakterisirte Formen der Gameten-Copulation unterscheiden lassen: Copulation von Eiern und Spermatozoiden (oogame Befruchtung). Copulation von Planogameten \ Copulation von Aplanogameten | a) Copulation schwärmender Gameten (Planogameten). Die Ent- stehung und das Ausschlüpfen der schwärmenden Gameten entspricht den gleichen Vorgängen, wie sie sich bei der Entwicklung der Zoosporen abspielen. Auch der Bau der Planogameten entspricht völlig demjenigen ungeschlechtlicher Zoosporen, doch sind sie nicht so grossen Verschiedenheiten in Bezug auf die Zahl der Cilien unterworfen. Dieselben treten stets in Zweizahl auf und ihre Insertion entspricht der Cilien-Insertion bei den Zoosporen. Bei den Chlorophy- ceen tragen die Planogameten die Cilien auf der Spitze des Schnabels, bei den Melanophyceen sind dieselben seitlich an der Schnabelbasis inserirt. Wie die Mutterzellen der Sporen als Sporangien, so können diejenigen der Gameten als Gametangien bezeichnet werden. Das hyaline Vorderende der Planogameten, welches die Cilien trägt, fungirt gewöhnlich als derjenige Theil, an welchem die beiden copulirenden Zellen zuerst in Contact treten und die Verschmelzung ihrer nackten Plasmakörper beginnt (vergl. Fig. 2ı VI b). Doch ist dieses Verhalten kein constantes und zeigt mannigfache Modificationen (z. B. Fig. 19 IV). Bisweilen werden die Planogameten, die sich zur Copulation anschicken, zuerst durch die sich verwickelnden Cilien aneinander gefesselt (bei Ulothrix nach Doper), gewöhnlich verschmelzen sie aber sofort mit ihren hyalinen Schnäbeln oder anderen Stellen des Plasma- körpers. Die Bewegung des Planogametenpaares wird dabei eine unregelmässige intermittirende und nimmt einen taumelnden Charakter an. Ailmählich wird die Vereinigung der Planogameten eine innigere, von der ursprünglichen Berührungs- stelle anfangend schreitet die Verschmelzung der beiden Zellen weiter fort, während die Einkerbung, welche zunächst die Grenze der beiden copulirenden Zellen bezeichnete, mehr und mehr undeutlich wird und endlich ganz verschwindet. (Fig. 17 IV V). Die Entstehung der neuen Zelle, der Zygote, aus zwei VeI- schiedenen Zellen lässt sich anfänglich noch an der doppelten Anzahl von Cilien und Pigmentflecken erkennen. Dann werden die Gilien eingezogen oder ab- geworfen und die Zygote umgiebt sich zur Ruhe kommend mit Membran. Dieses (isogame Befruchtung). 198 Die Algen im weitesten Sinne. Stadium tritt gewöhnlich schon nach wenigen Minuten ein; in andern Fällen aber kann die Zygote noch membranlos und mit vier Cilien versehen längere Zeit — bis drei Stunden lang — umherschwärmen (Monostroma, Endosphaera, Chloro- chytrium Lemnae), bis das Ruhestadium eintritt und die Membranbildung erfolgt. Bis zur vollständigen inneren Vereinigung der Planogameten innerhalb der Zygote, wie sie sich durch die Umlagerung der anfangs getrennten Farbstoffkörper kennt- lich macht, können mehrere Tage vergehen. b) Copulation einer ruhenden und einer schwärmenden Gamete. (Ei und Spermatozoid). Während bei dem vorher betrachteten Fall der Copu- lation schwärmender Gameten beide Gameten in gleicher Weise am Copulations- prozess betheiligt sind, und es sich nicht unterscheiden lässt, welche von beiden Gameten als die befruchtende und welche als die befruchtete Zelle aufgefasst werden müsse, springt die verschiedene Rolle der beiden Zellen bei der Copu- latıon zwischen einer ruhenden und einer schwärmenden Gamete sofort in die Augen. Die ruhende Gamete, welche bei dem Befruchtungsvorgang nur passiv betheiligt ist, wird als die empfangende, weibliche Zelle, die schwärmende Ga- mete dagegen als die befruchtende, männliche Zelle bezeichnet werden müssen, und demgemäss unterscheidet man die beiden Gametenformen als Eier und Spermatozoiden. Zwischen den Eiern und den Spermatozoiden bestehen con- stante und meist sehr bedeutende Grössenunterschiede, indem das Volumen der Eier dem vielfachen Volumen der Spermatozoiden zu entsprechen pflegt. Die Zellen, in welchen die Spermatozoiden gebildet werden, bezeichnet man als Antheridien, diejenigen, in welchen die Eier entstehen, als Oogonien. Die Spermatozoiden entsprechen nicht nur in ihrer Entstehung, sondern auch ın ıhrem Bau den Zoosporen, und diese Uebereinstimmung geht so weit, dass bei den Algen, bei welchen neben geschlechtlichen Fortpflanzungszellen auch ungeschlechtliche Zoosporen vorkommen, (mit Ausnahme der Vaucheriaceen), die Cilien der Spermatozoiden stets dieselben Insertionsverhältnisse zeigen, wie bei den Zoosporen. Demgemäss sind die beiden Cilien bei den Spermatozoiden der Melanophyceen seitlich am hyalınen Schnabel inserirt; bei denen der Oedo- goniaceen wird der Schnabel an seiner Basis von einem Kranz von Cilien um- geben, wie bei den Zoosporen dieser Familie; bei den übrigen Chlorophyceen endlich tragen die Spermatozoiden ihre beiden Cilien auf der Spitze des Schnabels. Die Form der Spermatozoidenzelle zeigen gleichfalls häufig die kurz- birnenförmige Gestalt der Zoosporen; in anderen Fällen ist die Zelle dagegen sehr stark verlängert (Sphaeroplea, Volvocineen, Fig. 2ı V) und bei den Chara- ceen endlich zeigt sie (Fig. 13) bereits jene schraubenförmig gewundene Gestalt, wie sie die Spermatozoiden der Archegoniaten kennzeichnet. — Die Färbung der Spermatozoiden ist ihrer ausserordentlichen Kleinheit entsprechend eine sehr schwache. Bisweilen scheint sie sich auf einen Pigmentfleck zu beschränken, der an der Basis des Schnabels sich befindet. Bei den Chlorophyceen findet es sich häufig, dass die Spermatozoiden der grünen Chlorophyll-Färbung, welche die übrigen Zellen charakterisirt, gänzlich entbehren und sie statt dessen eine leicht gelbliche Färbung zeigen. Die ruhenden weiblichen Gameten, die Eier, werden in den Oogonien ent- weder einzeln oder zu mehreren erzeugt, ihre Zahl ist meist eine ganz constante und unterliegt nur da Schwankungen, wo, wie bei Sphaeroplea, viele Eier im Oogonium erzeugt werden und die Dimensionen des letzteren auf die Zahl der Eier einigen Einfluss ausübt. Die Eier entstehen, indem sich das gesammte k “ ". nt a A re BEE ea a rer Bad BEE Sad ’ 1 Be an > N v ” Klasse IH. Algen im engeren Sinne. 199 Plasma des Oogoniums oder der grösste Theil desselben, durch zahlreiche Farb- stoffkörperchen intensiv gefärbt, zu einem oder mehreren Plasmaballen contrahirt, die sich mehr oder weniger kugelig abrunden. Entweder bleiben die Eier im Oogonium eingeschlossen oder sie werden bei der Reife aus dem Oogonium ausgestossen und in dieser Beziehung besteht ein constanter Unterschied zwischen den beiden grossen Reihen der eigentlichen Algen. Bei den Melanophyceen werden die Eier stets aus dem Oogonium aus- gestossen, um ausserhalb desselben befruchtet zu werden; bei den Chlorophyceen dagegen mit ruhenden weiblichen Gameten (Coleochaeteen, Characeen, Oedogonia- ceen, Sphaeropleaceen, Vaucheriaceen, Volvox) bleibt das Ei stets im Oogonium eingeschlossen. Der Zutritt zu dem Ei wird in letzterem Fall den Spermato- zoiden dadurch ermöglicht, dass die Membran des Oogoniums an einzelnen Stellen vergallertet oder aufreisst, so dass Communikationswege zwischen dem Innern des Oogoniums und dem umgebenden Wasser, in dem die Spermato- zoiden herumschwärmen, hergestellt werden. Auch in der Organisation der reifen, betruchtungsfähigen Eier scheinen con- stante Unterschiede zu bestehen, zwischen den Melanophyceen und den Chloro- phyceen. Bei den schon genannten Vertretern der letzteren zeigt das reife Ei stets einen oberflächlich gelegenen mehr oder weniger grossen Theil seiner Sub- stanz von Farbstoffkörpern völlig frei: dieser hyaline Theil des Eies wird als Empfängnissfleck bezeichnet, weil er die einzige Stelle ist, an welcher ‚ die Spermatozoiden in das Ei der Chlorophyceen bei der Befruchtung einzu- dringen vermögen. Ein solcher Empfängnissfleck hat bei den Melanophyceen, deren Gameten als Eier und Spermatozoiden differenzirt auftreten, — bei den Fucaceen — bisher noch nicht constatirt werden können, und in der That scheint es als ob hier die Befruchtung an jedem beliebigen Punkte der Oberfläche des Eies vollzogen werden könne. Wo der Act der Verschmelzung von Spermatozoid und Ei bisher genau hat verfolgt werden können, erfolgt dieselbe in der Art, dass nachdem das Spermatozoid mit dem Schnabel auf den Empfängnissfleck gestossen ist und hier festgehalten, eine Zeit lang bohrende Bewegungen ausgeführt hat, dasselbe in die Plasmamasse des Eies eindringt und sich damit der weiteren Beobachtung fast gänzlich ent- zieht. Gewöhnlich folgt die Ausbildung der festen Membran um die aus der Copulation von Ei und Spermatozoid hervorgegangene Zygote dem Verschmelzungs- prozess der beiden Zellen auf dem Fusse nach und damit wird ein weiteres Eindringen von Spermatozoiden in das schon befruchtete Ei unmöglich gemacht. c) Copulation nicht schwärmender Gameten (Aplanogameten). Ein ‚Copulationsact, bei welchem beide Gameten specieller Organe für ihre Bewegung gänzlich entbehren, kommt unter den Algen bei der Chlorophyceen-Familie der Conjugaten vor. Die Conjugaten sind einzellige, isolirt oder in fadenförmigen Familien vereinigt lebende Algen, bei denen sich bei der Gametenbildung das Plasma der Zelle zur Bildung einer einzigen Gamete contrahirt. Weder ein Empfängnissfleck noch auch Cilien sind an den Gameten der Conjugaten ent- wickelt; aus letzterem Grunde sind die Gameten einer selbständigen Bewegung gänzlich unfähig, und haben sie desshalb im Gegensatz zu den schwärmenden Gameten, den Planogameten, die Bezeichnung Aplanogameten erhalten. Da die Aplanogameten, ähnlich wie die unbeweglichen Eier der Chlorophyceen nie- mals aus den Zellmembranen herausschlüpfen, so ist für die Conjugaten ein eigenthümlicher Prozess, die Conjugation nothwendig geworden, um die Ver- 200 Die Algen im weitesten Sinne. einigung zweier Aplanogameten möglich zu machen. Es verwachsen nämlich bereits vor der Ausbildung der Aplanogameten zwei Zellen mit Hülfe kürze- rer oder längerer Ausstülpungen ihrer Membran mit einander, die mit ihren Spitzen aufeinander stossen. An der Berührungsstelle der beiden Ausstülpungen werden die Membranen, welche die Lumina der beiden verwachsenen Zellen gegen einander abschliessen, resorbirt und durch den so entstandenen Canal treten die inzwischen gebildeten Gameten mit einander in direkte Berührung und verschmelzen mit einander zur Zygote. Die Zellkerne der beiden Gameten ver- einigen sich mit einander zum Zellkern der Zygote, ein Vorgang, der auch für die Copulation von Planogameten und von Eiern mit Spermatozoiden wahrschein- lich ist, der aber bei der schwierigen Fixirbarkeit der betreffenden Momente für die mikroskopische Untersuchung bisher nur noch für Zeiocarpus silicwlosus nach- gewiesen ist. — In der Natur stehen sich die drei Formen, unter denen die Gametencopu- lation bei den Algen auftritt, nicht so schroff gegenüber, wie in der obigen Dar- stellung, die nur da berechtigt ist, wo es sich darum handelt, einen kurzen orientirenden Ueberblick über die wichtigsten Typen der Gametencopulation zu geben. Denn zwischen der isogamen Befruchtung, wie sie sich in der Plano- gametencopulation darstellt, und der oogamen Befruchtung ruhender Eier durch bewegliche Spermatozoiden besteht eine fundamentale Differenz gar nicht; es sind diese beiden Befruchtungsformen vielmehr durch Uebergangsglieder ver- bunden, denen gegenüber man zweifelhaft sein kann, ob man sie dem einen oder dem anderen Typus unterordnen soll, und die in ihrer vermittelnden Stellung eine scharfe Trennung jener beiden Typen wenigstens als völlig ungerechtfertigt erscheinen lassen. Die für die einheitliche Auffassung der habituell so verschie- denen Algenbefruchtungsprozesse wichtigsten Uebergangsglieder werden durch einige Algen aus der Reihe der Melanophyceen repräsentirt, nämlich Scytosiphon und Zetiocarpus silicwlosus aus der Familie der Phaeosporeen und durch die Familie der Cutleriaceen. Die Gameten der beiden genannten Phaeosporeen sind ihrer äusseren Form nach völlig gleiche Planogameten, zwischen denen eine Unterscheidung männlicher und weiblicher Gameten während der Zeit ihres Schwärmens nicht möglich ist. Bevor aber ein Copulationsprozess stattfindet, kommen die einen Planogameten zur Ruhe und dokumentiren sich dadurch als weibliche Gameten, als Eier, welche von den schwärmenden Gameten, den Spermatozoiden, befruchtet werden (vergl. Fig. 9). — Bei den Cutleriaceen ist die Differenz zwischen männ- lichen und weiblichen Planogameten bereits während des Schwärmstadiums dadurch äusserlich gekennzeichnet, dass zwischen beiden Formen constante und sehr beträcht- liche Grössenunterschiede vorhanden sind (vergl. Fig. 8 IV V). Nachdem die grossen weiblichen Planogameten sich beim Uebergang in das Ruhestadium abgerundet und ihren hyalinen Schnabel eingezogen haben, bildet der hyaline Fleck, welcher den Platz des ehemaligen Schnabels andeutet, die einzige Stelle, an welcher eine Befruchtung der zum ruhenden Ei gewordenen Planogamete stattfinden kann, — den Empfängnissfleck. Es bilden die letztgenannten Algenformen in Bezug auf die Befruchtung somit die Vermittelung zwischen dem Typus der Planogameten- copulation und der oogamen Befruchtung: der Schwärmzustand der weiblichen Gameten weist noch auf den Charakter der Planogameten zurück, der Umstand, dass der Befruchtungsact erst an der ruhenden Gamete vollzogen wird, entspricht dagegen bereits dem Typus der oogamen Befruchtung. Diese direkt zu verfolgende ru 5 ei ALT a SZ - Klasse II. Algen im engeren Sinne. 201 Umwandlung einer Schwärmzelle in ein ruhendes Ei ist um so bedeutungsvoller, als Prınssueim schon lange bevor der Befruchtungsprozess der Cutleriaceen und Phaeosporen bekannt wurde, die ruhenden Eier für cilienlose Formenabweichungen von Schwärmzellen erklärt hatte. Unterzieht man die Gameten der höher entwickelten Algen, von Scytosiphon und Zetocarpus siliculosus ausgehend und nach aufwärts fortschreitend, einer ver- gleichenden Betrachtung, so sieht man, dass der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Gameten sich ganz allmählich steigert. Bei ‚Scyzosiphon und Ectocarpus ist derselbe in der äusseren Form der Gameten noch gar nicht zum Ausdruck gelangt; beide Arten Gameten sind äusserlich gleiche Schwärmzellen und ein erster Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Gameten macht sich erst darin geltend, dass die weibliche Gamete vor der Befruchtung in den Ruhezustand übergeht. Bei den Cutleriaceen tritt zu diesen Differenzen auch der erste Unterschied in der äussern Form hinzu, indem die männlichen Gameten stets sehr viel kleiner sind als die weiblichen Gameten. Bei den Fucaceen und den höheren Chlorophyceen bewahren zwar die Spermatozoiden stets den Cha- rakter als Schwärmzellen, aber die weiblichen Gameten besitzen auch nicht ein- mal mehr einen vorübergehenden Schwärmzustand, sondern sind völlig bewegungs- los geworden. Bei den Fucaceen werden die weiblichen Gameten noch aus den Mutterzellen ausgestossen, bei den Chlorophyceen aber findet auch dieses nicht mehr statt, und die Befruchtung der weiblichen Gamete findet bei ihnen inner- halb des Oogoniums — wie bei den Archegoniaten innerhalb des Archegoniums — statt. In allen diesen Fällen ist der geschlechtliche Gegensatz zwischen männlichen und weiblichen Gameten meist schon in der äusseren Form, mindestens aber in dem Antheil, den beide Gameten am Befruchtungsprozess nehmen, scharf aus- geprägt. Bei der grossen Menge von Algen, bei denen der Copulationsprozess zwischen gleichgebauten, gleichgrossen Planogameten erfolgt, während beide noch im Schwärmzustande sich befinden, fehlt jedes äussere Kennzeichen, welches die beiden copulirenden Gameten als männliche oder weibliche erkennen lässt, und es liegt nun die Frage nahe, ob bei derartig gleichen Gameten bereits sexuelle Unter- schiede innerlich entwickelt sind oder ob dieselben in jeder Richtung als Iso- gameten zu bezeichnen sind, zwischen denen jeder Unterschied fehlt. Es können wol auch in den letzteren Fällen noch geringe Grössenunterschiede zwischen den Planogameten derselben Pflanze vorkommen und die Meinung erwecken, als ob die verschieden grossen Gameten auch verschiedene Geschlechter repräsentirten; aber diese Annahme ist als unbegründet erwiesen worden durch die Beobachtung, dass auch zwei grösste oder zwei kleinste Planogameten wirksam mit einander copuliren können, die Grössenunterschiede also nicht das Merkmal von Geschlechts- differenzen sein können, sondern als zufällige zu betrachten sind. Nichts desto- weniger liegt die Sache so, dass auch da, wo äusserlich wahrnehmbare Unter- schiede zwischen den copulirenden Planogameten nicht vorhanden sind, ein innerer Unterschied zwischen ihnen bereits häufig besteht. Denn es giebt Algen bei denen die in demselben Gametangium erzeugten Planogameten nicht unter einander zu copuliren vermögen (Ulothrix, Acetabwlaria), bei denen aber sofort reichlich Copulation eintritt, wenn Planogameten miteinander in Be- rührung kommen, die verschiedenen Gametangien entstammen. In ähnlicher Weise ist für Dasyeladus nachgewiesen, dass alle Planogameten, welche dieselbe Pflanze erzeugt, unter einander copulationsunfähig sind, dass sie aber mitden Planogameten 202 Die Algen im weitesten Sinne. anderer, aber nicht aller beliebigen Individuen copuliren können. Dieser letzte Fall beweist, dass es für die Copulation von Dasycladus nicht genügt, dass die Planogameten überhaupt verschiedenen Individuen entstammen, sondern dass die Gameten von Individuen von ganz bestimmt verschiedenem Charakter herrühren müssen, damit die Copulation erfolgen könne. Und dieser ganz be- stimmte Gegensatz, der zwischen den Gameten bestehen muss, damit eine Copula- tion eintrete, kann kein anderer sein als der Gegensatz, der auch sonst bei der Befruchtung der Organismen zwischen männlichen und weiblichen Sexualzellen besteht, und trotz äusserlicher Gleichheit der Planogameten muss bei Dasycladus der Gegensatz zwischen männlichen und weiblichen Gameten als innerlich bereits scharf ausgeprägt angenommen werden. Weniger scharf ist dieser Gegensatz bei Acefabılaria und Ulothrix vorhanden, bei denen es für die Copulation genügt, dass die Gameten nicht demselben Gametangium entstammen. Endlich giebt es aber auch solche Algen mit Planoga- meten-Copulation, bei denen auch die Erfüllung dieser letzten Bedingung nicht erforderlich ist, und bei denen Planogameten beliebiger Herkunft copuliren können. Bei Chlorochytrium copuliren die Gameten noch in der Mutterzelle untereinander; bei Endosphaera copuliren die aus derselben Mutterzelle stammenden Gameten unmittelbar nach ihrem Austritt; bei Zydrodictyon und Botrydium verschmelzen bei der Befruchtung nicht nur zwei Planogameten miteinander, die in derselben Zelle erzeugt werden, sondern die Zahl der Planogameten, die zur Bildung einer Zygote sich vereinigen, kann bis auf sechs steigen. Es entstehen so beim Copulationsprozess sogenannte »Copulationsknäuel«, in denen die Gameten ohne jede Andeutung einer Geschlechtsdifferenz gleichwerthig mit einander ver- schmelzen.) Es zeigt sich also, dass auch innerhalb der Algengruppe, bei denen die Be- fruchtung in der Copulation von Planogameten besteht, mannigfache Abstufungen in der Ausbildung des sexuellen Gegensatzes zwischen den copulirenden Gameten sich vorfinden, ohne dass diese in der äusseren Form der Gameten zu Tage treten. Die Planogameten erscheinen äusserlich schliesslich völlig identisch mit den geschlechtslosen Zoosporen, welche ohne Copulationsprozess sich weiter zu entwickeln vermögen. Unter diesen Umständen weiss man bei der äusseren Formgleichheit der Schwärmzellen bisher in vielen Fällen noch nicht, ob gewisse Schwärmzellen als Planogameten oder als Zoosporen zu bezeichnen sind, und in diesem Zweifel befindet man sich zum Theil solchen Algenspecies gegenüber, welche verschiedene Schwärmzellen erzeugen und dadurch die Vermuthung nahe legen, dass die einen ungeschlechtliche Zoosporen, die anderen Planogameten sein möchten. Der experimentelle Nachweiss, ob Schwärmzellen Zoosporen sind oder Plano- gameten, hat seine eigenen Schwierigkeiten. Als wichtiges Zeugniss für die Planogameten-Natur einer Schwärmzelle pflegt es betrachtet zu werden, wenn sich constatiren lässt, dass isolirte Schwärmzellen, ohne sich weiter zu entwickeln, zu Grunde gehen. Wenn man auch vielfach mit Recht daraus wird schliessen ') Auch bei Acetabilaria kommen derartige Copulationsknäuel vor; da aber bei Acetabularia eine Gametencopulation nur dann stattfinden kann, wenn in dem Copulationsknäuel mindestens ein fremdes Element vorhanden sein muss, das in einem anderen Gametangium erzeugt wurde, so wird man annehmen müssen, dass es sich in diesen Copulationsknäueln um die Befruchtung einer (weiblichen?) Planogamete durch mehrere (männliche?) Planogameten handelt, die aus einem anderen Gametangium herrühren. IT deu BE N a El a A De re 7 -, PR SA A a BE ee FH EZ a rn \ s “ “ - Klasse II. Algen im engeren Sinne. 203 können, dass man es hier mit Planogameten zu thun hat, denen solche Gameten, mit denen sie hätten copuliren können, nicht zur Verfügung standen, und die nun nach verfehlter Befruchtung absterben, so muss man doch auch die ungünstigen Lebensbedingungen in Anschlag bringen, unter deren Einfluss in der Cultur auch ungeschlechtliche Zoosporen zu Grunde gehen können ohne sich weiter zu ent- wickeln. — Auf der anderen Seite beweist auch die Beobachtung, dass eine Schwärmzelle sich ohne Copulationsprozess weiter entwickelt, noch nichts gegen deren Natur als Planogamete; denn für specielle Fälle ist es erwiesen, dass auch echte Planogameten (bei Ulothrix, Ectocarpus pusillus und silicwlosus, Scytosiphon) ohne vorhergegangene Copulation einer parthenogenetischen Weiterentwicklung fähig sein können. In letzterem Falle stimmt die parthenogenetisch sich entwickelnde Planogamete nicht nur ihrer Form, sondern auch ihrer Function nach, mit den ungeschlechtlichen Zoosporen überein. Schwieriger als zwischen der Planogametencopulation und der Eibefruchtung durch Spermatozoiden ist die Verbindung zwischen der ersteren Befruchtungs- form und der Aplanogameten-Copulation herzustellen, da Uebergänge zwischen diesen beiden Formen nicht bekannt sind. Dass die Aplanogameten nicht Bildungen swi gener:s sind, sondern in bestimmten Beziehungen zu den Planogameten stehen, geht daraus hervor, dass in einer Algenfamilie, die auf Grund ihrer vege- tativen Merkmale als eine der natürlichsten bezeichnet werden muss, bei den Volvocineen, neben Planogameten-Copulation und Eibefruchtung durch Sperma- tozoiden bei einer Species (C/amydomonas pulvisculus) Aplanogameten-Copulation nachgewiesen worden ist. Ob aber die Planogameten-Copulation die primäre Art der Befruchtung war, aus der die Aplanogameten-Copulation durch Verlust der Be- wegungsfähigkeit der Gameten hervorgegangen ist, oder ob umgekehrt die Aplano- gameten die anfänglich allein vorhandene Ausbildungsform der Gameten reprä- sentiren und die Planogameten erst durch Vervollkommnung aus ihnen sich ent- wickelt haben, das ist zur Zeit um so schwerer zu entscheiden, als sich Gründe zu Gunsten beider Auffassungsweisen anführen lassen. — Die Momente, welche sich für die Beurtheilung dieser Verhältnisse aus den vergleichenden Heran- ziehungen der Aplanogameten bildenden Pilze, speziell der Peronosporeen ergeben, finden sich unten in dem Excurse am Schluss der Darstellung der »Conjugaten« zusammengestellt. Trotz der äusseren Formengleichheit der Aplanogameten finden sich, wie bei den Planogameten, auch bei ihnen bereits innere Verschiedenheiten, welche auf eine Differenzirung in-männliche und weibliche Gameten hindeuten. Die Einzel- heiten dieses Verhältnisses mögen bei der speciellen Darstellung der Familie der Conjugaten verglichen werden, auf die die Aplanogameten-Copulation unter den Algen im Wesentlichen beschränkt ist. Die Copulation der Planogameten ist von ihrem Entdecker PRINGSHEIM als die morpho- logische Grundform geschlechtlicher Zeugung bezeichnet worden. Denn nicht nur lassen sich die übrigen geschlechtlichen Vorgänge bei den Algen im engeren Sinne und durch ihre Vermittelung auch diejenigen bei den Archegoniaten aus der Planogameten - Copulation ableiten, sondern die niedrigsten Formen von Planogameten-Copulation geben uns auch einen Fingerzeig dafür, wie wir uns morphologisch die Entwicklung erster Befruchtungsvorgänge aus Formen ungeschlechtlicher Fortpflanzung vorzustellen haben dürften. Auf einer niedrigsten Entwicklungstufe mag die Fortpflanzung eine rein ungeschlechtliche vermittelst Schwärmzellen gewesen sein. Später mögen diese völlig gleichwerthigen Zellen mit einander verschmolzen sein und so die einfachste Form ‘von Gameten repräsentirt haben, oder aber sie konnten ohne Copulation als Zoosporen der ungeschlechtlichen Vermehrung dienen. — Beide Formen der 204 Die Algen im weitesten Sinne. Fortpflanzung bleiben nun nebeneinander bestehen, aber die Zellen bilden sich verschieden aus, je nachdem sie als Zoosporen oder als Gameten fungiren sollen. Auch zwischen den Gameten machen sich allmählich Unterschiede geltend, die bei einfachsten Formen (Z#rdo- sphaera, Chlorochytrium, Hyvdrodictyon, Botrydium) noch gänzlich fehlten. In den bisher neutralen Gameten entwickelt sich ein Gegensatz, der sich zunächst — bei Gleichheit der äusseren Form — darin ausdrückt, dass nicht mehr beliebige Gameten mit einander copuliren können, sondern nur solche, die aus verschiedenen Gametangien (Acetabularia, Ulothrix) oder gar aus verschiedenen. Pflanzen (Dasycadus) herstammen. Ein weiterer Fortschritt besteht darin, dass die äusserlich gleichen Gameten sich bei der Copulation verschieden verhalten, indem die eine Gamete dabei activ als befruchtende männliche, die andere passiv als befruchtete weibliche Gamete fungirt (Eetocarpus siliculosus und Seytosiphon). Zu der verschiedenen Functionsweise gesellen sich nun auch Unterschiede in der äusseren Form der männlichen und weiblichen Gameten, in- dem zunächst constante Grössenunterschiede (Cutleriaceen) sich geltend machen. Die weib- liche Gamete der Cutleriaceen, sowie die von Zeocarpus und Scytosiphon werden zwar noch als Planogameten angelegt, sind aber im befruchtungsfähigen Zustand unbeweglich. Die Bewegungslosigkeit der weiblichen Gameten findet sich bei allen höheren Algen durchgeführt unter vollständiger Unterdrückung des Schwärnzustandes, der bei den. weiblichen Gameten von Cutleria, Scytosiphon und Zciocarpus, wenigstens noch so lange sie unreif sind, vorhanden ist, wogegen die männlichen Gameten bei allen Algen und Archegoniaten ihren Charakter als Schwärm- zellen niemals einbüssen. Bei den Fucaceen werden die weiblichen Gameten noch aus der Mutterzelle ausgestossen; bei den am höchsten organisirten Chlorophyceen (Coleochaeteen, Oedo- goniaceen, Sphaeropleaceen, Vaucheriaceen, Characeen, und ebenso endlich bei den Archego- niaten) bleibt die weibliche Gamete in der Mutterpflanze eingeschlossen und wird innerhalb der- selben befruchtet. Die Steigerung des Geschlechtsunterschiedes bei den Algen mit Aplanogameten-Copulation geht parallel derjenigen bei den Planogameten. Die niedrigste Stufe wird repräsentirt durch Desmidiaceen, Mesocarpeen und Zygogonium; auf der Höhe von Zetocarpus und Seytosiphon stehen die Gattungen Spirogyra und Zygzema. Was endlich die constanten Grössenunter- schiede der Gameten betrifft, so könnte Sirogozium den Cutleriaceen an die Seite gestellt werden. Bei einer so allmählich und zum Theil innerhalb derselben natürlichen Familie sich steigern- den Ausbildung des sexuellen Gegensatzes, die von den ursprünglich gleichen Gameten zu den scharf sich gegenüberstehenden männlichen (Spermatozoiden) und weiblichen Gameten (Eiern) hinüberführt, ist es klar, dass auch die Gegenüberstellung isogamer und oogamer Befruchtungs- typen nur einen sehr untergeordneten Werth hat. Zwischen isogamer und oogamer Befruchtung besteht kein durchgreifender Unterschied, sondern diese beiden Benennungen bezeichnen nur die extremen Formen des gleichen Befruchtungstypus, die Endglieder einer einheitlichen Reihe von Erscheinungen. Die aus der Verschmelzung der Gameten im Befruchtungsprozess hervor- gehenden Zygoten umgeben sich bald mit einer Membran, die da dünner bleibt, wo die Zygoten sich sofort weiter zu entwickeln vermögen ohne einen Ruhezustand durchzumachen. In dieser Lage befinden sich die Melanophyceen, bei denen eine jede Zygote bald nach ihrer Bildung auch bereits zu einer Keimpflanze aus- wächst. Wo bei den Chlorophyceen die Zygoten keinen Ruhezustand eingehen (Zygoten von Botrydium unter gewissen Verhältnissen) oder während der Ruhe- periode keine Austrocknung zu befürchten haben (marine Chlorophyceen wie Acetabularia, Dasycladus) bleibt die Membran der Zygote zart. Bei den Chloro- phyceen des süssen Wassers aber, bei denen die Zygote denjenigen Zustand re- präsentirt, in dem die Pflanzen zu überwintern oder sonstige Unterbrechungen der Vegetation, wie sie etwa durch Trockenlegung ihres Standortes verursacht werden, zu überdauern pflegen, wird die Zygotenmembran dicker und zeigt dann auf ihrer Oberfläche häufig warzenartige oder stachelige Erhöhungen, während die Membran eine Differenzirung in verschiedene Schichten erfährt. Unter solchen | | Klasse II. Algen im engeren Sinne, 205 Umständen müssen bei der Keimung die wenig dehnbaren Aussenschichten der Zygotenmembran gesprengt werden. Die Zahl der Keimlinge, die aus einer Zygote hervorgehen, ist bei den ver- schiedenen Algen eine sehr verschiedene. Ausser den schon erwähnten Melano- phyceen entwickeln auch die Zygoten der Characeen, Vaucheriaceen, Zygne- maceen, Acefabwlaria, Botrydium nur eine einzige Keimpflanze. Bei anderen Chlorophyceen gehen aus der Zygote aber mehrere Keimpflanzen hervor und in solchen Fällen wird die Keimung der Zygote durch eine Theilung ihres Plasmas eingeleitet. Eine Fächerung der Zygote durch feste Membranwände kommt aber nur in der Gattung Coleochaete vor. Wo mehrere Keimlinge aus der Zygote hervorgehen, da schlüpfen dieselben gewöhnlich (bei den Coleochaeteen, Oedogoniaceen, Sphaeropleaceen, Hydro- dietyaceen, Ulothricheen!) unter der Form von Zoosporen aus. Die Zahl der aus einer Zygote hervorgehenden Zoosporen wird um so schwankender, je grösser sie wird. Oedogonium und Buwlbochaete entwickeln normal vier Zoosporen aus ihrer Zygote, bei ZZydrodictyon schwankt die Zahl zwischen zwei und sechs, bei Sphaeroplea steigt sie noch höher und bei Ulothrix sogar bis auf vierzehn; doch scheinen bei der letzteren Gattung vorherrschend acht Zoosporen aus der Zygote hervorzugehen. Die Zoosporen, die aus Zygoten entstehen, entsprechen in ihrem Bau und ihrer ganzen weiteren Entwicklung denjenigen Zoosporen, welche bei ungeschlechtlicher Vermehrung aus den vegetativen Zellen des aus- gewachsenen Thallus erzeugt werden. Bei den Desmidiaceen gehen aus der Zygote zwei Keimlinge hervor, die aber nicht als Zoosporen ausschlüpfen, sondern unter der Form ruhender Keim- zellen auftreten. Dass die aus der Zygote entwickelten Zoosppren der anderen Chlorophyceen gerade bei den Desmidiaceen, bei denen der Befruchtungsakt in einer Copulation von Aplanogameten besteht, durch unbewegliche Keimzellen ersetzt werden, ist ein interessanter Beweis für den Pa- rallelismus der Organisation zwischen den ungeschlechtlichen und den geschlechtlichen Fortpflanzungs- zellen. Bei den übrigen Chlorophyceen, bei denen die aus den Zygoten in Mehrzahl entwickelten Keimzellen als Schwärmzellen auftreten, sind auch die Gameten Planogameten, und wo ihre Differenzirung als männliche und weibliche Gameten auch in der äusseren Gestalt durchgeführt und die weibliche Gamete bewegungslos geworden ist, haben wenigstens die Spermatozoiden noch die Form von Schwärmzellen behalten. — Bei den Conjugaten lässt sich mit Ausnahme der Desmidiaceen dieser Parallelismus in der Organisation der ungeschlechtlichen Fortpflanzungs- zellen und der Gameten sonst nicht nachweisen, weil ungeschlechtliche Fortpflanzungszellen bei den Conjugaten aus den vegetativen Zellen des Thallus nicht gebildet werden, und mit Aus- nahme der Desmidiaceen aus ihren Zygoten cin Keimling sich entwickelt, dessen Jugendstadium innerhalb der Zygote verläuft. Es haben daher die beiden unbeweglichen Keimzellen der Des- midiaceen-Zygote ein besonderes Interesse als die einzigen Zellen, welche die Zoosporen anderer Chlorophyceen bei den Conjugaten vertreten. Parthenogenese. Wenn zwischen den Gameten einer Alge die Copulation aus irgend welchem Grunde nicht stattgefunden hat, so gehen die Gameten ge- wöhnlich bald zu Grunde. Und namentlich geschieht dies bei solchen Gameten, bei denen der Geschlechtscharakter schon scharf ausgeprägt ist. — Spermatozoiden gehen immer zu Grunde, wenn sie die Befruchtung verfehlt haben, und nur für Scytosiphon und Ectocarpus siliculosus liegen aus neuester Zeit entgegengesetzte Mittheilungen vor. Bei den genannten Algen sind männliche und weibliche I) Vergleiche den Abschnitt »Volvocineen« in Bezug auf die im Wesen gleichen, aber eigenthümlich modificirten Verhältnisse bei dieser Familie. 7 r y - Pe Un a a 7, - “ a > D 206 Die Algen im weitesten Sinne. Gameten beide noch Schwärmzellen, die sich zwar nicht gestaltlich, wol aber functionell wesentlich unterscheiden. Und trotzdem vermögen die männlichen Gameten hier zu sehr schwächlichen Keimpflänzchen sich zu entwickeln. Weniger selten geschieht es, dass die Eier nach verfehlter Befruchtung einen Versuch machen, sich parthenogenetisch weiterzuentwickeln. Bei den Fucaceen beschränkt sich die Entwicklung auf die Bildung einer Membran und im höchsten Falle auf einige wenige Zelltheilungen, nach denen aber das Ei abstirbt. Häufiger und erfolgreicher ist die parthenogenetische Entwicklung bei den Chlorophyceen, wo sie bei Oedogonium und Dulbochaete von PRINGSHEIM und Juranyvı, bei Cyändrocapsa von CIENKOWSKI beobachtet worden ist. Immerhin sind diese Fälle als abnorm zu betrachten. Ihre Verschiedenheit von der Ent- wicklungsweise normaler Zygoten dokumentiren die parthenogenetisch sich ent- wickelnden Eier auch darin, dass die Weiterentwicklung eintritt, ohne dass die Eier ein Ruhestadium eingehen, wie die Zygoten. Ein gleiches Verhalten zeigen auch äusserlich gleichgestaltete Gameten mancher Algen (wie Uleihrix), wahrend anderen die Fähigkeit parthenogenetischer Entwicklung vollständig abgeht. Gegenüber den zahlreichen vereinzelt beobachteten Fällen von Partheno- genese bei den Algen sind besonders hervorzuheben zwei Fälle von partheno- genetischer Entwicklung von Gameten, die dadurch ausgezeichnet sind, dass sie” regelmässiger auftreten und dass die parthenogenetisch sich entwickelnden Gameten in derselben Weise der Ruhezeit bedürfen, wie die aus der Copulation entstandenen Zygoten. Bei den Conjugaten können einzelne Aplanogameten ohne Copulation alle die Veränderungen eingehen, welche die Zygoten durchzumachen haben, und eine solche aus einer einzelnen Gamete hervorgegangene Pseudozygote erscheint äusserlich vollständig gleich normalen Zygoten, wenn auch eine Keimung bei ihnen noch nicht beobachtet worden ist. Die einzige Alge, bei welcher regelmässig die weibliche Gamete ohne Copulation zur ruhenden Pseudozygote wird, ist Chara crinita, von der in Deutschland und Skandinavien nur weibliche Individuen be- kannt sind, während anderwärts auch männliche Individuen vorkommen und muthmasslich die Befruchtung in normaler Weise vollzogen wird. Generationswechsel: Manche Algen besitzen nur eine Fortpflanzung auf geschlechtlichem Wege, wie es bei den Characeen und Fucaceen der Fall ist. Ungeschlechtlicher Fortpflanzungszellen gänzlich entbehrend, erzeugt die die Geschlechtsorgane entwickelnde Pflanze durch Vermittelung der Zygoten direkt wieder eine Tochtergeneration von Geschlechtspflanzen. Die Frage, ob es umgekehrt auch Algen giebt, bei denen niemals Gameten ausgebildet werden und die in ihrer Fortpflanzung allein auf ungeschlechtliche Vermehrung angewiesen sind, lässt sich zur Zeit noch nicht beantworten: von einer Reihe von Algen, bei denen ein Befruchtungsprozess bisher noch nicht hat beobachtet werden können, scheint es freilich gegenwärtig, dass sie sich nur vermittelst Zoosporen fortpflanzen, aber es ist wahrscheinlich, dass bei manchen dieser Algen sich noch mit der Zeit die Zoosporen zum Theil wenigstens als Gameten entpuppen werden. A In den weitaus zahlreichsten Fällen, wo dieselbe Species ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Zoosporen und geschlechtliche Fortpflanzung durch Zygoten besitzt, ist die Entwicklung der Zoosporen und der Gameten auf verschiedene Individuen beschränkt, so dass sich ungeschlechtliche Individuen und Geschlechts- Bi N TER SH a a 3 Ta Eee N N Klasse II. Algen im engeren Sinne. 207 individuen unterscheiden lassen. In diesem Fall erzeugen die Geschlechts- individuen nicht sofort wieder eine Generation von geschlechtlichen Tochter- pflanzen, sondern es wird zunächst eine oder mehrere Generationen von un- geschlechtlichen Individuen erzeugt und erst am Ende dieser Reihe von un- geschlechtlichen Generationen tritt eine neue Gameten bildende Generation auf, welche durch Bildung von Zygoten die Generations-Reihe abschliesst. — Im ein- fachsten Fall stellt sich der Generationswechsel als ein regelmässiges Alter- niren von geschlechtlichen und ungeschlechtlichen Generationen dar, indem das Geschlechtsindividuum durch Vermittlung der Zygoten ungeschlechtliche Individuen erzeugt, die letzteren aber sofort wieder eine Tochtergeneration von Geschlechts- pflanzen erzeugen. Häufiger tritt aber an die Stelle der einen ungeschlechtlichen Generation eine längere Reihe von solchen. — Gewöhnlich füllt ein Generations- cyklus, mit der Keimung der Zygote beginnend und nach einer Reihe von ge- schlechtslos fortgepflanzten Generationen mit der Bildung von Zygoten abschliessend, eine Vegetationsperiode vollständig aus. So verhalten sich die Coleochaeteen, Sphaeropleaceen und Volvocineen, deren Zygoten überwintern. Bei den Vaucheria- ceen und Oedogonieen ist dagegen die Keimung der Zygote in derselben Vege- tationsperiode, in der sie gebildet wurde, beobachtet worden, so dass hier mehrere Generationscyklen in derselben Vegetationsperiode aufeinander folgen können. Erste Unterklasse: Melanophyceen. Die Melanophyceen umfassen nur marine Algen); die habituelle Ueberein- stimmung auf Grund ihrer braunen Färbung, der Bau der schwärmenden Zellen — und zwar sowol der Zoosporen, wie der schwärmenden Gameten — mit ihren zwei seitlich an der Basis des Schnabels inserirten Cilien, die Befruchtung durch Gametencopulation und die Verschmelzung der Gameten ausserhalb der Mutter- pflanze, das sofortige Auswachsen der Zygote sind die wesentlichen Momente, welche die Melanophyceen trotz ihres sehr verschieden gebauten, aber stets viel- zelligen Thallus als Angehörige einer einzigen zusammenhängenden natürlichen Verwandtschaftsreihe erscheinen lassen. Die Vereinigung der Gattungen zu grösseren Gruppen stützt sich im wesentlichen auf die verschiedene äussere Aus- bildung der Fortpflanzungszellen und das verschiedene Verhalten der Gameten bei der Copulation. Da aber bezüglich des letzteren Punktes für sehr viele Gattungen noch jede sichere Angabe fehlt, so steht die Bildung der grösseren Unterabtheilungen der Melanophyceen dermalen noch auf sehr schwachen Füssen. Nur die Fucaceen bilden einen natürlichen in sich abgeschlossenen Kreis von naheverwandten Formen, der neben dem Mangel ungeschlechtlicher Fortpflanzung und neben der Concentrirung der Geschlechtsorgane auf sphärische Einsenkungen des Thallus, auf die Conceptacula, durch die vollständige Bewegungslosigkeit der ausserordentlich grossen weiblichen Gameten charakterisirt ist. — Bei den Cutle- riaceen giebt es neben den ungeschlechtlichen Schwärmzellen zweierlei schwär- mende Gameten, deren verschiedene Geschlechter ähnlich wie bei den Fucaceen l) A. BRAUN hat eine kleine Süsswasseralge (Pleurocladia), die er im Tegeler See bei Berlin entdeckt hat, als Melanophycee bezeichnet, ohne dass mir bekannt wäre, ob sich diese Be- hauptung auf etwas anderes als die Färbung und die Beobachtung von zwei verschiedenen Sporangienformen stützt, da der Autor nichts darüber publicirt hat und die Untersuchung getrock- neten Materiales keinerlei Anhaltspunkte für die Melanophyceennatur besagter Alge bot. Es kann von dem Vorkommen von Melanophyceen im süssen Wasser vorläufig wenigstens ganz abgesehen werden. SCHENgß, Handbuch der Botanik, Bd. II, 14 208 Die Algen im weitesten Sinne. durch sehr bedeutende constante Grössenunterschiede auch äusserlich gekenn- zeichnet sind: die grossen Planogameten sind die weiblichen, sie müssen aber erst ihr Schwärmstadium beendet haben und zur Ruhegekommen sein, bevor sie befruchtungs- fähig sind. Eine dritte Gruppe von allerdings sehr zweifelhaftem Werthe bilden die Tilopterideen, deren Fortpflanzungsverhältnisse noch völlig unbekannt sind. Von den beiden Arten von Fortpflanzungszellen, welche bei ihnen erzeugt werden, be- trachtet man die einen als Spermatozoiden, da sie den männlichen Gameten der Cutleriaceen und Fucaceen ausserordentlich ähnlich sehen. Die anderen Fort- pflanzungszellen werden als Eier bezeichnet, indem sie durch ihre Bewegungs- losigkeit an die weiblichen Gameten der Fucaceen erinnern, wenngleich ihre Ei- Natur durchaus noch nicht erwiesen ist. Im Bau des Thallus sowol wie in der Anordnung der Geschlechtsorgane zeigen sie keinerlei Anklänge an die Fucaceen. — Was von den Melanophyceen nach Hinwegnahme der Fucaceen, Cutleriaceen und Tilopterideen übrig bleibt, kann man als Phaeosporeen zusammenfassen. Allen Phaeosporeen gemeinsam ist die Eigenschaft, dass ihre Fortpflanzungszellen Schwärmzellen sind und dass die sämmtlichen Schwärmzellen einer Species von gleicher Grösse und Gestalt sind, gleichviel ob die Schwärmzellen ungeschlecht- liche Zoosporen oder Planogameten sind. Die Gametennatur der Schwärmzellen ist bisher nur für einige Species constatirt worden; über vier Species liegen zwei Mittheilungen vor, deren Resultate aber nicht ganz übereinstimmen (vgl. unten pag. 218). Die oben gegebene Viertheilung der Melanophyceen muss als eine durchaus künstliche bezeichnet werden, sie wurde aber für die Darstellung der speciellen Verhältnisse der Melanophyceen aus dem praktischen Grunde leichterer Ueber- sichtlichkeit gewählt. In Bezug auf dienatürliche systematische Anordnung, soweit der gegenwärtige Standpunkt unserer Kenntnisse, der dieser rein marinen Pflanzen- gruppe gegenüber ein sehr dürftiger ist, eine solche überhaupt gestattet, sei auf pag. 230 verwiesen. Der Umstand, dass bei den Melanophyceen, deren Befruchtung man kennt, auch die weib- lichen Gameten zur Zeit der Geschlechtsreife sich von dem mütterlichen Organismus ablösen, um im isolirten Zustand befruchtet zu werden und die Leichtigkeit, mit der man unter diesen Verhältnissen die Gameten verschiedenen Geschlechtes von verschiedenen Species in Berührung bringen kann, hat es nahegelegt, die Gameten der Melanophyceen auf die Möglichkeit einer Wechselbefruchtung zwischen nahe verwandten Species mit grösseren Gametenmengen experimentell zu prüfen. 'THURET hat in dieser Richtung an den Fucaceen Versuche angestellt, welche für die Gattungen OzoZhalia, Himanthalia und Zcus nachwiesen, dass die Eier der einen Gattung nicht durch Spermatozoiden der anderen befruchtet zu werden vermögen. Ebenso wenig konnte innerhalb der Gattung Zeus eine Be- fruchtung der Eier von Zucus serratus durch Spermatozoiden von Fucus vesiculosus erzielt werden. Wol aber gelang es umgekehrt, durch Befruchtung von Eiern von Fucus vesiculosus vermittelst der Spermatozoiden von /. serratus entwicklungsfähige Keimlinge zu erhalten und THURET bringt dieses Resultat in Beziehung zu der bekannten variirenden Vielgestaltigkeit des Z, vesicwlosus. Vollständig negative Resultate ergab der Versuch einer Wechselbefruchtung zwischen den beiden Cutleria-Species €. multifida und C. adspersa. Setzt man empfängnissfähigen, zur Ruhe gekommenen Eiern der einen Species lebhaft schwärmende Spermatozoiden der anderen hinzu, so sieht man unter dem Mikroskop die Spermatozoiden ziellos umherirren und endlich absterben, ohne an den Eiern der nah verwandten Species den Befruchtungsprozess vollzogen zu haben. Ganz anders wird das Bild, wenn man auf derartigen Präparaten den Spermatozoiden auch nur ein einziges befruchtungsfähiges Ei derselben Species hinzusetzt. Wenige Augenblicke genügen, um sämmt- liche Spermatozoiden von allen Seiten her, selbst auf eine Entfernung von mehreren Centimetern um das eine Ei zu versammeln. THURET, F&condation des Fucacdes. (Ann. Sc. nat. ser. 4. Tome II. pag. 206.) — FALKENBERG, sefr. u. Gen.-Wechsel v. Cutleria. (Mitth. d. zool. Station zu Neapel. Bd.I., 1878. pag. 425.) 7 Klasse II. Algen im engeren Sinne. 209 1. Ordnung. Fucaceen. Der Thallus der Fucaceen, stets aus massigem Gewebe gebildet, zeigt eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit in seiner Gliederung, die im Falle ihrer höchsten Ausbildung bei der Gattung Sargassum kaum wesentliche Unterschiede gegenüber der Gliederung phanerogamer Gewächse aufweist. Die Annäherung an letztere in Bezug auf den Habitus geht bei Sarg. heterophyllum und Anthophycus longifolius so weit, dass sich zwischen den unteren Blättern und denjenigen der oberen Stengeltheile allmählich in einander übergehende Gestaltunterschiede finden, welche der Formänderung der Phanerogamen-Blätter beim Uebergang von der Laubblatt- in die Hochblattregion entsprechen. In anderen Fällen ist eine Gliederung in Stamm und Blatt gänzlich unterdrückt und der Fucaceen-Körper hat Thallus- Gestalt. Die eigenthümlichste Form nimmt der Thallus bei Zimanthalia lorea an, bei welcher der ganze vegetative Abschnitt der Pflanze aus einer kleinen ge- stielten schüsselförmig vertieften Scheibe besteht. Bei Zormosira ıst der Thallus rosenkranzförmig entwickelt, indem er abwechselnd kugelig angeschwollen und zwischen diesen Anschwellungen stark zusammengezogen ist. Bei anderen Fuca- ceen ist der Thallus cylindrisch oder mehr oder weniger bandförmig flach aus- gebildet. Im letztern Falle tritt er bald mit, bald ohne deutlich vorspringende Mittelrippe auf und seine wiederholt dichotomischen Gabeläste liegen sämmtlich in einer Ebene. Complicirt wird die habituelle Mannigfaltigkeit des Fucaceen- Thallus durch zwei Umstände, nämlich durch die Entwicklung von blasenförmigen Hohlräumen bei vielen Gattungen und durch die Veränderungen, welche das Auftreten der Geschlechtsorgane an den fertilen Partieen des Thallus hervorruft. Das Gewebe des Fucaceenthallus bestent zu einer gewissen Zeit aus einer centralen Masse langgestreckter Zellen, dem Markgewebe, das von einer aus etwa isodiametrischen Zellen gebildeten Rinde umgeben wird. Die jedesmal äussersten Zellen dieser Rinde sind theilungsfähig und bewirken das längere Zeit andauernde primäre Dickenwachsthum des Thallus. Indem die oberflächlichen Rindenzellen sich nicht nur durch tangentiale Wände theilen, sondern nach Bedürfniss auch durch radiale Wände gefächert werden, nimmt die Grösse der einzelnen Rinden- zellen im ausgewachsenen Thallus von innen nach aussen ab, während umgekehrt die Zahl der radialen Zellreihen, welche aus dem Theilungsprozess, der ober- flächlichen Zellen hervorgehen, gegen die Peripherie des Thallus hin beständig zunimmt. Die innersten Rindenschichten, welche an das Markgewebe unmittelbar angrenzen, werden später der Ausgangspunkt weiterer Entwicklungsvorgänge: durch seitliche Ausstülpung erzeugen sie fadenförmige Aeste vom Habitus der Pilzhyphen. Diese wachsen, unterstützt durch die gallertartige Beschaffenheit der älteren Zellwände der Fucaceen, zwischen die Zellen des Markgewebes hinein, indem sie diese auseinander drängen, so dass die isolirten Markzellen schliesslich durch ein dichtes Gewirr von Hyphenfäden von einander getrennt sind. Die so be- wirkte Volumenzunahme des centralen Theiles, das secundäre Dickenwachsthum des Thallus, führt aber schliesslich dahin, dass auch die Zellen der innersten Rindenschicht auseinander gedrängt werden, während der Hyphenbildungsprozess auf die nächst äusseren Rindenschichten, welche noch ihren Zusammenhang wahren, sich fortsetzt. — Der Längenzuwachs des Fucaceenthallus!) scheint stets !) Knv, Ueber echte und falsche Dichotomie. II. (Bot. Zeitung. 1872, pag. 699.) — ROSTAFINSKI, Beiträge z. Kenntniss der Tange. Heft I. 1876. — Knv, Das Scheitelwachsthum 14* 210 Die Algen im weitesten Sinne. durch einen terminal gelegenen Vegetationspunkt bewirkt zu werden und zwar schliesst sich das Spitzenwachsthum, soweit es bei den Fucaceen bekannt ist, zwei verschiedenen Typen an. Die einen Gattungen wie Cyszoseira, Sargassum, Halidrys, Himanthalia, wachsen mittelst einer tetraedischen Scheitelzelle, deren Segmentirung parallel zu den drei Längswänden der Scheitelzelle erfolgend, derjenigen der Equisetumscheitelzelle entspricht.!) Der zweite Wachsthumstypus wird repräsentirt durch diejenigen Gattungen, welche mittelst einer aus gleichwerthigen Initialen be- stehenden Scheitelkante wachsen. Bei /ucus zeigen diese Initialen, die hier in Form vierseitiger abgestutzter Pyramiden in einer Reihe neben einander liegend mit ihren Gipfeln den Grund der spaltenförmigen Vertiefung der Thallusspitze einnehmen, nach Rostarınskt's Angaben eigenthümliche Segmentirungsverhältnisse. Es werden in ihnen abwechselnd basale Segmente (parallel zur Grundfläche der pyramidalen Initiale) und seitenständige Segmente (parallel zu den Seitenflächen) abgeschnitten. Die basalen Segmente liefern nur Markzellen, während aus den seitlichen Segmenten im wesentlichen die Rinde sich aufbaut; doch können die untersten Theile der Seitensegmente auch zur Bildung von Markzellen verwendet werden. Die Verzweigung der thallösen Fucaceen, die bisher allein daraufhin unter- sucht worden sind, geht aus einer Dichotomirung des Vegetationspunktes hervor, gleichviel ob letzterer durch eine Scheitelzelle (Z/imanthalia) oder durch eine Scheitelkante (Fwcus) repräsentirt wird. Durch schwächere Ausbildung eines Gabelastes kann später der Anschein einer monopodialen Entwicklungsweise des Thallus mit seitlicher Verzweigung hervorgerufen werden. Ausser dieser nor- malen, aus dem Vegetationspunkt stattfindenden Verzweigung kommt noch die Bildung adventiver Sprosse bei den Fucaceen vor, die namentlich häufig an den fleischigen basalen Haftscheiben sich geltend macht, mit denen die Fucaceen- pflanzen gewöhnlich am Substrat befestigt sind. Nach REınkE erfolgt die Anlage der Adventivsprosse endogen und zwar geht dieselbe von Hyphenfäden aus. Die blasenförmigen Hohlräume des Fucaceenthallus, welche nach Rosanorr reinen Stickstoff enthalten, stellen die einzigen Intercellularräume im Thallus der Fucaceen überhaupt dar: bei ihrer Entstehung wird durch die Aus- scheidung des Gases das umgebende Gewebe mit seinen gallertigen Membranen auseinander getrieben und zusammengedrückt. Bei thallösen Fucaceen-Formen erscheint die Ausbildung der Blasen nicht auf bestimmte Abschnitte des Thallus beschränkt und die Blasen treten hier unter der Form runder oder ovaler Auf- treibungen des Gewebes auf. Bei anderen Gattungen, die sprossartige Gliederung zeigen, werden bestimmte kurze Seitenästchen blasenförmig aufgetrieben, so dass dieselben die Gestalt gestielter Beeren annehmen (Sargassum). In Bezug auf die physiologische Deutung der Blasen wird angenommen, dass dieselben bei den oft sehr bedeutenden Dimensionen des Fucaceenthallus (ebenso wie bei gewissen Phaeosporeen aus der Familie der Laminarieen) als Schwimmorgane zu dienen haben. Die Bildung des sogenannten Sargasso-Meeres in der nördlichen Hälfte des atlantischen Oceans wird wesentlich durch die Schwimmblasen der Sargassen ermöglicht. Die durch Stürme an der amerikanischen Küste abgerissenen Sargassum-Theile werden durch die Strömungen auf die an der Oberfläche schwimmend — hohe See hinausgetrieben und sammeln sich schliesslich einiger Fucaceen. (Bot. Zeitung 1875. pag. 450.) — REINKE, Ein paar Bemerkungen üb. Scheitel- wachsthum bei Dictyotaceen und Fucaceen. (Bot. Zeitung 1877. pag. 457.) !) Bei Pelvetia ist zwar eine sogenannte Scheitelzelle vorhanden, in der aber eine regel- mässige Segmentirung bisher nicht hat beobachtet werden können. Klasse II. Algen im engeren Sinne. 211 in dem strömungsarmen Theile des atlantischen Oceans zwischen dem Golfstrom und der von der afrikanischen Nordwestküste zur südamerikanischen Nordküste verlaufenden Strömung in oft beträchtlichen Mengen an. Einer weiteren Entwicklung sind diese schwimmenden Fragmente aber nicht fähig, sondern sie gehen langsam zu Grunde. Die Fortpflanzung der Fucaceen findet durch Zygoten statt, die aus der Befruchtung ruhender Eier durch schwärmende Spermatozoiden hervorgehen und deren Bildung an den europäischen Küsten meist im Laufe des Winters erfolgt. Die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane entstehen in Conceptakeln (Fig. 7 D, welche in ihrer Structur so vollständig mit den sogenannten Faser- grübchen übereinstimmen, dass diese letzteren direkt als sterile Conceptacula betrachtet werden können. Als Faser- grübchen bezeichnet man sphärische bis ellipsoidische Hohlräume, welche dem Rindengewebe des Thallus eingesenkt sind und nur durch eine kleine Mündungs- öffnung mit dem umgebenden Wasser communiciren. Von dem kleinzelligen lockeren Gewebe, welches die Wand des - Fasergrübchens bildet, erheben sich zahl- reiche aus einer einzigen Zellreihe gebildete Fäden, die Sprossfäden oder Paraphysen, welche gegen die Mündung des Faser- grübchens hin convergiren und sich zum Theil unter der Form eines Haarbüschels aus dieser noch über die Thallusober- fläche erheben. Bei den fertilen Concep- takeln (Fig. 7 I) treten auf der innern Wand der Höhlung neben den Paraphysen, die hier nur wenig oder gar nicht aus der Mündung hervorzuragen pflegen, noch Fig. 7. (B. 198) die Fructificationsorgane in Form von I Weibliches Fucaceen - Conceptaculum im Längsschnitt schematisch. — II Antheridien Oogonien und Antheridien auf. — 5 (a) tragendes Haar von Ozofhalia nodosa. — Die Bildung der Hohlräume der Con- III Ausgestossener Inhalt des Antheridiums. — ceptacula beziehentlich der Fasergrübchen wird IV Spermatozoid. — V Oogonien von Ozothalia in unmittelbarer Nähe des Vegetationspunktes ° mit Eiern, o, entleert. — VI Die vier aus- i i : gestossenen Eier von gallertiger Membran zu- nach BOWER dadurch eingeleitet, dass eine der sammengehalten. — VII Ein isolirtes Ei von radialen Zellreihen, welche die oberflächlichen Spermatozoiden umschwärmt. (IT—VII nach Partieen der Rinde bilden, ihr Wachsthum sistirt THURET.) und schliesslich zu Grunde geht. Der dadurch entstehende anfangs kurzeylindrische Kanal er- weitert sich später zu flaschenförmiger bis kugeliger Gestalt unter lebhafter Theilung derjenigen Zellen, welche die abgestorbene Zellreihe begrenzten. BOWER, On the Development of Concep- tacle in the Fucaceae. (Quart. Journ. of Microscop. Science. January. 1880.) Männliche und weibliche Fructificationsorgane sind bei manchen Fucaceen in demselben Conceptaculum vereinigt nnd dann stehen sie entweder regellos zwischen den Paraphysen vertheilt (HZalidrys, Pelvetia, Carpoglossum, Myriodesma, Fucus platycarpus) oder aber die Oogonien nehmen den Grund des Conceptacu- lums ein, während die Antheridien seinen oberen Theil in der Nähe der Mündung bekleiden (Cystosira fibrosa, Cyst. discors, Pycnophycus). Bei andern Fucaceen sind die Conceptacula eingeschlechtig (ZZimanthalia, Ozothalia, Fucus serratus, 212 Die Algen im weitesten Sinne. F. vesicwlosus, F. ceranoides) und die Entwicklung männlicher und weiblicher Conceptacula findet dann gesondert auf verschiedenen Pflanzen statt. Die fertilen Conceptacula stehen entweder gleichmässig über den ganzen Thallus oder doch über grosse Theile desselben vertheilt (Spachnidium, Durvillaea, Myriodesma) und dann finden sich auch Conceptacula auf solchen Abschnitten des Thallus welche durch Gasausscheidung zu Schwimmblasen erweitert sind (Cystos. fibrosa). Oder aber sie concentriren sich auf die fleischig verdickten Spitzen des Thallus, während sie an den unteren Theilen desselben durch spär- licher gestellte Fasergrübchen vertreten werden (Fucus, Ozothalia, Pycnophycus, Felvetia). Bisweilen unterscheiden sich auch die fertilen Thallusabschnitte ausser durch ihre fleischige Verdickung noch durch besondere, oft schotenförmige Ge- stalt (alidrys, Scytothalia, Blossevillea),. Am weitesten geht aber der Gestalts- unterschied zwischen dem sterilen und dem fertilen Abschnitte des Thallus bei Himanthalia lorea: hier besteht der sterile Theil des Thallus aus einer kleinen schüsselförmig vertieften Scheibe, während der mit Conceptakeln besetzte Theil des Thallus bis zu 3 Meter Länge riemenförmig entwickelt und wiederholt ge- gabelt aus dem Grunde der Schüssel hervorragt. Bei den schärfer gegliederten Formen von Sargassum beschränkt sieh das Auftreten der Conceptacula auf bestimmte blattachselständige Zweigsysteme, so dass der fructificirende Theil der Pflanze den Habitus einer zusammengesetzten Inflorescenz annehmen kann. Die männlichen Geschlechtsorgane oder Antheridien der Fucaceen sind in grösserer Anzahl reichverzweigten, aus einer Zellreihe gebildeten Fäden (Fig. 7 I) inserirt, an deren Verzweigungen sie terminal stehen. Die Antheridien haben läng- lich ovale Form, sind einfächerig und entwickeln in ihrem Innern zahlreiche birn- förmige Spermatozoiden (Fig. 7 IV), die einen rothen Pigmentfleck und zwei seitlich unter der schnabelförmigen Spitze inserirte Cilien besitzen. Wenn die Wand des reifen Antheridiums sich an seiner Spitze öffnet, um die Spermatozoiden austreten zu lassen, so bleiben die letzteren bei manchen Gattungen (Zucus, zothalia, FPelvetia, Himanthalia) zunächst nach ihrem Austritt noch von der innersten Lamelle der Antheridienmembran eingeschlossen (Fig. 7 II), in andern Fällen (bei Yalidrys, Pycnophycus, Cystosira) werden die Spermatozoiden sofort nackt aus den Antheridien ausgestossen, wenngleich sie auch hier noch kurze Zeit zu einer traubenförmigen Masse vereinigt bleiben. In beiden Fällen gelangen die Spermatozoiden bald hinaus ins Freie, indem die gegen die Mündung des Con- ceptaculums reusenartig zusammenneigenden Paraphysen ihnen gewissermassen den Weg vorschreiben. Die Entleerung der reifen Antheridien (ebenso wie der Oogonien) wird bei denjenigen Fucaceen, deren Standort zur Ebbezeit freigelegt wird, durch den Wasserverlust des Gewebes während der Ebbezeit befördert. Die während der Ebbe ausgetretenen Spermatozoiden sammeln sich in grossen Mengen vor der Mündung des Conceptaculums an, um bei wieder eintretender Benetzung durch die steigende Fluth auseinander zu schwärmen. Die weiblichen Geschlechtsorgane, die Oogonien (Fig. 7 V), entstehen aus der Endzelle unverzweigter zweizelliger Fäden, welche die Wand des Concep- taculums bekleiden. Die untere Zelle des Fadens fungirt als Stiel, der bisweilen so kurz ist, dass die Oogonien der Wand des Conceptaculums unmittelbar auf- zusitzen scheinen. Der Inhalt des Oogoniums bleibt entweder ungetheilt und formt sich zu einem einzigen Ei um (Pycnophycus, Himanthalia, Cystosira) oder er zerklüftet sich in zwei (Felvetia), vier (Ozothalia), oder acht Theile (Zueus), * et Pay Er Klasse II. Algen im engeren Sinne. 213 die Eier. Solange die Eier noch im Oogonium sich befinden, füllen sie den Hohlraum desselben vollständig aus, (Fig. 7 Vo). Sobald aber die äusserste Oogoniumwand gesprengt ist und die Eier nur noch von der leicht quellbaren innersten Wandlamelle umgeben aus dem Oogonium ausgestossen sind (Fig. 7 V o, u. VD), beginnen die bis dahin durch gegenseitigen Druck polyedrischen Eier sich abzurunden. Die sie noch umhüllende gemeinsame Membranlamelle wird entweder gesprengt (Zwcus) oder löst sich bald vollständig im Wasser auf (Ozothalia), so dass die nunmehr befruchtungsfähigen unbeweglichen Eier frei daliegen. Nur bei Zeivetia bleibt die gemeinsame Umhüllung als eine persistirende Gallertschicht erhalten, welche die beiden Eier umschliesst ohne indessen den Zutritt der Spermatozoiden zu den Eiern zu verhindern. Um das befruchtungsfähige membranlose Ei versammeln sich nunmehr die Spermatozoiden (Fig. 7 VII) und legen sich bisweilen an dasselbe in so grosser Anzahl an, dass sie nicht selten durch ihre Bewegungen das Ei in Rotation versetzen, obwol nach THureEr’s Schätzung das Volumen der Eier von Zucus serratus etwa demjenigen von 30—60000 Spermatozoiden gleichkommt. Die Form des Befruchtungsactes selbst zu constatiren haben die bedeutenden Dimensionen der Eier und die in Folge ihrer Pigmentirung damit verknüpfte Undurchsichtigkeit bisher verhindert. Dass aber eine Befruchtung stattfinden muss, ist experimentell ausser Frage gestellt: Eier, die dem Contact mit Spermatozoiden entzogen werden, vermögen sich nicht weiter zu entwickeln und sterben meist ab, ohne sich auch nur mit fester Membran umhüllt zu haben. Solche Eier da- gegen, die nicht isolirt werden, umgeben sich stets mit Membran und documen- tiren durch die bald in ihnen auftretenden Zelltheilungen ihre Fähigkeit zu weiterer Entwicklung. — Ueber die Art der Einwirkung der Spermatozoiden auf das Ei sind von THURET und PRINGSHEIM verschiedene Ansichten ausgesprochen worden: nach THURET soll die Befruchtung durch blossen Contact der Sperma- tozoiden und der Eier zu Stande kommen. Alle sonstigen Erfahrungen in Be- treff des Befruchtungsvorganges bei den Algen lassen aber darauf schliessen, dass in der That — wie PRINGSHEIM es annahm — eine vollständige Verschmelzung von Spermatozoiden mit dem Ei stattfindet. Eine andere Frage ist die, ob die Befruchtung eines Eies nur durch ein Spermatozoid oder durch mehrere bewirkt wird. Nach PRrInGsHEIM findet das letztere statt und diese Annahme ist auch deswegen wahrscheinlich, weil die ganze Oberfläche des Fucaceen-Eies in gleicher Weise für die Einwirkung von Spermatozoiden empfänglich zu sein scheint, während bei anderen Algen die Empfängnissfähigkeit auf einen bestimmt um- schriebenen, äusserlich unterscheidbaren Theil der Oberfläche eingeschränkt ist. THURET, recherches sur la fecondation des Fucacees. (Ann. des Sc. nat. ser. 4. Tome 2.) — PRINGSHEIM, Ueb. die Befruchtung und Keimung der Algen und das Wesen des Zeugungsactes. (Monatsber. d. Berlin. Akad. 1855.) Die durch den Befruchtungsact gebildete membranumhüllte Zygote der Fucaceen entwickelt sich sofort weiter ohne ein Ruhestadium einzugehen. Sie verliert zunächst ihre Kugelgestalt und wird birnförmig, wobei das schmälere Ende des Keimlings der Basis des künftigen Thallus entspricht. Die obere Endzelle des Keimlings, der anfangs aus einer einfachen Zellreihe besteht, zerfällt zunächst in vier Quadrantenzellen, aus deren weiteren Theilungspro- dukten sich die in Mark und Rinde gegliederte Gewebemasse des eigentlichen Thallus aufbaut, während aus den basalen Zellen, dem Prothallus RosTArınskt's, das spätere Haftorgan des Thallus hervorgeht. Nachdem der Keimling etwa 214 Die Algen im weitesten Sinne. 3—ı Millim. Länge erreicht hat, pflegt auf dem allmählich schüsselförmig sich vertiefenden Gipfel ein Büschel von haarförmigen Zellfäden aufzutreten, und die Entwicklung des Keimlings verlangsamt sich ausserordentlich. Ueber dieses Stadium hinaus ist leider die Untersuchung der weiteren Entwicklungsgeschichte der Fucaceenkeimlinge resultatlos gewesen: es ist noch nicht geglückt die Art und Weise festzustellen, in welcher aus den anfangs gleichwerthigen Zellen auf dem Scheitel des Keimlings die Scheitelzelle oder die Mehrzahl von Initialen sich constituirt. Da die Haarbüschel aber zweifellos in den meisten Fällen terminal auftreten und den ganzen Gipfel des Keimlings für ihre Bildung absorbiren, so ist es wahrscheinlich, dass die Anlage des neuen Vegetationspunktes nicht terminal erfolgt. Nicht unmöglich wäre es sogar, dass jene Fucaceenkeimlinge, deren Gipfel ein Haarbüschel erzeugt hat, überhaupt weiterer Entwicklung unfähig sind: wenigstens wird an älteren /wcus-Sprossen häufig das Erlöschen der Thätigkeit des Vegetationspunktes von dem Auswachsen seiner Zellen zu Sprossfäden und einer Umwandlung des ganzen Thallusgipfel zu einem Fasergrübchen begleitet. Trotz dieser Lücken unserer Kenntniss des Entwicklungsganges der Fuca- ceen gestatten doch die ältesten Stadien der Fucaceenkeimlinge, die man kennt, den Schluss, dass aus der Zygote direkt wieder der Geschlechtsorgane tragende Thallus hervorgeht, zumal bei dem Mangel jeglicher ungeschlechtlichen Fort- pflanzungszellen die Möglichkeit eines Generationswechsels ausgeschlossen ist. 2. Ordnung. Cutleriaceen. Die kleine Ordnung der Cutleriaceen, gebildet aus den Gattungen Cxderia und Zanardinia ıst charakterisirt durch constant verschieden grosse Planogameten, von denen die grossen weiblichen vor der Befruchtung zur Ruhe kommen. — Im Gegensatz zu den Fucaceen besitzen sie auch ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Zoosporen. Der Geschlechts-Organe entwickelnde Thallus ist bei beiden Gattungen ziemlich gleich gebaut; er unterscheidet sich wesentlich nur dadurch, dass bei Cuzleria der Thallus aufrecht wächst und Antheridien und Oogonien auf verschiedenen Exemplaren auftreten, während er bei Zanardinia monöcisch ist und auf der Unterseite Wurzelhaare bildend dem Substrat aufliegend kriecht. Letzterer Umstand bedingt bei Zanardinia auch ın der anatomischen Structur und in der Vertheilung der Geschlechtsorgane Cutleria gegenüber Abweichungen. Der fleischige Thallus ist bei beiden Gattungen mehrschichtig, flach und rippenlos, fächerförmig ausgebreitet; bei Cwieria gewöhnlich durch radial ver- laufende, vom Vorderrande mehr oder weniger tief eindringende Einschnitte unregelmässig in zahlreiche breitere oder schmalere Streifen gespalten. Der Zuwachs des Thallus erfolgt an seinem freien Vorderrand aber nicht durch randständige Initialen. Das Thallusgewebe löst sich vielmehr am Rande fransenförmig in zahlreiche einzelne Zellfäden auf (Fig. 8I), die in etwa drei oder vier Schichten übereinander liegen. Jeder dieser Randfäden hat in seinem unteren Theile seinen eigenen Vegetationspunkt, dessen Lage an den noch dicht gedrängt stehenden jüngsten Zellwänden sofort zu erkennen ist. Die Zellen, welche in diesen Partialvegetationspunkten angelegt werden, dienen auf der dem freien Ende des Fadens zugewendeten Seite der Verlängerung des freien Fadenendes, das von seiner Spitze her in beständigem Absterben begriffen ist. Die Zellen, welche der Vege- tationspunkt gegen die Basis des Fadens hin abgliedert, dienen dem Zuwachs des Thallusgewebes, das in seinen ersten Anfängen dadurch zu Stande kommt, „ur 2 . a AR bei e ac Z ME “ ae . { Klasse II. Algen im engeren Sinne. 215 dass die neu zuwachsenden Basaltheile der Randfäden seitlich mit einander auf das innigste verwachsen. Indem die Verwachsung zwischen benachbarten Faden- gruppen in unregelmässiger Weise unterbleibt, kommen bei CwXeria die unregel- mässigen Einschnitte des Thhallus zu Stande. Anfangs lassen sich die Grenzen der aus einem Vegetationspunkt hervorgehenden Zellcomplexe noch deutlich erkennen, an denälte- ren Partien des Thal- lus werden sie aber jn demselben Maasse undeutlicher, wie die genau-radiale Anord- nung der Zellreihen verwischt wird, und der ganze Bau des Thallus lässt in nichts mehrdaraufschliessen, dass er aus der Ver- schmelzung isolirter Zellreihen hervorge- gangen ist. Schon früh, und zwar zum Theil schon an den noch nicht verwach- senen Partieen der Randfäden treten die ersten Längstheilun- gen in den jungen Zellen auf. Die weite- ren Theilungen be- schränken sich auf die oberflächlichen Zellen des Thallus und führen zur Bildung einer aus kleineren Zellen be- stehenden Rinde, die (B. 199.) bei Cuieria gleich- I Theil des Vegetationspunktes von Zanardinia mit sechs Partialvege- ugs tationspunkten. — JI Antheridien. — III Oogonien von Cuileria muul- en en Lifida En: entleert. — IV Spermatozoid (a) und schwärmendes Ei von Thallus ausgebildet Cuzzeria (b). — V Zur Ruhe gekommenes Ei im Moment der Be- ist, bei dem kriechen- fruchtung. — VI Zygote (a) und ihr erstes Keimungsstadium (b). — 2.8 VII keulenförmiger Keimling. — VII desgleichen mit seitlichem, den Zanardinia-Thal- kriechendem Flachspross. — IX acht Monate alte, in der Cultur eı- lus dagegen nur auf zogene Keimpflanze mit keulenförmigem Fuss und flachem vielver- der freien Oberseite zweigtem Aglaozonia-Spross. — X Vegetationspunkt der aus Cutlerio- - Zygoten erzogenen Aglaozonia-Sprosse. — XI Zoosporangien von zur Entwicklung ge- Zanardaia langt. Bei Ausbildung der Rinde wird bereits nicht mehr auf die Entstehung des Thallus aus einzelnen Zellreihen Rücksicht genommen, sondern das Thallusgewebe bereits als Ganzes betrachtet. Bei der fächerförmigen Entwicklung des Thallus geht mit der Verlängerung desselben auch eine Verbreiterung seines Vorderrandes, an dem der Zuwachs 216 Die Algen im weitesten Sinne. stattfindet, Hand in Hand, und zu dieser Verbreiterung des Vorderrandes bedarf es einer Vermehrung der randständigen Zellfäden, welche die Partial-Vegetations- punkte enthalten. Die neuen Randfäden werden als Aeste der schon vorhande- nen angelegt und zwar sind es die noch ungetheilten jüngsten Segmente unmittel- bar unterhalb eines Vegetationspunktes, welche derartige Seitenäste erzeugen. Die Geschlechtsorgane entwickeln sich aus oberflächlichen Rindenzellen und können deshalb bei Zanardinia nur auf der Oberseite des Thallus vorkommen. Männliche und weibliche Organe sind von walzenförmiger Gestalt und mehr- fächerig, indessen geht bei den Oogonien die Theilung nicht weit, so dass sie (Fig. 8 III) immer sehr viel weniger und grössere Fächer als die Antheridien (Fig. $ II) zeigen. Die Fächer liegen regelmässig stockwerkartig übereinander geordnet und zwar besteht jedes Stockwerk bei den Oogonien aus vier, bei den zahlreicheren Stockwerken der Antheridien aus zwei Zellen. Die weiblichen Gameten (Fig. 8 IV b) werden einzeln, die männlichen (Fig. 8 IV a) gewöhnlich zu achten in einer Zelle gebildet. Bei beiden Formen von Geschlechtsorganen öffnen sich die Fächer einzeln nach aussen, um die Planogameten austreten zu lassen. Die Geschlechtsorgane stehen bei CwZleria — ähnlich wie die Antheridien der Fucaceen — zu mehreren an Zellfäden inserirt, die zu. büschelförmigen Soris vereinigt sind. Diese Zellfäden sind bei den Antheridien tragenden Pflanzen von Cutleria viel reicher verzweigt als bei den weiblichen, gegen den Rand des Sorus werden aber die Zellfäden weniger verzweigt und die äussersten Gechlechtsorgane des Sorus sitzen auch wol direkt der Rinde des Thallus auf. Bei Zanardinia ist die Verzweigung dieser Zellfäden auf ein Minimum beschränkt, zeigt aber doch einen ähnlichen Unterschied zwischen den Trägern männlicher und weib- licher Geschlechtsorgane wie bei Cw#eria. Männliche und weibliche Geschlechts- organe finden sich bei Zanardinia in demselben Sorus neben einander: die Oogonien stehen terminal auf unverzweigten längeren Fäden, die nur als Stiel des Oogoniums erscheinen; die kurzen Fäden mit männlichen Ge schlechtsorganen sind aber gewöhnlich verzweigt und tragen meist zwei gabelig gestellte Antheridien. Die ungeschlechtliche Generation entspricht bei Zanardinia in ihrem Bau völlig der Geschlechtsgeneration, nur dass die Rindenzellen an Stelle von Geschlechtsorganen einfächerige Zoosporangien (Fig. 8 XI) entwickeln, aus denen 4—6 Zoosporen hervorgehen, die an Grösse zwischen den beiden Gameten- formen die Mitte halten. Bei Cutleria geht dagegen aus der Zygote eine ungeschlechtliche Generation her- vor, welche in wesentlichen Punkten von dem aufrechten Geschlechtsthallus abweicht. Die keimende Zygote (Fig. 8 VI b) entwickelt sich zunächst zu einem keulenförmigen Gewebekörper (Fig. 8 VII), an welchem später seitliche flache Aeste (Fig. 8 VII) entstehen, welche kriechen und ein ganz anderes Wachsthum zeigen als die Ge- schlechtsgeneration. Der Vegetationspunkt besteht nämlich nicht aus randständigen Fäden, sondern wird durch eine zusammenhängende Reihe randständiger Initial- zellen gebildet, die durch pericline und nöthigenfalls durch radiale Wände ge- theilt werden. Zoosporen sind an diesen Keimpflanzen noch nicht beobachtet worden, die Entwicklung derselben an den kriechenden Flachsprossen nach Analogie derjenigen bei Zanardinia erscheint bei der nahen Verwandtschaft zwischen Cutleria und Zanardinia aber nothwendig, um die Entstehung einer neuen Ge- schlechtsgeneration zu ermöglichen, Unter diesen Umständen ist es im höchsten Klasse II. Algen im engeren Sinne. 217 Grade wahrscheinlich, dass die bisher als selbständiges Cutleriaceen-Genus betrachtete Gattung Aglaozonia sich aus den ungeschlechtlichen Generationen der verschiedenen CxXeria-Species zusammensetzt. In vegetativer Beziehung stimmen die bisher allein bekannten ausgewachsenen Aglaozonien in allen Details so voll- ständig mit den Flachsprossen der aus Cwileria-Zygoten erzogenen Keimlinge über- ein, als dies überhaupt zwischen jungen und erwachsenen Pflanzen möglich ist. Zudem erfüllt Aglaozonia in jeder Hinsicht alle Anforderungen, welche man an die ungeschlechtliche Generation von Cwileria stellen kann: sie besitzt Zoosporan- gien, die man an den aufrechtwachsenden CxZeria-Pflanzen bisher vergebens ge- sucht hat, und zwar stimmt die Art ihrer Entstehung und ihre Form genau mit der von Zanardinia überein, so dass die Abbildung Fig. 8 XI ebensowol für Aglaosonia als für Zanardinia gelten kann. Wie es von einer geschlechtslosen Cutleria-Generation nicht anders zu erwarten ist, entbehren die ‚Igdaozonia-Sprosse jeder Andeutung von Geschlechtsorganen. Neben der geschlechtlichen Fortpflanzung durch Zygoten und der unge- schlechtlichen durch Zoosporen kommt bei Zanardinia noch eine Vermehrung durch Sprossung vor. An den ältesten, fast schwarzen, lederartigen Thallus- stücken von Zanardinia vermögen kreisförmig umschriebene Gruppen ober- flächlicher Rindenzellen gleichzeitig zu Zellfäden auszuwachsen. Eine solche Fadengruppe bildet ein flaches, kurz gestieltes, rundes Schüsselchen mit ge- franstem Rand, das in der oben beschriebenen Weise mittelst zahlreicher Partialvegetationspunkte wachsend zu einer neuen Thallusscheibe sich ent- wickelt. Durch Vermoderung des Mutterthallus werden diese jungen Sprosse frei. THURET, Sur les Zoospores des Algues et les antheridies des eryptogames. (Ann. Sc. nat. ser. 4. Tome XIV. XVIL) — REINKE, Entwicklungsgeschichtliche Unters. über die Cutleriaceen des Golfes von Neapel. (Nova Acta Caes. Ac. Leop. Carol. Band XI.) — FALKENBERG, Die Be- fruchtung u. d. Generationswechsel von Cutleria. (Mitth. d. Zool. Stat. zu Neapel. Bd. I. 1878.) 3. Die Gruppe der Phaeosporeen. Die Thatsache, dass bei den Phaeosporeen die Fortflanzungszellen nur unter der Form von Schwärmzellen auftreten, unterscheidet diese Gruppe zwar genügend von den Fucaceen, und der Umstand, dass die Schwärmzellen einer Art — wenn auch oft in verschieden gebauten Organen erzeugt — sämmitlich äusserlich an Gestalt und Grösse gleich sind, genügt auch, um zwischen ihnen und den Cutleriaceen eine scharfe Grenze ziehen zu können: aber für die Ein- heitlichkeit der Phaeosporeen als einer Gruppe, welche gleichwerthig neben die Fucaceen oder die Cutleriaceen gestellt werden könnte, beweist die Gleich- förmigkeit der Schwärmzellen noch Nichts. Denn die äusserlich gleichen Schwärmzellen sind zum Theil ungeschlechtliche Zoosporen, für andere ist da- gegen die Gametennatur sicher nachgewiesen. Bei dem vollständigen Dunkel, das den Lebensgang der einzelnen Species bisher bedeckt, ist das Band, welches die Phaeosporeen als ein Ganzes zusammenhält, als ein rein äusserliches zu be- trachten. Es ist aber um so mehr wahrscheinlich, dass die Phaeosporeen in Zukunft definitiv in eine Anzahl von Familien vom Werth der Fucaceen oder wenigstens der Cutleriaceen werden aufgelöst werden müssen, als auch die Vegetationsorgane der Phaeosporeen eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit in ihrem Bau und ihrer Entwicklungsweise besitzen. Die letzteren Verhältnisse liefern daher auch lediglich die Merkmale, auf welche die Begrenzung der Phaeosporeenfamilien zur Zeit begründet ist, 218 Die Algen im weitesten Sinne. Die Thallustheile, in denen die Schwärmzellen erzeugt werden, bezeichnet man vorläufig durchweg als Sporangien ohne Rücksicht auf die Gametennatur ihrer Produkte bei einigen Species. Nach ihrem Bau lassen sich sämmtliche Sporangien der Phaeosporeen eintheilen in einfächerige oder uniloculäre Spo- rangien (ehemals Oosporangien THURET) und in mehrfächerige oder pluriloculäre Sporangien (Trichosporangien 'THURET), wenngleich es Fälle giebt, wo die Ent- scheidung schwer ist, ob man es mit einem pluriloculären Sporangium oder einer Gruppe von uniloculären Sporangien zu thun hat (Ectocarpeen, Mesogloeaceen, Arthrocladia). Der Austritt der Schwärmzellen erfolgt im uniloculären Sporangium je nach der Lage desselben auf seiner Spitze oder, wo es durch seine Stellung im Thallus bedingt wird, seitlich (Zefocarpus sectio Piayella). Bei mehrfächerigen Sporangien erfolgt die Entleerung entweder so, dass sich die Fächer einzeln öffnen (Disco- sporangium, Castagnea, Arthrocladia) oder aber es bildet sich auf dem Scheitel des Sporangiums eine Oeffnung, durch welche die Schwärmzellen aller Fächer aus- schlüpfen. Bei der Entleerung pluriloculärer Sporangien durch eine terminale Oeffnung muss daher das Ausschlüpfen der Schwärmzellen von einer successiven Auflösung der inneren Membranen begleitet sein, durch welche das Sporangium in Fächer getheilt ist. Damit steht im Zusammenhang, dass die Schwärmzellen solcher pluriloculärer Sporangien, z. B. bei Zefocarpus, in reihenweis geordnetem Zuge, eine hinter der anderen, das Sporangium verlassen, wie die Auflösung der Scheidewände von der Spitze gegen die Basis des Sporangiums fortschreitet. Seltener erfolgt die Auflösung der Fächerungswände, wie bisweilen bei den Sphacelariceen, schon lange vor der Oeffnung des Sporangiums. — Nähere Angaben über Form und Entstehung der Sporangien finden sich unten bei den einzeln besprochenen Gruppen. Manche Phaeosporeen besitzen nur eine Form von Sporangien, die ent- weder, wie bei den Laminarieen und Asperococcus wuniloculär, oder wie bei Scytosiphon, Colpomenia und Phyllitis pluriloculär sind. Für die Mehrzahl der Phaeosporeen ist dagegen das Vorkommen uniloculärer und pluriloculärer Sporangien bei derselben Species bekannt, wobei ihr Auftreten dann bisweilen auf verschiedene Individuen vertheilt ist (Cladostephus) oder die verschiedenen Formen der Sporangien, wenn sie auf demselben Thallus vorkommen, zu ver- schiedenen Zeiten zur Entwicklung gelangen (Ectocarpeen, Mesogloeaceen). Nur für vier Phaeosporeen-Species ist bisher eine Copulation der Schwärm- zellen beschrieben worden; nämlich von BERTHOLD für Scyzosiphon lomentarius und Ectocarpus siliculosus, von GOEBEL für Zet. pusillus und Giraudia sphacelarioides ei den ersteren Species (Fig. 9) hat BERTHOLD gefunden, dass die pluriloculären Sporangien Schwärmzellen liefern, die sich insofern abweichend verhalten, als die einen längere Zeit herumschwärmen, andere dagegen sich frühzeitig mit der Spitze ihrer vorwärts gerichteten Cilie an feste Gegenstände anheften und durch Ver- kürzung und Einziehung der Cilie endlich den Plasmakörper selbst dem Substrat nahe bringen, während auch die zweite Cilie mit dem Plasmakörper verschmilzt. In diesem Zustand ist die ehemalige Schwärmzelle für wenige Minuten be- fruchtungsfähig und wenn man nun den lange schwärmenden Zellen den Zutritt gestattet, so findet eine Verschmelzung einer männlichen schwärmenden Gamete mit einer weiblichen ruhenden Gamete statt. — Es wiederholt sich hier also im Wesentlichen der Befruchtungsmodus der Cutleriaceen nur mit dem Unterschied, dass die Gameten bei Zriocarpus und ‚Scytosiphon noch nicht durch constante Bey w er. EA ES pa dk Se riet Je Ze Eher BE RA BI a Ei BEE Er RN Klasse II. Algen im engeren Sinne. 219 Grössenunterschiede als verschieden-geschlechtig auch äusserlich bereits differen- zirt sind !). Den Cutleriaceen gegenüber bietet der Copulationsprozess von Scylosiphon und Zefocarpus auch insofern eine Abweichung dar, als die Verschmelzung von Ei und Spermatozoid nicht an einer genau bestimmten Stelle der Eioberfläche beginnt: während bei den Cutleriaceen der Schnabel der schwärmenden weiblichen Gamete als Empfäng- nissfleck dient, wo das Eindringen des Spermato- zoides nach Eintritt des Ruhezustandes stattfindet, dienen bei Zriocarpus und Scytosiphon die gleichen Theile ähnlich wie bei geschlechtslosen Zoosporen als Anheftungsstelle für die sich festsetzende Ga- mete; an dem Hinterende, das sie den herbei- schwärmenden Spermatozoiden darbieten, ist ein be- stimmt umschriebener Empfängnissfleck nicht vor- handen und darin zeigt der Copulationsprozess einige Aehnlichkeit mit dem der Fucaceen, deren Eiern ja auch ein Empfängnissfleck fehlt. Bei der innerlich schon vollständig durch- geführten Differenzirung der Gameten von Zefocar- pus und Scytosiphon in männliche und weibliche Gameten, ist es um so auffallender, dass nicht nur die weiblichen Gameten, wie das ja häufig geschieht, ohne Copulationsprozess sich parthenogenetisch zu entwickeln und — wenn auch langsamer als die I weibliche Planogamete von Zygoten — zu Keimpflänzchen auszuwachsen ver- ee ae en ee Fig. 9. (B. 200.) ; ö j Uebergang in den befruchtungs- mögen, sondern dass auch die männlichen Gameten sich zum Theil zu allerdings sehr schwächlichen Pflänzchen entwickeln können. Es sind das die einzigen bisher bekannten Beispiele, dass ausge- fähigen Ruhezustand f. — I Be- fruchtungsfähige weibliche Gamete von männlichen Gameten um- schwärmt. — II a—d successive Copulation einer männlichen und einer weiblichen Gamete bis zur völligen Verschmelzung zur Zygote e — vergr. 790 (nach BERTHOLD). sprochen männliche Sexualzellen, welche den Be- fruchtungsprozess nicht haben ausführen können, sich als fortbildungsfähig erweisen. In anderer Weise als BERTHOLD hat GOEBEL für Giraudia sphacelarioides und Ectocarpus pusillus den Copulationsprozess beschrieben, indem er angiebt, dass die Verschmelzung der Gameten hier erfolgt, während noch beide Gameten im Schwärmzustand sich befinden. BERTHOLD, der gleichfalls Z. pusillus untersucht hat, ohne aber jemals Copulation von Schwärmzellen dabei wahrnehmen zu können, glaubt den Widerspruch zwischen den beiden Beobachtungen für diese Species wenigstens darauf zurückführen zu können, dass GoEBEL’s Angaben sich auf die Beobachtung von Missbildungen beziehen, die bei £. Pusillus sehr häufig bei der Schwärmzellenbildung auftreten und den Anschein erwecken können, als habe man es mit Copulationspaaren von Gameten zu thun. — Sollten sich die von GOEBEL beschriebenen Bildungen in der That als Verschmelzungen von Gameten bestätigen, so würde dieser Umstand beweisen, dass auch innerhalb 1) Dementsprechend sind auch die pluriloculären Gametangien der Phaeosporeen noch gleichgebaut und zeigen keine gestaltlichen Unterschiede, wie sie zwischen den pluriloculären Gametangien (Antheridien und Oogonien) der Cutleriaceen bestehen. 220 Die Algen im weitesten Sinne. der Phaeosporeen die Gametencopulation nur ihrem Wesen nach identisch auf- tritt, dass aber die äussere Form des Verschmelzungsactes ähnlichen habituellen Modificationen unterliegt, wie dieses auch bei den Chlorophyceen innerhalb mehrerer Ordnungen (Siphoneen, Volvocineen, Conjugaten) hat beobachtet werden können. — In dem einen Punkt stimmen übrigens beide Beobachter überein, dass es nämlich nur die pluriloculären Fortpflanzungsorgane sind, welche bei den unter- suchten Phaeosporeen Gameten erzeugen, dass dagegen die bei Zelocarpus und Giraudia ausserdem vorhandenen uniloculären Sporangien Schwärmzellen liefern, welche nicht copuliren und somit als ungeschlechtliche Zoosporen angesprochen werden müssen. Wenn auch bei der Spärlichkeit der hierauf bezüglichen Mit- theilungen eine verallgemeinernde Ausdehnung der gewonnenen Resultate auf die Produkte aller pluriloculären Sporangien der Phaeosporeen zur Zeit noch gänz- lich unstatthaft ist, so dürften die gefundenen Thatsachen doch immerhin einen Fingerzeig in Bezug auf die Richtung geben, welche man bei weiterem Forschen nach etwaigen Copulationsprozessen bei anderen Phaeosporeen einzuschlagen haben dürfte. Bestimmte Angaben über die weitere Entwicklung der Zygoten liegen nur für Zetocarpus vor, bei welcher Gattung aus der keimenden Zygote sofort wieder ein neuer Zriocarpus-Thallus erzeugt wird. Bei ScyZosiphon entwickelten sich in der Cultur aus der Zygote flache Scheiben, welche ebensowol die Anfangs- stadien der basalen Haftscheiben eines neuen Geschlechtsthallus darstellen können, wie sie auch bei dem Fehlen ungeschlechtlicher Fortpflanzungsorgane am Scytosiphon-Thallus möglicherweise zur Bildung einer geschlechtslosen, der Agldao- zonia-Generation bei den Cutleriaceen analogen Generation führen könnten. BERTHOLD's Angaben über den Befruchtungsprozess von Zefocarpus sili- culosus und Scytosiphon lomentarius überbrücken in erwünschtester Weise die Kluft, welche zwischen den Cutleriaceen mit äusserlich differenzirten Eiern und Spermatozoiden einerseits und den Phaeosporeen mit gleichgestalteten Schwärm- zellen andererseits bestand. Es lassen sich nunmehr auf Grund der charakte- ristischen Vorgänge, welche der Befruchtungsfähigkeit der weiblichen Gamete vorhergehen, die Cutleriaceen auf's Engste an die Phaeosporeen anschliessen, — ja die ersteren erscheinen gewissermassen nur als die am höchsten entwickelte Phaeosporeen-Familie, bei der die geschlechtliche Differenzirung der Gameten in dem constanten Grössenunterschied, welcher zwischen männlichen und weib- lichen Gameten besteht, auch äusserlich ihren Ausdruck gefunden hat. THURET, Recherches sur les zoospores des algues et les antheridies des Cryptogames. (Ann. des Sc. nat. Bot. ser. III. Tome XIV und Tome XVI.) — DERBisS et SOLIER, M&moire sur quel- ques points de la physiologie des algues. (Suppl&ment aux Comptes rendus des S&ances de l’acad. des Sciences, Tome I.) — GOEBEL, Zur Kenntniss einiger Meeresalgen. (Bot. Zeit. 1878.) — BerrnorLpD, Die geschlechtliche Fortpflanzung der eigentlichen Phaeosporeen. (Mittheil. aus d. Zool. Station zu Neapel, Bd. II. 1881.) FALKENBERG, Ueber Discosporangium (ebenda. Bd. 1. 1878). ı. Sphacelarieen. Die Sphacelarieen besitzen einen aus parenchyma- tischem Gewebe gebildeten cylindrischen, meist reichverzweigten Thallus, dessen sämmtliche Verzweigungen mittelst einer Scheitelzelle wachsen (Fig. 10I und ILS). Die Scheitelzellen der Sphacelarieen sind durch ausserordentliche Grösse aus- gezeichnet ‘und haben schon früh die Aufmerksamkeit der Beobachter auf sich gezogen; zumal in den Fällen, wo ein Thallusast sein Wachsthum schon abge- schlossen hat und die Scheitelzelle ohne Gestaltveränderung zur Dauerzelle ge- Klasse II. Algen im engeren Sinne. worden ist. 221 In letzterem Falle nimmt sie eine eigenthümlich schwarzbraune Färbung an und der brandige Habitus, der dadurch den Astspitzen verliehen wird, hat ihr den Namen »Sphacela« (sp4xeIos — Brand, Gangrän) eingebracht, eine Bezeichnung, die nachher auch auf die noch wachsenden Scheitelzellen aus gedehnt worden ist und auf die Namengebung für die verbreitetste Gattung und den ganzen Verwandtschaftskreis von Einfluss gewesen ist. — Die Segmentirung der Scheitelzelle erfolgt durch parallele Wände (Fig. ı0 I und II die stärkeren Horı- zontalwände) und führtzunächst zur Bildung einer einfachen Zellreihe. Die jungen Seg- mente werden sofort durch gleichgerichtete Wände (die schwächere Horizontalwand im jüngsten Segment in Fig. 10 II und Fig. ro I zwischen c und d und zwischen d und e) in je zwei trommelförmige Glieder- zellen getheilt. Innerhalb jeder dieser beiden Gliederzellen tre- ten später verschieden gerich- tete Längswände auf, welche die Gliederzellen in eine An- zahl gleich langer Zellen zer- legen. Bei Sphacelaria und Chaetopteris bleibt die Entwick- lung der Segmente auf diesem Stadium stehen, so dass der Thallus im ausgewachsenen Zustand noch deutlich eine Differenzirung in einzelne cy- lindrische Abschnitte erkennen lässt, von denen je zwei aus einem Scheitelzellsegment her- vorgegangen sind. Bei ‚SZypo- caulon, Cladostephus und wenn auch weniger regelmässig bei Halopteris werden dagegen die äussersten Zellen des T'hallus, wenn er das Entwicklungs- stadium von Sphacelaria und Chaetopteris erreicht hat, noch mehrfach durch Querwände gefächert (Fig. 10 II unten) und dadurch wird die Bildung einer kleinzelligeren Aussenschicht herbeigeführt, welche die Glie- derung des Thallus bei den drei genannten Gattungen = =) Al Fig. 10. (B. 201.) I Thallusspitze von Chaetopteris plumosa (40). — II desgl. von Siypocaulon scoparium, S Scheitelzelle (30). — III Brut- knospe von Sphacelaria cirrhosa (75). — IV Sporangien- tragendes Thallusstück von Zeocarpus elegans, v Vegetations- punkt; bei a, b, c, d und e die oberen Grenzen der pri- mären Segmente, u uniloculäres Sporangium, p fast reifes pluriloculäres Sporangium (150). — V Längsschnitt durch eine Langtriebspitze von Desmarestia ligulata, v Vegetations- punkt des Langtriebes, v, derjenige eines Kurztriebes, uo pri- märer Zellfaden, im unteren Theil von Hyphenfäden be- kleidet, die zur pseudoparenchymatischen Rinde r verwachsen sind; letztere nur im Umriss angegeben (60). — VI Lang- triebstück uo von Arthrocladia villosa mit zwei seitlichen Kurztrieben, von deren basalen Zellen die hyphenartigen Berindungsfäden r entspringen, v Vegetationspunkt (100). — VI Entleertes Sporangium von Arthrocladia villosa. — VII uniloculäres u, pluriloculäre Sporangien p von Casia- gnea sp., die letzteren zum Theil entleert (50). äusserlich weniger scharf hervortreten lässt, als bei SpAacelaria und Chae- ei, PX ci RT PP? % ur? 222 Die Algen im weitesten Sinne. Zopteris. Von den oberflächlich gelegenen Zellen des Thallus von Zalopteris und einigen Sphacelaria-Species vermögen einzelne einreihige Zellfäden zu ent- wickeln, welche dem Thallus angeschmiegt abwärts wachsen. Bei ‚SZypocaulon und Cl/adostephus treten diese Berindungsfäden, die ihres Rhizoiden-artigen Habitus wegen auch als Wurzelfäden bezeichnet werden, an den älteren Hauptästen des Thallus ausserordentlich reichlich auf und bilden, miteinander verwachsend, eine schwammartige Berindungsschicht um die älteren Theile des Thallus. Nament- lich kräftig sind diese Fäden bei Cladostephus entwickelt, wo ihre einzelnen Zellen ähnliche wenn auch weniger weitgehende Fächerungen erfahren können, wie die Segmente der Stammscheitelzellen. Die Verzweigungen der Sphacelarieen lassen sich eintheilen in Langtriebe und Kurztriebe, eine Unterscheidung, die nur den gewöhnlich regellos verzweigten Sphacelaria-Species gegenüber nicht durchführbar ist. Bei Siypocaulon und Halo- pteris stehen die Kurztriebe zweizeilig alternirend (Fig. 10 I), bei Chaetopteris (Fig. 10 I) und häufig bei SpAhac. pennata zweizeilig opponirt; bei Cladostephus endlich in vielgliederigen Wirteln. An Stelle eines normal auftretenden Kurz- triebes können sich in ziemlich regelloser Weise Langtriebe entwickeln. — Die Kurztriebe sind entweder unverzweigt und zugespitzt (Stypocaulon und Chaetopteris) oder einseitig verzweigt, wie bei C/adostephus oder sie wiederholen in gedrängter Form das Verzweigungssystem der Langtriebe, wie bei ZZalopteris. In Bezug auf die Anlage der Aeste zeigen die Sphacelarieen merkwürdige Abweichungen untereinander. In den Gattungen ‚Sphacelaria, Chaetopteris (Fig. 1oIcde) und Cladostephus werden die Aeste von der obersten der beiden Gliederzellen gebildet, in welche die junge Segmentzelle zerlegt wurde, und zwar wölben sich die Astanlagen schon zu einer Zeit als stumpfe Höcker vor, wo die Gliederzelle im übrigen noch ungetheilt ist. Bei Szypocaulon und Halopteris dagegen erfolgt die Vorwölbung der Astanlagen aus der cylindrischen Seiten- fläche der Scheitelzelle selbst (Fig. ıo II c). j Schwärmende Fortpflanzungszellen werden erzeugt von uni- und pluriloculären Sporangien, wenngleich nicht bei allen Arten beide Formen nebeneinander be- kannt sind. Wo beide Arten vorkommen, ist ihre Stellung am Thallus die gleiche. Beide Sporangienformen entstehen aus der Endzelle junger Astanlagen, deren Längenwachsthum dadurch sistirt wird. Die Segmente eines solchen Astes, deren Bildung der Sporangienbildung vorhergeht, bringen es meistens nur bis zu einer Zweitheilung in den beiden Gliederzellen, und diese wenigen basalen Segmente sinken zu der Bedeutung eines Sporangienstieles herab. Die Sporangien besitzen stets einen bedeutend grössern Durchmesser, als die vegetativen Thallustheile und haben rundliche oder ovale Gestalt. Die pluriloculären Sporangien ent- wickeln sich in der Weise, dass die Mutterzelle des Sporangiums zunächst durch parallele Horizontalwände in eine Reihe niedriger Zellen zerlegt wird. In diesen Zellen treten dann mannigfache Längs- und Querwände auf, wodurch ein jedes Sporangiumstockwerk in eine grössere Anzahl kleiner Zellen zerlegt wird (vergl. die gleiche Bildungsweise an den verschiedenen Entwicklungszuständen der Z#rzo- carpus-Sporangien. Fig. 10 IV). — Bei Sphacelaria und Halopteris treten die Sporangien an der Spitze der vegetativen Aeste auf, bei Siypocaulon dagegen stehen sie büschelweise zusammengedrängt in der Achsel der Kurztriebe, wo sie an sterilen Exemplaren durch Haarbüschel vertreten werden (Fig. 10 II h), die wol als reducirte Verzweigungssysteme aufgefasst werden müssen. Cladostephus nimmt unter den Sphacelarieen dadurch eine ganz isolirte Stellung ein, dass zum SE ala SA a De a a Tagen EEE A N ZN ae RR 4 Klasse II. Algen im engeren Sinne. 223 Zweck der Fortpflanzung besondere Sporangien tragende Aeste erzeugt werden, für die homologe Organe sich an der sterilen Pflanze nicht finden. An den zwischen zwei Wirteln steriler Kurztriebe gelegenen Thallusabschnitten von Cladostephus vermögen die oberflächlichen Zellen kurze unverzweigte Kurztriebe zu entwickeln, welche den Habitus der sterilen Pflanze vollständig verändern, indem sie die durch die Wirtel steriler Kurztriebe bedingte Internodienbildung des Thallus gänzlich verwischen. Diese Fruchtäste von Cladostephus, die bei dem einen Exemplare nur uniloculäre, bei anderen nur pluriloculäre Sporangien an Stelle von Seitenästen tragen, zeigen den einfachen Bau kleiner Sphacelaria- Species und sind ehemals als eine parasitisch wachsende Sphacelaria — Sph. Bertiana DE Nor. — beschrieben worden. Nicht nur unter den Phaeosporeen, sondern unter den Melanophyceen über- haupt ist Sphacelaria die einzige Gattung, welche zum Zweck ungeschlechtlicher Vermehrung eigenthümlich gestaltete mehrzellige Brutknospen entwickelt. Die letzteren entstehen aus der Umbildung wenigzelliger normaler Astanlagen, indem die Scheitelzelle einer solchen ihre normale Segmentirung einstellt und seitlich zwei kurze stumpfe Höcker (SpA: tribwloides) oder drei längere gebogene Aest- chen erzeugt (SpA. cirrhosa Fig. 10 II) und dann bei der letzteren Species selbst zu einem terminalen Haar auswächst. Die Basalzelle des zur Brutknospe ge- wordenen Seitenastes bleibt ungetheilt und über ihr bricht die Brutknospe später ab. An der isolirten Brutknospe können die Endzellen der Wirtelästchen oder des Brutknospenstieles später zu kriechenden Fäden auswachsen, die als Seiten- äste neue Sphacelaria-Pflanzen erzeugen. Die Sphacelarieen zeigen ein ausserordentliches Regenerationsvermögen: es kann nicht nur die nach dem Abfallen der Brutknospe übrig bleibende Basalzelle der Aestchen aufs neue auswachsen und eine zweite Brutknospe erzeugen, sondern in ähnlicher Weise findet ein Durchwachsen der entleerten Sporangien und eine Bildung neuer Sporangien in der entleerten Membran statt, ein Vor- gang, der auch bei den Ectocarpeen nicht selten ist. Am auffallendsten ist aber, dass nach Zerstörung der Scheitelzelle das anstossende Segment zur Bildung einer neuen Scheitelzelle schreiten kann. GEYLER, Zur Kenntniss der Sphacelarieen (PRINGSHEIM’s Jahrbücher. Bd. IV.) — PRINGSHEIM, Ueb. den Gang der morphol. Differenzirung in der Sphacelarien-Reihe. (Abh. d. Akad. d. Wiss. zu Berlin. 1873.) — JANCZEWSKI, Les propagules du Sphac. cirrhosa. (Mem. d. ]. Soc. des Sciences nat. de Cherbourg. Tome XVIH. 1872.) 2. Ectocarpeen — Mesogloeaceen — Desmarestieen. Bei den Ecto- carpeen besteht der Thallus aus einreihigen, stets verzweigten Zellfäden, deren Vegetationspunkt nicht wie bei den Sphacelarieen terminal ist, sondern in dem oberen Abschnitt des Thallus in der Continuität des Fadens liegt. Der Vege- tationspunkt theilt somit den Thallus in zwei Abschnitte, in ein basales Stück, den eigentlichen sich verzweigenden Thallus und in die terminale, haarförmig entwickelte unverzweigte Thallusspitze, deren älteste Theile am oberen Ende liegen und deren Absterben beständig von der Spitze gegen den Vegetationspunkt fortschreitet. Da die Zelltheilungen des Vegetationspunktes sowol der Ver- längerung des Thallus wie auch der des terminalen Haares zu Gute kommen, so ist diese Art des Wachsthums von JANCZEwSKI als »trichothallisches« Wachs- thum bezeichnet worden. In seiner übersichtlichsten Form haben wir dasselbe bereits in den Partialvegetationspunkten der Cutleriaceen kennen gelernt; am übersichtlichsten darum, weil dort die Segmente, welche der Vegetationspunkt ab- SCHEnk, Handbuch der Botanik. Bd. II. 15 224 Die Algen im weitesten Sinne. gliedert, in Bezug auf ihre Länge ungetheilt erhalten bleiben (vergl. Fig. 81, pag. 215), während bei den Phaeosporeen der Zelltheilungsprozess nicht auf den trichothallischen Vegetationspunkt allein beschränkt ist, sondern intercalare Theilungen in den Segmenten auftreten, welche eine Anzahl secundärer Vegeta- tionspunkte über verschiedene Regionen des Thallus vertheilt erscheinen lassen. Innerhalb der einzelnen primären Segmente pflegt die intercalare Theilung in der Weise vor sich zu gehen, dass nach jeder Zweitheilung die obere Zelle zur theilungsunfähigen Dauerzelle wird, während in der basalen Schwesterzelle der gleiche Zweitheilungs-Prozess sich wiederholen kann. So werden die einzelnen pri- mären Segmente (z. B. in Fig. 10 IV ed dc cb ba) durch intercalare T'heilungen ihrer- seits wieder in Zellfäden verwandelt, deren älteste Glieder am oberer Ende des Fadenabschnittes liegen, während die jüngsten theilungsfähigen Zellen — secundäre Vegetationspunkte repräsentirend — an der Basis der ursprünglichen Segmente liegen. Besonders deutlich tritt dieses Bildungsgesetz da in die Erscheinung, wo die einzelnen Theil- zellen eines primären Segmentes Aeste bilden, denn gewöhnlich lassen die Aeste durch den ver- schiedenen Grad ihrer Ausbildung die Reihenfolge ihrer Entstehung und damit auch das ver- schiedene Alter der Zellen des Thallusfadens, denen sie ihren Ursprung verdanken, noch deutlich erkennen. Vergl. Fig. 10 IV. Eine gleiche Lage des Vegetationspunktes besitzen die Mesogloeaceen und Desmarestieen, deren complicirt gebauter 'Thallus sich leicht auf den Zezo- carpus-Thallus zurückführen lässt. Bei den Mesogloeaceen besteht der Thallus aus zahlreichen Zriocarpus-artigen Fäden, deren Hauptäste parallel nebeneinander liegend nach Art der Hyphen im Fruchtkörper der Basidiomyceten seitlich mit- einander verklebt und verwachsen sind. So entstehen entweder flache, polster- förmige (Myriactis, Elachistea) oder cylindrische, nicht selten verzweigte (Casztagnea, Liebmannia, Mesogloea) pseudoparenchymatische Gewebekörper, deren Oberfläche von dichtstehenden verzweigten Fäden, den nicht verwachsenen Seitenverzwei- gungen der Hauptfäden,. bekleidet wird. Bei der Gattung Zeiocarpus kommt es bisweilen vor, dass vereinzelte Thallus- zellen hyphenartige Fäden entwickeln, ähnlich den Berindungsfäden der Sphace- larieen, welche dem T’hallus festangeschmiegt abwärts wachsen. Auf dem gesetz- mässigen Auftreten zahlreichster Berindungsfäden beruht der habituelle Unterschied im 'Thallus der Gattungen Desmarestia und Arthrocladia gegenüber der Gattung Ectocarpus. Die Berindungsfäden nehmen hier ihren Ursprung aus den basalen Zellen der Seitenäste (Fig. ro VI, uo = Hauptaxe; r Berindungsfäden.) Indem die ersten Schichten von Berindungsfäden nach und nach von neuen Lagen hyphen- artiger Fäden überwachsen werden, wird durch diesen Berindungsprozess ein um- fangreicher Gewebekörgper erzeugt, innerhalb dessen der primäre einreihige Thallus als ein axiler Zellfaden (Fig. 10 V uo) zwar noch deutlich zu erkennen ist, an Masse tritt derselbe aber gegen die pseudoparenchymatisch zusammenschliessenden Schichten von Hyphenfäden (r) endlich weit zurück. Bei Arthrocladia und Desmarestia ist eine scharfe Sonderung zwischen l,angtrieben und Kurztrieben vorhanden, wie sie den Ectocarpeen und Mesogloea- ceen fremd ist. In diesem Punkt und in der Berindung stehen die Desmares- ticen den letzteren beiden Gruppen gegenüber, in demselben Verhältniss wie Cladostephus innerhalb der Sphacelarieen-Reihe zu den Sphacelarien. Die Kurz- triebe stehen bei Desmarestia zweizeilig (bald opponirt, bald alternirend), während sie bei Arthrocladia in mehrgliedrigen Wirteln angeordnet sind. Langtriebe und Er Klasse II. Algen im engern Sinne. 225 Kurztriebe besitzen den gleichen trichothallischen Wachsthumsmodus: bei den Langtrieben aber kommt der Zelltheilungsprozess des Vegetationspunktes haupt- sächlich dem basalen Theil des Thallus zu Gute, während bei den Kurztrieben umgekehrt die Mehrzahl der im Vegetationspunkt gebildeten Zellen lediglich der Verlängerung des terminalen Haares (Fig. ro VI va) dient, das hier sogar reich- lich verzweigt ist. Der basale Theil der Kurztriebe wird eben nur in dem Grade verlängert, dass der Vegetationspunkt des Kurztriebes mit der zunehmenden Ver- dickung der Berindungsschicht nicht von dieser überwallt wird (Fig. ro V. v,). Bei den Ectocarpeen und Mesogloeaceen treten uni- und pluriloculäre Sporangien auf, deren Entwicklung meist in der Weise geregelt ist, dass zunächst nur uniloculäre Sporangien erzeugt werden, neben denen allmählich mehr und mehr pluriloculäre Sporangien erscheinen, bis schliesslich nur noch Sporangien der letzteren Form gebildet werden.!) Bei vielen Ectocarpeen stehen beide Formen von Sporangien an Stelle seitlicher Aeste (Fig. 10 IV), die schon in ihrem jugend- lichen Stadium eine der Umbildung zum Sporangium entsprechende abweichende Ausbildung erfahren, wie diese bereits oben (pag. 222) für die Sphacelarieen geschildert wurde. Das Ausschlüpfen der Schwärmzellen aus solchen früh indi- vidualisirten Sporangien erfolet auch bei pluriloculärer Ausbildung durch eine gemeinsame terminale Oeffinung des Sporangiums. Im Gegensatz zu dieser frühen Differenzirung der Sporangien kommt es bei anderen Species vor, dass der Ast, welcher später Schwärmzelien erzeugen soll, zunächst zu einem gestreckten Zell- faden sich entwickelt, dessen Zellen bis zur Zeit der Schwärmzellen-Bildung von sterilen Thalluszellen nicht oder nur schwer zu unterscheiden sind. (Fig. ro VIII s steriler Faden, p Sporangium). Bisweilen wird das ganze obere Ende eines Astes direkt zur Schwärmzellenbildung herangezogen, ohne dass seine Zellen irgend welche beträchtliche Gestaltveränderung erfahren (Fig. r1o VIH p). In anderen Fällen vermögen die zur Schwärmzellenbildung bestimmten Astspitzen aus ihren Zellen vorher aber noch kurze Seitenäste zu bilden, die gleichfalls fertil sind (Zeiocarpus, Liebmannia, Castagnea, Fig. ro VII p,)., so dass der im sterilen Zustand einfache Faden (s) in ein verzweigtes Sporangium verwandelt wird. — Nicht selten wird bei einigen Zeiocarpus-Species (Untergattung Zilayella) die Schwärmzellbildung in den Aesten auf den mittleren Theil des Fadens eingeschränkt, so dass das Sporangium von einem sterilen Fadenstück bekrönt wird. Auch kann es bei den letztgenannten Formen vorkommen, dass nur vereinzelte Zellen Schwärmzellen erzeugen, und dann liegen die Sporangien in Form einzelner von sterilen Zellen gestaltlich nicht verschiedener Zellen unregelmässig zerstreut in der Continuität des Fadens. Wo Sporangien aus der späteren Umwandlung eines anfangs vege- tativen Fadenstückes hervorgehen, da pflegt die Oeffnung der Sporangien so zu erfolgen, dass jeder Abschnitt derselben, der einer ursprünglich vegetativen Zelle entspricht, sich einzeln seitlich öffnet und die Schwärmzellen der ein- zelnen Fächer gesondert entlässt (Fig. 10 VIII p). — Bei Arthrocladia kennt man bisher nur eine pluriloculäre Sporangien-Form (Fig. ro VID). Die Spo- rangien stehen an den wirteligen Kurztrieben des Thallus und zwar ober- halb des Vegetationspunktes an den opponirten Verzweigungen des termi- nalen Sprossabschnittes, wo sie an Stelle von Seitenzweigen auftreten. Sie sind keulenförmig und scharf gegen die sterile Basalzelle des Zweiges abgesetzt und D) Von den pluriloculären Sporangien von Zcfocarpus ist für zwei Species (2. siliculosus und Ppusillus) mitgetheilt worden, dass ihre Produkte copulirende Gameten, sie selbst also nicht Sporangien, sondern Gametangien sind (vgl. pag. 218). 15» 226 Die Algen im weitesten Sinne. bestehen aus rosenkranzförmig aufgetriebenen Abschnitten von je zwei Zellen, von denen eine jede sich vermittelst einer separaten Oeffnung entleert. THURET hat eine jede dieser Zellen als uniloculäres Sporangium aufgefasst und desshalb den ganzen zum pluriloculären Sporangium entwickelten Zweig als eine Kette von uniloculären Sporangien betrachtet, wie solche einzeln oder reihenweise hinter einander in dem Thallus der Ectocarpee ZWayella litoralis vorkommen. Die Entwicklungsgeschichte zeigt aber, dass je zwei Zellen des Fadens, die zu- sammen ein trommelförmiges Glied des ausgebildeten pluriloculären Sporangiums bei Arthrocladia bilden, erst unmittelbar vor der Schwärmzellen-Bildung aus der Theilung einer Mutterzelle hervorgehen. Es zeigt daher der Schwärmzellen- bildende Zweig von ArZhrocladia dem pluriloculären Sporangium von Castagnea (Fig. 10 VIII p) gegenüber den einzigen Unterschied, dass jede Zelle des pluri- loculären Sporangiums sich einzeln öffnet, während bei Caszagnea die Zellen eines ganzen Sporangiumgliedes eine gemeinsame Oeffnung zum Ausschlüpfen der Schwärmzellen besitzen. In jedem Falle zeigt eine Vergleichung der pluriloculären Sporangien, die bei /Wayella beginnt und durch die Mesogloeaceen und Arthrocladia zu den Sporangienformen hochentwickelter Zeiocarpus-Species wie EZ. siliculosus und eiegans und namentlich auch der Sphacelarieen aufsteigt, dass die Differenzirung der Schwärmzellen-bildenden Zellen und ihre Individualisirung den sterilen Zellen gegenüber als Sporangien auf sehr verschiedener Höhe stehen geblieben ist. GOEBEL und BERTHOLD, vgl. pag. 220. 3. Phyllitis, Scytosiphon, Colpomenia, Asperococcus, Punctaria. Ob die hier vereinigten Phaeosporeen-Gattungen mit einigem Recht zusammengestellt werden dürfen oder nicht, darüber fehlt zur Zeit jeder Anhalt, doch stimmt der Bau des Thallus und die Entwicklung der Sporangien im wesentlichen bei ihnen überein. Der Thallus tritt entweder unter der Form flachgedrückter wenig gestielter Blätter auf (Punctaria, Phyllitis, Asperococcus compressus), die aus mehrschichtigem Parenchym bestehen. Oder er ist cylindrisch und in seinem mittleren Theil röhrenförmig, indem ein centraler Hohlraum den Thallus durchzieht, wie bei Asperococcus bullosus und Scytosiphon lomentarius, oder der Thallus ist nierenförmig entwickelt, wie bei Co/fomenia, bei der gleichfalls das Gewebe wenige Schichten stark einen grossen centralen Hohlraum umschliesst. Einen einheitlichen Vege- tationspunkt besitzen die genannten Gattungen nicht, sondern der Wachsthums- prozess ist über den Thallus in seiner ganzen Ausdehnung gleichmässig vertheilt. Da- gegen schreitet die Anlage und Ausbildung der Sporangien bei ScyZosiphon und Phyllitis von der Thallusspitze gegen ihre Basis hin fort. Zweierlei Sporangienform sind nur bei Punctaria bekannt, während ScyZosiphon, Phyllitis und Colpomenia nur pluriloculäre, Asperococcus nur uniloculäre Sporangien aufweisen. — Die Vertheilung der Sporangien über den Thallus beschränkt sich entweder auf kleinere Partieen des 'T'hallus (Asperococcus, Punctaria), wo sie als unregelmässig umschriebene Sori auftreten, oder aber sie bedecken schliesslich die ganze Thhallusoberfläche, wie bei PAylitis und Scylosiphon. Die Sporangien sind ausserordentlich unscheinbar, indem sie aus der oberflächlich gelegenen Zell- schicht des T'hallus hervorgehen, meist ohne dass deren Zellen ihre Gestalt verändern (Colpomenia, Phyllitis, Scytosiphon, Punctaria), nur zur Bildung der pluriloculären Sporangien werden die oberflächlichen Zellen mehrfach gefächert. In dem einen wie im andern Fall erheben sich die Sori nicht einmal über die sterilen Zellen der 'Thallusoberfläche und nur bei Asperococcus treten die isolirter stehenden Klasse I. Algen im engeren Sinne. 227 uniloculären Sporangien als kugelige Organe (ähnlich wie bei Dietyota Fig. 12 It die sogenannten Tetrasporangien) frei über die Oberfläche hervor. — Den Soris sind bis- weilen Haarbildungen eingestreut, indem bei ScyZosiphon einzelne Oberflächenzellen steril bleiben und zu keulenförmigen einzelligen Paraphysen auswachsen, bei Aspe- rococcus dagegen (und zahlreichen andern Phaeosporeen mit parenchymatischem Thallus) wachsen einzelne oberflächliche Zellen, vorzugsweise die in der Mitte der Sori gelegenen, zu gegliederten verzweigten Zellfäden aus, deren obere Zellen sich sehr bedeutend in die Länge strecken, während die basalen klein bleiben und vielleicht manchmal als Vegetationspunkt des Haares fungiren. In ihrer Form und ihrem Auftreten erinnern diese Fäden an die sterilen Zellfäden in den Conceptakeln und Fasergrübchen der Fucaceen, sowie in den Soris der Cutleria- ceen. Und auch bei den Dictyotaceen sind sie reichlich vorhanden. Ueber die Befruchtung von Scyzosiphon vgl. pag. 218. REINKE, Ueb. die Entwicklung von Phyllitis, Scytosiphon und Asperococcus. (PRINGSHEIM’S Jahrbücher f. w. Botan. Bd. XI.) 4. Laminarieen. Die Familie der Laminarieen b’etet neben eigenthüm- lichen Entwicklungsvorgängen am sterilen Thallus noch ein besonderes Interesse dadurch, dass sie die Riesen der‘ marinen Flora in sich schliesst, die zum Theil an Grösse, — wenigstens was die Längendimensionen betrifft — die grössten Phanerogamen übertreffen. Am besten, wenngleich auch noch nicht genügend gekannt ist die zu den kleineren Formen gehörige Gattung Zaminaria selbst. Ihr Thallus hat die Ge- stalt gestielter Blätter, die mit basalen rhizomartigen Auszweigungen des Thallus an festen Gegenständen sich festklammern. Der spreitenförmige obere Thallus- theil ist bei manchen Species an seiner Basis mit fiederförmigen Anhängen ver- sehen, die als Aussprossungen des flachen Thallusstückes entstehen. Bei andern ist die Spreite des blattförmigen Thal- lus durch vielfache Längsrisse handför- mig gespalten (vergl. Fig. ıı I und II.) Der Zaminaria- Thallus wird aus massigem Paren- chymgewebe gebil- det, das ganz die Charaktere des Fu- caceenthallus wie- derholt: in dem cy- lindrischen Stiel eine ar ne E : e I Junges Exemplar von Zaminaria Cloustoni mit beginnender Spaltung peripherische Rinde, des flachen Thallustheiles. — IH älteres Exemplar während der Entwick- deren oberflächliche lung eines neuen Spreitentheiles, v Vegetationspunkt, bei z unteres Ende des absterbenden vorjährigen Spreitentheiles. — III die ungetheilte Zellen theilungsfähi : 5 5 Thallusspitze von Macrocystis pyrifera durch successive parallele Risse sind und an dem sich in Stengel- (s) und Blatt-artige Bildungen (a) verwandelnd, (I-H beständigen Dicken- nach HARVEY; III nach HOoOoKkER.) zuwachs des Stieles arbeiten; ein centrales Mark, dessen primäre Zellen durch reichliche Hyphenbildung auseinandergedrängt werden. Dieser Marktheil zeigt im unteren Theil des Stieles einen runden Querschnitt, der sich immer er 228 Die Algen im weitesten Sinne. mehr abflacht, je mehr er sich dem Spreitentheil des Thallus nähert, und . | der endlich als flache Schicht von Rinde bekleidet in diesen übergeht. An der Grenze von Stiel und Lamina liegt der Vegetationspunkt (Fig. ır III v) in dem | das nermale Dauergewebe durch zahlreiche Querwände zerlegt und in Meristem \ verwandelt erscheint. Dieser Vegetationspunkt bezeichnet nicht nur die äusser- | liche Grenze zwischen Stiel und Lamina, sondern theilt auch den Thallus ın einen älteren und einen jüngeren Abschnitt. Denn der Stiel des Thallus perennirt und nimmt sowohl an Dicke wie auch mit Hilfe des an seiner Spitze gelegenen Vegetationspunktes an Länge zu. Der Spreitentheil dagegen wird alljährlich ab- geworfen, nachdem zwischen seiner Basis und der Spitze des Stieles durch die Thätigkeit der Meristemzone des Vegetationspunktes eine neue Spreite angelegt worden ist. Bei dem in Fig. ıı II abgebildeten Exemplar von Zam. Cloustoni beginnt der vorjährige Spreitentheil oberhalb z, der Vegetationspunkt lag bei v; von ihm ist der zwischen z und v gelegene Thallusabschnitt produeirt worden, der bestimmt ist für dieses Jahr als Spreitentheil zu fungiren und der bereits die charakteristischen Längsschlitzungen dieser Species zeigt. Der schraffirte Theil oberhalb z ist dem Untergang geweiht und wird bald abgestossen werden. — An der englischen Küste beginnt die Anlage eines neuen Spreitenabschnittes im Novem- ber, das Abstossen des alten Thallustheiles erfolgt im darauf folgenden März oder April, so dass im Juni bereits die Zaminaria-Pflanzen einen völlig verjüngten Habitus zeigen. — Die Sporangien stehen bei Zaminaria mitten auf dem Spreiten- theil, wo sie beiderseits grosse Sori bilden, welche sich in ihren äusseren Um- rissen ziemlich genau decken. Die Sori erheben sich als flache Polster über die sterilen Theile des Thallus und bestehen aus schlauchförmig verlängerten uniloculären Sporangien, welche mit dichtgedrängten gleichfalls einzelligen Para- physen untermischt sind, die an Länge die Sporangien etwas übertreffen. Sporangien sowol wie die Paraphysen gehen aus der Streckung der oberfläch- lichen Thalluszellen hervor. Die Laminarien bewohnen vorzugsweise die Meere der gemässigten, nament- lich aber der Polarzone, und zwar haben die arktischen wie die antawrktischen Regionen ihre specifischen Gattungen. Im Norden sind es ausser Zaminaria vor- zugsweise die Gattungen Alaria (—= Laminaria, deren Spreitentheil von starker Mittelrippe durchzogen wird), Agarum (= Alaria mit gitterförmig durchbrochenem Spreitentheil) und Jereocystis (gewaltiger stammförmiger Stiel, der auf seinem keulenförmig verdickten oberen Ende einen vielfach zerschlitzten Spreitentheil trägt), welche die Laminarieen vertreten. Noch merkwürdiger sind dagegen die Repräsentanten der Familie in der antarktischen Zone, wo die Gattungen Zeklonia, Lessonia und Macrocystis längs der chilenischen Küste bis zu den Falklands-Inseln hin submarine Wälder bilden, in denen Macrocystis-Exemplare von mehr als 200 Meter Länge existiren. Der Macrocystis-Thallus besteht aus einem dünnen Stengeltheil (Fig. ıı III s), der in seinem unteren Theil unverzweigt ist, am oberen Ende dagegen, das auf der Wasseroberfläche schwimmt, einreihig gestellte, blatt- artige Zweige von ein- bis zwei Meter Länge trägt, die an ihrer Basis zu einer riesigen Schwimmblase von kugeliger oder birnförmiger Gestalt umgebildet sind (Fig. ıı II a). Die Eigenthümlichkeit in der Entwicklungsweise dieses, Thallus besteht nun darin, dass die einreihig gestellten blattartigen Seitenzweige durch das regelmässig gegen die Thallusspitze hin fortschreitende Zerreissen des ur- sprünglich zusammenhängenden Thallustheiles b entsteht. In dem Masse, wie der vordere zusammenhängende Laminar-Theil wächst, treten neue Risse parallel den ER. u ge aan hen Ende a > er Be br el a Sa a FE TR Fe REN Klasse II. Algen im engeren Sinne. 229 älteren auf, welche — an der Seite des künftigen Stengels beginnend — sich bis zu dem gegenüberliegenden Laminarand hin verlängern und so die völlige Ab- trennung eines bandförmigen Gewebestreifens zur Folge haben, der nur noch an seiner Basis mit dem stielförmig sich entwickelnden Hauptstamm zusammenhängt. Die Lessonien besitzen aufrechte Stämme von 0,20 Meter Dicke, die ungetheilt sich drei Meter hoch erheben, dann sich mehrfach gabeln und allmählich dünner werden. An den Spitzen gehen die cylindrischen Thalluszweige in flache blatt- artige Spreitentheile von 0,70 Meter Länge über, welche herabhängend den Lesso- nien einen Trauerweiden-artigen Habitus verleihen. RUPRECHT, Bemerk. üb. Bau und Wachsthum einiger grossen Algen-Stämme. (Mem de l’acad. Imp. St. Petersbourg, ser. VI. Sciences math. phys. et nat. Tome VIII. 1849). — REINKE, Beitr. z. Kenntniss der Tange. (PrınGsHEIM’s Jahrb. Bd. X.) — Hooker, the Botany of the antarctic voyage of H. M. Ships Erebus and Terror. vol. I. Fuegia, the Falklands: pag. 457 — 66. — POSTELS et RUPRECHT, Illustrationes algarum Oceani pacifici. Petersb. 1840. (Prächtige Ab- bildungen). 4. Ordnung (?): Tilopterideen. Wie die Cutleriaceen auf Grund ihrer Befruchtungsvorgänge ein Verbindungs- glied darstellen, das sich zwischen die Phaeosporeen und Fucaceen einschiebt, so scheint auch die noch kaum bekannte Gruppe der Tilopterideen eine vielleicht ähnliche Rolle zu spielen. Ihrem Habitus nach schliessen sich die Tilopterideen an die Phaeo- sporeen und zwar an die Gattung Ectocarpuıs an, der ihre Angehörigen früher als Species eingereiht worden sind. Während 7%opzeris mit der Ectocarpeen- gruppe auch das trichothallische Wachsthum gemeinsam hat, entspricht sie in der Differenzirung von Langtrieben und Kurztrieben speciell den Arthrocladien und unter diesen wieder auf Grund der zweizeilig opponirten Stellung der Kurz- triebe am meisten der Gattung Desmarestia: doch entbehrt sie einer Berindung der Langtriebe vollkommen. Schwärmzellen werden von den Tilopterideen in Organen gebildet, welche mit den pluriloculären Sporangien der Ectocarpeen oder den Antheridien der Cutleriaceen gestaltlich vollständig übereinstimmen und wie bei den Ectocarpeen bald aus der Umbildung eines ganzen Thallusastes entstehen (ZZaplospora), oder aus einem in der Continuität des sonst einreihigen Zellfadens gelegenen Zellcomplexe hervorgehen (ZWopteris, Scaphospora) und dann von einem sterilen Fadenstück gekrönt werden. Für die Hypothese, welche diesen Schwärmzellen der Tilop- terideen die Bedeutung von Spermatozoiden beilegt, spricht die Existenz einer zweiten Form von Fortpflanzungs-Zellen, deren Produkte wie die Eier der Fuca- ceen jeder Zeit unbeweglich sind und vorläufig als Eier betrachtet werden, wenn auch ein Befruchtungsakt bisher nicht hat nachgewiesen werden können. Die Eier entstehen einzeln in grossen kugelig aufgetriebenen Zellen des Thallus, aus welchen sie bei der Reife ausgestossen werden. Die eibildenden Zellen zeigen ähnliche Verschiedenheit in ihrer Anordnung wie die Spermatozoiden-bildenden Zellcomplexe: bei Tilopteris liegen mehrere, meist zwei bis drei hintereinander in der Mitte zwischen den sterilen Zellen der opponirten Kurztriebe einge- schaltet und augenscheinlich den sterilen Zellen morphologisch gleichwerthig. Bei Scaphospora dagegen erscheinen die eibildenden Zellen seitlich den Kurz- trieben aufsitzend und — wie es scheint — entstanden durch Neubildung seit- licher Astanlagen. THURET, Recherches sur les antheridies des algues (Ann. Sc. nat. 4. ser. Tome III. pag 24). — KJELLMANN, Beitrag till Kännedomen om Skandinaviens Ectocarpeer och Tilopterideer. Stock- 230 Die Algen im weitesten Sinne. holm 1872. — KJELLMANN, Ueb. d. Algenvegetation des Murmannschen Meeres. (Nova Acta Reg. Societ. Scient. Upsaliensis. Festband zur Jubelfeier. 1877. pag. 29 ff.) Wenn man einen Rückblick auf die Unterklasse der Melanophyceen wirft, so kann es zunächst keinem Zweifel unterliegen, dass die Fucaceen nach dem ganzen Bau des Thallus, nach der gleichmässigen Concentrirung der Geschlechts- organe in Höhlungen des Thallus, nach der Differenzirung der Gameten als männliche bewegliche Spermatozoiden und weibliche nie bewegungsfähige Eier, eine natürliche Gruppe bilden, welche von allen übrigen Melanophyceen wesent- lich unterschieden ist. Von den übrigen Melanophyceen lassen sich durch die Art des Thallusbaues nur die Laminarieen mit ihnen vergleichen; durch die Differenzirung der Gameten und den Modus ihrer Verschmelzung stehen den Fucaceen am nächsten die Cutleriaceen. Aber die letzteren sind durch die Befruchtungsvorgänge bei Scytosiphon und Zctocarpus silicwlosus doch noch viel enger mit den Phaeosporeen verknüpft, mit denen sie auch im Bau des T'hallus übereinstimmen, und es ist schon oben angedeutet worden, dass die Cutleriaceen geradezu als eine höchst- organisirte Phaeosporeenfamilie betrachtet werden können. Ebenso unbe- rechtigt wie die Trennung der Cutleriaceen von den übrigen Phaeosporeen, ist vom wissenschaftlichen Standpunkte aus die Isolirung der Tilopterideen, deren Thallus alle Momente der Entwicklung wiederholt, wie sie bei den Ectocarpeen resp. den Desmarestieen auftreten. Die Bewegungslosigkeit gewisser Fort- pflanzungszellen bei ihnen ist allein noch kein genügender Grund, sie von den Phaeosporeen abzutrennen, denn es kann auch bei typischen Phaeosporeen das Schwärmstadium der Fortpflanzungszellen unterdrückt werden, wie das die in den pluriloculären Sporangien von Zefocarpus bisweilen keimenden Zellen beweisen und wofür es auch im Kreise der Chlorophyceen ähnliche Beispiele giebt. Und wenn auch die beiden Arten von Fortpflanzungszellen der Tilopterideen durch Beobachtung eines Copulationsactes als Eier und Spermatozoiden erkannt werden sollten, so würde das jetzt nach dem Bekanntwerden einer Copulation auch bei den eigentlichen Phaeosporeen noch weniger abweichend erscheinen als ehemals, wo man in der Existenz von Antheridien bei den Tilopterideen etwas besonders auf- fallendes sah. — So weisen alle Anzeichen darauf hin, dass man naturgemäss innerhalb der Melanophyceen neben den Fucaceen nur noch eine grosse Phaeo- sporeengruppe unterscheiden kann, die mit Ausnahme der Fucaceen alle übrigen Melanophyceen umfasst und in der die Cutleriaceen in Bezug auf die Befruchtung, die Laminarieen mit Rücksicht auf die massige Entwicklung der Vegetations- organe den Fucaceen am nächsten stehen. An die Cutleriaceen würden sich im Bau des Thallus und in der Art der Befruchtung durch Vermittelung von Kctocarpus siliculosus die Ectocarpeen und Mesogloeaceen und weiter die Des- marestieen anschliessen, denen wol die Tilopterideen angereiht werden müssen. Andere Familien dagegen, wie die /hylitis-Gruppe, die Sporochneen und eine grosse Reihe isolirter Gattungen, auf die hier gleichfalls nicht speciell eingegangen werden konnte (Giraudia, Stilophora, Ralfsia, Myriotrichia, Discosporangium etc.) lassen nähere Beziehungen zu bestimmten Gruppen bisher nicht erkennen. Ob die hier anhangsweise im Ansschluss an die Melanophyceen zu be- sprechenden Dietyotaceen das Recht haben, als dritte gleichberechtigte Gruppe neben den Fucaceen und Phaeosporeen in die Klasse der Melanophyceen gestellt zu werden, lässt sich bis jetzt noch nicht entscheiden. Jedenfalls tritt bei ihnen Klasse II. Algen im engeren Sinne. 231 trotz habitueller Uebereinstimmung mit den Melanophyceen eine Cumulirung von Merkmalen auf, die wie die Bildung von Tetrasporen und die Erzeugung von bewegungslosen männlichen Sexualzellen bisher von keiner echten Melano- phycee bekannt sind, und für deren Deutung bis jetzt jede feste Basis fehlt. Den Anklängen an die Florideen, welche die Dictyotaceen darin zeigen, ist in der Uebersicht pag. 169 durch die Mittelstellung zwischen Melanophyceen und Flori- deen Rechnung getragen. Dietyotaceen. Die kleine Gruppe der Dictyotaceen umfasst nur braungefärbte Algen des Meeres, welche sich auf sechs Species-arme Gattungen vertheilen. Der grösste Theil des Dictyotaceenthallus stellt einen flachen meist bandförmigen (Dietyota, Phycopteris, Taonia) oder fächerförmig verbreiterten (Zonaria, Pa- dina) Gewebekörper dar, und zeigt nur bei Dietyoßteris die Entwicklung einer echten parenchymatischen Mittelrippe. Gegen seine Basis geht der flache Theil des Thallus bei Padina und Dictyota in eine Art Rhizom von an- nähernd cylindrischem Querschnitt über. Die Befestigung am Substrat geschieht bei den Formen mit aufrechtem Thallus durch die Bildung von Wurzelhaaren aus der Basis der Pflanze, während Zonaria, die mit der ganzen Länge des Thallus dem Substrat angeschmiegt wächst, die Wurzelhaare überall auf der Thallus-Unterseite zu entwickeln vermag. Die normalen Verzweigungen des flachen Thallus liegen sämmtlich in einer Ebene, die mit der Thallusfläche zu- sammenfällt; sie entstehen je nach der Art des Scheitelwachsthums in mehr oder weniger deutlicher Weise durch Dichotomie. Nur bei Dictyota wächst der Thallus zu jeder Zeit seiner Entwicklung mit einer Scheitelzelle, die durch parallele Wände eine Reihe von Segmenten ab- gliedert. In ähnlicher Weise findet die Segmentirung in den Keimpflanzen von Taonia und Dictyopteris statt, wird hier aber schon frühzeitig durch eine Anzahl gleichwerthiger Initialzellen ersetzt, welche durch das Auftreten schräger Wände in der ursprünglichen Scheitelzelle hergestellt werden und welche mit zunehmender Breite des Thallus auch an Zahl zunehmen. Die Dichotomie wird bei Dic/yota dadurch eingeleitet, dass die Scheitelzelle vermittelst einer, die Längsaxe des Thallus in sich aufnehmenden Wand in zwei gleich grosse nebeneinanderliegende Hälften zerlegt wird, von denen jede als selbständige Scheitelzelle zu fungiren fortfährt. In anderer Weise vollzieht sich die Dichotomirung des Vegetationspunktes der übrigen Dictyotaceen, die mit einer Scheitelkante wachsen. Von den zahlreichen gleichwerthigen Initialen, die hier den Vegetationspunkt repräsentiren, stellen einige in der Mitte der Scheitel- kante gelegene Zellen ihre Theilungen ein oder verlangsamen doch ihr Wachs- thum, wodurch der früher einheitliche Vegetationspunkt in zwei Gruppen intensiv wachsender Initialen getheilt wird, — die Scheitelkanten zweier neuer, gleichwerthi- ger Thallusäste. Aus den Theilungen der Scheitelinitialen gehen der Breite der Scheitelkante entsprechende Querzonen von Segmentzellen hervor. Wo, wie bei Diciyofa, nur eine Scheitelzelle den Vegetationspunkt bildet, ist das erste Bestreben der von ihr gebildeten Segmente darauf gerichtet, durch annähernd parallele Wände eine ähnliche transversale Zone gleichwerthiger Zellen zu erzeugen. Nachdem dies geschehen, gehen die weiteren Theilungen bei Dictyofa in derselben Weise vor sich wie bei den anderen Dictyotaceen. Parallel zur Thallusfläche auf- tretende Wände bewirken ein gleichmässiges Drei- oder Mehrschichtigwerden des 232 Die Algen im weitesten Sinne. Er ganzen Thallus. Auf der länger anhaltenden Fortdauer dieses Prozesses in der Mittellinie des Dietvopzeris-Thallus beruht die Anlage der Mittelrippe bei dieser Gattung. Die äusserste Zellschicht des Thallus verwandelt sich dann durch das Auftreten von Längs- und Querwänden in eine Art kleinzelliger farbstoffreicher Epidermis, wogegen die inneren farblosen Zellen des Thallus nur bisweilen später unregelmässige Theilungen eingehen (Fig. ı2 I). Bei den Dictyotaceen mit aufrechtem Thallus erfolgt die Epidermisbildung auf beiden Seiten desselben, bei der kriechenden Zonaria dagegen nur auf der freien Oberseite des Thallus und ebenso verhält sich /adina, bei der die äussersten Thallusenden nur die aufge- richteten Spitzen eines sonst horizontal kriechenden Thallomes darstellen. Nur die flachen Enden des Dictyotaceen-Thallus sind Träger der Fort- pflanzungszellen, die in dreierlei Gestalt auftreten, — deren Deutung als unge- schlechtliche Tetrasporen, als männliche und weibliche Geschlechtszellen bisher aber noch nicht als berechtigt hat nachgewiesen werden können. Tetrasporen entstehen stets auf besonderen Individuen; die geschlechtlichen Individuen können entweder beide Formen von Sexualorganen tragen, wie bei Padina, oder sie sind nur eingeschlechtig, wie Dictyota und Taonia. Alle drei Formen von Fortpflanzungszellen entstehen aus der kleinzelligen Epidermis und finden sich daher, wie diese selbst, bald nur auf der einen Seite des Thallus (Zonaria, Padina), bald beiderseitig angeordnet vor. In ihrer ersten Anlage stimmen Tetrasporangien, Antheridien und Oogonien vollständig überein: eine Epidermis- zelle wölbt sich über die Thallusoberfläche empor und theilt sich in zwei über- einanderstehende Zellen, von denen die innere vegetative Zelle bleibt, die äussere zum Reproductionsorgan wird (Fig. 12 It). Die Zellen, deren Inhalt sich zu Tetrasporen entwickelt, stehen entweder zerstreut auf dem Thallus, wie bei Dietyofa (Fig. ı2 I), oder sie sind zu mehr oder minder dichten Häufchen vereinigt (7aonia, Padina). Die Anlage der Tetrasporen (B. 203.) Fig. 12. I—III Querschnitte von Dictyota; I mit Tetrasporen, II mit Oogoniensorus o, III mit An- theridien a, IV Keimling von 7&onia mit Centralknoten. (nach REINKE und THURET.) erfolgt entweder simultan und führt zu tetraädrischer Anordnung, oder durch zweimalige Zweitheilung in der Weise, dass alle vier Sporen in einer Ebene liegen. Nicht selten führt die Zelltheilung im Tetrasporangium zur Bildung von nur zwei Sporen, oder der Inhalt bleibt ganz ungetheilt: Abweichungen, welche auf die Klasse II. Algen im engeren Sinne. 233 weitere Entwicklung des Sporangium-Inhaltes ohne Einfluss sind. Aus dem durch Vergallertung der Membranen sich öffnenden Scheitel des Sporangiums werden die membran- und bewegungslosen Sporen ausgestossen, um bald sich mit Membranen zu umhüllen und zu keimen. In den Oogonien, die bei Dietyota, Padina und Taonia sorusartig vereinigt stehen (Fig. ı2 II), bleibt der Inhalt stets ungetheilt und wird als unbewegliches, membranloses Ei ausgestossen. Bei denjenigen Dictyotaceen, bei denen die Keimung des Eies und der T’etrasporen beobachtet worden ist, erfolgt dieselbe in beiden Fällen in derselben Weise. Dagegen erwiesen sich die Produkte der Keimung bei den verschiedenen Gattungen verschieden. Bei Dictyota und Zonaria nimmt der Keimling sofort die Gestalt der Mutterpflanze an; bei Zaonia (Fig. ı2 IV), Fadina und Dictyopteris hingegen wird zunächst ein kugeliger oder länglicher Gewebekörper gebildet (c), der von REınke als Centralknoten bezeichnet worden ist und der erst seinerseits aus oberflächlich gelegenen Zellen einen oder mehrere Sprosse von der Form der Mutterpflanze erzeugt. Die Antheridien stehen immer gruppenweise bei einander. Nur bei Diezyota entwickeln sich die den männlichen Sorus begrenzenden Epidermiszellen durch Auswachsen zu einer Art von Hülle (Fig. 12 III p). Der Inhalt der Antheridien verwandelt sich unter vollständigem Verlust seines Farbstoffes durch vielfach in drei senkrecht aufeinanderstehenden Richtungen des Raumes wiederholte Zwei- theilung in eine grosse Anzahl bewegungsloser Spermatien von rundlicher oder länglicher Form, welche durch Auflösung der Antheridienmembran frei werden. Das wesentlichste Moment für die systematische Stellung der Dictyotaceen, die Art und Weise der Befruchtung klarzustelien, ist trotz oft wiederholter Unter- suchungen bisher noch nicht gelungen, und es ist noch völlig ungewiss, wann und wo dieselbe vollzogen wird. Unter solchen Umständen ist auch die Deutung der einzelnen Fortpflanzungszellen als männliche, weibliche und ungeschlechtliche nur aus der Vergleichung dieser Zellen mit den entsprechenden Formen von Fortpflanzungszellen anderer Thallophyten gewonnen worden. Die wesent- lichen Anhaltspunkte für die gewählten Bezeichnungen sind folgende: die Spermatien der Dictyotaceen entsprechen im Habitus und in dem Mangel der Bewegung vollkommen denen der Florideen; die Tetrasporen gleichen ebenso den Tetrasporen der Florideen und für ihre Deutung als ungeschlechtliche Sporen spricht der Umstand, dass sie jederzeit leicht zu keimen vermögen. Die noch übrig bleibenden hier in Betracht kommenden Organe, die sogenannten Oogonien, sind in der That die einzigen bekannten Organe bei den Dictyotaceen, welche man bei dem Vorhandensein von männlichen Sexualzellen als die entsprechenden weiblichen Organe deuten könnte. Allerdings vermag auch das in dem muth- masslichen Oogonium erzeugte Ei oft dem Anschein nach ohne Befruchtung zu keimen, und vielleicht sind die Dictyotaceen bei eingetretenem Zeugungsverlust auf diese parthenogenetische Entwicklung der Eier angewiesen. Gestützt auf die Aehnlichkeit der Spermatien und Tetrasporen mit denen der Florideen hat Coun die Dictyotaceen als echte Florideen betrachtet wissen wollen, allein der vollständige Mangel der Trichogyne und der charakteristischen Fruchtbildung der Florideen trennt doch bis auf Weiteres die Dictyotaceen scharf von den Florideen. Auf der anderen Seite weist die Färbung .des Thallus und das Auftreten von Oel als Assimilationsprodukt, sowie die Entwicklung büschelförmig gestellter Haare mit basalem Wachsthum auf dem Dictyotaceen- Thallus auf verwandtschaftliche Beziehungen zu den Melanophyceen hin. 234 Die Algen im weitesten Sinne. THURET, Recherches s. ]. antheridies des algues. (Ann. Sc. nat. ser. 4. Tome II.) — CoHN, Ueb. einige Algen von Helgoland. (Leipz. 1865.) — REINKE, Entwgesch. Unters. üb. d. Dictyotaceen des Golfes von Neapel. (Nova Acta Ac. Leop.-Carol. Vol. XL. 1878.) Zweite Unterklasse: Chlorophyceen. Die Chlorophyceen sind vorzugsweise Bewohner des süssen Wassers, und manche Gruppen sind auch auf dieses in ihrer Verbreitung vollkommen einge- schränkt (Conjugaten, Protococcoideen); andere wie die Characeen vermögen aus dem süssen Wasser in das Brackwasser hinauszugehen, während an der Bildung der eigentlichen marinen Flora nur Angehörige der Confervoideen und Siphoneen betheiligt sind, und von den letzteren einzelne Abtheilungen nur im Meere vor- kommen. Der Thallus der Chlorophyceen ist entweder einzellig (Siphoneen, Protococ- coideen, Conjugaten) oder mehrzellig. Im letzteren Fall besteht er aus einfachen Zellreihen oder Zellflächen und nur bei den Characeen — die überhaupt eine eigenthümlich isolirte Stellung einnehmen — finden sich erste Andeutungen einer echten Gewebebildung. Unter den einzelligen Chlorophyceen lassen sich zwei Typen unterscheiden: einmal solche Algenformen, bei denen die Thalluszelle in Form eines langen, meist engen und vielfach verästelten Schlauches entwickelt auftritt, wie das für die Siphoneen charakteristisch ist; und zweitens solche Algen, deren Thallus mikroskopische Dimensionen kaum je überschreitet. Die letzteren leben entweder isolirt, oder sie sind familienweise zu unverzweigten Zellreihen vereinigt (die Conjugaten), oder die Familien sind zu oft netzartig durchbrochenen Zellplatten oder Hohlkugeln — sogenannten Coenobien — verbunden (Hydro- dictyeen und Volvocineen). Ungeschlechtliche Vermehrung ist bei den Chlorophyceen in den ein- fachsten Fällen identisch mit der Zweitheilung der Mutterpflanze. Bei einzelligen Pflanzen wie die Conjugaten es sind, besteht die einzige Form unge- schlechtlicher Vermehrung in der vegetativen Zelltheilung, bei den Palmellaceen tritt sie neben anderen Fortpflanzungsformen auf. Indessen besitzen nicht alle einzelligen Chlorophyceen diesen Modus der Individuenvermehrung, denn er fehlt den Protococcaceen, den Volvocineen und den meisten Siphoneen gänzlich. Bei der weitaus überwiegenden Zahl von Chlorophyceen findet die unge- schlechtiiche Vermehrung durch Zoosporen!) statt, und zwar tritt solche bei den Bewohnern des süssen Wassers gewöhnlich dann ein, wenn der Wasser- zufluss ein reichlicher ist. Die Form und die Entstehung der Zoosporen ist be- reits oben (pag. 194) ausführlich behandelt worden. Es ist dort auch schon darauf hingewiesen worden, dass manche Form ungeschlechtlicher Vermehrung durch ruhende Fortpflanzungszellen auf eine Modificirung von Zoosporen zurück- geführt werden kann, welche die selbstständige Bewegungsfähigkeit eingebüsst haben (die sogenannten Ruhesporen der Chaetophoreen). In andern Fällen ist der seweis für die Entstehung unbeweglicher Fortpflanzungszellen aus bewegungslos gewordenen Zoosporen nur schwer zu erbringen, wie für die ruhenden Sporen von Acetabularia. ') Für die Zoosporen der Chlorophyceen wird vielfach noch die Bezeichnung »Makrozoo- sporen«e angewendet; doch ist diese Nomenclatur völlig unmotivirt seitdem man erkannt hat, dass die kleineren Schwärmzellen, welche im Gegensatz zu den Makrozoosporen als »Mikrozoosporen« bezeichnet wurden, gar keine »Sporen«, d. h. ungeschlechtliche Fortpflanzungszellen sind, sondern dass letztere — gegenwärtig als Planogameten bezeichnet — der sexuellen Vermehrung dienen. Klasse II. Algen im engeren Sinne. 235 Unter allen Chlorophyceen sind die Conjugaten dadurch ausgezeichnet, dass die einzigen ungeschlechtlichen Fortpflanzungszellen, welche den Zoosporen der anderen Algen gleichwerthig sind, — die beiden Keimzellen der Desmidiaceen, die aus der Zygote sich entwickeln, — ausnahmslos unbeweglich sind. Eine eigenthümliche Vermehrung, die bei zahlreichen grünen Algen beobachtet worden ist, wird bewirkt durch die Bildung sogenannter Protococcus- und Pal- mella-Zustände, deren Auftreten zum Theil wahrscheinlich durch plötzliche Ver- änderungen in den Vegetationsverhältnissen bedingt wird.!) Bei dem Ueber- gang in den Protococcus- und Palmellen-Zustand verwandelt sich der Thallus der verschiedenartigst gestalteten Algen (Coleochaete, Cylindrocopsa, Ulothrix Fig. 17 VIII, Szigeoclonium, Chlorotylium. Ulva, Hydrocytium, Stephanosphaera), ın Haufen gleichförmiger Zellen. Entweder zerfällt der T'hallus der fadenförmigen Algen wie bei Sigeoclonium direkt durch Vergallertung der Membran in seine einzelnen sich abrundenden Zellen, oder es gehen erst zahlreiche Zelltheilungen nach allen Richtungen des Raumes vorher, und durch Auflösung der Mutterzell- menbran werden die aus jeder Zelle hervorgehenden Häufchen von Tochterzellen frei. Je nachdem die so isolirten Zellen mit normaler oder mit stark gequollener Membran versehen sind, wurden sie früher als Species der Gattungen Protococcus oder Palmella beschrieben. Dass der Palmella-Zustand von dem Protococcus-Zustand aber nur durch den Grad der Membranvergallertung sich unterscheidet, geht daraus hervor, dass CıIENKOwSKI bei Zydrocytium beide Formen von Zellen aus derselben Mutterzelle hervorgehen sah. Aus diesen einzelligen Zuständen kann in ver- schiedener Weise der normale Thallus sich entwickeln: bisweilen geht er direkt durch das Auswachsen einer derartigen isolirten Zelle hervor, häufiger aber er- zeugt eine Protococcus- oder Palmella-artige Zelle mehrere neue Individuen, die unter der Form von Schwärmzellen frei werden. Die geschlechliche Vermehrung erfolgt durch Zygoten. Der Be- fruchtungsact, aus dem die Zygoten hervorgehen, tritt bei den Chlorophyceen unter dreifacher Form auf. ı. Als eine Copulation von Planogameten, deren Verschmelzung stets noch während des Schwärmzustandes der Gameten erfolgt. (Isogame Befruchtung). 2. Als Befruchtung ruhender Eier durch schwärmende Spermato- zoiden; die Verschmelzung der beiden Zellen erfolgt abweichend von dem Copulationsact der Melanophyceen innerhalb der Ei-Mutterzelle, des Oogoniums. (Oogame Befruchtung.) 3. Als eine Copulation zweier Gameten, welche eigener Locomotionsorgane, wie es die Cilien der Planogameten sind, vollständig entbehren und als Aplano- gameten bezeichnet werden. Active Theilnahme am Verschmelzungsprozess zeigen entweder beide Aplanogameten oder die eine Gamete verhält sich dabei völlig passiv, so dass man innerhalb dieses Befruchtungstypus zwei Modificationen findet, welche als isogame und oogame Befruchtung charakterisirt erscheinen. Ausführlichere Angaben über diese Verhältnisse finden sich unten bei der spe- ciellen Darstellung der Conjugaten, auf welche die Aplanogameten-Copulation bei- nahe ausschliesslich beschränkt ist. I) FAMINTZIN, Die anorganischen Salze als Hilfsmittel zum Studium der Entwicklung niederer chlorophyllhaltiger Algen. (Melanges biologiques tires du Bulletin de l’Acad. des Sciences de St. Petersbourg. 1871. Tome VII.) — Cienkowskı, Zur Morphologie der Ulothricheen. (Ebenda 1876. Tome IX.) — CIENKOWSKI, Ueber Palmellenzustand bei Stigeoclonium. (Bot. Zeitung. 1876). \ \ 1ER ee A - ER ‚> . u 236 Die Algen im weitesten Sinne. Die beiden ersteren Befruchtungsformen, Copulation von Planogameten und Befruchtung ruhender weiblicher Gameten durch schwärmende männ- liche Gameten stehen zu einander in dem Verhältniss, dass der letztere Prozess nur als eine höhere Ausbildungsstufe des ersteren aufgefasst werden muss, deren habitueller Unterschied dadurch bedingt wird, dass bei der weitergehenden geschlechtlichen Differenzirung der beiden Gameten die weib- liche, passiv am Befruchtungsact betheiligte Gamete, ihre Bewegungsfähigkeit verloren hat. Dementsprechend können innerhalb der natürlichen Verwandtschafts- reihen der Chlorophyceen, wie sie sich auf Grund der Gesammtorganisation und des ganzen Entwicklungsganges der Pflanze zu erkennen geben, beide Be- fruchtungsformen neben einander vorkommen. So lässt sich innerhalb der Confervoideen eine Gruppe von Gattungen mit Planogameten-Copulation von einer andern Gruppe trennen, bei der die Zygote aus der Befruchtung ruhender Eier durch Spermatozoiden hervorgeht, und die gleichen Verhältnisse wiederholen sich in der Familie der Volvocineen. Und dass die Copulation der Aplano- gameten, die in derselben Weise innerhalb der Conjugatenfamilie isogame und oogame Copulationsacte aufweist, gleichfalls in Beziehung zu den beiden andern Be- fruchtungsformen steht, geht daraus hervor, dass sie — wenn auch nur verein- zelt — neben jenen beiden Befruchtungsformen in derselben Familie der Volvo- cineen vorkommt. Die Aplanogameten werden stets einzeln in Zellen erzeugt, die von den vegetativen Zellen in keinem Punkte sich unterscheiden. Die Planogameten werden stets in Mehrzahl in einer Mutterzelle erzeugt und diese Mutterzelle selbst (das Gametangium) stimmt in seiner Form vollständig mit den sterilen Zellen überein. Die Eier dagegen werden (mit Ausnahme der Gattung Sphaeroplea) immer nur einzeln in den Mutterzellen, den Oogonien, erzeugt und das Oogonium erscheint durch bauchige Auftreibung den vegetativen Zellen gegenüber auch äusserlich verschieden gebaut. Eine Mittelstellung zwischen den Planogameten- bildenden und den Ei-bildenden Chlorophyceen nimmt in der äusseren Bildung der Gameten und ihrer Mutterzellen Sphaeroplea ein: diese Gattung besitzt zwar schon ruhende Eier, wie sie den höheren Chlorophyceen mit oogamer Befruchtung eigen sind; sie weist andererseits aber habituell noch grosse Aehnlichkeit mit den Planogameten-bildenden Chlorophyceen dadurch auf, dass die unbeweglichen Eier in Mehrzahl auftreten, wie es sonst nur bei den Planogameten-bildenden Chlorophyceen der Fall ist, und ihre Oogonien unterscheiden sich habituell noch in keinem Punkte von den vegetativen 'T'halluszellen. Die Entwicklung der Planogameten erfolgt ganz nach der Analogie der Zoosporen und ebenso geht die Entwicklung der Spermatozoiden vor sich (wenn man von den Characeen absieht),. Nur ist die Spermatozoidenbildung in vielen Fällen äusserlich von der Zoosporenbildung dadurch unterschieden, dass die bisher grüne Farbe einer gelblichen Färbung der Spermatozoiden Platz macht. — Nur in Bezug auf die Bildung der ruhenden Eier mögen hier noch einige specielle Bemerkungen Platz finden. Wie bei der Entstehung der Eier von Sphaeroplea der ganze Inhalt der Mutterzelle zu ihrer Bildung verbraucht wird, so giebt es auch eineiige Oogonien, bei welchen dies der Fall ist, wie bei Volvox und Chara. In anderen Fällen wird nur ein Theil des Oogonieninhaltes zur Eibildung verwendet und der Rest wird aus dem reifen und geöffneten Oogonium ausgestossen, ohne dass die Bedeutung dieses Vorganges für die Befruchtung selbst bisher klar gestellt ist (Oedogo- ge Klasse I. Algen im engeren Sinne. 237 nium, Coleochaete, Vaucheria, Fig. ı3 VI). Ob das ausgestossene Plasma einen eigenen Zellkern besitzt, ist noch nicht nachgewiesen. Die selbständige Zell- natur des nicht zur Eibildung verwendeten Plasmas des Oogoniums würde das Zugrundegehen eines T'hheiles des Oogonium-Plasmas als analog der Auflösung der Bauch- resp. Halskanalzellen im Archegonium erscheinen lassen und der Unterschied nur darin bestehen, dass bei den Archegoniaten die Eimutterzelle durch feste Membran gegen die der Vernichtung preisgegebenen Plasmatheile abgegrenzt wird, während bei den 'T'hallophyten eine Fächerung im Oogonium nicht stattfindet. Auch habituell erinnern die Oogonien mancher Chlorophyceen bereits an die Archegonien, indem sie eine Differenzirung in Bauch- und Hals- theil erkennen lassen. So ist bei Vaxcheria und Coleochaete derjenige "Theil, in welchem die weibliche Gamete ruht, bauchartig erweitert, während das obere Ende nach Analogie des Archegonienhalses schnabelartig verlängert ist. Nament- lich bei manchen Coleochaete-Species ist der Hals ausserordentlich langgestreckt (vergl. Fig. 14) und scharf gegen den Bauchtheil abgesetzt. So sehen wir die einzelnen T'heile der Muscineen- und Pteridophyten-Archegonien bereits habituell und functionell bei den ausgebildeten Formen des Chlorophyceen-Oogoniums ver- treten: die Eizelle, Bauch- und Halswand, Bauch- und Halscanal. Aber selbst diese höchst entwickelten Oogonien repräsentiren doch nur die primitive Urform der Archegonien; denn bei ihnen sind die verschiedenen Abschnitte nur differenzirte Theile einer und derselben Zelle, während bei den Archegonien sowohl die Wand wie auch der eigentliche eibildende Apparat sich aus einer Mehrheit von Zellen aufbaut. !) Eine ganz isolirte Stellung nehmen neben den typischen Chlorophyceen- ÖOogonien diejenigen der Characeen ein, indem das Oogonium schon vor der Reife durch Zellfäden berindet erscheint, die sich unterhalb des Oogoniums entwickeln und dasselbe in regelmässigen Spiralen umwinden (vergl. Fig. 13 VI). Aehnliches kommt nur noch bei Coleochaete vor, doch findet hier die Berindung des Oogoniums erst nach der Befruchtung des Eies statt. Zwischen der Bildung der Zygote und ıhrer Keimung verläuft bei den meisten Chlorophyceen eine längere Zeit, oft von der Dauer mehrerer Monate. Ausnahmslos erfolgt die Einschiebung einer solchen Ruheperiode vor der Keimung bei allen Characeen, Oedogoniaceen, Coleochaeteen, Sphaeropleaceen, Vaucheria- ceen, Ulothrix, Volvocineen, Conjugaten, so dass die sofortige Keimung der Zygote nach ihrer Entstehung als Ausnahme von der Regel betrachtet werden muss. — Bei der zu den Siphoneen gestellten Gattung Dofrydium kann die Zygote sofort keimen oder aber Ruhezustände eingehen und die Beobachter dieser Alge deuten an, dass das verschiedene Verhalten in dieser Beziehung möglicherweise in Be- zıehung stehe zu der Vegetationsweise der Pflanzen, welche die Gameten er- zeugten. Bei den endophytisch lebenden Protococcaceen-Gattungen Chlorochytrium und Zndosphaera keimt die Zygote sofort nach ihrer Enstehung, aber nur um U) Vielleicht ist es nicht ohne Interesse darauf hinzuweisen, dass bei den marinen Chloro- phyceen .nur isogame Befruchtung bekannt ist, während sämmtliche oogame Chlorophyceen Bewohner des süssen Wassers sind. Da die letzteren aber gerade dasjenige Glied bilden, durch das die Thallophyten mit den Archegoniaten verknüpft sind, so geben dieselben nicht nur die Richtung an, welche die Entwicklung der ganzen Organisation nehmen musste, um auf die Stufe der Archegoniaten zu gelangen, — sondern vielleicht deuten ihre Standorte im süssen Wasser auch die Richtung des Weges an, welche die ursprünglich allein vorhandenen marinen Pflanzen bei ihrer Eroberung des festen Landes genommen haben. nn = x 4 u u Ba E 27 a TEN 7 238 Die Algen im weitesten Sinne. sogleich in das Gewebe einer Wirthspflanze einzudringen, ohne deren Schutz eine weitere Entwicklung der Pflanze überhaupt nicht möglich sein würde. In allen Fällen, wo die Zygote sofort keimt, oder wo sie, wie bei ZZ/ydro- diclyon, Acetabularia, Dasycladus, Ulothrix zwar nicht keimt, aber auch insofern einen absoluten Ruhezustand nicht eingeht, als sie sehr langsam an Volumen zunimmt — in allen diesen Fällen findet eine Farbenänderung der Zygote nicht statt. Denn nur da, wodieZygote eine längere Zeit vollständiger Ruhe durchmacht, tritt eine Rothfärbung der Zygote ein, über die bereits oben (pag. 173) Näheres mitgetheilt ist. Während der Dauer der Ruhezeit vermögen die meisten Zygoten ein vollständiges Austrocknen zu ertragen, wenn dasselbe allmählich und bei nicht zu intensiver Beleuchtung erfolgt, ja das vorhergehende Austrocknen geht sogar — in gewissen Grenzen vorüber —, ohne irgend welchen Einfluss auf die Zeit der Keimung auszuüben. Zygoten von Volwox globator, die im Juni gebildet worden waren, keimten in den ersten Tagen des Februar, gleichviel ob sie die ganze Zeit im Wasser oder ob sie bis zum I. Januar oder I. Februar trocken gelegen hatten. Das gleiche Verhalten hat auch ConHn für Sphaeroplea nachgewiesen. Die Zygote wächst entweder zu einer Keimpflanze aus oder es entwickeln sich mehrere Keimpflanzen daraus, und in diesem letzteren Falle werden die jungen Pflänzchen als Zoosporen entlassen. Nur bei den Desmidiaceen, denen jede Schwärmzellenbildung abgeht, sind die in Zweizahl entstehenden Keimlinge unbeweglich. Was den Entwicklungsgang der Chlorophyceen betrifft, so entbehren die‘ Characeen der ungeschlechtlichen Vermehrung vollständig, und aus der geschlecht- lich erzeugten Zygote geht eine neue Geschlechtsgeneration hervor. Den Chara- ceen scheinen sich in dieser Hinsicht andere Gattungen anzuschliessen, wie Sphaeroplea, Dasycladus, Codium, Chlorochytrium, Endosphaera, bei denen unge- schlechtliche Vermehrung zur Zeit noch nicht bekannt ist. In allen anderen Fällen scheint der Entwicklungsgang sich so zu gestalten, dass sich zwischen zwei geschlechtliche Generationen eine oder mehrere ungeschlechtliche Genera- tionen einschieben und erst die letzte ungeschlechtlich entstandene Generation wieder Gameten erzeugt. Die ungeschlechtliche Vermehrung kann dabei ent- weder erfolgen durch Bildung von Zoosporen — Oedogonieen, Coleochaeteen, Vaucheriaceen, Ulothrix, Protococcaceen (Volvocineen) — oder aber dadurch, dass der einzellige Thallus sich durch vegetative Zweitheilung ungeschlechtlich vermehrt (Conjugaten). Es ıst mehrfach der Versuch gemacht worden, der Zygote der Chlorophyceen den Werth einer selbständigen Generation zuzuschreiben, und zwei Punkte waren es, die man zur Begründung dieser Auffassung verwerthen konnte: einmal die relative Selbständigkeit und Langlebigkeit vieler Zygoten, die isolirt von dem mütterlichen Organismus ein längeres Ruhestadium durchzumachen befähigt sind, und zweitens der Umstand, dass die Zygoten vieler Gattungen nach der Ruhezeit einer kleineren oder grösseren Anzahl von Zoosporen den Ursprung geben, welche von den sonst auftretenden Zoosporen ungeschlechtlicher Generationen in nichts abweichen. Man konnte solche Zygoten als geschlechtlich erzeugte Generationen betrachten, die ihrerseits sich auf ungeschlechtlichem Wege durch Zoosporen (= Sporogonium der Moose) fortpflanzen. Diese Anschauungsweise ist dann auch auf solche Fälle übertragen worden, wo wie bei Chara aus der Zygote eine einzige neue Geschlechtspflanze hervorgeht; sie ist verallgemeinert worden a A A ah. ER Klasse II. Algen im engeren Sinne. 236 in dem Bestreben, für den Entwicklungsgang, der bei den Archegoniaten in ecla- tanter Weise durch den Wechsel von geschlechtlichen und ungeschlechtlichen Generationen charakterisirt ist, einen parallelen Verlauf auch bei den Thallo- phyten nachzuweisen. Die Auffassung der Zygote als einer selbständigen Generation ist aber nicht haltbar: schon darum nicht, weil sie consequenter Weise dahin führen "würde, auch das befruchtete Ei der Archegoniaten als eine selbständige Genera- tion erscheinen zu lassen, aus welcher das Moossporogonium oder die Farnpflanze als eine zweite geschlechtslose Generation hervorgeht. Denn das befruchtete Ei der Archegoniaten sowol wie dasjenige derMelanophyceen und dasder Chlorophyceen sind homologe Bildungen, welche nur die erste Zelle der neuen Generation dar- stellen. Ebensowenig wie man das sofort nach der Befruchtung sich weiterent- wickelnde Ei der Archegoniaten oder der Fucaceen als selbständige Generation bezeichnen kann, die nun auf ungeschlechtlichem Wege eine neue Generation er- zeugt — ebensowenig ist man berechtigt, die sofort auswachsenden Zygoten von Botrydium, Chlorochytrium oder Endosphaera als solche zu betrachten. Und von diesen letzteren Fällen unterscheiden sıch die Zygoten zahlreicher Chlorophyceen (Characeen, Zygnemaceen, Vaucheriaceen) nur durch dieEinschaltung einerlängeren oder kürzeren Ruheperiode. Neben diesen Zygoten, aus denen wie bei den Arche- goniaten und Melanophyceen nur ein neues Individuum hervorgeht, giebt es ferner auch Chlorophyceen, deren Zygoten Polyembryonie zeigen: aus einer solchen Zygote gehen 2, 4 oder mehr junge Pflänzchen hervor, die bei ihrer Entstehung entweder die Ausbildung zeigen, wie die meisten Chlorophyceen in ihrem Jugend- stadium, nämlich als Zoosporen; oder aber ihnen fehlt die Fähigkeit selbständiger Bewegung wie bei den Desmidiaceen. Nach der Analogie mit den übrigen Zygoten kann auch dieser letzteren Form von Zygoten der Werth einer selbst- ständigen Generation nicht zuerkannt werden. Die Einschaltung einer Ruheperiode bei den Zygoten der meisten Chloro- phyceen, welche die Entwicklung der letzteren im Gegensatz zu den Archegoniaten und Melanophyceen complicirt, scheint im Wesentlichen bedingt durch die Lebens- weise der Chlorophyceen. Während den specifisch marinen Thallophytenklassen — den Florideen und den Melanophyceen — die Fähigkeit Dauerzellen zu bilden vollständig abgeht, ist dieselbe in hohem Grade bei den Bewohnern des süssen Wassers ausgebildet vorhanden und diese Fähigkeit ist ausser den Chlorophyceen auch den Diatomeen und Schizophyceen eigen. Bei der Gefahr der Austrocknung, welcher die meisten Standorte der Süsswasseralgen ausgesetzt sind, und bei der Unfähigkeit der vegetativen Algenzellen ohne Weiteres eine solche Austrocknung überleben zu können, müssen in den Zellen erst bestimmte Veränderungen vor sich gehen, wodurch sie gegen Austrocknung widerstandsfähig gemacht werden. Fasst man die Veränderungen in's Auge, welche die vegetativen Zellen des Chlorophyceen-Thallus bei ihrer Ueberführung in Dauerzellen durchmachen, so ergiebt sich augenscheinlich das Bestreben, das Plasma der betreffenden Zellen wasserärmer zu machen. Die Verringerung des Volumens unter oft beträcht- licher Verdickung der Membran, die Concentrirung plastischer Stoffe und das Verschwinden zellsafthaltender Vacuolen beweist das. Wenn aber für die Existenz von Dauerzellen ein wasserärmstes Plasma nothwendig ist, so ist es klar, dass für die Zygoten, die aus der Vereinigung consistenter Plasmamassen entstanden sind, die Vorbedingungen, als Dauerzellen fungiren zu können, in eminenter Weise erfüllt sind. Und dass die Chlorophyceen von dieser vortheil- haften Eigenschaft der Zygote im eintretenden Nothfall sehr wol Gebrauch zu SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd, I. 16 240 Die Algen im weitesten Sinne. machen verstehen, beweist eine Erscheinung, deren man sich bei der Cultur gewisser Algen mit Erfolg bedienen kann, um die Zygotenbildung zu beschleunigen. Wenn man nämlich Vaucheria, Volvox oder Zygnemaceen cultivirt, so genügt ein allmähliches Verdunsten des Wassers in den Culturgefässen, um diese Algen zur Anlage der Geschlechtsorgane, resp. zur Ausbildung der Gameten zu zwingen. Die einfache Regelmässigkeit in dem Entwicklungsgang der Chlorophyceen wird ausser durch das Auftreten von längeren Ruhezuständen auch durch das Zerfallen des Thallus in einzelne Zellen, durch das Auftreten von sogenannten Protococcus- und Palmella-Zuständen (vgl. pag. 235) mannigfach complicirt und namentlich das Leben der Süsswasseralgen zeigt oft eine chaotische Mannig- faltigkeit von Entwicklungszuständen, die noch nicht bei allen Gattungen in wünschenswerther Weise haben klargelegt und geordnet werden können. In der Bildung der Unterabtheilungen der Chlorophyceen schliesst sich die folgende specielle Darstellung im Wesentlichen der vortrefflichen Anordnung an, wie sie KIRCHNER (in seiner Bearbeitung der Algen für Conn’s Kryptogamenflora von Schlesien) aufgestellt hat und an deren Stelle zur Zeit eine bessere nicht gesetzt werden kann. Die Hauptgruppen basiren ausser auf der Fortpflanzung und dem ge- sammten Entwicklungsgang vorzugsweise auf dem Bau des Thallus; gegen letzteren tritt die äussere Form des Befruchtungsvorganges billigerweise mehr und mehr in den Hintergrund, in dem Masse wie die Anschauung, dass der isogame und der oogame Copulationsprozess nur Modificationen desselben Typus sind, zu allge- meinerer Geltung gelangt. Dem entsprechend finden sich in den Unterordnungen der Chlorophyceen Planogameten-Copulation und Ei-Befruchtung mehrfach neben einander vertreten. Die fünf Ordnungen der Chlorophyceen lassen sich in den gröbsten Umrissen folgendermassen charakterisiren: I. Characeen. Mehırzelliger Thallus mit wirteliger Verzweigung und parenchymatischer Berindung. — Nur geschlechtliche Fortpflanzung. Antheridien kugelig aus acht Klappen zusammengesetzt, die auf ihrer Innenseite Spermato- zoiden-bildende Fäden tragen. Oogonien schon vor der Befruchtung von fünf spiralig gewundenen Zellfäden berindet. II. Confervoideen. Thallus mehrzellig, einreihig fadenförmig, oft verästelt, oder flächenförmig aus einer oder zwei Zellschichten gebildet, in letzterem Falle bisweilen röhrenförmig entwickelt. Ungeschlechtliche Vermehrung durch Zoosporen. Zygoten entstehen durch Planogameten-Copulation und Ei-Befruchtung. III. Siphoneen. Thallus aus einer grossen Zelle gebildet, die schlauch- artig entwickelt und vielfach verästelt ist. Zygote aus der Copulation von Plano- gameten oder aus Ei-Befruchtung hervorgehend. IV. Protococcoideen. Thallus einzellig von mikroskopischen Dimensionen, einzeln oder zu Familien verbunden. Ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Zoosporen oder durch vegetative Zweitheilung. Zygote durch Planogameten- Copulation oder Ei-Befruchtung entstehend. V. Conjugaten. Kleine einzellige Algen, einzeln oder zu Familien ver- einigt lebend. Zygote geht hervor aus der Copulation von Aplanogameten. Un- geschlechtliche Vermehrung durch vegetative Zweitheilung. 1. Ordnung. Characeen. Die Characeen sind bald zarte, bald durch Kalkincrustation starr und brüchig werdende einjährige oder mehrjährige Algen des süssen und des brackigen Wassers. Sie bilden eine scharfumgrenzte natürliche Familie, deren Zugehörigkeit zu den u Ay ne AA N Als una Allg. la ca Da VL, FE a Rn 1 ZN De a AR rn BER . fi wir 5 x Klasse II. Algen im engeren Sinne. 241 Algen aber, so lange man den Befruchtungsakt noch nicht kannte, angefochten worden ist, und deren Stellung in der That auch jetzt noch eine ziemlich isolirte ist. Neben dem complicirten Bau der Fortpflanzungsorgane ist es hauptsächlich die weitgehende constant durchgeführte Gliederung der vegetativen Theile des Thallus, welche den Characeen eine höhere Stellung im System anzuweisen, in jedem Falle aber ihre Entfernung aus dem Rahmen der Thallus-Pflanzen zu fordern schien. An derZusam- mensetzung des Characeen-Thallus betheiligen sich zwei Formen von Sprossen: einmal der aus der kei- menden Zygote unmittelbar sich entwickelnde Vor- keim, derbegrenz- tes Wachsthum zeigt, und zweitens derandemVorkeim als Seitenast an- gelegte eigentliche Hauptstamm, der unbegrenzte Entwicklungsfähig- keit besitzt und der durch seine regel- mässige Verzwei- gung auch habı- tuell dieCharaceen scharf charakteri- sit. Der Haupt- stamm trägt näm- lich durch längere oder kürzere In- ternodien getrennte Wirtel von Kurz- trieben (Fig. 13 ]), die sogenannten Blätter oder Hauptstrahlen, und diese Kurztriebe entwickeln wieder- um ihrerseits gleichfalls Wirte] von Verzweigun- gen, die Blätt- chen. Diese letz- (B. 204.) Fig. 13. II Blatt von CAara mit Blättchenwirtel a Antheridium, e Eiknospe mit Krönchen k. — III optischer Längs- I Spross von Chara fragilis. — schnitt durch einen Blattknoten, ii Internodialzellen, dazwischen die Blattknotenzelle; ihr setzt sich rechts ein mit dem jungen Antheridium a abschliessender Ast an. Die Knotenzelle unter dem Antheridium hat nach abwärts den Rindenlappen r gebildet, nach aufwärts die Eiknospe e, o das Oogonium, h zweizelliger Hüllschlauch. — IV eine Klappe des Antheridiums; w Anth.-Wandzelle, m Manubrium, das auf der terminalen Knotenzelle die büschelförmigen Spermatozoiden-erzeugenden Fäden trägt. — V Spermatozoid. — VI junges Oogonium mit Hüllschläuchen, welche sich spiralig zu winden beginnen. — VII Spitze einer Eiknospe, o Gipfel des Oogoniums resp. des Eies, k Krönchen; bei h Halsbildung zum Zweck der Eröffnung der Eiknospe. — VIII Keimende Zygote S. — IX Vorkeim von Chara. — X Querschnitt durch eine Knotenzelle des Stammes, um die Reihenfolge der Bildung der peripherischen Zellen zu zeigen. ı6* 242 Die Algen im weitesten Sinne. teren Wirtel erscheinen aber insofern rudimentär, als die Blättchen, welcheaufder vom Hauptstamm abgewendeten Seite, der Aussenseite der Blätter angelegt werden, sich schwach oder gar nicht ausbilden und nur die dem Hauptstamm zugekehrten Glieder der Blättchen-Wirtel völlig zur Entfaltung gelangen (Fig. 13 I). Ein jeder Wirtel von Blättern trägt ausserdem in der Achsel eines seiner Kurztriebe einen oder (bei /Vifella) zwei Langtriebe, die in ihrer Entwicklung eine vollständige, wenn auch oft schwächlichere Wiederholung des Hauptstammes darstellen. Die Langtriebe der Characeen wachsen vermittelst einer Scheitelzelle, die nach rückwärts eine einfache Reihe von Segmentzellen durch successive Quer- wände abschneidet, die unter einander parallel sind. Die einzelnen Segmente theilen sich darauf in eine grössere obere Zelle und eine flachere untere Zelle. Die letztere bleibt ungetheilt und bildet — oft bis zu einer Länge von 10—ı5 Centim. heranwachsend — das Internodium des Stengels, welches die successiven Kurz- trieb-Wirtel von einander trennt. Ihre obere Schwesterzelle dagegen, die »primäre Knotenzelle«, stellt den Bildungsherd für alle weiteren Entwicklungsvorgänge am Thallus dar. Aus ihr geht der Wirtel der als Blätter bezeichneten Kurztriebe hervor. Zu diesem Zwecke theilt sich die Knotenzelle zunächst durch eine diametrale Wand in zwei Tochterzellen. In jeder dieser beiden Zellen wird nun nach und nach der peripherische Theil der ursprünglichen Knotenzelle durch excentrische Wände abgeschnitten und zwar so, dass die Zelltheilungen in den beiden Hälften der Knotenzelle regelmässig alterniren. So wird die primäre Knotenzelle in einen Kranz von peripherischen Zellen und zwei von ihm einge- schlossene secundäre Knotenzellen (Fig. 13 X) verwandelt. Die peripherischen Zellen, deren Anzahl zwischen sechs und zwanzig schwankt, bei derselben Spe- cies aber gewöhnlich nur innerhalb enger Grenzen variirt, sind die Mutterzellen resp. Scheitelzellen eines ebensovielgliedrigen Wirtels von Kurztrieben oder Blättern. Auswachsend erzeugt jede der peripherischen Zellen als Scheitelzelle eines Blattes zwei bis zwölf Segmente und. wird danach selbst zur Dauerzelle. Erst nach der Anlage aller Segmente eines Blattes findet in derselben Weise wie im Stengel die Spaltung der einzelnen Segmente in je eine Internodialzelle und eine Knotenzelle statt. Diese Theilung unterbleibt stets in der Endzelle der Blätter und meist auch in mehreren angrenzenden Segmenten und mit der Unter- drückung der Knotenzelle fallen hier in den terminalen Theilen des Blattes zu- gleich alle weiteren Zelltheilungsprozesse fort. Von besonderer Wichtigkeit sind die Produkte des basalen Segmentes, die deshalb auch durch besondere Benennungen ausgezeichnet werden. Auch in ihm erfolgt die normale Theilung in eine Knotenzelle und eine Internodialzelle. Die basale Internodialzelle oder »Verbindungszelle« streckt sich niemals und bleibt in dem Stengelknoten verborgen. Erst die zu ihr gehörende basale Knotenzelle des Blattes, der »Basilarknoten« gelangt an die Thallusoberfläche und von ihr gehen wichtige Neubildungen aus, auf die weiter unten eingegangen werden wird. Die Knotenzellen der Blätter entwickeln ähnlich wie der Stengel einen Kranz von peripherischen Zellen, die aber nur eine einzige secundäre Knotenzelle um- geben, da die erste Halbirungswand der primären Knotenzelle, wie sie im Stengel auftritt, im Blatte fortfällt, ohne indessen dadurch die Anlage der peripherischen Zellen in der alternirenden Reihenfolge ihrer Entstehung zu beeinflussen. — Die Blätter und Blättchen eines Wirtels entwickeln sich in derselben Reihenfolge, wie ihre Mutterzellen angelegt wurden, so dass die Glieder desselben Wirtels nicht gleichalterig sind, sondern das älteste Glied eines Wirtels an der tragenden Achse rn u Klasse II. Algen im engeren Sinne. 243 dem jüngsten diametral gegenüber steht. Der successiven Entstehungsfolge ent- sprechen auch im jugendlichen Zustande bedeutende Grössendifferenzen zwischen den einzelnen Gliedern eines Wirtels, die im Laufe der weiteren Entwicklung am Hauptstamm wieder völlig verwischt und ausgeglichen werden. An den aus Blättchen gebildeten Wirteln bleibt dagegen der ursprüngliche Grössenunterschied zwischen den Gliedern des Wirtels dauernd erhalten und die Stellung des ältesten Blättchens im Wirtel auch im ausgewachsenen Zustande deutlich kenntlich (Fig. 13 I). Die Lage des zuerst im Knoten angelegten Wirtelgliedes ist nun verschieden, je nachdem der Wirtel von einem Langtrieb oder von einem Kurztrieb erzeugt wurde. An den Kurztrieben, den Blättern, steht nämlich stets das älteste Blätt- chen eines Wirtels dem Hauptstamm zugekehrt, so dass die ältesten und dauernd durch ihre Grösse ausgezeichneten Blättchen aller Wirtel eines Blattes in einer dem Hauptstamm zugewendeten geraden Linie übereinander stehen. Am Stengel hingegen beschreiben die Insertionspunkte des ältesten Gliedes der verschiedenen Wirtel eine Spirale um den Stamm und zwar beträgt die Divergenz zwischen den ältesten Gliedern zweier aufeinander folgender Wirtel die Hälfte der Divergenz zwischen zwei benachbarten Gliedern desselben Wirtels. Es würden somit die Glieder zweier aufeinander folgender Wirtel stets regelmässig mit einander alter- niren, wenn nicht die langgestreckten Internodialzellen im Laufe des Wachsthums eine bedeutende Drehung in der Richtung jener Spirale erführen, wodurch die Divergenzen zwischen den ältesten Blättern aufeinander folgender Wirtel bedeutend vergrössert werden. Schon oben ist gesagt worden, dass im Gegensatz zu den Wirteln von Blätt- chen die verschiedenalterigen Glieder desselben Blatt-Wirtels im ausgebildeten Zustand keinerlei Grössenunterschiede mehr wahrnehmen lassen. Nichts desto- weniger ist es auch an den Blattwirteln im völlig ausgewachsenen Zustand leicht, das älteste Blatt des Wirtels zu erkennen, da nur in der Achsel dieses ein Seiten- spross zur Entwicklung gelangt. Seinen Ursprung nimmt der Achselspross aus einer peripherischen Zelle des Basilarknotens des Blattes. Noch andere Zellcomplexe verdanken ihre Entstehung den peripherischen Zellen der Basilarknoten der Blätter, nämlich die Rinde, welche bei Chara und zum Theil bei Zychnothamnus den Stengel bekleidet. — Schon auf sehr früher Entwicklungsstufe wächst bei den Blättern eine obere und eine untere periphe- rische Zelle des Basilarknotens aus, indem sie den Internodialzellen des Stengels sich fest anschmiegen (Fig. 13 Ir). Die obere dieser beiden Zellen entwickelt sich zu einem aufsteigenden Rindenlappen für das nächsthöhere Internodium, während die untere Zelle einen absteigenden Rindenlappen für das untere Internodium bildet. Ein jedes Internodium erhält in dieser Weise seine Berindung zur Hälfte von den Basilarknoten des oberen Wirtels, zur anderen Hälfte von denen des unteren Wirtels; und wie die aufeinander folgenden Blattquirle mit- einander alterniren, so greifen auch die aus den Blattbasen entstehenden auf- steigenden und absteigenden Rindenlappen, wo sie sich in der Mitte der Inter- nodialzelle begegnen, alternirend ineinander. Das vollständig regelmässige Alter- niren der einzelnen Rindenlappen der aufsteigenden und absteigenden Rinden- hälfte wird übrigens am Stengel dadurch unmöglich gemacht, dass das älteste Blatt eines Wirtels, das aus seinem Basilarknoten einen Axillarspross erzeugt, keinen aufsteigenden Rindenlappen bildet. Die Rindenlappen wachsen in demselben Masse, wie die von ihnen bedeckte Internodialzelle sich streckt und schliessen sich auch der spiraligen Windung der- 244 Die Algen im weitesten Sinne. selben an. Durch mannigfache Zelltheilungen entwickeln sich die Rindenlappen zu complicirt gebauten Zellkörpern. Wie die Rindeniappen morphologisch äqui- valent dem Achselspross sind, so entsprechen auch die Zelltheilungsvorgänge in ihnen im Wesentlichen den Theilungsprozessen in den Langtrieben. Jeder Rinden- lappen wächst vermittelst einer Scheitelzelle, ihre Segmente zerfallen in zwei den Internodialzellen und den Knotenzellen entsprechende Tochterzellen; aber die Knotenzellen der Rindenlappen verwandeln sich später nur zu einem einseitig entwickelten Knoten, indem die peripherischen Zellen desselben nur an seiner freien Aussenseite angelegt werden. In ähnlicher Weise, wie die Berindung der Stengel aus den Basilarknoten der Blätter stattfindet, werden bei manchen Chara-Species auch die Blätter von den Basılarknoten der Blättchen aus durch einen Kranz aufsteigender und absteigen- der Rindenlappen berindet. Nur dem unmittelbar über dem Basilarknoten ge- legenen Internodium des Blattes fehlen jederzeit die aufsteigenden Rindenlappen, da die aus dem Basilarknoten des Blattes entstehenden Rindenlappen ja zur Be- rindung des Stengels dienen müssen. Der Basilarknoten der Blätter wird ausser zur Bildung der Rindenlappen des Stengels auch noch in Anspruch genommen für die Bildung von kurzen ein- zelligen, sogenannten Nebenblättchen, die in einfachem oder in doppeltem Kranz den Blattwirtel begleiten. Entsprechend der Gesetzmässigkeit der Sprossgliederung und des ganzen Zelltheilungsprozesses der Characeen ist auch die Anordnung der Fructifications- organe am Thallus genau fixirt. Die Antheridien stellen kugelige, in der Jugend grüne, später rothgefärbte Körper dar (Fig. ı3 Ila), die zur Reifezeit — entsprechend den acht zackig inein- andergreifenden Zellen, welche die Aussenwand des Antheridiums bilden — in acht Theile von gleichem Bau zerfallen. Jeder derselben (Fig. 13 IV) besteht aus einer flachen Wandzelle des Antheridiums, dem »Schildchen« w (Scutum, Klappe), einer am Umfang mit vorspringenden Ecken versehenen Zelle, deren Membran von dem zackigen Rand aus strahlig gegen die Mitte hin eingefaltet erscheint. Die vier um den oberen Pol des Antheridiums gelagerten Schildchen haben im Umriss die Form eines Kugeldreiecks; an den vier unteren Schildchen ist der Umriss viereckig, da die untere Ecke derselben durch die Trägerzelle des Anthe- ridiums abgestumpft wird, die sich zwischen sie hinein schiebt. — Auf der inneren Seite der Schildchen erhebt sich in der Mitte eine walzenförmige Zelle im (Griff oder Manubrium), die wie die vorige bei der Reife des Antheridiums roth oder hochgelb gefärbt ist. Auf ihrem inneren freien Ende trägt sie eine hyaline, runde Zelle, die Köpfchenzelle, welche als Träger büschelförmig ge- stellter Zellfäden dient, in denen die Spermatozoiden entstehen. Die Antheridien stehen bei Nizella terminal auf den Blättern, erscheinen aber stets gabel- ständig in Folge der unmittelbar unter dem Antheridium aus dem einzigen Blättchen-bildenden Knoten des Witella-Blattes hervorgehenden Verzweigungen höherer Ordnung, welche das Blatt übergipfeln. Bei Chara und Zychnothamnus dagegen stehen die Antheridien seitlich am Blatt, an Stelle des ältesten Blättchen eines Wirtels; d. i. an der inneren Seite des Blattes (Fig. 13 II), wo sie in basipetaler Reihenfolge zur Entwicklung gelangen. Die zum Antheridium bestimmte Zelle theilt sich zunächst successive in acht Octantenzellen, die sich in ihrer weiteren Entwicklung gleich verhalten und von denen jede einem der acht bei der Reife des Antheridiums auseinanderfallenden Theile den Ursprung giebt. Die Octantenzellen werden durch zwei zur Antheridiumoberfläche parallele Wände in drei radial hintereinander liegende Zellen getheilt (Fig. 13 Il a), von denen die beiden äusseren ohne weitere Theilungen Klasse I. Algen im engeren Sinne. 245 zu erfahren, zu Dauerzellen werden. Die äusserste Zelle (das spätere Schildchen) wächst vor- zugsweise in tangentialer, die angrenzende Zelle (das künftige Manubrium) nur in radialer Richtung und dadurch entstehen nun Intercellularräume in dem bis dahin soliden Körper des Antheridiums. Die innersten der drei concentrischen Schichten des jungen Antheridiums bilden die acht Köpfchen- zellen, die ihre centrale Lage niemals aufgeben. Aus ihnen sprossen je 4—6 Zellfäden hervor, die in die Hohlräume des Antheridiums hineinwachsen und später den Spermatozoiden den Ur- sprung geben. Anfangs zeigen sie Spitzenwachsthum, das aber bald durch zahlreiche intercalare Theilungen ersetzt wird. Nur die basalen Zellen der Fäden, welche spärlich verzweigt erscheinen, sind von intercalarer Zelltheilung ausgenommen. Jede der sehr kurzen Gliederzellen der Fäden im Antheridium erzeugt ein Spermatozoid, dessen spiralig gewundener Plasmakörper an seinem vorderen. Ende zwei Cilien trägt (Fig. 13 V) und lebhaft an die Spermatozoiden der Moose erinnert. Die weiblichen Geschlechtszellen der Characeen befinden sich zur Reifezeit bereits von einem complicirt gebauten Gehäuse eingeschlossen und das Ei nebst dieser Hülle wird bei den Characeen speciell als »Eiknospe« bezeichnet. Die Eiknospe (Fig. 13 II e) besteht aus dem einzelligen Oogonium, welches ein einziges grosses Ei umschliesst und einer Hülle, welche aus fünf Zellfäden ge- bildet wird, die unmittelbar unterhalb des Oogoniums inserirt sind und in spira- ligem Verlauf das Oogonium umwinden. Die fünf Hüllfäden sind untereinander und mit dem Oogonium fest verwachsen; über dem Scheitel des Oogoniums richten sich die Fadenenden auf und bilden das Krönchen der Eiknospe (Fig. 13 I und VIIk). Jeder der fünf Hüllfäden besteht aus zwei (Chara, Lychno- thamnus) oder drei Zellen (Witella, Tolypella), von denen nur die unterste lang- gestreckte Zelle den spiralig gewundenen Theil eines Hüllfadens bildet, während an der Bildung des Krönchens bei zweizelligen Fäden die oberste Zelle, bei drei- zelligen Hüllfäden die beiden oberen Zellen betheiligt sind. Die Hülle, welche das Oogonium umgiebt, schliesst letzteres hermetisch gegen das umgebende Wasser ab und würde den Zutritt der Spermatozoiden vollständig unmöglich machen, wenn nicht im reifen Zustand die Eiknospe durch die sogenannte Halsbildung die Möglichkeit sich zu öffnen besässe. Der oberste Theil der spiraligen Hüllschläuche erfährt dabei eine nochmalige Verlängerung und zwar unter Zerreissung der äussersten Lamellen ihrer Mem- bran. Die gesprengten, meist mit Kalk incrustirten Theile der Membran be- grenzen dann die zarten kalkfreien, sich streckenden und den Hals der Eiknospe bildenden inneren Membranschichten von oben und unten als vorspringender Rand (Fig. ı3 VIIh). Durch dieses erneuerte Wachsthum in der oberen Region der Eiknospenhülle trennen sich auch die Hüllschläuche unmittelbar unter dem Krönchen seitlich von einander, so dass nun die im Wasser schwärmenden Sper- matozoiden freien Zutritt zu dem Oogonium haben und sich in grosser Menge in dem Raum über dem Scheitel desselben ansammeln können. Sie werden hier fest- gehalten von der vergallertenden Membran des Oogoniums, durch welche sie zu dem im Oogonium enthaltenen Ei vorzudringen vermögen. Das letztere umgiebt sich nach erfolgtem Befruchtungsact — (der noch nicht beobachtet ist) — ohne seine Form oder sein Volumen zu verändern mit einer festen Membran. Die äusseren Theile der Hüllschläuche gehen ebenso wie das Krönchen mit der Zeit zu Grunde und nur die inneren, der Zygote unmittelbar anliegenden Theile der Hüllschläuche bleiben übrig, verdicken und bräunen sich und bilden eine holz- artige Schale um das befruchtete Ei. Mehr oder weniger bleiben auch die Scheide- wände zwischen je zwei benachbarten Hüllschläuchen sich verholzend erhalten 246 Die Algen im weitesten Sinne. k j und erscheinen dann, dem Verlauf der unversehrten Schläuche entsprechend als stärker oder schwächer vorspringende Kanten oder Flügel an der Zygote erhalten (Fig. 13 VIII S). Die weiblichen Geschlechtsorgane stehen bei Vizella an Stelle von Blättchen und daher un- mittelbar unterhalb des terminalen Antheridiums. Bei Chara entwickeln sie sich wie die Anthe- ridien auf der inneren Seite der Blätter, aber sie nehmen hier nicht wie die Antheridien die Stelle eines Blättchens ein, sondern entstehen erst aus den Basilarknoten der Blättchen, als Seitensprosse derselben. Bei monöcischen Species erscheinen daher die Oogonien (resp. Ei- knospen) als Achselspross des Antheridiums (Fig. 13 Ilo, I). Aber auch bei dioeeischen Species wird diese Stellung durch das Fehlen der Antheridien nicht beeinflusst: das Oogonium steht dann eben in der Achsel eines älteren Blättchens des Wirtels. — Die Umwandlung eines Sprosses zur Eiknospe beginnt, wenn die Scheitelzelle desselben erst ein Segment gebildet hat. Letzteres theilt sich in normaler Weise in eine untere klein bleibende Internodialzelle und eine obere Knoten- zelle. Die Knotenzelle erzeugt die Hülle des Oogoniums (Fig. 13 Ih), während die Scheitelzelle zum Oogonium (o) wird, nachdem an ihrer Basis noch ı—3 kleine Zellen, die sogenannten Wendezellen abgeschnitten worden sind, deren Bedeutung bisher nicht hat erklärt werden können. Die fünf Aeste (h), welchen die Knotenzelle den Ursprung giebt, legen sich sofort fest dem Oogonium an und noch ehe sie den Scheitel desselben überwölbt haben, findet im oberen Theil die Abgrenzung der einen oder der beiden Zellen für das Krönchen statt. Während die Hülle sich über dem Oogoniumscheitel schliesst, beginnt in den jugendlichen Eiknospen (Fig. 13 VI) die Richtung der Hüllschläuche aus dem geraden Verlauf in den spiralig gewundenen überzugehen. Bei der ausserordentlich hohen Stufe, welche die Entwicklung des Geschlechts- apparates bei den Characeen erreicht hat, ist die Thatsache um so auffallender, dass die Befruchtung bisweilen umgangen werden kann und die ‚weitere Ent- wicklung des Eies auf parthenogenetischem Wege doch zur Ausbildung einer in normaler Weise keimfähigen Frucht führt. In dieser eigenthümlichen Lage befindet sich nach AL. Braun’s umfassenden Untersuchungen!) Chara crinita in Deutsch- land und Skandinavien, wo männliche Exemplare aller Forschungen ungeachtet bisher noch nicht aufzufinden gewesen sind. Nichtsdestoweniger gelangen die Früchte trotz Abwesenheit von Spermatozoiden zur vollständigen Entwicklung, ja die Pflanze tritt, obwol sie einjährig ist und nicht mit Hilfe vegetativer Organe zu überwintern vermag, dennoch alljährlich in oft ungeheuern Mengen weiblicher Individuen auf. Es muss somit angenommen werden, dass in den angegebenen Ländern eine parthenogenetische Weiterentwicklung der weiblichen Organe statt- findet. Aus dem südlichen Frankreich, aus Siebenbürgen und vom Kaspischen Meere sind normale männliche Pflanzen der diöcischen Chara crinita bekannt. Der Beginn der Keimung macht sich in der Zygote dadurch bemerklich, dass an ihrem oberen, dem ehemaligen Krönchen entsprechenden Ende eine Scheide- wand aultritt, welche die Hauptmasse des Plasmas absondert von einer kleineren Portion im Scheitel der Frucht. Diese kleinere Zelle sprengt heranwachsend die Fruchtschale der Zygote am Gipfel in fünt den ehemaligen Hüllschläuchen ent- | sprechende Lappen auseinander. Dann theilt sie sich selbst durch eine Wand, welche die Längsachse der Zygote in sich aufnimmt, in zwei nebeneinander | liegende Zellen. Die eine dieser Zellen entwickelt sich zur Primärwurzel (Fig. 13 VIII p), die andere zur Vorkeimspitze, während die reservestoffreiche Fuss- zelle, welcher beide aufsitzen, die Fruchtschale, welche ganz von ihr ausgefüllt wird, niemals verlässt. Die einzellige Vorkeimspitze theilt sich zunächst in zwei Zellen (Fig. 13 VIll a ') Braun, Ueber Parthenogenesis bei Pflanzen. (Abhandl. d. Berlin. Akad. phys. (el 1856., p. 337.) RN a kt a ZB Pal, GL en Are 5 Are ER ES Er EIER * IHR N Klasse II. Algen im engeren Sinne. 247 und b), deren obere (a) zu einem 2—6 zelligen Faden auswächst. Mit dem Uebergang dieser Zellen in Dauerzellen wird dem weiteren Längenwachsthum der Vorkeimspitze ein Ende gesetzt. Die untere Zelle (b) theilt sich in zwei Tochterzellen, von denen die untere sich nicht weiter theilt und zu einem lang- gestreckten hyalinen Faden auswächst. Von der andern wird ein schmales oberes und ebenso das untere Ende als selbständige Zellen (s und w) abgetrennt und von diesen beiden flachen Zellen gehen ähnlich wie in den Knoten der unbegrenzt wach- senden Characeenstämme die weiteren Bildungen am Vorkeim aus. Die untere dieser beiden Zellen (Fig. 13 VIII und IX w) fungirt als Wurzel-erzeugender Knoten, die obere verhält sich wie ein normaler Stengelknoten und theilt sich in eine Anzahl peripherischer Zellen, von denen zwei Knotenzellen eingeschlossen werden (Fig. ı3 X). Die zuerst angelegte peripherische Zelle des einzigen Stengel- knotens des Characeen - Vorkeims wird zur Mutterzelle des Hauptstammes (Fig. 13 IX h), der hier also die Stelle eines Blattes einnimmt, während die Anlage seitlicher Langtriebe an den Stengelknoten der Hauptstämme nur unter der Form von Achselsprossbildung auftritt. Neben der primären Wurzel des Vorkeims finden sich normal Wurzeln ent- wickelt aus den peripherischen Zellen des Vorkeim-Wurzelknotens, dessen Zell- theilungen in unregelmässiger Weise verlaufen, ohne sich an das Schema der Theilungsfolge in den Stengelknoten zu halten. Zu diesen regelmässig auf- tretenden Wurzelbildungen kommen noch andere hinzu, die fast regelmässig neben der Primärwurzel des Vorkeims entstehen und aus der Basis derselben ihren Ursprung nehmen. Und endlich können sich an beliebigen Stengelknoten, soweit sie von Erde bedeckt sind, accessorische Wurzeln entwickeln. Die Wurzeln sind einfache Zellfäden, denen die Gliederung in Internodial- und Knotenzellen abgeht. Ihre langgestreckten Zellen sind an beiden Enden erweitert und setzen sich mit breiten schräggestellten Endwänden derart aneinander, dass Ar. BRAUN die so entstehenden Wurzelgelenke mit der Vereinigung zweier vorgestreckter in entgegengesetzter Richtung mit den Sohlen aneinanderstossender menschlicher Füsse verglichen hat. Bei dem Fehlen von Knotenzellen in der Wurzel gehen die Verzweigungen von diesen Gelenken aus und zwar nur aus dem der oberen Zelle angehörenden Gelenktheil. Hier aus dem Rücken der Fuss-förmigen An- schwellung sich bildend, stellen sie einseitig angeordnete Büschel von Wurzel- haaren dar. Neben den regelmässig auftretenden, zum Aufbau der Characeenpflanze nothwendigen Gliedern müssen schliesslich noch zwei Formen accessorischer Sprossbildungen erwähnt werden, welche beide aus den Stengelknoten älterer überwinterter Pflanzen ihren Ursprung nehmen. Die einen entsprechen in ihrem ganzen Bau und ihrer Entwicklungsweise den Stengeln mit unbegrenztem Wachs- thum, aus denen sie entspringen. Indessen entbehrt bei den Charen mit be- rindetem Stengel ihre Basis durch mangelhafte Ausbildung oder gänzliches Fehl- schlagen der Rinde derselben theilweise oder vollständig, und diese Verzweigungen sind daher als »nacktfüssige Zweige« bezeichnet worden. Die zweite Form der accessorischen Sprossbildungen wiederholt dagegen vollständig jene im Wachsthum begrenzten Sprosse, die unmittelbar aus der keimenden Zygote sich entwickelnd als »Vorkeim« bekannt sind. Dieser Ueber- einstimmung wegen wird die zweite Form der accessorischen Sprosse »Zweigvor- keime« genannt. Wie die aus der Zygote direct entspringenden echten Vorkeime entwickeln sie seitlich einen unbegrenzt wachsenden Hauptstengel und indem diese 248 Die Algen im weitesten Sinne. accessorischen Gebilde selbständig zu werden vermögen, bewirken sie eine un- geschlechtliche Vermehrung der Individuenzahl. Specifisch ausgebildete ungeschlechtliche Fortflanzungszellen, die den Tetra- sporen der Florideen oder denZoosporen derMelanophyceen und der übrigen grünen Algen entsprächen, fehlen den Characeen gänzlich. Da durch dieses Verhältniss die Möglichkeit eines Generationswechsels ausgeschlossen wird, so ist der ganze Entwicklungsgang der Characeen ein sehr einfacher: aus der durch geschlecht- liche Befruchtung entstandenen Zygote entwickelt sich ein .neues Individuum, bestehend ı. aus einem sterilen Kurztrieb — dem Vorkeim — und 2. dem als Seitenast des Vorkeims entstehenden Hauptstengel mit unbegrenztem Wachsthum, der wieder Geschlechtsorgane trägt. In Bezug auf die hohe Ausbildung der complicirt gebauten Geschlechtsorgane stehen die Characeen unter den Thallophyten einzig da. Namentlich die Gestalt der Spermatozoiden in Verbindung mit der charakteristischen Gliederung der Pflanze in Stengel und seitliche Kurztriebe scheint den Characeen im natürlichen System eine Stellung jenseits der Grenzen der Thallophyten anweisen zu wollen und Corn hält auch noch neuerdings daran fest, sie als unterste Ordnung zu den Bryophyten zu stellen. Wenn man indessen vor die Alternative gestellt wird, die Characeen entweder den Thallophyten oder den Archegoniaten einzureihen, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass sie mit den Arche- goniaten ausser der Form der Spermatozoiden schlechterdings nichts ge- meinsam haben und dass sie unter den Archegoniaten noch isolirter dastehen würden als unter den Thallophyten. Denn von den beiden charakteristischen Momenten, die keiner Archegoniate fehlen, zeigen die Characeen weder den regelmässigen Wechsel geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Generationen, noch auch die Ausbildung der weiblichen Geschlechtsorgane als Archegonien. Nur bei oberflächlicher Betrachtung der entwickelten Eiknospe ist eine Vergleichung derselben mit den Archegonien möglich auf Grund ihrer Vielzelligkeit und des eigenthümlichen Aufreissens vor der Befruchtung. Das Characeen-Oogonium ist aber thatsächlich ursprünglich ein einzelliges Organ wie andere Chlorophyceen- Oogonien auch und unterscheidet sich von jenen nur dadurch, ‚dass es von Hüllfäden regelmässig umwachsen wird. In unregelmässigerer Weise und erst nach erfolgter Befruchtung vollzieht sich auch bei Coleochaete der Berindungs- prozess des Oogoniums (vergl. pag. 251). — Für die Physiologie der Zelle sind die Characeen insofern von hohem Interesse geworden, als an ihnen zuerst die Rotation des Protoplasma 1772 von BONAVENTURA CORTI entdeckt wurde. Das Vorkommen der Plasmabewegung in fast sämmtlichen Zellen und die Gesetzmässigkeit der Stromrichtung innerhalb der verschiedenen Zellen ist später von AL. BRAUN für die ganze Pflanze auf das Genaueste fe‘,tgestellt worden. AL. Braun, Ueber die Richtungsverhältnisse der Saftströme in den Zellen der Characeen. (Monatsb/.r, der Berliner Akad. 1852 und 1853.) — PRINGSHEIM, Ueber die Vorkeime und die nackt/ dssigen Zweige der Charen. (PRINGSHEIM, Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. III.) — DE Bary, Ueb. In Befruchtungsvorgang bei den Charen. (Monatsber. der Berlin. Akad. 1871.) — DE-Bary, Zur Keimungsgeschichte der Charen. (Bot. Zeit. 1875.) — BRAUN, Die Characeen (in CoHn, Kryptogamen-Flora v. Schlesien). 2. Ordnung: Confervoideen. Als Confervoideen werden alle grünen Algen zusammengefasst, bei denen der mehrzellige T'hallus in fadenförmiger oder flächenförmiger Entwicklung auf- Klasse II. Algen im engeren Sinne. 249 tritt. Seine Ausbildung als Zellfläche beschränkt sich im Wesentlichen auf die Familie der Ulvaceen und kommt daneben nur noch bei manchen Coleochaete- Species vor. Die Angehörigen der Confervoideen lassen sich nach der ver- schieden weit gehenden Differenzirung ihrer Gameten in zwei grosse Gruppen theilen. Bei den einen sind die Gameten als ruhende Eier und schwärmende Spermatozoiden entwickelt und die Familien der Coleochaeteen, Oedogoniaceen und Sphaeropleaceen lassen sich darauf hin als oogame Confervoideen zu- sammenfassen. Die übrigen Familien (Ulothricheen, Cladophoraceen, Chaeto- phoreen und Ulvaceen) lassen sich — in entsprechender Weise als isogame Confervoideen zusammengefasst — jenen gegenüberstellen: bei ihnen treten die Gameten als gleichgestaltete Planogameten auf. Während aber bei den oogamen Confervoideen der Befruchtungsprocess für alle Gattungen bekannt ist, lässt sich für die isogamen Confervoideen nicht das Gleiche sagen. Neben Gattungen wie Ulothrix, Chroolepus, Cladophora, Ulva und Monostroma mit Plano- gameten-Copulation sind der letzteren Abtheilung auf Grund des Thallusbaues auch solche Gattungen eingereiht worden, bei denen ein gleicher Befruchtungs- prozess wahrscheinlich, aber noch nicht nachgewiesen worden ist und bei denen zum Theil wenigstens die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, dass sie einer ge- schlechtlichen Fortpflanzung ganz entbehren. — Die Bildung von Protococcus- und Palmella-Zuständen ist bei den Confervoideen eine besonders häufige Erscheinung. a) Oogame Confervoideen. Bei den oogamen Confervoideen, deren Vorkommen auf das süsse Wasser beschränkt ist, ist ungeschlechtliche Vermehrung nur bei Sphaeroplea unbekannt. Sonst finden sich zwischen zwei Geschlechtsgenerationen eine oder mehrere un- geschlechtliche Generationen eingeschoben. Auf eine Reihe von ungeschlecht- lichen Generationen folgt eine Geschlechtsgeneration, welche mit der Zygoten- bildung den Entwicklungsgang des Generationscyclus abschliesst. Die Zygote überwintert und eröffnet im nächsten Frühling mit der Entwicklung von 4—1o Zoosporen, die zu geschlechtslosen Pflänzchen heranwachsen, einen neuen Generationscyclus.. Nur bei den Coleochaeteen wird die Ausbildung der Zoo- sporen in der Zygote von einer Fächerung der letzteren durch feste Membranen begleitet, welche die Zygote in ein parenchymatisches Zellgewebe verwandeln. Im Einzelnen zeigen die drei hierher gehörigen Familien wesentliche Unterschiede sowohl in vegetativer Beziehung wie auch rücksichtlich der Geschlechtsorgane. 1. Familie: Coleochaeteen. Die Arten der Gattung Coleochaete wachsen als winzige, meist mehr oder weniger regelmässig runde Scheiben oder Polster auf untergetauchten Pflanzen- theilen. Sobald die aus der Zygote entwickelten Schwärmzellen zur Ruhe gekommen sind, theilen sie sich einmal und wachsen dann je nach dem ver- schiedenen Bau des Thallus bei den verschiedenen Species in mannigfacher Weise weiter. Bei C. so/uta wachsen die beiden Zellen des Keimlings zu ver- zweigten Fäden mit terminalem Wachsthum aus, welche im Halbkreise her- umwachsend die beiden ersten Zellen des Keimlings ringförmig umschliessen (Fig. 14 VII). Die weitere Verzweigung dieser Fäden erfolgt in der Weise, dass die Scheitelzelle wiederholt gabelförmig 'auswächst und jeder Gabelast zur Scheitelzelle eines neuen Astes wird. Aus diesen vom ursprünglichen Centrum des Keimlings aus radial auf dem Substrat sich ausbreitenden, dicht nebeneinander 250 Die Algen im weitesten Sinne. gelagerten Zellfäden entsteht ein scheibenförmiger Thallus. Bei C. scuzata besteht der Keimling von Anfang an nicht aus zwei nebeneinander liegenden, sondern aus zwei übereinander liegenden Zellen, von denen die obere ungetheilt zur Dauerzelle wird, während die untere zu einer regelmässig concentrisch wachsen- den Scheibe sich entwickelt (Fig. 14 VII), deren Mittelpunkt von jener ersteren ihr aufsitzenden Zelle bedeckt wird. Wenn auch diese Scheibe thatsächlich. nie- mals aus gesonderten Zellfäden sich zusammensetzt oder sich später in solche auf- löst, so entsprechen doch die Zelltheilungsprozesse in ihr völlig denjenigen in dem aus einzelnen Fäden bestehenden Thallus der C. solufa: die radiale An- ordnung der Zellreihen, das terminale Wachsthum derselben, die Vermehrung der radialen Zellreihen durch die der Gabelspaltung der Scheitelzellen von C. soluta entsprechende Zweitheilung der randständigen Scheitelzellen zeigen die voll- ständige Uebereinstimmung in der Entwicklung beider Thallusformen, sobald sie über das erste Keimungsstadium hinaus sind. Einen dritten Typus repräsentirt C. pulvinata, bei welcher aus einer scheibenförmig kriechenden Platte von der Form der C. soluta zahlreiche aufrechte Zellfäden sich erheben, welche ein lockeres rundliches Polster bilden. Die Verästelung der Zellfäden findet hier aber niemals aus der Scheitelzelle, sondern stets aus Segmentzellen statt. Alle Zellen derCo- leochaeten, auch die Scheitelzellen, vermö- gen im Alter eigenthüm- liche Borstenbildungen zu erzeugen, denen die ganze Gattung ihren Namen verdankt. Die Borsten (Fig. 14 II b) sind zarte aber solide Cellulosefäden, in wel- che sich das Zelllumen nicht fortsetzt und die an ihrer Basis von einer weiteren Scheide um- geben sind. Diese Scheide besteht wahr- > —z (B. 205.) Fig. 14. Coleochaete. 1 fertiler Ast von C. Julvinata, o Oogonium mit trichogynartigem Schnabel t, a Antheridium (350). — II Spermatozoid. — III geöffnetes Oogonium mit Ei, das Plasma des Schnabels zu Grunde gegangen, b Borstenhaar (350). — IV Ueberwinterte Zygote von der Berindung befreit und durch feste Membranen gefächert (280). — V Oogonium mit Zygote vollständig berindet (280). — VI Oogonium mit Zygoteim Beginn der Berindung durch Hüllfäden h (280). — VII Keimpflanze von C. scutata (250). — VII Keimpflanze von C. soluta (250). (Nach PRINGSHEIM.) scheinlich aus den ge- snrengten äusseren La- mellen der Membran, während die innern Par- tieen derselben sich zu einem dünnen Borsten- haar gestreckt haben. Die Bildung der zweiwimperigen Zoosporen kann in allen vegetativen Zellen der Pflanzen vor sich gehen und zwar in der Weise, dass jede Zelle eine Zoospore erzeugt, welche durch eine Oeffnung in der Membran ausschlüpft. Die Geschlechtsorgane finden sich bei den einen Species (C. pulvinata, divergens, soluta) neben einander vorkommend, bei C. scutata dagegen ist ihre Aus- bildung auf verschiedene Individuen vertheilt. schlechtsorgane zeigen sich Differenzen zwischen den einzelnen Species. Auch in der Stellung der Ge- Bei NR, * Pe art Mir I Br Fe Tee Ar 9 ıw r a er 7 A A er a a BE A A x . \ a ur het nn Klasse II. Algen im engeren Sinne. 251 C. pulvinata und C. divergens werden die Endzellen der aufsteigenden Fäden zu Oogonien; bei den Species mit scheibenförmigem Thallus entstehen dagegen die Oogonien nicht aus den Scheitelzellen, sondern in der Continuität der Fäden, wobei sie entweder einen einzigen Kreis auf dem Thallus bilden oder in mehreren ungefähr concentrischen Kreisen angeordnet sein können. Die Antheridien treten in der Gattung Coleochaete in zwei wesentlich ver- schiedenen Typen auf. Der eine wird vertreten durch die monöcische C. scufata: zum Zweck der Antheridienbildung theilen sich einzelne ältere Zellen der paren- chymatischen Zellschicht durch zweifache Zweitheilung in vier Zellen, die so an- geordnet sind, dass auch hier der 'Thallus einschichtig bleibt, und von denen jede ein Spermatozoid erzeugt. Diese aus vier Zellen bestehenden Antheridien sind zu grösseren Gruppen vereinigt, die auf eine kreisförmige Zone des Thallus vertheilt sind und bei grösserer Ausdehnung der Antheridiengruppen auch wol zu einem ununterbrochenen Gürtel zusammenfliessen können. — Bei den anderen Coleochaeten treten die Antheridien auf als kleine flaschenförmige Zellen, welche zu zweien oder dreien aus einzelnen vegetativen Zellen als kurze Seitenäste ent- stehen (Fig. ı4 la). Jede dieser Zellen entlässt ihren Inhalt als ein einziges fast farbloses Spermatozoid (Fig. 14 II) von kugeliger oder ovaler Gestalt, das an seinem vorderen Ende zwei lange Cilien trägt. Diejenigen Zellen, welche zu Oogonien werden sollen, schwellen bauchig an und verlängern sich bei C. pulvinata (Fig. 14 I-VI]), soluta und divergens in einen schmalen, fadenförmigen Fortsatz, der chlorophylifrei bleibt. Zur Zeit der Empfängnissfähigkeit öffnet sich dieser letztere an der Spitze, sein Inhalt geht zu Grunde und der im unteren Abschnitt des Oogoniums verbleibende Theil des Protoplasma ballt sich zum Ei zusammen (Fig. 14 ID). Durch den geöffneten Hals des Oogoniums dringen die Spermatozoiden bis zum Ei vor und befruchten dieses, worauf es sich mit Membran umgiebt und zur Zygote wird, die den Bauchtheil des Oogoniums vollständig ausfüllt. Sogleich nach der Befruchtung findet ein Auswachsen der Trägerzelle des Oogoniums zu einem Faden statt, der dem Oogonium sich fest anlegt (Fig. 14 III VIh). Derselbe stellt den ersten An- fang einer Berindung dar, die später das ganze Oogonium fest umschliesst und an deren Bildung bisweilen auch Aeste anderer Thallusfäden sich betheiligen (Fig. 14 V). Bei den Coleochaete-Species mit scheibenförmigem Thallus beschränkt sich die Berindung des Oogoniums nach der Befruchtung des Eies nur auf die Oberseite des Thallus, wogegen die Oogoniumzelle auf der Thallus-Unterseite freiliegend erhalten bleibt. Bei C. orbicwaris und C. irregularis endlich bleibt auch die Rinde auf der Oberseite der Oogonien nur rudimentär, und bisweilen kann bei den beiden letztgenannten Species die Rindenbildung auch ganz weg- fallen. Zugleich weichen beide Species und ebenso die auch schon durch ihre Antheridienbildung ausgezeichnete C. scufata von den übrigen Coleochaete-Species dadurch ab, dass auch die Schnabelbildung am Oogonium bei ihnen gänzlich unterdrückt ist. Während die übrige Pflanze abstirbt, bräunen sich die Hüllfäden, welche das Oogonium umgeben, und in diesem Zustande überwintert die Zygote, einge- schlossen von dem Oogonium und dessen Berindungsschicht. Erst mit beginnendem Frühling gehen neue Wachsthumsprozesse in der Zygote vor sich. Sie theilt sich unter Volumenzunahme mehrfach und verwandelt sich in einen parenchymatischen Gewebekörper (Fig. 14 IV), während die gebräunten Zellen ihrer Rinde in unregel- mässigen grösseren oder kleineren Complexen von der wachsenden Zygote abblättern. 252 Die Algen im weitesten Sinne. Aus dem Gewebekörper, welcher aus der Zygote gebildet wird, schlüpft später der Inhalt jeder Zelle unter der Form einer Zoospore aus, welche in ihrem Aeusseren völlig den vom ausgebildeten Coleochaete-Thallus erzeugten Zoosporen entspricht und in gleicher Weise wie jene zu einem neuen Thallus auswächst. Die Gattung Coleochaete ist trotz ihres geringen Umfanges eine der wichtigsten für die Deutung der Verwandtschaftsverhältnisse der niederen Pflanzen, ‘insofern als sie in ihrer- Ent- wicklungsgeschichte manche charakteristische Momente zeigt, welche sie als Bindeglied zwischen Familien erscheinen lassen, deren verwandtschaftliche Beziehungen ohne das Vorhandensein des Coleochaete-Typus schwer erkennbar sind. Mit den Characeen stimmt Coleochaete überein in der Form, in welcher die Zygote über- wintert; die Berindung des die Zygote umschliessenden Oogoniums entsteht indessen bei den Characeen schon vor der Befruchtung, bei Coleochaete wird die Entwicklung der Hüllfäden da- gegen erst durch die Befruchtung angeregt. — Auf die Aehnlichkeit, die manche Coleochaete- Species in der Differenzirung des Oogoniums in einen Bauch- und einen Halstheil und in dem Zugrundegehen des Plasmas im Halstheil mit den gleichen Vorgängen im Archegonium der Mus- cineen und Pteridophyten zeigen, ist schon (pag. 237) hingewiesen worden. Am wichtigsten ist Coleochaete dadurch geworden, dass man nicht nur den eigenthümlichen Prozess der Carposporenbildung der Florideen durch die Entwicklungsvorgänge von Colochaete zu deuten und auf die letzteren zurückzuführen versucht hat, sondern auch auf Grund dieser Deutung durch Vermittelung von Coleochaete den Anschluss der Florideen an die eigentlichen Algen an- nehmen zu dürfen geglaubt hat. Man ist sogar im Eifer soweit gegangen, in Verkennung der fundamentalen Principien der natürlichen Systematik der Organismen die Coleochaeten ganz von den übrigen Chlorophyceen zu trennen und mit den Florideen zu der Gruppe der Carposporeen zu vereinigen. Gegenüber diesen Versuchen ist zu bemerken, dass wir in dem Habitus und der Färbung der Coleochaeten, in ihrem Thallusbau, in der Aufeinanderfolge einer Reihe von unge- schlechtlichen Generationen, die mit einer Geschlechtsgeneration abschliesst, in ihrer ungeschlecht- lichen Fortpflanzung vermittelst Zoosporen, in der geschlechtlichen Fortpflanzung durch Zygoten, die aus der Copulation membranloser Gameten hervorgehen, in der Erzeugung von Zoosporen seitens der überwinterten Zygote lauter Momente haben, welche bei der Mehrzahl der Confervoideen identisch wiederkehren, sich auch bei anderen Chlorophyceen finden und kategorisch die Belassung der Coleochaeten in dem Rahmen der Chlorophyceen fordern. — Nur in zwei Punkten weichen die Co- leochaeten von den anderen oogamen Confervoideen ab: I. in der nachträglichen Umhüllung des Oogoniums, die bei manchen Species aber fast ganz fehlt, und — wenn auch schon vor der Be- fruchtung — auch bei den Characeen vorkommt; 2. in der Fächerung der Zygote durch feste Membranwände vor der Entwicklung der Zoosporen. Da der letztere Prozess bei zahlreichen andern Zygoten ohne Fächerung, im übrigen aber völlig in derselben Weise wie bei Coleochaete er- folgt, so erscheint die Membranbildung bei Coleochaete nur als eine unbedeutende Abweichung den übrigen Chlorophyceen gegenüber. Gerade diese Abweichung aber hat die Handhabe für eine Vergleichung der Carposporenbildung der Florideen mit der Zygotenbildung von Coleochaete geboten, indem man die Verwandlung der Coleochaete-Zygote in einen parenchymatischen Gewebe- körper der Bildung des Gewebekörpers, der aus dem Carpogon der Florideen hervorgeht, parallel setzte. Während die Nucleusbildung der Florideen eine unmittelbare Folge des Befruchtungs- actes ist, erweist sich die Fächerung und die Zoosporen-Entwicklung der Coleochaete-Zygote aus der Vergleichung mit dem Verhalten anderer Zygoten lediglich als ein Keimungsprozess. Wenn man die Ruhezeit, welche zwischen dem Befruchtungsact und der Keimung der Coleo- chaete-Zygote eingeschaltet ist, eliminirt, so ist es allerdings möglich, die Veränderung des Florideen- Carpogons nach der Befruchtung, seine Entwicklung zum Nucleus und die Anlegung der Carposporen in demselben mit den Vorgängen zu vergleichen, welche bei gewissen Chlorophyceen zwischen dem Befruchtungsact und der Entwicklung mehrerer Keimlinge aus der Zygote sich abspielen. Man kann so das befruchtete Carpogon der Florideen mit dem befruchteten Ei (der Zygote) von Coleochaete vergleichen; man kann die Nucleusbildung der Florideen der parenchymatischen Fächerung innerhalb der Coleochaete-Zygote parallel setzen; man kann endlich den Prozess der Carposporen-Bildung als eine Wiederholung der Zoosporen-Bildung in den Zygotenfächern von Klasse II. Algen im engeren Sinne. 253 Coleochaete betrachten. Diese Vergleichung mag zulässig erscheinen, wenn es sich darum handelt, den eigenthümlichen Prozess der Cystocarpbildung der Florideen in eine Reihe von Vorgängen aufzulösen, die bei den Chlorophyceen nichts abnormes für unsere Anschauungsweise zeigen. Aber diese Ver- gleichungen und Deutungen sind nicht im Stande, die Florideen den Algen und speciell den Chlo- rophyceen systematisch näher zu bringen. Zwar ist nicht verfehlt worden, für die Uebereinstimmung zwischen Coleochaete und den Florideen die Berindung, welche das Oogonium der Coleochaeten durch Hüllfäden erfährt, sowie die Aehnlichkeit der Antheridien von C. zuvinata mit denen gewisser Florideen anzuführen. Die letztere aber ist ebenso wie die Trichogyne-artige Ver- längerung mancher Coleochaete-Oogonien rein habitueller Natur und der Unterschiede zwischen Florideen und Coleochaete giebt es zu viele und gewichtige, um aus jenen hypothetischen Beziehungen, welche nach der obigen Deutung zwischen der Carposporenbildung der Florideen nnd der Fächerung der Coleochaete-Zygote bestehen, auf nähere verwandtschaftliche Beziehungen zwischen beiden Gruppen schliessen zu können. Der Bedeutungslosigkeit der Trichogyne-artigen Verlängerung des Coleochaeten-Oogoniums, die sich auch in dem gänzlichen Fehlen des Oogonium- Schnabels bei Coleochaete scutata, orbicularis und irregularis ausspricht, steht die fundamentale Wichtigkeit der Florideen-Trichogyne gegenüber; bei den Coleochaeten sind die männlichen Sexual- zellen membranlose Schwärmzellen, bei den Florideen membranumhüllte bewegungslose Zellen; bei den Coleochaeten treten die ungeschlechtlichen Fortpflanzungszellen als nackte Schwärmzellen auf, bei den Florideen haben wir die charakteristische Ausbildung der entsprechenden Zellen als unbewegliche »Tetrasporen«, die bei keiner Chloro- phycee sich finden und unter den Algen überhaupt nur bei den Dictyotaceen wiederkehren — wenn man die Dictyotaceen zu den Algen im Und die habituelle Uebereinstimmung in der Form der Antheridien anders engeren Sinne rechnen will. ER IN ESGELN a Tel von Coleochaete und etwa der Florideenfamilie der anmanmmn Callithamnieen oder von Dxdresnaya wird reichlich auf- gewogen durch den scharfen habituellen Gegensatz, der in der Färbung zwischen den Florideen einerseits und den Chlorophyceen andrerseits besteht. An Coleochaete schliesst sich die in man- cher Hinsicht sehr eigenthümliche Mycoidea parasitica an, die in Calcutta auf Camella- Blättern lebend beobachtet worden ist. Moycoidea ist eine endophytisch lebende Co- leochaetee welche, trotzdem sie eigener Assi- Fig. 15. milation fähig ist, im Gegensatz zu anderen Endophyten ihre Wirthspflanze schwer schä- dig. Aus den zweiwimperigen Zoosporen entwickeln sich auf der Oberfläche der Blätter flache Zellscheiben (Fig. ı5 I) von Coleochaete-artigem Habitus mit radial ver- laufenden Aesten, die fest mit einander ver- bunden sind und mit randständigen Scheitel- zellen wachsen. An diesen primären Scheiben wachsen einzelne Zellen an der unteren Fläche der Scheibe aus (Fig. ı5 II). Die so entstehenden Fäden perforiren die Cuticula desCamellia-Blattes und breiten sich unterhalb derselben weiter wachsend zu secundären (B. 206.) Mycoidea parasitica CUNNINGH. I Junger Thallus von der Oberfläche eines Carnellia- Blattes (480). — II oberflächliche Thallus- scheibe im Längsschnitt (f) entsendet von der Unterseite Zelläste um unter der Cuticula des Camellia-Blattes einen secundären Thallus zu erzeugen. e Epidermiszellen von Camellia (320) — IH subcuticularer secundärer Thallus (t) auf der Oberseite Zellfäden entwickelnd, welche durch die abgehobene Cuticula (c) nach aussen hervorbrechen (100). — IV über die Cuticula vortretende Fadenäste, welche an der Spitze Sporangien erzeugen (480). -—- V Stück eines subeuticularen Thallus mit Oogonium (180). — VI Antheridium (a) mit dem Oogonium (o) verwachsen (480). — Nach CuUNNINGHAM. Thallusscheiben aus, deren radial verlaufende Aeste lockerer als an den primären Scheiben zusammenhängen. Diese secundären Scheiben entwickeln auf ihrer oberen 254 Die Algen im weitesten Sinne. Seite isolirte einreihige Zellfäden (Fig. ı5 III), welche die Cuticula zunächst empor- heben, später sie durchbrechen und büschelweise über die Blattoberfläche hervortreten. An ihrem Gipfel entwickelt sich die kopfartig anschwellende Scheitelzelle und kurze Seitenzweige zu Sporangien (Fig. ı5 IV), welche zweiwimperige Zoosporen er- zeugen. Während der Regenzeit vermehrt sich der subeuticulare Thallus direct durch neue subeuticulare Sprossungen, oder durch die Zoosporen, die zunächst wieder zur Bildung oberflächlicher Thallusscheiben führen. Die Färbung des Thallus wechselt in dieser Zeit nach dem Feuchtigkeitsgrade der Luft. Die pri- mären Scheiben sind anfangs grün, werden aber bei steigender Trockenheit vor dem gänzlichen Absterben gelb- bis rothbraun, während die gewöhnlich grünen sub- euticularen Thallusscheiben erst bei hochgradiger Trockenheit die braunrothe Farbe annehmen. Die von den letzteren ausgehenden in die Luft hinausragenden der Zellfäden zeigen immer bräunlichrothe Färbung. Erst wenn nach Beendigung Regenzeit dıe Trockenheit constant wird, hört die ungeschlechtliche Fortpflanzung auf und es entwickeln sich an den nunmehr braunrothen subcuticularen Scheiben Geschlechtsorgane. Scheitelzellen einzelner Aeste werden zu Oogonien (Fig. 15 V), während die Nachbaräste weiter wachsen. Von der Unterseite der Scheibe ent- wickeln sich dünne Antheridienäste, welche ihre Endzelle einem Oogonium anpressen und mit diesem verwachsen (Fig. ı5 VI). Der Befruchtungsact selbst ist noch nicht sicher beobachtet worden; in Betreff der Deutung der Verwachsung von Anthe- ridium und Oogonium vergl. den Abschnitt am Schluss der Darstellung der Con- jugaten. Nachdem die Zygote sich mit Membran umhüllt hat, wird das Oogo- nium häufig von einem losen Zweiggewirr umwachsen, das eine lockere Berindung um dasselbe bildet. Nach längerer Ruhezeit entwickeln sich nach dem Zugrunde- gehen der Cuticula des Camellia-Blattes und nach wieder eintretender Benetzung aus den Zygoten eine Anzahl von Zoosporen, welche sich im Weiteren wie die unge- schlechtlich erzeugten Zoosporen verhalten. Eine Fächerung der Zygote durch feste Membranen wird nicht erwähnt. PRINGSHEIM, Beitr. z. Morph. u. Syst. d. Algen. IH. Die Coleochaeten. (Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. II). — CunnInGHAM, On Mycoidea parasitica, a new Genus of parasitic Algae and the Part which it plays in the formation of certain Lichens (Transactions of the Linnean Soc. ser. U. Vol. I. 1880). 2. Familie: Die Oedogoniaceen. Die Oedogoniaceen sind fadenförmige Algen mit sehr eigenthümlicher Thei- lungsweise ihrer Zellen, welche die Angehörigen der Familie auch im sterilen Zu- stande sofort als solche erkennen lässt. Die der Zweitheilung der Zellen vorher- gehende Verlängerung erfolgt bei ihnen nicht unter gleichmässigem Wachsthum aller Partieen der Zellmembran, sondern dadurch, dass am oberen Ende der Zelle die Membran durch einen kreisförmigen Riss in einen unteren grösseren und einen oberen kürzeren Abschnitt zersprengt wird (Fig. 16 I. Die Lücke zwischen den beiden sich von einander entfernenden Hälften wird sofort ver- schlossen durch ein anfangs äusserst elastisches Membranstück (m), das sich zwischen beide Membranhälften einschiebt. Dasselbe geht aus einem ring- förmigen Cellulosewulst (c) hervor, der schon vorher auf der Innenseite der noch nicht gesprengten Membran an der Stelle des künftigen Risses abgelagert wurde. Die Lage der Scheidewand, welche sich zwischen beiden Toochterzellen bildet, ist derart, dass die Seitenwände der oberen Tochterzelle von dem intercalirten Membranstücke gebildet werden, während die untere T'ochterzelle von der alten Membran eingeschlossen bleibt. Indem die Stellen, wo die alten Membranstücke ar VE ET Sa Page er Be) a a N ' nu y 5 Je esst ira pl “ BSR ' Kr N x 3 Klasse II. Algen im engeren Sinne. 255 an den intercalirten cylindrischen Membrantheil angrenzen, als kappenförmig vor- springende Ränder auch späterhin kenntlich (a, b) bleiben, erzeugen sie den sehr charakteristischen Habitus der Oedogonium-Fäden. In der Gattung Oedogonium ist der Thallus unverzweigt und nur aus- nahmsweise ist die Endzelle eines Fadens zu einer hyalinen borstenförmi- gen Spitze verlängert. In den ver- zweigten Fäden von Dulbochaete (Fig 16 II) dagegen wächst die Endzelle eines jeden Astes in eine lange Borste (b) aus, die mit zwiebelförmig ange- schwollener Basis dem übrigen Zell- faden sich anschliesst. So lange die Bulbochaete-Pflanze noch unverzweigt ist, geht ihr Wachsthum derart wor sich, dass nur die basale Zelle des Thallus sich wiederholt theilt. Es wird auf diese Weise das obere Ende des Zellfadens, die älteren sich nicht mehr theilenden Tochterzellen enthaltend, von dem an der Basis der Pflanze thätigen Vegetationspunkt vorwärts ge- schoben. Die Verzweigung des Dwlbo- chaete-Fadens erfolgt in der Weise, Fig. 16. (B. %07.) dass in einzelnen Zellen im oberen ! vegetativer Zellfaden von Oedogonium spec. (350). : F — kleines Pflänzchen von Dulbochaete setigera Theil des Fadens der Zelltheil en La = es Fadens der ZEItNENUNGS- mit beginnender Verzweigung z,, z,. b borsten- prozess später aufs Neue beginnt: aber förmig entwickelte Endzelle (250). — II Zoospore 5 . Dedosoniun, 6. (3 .— C j on die dadurch bedingte Zellvermehrung Yo", Yedosonium spec. (350). — IV Oogonium v Oedosonium caliatum (o) mit ansitzendem Zwergmänn- fo} fo} kommt nicht mehr der Verlängerung chen (z), Spermatozoid innerhalb des Oogoniums auf des bisherigens Zellfadens zu Gute, dem Empfängnissfleck des Eies (350). — V Sperma- d ne, Nechd tozoidenbildung im Antheridium. — VI Keimung = an Krk SZysislnS: der Zygote: das Plasma schlüpft aus (270). — die Zweitheilung einer Zelle erfolgt VI—VII das Plasma der Zygote theilt sich in ist, schiebt die untere Tochterzelle 4 Zoosporen (270). — Nach PRINGSHEIM u. JURANYI. ihre obere Schwesterzelle nach Sprengung der Mutterzellen-Membran als seitlichen Ast des Zellfadens hervor (Fig. 16 Ilz, und z5). Weiterhin entwickeln sich die Aeste in derselben Weise durch Theilung der basalen Zelle, wie der Hauptspross es that, und auch in ihrer Verzweigung wiederholen sie die entsprechenden Vor- gänge des Hauptsprosses. Der Umfang der Generationscyklen, die mit einer Reihe ungeschlechtlicher Generationen anheben und mit einer Geschlechtsgeneration abschliessen, ist in- sofern von der Dauer der Vegetationsperiode unabhängig, als ein solcher Generations- cyklus nicht eine ganze Vegetationsperiode auszufüllen braucht, sondern es können noch in derselben Vegetationsperiode mehrere Cyklen aufeinander folgen. Die Zoosporen entstehen einzeln aus dem gesammten Inhalt der vege- tativen Zellen und werden dadurch frei, dass die Membran der Mutterzelle ver- SCHENK, Handbuch der Botanik, Bd. II. 27 I ink a wi» 12, en 256 Die Algen im weitesten Sinne. mittelst eines Kreisrisses aufspringt. Die länglich runden Zoosporen (Fig. 16 III) sind dadurch ausgezeichnet, dass sie zahlreiche Cilien besitzen, welche kranzförmig um das hyaline Vorderende der Zoospore inserirt sind. In der Mutterzelle liegen sie derart, dass ihre Längsachse nicht mit der Längsachse des Zellfadens zu- sammenfällt, sondern ihr hyalines Vorderende liegt der Mitte der Seitenwand einer Zelle an. Die Oogonien (Fig. 16 IV o), welche einzeln oder manchmal zu mehreren unmittelbar hintereinander in der Continuität der Zellfäden liegen, haben die Ge- stalt bauchig angeschwollener Zellen und erhalten ihre definitive Form bereits bei der Zelltheilung, durch welche die Oogoniumzelle angelegt wird. Zur Oogonium- Bildung wird immer nur die beim Zelltheilungsprozess entstehende obere Zelle verwendet und das aus dem Cellulosewulst hervorgehende intercalirte Mem- branstück erscheint unmittelbar nach seiner Entstehung schon nicht mehr cylin- drisch wie bei der Bildung vegetativer Tochterzellen, sondern lässt bereits leicht angeschwollen die spätere kugelige Form des Oogoniums hervortreten. Zur Zeit der Empfängnissfähigkeit öffnet sich das Oogonium, nachdem sich aus. seinem Inhalt ein Ei gebildet hat. Im einfachsten Falle erfolgt (bei allen Dz2o- chaete-Species und einigen Oedogonien) die Oefinung des Oogoniums ver- mittelst eines seitlichen Loches nach Auflösung eines runden Membranstückes. Bei anderen ÖOedogonien-Arten öffnen sich die Oogonien durch ringförmiges Aufreissen der Membran (Fig. 16 IV), wie es bei der Entlassung der Zoosporen oder bei der vegetativen Zelltheilung auftritt. Der obere Theil des Fadens klappt in Folge dessen ein wenig zurück, aber die dadurch entstehende Lücke wird so- fort zum grössten Theil wieder ausgefüllt durch Einschaltung einer Membran, welche an ihrem am weitesten hervortretenden Theile eine runde Oeffnung zeigt (Fig. 16 IV m). Diese Membran — der Befruchtungsschlauch PRINGSHEIM’S — entsteht aus einer schleimigen Substanz, welche bereits vor dem Auf- reissen des Oogoniums an seinem oberen Ende sich aus seinem Inhalt abge- schieden hatte und deren nicht zur Membranbildung verbrauchter Rest sich wieder mit dem übrigen Inhalt des Oogoniums vereinigt, worauf sich dieser zur Bildung des Eies contrahirt. Die Antheridien werden zum Theil bei Oedogonium gleichfalls in der Conti- nuität des Fadens angelegt und zwar als besonders flache Zellen (Fig. 16 V), indem bei der Zweitheilung vegetativer Zellen die zum Antheridium werdende obere Zelle durch eine sehr hoch in der Mutterzelle angelegte Scheidewand abgegrenzt wird. Dadurch, dass in beiden Tochterzellen sich der gleiche Prozess wiederholt, können bis gegen zwölf unmittelbar hintereinander liegende Arstheridien gebildet werden. Bei Oedogonium curvum erzeugt jedes Antheridium nur ein Spermatozoid, sonst findet stets eine Zweitheilung der Antheridien statt und zwar durch einfache Fächerung der Zelle ohne das sonst bei den Oedogonieen stattfindende Aufreissen der Mutter- zellmembran. Jedes der beiden Antheridienfächer erzeugt ein Spermatozoid. Die beiden Spermatozoiden liegen je nach der Richtung der Fächerungswand des Antheridiums in letzterem bald nebeneinander (Fig. 16 V) bald übereinander und werden durch das ringförmige Aufreissen des Antheridiums frei. In ihrer Gestalt entsprechen sie vollständig den ungeschlechtlichen Zoosporen, deren Cilienkranz sie gleichfalls tragen: nur sind sie kleiner und weniger (bisweilen gelblich) gefärbt als jene. Diese einfachste Bildung der Spermatozoiden fehlt aber bei Dwlbochaete gänzlich und ist auch bei Oedogonium nur bei einem kleinen Theil seiner hi 4 Klasse II. Algen im engeren Sinne. 257 Species vorhanden: bei diesen letzteren Species können Antheridien und Oogonien auf demselben Faden vereinigt sein oder die Pflanzen sind entweder männlich oder weiblich. Neben den monöcischen und diöcischen Oedogonium-Species tritt nämlich bei den übrigen Oedogonium-Species eine andere Vertheilung der Geschlechter auf und ebenso in der ganzen Gattung Dulbochaete, welche nur solche Species enthält, die PrINGSHEIM als »gynandrosporische« Species bezeichnet. Bei diesen giebt es gleichfalls rein männliche Pflanzen — aber insofern keine rein weibliche Individuen, als die männlichen Pflanzen, die ihrer Kleinheit halber bei den gy- nandrosporischen Species »Zwergmännchen« genannt werden, stets zugleich von den Oogonien-bildenden weiblichen Pflanzen erzeugt werden!). Zu dem Zweck entwickelt die Oogonien-bildende Pflanze aus kurzen Antheridien- ähnlichen Zellen je eine Zoospore, welche in Grösse und Färbung genau die Mitte hält zwischen den geschlechtslosen Zoosporen und den Spermatozoiden, mit denen sie in ihrer Form sonst vollständig übereinstimmen. Diese Zoosporen werden, weil sie nur männliche Pflänzchen, »Androsporen« genannt, erzeugen; sie schwärmen eine Zeit lang umher und setzen sich dann auf den Oogonien oder in deren nächster Nähe bisweilen in grösster Menge fest, um hier zu je einem Zwergmännchen auszuwachsen (Fig. 16 IV z). Die Zwergmännchen stellen einen wenigzelligen Faden dar, in welchem die vegetativen Zellen entweder ganz unterdrückt sind oder nur durch eine sterile Basalzelle repräsentirt werden (Fig. 16 IV b). Die wenigen anderen Zellen des Zwergmännchens stellen ebensoviele Antheridien dar, die sich in allen Punkten denen der monöcischen und diöcischen ‘Species anschliessen. Die Befruchtung der Eier erfolgt bei allen Oedogonieen in derselben Weise, mögen die Spermatozoiden aus den typischen Zellfäden herstammen oder aus Zwergmännchen hervorgegangen sein. Sobald ein Spermatozoid die Oeffnung des Oogoniums oder des Befruchtungsschlauches passirt hat, setzt dasselbe sich mit seiner Spitze an dem durch den Mangel an Chlorophyll gekennzeichneten Empfäng- nissfleck des Eies fest und dringt bald in dasselbe ein. Bei Oedogonium diplandrum zeigt das Ei vor der Befruchtung noch keinen Empfängnissfleck; erst in dem Augenblick, wo das Spermatozoid das Ei berührt, zieht sich die Chlorophylimasse im Umkreis jener Stelle zurück, so dass hier an dem Ei erst unter dem Einfluss des Spermatozoids eine dem Empfängnissfleck anderer Eier analoge Bildung auftritt. Nach der Befruchtung bildet sich um die Zygote eine Membran, die sich später oft stark verdickt und bei Oedogonium echinospermum stachelige Er- höhungen zeigt. Der Inhalt der Zygote nimmt gewöhnlich eine braune bis rothe Färbung an, die erst bei der Keimung allmählich wieder der Chlorophyllfärbung Platz macht. Beim Keimungsprozess tritt der ganze Inhalt der Zygote von einer innersten gallertigen Membranschicht umhüllt aus den aufreissenden äusseren Membran- theilen hervor (Fig. 16 VI z). Bald theilt er sich in vier Primordialzellen (Fig. 16 VII, VIII), welche nach Auflösung der umhüllenden Gallertreste der Mem- bran (g) als Zoosporen frei werden und zur Ruhe gekommen zu Anfangsgliedern neuer Generationscyklen heranwachsen. PRINGSHEIM, Beiträge zur Morphol. u. System. d. Algen. I. Morphologie der Oedogonieen. (Jahrb. f. wiss. Botan. Bd. I). — Juranyı, Beitr. z. Morph. der Oedogonien. (Ebenda Bd. IX.) I) Nur bei Oed. diplandrım ist bisher constatirt worden, dass die Bildung der Androsporen und der Oogonien stets auf verschiedene Pflanzen vertheilt ist. 1 „ ”» tee ie. ee v4 a » 258 Die Algen im weitesten Sinne. 3. Familie: Sphaeropleaceen. Die Familie der Sphaeropleaceen wird zur Zeit gebildet aus zwei Gattungen mit je einer Species, Sphaeroplea annulina und Cylindrocapsa involuta, von denen namentlich die letztere sich an die monöcischen Oedogonien anschliesst, wenn man von der Eigenthümlichkeit der vegetativen Zelltheilung bei diesen absieht. Bei CyZindrocapsa besteht der Thallus aus einem in der Jugend festgewachsenen, später sich vom Substrat ablösenden Zellfaden, dessen ziemlich kurze Zellen von deutlich geschichteter Membran umgeben sind. Die Antheridien entstehen so, dass einzelne Zellen oder Gruppen benachbarter vegetativer Zellen ohne an Volumen zuzunehmen, sich wiederholt theilen. Die einzelnen Zellen des so ge- bildeten Antheridiums, deren Inhalt inzwischen eine orangerothe Färbung ange- nommen hat, erzeugen je zwei Spermatozoiden von spindelförmiger Gestalt, welche an ihrem vorderen Ende zwei Cilien tragen. Durch die vergallertenden Wände ge- langen sie ins Wasser. Zum Zweck der Oogonienbildung schwellen einzelne vegetative Zellen kugel- förmig auf, so dass ein solcher Zellfaden jetzt im Habitus lebhaft an weibliche Oedogonium-Fäden erinnert. Während die Membran stark vergallertend und sich in Schichten spaltend eine erweiterte Hülle um den Zellinhalt herstellt, verwandelt sich der letztere zu einem einzigen Ei mit deutlichem Empfängnissfleck, das da- durch, dass sich in der vergallerteten Oogonium-Membran eine Oeffnung bildet, für die Spermatozoiden zugänglich wird. Der Befruchtungsact selbst ist noch nicht beobachtet worden, doch unterliegt das Stattfinden eines solchen keinem Zweifel. Einzelne der Eier vermögen so- fort zu keimen und dies sind wahrscheinlich solche, welche unbefruchtet geblieben sind und auf parthenogenetischem Wege sich weiter entwickeln; wogegen andere, wol die befruchteten, sich mit dicker Membran umhüllen, ihr Chlorophyll durch orangerothes Oel ersetzen und nunmehr als Zygote zu längerer Ruhezeit befähigt sind. Die Wahrscheinlichkeit des Sexualactes wird erhöht durch die Vergleichung mit Sphaeroplea, deren Entwicklungsgang völlig abgeschlossen bekannt ist, während über das weitere Schicksal der Zygote von C'ylindrocapsa Beobachtungen nicht vorliegen. Die Zellen der Sphaeroplea-Fäden sind lang ceylindrisch und unter sämmtlichen anderen Algen ausgezeichnet durch eine sehr charakteristische Anordnung des Chlorophylis zu ringförmigen Zonen, welche mit grossen in axiler Reihe ange- ordneten Vacuolen alterniren. Wenn ein Faden zur Fructification sich anschickt, so verwandeln sich seine sämmtlichen Zellen, ohne ihre Gestalt zu verändern, in Geschlechtsorgane. In den einen, die als Antheridien fungiren, theilt sich der In- halt in eine ausserordentlich grosse Anzahl langgestreckter Spermatozoiden. Wie die Antheridien von SpAaeroplea durch die Anzahl der gebildeten Spermatozoiden von den gleichen Organen bei den anderen oogamen Confervoideen unterschieden sind, so bilden sich auch in abweichender Weise die Eier in den Oogonien von Sphaeroplea in Mehrzahl aus, bald eine einfache Reihe in denselben darstellend, bald mehr oder weniger unregelmässig in ihnen verschoben. Zur Zeit der Geschlechtsreife entstehen in der Membran der Antheridien und der Oogonien zahlreiche kleine Löcher, durch welche die Spermatozoiden aus den Antheridien heraus und in die Oogonien hinein bis an den Empfängnissfleck der Eier gelangen können. Nach der Befruchtung verwandeln sich die Eier in EN EEE RR N DIE Klasse II. Algen im engeren Sinne. 259 Zygoten, die successive drei Membranen um sich bilden. Die erste wird bald abgeworfen; nach der Bildung der zweiten contrahirt sich der Plasmakörper der Zygote noch weiter, so dass im fertigen Zustand das von der zuletzt gebildeten Membran umhüllte, nunmehr rothgefärbte Plasma der Zygote frei innerhalb der zweiten Membran liegt, die unregelmässig eingefaltet erscheint. Nachdem die Zygote überwintert hat, gehen aus ihr zwei bis acht zwei- wimperige Zoosporen hervor, die schwimmend keimen und zu spindelförmi- ger Gestalt heranwachsen, indem gleichzeitig die rothe Färbung des Plasmas der normalen grünen Chlorophyllfärbung Platz macht. Aus ihnen gehen unter fortgesetzter Zelltheilung eben so viele an beiden Enden zugespitzte Zellfäden hervor, die dadurch noch besonders ausgezeichnet sind, dass beide Enden des Fadens gleichwerthig erscheinen und ein basales Ende, mit dem die Fäden irgendwie am Substrat sich anheften könnten, nicht differenzirt ist. Ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Zoosporen ist für die Sphaeropleaceen noch nicht nachgewiesen. CoHn, Sur le developpement et le mode de reproduction du Sphaeroplea annulina (Ann. Sc. nat. ser. 4. Tome II.) — Cienkowskı, Zur Morphologie der Ulothricheen (Bull. de I’Acad. Sciences de St. Petersbourg. Tome XXI). b) Isogame Confervoideen. Wo hei den isogamen Confervoideen der Befruchtungsprozess nachgewiesen worden ist, besitzen die Planogameten zwei Cilien. Daneben finden sich bei zahlreichen Gattungen vierwimperige ungeschlechtliche Zoosporen. Wo nur zweiwimperige Schwärmzellen vorhanden sind, wie bei Conferva, lässt sich ohne Beobachtung des Befruchtungsactes nicht a priori sagen, ob dieselben Gameten oder Zoosporen sind. Die Mutterzellen aller Schwärmzellen sind den vegetativen Zellen gleichgestaltet. Nach dem Bau des Thallus unterscheidet man gegenwärtig folgende Familien: a) Thallus: unverzweigte Zellfäden ohne Spitzenwachsthum: Ulothricheen; b) ver- zweigte Zellfäden mit fester Membran und Scheitelzellenwachsthum: Cladopho- reen; c) verzweigte Zellfäden mit schlüpfriger Membran und gewöhnlich reich- licher Gallertbildung, das Scheitelzellenwachsthum nach haarförmiger Zuspitzung der Fadenenden früh abgeschlossen: Chaetophoreen,;, d) Thallus flächen- förmig entwickelt, ein- oder zweischichtig; in letzterem Fall durch Auseinander- weichen der beiden Schichten bisweilen röhrenförmig: Ulvaceen. 4. Familie: Ulothricheen. Der fadenförmige Thallus (Fig. ı7 I), der mit rhizoidenartiger Verlängerung der basalen Zelle dem Substrat anhaftet, pflanzt sich bei Vlothrix während des Herbstes und Winters ungeschlechtlich vermittelst vierwimperiger Zoosporen (Fig. 17 II) fort, welche einzeln oder zu zweien (Fig. 17 I) oder zu vieren in den vegetativen Zellen entstehen. Nicht selten findet eine Unterdrückung des Schwärm- zustandes bei diesen statt, so dass die ungeschlechtlichen Fortpflanzungszellen bereits innerhalb der Mutterzelle keimen (Fig. 17 IX). Im Frühjahr erfolgt statt Zoosporen-Bildung die Entwicklung von 8, ı6 oder mehr zweiwimperigen Planogameten. Aus der Copulation von zwei (Fig. ı7 III) oder drei Gameten gehen Zygoten hervor, welche Anfangs noch die Farbstoffmassen der Gameten isolirt erkennen lassen (Fig. 17 V). Später verwischen sich die Grenzen und die Zygote geht in einen Ruhezustand über (Fig. 17 V]), welcher die heisse Sommer- (B. 208.) Fig. 17. Ulothrix. 1 Zellfaden mit Zoosporenbildung (250). — H vierwimperige Zoospore (400). — III zwei Planogameten (400). — IV dieselben während der Copulation (400). — V Zygote un- mittelbar nach ihrer Entstehung mit getrennten Farbstoffmassen (400). — VI ältere Zygote im Ruhezustand (400). — VII Anlage der jungen Pflanzen in der keimenden Zygote unter der Form von Zoosporen (400). — VII Palmella- Zustand von Ülothrix (250). — IX Zoosporen in ihren Mutterzellen keimend (250). (I—VII, VIII nach Cienkowskt, IX nach Doper.) Die Algen im weitesten Sinne. zeit überdauert. Im Herbst beginnt die Zygote an Volumen langsam zuzunehmen und ihr Inhalt theilt sich simultan in 2—ı4 Zellen (Fig. ı7 VID), deren Aus- schlüpfen zwar nicht beobachtet worden ist, die aber den rothen Pigmentfleck, wie er bei Schwärmzellen weit verbrei- tet ist, zeigen. Es unterliegt nach Ana- logie der Keimung der Zygoten von Oedogonium und Sphaeroplea keinem Zweifel, dass die in der Zygote von Vlothrix gebildeten Zellen unter nor- malen Verhältnissen als vierwimperige Zoosporen die Zygote verlassen und zu neuen geschlechtslosen Pflänzchen aus- wachsen. In derselben Weise wie die Zoo- sporen vermögen auch die Planogameten, wenn sie die Copulation verfehlt haben, sich direkt zu ungeschlechtlichen Individuen zu entwickeln. Dopeı, Ulothrix zonata. (PRINGSHEIM, Jahrb. f. wiss. Botan., Bd. X.) — CIENKOWSsKI, Z. Morph. d. Ulothricheen (Bull. de l’Acad. de St. Petersbourg. Tome XXI). 5. Familie: Cladophoreen. Der Thallus der typischen Cladophoreen /(Cladophora, Chroolepus) ist mehr oder minder reich verzweigt, ohne dass es aber zur Differenzirung von Lang- und Kurztrieben käme. Alle Verzweigungen wachsen mit einer Scheitelzelle, deren Segmente entweder ungetheilt bleiben /(C/. rupestris) oder häufiger weitere Theilungen erfahren. Astbildung erfolgt durch seitliches Auswachsen von Stamm- zellen an ihrem oberen Ende. — Bei C/adophora kommen zwei Formen von Schwärmzellen vor, die in grosser Anzahl durch simultane Theilung in vegetativen Zellen erzeugt werden. Die einen, grösseren, tragen vier Cilien und sind Zoo- sporen; die anderen, zweiwimperigen, sind bei mehreren marinen Cladophora- Species (Cl. arcta, sericea) als Planogameten nachgewiesen worden. Der gleiche Nachweis ist auch für die zweiwimperigen Schwärmzellen der an der Luft leben- den Gattung Chroolepus geführt worden. Ueber die abweichenden Färbungsver- hältnısse der Chroolepus-Species ist schon oben (pag. 17.4) berichtet worden. Auf dem Auftreten des Chr. Jolithus, der mit seinen braunrothen verfilzten Thallus- fäden Felsen überzieht, beruht die Bildung des sogen. »Veilchensteinese. — Den eigentlichen Cladophoreen schliessen sich eine Anzahl abweichender mariner Formen an, deren Zugehörigkeit zu den Cladophoreen indessen bei dem vollständigen Mangel entwicklungsgeschichtlicher Daten zum Theil noch recht zweifelhaft ist. Am nächsten steht den Cladophoreen die durch ihren eigenthüm- lichen Habitus ausgezeichnete Gattung Microdictyon. Der Thallus ist dem Bau und der Entwicklung nach ein einfacher C/adophora-Thallus, aber seine sparrig abstehenden, in einer Ebene liegenden Verzweigungen verwachsen da, wo sie mit ihren Spitzen auf einen anderen Thallusast stossen, unlöslich mit diesem, indem sie zugleich ihr Wachsthum sistiren. Das Resultat ist die Bildung eines netzförmig durchbrochenen Thallus mit unregelmässig umschriebenen Maschen. re Klasse II. Algen im engeren Sinne. 261 — Auch der Thallus der Gattung Anadyomene verdankt einer ähnlichen Ursache seine flächenförmige Ausbildung. Die einzelnen C/adophora-artigen Zellen er- zeugen auf ihrem oberen Ende eine grosse Anzahl dichtgedrängt stehender Aeste, die in einer Ebene liegen und fächerförmig von der Mutterzeile ausstrahlen. Schon bei ihrer Entstehung berühren sie sich seitlich und auch in ihrer weiteren Entwicklung bleiben sie ihrer ganzen Länge nach seitlich miteinander verbunden. Indem die grössern Astzellen sich in gleicher Weise verzweigen, entstehen lückenlos zusammenhängende Platten von scheinbar parenchymatischem Gefüge, die eine ausserordentlich zierliche, der Verzweigung der Thallusfäden entsprechende fächer- förmige Aderung zeigen. In der Geschichte der pflanzlichen Histologie haben die Cladophoreen in zwei verschiedenen Perioden eine wichtige Rolle gespielt: einmal durch die classischen Beobachtungen Monr's über die Theilung der Cladophora-Zelle und dann in neuester Zeit durch den von Schmitz geführten Nachweis der Existenz zahlreicher »Zellkerne« in den Zellen dieser Algen. ARESCHOUG, Observationes phycologicae II. (Acta Societ. Scient. Upsaliens. vol. IX. 1874.) — Wirte, Om Svaermcellerne og deres Copulation hos Trentepohlia [Chroolepus]. (Botaniska Notiser. 1878, 16. Dez.) — ScHaiTz, Beob. üb. die vielkernigen Zellen der Siphonocladiaceen. (Festschrift der naturf. Gesellschaft zu Halle. 1879.) 6. Familie: Chaetophoreen. Die Membran der Süsswasser bewohnenden Chaetophoreen ist ausserordent- lich schlüpfrig und bei Chaelophora selbst nimmt die Gallertbildung solche Dimensionen an, dass sie Polster von schleimiger bis lederiger Consitenz und fest umschriebenen Umrissen bildet, in denen die Thallusfäden eingebettet liegen. Der Thallus ist reich verzweigt und seine Astspitzen verwandeln sich durch Streckung der Zellen gewöhnlich in lange Haare. Während die Aeste in der Jugend mit einer terminalen Scheitelzelle wachsen, die indessen wegen zahl- reicher intercalarer Theilungen in den Segmenten nicht sehr prononcirt auftritt, erhält der Ast nach Ausbildung seiner’Spitze zum Haar einen intercalar gelegenen Vegetationspunkt: Die Rolle der ehemaligen Scheitelzelle fällt einer Fadenzelle an der Basis des Haares zu, so dass nunmehr der Thallus ein ähnlich tricho- thallisches Wachsthum zeigt, wie die Cutleriaceen oder Ectocarpeen unter den braunen Algen. Bei Chaetophora und Stigeoclonium stehen die Zweige zerstreut am Thallus; bei Draparnaldia sind sie in meist viergliederigen Wirteln an den durch tonnenförmige Ausbildung ihrer chlorophyllarmen Zellen ausgezeichneten Hauptästen des Thallus inserirt. Aus den Basalzellen der Wirteläste entwickeln sich die hyphenartigen Fäden, welche, dem Stamm festanliegend, die theilweise Berindung der Draparnaldia-Stämme zur Folge haben. Ausser den gewöhnlich allein beobachteten Schwärmzellen mit vier Cilien giebt es nach Angaben von ‚Braun und CIENKOwSsKI auch kleinere Schwärmzellen mit zwei Wimpern, und wenn auch ein Copulationsprozess und Zygoten bisher noch nicht beobachtet worden sind, so darf aus dem Auftreten zweier ver- schiedener Schwärmzellformen nach der Analogie von Ulofhrix und Cladophora doch gefolgert werden, dass jene ersteren vierwimperigen Zellen die Zoosporen, die selteneren zweiwimperigen die Planogameten sind. Ausserdem kommen bei den Chaetophoreen ungeschlechtlich entstehende sogen. »Dauersporen« vor, über deren weiteres Schicksal Angaben nicht existiren. Sie entstehen in den noch lebhaft vegetirenden Zellen, vorzugsweise der Ast- 262 Die Algen im weitesten Sinne. spitzen, gewöhnlich zu zweien oder vieren, seltener — bei Draparnaldia — einzeln. Bei Sigeoclonium und Chaetophora endiviaefolia lösen sich bei der Ausdehnung, welche die Mutterzellen der Dauersporen erfahren, die Querwände der Zellfäden von den Längswänden ab, so dass die Dauersporen mit den isolirten Querwänden untermischt in einem Schlauch liegen, der aus einer Reihe ursprünglich gesonder- ter Zellen gebildet wurde. Wenn bei Draparnaldia nur eine Dauerspore in der Zelle gebildet wird, so bleibt sie manchmal in der Mutterzelle ruhig liegen, ohne dass eine Ablösung der Querwände des Fadens stattfindet. Gewöhnlich aber werden die Dauersporen von Draparnaldia ausgestossen und zwar als Schwärm- zellen vom Bau der grossen Zoosporen; sie bewegen sich aber nur kürzere Zeit und energielos und werden dann zu ruhenden Dauerzellen. Der allmähliche Uebergang in dem Verhalten der verschiedenen Dauerzellen bei Draparnaldıa lässt darauf schliessen, dass auch jene niemals beweglichen Dauersporen bei den Chaetophoreen ihrer Entstehung nach nichts anderes als modificirte Zoosporen sind. PRINGSHEIM, Ueber die Dauerschwärmer des Wassernetzes und verwandte Bildungen. (Monatsber. der Berl. Akad. 13. Dez. 1860.) — CIENKOWSKI, Ueber den Palmellen-Zustand bei Stigeoclonium. (Bot. Zeit., 1876.) — CIENKOWSKI, Zur Morph. d. Ulothricheen. (Bull. de l’acad. imp. des Sc. de St. Petersbourg. 1876. vol. 21.) — BERTHOLD, Unters. über Verzweigung einiger Süsswasseralgen. (Nov. Acta d. Kais. Leop.-Carol. Akad. d. Naturforsch., Bd. 40. 1878.) 7. Familie: Ulvaceen. Der meist sehr ansehnliche Thallus der Ulvaceen besteht aus einer einfachen (Monostroma) oder doppelten Zellschicht (Uiva). Eine Scheitelzelle fehlt auch den jüngsten Entwicklungsstadien, indem sämmtliche Zellen gleichwerthig an dem Theilungsprozess betheiligt sind. Nachdem in den jungen Pflanzen von Ulva der T'hallus zweischichtig geworden ist, theilen sich die Zellen in beiden Schich- ten völlıg selbständig weiter und zwar wie bei allen Ulvaceen nur senkrecht zur Thallusoberfläche. Bei manchen Uiva-Species weichen die beiden Zellschichten bisweilen schon frühe ın der Mitte auseinander, so dass es zur Bildung röhren- förmiger Thallome kommt, auf die man früher die Gattung Znteromorpha ge- gründet hat. Von den basalen Thalluszellen der Ulvaceen wachsen alle oder der grösste Theil zu hyphenartigen Schläuchen aus, die sich unregelmässig ver- flechten und an der Basis den Durchmesser des Thallus bedeutend vergrössern. Ungeschlechtliche Fortpflanzung erfolgt durch vierwimperige Zoosporen; ge- schlechtliche durch Zygoten, die aus der Copulation zweiwimperiger Plano- gameten entstehen, deren weiteres Schicksal aber noch unbekannt ist (Uiva compressa). Dem Genus Monostroma wird neuerdings Monostroma?2 (Tetraspora2) bullosum 'THUR. zuge- zählt, obwol die Alge sich in verschiedenen Punkten von den Ulvaceen unterscheidet. Es fehlt ihr sowol die Bildung der basalen Hyphen am Thallus, als auch die ungeschlechtlicher Zoo- sporen. Der wesentlichste Unterschied von echten Monostroma-Species besteht darin, dass ihr Thallus nicht von Anfang an einschichtig ist; denn durch einen ähnlichen Vorgang, wie er bei der Znteromorpha-Form zu einer röhrenförmigen Ausbildung des Thallus führt, wird die Anfangs solide Gewebekugel, welche die junge Pflanze von Monostroma2 bullosum vepräsentirt, in eine blasenförmige Hohlkugel verwandelt, deren einschichtige Wand später unregelmässig zerreisst (vergl.. »Palmellaceen«.) Le: JoLıs, Liste des Algues marines de Cherbourg: : Ulva. (Mem. d. l. Soc. imp. des Sc. nat. de Cherbourg. 1863.) — ARESCHOUG, Observ. phycol. II. (Nova Acta Soc. Scient. Upsa- liensis. ser. 3. vol. 9. 1874.) — REINKE, Ueber Monostroma bullosum und Tetraspora lubrica. (PRInGsHEIM, Jahrb. f. wiss. Botan. Bd. XI. 1878.) wu nn ME he N Ba Be a TR a TE Kae EINER 1 A re 2 BR ‘ me Klasse I. Algen im engeren Sinne. 263 3. Ordnung: Siphoneen. Das gemeinsame Merkmal, auf Grund dessen zahlreiche habituell ausserordent- lich verschiedene, entwicklungsgeschichtlich zum Theil noch wenig bekannte Gattungen zu der Ordnung der Siphoneen vereinigt werden, besteht darin, dass der Thallus derselben aus einer einzigen schlauchartig verlängerten und mannig- fach verzweigten Zelle besteht, an der schmaler entwickelte, chlorophyllose Ab- schnitte als Haftorgane dienen. Wie*bei den Confervoideen lassen sich auf Grund des Befruchtungsvorganges zwei verschiedene Entwicklungsstufen unterscheiden, oogame und isogame Sipho- neen, und wie bei den Confervoideen werden den letzteren wiederum diejenigen Gattungen zugerechnet, deren Befruchtung noch unbekannt ist. — Die so ge- bildeten beiden Reihen der Siphoneen zeigen auch in vegetativer Hinsicht Ab- weichungen, nämlich bei der gelegentlich auftretenden Fächerung des Zelllumens. Bei den oogamen Siphoneen, welche durch die Familie der Vaucheriaceen reprä- sentirt werden, findet bei Gelegenheit der Entstehung der Fortpflanzungsorgane eine Zelltheilung statt und diese wird durch das simultane Auftreten einer zarten Zellwand abgeschlossen. Auch bei den andern Sıphoneen kann Zelltheilung auftreten; der Abschluss der beiden Zellen wird aber im Wesentlichen durch all- mähliche Verdickung einer Ringzone der Mutterzellmembran bewerkstelligt. Namentlich häufig findet sich die Fächerung des Zelllumens bei den isogamen Siphoneen an den Verzweigungsstellen des Thallus. Nachdem die seitliche Verzweigung als eine dünne Ausstülpung angelegt worden ist, nimmt ihr Durch- messer an Grösse noch bedeutend zu, während der Durchmesser an der Inser- tionsstelle des Astes unverändert bleibt. Die Aeste erscheinen daher an ihrer Basis gewöhnlich eingeschnürt und das Lumen der noch ungefächerten Zelle von vornherein stark verengt. Später verdicken sich die eingeschnürten Membran- partieen nach innen wulstartig und können so bei hochgradiger Verdickung einen vollständigen Abschluss zwischen dem Ast und dem Stamm der Zelle herbei- führen. Reicht das Dickenwachsthum der Membran nicht zum Abschluss der Fächerung aus, so wird die Lücke in dem Diaphragma durch eine eigenthüm- liche Pfropfenbildung oder durch Bildung eines zusammenhängenden Membran- stückes ausgefüllt. In der Gattung Zryopsis und der Familie der Dasycladeen pflegen manche Species die seitlichen Zelläste mehr oder minder regelmässig an der Fächerungsstelle abzuwerfen. Die letztere Art der Zellfächerung be- schränkt sich übrigens nicht auf den Abschluss der seitlichen Ausgliederungen der Thalluszelle, sondern bewirkt auch den Abschluss der Zelltheile, ın denen die Reproductionszellen angelegt werden. In anderen Fällen kann sie sporadisch an beliebigen Stellen des Thallus auftreten, namentlich häufig dann, wenn äussere Eingriffe das Leben der Zelle gefährden und die unverletzten Theile bestrebt sein müssen, sich gegen die absterbenden Theile abzuschliessen. a) Oogame Siphoneen. 1. Familie: Vaucheriaceen. Die Familie der Vaucheriaceen, durch die Gattungen Vaucheria und Woro- ninia repräsentirt, umfasst marine und Süsswasser-Formen, die in sexueller Hinsicht unmittelbar an die Confervoideen mit am höchsten differenzirten Geschlechtszellen sich anschliessen, indem die Zygote aus der Vereinigung schwärmender Spermato- zoiden mit einem im Oogonium eingeschlossenen, stets unbeweglichen Ei entsteht. Neben der geschlechtlichen Fortpflanzung durch Zygoten kommt ungeschlecht- 264 Die Algen im weitesten Sinne. liche Fortpflanzung bei den Vaucheriaceen vor und beide Formen wechseln in der Weise mit einander ab, dass nach einer Reihe von ungeschlechtlichen Gene- rationen eine Geschlechtsgeneration auftritt, welche mit der Zygotenbildung den Cyklus abschliesst. Die Zygote vermag noch in demselben Jahr, in dem sie ent- stand, zu keimen, so dass innerhalb einer Vegetationsperiode mehrere Genera- tionscyklen aufeinander folgen können. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung erfolgt bei Vawcheria sessilis, sericea, synandra vermittelst Zoosporen, welche in Bezug auf ihre Grösse und ihren Bau unter denen aller Algen überhaupt einzig da- stehen. Ihre Bildung findet in den durch eine Wand als Sporangium abgegrenzten Spitzen von T'hallusästen statt (Fig. 18 Is). Bei der Reife öffnet sich das Sporangium auf dem Scheitel und lässt seinen gesammten Inhalt un- ter der Form einer einzigen grossen Zoospore austreten, welche. entweder auf ihrer ganzen Oberfläche gleich- mässig mit Cilien besetzt ist (Fig. 18 II), oder bei V. sericea bisweilen auf ihrer hinteren Hälfte nackt oder nur schwach bewimpertist. Dadie Drehung I—VH Vaucheria synandra. I junge Pflanze aus der Zoospore z entwickelt und bei s neue Zoosporen bildend (35). — II Ausgeschlüpfte Zoospore z (45). — IH Keimende Zoo- ? spore mit Rhizoidenbildung (35). — IV Antheridien a auf der Zoospore um ihre Längs- dem Androphor b (80). — V Spermatozoiden (300). — achse schon im Sporangium VI Oogonium: das Ei e bereits contrahirt mit Empfängniss- fleck, p das nicht zur Eibildung verwendete Plasma im Schnabel des Oogons vor dem bereits Spermatozoiden her- umschwärmen (80). — VII das Ei im Oogonium nach der beginnt und während des Durchzwängens der Plasma- Befruchtung zur Zygote geworden, entleertes Antheridium a mit einer Oeffnung dem Oogoniummund zugewendet (80). — VII keimende Zygote von Vauch. sessilis (100) nach PRINGSHEIM. — I—VII nach Woronin. masse durch die enge Spo- rangiumöffnung die Rotations- geschwindigkeit des noch im Sporangium befindlichen Zoo- sporentheiles bedeutend geringer ist als die der schon ausgetretenen Hälfte, so kann es vorkommen, dass die vordere schneller rotirende» Hälfte der Zoospore sich abdreht und so eine Theilung der Zoospore herbeiführt; beide Hälften vermögen sich selbständig in derselben Weise wie die ungetheilt zur Ruhe kommenden Zoosporen weiter zu entwickeln, Anderen Vaucheria-Arten ist die Bewegungsfähigkeit der ungeschlechtlichen Fortpflanzungszellen, die sich im Uebrigen in Entstehung und späterer Entwicklung den geschilderten Zoosporen völlig gleich verhalten, verloren gegangen. Bei V. hamata wird zwar noch die cilienlose und bewegungsunfähige Spore aus dem geöffneten Sporangium ausgestossen, aber bei V, geminata findet auch dieses nicht mehr statt, sondern die Keimung erfolgt innerhalb des Sporangiums; eine Er- scheinung, welche vereinzelt auch bei solchen Vaucheria-Species beobachtet worden ist, die normale Zoosporen bilden, und welche auch bei den Confervoi- deen nicht selten vorkommt (vergl. pag. 259). PR Are e Me Fa usa ld 75 Aal OrWeRen ana Dale ER RE 7 Eu eis Klasse II. Algen im engeren Sinne. 265 In welcher Weise der so abweichende Bau der Zoosporen von Vaucheria sich erklären lassen dürfte, dafür geben die detailirten Untersuchungen von SCHMITZ, deren Resultate von STRASBURGER bestätigt wurden, einen nicht zu unter- schätzenden Fingerzeig. SHuHmitz fand nämlich, dass an den Zoosporen von Vaucheria die Cilien stets paarig genähert stehen, dass unmittelbar unter dem Insertionspunkt eines Cilienpaares ein Zellkern liegt und dass die Zellkerne diese Lage in der äussersten Schicht der Zoospore erst unmittelbar vor deren Reife einnehmen. Auch bei solchen Chlorophyceen, welche im Sporangium zahlreiche Zoosporen erzeugen, hatte Schmitz gefunden, dass die zahlreichen Zellkerne des Sporangiums sich erst in die äusserste Schicht des Plasmas begeben, unmittelbar bevor dasselbe in so viel Zellen getheilt wird, als Zellkerne an der Oberfläche der ungetheilten Zelle sich befinden. Aus der Uebereinstimmung dieser Vorgänge, welche dem Ausschwärmen der Vaucheria-Zoospore und dem Zerfallen des Plasmas anderer Chlorophyceen-Sporangien in zahlreiche Zoosporen unmittel- bar vorhergehen, sowie aus den constanten Beziehungen, welche zwischen den einzelnen Kernen und je einem Cilienpaar an der Vaucheria-Zygote bestehen, schliesst Schumitz, dass die einzelne Zoospore von Vaucheria einem hohl- kugeligen Verbande zahlreicher Zoosporen anderer grüner Algen entspricht. Die Auffassung, dass die Zoosporenbildung von Vaucheria ihre eigenthümliche Form einem nicht zum Abschluss gelangenden Bildungsprozess normaler Zoosporen verdankt, wird durch mehrere Punkte unterstützt. Einmal zeigt der schwärmende Vazxcheria-Körper trotz seiner repro- ductiven Function noch den Charakter der vegetativen Zelle insofern, als er deren grosse Vacuole zeigt, die von Zellsaft erfüllt und von Plasmasträgern durchzogen ist. Und ferner zeigt der Schwärmkörper der Vaucherien die Eigenthümlichkeit, dass seine einzelnen beim Ausschwärmen abgerissenen Theile in gleicher Weise existenz- und vermehrungsfähig sind, wie die unverletzte Riesen-Zoospore. In letzterem Punkte stimmt die Vazicheria-Zoospore ehensowol mit der vielkernigen vegetativen Thallus-Zelle überein, wie auch mit den hohlkugeligen, schwärmenden Zellverbänden der Volvoeineen, die gleichfalls der ungeschlechtlichen Vermehrung dienen. Ueberhaupt lassen sich die Schwärmkörper der Vaucherien vielleicht am besten mit den schwärmenden Zellcomplexen der Volvocineen vergleichen, wenngleich man von der abweichenden Entstehung durch Einkrüimmung einer ursprünglich einfachen Zellplatte (vergl. Protococcoideen: »Volvocineen«) und dem Umstand, dass die Volvocineen-Zellen späterer Gestaltveränderung nicht mehr fähig sind, natürlich absehen muss. Auch bei den Volvocineen isoliren sich in der Mehrzahl der Gattungen die Zoosporen nicht von einander, wenn sie auch andererseits dadurch eine höhere Selbständigkeit erhalten, dass eine jede Zoospore später mit fester Membran sich umgiebt. So tritt der Zoosporen-Complex der Volvo- eineen bei weiter durchgeführter Theilung als eine mehrzellige Familie auf, während der Körper, welcher aus dem nicht fertig getheilten Sporangien-Inhalt von Vazcheria entsteht, nach dem gegen- wärtig in der pflanzlichen Histologie herrschenden Sprachgebrauch als eine einzige Zelle be- zeichnet werden muss. Denn die Erörterung der Frage, ob die Anschauungsweise der Zoologen, welche soviel Zellen anerkennen, als Zellkerne vorhanden sind, auf die vielkernigen Zellen der Thallophyten übertragbar ist, würde hier zu weit führen und dürfte wol in dem Abschnitt dieses Handbuches über Histologie ihre Erledigung finden. Schon während des Schwärmens beginnt an den Zoosporen von Vaucheria die Ausbildung einer Membran, welche somit in ähnlicher Weise, wie es bei den schwärmenden Volvocineenpflanzen der Fall ist, anfänglich Löcher für den Durchtritt der Cilien besitzen muss. Nachdem die Zoosporen zur Ruhe ge- kommen sind, erfolgt im Laufe der auf ihre Bildung folgenden 24 Stunden die Keimung. Dieselbe erfolgt für die ungeschlechtlichen Fortpflanzungszellen der Vaucherien immer in der gleichen Weise, mögen sie als Zoosporen vorher ein Schwärmstadium durchgemacht haben oder von Anfang an bewegungslos ge- 266 Die Algen im weitesten Sinne. wesen sein. Die Sporen treiben ein oder zwei dünne Schläuche, die sich gegen den voluminöseren Körper der Spore scharf absetzen (Fig. ı8 I und III). Der eine von beiden Keimschläuchen kann zu einem reichverzweigten hyalinen Haftorgan auswachsen, welches den Thallus im Sande befestigt. Die Geschlechtsorgane entstehen als kurze Auszweigungen des Thallus, welche gegen die vegetative Zelle durch eine Membran abgeschlossen werden. Die Oogonien sind bauchig aufgetrieben und in einen Schnabel ver- längert, nicht immer symmetrisch gestaltet, sondern gewöhnlich einseitig ge- krümmt (Fig. ı8 VI, VII. Der Inhalt des Oogoniums wird bei den verschiede- nen Species in verschiedener Weise zur Eibildung verwendet. Bei V. aversa und roszellata contrahirt das gesammte Plasma sich zur Bildung eines Eies; bei . anderen Species (V. ornithocephala Hass. u. a.) wird ein Theil des ungefärbten Plasmas, welches der künftigen Oeffnung des Oogons zunächst gelegen ist, nicht in die Eibildung hineingezogen, sondern dasselbe grenzt sich anfangs durch eine Ein- schnürung von der Hauptmasse des Plasmas ab, verliert schliesslich den Zu- sammenhang mit demselben ganz und wird endlich als Plasmakugel aus dem durch Vergallertung der Membran auf seinem Scheitel sich öffnenden Oogonium ausgestossen. Die Antheridien sind dünne, meist hornartig gekrümmte Zellen (Fig. ı8 IV, VHa), deren gesammter Inhalt zu Spermatozoiden wird (Fig. ı8 V). Das Auf- suchen der Oogonien wird den letzteren gewöhnlich dadurch erleichtert, dass das sich öffnende Antheridium sich mit seiner Mündung in unmittelbarer Nähe der Oogonium-Mündung befindet (Fig. 18 VII. Am weitesten von den typischen Vaucheria-Antheridien entfernen sich diejenigen der marinen V. de Baryana und der V. pzloboloides in sofern, als die Spermatozoiden aus ihnen ausser durch die apicale Oeffnung durch seitliche Löcher in der Antheridien-Membran austreten, deren Lage vor der Reife des Antheridiums durch papillenartige Ausstülpungen gekennzeichnet wird. Die Anordnung der Geschlechtsorgane am Thallus zeigt mannigfache Verschiedenheiten und giebt damit wesentliche Merkmale für die Species-Diagnosen. Im einfachsten Falle sitzen Antheridien nnd Oogonien einzeln oder reihenweise dem Thallusfaden direkt auf, indem sie aus kurzen Seitenästen der vegetativen Hauptachse sich entwickeln (Fig. 18 VI). Die Antheridien können bei anderen Species gestielt sein, indem hier nur die Spitze des Seitenastes zum Antheridium wird, während seine Basis den Charakter der vegetativen Zelle beibehält: in diesem Falle kann der nicht zur Antheridium-Bildung verwandte Basaltheil des Seiten- astes auch als Träger der Oogonien fungiren (Vaucheriae »acemosae). Die eigenthüm- lichste Ausbildung erfahren die Antheridientragenden Aeste von Vauch. synandra indem ihr oberer Theil, der zahlreiche Antheridien zu entwickeln vermag, sich durch eine zweite Wand gegen das untere Ende des Zellastes abgrenzt und blasenartig anschwillt. Diese letztere Zelle, an der die einzelnen Antheridien in normaler Weise inserirt auftreten, wird als differenzirter Träger der männlichen Ge- schlechtsorgane, als »Androphor« bezeichnet (Fig. ı8 IV, VII b). 3e1 Vaucheria kommen Dauerzustände der vegetativen Zelle vor, zu deren Entwicklung die letztere durch dicke Gallertwände in kurze Abschnitte gefächert und in einen Zustand übergeführt wird, der zur Aufstellung der Gattung Gongrosira Veranlassung gegeben hat. Nach der Ruhezeit können die einzelnen Abschnitte der Zelle direct zu cebensoviel neuen Fäden auswachsen. In anderen Fällen werden die kurzen Dauerzellen zu Sporangien, welche die cilienlosen Zellen er- Klasse II. Algen im engeren Sinne. 267 zeugen, mit ihrem hyalinen Ende nach vorn gewendet unter Bildung von Pseudo- podien amöbenartig sich zu bewegen vermögen. Es kommt also auch in diesem Entwicklungsmoment bei den Vaucherien zu keiner normalen Zoosporenbildung, wie bei anderen Chlorophyceen. Die amöboiden Zellen können schliesslich zu vegetativen Vaucheria-Fäden auswachsen oder aber sie encystiren sich noch einmal und stellen so eine neue Dauerzelle dar, deren Inhalt später nach Sprengung der Membran zur Vaucheria-Zelle sich entwickelt. PRINGSHEIM, Ueber die Befruchtung und Keimung der Algen und das Wesen des Zeugungs- actes. (Monatsber. d. Berlin. Ac. d. W. 1855.) — DE BArY, Ueb. den geschlechtl. Zeugungsprozess bei den Algen. (Ber. d. naturf. Ges. in Freiburg. Bd. ]. 1856. Juli.) — SCHENK, Entwicklung d. Fortpfl.-Organe und Befruchtung von Vaucheria geminata. (Verh. d. phys.-med. Gesellsch. zu Würzburg. Bd. VI. 1858). — Waız, Beitr. z. Morph. u. System. d. Gatt. Vaucheria. (PRINGSH., Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. V.) — Sorms-LausBAcHh, Ueb. Vauch. dichotoma [Woroninia]. (Bot. Zeit. 1867.) — WOoRrontn, Beitr. z. Kenntniss d. Vaucherien. (Bot. Zeit. 1869.) — WORONIN, Vaucheria de Baryana nov. sp. (Bot. Zeit. 1880.) — STAHL, Ueb. d. Ruhezustände der V. ge- niata. (Bot. Zeit. 1879.) — SCHMITZ, Unters. üb. Zellkerne d. Thallophyten. (Sitzungsber. d. Niederrhein. Ges. f. Natur- u. Heilkunde zu Bonn, 4. Aug. 1879.) — STRASBURGER, Zellbildung und Zelltheilung. II. Aufl. 1880. pag. 214. b) Isogame Siphoneen. Die Gameten der isogamen Siphoneen sind bisweilen in ihrer äusseren Ge- stalt völlig übereinstimmende Schwärmzellen, wie in der Familie der Dasycladeen, wenn auch innere Unterschiede zwischen den Planogameten dieser Familie bereits sicher ausgebildet sind. Der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Planogameten bei den Codieen (Codium, Dryopsis) ıst äusserlich durch Grössen- und Färbungsunterschiede gekennzeichnet, indem die männlichen Gameten klein und gelblich gefärbt sind, während die grösseren weiblichen Planogameten die normale Chlorophylifärbung zeigen. — Bei den Caulerpeen ıst ebenso wie bei manchen Codieen jede Form von Fortpflanzungszellen unbekannt. Wie die Codieen durch die äussere Differenzirung der männlichen und weiblichen Plano- gameten den Vaucherieen zunächst stehen, so schliessen sie sich ihnen auch durch Vermittelung von Dryopsis in ihrem 'Thallusbau an. Von den unregelmässig verzweigten Zellen der Codieen unterscheiden sich die Dasycladeen durch regel- mässige Wirtelstellung ihrer Seitenäste. Am höchsten differenzirt ist die Thallus- zelle der Caulerpeen, deren Auszweigungen oft Blattform annehmen. 2. Familie: Codieen. Die meerbewohnende Familie der Codieen ist im Bau ihrer vegetativen Theile dadurch charakterisirt, dass die sehr dünne Thalluszelle ausserordentlich reich und fast regellos verzweigt ist; nur in der Gattung Dryopsis kommt es bis- weilen zu regelmässig zweizeiliger Verästelung. Andererseits ist Dryopsis auch die ein- zige Codieen-Gattung, bei welcher die Zelläste nach Art der Vaucherien-Zweige isolırt auftreten. Denn bei allenanderen Gattungen verflechten sich die Thallus-Aeste mitein- ander aufs dichteste und verwachsen theilweise mit einander, so dass der stets sehr ansehnliche Thallus dieser Algen auf dem Querschnitt eine scheinbare Gewebe- bildung aufweist. Aber alle die verschiedenen Zelllumina, die ein Querschnitt erkennen lässt, sind nur die Lumina zahlreicher Aeste einer einzigen Thallus- zelle, in der allerdings sporadisch eine Fächerung des Lumens durch den pag. 263 beschriebenen Prozess auftreten kann. Bei Codium entsteht der schwammig lockere, bald cylindrisch verzweigte, 268 Die Algen im weitesten Sinne. bald kugelige Thallus in der Weise, dass die keulenförmig angeschwollenen Enden der Zelläste senkrecht zur Oberfläche des Thallus verlaufen und hier pallisadenartig gedrängt die Aussenschicht des Thallus bilden. Die un- teren dünneren Partieen derselben Fäden und die gleichgestalteten basalen Theile ihrer Seitenäste stellen das locker verwebte Flechtwerk im Innern des Thallus her. — Bei Udofea hat der Thallus die Form eines kriechenden Rhizoms mit aufrechten gestielten Blättern. Die letzteren kommen in der Weise zu Stande, dass die Hauptäste der Zelle fächerförmig sich verzweigen und diese in einer Ebene liegenden »Mark-Fäden« erhalten nachträglich eine Berindung, die aus den äussersten Verzweigungen kürzerer Seitenäste gebildet wird. In derselben Weise, wie bei Udofea die blattförmigen Theile des Thallus, ist bei Halimeda der ganze Thallus gebaut, der hier in seiner äusseren Gestalt die ge- gliederte Form einer kleinen Opznztia wiederholt. Die Ausbildung der männlichen und weiblichen Gameten erfolgt bei Codium und Dryopsis auf verschiedenen Pflanzen und zwar bei Dryopsis so, dass die vege- tativen Seitenäste des Thallus ohne weitere Gestaltveränderung zu Gametangien werden, nachdem sie sich gegen den Hauptstamm des Thallus, der nicht zu der Bildung der Gameten herangezogen wird, abgeschlossen haben. Bei Codium treten die Gametangien als kurze cylindrische Seitenäste an den blasig ange- schwollenen pallisadenförmig gestellten Zellästen auf, welche die Thallusoberfläche bilden; sie sind so kurz, dass sie nicht über die Thallusoberfläche vortreten, sondern zwischen den vegetativen Astenden verborgen bleiben. Auch bei Codium sind die Gametangien gegen die vegetativen Thallustheile durch Fächerung des Lumens abgeschlossen. Die Copulation der Planogameten von Codium und Dryopsis ist noch nicht beobachtet worden, aber der Umstand, dass BERTHOLD eine Weiterentwicklung der grünen Schwärmzellen nur constatiren konnte, wenn dieselben gleichzeitig mit den kleineren gelben cultivirt wurden, lässt mit Sicherheit darauf schliessen dass eine Copulation stattfindet und dass die kleineren Schwärmzellen nach zahlreichen Analogieen bei den Chlorophyceen als die männlichen Planoga- meten fungiren. Bei der Keimung der Zygoten von Codium tomentosum ent- wickelt sich zuerst ein reich verzweigtes Rhizom, aus welchem ein Büschel gleich- langer aufrechter Zelläste hervorwächst. Die weitere Entwicklung dieser letzteren führt zur Bildung eines Thallus, der ganz den elterlichen Individuen entspricht. Da neben den Planogameten bei Codium und Bryopsis ungeschlechtliche Fort- pflanzungszellen nicht bekannt sind, so erscheint die Annahme eines Generations- wechsels ausgeschlossen. 3ei Halimeda ist bisher nur die Existenz zweiwimperiger grüner Schwärm- „ellen bekannt, von denen man nicht weiss, ob sie Zoosporen oder Gameten sind. Sie entstehen in besonderen Fruchtästen des Thallus, die am Rande der Opuntia- artigen Thhallusglieder durch Auswachsen der Markfäden entstehen und gabelig oder traubig verzweigt sind. Die Spitzen dieser Aestchen sind sporangienartig zu kugeligen Anschwellungen erweitert, aber ein Abschluss derselben gegen die vegetativen Theile des T'hallus findet nicht statt. Nach dem Ausschwärmen der Schwärmzellen, bei deren Bildung der Chlorophyll-Gehalt der ganzen Pflanze ver- wendet wird, bleibt die entleerte Membran der Thalluszelle entfärbt zurück. Die Fortpflanzung von Udotea ist noch völlig unbekannt. NAEGELI, Neuere Algensysteme pag. 177. — PRINGSHEIM, Ueb. die männlichen Pflanzen und die Schwärmsporen der Gattung Zryopsis. (Monatsber. d. Berlin. Akad. Mai 1871.) — BERTHOLD, Klasse II. Algen im engeren Sinne. 269 Zur Kenntniss der Siphoneen. (Mittheil. d. Zool. Station zu Neapel. Bd. II. 1880. pag 73. Anm.) — SCHMITZ, Ueb. die Bildung der Sporangien bei der Gattung Halimeda. (Sitzungsber. d. nieder- rhein. Ges. f. Natur und Heilkunde zu Bonn, 14. Juni 1881.) 3. Familie: Dasycladeen. Zu der meerbewohnenden Familie der Dasycladeen, die durch die wirtel- ständigen Auszweigungen ihrer Thalluszelle vor allen anderen Siphoneen ausge- zeichnet sind, gehört Acetabwlaria mediterranea, eine Alge, die durch die Unter- suchungen von NAEGELI, WORONIN, DE BARY und STRASBURGER eine der am ge- nauesten gekannten Meeresalgen geworden ist. Die mehrjährigen Acefabularia- Pflanzen, welche auf Kalkfelsen und Muschelschalen gesellig wachsen und auf ge- eignetem Substrat weite Flächen wiesenartig bekleiden, haben die Gestalt eines zierlichen Hutpilzes mit schlankem Stiel, der bis zu 9 Centim. Höhe erreicht, während der Schirmdurchmesser einen Centimeter wenig überschreitet. Der sehr dicken Zellmembran ist kohlensaurer Kalk in grossen Mengen eingelagert, so dass das Chlorophyll nur in dem weniger stark incrustirten Schirm deutlich sichtbar ist, der Stiel aber rein weiss erscheint. Im Hochsommer stirbt der Schirm, sowie der grösste Theil des Stieles ab und wird, brüchig geworden, stückweise abgeworfen. Zum Ueberwintern bleibt nur der untere Theil des Thallus übrig, der an der Basis des Stieles durch eine Membran abge- schlossen wird (Fig. 19 V m). Der über- winternde Thallusabschnitt setzt sich aus zwei Theilen zusammen: dem Fuss (Fig. 19 V u. VIf), der aus gleichfalls in- erustirten unregelmässig wirteligen Aus- zweigungen der Thhalluszelle gebildet wird und der mehr oder weniger lappig ver- zweigten, stets zartwandigen Basalblase (Fig. 19 V u. VIb), zu der sich die T'hallus- zelle nach abwärts zwischen den Aesten des Fusses erweitert. Die Basalblase, i A 5 : ; Acetabularia mediterranea. — 1 Schirm nach Fort- deren Grösse und Verzweigung mit dem nahme der vorderen Hälfte halb schematisch, Alter und der Stärke der ganzen Pflanze n Narben der Wirteläste, r rudimentärer Astwirtel Anaeni (sergl Fig, 29 V u. VI, von de. Anetalb des Sehimen, 1 Ringel oben nen bei gleicher Vergrösserung gezeichnet _ I Spore, an deren oberem Ende der Deckel V einer wahrscheinlich einjährigen, VI erkennbar ist (120). — II Spore als Game- 5 On ae tangium nach dem Ausschwärmen der Gameten einer mehrjährigen Pflanze entstammt) (120). — IV Copulation der Gameten. — dient als Reservestoffbehälter und in ihr V VI Unterer Theil eines Schirmsprosses, f der sammeln sich die Assimilationsprodukte Fuss, b die Basalblase (20), — VII Keim- Me R RAN pflanzen aus Zygoten entwickelt. — VII An- an, so dass sie im Winter strotzend lage der Wirteläste auf dem Sprossgipfel mit Stärkekörnern angefüllt ist. Im Fig. 19. (B. 210.) (120). — IX desgl. älteres Stadium (90). Frühjahre wächst die überwinterte Zelle zunächst zu einem cylindrischen Faden aus, II—IX nach DE BARY u. STRASBURGER. der aus der restirenden Stielbasis des vor- Be 055 D 270 Die Algen im weitesten Sinne. jährigen Sprosses hervortritt. Bevor die sich entwickelnde Zelle zur Bildung des Schirmes schreitet, erzeugt sie successive an ihrer fortwachsenden Spitze (Fig. VIILIX) einen bis vier Wirtel von Kurztrieben, die 3—4 mal gabelig verzweigt sind. Ohne eine Kaikincrustation zu erfahren, sterben die letzteren frühzeitig wieder ab und werden ab- geworfen, so dass nur die Narben noch von den Stellen ihrer Insertion Zeugniss geben (Fig. 19In). Nach Anlage der hinfälligen Wirteläste verbreitet sich die bis dahin eylindri- sche Sprossachse ein wenig, unmittelbar bevor sie zur Bildung des Schirmes schreitet. Der ausgewachsene Schirm von Acefabwlaria (in Fig. 19 I nach Fortnahme der vorderen Hälfte halbschematisch dargestellt) besteht aus 70—ıoo keilförmigen, radial gestellten Compartimenten (s), die durch ebenso viele radiale Membran- stücke gegen einander abgeschlossen, an ihrem schmalen Ende gegen das Cen- trum des Schirmes hin mit der übrigen Zelle in Communication stehen. Obwohl die einzelnen Strahlen oder Fächer des Schirmes auch in den jüngsten Entwicklungsstadien bei A. mediterranea sich niemals von einander isolirt finden, so ist doch der Schirm bei der neuholländ. A. Calyeıwlus häufig in seine einzelnen Fächer gespalten und zweifellos aufzufassen als jedem der vorher gebildeten Haar- zweig-Wirtel des Acefabwlaria Sprosses gleichwerthig. Vermittelt wird der Ueber- gang von dem letzten Haarzweig-Wirtel zu dem ausgebildeten Schirmwirtel durch einen rudimentär bleibenden Zweigwirtel (Fig. 19 Ir), welcher den Schirm auf seiner unteren Seite wulstförmig umgiebt. Abnormer Weise vermag der Acefa- bularia-Spross weiterwachsend oberhalb des ersten ausgebildeten Schirmes über einem verlängerten Internodium noch einen zweiten Schirm zu entwickeln; aber gewöhnlich erlischt die Fähigkeit der Schirmbildung mit der Entwicklung des ersten vollkommen ausgebildeten Schirmes. Es werden zwar über demselben noch mehrere Wirtel von doldig verzweigten Haarästen gebildet, die auch bald abfallen; die Internodien der Hauptachse strecken sich aber oberhalb des Schirmes nicht mehr und die Membran der Hauptachse, der sie inserirt waren, umgiebt — die Narben der abgefallenen Aeste zeigend — in Form eines Ringwalles (Fig. 19 I w) den nabelförmig eingesenkten Spross-Scheitel. Die Zelläste, welche sich zur Bildung des Schirmes vereinigen, unterscheiden sich ausser durch den Mangel der Verzweigung und durch ihr Persistiren an der Achse von den übrigen Wirtelästen dadurch, dass allein in ihnen die Bildung von Fortpflanzungszellen stattfindet. während sowol die Haaräste sowie auch die Fächer des rudimentären Schirmes stets steril bleiben. Die Bildung von Fortpflanzungs- zellen erfolgt aber nicht in jedem Schirmspross, sondern es ist wahrscheinlich, dass erst mehrere Jahre hindurch die Pflanze aus der,überwinternden Basalblase sterile, allmählich stärker werdende Schirmsprosse erzeugt, bis in hinreichend er- starkten Schirmsprossen Fortpflanzungszellen entstehen. Zur Bildung der letzteren werden alle plastischen Stoffe der Pflanze verbraucht, so dass die Mutterpflanze mit der Erzeugung der Fortpflanzungszellen ihr Leben abschliesst. In fructifici- renden Exemplaren entwickeln sich in jedem Schirmfach 40—8o eiförmige Sporen (Fig. 19 II), die unbeweglich sind und sich schon im Innern der Mutterpflanze mit dicker Membran umgeben. Sie werden durch Zerbröckeln des Schirmes frei und ı—3 Monate nach ihrer Bildung beginnen in ihnen neue Entwicklungsvor- gänge. Diese ungeschlechtlich erzeugten Sporen zeigen dabei keine Gestaltver- änderung, sondern, indem sie unmittelbar die Sexualzellen in Form schwärmender Gameten erzeugen, stellen sie selbst die ausgebildete Geschlechts-Generation von Acetabularia dar. Bei der Reife der Gameten öffnet sich die Spore an ihrem einen Ende vermittelst eines kreisförmigen Deckels, dessen Umrisse schon lange Klasse II. Algen im engeren Sinne. 271 vorher erkennbar sind (Fig. 19 HD), und der durch den Druck der ausgebildeten Gameten gewöhnlich in der Weise herausgestossen wird, dass er mit einer Stelle seines Randes an der übrigen Membran haften bleibt (Fig. ı9 II). Nach dem Ausschwärmen der Sexualzellen bleibt im Innern der Membran eine zarte Blase zurück, die Zellsaft-erfüllte Vacuole der geschlossenen Spore, während deren protoplasmatischer Wandbelag in der Bildung der Sexualzellen aufgeht. — Die von einer Spore erzeugten Gameten gehen unfehlbar zu Grunde, wenn man sie gegen fremde Gameten abschliesst, indem die aus derselben Spore entstammenden Gameten mit einander nicht copuliren. Reichlich findet dagegen Copulation statt zwischen Gameten, welche verschiedenen Sporen entstammen. Normaler Weise pflegen zwei Gameten miteinander zu verschmelzen, in selteneren Fällen vereinigen sich drei oder mehr Gameten zur Bildung einer Zygote (Fig. ı9 IV, vergl. Anm. pag. 202). In allen Fällen aber kommen die Copulationsprodukte nicht unmittelbar nach ihrer Bildung zur Ruhe, sondern sie schwärmen je nach der Zahl ihrer Compo- nenten mit 4, 6, 8 oder ıo Cilien versehen eine Zeit lang umher, in jedem Falle länger als die nicht copulirten Gameten. Noch während des Schwärmens runden sie sich ab und umgeben sich dann zur Ruhe kommend mit Membran. Die Zygoten verändern sich während einer Zeit von etwa 5 Monaten nur insofern, als sie ein wenig an Volumen zunehmen. Dann aber wächst die Zygote zu einem Keimpflänzchen mit breitem Basalende und konisch verschmälerter Spitze aus. Die aus Zygoten in der Cultur erzogenen Keimlinge stellten im ersten Jahre nur Pflänzchen von der Form der in Fig. 19 VI abgebildeten dar und zeigten bis- weilen an der Spitze unregelmässige Ausstülpungen; Schirmbildung fand erst im zweiten Jahre statt, ohne dass indessen Sporen in ihm erzeugt worden wären. Es zeigt das Leben der Acefabularia somit einen Wechsel von geschlecht- licher und ungeschlechtlicher Reproduction: aus der Zygote geht eine ungeschlecht- liche Pflanze hervor, der Schirmspross, der sich Jahre hindurch auf vegetative Weise aus der überwinternden Basalblase zu reproduciren vermag und der — wahr- scheinlich allmählich stärker werdend — endlich in seinem Schirm auf unge- schlechtlichem Wege Sporen erzeugt. Letztere repräsentiren die Geschlechts- generation, indem sie mit Unterdrückung aller vegetativer Ausbildung!) sich direkt in ein Gametangium verwandeln. Aus der Gameten-Copulation geht die Zygote hervor, der Ausgangspunkt einer neuen geschlechtslosen Schirmspross-Generation. Von der Gattung Acelabwlaria weicht die Gattung, welcher die Familie ihren Namen verdankt, wesentlich ab. Der unverkalkte Thallus von Dasycadus zeigt eine ähnliche Bildung von doldig verzweigten Haarwirteln wie Acezabwlaria, aber diese Wirteläste, die dichtgedrängt an der Achse stehen, sind persistirend und fallen erst an ausgewachsenen Individuen allmählich von unten beginnend ab. — Mit dieser wirteligen Stellung der Aeste sind auch im Wesentlichen die Ana- logieen mit Acefabwlaria erschöpft. Auf das Verhalten der Gameten bei der Copulation und die höhere innere Differenzirung der geschlechtlichen Gegensätze bei äusserlich gleicher Form ist schon oben (pag. zor) aufmerksam gemacht worden. Wesentlicher ist der Unterschied Acefabwlaria gegenüber, wie er sich in der Entstehung der Gameten ausspricht. Dieselben werden nämlich in Gametangien erzeugt, welche sich terminal auf der Hauptachse der doldig ver- zweigten Wirteläste bilden und die Form einer gestielten Kugel haben. Wenn D) Es lässt sich diese Unterdrückung der vegetativen Theile vergleichen mit der Reduction der Vegetationsorgane an den männlichen Geschlechtspflanzen der Rhizocarpeen, Isoeten und Selaginellen. SCHEnk, Handbuch der Botanik. Bd, II. iS ’ 272 Die Algen im weitesten Sinne. wie es bisher scheint, Dasyeladus neben der Zygotenbildung eine ungeschlecht- liche Fortpflanzung nicht besitzt, so würde der Entwicklungsgang von Dasy- cladus aus einer beständigen Reproduction von geschlechtlichen Generationen bestehen, wie wir sie zur Zeit für Codium und Bryopsis annehmen müssen. So lange nicht die Erkenntniss des Entwicklungsganges anderer Dasy- cladeen die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Dasycladus und Ace- fabularia deutlicher hervortreten lässt, ist es mit der unmittelbaren Neben- einanderstellung dieser beiden Gattungen schlimm bestellt. Denn das einzige Merkmal, das ihnen neben der Zygotenbildung, die sie mit zahlreichen anderen Chlorophyceen theilen, gemeinsam ist, — die wirtelige Verästelung des Thallus — ist darum ein einigermassen verdächtiges Merkmal für die Vergleichung beider, Gattungen, als es bei Dasycladus bei der allein bekannten Geschlechtsgeneration auftritt, während es bei Acefabularia der Geschlechtsgeneration fehlt und an der ungeschlechtlichen Generation ausgebildet ist. Näher als an Acefabularia schliessen sich an Dasycladus nach MUNIER- CHALMAS eine grosse Reihe von fossilen Formen an, die bis dahin als thierische Reste den Foraminiferen eingereiht gewesen sind. Die Ablagerung einer dichten Kalkschicht zwischen den Verzweigungen der fraglichen Algen hat nicht nur die ganze wirtelige Verzweigungsweise einer Zelle als identisch mit derjenigen der noch jetzt lebenden Dasycladeen erkennen lassen, sondern hat es auch ermöglicht, noch jetzt die Stellung der Sporangien bei jenen fossilen Formen zu constatiren. NAEGELI, Neuere Algensysteme, pag. 158. — WORONIN, Recherches sur les Algues marines Acetabularia et Espera. (Ann. des Sc. nat. ser. 4. Tome XVI.) — DE BARY u. STRASBURGER, Acetabularia mediterranea. (Bot. Zeit. 1877, pag. 713.) — BERTHOLD, Die geschlechtliche Fort- pflanzung von Dasycladus clavaeformis. (Bot. Zeit. 1880, pag. 648.) — MUNIER-CHALMAS, Obser- vations sur les Algues calcaires appartenant au groupe des Siphonees verticillees et confondues avec les Foraminiferes. (Comptes rendus de l’Acad. des Sc. Tome 85. pag. 814. 1877.) 4. Familie: Caulerpeen. Die Gattung Caulerpa, welche vorzugsweise den tropischen Meeren angehört, nimmt nicht nur innerhalb der Siphoneen, sondern im ganzen Reich der Organis- men die erste Stelle in Bezug auf die Entwicklung ihrer einzigen Thalluszelle ein. Verhältnissmässig am einfachsten ist ihre äussere Gliederung bei der C. prolifera des Mittelmeeres, der einzigen Vertreterin der Familie an der euro- päischen Küste. Die Zelle gliedert sich hier ı. in eiit cylindrisches kriechendes Rbizom mit Spitzenwachsthum; 2. in kurze Seitenäste, die sich aus der untern Seite des Rhizoms entwickeln, an ihrer Spitze in zahlreiche hyaline Fäden sich zertheilen und als Wurzeln in den sandigen oder moorigen Meerboden ein- dringen; 3. auf der obern Seite des Rhizoms erheben sich acropetal entstehende Seitenäste, welche, wenn sie nicht proliferiren, die Form kurzgestielter, flacher, ganzrandiger, zungenförmiger Blätter haben und die als die einzigen chlorophyliführenden Theile der Pflanze, als Assimilationsorgane fungiren. Bei anderen Arten von Cawlerpa haben diese aufrechten Seitenäste die Gestalt mannigfach eingeschnittener und aufgeblasener Blätter, oder sie sind ihrerseits wieder mehr oder weniger regelmässig verzweigt und wenn diese Verzweigungen dichtgestellt und nur kurz sind, so verleihen sie den Zellästen edum- oder hypnumartigen Habitus. Auch der innere Bau von Cawlerpa steht insofern einzig da, als das Lumen der Zelle von zahlreichen querverlaufenden und verästelten PAS, En 2 AA oa Klasse II. Algen im engeren Sinne. 273 Cellulose-Balken durchsetzt wird, die mit ihren Enden mit der derben Aussen- membran der Zelle in festem Zusammenhang stehen. Geschlechtliche und un- geschlechtliche Fortpflanzungszellen sind vollständig unbekannt und ebensowenig ist es bisher gelungen, Individuen aufzufinden, die man als Keimpflanzen an- sprechen könnte. Die Erhaltung und Vermehrung der Caulerpeen scheint nur durch die Bildung seitlicher Sprosse aus dem Rhizom stattzufinden, die dadurch zur Selbständigkeit gelangen, dass das Rhizom von hinten her beständig im Ab- sterben begriffen ist. An den einzelnen Cawlerpa-Exemplaren (die bei C. prolifera die Länge eines Meters selten überschreiten) ist das hintere Ende der Zelle nicht mit Membran, sondern durch pfropfartige Bildungen geschlossen, die aus dem Plasma gebildet werden. i NAEGELI, Caulerpa prolifera AG. (in NAEGELI und SCHLEIDEN, Zeitschrift für wiss. Botanik, 1844, Heft D). Botrydium. Den schärfsten Gegensatz zu der hohen Ausbildung der Thalluszelle von Caulerpa bildet die im süssen Wasser oder auf feuchter Erde lebende Gattung Botrydium, die in der Ausbildung ihrer geschlechtlichen Generation sich auf’s Engste an Acefabularia anschliesst. Der Thallus der lebenskräftigen Do/rydium-Pflänzchen besteht aus einem rundlichen oder keulenförmigen Bläschen, das den gesammten Chlorophyligehalt der Pflanze beherbergt, und einem hyalinen ungetheilten wurzelartigen Fortsatz, der in die Erde eindringt. Seltener zeigt der obere Theil Andeutungen kurzer Verzweigungen. Auf feuchtem Boden vermögen sich diese Pflänzchen durch Zelltheilung zu vermehren: der oberirdische Theil treibt einen kurzen kugeligen Seitenspross, der einen eigenen hyalinen Wurzelfaden in die Erde senkt und durch Bildung einer Scheidewand sich von der Mutterpflanze isolirt. Bei Be- netzung mit Wasser verwandelt sich das Pflänzchen in ein Sporangium, indem es seinen gesammten plasmatischen Inhalt zur Bildung von einwimperigen Zoo- sporen verwendet. Bisweilen können die Pflänzchen zu Dauerzellen werden, indem die Mem- bran der Zelle sich so bedeutend verdickt, dass das Lumen des Wurzelabschnittes fast ganz dadurch verschlossen wird. Sie können so vollständige Austrocknung (bis zur Dauer eines Jahres) vertragen; in's Wasser gebracht, verwandeln sie ihren Inhalt in einwimperige Zoosporen, die unter Aufquellen der Mutterzellmembran frei werden. ROSTAFINSKI und WOoRroNIn haben diesen Dauerzellen den Namen »Hypnosporangien« beigelegt. — Alle Zoosporen von Dotrydium vermögen nur auf feuchtem Boden zu neuen Pflänzchen auszuwachsen. Im Wasser umgeben sie sich mit Membran und bleiben unverändert, bis ein Zufall sie in die ihnen zu- sagenden Vegetationsverhältnisse bringt. Ihren Höhepunkt hat die vegetative Entwicklung der Bofrydium-Pflänzchen erreicht, wenn der hyaline Wurzelfaden in dem Maasse wie der oberirdische Theil wächst, sich bei weiterer Entwicklung verzweigt. In diesem Stadium ist die Pflanze vegetativer Zweitheilung nicht mehr fähig; sie erreicht den Abschluss ihrer Existenz mit der Eızeugung einwimperiger Zoosporen, wie sie an den jungen Pflänzchen schon vorkommen kann. In diesem ausgewachsenen Zustand kann aber an die Stelle der Zoosporenbildung, welche an einen gewissen Grad von Feuchtigkeit gebunden ist, in Folge von Trockenheit oder Besonnung ein anderer Prozess treten: das gesammte chlorophyliführende Plasma zieht sich nämlich in den verzweigten Würzelabschnitt zurück und zerfällt hier — je nach der Grösse 18* 274 Die Algen im weitesten Sinne. der Pflanze — in mehr oder minder zahlreiche Zellen, von denen jede selbständig sich mit einer allseitig geschlossenen Membran umgiebt. Diese »Wurzelzellen« können sich je nach den Vegetationsverhältnissen, denen sie ausgesetzt werden, in verschiedener Weise entwickeln: sie können direct zu neuen Pflänzchen aus- wachsen, die auf feuchter Erde normal sich entwickeln oder gleich nach ihrer Entstehung in den Zustand der Dauerzellen (Hypnosporangien) übergehen; oder die Wurzelzellen verwandeln sich bei genügender Wasserzufuhr in Sporangien, die ihren Inhalt unter der Form von einwimperigen Zoosporen ausstossen. Die bisher betrachteten Vermehrungsweisen sind nur Formen ungeschlecht- licher Vermehrung, von denen zwei, die vegetative Zweitheilung und die Zoosporenbildung, als die wesentlichen zu betrachten sind. Durch sie pflanzt sich das Dofrydium-Pflänzchen während des Frühjahres hauptsächlich fort, je nach- dem es gezwungen ist, auf feuchter Erde oder im Wasser sich zu entwickeln. — Die Hypnosporangienbildung an noch vegetativ thätigen Pflänzchen und die Wurzel- zellenbildung an ausgewachsenen Individuen sind lediglich Anpassungsprozesse an übermässige Trockenheit resp. Besonnung. In allen Fällen werden bei den erwähnten Formen ungeschlechtlicher Fort- pflanzung wieder Generationen ungeschlechtlicher Individuen erzeugt. Die geschlechtlichen Generationen gehen aus dem lebhaft vegetirenden Pflänzchen, deren Wurzel noch nicht verzweigt ist, in den heissen Monaten her- vor. Es entstehen nämlich in dem oberirdischen Theil der Pflänzchen unbeweg- liche membranumhüllte Sporen, die, je nachdem die Pflanze bei mässiger Be- leuchtung unter Wasser oder aber bei Besonnung oder auf dem Lande vegetirt, im ersten Falle grün, in den letzteren Fällen roth sind. Diese unbeweglichen, membranumhüllten Sporen repräsentiren — wie bei Acezfabularia — die Geschlechtsgeneration von Botrydium. Ohne ihre Gestalt zu ver- ändern, werden sie zu Gametangien und erzeugen die zweiwimperigen Planoga- meten, die je nach der Färbung der Mutterzellen bald grün, bald roth sind und durch unregelmässiges Aufreissen der 'Mutterzelle frei werden. Sie copuliren zu ‚zweien oder mehreren. Die Zygoten keimen entweder sogleich, so lange sie noch eine dünne Membran besitzen, oder sie gehen in ein Ruhestadium über, während ihre Membran sich stark verdickt und ihre Umrisse unregelmässig eckig werden. Da die aus der Zygote hervorgehende Pflanze direkt wieder auf ungeschlecht- lichem Wege die bewegungslosen Sporen erzeugen kann, welche die Geschlechts- generation von Dofrydium darstellen, so stimmt in dieser einfachsten Form des Entwicklungsganges Do/rydium vollständig mit Acezabuleyia überein. Der Kreis- lauf der Bofrydium-Entwicklung wird aber dadurch erweitert, dass die ungeschlecht- liche Generation durch Zelltheilung und durch Zoosporen sich zu vermehren ver- mag. Unterbrochen kann der regelmässige Gang der Entwicklung bei grosser Trockenheit dadurch werden, dass junge Pflanzen zu Dauerzellen (Hypno- sporangien) werden, ausgewachsene Pflanzen dagegen Wurzelzellen erzeugen, und je nach den äusseren Vegetationsbedingungen erst auf Umwegen wieder in den normalen Entwicklungsgang eingelenkt wird. ROSTAFINSKI und WORONIN, Ueber Botrydium granulatum. (Bot. Zeit. 1877, pag. 649). 4. Ordnung: Protococcoideen. Die Ordnung der Protococcoideen umfasst eine grosse Anzahl meist Süss- wasserbewohnender!) einzelliger Algengattungen, deren habituelle Mannigfaltig- !), Von marinen Protococcoideen ist bisher durch genauere Untersuchungen nur die eigen- Klasse II. Algen im engeren Sinne, 275 keit dadurch erhöht wird, dass bei einem Theil derselben die Individuen fest mit einander zu Colonieen oder Familien verbunden sind. Die geschlechtliche Fortpflanzung tritt in drei verschiedenen Formen auf, als Eibefruchtung, als Plano- gameten-Copulation und (bisher nur in einem Falle bekannt) als Aplanogameten- Copulation. Für die diagnostische Trennung der Gattungen ist der Geschlechtsact nicht verwerthbar, da in der natürlichsten der hier vereinigten Familien, bei den Volvocineen, alle drei Typen nebeneinander vorkommen. Auf Grund des Baues des Thallus und seiner ungeschlechtlichen Fortpflanzung lassen sich drei Familien unterscheiden. 1. Protococcaceen. Individuen einzeln oder in Familien vereinigt, cilien- los. Ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Zoosporen, während vegetative Zell- theilung des Thallus fehlt. 2. Palmellaceen. Individuen cilienlos.. Ungeschlechtliche Vermehrung durch vegetative Zweitheilung und durch Zoosporen. 3. Volvocineen. Individuen einzeln oder in Familien vereinigt, frei- schwimmend, und durch persistirende Cilien zeitlebens in Bewegung erhalten. Ungeschlechtliche Vermehrung durch vegetative Zweitheilung nicht vorhanden. 1. Familie: Protococcaceen. Innerhalb der Familie der Protococcaceen lassen sich zwei Gruppen von Gattungen unterscheiden, je nachdem die Individuen vereinzelt leben oder colo- nieenweise vereinigt vorkommen. Die letzteren werden als »Coenobieen« oder nach ihrem Hauptvertreter Aydrodictyon als Hydrodictyaceen zusammengefasst, während die isolirt lebenden als »Eremobiae« bezeichnet werden. a) Coenobieen (Hydrodictyaceen). Bei den Hydrodictyaceen bestehen die Colonieen aus einem Complex von mehr oder minder zahlreichen einzelligen Individuen, welche — ursprünglich isolirt — erst später zu festverbundenen Gruppen von bestimmter Gestalt verwachsen, die Ar. Braun »Coenobien« genannt hat. Das freischwimmende Coenobium hat entweder die Gestalt flacher Scheiben mit reihenförmiger (Scenedesmus) oder sternförmiger Anordnung (Zediastrum, Fig. zo VI); in letzterem Falle können die Zellen bald lückenlos aneinander schliessen, bald kleinere Zwischenräume zwischen sich lassen, so dass die Scheibe zierlich gitterförmig durchbrochen erscheint. Oder aber die Zellen sind zu soliden Kugeln (Sorastrum) oder netzförmig durchbrochenen Hohlkugeln (Coelastrum) vereinigt, oder sie bilden ringsum geschlossene weit- maschige Netze von unregelmässiger Gestalt, wie bei Z/ydrodictyon, dem Wassernetz. Die direkte Bildung neuer Coenobien erfolgt stets auf ungeschlechtlichem Wege und zwar bei den verschiedenen Gattungen in verschiedener Weise. Die Zellen, welche das neue Coenobium bilden sollen, entstehen bei Aydrodictyon durch simultane Theilung des gesammten Plasmas einer Coenobium-Zelle in 7000 bis 20000 Tochterzellen; bei den anderen Gattungen findet die Bildung der‘ Tochterzellen durch succedane Zweitheilung statt und führt im höchsten Falle (bei Pediastrum vagum) zur Erzeugung von 128 Zellen. Auch das fernere Verhalten der Tochterzellen ist ein verschiedenes: bei Pediastrum sind dieselben zweiwimperige Zoosporen, welche aus der aufreissenden Mutterzellmembran heraustreten, aber stets von der zu einer weiten Gallertblase thümliche Zalosphaera viridis und auch diese nur unvollkommen bekannt geworden: SCHMITZ, Halosphaera viridis. (Mittheilungen d. zool. Station zu Neapel. Band I. 1878.) 276 Die Algen im weitesten Sinne. aufgeblähten innersten Membranschicht der Mutterzelle umhüllt bleiben (Fig.2o VII). Innerhalb dieser Hülle schwärmen die Zellen umher und legen sich, zur Ruhe kommend, sofort zur Bildung eines neuen sternförmigen Coenobiums aneinander, während die umhüllende Gallert- membran später zu Grunde geht. Bei AZydrodictyon und Coelastrum sind die zur Bildung eines neuen Coenobiums bestimmten Toch- terzellen gleichfalls Zoosporen, aber diese Zoosporen treten nie- mals als solche aus der Mutter- zelle heraus, sondern kommen schon innerhalb derselben zur Ruhe. Die jungen Coenobien, denen sie sich dabei ver- binden, vernichten erst bei ihrem späteren Wachsthum die Mem- bran der Mutterzelle. Bei Scene- desmus endlich wird bei den Tochterzellen das Schwärm- stadium völlig unterdrückt: in DI der Weise wie die Zellen durch succedane Zweitheilung inner- halb der Mutterzelle entstanden sind, bleiben die Zellen unbe- weglich verbunden, so dass die Form der jungen Coenobien bereits durch die bei der Bil- dung der Tochterzellen inne- zu Fig. 20. (B. 211.) Protococcaceen. I—V Aydrodictyon utriculatum. 1 Zygote. — II aus der keimenden Zygote entwickeln sich 4 Zoo- sporen. — III ein- und zweiwimperige Zoospore. — IV Polyeder. — V die Zoosporen im Innern des Polyeders haben sich zu einem rudimentären Netz vereinigt. — VI Scheibenf. Familie von Pediastrum Ehrenbergi. — VU Zoo- sporen von Pediastrum granulatum von der Gallertblase um- gehaltenen Theilungsrichtungen bestimmt ist Das Wachsthum schlossen. — VII—X Suadium Arbuscula. VII junge I : © Pflanze. — IX die Zoosporen bleiben ausschlüpfend in der Coenobien bei den Hydro- der Oeffnung hängen. — X Individuum der vorletzten dictyeen macht sich nur in einer Generation, das 6 Tochterindividuen erzeugt hatte. Die h ; Volumenzunahme der einzelnen letzteren bilden freiwerdende Schwärmzellen. Zellen, niemals aber durch nach- trägliche Zelltheilungen geltend. R Neben der ungeschlechtlichen Fortpflanzung ist bei /Zydrodietyon (1873 von SuppAnETz) geschlechtliche Befruchtung nachgewiesen worden und ein gleicher Vorgang, wenn er auch noch nicht beobachtet worden ist, wird für Zediastrum angenommen. Denn ausser den sofort zur Bildung von Coenobien zusammen- tretenden ungeschlechtlichen Zoosporen ist bei beiden Gattungen eine zweite Form von kleineren Schwärmzellen bekannt, welche nicht in einer Gallertblase eingeschlossen bleiben, sondern sich isoliren. Bei Zediastrum kennt man die weiteren Schicksale derselben noch nicht, aber die sonstigen Analogieen gestatten die Vermuthung, dass diese Schwärmzellen ebenso wie bei Zydrodictyon Ge- schlechtszellen sind. Bei /Zydrodictyon entstehen in einzelnen Zellen des Coeno- biums ın ähnlicher Weise wie die ungeschlechtlichen Zoosporen 30000— 100000 (Gameten, welche bereits während des Ausschlüpfens zu zweien, dreien oder zu mehreren copuliren. Die abweichenden Angaben der Autoren, von denen die a A A RE a FE wart Kr De, ”- . r a SU u Pe Find HT ur, We ie ee A LTR I ET, RN n/ x ß Klasse II. Algen im engeren Sinne. 277 einen den freiwerdenden Gameten von Aydrodictyon zwei, andere vier Cilien zuschreiben, sind wol darauf zurückzuführen, dass die schon beim Austreten aus der Mutterzelle copulirten Gametenpaare vier und beziehentlich noch mehr Cilien besitzen, während die uncopulirten unter ihnen nur zwei Cilien aufweisen. Nachdem die Zygote von Zydrodictyon zur Ruhe gekommen ist, vermag sie 4—5 Monate in einem Ruhezustand zu verharren (Fig. 20 I), ohne ausser einer lang- samen Zunahme des Volumens irgend welche Veränderung zu zeigen. Nach der Winterruhe zerfällt der Inhalt der keimenden Zygote in zwei bis fünf grosse Zoo- sporen (Fig. 20 II), die bald eine, bald zwei Cilien haben (Fig. zo II) und ge- wöhnlich schon nach wenigen Minuten zur Ruhe kommen. Dabei nehmen sie eine eigenthümlich polyedrische Gestalt an und wachsen an ihren Ecken in hornartige Fortsätze aus (Fig. zo IV). Nachdem diese Zellen, die ihr Entdecker PRINGSHEIM als »Polyeder« bezeichnet hat, oft bedeutend an Volumen zuge- nommen haben, theilt sich nach einigen Tagen ihr Inhalt in eine nach der Grösse des Polyeders variirende Anzahl von Zoosporen. Bald darauf wird die äussere Schicht der stark verdickten Polyedermembran gesprengt und die Zoo- sporen, welche von der innern Membranschicht eingeschlossen aus dem Riss her- vortreten, verbinden sich zu einem neuen oft noch sehr rudimentären Zydro- dictyon-Netz (Fig. zo V). Wie man die freiwerdenden Schwärmzellen von Zediastrum für Gameten an- zusprechen sich berechtigt hält, so glaubt man auch einen den Zydrodictyon- Polyedern entsprechenden Organismus mit der Gattung Pediastrum in Verbindung bringen zu dürfen: es sind das die Zellformen, welche NAEGELI 1849 zu der Gattung Polyedrium vereinigt hatte, einzellige polyedrische Organismen mit horn- artigen Fortsätzen und von grosser Regelmässigkeit des Umrisses, von denen aber ausser ihrer äusseren Gestalt nichts bekannt ist. b) Eremobiae. Die freilebenden Protococcaceen schliessen sich, soweit man ihren Ent- wicklungsgang kennt, den Coenobieen eng an. Der T'hallus der isolirt lebenden Individuen besteht häufig aus einer kurzgestielten cylindrischen oder keulenförmigen Zelle (Fig. zo VII), die an ihrem Gipfel nicht selten mit einer stachelförmigen Spitze versehen ist, und bei Ophiocytium S-lörmig gebogen oder in mehreren Windungen spiralig eingerollt sein kann. Bei den endophytisch lebenden Formen finden sich bisweilen schlauchförmige Verlängerungen der Thalluszelle, deren Ent- stehung mit dem Eindringen der Zelle in das Innere der Gewebe der Wirths- pflanze im Zusammenhang steht. Die ungeschlechtliche Vermehrung — wo solche bei den isolirt lebenden Protococcaceen bekannt ist — findet wie bei den Coenobieen nur vermittelst Zoo- sporen statt, die bald auf dem Wege simultaner Zellbildung wie bei Sczadıum und Hydrocytium erzeugt werden, bald durch succedane Zweitheilung der Mutterzelle ent- stehen wie bei Characium. Die Schwärmbewegungen der Zoosporen beginnen bei Characium in ähnlicher Weise wie beim Wassernetz bereits im Innern der Mutterzelle, aber sie endigen nicht in derselben, sondern die Zoosporen werden später frei. Der Austritt der Zoosporen erfolgt bei Ophiocytium und Sciadium abweichend von den anderen Gattungen so, dass die Spitze der Zelle durch einen ringförmigen Riss ab- geschnitten und in Form eines Deckels abgeworfen wird (Fig. zo X). Während bei den übrigen Gattungen der isolirt lebenden Protococcaceen die einzelnen Zoosporen sich beim Freiwerden sofort zerstreuen und isolirt sich weiter 278 Die Algen im weitesten Sinne. entwickeln, bleiben bei Sceiadium die Schwesterzellen in eigenthümlicher Weise miteinander verbunden. Beim Ausschlüpfen aus der Mutterzelle bleiben: dieselben am Rande der Austrittsöffnung haften (Fig. 20 IX) und entwickeln sich hier zu neuen Pflänzchen (Fig. 20 X). Indem dieser Prozess sich mehrfach wiederholen kann, entstehen Zellcomplexe — angeordnet in Form zusammengesetzter Dolden, — die man als Scheinfamilien bezeichnen kann. Von den Coenobien der Hydrodictyeen sind die Scheinfamilien von Seiadium in fundamentaler Weise dadurch unter- schieden, dass sie nicht aus lauter gleichwerthigen Schwesterzellen, sondern aus einer Reihe von Generationen verschiedenen Alters bestehen, welche erst nach und nach auseinander hervorgegangen sind. Auch darf nicht ausser Acht ge- lassen werden, dass nur die äussersten Astspitzen des doldig verzweigten Bäum- chens aus lebensfähigen Zellen bestehen, alle übrigen Theile aber aus den ent- leerten, todten Membranen der im Fortpflanzungsprozess aufgegangenen Mutterzellen gebildetwerden. DieZahl derzu Scheinfamilien vereinigten Generationen von Sciadium ist eine nur eng begrenzte, indem bisher nur die Vereinigung von höchstens vier Generationen constatirt worden ist. Dabei lässt sich beobachten, dass die Grösse der einzelnen Individuen in einer Scheinfamilie von Generation zu Generation mehr abnimmt. Spätestens in der vierten Generation von Individuen erfolgt dann eine Entwicklung von Schwärmzellen, welche frei werden und ausschwärmen, so dass von der alten Scheinfamilie nur die Membranen übrig bleiben. Das ab- weichende Verhalten der freiwerdenden Schwärmzellen, die von den Individuen der jüngsten Generation einer Scheinfamilie erzeugt worden sind, gegenüber den zur Bildung der Scheinfamilien beitragenden Zellen der früheren Generationen lässt darauf schliessen, dass beide Arten von Toochterzellen verschiedene Rollen in dem Lebensgang der Alge spielen, und dass vielleicht die freiwerdenden Schwärmzellen von Sciadium nicht den Werth ungeschlechtlicher Schwärmsporen, sondern den von Planogameten haben. Die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme wird dadurch unterstützt, dass die ungeschlechtlich erzeugten Individuen in den Scheinfamilien von Sczadium thatsächlich von Generation zu Generation kümmer- licher werden, so dass es nahe liegt anzunehmen, dass die Steigerung der Wachs- thumsenergie, welche sich in der ersten Generation einer neuen Scheinfamilie bemerkbar macht, einem inzwischen erfolgten Befruchtungsprozess verdankt wird. Dass Copulation von Planogameten auch bei den isolirt lebenden Proto- coccaceen vorkommt, beweisen die endophytischen Gattungen Zndosphaera, Chloro- chytrium und Phyllobium, welche ihrem ganzen Entwicklungsgang nach den Proto- coccaceen zugerechnet werden müssen. — Der Thallus des Chlorochytrium Lemnae, die in den Intercellularräumen von Zemna lebt, ist eine runde oder eiförmige Zelle, die ihr gesammtes Plasma in Planogameten verwandelt. Die letzteren treten von einer Gallertblase umschlossen aus dem T'hallus aus und copuliren noch in derselben miteinander. Die Zygote schwärmt noch eine Zeit und setzt sich dann auf der Epidermis von Zemmna-Sprossen fest, um nach wenigen Tagen auszuwachsen und eine schlauchförmige Verlängerung zu entwickeln, die — zwei Epidermiszellen auseinander treibend — in das Innere des Sprosses eindringt. Das ganze Plasma der Zygote wandert in das vordere Ende des Schlauches, während das kurze zwischen den Epidermiszellen befindliche Stück nebst dem über die Epider- mis vorragenden Membrantheil durch Zellstoffablagerung in ein solides Cellulose- knöpfchen verwandelt wird. Die im Innern des Zemna-Gewebes heranwachsende Thalluszelle kann in derselben Vegetationsperiode zur Bildung neuer Planogameten schreiten und es können so mehrere Generationen unmittelbar hintereinander Gin Klässe I. Algen im engeren Sinne. 279 folgen. Die Ueberwinterung findet in der Weise statt, dass die vegetative Zelle einen Dauerzustand eingeht; denn weder bei Chlorochytrium noch bei den anderen endophytischen Protococcaceen kann die Zygote ein Ruhestadium eingehen, da die Pflanze darauf bedacht sein muss, so schnell als möglich den Ort zu er- reichen, wo sie allein gedeihen kann. — Der Entwicklungsgang der in den Blättern von Zofamogeton lucens lebenden Zndosphaera unterscheidet sich von Chlorochytrium dadurch, dass die Planogameten nicht unmittelbar von der vege- tativen Zelle gebildet werden, sondern aus membranumhüllten Zellen entstehen, welche in der vegetativen Zelle angelegt werden und welche vielleicht mit den membranumhüllten bewegungslosen Sporen von Bo/rydium verglichen werden können. Ueberhaupt stehen gerade die endophytischen Protococcaceen in Folge der Bildung eines wenn auch rudimentären schlauchförmigen Thallus durch Vermittelung der Gattung Bofrydium den Siphoneen am nächsten. Jedenfalls geht die schlauch- förmig verzweigte Entwicklung des Thallus des zwischen den Gefässen von Zysz- machia Nummularia lebenden Phyllobium dimorphum weit über die sonstige Aus- bildung des Protococcaceen-Thallus hinaus, wenn auch bei ZAyllobium sich schliess- lich das Plasma innerhalb des verzweigten Membranschlauches zu einer runden vegetativen Zelle zusammenzieht. An die Siphoneen Codium und Bryopsis er- innert Phyllobium auch in der Ausbildung von Planogameten von constant ver- schiedener Grösse: dass bei den kleinen und grossen Planogameten von Zhydlo- bium der Geschlechtsunterschied schon vollständig entwickelt ist, darf aus dem Umstande gefolgert werden, dass bisher nur Copulation zwischen je einer kleinen und einer grossen Planogamete beobachtet worden ist. Als selbständige Protococcaceen-Genera werden noch einige Organismen betrachtet, über deren Entwicklungsgang nur wenig oder gar Nichts bekannt ist und von denen man wenigstens zum Theil annehmen darf, dass sie keineswegs selbständige Species, sondern nur besondere Ent- wicklungsformen anderer Algen repräsentiren. Zu diesen problematischen Gattungen gehört das oben erwähnte Polyedrium. Die verschiedenen von NAEGELI aufgestellten Species enthalten drei- eckige oder viereckige Zellen bisweilen mit gelappten Ecken und an den Ecken mit Stacheln versehen. Mit Rücksicht auf die Aehnlichkeit mit den Polyedrium-Species NAEGELI's hat PRINGS- HEIM die eckigen Zellen, aus denen das erste rudimentäre Netz von Zydrodictyon hervorgeht, als »Polyeder« bezeichnet und zugleich die Vermuthung ausgesprochen, es möchten auch die Zolye- drium-Species nur erste Entwicklungszustände gewisser Hydrodictyaceen sein. Ferner gehört hierher diejenige Gattung, welcher die ganze Gruppe ihren Namen verdankt, die Gattung Zrotococcus. Unter die Species dieser Gattung rechnet man die oft in grosser Menge auftretenden isolirten grünen oder rothen Zellen, die ein langsames Wachsthum zeigen und endlich ihren Inhalt in zahlreiche Zoosporen verwandeln. Seitdem aber nachgewiesen ist, dass derartige Protococcus-Zellen in dem Entwicklungsgange zahlreicher höherer Algen auf- treten können (vergl. pag. 235), ist es zweifelhaft geworden, ob es überhaupt selbständige ’ro- tococcus-Formen giebt, deren Entwicklungsgang abgeschlossen sein würde mit der Bildung von Zoosporen, welche, ohne jemals höhere Entwicklungsstadien zu zeigen, direct in neue ruhende Protococeus-Zellen überzugehen vermöchten. BRAUN, Die Verjüngung in der Natur. — PRINGSHEIM, Ueb. Fortpflanzung von Coelastrum. (Flora 1852.) — Braun, Algarum unicellularium genera nova vel minus cognita. Leipzig. 1855. — Conn, Ueb. d. Fortpflanzung v. Hydrodictyon utriculatum. (Entwgesch. microsc. Algen u. Pilze. Nova Acta Leop.-Carol. vol. XXIV.) — PRINGSHEIM, Ueb. d. Dauerschwärmer des Wassernetzes. (Monatsber. d. Berl. Akad. December. 1860.) — KLEBs, Beiträge zur Kenntniss niederer Alssenformen. (Bot. Zeit. 1881.) 2. Familie: Palmellaceen. Entwicklungsgeschichtlich unterscheiden sich die Palmellaceen von den Proto- coccaceen durch die Fähigkeit vegetativer Zweitheilung ihrer Zellen; habituell ausser- 280 Die Algen im weitesten Sinne. dem meistens durch die dicken vergallerteten Membranen, welche die einzelligen Individuen zu einschichtig-häutigen Familien (Zefraspora, Schizochlamys, das blut- rothe Zorphyridium) oder zu wurmförmigen, verästelten Fäden (ZZydrurus) oder auch zu formlosen Lagern vereinigt (Palmella). Seltener sind die Membranen zart, wie z. B. bei ZZewrococcus. Von den meisten zu den Palmellaceen gestellten Algen kennt man neben der äusseren Form nur den einen oder anderen ver- einzelt beobachteten Entwicklungsvorgang. so dass ein klares Bild des ganzen Lebensganges bisher für keine Zalmellacee gewonnen worden ist. Am genauesten bekannt geworden ist neuerdings die Gattung Te/raspora, bei der neben den beiden Formen der ungeschlechtlichen Vermehrung durch vegetative Zweitheilung der Zellen und durch Zoosporen die Bildung von Zygoten durch Copulation gleich- artiger Gameten beobachtet worden ist, der erste bekannte Fall eines Geschlechts- actes unter den Palmellaceen. Unsere mangelhafte Kenntniss der Palmellaceen ist Anlass geworden, den Namen Palmellaceen auf eine Reihe von Algengattungen zu übertragen, denen man eine besser begründete systematische Stellung bisher nicht anzuweisen ver- mocht hat. Neben solchen selbständigen Algenformen wie Dietyosphaerium, Eremosphaera, Raphidium, fiıguriren unter den Palmellaceen häufig als Species der Gattungen ZPalmella und Gloeocystis die oben (pag. 235) erwähnten Palmella-Zustände verschiedener höherer Algen, in ähnlicher Weise, wie bei den Protococaceen die entsprechenden Protococcus-Zustände. NAEGELI, Gattungen einzelliger Algen. Zürich 1849. — REINKE, Ueb. Monostroma bullosum und Tetraspora lubrica. (PRINGSH. Jahrb. f. wiss. Botan. XI.) 3. Familie: Volvocineen. Die Familie der Volvocineen setzt sich aus einer Reihe von Gattungen des süssen Wassers zusammen, die sich dadurch auszeichnen, dass ihre vegetativen Zellen zeitlebens je 2 Cilien tragen, deren Schwingungen die freischwimmende Pflanze im Wasser in beständiger Rotation erhalten. Der Plasmakörper der einzelnen Zellen ist meist mit Ausnahme einer an die ähnlichen Bildungen bei den Zoosporen erinnernden schnabelförmigen Zuspitzung, welche die beiden Cilien trägt, gleichmässig vom Chlorophyll grün gefärbt, das hier nicht an besondere Körner gebunden ist. Daneben kann bei einer Anzahl von Volvocineen auch ein rother Pigmentkörper, wie er zahlreichen Zoosporen eigen ist, vorkommen. Der durch die Cilien als vorderes Ende bezeichnete Theil des Plasmakörpers enthält bei Volwox, Eudorina, Gonium, Chlamydococcus und Chlamydomonas zwei pulsirende Vacuolen. Umgeben’ wird der Plasmakörper von einer Membran, welche an der Insertionsstelle der Cilien dem Plasma gewöhn- lich dicht anliegt; gegen das hintere Ende der Zelle hebt sich die Membran bei manchen Gattungen mehr oder weniger auffällig von dem Plasmakörper blasen- artig ab (Fig. 2ı IX) und dann erstrecken sich bisweilen einzelne Plasmafäden durch den mit wässeriger oder gallertiger Substanz erfüllten Zwischenraum bis an die Membran. Bisweilen erscheint der Zusammenhang zwischen Membran und Plasma völlig aufgehoben und die selbständige Ausdehnung der Membran, welche auch dann noch fortzuschreiten vermag, kann nicht mehr auf die Ernährung von Seiten des Plasma zurückgeführt werden, sondern auf die zur Gallertbildung führende Quellung der Membran, zu der alle Volvocineen mehr oder weniger hinneigen und die es auch wol gestattet, dass die protoplasmatischen Cilien durch die Membran hindurch nach aussen hervortreten können. Aus so gebauten ’ ia7 Rn bi EN a N EL Te ta ie ER 4 ai ° “ar a Ai u [4 1 A AL ZT 4 “ nr ae HN MIR Klasse II. Algen im engeren Sinne, 281 Zellen bestehen alle Volvocineen und ihre in verschiedener Weise auftretende Anordnung bedingt die habituellen Verschiedenheiten zwischen den Gattungen. In den Gattungen Chlamydomonas (Fig. 21 IX—XI) und Chlamydococcus re- präsentirt eine der geschilderten Zellen den ganzen Thallus der Alge, der in Folge seiner Bewegungsfähigkeit missbräuchlicher Weise bisweilen als Zoospore bezeichnet wird, obwol er, mit Membran umhüllt, die vollständig ausgebildete Pflanze darstellt. Bei den anderen Volvocineen- Gattungen besteht der Thallus aus mehreren, oft sehr vielen gleichgebauten Zellen, und bei diesen Gattungen wird der ganze Pflanzenkörper nicht als ein einziges Individuum aufgefasst, sondern als eine Familie oder Colonie, die einem Polypenstock vergleichbar — aus zahl- reichen Einzelwesen zu- sammengesetzt wird (Fig. 21 I. Diese Auffassung der früherihrer Bewegungs- fähigkeit halber zu den Thieren gerechneten Vol- vocineen rührt von EHREN- BERG (1833) her und an ihr Fig. 21. (B. 212.) wurde später auch von den Volvocineen. I Familie von Zxdorina elegans. — II eine Zelle Boranik tschal derselben. — II Bildung einer neuen Familie auf ungeschlecht- SuSE estgehalten, jjichem Wege; die junge Familie zunächst noch scheibenförmig. als man auf Grund von — IV Ei im Moment der Befruchtung. — V Spermatozoiden. SIEBOLD’s eingehenden Un- —__VI Copulation der Planogameten von /andorina Morum. — 5 . . VII Keimende Zygote von Vowox globator. — VII junge Vowox- tersuchungen (1844) die Familien aus Zygoten hervorgegangen. — IX ungeschlechtliche Volvocineen als Pflanzen Pflanze von Chlamydomonas pulvisculus. — X. Weibliche, XI männ- W liche Pflanze von Chlamydomonas pulvisculus. — XI eine männ- zu betrachten anfing. In- liche und eine weibliche Pflanze nach dem Verwachsen. — wiefern die thatsächlichen Verhältnisse dieser Auffassungsweise im Ein- klang oder im Widerspruch stehen, darauf wird weiter mit XIHI Uebertritt der männlichen Aplanogamete in die weibliche Zelle. — XIV fertige Zygote ‚umhüllt von der Membran des weiblichen Individuums. I—V und IX— XIV nach GOROSCHANKIN ; VI nach PRINGSHEIM. unten (pag. 284) näher eingegangen werden. Die Colonieen zeigen im ausgewachsenem Zustand bei den verschiedenen Gattungen habituell bedeutende Unterschiede, während die Entwicklung derselben sich als in hohem Grade übereinstimmend herausgestellt hat. Die Colonieen von Gonium, Eudorina, Stephanosphaera und Volvox entstehen durch wiederholte Zweitheilung einer Zelle in der Weise, dass die Summe der sämmtlichen Tochter- zellen eine einschichtige Zellplatte darstellt. Bei den Gonium-Species, deren Colonieen von 4, 8 oder 16 Zellen gebildet werden, bleibt dieser flach-scheiben- förmige Zustand zeitlebens erhalten. Bei den ursprünglich ebenso gebauten acht. e 282 Die Algen im weitesten Sinne. zelligen Familien von Szephanosphaera strecken sich die Zellen bedeutend in der Richtung senkrecht zur Ebene der Zellplatte und die ganze Familie nimmt einen kugelförmigen Umriss an. Bei Zudorina und Volvox ist die Zellenzahl einer Familie meist bedeutender: bei Zudorina (Fig. zı I) beträgt sie gewöhnlich ı6 oder 32, bei Volvox dagegen enthält eine Familie nach Conns Berechnung gegen 12000 Zellen. Bei den beiden letztgenannten Gattungen liegen die Zellen einer Familie nur solange in einer Ebene, als die Familie erst aus wenigen Zellen be- steht (Zudorina Fig. 2ı II). Nach und nach krümmt sich die Scheibe bei fort- schreitender Zelltheilung mehr und mehr, bis sie endlich die Form einer voll- ständig geschlossenen Hohlkugel angenommen hat (Fig. 2ı I). Die Cilien tragenden Spitzen der Zellen sehen nach aussen, während die stumpferen Hinter- enden gegen das Centrum der Kugel, gegen den in Folge der Membranquellung mit Gallerte erfüllten Hohlraum gewendet sind. Nur bei der Gattung Zandorina scheint vorläufig die Entwicklungsweise der Familie eine andere zu sein. Die kugelige Pandorina-Familie wird zusammengesetzt aus 16—64 keilförmigen Zellen, die mit ihrem hinteren Ende dem Centrum der Kugel zugekehrt sind und, ohne einen inneren Hohlraum freizulassen, zu einem soliden Körper von traubenförmigem Habitus zusammenschliessen. Wenn hier auch die äussere Form der Familie gegen die gleiche Entstehungsweise wie bei Zudorina und Volvox zu sprechen scheint, so wird doch vielleicht bei genauerer Kenntniss der Entstehung der Pandorina-Kugeln sich auch der Bau dieser Familien auf die typischen Entwicklungsvorgänge der übrigen Volvocineen zurückführen lassen. Geschlechtliche und ungeschlechtliche Vermehrungsweise ist bei den Volvo- cineen bekannt. Die ungeschlechtliche Vermehrung hat entweder ihren Sitz in sämmtlichen vegetativen Zellen oder aber sie findet (bei Volvox) nur in einzelnen Zellen der Familie statt. Aus jeder fortpflanzungsfähigen Zelle der Mutterfamilie geht ın der oben dargestellten Weise durch Theilung des Inhalts je eine nach Gattung und Art aus einer verschiedenen Anzahl von Zellen bestehende neue Familie hervor und diese Tochterfamilien werden frei, indem die Mutterfamilie zu Grunde geht. Die sämmtlichen Zellen, die in einer Mutterzelle entstanden sind, bleiben auch, nachdem sie von der Membran ihrer Mutterzelle befreit sind, mit einander fest verbunden, mit Ausnahme der Gattungen Chlamydomonas und Chlamydococcus, bei denen die 2—8 Tochterzellen beim Freiwerden auseinander fallen und nun isolirt herumschwärmen. Bei aller Aehnlichkeit, welche diese isolirten Individuen mit den Zoosporen anderer grüner Algen haben, sind sie von letzteren doch aufs deutlichste dadurch unterschieden, dass sie bereits beim Frei- werden stets eine feste Zellmembran besitzen. Die ungeschlechtliche Vermehrung der Volvocineen wiederholt sich eine kürzere oder längere Reihe von Generationen hindurch — bei Cidamydococcus und Chlamydomonas zeitweilig von Ruhezuständen unterbrochen — bis die Generations- reihe beim Beginn des Herbstes — oder, wenn ihr Standort dem Austrocknen aus- gesetzt ist, entsprechend früher — durch das Auftreten geschlechtlicher Indivi- duen und die Bildung einer überwinternden Zygote abgeschlossen wird. So sehr die verschiedenen Gattungen der Volvocineen durch ihren Bau und die Art der Familienbildung sich als Glieder einer natürlichen Familie zu er- kennen geben, so verschieden ist bei ihnen die Art und Weise der Befruchtung, die in allen oben (pag. 235) dargestellten Typen bei ihnen vertreten ist. Bei Volwox und Eudorina ist die Differenzirung der Geschlechtszellen am Klasse II. Algen im engeren Sinne. 283 höchsten entwickelt und männliche und weibliche Zellen sind als Spermatozoiden und Eier auch habituell wesentlich verschieden. Diejenigen Zellen der Familien, welche zu Oogonien werden, nehmen bei Volvox bedeutend an Volumen zu und ragen weit nach innen in den Hohlraum der rotirenden Familie hinein, während bei Zudorina der Unterschied zwischen den Oogonien und den ungeschlechtlichen Zellen nur ein sehr geringer ist. Bei der Reife hebt die quellende Membran des Oogoniums sich von dem zum Ei gewordenen Plasmakörper ab, an dem die Differenzirung eines Empfängniss- fleckes nicht zu constatiren ist. In den Zellen, welche die Spermatozoiden erzeugen sollen, gehen die Zelltheilungen in der gleichen Weise vor sich, als ob eine neue ungeschlechtliche Colonie gebildet werden sollte (Fig. zı III), aber die Zellscheibe krümmt sich nicht zur Kugelform zusammen, sondern bleibt als flaches Täfelchen erhalten; dasselbe wird schliesslich aus mehr oder weniger zahlreichen gelblichen, lang- geschnäbelten Spermatozöiden zusammengesetzt, die ihre beiden Cilien bei Volvox an der Basis des Schnabels, bei Zudorina (Fig. 2ı V) an seiner Spitze tragen, und die endlich nach Auflösung der Mutterzellen frei werden. Bei Eudorina gelangen die Spermatozoiden nach GOROSHANKIN von aussen her bis an die Cilien tragende Stelle des Eies (Fig. 2ı IV) und dringen hier in das Eı ein. Bei Volvox, bei dessen monöcischer Species die Spermatozoiden von dem Hohl- raum der Familie aus die gequollenen Oogoniumwände durchbohren, ist das Ein- dringen der Spermatozoiden in das Ei noch nicht beobachtet worden. — Bei Zandorina besteht der Befruchtungsact in einer Copulation von Plano- gameten, die dadurch von historischem Interesse ist, dass PRINGSHEIM an Zan- dorina den Prozess der Schwärmzellenpaarung entdeckt hat (1869). Die Gameten von Zandorina entstehen aus geschlechtlichen Familien, welche von dem letzten Glied einer Reihe von ungeschlechtlichen Generationen erzeugt werden und sich habituell kaum von jenen unterscheiden, ausser durch die geringere Anzahl ihrer Zellen. Die sämmtlichen Zellen einer gewöhnlich nur achtzelligen geschlecht- lichen Familie erzeugen je eine Gamete, die aus der aufgequollenen Membran der Mutterzelle ausschlüpft. Zwei beliebige Gameten, bald zwei kleine, bald zwei grosse, bald eine kleine und eine grosse (Fig. 2ı VI bc) verschmelzen im Copu- lationsprozess zur Bildung einer Zygote. Indessen scheint es, dass die beiden copulirenden Gameten aus verschiedenen Familien herstammen müssen. An Pandorina schliessen sich in der Form des Befruchtungsprozesses wahr- scheinlich die Gattungen Siephanosphaera (Chlamydococcus?), Gonium und sicher einige Species von Chlamydomonas, z. B. Chlamydomonas multifilis an. Obwohl die Paarung der Schwärmzellen, welche bei allen gebildet werden, bei den erst- genannten Gattungen noch nicht beobachtet worden ist, so lässt doch das Ver- halten. gewisser Dauerzellen darauf schliessen, dass diese die aus der Gameten- Copulation hervorgegangenen Zygoten darstellen. Nach zwei Richtungen hin von dem Prozess der Gameten-Copulation bei den genannten Volvocineen abweichend verhält sich nach GOROSHANKIN Chla- mydomonas pulvisculus. Aus den einzeln lebenden ungeschlechtlichen In- dividuen, charakterisirtt durch die am hinteren Ende der Zellen vom Plasma- körper sich abhebende Membran (Fig. 2ı IX), erzeugt sich durch Zwei- oder Viertheilung eine Reihe von Generationen ungeschlechtlicher Indivi- duen; erst später tritt die Bildung von Geschlechtsindividuen ein, die durch stärkere Entwicklung des Schnabels und die festanliegende Membran sich 284 Die Algen im weitesten Sinne. von den geschlechtslosen Individuen unterscheiden. Die weiblichen Indivi- duen (Fig. 2ı X) entstehen zu zwei bis vieren in der Mutterzelle, die männlichen (Fig. 2ı XI) zu je achten und dem entsprechend zeigen sich zwischen "beiden Formen der Geschlechtsindividuen constante Grössenunterschiede. — Wenn beim Umherschwärmen eine männliche und eine weibliche Pflanze an einander stossen, bleiben sie mit den Schnäbeln an einander haften und verwachsen an den Spitzen unter Verlust ihrer Cilien (Fig. 2ı XII). Die Membranen, welche die beiden Zelllumina trennen, werden resorbirt und das Plasma der männlichen Pflanze kriecht in die weibliche hinüber, deren Plasma sich an dem Hinterende der Zelle zusammengezogen hat. Allmählıich findet die Verschmelzung beider Plasmakörper im Innern des weiblichen Individuums statt (Fig. zı XIII) und nachdem dies ge- schehen, umgiebt sich die Zygote mit einer festen Membran (Fig. zı XIV). Die leere Membran des männlichen Individuums bleibt noch längere Zeit deutlich erkennbar verwachsen mit der Membran des weiblichen Individuums, das die gebräunte Zygote umschliesst, bis die Membranen der copulirten Pflanzen zu Grunde geht. — Bei Cidamydomonas besteht der Befruchtungsprozess somit nicht in einer Copulation von Planogameten, sondern in einem Conjugations- prozess umhüllter- Zellen, wie er bei den Conjugaten regelmässig statt- findet. Ausserdem ist bei Cilamydomonas pulvisculus bereits eine Differenzirung in äusserlich verschiedene männliche und weibliche Individuen eingetreten. Es unterscheidet sich daher Chlamydomonas pulvisculus von der Chlamydomonas multi- filis so wesentlich, dass die künftige Vertheilung der gegenwärtigen Chlamydomonas- Species auf zwei gesonderte Gattungen nothwendig werden dürfte. Die Keimung der Volvocineen-Zygote erfolgt erst nach längerer Ruhezeit, während der bei einigen Gattungen eine langsame Volumenzunahme beobachtet worden ist. Bei der Keimung von Volvox globator wird die mit stacheligen Ver- dickungen versehene Aussenschicht der Zygotenmembran gesprengt und der ge- wöhnlich noch ungetheilte Plasmakörper tritt daraus hervor, blasenartig umgeberk von einer inneren starkgequollenen Schicht der Zygotenmembran (Fig. 2ı VII). - Der Zygoteninhalt verwandelt sich durch successive Zweitheilung in eine vier- zellige (Fig. 2ı VIII a von der Seite gesehen), dann in eine achtzellige Scheibe (Fig. VIII b), die bei weiter fortgesetzter T'heilung sich krümmt (Fig. VIII c von unten gesehen), bis sie endlich zu einer Hohlkugel zusammenschliesst. Auf ihre Entstehungsweise deutet noch längere Zeit hindurch die in der Ansicht von oben (Fig. VIII d) hervortretende Lücke in der Kugeloberfläche hin. Während des Zelltheilungsprozesses findet eine ausgiebige Volumenzunahme der Zellen nicht statt, so dass die Zellen, je zahlreicher sie in Folge der Zelltheilungen werden, auch um so kleiner werden. Erst sehr spät nach Anlage aller Zellen erhalten die Kugeln durch die Ausbildung der Cilien selbständige Bewegungs- fähigkeit und von da an besteht ihr weiteres Wachsthum nur in der Vergrösserung der vorhandenen Zellen. Es geht somit aus jeder Volvox-Zygote eine neue Volvox- kugel hervor. ei Pandorina und Stephanosphaera entsteht bei der Keimung nicht direkt eine neue Familie, sondern der Inhalt der Zygote von Zandorina bildet sich zu einer, seltener zu zwei oder drei, bei Szephanosphaera zu 2—8 Zoosporen um. Aus diesen geht später je eine neue Familie hervor, die Anfangsglieder ebensovieler Reihen von Generationen bildend. — Dass der mehrzellige Körper der Volvocineen nicht ohne weiteres als ein ein- heitliches Ganze, sondern als aus zahlreichen, morphologisch und physiologisch sr gr Klasse II. Algen im engeren Sinne. 285 selbständigen Individuen zusammengesetzt aufgefasst wird, beruht im Wesentlichen auf zwei Umständen: nämlich einmal auf der Beobachtung, dass bei zweifellosen Volvocineen wie Chlamydomonas und Chlamydococcus die ungeschlechtlich erzeugte Nachkommenschaft sich in einzelne Zellen auflöst und diese als selbständige einzellige Wesen fortzubestehen und sich fortzupflanzen vermögen; und zweitens auf der habituellen Aehnlichkeit, welche der Thallus gewisser Volvocineen mit demjenigen mancher Hydrodictyaceen aufweist. Wenn man von dem Mangel der Cilien bei den letzteren absieht, so lässt sich in der That Zediastrum etwa mit Gonium, die maschigen, sackförmigen Netze von Hydrodictyon mit den Hohlkugeln von Volvox vergleichen. Der Zellkörper eines Zediastrum oder Hydrodictyon kann nun aber thatsächlich als einheitliches Individuum nicht aufgefasst werden, da er erst durch Verwachsen ursprünglich isolirter Individuen zu Stande kommt. Da ein gleicher nachträglicher Verwachsungsprozess bei den Volvocineen sich nicht beobachten lässt, so scheint die Auffassungsweise zunächst ungerechtfertigt, welche den mehrzelligen Volvocineen-Körper als aus zahlreichen Individuen zusammen- gesetzt betrachtet. Und gegen diese Auffassung scheinen auch die speciellen Verhältnisse in der Vertheilung der Fortpflanzungszellen bei der Gattung Vobvox zu sprechen. Der ungeschlechtlichen Vermehrung dienen bei V. minor gewöhn- lich vier, bei V. g/odator meist acht Zellen, die constant in so bestimmten Ab- ständen auftreten, dass es nahe liegt, dieselben in Beziehung zu bringen mit den ersten Zellen der entstehenden Volvox-Kugel. Es scheint wahrscheinlich, dass aus jeder der vier, resp. acht ersten Zellen ein Zellcomplex hervorgeht, der nur eine einzige der ungeschlechtlichen Fortpflanzung fähige Zelle enthält, während alle übrigen fortpflanzungsunfähig sind. Aehnlich verhält es sich vielleicht auch mit den fast regelmässig in Achtzahl auftretenden Oogonien von V. minor. Eine so constante Differenzirung in fortpflanzungsfähige und fortpflanzungsunfähige Zellen scheint im Widerspruch zu stehen mit der Auffassung des Vobwvox-Körpers als einer aus gleichwerthigen Individuen zusammengesetzten Familie. Aber dieser Widerspruch ist nur ein scheinbarer; wie sich denn auch dieselben Verhält- nisse in viel eclatanterer Weise im Thierreich wiederholen. Bei den Hydrome- dusen und speciell in der Gruppe der Siphonophoren werden die Polypenstöcke aus Individuen zusammengesetzt, die in ihrer Form ebenso verschieden sind, wie in ihrer physiologischen Bedeutung für das Leben des Polypenstockes, ohne dass man deshalb das physiologische Individuum, als das sich ein Siphonophoren- stock darstellt, auch als ein morphologisches Individuum betrachtet. In der- selben Lage befindet man sich aber Volwox gegenüber, und die regelmässige Differenzirung der Zellen einer Vo/vox-Kugel in fertile und sterile Zellen allein kann in keinem Falle den Beweis liefern gegen die Zusammensetzung des Volvo- cineen-Körpers aus einer Anzahl selbständiger Einzelwesen. Auf der anderen Seite sprechen die sonstigen entwicklungsgeschichtlichen Verhältnisse der Volvocineen alle zu Gunsten derjenigen Auffassung, die bereits in der einzelligen C/amydomonas-Form das vollständige Volvocineen-Individuum erblickt und die mehrzelligen Volvocineenformen als Complexe selbständiger Einzelwesen betrachtet. Wenn ein nachträgliches Verwachsen ursprünglich iso- lirter Individuen bei den Volvocineen nicht nachweisbar ist, so muss daran erinnert werden, dass auch bei den Hydrodictyaceen in den Gattungen Scenedesmus die Coenobien so zu Stande kommen, dass zu keiner Zeit der Entwicklung ihre Zellen als isolirt nachzuweisen sind. Das Auftreten der Cilien am Thallus der Volvocineen erscheint viel weniger Sl pl N ET a a a ee Een Yu % Br u Fe" TER RENT REEL R REN Et A NHRTORUR PEFRTIHEI N DIR AEFU RUE r . 2 > £ AFTER rt 4 ... ’ ’ 286 Die Algen im weitesten Sinne. a abnorm, wenn man in jeder einzelnen Zelle ein vollständiges Individuum erblickt. Bei keinem mehrzelligen Pflanzenkörper ist es bekannt, dass seine vegetativen Zellen Cilien entwickeln; wohl aber wissen wir, dass bei den meisten Algen im engeren Sinne bei der ungeschlechtlichen Vermehrung, soweit diese nicht auf vegetativer Zelltheilung beruht, ein jedes Individuum einen einzelligen durch Cilien charakterisirten Entwicklungszustand durchmachen muss. Bei fast allen übrigen Algen im engeren Sinn repräsentirt das Zoosporenstadium die jugendlichste Ent- wicklungsstufe des neuen Individuums; eine Entwicklungsstufe von kurzer Dauer, die bald verlassen wird, indem die Zoosporen zur Ruhe kommen und zu den mannigfachen Thallusformen auswachsen, unter denen die verschiedenen Algen den grössten Theil ihres Lebens zubringen. Bei den Volvocineen kennen wir keine ungeschlechtliche Vermehrung durch Zoosporen, wie dies namentlich auffällig bei den mehrzelligen Volvocineenformen hervortritt. Die ungeschlechtliche Vermehrung findet vielmehr mehrere Generationen hindurch so statt, dass aus den Mutterzellen ein mehrzelliger Zellkörper heraustritt, dessen sämmtliche Zelltheilungen bereits vollendet wurden, so lange er sich noch inner- halb seiner Mutterzelle befand, und dessen weitere vegetative Entwicklung ausser- halb der Mutterzelle sich nur noch auf die Volumenzunahme seiner Zellen be- schränkt. Wollte man diesen Zellcomplex als ein einheitliches mehrzelliges In- dividuum auffassen, so würde man in den Volvocineen das einzige Beispiel einer gewissermassen lebendig-gebärenden Algenfamilie besitzen. Denn bei allen anderen Algen geht die Entwicklung des mehrzelligen Thallus ausserhalb der Mutterzelle vor sich, wenn auch die Keimung der Zoosporen mit Unterdrückung des Schwärmstadiums abnormerweise bisweilen bereits in der Mutterzelle be- ginnen kann. Die einzigen Algen, die in Bezug auf die schon innerhalb des Mutterorganismus beendete vegetative Entwicklung mit den Volvocineen sich vergleichen lassen, sind Scenedesmus und HAydrodictyon und gerade von letzterer Gattung wissen wir, dass das vielzellige Netz, das in der Mutterzelle erzeugt wird, aus ebensoviel ursprünglich isolirten Zoosporen zusammengewachsen ist. Viel einfacher lassen sich daher die thatsächlichen Verhältnisse der Volvo- cineen bei dem Mangel isolirter Zoosporen dahin deuten, dass der Zellcomplex, der bei der ungeschlechtlichen Vermehrung innerhalb der Mutterzelle entsteht, und dessen Zellenzahl sich ausserhalb der Mutterzelle nicht mehr vermehrt, die mit einander im Zusammenhang bleibenden Zoosporen der Volvocineen darstellt. Während aber bei allen anderen Algenfamilien die Zoosporen sich isoliren, später zur Ruhe kommen und zu den specifischen Formen des späteren Thallus aus- wachsen, gehen die Zoosporen der Volvocineen durch Umhüllung mit Mem- bran direkt in den Zustand der ausgewachsenen Pflanze über. So wird der Schwärmzustand, der bei den anderen Algen nur als ein Uebergangs- stadıum. auftritt, von den Volvocineen zeitlebens beibehalten und die Ent- wicklung des einzelnen Individuums geht — ohne dass die äussere Gestalt der ehemaligen Zoospore später noch eine Veränderung erführe — über das primi- tivste Entwicklungsstadium anderer Algen nur durch die Bildung einer festen Membran hinaus. Die gehemmte Entwicklung des Thallus dürfte vielleicht mit dem frühzeitigen Verwachsen der Zoosporen-Aequivalente im Zusammenhang stehen, wenngleich freilich in den Gattungen Chlamydococcus und Chlamydomonas auch die isolirten Individuen auf der gleichen niedrigen Entwicklungsstufe des Thallus verharren. — Der Umstand, dass ja auch aus der Zygote von Volvox bei der Keimung sofort wieder ein mehrzelliger Körper hervorgeht, ist auf die- 2 re A fe 1 5 Se = TE 2 Ba oa Be Bu REP ie, Ba a EN BP 4 ” PUR CTENTER Klasse II. Algen im engeren Sinne. 287 selbe Weise zu erklären, wie die Bildung der mehrzelligen Volvocineen-Familien bei der ungeschlechtlichen Vermehrung: denn auch aus den Zygoten von Coleo- chaete, Oedogonium, Sphaeroplea und anderer Algen treten die jungen Individuen als Zoosporen in Mehrzahl aus. Bei Volvox bleiben auch bei der geschlecht- lichen Fortpflanzung die aus der Zygote entwickelten Keimpflänzchen fest mit einander verbunden, anstatt sich als Zoosporen zu isoliren. CoHn, Entwgesch. d. Gattung Volvox. (ComHn’s Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. I.) — KIRCHNER, Zur Entwgesch. des Volvox minor. (Conn’s Beitr. z. Biol. d. Pfl. Bd. II.) — GOROSHANKIN, Die Genesis bei den Palmellaceen, Versuch einer vergl. Morphologie der Volvocineae. (Nach- richten d. Kais. Gesellschaft für Naturw. etc. Moskau. Bd. XVI. 1875.) — PRINGSHEIM, Ueber Paarung der Schwärmsporen, die morph. Grundform d. Zeugung im Pflanzenreic#® (Monatsber. d. Berl. Akad. Oct. 1869.) — CIENKOWSKI, Ueb. einige chlorophylihaltige Gloeocapsen. (Bot. Zeit. 1865.) — AL. BRAUN, Ueber einige Volvocineen. (Bot. Zeit. 1875.) — ROSTAFINSKI, Beob. über Paarung von Schwärmsporen. (Bot. Zeit. 1871.) — ROSTAFINSKI, Quelques mots sur l’Haematococcus lacustris. (Mem. de la Soc. nat. des Sc. nat. de Cherbourg. 1875. Tome XIX.) — CoHn, Ueber eine neue Gattung aus d. Familie der Volvocineen. (SIEBOLD u. KÖLLIKER, Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. IV. 1853.) — COHN u. WICHURA, Ueber Stephano- sphaera pluvialis. (Nov. Act. Ac. Leop.-Carol., Vol. XXVI.) — REINHARDT, Die Copulation der Zoosporen bei Chlamydomonas pulvisculus. (Arbeiten d. Naturf. Gesellschaft an der Universität Charkoff. Bd. X. 1876.) — EHRENBERG, Die Infusionsthierchen als vollkommene Organismen. 1838. Pag. 49—71. 5. Ordnung: Conjugaten. Die Conjugaten sind einzellige Süsswasser-Algen, welche nach ihrer stets in der- selben Richtung erfolgenden vegetativen Zweitheilung in Form von fadenförmigen Familien vereinigt bleiben oder seltener — und nur in der Familie der Desmi- diaceen — sich von einander trennen und isolirt leben. Während sonst bei allen Algen die Befruchtung zwischen zwei schwärmenden ‚Sexualzellen stattfindet oder wenigstens die befruchtende männliche Zelle noch als Schwärmzelle auftritt, die mit Hilfe von schwingenden Cilien sich fortbewegt, wenn auch die weibliche Zelle ihre Bewegungsfähigkeit ganz oder doch zur Zeit der Empfängnissfähigkeit eingebüsst hat, — so ist dagegen bei den Conjugaten jede Schwärmerbildung unterdrückt und an ihre Stelle bei den sexuellen Vorgängen eine eigenthümliche kriechende Bewegung getreten, die besonderer Organe zur Fort- bewegung der membranlosen Zelle nicht bedarf. Die Gameten der Conjugaten, welche stets einzeln in einer vegetativen Zelle sich entwickeln und im Gegensatz zu den schwärmenden Gameten oder Planogameten als Aplanogameten bezeich- net werden können, stehen auf sehr verschiedener Höhe der Ausbildung. Ihren höchsten Entwicklungsgrad erreichen sie bei den Zygnemaceen, wo sie aus dem gesammten Plasma einer vegetativen Zelle entstehen, das sich unter bedeutender Wasserausstossung zu einem rundlichen oder ellipsoidischen Körper contrahirt (Fig. 22 Ia). Auch bei den Desmidiaceen wird das gesammte Plasma einer Zelle zur Bildung der Aplanogamete verbraucht, aber als Gamete fungirt hier der ganze unveränderte Plasmaleib der Zelle (Fig. 22 V). Bei den Mesocarpeen endlich wird nur ein Theil des Plasmas der vegetativen Zelle als Gamete verwendet und dieser ist zur Zeit der Befruchtung noch nicht einmal von dem übrigen Plasma gesondert. In allen Fällen entbehren die Aplanogameten der Conjugaten in über- einstimmender Weise wie der Cilien so auch der Differenzirung einer bestimmten Region, die als Homologon des Schnabels bei schwärmenden Gameten oder des Empfängnissfleckes der ruhenden Eier betrachtet werden könnte. Dem eigentlichen Befruchtungsprozess, der Copulation der Aplanogameten SCHENk, Handbuch der Botanik. Bd. II. 19 288 Die Algen im weitesten Sinne. geht bei allen Conjugaten eine Erscheinung voraus, die man als Jochbildung oder Conjugation bezeichnen kann, wenngleich man unter der letzteren Bezeich- nung ehemals die Gesammtheit der Vorgänge beim Befruchtungsprozess der Con- jugaten verstand. Die Jochbildung oder Conjugation besteht in einem Verwachsen der beiden Algenzellen, deren Gameten zur Bildung einer Zygote miteinander verschmelzen sollen und zwar findet das Verwachsen zu einer Zeit statt, wo die Aus- bildung der Gameten noch nicht begonnen hat. Jede der beiden vegetativen Zellen treibt zu dem Zweck seitlich einen kurzen schlauchartigen Fortsatz; diese beiden Aus- stülpungen stossen mit ihren Spitzen aufeinander und ver- wachsen hier (Fig. 2ı ]). Später werden dann die trennenden Membranen an der Verwachsungsstelle resor- birt und nach Auflösung die- ser Scheidewand ein Copula- tionscanal gebildet, welcher Fig. 22. (B. 213.) I Leiterförmig conjugirte Fäden einer Sfrrogyra, a Aplano- Jug X gamete, b (oogame) Copulation der Gameten, c und d jüngere und ältere Zygote. — II keimende Zygote. — III Con- jugirte Zellen von Sirogozium, b-+-m-+ c und a-+ w die ursprünglichen vegetativen Zellen, w weibliche, m männliche Zelle. — IV Conjugirte Fäden von Mougeotia calcarea mit isogamer Copulationsweise; Zygote im Copulationscanal, der bei a durch zwei Wände gegen die conjugirten Zellen a, und a), bei b durch vier Wände gegen die beiden Hälften von b, und b, abgegrenzt wird. — V—VIH Conjugation von Clo- eine ununterbrochene Com- munication zwischen den bei- den bei der Conjugation be- theiligten Zellen herstellt. Innerhalb der so entstandenen H-förmigen Doppelzelle findet die Copulation der Gameten sterium. (1, II, V—VI nach DE BAry, I nach PRINGSHEIM, IV nach „WiTTRock.) statt, die somit niemals in das umgebende Wasser aus- schlüpfen, sondern während der ganzen Zeit ihrer Existenz von den Membranen der beiden Mutterzellen umschlossen bleiben. — Der charakteristische Habitus, der durch die Bildung des Copulationscanales den zur Zygotenbildung schreiten- den Conjugatenzellen verliehen wird, ist die Ursache gewesen, dass der Con- jugationsprozess schon sehr früh bekannt geworden ist, wenngleich man sich lange gesträubt hat, in den Vorgängen, die er einleitet, einen Befruchtungsprozess zu sehen. Wenn auch die Conjugaten äusserlich durch ihren Befruchtungsprozess und speciell durch die eigenthümliche Erscheinung der Conjugation von allen andern Algen sich wesentlich unterscheiden, so ist doch der Umstand, dass die gleiche Form des Befruchtungsprozesses, wenn auch isolirt, in der Familie der Volvocineen bei Chlamydomonas pulvisculus auftritt, während die Volvocineen sonst die typischen efruchtungsformen der übrigen Chlorophyceen zeigen, ein deutlicher Fingerzeig dafür, dass man den Befruchtungsact der Conjugaten nur als eine Modification des von den übrigen Chlorophyceen vertretenen Befruchtungstypus zu erblicken hat und eine Trennung der Conjugaten von den übrigen Chlorophyceen auf Grund des Befruchtungsactes nicht möglich ist. Die eigenthümliche Verwachsung Klasse II. Algen im engern Sinne. 289 bei der Conjugation ist wahrscheinlich erst eine Anpassungserscheinung, die durch die Unfähigkeit selbständiger Ortsveränderung bei den Conjugatengameten nothwendig wurde. Wie bei der sexuellen Fortpflanzung kommt Schwärmzellen-Bildung auch bei der ungeschlechtlichen Vermehrung der Conjugaten nicht vor. Die ungeschlecht- liche Vermehrung beruht lediglich auf der vegetativen Zweitheilung der Individuen und wird erst durch die Bildung der überwinternden Zygoten abgeschlossen. Fortpflanzungszellen, welche man den Zoosporen der anderen Chlorophyceen pa- rallel setzen könnte, finden sich nur bei der Keimung der Zygoten: während bei den andern Chlorophyceen, deren Zygoten mehrere Keimpflanzen erzeugen, letztere als Zoosporen frei werden, treten,sie bei den Desmidiaceen als unbewegliche Zellen auf. Wie bei anderen Chlorophyceen zwischen Planogameten und Zoo- sporen ein Parallelismus der Organisation besteht, so wiederholt sich die gleiche Erscheinung bei den Conjugaten zwischen den Aplanogameten und den unbeweg- lichen Keimzellen der Desmidiaceen. 1. Familie: Zygnemaceen. Die Zygnemaceen-Zellen haben cylindrische Form und bleiben nach ihrer ungeschlechtlichen Vermehrung durch Theilung zu unverzweigten Zellfäden vereinigt, die gesellig -vorkommend untergetauchte Watten bilden. .Seltener leben sie auf feuchter Erde (Zygogonium) und dann zeigen sie meist an Stelle der frischgrünen Farbe der Wasserformen eine gelb- bis purpurbraune Färbung. Bei der Cultur der Zygnemaceen lassen sich eigenthümliche Bewegungs- erscheinungen der Fäden beobachten, die auf dem ungleichen Wachsthum der Längswände der Zellen beruht. Das letztere verursacht Krümmungen der Fäden, die es ermöglichen, dass einzelne "Theile der Fäden aus dem Wasser emporge- hoben werden. So vermögen die Fäden nicht nur am Rande der Culturgefässe aufzusteigen, sondern sie können auch bei genügend feuchter Atmosphäre frei über den Wasserspiegel sich aufrichten und wo letzteres von vielen Fäden gleich- zeitig geschieht, kommen aufrechte Büschel zu Stande, die bis zu 3 Centim. Länge in die Luft hinein ragen können. Die Zellen der meisten Zygnemaceen zeigen unter dem Microscop in Folge der eigenthümlichen Vertheilung des Chlorophylls in ihnen ein sehr cha- rakteristisches Bild. Entweder ist das Chlorophyll an zwei sternförmige Plasma- körper, welche in der Achse der Zelle liegen (Zygnema, Zygogonium) oder an bandartige Platten gebunden. Sehr häufig übertreffen die chlorophylihaltigen Plasmabänder die Länge der Zelle um ein Bedeutendes und dann sind sie zu einer Spirale zusammengerollt, deren Windungen den Längswänden der Zelle an- liegen. Solcher Spiralbänder können bei vielen Arten 2—4 nebeneinander in einer Zelle vorkommen (vergl. Fig. 22 I und II). Seltener findet sich eine kürzere Chlo- rophyll-Platte in der Zelle axil gestellt. Auch die beiden Enden der Zellen zeigen bei manchen Zygnemaceen-eine charakteristische Eigenthümlichkeit. Es wächst nämlich der mittlere Theil der kreisrunden Scheidewände bedeutend in Richtung der Fläche. Dieses führt aber in dem mittleren Theil der Wand zu einer Spaltung in zwei Lamellen, von denen jede sich in die angrenzende Zelle in Form einer Membranfalte einstülpt. Bei der Zweitheilung der Zellen, in der bei den Zygnemaceen wie bei allen Conjugaten die ungeschlechtliche Vermehrung besteht, wird die Membran, welche die beiden Tochterzellen von einander scheidet, in Form einer Ringleiste 19* 290 Die Algen im weitesten Sinne. angelegt, die allmählich nach innen wächst. Die Tochterzellen bleiben mitein- ander verbunden und die Fäden würden deshalb bei der ausgiebigen Zelltheilung während des Sommers zu enormer Länge heranwachsen, wenn nicht in unregel- mässiger Weise längere oder kürzere Fadenstücke *von Zeit zu Zeit abbrächen. Dieses Zerbrechen der Fäden wird erleichtert durch die Spaltung und Falten- bildung an den Zellenden, deren eingeschobene Membranstücke bei der Gelegen- heit ausgestülpt werden. Der Unterschied in dem Breitendurchmesser der ein- gestülpt gewesenen Membranpartie wird bald durch das weitere Wachsthum aus- geglichen. Während die Zygnemaceen gegen etwaiges Austrocknen ihrer Standorte während des Sommers sich bisweilen schützen können durch die Verwandlung der vegetativen Zellen in Ruhezellen, die durch reichen Inhalt an plastischen Stoffen und gewöhnlich durch verdickte Membranen ausgezeichnet sind, sind die Zygoten die einzigen Zellen, welche auch den Winter überdauern. Die Vorbereitungen zur geschlechtlichen Fortpflanzung finden bei den Zygnemaceen gewöhnlich gleichzeitig in zahlreichen oder allen Zellen benachbarter Fadenstücke statt, welche bei der Conjugation — durch die Copulationscanäle an zahlreichen Stellen verbunden — schliesslich zu leiterförmigen Fadenpaaren miteinander verwachsen (Fig. 22 ]). Nachdem die Conjugation der Membrantheile vollzogen ist, contrahirt sich das Plasma der beiden conjugirten Zellen zur Bildung je einer Gamete (Fig. 22 Ia). Nachdem die Differenzirung der Gamete unter bedeutender Wasserabgabe erfolgt ist, enthalten die beiden Membranen neben den im Mittelraum der Zelle liegenden Gameten nur noch Wasser oder wässrige Lösung, aber kein weiteres Plasma mehr, und hierdurch unterscheidet sich das Verhalten der conjugirenden Zellen bei den Zygnemaceen wesentlich von denen der Mesocarpeen. Der Copulations- canal giebt die Richtung für die Bewegung an, welche die Gameten einzuschlagen haben, um mit Sicherheit auf eine andere Gamete zu treffen. Es lässt sich nun auch bei den Zygnemaceen eine ähnliche Steigerung der sexuellen Verschiedenheit constatiren wie diese für andere Familien resp. Ord- nungen der Chlorophyceen nachgewiesen ist, indem nämlich isogame und oogame Befruchtung neben einander vorkommt. In ihrer äusseren Gestalt sind freilich beide copulirende Gameten bei den Zygnemaceen gleich, aber ihre 3etheiligung an dem Befruchtungsact kann eine verschiedene sein. Bei Zygogo- nium verhalten sich noch beide Gameten völlig gleich, sie bewegen sich beide gegeneinander und vereinigen sich auf halbem Wege in der Mitte des Copulations- kanales zur Zygote. Bei Zygnema und Spirogyra dagegen bleibt die eine (weib- liche) Gamete unbeweglich liegen und wird von der aus der anderen Zelle her- überschlüpfenden (männlichen) Gamete befruchtet (Fig. 22 I). Gewöhnlich pflegt die gleiche Art der Betheiligung der Gameten an dem Befruchtungsact sich durch sämmtliche Zellen eines Fadenstückes zu wiederholen, indem alle Zellen desselben Fadens entweder nur männliche oder nur weibliche Gameten erzeugen. ‘Der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Zygnemaceenfäden ist aber in der That nicht so scharf ausgeprägt, dass er die Befruchtung zwischen zwei Zellen desselben Fadens unmöglich machen könnte. Bei den schon oben erwähnten Krümmungen der Zygnemaceen-Fäden kommt es nicht selten vor, dass Conjugation stattfindet zwischen den obersten und den untersten Zellen desselben Fadenstückes; ja bei dünnen Spirogyra-Fäden kommt es sogar vor, dass unmittelbar benach- barte Zellen mit einander copuliren. In letzterem Falle wird aber nicht etwa, wie Klasse II. Algen im engeren Sinne. 291 es am einfachsten wäre, die Scheidewand zwischen beiden Zellen direkt resorbirt, sondern es bilden sich an den aneinandergrenzenden Enden zweier Zellen seit- liche Auszweigungen, welche zur Herstellung eines normalen Copulationsschlauches führen. Derartige Fäden mit Copulation zwischen benachbarten Zellen bildeten früher die selbständige Gattung Ahynchonema, deren Species aber als identisch mit entsprechenden leiterförmig conjugirten Spirogyra-Fäden nachgewiesen und dem entsprechend der Gattung S/zrogyra wieder eingereiht worden sind. Während sich bei Zygzema und Spirogyra ein verschiedenes Verhalten nur in ihrer Function bei der Befruchtung ausspricht, giebt es eine Zygnemaceen- Gattung, in welcher die Verschiedenheit zwischen männlichen und weiblichen Gameten sich auch bereits constant zurückerstreckt auf die Zellen in welchen die verschiedenen Gameten erzeugt werden, nämlich die Gattung Szrogonium. Nachdem hier nämlich die Conjugation in normaler Weise erfolgt ist, contrahirt sich das Plasma der beiden Zellen nicht sofort zur Gametenbildung, sondern es treten in beiden Zellen Theilungen ein, welche zu einer Zerlegung der beiden conjugirten Zellen in 2—3 Tochterzellen führen (Fig. 22 I Ib-+m-+c und a-+ w). Dabei zeigt sich der constante Unterschied, dass die Zelle, welche die unbewegliche weibliche Gamete erzeugen soll und in der später die ausgebildete Zygote liegen wird, von Anfang an grössere Dimensionen besitzt als die Mutter- zelle der männlichen Gamete. Es wird nämlich bei der Bildung der weiblichen Gameten-Mutterzelle (w) nur ein kleines Stück der vegetativen Zelle abgeschnitten (a), bei der Bildung der entsprechenden männlichen Zelle (m) im andern Faden da- gegen wird entweder eine grössere oder zwei kleinere (b und c) sterile Zellen abgeschnitten. Dementsprechend ist hier auch die männliche Gamete bereits constant kleiner als die ruhende weibliche Gamete. Die Angehörigen der isogamen und der oogamen Befruchtungsstufe unter den Zygnemaceen lassen sich auch noch später nach vollzogner Befruchtung unterscheiden durch die Lage der Zygoten. Denn da die letzteren ihren Platz nicht verändern, sondern an dem Ort ihrer Entstehung liegen bleiben, so findet man bei den isogamen Zygnemaceen (Zygogonium) die Zygote in der Mitte des Copulationscanals, bei den oogamen Zygnemaceen (Spirogyra, Zygnema, Siro- gonium) dagegen innerhalb der weiblichen Zelle liegen. Wie es bei den Chlorophyceen mit Copulation von schwärmenden Gameten vorkommt, dass nicht immer nur zwei Gameten mit einander zur Zygote verschmel- zen, so kann es auch bei den Zygnemaceen vorkommen, dass an eine Zelle des einen Fadens die Conjugationsfortsätze zweier Zellen eines anderen Fadens an- setzen und später aus der Vereinigung von drei Gameten eine Zygote entsteht. Umgekehrt kann es aber auch vorkommen, dass eine Aplanogamete unbefruchtet bleibt und trotzdem sich mit Membran umgiebt wie normal entwickelte Zygoten. Solche Scheinzygoten wurden früher, als man das Produkt der geschlechtlichen Befruchtung der Conjugaten noch als Zygospore bezeichnete, zum Unterschied davon »Azygosporen« genannt. Wenn nicht schon vorher während der Contraction des Plasmas zur Gamete die charakteristische Chlorophyllivertheilung der vegetativen Zelle alterirt worden war, so pflegt dieselbe spätestens nach der Vereinigung der Gameten zur Zygote ihr Ende zu erreichen. Das Chlorophyll vertheilt sich gleichmässig in der ganzen Zygote und die beiden Zellkerne der Gameten bilden durch Verschmelzung den Zellkern der Zygote, nachdem schon vorher die Zygote mit einer Membran sich umgeben hatte, die späterhin eine Differenzirung deutlich verschiedener Schichten 292 Die Algen im weitesten Sinne. erkennen lässt. So ist die nun gleichmässig gefärbte Zygote, in der inzwischen alle Stärke in Oel verwandelt worden ist, fertig entwickelt, um dem etwaigen Austrocknen und der Kälte des Winters widerstehen zu können. Bei der Keimung werden die Aussenschichten der Membran gesprengt, der Inhalt der Zygote, von der innersten Membranlamelle umgeben, streckt sich faden- förmig in die Länge (Fig. 22 II) und theilt sich zunächst in zwei Zellen. Diese beiden Zellen verhalten sich in sofern abweichend in ihrem ferneren Verhalten, als nur die eine derselben sich theilt und so zur Mutterzelle des sich entwickeln- den Fadens wird. Die andere bleibt ungetheilt und erscheint auch habituell von den vegetativen Fadenzellen abweichend, indem sie gewöhnlich nach Art der als Wurzelzelle functionirenden Basalzelle anderer Algen zugespitzt und chloro- phyllärmer ist. Auf die Bedeutung dieser Zelle, die thatsächlich niemals als Haft- organ dient, wird unten (pag. 296) noch zurückgekommen werden. 2. Familie: Desmidiaceen. Die Desmidiaceen sind einzellige Algen, welche isolirt oder zu fadenförmigen Familien vereinigt stehende Gewässer und vorzugsweise Torfmoore bewohnen. Die Form ihrer Zellen ist bei ihrer oft scharfen Differenzirung in zwei symme- trische Hälften eine meist sehr charakteristische. In den einfacheren Fällen haben die Zellhälften die Form zugespitzter oder abgestumpfter Kegel, die mit ihrer breiten Grundfläche aufeinander stehen, so dass die ganze Zelle eine spindel- förmige (und dabei oft gekrümmte) Form hat (vergl. Closterium Fig. 22V) oder tonnen- förmige Gestalt annimmt. In anderen Fällen sind die beiden Zellhälften mannigfaltig ausgebuchtet und gelappt, aber stets so, dass die eine Hälfte das genaue Spiegelbild der andern Hälfte ist. Bei Cosmarium (Fig. 23 I) ıst die Gestalt der beiden Zell- hälften, wenn man von einer in der Profilansicht (Fig. 23 IIla) hervortretenden seitlichen Zusammendrückung absieht, eine etwa halbkugelige und die beiden Zellhälften werden nur durch einen schmalen Isthmus miteinander verbunden. Diese Halbirung der Zellen durch eine tiefe Einschnürung oder eine flachere Furche verleiht den meisten Desmidiaceen ihren charakteristischen Habitus. Hand in Hand mit der symmetrischen äusseren Form der festen Membran geht auch der Bau des plasmatischen Zellleibes. In der für die einzelnen Gattungen charakteristischen Form und Vertheilung der Chlorophylikörper zeigen die Des- midiaceen verwandte Erscheinungen wie die Zygnemaceen, wie sich denn auch in dem gesammten Verlauf der Entwicklung die nächste Verwandtschaft zwischen beiden Familien ausspricht. Die ungeschlechtliche Vermehrung erfolgt auf dem Wege vegetativer Zell- theilung und zwar tritt letztere in stets gleicher Richtung auf, so dass sie da, wo die Tochterzellen nach der Theilung mit einander verbunden bleiben, zu einer fadenförmigen Aneinanderreihung der Individuen führt. Wo die Individuen sich nachher isoliren, bleiben sie doch oft noch locker gruppenweise durch die Gallertbildung vereinigt, zu der die Membran der Desmidiaceen ebenso wie die der Zygnemaceen vielfach hinneigt. Da die Theilung der Desmidiaceen stets so erfolgt, dass durch die Theilungsebene die Zelle in ihre beiden symmetrischen Hälften zerlegt wird, deren Gestalt in Folge ihrer derben Membran unveränder- lich ist, so ist es nöthig, dass jede der beiden Hälften durch die Neubildung einer zweiten Hälfte sich wieder zu der früheren Gestalt ergänzt. Besonders eigenthümlich gestaltet sich der Zelltheilungsprozess bei den tiefein- geschnittenen Formen, als deren Typus die Gattung Cosmarium (Fig. 23) betrachtet Klasse II. Algen im engeren Sinne. 293 werden kann. Die äussere derbe Membranlamelle der zur Theilung sich an- schickenden Algenzelle wird in der Einschnürung durch einen Ringriss gesprengt und indem die zarte innere Membranlamelle, welche die ringförmige Spalte schliesst, in Richtung der Längsachse der Zelle wächst und dadurch den verbindenden Isthmus zwischen beiden Zellhälften verlängert, rücken die beiden ursprünglichen Zellhälften auseinander. Innerhalb des Isthmus tritt dann dieScheide- wand auf (Fig. 23 II), welche später in zwei Lamellen sich spaltet und so die Isolirung der beiden Tochterindividuen gestattet. Es besteht jetzt jede der beiden Tochter- zellen aus zwei verschiede- nen Theilen, einer Hälfte, Fig. 23. (B. 214) welche von der Hälfte der I Cosmarium Botrytis. — II vegetative Zelltheilung. — derben Mutterzellenmembran III Conjugation zweier über’s Kreuz gestellter Individuen. — umthüllt ist, und einer klei- IV junge Zygote im Copulationscanal, der sich gegen die leeren Membranhälften der Elternzellen abgrenzt. — V aus- me zartwandigen Hälfte, gebildete Zygote im Moment der Keimung. — VI Entstehung die mit der Zeit zurGrösse der der beiden über’s Kreuz gestellten Keimlinge aus dem Inhalt älteren Hälfte heranwächst. der Zygote. — Nach DE Bary (300). Zugleich findet auch eine Theilung resp. Umordnung der Chlorophylikörper statt, so dass auch der Bau der Plasmazelle wieder dem der alten Zelle vor Beginn der Theilung entspricht. Die Membran nimmt endlich auch die Beschaffenheit der ausgewachsenen Desmidiaceenmembran an: sie bedeckt sich dabei oft mit warzenförmigen oder stachligen Ausbuchtungen, in welche anfangs das Plasma der Zelle hineinragt, bis dasselbe durch die Verdickung der Membran daraus ver- drängt wird und die Ausbuchtungen den Charakter solider Membranverdickungen annehmen. Bei solchen Desmidiaceenformen, welche wie in der Gattung Closterium in der Mitte am breitsten sind, erfolgt die Bildung der trennenden Scheidewand an der Stelle des grössten Querschnittes ohne dass vorher ein Auf- reissen der Membran und ein Auseinanderrücken der beiden Zellhälften statt- gefunden hätte. Erst nach der Spaltung der neuen Membran und der Isolirung beider Tochterindividuen ergänzen sich die letzteren durch Auswachsen zu der symmetrischen Gestalt der Mutterzelle. Bei den tonnenförmigen Zellen von Bambusina die mit einander fadenförmig verbunden bleiben, findet in der neuen Scheidewand eine Spaltung zunächst nur in deren Mitte statt und indem diese beiden Lamellen sich in Richtung ihrer Fläche ausdehnen, sind sie gezwungen, in ähnlicher Weise wie es bei manchen Spirogyren geschieht, sich als Membran- falte in das Innere der Zelle hineinzustülpen. Später stülpt sich diese Falte aus, und bildet die zweite Hälfte der dadurch wieder symmetrisch werdenden Bambusina-Zelle. Die Zygotenbildung der Desmidiaceen findet stets zwischen isolirten Zellen statt, so dass bei den fadenförmig verbundenen Desmidiaceenformen erst eine Ablösung aus dem Familienverbande stattfinden muss. Das Zellpaar, das zum Befruchtungsprozess sich anschickt, wirdgewöhnlich durch Gallertbildung zusammen- gehalten; auch sonst ist die gegenseitige Stellung der beiden Zellen ziemlich constant. 294 Die Algen im weitesten Sinne. Entweder liegen die Längsachsen beider Zellen parallel wie bei Closzerium (Fig. 22 V) oder aber sie kreuzen sich wie bei Cosmarium (Fig. 23 II). Aus der häufig gemachten Beobachtung, dass die copulirenden Zellen noch unsym- metrisch sind, wie es zwei Schwesterindividuen bei den Desmidiaceen zu sein pflegen, ehe sie völlig ausgewachsen sind, wird geschlossen, dass die Conjugation bei den Desmidiaceen vorzugsweise zwischen Schwesterzellen erfolgt. — Die Copulationsfortsätze entstehen immer an dem mittleren Theil der Zelle, bei den Closterien also an ihrer breitesten Stelle (Fig. 22 V), bei einge- schnürten Formen an dem Isthmus in der Weise, dass die alte Membran ähnlich wie beim Beginn der Zelltheilung aufreisst und die beiden Membranhälften nach Bedürfniss zurückgeklappt werden (Fig. 23 Vb), um für den sich entwickelnden Copulationsfortsatz Raum zu schaffen. Stossen die beiden Copulationsfortsätze aufeinander, so verwachsen sie und die Scheidewand wird sogleich aufgelösst. Das in den Fortsätzen vorhandene Protoplasma vereinigt sich sofort miteinander, ohne dass der Inhalt der beiden Zellen vorher sich zu individuell gestalteten Gameten contrahirt hätte. Das gesammte unveränderte Protoplasma der vegetati- ven Zelle fungirt eben bei den Desmidiaceen als Gamete. Erst nach der Ver- einigung der beiden Plasmamassen im Copulationscanal löst sich das Plasma deı beiden Zellen, von hinten beginnend, von der Mutterzellmembran ab (Fig. 22 V) um sich nach und nach in dem ebenso allmählich sich ausdehnenden Copu- lationsraum zu concentriren (Fig. 22 VI). Sobald hier alles Plasma unter be- ständiger Wasserabgabe sich vereinigt hat umgiebt es sich mit einer Membran und die Zygotenbildung ist damit beendet (Fig. 22 VII). Zwischen den einzelnen Desmidiaceen machen sich bei der Zygotenbildung habituelle Unterschiede geltend, welche durch die Beschaffenheit der Membran des Copulations- canales bedingt werden. Bei Closterium bleiben die beiden conjugirten Zellen durch den aus fester Membran gebildeten Copulationscanal wie bei den Zygnemaceen zu H-förmigen Doppelzellen verbunden (Fig. 22 VI). Bei Cosma- rium dagegen rundet sich die gallertige Membran des Copulationsraumes, sobald das gesammte Plasma der Mutterzellen in ihnen vereinigt ist und jene völlig ent- leert sind, zu einer geschlossenen Blase um die Zygote ab, so dass die Zygote von der gallertigen Membran des Copulationsraumes umschlossen jede Verbindung mit den vier leeren Schalenhälften der beiden am Befruchtungsprozess betheiligten Individuen verliert (Fig. 23 IV). Die Zygote der Desmidiaceen, deren Membran ähnlich wie bei den Zygnemaceen differenzirte Schichten zeigt und im ausgebildeten Zustand häufig mit stacheligen Prominenzen versehen ist (Fig. 23 V) — liegt bei der gleichen Betheiligung beider Gameten an dem Befruchtungsact nach Art der isogamen Zygnemaceen — stets im Copulationscanal (Fig. 22 VII, 23 IV). Nachdem die Zygoten Monate hindurch geruht haben, tritt ihr Inhalt, nur von der innersten Lamelle der Zygotenmembran umgeben, aus den gesprengten äusseren Membrantheilen bruchsackartig hervor (Fig. 23 V),. Das Plasma der Zygote schnürt sich in zwei Hälften ab und jede der so gebildeten beiden Zellen wird zu einem Desmidiaceen-Individuum, das den Ausgangspunkt einer neuen Generationsreihe bildet. Diese beiden Initial-Individuen, deren Längs- achsen bei Cosmarium nach dem Austritt aus der Zygotenmembran gekreuzt liegen (Fig. 23 VI), pflegen noch nicht die Rauhheit der Membran durch Warzen- bildung zu zeigen, wie sie bei der späteren 'T’'heilung der Initial-Individuen an den neu zuwachsenden Zellhälften auftreten, an denen erst die Structur der typischen Cosmarium-Individuen vollständig entwickelt ist. Da die vier Zellhälften Klasse II. Algen im engeren Sinne. 295 der beiden aus der Zygote sich entwickelnden Initial-Individuen, so oft sie sich nach Theilungen durch Zuwachs neuer Zellhälften wieder vervollständigen, selbst ihre abweichende Structur unverändert bewahren, bleiben dieselben zeitlebens kenntlich. Es finden sich dem entsprechend einzelne Individuen, welche aus zwei verschieden gebauten Hälften bestehen, aber die Zahl dieser Zellen ist eine verschwindend kleine, da ja unter den zahlreichen Individuen, die sich successive aus einer Zygote entwickeln, den vier abweichend gebauten Zellhälften der beiden Initial-Individuen entsprechend nur vier ungleichhälftige Individuen vorkommen können. Zweier Bewegungserscheinungen mag hier noch kurz gedacht werden, die bei den Des- midiaceen beobachtet sind. Nicht nur nach erfolgter Zelltheilung finden Verschiebungen des Plasmas statt, wenn sich die Chlorophylikörper in die neuzubildende Zellhälfte hineinschieben, sondern auch sonst lassen sich mannigfach umsetzende Strömungen im Plasma wahrnehmen, die häufig zu localen Plasmaansammlungen führen und die vorhandenen Vacuolen auf einen kleinen Raum einschränken, während andere Stellen der Zelle gleichzeitig das umgekehrte Verhalten zeigen. Die Vacuolen, welche bei der Gattung C/oszeriaum in den spitzen Zell-Enden liegen, enthalten rhombische Täfelchen von wahrscheinlich anorganischer Substanz, die in beständiger wimmelnder Bewegung in der Vacuole sich herumbewegen. Sie werden passiv von der Vacuolenflüssigkeit herumgetrieben, die sich ja selbst in Folge der beständigen durch die Plasmabewegungen bedingten Volumen- änderungen in fortwährender Bewegung befindet. Bei C/ostersum finden sich ausserdem Bewegungen, welche nach den Untersuchungen StAHL’s durch die Richtung und die Intensität der Beleuchtung regulirt werden. Bei mässiger Beleuchtung stellen sich nämlich die Desmidiaceen so, dass ihre Längsachse dem einfallenden Licht parallel liegt. Dabei wechselt die Stellung derart, dass derjenige Pol der Zelle, der einige Zeit dem Licht zugewendet gewesen ist, nun lichtscheu wird, und der entgegengesetzte Pol der Zelle dem Lichte zustrebt. Indem die Zelle so successive sich überschlägt, rückt sie selbst in einer allerdings mehr oder weniger gebrochenen Linie dem einfallenden Licht entgegen. Bei intensiver Beleuchtung geben die Zellen ihre Stellung parallel dem einfallenden Lichte auf und stellen ihre Längsachse senkrecht zu der Richtung der Lichtstrahlen. 3. Familie Mesocarpeen. Die Mesocarpeen schliessen sich im Habitus ihrer Zellen, in ihrer Verbindung zu fadenförmigen Familien, in ihrem Zelltheilungsprozess und in dem Keimungs- prozess der Zygoten so sehr an die Zygnemaceen an, dass sie denselben un- mittelbar hätten angereiht werden müssen, wenn nicht die Form des Befruchtungs- prozesses ihre Behandlung erst nach der Darstellung des Befruchtungsvorganges bei den Desmidiaceen hätte wünschenswerth erscheinen lassen. Wie bei den Des- midiaceen so findet auch bei ihnen eine Contraction des Protoplasma zur Bildung individualisirter Gameten nicht statt, sondern es verschmelzen, nachdem die Conju- gation der Zellen erfolgt ist, die unveränderten Plasmakörper beider Zellen an der Berührungsstelle der Conjugationsfortsätze unmittelbar mit einander. Während aber bei den Desmidiaceen nun der Plasmabelag von der Membran der Mutter- zellen sich abzulösen beginnt und alles Plasma nach und nach in dem Copulations- canal sich ansammelt, bleibt die Membran der copulirenden Zellen der Meso- carpeen von einer wenn auch nur dünnen Plasmaschicht ausgekleidet. Das meiste Plasma allerdings, sowie die Chlorophylikörper und die Stärkekörner wandern in den Copulationsraum, in dem sich dergestalt allmählich der grösste Theil aller plastischen Stoffe der beiden copulirenden Zellen anhäuft und dessen Gesammtheit auch jetzt schon, ehe sie noch von einer eigenen Membran um- geben ist, als Zygote betrachtet werden muss. Der wesentliche Unterschied in dem Habitus der Beiruchtungsweise zwischen den Mesocarpeen einerseits und 296 Die Algen im weitesten Sinne. den Desmidiaceen und Zygnemaceen andrerseits besteht nun darin, dass bei den beiden letzten Familien die selbständige Existenz der beiden copulirenden Zellen durch die Zygotenbildung vernichtet wird, indem ihr gesammtes Plasma zur Bildung der Zygote verbraucht wird; bei den Mesocarpeen bleibt den beiden copulirenden Zellen auch nach der Zygotenbildung noch ein schwacher Plasma- rest belassen und dieser Umstand ermöglicht es, dass auch nach Concentrirung der Hauptmassen der plastischen Stoffe in der Zygote doch noch weitere Wachsthumserscheinungen in der H-förmigen Doppelzelle auftreten können. Es wird nämlich noch nachträglich der Copulationsraum mit der Zygote gegen die beiden Arme der Doppelzelle, welche den ursprünglichen vegetativen Zellen ent- sprechen, durch Zellwände abgegrenzt. Diese entstehen ebenso wie bei der vegetativen Zelltheilung der Mesocarpeen als Ringleiste und schliessen sich später nach innen wachsend (Fig. 22 IV). Bisweilen genügt auf jeder Seite des Copu- lationsraumes eine Wand, welche die ursprüngliche vegetative Zelle als ganzes abgrenzt. (Fig. 22 IV a). In anderen Fällen, wo die Zygote grösser ist, so dass sie noch zum Theil in das Lumen der Mutterzellen hineinragt, muss die Ab- grenzung der vegetativen Zelle gegen den Copulationsraum mit der Zygote beider- seits durch zwei Wände erfolgen, so dass das obere und das untere Ende der vegetativen Zellen als selbständige Zellen abgeschnitten werden und aus der H-förmigen Doppelzelle ein Complex von fünf Zellen entsteht (Fig. 22 IV b). Nach der verschiedenen Art der späteren Theilung der Doppelzelle wurden ehemals mehrere Gattungen von Mesocarpeen unterschieden; die verschiedenen Formen sind aber neuerdings wieder zu der einen Gattung.Mougeolia vereinigt worden, nachdem WITTROCK gezeigt hatte, dass die verschiedenen Formen der Begrenzung des Copulationsraumes auch bei verschiedenen copulirenden Zellenpaaren des- selben Fadens auftreten können. Während die mit selbständiger Membran um- hüllte Zygote sich im Weiteren wie die der Zygnemaceen verhält, gehen die andern Zellen des aus der H-förmigen Doppelzelle entstandenen Complexes schnell zu Grunde. Neben der Gattung Mougeotia umfassen nach WIrTRock die Mesocarpeen nur noch die Gattung Gonatonema, bei der in ähnlicher Weise, wie oben für die Zygnemaceen erwähnt wurde, Scheinzygoten zur Entwicklung gelangen, ohne dass ein Befruchtungsprozess vorhergegangen ist. Ob Conjugation und Copulation bei Gonatonema immer unterbleibt scheint aber doch noch fraglich. Wie die drei betrachteten Familien der Conjugaten in Bezug auf ihre Befruch- tungsform auf verschiedenen Stufen der Entwicklung stehen, indem die Desmidia- ceen und Mesocarpeen der isogamen Befruchtungs-Stufe angehören, während in der Familie der Zygnemaceen auch Formen mit oogamer Befruchtungsweise auf- treten, so stehen die Conjugaten auch in Bezug auf ihre vegetative Ausbildung auf verschiedenen Stufen der Entwicklung. Wenn wir bei den Desmidiaceen von den geringen Formenunterschieden der ersten aus der Zygote hervorgehenden In- dividuen absehen, so sind sämmtliche Zellen, die im Laufe der Zeit indirekt aus einer Zygote sich entwickeln, nicht nur morphologisch, sondern auch physiologisch gleich- werthig. Bei den Mesocarpeen und Zygnemaceen dagegen macht sich bei den ersten beiden Zellen, welche aus der Zygote — fadenförmig mit einander verbunden bleibend — hervorgehen, eine constante Differenz in dem Umstand geltend, dass nur die eine Zelle weiterhin theilungsfähig ist. Bei dieser Sachlage kann es zweifelhaft erscheinen, N N EN I, ee | Gr Klasse II. Algen im engeren Sinne. 297 ob man berechtigt sei, die Fäden der Zygnemaceen und Mesocarpeen in ähnlicher Weise als Familien einzelliger gleichwerthiger Individuen zu betrachten, wie man es bei den Desmidiaceen zu thun zweifellos berechtigt ist. Bei der genauen Ueber- einstimmung in dem Entwicklungsgang aller Conjugaten dürfen wir jedenfalls nach der Analogie der Desmidiaceen auch die einzelnen Zellen der Zygnemaceen und Mesocarpeen-Fäden den einzelligen oft isolirten Individuen der Desmidiaceen für morphologisch gleichwerthig halten, — und dass sie auch noch physiologisch ihre Selbständigkeit in verhältnissmässig hohem Grade bewahrt haben, dafür spricht der Umstand, dass die einzelnen Zellen häufig genug aus dem Fadenver- band sich ablösen und selbständig weiter zu existiren vermögen. Wenn aber innerhalb der fadenförmigen Familien der Zygnemaceen und Mesocarpeen eine physiologische Ungleichwerthigkeit der an der Zusammensetzung der Familie be- theiligten morphologischen Individuen in der Entwicklung der beiden ersten Zellen auftritt, so findet diese Erscheinung eine Parellele in der Familie der Volvoci- neen. Auch bei diesen haben wir isolirt lebende Individuen (Cilamydomonas, Chlamydococcus || isolirte Desmidiaceen), daneben Familienverbände die aus lauter physiologisch gleichwerthigen Einzelwesen zusammengesetzt werden (Gonium, Pandorina || fadenförmig verbundene Desmidiaceen); endlich giebt es aber solche Formen, bei denen die morphologisch gleichwerthigen Einzelwesen physiologisch sich verschieden verhalten (Vo/vox || Mesocarpeen, Zygnemaceen). Bei Volvox findet bereits eine Einschränkung des Fortpflanzungsprozesses auf wenige Zellen der Familie statt, während alle übrigen als theilungsunfähige, vegetative Zellen dienen. Bei den Zygnemaceen und Mesocarpeen ist von den beiden ersten Zellen, welche die Zygote entwickelt, die eine zur Vermehrung bestimmt, während die andere theilungs- unfähig ist und durch Form und Inhalt an die Basalzellen der fadenförmigen Confer- voideen erinnert. Wir sehen also bei den höchst entwickelten Formen der Volvo- cineen sowol wie der Conjugaten das Bestreben, den Familienverband morpho- logisch gleichwerthiger Individuen umzubilden zu einem physiologischen Indivi- duum, in welchem die ursprünglichen morphologisch gleichwerthigen Einzelindivi- duen verschiedenen physiologischen Zwecken dienen müssen und nur noch als selbständiger Existenz unfähige Theile des Gesammtorganismus fungiren. NAEGELI, Gattungen einzelliger Algen. Zürich 1849. — PRINGSHEIM, Ueb. Keimung der ruhenden Sporen bei Spirogyra. (Flora 1852.) — DE BARv, Unters” üb. d. Fam. der Conjugaten. Leipzig. 1858. — WITTROcK, On the Spore-Formation of the Mesocarpeae. (Svensk. Akad. Handlingar. Bd. V. Stockholm 1878.) — HOFMEISTER, Ueb. die Bewegung der Fäden der Spirogyra princeps. (Würtemb. natur. Jahreshefte. Bd. 30. 1874.) — STAHL, Ueb. den Einfluss d. Lichtes auf d. Beweg. d. Desmidiaceen. (Verh. der phys. med. Ges. Würzburg. Bd. XIV. 1879.) Es ist schon oben (pag. 163) darauf hingewiesen worden, dass zwischen den Algen im engeren Sinn und manchen Pilzen Uebereinstimmungen sich finden, welche auf eine nähere Verwandtschaft dieser beiden Hauptreihen hindeuten. Als solche Pilze, welche ihrer gesammten Organisation nach den Algen am nächsten stehen, müssen die Familien der Saprolegnieen, Peronosporeen, Zygo- myceten (Mucorinae) und die Chytridieen bezeichnet werden. Die drei ersteren Familien, die im Bau ihrer vegetativen Organe die Form des Vaucheria-'Thallus wiederholen, haben ihrer Algen-Aehnlichkeit wegen den gemeinsamen Namen der Phycomyceten oder Algenpilze erhalten. Mit dem Gros der Algen stimmen die Saprolegnieen, Peronosporeen und Chytridieen in der Form ihrer ungeschlecht- lichen Vermehrung überein, denn sie sind die einzigen Angehörigen der Pilz- 298 Die Algen im weitesten Sinne. klasse, welche Zoosporen entwickeln. Die vollkommenste Uebereinstimmung speciell mit den Chlorophyceen zeigen unter den Phycomyceten die Peronospo- reen, und ihre Beziehungen zu den Algen bieten darum ein ganz besonderes Interesse, weil die Peronosporeen den Ausgangspunkt für die gesammte Pilzreihe bilden und die Möglichkeit des Anschlusses der Peronosporeen an die Algen die Angliederung der ganzen Klasse der Pilze an den Stammbaum der Algen zur Folge haben würde. Die endophytisch lebenden einzelligen Peronosporeen schliessen sich in ihrem Entwicklungsgang völlig den Chlorophyceen an: mehrere Generationen hindurch kann die Vermehrung auf ungeschlechtlichem Wege vermittelst Zoosporen statt- finden; endlich tritt eine Geschlechtsgeneration auf, deren Antheridien und Oogonien ähnliche Beziehungen in ihrer gegenseitigen Stellung zeigen, wie sie die verschiedenen Vaucherien-Gruppen aufweisen. Der Befruchtungsprozess führt zur Bildung der Zygoten, und diese letzteren entwickeln sich nach Art der Chlo- rophyceen-Zygoten. Entweder wächst die Zygote nach längerer Ruhezeit mittelst eines Keimschlauches zu einer neuen Pflanze aus (wie Vaucheria) oder es gehen aus ihr mehrere Keimpflanzen hervor, die als Zoosporen ausschlüpfen (wie bei Oedogonium oder Ulothrix). Wenn man von der parasitischen Lebensweise und dem damit correspondirenden Chlorophylimangel absieht, bildet einen wesent- lichen Unterschied den Chlorophyceen und speciell etwa den Vaucheriaceen gegenüber allein die Befruchtungsform, die bei den Peronosporeen ebenso wie bei anderen Phycomyceten in einer Copulation von Aplanogameten besteht. Während aber bei den Zygomyceten ähnlich wiesbei den Conjugaten die Aplano- gameten-Copulation die Stufe isogamer Befruchtung kaum überschreitet, tritt sie bei den Peronosporeen als entschieden oogame Befruchtungsform auf. Die Mutterzellen der männlichen und weiblichen Aplanogameten sind bei den Pero- nosporeen (Fig. 24 I) bereits äusserlich durch ihre verschiedene — an die Gestalt der Geschlechtsorgane von Vaucheria erinnernde — Form so scharf charakterisirt, dass sie füglich als Antheridien (a) und Oogonien (0) bezeichnet werden können. Die einzige Gamete, welche im Oogonium gebildet wird, das Ei, entsteht in-ähn- licher Weise wie das Vaucheria-Ei oder die Aplanogamete der Mesocarpeen der- art, dass ein Theil des Oogonien-Plasmas unverwendet bleibt. Der entschiedenen Differenzirung zweier äusserlich verschiedener Geschlechter bei den Peronospor- een entspricht auch der Antheil der beiden Aplanogameten-Mutterzellen an der Bildung des Copulationscanales. Während auf der isogamen Befruchtungsstufe, wie sie durch die Mesocarpeen unter den Algen repräsentirt wird, die beiden Mutterzellen der Aplanogameten bei der Bildung des Copulationscanales in gleicher Weise betheiligt sind, verhält sich bei den Peronosporeen mit isogamer Befruchtung die Mutterzelle des Eies, das Oogonium, vollständig passiv. Nur das Antheridium (Fig. 24 IT a) entwickelt einen Copulationsschlauch, der die Wand des Oogoniums durchbohrt und in das letztere soweit hinein wächst, bis er auf das von dem nicht zur Gametenbildung verwendeten Plasma umhüllte Ei stösst; diesem legt er sich fest an (Fig. 24 III) und durch die mehr oder weniger deut- lich geöffnete Spitze des Copulationsschlauches tritt die — wie bei den Meso- carpeen kaum besonders individualisirte — männliche Aplanogamete (das Gono- plasma ne Barv's) in die Eizelle ein, worauf die Zygote sich mit Membran um- giebt (Fig. 24 IV). Bei der Uebereinstimmung, die zwischen dem Entwicklungsgang der Pero- nosporeen und den Chlorophyceen besteht, ist es schwer, an nahen verwandt- ei ee EB Me a ara HE Dear ar ER RE ENT \ + . f % [rt . 7 i ’ Klasse II. Algen im engeren Sinne. 299 schaftlichen Beziehungen zwischen beiden zu zweifeln. Und da man die chloro- phyliführenden Thallophyten nicht wol als höher entwickelte Nachkommen von Pilzen betrachten kann, sondern umgekehrt die Pilze als chlorophylllos gewordene Thallophyten auffassen muss, so ist der Schluss kein übermässig gewagter, die Peronosporeen als reducirte Chlorophyceen mit oogamer Befruchtung zu betrachten, bei der die regressive Entwicklung vornehmlich den Befruchtungs- prozess betroffen hat. Dass eine gleiche Modi- | Fig. 24. (B. 215.) ficirung des Befruchtungspro- Phytophthora ommivora. 1 Thallusstück mit erwachsenem zesses, wie sie bei den Perono- Oogonium o und Antheridium a (350). — I—1V Copu- sporeen etwa Vaucheria gegen- lation; Oogonium (o) mit Antheridium (a) miteinander ver- ib > r wachsen, von oben gesehen. — II das Antheridium treibt über eingetreten ist, auch schon «en Copulationsschlauch in das Oogonium hinein (400). — innerhalb der Chlorophyceen III Moment der Befruchtung (400). — IV nach Bildung möglich ist, das zeigt bei den der Zygotenmembran (400). — (Nach DE Bary.) Volvocineen Chlamydomonas pulvisculus (pag. 283) und das scheint ferner Mycozidea parasitica zu beweisen (pag. 253), die der Gattung Coleochaete am nächsten steht und deren Befruchtung (wie es scheint!) ähnlich wie bei den Peronosporeen durch das mit dem Oogonium verwachsende Antheridium vollzogen wird. Angesichts der Thatsache, dass auch .die chlorophyllführende Myeoidea wie die Peronosporeen eine theilweis endophytische Existenz führt, nimmt DE Bary an, dass es wohl ge- rade die endophytische Lebensweise ist, welche in den genannten Fällen auf die Veränderung des Befruchtungsmodus von Einfluss gewesen ist. Dass die Form der Befruchtung bei den Peronosporeen aber nicht eine Ver- vollkommnung des Befruchtungsprozesses durch Spermatozoiden, wie er bei den Chlorophyceen verbreitet ist, darstellt, sondern auf eine Degeneration des Be- fruchtungsprozesses hindeutet, das geht aus DE Bary’s Untersuchungen über die den Peronosporeen nahe verwandte Pilzgruppe der Saprolegnieen unwiderleglich hervor. Bei allen Saprolegnieen erfolgt zwar noch die charakteristische Aus- bildung der Oogonien, die Antheridien entwickeln auch bei manchen Formen einen Copulationsschlauch, der fest mit der Oogonienmembran verwächst, aber der Copulationscanal durchbricht die Oogonienwand nicht und vollzieht auch keine Befruchtung mehr. Die Eier der Saprolegnieen werden ohne Befruchtung zu Pseudo-Zygoten, wie das namentlich eclatant endlich bei solchen Species zu constatiren ist, die überhaupt die befruchtungsunfähigen Antheridien als über- flüssige Organe gar nicht mehr entwickeln. — Eine Modification des Befruch- tungsprozesses, die mit leisen Uebergängen fortschreitend (Vaucheria — Perono- sporeen — Saprolegnieen) zum vollständigen Zeugungsverlust, zur Apogamie führt, kann nicht als Zeichen eines Strebens nach Vervollkommnung des ursprünglichen Befruchtungsprozesses betrachtet werden, sondern muss als eine rückschreitende Bildung aufgefasst werden. Diese Thatsache bietet ein besonderes Interesse in Bezug auf die oben aus- gesprochenen Zweifel (pag. 203), ob man die Planogameten- oder die Aplano- gameten-Copulation als die primäre Befruchtungsform der 'Thallophyten anzu- sehen habe. Denn sie stellt uns vor die Alternative: ob man sich alle Formen von Aplanogameten-Copulation als aus Planogameten-Copulation (resp. Eibefruch- tung durch Spermatozoiden) durch Degeneration entstanden vorzustellen habe, 300 Die Algen im weitesten Sinne. oder ob die Planogameten-Copulation sich durch Vervollkommnung aus der Aplanogameten-Copulation entwickelt habe und die bei den chlorophylllosen Thallophytenformen, welche sich an höhere Chlorophyceen anschliessen, auf- tretenden Formen von Aplanogameten-Copulation nur Rückschlagsbildungen sind, welche auf die primären Formen der Thallophytenbefruchtung zurückgreifen. Für die Bejahung der zweiten Hälfte. der Frage kann man anführen, dass diejenigen Chlorophyceen, welche mit Sicherheit Aplanogameten-Copulation be- sitzen, die Conjugaten und von anderen Thallophyten die Diatomaceen eine relativ niedrige Stellung im System einnehmen, so dass man sie wol als Reprä- sentanten einfachster und ältester Thallophytenformen auffassen könnte. Auf der anderen Seite aber scheinen die speciellen Verhältnisse bei den Diatomaceen eher im bejahenden Sinne für den ersten Theil jener Frage zu sprechen. Denn der Befruchtungsprozess der Diatomaceen zeigt in seinen verschiedenen Formen einen vollständigen Parallelismus mit .der fortschreitenden Reduction des Be- fruchtungsprozesses bei den Peronosporeen und Saprolegnieen, bis diese Reduc- tion mit völliger Apogamie endigt. DE Bary und WORONIN, Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pilze, IV. Reihe. DE BARY, Unters. über die Peronosporeen und Saprolegnieen und die Grundlagen eines natür- lichen Systems der Pilze. (Abhandl. d. SENCKENBERG. naturf. Gesellschaft. Bd. XI. 1881.) Klasse III. D43t.0:m ac eien: Die Diatomaceen sind einzellige Pflanzen von microscopischen Dimensionen, die nur da, wo sie in grösseren Mengen (im Meer, im süssen Wasser und auf feuchter Erde) auftreten, durch ihre hell-lederbraune Färbung, welche an diejenige der Melanophyceen erinnert, dem unbewaffneten Auge sich bemerklich machen. Alle Diatomeen besitzen eine stark verkieselte Membran, und die Verkiese- lung bewirkt es, dass die mannigfachen Sculpturverhältnisse der Membran auch dann kenntlich bleiben, wenn alle organische Substanz durch Glühen oder Fäul- niss zerstört worden ist. Wenn die verkieselte Membran einmal gebildet ist, so ist sie weiteren Wachsthums so gut wie gänzlich unfähig. Wenn der Plasmaleib der Diatomeen innerhalb der verkieselten Membran trotzdem einer Volumen-Zu- nahme und -Abnahme fähig ist, so verdankt er es dem Umstande, dass die Dia- tomeenmembran nicht wie bei anderen Pflanzen ein ringsum geschlossenes Ganze bildet, sondern aus zwei Hälften zusammengesetzt wird, von denen die eine mit ihren Rändern über die andere übergreift, wie der Schachteldeckel über eine Schachtel. Die übereinander greifenden Ränder der beiden Hälften werden als die »Gürtelbänder«, die Boden- und die Deckel-Stücke der schachtelförmigen Zellen dagegen als die »Schalen« bezeichnet. Die beiden Hälften der verkieselten Membran sind gegeneinander verschieb- bar in gewissen Grenzen, soweit nämlich die Breite der Gürtelbänder es gestattet. Am weitesten übereinander geschoben sind die Gürtelbänder, wenn die Zelle sich zur Dauerzelle umwandeln will, am weitesten auseinander geschoben un- mittelbar vor dem Eintreten einer Zelltheilung. Bei den Chlorophyceen haben wir gesehen, dass der Dauerzustand der Zellen eingeleitet wird durch Wasserabgabe des Protoplasma und seine Contraction auf geringeres Volumen, während die Membran gleichzeitig sich bedeutend verdickt. Klasse III. Diatomaceen. 301 Ein Dickenwachsthum der verkieselten Membran der Diatomeen ist nicht mög- ‚lich, einer Contraction des Plasma würde das Uebereinanderschieben der Mem- branhälften nur soweit folgen können, als die Breite der Gürtelbänder es gestattet: weitere Contraction würde zur Ablösung des Plasmas von den Zellmembranen führen. Es wird nun die Verdickung der Membran, die bei den Chlorophyceen der Plasmacontraction entsprechend fortschreitet, bei den Diatomeen dadurch er- setzt, dass innerhalb der Kieselmembran neue Membranhälften zur Aus- bildung gelangen, die fest um den contrahirten Plasmakörper der Zelle zusammen- schliessen. Bei manchen Formen können successive mehrere Paare von Membran- hälften in dem Masse gebildet werden, wie die Contraction des Protoplasma fort- schreitet. Solche Dauerzustände, welche bei den Diatomeen als »Craticular- Zustände« bezeichnet werden, vermögen vollständiger Austrocknung Widerstand zu leisten. Bei lebhaft vegetirenden Zellen nimmt umgekehrt das Plasma an Masse zu und der Druck, den das wachsende Plasma auf die Membran ausübt, schiebt deren beide Hälften allmählich auseinander. Wenn die Gürtelbänder nur eben noch ein Minimum übereinander greifen, erfolgt die Zweitheilung des Plasmas und die Trennung der beiden Tochterzellen durch feste Membran; die letztere trıtt aber nicht als eine feste Scheidewand auf, sondern unter der Form von zwei Schalenplatten. An dem Rand der beiden jungen Schalen entwickeln sich dann auch die beiden Gürtelbänder, welche der Innenseite der Gürtelbänder der bei- .den alten Membranhälften anliegen, und damit ist die T'heilung der Diatomeen- zelle in zwei gleich gebaute Tochterzellen abgeschlossen. Jede Tochterzelle be- sitzt nun wieder eine vollständige Membran, welche aus einer älteren und einer jüngeren Hälfte zusammengesetzt ist!) und zwar wird immer die jüngere Membran- hälfte von ihrer ersten Anlage an von dem Gürtelband der älteren umschlossen. Nach beendeter Theilung trennen sich entweder die beiden Toochterzellen sofort oder sie bleiben zunächst durch Adhäsion mit den Aussenseiten der neugebildeten Schalen aneinander haften und diese Verbindung kann durch spätere Gallertaus- scheidung eine dauernde werden. So kann es — da die Zelltheilungen immer nur in einer Richtung, parallel den Schalentheilen der Membran, vor sich gehen — bei fortgesetzter Zelltheilung zur Bildung fadenförmiger Familien kommen, deren späteres Zerfallen in beliebig lange Abschnitte lediglich vom Zufall abhängt. Die Thatsache, dass die jüngere Membranhälfte einer Zelle schon bei ihrer Entstehung von dem Gürtelband einer Membranhälfte der Mutterzelle umfasst wird, ist insofern von Wichtigkeit für die Diatomeen, als sie zur Folge hat, dass jedesmal die jüngere Membranhälfte um ein Minimum kleiner ausfällt, als die ältere Hälfte, und dieser Umstand führt bei der viele Generationen hindurch ver- mittelst vegetativer Zweitheilung fortgesetzten ungeschlechtlichen Vermehrung der Diatomeen dahin, dass mit jeder neu erzeugten Generation von Tochterzellen die Grösse der Individuen um ein Minimum abnimmt, ohne dass die verkieselte Membran die Fähigkeit besässe, durch nachträgliches Wachsthum dem beständigen Kleinerwerden der Individuen entgegenzutreten. Wenn die Diatomeenzellen nach fortgesetzter ungeschlechtlicher Vermehrung durch vegetative Zweitheilung bei einer gewissen, minimalen Grösse angelangt sind, erzeugen sie Zellen, deren Membran nicht verkieselt ist und welche einer Volumenzunahme fähig sind, die Auxosporen. I) Aehnlich sind die Membranen der Desmidiaceen aus zwei Hälften von ungleichem Alter zusammengesetzt. ei Bir BER 2 Be SZ ae 2 ZZ a ee BE Bi 4 DE an gen mn Tal 1 A E r i £ TIER IUMAR, RA Bi: 302 Die Algen im weitesten Sinne. Die Bildung der Auxosporen hängt in vielen Fällen von einem Befruchtungs- prozess ab, der sich an die Aplanogameten-Copulation, wie sie bei den Conju- gaten auftritt, unmittelbar anschliesst; mit der Einschränkung jedoch, dass bei den Diatomeen in Folge der Verkieselung der Membran die Bildung eines Copu- lationsschlauches unterbleiben muss. Statt dessen werden die beiden zur Copu- lation schreitenden Diatomeen-Individuen durch Gallertausscheidung zusammenge- halten. Dann klappen die beiden Membranhälften der copulirenden Zellen wie die Deckel eines Buches auseinander und lassen ihr kugelig contrahirtes Plasma, die Aplanogamete, austreten. Von den vier leeren Membranhälften umgeben, ver- schmelzen die beiden Aplanogameten zur Zygote. Bei manchen Gattungen theilt sich das Plasma der vegetativen Zellen in zwei Aplanogameten und indem jede von ihnen mit einer Aplanogamete, die dem anderen Individuen entstammt, copulirt, gelangen hier gleichzeitig zwei Zygoten zur Ausbildung. Aber dieser Befruchtungsprozess ist nur relativ selten bei den Diatomeen! Bei ausserordentlich vielen Gattungen werden zwar die Vorbereitungen zur Copu- lation getroffen, und innerhalb der Gallerthülle die Aplanogameten zweier Indi- viduen aus der Membran ausgestossen. Aber die letzteren verschmelzen nicht miteinander, — wenn sie sich auch wie bei Arustalia saxonica einen Augenblick berühren, — und trotzdem verhalten sich die einzelnen Aplanogameten als Auxo- sporen in ihrer weiteren Entwicklung vollständig so, wie die aus der Copulation hervorgegangenen Zygoten. Es könnte freilich in den letzteren Fällen ange- nommen werden, dass auf dem Wege der Diffusion eine Befruchtung zwischen den beiden Aplanogameten stattfinde. Aber zu dieser Annahme liegt eine Noth- wendigkeit keineswegs vor. Denn bei anderen Diatomeen sehen wir, dass das Plasma eines vereinzelten Individuums in derselben Weise wie bei den copuliren- den Diatomeenarten unter der Form einer Aplanogamete ausschlüpft und obwol hier bei der Abwesenheit einer zweiten Aplanogamete jede Möglichkeit eines Be- fruchtungsprozesses ausgeschlossen ist, sich wie eine aus der Verschmelzung zweier Aplanogameten hervorgegangene Zygote entwickelt. Man hat es hier augenscheinlich mit einer Reihe von Erscheinungen zu thun, welche völlig parallel verlaufen den von DE BAarY nachgewiesenen Vorgängen innerhalb der Familien der Pero- nosporeen und Saprolegnieen, welche den allmählichen Zeugungsverlust in diesen Pilzgruppen begleiten. Auch den Diatomeen gegenüber kann der Zweifel laut werden, ob die zuletzt er- wähnten Formen, die ihre Auxosporen ohne Copulationsprozess erzeugen, die degenerirten Nach- kommen von Formen mit vollständigem Copulationsprozess sind, oder ob sie die primitiven Vor- läufer jener höchst entwickelten Diatomeen darstellen. Manche Einzelheiten in der ungeschlecht- lichen Bildung der Auxosporen sind aber nur erklärlich, wenn man sie als Ueberreste eines ehe- maligen Copulationsprozesses betrachtet; so namentlich die Vereinigung zweier Individuen, die doch nicht copuliren, vermittelst der Ausscheidung von Gallerte. Eine Vervollkommnung, ein neuer Schritt auf dem Wege, der zur vollständigen Copulation führt, kann in dieser Entwick- lungsstufe den isolirt Auxosporen bildenden Diatomeen gegenüber doch nicht erblickt werden; denn darin liegt doch noch keine Annäherung an den vollkommenen Befruchtungsprozess, dass nun zwei Individuen gleichzeitig dasselbe thun, was jedes einzelne schon vorher allein konnte, nämlich die Membranhälften abzustossen. Sehr wol lässt sich dagegen die Erscheinung der Gallertausscheidung um zwei nicht copulirende Individuen als Reminiscenz an den ehemals voll- ständig vollzogenen Befruchtungsprozess erklären. Ob nun die Auxosporen der Diatomeen Zygoten sind oder mit Unterdrückung des Befruchtungsprozesses parthenogenetisch sich entwickelnde Aplanogameten, ihr weiteres Verhalten ist stets das gleiche. Sie beginnen an Volumen zuzu- nehmen und früher oder später sich mit einer ringsum geschlossenen kieselfreien ee Er RTL TS EN I Er AT u a ln EEE a" ke A Ei PETER at 2 BE j eur $ EAST Fa Klasse III. Diatomaceen. 303 Membran zu umhüllen. Wenn die Auxospore das Maximum ihrer Ausdehnung erreicht hat, so findet innerhalb der Auxosporen-Membran die successive Aus- bildung zweier verkieselter Membranhälften statt, welche das gesammte Plasma der Auxospore umschliessen; damit ist die Bildung eines neuen vegetativen Diatomeen-Individuums vollendet, das nun durch successive Zelltheilung sich weiter vermehrt, bis die allmählich kleiner werdenden Nachkommen wieder zur Befruchtung, resp. zur Auxosporenbildung schreiten. Die Erstlingszelle, welche aus der Auxospore hervorgeht, zeigt zwar noch geringe Abweichungen im Bau der Membran gegenüber den späteren Tochter- generationen, die durch successive Zweitheilung aus ihr hervorgehen; aber schon die Membranhälften, die bei der ersten Theilung der Erstlingszelle gebildet werden, tragen vollständig entwickelt den Charakter der normalen Membran- hälften. Kenntlich bleiben die beiden abweichenden Membranhälften der Erstlings- zeilen der Diatomeen ebenso wie bei den Desmidiaceen. Die isolirt lebenden Diatomaceen sind die Träger eigenthümlicher Bewegungs- erscheinungen, denn sie besitzen die Fähigkeit der selbständigen Ortsveränderung, ohne dass bei ihnen, wie bei den Volvocineen, schwingende Cilien vorhanden wären, auf deren Thätigkeit man die Bewegung zurückführen könnte. Die Bewegung erfolgt in der Richtung der Längsachse bald vorwärts, bald rückwärts, ohne nachweisbare Gesetzmässigkeit. Die Bewegung kann plötzlich sistirt werden, um im nächsten Augenblick in entgegengesetzter Richtung wieder aufgenommen zu werden. Wie diese Bewegung zu Stande kommt und welche äusseren Ursachen den Wechsel der Bewegungsrichtung beeinflussen, hat noch nicht constatirt werden können, da es bisher unmöglich gewesen ist, ein bewegendes Organ optisch nach- zuweisen. Doch ist die Erklärung, welche Max SCHULTZE dafür zu geben ver- sucht hat, bisher immer noch die plausibelste. Bei den meisten bewegungs- fähigen Diatomeen findet sich ein in der Mitte der Schale unterbrochener Längs- streifen, von dem es sehr wahrscheinlich ist, dass er dadurch entsteht, dass hier eine äusserst feine Spalte die Kieselschale durchsetzt. Nach SCHULTZE tritt hier eine minimale Plasmaportion durch die Spalte nach aussen und bewirkt die kriechende Bewegung der Zelle. Thatsache ist, dass die Diatomeen nicht frei durch das Wasser zu schwimmen vermögen, sondern an ein festes Substrat ge- bunden sind, das der Bewegung als Stütze dienen muss. Thatsache ist ferner, dass sie nur zu kriechen vermögen, wenn sie dem Substrat mit ihrer Schale auf- liegen, nicht aber, wenn die Gürtelbänder dasselbe berühren. Dass es gerade der Längsstreifen auf der Schale ist, welcher den Sitz der be- wegenden Kraft bezeichnet, wurde durch eine Beobachtung von SIEBOLD’s wahr- scheinlich gemacht, welche nachwies, dass im Wasser suspendirte leichte Körper, die an der Diatomaceenmembran haften bleiben und die eigener Be- wegung unfähig sind, passiv längs der Mittellinie hin- und hergeschoben werden. Der einzige, aber wesentliche Einwand, der gegen ScHuLTzE’s Theorie mit Recht erhoben werden kann, ist der, dass es bisher nicht hat gelingen wollen, das Plasma, welches durch den Spalt nach aussen tritt, auf irgend eine Weise sicht- bar zu machen. Von anderen Autoren (wie DiırpeL und Borszczow) werden daher starke Diffusionsströmungen angenommen, welche als die Kraft auftreten, die den Diatomaceenkörper in Bewegung versetzt. In Bezug auf die Einzelnheiten im Entwicklungsgang der Diatomaceen kann auf die Abhandlung PFITzEr's in diesem Handbuch verwiesen werden. SCHENk, Handbuch der Botanik. Bd. II. 20 ee Er a 3 3 Min u 27 - ee Fe en 304 Die Algen im weitesten Sinne. SOE .n339srttoistel II s22s127 PFITZER, Untersuch. über Bau und Entwicklun der DENN De feet SIR Bet nee see ee vi Londen HRse) "NT Fin Dis -Sbdehtühgen Yirber iM ee ur u za DR uscahhurrsBildung dep Aukobperen vehr Corkdhäna cin‘ (Blei? istziplOR: IT (BieiiötisswassensBavillariaosen des |Nüdwestlo Russlands! Kiew3-73}g 922 Max SHHVvitZE, De ‚Bewegung iden [Piätomeenss(SeHutszeis Archiv &;mikrosos Allatomierı Beh IE! Dr Spar Ort. "VON (SIEBOLD,; Vgberoeinzeilge Pflanzen; and Thieriel [Zeitschril£ wibs. -ZbolagiesBdsT. 117849) — ENGELMANN, Ueber die Bewegung en Osgillagien ynd. ‚Diatomeen.. (Bot: Zeitun 87) 4 EL Brit 2 Kenntnis, SeTon Sr Geohrrseranrn Kısuanach lehensien. Diatomegyi« | 1870. anl90 T msısisgqe mob Todiinsasg 4 mi nswrinaiswdA Senrar nodse 1sads ;narseiorisi ri zus arnliadtowN Srrzesanne eaınb sib ‚nSnoRKTandg Eliden sllssegatiserd 9b suune Klasse‘ er i3d sib ‚noMlärasıdeaafk Sb -nerdeislV nalsceion ob land 1ac.)_ sol m) alu ya , vibrißlellor nsgsn ‚mabisw zerellzil ob BltledesıdenoaM ee 5 yeee 9 or radmid Moss A „all a Keine Pflanzengruppe _ zeigt eine 08 ausserordentliche, „1 Mannigfaltigkeit in ihrer ‚Färkung ‚wie, die Schizophygeen, gder Spaltalgen, die). überall verbreitet —"sich im ‚Meere , im süssen Wasser ‚und ‚auf, feuchtem Boden vertreten, finden; denn alle Schattirungen von. gelb | bis "braun, ‚phrpurroth, oliven- und. spangrün, stahlblau bis, ‚violett. und, blauschwarz ‚sind bei ı den, Schizophyceen, „yertreten,, so dass eigentlich nur, das, reine. „Chlorophyligrün bei ihnen „ausgeschlossen, ist. _In dem ‚F arbstoff, der Schizophypeen, dem sogenannten Phycochtom. ‚(dem die Klasse ihre. ‚ältere Bezeichnung als »Phycochromaceen « verdankt), ist, zwar. ein, dem grünen "Chlorophyll ausserordentlich nahestehender grüner ‚Farbstoff ‚enthalten, derselbe wird aber von den, heiden ‚anderen ‚Componenten,, des ‚Phycochroms, dem | blauen. Phycocyan (daher die Benennung, der Schizophyceen ‚als, »Cyanophy- ceen«); und ‚dem „gelben Phycoxanthin. gänzlich ‚verdeckt. Auch.die Membran. der Schizophyceen Bi in ‚einer EDEHN Asihe von Aa eine, FErDBRE» die „bald Kan auftritt, und, a einen. Grad, ‚yon en an ee. iR Die Membrap der ‚Schigpphygeen ‚neigt; ausserordentlich zur Gallertbildung, und diese, lässt bald die Pflanzen in gestaltlose Schleimlager eingebettet, erscheinen, bald, kann sie zur. ‚Bildung fester, Gallertlager oder derber Scheiden; führen, ‚ Die Frage, ob der, Thallus, ‚der Schizophyceen einzellig, oder mehrzellig, sei, würde sehr verschieden beantwortet werden können, ‚je,nachdem ‚man dabei, vor- zugsweise, Angehörige, der, jeinen ‚oder der anderen, Familie, in's Auge fasst., Denn innerhalb der Schizophyceen findet sich ‚ein. ähnlicher Uebergang, von. einzelligen Thallusformen; zu, mehrzelligen Pflanzen, ‚wie, wir, ihn ‚bereits, bei,den V.olyocineen und Conjugaten (pag. 297) kennen gelernt, haben, ‚In der, Familie der Chroococ- sageen.‚haben A wir .65.,77 wig unter den; Mplvocineen, bei (/uJamydococcusi und CHamydoemongs,—, mit, ganz entschieden: einzelligen. ‚Pflanzen, zu; thin. ı>Nach jeder, Zellthejlung,, ‚isgliren, ; sich die. beiden . Tochterzellen. beiden »(Chroo- FOrSAreEm zu selbständiger, Existenz, Wenn» isieo-auchschurehisdie ‚Mergallertung der Membran in lockeren Grunpen vereinigt bleiben ‚können Beisallen äbrigen Sphophyggeniglis, manınach idem, Vorgang Wnyren's alsıNo stosihin gan. zu- sammenfassen kann, phleiben. die „iNochterzellen mach vollaugenen (Bheilung det Mutterzelle, im foaterı,Verbingyung,, miteinander «und. da die Zellthäilung.ıbeisden Nostochineen immer in derselben Richtung ‚erfolgt, 150: fühst! dieowiederholte, Zwei, theilung ‚der, Zeilen 235 Bildung som ZeilHfägdienssibmmeshallt den Gruppesdär Nosto- chineen sind, pa, der Kamilig dex, Pseillariasesin (Lyngbyeen! Enukan)ide sänmt: li .bil Atoll ob syudkhras li ara >% ee On IR, ae ET EN ES TOR UA TS Da VE aa I NT EL re . u tar 5 , u Klasse IV. Schizophyceen. 305 lichen Zellen des Fadens noch gleichwerthig, so dass man einen Oseillaria-Faden — ebenso gut wie unter den Volvocineen z.B. Pandorina — als ein aus gleichwerthigen einzelligen Individuen zusammengesetztes Coenobium bezeichnen kann. Bei den Nostocaceen machen sich bereits Differenzen zwischen den Zellen eines Fadens gel- tend, indem eine Sonderung der Zellen in normale vegetative Zellen und theilungs- unfähige sogenannte Grenzzellen oder: Heterocysten eimtritt (Fig. 25 g). Bei den Rivulariaceen endlich sind beide Enden des Fadens constant verschieden ausgebildet. Das eine Ende desselben, das stets von einer Grenzzelle gebildet wird, ist das basale Ende, mit dem der Faden dem Substrat angewachsen sein kann; das freie Ende ist stets zu einem terminalen Haar verdünnt, und dieser constanten Differenzirung in ein unteres und ein oberes Ende entspricht auch die Einschränkung weiterer Entwicklungsvorgänge auf bestimmte Theile des Fadens. Die einzelnen Zellen, wie sie den einzelligen 'Thallus der Chroococcaceen repräsentiren, wie sie bei den Oscillariaceen gleichwerthig zu fadenförmigen Familien vereinigt sind, dienen im Aivwlaria-Faden somit bereits verschiedenen Zwecken, ähnlich der Differenzirung der Zellen einer Volvox-Kugel in vegetative und reproductive Zellen. Wenn auch die einzelne Zelle des Rivwlaria-Fadens dem einzelligen Chroo- coccaceen-Individuum morphologisch gleichwerthig ist, so stellt der mehrzellige Rivulariaceen-Faden doch ein physiologisches Ganze, einen mehrzelligen Thallus dar. Und in ähnlicher Weise wiederholt sich eine Differenzirung der Zellen ım mehrzelligen Thallusfaden der Scytonemeen und Stigonemeen, indem bei manchen Gattungen der Zellzuwachs sich auf die Fadenspitze localisirt und bereits von einer Scheitelzelle gesprochen werden kann. An die Rivulariaceen und Scyto- nemeen schliessen sich aber die Nostochaceen und Oscillariaceen im Bau und in ihrer Entwicklung so eng an, dass auch bei ihnen der mehrzellige Faden als ein Thallus bezeichnet werden muss. Dem mehrzelligen Nostochineen-Thallus steht dann auf der anderen Seite durch eine grössere Kluft getrennt der einzellige Thallus der Chroococcaceen gegenüber. Die Fortpflanzung der Schizophyceen besteht, soviel man bisher weiss, nur in ungeschlechtlicher Vermehrung, die in ihrer allgemein verbreiteten Form auf einer einfachen Zweitheilung der vegetativen Zellen beruht. Je nach- dem der Thallus ein- oder mehrzellig ist, tritt die ungeschlechtliche Fortpflanzung in verschiedener Weise in die Erscheinung. Bei den Chroococcaceen theilt sich der einzellige Thallus in zwei Zellen, welche sich danach von einander trennen. Bei den Nostochineen zerfällt der fadenförmige Thallus, nachdem reich- liche Zelltheilungen in ihm stattgefunden haben, in kurze mehrzellige Fadenstücke die Hormogonien THurEr's (Fig. 25 VII, IX), welche bewegungsfähig sind und aus denen im Weiteren je ein neuer Thallus hervorgeht. Diesem Zerfallen des Thallus in neue Individuen verdankt die Klasse ihre Bezeichnung als »Spaltalgen«. Die Bewegungsfähigkeit der Hormogonien ist von kurzer Dauer und geht beim Auswachsen zum neuen Thallus meist ganz verloren. Nur in der Familie der Oscillariaceen bleibt auch dem ausgewachsenen 'T'hallusfaden die Fähigkeit der Bewegung erhalten (vergl. pag. 307). Da die vegetativen Zellen der Schizophyceen, mit Ausnahme der Oscillaria- ceen, nicht im Stande sind, der völligen Austrocknung im Sommer und der Kälte im Winter Widerstand zu leisten, so muss die Pflanze zu diesem Zwecke geeignete Dauerzellen bilden. Es sind das die Sporen oder Dauersporen, die aus der 20* 306 Die Algen im weitesten Sinne. Umwandlung vegetativer Zellen gewöhnlich unter Farbenänderung, Zunahme ihres Volumens und Verdickung ihrer Membran hervorgehen. In manchen Fällen er- scheint auch der Farbstoff in den Sporen an grössere Körner gebunden (Fig. 25 IV), während er bei den vegetativen Zellen so vertheilt ist, dass das Plasma gleich- mässig gefärbt erscheint. Wenn nach längerer Ruhezeit die Keimung der Spore eintritt, so wird deren Membran dadurch gesprengt, dass das Wachsthum und die ersten Zelltheilungen schon in der geschlossenen Spore auftreten. Die Richtung, in welcher die Theilung in den Sporen erfolgt, entspricht stets der Zelltheilungs- richtung in dem Thallusfaden, aus dem die Sporen hervorgingen. Neben der Fortpflanzung durch Hormogonien, resp. durch Zweitheilung der vegetativen Zellen und den zu längerer Ruhe befähigten Sporen sind in neuerer Zeit auch Schwärmzellen bei den Schizophyceen beobachtet worden, die aber nach der Seltenheit ihres Vorkommens darauf schliessen lassen, dass ihre Bildung sich vielleicht nur auf vereinzelte Formen beschränken möchte. Auf die Existenz von Schwärmzellen, die ihrer Färbung nach nur zu den Schizophyceen gehören könnten, hat REımkE aufmerksam gemacht und in Uebereinstimmung mit dieser Notiz steht eine zweite beiläufige Mittheilung über die Schwärmzellenbildung bei der Chroococcacee Merismopoedia.\) Ob diese Schwärmzellen ungeschlechtlicher Natur sind oder ob sie etwa mit einem bisher noch immer vergebens gesuchten Befruchtungsprozess der Schizophyceen in Beziehung stehen, entzieht sich bei der Dürftigkeit der bisherigen Beobachtungen einer Beantwortung; doch legt die Existenz von Schwärmzellen es nahe, den Befruchtungsprozess — wenn ein solcher etwa bei den Schizophyceen vorhanden sein sollte — sich in dieser Klasse ähn lich wie bei den Algen im engeren Sinn als eine Copulation von Planogameten vorzustellen. Jedenfalls ist die Beobachtung der Schwärmzellen auf der anderen Seite geeignet, der Hypothese den Boden zu entziehen, welche — hauptsächlich auf die Färbung gestützt — in den Schizophyceen die Urformen der Florideen erblicken möchte, an welche sich die niedrigst entwickelten Formen, wie die Bangiaceen, direkt anschliessen könnten. ı. Oscillariaceen. Die cylindrischen oft mehr oder weniger korkzieher- artig gewundenen Fäden der Oscillariaceen bestehen aus lauter gleichartigen, kurz scheibenförmigen Zellen, an denen eine Umwandlung in Sporen bisher noch nicht zur Beobachtung gelangt ist, so dass es scheint, dass die Öscillariaceen sich lediglich durch Hormogonien fortpflanzen. Der Mangel der Sporen-Bildung wird bei ihnen durch die Beobachtungen Borzr's erklärt, welcher bei Spirulina und Oscillaria constatirte, dass sie vollständiges Einfrieren zu überleben ver- mögen. Während des Winters und ebenso bei völliger Austrocknung sistiren sie nur ihr Wachsthum, um es unter günstigen Vegetationsbedingungen wieder aufzu- nehmen. Bei manchen Species hat derselbe Autor beobachtet, dass die Fäden während der Ruhezeit eine Art Encystirung erfahren, dass sich hier also der Faden als Ganzes in ähnlicher Weise schützt, wie es bei anderen Schizophyceen die einzelne Zelle thut, wenn sie sich in eine Spore verwandelt. Während die äusseren vergallertenden Theile der Membranen von Oscillaria und Spirulina sonst zu gestaltlosem Schleim zerfliessen, bleiben sie bei den Encystirungszuständen als feste Scheide um den Faden erhalten. Bei den anderen Oscillariaceen- Gattungen sind scheidenartige Bildungen jederzeit vorhanden. Entweder stecken !) REınK£, Phyllitis, Scytosiphon und Asperococcus, pag. I. (PRINGSHEIM’s Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XI.) — G., Referat iiber Borzi’s Unters. üb. Phycochromaceen. (Botan. Zeitung 188o. pag. 490.) nk a A Ne At = a EB Br Ta a Br SF FR m ah a BEE ee EEE TA a EEE Sc AT EN N, ar a re wi j z Klasse IV. Schizophyceen. 307 die Thallusfäden einzeln (Zyngdya, Symploca) in einer Gallertscheide, oder eine Gallertscheide umschliesst mehrere Fäden, wie bei /nactis und Microcoleus. Wenn- gleich die Gallertscheiden ursprünglich aus den äussersten Membranschichten hervorgeben, so verlieren sie doch den Zusammenhang mit dem Thallusfaden so vollständig, dass die letzteren schliesslich lose in den Scheiden liegen und unter Umständen die Scheide auch ganz verlassen können. Denn die vegetativen Fäden der Oscillariaceen besitzen die Fähigkeit der selbständigen Bewegung, die bei den anderen Nostochineen nur den reproductiven Fadenabschnitten, den Hormogonien, eigen ist. Bei der Hormogonienbildung zerfällt der Faden in kurz- eylindrische Abschnitte, deren Enden sich beiderseits abrunden (vergl. für den Habitus der Hormogonien die Abb. Fig. 25 IX). Die Bewegung der Öscillariaceenfäden macht sich kenntlich durch die Orts- veränderung, welche in Richtung des Fadens, bald nach vorwärts, bald nach rückwärts unter gleichzeitiger Rotation um ihre Längsachse und Krümmungser- scheinungen des ganzen Fadens stattfindet. Diese Bewegungen treten nur dann zum Vorschein, wenn die Fäden einem festen Substrat aufliegen, das ihnen als Stützpunkt dienen kann. Liegen zahlreiche Fäden rasenartig vereinigt, so kann ein Faden dem andern als Stütze für die Bewegung dienent); bei den eng kork- zieherartig gewundenen, besonders beweglichen Fäden von Spirulina vermag das eine Ende des Fadens sich soweit zurückzukrümmen, dass es sich spiralig um das andere Ende desselben Fadens auf- und abwinden kann. Mit der kriechenden Bewegung der Öscillariaceen-Fäden stimmt diejenige der Hormogonien aller Nostochineen überein. Die Bewegung der Oscillariaceen zeigt eine ausserordentliche Uebereinstimmung mit der- jenigen der Diatomaceen sowohl in ihrer Abhängigkeit von einem festen Substrat, wie auch in der von SIEBOLD zuerst beobachteten Thatsache der Fortschiebung unbeweglicher Körper an ihrer Oberfläche: bei kriechenden und ruhenden Oscillaria-Fäden werden Indigokörner in enger Spirale um den Zell- faden fortbewegt. Wenn aber bei den Diatomeen in vielen Fällen der Bau der verkieselten Membran die Annahme unterstützt, dass die Bewegung durch Plasmafortsätze bewerkstelligt werde, welche aus Spalten des Membran hervortreten, so findet die gleiche Hypothese für die Oscillariaceen in dem Bau ihrer Membran keine Stütze. Trotzdem glaubt ENGELMANN eine Substanz von minimaler aber ungleicher Dicke, welche er nach starken Inductionsschlägen an der Oberfläche der Oscillaria- Fäden zur Anschauung bringen konnte, als das durch die Inductionsschläge zur Gerinnung ge- brachte Protoplasma erklären zu müssen, welches die Bewegung ermöglicht, zumal auch weitere Reactionen für die Protoplasmanatur dieser Schicht sprachen. SIEBOLD und MAX SCHULTZE, s. pag. 304. — COoHn, Ueber die Bewegung der Oscillarien. (Beiträge zur Physiologie der Phycochromaceen und Florideen. MAX SCHULTZE’s Archiv f. mikr. Anat. Bd. II. 1867.) — ENGELMANN, Ueber die Bewegungen der Oscillarien und Diatomeen. (Botan. Zeit. 1879. pag. 49). 2. Nostocaceen. In den Fäden der Nostocaceen, die meist in Folge der abgerundeten Form der Zellen rosenkranzförmigen Habitus zeigen (Fig. 25 III), treten zwei verschiedene Zellformen nebeneinander auf: einmal Zellen, welche wie die der Oscillariaceen beständiger Zweitheilung fähig sind, und zweitens andere Zellen, welche diese Fähigkeit nicht besitzen und bei ihrer Verwandlung in Dauerzellen auch gestaltliche Veränderungen erfahren, die sogenannten Grenz- zellen oder Heterocysten. Ihre Zahl und ihre Lage ist keinen bestimmten Gesetzen unterworfen, sondern in dem Maasse wie der Faden durch Zweitheilung D) Eine Abhängigkeit vom Licht macht sich bei diesen Bewegungen insofern geltend, als intensive Beleuchtung zur Folge hat, dass die Fäden sich zu einem möglichst compacten Haufen zusammenwickeln, aus dem sie erst bei schwächerer Beleuchtung wieder strahlenförmig sich hervorschieben, Die Algen im weitesten Sinne. x seinerZellen sich verlängert, können einzelne der neugebildeten Zellen zu Grenzzellen werden. Die Grenzzellen (Fig. 25 II, IV g) unterscheiden sich neben ihrer Theilungsunfähigkeit habituell von den übrigen Zellen des Fadens dadurch, dass sie ihr Plasma verlieren, während an dessen Stelle ein wässeriger Inhalt tritt; ihre Membran verdickt sich und färbt sich meistens schön goldgelb. Gewöhnlich sind die Dauerzellen auch durch grösseres Volumen vor den andern Zellen kenntlich. Die Gallerte, welche von den Nostocaceenfäden abgeschieden wird, bildet bei Anabaena, Nodularia, Cylindrospermum zefliessende amorphe Lager von schlei- miger Beschaffenheit um die geraden oder wenig gekrümmten Thallusfäden. Bei Nostoc. dagegen ist die Gallerte von zäher elastischer Beschaffenheit und die. | Gallertmasse, in welcher die gewöhnlich vielfach gewun- denen Fäden eingebettet liegen, hat eine fest um- schriebene Gestalt. Die Gallerte bildet bei NVoszoc entweder eine homogene Masse an der nur die äusser- sten Partieen durch grössere Consistenz ausgezeichnet sind, oder es lässt sich in dem Gallertlager noch deut- lich erkennen, dass es aus dem Zusammenfliessen der Gallertscheiden der einzel- nen Fäden entstanden ist, indem durch Färbung oder Dichtigkeit ausgezeichnete Gallertpartieen die einzelnen Fäden scheidenförmig um- geben und ihrem Verlaufe folgen. gGrenzzellen S Sporen I Seytonema Faden mit Scheinastbildung. Die Windungen der — I Söigonema ocellatum, 'Thallusspitze mit Scheitelzelle und ,, % { Astbildung. — III Vostoe tenuissimum, keimendes Hormogonium Thallusfäden in den WVosZoc- ra 4 Cl \ | N 1} (B. 216.) Fig. 25. (650). — IV Nodularia litorea, sporenbildender Thallusfaden, Lagern, die sich weder bei v vegetative Zellen (440). — V zwei keimende NVodwlaria-Sporen cn. (440). — VI weiter entwickelter Modwlaria-Keimling (440). — isolirt lebenden Nostocaceen - VII Gbeotrichia punctulata, sporenbildender Thallus (120), — noch auch bei den Hormo- VIII schemat. Darstellung der Scheinastbildung einer Rivularia- gonien von JVostoc selber cee. — IX Hormogonien von Calothrix aeruginea (330). — 1 : G d X desgleichen in Keimung begriffen (330). — XI Gloeocapsa finden, haben ihren Grun Spec. a einzelnes Individuum, b dreizellige Familie (200). — in der Einbettung der Fäden XII Gloeocapsa stegophila: Theil einer Sporen-bildenden Familie in derGallerte. Währendbei (330). — XUI einzelne Spore daraus (600). (Meist nach BORNET.) % i den freilebenden Gattungen die Grenzzellen sich mit dem Wachsthum der dazwischen liegenden. Faden- abschnitte mehr und mehr von einander entfernen, verändern die Grenzzellen von NVostoc ihre Lage in der Gallerte nicht, und die wachsenden Fadenabschnitte, welche zwischen zwei Grenzzellen liegen, sind bei fortschreitender Verlängerung . .. ne . ‚u Yo G gezwungen, sich zu krümmen und seitlich auszuweichen.t) u, en 3x genselonslod owizassi ') Vergl. das abweichende Verhalten der Rivulariaceen (und Spytomsineen) hai Vavkingerungs der zwischen den Grenzzellen gelegenen Fadenstücke pag. 309 (u. 311). ‚nodsidoeroviad Bi Ic, leo) [7 srcl ons "Klasse IV. | ih 309 / Wsrobrtg, mtr arıyaerrdoasdermg Al ‚steshtsiug r rrelt Ungslos "wahrend die Öfenizzeffen 2 später für da sfe ‘ben ae 1 Nosto geac en bedeut ii ) ad o_dasıı 2£D DET: geWofad no 38 Ft 3 Seken) er die v vege ativen Zetlen. r Bil ung yon Horm A9i) | burr.bren DIEHEIEHEN TI: Imeb geil Wetce Bert ar an lohrten” ormen ın aiacıor Futste e. nd Hz mung, r 7 T Vs tänd ig"d£nch ” 8 Öscillärlacgen 'enbsprech, hen. "Be i ı NVostot on. SIrTIE) YLSFLT Dr19 iteroabs Ir x 110 8 aha At Hörmögo enhildling eine Nrerfiässieung er Galle te, ‚aus welc er.die PRo8? hien IV ERLIIG an INILMILBY 9. bulsbrsviean JDSItarc_ nor Frl 99 gi unter Zus der. tenzzeil N fen. Krach nor en eit wäh Te vi 115 errof nd der nabs MOTE Newegungen cıl) bt Sn gh t_(gO1019 eren sie Kriec de aus ihren, erlangsamt sich d ie Bew rört = hliessz 91 en IL! ) 9 nad: yalıı, es fs = Fo 2 lic gan auf, ünd‘ a Keiniung Be: innt „in ‚einer yo, den tb) cn Se en 2 anne, ee ie y m IE. 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(F 1g- 25, un) zu ‚Stande. 19f 3. noneart A Sr VIENEERISE 1 ı3D O0 nSıman of nl? 2 Zeil i r ed ER nd De sa EI] 1 3) SCH: m RE Er a BL 1fo El Di N" 2 15855 NIBN rar GE [haltusfaden, vertheilt wie bei Ypstes.od LEN Aa, Dan er SR “der Mit OFT in Anuhli Ki = ern ) e Sp0 Sch, ıldung | in, N u% itte, zwischen, zwei_@ renz SIR. beginnt, u 1g. 2 MN bis zu ı den Grenzzellen forts, tschreiten ‚kan m oder. die,B ill, Eder 219: ET 19.4 f R D dun ‚der SP r Sp oren, findet nur, unmittelhar neben ‚den Grenzzeil len und, zwar,im Hin], JIN eh u: anisfe zahl statt, wir bei Öflndresperpagn und AR RER letgtoyem Fall haben.che. mn TOFLLLO Mh III oren cylın rise sehe oder, e ellipsoidische,, Gestalt, „währe; end, sie, da, wg, sie reihen. [9220325 u En anfırc ten, wie bei, Nostec oder. No Eile selten; in,der, Eorm ‚yon;.den; and! DBa1929 Dr egetativen Zellen = n au Hallig, unterschei en. benjeinsr, Verdickung, en Membran, En IS len auff: 5D roı DCe ve a ‚glatt bald mit wagzenförmisen Kahangn bedeckt sein.kann, ‚Kommt, dal FEB $ Bee ‚bishr anne; ‚Färbung, de ‚Sporen-Membran Y9Ys. Dis Per te en ran inc Dei, a aufgerissen, ‚(Higro25 VDizund; X dei asma entsteht durch fortgesetzte Zweitheilimg sin..nener, Haden, a dei Boy ar: ash: „Das Thallnsfaden zeigt, bei.den Riynlanacesn (Bis. a5, ID el ne versch indens, Ausbilklung, ssiper,. gi den, Enden; „flenn, spine ‚Zellen, bit me em ‚einen | (pberen) „Ende, zu einsz. Aynliggn.Britzs verdünnt amd. ıysrz en: Sährengian anderssiuntsin) Ende, ebensg,ggnstant mit sinerdgrenrzelle, Ra. ssh, „hiess hetzters , führt, speciglh.den, ‚Namen, „aBasllarzelles „denn, siei Bas hnet, die „Basis; der Pflanze „mitnden, sis, mi im Gegensatz zu: den. schwim;, menden, ofen de M Sybatrafin se anfliegenden, Osgillariacgen und-Nostacaesen si. abe Substrat; a „Bit, Galleitscheiden, „welehe, hmisie: Rixulagiassen. fäden ıı Sind, „halten. hei Aipalaria, undı @lpsofrishaa, hsnachharte, Eäden: zusammen, ‚0,gass.baldNache Seheiben, bald kygeliss Körper zu Stande kommen, in „denen, die einzelnen, ‚Thallysfüden, parallel ‚oder, yadial. merlanfen... Wursin den RORE! Galotlix wachsen die, Fäden isglirz in, Spheisien yon derbsn,Gonsistena ngesehlasper grlailroist motsıt mollEH nossbrns ru ;rmoerlosweus zullschT asnOr mars en Spitze, ,dgr Eäden ist; vanp dep .fernsren, ‚Bildungsnnozessen. isn; geschlossen und die Zelltheilung beschränkt sich auf den gefärbten, Abel. .desi GIBNETRESBS IFA BEOSDBeSERN „Zellss und, Gresuaellen „erzeugend,> Diese Gremgrellen, yelche, ‚in, der, Gantinyität, ‚des, 5Challys ayftysten,habenı.bei deniis. alaringpen Bla: BER eine besendare Bedeutung, als ‚sie mit. ainer „unschten/ Verzweigung, des, ;Ehallys;.im, engsten Zusammenhang. sinhsmi, Digı@renzzellen. bleiben in, ‚er ‚Galleutschside, yis;Rsi.Aastoy unverändert ‚hegem, iabexıdie,wacht, senden Abschnitte zwischen den Grenzzellen überwinden die durch die Grenz- A Hahdch lie ga erallap Er a BE ET a a EI. EB Nr ala AT SER ab ER a AH, al Sea PL Aa ee 310 Die Algen im weitesten Sinne. zellen ihnen auferlegte Raumbeschränkung in anderer Weise wie bei den Noszoc- Species: das nach oben gerichtete Ende eines Fadenstückes löst sich von der darüber gelegenen Grenzzelle ab und wird bei der Verlängerung des Fadenstückes seitlich neben der Grenzzelle vorbeigeschoben. Diese Grenzzelle wird nun zur Basilarzelle des oberen Fadenstückes, während das untere Fadenende weiter- wachsend und sein vorderes Ende zu einer hyalinen Spitze umwandelnd sich zu einem normalen Rivulariaceenfaden vervollständigt. (In dem’ primären Faden ab der Figur 25 VIII finden sich die Grenzzellen gı, g2 und g3; das zwischen gı und g2 gelegene Fadenstück hat sich von g2 abgelöst und wächst als Scheinast seitlich vorbei und vervollständigt sich zu dem Faden g,a,; g2 wird dadurch zur Basalzelle des oberen Fadenendes. In diesem wiederholt sich der gleiche Ver- zweigungs-Prozess bei g 3.) Die Hormogonienbildung beschränkt sich wie die Zelltheilung auf den mittleren und unteren Theil des Thallusfadens, und in der Anlage und dem Aus- schlüpfen, sowie in dem Habitus entsprechen die Hormogonien denen der Oscilla- riaceen. Nur eine kleine Modification tritt bei der Hormogonienbildung der Rivulariaceen auf, welche durch die Existenz der Grenzzellen bedingt wird. Bei den Zelltheilungen, welche der Hormogonienbildung vorhergehen, werden neben theilungsfähigen Zellen auch Grenzzellen erzeugt, welche durch die Ausbildung der Hormogonien in eigenthümlicher Weise alterirt werden: dieselben werden durch den Druck, den die Hormogonien auf sie ausüben, zunächst zu flachen Scheiben (Fig. 25 IX g) comprimirt und bei dem Ausschlüpfen der Hormogonien aus der Gallertscheide werden sie von diesen aus der Scheide herausgestossen. Da sie in diesem Stadium in einen kleinen Cellulosering verwandelt erscheinen (Fig. 25 IX gr), so muss eine Resorption der mittleren, zumeist zusammenge- drückten Membranpartieen angenommen werden. Nachdem die Hormogonien zur Ruhe gekommen sind, wachsen sie zu je einem neuen Thallusfaden aus, wo- bei sich der Gegensatz zwischen einem oberen und unteren Fadenende (Fig. 25 X) schon sehr früh merklich macht. Wo bei den Rivulariaceen Sporenbildung bereits beobachtet worden ist, wird nur die an die Basilarzelle angrenzende Fadenzelle dazu verwendet. Da die Rivulariaceen-Spore eine langcylindrische Gestalt besitzt (Fig. 25 VIls), so wird dieselbe bei ihrer basalen Lage und dem peitschenförmigen Habitus des ganzen Fadens von älteren Autoren als »Manubrium« bezeichnet. Die Keimung der Sporen erfolgt nach längerer Ruhezeit in verschiedener Weise. Die Spore verwandelt sich zwar nach Sprengung der äusseren Membranschichten in allen Fällen durch successive Zweitheilung in einem aus gleichwerthigen Zellen gebildeten Faden. Entweder wird aber dieser Keimfaden direkt zu einem Kivularia-Faden oder aber er giebt mehreren Thallusfäden den Ursprung, und zu letzterem Zweck kann ein doppelter Weg eingeschlagen werden. Einmal kann der aus normalen vegetativen Zellen bestehende Keimfaden direkt in mehrere Abschnitte zerfallen, die zu je einem neuen T’hallus auswachsen; in anderen Fällen treten reichliche Zelltheilungen in dem Keimfaden auf und er verwandelt sich in eine Anzahl von kurzgliederigen Hormogonien. 4. Seytonemeen. Die Scytonemeen sind isolirt oder vermittelst der Gallert- scheiden verklebt wachsende Pflanzen mit Spitzenwachsthum und reichlicher Verzweigung. Das Spitzenwachsthum zeigt die auffällige Erscheinung, dass es sich gewöhnlich gleichmässig auf die beiden Enden eines Fadens concentrirt, so dass derselbe beiderseits mit einer durch ihre Grösse ausgezeichneten abgerundeten a er Klasse IV. Schizophyceen. SEI Scheitelzelle versehen ist. Die Gallertscheide, welche an den älteren Theilen des Fadens bisweilen sehr mächtig entwickelt ist und eine von innen nach aussen an Intensität abnehmende gelbe bis braune Färbung zeigen kann, ist über der Scheitelzelle nur sehr dünn, um nach rückwärts an Mächtigkeit zuzunehmen. Es tritt in den dickeren Scheiden eine eigentümliche Differenzirung in Schichten auf, welche gegen die Fadenspitze hin divergirend verlaufen und der Scheide das An- sehen geben, als sei sie aus einer grossen Zahl trichterförmig ineinander ge- schobener Stücke zusammengesetzt. Der verzweigte Habitus der Scytonemeen beruht auf einer Scheinast-Bildung, die nach demselben Prinzip wie bei den Rivulariaceen erfolgt, aber bei dem recht- winkeligen Abstehen der Scheinäste viel auffallender hervortritt (Fig. 25 I), als bei den Rivulariaceen. Bei Tolypothrix findet, wie bei den Rivulariaceen, die Verzweigung stets unterhalb einer Grenzzelle statt; bei Scyl/onema erfolgt sie dagegen un- abhängig von den Grenzzellen. An jeder beliebigen Stelle kann der Zusammen- hang zwischen zwei Zellen des ‚ScyZonema-Fadens aufgehoben werden und diese beiden sich trennenden Zellen fungiren als Scheitelzellen für die Bildung von Scheinästen. Dass in dieser Weise bei ScyZonema ein fast regelmässig paarweises Auftreten der Scheinäste (Fig. 25 I) möglich ist, beruht eben darauf, dass den Scytonema-Fäden eine Differenzirung von Oben und Unten fehlt und beide Enden eines Zellfadens gleiche Entwicklungsvorgänge zeigen: demgemäss vermag auch jeder Theil des Thallusfadens sich wieder nach beiden Seiten hin weiter zu ent- wickeln, während bei den Rivulariaceen ein einseitiges Wachsthum streng inne- gehalten wird. Die Fadenstücke, deren Enden als Aeste auswachsen, werden nur durch die Gallertscheide noch zusammengehalten, stehen aber sonst untereinander in keinem Zusammenhang mehr; durch Zerreissen der Gallertscheide und Isolirung der Fadenstücke kann daher eine Individuenvermehrung eintreten. Bei der Hormogonienbildung der Scytonemeen wird, wie bei den Nostoca- ceen, die gestaltlose Gallertmasse aufgelöst und zwar beginnt dieser Prozess von derScheitelzelle her anfangend, während die vegetativen Theile des Fadens in kürzere und längere Abschnitte, die Hormogonien, zerfallen. Die Sporenbildung beginnt am Ende der Vegetationsperiode unter Verwandlung der scheibenförmigen vege- tativen Thalluszellen in solche von rundlicher oder eiförmiger Gestalt. Indem die Gallertscheide zerfliesst, bleiben die Sporen in unregelmässigen Haufen vereinigt. 5. Stigonemeen (Sirosiphoneen). Auch der Thallus der Stigonemeen, als deren wesentlicher Repräsentant die Gattung Sziigonema (Sirosiphon) auftritt, be- sitzt ein Wachsthum vermittelst Scheitelzelle (Fig. 25 II) wie die Scytonemeen. Stigonema zeigt auch eine Verästelung des Thallus, aber diese beruht hier nicht mehr wie bei den anderen Schizophyceen auf der Bildung von Scheinästen sondern steht im innigsten Zusammenhang mit der veränderten Richtung der Zelltheilungen welche in den älteren Segmentzellen des Szigonema-Fadens vor sich gehen. In ein- zelnen Zellen desFadens treten nämlich Theilungen durch Wände auf, welche parallel der Längsachse des Fadens gerichtet sind und gewöhnlich eine vegetative Fadenzelle in zwei, seltener in drei nebeneinander gelegene Tochterzellen spalten (Fig. 25 II). Eine dieser Zellen wird zur Scheitelzelle eines Seitenastes, indem in ihr die Zell- theilung in derselben Richtung sich wiederholt, wie bei der Zelltheilung, welche das Mehrreihig-Werden des Thallusfadens zur Folge hatte, d. h. senkrecht zu dem Zelltheilungsprozess in der Scheitelzelle des Hauptfadens. Diese Seitenäste stehen an der Hauptachse gewöhnlich einzeilig angeordnet. Die meisten von ihnen unter- 312 Die Kıgen im Wöitest ln Side, scheiden sich Yon dem’ Hauptsprö s‘ ‚durch ren’ Bau! Dehh’niii einzethe’inter ihnen werden "nach Art des’ H Hätiptfadens Hiehiteihig?"Ate iibrigen” Beinen? aa! gegen einräihig ind bewähren Styboneni-ättigen Fäbitusl "Auf didse 'eihteitiikeh, unverzwölgten Sasitenkekel ’pbschtänkt sich” die" Bilding"äkt Hotmidßonien, ar Freiw ‚erde, wie bei den Seytöndmeen, inter Äuflößtnie der 'vergalteite Kor! Neeribiiht erfolgt.” Kanes wie Ber EDITED ERUE EYE ALU RR ETG td Tardbsparenpiläting im halte" stäte. 2 GrenzYellen ddth zerstikut'ätich iHh Phaltis der stieöteneeh,” auf, aber sie scheinen hier jede Bedeutung verören zu ibn PIE 1sırsdodor „8 CHrVOROECALLeh. Bei’ den‘ typis Höhn Chrboeötläkbeh Vitanet nze Pfiähettltch (die einzeihe’Zeire repräschirt EB." GRWdLap eo xt2 Nun dei Entspricht “es, Uass nach’ jeder'z\weitheiting'dtetZeife "die versehene zu Selßstähdliger Eee pieker anti ana hicht Inimer sötenPEin" il gewöhnlich” die’ Ver gallertund er zeilinembiäfen ’darüf'%b gt Als Uieltalthiader änerE" öder klitzer& Zeit‘ tale eiße | tanındngetättenwerdeh” Meist any fiessen die Chtternänen Bar’ zutage Rbinogehen” Naben‘ agnen“dte Kan! zeinem’Zeileh ühtegelntässig" einpeBeteet did! DOREEN aeg Bla te Gatlerthtitlen aer"einzeireh Mairiatier lange Zeie chart unischfieben"Kenkiiich und’ gände Reihen von Genkrätioneh lan heil 6 sudeesii. Yefie ehnsahual det” Muttergenerätiöheh einßeschkenten‘ (Were A! Ein RER seRKEHEEIEHB" an dere einge Yan eig RR by: 1 Staiala enabailloS zone Oo Wänrehe” ae gerri Habi sin Her fünf verkla eh rt hai nödtöchtkekn "Yin Sschizophyeiihriähiieh a” ea Ehcher un. Erlen a EL a beruht, haar / 7 I ae, f r in'den Hahpiftadn der Stigönemeeh' duren ds Auftreteheiher Andere Renee CIi ir Te IOE ls j er J on SHIILlDe 9] riehitüng äbgegängch wi rd) zeigt, ‚die Zain ote der ACht [00C0CCaceen € Baog I ib ur prioge U FIRBERTEREN na af! ey MM EnN grössere annigfaltigke en meisten ( toococcaceen wec ıfein- HARGRETGUT EI LURNT nsubhrıbal sh, runs a y maijcheh [50 ander nu Zeiitheilin, en die Chtüng derselben ı rege mässig, In 0120 NIRTARNSLNGE er biidastnon gm Sr Fallen stehen die! in höilunsebeneh nach ’Arei an en sernik Echt x ei = 15W8 Dres 3309815 Kg lisx) kl ılst@9 wie bei, Choeoddhsa (von ‘denen man in der egebene igur erst zwei € SISTIHÄ st 2rt9D6 1 25 3 arneigeav Sıl THSRHIGRL te kann: die erste von Dt nac inten verlaufende Rule ie Inn orioH m Irrucla2« nadpank ga" ublidestage 31 IN ‚JI9lT Theitingsebene ın der r&chten "Halite der Figur erläuft von Iın 097 ..5592 untölstsdısr Er \ Bu HA ID 3DOor IByERONS eren En sb. fetR die ritte” ‚würde patalfeı! er apier Age" hießen). nei an Gattu gen eI- obrl vr i isrötls 13ho_ sÄarlbgm RT, 1 is aulist a folgen die Ze heile ungen nur in zwei aufeina nder . % n rech a 798 9D. 19 EN ) ip Di 3V ISIS IX rzrßrl98 31 I FFITOL «9 za bei Merism opocdia, wo sIe Au Bildung &inschichtiger Tä älelc chen ü Iren. : ! 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Ysıahe je HIIO9Y acdı9 A IEOONTS be yegliche, lormogonien Ihnen abgeht \ d ZXI9ILUDO rg ur Jr at 19/19 er olgt, ‚eben, nur durch die beständig e ‚Zweit 1e Hung, c der yegetatiyen. zen EEE ss ober een‘ aler: 37x19 IP EN Saar ein, früheres ‚ode spät res »stän igwerden, der "Tach, terzelle n. n ‚die Sc hwärmzellen von} ] erismo zeig Andanen 06). Bee su c on Merism diq yer ag. TEIWIRBNBERF.I Be Iları dr u 1 20h nolıa'W- STINE as Die „ intwickliung > n'\ »oren ıst hish 1er EN r be i.Glogocapsa, beobachtet wo Arm torı9J? 92 1913619 FEINOLTEB ID 196.3 Die ‚sämmili chen Zeilen einer } Hals, yon en, ‚dabei ıgleie hzeifig,. ihren, Hal bitus- (Fig. 25 sa xD, indem sie sich an Stelle "der gallertartig quellenden Membran “ef ET ee ne 2 a a FE ae Er a er — x ‘ ® Klasse IV. Schizophyceen. 313 der vegetativen Zellen mit einer derben auf der Aussenseite rauhen Membran umhüllen. Bei der Keimung geht durch successive Zweitheilung wieder eine normale vegetative Familie aus der Spore hervor. Durch mannigfache biologische Figenthümlichkeiten sichern sich die Schizo- phyceen ein höheres Interesse, als sie auf Grund ihrer morphologischen Verhält- nisse, die eine ausserordentliche Eintönigkeit zeigen, beanspruchen können. Von den Schizophyceen findet sich eine verhältnissmässig grosse Anzahl im Thallus der Flechten wieder, wo sie — als Gonidien bezeichnet — als nahrungs- erzeugende Elemente für gewisse Pilze aus der Gruppe der Ascomyceten fungiren. Der Thatsache gegenüber, dass viele Angehörige der Schizophyceen, aus allen Familien derselben, die Fähigkeit besitzen, ausserhalb des Wassers zu leben, und sie somit als besonders geeignet erscheinen, für die Ernährung der wasserscheuen- den Pilze im Flechten-Thallus zu sorgen, ist es um so auffallender, dass Oscil- lariaceen bisher als Gonidien-Bildner nicht nachgewiesen worden sind. Wahr- scheinlich ist die Fähigkeit der selbständigen Ortsveränderung, welche auch den vegetativen Oscillariaceen-Fäden eigen ist, die Ursache, welche die Oscillariaceen davor bewahrt, von den Pilzhyphen umsponnen und für deren Ernährung dienst- bar gemacht zu werden. Von denselben Schizophyceen, welche im Flechten-Thallus als ernährende Elemente fungiren, kommt ein Theil unter Lebensverhältnissen vor, welche den Verdacht rege machen, dass sie bisweilen selbst auf Kosten anderer Pflanzen leben möchten. Denn ob diejenigen Schizophyceen, welche innerhälb des Gewebes höherer Pflanzen nisten (vergl. pag. 172), ihren Wirthen wirklich gar keine organischen Substanzen entnehmen, erscheint mindestens fraglich gegen- über der Beobachtung, dass die Schizophyceen auch sonst gerade solche ‚Stand- orte lieben, wo ihnen faulende organische Substanzen reichlich zur! Verfügung stehen. Die Eigenschaft der Schizophyceen, trotz ihres eigenen Chloröphylige- haltes, wenn auch nur theilweise auf fremde Kosten zu leben, kann um 's6 weniger überraschen, wenn man sich die nahen Beziehungen’ verwegnwättigt, welche die Schizophyceen mit den chlorophylllosen Senlopliytantw verbindet”tmd welche die Veranlassung gegeben haben, die chloropkylihätti en Spältalgen‘ mit den chlorophylifreien Spaltpilzen zu der Klasse der''Schizöphyten zuly ereiniken, In morphologischer Beziehung stehen manche chlföphyifteieSchtsäphiyterförmen den chlorophyllhaltigen Formen sd 'Hahie, 2dasd man zZ. B. Gattungen, wie Deg- STO ft vslsv gratoa und Zeptothrix, direkt als ‚ßiorbihjilntte Öscillariacgen beat Ihnen könnte, Die endophytisch lebenden, ‚Schizop hyeeen” und Jandere, chlotophyliführende, Ver wandte, die, ‚in Tümpeln ‚stagpirend, fäulenden ‚Wassers. ‚oder, im, schmutzigsten Hafenschlanım „wo, ‚keing andere, marine „Alge mehr..zu „eXistiren. yermagsı- zum üppiger.V. ggetatign ‚hefähigt sind, ‚beweisen, ‚dass in der ıebensweise kein. schrofer Gegensatz: zwischen..den ;chlorophyllhaligen $Schizophyeeemund ihrem'chlorephyli- freien, saprophytisch lebendem:Verwandten’"besteht,) sonderm dass 'saprophytische Ekaähnue-latıchrisehdm>untet denoichlörößhylifükreniden Schtsophyceen!"älıftreteh Kärfn uldzwischen' beideh Gruppen in Bezug zur die’ Tepeisweise nüif®graduelle EEE IE He EN Be Ren Sch hizoinyceten "heilen manche sthddbnaet6n”ä di FE ‚uch Verhältnissen, deren Combination noch Richt klar gelegt worden ist, durch be- schleunigte Vermehrung plötzlich in kürzester Zeit sich zu einer enormen Indi- 4 Pr « A er a rY zug —_ .., . ey vIrR uni e - wc; ER REED ERROR TE EINE EHER GEHE 314 Die Algen im weitesten Sinne. viduenanzahl zu vermehren. Unter den Nostocaceen ist es vornehmlich Anabaena (Zimnochlide) Flos agquae, von den Chroococcaceen Zolycystis ichthyoblabe und An- gehörige der Gattungen C/afhrocystis und Coelosphaerium, welche nicht nurin kürzester Zeit die Oberfläche der Gewässer als »Wasserblüthe« vollständig zu überziehen vermögen, sondern bis in grössere Tiefen hinein so massenhaft verbreitet sein können, dass das Wasser seinen Charakter als tropfbare Flüssigkeit verliert und in einen dünnen Brei verwandelt erscheint. Auch ohne dass dieses Maximum der Vermehrung eintritt, können die Schizophyceen bei reichlichem Auftreten dem Fischbestand ihrer Wohnorte gefährlich werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach gehört zu den Schizophyceen auch die Chroococus-artige, von ZANARDINI beschriebene Dermogloea Limi, welche im Sommer 1874 an den Küsten des adria- tischen Meeres in ungeheueren wolkenartigen Massen von gelatinöser Beschaffenheit aus der Tiefe bis fast unter die Meeresoberfläche aufstieg, so dass sie das Versenken der Fischernetze erschwerte oder hinderte, und welche bei der schweren Schädigung, die sie dem Fischfang zufügte, die Ein- setzung einer Untersuchungs-Commission von Seiten der Regierung veranlasste. Nach sechs Wochen verschwand diese Seeplage ebenso plötzlich, wie sie aufgetreten war. (ZANARDINI, Iconographia adriatico-mediterranea. Vol. III. Venezia.) Eine fernere Eigenthümlichkeit der Schizophyceen ist die ausserordentliche Unempfindlichkeit gegen hohe Temperaturgrade und die Fähigkeit, in stark salz- haltigen Soolquellen vegetiren zu können. In dem bis auf 54° C. abgekühlten Wasser des Karlsbader Sprudels treten als .erste Pflanzen Oscillariaceen auf und eine ähnliche Erscheinung zeigen die Schizophyceen in fast allen heissen Quellen (Gastein, Landeck, Nauheim, Aachen, Aqua albula bei Tivoli, die heissen Quellen im Tamburrothal bei Casamicciola). Eine noch grö$sere Gleichgiltigkeit gegen hohe Temperaturen zeigen gewisse Nostocaceen, welche in der Solfatara von Pozzuoli selbst an Stellen zu existiren vermögen, wo sie von den heissen salz- säurereichen Dämpfen der Fumarolen getroffen werden. Diese Unempfindlichkeit der Schizophyceen gegen hohe Temperaturen, wie sie bei keiner anderen Pflanzengruppe bisher zur Beobachtung gelangt ist, hat in Verbindung mit der ausserordentlich niedrigen Organisation und dem vollständigen Mangel eines Befruchtungsprozesses CoHn zu der Hypothese veranlasst, dass man in den Schizophyceen vielleicht jene Urpflanzen zu erblicken habe, welche als erste Organismen auf dem Erdball zu existiren vermochten, nachdem bei der fortschreitenden Abkühlung unseres Planeten organisches Leben auf ihm über- haupt möglich geworden war. NAEGELI, Einzellige Algen. Zürich, 1849. — FISCHER, Beitr. zur Kenntniss der Nosto- chaceen. (Bern, 1853.) — DE Barv, Beitrag zur Kenntniss der Nostocaceen, insbesondere der Rivularien. (Flora. 1863.) — BORNET ET THURET, Notes algologiques. (Fasc. I, I. Paris, 1876, 80.) — THURET, Obs. sur la reproduction de quelques Nostochinees., (Mem. d. 1. Soc. imp. des Sc. nat. de Cherbourg, vol. V.) — THURET, Essai de classification des Nostochin&es. (Ann. des Sciences nat. ser. 6. Tome I.) — THURET, Note sur le mode de reproduction du Nostoc verrucosum. (Ann. des Sc. nat. ser. 3. Tome II.) — BORNET, Rech. sur les gonidies des Lichens. (Ann. des Sc. nat. ser. 5. Tome XVII.) — BORNET, Deuxi&me note s. 1. gonidies des Lichens. (Ann. des Sc. nat. ser. 5. Tome XIX.) — JAnczEwsKI, Observ. s. la reproduction de quelques Nostochacees. (Ann.des Sc. nat. ser. 5. Tome XIX.) — Borzı, Note alla morfo- logia e biologia delle alghe Ficocromacee, (Nuovo giornale Botanico Italiano. Vol. X und XI.) Bewegung und Lebensweise: SIEBOLD, Einzellige Pflanzen und Thiere. (Zeitschrift f. wiss. Zoologie. 1849. Pd. I.) — Conn, Beiträge zur Physiologie der Phycochromaceen und Flori- deen. (Archiv für microsc. Anat., Bd. II. 1867.) — ENGELMANN, Ueber die Bewegungen der ()scillarieen und Diatomeen. (Bot. Zeit. 1879.) 2) a ar Ol NAT m a Are a DE Ta a a DD Te 5 i Dire.-Muserneen > Von Prof. Dr. K. Goebel. Binleitung. er Gruppe der Muscineen umfasst zwei engverwandte, äusserlich aber immerhin ziemlich scharf von einander abgegrenzte Reihen, die der Leber- und die der Laubmoose. Sie unterscheiden sich von den häufig als Thallophyten !) zusammen- gefassten Pflanzen, den Algen und Pilzen nicht sowohl durch ihre vegetative Gliederung, als durch ihren eigenthümlichen Generationswechsel. Was die erstere betrifft, so ist der Vegetationskörper mancher Lebermoose ein echter Thallus, während die höheren Formen beblätterte Stämmchen bilden, die beı den Leber- moosen mit drei Reihen Blättern versehen sind (von denen häufig die eine dem Substrate zugewandte fehlt) und meist dem Substrate angeschmiegt wachsen, während die Laubmoose meist aufrecht wachsende, d. h. radiäre und orthotrope Stämmchen besitzen. Die Geschlechtsorgane, welche an diesen Vegetationskörpern sitzen, werden als Antheridien und Archegonien bezeichnet. In den ersteren, kugeligen oder keulenförmigen, meist gestielten Körpern entstehen die Spermato- zoiden, in letzteren die Eier, und zwar in jedem Archegonium eines. Ein Arche- gonium ist eben nichts anderes als ein etwas complieirter gebautes Oogonium, und ich halte daher im Anschluss an SacHs den ersten Namen für überflüssig, da der letztere die allgemeinere Bezeichnung in sich schliesst. Da indess der Name Archegonium ein seit BIsCHoFF eingebürgerter ist, so mag er der Einfach- heit halber auch im Folgenden beibehalten werden, und hier nur betont sein, dass so wenig man für die Antheridien der Algen und Moose verschiedene Namen wählt, so wenig dies eigentlich auch für die weiblichen Geschlechtsorgane be- rechtigt ist. — Das Archegonium ist im Allgemeinen von flaschenförmiger Gestalt. Es besteht aus einem basalen, etwas angeschwollenen Theil, welcher die Eizelle enthält, und einem Hals, welchem die Function zukommt, die Spermatozoiden I) Die Unterscheidung der Pflanzen in Thallophyten und Cormophyten ist ebensowenig eine principielle, als die in Phanerogamen und Kryptogamen, die erstere Bezeichnung mag aber bei- behalten werden, wenn man — ganz abgesehen von der eigentlichen Bedeutung derselben — darunter die Gesammtheit der Algen und Pilze versteht, während die zweite grosse Abtheilung der »Kryptogamen« von den Archegoniaten gebildet wird, welche Moose, » Gefässkryptogamen« (Pteridophyten) und Gymnospermen umfassen. — Innerhalb jeder dieser Gruppen, deren Be- nennungen eben nur Sammelbegriffe sind, findet sich dann eine Anzahl mehr oder weniger mit einander verwandter Reihen. — Die Stellung der Angiospermen, resp. der Ort, wo dieselben anknüpfen, ist auch nach dem heutigen Stand der Forschung noch nicht ganz aufgeklärt. Näheres darüber in dem Abschnitt des Handbuchs über vergleichende Entwicklungsgeschichte. 316 Die Muscineen. zur Eizelle zu leiten. Im Jugendzustand ist dieser Canal oben geschlossen und von einem später verschleimenden Zellstrange erfüllt. Aus. der befruchteten Ei- zelle geht nun die zweite ungeschlechtliche Generation, die Sporenfrucht, hervor, von SacHs, um sie von anderen ähnlich bezeichneten Gebilden zu unterscheiden, passend Sporogonium genannt. — Das Sporogonium entsteht aus der Eizelle, indem sich dieselbe in einen Zellkörper verwandelt, der oft complicirter gebaut ist, als der Vegetationskörper. So vor Allem bei den Laubmoosen. Wir finden hier am Sporogonium z. B. Spaltöffnungen, welche den Laubmoosblättern und -Stämmchen vollständig abgehen (auch das Sporogonium von Anthoceros besitzt solche, während der Thallus nur »Schleimspalten« aufweist, bezüglich welcher der spezielle Theil zu vergleichen ist) und durch komplicirte Gewebedifferenzirungen sehen wir Einrichtungen getroffen, welche den Zweck haben, die Kapsel zu öffnen, und die Sporen auszustreuen. Das Sporogonium lebt zum allergrössten Theil auf Kosten des Vegetations- körpers, an welchem das befruchtete Archegonium sitzt, es ist im physiologischen Sinne die ungeschlechtliche Generation, das Sporogonium, ein Parasit der ge- schlechtlichen. Der Archegoniumbauch, in welchem die Eizelle liegt, erweitert sich, dem Wachsthum des Embryo folgend, und wird in diesem Zustand als Calyptra bezeichnet. Bei Kiccia, der niedersten Form einer Lebermoosreihe, der der Marchantiaceen, bleibt das Sporogonium zeitlebens in der Calyptra einge- schlossen. Die Sporen werden frei, indem der Thallustheil, in welchem das Sporogonium eingesenkt ist, verwittert. Aber auch bei den andern Lebermoosen bringt der Embryo, das junge Sporogonium, den grössten Theil seines Daseins im Archegonienbauche zu. Bei Zellia epiphylla z. B., einer unserer häufigsten ein- heimischen thallosen Jungermannien, erfolgt die Reife der Geschlechtsorgane und die Befruchtung im Mai. Der Embryo braucht zu seiner Ausbildung den ganzen Sommer, im Herbst ist er im wesentlichen fertig, um dann im nächsten Frühjahr nach plötzlicher energischer Streckung des Stieles die Calvptra zu durchbrechen und die Sporen auszustreuen, ein Vorgang, der binnen wenigen Tagen sich ab- spiel. Bei Anthoceros führt das Sporogonium kein so ephemeres Leben, es besitzt nämlich an seiner Basis interkalares Wachsthum, während oben reife Sporen ausgestreut werden, bilden sich unten neue, und dieser Entwicklungsgang kann lange fortgehen; es giebt ausländische Arten, welche Sporogonien von 7 Centim. Länge besitzen. Während bei den Lebermoosen die Calyptra also durchbrochen wird und als scheidige Hülle an der Basis des Sporogoniums stehen bleibt, reisst der langgestreckte, spindelförmige Laubmoosembryo die Calyptra an deren Basis ab, und hebt sie so auf verschiedene Weise als Mütze auf seinem Scheitel empor. Es braucht das Sporogonium einzelner Laubmoose zu seiner Entwicklung länger als ein Jahr (Zolytrichum-Arten, Zypnum crista castrensis.) Die Aufgabe der Sporogonien ist es zunächst, Sporen zu produciren. Am einfachsten geschieht dies bei Aöceia, hier gestaltet sich der Embryo zu einem kugeligen Zellkörper, dessen sämmtliche Zellen, mit Ausnahme der peripherischen Wandschicht zu Sporenmutterzellen werden, aus denen je vier Sporen hervorgehen. Bei den höher stehenden Formen aber unterscheidet man am Sporogonium einen Fuss, resp. einen Stiel, der sich häufig ins Gewebe des Vegetationskörpers ein- bohrt, und eine Kapsel, welche die Sporen bildet. Die Differenzirung innerhalb der Kapselanlagen in die Zellen, aus welchen die Sporenmutterzellen hervorgehen, und die, welche zur Wandbildung oder sonstwie verwendet werden, erfolgt sehr .„»Binleitung:' 317 ‚früh, Demjenigen/Ze)lkomplax;; aus ‚dem;idie Sporenmutterzellen hervorgehen, be- ‚4eichme ich ‚hier, wie. heis.den Gefässkryptogamen!) als Archesporium. Es ist das- (selbe. meist, eing. Zeilschieht,i’hei-manchen Jungermannieen besteht es nach Leir- ‚GEB'S, Angaben, ‚aus.;einigen über; einander gelagerten Zellschichten. Bei Azccia Bind ‚den. Laubmoosen;,gehenjaus dem Archespor nur Sporenmutterzellen hervor. Bei.der- Mehrzahl ‚der, L,ebermoose aber bleibt eine Anzahl der Zellen steril und ‚diese, famgiren („entweder nur als »Nährzellen«e der Sporenmutterzellen, welch ‚Ietztere,; die, in: jersteren ;‚aufgespeicherten Stoffe allmählich aufzehren (Beispiel: .Kisha) ‚oder sie, gestalten sich zu spindelförmigen mit schraubenförmigen Ver- pligkungen- versehenen, Schleudern oder Elateren, welchen die Auflockerung ‚des/Sporenkomplexes bei der Aussaat, zukommt. -irı Die iGewebebildung bei den Muscineen ist keine so mannigfaltige wie bei den 'I’hallephyten. Während die komplieirteren Gewebekörper der letzteren ent- weder.durch Verflechtung resp. Verschmelzung ursprünglich getrennter Elemente oder als durch Zellfächerung entstandene Zellkörper zu Stande kommen, treffen wir bei den, Muscineen nur den letzteren Modus, der von hier an der einzige bleibt. ‚Die anatomische Gliederung ist aber auch eine sehr einfache, entweder sind alle ‚Zellen. der Vegetationskörper gleichartig, ®wie bei manchen thallosen Junger- ‚mannien, oder es differenzirt sich ein assimilatorisches Gewebesystem von einem leitenden, wie bei den Marchantiaceen. Das Stämmchen der beblätterten Formen zeigt, meist eine verdickte Rindenschicht, und bei den Laubmoosen häufig einen axılen Strang gestreckter Zellen, wie er auch die »Mittelrippe« vieler thallosen Formen durchzieht. — Bei den höchst entwickelten Formen setzen sich von den Blattrippen ausgehende Stränge an den Stammstrang an. Eigenthümliche Schleim- gänge finden sich im Thallus von Zegatella, gestreckte isolirte Faserzüge in dem von /reissia, beide Gattungen der Marchantiaceen. Bei der Keimung der gewöhnlich einzelligen Sporen bildet sich nicht direkt der Vegetationskörper, sondern ein Vorkeim, an welchem dann erst, seitlich oder an der Spitze, die eigentliche Pflanze entsteht. Die Form dieses Vorkeims ist eine sehr mannigfaltige und soll unten noch specieller beschrieben werden. Am auffallendsten ist er bei den Bryineen unter Laubmoosen, wo er als Protonema bezeichnet wird, und die Gestalt einer verzweigten Fadenalge, etwa einer C/adophora hat. Bei den einfachen Lebermoosformen unter scheidet er sich weniger von dem eigentlichen Vegetationskörper. Dieser letztere besitzt weder bei Laub- noch bei Lebermoosen Wurzeln im Sinne der höheren Pflanzen, ihre Funktion wird übernommen von einfachen oder septirten Schläuchen, die man als Rhizoiden bezeichnet hat. — Ausserordentlich reich ist bei beiden Reihen die Vermehrung durch Brutknospen und ähnliche Bildungen. Bei den Laubmosen z. B. ist fast jede Zelle im Stande, einem neuen Pflänzchen den Ursprung zu geben. Während man eine Zeitlang geneigt war, die Lebermoose in verschiedene, unter sich und den Laubmoosen gleichwerthige Reihen aufzulösen, hat sich in neuerer Zeit herausgestellt, dass die Beziehungen dieser Reihen unter sich so enge sind, dass es durchaus berechtigt und geboten erscheint, dieselben als eine Familie, die der Lebermoose zusammenzufassen. Die beiden Familien lassen sich etwa folgendermassen kurz charakterisiren: 1. Lebermoose. Aus der Spore entsteht ein meist kleiner, kurzlebiger I) Vergl. Beiträge zur vergl. Entwicklungsgeschichte der Sporangien. Bot. Zeit. 188o. NO TER = ya‘ 4 + & BIO. 318 Die Muscineen. Vorkeim, aus dem sich die geschlechtliche Generation entwickelt. Diese hat bei den niederen Formen die Gestalt eines gabelig verzweigten, flachen Thallus (Ausnahme Arella), bei den höheren die eines beblätterten, mit Ausnahme von Haplomitrium, kriechenden, mit zwei bis drei Blattreihen besetzten Stämmchens, welches — abgesehen von der einen beblätterten Form, dem Zaplomitrium, und einer thallosen, der Gattung Aiella, einen Unterschied zwischen der dem Substrate zugewandten Seite, der Bauchseite, und der dem Lichte zugekehrten Seite, der Rückenseite erkennen lässt, also dorsiventral gebaut ist. — Die zweite, unge- schlechtliche Generation bleibt bis zur Sporenreife in den erweiterten Arche- goniumbauch, die Calyptra, eingeschlossen, durch die Streckung des Stieles wird dieselbe durchbrochen (bezügl. Kiccia s. oben) und die auf verschiedene Weise aufreissende Kapselwand entlässt die Sporen. Bezüglich des Baues und der Ent- wicklung der Sporogonien finden sehr beachtenswerthe und charakteristische Differenzen zwischen den einzelnen Reihen statt, bezüglich derer der specielle Theil zu vergleichen ist. 2. Laubmoose. Der Vorkeim, welcher aus der Spore hervorgeht (das Protonema) ist hier viel kräftiger entwickelt, er besteht aus verzweigten Zellreihen oder aus einem thallosen Körper, besitzt oft besondere Assimilationsorgane, und ist im Stande, fortzuvegetiren, selbst wenn beblätterte Pflanzen als Seitenknospen an ıhm entstanden sind. Der Vegetationskörper ist hier immer ein beblättertes Stämmchen, wenngleich oft von winzigen Dimensionen und kurzer Dauer (Ephemerum), gewöhnlich radiär und orthotrop, mit zwei oder mehr Blattreihen, seltener dorsiventral. — Die ungeschlechtliche Generation, das Sporogonium, bleibt nur kurze Zeit in der Calyptra eingeschlossen, reisst dann dieselbe ab und hebt sie als Mütze empor. Erst jetzt beginnt im Innern des spindelförmigen Embryos die Differenzirung in Stiel (»seta«) und Kapsel. Die von einer deutlich entwickelten Epidermis überzogene Kapsel, wirft bei ihrer Reife gewöhnlich ihren obern Theil in Form eines Deckels ab und entlässt dann die Sporen. Historisches.!) Die Antheridien und Archegonien der Muscineen waren schon den Bryologen des vorigen Jahrhunderts, SCHMIEDEL (1718—1792, er unter- suchte die Lebermoose) und HEepwıG (1736—1799) bekannt, und wurden von ihnen nach der äusserlichen Aehnlichkeit mit den Staubgefässen und Fruchtknoten der Phanerogamen identificirt. NEES von ESENBECK sah 1822 die Spermatozoiden von Sphagnum, hielt dieselben aber für Infusorien, UNGER dagegen erklärte sie 1837 für männliche Befruchtungsorgane. Eine umfassende entwic!-lungs- geschichtliche Bearbeitung fanden die Muscineen, nachdem NAEGELIs Arbeiten den Anstoss und die Grundlage zu derartigen Untersuchungen gegeben hatten, in HOFMEISTER’S »vergleichenden Untersuchungen.« Was seither erschienen ist, vor Allem Leıtcer’s sehr eingehende Untersuchungen haben zwar sehr werthvolle Ergänzungen und Berichtigungen gebracht, allein nicht die fundamentale Bedeutung, welche dem HormEısTEr’schen Werke zukommt. HOoFMEISTER hatte schon 1849 aus seinen Beobachtungen den Schluss gezogen,?) »das Prothallium der Gefäss- kryptogamen sei morphologisch gleichbedeutend mit den blatttragenden Moos- pflanzen, die beblätterte Pflanze eines Farnkrauts, eines Zycopodium, einer Rhizo- carpee gleichbedeutend mit der Moosfrucht.« Bei Moosen wie bei Farnen finde eine Unterbrechung der vegetativen Entwicklung durch die Zeugung, ein ') Vergl. SAcHs, Geschichte der Botanik, pag. 472 u. a. and. O. 2) Vergl. Sachs a. a. O., pag. 475. ER ar aa ET Einleitung. 319 Generationswechsel statt, bei den Gefässkryptogamen sehr bald nach der Keimung, bei den Moosen um vieles später.« Und in den vergleichenden Untersuchungen, pag. 139, »Moose und Farne bilden somit eines der auffälligsten Beispiele eines regelmässigen Wechsels zweier in ihrer Organisation weit verschiedener Gene- rationen. Die erste derselben, aus der keimenden Spore hervorgegangen, ent- wickelt Antheridien und Archegonien, bald wenige, bald viele. In der Central- zelle des Archegonium entsteht in Folge der Befruchtung durch die aus den Antheridien entleerten Spermatozoiden die zweite Generation, bestimmt Sporen zu erzeugen, deren sie stets eine weit grössere Anzahl bildet, als die erste Gene- ration Anlagen zur Frucht trug. Das vegetative Leben ist bei den Moosen aus- schliesslich der ersten, ausschliesslich die Frucht- (resp. Sporen-) bildung der zweiten Generation zugetheilt. Nur der belaubte Stengel wurzelt,!) die Sporen- bildende Generation zieht ihre Säfte aus jenem. Die Frucht (das Sporogonium) ist meist von viel kürzerer Lebensdauer, als die blättertragende Pflanze. Bei den Farnen ist das Verhältniss ziemlich umgekehrt. Zwar treiben die Prothallien Haarwurzeln (Rhizoiden) — aber das Prothallium lebt weit kürzere Zeit als die wedeltragende Pflanze, die in den meisten Fällen mehrere Jahre vegetiren muss, bis sie zur Fruchtbildung gelangt.« Mit diesen Sätzen war eine der wichtigsten morphologischen Beziehungen im ganzen Pflanzenreiche klar gelegt. Heute ge- hören die Muscineen Dank namentlich den LeitGeg’schen Untersuchungen und andern bei den Literaturangaben zu nennenden zu den entwicklungsgeschicht- lich best bekannten Pflanzen. Die folgende Darstellung wird versuchen, einen vergleichenden Ueberblick über die Naturgeschichte derselben zu geben. Auf Einzelnheiten, namentlich bezüglich des Zellenaufbaus konnte schon deshalb nicht eingegangen werden, weil diese ohne eine grössere Anzahl von Abbildungen nicht gegeben werden können. Solche standen mir hier nicht zu Gebot. Uebrigens giebt es vielleicht in der Botanık nichts Ermüdenderes, als die Beschreibung von Zelltheilungsfolgen, so nothwendig und nützlich die Kennt- niss derselben in manchen Fällen für den Fachmann ist. Was die Zellenanordnung betrifft, so bin ich hier natürlich der Terminologie von Sachs gefolgt, deren Be- gründung in dem Abschnitt über allgemeine Entwicklungsgeschichte näher darge- stellt werden soll. I. Die Lebermoose. Literatur: (Einzeluntersuchungen werden, soweit sie in Betracht kommen, im Texte citirt werden) MIRBEL, Recherches anatomiques et physiologiques sur la Marchantia polymorpha, Mm. de Yacad. des sciences de l’inst. de France T. XII. 1835. BiscHoFr, Bemerkungen über die Lebermoose, vorzüglich aus den Gruppen der Marchantiaceen und Riccieen. Nova Acta, Leopold. Carol. Vol. XVO. P.II. (1835). GOTTSCHE, Ueber Haplomitrium Hookeri ibid. Vol. XX. p. I.; NAEGELI, versch. Aufsätze in NAEGELI und SCHLEIDEN, Zeitschrift für wissensch. Botanik; Hor- MEISTER, Vergleichende Untersuchungen der Keimung, Entfaltung und Fruchtbildung der höheren Kryptogamen. Leipzig 1851, und Ergänzungen und Berichtigungen dazu in PRINGSHEIM’s Jahrb. Bd. III.; LEITGEB, Untersuchungen über die Lebermoose, Heft 1—6, 1874—1881; JANCZEWSKI, Vergleichende Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte des Archegoniums, Bot. Zeit. 1872; . STRASBURGER, die Geschlechtsorgane und die Befruchtung bei Marchantia polymorpha, Jahrb. für wissensch. Bot. VII. pag. 409; KIENITZ-GERLOFF, vergleichende Untersuchuugen über die Ent- wicklungsgeschichte des Lebermoossporogoniums, Bot. Zeitg. 1874, und Neue Beiträge zur Ent- wicklungsgeschichte des Lebermoossporog. Bot. Zeit3. 1875; Kny, Entwicklung der laubigen Leber- moose, in PRINGSHEIM’s Jahrb. für wissensch. Botanik, IV. pag. 64, und über Bau und Entwicklung I) Vergl. übrigens das unten über die Embryonen von Anthoceros Gesagte. ScHEenk, Handbuch der Botanik. Bd. II. 21 320 Die Muscineen. der Riccieen, ibid. V. pag. 364; GOEBEL, Zur Embryologie der Archegoniaten, in Arbeiten des Bot. Instituts zu Würzburg, Bd. I. Heft II; GOTTSCHE, LINDENBERG und NEES VAN ESENBECK, Synopsis Hepeticarum Neuenburg 1844— 1847; DUMORTIER, Hepaticae Europaae 1874; LIMPRICHT, Die Laub- und Lebermoose in Kryptogamenflora von Schlesien herausgeg. von F. CoHNn, Breslau 1877 (I. Bd. Lebermoose, pag. 241—352). — Vor Allem sei für das Folgende auf die genannte LEITGEB’sche entwicklungsgeschichtliche Monographie verwiesen. Die Lebermoose. a) Die Vegetationsorgane. — Die Lebermoose stehen den Laubmoosen sowohl an Zahl der Arten, als der Individuen nach, auch ihr Vorkommen ist ein viel beschränkteres. Vor Allem sind sie auf feuchte, schattige Standorte an- gewiesen und selten überziehen sie wie die Laubmoose grössere Strecken. Am auffallendsten treten oft manche Marchantieen hervor, die wie z. B. Zegatella conica an feuchten Steinen, Mauern etc. eine zusammenhängende Decke bilden, und diejenigen Jungermannien, die auf Baumstämmen in grösseren oder kleineren Rasen wachsen. Gewöhnlich aber ist ihr Vorkommen, wie erwähnt, ein mehr lokal beschränktes. Nur eine einzige Gattung (mit einer Art) ist unter ihnen, deren Vegetationskörper in Form eines beblätterten Stämmchens, ähnlich wie die meisten Laubmoose, aufrecht wächst, dies ist das in Deutschland seltene Zaplo- mitrium Hookeri. Die sämmtlichen andern Lebermoose wachsen dem Substrate angeschmiegt, und sind an demselben durch einzellige Rhizoiden befestigt.!) Die dem Substrate zugekehrte Seite ist von der Oberseite verschieden, die Lebermoose sind somit in ihrer überwiegenden Mehrzahl als dorsiventrale Pflanzen zu bezeichnen. In der äusseren Gliederung der Lebermoose finden auffallende Verschiedenheiten statt, die aber durch Zwischenformen miteinander verbunden sind. Bei den meisten Formen ist der Vegetationskörper ein bandförmiger Thallus, an dem, wie dies ja schon in dem Begriffe Thallus liegt, eine Gliederung in Stamm und Blatt nicht stattfindet, oder die Stelle der Blätter durch zuweilen blattähnliche auf der Unterseite des Thallus stehende Schuppen vertreten ist. Die wichtigsten Functionen der Blätter höherer Gewächse wie Assimilation, Athmung, Transpiration etc. werden aber von der Thallusfläche selbst versehen, und jene Schuppen auf der Unterseite haben meist nur die Bedeutung von Schutzorganen, namentlich zu Gunsten des Vegetationspunktes. Beispiele für solche thallose Formen bieten die Gattungen Aneura und Zellia unter den Jungermannien; die Marchantieen und die Anthoceroteen. Auf der Schattenseite treten Rhizoiden auf, und nahe am Scheitel des Pflänzchens finden sich bei den meisten Formen keulenförmige Papillen, welche die Function der Schleimabsonderung haben. Es quillt näm- lich eine unter der dünnen Cuticula dieser einzelligen Haare gelegene Schicht der Cellulosewand beträchtlich auf, die Cuticula wird gesprengt, und der Schleim auf diese Weise auf den Vegetationspunkt ergossen, so dass derselbe von einer Schleimlage eingehüllt ist, die vermöge ihrer Eigenschaft als wasseranziehende Substanz namentlich den Zweck haben dürfte, den Vegetationspunkt gegen Trockenheit zu schützen, wie denn die Lebermoose grösstentheils gegen trockene Luft ausserordentlich empfindlich sind. (Eine Ausnahme bilden z. B. die trockenen Substraten angepassten rindenbewohnenden Formen.) !) Eine eigenthümliche Ausnahmstellung nehmen die Riellen ein; ihr unten näher zu be- schreibender, schraubenförmig gewundener Vegetationskörper wächst aufrecht. en, Die Lebermoose. 221 Dieselbe Function der Schleimabsonderung, welche somit den Keulenpapillen zukommt, haben bei den Anthoceroteen die Schleimspalten, welche sich auf der Unterseite des Thallus befinden. Diese Schleimspalten bilden sich dicht hinter dem fortwachsenden Scheitel. Wie bei der Bildung einer Spaltöffnung spaltet sich die Membran zwischen zwei Zellen, und die so entstandene Spalte führt auf einen mit Schleim gefüllten Intercellularraum zu. Es sind indess keine besonders ausgebildeten »Schliesszellen« vorhanden, sondern die Bildung der Spalte erfolgt zwischen zwei ganz beliebigen Zellen. Die eigenthümlichen Nostoccolonieen, die in diesen Schleimhöhlen sich ansiedeln, sollen unten geschildert werden, hier mag nur noch so viel bemerkt werden, dass Spaltöffnungen als Sekretionsorgane auch bei höheren Pflanzen vorkommen, wo durch sie theils Wasser ausgeschieden wird, wie bei den in weiter Verbreitung sich findenden Wasserspalten, theils andere Stoffe, wie z. B. Zucker in den Nektarıien mancher Blüthen. Von den einfachsten, ungegliederten thallosen Formen ausgehend, ist nun in zwei differenten Reihen eine weitere Komplication in der Ausbildung des Vegetationskörpers der Lebermoose eingetreten. In der einen Reihe sehen wir in einer Abtheilung derselben, nämlich in der Familie der Jungermannieen die äussere Gliederung des Vegetationskörpers eine reichere werden, es bilden sich aus den thallosen (auch als »frondose«!) zusammengefassten) Formen allmählich die foliosen heraus, bei denen, wie dies ja schon im Worte liegt, der Vegetationskörper in Stamm und Blatt gegliedert ist. In der andern Reihe, der der Marchantiaceen, ist es die anatomische Gilie- derung des Vegetationskörpers, die einen höheren Grad der Differen- zirung erreicht, während er in seinem Aeussern noch mit den thallosen Formen übereinstimmt. Der Bau der letzteren bei den thallosen Jungermannien ist ein sehr einfacher, indem die sämmtlichen . Zellen des Thallus, soweit sie nicht De B:27 : Thallus von Metzgeria furcata (nach SACHS) (etwa Au Blldunz yon Geschlechtsorganen, ıomal vergr.) rechts von der Ober- (Rücken-) seite, Wurzelhaaren etc. verwendet wer- jinks von der Unter- (Bauch-) seite aus gesehen. den, einander im Wesentlichen m Mittelnerv, ss's'' die Scheitelregion, f einschichtiger : : . . Theil des Thallus. gleichartig, also weder eine Epı- dermis noch ein assimilirendes oder leitendes Gewebe von einander zu unter- scheiden sind. Die einzige Gliederung des Thallus besteht im Auftreten einer »Mittelrippe«. Diese ist in manchen Fällen nichts als der mittlere, verdickte 1) Diese Bezeichnung erscheint mir entbehrlich, sie ist synonym mit dem oben gebrauchten Ausdruck thallos. Dass die Bezeichnung Thallophyten nicht eine streng systematische sein kann, ist ohnehin wohl kaum mehr in Abrede zu stellen. Unter den Algen z. B. giebt es eine ganze Anzahl von Formen die nicht als Thallophyten, sondern als Cormophyten zu bezeichnen sind, d. h. eine deutliche Gliederung in Stamm und Blatt zeigen, auch Wurzeln (aber ohne Wurzel- haube) besitzen, wie z. B. die Sargassum - Arten. Der Vegetationskörper einer Pellia z. B. trägt alle Merkmale eines Thallus, und muss deshalb auch als solcher bezeichnet werden; an über- flüssigen Terminis hat die Botanik ohnehin keinen Mangel. Ze 322 Die Muscineen. Theil des Thallus, der ohne irgend eine scharfe Grenze in die mehrschichtigen seitlichen Partieen übergeht, so z. B. bei Zedia. Schärfer hervor tritt sie bei den Formen, welche einen einschichtigen Thallus und eine mehrschichtige Mittelrippe haben, wie z. B. Metzgeria, Symphyogyna, Blyttia. Bei den beiden letztgenannten Pflanzen ist die Mittelrippe zudem durchzogen von einem Bündel sehr langgestreckter, an ihren Enden scharf zugespitzter Zellen, deren Membranen etwas verdickt und mit spaltenförmigen Tüpfeln besetzt sind. So namentlich auch bei Moerkia, und Aehnliches findet sich bei der einheimischen Gattung Blasia. Sehr eigenthümliche Verdickungen finden sich im Thallusgewebe von Pellia epiphylla, während sie dem der nahe verwandten und sehr ähnlichen P. calycina fehlen. Es sind dies den Innenwänden der Zellen (mit Ausnahme der obersten und einigen Lagen der untersten) aufgesetzte ringförmige Ver- dickungen aus Cellulose, die zuweilen violett gefärbt sind. Die Ringe verlaufen. ihrer Mehrzahl nach rechtwinkelig zur Thallusoberfläche und da die einzelnen Verdickungen zweier aneinander anstossender Zellen auf einander stossen, SO bilden diese Verdickungen ein den Thallus durchsetzendes Gerüste, dessen ein- zelne Glieder hie und da mit einander durch die Thallusoberfläche parallel oder schief zu derselben verlaufende Verdickungsleisten verbunden sind. Viel ausgebildeter ist aber die Gewebedifferenzirung in der Marchantieen- reihe. Bei den höchstentwickelten Formen derselben finden wir eine, von eigen- thümlichen Oeffnungen durchbrochene Oberhaut und unter derselben ein chloro- phyliführendes Assimilationsgewebe. Diesem folgt ein chlorophyllloses Gewebe dem wesentlich die Function der Stoffleitung und Aufbewahrung zukommt, und das bei einigen Formen durchzogen ist theils von Schleimgängen (Fegatella) theils von Zügen sklerenchymatischer Faserzellen (Preissia), ausserdem werden in bestimmten Zellen des Thallus Excrete in Form sogen. Oelkörper, dunkelbrauner Massen, welche die betreffenden Zellen ganz erfüllen, und die im Stoffwechsel weiter keine Verwendung finden, ausgesondert. Diese Oelkörper finden sich auch in der Jungermanniceenreihe, aber nicht in besondern Zellen, sondern im Gewebe vertheilt. Was nun die äussere Gliederung der Jungermannieenreihe betrifft, so beginnt dieselbe, wie erwähnt, mit den oben geschilderten einfachen thallosen Formen. Mit diesen stimmen in ihrer Gliederung auch die Anthoceroteen überein, die sich aber durch die Bildung ihrer Geschlechtsorgane und namentlich ihres Sporogo- niums auffällig von den Jungermannieen unterscheiden. Bei der Gattung Anthoceros selbst ist der Thallus mehrschichtig, und bildet eine mehr oder weniger runde Scheibe, an deren Rand zahlreiche Vegetationspunkte sich befinden. Dendroceros besitzt eine mächtige Mittelrippe, an die nur beiderseits die einschichtige, am Rande kraus gefaltete Thallusfäche ansetzt. In den Thalluszellen befindet sich im Unterschied zu allen anderen Lebermoosen, ein scheibenförmiger Chlorophyll- körper, welcher den Zellkern verdeckt. (Früher hielt man das kuglige im Innern des Chlorophylikörpers liegende Gebilde für den Zellkern; wie Schmitz) nach- gewiesen hat, entspricht derselbe aber vielmehr den Amylumkugeln in den Chlorophylikörpern der Algen, während der Zellkern die erwähnte Lage hat.) Wie Anthoceros, so sind auch die thallosen Glieder der Jungermannieenreihe flache, dem Substrat angeschmiegte Pflänzchen. Eine Sonderstellung nimmt nur die I) Sitzungsber. der niederrh. Gesellsch. f. Natur- und Heilk. v. 13. Juli 1880, pag. 19 des Sep. Abdr. 4 s BT) Die Lebermoose. 323 eigenthümliche Gattung Aiella (Fig. 2) ein, die deshalb hier zuerst erwähnt sein mag. Schon ihre Lebensweise ist eigenthümlich, Azella ist nämlich eine unter- getauchte Wasserpflanze, die im Grunde von See’n, in einer Tiefe von etwa ı Decim. wurzelt. Auch andere Lebermoose wie Zellia und Marchantia vermögen zwar im Wasser zu vegetiren, allein es geschieht dies nur ausnahmsweise, und die Pflanzen sind dann steril. Unter den Riccien dagegen giebt es zwei Arten, Riccia natans und Aiccia fluitans, die auf dem Wasser schwimmen, sie bilden aber auch Landformen!), und diese sind es ausschliesslich, oder doch wenigstens ganz vorzugs- weise die zur Fructification gelangen. Aiella dagegen legt wie erwähnt ihren ganzen Entwicklungsgang im Wasser zu- rück, und zwar in sehr kurzer Zeit, sie braucht zu ihrer Entwicklung sechs Wochen bis zwei Monate?). Den Habitus (vgl. Fig. 1) beschreibt MonTAGnE folgendermassen: »Man denke sich eine, hier durch eine Rippe gebildete Achse, um die sich in regelmässigster und zierlichster Weise ein häutiger, 5 Millim. breiter Flügel windet, vom schönsten Grün und von äusserster Zartheit, derart, dass er mit ihr eine Art Schraube oder Wendeltreppe bildet, von Gestalt eines umgekehrten (mit der Spitze nach unten stehenden) Kegels. Die Höhe der ganzen Pflanze beträgt etwas mehr als 5 Centim. — Der Thallus ist derart ausgebildet, dass er im Wasser nie eine andere Richtung als die der Vertikalen annehmen kann. Dies geht soweit, dass wenn man ihn aufweicht, auseinanderfaltet und ins Wasser fallen lässt, man die Pflanze immer »perpendi- kulär« zu Boden sinken sieht. — Der Flügel beginnt erst in einiger Entfernung vom Grunde, so dass der untere Theil (etwa ein Drittheil der Pflanze) nur aus der runden, stiel- förmigen »Rippe«, der Achse besteht, die in eine knollige, mit einem dichten Rhizoidenfilz besetzte Anschwellung endigt. — In diesem untern Theil hat eine starke Torsion stattgefunden, und oft findet man ihn auch um andere Gegenstände herum- geschlungen, ganz wie dies bei Ranken und Schlingpflanzen der Fall ist, LEITGEB vermuthet deshalb, dass die Pflänzchen F im jugendlichen flügellosen Zustande nach Art von Schling- Fig.;2. (B.218.) pflanzen Stützen vermeidend emporstreben. Leider erschwert Aiella helicophylla, Ha- die Seltenheit der Pflanze die Entscheidung dieser Frage Ptusbild einer Pflanze i Ri ee aus Exploration scienti- und die nähere Untersuchung der ungemein interessanten fique de l’Algerie, Pl. biologischen Verhältnisse derselben. Die erstentdeckte Species, 34. Fig. 6. R. helicophylla, wächst in Algier, eine zweite R. JNotarisii in Sardinien, und eine dritte, sehr kleine — sie ist kaum 2 Millim. hoch — im Genfersee, Riella !) Dieselben unterscheiden sich von der Wasserform schon durch ihren Habitus. Die letztere besitzt weder bei X. Auitans noch bei A. zatans Rhizoiden: die Landform entwickelt dieselben. Während bei der Wasserform von A. »atans die einzelnen Thalluszweige sich bald von einander isoliren, und einzeln schwimmen bildet die Landform Rosetten mit strahlenförmigem Wuchs wie die anderen, terrestischen Azcia-Arten. Die Wasserform von Marchantia polymorpha zeichnet sich aus durch ihren dünnen Thallus mit wenig entwickelter Lufthöhlenschicht. 2) Vergl. Bory und MONTAGNE in Ann. d. scienc. nat. III ser. t. ı, pag 223. LEITGEB, Leber- moose, Heft IV. pag. 75. e 324 Die Muscineen. Reuteri\).— An der Achse selbst stehen kleine, lanzettförmige Schüppchen von ver- schiedener Gestalt, Grösse und Insertion, die bei X. Reuteri (und wahrscheinlich auch bei den anderen) Chlorophyll enthalten und so die Funktion des hier sehr hinfälligen Flügels übernehmen. — Man hat diese eigentümliche Organisation der Riellen da- durch auf die der anderen thallosen Lebermoose zurückzuführen versucht, dass man annahm, die »Rippe« oder Achse der Riellen entspreche der Mittelrippe einer der ge- wöhnlichen thallosen Formen, der Flügel aber einer der seitlichen Thallusaus- breitungen, während die andere Seite verkümmert sei. HoFMEISTER?) hat diese Deutung auch entwicklungsgeschichtlich zu stützen gesucht, allein dieselbe ist unrichtig. Der Flügel ist vielmehr nur eine Wucherung der Achse, welche das Stämmchen der Pflanze darstellt. Dies geht schon daraus hervor, dass er kein dorsiventrales Gebilde ist, wie dies der Fall sein müsste, wenn er einer Längs- hälfte eines Meizgeria- oder Fellia-Thallus entspräche. Er zeigt vielmehr keinen Unterschied seiner beiden Seiten. Bei den übrigen thallosen Lebermoosen stehen die Geschlechtsorgane auf der Rücken-, die Anhangsgebilde, Haare, Schuppen, Rhizoiden, auf der Bauchseite. Bei Azel/a ist dies nicht der Fall: hier sprossen auf beiden Seiten die Geschlechtsorgane und Anhangsgebilde hervor. Der Ver- gleich von Kiella mit einem dorsiventralen Lebermoose ist also kein zutreffender. Es steht dieselbe vielmehr unter den dorsiventralen, plagiotropen?) thallosen Leber- moosen ebenso als besonderer orthotroper Typus da, wie Zaplomitrium unter den foliosen. Was die eigenthümliche Schrauben- oder Wendeltreppenform des Thallus betrifft, so steht dieselbe im Pflanzenreich übrigens nicht ohne Beispiel da. Sie findet sich auch bei einer Floridee, der Volubilaria mediterranea (Vidalia volubilis); ob dieselbe orthotrop ist, vermag ich nicht anzugeben, da ich sie nur in losgerissenen Exemplaren kenne. Der Uebergang von den thallosen zu den foliosen Jungermannieen ist ein sanft vermittelter. Zunächst ist hier Dlasia pusilla zu erwähnen, eine auf feuchtem Waldboden etc. nicht seltene Form. Sie besitzt einen bandförmigen Thallus, der auf seiner Unterseite zwei Reihen gezähnter Schuppen trägt, die sogen. Unter- blätter oder Amphigastrien. Ausserdem aber finden wir zur Längsachse des Stengels parallel eingefügte Blätter?), die auf den ersten Blick als Abschnitte des flachen Stengels oder Thallus erscheinen und früher auch so bezeichnet wurden. Sie werden indess am Vegetationspunkt als gesonderte Organe angelegt, und unterscheiden sich in keinem wesentlichen Merkmal von den Blättern, wie sie z. B. bei Zossombronia sich finden. Diese Gattung besitzt einen wenig ver- breiterten, aber auf der Oberseite stark abgeflachten Stengel, der auf seinen Flanken zwei Reihen schief inserirter Blätter trägt. Dieselben greifen mit ihrem vorderen Rande kaum merklich auf die Bauchseite des Stämmchens über, während ihre hinteren Ränder fast bis gegen die Mitte der Stammrückenseite an einander V) Ich möchte vermuthen, dass diese, so leicht zu überschende und ja auch erst seit 30 Jahren bekannte Form sich einer weiteren Verbreitung erfreut, namentlich scheinen mir die oberitalienischen See’n auf das Vorkommen derselben zu untersuchen zu sein. ?) Zur Morphologie der Moose, Sitzgsber. der Kön. Sächs Gesellsch. der Wissensch. April 1854. 3) Vergl. Sachs, Ueber plagiotrope und orthotrope Pflanzentheile, in Arb. des bot. Inst. zu Würzburg. II Bd. 2 Heft. #) Unterhalb dieser Seitenblätter auf der Bauchreihe, befinden sich zwei kuglige Gebilde, die »Blattohren«, welche in ihrem Innern gewöhnliche Nostoccolonieen bergen, über die unten bei Besprechung der symbiotischen Erscheinungen zu berichten sein wird. ne, SEAT IR Bez 1 A an Zr ehe ale re a FE FE En Die Lebermoose. 325 rücken. Auf der Bauchseite finden sich auch hier Keulenpapillen, wie bei den echt thallosen Formen. Nicht selten kommen diese Keulenpapillen in Folge von Wachsthum und Theilung ihrer Tragzeilen auf die Spitze eines blätterigen Schüppchens zu stehen, eine Thatsache, die deshalb von hervorragendem Interesse ist, weil sie an die Bildung der Amphigastrien von Blasia erinnert. Das Auftreten von zwei Reihen schief gestellter Blätter bei Zossombronia leitet unmittelbar über zu den eigentlichen foliosen oder beblätterten Lebermoosen, die sämmtlich der Familie der Jungermannieen angehören. Ein dünner, faden- förmiger Stengel trägt scharf abgegliederte Blätter. Dieselben stehen in drei Reihen: zwei auf den Flanken und eine auf der dem Substrate zugekehrten Seite. Diese letzteren werden auch hier als Unterblätter, Amphigastrien, bezeichnet. Sie sind kleiner als die Seiten- blätter und zuweilen auf haarförmige Bildung redu- cirt oder fehlen sie ganz wie bei Jungermannia bi- cuspidata, wo sie übrigens gelegentlich aber selten, auch auftreten. Es sind diese Blätter einfache Zell- flächen, beidenensich auch kein Mittelnerv findet, wie ihn die Blätter der Laub- moose gewöhnlich be- sitzen. Gewöhnlich haben die Lebermoosblätter eine zweilappige Gestalt, auch wo dieselbe im fertigen Zustand nicht mehr her- vortritt ist sie doch in der Anlage nachweisbar und Fig. 3. (B. 219.) es ıst diese schon ın der Habitusbild einer beblätterten Jungermanniee, ( Chiloscyphaus Bolyan- Anlage vorhandene Zwei- Yhus, L. (vergl. ECKART, Syropsis a A. Corda ae Sporo- r Ä x a gonien die auf ventral angelegten (s. u.) Fruchtästen entspringen. theilung eine Eigenthüm- B. Perianthium, unten die Hüllblätter. lichkeit, welche die Blätter der foliosen Jungermannien von Blattformen wie sie bei Zossombronia und Haplomitrium (s. u.) auftreten, unterscheiden. Eigen- thümlich ist auch die Einfügung der Blätter am Stämmchen. Diese Einfügung ist nämlich keine gerade, d. h. parallel oder rechtwinklig zur Längsachse des Stämmchens verlaufende, sondern eine schiefe, der eine Rand des Blattes steht höher als der andere, eine Eigenthümlichkeit der Blattinsertion die bei dorsiventralen Sprossen nicht selten ist (vergl. die Blätter der Floridee Polyzonia jungermannoides und die der Boragineeninfloreszenz und in diesem Falle dazu dient, die Blattfläche in eine günstige Lage zur Richtung der Licht- strahlen zu bringen. Diese schiefe Insertion der Blätter beruht auf einer Ver- schiebung, ursprünglich ist die Insertion eine gerade, so dass eine das Blatt halbirende und auf der Fläche derselben senkrecht stehende Ebene die Achse des Stämmchens in sich aufnimmt. Die Blätter stehen gewöhnlich so dicht, dass sie einander mit ihren Rändern decken, und die Oberfläche des Stämmchens ganz bedecken. Die Art der Blatt- TEE La 326 Die Muscineen. deckung ist eine verschiedene, und diese Verschiedenheit wird mit zur systema- tischen Charakterisirung verwendet). Oberschlächtige Blätter heissen die- jenigen, bei denen der vordere, dem Stammvegetationspunkt zugekehrte Rand höher steht, als der hintere, der Vorderrand des Blattes deckt so den Hinter- rand des vor ihm stehenden, während sein eigener Hinterrand vom Vorderand des hinter ihm stehenden Blattes gedeckt wird, bei den unterschlächtigen Blättern dagegen ist der Hinterrand des Blattes höher als der Vorderrand und wird so vom Hinterrand des nach vorn nächstfolgenden Blattes gedeckt (Fig. 3), Ob die eine oder andere Art der Deckung eintritt, das hängt ab von dem verschiedenen Wachsthum der Ober-(Rücken-) und Unter-(Bauch)seite des Stämmchens. Ueber- wiegt das Längenwachsthum der Oberseite, so kommt oberschlächtige, im ent- gegengesetzten Falle unterschlächtige Deckung zu Stande. Der innere Bau des Stämmchens ist im Wesentlichen ebenso einfach, als der des Thallus der thallosen Formen. Es lässt sich eine aus engeren, mit etwas verdickten Membranen versehene äussere Zone als Rindenschicht von dem gleich- artigen inneren Zellgewebe unterscheiden, in dem letztern selbst aber tritt keine Differenzirung ein, die Membranen der Zellen derselben bleiben entweder dünn- wandig oder verdicken sich, aber nicht so stark, wie die der Rindenschicht. Bei einigen Formen, bei welchen auf der Ventralseite endogene Sprosse entspringen (s. u. bei Verzweigung) unterscheiden sich die Zellen der ventralen Specieshälfte von denen der dorsalen auffallend dadurch, dass sie dünnwandig bleiben, während jene verdickt sind, so z. B. bei Calypogeia und Jungermannia bicuspidata. In den Zellen der Blätter befinden sich dunkelbraune, kuglige oder längliche Körper, die sogen. Oelkörper?). Sie bestehen der Hauptsache nach aus fettem Oel, das von beträchtlichen Mengen Wassers und einer geringen Quantität von Proteinsubstanzen begleitet ist. Ein aus eiweissartigen Stoffen bestehendes Häutchen bleibt nach der Lösung des Oelkörpers zurück. Wie PFEFFER gezeigt hat, sind diese Oelkörper Produkte, die im Stoffwechsel keine weitere Verwendung finden, also als Excrete zu bezeichnen sind. Sie entstehen durch Vereinigung zahlreicher im Zellsaft auf- tretender Oeltröpfchen. — Während sie in den Blättern der foliosen Junger- mannieen klein sind, und neben dem Chlorophyll etc. in den Zellen liegen, erreichen die Oelkörper bei den Marchantieen eine viel grössere Entwicklung, sie füllen hier bestimmte, durch ihre geringere Grösse von den benachbarten unterschiedene Zellen fast ganz aus. Die zweite Reihe der Lebermoose, die der Marchantieen zeichnet sich, wie oben erwähnt, dadurch aus, dass sie neben einem mit dem thallosen überein- stimmenden Habitus eine höhere anatomische Differenzirung besitzen. Gehen wir zunächst aus von den höchst entwickelten Formen, wie sie sich z. B. in den Gattungen Zegatella, Preissia, Marchantia finden, so zeigt ein Längsschnitt durch den Thallus einer Marchantia Folgendes. Die Rückenseite des Thallus wird be- deckt von einer einschichtigen Epidermis, die aber mit dem darunter liegenden Gewebe nur an schmalen Stellen in Verbindung steht. Unterhalb der Epidermis finden sich nämlich eine Anzahl Kammern, die sogen. Luftkammern, die von einander durch einschichtige Wände getrennt sind. Betrachtet man einen ") Das Merkmal ist aber durchaus kein durchgreifendes und seine consequente Verwendung führt, wie Erfahrung gezeigt hat, zu künstlichen Eintheilungen. So wurde z. B. Calypogeia von seinen Verwandten, den » Jungermanniae geocalyceae« (s. u.) getrennt, weil es oberschlächtig ist, die letzteren unterschlächtig. ?) Vergl. Prerrer, die Oelkörper der Lebermoose, Flora 1874, S. 2, Taf. ı. Die Lebermoose. 327 Marchantieenthallus von oben, so zeigt er eine Areolirung in rautenförmige Faden, die etwas helleren Umgrenzungen derselben sind die Stellen, an denen die Epi- dermis durch die Wände der Luftkammern aus dem darunter liegenden Gewebe in Verbindung stehen. Die Luftkammern sind aber nicht leer, sondern einge- nommen von dem assimilirenden, dicht mit Chlorophyll erfüllten Gewebe. Dieses hat hier die Form gegliederter, verzweigter Fäden, die in ihrem Aeussern manchen Fadenalgen nicht unähnlich (Fig. 4 V) aus dem Boden der Luftkammern in diese hineinsprossen. Die Epidermis ist über jeder Luftkammer unterbrochen durch eine .Oeffnung, die sogen. Athemöffnung. Dieselbe weicht in ihrem Bau und ihrer Entstehung indess wesentlich ab von den Spaltöffnungen höherer Gewächse. Sie besteht nicht wie diese aus zwei Schliesszellen, sondern sie stellt in ihren höchst entwickelten Formen einen tonnenförmigen Canal vor, der zusammenge- setzt ist aus mehreren übereinander stehenden Ringen von Zellen; die untersten derselben sind grösser als die andern, nach dem, was ich bei Zreissia, wo der unterste Ring aus vier Zellen besteht gesehen habe, glaube ich annehmen zu dürfen, dass denselben die Fähigkeit zukommt, die Athemhöhle unten zu ver- schliessen, dass dieselben also wirklich als Schliesszellen functioniren, und es bedarf dieser Punkt einer näheren Untersuchung. Nicht alle Spaltöffnungen der Marchan- tieen haben indess diesen Bau, wie er sich auf dem Thallus von Marchantia und Preissia und auf den Fruchtköpfen der sämmtlichen andern Arten findet. Auf dem Thallus derselben ist der Bau der Athemöffnung ein einfacherer, die Oeffnung ist hier begrenzt von mehreren concentrischen Kreisen von Zellen, die sämmtlich in der Ebene der einschichtigen, warzenartig aufgetriebenen Epidermis liegen. Unter der Luftkammerschicht liegt ein Gewebe, dessen Zellen, die ohne Zwischen- räume an einander schliessen, zur Stoffleitung und Aufbewahrung dienen. Sie sind meist in der Längsachse des Thallus gestreckt und mit weiten Tüpfeln ver- sehen. Bei Preissia commutata!) finden sich in diesem Gewebe faserähnlich lang- gestreckte Zellen, mit tiefbraungefärbten Wänden, die sich mit ihren zugespitzten Enden an einander legen, und so theils einzeln, theils zu mehreren vereinigt, Züge plasmaleerer sklerotischer Prosenchymzellen vorstellen. Ueber die Function derselben lässt sich wol kaum etwas anderes aussagen, als dass sie zur Festigung des Thallus dienen. — Ein weiteres Element des Leitungsgewebes sind die Schleim- organe. Am auffallendsten sind sie bei Zegatella conica, wo sie früher für Luft- gänge gehalten wurden. Sie bilden hier förmlich Schleimgänge, die aus in der Längslinie des Thallus verlaufenden Zellreihen entstehen. Schon sehr nahe dem Vegetationspunkt unterscheiden sich einzelne Zellreihen durch ihren körnigen Inhalt, den Mangel an Stärke in demselben, sowie durch ihre Kleinheit von dem umgebenden Gewebe. Geht man weiter rückwärts in dieser Zellreihe, so findet man der Zellmembran der Zellen eine stark lichtbrechende, bei Alkoholmaterial bräunliche, Schicht aufgelagert, die bei Wasserzusatz sehr stark aufquillt. In noch ältereren Zellen nimmt die quellungsfähige Schleimmasse fast die ganze Zelle ein, während vom Protoplasmainhalt nur noch Spuren übrig sind, man darf wol annehmen, dass der Haupttheil desselben zur Bildung der quellungsfähigen Membran- schichten verwendet wurde. Schliesslich liegt der Schleim, nachdem die Wände des Schleimganges sämmtlich gequollen sind, in Form eines Stranges zwischen den ihn umgebenden Zellen. Einzelne, nicht zu Gängen vereinigte Schleimzellen I) Vergl. GoEsEL, Zur vergleichenden Anatomie der Marchantieen in Arbeiten des botan. Instituts zu Würzburg, Bd. II. Heft 3. DENN st RE ” ? - 328 Die Muscineen. kommen auch bei den anderen Marchantieen vor, so z. B. im Thallus von Preissia, in den »Inflorescenzen< von Marchantia etc. Ueber die Bedeutung der Schleimorgane lässt sich hier sowenig wie bei den höheren Gewächsen etwas Sicheres aussagen!). — Auf der dem Substrate zugewendeten Seite, der Bauch- seite, des Thallus ist derselbe bei den höheren Formen bedeckt von einer zwei bis drei Zellenlagen dicken Rinde von kleineren Zellen. Sie sind hervorgegangen aus Theilung der ursprünglich untersten Zellschicht. Von diesen Theilungen bleiben aber bestimmte Zellen dieser Schicht ausgeschlossen; sie treten dann durch ihre Grösse hervor, aus ihnen entspringen einzellige Schläuche, deren die Marchantieen zweierlei besitzen, sogen. Zäpfchenrhizoiden, d.h. solche, deren Innenwand mit zapfenförmig vorspringenden Verdickungen besetzt ist, und glatte Rhizoiden ohne Verdickung, wie sie allen übrigen Lebermoosen auch zukommen. Die glatten Rhizoiden stehen vorzugsweise an der Mittelrippe, die Zäpfchenrhizoiden an den Seitentheilen des Thallus, ohne dass jedoch diese Stellungsverschiedenheit eine durchgreifende wäre. Wahrscheinlich dienen die beiden Rhizoidenarten verschiedenen Functionen, worin aber die Verschiedenheit besteht, ist nicht bekannt. — Wie schon erwähnt, besitzt der Thallus auf seiner Ventralseite ferner Schuppen, die meist in zwei Reihen gestellt sind (Marchantia, Preissia etc.), sie gehen aus einzelligen Papillen hervor, die sich dicht hinter dem Scheitel bilden. Bei den, die unterste Stufe der Marchantiaceenreihe einnehmenden Riccien, findet sich nur eine Reihe solcher »Ventralschuppen«e.. In Folge des Breitenwachsthums des Thallus zerreissen dieselben später mit Ausnahme derer von A. fuitans. Sie werden bei manchen Arten frühe zerstört, bei Aiccia crystallina aber finden sie sich überhaupt, auch der Anlage nach nicht. Der complicirte Bau, wie er den höheren Marchantiaceen eigen ist, findet sich in den niederer stehenden Gliedern dieser Gruppe noch nicht. Wie Leir- GEB gezeigt hat, gehören die früher als eigene Familie betrachteten Riccien mit den Marchantieen zu einer Gruppe, der der Marchantiaceen zusammen. Diese Riccien haben nun grösstentheils einen einfacheren Thallusbau als der ist, welcher oben geschildert wurde. Die Rückenseite des Thallus wird auch hier gebildet durch eine mehr oder weniger mächtige Schicht chlorophyllhaltiger Zellen, die zwischen sich weitere oder engere, mit Luft erfüllte Räume zeigen. Diese Schicht bezeichnen wir mit dem schon von GOoTTSCHE gebrauchten Namen der Luft- höhlenschicht. Bei den meisten Arten der Gattung Kieccia verlaufen diese Luft- höhlen- oder Kammern als enge Canäle senkrecht auf die Fläche des Laubes, bei anderen werden sie zu weiten Räumen (A. crystallina, fluitans). Im ersteren Falle setzen sie sich durch die Oberhaut des Thallus fort und werden nur durch deren blasig aufgetriebene Zellen stellenweise verschlossen. Im zweiten Falle wird in dem Maasse, wie es die successive Erweiterung des Luftraumes verlangt, durch Flächenwachsthum der Oberhaut eine Decke gebildet (R. fluitans) oder, wo dies unterbleibt, münden die Lufträume in ihrer ganzen Weite nach aussen (R. erystallina). Wie R. fluitans verhalten sich auch A. natans, Oxymitra, Cor- sinta und die Marchantieen, bei welchen die Decke der Luftkammern auf ganz !) Bei den Farnen finden sich Schleimzellen in viel grösserer Verbreitung, als dies nach den Literaturangaben, die sie meines Wissens nur von den Marattiaceen (Gerbstoffschläuche) erwähnen, der Fall sein würde. Ich fand sie gelegentlich anderer Untersuchungen z. B. bei Cyathea insignis und Hemitelia Karsteniana, wo sie aus in der Längsrichtung des Blattstieles über- einander ganz mit Schleim erfüllten Zellen bestehen. Eine genauere Untersuchung, über Verbreitung und Entwicklung dieser Organe bei den Farnen dürfte demnach erwünscht sein. 2 Er PET T ee Le 1 Merkel 1 2 1 an SR EHE ART 1 A ze Be a a ln a Die Lebermoose. 329 ähnliche Weise gebildet wird, nur mit dem Unterschied, dass sich in dieser Decke eine besonders organisirte Oeffnung, die Athemöffnung befindet. Eine solche Oeffnung ist auch bei X. /uitans vorhanden, aber häufig nicht zu erkennen. — Im einfachsten Falle erscheinen also die Luftkammern als ın die Rückenfläche des Thallus ein- gesenkte Gruben, auf dem Boden derselben findet sich nicht jenes eigenthümliche confervenartig gegliederte Assimilationsgewebe wie bei Marchantia, sondern das Chlorophyll findet sich nur in den Seiten- und Bodenwänden dieser Gruben. — Eigenthümlich ist die Entstehung dieser Luftkammern. Sie bilden sich nicht im Gewebe durch Auseinanderweichen von Zellen, auch nicht durch eine von aussen nach innen fortschreitende Spaltung, sondern sie stellen ursprünglich Einsenkungen in der Oberfläche dar, die dadurch entstehen, dass bestimmte Punkte der Ober- fläche, die immer da liegen, wo vier Zellen zusammenstossen in ihrem Wachs- thum zurückbleiben, und so von den benachbarten Partieen überwachsen werden. Es bilden sich so grubenförmige Vertiefungen, die später in Folge des an der Oberfläche sich vollziehenden Breitenwachsthumes überdeckt werden. Diese Ueberdeckung ist indess keine vollständige, es bleibt noch eine Oeffnung er- halten, die sogen. Athemöffnung. Die Zellen, welche die enge Mündung der Luftkammern nach aussen begrenzen, theilen sich bei Bildung der canalförmigen Fig. 4. (B. 220.) I. Längsschnitt durch einen Vegetationspunkt von Zegatelia conica, L Lamellen der Unterseite, K Luftkammern, Sp Spaltöffnungen, V Scheitel, II junges Thallusstück von oben gesehen. III—-V Marchantia polymorpha, Anlage der Luftkammern und Spaltöffnungen an einem jungen »Hute« (s. u.) II nach LEırGep, I, II, IV, V nach der Natur. Athemöffnungen parallel der Oberfläche, und bilden so den Athemapparat. In Fig. 4 I beginnt die Bildung des Athemapparates schon dicht hinter dem Scheitel, es entstehen kleine Grübchen, die ursprünglich nur durch eine Zelle von einander getrennt sind. Aus den inneren Theilen dieser Zellen gehen die 330 Die Muscineen. Kammerwände hervor, aus den äusseren bildet sich die ganze Decke der Luft- kammern, die als Oberhaut des Thallus erscheint. Als chlorophyllführendes Gewebe functioniren bei den meisten Riccien und einigen Marchantien nur die Seiten- und Grundwände der Luftkammern, so bei £. fuitans, Oxymitra, Corsinia, ferner den Marchantieen Sauferia, Clevea, Peltolepis, Cyathodium. Bei der Mehr- zahl der Marchantieen aber sind wie erwähnt, die Luftkammern erfüllt von ge- gliederten Zellreihen, welche das eigentliche Assimilationsgewebe bilden. Sie entspringen aus den Zellen, welche den Boden der Luftkammern auskleiden, zuweilen auch von den Seitenwänden oder der Decke derselben, sie verlaufen theils verästelt, theils unverästelt gegen die Decke der Luftkammer hin. Hierher gehören Boschia, Marchantia, Preissia, Lunularia, Fegatella, Targionia. Bei Reboulia, Grimmaldia, Fimbriaria, Duvalia und einigen Plagiochasma-Arten ist das ganze unter der Oberhaut liegende Gewebe scheinbar ein völlig regelloses von kleineren und grösseren unter sich communicirenden Lufthöhlen durchsetztes Kammerwerk. Dies rührt daher, dass aus den Wänden und Decken der Luft- kammern Zellplatten in die Kammern hineinwachsen, und dieselben so durch unvollkommene Scheidewände fächern. Es findet also innerhalb der Marchantiaceenreihe eine bedeutende Steigerung in der anatomischen Gliederung statt. Gemeinsam ist allen Formen die Bildung einer Luftkammerschicht auf der Rückenseite des Thallus, während aber die einfachsten Formen z. B. R. cryszallina die Luftkammern nur in Form von nach aussen geöffneten Gruben haben, sehen wir dieselben zuerst überdacht werden, dann in der Decke eine besondere Athemöffnung sich differenziren und endlich Sprossungen aus dem Grunde der Luftkammern hervortreten (Marchantia, Preissia etc. Durch jene einfachen Formen schliesst sich die vegetative Gliederung der Marchantieen auch an die der thallosen Jungermannien an. Auch bei diesen kommt eine ähnliche Grubenbildung vor, wie die welche zur Bildung der Luftkammern der Marchantieen führt, allein diese Bildung tritt nur beim Auftreten der Geschlechtsorgane auf, welche, wie später geschildert werden soll, bei den meisten thallosen Jungermannien in den Thallus eingesenkt werden. Andererseits giebt es scheinbar auch Marchantieen, welchen die Luftkammer- schicht fehlt. Die Rückenseite des Thallus der Gattung Dumortiera nämlich zeigt keine Spur von Athemöffnungen, ist dagegen durch vorpringende Leisten areolirt. Wie LEITGEB nachgewiesen hat, beruht diese eigenthümliche Erscheinung darauf, dass die am Scheitel ganz wie bei den übrigen Marchantieen angelegte Luftkammerschicht sehr früh zerstört wird, und ein gleiches Schicksal betrifft die Ventralschuppen. Jene Leisten, welche die Areolirung der Dorsalseite veranlassen, sind die stehengebliebenen Wände der Luftkammern. Es wäre erwünscht über diesen eigenthümlichen Rückbildungsprozess durch Untersuchung am lebenden Material Näheres zu erfahren, das eben erwähnte Verhältniss wurde an Her- barmaterial constatirt. — Obwol also die Gattung Dumortiera nur scheinbar den einfacheren Bau der thallosen Jungermannien wiederholt, bestätigt sich bei der Vergleichung der Marchantieenreihe mit der Jungermannienreihe (incl. der der Anthoceroteen) doch die allgemeine Regel, dass die niederen Formen diver- girender Reihen die mindest grossen Differenzen von einander zeigen. Bau des Vegetationspunktes, Blattbildung und Verzweigung. — Der Vegetationspunkt liegt bei den meisten thallosen Formen in einer Ein- buchtung am Vorderende, ähnlich wie dies z. B. bei den Farnprothallien der Fall ist. Die Ränder der Einbuchtung gehören älteren Gewebetheilen an, welche Die Lebermoose. 331 rascher gewachsen sind, als die in der Mittelgegend des Sprosses liegenden Partieen. Auf die Zellenanordnung im Scheitel braucht hier nicht näher einge- gangen zu werden, da sie keine für diese Pflanzengruppe charakteristische Eigenthümlichkeit besitzt. Erwähnt sei nur, dass eine Anzahl von thallosen Jungermannien, wie z.B. Meizgeria, Aneura (Fig. 5. v) eine sogen. »zweischneidige« (keilförmige) Scheitelzelle besitzt, deren Segmente abwechselnd rechts und links abgegeben werden und in der Thallusebene liegen, während bei anderen z.B. Dlasia, Pellia, den Marchantieen, die Scheitelregion eingenommen wird von einer Anzahl in ihren Theilungen sich gleich verhaltenden Zellen. LEITGEB findet auch in diesen Fällen eine Scheitelzelle mit etwas complicirterem Theilungsmodus. Es bildet nämlich diese Scheitelzelle Segmente sowohl nach oben und unten (rücken- und bauchsichtige) als seitliche, welche letztere sich in ihren ersten Theilungen der Scheitelzelle gleich verhalten. Eine Nöthigung zu einer solchen Annahme liegt indess nicht vor, ich verweise deshalb bezüglich der Begründung derselben auf LEitGep’s Untersuchungen. (Man vergl. auch Sachs, Ueber Wachsthum und Zellen- anordnung, Arbeiten des bot. Inst. in Würzburg. Bd. II. Heft 2). Die normale, d. h. häufigste Verzweigungsform der thallosen Lebermoose ist die dichotomische, der alte Vegetationspunkt theilt sich in zwei neue, die in ihrer Entwicklung entweder sich annähernd gleich verhalten, wie z. B. bei Meiz- geria furcata, oder es wird der eine Spross von dem andern zur Seite gedrängt, wie dies z. B. in derselben Gattung bei Meizgeria pubescens der Fall ist. Hier wächst der Thallus als »Monopodium« fort, da seine Seitensprosse sich weniger entwickeln als der Hauptspross. Auch hei den höheren Pflanzen lässt sich zwischen »sympodialer«e und monopodialer Verzweigung keine feste Grenze ziehen, es sind dies eben Begriffe, die für eine Anzahl von Fällen ausreichen, für andere nicht. — Die Verzweigung erfolgt am Scheitel der thallosen Formen überall in derselben Weise. Der Scheitel verbreitert sich zunächst, und es bildet sich bei den Formen, welche die oben erwähnte »zweischneidige Scheitelzelle« H, > a / | ,% Be yantı = 13% | = U! (era: nn LEN ne U Fig. 5. (B. 221.) Scheitel eines in Theilung resp. Verzweigung begriffenen Thallus von Anzeura maulti- Aida (Einstellung auf die Mittelebene) vv,v, Scheitelzellen der betreffenden Sprosse, M, und M, Mittellappen. besitzen, eine neue Scheitelzelle in der Nähe der alten. Nun sprosst in der Mitte des verbreiterten Scheitels eine Gewebepartie hervor, der sogen. Mittel- lappen, der nun die beiden neuen Scheitel von einander trennt. In Fig. 5, sind drei Vegetationspunkte zu sehen, da der Thallus kurz hintereinander zwei Seitensprosse gebildet hat. Der Vegetationspunkt des Hauptsprosses V ist von 332 Die Museineen. v, getrennt durch den, schon zu ziemlicher Grösse herangewachsenen Mittel- lappen M, zwischen v, und v, beginnt sich der Mittellappen eben zu bilden. Dieser Mittellappen vereinigt in sich!) die Anfänge der einander zugekehrten Seitenbänder der beiden Tochtersprosse, die sich bei weiterem Wachsthum von einander trennen. Wenn die Gabelsprosse (bei Meizgeria z. B.) länger werden, erscheint der untere Theil des Mittellappens als einspringender Rand der Gabelungsstelle, da die Gabelsprosse hier ihrer Entstehung nach zusammen- hängen (vergl. Fig. 1). Bei der ebenfalls gabelig verzweigten Dlasia pusilla erscheint an Stelle des bei Metzgeria, Aneura, Pellia etc. auftretenden Mittel- lappens ein Seitenblatt, das Anfangs genau in der Sprossachse liegt. Zu beiden Seiten desselben erscheinen dann die Seitensprosse mit ihren Blattgebilden. (Es erinnert dies Verhalten an das, welches ich für die Verzweigung der dorsi- ventralen Inflorescenz von Dorstenia beschrieben habe; auch dort tritt jedesmal in der Mitte zwischen der Dichotomie ein Blatt auf (pag. 385, Arb. des Bot. Inst. in Würzburg, II. Bd.) — Indem die hinteren, älteren Partien des Thallus fort- während nach und nach absterben, vereinzeln sich die Zweige desselben und werden zu selbständigen Pflanzen. — Ausser dieser in der Ebene des Thallus vor sich gehenden Verzweigung finden sich auch noch anders orientirte Zweig- anlagen. Bei der zu den Jungermannien gehörigen Gattung Symphyogyna entspringen Sprosse auch an der Bauchseite des Thallus und seitlich an der Mittelrippe. Diese Sprosse werden schon im Vegetationspunkte des Hauptsprosses angelegt, können aber längere Zeit im Ruhezustand verharren, um von der Spitze entfernt sich weiter zu entwickeln, eine Erscheinung, die ja an den sogen. »schlafenden Augen« unserer Holzgewächse in weiter Verbreitung wiederkehrt. Aehnliches findet sich bei Umdraculum, welche ihre fächerförmigen Sprosse ganz wie Metsz- geria bildet. Neben diesen Sprossen finden sich aber solche, die auf der Bauch- seite des Thallus an der Mittelrippe stehen, sie werden ebenfalls am Scheitel angelegt, nur später als die »normalen« Sprosse. Während aber bei den erwähnten Jungermannien die Sprossbildung auf der Bauchseite des Thallus sehr zurücktritt gegen die normale, seitliche, ist dies bei den Marchantieen nicht der Fall. Zwar haben Marchantia, Lunularia, Fegatella und Dumortiera eine ungemein reiche Bildung von Gabelzweigen, bei fast gänz- lichem Zurücktreten der ventralen Sprossbildung. Bei Zargionia und vielen Fimbriarien ist dieselbe aber überwiegend, bei /Zagiochasma und Clevea sind beide Arten ziemlich gleich häufig. — Eine interessante Mittelstellung nimmt Preissia ein. Der sterile Thallus ist ziemlich reichlich gabelig verzweigt, der fertile, d. h. eine Inflorescenz (s. u.) bildende, erscheint einfacher. Schon die beiden erst gebildeten Gabelzweige werden hier nämlich zur Bildung von In- florescenzen verwendet, während bei Marchantia der eine Gabelzweig zur Inflorescenz sich gestaltet, der andere als steriler 'Thalluszweig weiter wächst. Bei Preissia schliesst nun aber der Thallus nicht mit den beiden Inflorescenzen ab. Der bei Marchantia steril bleibende Thalluszweig wird hier vielmehr ersetzt durch Bildung eines, unmittelbar unter dem Scheitel angelegten Ventralsprosses, der in der Richtung des Muttersprosses weiter wächst. Da der Ventralspross sich mit schmaler, stielartiger Basis an den Mutterspross ansetzt, so kommt der ») Von einer Verwachsung ist hier natürlich keine Rede, auch nicht von einer »congeni- talen«e auf die man in ähnlichen Fällen bei Phanerogamen vielfach zurückgreift, obwohl damit weiter nichts gesagt ist, als dass Theile die im Verlaufe der spätern Entwicklung, oder bei andern Pflanzen getrennt erscheinen, im Jugendzustand nicht von einander getrennt sind. Du N. N EEE BTL ER Fr ne Er Na Ra Ep: > A e 7 S NENNT ME $ Die Lebermoose. 333 Habitus des reissia-Thallus zu Stande, den man als einen »gliederartig sprossenden« bezeichnet. — Bei nahe verwandten Formen geht also die Ver- zweigung auf verschiedene Weise vor sich, während man die Verzweigung eines Inflorescenzen tragenden Marchantienthallus (wenn man den Thallus als Ganzes betrachtet) als eine monopodiale zu bezeichnen hat, ist die von Preissia eine sympodiale. Es mag dieser Fall darum hervorgehoben sein, weil er auf's Neue zeigt, wie wenig in der Natur gegründet das bei der Betrachtung der Phanero- gamenverzweigung vielfach hervortretende Bestreben ist, die Gliederung des Vegetationskörpers zu schematisiren. Wir sehen vielmehr bei vorurtheilsfreier Betrachtung derselben eine relativ grosse Freiheit in dem Auftreten von Sprossungen, und es liegt kein Grund vor, wenn wir ein von der gewöhnlichen Weise abweichendes Auftreten derselben beobachten, es durch Annahme von Verkümmerungen und Verschiebungen auf das gewöhnliche Schema zurückzu- führen. Dies gilt namentlich für die extraaxillären Sprosse. — Bei Zarsgionia und Sauferia treten die Antheridienstände ausschliesslich als Ventralsprosse auf. — Bildung von Adventivsprossen, die aus älteren Theilen des Thallus ent- springen, findet bei den in Rede stehenden Lebermoosen häufig statt. — Sie gehen sehr häufig aus Randzellen hervor bei Meizgeria, seltener aus der Mittel- rippel). Gewöhnlich entstehen sie auch hier aus Oberflächenzellen, es finden sich aber auch endogen angelegte Sprossungen, dieselben lassen sich ausnahms- los auf eine, unmittelbar unter der oberflächlichen Zellschicht gelegene Innen- zelle zurückführen, der aus derselben entwickelte Spross durchbricht dann seine Hülle. — Exogen angelegte Adventivsprosse finden sich auch bei anderen thal- losen Jungermannien; bei Sphaerocarpus terrestris 2. B. können sie sowohl aus der einschichtigen Laubfläche, als aus der Mittelrippe hervorgehen. — Auch an der Mittelrippe des Marchantieenthallus finden sich Adventivsprosse sogar an den Inflorescenzstielen von Marchantia treten sie, wie KLEIN neuerdings beobachtet hat, in der Wurzelrinne regelmässig auf (Bot. Centralblatt 1881). Bei Anzhoceros können sie sowohl der Fläche als dem Rande des Thallus entspringen. — Bei den beblätterten, foliosen, Lebermoosen ist der Aufbau des Scheitels ein viel gleichförmigerer als bei den thallosen. Es findet sich hier nämlich durch- gehends eine »dreiseitig pyramidale« Scheitelzelle (wie bei den Farnen), welche drei Reihen von Segmenten bildet. Und zwar ist bei den dorsiventralen Formen, d. h. sämmtlichen beblätterten Lebermoosen mit Ausnahme von Haplomitrium, die Scheitelzelle so orientirt, dass eine ihrer Flächen dem Substrate zugekehrt ist, die Projection der Scheitelzelle auf eine rechtwinkelig zum Substrate stehende Ebene stellt also ein Dreieck dar, dessen Grundlinie dem Substrate parallel ist. Bei denjenigen Formen, welche entwickelte Unterblätter (Amphigastrien) besitzen, stellt die erwähnte Projection der Scheitelzelle ein gleichseitiges Dreieck (Fig. 6 zeigt die Scheitelzelle in der Spitzen-(Front-)Ansicht, mit den jüngsten Segmenten) dar; bei denjenigen, welche reducirte oder gar keine Amphigastrien besitzen, ist die Grundlinie des Dreiecks kleiner als dessen Seiten, die Projection stellt ein gleichschenkliges Dreieck dar. Die Eigenthümlichkeit der ganzen Pflanze finden D) Vergl. LeitGeB, Zur Morphologie der Metzgeria furcata. Mittheil. des naturw. Ver. für Steiermark; Jahrg. 1872. Die endogene Anlage der Seitensprosse scheint mir hier wie bei den foliosen Jungermannien nach den neuerdings über die Verzweigung der Equiseten (vergl. I. Bd,, pag. 291) gewonnenen Erfahrungen noch erneuter Prüfung bedürftig. Einzelne Figuren LEIitGER’s scheinen mir nämlich die Möglichkeit nicht auszuschliessen, dass auch hier eine frühzeitige Umwallung der Sprossmutterzelle vom benachbarten Gewebe aus stattfinde. 334 Die Muscineen. wir also schon im Scheitel ausgeprägt. Es ergiebt sich aus dem Gesagten, dass die von der Scheitelzelle (wenn wir uns dieselbe als persistirend denken) ge- bildeten Segmente drei Reihen bilden, eine »bauchsichtige« und zwei rücken- ständige. Betrachten wir zunächst die beiden seitenständigen Segmente, so ist zu erwähnen, dass dieselben zunächst in drei Zellen zerfallen, eine innere und zwei äussere. Die erstere dient mit zum Aufbau des Stämmchens, aus den beiden letzteren geht das Blatt hervor. Aus jeder der beiden Zellen der Blatt- anlagen entwickelt sich ein Blattlappen, und so kommt es, dass das Jungermannien- blatt (abgesehen von Fossombronia, Haplomitrium etc.) in seiner Anlage immer zwei- theilig ist; im fertigen Zustand ist dies indess bei einer Anzahl von rundblättrigen For- men nicht mehrwahrnehmbar. Bei den auch imfertigen Zustand zweilappigen Blättern entwickeln sich die Lappen häufig ungleich, bei Maszigobryum und Zepidozia z. B. ent- wickelt sich der bauchsichtige Lappen besonders stark und zerfällt in zwei secundäre Lappen, so dass das erwachsene Blatt aus drei gleich stark entwickelten Theilen be- steht. Die Blattanlage zeigt anfangs ein Spitzenwachsthum, nach dem baldigen Erlöschen derselben ein basales, ganz wie dies bei den Blättern der Phanerogamen der Fall ist (S. den Abschnitt des Handbuchs über vergl. Entwicklungsgeschichte). Aus den ventralen Segmenten gehen die Amphigastrien hervor, allein auch wo dieselben fehlen, producirt jedes ventrale Segment bald nach seiner An- legung Anhangsgebilde. So erzeugt z. B. bei Jungermannia bicuspidata jedes Segment bald nach seiner Anlegung ein einzelliges, keulenförmiges Haar, eine sogenannte Keulenpapille. Diese findet sich auch bei Jung. hyalina, später aber verwandelt sich die Tragzelle der Papille in ein blattartiges Schüppchen, und ähnliches findet bei J. crenulata und Alicwlaria scalaris statt. Es lassen sich diese Schüppchen indess noch nicht zu den eigentlichen Amphigastrien rechnen. Auch die einheimische Magrochila asplenioides zählt zu den Jungermanniceen, die keine Amphigastrien besitzen, an Stelle derselben findet sich eine Gruppe wenigzelliger Haare. Ausländische Arten derselben Gattung dagegen besitzen deutliche, wenn auch oft sehr kleine Amphigastrien. — Nur bei wenigen Formen wie Aadula und Lejeunia calcarea produciren die ventralen Segmente überhaupt keine Anhangs- gebilde, also auch keine Keulenpapillen. Diese letzteren finden sich dagegen an den Seitenblättern, ihre Function dürfte auch hier die sein, durch Schleim- absonderung den Scheitel zu schützen. — Dagegen findet sich ein ganz all- mählicher Uebergang von den oben betrachteten Jungermanniceen mit rudi- mentären Amphigastrien, zu denen mit deutlich ausgebildeten. Bei Jung. Taylori z. B. finden wir auch zuerst eine Keulenpapille aus dem ventralen Segmente hervorgehen, durch Quertheilungen am Grunde derselben und spätere Längs- theilungen entsteht aber ein schmaler, bandförmiger Lappen, auf dem die Keulen- papille emporgehoben wird — also ein ganz ähnlicher Vorgang, wie er oben als gelegentlich bei #ossombronia vorkommend erwähnt wurde; die Papille kommt bei weiterem Wachsthum des Amphigastriums auf die Seite derselben zu stehen. Es sind diese Vorgänge wichtig für die Frage nach der Herausbildung der foliosen Formen aus den frondosen, die unten erörtert werden soll, bei Besprechung der Keimungserscheinungen. — Bei Calypogeia, Lophocolea etc. treten die Amphigastrien anfangs in Form zweier Keulenpapillen auf, die dann später auf der Spitze der beiden Hauptlappen des Amphigastriums stehen. Die Verzweigung der foliosen Formen ist eine sehr mannigfaltige. Ganz allgemein aber gilt hier, wie auch bei den Laubmoosen, dass die Verzweigung nie eine axilläre ist, d. h. die Zweige nicht in der Achsel der Blätter stehen, wie dies { 17 a Die Lebermoose. 335 bei den Blüthenpflanzen das zwar verbreitetste, aber durchaus nicht allgemeine Vorkommen ist.!) Da man auch bei den Farnen von axillärer Verzweigung ım Grunde nicht sprechen kann, so sehen wir, dass dieselbe auf einen (der Zahl der Gattungen nach allerdings weit überwiegenden) Bruchtheil des Pflanzen- reiches beschränkt ist, was freilich manche »vergleichende Morphologen«, die aber die »Kryptogamen« meist nicht vergleichen, nicht hindert, die axilläre Ver- zweigung für ein Naturgesetz zu halten. Was nun zunächst diejenigen Formen betrifft, die in der Mitte zwischen thallosen und frondosen stehen, so wurde für Blasıa oben schon angegeben, dass sie in ihrer Verzweigung mit den thallosen Formen, denen sie ja auch sonst, zunächst steht, übereinstimmt. Viel mehr den foliosen Formen gleicht, wie oben erwähnt, Fossombronia pusilla, mit ihren in zwei seitlichen Längsreihen stehenden, schief zur Achse des Stämmchens inserirten Blättern. Diese Blätter unterscheiden sich indess von denen der foliosen Jungermannien (mit Ausnahme des unten zu besprechenden Haplomitrium) dadurch, dass sie nicht wie jene die (wenigstens in der Anlage) bei allen foliosen Jungermannien scharf ausgesprochene Zweitheilung des Blattes zeigen. In der Verzweigung stimmt Zossombronia völlig mit thallosen Formen wie Aneura und Metzgeria überein, und zwar tritt der Zweig da auf, wo sonst ein Blatt gebildet wird. Aehnliche Vorkommnisse finden sich auch bei höheren Pflanzen, so stehen z. B. die Brutknospen von Zycopodium Selago an der Stelle von Blättern (nach den Angaben HEGELMAIER's). Bei den eigentlich foliosen dorsiventralen Jungermannien können wir bezüglich der Stellung der Zweige zweierlei unterscheiden: solche, die auf den Flanken, und solche, die auf der Bauchseite des Stämmchens entspringen. Die Zweige auf den Flanken entspringen in den meisten Fällen auf der rechten und linken Seite des Stämmchens in gleicher Zahl, und es bilden sich so Zweigsysteme, die Aehnlichkeit haben mit einem »gefiederten« Blatte. In selteneren Fällen, wie z. B. bei Mastigobryum sind die Seitensprosse eines Spross- systems alle nach ein und derselben Seite hin gerichtet;?) holen die Seitensprosse in ihrem Wachsthum den Hauptspross ein, so erhalten wir am fertigen Spross- system den Charakter einer gabeligen Auszweigung, ähnlich wie bei den thallosen Formen. Wie aus dem Gesagten hervorgeht, kommt die Gabelverzweigung hier auf andere Weise zu Stande, als bei den thallosen Formen. Eigenthümlich ist die Anlage der Seitensprosse. Sie erfolgt auf zweierlei Weise, nämlich entweder »aus der bauchständigen Hälfte« eines seitenständigen Segmentes (Fig. 6), oder aus dem »basiskopen Basilartheil« desselben. Beide Fälle sind nur graduell verschieden, am häufigsten findet sich der erstere, der auch zunächst betrachtet werden mag. — Die Bildung eines Seitenzweiges geschieht auf Kosten eines Blattes, indess nicht in dem Maasse, wie bei Zossombronia. Während das Blatt nämlich sonst das ganze seitenständige Segment zu seiner Bildung beansprucht (vergl. z. B. Segment I in Fig. 6) — zuweilen werden einige Zellen zur Bildung der freien Stammoberfläche verwandt, — wird zur Anlage des Zweiges die untere, dem Substrate zugekehrte Hälfte des Segmentes benützt (in Fig. 6 Segment V ist I) Vergl. Ueber die Verzweigung dorsiventraler Sprosse, in Arb. des Bot. Inst. zu Würzb., Bd. 1l. Heft 3. 2) Dieselbe Erscheinung findet sich bei vielen 7%uyja- und Cupressus-Arten, z. B. Cupressus amoena, wo an den kleinen Seitenästchen häufig nur auf der nach der Spitze des Mutterzweiges zu gelegenen Seite Auszweigungen vorhanden sind, bei anderen Zweigen vorzugsweise diese und auch eine oder die andere auf der gegenüberliegenden Seite. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II. 22 % # i y v4 336 Die Muscineen. die Hälfte mit a bezeichnet) und das Blatt geht nur aus der obern Hälfte hervor; der Seitenzweig steht also an Stelle eines Blattlappens. Untersucht man z. B. bei Frullania dilatata ein fertiges Blatt, an dessen Grunde ein Spross entspringt, so zeigt ir sich, dass diesem Blatt ein Blattohr fehlt, und an Stelle DL FR desselben ein Spross seinen Ursprung nimmt. — Von Me ZN dieser Art der Verzweigung nur graduell verschieden ist ES yeN diejenige, welche LEITGEB als die »Verzweigung aus dem basiskopen Basilartheile« bezeichnet. Hier wird nämlich die ventrale Hälfte eines seitenständigen Segmentes nicht in ihrer ganzen Höhe zur Astanlage benützt, wie im ersten B it Fe. = 2 Falle, sondern ein Theil desselben bildet normal den ne Blattunterlappen und nur im unteren (basiskopen) Theil nach LEITGEB). Im ältesten des Segments findet die Bildung der Astanlage statt, die Segment (I) istinderbauch- hier selbstverständlich aus einer Zelle hervorgeht, welche ee are °” sich zur Scheitelzelle des Seitenastes gestaltet. So ist es z. B. bei Radula complanata, und es ergiebt sich aus der mitgetheilten Entwicklungsgeschichte, dass die entwickelten Sprosse hier immer am Grunde eines Seitenblattes und zwar dem Blattunterlappen genähert inserirt sind. Nicht jedes Blatt trägt aber an seinem Grunde einen Seitenspross. Die Zelle, welche beim Auftreten einer Verzweigung zur Astmutterzelle wird, kann vielmehr (natürlich nur bei der zweiten eben erwähnten Verzweigungsart) auch zur einfachen Gewebezelle der Stammoberfläche werden. — Die Stellung der Zweige zu den Blättern ist nach dem Obigen eine ähnliche, wie sie bei dorsi- ventralen Organen häufig auftritt. Auch bei der Floridee Zerposiphonia, der Siphonee Cawlerpa, ferner bei den Filicineen Salvinia und Marsilia stehen die Zweige auf den Flanken, die Blätter auf der Rückenseite des Stammes. — Die Seitensprosse mancher foliosen Lebermoose haben die Fähigkeit sich zu Ruheknospen umzugestalten. Solche ruhende Knospen finden sich z. B. bei Zejeunia, die drei ersten Blätter des Seitensprosses schliessen hier zu einer Hülle zusammen, welche den auf unbestimmte Zeit ruhenden Spross umgiebt und erst bei dessen Weiterentwicklung durchbrochen wird. Die Zweige, welche auf der Bauchseite des Stämmchens entspringen, haben in vielen Fällen den Charakter von Adventivbildungen, d. h. sie treten ohne bestimmte Beziehung zum Vegetationspunkt an beliebigen Stellen auf, in anderen Fällen aber zeigen sie die akropetale Entstehungsfolge gewöhnlicher Zweige. In beiden Fällen können sie exogenen oder endogenen Ursprungs sein. Der letzteren Art gehören z. B. die Flagellenäste von Mastigobryum an. Es sind dies peitschen- förmige, dünne mit rudimentären Blättern besetzte Aeste. Sie entstehen in akropetaler Reihenfolge, und zwar je aus einer, unmittelbar unter der Oberhaut gelegenen Zelle (nach LEITGEB, s. die Anm. auf pag. 533) also endogen. Dieselbe Anlage zeigen auch die unten zu erwähnenden Fruchtäste derselben Pflanze, sowie die von Zepidozia, Calypogeia etc. — Bei Zophocolea bidentata und Jungermannia bicuspidata geschieht die Sprossbildung fast ausschliesslich aus der Bauchseite der Sprosse, die Aeste werden auch hier endogen angelegt, sie breiten sich dann aber auf beide Seiten des Hauptstämmchens auf dem Subtrat aus, so dass das Verzweigungssystem denselben Habitus zeigt, wie ein aus Flankenverzweigung hervorgegangenes. — Es können bei J. bicuspidata aber auch Aussenzellen zu Aesten werden, namentlich ist dies der Fall bei Bildung von Adventivsprossen. Aussenzellen älterer Pflanzen wachsen zu langen Schläuchen aus, an deren Spitze a oe, E ya Die Lebermoose. 337 eine Knospe sich bildet. -- Adventivsprosse bilden sich hier wie bei Zophocolea bidentata auch auf den Blättern. Diesen Adventivbildungen schliesst sich un- mittelbar die Bildung von Brutknospen etc. an. Ehe wir dieselben aber betrachten, haben wir noch kurz des einzigen nicht dorsiventralen foliosen Lebermooses des Haplomitrium Hookeri Erwähnung zu thun. — Rhizoiden, die sonst auf der Bauchseite des Stämmchens entspringen, finden sich hier iiberhaupt nicht. Auch hier wie bei den andern beblätterten Formen geht aus jedem Segmente der Scheitelzelle ein Blatt hervor, das sich in seiner Bildungsweise den Blättern von Zossombronia anschliesst, in- dem es wie diese von Anfang,an nur eine Spitze hat, und nicht wie das der dorsiventralen foliosen Formen von Anfang an zweitheilig ist. — Die Stämmchen sind immer reich verzweigt, die Zweige entspringen theils aus der Blattregion oder aus dem unterirdischen Stammtheile, sie sind dann farblos und am Grunde unbeblättert. Entweder ergrünen sie später an ihrer Spitze, nachdem sie sich aufwärts gekrümmt haben und über den Boden getreten sind, und bilden sich zu normalen Sprossen um, oder sie haben wurzelartigen Charakter und bleiben im Boden. Die Rhizoiden, durch welche alle andern Lebermoose an ihrem Substrate befestigt sind, fehlen bei Zaplomitrium, wie schon erwähnt, gänzlich. Wir haben also im letzteren Fall eine ähnliche Erscheinung wie bei der Lycopodine Zsz/otum. Auch dieser fehlen Wurzeln gänzlich, ihre Functionen werden von wurzelähnlichen Zweigen übernommen, wie bei Zaplomitrium!) (s. pag. 299 des I. Bds. dieses Handbuchs). Alle diese Zweige entstehen nach LEitGEeg an beliebigen Stellen, nicht in akropetaler (progressiver) Reihenfolge. Sie sind rings um den Stengel inserirt, ohne bestimmte Beziehung zu den Blättern. Man findet zwischen entwickelten Aesten Sprossanlagen in Form von kaum bemerkbaren Höckern. Haplomitrium gehört zu den seltenen Moosen, das bisher untersuchte Material ist deshalb kein zureichendes gewesen. Es wäre daher wol denkbar, dass die Entstehung der Zweige, wenigstens am oberirdischen Stammtheile eine akropetale ist, und die erwähnten Sprossanlagen solche sind, die in ihrer Entwicklung zurückblieben, sich also den obenerwähnten Ruheknospen ähnlich verhalten. Andererseits kommt aber intercalare Sprossanlage neben der akropetalen auch bei den dorsiventralen Lebermoosen vor, und findet sich auch bei höheren Pflanzen, z. B. in den Inflorescenzen von Dorstenia. — Die sämmtlichen Sprosse von Zaplomitrium entstehen übrigens exogen. Bildung von Brutknospen. Neben der Vermehrung durch Adventiv- sprosse, die, wie oben geschildert wurde, bei thallosen wie frondosen Formen auftreten, findet sich in reichlichem Maassstabe die durch Brutknospen. Einzelne Zellen oder Zellcomplexe lösen sich vom Pflänzchen ab, und wachsen zu einem neuen Individuum heran. a) Thallose Formen. Der einfachste Fall von Brutknospenbildung findet sich bei Aneura. LEITGEB schildert hier den Vorgang folgendermassen (III, pag. 43): »Zellen des Randes und ebenso Oberflächenzellen der Dorsalseite des Laubes lockern sich aus ihrem Verbande, runden sich ab und werden nun zweigetheilt. Es zerfällt so das Laub in eine grosse Menge von Brutzellen, deren Weiter- entwicklung aber erst erfolgt, wenn dieselben sich vollkommen losgelöst haben, und wahrscheinlich überhaupt erst dann, wenn sie mit dem Substrate in Be- rührung kommen.« Nachdem, was ich bei Aneura multifida gesehen habe, ist l) Auch für Hymenophylleen wird Aehnliches angegeben, die 'Thatsache bedarf aber hier noch sehr näherer Untersuchung. 22* 338 Die Muscineen. der Vorgang ein anderer. Es findet hier nämlich nicht ein Loslösen der einzelnen Zellen des Thallus von einander statt, das Zellgerüste desselben bleibt vielmehr erhalten, und die zweigetheilte Brutknospe wird (wahrscheinlich nachdem sie sich mit einer neuen Membran umgeben hat) durch einen kurzen Ruck aus der Mutterzelle entleert. Nachher findet man auf der Rückenseite derselben das Loch, durch welches die Brutknospe ausgetreten ist, im übrigen aber bleiben die Wände der Brutknospenmutterzelle intakt, mit Ausnahme der inneren Schichten derselben, durch deren Quellung ohne Zweifel die Brutknospe aus der Mutter- zelle hinausgedrängt wird. An dieser Brutknospenbildung betheiligen sich ganze, nahe am Scheitel gelegene Gewebecomplexe, die Oberfläche der Sprosse ist oft wie bestäubt mit diesen zweizelligen Brutknospen. Die Weiterentwicklung dieser Brutknospen erfolgt nach HOorMEISTER in ähnlicher Weise wie die unten zu be- schreibende Keimung der Sporen. In anderen Fällen werden die Brutknospen in besonderen Behältern, die bei den einzelnen Gattungen verschiedene Form haben, gebildet. So bei den Mar- chantieen Zunwlaria und Marchantia, ferner bei Dlasia. Auf der Rückenseite des Thallus stehen Behälter, welche bei Marchantia die Form eines nach oben offenen mit gefranztem Rande versehenen Körbchens haben bei Zunwlaria ist der Rand nur auf seiner einen, dem Vegetationspunkt abgekehrten Hälfte entwickelt, bei Blasia sind die Brutknospenbehälter flaschenförmig und besitzen einen langen, engen Hals, durch welchen die Brutknospen entleert werden. Die Entwicklung der Brutknospen der Marchantieen wird durch Fig. 7 dargestellt. Aus dem Grunde (B. 223.) Fig. 7. Brutknospenentwicklung von Marchantia polymorpha. st Stiel. Die Wände sind im Allgemeinen nach ihrer Entstehungsfolge numerirt (2 und 3 treten aber z. B. meist gleichzeitig auf. v und v, Vegetationspunkte der aus der Brutknospe sich ent- wickelnden Sprosse. Fig. VI als Beispiel einer Brutknospe, deren Hälften sich ungleich entwickelt haben, die linke ist stärker gewachsen, als die rechte. des Brutknospenbehälters sprossen Papillen hervor, die sich zunächst in zwei Zellen theilen, eine Stielzelle (st Fig. 7) und eine Endzelle. Die Figuren I bis V zeigen, wie die letztere sich zu einem flachen, in der Mitte mehrschichtiger Gewebekörper umformt, welcher die Brutknospe darstellt, deren Zellenanordnung ein instructives Beispiel für das Studium der Beziehungen zwischen Zellen- anordnung und Wachsthum bietet. Seitlich an der Brutknospe bilden sich zwei au u Die Lebermoose. 339 Einbuchtungen v und v,, hier liegen die Vegetationspunkte der zwei Sprosse, die aus der Brutknospe, wenn dieselbe aus dem Behälter entleert ist, hervor- gehen. Die Wachsthumsachse dieser Sprosse steht also rechtwinklig zur Längs- achse der Brutknospe.. Die Entleerung findet auch hier dadurch statt, dass ein sehr quellungsfähiger Schleim sich auf dem Boden der Behälter bildet, und so die Brutknospen allmählich herausdrängt. Dieser Schleim wird von Haaren geliefert, welche zwischen den Brutknospen im Behälter stehen, er ent- steht an denselben in ganz ähnlicher Weise wie an den »Keulenpapillen«, welche den Vegetationspunkt von Zellia, Aneura etc. mit einer Schleimschicht überziehen. — Ganz ähnlich wie die Brutknospen von Marchantia entstehen auch die von Zunularia; der Name der Pflanze rührt von der halbmondförmigen Gestalt der Brutknospenbehälter her. An den Brutknospen sind die Wurzelhaare schon ange- legt als farblose Zellen, welche durch das Gewebe der Brutknospe hindurchgehen. Die Brutknospen von B/asia sind viel kleiner als die der erwähnten Marchantieen. Sie haben annähernd kugelige Form, der Scheitel des Sprosses, der aus ihnen hervorgeht, ist nicht schon in der Anlage vorhanden. Ausser diesen in beson- deren Behältern entwickelten Brutknospen finden sich Brutschüppchen auf der Thallusoberseite, besonders an solchen Sprossen, welche weder Brutknospenbe- hälter noch Geschlechtsorgane tragen. Die Zelle, aus welcher der Spross hervor- geht, ist an der Basis der Schüppchen schon in einem frühen Entwicklungsstadium kenntlich. b) Die Brutknospen der foliosen Jungermannien können sowol auf den Blättern als auf den Stämmchen auftreten. Am häufigsten finden sie sich aber an den Blattspitzen, so z. B. bei Jungermannia ventricosa. Die Randzellen (weniger häufig die Flächenzellen) des Blattes wachsen zu Brutzellen aus, die hefeartige Sprossung zeigen. BERGGREN!) hat die Weiterentwicklung der Brut- körner zu jungen Pflänzchen beobachtet, sie scheint den Abbildungen nach im Allgemeinen mit der Keimung der Sporen übereinzustimmen. Bei Scapania nemorosa findet man an den Sprossen, welche Keimkörner produciren, bei den unteren Blättern nur die Spitze des Blattoberlappens mit Keimkörnern besetzt. Bei den weiter oben stehenden Blättern wird zuerst der Blattunterlappen in die Brutknospenbildung mit einbezogen, und je weiter man im brutkörnerbildenden Blattschopfe nach oben geht, desto mehr verkümmern die Blattflächen, bis end- lich an Stelle jedes Blattes eine Gruppe von Brutkörnern erscheint.?) Die blatt- bürtigen Brutknospen sind somit durch allmähliche Reduction der Blattflächen zu stengelbürtigen geworden. Die Stengelspitzen der brutknospentragenden Pflanzen, und zwar in der Regel die sterilen Exemplare — von Scapanıa nemo- rosa, Jungermannia bicuspidata, etc. sind dann ganz mit Brutkörnern bedeckt. Ebenso ist es bei den brutknospentragenden Stengelspitzen von Calypogeia Tricho- manes, ohne dass hier nach der Abbildung BERGGREN’S (a. a. O. Taf. IV, Fig. 25) keimkörnertragende Blätter vorhergingen. Die Brutknospen sitzen hier sogleich auf der Stengelspitze, unterhalb derselben befinden sich einige reducirte Blatt- anlagen. Während die eben betrachteten Brutknospen ein oder wenig (meist zwei-) zellige Körper waren, bilden sich am Blattrande von Aadula complanata aus ein- I) Jakttagelser öfver Mossornas könlösa fortplantning. Lund 1865, tab. IV. Der Text dieser Abhandlung ist mir — weil in schwedischer Sprache verfasst — unzugänglich. 2) Dieser Gruppe käme nach einer auch heute noch nicht ganz verschwundenen Anschauungs- weise die »Dignität eines Blattes« zu, andererseits besitzen die einzelnen Brutknospen aber auch die »Würde« von »Trichomen« u. s. w. u | * a SS Fr REIN S - EN ENERT RE ERTANT EI NEN. » 340 Die Muscineen. zelnen Zellen derselben vielzellige Zellscheiben, aus denen nach ihrer Loslösung vom Mutterblatte neue Pflanzen hervorgehen, ganz in derselben Weise, wie bei den durch Sporenkeimung entstandenen Keimscheiben. — Dass aus Blattflächen von Zophocolea etc. auch direkt neue Pflänzchen hervorgehen können, wurde oben schon erwähnt und derselbe Vorgang kommt nach gelegentlichen Beob- achtungen auch bei andern foliosen Jungermannien vor. — Eine noch grössere Mannigfaltigkeit findet sich bei der ungeschlechtlichen Propagation der Laub- moose, wie unten geschildert werden soll. Rückblick auf die vegetative Gliederung der Lebermoose. . Aus der vorstehenden Schilderung, der sich leicht noch weitere Einzelheiten beifügen lassen, geht hervor, dass die Lebermoose eine grosse Mannigfaltigkeit in ihrer vegetativen Gliederung besitzen; Habitus, Blattbildung und Verzweigung lassen sich nicht in ein Schema bringen, sondern treten auf in einer Anzahl von Formen, die unter sich durch Uebergänge verbunden sind. Was speciell die Vorstellungen betrifft, die man sich über die Art und Weise, wie dıe foliosen Formen aus den thallosen hervorgingen, bilden kann, so soll auf dieselbe bei Betrachtung der Keimungserscheinungen noch eingegangen werden. Hier mag noch einmal ein Umstand hervorgehoben werden, der für die Vegetationsorgane der Lebermoose sehr charakteristisch ist, die Thatsache nämlich, dass dieselben mit der alleinigen Ausnahme von Ziella und AHaplomitrium Hookeri dorsiventral gebaut sind, d.h. eine dem Lichte zugewendete Rückenseite besitzen, die anders organisirt ist, als die dem Substrate zugewendete Bauchseite. Im einfachsten Falle äussert sich diese Dorsiventralität dadurch, dass nur die Bauchseite Rhizoiden producirt, und oben am Vegetationspunkt Keulenpapillen stehen, während auf der Rückenseite die Geschlechtsorgane entspringen, so z. B. bei Zellia, Aneuraetc. Nach deninteressanten Ergebnissen, welche LeirGEg bei Untersuchung der Farnprothallien erzielt hat, kann es wol kaum einem Zweifel unterliegen, dass auch bei den thallosen Leber- moosen das Licht einen bestimmenden Einfluss auf die Dorsiventralität der thallosen Lebermoose ausübt, d. h., dass diejenige Seite zur Rhizoidseite wird, welche dem Lichte abgewendet ist. In der That hat sich auch bei Versuchen, welche Dr. ZIMMERMANN im SacHs’schen Laboratorium in Würzburg unternahm, herausgestellt, dass dies sogar bei den Marchantieen der Fall ist. Hier ist die Dorsiventralität eine viel ausgeprägtere als bei den thallosen Jungermannien, die Rückenseite besitzt in ihrer Lufthöhlenschicht ein scharf charakterisirtes Gewebe, die Bauch- seite producirt Schuppenlamellen und Rhizoiden. An den Brutknospen von Marchantia und Zunularia ist diese Dorsiventralität noch nicht ausgebildet, sie besitzen vielmehr zwei gleiche Seiten. Jede von denselben kann zur Rücken- oder zur Bauchseite werden,!) die Entscheidung darüber hängt von äusseren Faktoren, speciell von der Beleuchtung ab. Unter normalen Verhältnissen bildet immer die dem Substrate zugekehrte Seite Wurzelhaare. Ist die Dorsiventralität einmal eingeleitet, so ist sie auch inhärent, und dreht man einen jungen Spross nun um, so dass also seine frühere Rückenseite zur Bauchseite wird, so krümmt er sich so lange, bis seine ursprüngliche Rückenseite wieder zur Lichtseite geworden ist. Sä’tt man Marchantia-Brutknospen auf Wasser resp. Nährstofflösung aus, und beleuchtet dieselben durch einen Spiegel von unten, während die Seitenwände und die Oberfläche des Glasgefässes umdunkelt sind, so wird die dem Lichte zugewendete Unterseite bei hinreichender Lichtintensität zur spalt- ') Vergl. Mirser a. a. O.; PFEFFER, Studien über Symmetrie und specifische Wachsthums- ursachen, Arb. des bot. Instituts in Würzburg, herausgeg. v. SacHs. I. Bd., pag. 77 ff. Pd Die Lebermoose. 341 öffnung- und lufthöhlenführenden Thallusseite des aus der Brutknospe heivor- gehenden Sprosses. Es zeigt sich also, dass das Licht darüber entscheidet, welche der beiden Flächen der Brutknospen zur assimilirenden oder stoffleitenden wird. Auch der Wuchs der dorsiventralen Lebermoose steht in Beziehung zum Lichte. Sie stellen sich bei gewöhnlicher Beleuchtung senkrecht zur Richtung der einfallenden Lichtstrahlen, bei schwachem Lichte wachsen sie der Lichtquelle zu, sind positiv heliotropisch. Die Geschlechtsorgane der Lebermoose werden wie in der Einleitung erwähnt, als Antheridien und Archegonien bezeichnet. Die ersteren, welche die Behälter darstellen, in denen die Spermatozoiden sich bilden, sind kugelige oder ellipsoidische, kürzer oder länger gestielte Zellkörper, die aus einer Wandschicht und einem Innengewebe (vergl. Fig. 8 C) der Mutterzellen der Spermatozoiden Fig. 8. (B. 2%.) Marchantia polymorpha. Nach Sachs: A Thallusstück mit zwei verschieden alten Antheridienständen, B senkrechter Längsschnitt durch einen noch fortwachsenden Antheridienträger, hu, und den Thallus t aus dem er entspringt, bb Schuppen, h Rhizoiden in einer Bauchrinne des Antheridienträgers, oo die Oeffnungen der Höhlen, in denen die Antheridien (a) sitzen. C ein beinahe reifes Antheridium; st dessen Stiel, w die Wandung, D zwei Spermatozoiden, diese 800 mal vergrössert. bestehen. Die Entleerung der letzteren findet bei Wasserzutritt statt. Durch die Quellung der Wände der Spermatozoidenmutterzellen werden die Zellen der Wand am Scheitel des Antheridiums auseinander gedrängt, und die Spermatozoiden- mutterzellen werden entweder ruckweise einzeln oder als Brei entleert, der oft durch die Explosion des Antheridiums weggeschleudert wird, wie dies z. B. bei Frullania dilatata, das fast zu jeder Jahreszeit Geschlechtsorgane trägt, leicht zu beobachten ist. Im Wasser isoliren sich die Spermatozoidmutterzellen, und die Spermatozoiden werden frei. Sie haben die Form von dünnen, 1—3 mal schraubig gewundenen Fäden (s. Fig. 8 D), die am Vorderende mit zwei langen sehr feinen Cilien versehen sind, mittelst deren sie sich im Wasser rotirend und schwimmend bewegen. Die Befruchtung, d. h. das Eindringen der Spermato- zoiden in das Archegonium und die Vereinigung derselben mit der Eizelle ist nur möglich bei Gegenwart von Wasser, und meist werden wohl durch Wasser- tropfen die Spermatozoiden in die Nähe der Archegonien geschwemmt. Dies wird bei der baumbewohnenden /rullania dadurch erleichtert, dass häufig männ- liche Pflanzen oben, weibliche unten am Baume wachsen, und so die Sperma- tozoiden durch Regenwasser herabgeschwemmt werden können. Nicht selten findet man auch kleine Thiere, z. B. Milben mit Tropfen von Spermatozoiden- 342 Die Muscineen. brei behaftet, und sie können so die Spermatozoiden auf die Archegonien über- tragen. Thatsache ist jedenfalls, dass die Bildung von Sporogonien, wo männ- liche und weibliche Pflanzen durcheinanderwachsen, eine sehr reichliche ist. Parthenogenetische Erscheinungen sind bei den Lebermoosen so wenig bekannt als bei den Laubmoosen. Zunwlaria vulgaris z. B. wurde schon im Mittelalter aus Italien nach Deutschland eingeschleppt, wahrscheinlich an Orangebäumen. Zufällig waren es aber nur weibliche Exemplare, — die männlichen sind auch im Süden seltener — und so bringt denn die Pflanze die in Gärten an Steinen, auf Blumentöpfen etc. gut gedeiht und sich reichlich durch Brutknospen vermehrt, zwar alljährlich Archegonien, nie aber Früchte hervor. — Am kleinsten sind die Spermatozoiden bei den Marchantiaceen, am grössten bei Zellia calycina, doch habe ich darüber keine genaueren Messungen angestellt. Sie bilden sich in Ein- zahl in jeder Mutterzelle, und zwar, wie es nach gelegentlichen Beobachtungen bei Zellia (wo sich die Mutterzelle kurz vorher in zwei Tochterzellen theilt, deren jede ein Spermatozoid bildet) scheint, in derselben Weise wie SCHMITZ sie für die Ent- stehung der Spermatozoiden von Chara angegeben hat.!) Darnach ist die früher gel- tende Annahme, dass bei Bildung der Spermatozoiden der Zellkern der Mutterzelle aufgelöst werde, nicht richtig. Der Zellkern bildet vielmehr durch direkte Um- gestaltung den Körper des Spermatozoids, indem seine peripherische Schicht sich verdichtet und zu einem ringförmigen, resp. spiralig eingerollten Bande sich spaltet, während der mittlere Theil des Kernes sich auflockert, und zu dem sogen. farblosen Bläschen sich ausbildet, welches die freigewordenen Spermato- zoiden an ihrem Hinterende nachschleppt. Nur das vordere cilientragende Ende des Spermatozoids geht nach Schamirz (sicher wenigstens bei den Chara- ceen) aus dem den Kern umgebenden Plasma hervor, der grösste Theil des ganzen Spermatozoids aber entsteht aus dem Zellkern selbst. Die Entstehung der Spermatozoiden erinnert somit sehr an die bei den Thieren sich findenden Vorgänge bei der Spermatozoidbildung. Da wir wissen, dass der Zellkern eine andere stoffliche Beschaffenheit hat, als das übrige Plasma,?) so ist die über- wiegende Betheiligung des Kerns bei der Spermatozoidbildung jedenfalls auch von hervorragendem physiologischen Interesse. Die Zelltheilungsfolge bei Entstehung der Antheridien zeigt bei den einzelnen Gruppen mehrfache Verschiedenheiten, auf die wir hier aber nicht näher ein- gehen. können. Gemeinsam ist allen, dass das Antheridium hervorgeht aus einer papillenförmigen Hervorwölbung einer Zelle. Diese Papille wird durch eine (Juerwand abgetrennt und zerfällt nun in eine untere Zelle, aus der der Stiel und eine obere, aus der das Antheridium selbst hervorgeht. Auf die Stellung der Antheridien wird unten zurückzukommen sein. Auf sehr übereinstimmende Weise erfolgt dagegen der Aufbau der Arche- gonien. Auch die scheinbar sehr abweichenden von Anthoceros unterscheiden sich im Grunde nur dadurch von den übrigen, dass sie im Gewebe des Thallus ver- senkt sind. Gewöhnlich aber sind die Archegonien abgegliederte flaschenförmige, am Grunde bauchig angeschwollene Organe, über deren Struktur in der Einleitung schon das Wesentliche mitgetheilt worden ist. Auch die Archegonien gehen immer hervor aus ÖOberflächenzellen; eine derselben wächst wie bei Bildung eines Haares papillenförmig aus, die Papille wird abgetrennt und gestaltet sich !) Sitz.-Ber. der niederrh. Ges. für Naturw. Heilk. zu Bonn. 13. Juli 1880, pag. 31. des Sep.-Abdr. *) ZACHARIAS, Ueber die chemische Beschaffenheit des Zellkerns. Bot. Zeit. 1881, pag. 169 ff. a en ra NL a a Te Pe ER Se Oase Er Zen a Er a ee 1 a a Pa LS BE ae 4 ’ Bag, Ef" . = Die Lebermoose. 343 nun entweder direkt zum Archegonium wie bei Aiccia, oder es wird zunächst eine basale Stielzelle abgegliedert und die obere Zelle zur Archegonienbildung ver- wendet. Durch drei Längswände, zwei Antiklinen und eine Perikline (s. Fig. 9 B) Fig. 9. (B. 225.) A Längsschnitt durch einen jungen Hut von Marchantia polymorpha mit Arche- gonien verschiedener Entwicklung, b Bauchkanalzelle. B Junges Archegonium von oben. C Unterer Theil eines Archegoniums von Zreissia commutata wit Embryo, im Längsschnitt. pp die das Archegonium umwachsende Hülle. zerfällt die Archegonienmutterzelle in vier Zellen: eine innere und drei äussere; die äusseren Zellen werden noch durch eine Anzahl von Längswänden gespalten, die mittlere zerfällt durch eine Querwand in eine obere, die sogen. Deckelzelle und eine untere. Nachdem die Archegonienanlage etwas in die Länge gewachsen, werden sowol die peripherischen Zellen als die innere quer getheilt. Das Arche- gonium ist so in zwei Theile zerfallen, einen unteren, der zum Bauch- und einen oberen, der zum Halstheile wird. Betrachten wir zunächst die Veränderungen, die in dem letzteren vor sich gehen, so ist zu bemerken, dass durch Quer- theilungen der innern Zelle und der äussern, der Wandzellen des Halstheiles, der Hals in vier Stockwerke zerfällt. Er besteht also nun aus einer Reihe von vier inneren übereinander gestellten Zellen, welche als Halskanalzellen bezeichnet werden und aus den äusseren Zellen, den Wandzellen des Halses. Auch in der Deckelzelle, welche das Archegonium nach oben abschliesst, sind unterdessen IE 344 Die Muscıneen. NE Veränderungen vor sich gegangen, sie hat sich durch zwei über’s Kreuz gestellte Wände in vier quadratisch gelegene Zellen getheilt, die sich später durch weitere Spaltungen noch vermehren. Die innere Zelle des Bauchtheils des Archegoniums wird zur Eizelle, nachdem sie durch eine nach unten convexe Wand eine kleine Zelle, die Bauchkanalzelle (Fig. 9A b) von sich abgetrennt hat. Die junge Eizelle selbst vergrössert sich bedeutend, die Wandzellen folgen dieser Vergrösserung unter entsprechender Vermehrung ihrer Zahl. Ist das Archegonium reif, so verschleimen zunächst die Querwände der Halskanalzellen, dann auch der innere Theil der Seitenwände derselben, während die Plasmareste im Halskanal zu einem dünnen Strange zusammengepresst inmitten derselben liegen. Halten die Deckelzellen den steigenden Druck des quellenden Schleimes im Halskanal nicht mehr aus, so werden sie auseinandergedrängt, der Schleim quillt hervor, und stösst zu- gleich den Plasmastrang aus. Die Eizelle liegt als freier Protoplasmaballen im Bauchtheil des Archegoniums. In dem Schleim der an der Mündung der Arche- gonien liegt, fangen sich die umherschwärmenden Spermatozoiden, und dringen dann durch den Halskanal bis zur Eizelle vor. Diese hat an ihrem oberen Ende einen helleren Fleck, den Befruchtungsfleck, hier trifft das Spermatozoid auf das Eı und verschmilzt mit demselben. In Folge der Befruchtung umgiebt sich die Eizelle mit einer Membran und aus dem weiteren Wachsthumsprozess dieser Zelle geht das Sporogonium hervor. — Die Entwicklung des Sporogons soll unten ver- gleichend vorgeführt werden, hier haben wir zunächst noch die Stellung und Vertheilung der Geschlechtsorgane in’s Auge zu fassen. Die Vertheilung der Geschlechtsorgane ist eine monoecische oder dioecische. Dioecisch ist z. B. der kleine SpAaerocarpus terrestris, und die männliche Pflanze ist hier etwas kleiner als die weibliche, ein Verhältniss, das sich bei manchen Laubmoosen excessiv steigert. Was zunächst a) die thallosen Formen betrifft, so stehen die Geschlechtsorgane immer auf der Rückenseite des Thallus und zwar, wo eine Mittelrippe vorhanden ist, an oder zunächst derselben. Aiella macht natürlich auch hier eine Ausnahme. Die Antheridien, deren Rand orange- roth gefärbt ist, sitzen am Rande des Flügels, die Archegonien beiderseits des- selben, aber mehr nach innen (vergl. Fig. 1). Bei den übrigen thallosen Formen ist es entweder ein gewöhnlicher T'hhallusspross, welcher Geschlechtsorgane trägt, oder es erfahren bestimmte Theile oder ganze Sprosse des Thallus eine Um- formung zu Antheridien- oder Archegonienständen. Die Archegonien bilden sich zwar in unmittelbarer Nähe des Scheitels, aber nie aus den Zellen des letzteren selbst, wie dies bei den foliosen Jungermannieen der Fall ist. LEITGER » benützt diese Eigenthümlichkeit um die Jungermannieen einzutheilen in akrogyne, d. h. solche, bei denen aus der Scheitelzelle selbst ein Archegonium gebildet wird, wie dies bei sämmtlichen foliosen Formen mit Ausschluss von Aaplomitrium geschieht, und in anakrogyne, d. h. solche, bei welchen die Archegonien nicht direkt aus dem Scheitel entspringen: sämmtliche thallose Formen und Haplo- mitrium. — Diejenigen Archegonien tragenden 'T'hallussprosse, die nicht zu besonderen Archegonienständen umgebildet sind, stellen ihr Wachsthum mit dem Eintreten der Archegonienbildung entweder ein, wie z. B. bei D/asia, oder sie sistiren es nur, wenn ein Archegonium befruchtet wird, um dann wieder weiter zu wachsen und eventuell neue Archegonien zu produciren, so ist es bei Fossombronia. Von dem erwähnten Verhalten der fertilen Sprosse von Blasia nur wenig verschieden ist die Bildungsweise der Geschlechtssprosse von Aneura. Bestimmte 'Thalluszweige bleiben hier in ihrem Wachsthum den andern vegetativen re Die Lebermoose. 345 gegenüber zurück, und kommen in Folge dessen seitlich an den Rand des Thallus zu stehen, der Bauchseite derselben etwas genähert. Diese Sprosse produciren Archegonien oder Antheridien, männliche und weibliche Sprosse können entweder auf derselben Pflanze (A. multifida) oder auf verschiedenen Individuen (4. palmata) erscheinen. Die Antheridien stehen in akropetaler Reihenfolge am Geschlechts- spross und sind dem Gewebe desselben eingesenkt. Dieselbe Entstehungsfolge, wie die Antheridien, zeigen auch die Archegonien. Dieselben sind auf doppelte Weise geschützt, einmal dadurch, dass eine Anzahl von Haaren zwischen ihnen steht, und dann durch eine Hülle, welche den Archegonienstand umgiebt. Diese Hülle ist nichts anderes, als der aufgestülpte Sprossrand des Geschlechtssprosses. Wir übergehen eine Anzahl ähnlicher Fruchtsprosse und erwähnen hier nur noch die von Metzgeria. Hier sind es nicht aus der Endverzweigung des Thallus her- vorgegangene Sprosse, die zu Trägern der Geschlechtsorgane werden, sondern diese entstehen ausnahmslos als Adventivsprosse auf der Mittelrippe des Thallus. Sie sind um die auf ihrer Dorsalseite stehenden Geschlechtsorgane zu schützen so sehr concav gekrümmt, dass sie das Ansehen einer blattartigen Hülle gewinnen. Bei den Formen, die keinen solchen Fruchtspross besitzen, wird der Schutz der Geschlechtsorgane auf andere Weise erreicht. Vor Allem durch Versenken derselben in den Thallus und dann durch besondere Wucherungen des letzteren, die in Form einer Hülle ausgebildet werden. Bei Zelia z. B sprosst während der Ent- wicklung der ersten Archegonien aus der Rückenseite des 'Thallus eine dünne Lamelle von Zellgewebe hervor, welche schliesslich eine die Archegonien um- schliessende, vorn offene taschenförmige Hülle (Involucrum) bildet. Bei Sym- phyogyna, Blyttia, Moerkia etc. sind die Antheridien von blattartigen Schüppchen gedeckt, die ebenfalls nichts andres sind als Thalluswucherungen. Bei Fossom- bronia und Haplomitrium stehen die Antheridien frei auf der Oberfläche des Stengels, in der Gipfelknospe sind sie durch die Blätter derselben geschützt. Bei Sphaerocarpus werden die Geschlechtsorgane nicht in den T'hallus versenkt, sondern über der Oberfläche derselben angelegt. Gleichzeitig mit einem jungen Antheridium aber wachsen auch die ringsumliegenden Zellen wallartig empor. Die. Hülle überwuchert den Scheitel des jungen Antheridiums und endet ın einen zitzenförmigen Fortsatz, an dessen Spitze sich eine Oeffnung befindet. Eine ähnliche Hülle besitzen auch die Archegonien, und zwar entwickelt sich dieselbe auch an unbefruchteten Archegonien, im Gegensatz zu den Hüllen der Archegonien der Marchantieen, welche vor der Befruchtung nur einen kurzen Saum an der Basis der Archegonien bilden und auf diesem Stadium auch stehen bleiben, wenn das Archegonium nicht befruchtet wird, ist aber das letztere der Fall, so zeigen sie ein mächtiges Wachsthum und umwachsen die Archegonien. Es erinnert dies Verhältniss an das der Ovula mancher Angiospermen: während dieselben gewöhnlich unabhängig von der Befruchtung ihre volle Entwicklung gewinnen, ist bei den Orchideen z. B. Bestäubung nöthig, wenn das zur Zeit der Bestäubung noch rudimentäre Ovulum seine volle Entwicklung erlangen soll. Ebenso werden bei B/asia die Archegonien erst nach der Befruchtung in’s Gewebe versenkt, bei Anzhoceros aber treten sie auch in der Anlage gar nicht über die Thallusoberfläche hervor, abgesehen davon aber, dass die Archegonmutterzelle in’s Thallusgewebe versenkt ist, also auch der Archegonienhals nicht über den Thallus hervorragt, sondern mit dem Gewebe desselben verbunden ist, stimmt die Archegonentwicklung von Anthoceros mit der der übrigen Lebermoose im Wesentlichen überein. 346 Die Muscineen. Wie in dem anatomischen Bau ihres Thallus, so weichen die Marchantiaceen auch bezüglich ihrer Fruchtstände, oder wie LEITGEB dieselben neuerdings genannt hat, ihrer Inflorescenzen von den übrigen thallosen Formen ab. Die niedrigstehenden Glieder der Marchantiaceenreihe, die Riccien, verhalten sich bezüglich der Anordnung ihrer Geschlechtsorgane freilich noch durchaus ähnlich wie die thallosen Jungermannien, z. B. Z/ellia. Hinter dem Scheitel werden auf der Rückenseite des T'hallus Archegonien oder Antheridien angelegt und die- selben sofort in den Thallus versenkt. Der hierbei stattfindende Wachsthums- vorgang ist ein ganz ähnlicher wie der, welcher zur Bildung der oben beschriebenen Luftkammern führt: die Stelle, wo die Archegonien resp. Antheridienanlage sich befindet, nımmt am Dickenwachsthum der Thallusrückenseite ferner keinen Theil und wird so vom angrenzenden Gewebe umwallt. Stehen nun die Geschlechtsorgane sehr nahe zusammen und wachsen überdies die zwischen ihnen befindlichen Oberflächenzellen zu Haaren aus, so trifft dieses Zurückbleiben eine grössere Fläche, es bildet sich eine Grube in der Thallusrückenseite, in welcher die Geschlechtsorgane stehen. So entstehen die grubenförmigen Ver- tiefungen, welche die Archegonienstände von Corsinia und Boschia bergen, sie haben von oben gesehen unregelmässige Begrenzung und sehen bei Corsinia aus wie kleine Löcher, welche etwa durch ein spitziges Instrument auf der Thallusrückenseite verursacht worden sind. — Auch bei den Marchantieen (im engern Sinn) findet sich diese einfache Form von Inflorescenzen noch bei Clevea hyalina und öfters auch bei Sauferia alpina. Die Antheridien stehen auf der Rückenseite eines gewöhnlichen Thallussprosses, der .mit der Anlage der Antheridien sein Wachs- thum durchaus nicht abschliesst. — Bei andern Gattungen stehen die Antheridien in Gruppen auf der Rückenseite des Thallus zusammen. — Jedes Antheridium ist dem Thallusgewebe tief eingesenkt und die Gesammtheit derselben erscheint als kleine über das andere Thallusgewebe etwas hervorragende Scheibe. So z. B. bei Grimaldia und Reboulia. Die Oberfläche der Scheibe ist mit kleinen Höckern besetzt, in welchen die Ausführungsgänge der Antheridien münden. Der Sprossscheitel selbst hat mit der Bildung der Anheridienscheibe nichts zu thun, sein Wachsthum wird aber durch das Auftreten derselben zeitweilig oder dauernd sistirt (Aeboulia). Die Antheridienscheibe erscheint dann endständig an einem "T'halluszweig, der Vegetationspunkt des letzteren liegt am Vorderrande der Scheibe zwischen Schuppen versteckt, in manchen Fällen aber kann er auch wieder weiter wachsen. Dagegen ist dies nie der Fall bei den Antheridienständen von Zunularia, dieselben stehen daher endständig an einer Auszweigung des Thallus, die von dem vegetativen Gabelzweige zur Seite gedrängt wird. Aehn- lich ist es bei Duvalia, auch hier sind die Antheridienstände endständig, ihre Anlage erfolgt unmittelbar nach einer Gabelung. Es werden aber immer beide Gabelzweige fertil und legen Stände an, die demselben oder verschiedenem Geschlechte angehören können. — Duvalia bildet den Uebergang zu den Ständen, die aus einem ganzen Verzweigungssysteme hervorgehen. Dies ist der Fall bei Zegatella, Preissia und Dumortiera. Der fertil werdende Scheitel theilt sich vor Anlage der Antheridien mehrmals hintereinander und der ganze Complex von Scheiteln wird nun fertil. Solche zusammengesetzte Stände sind, abgesehen von der grossen Anzahl der Antheridien dadurch charakterisirt, dass die Geschlechtsorgane nicht mehr vom hintern Ende des Standes nach vorne successive jünger werden — wie dies bei der gewöhnlichen akropetalen, gegen einen Scheitel hin gerichteten Entwicklungsfolge naturgemäss der Fall ist, — BEN \. ze ‚eine Art (7. Michelii) auch in Deutschland ig Die Lebermoose. 347 sondern dass eine centrale Anordnung hervortritt (vergl. Fig. 8 A), im Centrum der Scheibe finden sich die ältesten Antheridien und von dieser Stelle nach der Peripherie — gegen die Vegetationspunkte hin — verlaufen Gruppen successive jünger werdender (s. Fig. 8A). Eine solche aus einem ganzen Zweigsystem bestehende Antheridienscheibe verhält sich also, wie LEITGEB hervorhebt, voll- kommen wie ein wiederholt gabelig verzweigter Thallus derjenigen Lebermoose, denen man strahligen Wuchs zuschreibt, wie z. B. Anthoceros und viele Kiccia- Arten. Auch diese bilden kreisrunde, aus wiederholt gegabelten Strahlen zu- sammengesetzte Scheiben, deren ältestes Gewebe natürlich im Centrum liegt. Diese Zusammensetzung der Antheridienstände tritt bei Zegatella, wo dieselben rundliche, dem Thallus aufsitzende Scheiben vorstellen, viel weniger hervor, als bei den strahligen Inflorescenzen von Zreissia und Marchantia (s. Fig. 8). Der Aufbau einer solchen Marchantieeninflorescenz soll unten bei der Betrachtung der ähnlichen weiblichen Inflorescenz näher betrachtet werden, hier soll nur noch kurz betont werden, wie deutlich die Entstehung der Inflorescenzen der männlichen »Hüte« der Marchantien auch im fertigen Zustand zuweilen noch ist. In Fig. ı0 sind die Umrisse der Oberfläche zweier männlichen Hüte gegeben, die wie erwähnt ein aus Dichotomie hervorgegangenes Sprosssystem darstellen, v, vg u. s. w. stellen hier die an der Peripherie der Hutfläche liegenden Vegetationspunkte des Sprosssystems dar, M, M, etc. die sie trennenden Mittellappen, welche als Strahlen der Scheibe erscheinen, worauf bei den weiblichen Inflorescenzen noch näher eingegangen werden soll. Was die weiblichen Inflorescenzen der Marchantieen betrifft, so stimmen die Riccien mit manchen thallosen Jungermannien darin überein, dass die Archegonien einzeln auf der Rückenseite gewöhnlicher Thallussprosse stehen. Bei der Marchantiee Zargionia, von der vorkommt (in Menge z. B. bei Schriesheim an der Bergstrasse)!) stehen die Archegonien auf dem verbreiterten Scheitel eines Sprosses, der damit sein Wachsthum abschliesst. Bei Corsinia Nas (B. 226.) und 2oschia befinden sich die Archegonien Umrisse zweier spärlich entwickelten 1 m ; männlichen Inflorescenzen von Mar- in Gruppen vereinigt in Gruben. In der antia polymorpha. St Stielinsertion, Mitte der Archegoniengruppe von Corsinia Y,Yv, U. s. w. Vegetationspunkte, MM, bildet sich ein Höcker mit Luftkammern NGETEDRe; und Athemhöhlungen, der mit den Archegonien herauswächst, so dass die- selben schliesslich in nischenartige, seitliche Aushöhlungen desselben zu stehen kommen, und von Gewebelamellen überdacht werden, die auf dem obern Rande des Höckers entspringen. Auch eine Anzahl Marchantieen tragen ihre Fruchtstände mitten auf dem Thallus, hier bildet sich der Höcker aber viel früher und die Archegonien stehen auf demselben, so z. B. agiochasma und C/evea, 3—4 Archegonien stehen bei ersterer Gattung auf einem unten ein- geschnürten oben abgerundeten Höcker. Derselbe ist umsäumt von Hüllschuppen, die durch Auswachsen einer Thallusoberflächenzelle entstehen. Kurz vor der Fruchtreife wird der Stand dadurch, dass der basilare, eingeschnürte Theil zu einem Stiele sich verlängert, emporgehoben, bei manchen Plagiochasma-Arten so ER ! 5 2 x Y ! Ms M,; !; In Italien ist die Pflanze gemein, schon bei Meran bedeckt sie viele Weinbergsmauern. 348 Die Muscineen. wenig, dass der Fruchtkopf eben nur aus der Fruchtgrube auf die Oberfläche des Laubes gerückt wird, während bei C/evea der Träger eine ganz bedeutende Länge erreicht. Die Archegonienstände!) der: besprochenen beiden Gattungen sind also — im Unterschied von den später zu besprechenden — nichts weiter als dorsale Wucherungen des Thallus, an deren Bildung der Thallusscheitel nicht betheiligt ist, vielmehr wächst er nach der Anlage der Archegonienstände weiter. — Sauteria hat eine ganz ähnliche Bildung des Archegonienstandes, nur wächst hier der Scheitel nach Anlage der Archegonien nicht mehr weiter, er wird in die Bildung des Blüthenbodens gewissermassen mit hineingezogen. Wenn dieser sich nämlich zur Kopfform entwickelt, liegt die halsartige Einschnürung unterhalb des Scheitelrandes, der dann bei der Stielbildung mit emporgehoben wird. Der Stiel ist hier also eine direkte Fortsetzung der Sprosse, und besitzt auch wie diese eine Rücken- und eine Bauchseite, letztere durch das Vorhandensein von Zäpfchenrhizoiden ausgezeichnet; sie erfüllen eine Rinne, die dadurch entstanden ist, dass der den Stiel bildende Thallustheil gegen die Bauchseite hin eingeschlagen ist. — Ganz ebenso verläuft die Bildung der Frucht- böden bei Zömbdriaria, Duvalia, Grimmaldia und Keboulia. Meist werden drei bis vier Archegonien gebildet, sie werden wie bei /Zagiochasma auf der Ober- (Rückenseite) des Standes angelegt, und später auf dessen Unterseite gerückt, wobei der Halstheil nach oben gekrümmt ist, um den Zutritt der Spermatozoiden zu erleichtern. — Gelegentlich kann auch bei diesen Pflanzen der Thallusscheitel weiter wachsen, dann kommen die Archegonienstände wie bei Pagiochasma auf den Rücken des Thallus zu stehen. Bei den übrigen Marchantieen stellen die Fruchtstände Zweigsysteme dar wie die letzte Kategorie der oben beschriebenen Antheridienstände. — Bei Zunwlaria entstehen durch wiederholte Gabelung vier Scheitel, deren jeder sogleich eine Archegoniengruppe ent- _ wickelt, so dass also den vier Scheiteln auch =) vier Archegoniengruppen entsprechen. Viel reicher verzweigt sind die Inflorescenzen von Preissia und Marchantia (s. Fig. ı1), die aus einer strahligen Scheibe bestehen, deren Unter- seite die Archegonien trägt, und aus einem langen Stiele. Es ist aber die Scheibe kein radiäres, sondern ein symmetrisches (zygo- morphes) Gebilde. Der Stiel ist bei M. poly- Kay ‚ch morpha nicht central, sondern näher dem Hinter- Oberer Theil einer weiblichen Inflores- x . . . . . den? von: Morchantia olymorbha, nach rande der Scheibe inserirt. Ebenso ist es bei SacHs, von unten seitlich gesehen, den männlichen Hüten, wie in Fig. 10 besonders etwa 6mal vergrössert; st Stiel mit deutlich hervortritt. Der Hut B Fig. 10 ist ent- zwei Bauchrinnen, sr Strahlen des Hutes ’ ; F (die umgeschlagenen Mittellappen des standen, indem einer der beiden, aus der ersten Sprosssystems), pe die zwischen ihnen Dichotomie der Inflorescenzanlage entstandenen stehenden Hüllblätter, f Sporogonien. Snrosse sich nochmals gabelt, in Folge dessen befinden sich an der Hutscheibe 3 Vegetationspunkte, wir haben es hier also mit einer (B. 227.) Fig. 11. !) Auf Stellung, Umhüllung etc. der Archegonien kann hier nicht näher eingegangen werden, es genügt, diese Verhältnisse in dem einen Beispiel von Marchantia zu betrachten. Die Lebermoose. 349 sehr kümmerlichen Inflorescenz!) zuthun, wieschondie VergleichungmitFig.8A zeigt. Die mit Athemöffnungen versehene Rückenfläche des Trägers geht zwischen zwei Strahlen, die kürzer sind als die übrigen in die Scheiben- (oder Schirm-)oberfläche über, und zwischen diesen beiden Strahlen fehlt die Archegongruppe, und somit eine die sie umgebende Hülle.?) Diese Stelle ist es eben, welche dem Ausgangs- punkt des Verzweigungssystems, d. h. dem ursprünglichen Verbindungsstücke des in Gabelung eingetretenen Achsenscheitels mit der Dorsalfläche des Laubes ent- spricht. — Auch bei den männlichen Inflorescenzen von Marchantia ıst oft deutlich eine symmetrische Ausbildung bemerkbar.®) Ueberblicken wir den Gang der Differenzirung in der Ausbildung der Fruchtstände, so sehen wix die Anfangs- und Endformen durch vermittelnde Zwischenformen in fast lückenlosen Zusammenhang gebracht. Anfangs unregel- mässige Vertheilung der Geschlechtsorgane auf der Rückenseite gewöhnlicher Thallussprosse oder wenigzellige, in akropetalen Reihenfolge entstandene Gruppen unmittelbar hinter dem Scheitel (Zargionia), dann Vereinigung derselben in Gruppen (Doschia), Schutz der Archegonien durch eine centrale Wucherung, dieser Höcker wird fernerhin das Primäre, die Archegonien stehen auf ihm, bilden aber immer noch Stände, die nur Gruppen darstellen, welche auf dor- salen Thalluswucherungen sitzen. Wir sehen die Scheiben bei Plagiochasma und Clevea zum Zwecke der Sporenaussaat gestielt werden, sie rücken ferner im Lauf der Entwicklung dem Thallusscheitel immer näher, wir sehen denselben in die Bildung der Fruchtscheibe mit hineingezogen bei Sauferia, hier aber zunächst noch gewissermassen passiv mit emporgehoben, endlich bildet der Scheitel Verzweigungen, die nun in ihrer Gesammtheit zum Fruchtstande werden. Eine solche Inflorescenz von Marchantia ist ein ziemlich complicirtes Gebilde. Es besteht, wie oben erwähnt aus der, in eine Anzahl von Strahlen zerfallenden Scheibe und dem Stiel. Es mag hier gleich bemerkt sein, dass die Befruchtung vor sich geht zu einer Zeit, wo der Stiel der Inflorescenz noch so kurz ist, dass die Scheibe derselben fast unmittelbar dem Thallus aufsitzt. Die Halstheile der Archegonien, die am Rande der Inflorescenz sitzen, sind dabei nach aufwärts ge- krümmt. Da auf jede Archegoniengruppe eine Rinne der Hutoberfläche zu- führt und die Archegonienhülle sich bei den meisten Formen nach oben krümmen, so ist, wenn ein mit Spermatozoiden versehener Wassertropfen auf die Ober- fläche des weiblichen Hutes gelangt, die Befruchtung sehr erleichtert. Die erhebliche Streckung des Stieles tritt erst ein, wenn die Empfängnissbereitschatt vorüber ist, sie erfolgt aber auch bei Inflorescenzen, in denen kein Archegonium befruchtet worden ist. Wir werden wohl kaum irren, wenn wir annehmen, dass der Inflorescenzstiel der Marchantieen hier dieselbe Function hat, wie der lange Stiel der einzelnen Sporangien der Jungermannieen, die Function nämlich, die Ausstreuung der Sporen zu erleichtern. Die Sporenkapseln der Marchantieen selber sind nämlich nur kurz gestielt, und zudem auf der Unterseite der Scheibe inserirt, so dass für die Verbreitung der ‘Sporen schlecht gesorgt wäre, wenn 1) Die Pflanzen wuchsen an einem nicht sehr günstigen Standort, einem Wiesengraben an der Parthe. 2) Betrefis einer interessanten Missbildung, bei welcher an Stelle der Archegonien Brut- knospenblätter aufgetreten waren, vergl. LEITGEB, Bot. Zeit. 1878, pag. 747- 3) In der lange vor dem Bekanntwerden dieses Verhältnisses (durch LINDBERG) gezeichneten Fig. ı1 ist dasselbe nicht deutlich wahrzunehmen. Vergl. dagegen THURET, ann. d. scienc. nat. Suser. tab. 12. fie. 1. 350 : Die Muscineen. die Scheibe dem Thallus unmittelbar aufsitzen würde. Derartige unvollkommene Einrichtungen treffen wir in der That bei den einfachsten Gliedern der Marchantieenreihe, wie z. B. den Riccien, wo die Sporen erst durch die Ver- witterung des Thaliustheiles frei werden, der die reifen Sporogonien trägt. Welche Einrichtungen innerhalb des Sporangiums selbst die Ausstreuung der Sporen erleichtern, das soll unten mitgetheilt werden. — Der Stiel der Mar- chantieeninflorescenz besitzt zwei mit Rhizoiden erfüllte Rinnen (s. Fig. ıı), ein Beweis dafür, dass er sich gebildet hat nach der ersten Dichotomie des zur Inflorescenz werdenden Sprosses, die obere Partie desselben verzweigt sich weiter und wird, kopfförmig anschwellend zum Hute, der untere, halsförmig ver- engte Theil zum Stiel; die Rhizoiden verlaufen in den durch Einschlagen der Ränder gebildeten Höhlen nach abwärts. — Was die Scheibe betrifft, so sitzen an derselben auf der Unterseite Gruppen von Archegonien, und zwar ist die An- zahl der Gruppen um eins geringer als bei den Strahlen, was sich aus der oben mitgetheilten Entwicklungsgeschichte der Inflorescenz von selbst ergiebt. Die Archegoniengruppen stehen je zwischen zwei der vorspringenden Strahlen, welche nichts anderes darstellen, als die nach unten umgekrempten Mittellappen zwischen zwei Vegetationspunkten der Scheibe. Die ältesten Archegonien sitzen gegen den Rand hin, ein Stellungsverhältniss, das sich aus der Entwicklungsgeschichte des Hutes erklärt (vergl. Fig. 9 A). Jede Archegoniengruppe ist von zwei an ihrem Rande stehenden Hüllschuppen bedeckt. Ausserdem sind die Archegonien in eine Nische des Hutgewebes eingesenkt. Wird ein Archegonium von Marchantia befruchtet, so bildet sich ausserdem noch eine Hülle aus dem Gewebe unmittelbar unter dem Archegonium (vergl. Fig. 9 Bpp), sie wird als »Perianthium« bezeichnet und umhüllt die junge Frucht wie ein Sack. Angelegt werden die »Hüte« von Marchantia im Frühjahr (die von Preissia, Fegatella, schon im Herbst des Vorjahres). Der Scheitel des fertil werdenden Sprosses verbreitert sich und schwillt zu einem Köpfchen an. Die ersten Archegonien erscheinen gewöhnlich zu acht — da der Hut meist neun Strahlen hat -— in regelmässige Entfernungen gestellt. Und zwar ent- springen sie hier wie bei allen Marchantieen und den thallosen Lebermoosen überhaupt, auf der Rückenseite des Geschlechtsstandes, nahe dem Rande der- selben (vergl. Fig. 9). Später tritt in der Mitte des Fruchtkopfes ein sehr starkes Breitenwachsthum ein, die Archegonien werden dadurch auf die Unterseite des Hutes gerückt. Da die Entstehungsfolge der Archegonien auch hier eine akro- petale, gegen den Vegetationspunkt hin gerichtete ist, und dieser, der ursprünglich am Rande der Scheibe lag, am weitesten gegen das Centrum derselben hin auf die Unterseite verschoben ist, so erklärt sich leicht, warum wie oben erwähnt, die ältesten Archegonien dem Rande zunächst stehen. Anfangs liegen die Strahlen des Hutes dem Stiele an und sind nach abwärts gerichtet. Später richten sich die Strahlen auf und der Schirm wird ausgespannt. — Die Anzahl der Geschlechtsorgane, die auf einem »Hute« von Marchantia stehen, schlägt LEITGEB im Minimum zu 120 an, und da in jedem Archegonienstand gewöhnlich eine Anzahl von Archegonien befruchtet wird, und Sporogonien entwickelt, so ist die Zahl der producirten Sporen eine beträchtliche. — In viel geringerer Zahl sind die Archegonien bei anderen Marchantieen vorhanden, bei Zegatella z. B. sind es 4—8. Unter der foliosen Formen weicht Zaplomitrium auch hinsichtlich der Ver- theilung der Geschlechtsorgane ab. Die Antheridien stehen einzeln oder zu zwei bis drei zusammen ringsum am Stämmchen, am Seitenrande der Blätter oder u Die Lebermoose. 351 geradezu an Stelle von solchen!). — Die Archegonien bilden sich aus den der Scheitelzelle nächst gelegenen Segmenten, die Blätter, welche in der Nähe der- selben stehen, sind weit schmäler, und oft auf schmale aus 2—3 Zellreihen be- stehende Lappen reducirt. Bei den beblätterten Jungermannien schliesst ein Spross, der Archegonien trägt, immer damit sein Längenwachsthum ab, was auch bei den Antheridien tragenden Sprossen nicht der Fall ist. Was die Vertheilung der Geschlechtsorgane betrifft, so kann dieselbe auch hier eine monoecische oder diöecische sein: derselbe Spross, der in seinem unteren Theile Antheridien getragen hat, kann mit einer weib- lichen Inflorescenz abschliessen. Diese sind entweder die Endigungen gewöhn- licher Sprosse, oder es werden besondere Inflorescenzzweige gebildet. Die Zahl der Archegonien in diesen Inflorescenzen ist eine, je nach den Gattungen sehr verschiedene: Bei Zgjeunia und Phragmicoma ıst nur ein Archegonium vor- handen, bei /rullania meist 2—3, bei Pagiochila, Jungermannia, und Lophocolea sind sie in Vielzahl vorhanden; GOTTSCHE fand bei letzterer bis hundert Arche- gonien in einer Inflorescenz. Umhüllt sind die Archegonien von den Blättern der Stammknospe, die man deshalb als Hüllblätter (/ola perichaetialia), oder in ihrer Gesammtheit als Perichaetium bezeichnet hat. Zwischen diesen Hüllblättern und den Archegonien bildet sich bei den meisten Formen eine zweite, becher- oder krugförmige Hülle, das Perianthium (p p Fig. 3). Es gelangt bald nach den Archegonien in Form eines geschlossenen Ringwalles zur Anlage. Bei Alcıularia ist das Perianthium rudimentär, bei Gymnomitrium fehlt es. Einige Jungermannien entwickeln in der Umgebung der Frucht ein Gebilde, das aussieht wie ein Perianthium, sich aber von einem solchen wesentlich da- durch unterscheidet, dass es seine Entstehung einer Umbildung der Achse ver- dankt, welche die Archegonien trägt, während die gewöhnlichen Perianthien blattartige Bildungen sind, und dann auch theilweise als Verwachsungsprodukte von Blättern aufgefasst werden. Die Jungermannien, welche ein solches »Pseudo- perianthium« besitzen, werden als Jungermanniae geocalyceae?) bezeichnet, weil die Sporogonien in eine sackartige, theilweise im Boden versenkte Aushöhlung des Achsenendes eingesenkt sind. Gelegentlich kommt eine solche Bildung vor bei Alicularia scalaris. Hier wird in der Umgebung der terminalen Archegonien- gruppe durch eine stärkere Verdickung der Achse ein Ringwall um die Gruppe ge- bildet, innerhalb dessen sich das sehr kleine und rudimentäre Perianthium ent- wickelt. Durch intercalares Wachsthum wird der Ringwall zu einer krugförmigen Bildung, die sich bisweilen in einer von der Achse des Stengels divergirenden Richtung entwickelt und dann wie ein Sack an dem bodenlagernden Stengel hängt. — Was hier mehr als Ausnahme vorkommt, ist bei anderen, wie Calypogeia Regel. Die Geschlechtsorgane entstehen hier auf besonderen, endogen auf der Ventralseite in oder neben der Achsel von Amphigastrien des Hauptstämmchens entspringenden Aesten. Dieselben sind zuerst Knöspchen, welche innerhalb der hier sehr kleinen Perichaetialblätter die Archegonien tragen. Das Ende des Sprosses verdickt sich und bildet einen Ringwall um die Archegonien, es ent- steht schliesslich eine immer tiefer werdende hohle Bildung in deren Grund das ) Auch ihre morphologische »Würde« ist also keine bestimmte, da sie zuweilen die »Würde« von Blättern geniessen. 2) Vergl. GOTTSCHE, Ueber die Fructification der Fargermanniae geocalyceae in Nova acta Leop.-Carol. Vol. XXI pars 2. HOFMEISTER, sächs. Ges. der Wissensch. 1854. SCHENk, Handbuch der Botanik. Bd. II. 23 arena . 7 Fi FETTE 35? Die Muscineen. befruchtete Archegonium sitzt. Das intercalare Wachsthum in dem »Pseudo- perianthium« ist ein sehr lange andauerndes, es kommt schliesslich ein 2 Millim. langes Gebilde zu Stande, das sehr leicht abbricht. Der »Fruchtsack« dringt in den Boden ein und bewurzelt sich hier sogar. Auf der aufwärts gekehrten Spitze des Sackes, an dessen Grund die Archegonien stehen, sind die Perichaetial- blätter inserirt. Auf den Grund des Sackes führt von der Spitze desselben ein enger Kanal, der noch durch gekrümmte, in ihn hineinragende Zellen verengert wird. Wenn das Sporogonium bei seiner Reife durch die Streckung seines Stieles aus dem Sacke hervortritt, werden diese Zellen dann zerdrückt. — Es erinnert die Art und Weise, wie hier die Geschlechtsorgane versenkt und somit geschützt werden, auffallend an Vorgänge, wie sie in der Blüthenregion der Angiospermen so häufig sind. So an die Bildung der unterständigen Fruchtknoten, ferner der becherförmigen Inflorescenzen der Feigen etc. Andrerseits ist eine Analogie zwischen der Bildung des Perianthiums und der gamopetaler Corollen ebenfalls kaum zu verkennen, beide Bildungen gehören in die Reihe der Parallel- bildungen, d. h. von analogen Gestaltungsverhältnissen, die unabhängig von einander in verschiedenen Verwandtschaftskreisen auftreten, Bildungen übrigens, deren Verbreitung noch eingehender zu untersuchen ist. — Eigenthümliche Vor- gänge beschreibt GOTTSCHE!) für Calypogeia (Gongylanthus) ericetorum. Hier stehen die Archegonien nicht auf besonderen verkürzten Fruchtsäcken, sondern auf der Oberseite des Stämmchens zwischen den beiden Blattreihen, sie senken sich nach der Befruchtung in das Stengelgewebe ein, und treiben die untere Seite des Stengels in einem Buckel hervor, der, sich verlängernd, das cylindrische, hier excessiv (über 5 Millim.) lange Fruchtrohr bildet. Die reife Kapsel geht später vom Grunde des Stengels aufwärts und tritt mitten in dem, gleichsam durch- bohrten Stamm zwischen den Blattreihen hervor. Es würden also diese Junger- mannien eine Ausnahme machen von der durchgreifenden Regel, dass Archegonien- stände am Sprossscheitel angelegt werden. Allein nach LeırtGeg (Sitz.-Ber. der k. Ak. d. Wissensch. (Wien) math.-phys. Kl. LXXXII. Bd. 5. Heft 1881) ist das Letztere nicht der Fall. Der Hauptspross ist es vielmehr, welcher hier mit einem Archegonienstand abschliesst. Der Anlage des letzteren geht aber die von zwei Seitenzweigen voraus, deren reiche und frühe Entwicklung es mit sich bringt, dass ihre Insertionen mit dem sich einsenkenden und aus der Ventral- seite höckerförmig hervortretenden Blüthenboden vollständig verschmelzen. Dies hat zur Folge, dass der Blüthenboden ganz an die Rückenseite des Pflänzchens zu liegen kommt und vom Rande der Gabelung abgelegt wird. Es handelt sich somit hier nur um eine eigenthümliche Verschiebung. Entwicklung derungeschlechtlichen Generation, desSporogoniums. — Wie in der vegetativen Gliederung sich eine continuirliche Reihe von den ein- fachen thallosen Formen bis zu den foliosen aufstellen liess, so findet auch bei der Ausbildung der befruchteten Eizelle, in der Embryoentwicklung, ein Fort- schritt von sehr einfachen Embryoentwicklungsformen bis zu ziemlich complieirten statt, wenngleich die hohe Stufe der Ausbildung, welche viele Laubmoossporogonien erreichen, sich hier nicht findet. Die Differenzen in der Entwicklungsgeschichte der Sporogonien bei den einzelnen Gattungen und Abtheilungen sind wesentlich solche, die sich auf die Bildung des sporenerzeugenden Gewebes, des Archespors im Embryo beziehen. Der Zellenaufbau ist, wenn auch nicht durchgehends, da ') Abhandl. aus dem Gebiete der Naturwissenschaften, herausgegeben vom Naturwissensch. Verein zu Hamburg 1880, Refer. in Bot. Zeit. 1880, pag. 746 (Mir nur aus letzterem bekannt). ER NT Ba Re IY, En Bay ER a Na ee Zr et Re EI, area ; > Die Lebermoose. 353 das Zellnetz selbstverständlich mit der Form des Embryos wechselt!) ein im Wesentlichen übereinstimmender. Kleinere Differenzen werden im Nachfolgenden nicht berührt werden, in ausführlicher Schilderung findet man die Embryoent- wicklung dargestellt in KIRNITZ-GERLOFF’s und LeitGer’s Abhandlungen, welche HorMEIsTER’s grundlegende Untersuchungen ergänzt und theilweise berichtigt haben. Die einfachste Embryoentwicklung findet sich nicht bei den Formen mit den einfachsten Vegetationskörpern, also den thallosen Jungermannien, sondern in der Marchantienreihe, und zwar bei den niedersten Formen derselben, bei der Gattung Kiecia. Hier wie überall umgiebt sich die befruchtete Eizelle zunächst mit einer Membran, und wird dann zu einem kugeligen Embryo (vergl. Fig. 12 A). Seiner Gestalt entsprechend wird er durch Zellwände zunächst in acht Kugel- oktanten getheilt. Nach Auftreten weiterer Zellwände wird dann eine periphe- rische Zellschicht, die Wand des Sporogoniums, von dem centralen Gewebe ab- gegrenzt, welch letzteres sich in seiner Totalität zu Sporenmutterzellen gestaltet, deren jede durch Theilung vier Sporen reproducirt. Die einschichtige Kapsel- wand wird später resorbirt, die Sporen werden durch Verwitterung des 'Thallus frei. Hier ist ein besonderes Archespor also nicht vorhanden, die ganze be- fruchtete Eizelle ist vielmehr als solches zu bezeichnen. Aber schon in der Reihe der Riccien selbst finden sich weitere Differenzirungen und zwar in doppelter Richtung. Einmal nämlich wird nicht mehr der ganze Embryo zur Bildung von Sporenmutterzellen verwandt, sondern es wird ein kleiner Stiel und eine Sporen- kapsel gebildet, sodann treten in letzterer selbst neben den Sporenmutterzellen auch noch sterile Zellen verschiedener Function auf. Die Embryoentwicklung von Sphaerocarpus steht in interessantem Gegensatz zu der von Kzceeia. Der Embryo der ersteren Gattung hat nämlich nicht kugelige, sondern langgestreckte Gestalt, und zerfällt demzufolge zunächst nicht in Octanten, sondern in übereinander liegende Querscheiben. Der obere Theil des Embryos wird zur Kapsel, der untere zum Fuss derselben, der unter der Kapsel eingeschnürt, an seiner Basis knollig angeschwollen ist. Die aus dem Archespor hervorgegangenen Zellen lösen sich später von einander und werden kugelig. Aber nicht alle werden zu Sporenmutterzellen: ein Theil bleibt steril und ist anfänglich mit Stärkekörnern gefülit, die wol zum Wachsthum der Sporenmutterzellen verbraucht werden. Auch die Sporogonentwicklung von Aicla stimmt mit der von SpAaerocarpus überein: auch hier finden sich ım Sporenraume neben den Sporenmutterzellen sterile Zellen, die dünnwandig bleiben, die sogen. Nährzellen der Sporen. Kleine, spindelförmige, nicht zur Sporenbildung verwandte Zellen finden sich bei Corsinza. Die Gattung Boschia hat schon unzweifelhafte Elateren im Kapselraum: längliche Zellen, deren Innenwand meist braun gefärbte, ring- oder spiralförmige Ver- dickungen aufgesetzt sind, sie sind hygroskopisch und haben die Function,2) die Sporenmasse nach der Reife aufzulockern, und so das Ausstreuen der Sporen zu erleichtern. Zugleich findet bei den beiden letztgenannten Gattungen wie bei den Marchantieen (im engern Sinne) eine Sonderung des Sporogoniums in Stiel und Kapsel statt. Bei den Marchantieen ist diese Sonderung schon durch die erste in der befruchteten Eizelle auftretende Wand, die quer zur Längsachse N) Vergl. den Aufsatz: Zur Embryologie der Archegoniaten in Arb. des bot. Inst. zu Würz- burg. Bd. II. Heft 3. 2) Ob dies die einzige ist, bleibt dahingestellt, jedenfalls wäre die Sache näher zu unter- suchen. 23° 354 Die Muscineen. des Archegoniums steht, eingeleitet (nach den Angaben von KIENITZ-GERLOFF. Bei den oben genannten Riccieen ist dies nicht der Fall). So zeigt Fig. ı2 B, dass die Kapsel ausschliesslich aus der oberen Hälfte des Embryos hervorge- gangen ist, der wenig umfangreiche Fuss oder Stiel der Kapsel aus der unteren. Wie bei Aiecia zerfällt der junge Embryo auch hier zunächst in Octanten, deren vier obere zur Kapsel werden. Diese besteht aus einer Wandschicht, die hier aber viel schärfer abgegrenzt ist, als z. B. bei der mit Ziccia nahe verwandten Gattung Oxymitra, und den Innenzellen, aus welchen Sporen und Elateren hervor- gehen. Die letzteren enthalten zugespitzte Enden, und schieben sich zwischen die, in einfachen oder doppelten Reihen liegenden Sporenmutterzellen ein. Bei den Jungermannien (zu denen auch die wegen der eigenthümlichen sterilen Zellen oben erwähnten Gattungen Kiella und Sphaerocarpus zu zählen sind) wird die befruchtete Eizelle zunächst durch eine zur Längsachse des Arche- goniums rechtwinkelige Wand in eine untere und eine obere Zelle zerlegt. Aus der letzteren allein gehen die Kapsel und der Stiel des Sporogoniums hervor, während die untere Zelle als Anhängsel am Fuss des Sporogoniumstieles erscheint (a Fig. ı2 C, E, F), wenn sie auch in manchen Fällen noch einige weitere Theilungen erfährt. Ein etwas älterer Embryo zeigt in einem oberen Theil ein Zellgerüste, das aus einer Anzahl von Quer- scheiben besteht, de- ren jede aus vierZellen in Form von Cylinder- quadranten gebildet wird (vergl. Fig. ı2, C,. E).. ‚Denischegel ist eingenommen von vier Zellen in Form von Kugeloctanten. Aus den letzteren geht nun inden einfacheren Fällen (Zellia, Frulla- nia und Zejeunia, S. Fig. ı2 C) die Kapsel hervor, indem durch vier perikline Wände vier äussere Zellen, die Wandzellen, von innern Zellen, dem Archespor, abgetrennt werden. (Die schat- III HIN RR I ul) | (B. 228.) Fig. 12. Embryoentwicklung der Lebermoose in mehr oder weniger sche- _ } - matischer Darstellung (nach Zeichnungen von L£ItGER und Kırnırz- tirten Zellen in Fig. GERLOFF). A KRücia, B Marchantia polymorpha, C Pellia epiphylla, 12 © In den meisten D Anthoceros laevis, E Fungermannia bicuspidata, F Radula complanata. Fäll b d Das Archespor ist überall schraffir. Ka Kapseltheil, die Klammer in allen Abe Fig. C bezeichnet den Stieltheil, « dessen Anhängsel, col. in Fig. D auch noch den obern Columella. vier Zellen angren- zende Stockwerke mit in die Kapselbildung einbezogen. So z. B. bei Aa- dula, Fig. ı2 F. Aus dem, dem Obigen zufolge vier- oder mehrzelligen Ar- chespor geht durch weiteres von entsprechenden Zelltheilungen begleitetes Die Lebermoose, 355 Wachsthum der Complex der Sporenmutterzellen und Elateren hervor. Der unter der Kapsel liegende Theil des Embryos, in welchem noch eine weitere Zerklüftung der Scheiben stattfindet, wird zum Kapselstiele, dessen basaler Theil oft zu einem verdickten Fuss anschwillt, der sich in das Gewebe des fertilen Sprosses oft tief einbohrt. Der Sporenraum gewinnt bei seinem weiteren Wachs- thum kugelige Gestalt; bei der Reife streckt sich bei den Jungermannien der Stiel sehr bedeutend, die Stärke in demselben verschwindet, eine Zelltheilung findet bei der Streckung nicht mehr statt, sie geht von den angelegten Zellen aus, die Kapsel wird dadurch emporgehoben. Diese selbst öffnet sich in verschiedener Weise: bei den Jungermannien reisst die Kapselwand in vier Klappen auf. Die Risse, welche die Klappen von einander trennen, fallen mit den ursprünglichen Scheidewänden der Octanten, welche den Scheitel des jungen Embryos einnehmen, nach KIENITZ-GERLOFF zusammen. Das Verhalten der reifen ZAiöccia-Sporogonien wurde oben schon erwähnt. Bei den Marchantieen löst sich entweder das obere Drittel der Kapselwand in Form eines Deckels ab, oder es bilden sich mehrere, vom Scheitel ausgehende Längsrisse, so dass die Wand in einzelne zahnartige Abschnitte zerfällt. Die oben erwähnten Abweichungen von dem eben geschilderten Entwicklungsgange und Aufbau der Embryonen beziehen sich hauptsächlich auf die Richtung der Wände im Embryo, das Resultat ist schliesslich dasselbe. Es kommen schon innerhalb einer und derselben Gattung Schwankungen vor, und ebenso Differenzen zwischen Gattungen desselben Familienkreises. Was z. B. die Marchantienreihe betrifft, so ist in der Gattung Marchantia selbst die erste Wand ge- wöhnlich quergestellt zur Längsachse des Archegoniums, wie dies in Fig. 12 B auch angenommen ist (Wand ı — 1). Zuweilen aber ist sie oben auch schief zur Archegonienachse gestellt, und daraus ergiebt sich dann ein weniger regelmässiges Bild der Zellenanordnung. Regelmässig schief zur Archegonienachse orientirt sind die ersten Wände. (Quadrantenwände) von Oxymitra und Corsizia, wie bei den annähernd kugeligen Embryonen von Oxymitra ohne Weiteres ver- ständlich ist. Dass übrigens der Umriss des Embryos nicht der einzige Faktor für die Be- stimmung der Richtung der Zellwände ist, ist selbstverständlich, übrigens auch nie behauptet worden. Gerade die Verschiedenheiten in der Richtung und Reihenfolge der zuerst auftretenden Zellwände im Embryo beweisen aber, dass diesem Faktor die Wichtigkeit nicht zukommt, die ihm theilweise beigelegt worden ist. Wichtig ist vielmehr die, sozusagen gröbere Differenzirung des Embryos in Stiel und Kapsel, und die Vorgänge innerhalb der letzteren: Wir sehen in beiden Reihen, Marchantienreihe (Corsizia), wie in der Jungermannienreihe (Kiela, Sphaerocarpus, bezüglich Aztkoceros 5. u.) neben den Sporenmutterzellen zuerst sterile Zellen (Nährzellen) auf- treten, die bei andern Formen dann als Elateren erscheinen. Der niederste Typus der Embryo- entwicklung hat sich nur in der Marchantiaceenreihe (K:ceca) erhalten: will man für beide Reihen eine gemeinsame Stammform construiren, so müsste man ihr einen Riccienembryo und einen Pellia-Thallus geben, warum man aber die Jungermannienreihe sich aus der Marchantienreihe hervorgegangen denken soll, wie LEITGEB will, sehe ich nicht ein. Sphaerocarpus wurde früher zu den Riccien gestellt. Die Aehnlichkeit des Zellenaufbaus des Embryos allein würde das Ausscheiden dieser Pflanze aus der Marchantienreihe und ihre Stellung in die Jungermannienreihe noch nicht rechtfertigen. 7Zargionia Micheli, eine unzweifelhafte Marchantiee, z. B. besitzt wie Sphaerocarpus einen spindelförmigen Embryo, in welchem dementsprechend zunächst nur Querwände auftreten, entweder solche, welche die Längsachse des Embryos rechtwinkelig schneiden, oder solche, die schief zu ihr stehen. Ich habe Embryonen beobachtet, bei denen zuerst eine zur Längsachse rechtwinklige, dann eine schiefe Wand auftrat. Dieser setzte sich eine zweite ent- gegengesetzt geneigte an, also nach Art einer zweischneidigen Scheitelzelle. Dann aber trat wieder eine Längswand auf, welche die Quadrantenbildung im obern Theile des Embryos ein- leitete. Bei Symphyogyna dagegen zeigt nach LEITGEB der Embryo ein ähnliches Spitzenwachsthum wie bei den Laubmoosen (vergl. diese) und eine späte Differenzirung des Sporenraumes. Es sollen bei der Betrachtung der Laubmoosembryonen die Beziehungen derselben zu den Leber- 356 Die Muscineen. moosembryonen erörtert werden, hier mag nur darauf hingewiesen sein, dass, meiner Ansicht nach, auch bei diesen Beziehungen nicht der Aufbau des Zellgerüstes, sondern die in demselben eiatretenden Differenzirungen (Columella der Laubmoose, hervorgegangen aus columellalosen Formen, vergl. Archidium) die Hauptrolle spielen. Die Wirkung der Befruchtung äussert sich aber nicht allein an der Eizelle, sondern auch an den anderen Theilen des Archegoniums und dessen Umgebung. Der Archegoniumbauch folgt dem Wachsthum des Embryos und umhüllt den- selben bis zur Reife, weshalb er in diesem Stadium als Calyptra bezeichnet wird. Der Kapselstiel der Jungermannien aber bohrt sich ziemlich tief in das Gewebe des Stämmchens ein. Bei der Reife wird dann durch die Streckung des Kapsel- stieles die Calyptra durchbrochen, und das Sporogonium tritt in’s Freie, wo es ein nur sehr kurzes Dasein führt, es streut die Sporen aus und geht dann zu Grunde. Man findet deshalb im Freien viel seltener Lebermoos- als Laubmoos- sporogonien, letztere sind viel derbere und langlebige Bildungen, deren Form auch nach der Reife noch länger erhalten bleibt. In Menge kann man bei vielen Jungermannien die Sporogonien erhalten, wenn man im zeitigen Frühjahr Rasen derselben im Zimmer unter Glasglocken kultivirt. Abweichend gestaltet sich die Sporogonentwicklung von Anthoceros. Hier haben die Sporogonien eine viel längere Entwicklungsdauer. Während sie an ihrer Spitze schon reife Sporen entlassen, dauert das interkalare Wachsthum an ihrer Basis fort, hier bilden sich, in gegen die Sporogonspitze hin fortschrei- tender Reihenfolge neue Sporen aus. Die Kapselwand ist chlorophyllhaltig und besitzt Spaltöffnungen, die allen anderen Lebermoossporogonien abgehen. Eine Differenzirung in Stiel und Kapsel findet hier nicht statt, und auch die Art und Weise des Aufspringens ist eine andere. Das Sporogon öffnet sich nämlich in zwei Klappen, und in seiner Mitte ist es durchzogen von einem Strange nicht zur Sporenbildung verwendeter Zellen, welcher bei der Reife als Säulchen zwischen den beiden Klappen steht und Columella heisst. In Deutschland findet man kaum jemals ausgewachsene Anthoceros-Sporogonien, ehe das interkalare Wachsthum an der Basis aufgehört hat, erfrieren dieselben, die Entwicklung der Anthoceros-Sporogonien findet nämlich im Herbste statt. — Man hat in dem oben erwähnten Entwicklungsgange vielfach eine Annäherung an die bei den »Gefäss- kryptogamen« stattfindenden Verhältnisse erblickt, bei welchen ja der dem Sporogon der Moose entsprechenden ungeschlechtlichen Generation eine noch viel längere Entwicklungsdauer zukommt. Die Aehnlichkeit beider Vorgänge ist aber immerhin eine ziemlich äusserliche und jedenfalls brechtigt sie nicht dazu — wie dies theilweise geschehen ist — die Anthoceroteen von den übrigen Leber- moosen abzutrennen, und als besondere Gruppe zwischen Muscineen und Gefässkryptogamen zu stellen. Vielmehr schliessen sich, wie LEITGEB nachge- wiesen hat, die Anthoceroteen durch die Gattung Nozothylas an die Jungerman- nien auch betreffs ihrer Embryoentwicklung an, in den übrigen Punkten besteht ja ohnedies im Wesentlichen Uebereinstimmung. — Die ersten Stadien der Embryoentwicklung von Anthoceros stimmen mit denjenigen der Jungermannien überein: der Embryo besteht aus 2—3 Stockwerken quadrantisch gelagerter Zellen. Aus dem untersten Stockwerk geht der Fuss hervor (ein Stiel wird, wie erwähnt, hier nicht gebildet) aus den beiden, resp. dem einen oberen, die Kapsel. Die Zellen dieser Stockwerke werden durch Periclinen in Innen- und Aussenzellen zerlegt (Fig. ı2z D). Während nun aber bei den übrigen Lebermoosen die Aussenzellen zur Wand, die Innenzellen zum Archesporium werden, ist dies bei sr Die Lebermoose. : 55 Anthoceros nicht der Fall. Hier bilden vielmehr die Innenzellen den erwähnten Strang von sterilem Gewebe, die Columella, das Archesporium aber wird von den Aussenzellen durch weitere pericline Spaltung abgetrennt, und ist somit eine Zellschicht von Form einer nach unten, gegen den Fuss hin, offenen Glocke oder Kuppel, eine Form des Archesporiums, die unter den Laubmoosen bei Sphagnum und Andreaea wiederkehrt. Das weitere Wachsthum besteht nun in der Ausbildung der so angelegten Gewebe. Aus dem Archespor gehen aber nicht ausschliesslich nur Sporenmutterzellen hervor. Der weitaus grösste Theil der aus dem Archespor hervorgegangenen Zellen bleibt vielmehr steril. Sie bilden bei den einheimischen Anthoceros-Arten (A. laevis und A. punctatus) ein Netzwerk, in dessen Maschen die Sporenmutterzellen liegen, und das bei der Reife zerrissen wird. Bei ausländischen Arten sind die sterilen Zellen zu wirk- lichen Elateren differenzirt, die aus einer Zellreihe mit spiraligem Verdickungs- bande der Zellmembran bestehen. Es gehen also auch bei den Anthoceroteen den Elateren der höheren Formen sterile, nicht zu Elateren differenzirte bei den niederen voraus. Bemerkenswerth sind dıe Schläuche, welche aus der Oberfläche des Sporogonienfusses auswachsend in das Thallusgewebe eindringen, sie wachsen hier fort und machen fast den Eindruck von Rhizoiden, mittelst deren das Sporogonium im Thallus festgewurzelt ist. Minder entwickelt finden sie sich auch bei anderen Lebermoosen. Auch in der Gattung JWozothylas!) giebt es Arten, die eine Columella be- sitzen, die der von Anthoceros gleichkommt, über die Entstehung derselben ist aber nichts bekannt, also ungewiss, ob sie wie bei Anzhoceros mit dem Archespor und unabhängig von demselben angelegt wird, oder ob sie ein nachträgliches Differenzirungsprodukt im Sporenraum ist, also einen zusammenhängenden Com- plex steriler Zellen in demselben darstellt. Das letztere ist der Fall bei Kap- seln, die neben den ersten bei allen /Vozofhylas-Arten sich finden, und in denen die Columella zwar vorhanden ist, deren Zellen aber den übrigen sterilen Zellen des Kapselraumes gleichgebildet sind und sich leicht von einander trennen. Endlich giebt es Kapseln, bei welchen eine Columella auch in der Anlage nicht mehr vorhanden ist, vielmehr bilden die sterilen Zellen ein zusammenhängendes Kammerwerk. Der Sporenraum aber selbst wird in ganz ähnlicher Weise ange- legt, wie bei den Jungermannien, geht also nicht wie bei Anfhoceros aus einem kuppelförmigen Archespor hervor. Diese verschiedenen Formen der Sporogonien- differenzirung sind unter sich nur graduell verschieden. Durch die letzte Stufe derselben ist aber unmittelbar der Anschluss an die Jungermannien hergestellt. Kommen doch auch bei diesen, wie oben erwähnt, mehrfach Formen vor, wo im Sporenraum neben den Sporenmutterzellen sterile, nicht zu Elateren aus- gebildete Zellen (»Nährzellen«) sich finden. So bei Corsinia und den Rielleen, an welch letztere LEITGEB die Anthoceroteen denn auch zunächst anknüpft. — Ueberblicken wir die in ihren Grundzügen mitgetheilte Embryoentwicklung der Lebermoose noch einmal, so können wir bezüglich der Differenzirung des Sporenraumes derselben mit LEITGEB vier Typen unterscheiden: 1. Das Sporogon differenzirt sich in eine Wandschicht und einen nur von Sporen erfüllten Raum: Kiecia, Oxymitra. 2. Die Zellen des Innern sondern sich in fertile, sporenbildende, und steril bleibende, als »Nährzellens der Sporen fungirende: Corsinia, Riella, Notothylas. ) In Deutschland vertreten nur durch eine, sehr seltene Species, V. fertilis. 358 Die Muscineen. 3. Die steril bleibenden Zellen des Innenraumes werden zu Elateren um- gebildet (die meisten Lebermoose). 4. Die Achse der Kapsel durchzieht ein Zellstrang, die Columella, der von der sporenbildenden Schicht oben überwölbt ist: Anthoceroteen. (Bezügl. Notothylas, Ss. 0.) Ueber die Bildung der Sporen selbst ist wenig zu sagen, da sie, abgesehen von unwichtigen Einzelheiten, durchaus übereinstimmt mit der Art und Weise wie bei den andern Archegoniaten, den sogen. Gefässkryptogamen, die Sporen aus ihren Mutter- zellen entstehen. Sie sind dahermeist (nichtimmer) »tetraädrisch« angeordnet. Eigen- thümlich sind die Vorgänge bei der Theilung der Sporenmutterzellen von Anzhoceros, die erst STRASBURGER neuerdings!) aufgeklärt hat. Sie bieten ein interessantes Bei- spiel für den Satz, dass Kerntheilung und Zelltheilung zwei Vorgänge sind, die ge- wöhnlich neben einander herlaufen, dass aber nicht etwa der letztere, wie man früher mehrfach annahm, eine Folge des ersteren ist. In den Sporenmutterzellen von Anthoceros theilt sich nämlich zuerst das Plasma in vier Portionen, und der Zellkern bleibt in der Mitte desselben liegen. Erst später theilt auch er sich, und die Theilkerne wandern in die Plasmaportionen ein, die dann mit einer Membran sich umhüllend je zu einer Spore werden. — Wie gewöhnlich besteht die Hülle der-Spore aus einem cuticularisirten, verschieden gezeichneten Exospor und einem Celluloseendospor. Bei manchen Marchantieen (namentlich Grimal- dia dichotoma) ist das Exospor warzig oder blasig an einzelnen Stellen aufge- trieben, an dem einen Ende der abgeplatteten Sporen von Grimaldia dichotoma be- sitzt es einen Sack, der wie die Blasen des Endospors mit Luft gefüllt ist, und so einen Flugapparat darstellt, ganz ähnlich construirt dem, welchen die Pinus- mikrosporen (»Pollenkörner«) besitzen. Das Exospor ist meist dunkel gefärbt, bei G. dichotoma z. B. tief braunroth, bei anderen ist es kaum als dunkeles Häutchen wahrnehmbar, wie z. B. bei /elia, deren Sporen einen aus einer An- zahl von Zellen bestehenden Gewebekörper darstellen. Auch bei egafella conica ist dies der Fall, und diese Sporen enthalten auch Chlorophyll, was bei den andern nicht der Fall ist. Keimung der Sporen. Aus der keimenden Spore gehen die Pflänzchen nicht direkt hervor, sondern zunächst ein einfach gebauter Vorkeim, an welchem dann seitlich, oder direkt seine Fortsetzung bildend, die Geschlechtsgeneration hervorsprosst. Dieselbe ist im letzterwähnten Falle nicht scharf vom Vorkeim abgesetzt, wie dies bei den Laubmoosen der Fall ist. — Bei Aneura z. B. geht aus der keimenden Spore ein Schlauch hervor, der sich durch Querwände fächert. Sind einige derselben gebildet, so tritt in der Endzelle eine zur Längsachse des Fadens geneigte Wand auf, der sich eine zweite, entgegengesetzt geneigte aufsetzt. Damit ist die Scheitelzelle, welche der erwähnten Aneura-Pflanze eigen ist, gebildet. — Die Sporen von JZellia legen die ersten Keimungs- stadien schon innerhalb des Sporogons zurück, und erscheinen, wie oben erwähnt, bei der Reife des letzteren als ellipsoidische, grüne Zellkörper. Am einen Ende derselben befindet sich eine hellere Zelle, die zum ersten Rhizoid auswächst, während die Entwicklung des Pflänzchens am andern Ende des aus der Spore hervorgegangenen Zellkörpers eintritt. — Aehnlich verläuft die Keimung der beblätterten Jungermannieen Radıla und Frullania. Die Sporen sind hier wie gewöhnlich bei der Reife, einzellig. Es geht bei der Keimung aus denselben I) Ueber Zellbildung und Zelltheilung, IH. Aufl. Die Lebermoose. 359 eine kuchenförmige Zellfläche, der Vorkeim, hervor, und aus einer Zelle am Rande dieses Vorkeims bildet sich die Anlage des beblätterten Pflänzchens!). Allein auch die übrigen foliosen Jungermannien gehen aus thallosen Vorkeimen hervor. Bei Lophocolea und Chiloscyphus wachsen die mit einem feinkörnigen Exospor ver- sehenen Sporen zu einem Schlauche aus, der durch Quertheilungen zu einer Zellreihe wird. An dem so gebildeten Zellfaden sind die. Stücke des Exospors an einer Endzelle oder einem Fadenglied zu erkennen. Die Sprossanlage bildet sich in der Endzelle des (— zuweilen auch verzweigten —) Zellfadens. Es tritt in derselben eine gegen die Fadenachse geneigte Wand auf, wodurch die Bildung der (bei den foliosen Lebermoosen dreiseitig-pyramidalen) Scheitel- zelle eingeleitet ist. Sehr beachtenswerth sind die Vorgänge der Blattbildung an der Keimpflanze: es treten nämlich zunächst nur die beiden seitlichen Blattreihen auf, erst später werden dann auch Unterblätter, Amphigastrien gebildet. Aber auch die seitlichen Blätter nehmen erst allmählich ihre definitive Form an, die ersten treten als kurze Zellreihen auf, die späteren gewinnen allmählich die Blatt- form der erwachsenen Pflanze. Diese Thatsachen führen LEITGER zu der An- sicht, dass jene Papillen, die an den Keimpflanzen zuerst an Stelle der Blätter auftreten, Gebilde seien, die phylogenetisch älter sind, als die Blätter, die letzteren haben sich aus den ersteren entwickelt; ähnliche Gebilde kommen ja auch bei thallosen Formen vor, so die regelmässig gestellten Keulenpapillen von Merizgeria und Aneura pinnatifida. Wenn die Keimpflänzchen von Aliewlaria z. B. die Blattbildung beginnen, so entstehen aus den ventralen Segmenten zuerst mehr- mals hintereinander nur »Primordialpapillen« und erst bei später folgenden Seg- menten wird dann die Papille durch Theilungen ihrer Tragzelle auf die Spitze eines Schüppchens gehoben. In analoger Weise kann man sich auch die »phylogenetische« Entwicklung des Lebermoosblattes vorstellen. Und wir haben oben gesehen, dass bei Zossombronia gelegentlich auf der Unterseite blattartige Schüppchen auftreten, die ganz auf dieselbe Weise zu Stande kommen, wie es eben als eine phylogenetische Möglichkeit für die Jungermannienblätter über- haupt hingestellt wurde. So viel ist jedenfalls anzunehmen, dass die foliosen Formen sich aus thallosen heraus entwickelt haben, und dass diese Entwicklung in verschiedenen Formenkreisen neben einander stattgefunden hat, wie sich dies ergiebt, wenn man die Blattbildung von Blasia, Fossombronia, Haplomitrium und den foliosen Jungermannieen vergleicht. Die Keimung der Marchantieen?) weist einige Eigenthümlichkeiten auf, die noch besonderer Erwähnung verdienen. Bei der typischen Form derselben bildet sich aus der Spore ein dem Lichte entgegenwachsender Keimschlauch, der an seiner Spitze anschwillt, und, sich senkrecht auf die Richtung des einfallenden Lichtes verbreiternd, eine Keimscheibe bildet, deren Entstehung dadurch einge- leitet wird, dass die Endzelle des Keimschlauches in Octanten zerfällt. Aus Zellen des Randes der Scheibe bildet sich das Pflänzchen, welches durch Vertrocknen und Collabiren des Keimschlauches auf die Erde zu liegen kommt. — Bei Licht- abschluss keimen die Sporen überhaupt nicht, und die Länge des Keimschlauches D) Man vergl. das oben über die Brutknospenbildung von Aadula Gesagte. 2) Vergl. FELLNER, Keimung der Sporen von Kieca glauca, Jahresb. des akad.-naturw. Ver- eins in Graz 1875., HANSEL, Ueber die Keimung der Preissia commutata LXXII Bd. der Sitzb. der k. Akad. der Wissensch. I. Abth. 1876; Leiter, Keimung der Lebermoossporen in ihrer Be- ziehung zum Lichte, ibid. Bd. LXXIV. 360 Die Muscineen. hängt ab von der Lichtintensität: je schwächer dieselbe ist, desto länger wird der Keimschlauch. Die Keimscheibe bildet sich nur bei einer Lichtintensität, die höher ist, als die zur Bildung des Keimschlauches erforderliche. Die Keim- schläuche wachsen in diesem Fall zu bedeutender Länge heran, und gehen dann zu Grunde. Die Keimscheibe selbst zeigt noch keine Dorsiventralität, wie der aus ihr hervorgehende Thallus, sie verhalten sich also ganz, wie die Marchantiabrut knospen, indem ihre beiden Seiten befähigt sind, zur Pflanze auszuwachsen. Auch hier ist es das Licht, welches bestimmt, welche Seite zur Oberseite (Rückenseite) des Pflänzchens wird. — Diese zeigt aber am Keimpflänzchen noch nicht jenen complicirten Bau, wie bei der erwachsenen Pflanze, sie besitzt keine Epi- dermis und keine Athemöffnungen. In diesem Stadium besitzt das Pflänzchen auch noch eine »zweischneidige« Scheitelzelle, erst später tritt die Zellenanordnung am Scheitel ein, wie sie der Pflanze im erwachsenen Zustande eigen ist. Und auch die Schuppen auf der Unterseite mangeln zuerst, statt ihrer finden wir keulenartige, ein- oder mehrzellige Papillen. Mit andern Worten, ein Keimpflänzchen einer Marchantiee verhält sich im Wesentlichen wie eine thallose Jungermanniee, ihre »Ontogenie« stimmt mit ihrer »Phylogenie« überein. Symbiotische Erscheinungen bei den Lebermoosen. Als Symbiose hat DE Bary die eigenthümliche Erscheinung des Zusammenlebens verschiedener Organismen bezeichnet; einige der auffallendsten Beispiele finden sich bei den Lebermoosen. Es dringen Algen, aus der Gruppe der Phycochromaceen in Höhlungen des Thallus ein, und verändern denselben durch ihre Anwesenheit in bestimmter Weise. So bei Anfhoceros. Auf der Unterseite des Thallus dieser Pflanzen finden sich, wie oben geschildert wurde, mit Schleim erfüllte Intercellular- räume, die in einer Spalte nach aussen münden. In diesen Schleimhöhlen siedeln sich ganz regelmässig Nostoccolonieen!) an. Und zwar erfolgt die Einwanderung schon an ganz jungen Organen. Ein beweglicher Nostocfaden (ein Hormogonium) dringt durch die Schleimspalte ein, und wächst dann in der Schleimhöhle zu einer Nostoccolonie heran. Diese übt nun auf die Schleimhöhle eine eigenthümliche Wirkung aus. Ist nämlich die Infection mit Nostoc erfolgt, so wird die Spalte geschlossen. In dem Maasse nun, als Nostoc sich vermehrt, wachsen die Wandzellen der Schleimhöhle zu Schläuchen aus, die sich verzweigend und theilend, endlich unter sich, und mit den zwischen ihnen befindlichen Ein- wanderern in so innige Berührung treten, dass es den Anschein hat, als ob ein echtes Parenchymgewebe vorhanden sei, in dessen Intercelluarräumen Nostoc angesiedelt wäre (LEITGEB, V. pag. 16). Früher (HorFMmEISTER, vgl. Unters.) hat man diese Nostoccolonieen theilweise für Brutknospen des Anthoceros-Thallus ge- halten. Irgend welchen Schaden wird den Anthoceros-Pflanzen durch die An- wesenheit des Nostoc kaum zugefügt, im Gegentheil scheint die Anwesenheit dieser Gallertalge sogar von Vortheil für den Thallus zu sein. Meiner Ansicht nach spielen nämlich die Nostoccolonieen hier dieselbe Rolle, wie die Schleim- zellen die ich im 'T'hallus der Marchantieen nachgewiesen habe, nämlich die, dem Thallus gewissermaassen als Feuchtigkeitsreservoirs zu dienen. Ganz ähnliche Colonieen kommen bei Blasia vor. Auf der Unterseite des Thallus finden sich hier schon mit blossem Auge erkennbare dunkelgrüne, flach ') Vergl. Janczewskı, Zur parasit. Lebensweise der Nostoc lichenoides. Bot. Zeit. 1872 No. 5; LeitGes, Die Nostoccolonieen im Thallus der Anthoceroteen (LXXVI. Bd. der Sitzb. der k. Ak. d. Wissensch., I. Abth. 1878). a ne. a Die Lebermoose. ‘r,.364 gewölbte Körper. Dies sind Nostoccolonieen, die sich in besonderen Organen der /asia, nämlich in den sogenannten Blattohren angesiedelt haben. Diese Blattohren finden sich da, wo der stengelähnliche Theil des Thallus in die freie Blattfläche übergeht, einzeln oder zu zweien. Sie erscheinen in nicht inficirtem Zustande als eiförmige Körper, mit einem nach aussen mündenden, und Schleim führenden Hohlraum. Erfolgt keine Einwanderung von Nostoc, so stirbt das Blattohr ab; allein dies tritt nicht häufig ein, da Nostoc an den feuchten Lokali- täten, wo auch B/asia wächst, stets anzutreffen ist. Eine Folge der Nostoc- einwanderung ist die Vergrösserung des Blattohres, welche gleichen Schritt hält, mit der der Nostoccolonie. Diese ist im Innern des Blattohres fixirt durch einen später vielfach verzweigten Schlauch, welcher aus der Innenseite des Blatt- ohres in die Nostoccolonie hinein wächst, also ganz ähnlich wie bei Anthoceros, nur dass bei B/asia die sämmtlichen in die Nostoccolonie eindringenden Faden Verzweigungen eines Schlauches sind, was bei Anthoceros nicht der Fall ist. Auch bei höheren Pflanzen finden sich derartige Fälle. (vergl. pag. 257 des I. Bd. dieses Handbuches). — Auch in Aiccia-Species soll eine Chroococcaceen- gattung!) in ähnlicher Weise leben, wie Nostoc in Anthoceros, dieser Fall bedarf indess noch genauerer Untersuchung. Die Eigenthümlichkeiten der einzelnen Gruppen, die oben vergleichend be- handelt wurden, mögen hier zum Schlusse nochmals kurz charakterisirt werden. Systematische Uebersicht. Es mögen hier die Marchantiaceen vorangestellt werden, obwohl sie bezüglich ihres Thallusautbaues eine höhere Stufe einnehmen, als die thallosen Jungermannien, weil sich die an die letzteren unmittelbar die Anthoceroteen anschliessen, die dann wieder bezüglich ihres Sporogon- entwicklung den höchsten Platz einnehmen nnd so besser den Schluss der Leber- moose bilden. 1. Marchantiaceenreihe. Sie wird gebildet von den Riccieen (Gattungen, Kiccia, Ricciocarpus — 59 nennt LEITGEB nach Corva die früher als A. natans zur Gattung Riccia gebrachte Form — und Oxymitra) und den Marchantieen (deren Einteilung s. u.) beide Abtheilungen werden verknüpft durch die Corsinieen (Corsinia, Boschla). A. Riccieen. Unsere einheimischen Formen besitzen einen kleinen (am stattlichsten wol bei A. Bischoffü entwickelten) dem Boden angedrückten, dichotom verzweigten Thallus. Sie werden meist durch die Winterkälte getödtet, sind also bei uns einjährig. Schon in Nord-Italien ist die Ver- breitung eine viel reichere, und dort perenniren sie auch. Auf der Rückenseite des Thallus findet sich eine Lufthöhlenschicht, die Höhlen sind entweder über- dacht, (R. Auitans) oder münden in ihrer ganzen Weite nach aussen. Bei Kiccio- carpus und Oxymitra wird die Oefinung in der Decke der Lufthöhlen (die Epidermis) von einer Spaltöffnung gebildet. Auf der Unterseite des Thallus eine Reihe später zerreissender, schuppenförmiger Lamellen, bei Aicciocarpus sind sie zahl- reicher und im fertigen Zustand ordnungslos gestellt. Die Geschlechtsorgane zerstreut auf der Rückenseite gewöhnlicher Sprosse, nur bei Kiecciocarpus die Antheridien in Gruppen vereinigt. Der Embryo wird in seiner Totalität zur Kapsel, das Sporogon besitzt also keinen Fuss und keinen Stiel. Im Sporen- raum finden sich weder sterile Zellen noch Elateren. ) Vergl. ReınscH, Contributiones ad floram Algarum aquae dulcis promontorii bonae spei (Linn. Soc. Journ. Bot. vol. XV]). 362 Die Muscineen, 2. Corsinieen (keine einheimische Gattung); in ihrem Habitus den Mar- chantien ähnlich (Corsinia marchantioides), Ventralschuppen bei Corsinia wie bei Kicciocarpus, bei Boschia wie bei den Marchantieen (s. d). Die Ge- schlechtsorgane sind hier in Gruppen vereinigt, die in Vertiefungen der Thallus- rückenseite stehen. Die Sporogonien besitzen einen Stiel, und innerhalb des Sporenraumes sterile Zellen, die bei Boschia zu Elateren ausgebildet sind. Die Wandzellen des Sporogons besitzen hier auch schon, was bei keiner Riccie der Fall ist, halbringförmige Verdickungen. Auch der Thallusbau stimmt mit dem der Mar- chantieen überein: es finden sich schön entwickelte Spaltöffnungen und mit (aus confervenähnlichen Zellen bestehendem) Assimilationsgewebe ausgefüllte Luft- höhlen. Die Stellung und Bildung der Archegonienstände, ihre Versenkung in grubenförmige Vertiefungen, die Bildung eines Haarrasens am Boden der letzteren und die Entwicklung einer Hülle!) nach der Befruchtung knüpfen die Gattung, resp. die durch LEITGERB’s Untersuchungen bekannt gewordene Boschia Weddellü an Corsinia an. 3. Marchantieen (im engern Sinne). Thalius wie bei den vorhergehenden Abtheilungen flach, mehrschichtig, gabelig verzweigt. Seine Rückenseite trägt eine Lufthöhlenschicht, deren Höhlen oder Kammern bei den höhern Formen Preissia, Marchantia etc.) ausgefüllt sind mit Assimilationsgewebe, das conferven- artig aus dem Boden der Kammern hervorsprosst (vergl. Doschia). Die Luft- höhlen münden nach aussen durch die Athem- oder Spaltöffnungen, die in zweierlei Ausbildung vorkommen; entweder einfach oder tonnenförmig aus mehreren übereinander gelagerten Zellringen bestehen (s. o). Die Spaltöffnungen stehen bei Marchantia, ‚Preissia etc. in der Mitte rhomboidischer Felder: die Grenzen derselben sind die Seitenwände der Luftkammern. Im Leitungsgewebe finden sich Schleimorgane, besonders entwickelt bei Zegazella, und Faserzellen bei Preissia. Die Bauchseite trägt zwei Reihen von röthlich oder bläulich gefärbten Lamellen (Ventralschuppen), deren vorderste sich über den Vegetationspunkt her- legen. Sehr charakteristisch ist die Bildung der Inflorescenzen, die bei den niedersten Formen ihrer Anlage nach noch mit den Archegonienständen von Corsinia übereinstimmen, bei den höheren aber sich als Verzweigungssysteme darstellen. LertGep hat die Marchantieen in folgende Gruppen getheilt: a) Astroporae (Clevea, Sauteria, Peltolepis; auch Pagiochasma-Arten. Der Name dieser Gruppe ist der durch die starken Verdickungen der Radialwände der Athemöffnungsrandzellen bedingten Sternform der Athemöffnungen entnommen. Die Archegonstände werden noch angelegt, wie bei Corsinia, die Archegonien werden aber auf eine durch Wucherung des Blütenbodens entstandene Scheibe emporgehoben. b) Operculatae (Plagiochasma, Rebouilia, Grimaldia, Duvalia, Fimbriaria). Der obere Theil der Kapselwand springt theils in einem Stücke ab, theils zer- fällt er in unregelmässige Platten, in beiden Fällen bleibt der untere Theil als Urne stehen. Das Receptaculum, auf dem die Archegonien inserirt sind, steht am Ende einer Sprossachse. Der Träger desselben kann nicht mehr als rein dorsale Bildung auf dem Thallus (wie bei der vorhergehenden Unterabtheilung) angesehen werden, sondern ist als Fortsetzung des Sprosses zu bezeichnen. Die Archegonien stehen einzeln am Receptaculum und der Träger hat typisch nur eine Wurzelrinne. !) Diese ist schon vor der Befruchtung als kurze Schuppe am Hinterrande der Archegonien- gruppe entstanden und wächst dann nach der Befruchtung bedeutend heran, >) Die Lebermoose. 36 c) Targionien (Zargionia, Cyathodium). Die Archegonien stehen auf dem verbreiterten Scheitel eines gewöhnlichen Sprosses, der aber damit sein Wachs- thum abschliesst, in akropetaler Reihenfolge. Das Sporogonium steht in einer muschelförmigen Hülle. d) Compositen (Zegatella (2) Lunularia, Dumortiera, Preissia, Marchantia). Die »Inflorescenzen« sind gebildet von Verzweigungssystemen, deren Zweige strahlig angeordnet und fertil geworden sind. Hinter jedem Scheitel steht eine Archegoniengruppe, mit Ausnahme von Zegatella, bei welcher die Archegonien einzeln stehen, und deren. Zugehörigkeit zu dieser Gruppe nicht ganz sicher ist. II. Jungermanniaceenreihe. A. Jungermannieen (im engern Sinn). Von thallosen Formen finden sich Uebergänge zu foliosen, typisch einreihig beblätterten. Das Sporogonium ist in Kapsel, Stiel und Fuss differenzirt, die Kapsel springt in vier Klappen auf. ı. Anakrogyne: Der Scheitel wird zur Archegonbildung nicht verwendet. Hierher alle thallosen Formen, (mit Einschluss von Blasia und Fossombronia) und AZaplomitrium Hookeri. a) Anelatereen (XKiella, Sphaerocarpus). Kapsel ohne Elateren, aber mit sterilen, den Elateren »morphologisch entsprechenden« Zellen. Das Vor- handensein dieser sterilen Zellen bildete den Grund, aus dem die hier- her gehörigen Gattungen früher zu den Riccieen gestellt wurden. Ohne Zweifel nehmen sie in Bezug auf ihre Kapselausbildung die niederste Stufe unter den Jungermannieen ein und es erscheint deshalb einfacher, sie als besondere Unterabtheilung derselben aufzustellen. ZAiel/a nimmt so wie so eine Sonderstellung ein. b) Elatereen. «) T'hallose Formen (Aneureen, Metzgerieen, Haplolaeneen, Diplomitrieen, Codonieen. ß) Foliose — Haplomitrium Hookeri. 2. Akrogyne. Der Scheitel selbst wird zur Archegonienbildung verwendet, — sämmtliche foliose Formen mit Ausnahme von Zaplomitrium. B. Anthoceroteen. Thallose Formen ohne Blatt- oder Ventralschuppen- bildung. Die Archegonien sind gleich bei ihrer Anlage ins Thallusgewebe versenkt, die Antheridien stehen in geschlossenen Höhlungen. Charakteristisch ist die Ausbildung des Sporogoniums; es zeigt keinen Unterschied von Stiel und Kapsel, sondern es ist schotenförmig, und steckt mit einem angeschwollenen Fusse im Thallus. Bei der Reife öffnet es sich mit zwei Klappen, zwischen denen dann die Columella sichtbar wird. Diese wird gleichzeitig mit dem Archespor an- gelegt, welches die Form einer kuppelförmigen Zellschicht hat. Doch vermittelt Notothylas den Uebergang zu der ersten Abtheilung der Jungermannieenreihe. Hervorzuheben ist namentlich das lange andauernde interkalare Wachsthum der Sporogonien: während oben reife Sporen entleert werden, bilden sich unten neue. 364 Die Muscineen. II. Die Laubmoose. Allgemeine Literatur: SCHIMPER, R£cherches anatomiques et physiol. sur les mousses. Mem. de la societE d’histoire nat. de Strassbourg IV. id. Synopsis muscorum europaeorum. ed. I. 1876., id. Versuch einer Entwickelungsgechichte der Torfmoose 1858. BRUCH, SCHIMPER und GÜMBEL, Bryologia europaea 1836—1856. NAEGELI, Zeitschrift für wiss. Bot. II. Heft. HOFMEISTER, vergl. Untersuchungen 1851, und Berichtigungen mit Zusätzen dazu in PrınGsH. Jahrb. IH. Bd. KIENITZ-GERLOF, Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der Laubmooskapsel und die Embryoentwicklung einiger Polypodiaceen. Botan. Zeit. 1878. LORENTZ, Moosstudien, Leipzig 1864. NAEGELI, Pflanzenphysiolog. Untersuchungen, I. Zürich 1855. Sachs, Lehrbuch der Botanik, I—IV. Aufl. (Kritische Bearbeitung der ganzen Gruppe nebst den Resultaten eigener Untersuchung.) Die Laubmoose. Eine ganz andere Rolle als die Lebermoose spielen die Laubmoose in dem Gesammtbild der Pflanzendecke der Erde. Sind jene wenig hervortretende, und nur selten wie z. B. einige Marchantieen (Fegatella u. a.) grössere Strecken über- ziehende Bestandtheile der Vegetation, so treten die Laubmoose vielfach als die Hauptfactoren gewisser Vegetationsbilder auf, deren Charakter sie bestimmen. Sehen wir auch ab von den nordischen Tundren, so bieten uns unsere heimischen Torfmoore, deren Charakter bestimmt wird durch die unten zu schildernden Torfmoose, ein Beispiel für das eben Gesagte, und die Moosdecke unserer Wälder bildet vielfach, wenn wir so sagen dürfen, einen »Wald im Walde,« eine ausgedelinte Vegetation von eigenartigen Charakter. Dazu kommt, dass die Moose bezüglich ihres Vorkommens nicht in so verhältnissmässig enge Grenzen beschränkt sind, wie die Lebermoose. Wir haben beı den letzteren be- tont, dass sie, der Hauptsache nach nur an nicht zu trockenen Standorten ge- deihen, am meisten aber die feuchte Wald- und Gebirgsluft lieben, oder in der Ebene wenigstens geschützte Standorte aufLehmboden aufsuchen (Kiccia, Anthoceros), während nur wenige wie z. B. Grimaldia barbifrons auch auf sonnigen und ziemlich trockenen L.okalitäten wachsen (so z. B. auf dem bekannten Standort bei Schriesheim a. d. Bergstr.) Die Laubmoose dagegen haben einen fast ubi- quitären Charakter, man wird in unserer Heimat fast nirgends vergebens nach denselben suchen. Eine Anzahl derselben wächst im Wasser, in Flüssen, Quellen (Fontinalisetc.), Teichen, Sümpfen, (HFypnum-Arten u. a.), andere aufden exponirtesten Felsen (Grimmia und Andreaea-Arten), auf Dächern, Feldern, an Bäumen, kurz an fast allen möglichen Orten entwickelt sich unter günstigen Umständen eine reiche Moosvegetation. Am üppigsten freilich gedeihen auch die Laubmoose an feuchten Standorten, in Wald und Gebirg, wo manche Arten bis an die Schneegrenze hinaufgehen und auch die an gewöhnlich trockenen Lokalitäten vorkommenden sind zu ihrer Vegetation auf das. periodische Vorhandensein von Feuchtigkeit angewiesen, sie besitzen aber in hohem Grade die Fähigkeit, auszutrocknen, und dann bei Benetzung ihre Vegetation ungestört wieder aufzunehmen, eine Eigen- thümlichkeit, die übrigens in mehr als einer Beziehung noch eine genauere Unter- suchung verdient. Jedenfalls müssen wir annehmen, dass die Wasseraufnahme auch durch die Blätter geschehen kann, was bei höheren Gewächsen nur in äusserst beschränktem Masse der Fall ist. Nur wenige Moose kommen übrigens auf allen Substraten fort. So Hypnum cupressiforme, Ceratodon, Barbula ruralis. Von den andern wachsen die einen vorzugsweise auf organischen Substraten wie Buxbaumia indusiata auf vermodernden Stämmen, Splachnum auf alten Kuhfladen Die Laubmoose. 365 oder auf humosem feuchten Boden; Orfhotfrichum und Neckera-Arten u. a. auf festen Baumrinden, Phascum auf gedüngtem Ackerboden, eine grosse Zahl auf Gestein wie die oben erwähnten Grömsmia- und Andreaea-Arten. Nach der chemischen Beschaffenheit des Substrates ist zu unterscheiden zwischen kalkbewohnenden und kalkfliehenden. Zu ersteren gehören z. B. Sedigeria- und Gymnostomunm Arten, einige Z/ypna u. a., zu letzteren die An- dreaea- und Dicranum-Arten etc. Aufsandigem Boden gedeihen Zobvrrichum piliferum, Thui- dium abietinum etc., auf Lehmboden Zphe- merum, Barbula-Arten, Fissidens taxifoliusu.a., auf humosen Boden wie erwähnt Phascum, Pottia truncata etc. Viele andere ziehen Heideboden, andere wie Archidium phascoides, Schlammboden vor, wie des Näheren in der Einleitung zu SCHIMPERS Synopsis, auf die wir hiermit verweisen, ausgeführt ist. — Er- möglicht wird die weite Verbreitung der Laub- moose durch ihre ungemein reiche Repro- ductionsfähigkeit. Nicht nur ist die Bildung von Sporen bei den meisten Arten eine massenhafte, sondern es kommt dazu noch eine sehr mannigfaltige Production von un- geschlechtlichen Verbreitungsmitteln, Brut- knospen u. a. Die ungeschlechtliche wie die geschlecht- liche Generation besitzen einen höheren Grad der Ausbildung als bei den Leber- moosen. Was zunächst die geschlechtliche Generation, die eigentliche Moospflanze be- trifft, so schwankt deren Habitus freilich in sehr weiten Grenzen. Während das Stämm- chen von Zphemerum, einigen Phascum-Arten u. a. in Form eines kleinen, oft kaum mit blossem Auge wahrnehmbaren Knöspchens erscheint, giebt es Arten von mehreren Fuss Länge, so Sphagnum, Fontinalis und die tropische Gattung Spiridens. Ueberall aber ist hier wirklich ein beblättertes Stämmchen vorhanden, thallose Formen, wie sie den An- fang der Lebermoosreihe bilden, finden sich hier nirgends. Die Blätter sind einfach, immer klein, entweder in ihrer ganzen Ausdehnung ein- schichtig, oder von einem mehrschichtigen Mittelnerven durchzogen. Die Structur des Blattes, deren Einzelnheiten für die Be- Fig. 13 a stimmung wichtig sind, ist also eine sehr ein- Querschnitt eines Blattes von Polytrichum fache, und nur einige Arten machen eine Aus- commame, nahme. So vor Allem Sphagnum, dessen Eigenthümlichkeiten aber unten im Zu- 366 Die Muscineen. sammenhang geschildert werden sollen. Was zunächst den Bau des Blattnerven der übrigen Laubmoose betrifft, so setzt sich derselbe zusammen aus sklerotischen und nicht sklerotischen Elementen. Die letzteren bilden entweder eine Lage auf der Aussenseite des Blattes, oder es kommt zu derselben noch eine zweite Lage auf der Innenseite, und die beiden Lagen von faserähnlichen, verdickten, mit engen Lumen versehenen Zellen schliessen dann eine Gruppe nicht sklerotischer Zellen ein. Dieselben bestehen, wie Fig. 13 zeigt, aus engeren und weiteren Elementen. Die Function dieser Zellen, vor Allem der engeren, dürfte die sein, dem Stamme or- ganische im Blatte gebildete Substanz zuzuführen, es ist in denselben Stärke, Fett etc. nachzuweisen. Auch stehen diese Zellen, wie Fig. ı3 zeigt, in Verbindung mit denjenigen, welche unmittelbar an das bei Polyzrichum eigenthümlich ausgebildete Assimilationsgewebe angrenzen. Der Mittelnerv nimmt hier den grössten Theil des Blattes ein. Das Assimilationsgewebe ist hier eigenthümlich ausgebildet. Aus der Blattoberfläche entspringen nämlich Lamellen, welche in der Längs- richtung des Blattes verlaufen und Chlorophyll in ihren Zellen führen (Fig. 13). Bei Darbula aloides sind es einzelne Zellreihen, welche in derselben Weise aus der Blattoberfläche entspringen. Es erinnern diese Fälle an die Form und Ent- stehung des Assimilationsgewebes mancher Marchantieen (z. B. Marchantia poly- morpha), wo aus den Gruben in der Thallusoberfläche ähnliche Gebilde ent- springen. — Die von SCHIMPER erwähnten Auswüchse auf den Blättern von FPottia cavifolia etc., die mit schleimiger Substanz gefüllt sind, sind noch näher zu untersuchen. Eigenartig ausgebildet sind die Blätter ferner bei Zewcodbryum glaucum, von dem Fig. 14 A einen Querschnitt giebt. Das erwachsene Blatt ist hier dreischichtig, wenigstens an bestimmten Stellen. Die kleinen schraffirten Zellen sind hier die chlorophyliführenden. Die grossen, zwischen denen sie liegen, sind ganz plas- maleer. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Membranen grosse Löcher haben (1, Fig. 14), durch Re- sorption kreisförmiger Membranstellen ent- standen. Das Lumen der einzelnen Zellen communicirt durch diese Löcher mitein- ander, und die farb- losen Zellen bilden so ein System von Capil- laren, welches Wasser aufnimmt und fest- (B. 230.) Fig. 14. hält. Der Leucobry- A Querschnitt eines Blattes von Zewobdryum glaucum, \ Löcher in den umrasen ist in Fol- Zellmembranen, B Querschnitt eines jungen Blattes von Zissidens taxi- ge dessen wie ein Jolius, Fl Flügel. B nach LorENTZ, A nach der Natur. Schwamm, und er- innert dadurch an den unten zu schildernden Bau der Sphagna. "Sind die farblosen Zellen mit Luft statt mit Wasser erfüllt, so tritt die grüne Farbe des Assimilationsgewebes kaum hervor (daher der Name Zewobryum), Die Laubmoose. 367 r während dieselbe bei Benetzung wieder auffälliger wird. Auch Zössidens ist hier noch zu erwähnen. Das Blatt (vergl. Fig. 13 B, den Durchschnitt eines jungen Blattes von Züssidens taxifolius) stimmt hier in seiner Ent- wicklung mit den andern Moosblättern überein. Auf der Unterseite des Blatt- nerven bildet sich aber ein flügelartiger Auswuchs (Fl, Fig. 14, 3), welcher später so gross wird, dass er scheinbar das eigentliche Blatt darstellt, während das letztere als Scheidentheil des Flügels erscheint. Die untern (ersten) Blätter des Stämmchens und der Aeste besitzen übrigens diese Eigenthümlichkeit noch nicht sondern sind ebenso gestaltet wie die gewöhnlichen andern Laubmoosblätter, also ohne flügelartigen Anhang, ja die untersten Stammblätter haben noch nicht einmal einen Mittelnerven, stimmen also in ihrem Bau mit den einfachst organi- sirten Moosblättern überein. DieErscheinung, dass die ersten, untersten Blätteram Stämmchen einfacher gebaut sind, als die folgenden, ist auch sonst nicht selten (bez. Sphagnum s. u.). Die später erscheinenden Blätter aber pflegen an Form und Grösse miteinanderübereinzustimmen. Kleine Grössenunterschiede, die aber oft kaum hervortreten, finden sich insofern, als die im Frühjahr gebildeten Blätter in der Regel die kleinsten sind, während die Blattgrösse gegen den Sommer hin zunimmt, um im Herbst ihr Maximum zu erreichen, — so namentlich bei älteren Exemplaren von Zewcobryum glaucum!) — ein Verhalten also, das gerade entgegengesetzt ist demjenigen der höheren Gewächse, welche gegen den Herbst hin kleinere Blätter und Ver- kümmerungsformen derselben, sogen. Niederblätter?) bilden. Solche Nieder- blätter, — Hemmungsbildungen von Laubblättern — finden sich bei den Laubmoosen an den in den Boden eindringenden Ausläufern von Mnium undulatum, Thamnium alopecurum, Climacium dendroides u. a. und ähnliche einfache Bildungen sind viel- fach die untersten Blätter der Stämmchen, die einfacher gebaut zu sein pflegen, als die meisten oben stehenden, namentlich hinsichtlich ihres Mittelnerven. — Dagegen giebt es allerdings einige tropische Laubmoosgattungen, welche in ähn- licher Weise wie die foliosen Jungermannien, Grössenunterschiede der Blätter eines und desselben Stämmchens zeigen, wobei aber, z. B. bei Zypopterygium und Cyathophorum (nach Abbildungen zu urtheilen), die auf der Oberseite (der Lichtseite) stehenden Blätter die kleineren sind, also ähnlich wie bei Selaginella und manchen Coniferen (z. B. Abies canadensis). Die Function der Blätter wird in vielen Fällen unterstützt dadurch, dass Oberflächenzellen des Stämmchens zu gegliederten Zellfäden auswachsen, deren Protoplasma Chlorophyll bildet. Nicht selten entwickeln sich diese Auswüchse statt zu Zellfäden zu kleinen, unregel- mässig zertheilten Zellflächen, die aus langgestreckten Zellen zusammengesetzt sind, den sogen. Paraphyllien (Beispiel: Zypnum splendens). Das Stämmchen der Moose ist durch seine geringe aber gleichmässige Dicke, die meist die eines dicken Fadens nicht übersteigt, und rundlichen oder eckigen (Polytrichum-Arten) Querschnitt ausgezeichnet. Bei dieser Zartheit ist die derbe, feste und zähe Beschaffenheit, ähnlichen Bildungen höherer Pflanzen gegen- über, um so auffallender; die Fähigkeit beträchtliche Austrocknung zu ertragen, wurde oben schon als charakteristisch hervorgehoben. Die Länge des Stämm- chens schwankt je nach der Lebensweise beträchtlich. Sie ist eine sehr geringe bei den einjährigen Formen wie Zphemerum und Phascum, und immer eine be- I) Vergl. REICHARDT, Ueber das Alter der Laubmoose. Verhandlungen der k. k. Zool. botan. Gesellsch. in Wien. 1860. 2) S. betreffs derselben: »Zur Morphologie und Physiologie des Blattes«; Bot. Zeit. 1880, SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. I. 24 368 Die Muscineen. grenzte bei denjenigen Moosen, bei welchen das Sporogonium auf dem Gipfel des Hauptstammes inserirt ist, den akrokarpischen. — Bei Zonfinalis erreicht der Stamm eine Länge bis zu 2 Decim. Bei den landbewohnenden Moosen wird eine solche Länge dadurch unmöglich gemacht, dass der Stamm immer von unten her abstirbt, und so dauernd eine gewisse Länge behauptet. Es sind also an einem solchen Moospolster die einzelnen Moosstämmchen Spitzen oft uralter Individuen, die wir vor uns haben, resp. Zweige derselben, die sich durch die von unterst her fortschreitende Vermoderung vom Hauptstamme, losgelöst haben. Die Moose besitzen durch diese Eigenthümlichkeit des Wachsthums, vermöge welcher unter jedem Moosrasen allmählich sich eine immer mehr wachsende Humusschicht bildet, auf der sich nun andere, höhere Pflanzen ansiedeln können, eine hervorragende Bedeutung, namentlich für die Besiedlung vorher nackter, steiniger Stellen mit Pflanzen. Die Dicke des Moosstammes wechselt nicht nur bei den verschiedenen Arten, sondern nach den Angaben Unger’s!) auch in demselben Individuum nach der Höhe. Der Stamm-Durchmesser von Amblystegium serpens z. B. beträgt 0,041 Lin. der von Hypnum triquetrum 0,5 Lin., die grösste Dicke, 0,6 Lin. findet sich bei Dawsonia superba. In seinen unteren Theilen ist nach UnGeER der Moosstamm gewöhnlich dünner, als in seinen oberen, am Ende spitzt er sich konisch zu, es findet also ähnlich wie z. B. beim Farn- und Palmstamm eine Erstarkung im Laufe des Wachsthums statt. Der Durchschnitt des Stammes?) zeigt gewöhnlich einen aus verdickten, meist mit braun gefärbten Zellwänden versehenen Rindentheil von verschiedener Mächtigkeit und eine centrale Partie. Der Rindentheil ist einschichtig bei Dicranum scoparium, Webera rubens u. a., gewöhnlich aber wird er aus mehreren Zelllagen, deren Lumina nach aussen hin enger werden, gebildet, ” ‚ohne dass zwischen den Zellen des Rinden- Fig. 15. theils und des inneren Gewebes in den Theil eines Querschnitts durch das Stämm- meisten Fällen eine scharfe Grenze zu chen von Bartramia Halleriana nach Unger. ziehen wäre, vielmehr pflegen sie durch C Centralstrang enger dünnwandiger Zellen, Zwischenformen in einander überzugehen. R weitzelliger Rindenkörper mit verdickten ? - » ET 2 Nur im einfachsten Falle bleibt der centrale (B. 231.) !) Unger, Beiträge zur Physiologie der Pflanzen, VII. Ueber den anatomischen Bau des Moosstammes. Sitzb. der k. Akad. der Wiss. Wien. Bd. XLIII. 2. Abth., pag. 497 ff. ?) Unger, Ueber den anatom. Bau des Moosstammes, Sitz.-Ber. der K.K. Akad., Bd. XLII. 2. Abth. 1861; Lorenz, Moosstudien, Leipzig 1864; Grundlinien zu einer vergl. Anatomie der Laubmoose, PrInGsHEIM’s Jahrb. für wissensch. Botan. VI. Bd.; zur vergl. Anatomie der Laubmoose. Flora 1867. No 32—36; zur Anatomie von Dartramia ityphylla und Phlonotis caespi- tosa, Bot. Zeit. 1868. pag. 465, und noch einige andere in den angeführten citirte Aufsätze. Die Laubmoose. 369 Theil ohne weitere Differenzirung, verhält sich also ähnlich wie dies bei den foliosen Lebermoosen allgemein der Fall ist. So ist es bei Fonzinalis antipyretica, Barbula ruralis, Orthotrichum pumilum etc. und dem Centraltheil des Sphagnum-Stämm- chens, bei dem aber der Rindentheil eine weitergehende Differenzirung zeigt. In anderen Fällen zeigt das Stammgewebe sich gesondert in einen centralen Strang aus engeren dickwandigen oder dünnwandigen Zellen, die länger gestreckt sind, als das übrige Stammparenchym. Dickwandig sind diese Zellen bei Diera- num scoparium (in den Ecken collenchymartig verdickt bei Dicranella heteromalla), Atrichum undulatum, Leucobryum glaucum u. a. Ein dünnwandiger Centralstrang findet sich besonders entwickelt bei einigen Dryum-Aırten, weniger bei Dartramia pomiformis, Hypnum filicinum, Webera cruda und vielen anderen. Es ist dieser aus engen, dünnwandigen Zellen bestehende Centralstrang (vergl. Fig. 15) ohne Zweifel hauptsächlich diejenige Partie, in welcher die Leitung der Nährstoffe vorzugsweise stattfindet, ohne dass jedoch die Zellen der Rindenpartie davon ausgeschlossen wären, man findet auch in ihnen — wenn auch nicht immer — das in den Moosstämmen weit verbreitete Fett, Stärke etc. Uebrigens fehlt dieser Central- strang auch bei den Moosen, welche ihn im oberen Stengeltheil besitzen häufig in der unteren, blattlosen Partie desselben. Am auffallendsten tritt der Central- strang bei denjenigen Moosen hervor, bei welchen die die Blattnerven durch- ziehenden Stränge nicht sklerotischer Zellen sich ins Stengelgewebe fortsetzen und sich an den centralen Cylinder anlegen, d. h. also wirkliche Blattspurstränge vorhanden sind. Solche Blattspuren finden sich z. B. bei Zolytrichum commune Fig. 16. Wie diese Figur zeigt, laufen sie hier tief im Stammgewebe hinunter, bis sie sich dem centralen Cylinder allmählich nähern, um sich dann, nachdem sie noch eine Strecke weit demselben parallel gelaufen sind, an ihn anzusetzen. Der Querschnitt des Stämmchens (Fig. 16 B) zeigt Folgendes. Im Centrum befindet sich ein Cylinder von weiten, verdickten, hie und da durch sehr zarte, (d. h. unverdickt gebliebene) Wände gefächerten Zellen, deren verdickte Wände gelblich gefärbt sind. Diesen Strang (in der Fig. 16 A schraffirt) umgiebt ein mehrschichtiger Ring von zartwandigen, engeren Zellen, der nach aussen be- grenzt wird von einem ein- bis dreischichtigen Ringe dünnwandiger, meist schwarzbraun gefärbter Zellen. Diese letzteren Zellen und die ihnen nach aussen Fig. 16. angrenzenden finde ich ausgezeichnet durch ihren „ Da Stärkegehalt, und durch einen solchen sind auch die Stämmchens von Polytrichum com- engeren Zellen der Blattspuren gekennzeichnet, ze bs Blattspuren, c der IT / 2 # (schraffirte) Centraleylinder, beste- übrigens fehlt im Zolyzrichum-Stengel Stärke oft auch end aus Zellen, deren Wandungen ganz und wird durch Fett ersetzt. Reichlich vor- grösstentheils verdickt und bräun- handen ist dasselbe (und jedenfalls auch Eiweiss- ig un ee stoffe) in dem, den Centralcylinder umgebenden dünnwandigen Gewebe, spär- licher in den dickwandigen Zellen des Centralcylinders selbst, die in älteren Theilen der Hauptsache nach Luft führen — wenigstens in den von mir untersuchten Fällen. Die Gestalt dieser Zellen ist bei allen im Grunde dieselbe; es sind langgestreckte Prismen mit gerade oder schief abgesetzten Grundflächen, ebenso wie die verdickten Zellen, welche die mächtig entwickelte Umhüllung des (B. 232.) 24” en cc BR ER x 370 Die Muscineen. Centralstranges bilden. Dieser letztere reicht bis nahe an die Terminalknospe, und besteht hier aus farblosen, engen, langgestreckten Fett u. a. führenden Zellen, während die Zellen des übrigen Stammgewebes Chlorophyll führen, weiter und kürzer sind. An der Grenze zwischen beiden Gewebearten finden sich Intermediärformen, doch ist der Centralcylinder ziemlich scharf abge- setzt. Er bildet den mittleren, dickwandigen Theil des späteren Centralstranges und die zartwandigen, jenen umgebenden — in älteren Stengelpartieen übrigens sich auch mehr oder weniger verdickenden — Zellschichten. Jene gebräunte darauf folgende Zone stammt von den angrenzenden Zellen des Stengelgewebes. Auch für Splachnaceen (Splachnum-Arten, Tetraplodon urceolatus etc.) und für Hookeria werden Blattspuren angegeben. Jedenfalls zeigt der als Beispiel eines höher organisirten Moosstämmchens herausgegriffene Bau von Zolytrichum, dass die anatomische Gliederung innerhalb der Laubmoosreihe eine höhere Gliederung erreicht, als bei den Lebermoosen, und Formen annimmt, welche unverkennbar auf die der »Gefässkryptogamen« und Phanerogamen hinweisen. Finden sich auch nicht die anatomischen Bestandtheile der Gefässbündel: Tracheen (resp. Tracheiden wie bei der Mehrzahl der Farne) und Siebröhren, so sehen wir doch wenigstens gesonderte Zellstränge aus den Blättern sich an ein vom übrigen Stammgewebe different ausgebildetes stammeigenes Zellbündel im Stämmchen an- setzen. Die Bedeutung der einzelnen Gewebesysteme, soweit solche erkennbar sind, für den Haushalt der Moospflanze bedarf freilich noch eingehenderer Unter- suchung, nachdem bisher die Aufmerksamkeit hier fast ausschliesslich auf die Morpho- logie der Zellen und Zellcomplexe gerichtet gewesen ist, während man sich be- eilte, den Inhalt zu zerstören. Was das Vorkommen verdickter Zellstränge im Stammcentrum betrifft, wie es für Polytrichum etc. hervorgehoben wurde, so ist wohl die Vermuthung gestattet, dass die Function derselben eine ähnliche sein könnte wie die des Holzkörpers phanerogamer Pflanzen, nämlich die der Wasser- leitung. Die Lebensdauer einer Moospflanze!) ist je nach den verschiedenen Arten verschieden. Einjährig sind z. B. die Phascaceen, deren beblätterte Stengel nach der Fruchtreife absterben. Bei den perennirenden ist die Bestimmung der Lebensdauer dadurch erschwert, dass die Stämmchen allmählich von unten nach oben absterben, scharf markirte Grenzen zwischen den einzelnen Jahrestrieben aber meist kaum vorhanden sind (vgl. oben pag. 366). Dass die Sphagnaceen ein hohes, das der als langlebig bekannten Bäume übersteigendes Alter erreichen, ist aus dem langsamen Wachsthum des Torfes, und der Thatsache, dass sich an demselben die unteren Theile derselben Pflanzen, die auf seiner Oberfläche vegetiren, betheiligt haben, zu schliessen. Berech- nungen sind aber hier kaum ansteilbar. Etwas plausibler erscheinen dieselben bei den tuffbildenden Moosen, bei welchen die unteren Stengeltheile vom Tuffe incrustirt und dadurch vor Vermoderung geschützt werden. Die Tuffbildung erfolgt, wenn Quellwasser, welches doppelt kohlensauren Kalk enthält, denselben als poröse Masse theilweise absetzt, wie dies geschieht, wenn die kalkhaltige (Juelle sich über eine grössere Fläche ausbreitet, wobei Wasser verdunstet und ein Theil der Kohlensäure, welche die Löslichkeit des doppelkohlensauren Kalkes in Wasser bedingt, entweicht, und so ein Kalkniederschlag erfolgt. Dies geschieht namentlich, wenn Moosrasen, welche bei manchen Arten solche Standorte mit 4 1) Vergl. REICHARDT, a. a. O., UNGER, a. a. O., pag. 509 ff. Die Laubmoose, 371 Vorliebe aufsuchen, von kalkhaltigem Wasser berieselt werden. Kennt man die Grösse des jährlichen Zuwachses eines solchen Mooses und die Grösse des Tuff- lagers, so lassen sich dadurch Anhaltspunkte für die Beurtheilung des Alters der tuffbildenden Moose gewinnen. REICHARDT schätzt, gestützt auf solche Erwägung, z.B. das Alter von Gymnostomum curvirostrum an einem bestimmten Standort auf gegen 3000 Jahre, eine Zahl, die natürlich weit davon entfernt ist, eine auch nur annäherungsweise exakte zu sein, da hierbei noch eine ganze Anzahl von Neben- umständen in Betracht kommen. Die Zeit, welche zur Bildung eines anderen Tufflagers, bei St. Johann, in welchem Zypnum commutatum noch zu erkennen ist, erforderlich war, wird von UNGER auf 5964 Jahre berechnet, /Zypnum commu- Zatum wächst aber viel rascher, als Gymnostomum curvirostrum, das jährlich nur 3 Linien durchschnittlich ansetzt. Immerhin mögen diese Zahlen dazu dienen, ein Beispiel für die fast unbegrenzte Vegetation perennirender Moose abzugeben. Die Blattstellung ist nur bei wenigen Formen zweizeilig, so bei Zissidens, Conomitrium, Distichium und den sterilen Sprossen von Schistostega osmundacca. "Bei den andern Laubmoosen treten Blattstellungen mit Divergenzwinkeln von 2, 2, 2 etc. auf. Schistostega ist deshalb von besonderem Interesse, weil es zweierlei Sprosse besitzt, die verschiedene Ausbildung zeigen. Die sterilen, in ihrem äusseren Umriss einem Farnblatt gleichend, haben zweizeilige Blattstellung, die Blätter der fertilen Sprosse dagegen sind spiralig gestellt. Wie LEITGEB nachgewiesen hat, kommt indess bei den sterilen Sprossen die zweizeilige Blatt- stellung durch Verschiebung (Internodiendrehung) aus ursprünglich spiraliger zu Stande!). Nach BERGGREN?) entstehen die wedelähnlichen sterilen Sprosse zuerst, und an ihrer Basis später die fertilen, anders gestalteten Stengel durch Ver- mittlung eines kurzen, aus ı—4 Zellen bestehenden Fadens. Auch bei Te/ra- phis pellucida geht nach seinen Angaben die brutknospentragende Generation?) mit grösserem Stengel voraus, und aus der Basis derselben entspringen später die fertilen Stengel durch Vermittlung weniger Zellen. Ob dieser Vorgang der Sprossfolge ein durchgreifender ist, verdient wohl weitere Untersuchung. Im-Bau des Vegetationspunktes finden sich bei den Laubmoosen keine solche Verschiedenheiten, wie bei den Lebermoosen. Die Scheitelzelle des Stämmchens?) ist nämlich mit Ausnahme von Zäössidens dreiseitig-pyramidal. Bei Fissidens ist sie zweischneidig und erzeugt zwei gerade Reihen alternirender Seg- mente. Die im Boden verborgenen Sprosse dagegen wachsen nach HOFMEISTER mit dreiseitiger Scheitelzelle, und erst unter dem Einfluss des Lichtes geht die Segmentirung allmählich in die einer zweischneidigen Scheitelzelle über. Auch die am Stamme zweizeilig stehenden Aeste zeigen zuerst eine »dreiseitig pyrami- dale« Scheitelzelle, und dem entsprechend spiralige Stellung der ersten Blätter, allmählich geht dann die Scheitelzelle in die Form einer zweischneidigen über, und die zweizeilige Stellung der Blätter tritt etwa vom fünften an hervor. Nur 1) LeitGes, Das Wachsthum von Schistostega, Mittheil. des naturwissensch. Vereines zu Graz, 1874. 2) Botan. Zeit. 1872. — Die beiden Sprossformen sind übrigens durch vielfache Ueber- gänge verbunden. 3) Bezüglich derselben vergl. unten. 4) Vergl. ausser der oben angeführten Literatur: LEITGEB, Beiträge zur Entwicklungs- geschichte der Pflanzenorgane. I. Wachsthum des Stämmchens von Fontinalis antipyretica. Bd. LVII. der Sitzb. der k. k. Akad. der Wissensch. Wien, I. Abth. Zur Kenntniss des Wachs- thums von Fissidens. ibid LIX. Bd., 1874. 372 Die Muscineen. die etwas abweichend angelegten Aeste von Z. dryoides haben von Anfang an eine zweischneidige Scheitelzelle. Dass diese Aenderungen in Beziehung zum Licht stehen ist klar, experimentelle Untersuchungen darüber fehlen aber. Es erinnert die Aenderung der Scheitelzellform und Segmentirung an die beim Embryo von Salvinia stattfindende: auch hier geht die ursprünglich dreiseitig- pyramidale Scheitelzelle in eine zweischneidige über. — Die sterilen Sprosse von Schistostega, dıe bezüglich der Blattstellung mit Züsszdens übereinstimmen, be- sitzen indess eine dreiseitige Scheitelzelle und eine dem entsprechende ursprüng- lich spiralige Anordnung der Blätter; diese geht aber, wie oben erwähnt, später in die zweizeilige über. Die tetra&drische Scheitelzelle scheidet wie gewöhnlich drei Reihen von Segmenten ab. Aus jedem Segment geht ein Blatt hervor, wenn die Segmente also in drei Reihen übereinanderstehen, so ist dies auch bei den Blättern der Fall. Ein Beispiel für dieses Verhalten bietet Zontinalis antipyretica!). Hier ist jeweils die jüngste in der Scheitelzelle auftretende Wand der viertletzten, vorausgegangenen parallel, also bilden in der Figur ı7 B, welche als Schema für dies Verhalten dienen mag, die Segmente 3 übereinander liegende Reihen, ebenso die aus ihnen hervorgehenden Blätter. Die Blattstellung ist also 4, d. h. der Divergenzwinkel zwischen zwei auf einander folgenden Blättern ist — 4 des Stammumfangs. So ist es noch bei einer Reihe anderer Moose, wie Seligeria tristicha, Meesia tristicha, den Dichelyma-Arten, Gymnostomum calcareum u. a. Bei vielen anderen Moosen ist die Divergenz der Blätter aber eine grössere, 2, & u. s. w. So z. B. 2 bei allen Sphagnum-Arten am Stämmchen und den Hauptzweigen, bei den Seitenzweigen trifft man zuweilen die Stellung 4, $, bei Zunaria hygrometrica u. a; 73 bei Folytrichum commune 14 bei Zolytr. formosum etc. Auch diese Blattstellungen werden. schon durch das Verhalten der Segmente bestimmt. Diese liegen nämlich schon bei ihrer Entstehung nicht wie in dem oben geschilderten Falle in drei gerade über einander geord- nete Reihen, (Orthostichen), sondern eine die Segmente I, IV, VIIIlu. s. w. ver- bindende Linie ist eine den Stamm umwindende Schraubenlinie. Die Vergleichung von Fig. 17 C mit Fig. 17 B wird dies ohne Weiteres veranschaulichen. Die Wand in der Scheitelzelle, welche das Segment ıo abgeschnitten hat, ist nicht parallel der ihr gegenüberliegenden, dies Segment oben begrenzenden (ursprüng- lichen) Aussenwand der Scheitelzelle, Sondern sie greift in der Scheitelzelle ein Stück vor, und zwar in derselben Richtung, in welcher eine die verschiedenen Blattinsertionen verbindende Schraubenlinie, die sogen. Blattspirale läuft. Seg- ment ıo fällt also nicht gerade über Segment 7, die Divergenz ist nicht wie in Fig. 17 B — 4 sondern etwa „4; in anderen Fällen # etc. Als Beispiel für den Bau und die Entwicklung des Vegetationspunktes wählen wir die von LEITGEB so eingehend untersuchte Zontinalis antipyretica, mit dem Bemerken, dass nach den vorliegenden Untersuchungen bei andern Moosen im Einzelnen Abweichungen vorkommen. Aus jedem Segment geht wie erwähnt ein Blatt hervor. Das Segment wölbt sich zunächst als breite Papille über die Aussenfläche des Vegetationspunktes hervor und zerfällt dann durch eine Perikline (von L£eırGeg als »Blattwand« bezeichnet; a in Fig. 17 A) in eine äussere und eine innere Zelle in einen »Blatttheil«e und einen »Stengeltheilc«. ") Die dreiseitige Blattstellung tritt aber auch hier nur an schlanken Stammspitzen deutlich hervor, dickere Stammspitzen zeigen sich sehr stark in der Richtung der Blattspirale gedreht. Die Laubmoose. 373 Aus letzterem geht nämlich die Hauptmasse des Stengelgewebes, aus ersterem das Blatt und das peripherische Stengelgewebe hervor. Der »Blatttheil« zerfällt nämlich durch eine Antikline in eine obere und eine untere Zelle, von ersterer wird durch eine Perikline dann die Zelle abgegliedert, aus welcher die Blatt- spreite hervorgeht, während die beiden unteren Zellen als scheitelsichtiger (akroskoper) und grundsichtiger (basiskoper) Basilartheil des Blattes bezeichnet Fig. 17. (B. 233.) A Längsschnitt durch eine Stammspitze von Zontinalis antipyretica nach LEITGEB, a »Blattwand, b Basilarwand, t Haar, r Astanlage, B Querschnitt durch eine Stamm- knospe derselben Moose, C Querschnitt einer Endknospe von Zolytrichum formosum . (nach HOFMEISTER). werden, die sie trennende Wand (b, Fig. ı7 A) heisst die Basilarwand. Der »basiskope Basilartheil« geht im Aufbau des Rindentheiles des Stämmchens auf, falls nicht aus ihm sich ein Seitenzweig entwickelt, in welchem Fall hier die tetra&drische Scheitelzelle, mit welcher der Seitenspross beginnt, angelegt wird. Wir legen im Uebrigen auf die Thatsache, dass Seitenzweig und Blatt auf demselben Segmente ihren Ursprung nehmen, weiter kein grosses Gewicht, da die Pflanze sich nicht aus Segmenten »aufbaut«, sondern die Segmentbildung nur ein Örientirungsmittel für den Beobachter ist, das bei einem Vegetations- punkt, dessen Scheitel von einem Gewebe kleiner, gleichartiger Zeilen ausgefüllt ist, natürlich wegfällt. Die Grenzen der Segmente werden bei den Moosen ohnehin auch bald undeutlich; in den älteren Partieen des Vegetationspunktes, wo die Segmente dann quergelagert erscheinen, verschwinden ihre Grenzen bald. Dagegen muss hervorgehoben werden, dass hier so wenig wie bei den Lebermoosen die Verzweigung eine axilläre ist, vielmehr pflegen die Aeste zwischen zwei Blättern zu stehen. Durchaus nicht jedes blattbildende Segment producirt indess auch einen Seitenast. Bei Sphagnum kommt auf je vier Blätter immer ein Ast. Bei Neckera, Thuidium, Hypnum u. a. finden sich zahlreiche Arten mit regelmässig zweizeiligen Aesten, während die Blätter nach 2 und # geordnet sind, ein Verhalten, das, wie schon SCHIMPER hervorhebt (SpAagnum pag. ı8), an das der 7%uja-Arten 374 Die Muscineen. erinnert. Im Uebrigen harrt dıe Zweigstellung der Laubmoose noch einer ein- gehenderen, weniger auf die Zellanordnung als auf die grob-morphologischen Verhältnisse gerichteten Bearbeitung, die sich namentlich auch mit den Symmetrie- verhältnissen näher zu befassen hätte. Dass die Verzweigung auch dann nicht in dem Sinne wie bei den Phanerogamen als axilläre bezeichnet werden kann, wenn der Seitenzweig genau unter der Mediane eines Blattes, bei geradreihiger Blattstellung also über der eines älteren Blattes steht, braucht wohl kaum hervor- gehoben zu werden. Gewöhnlich aber ist dies ohnehin nicht der Fall, bei Sphagnum z. B. entsteht der Seitenzweig nicht unter der Blattmediane, sondern unter der kathodischen Hälfte desselben, und später am Seitenrand eines älteren Blattes. Was die Blattentwicklung betrifft, deren erste Anfänge oben geschildert wurden, so ist der apicale Theil der Blattpapille die Scheitelzelle des Blattes, sie bildet zwei Reihen von Segmenten, deren Wände mit der Blattfläche einen rechten Winkel machen. Das Spitzenwachsthum des Blattes ist aber hier, wie bei den Phanerogamen ein begrenztes und wird nach einiger Zeit abgelöst durch ein basales, bis es dann zuletzt aufhört. ; Betrachtet man das Verhältniss der Verzweigung zum Gesammtaufbau der Moospflanzen, so sind zunächst die zwei Hauptkategorien der akrokarpen und pleurokarpen Moose zu unterscheiden!). Bei den ersteren schliesst das Wachsthum des Stengels mit der Bildung eines Sporogoniums ab, das Archego- nium entspringt aus der Scheitelzelle des Hauptstammes. Bei den pleurokarpen steht das Sporogonium an der Spitze eines Seitenzweigs, das Wachsthum des Hauptstammes wird also durch das Eintreten der Fruchtbildung nicht beein- trächtigt. Die Stengel mancher akrokarpen, einjährigen Moose bleiben überhaupt unverzweigt, sie sterben nach der Fruchtbildung ab. Bei den perennirenden Akrokarpen übernimmt nach der Sistirung des Wachsthums des Hauptsprosses ein Seitenzweig die Weiterentwicklung, und bildet eine sogenannte Innovation. Treten unterhalb des Scheitels eines Sporogon tragenden Hauptsprosses zwei statt wie gewöhnlich ein Seitenspross auf, so kommt ein dichasialer Habitus zu Stande, wie bei Orthotrichum, Grimmia u. a. Die Innovationssprosse treiben ihrerseits Rhizoiden, und werden später durch Absterben des Hauptsprosses zu selbständigen Pflanzen, geschieht dies sehr früh, so entsteht der Anschein eines unverzweigten Mooses. Einige Arten, wie z. B. Mnium undulatum bilden Aus- läufer, die in den Boden eindringen, mit kleinen »Niederblättern« (Hemmungs- bildungen der Laubblätter) besetzt sind, später wieder an’s Licht treten, ergrünen, und nach Lösung der Verbindung mit ihrem Hauptspross selbständige Pflanzen darstellen (s. o.). Die Bildung der Rhizoiden soll zusammen mit der des Protonema’s, mit dem die ersteren vollständig übereinstimmen, besprochen werden. Hier mag nur er- wähnt sein, dass sie aus einfachen, aus den Oberflächen des Stämmchens ent- springenden Zellreihen (bezügl. Andreaea vergl. unten) bestehen, die sich bei manchen Zolytrichaceen oft zu dickeren Strängen verflechten, bei einigen Zypnum- Arten und bei Sphagnum aber den erwachsenen Pflanzen ganz fehlen. Die Rhizoiden von Zolytrichum piliferum, nanum und aloides, von Barbula ruralis und Racomitrium canescens besitzen nach SCHIMPER in hohem Grade die Fähigkeit, Sandkörnchen die an ihnen anhängen, zusammenzukleben und so allmählich auf ') Fissidens z. B. aber ist bald akrokarp, bald pleurokarp, bildet also eine Ausnahme von der allgemeinen Regel. en ES . > * ner 1 7 ae Die Laubmoose. 575 den Dünen der Seeküsten einen festeren Boden zu schaffen, auf dem sie zugleich Humus bilden, und so die Ansiedlung von Bäumen ermöglichen. Die Geschlechtsorgane der Laubmoose, die Antheridien und Archegonien stimmen im fertigen Zustande der Hauptsache nach mit denen der Lebermoose überein, nur die Entwicklung ist wenigstens in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine abweichende. Es stehen die Geschlechtsorgane gewöhnlich in Gruppen an der Spitze eines Sprosses zusammen, Gruppen, die wir mit SCHIMPER als Blüthen bezeichnen können, obwohl sie von den Blüthen der Phanerogamen durchaus abweichen, denn die letzteren sind nicht Antheridien- und Archegonien, sondern Mikro- und Makrosporangien-Stände. Die Blüthen sind entweder zwitterig oder getrenntgeschlechtig und dann monöcisch oder diöcisch, Die Sphagna machen auch hier wieder eine Ausnahme, die Antheridien stehen hier nicht in Gruppen auf dem Gipfel des männlichen Zweiges, sondern sind längs desselben so angeordnet, dass sie neben den Blättern an der gestreckten Sprossachse stehen, sie gleichen durch ihre runde Form, ihren langen Stiel sehr denen der Leber- moose. Der Gipfel eines solchen antheridientragenden Zweiges kann denn auch später fortwachsen, und in einen der peitschenförmigen Aeste übergehen (s. u.) Auch bei den übrigen Laubmoosen findet sich übrigens in Fällen wie bei Polytrichum normal eine Durchwachsung der männlichen Blüthe, und zwar scheint es hier wirklich der Scheitel des antheridientragenden Sprosses zu sein, der vegetativ weiterwächst. Die Geschlechtsorgane stehen gewöhnlich untermischt mit Zellfäden (bei Zolytrichum z. B. oben eine Zellfläche übergehen) mit oft kugelig angeschwollenen Endzellen: den Paraphysen, über deren Funktion man im Grunde nichts Genaueres weiss, immerhin wird man annehmen dürfen, dass sie dazu bestimmt sind, die Geschlechtsorgane zu schützen. Die Antheridien sind meist keulenförmige, kurzgestielte (vergl. Sphagnum) Körper, die aus einer einschichtigen Wand und einem innern Zellcomplex, den Mutterzellen der Spermatozoiden bestehen. Die Entwicklung der Antheridien wurde von LEITGEB bei F/onfinalis untersucht.!) Das erste Antheridium geht aus der Scheitelzelle selbst hervor. Sie wölbt sich hervor und die Antheridien- anlage wächst eine Zeit lang mit »zweischneidiger« Scheitelzelle, später differenzirt sie sich in die erwähnten Innen- und Aussenzellen. Die nächst folgenden Antheridienanlagen entstehen ähnlich wie Blattanlagen, d. h. aus Segmenten der Stammscheitelzelle, während die späteren regellos aus Oberhautzellen hervorgehen. Die Antheridienanlagen von Sphagnum dagegen stimmen in Ort und Art ihrer Entstehung mit den Astanlagen überein. — Man hat die Thatsache, dass die Antheridien verschiedenen Entstehungsort haben, auch so ausgedrückt, dieselben hätten verschiedene »morphologische Bedeutung« die von Sphagnum z. B. die eines metamorphosirten Sprosses, bei Fontinalis bald die eines Blattes, bald die eines »Trichomes.« Diese Ausdrucksweise ist jedoch eine durchaus entbehrliche und giebt über die Natur der Antheridien gar keinen weitern Aufschluss, sie z. B. als metamorphosirte Sprosse zu bezeichnen, ist unstatthaft, vielmehr geht aus den Thatsachen eben nur das hervor, dass der Entstehungsort der Antheridien ein variabler und somit was das Antheridium an und für sich betrifft, irrelevanter ist. Dagegen ist ohne Zweifel der Umstand von Interesse, ob mit der Bildung 1) LEITGER, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane, II. Entwicklung der Antheridien bei Fontinalis antipyretica. Bd. LVIH. der Sitzb. d. k. Akad. d. Wissensch. I. Abth. Wien 1868. 376 Die Muscineen. der Antheridien das Wachsthum des betreffenden Sprosses abgeschlossen ist oder nicht. Bei Fontinalis eilt das aus der Scheitelzelle entstandene Antheridium den andern in der Entwicklung voraus. Wie Fonzinalis dürften sich wohl die meisten Laubmoose verhalten, während ich bei Zolyfrichum nach früheren, aber nicht ausdrücklich auf diesen Punkt gerichteten Untersuchungen, den Stammscheitel in Mitte der Antheridiengruppe gesehen zu haben glaube.!) Wir wollen auf die kleinen Differenzen, wie sie z. B. die Entwicklung der Andreaea-Antheridien von dem oben kurz geschilderten aufweist, hier nicht eingehen, sondern die Gesammt- gestaltung der männlichen Blüthe hier kurz berühren. Der Habitus derselben ist ein verschiedener, und wird von SCHIMPER (Re- cherches etc. pag. 36) als knospen-, köpfchen- oder scheibenförmiger bezeichnet. Am häufigsten sind die knospenförmigen, sie gleichen auch am meisten den weiblichen Blüthen, welche gewöhnlich diese Form haben, sie sind aber immer kürzer und dicker, als die letzteren, ihre Hüllblätter dünner, oft roth gefärbt und von innen nach ‘aussen an Grösse abnehmend. Die auf Seitenzweigen stehenden männlichen Blüthen haben immer nur dieseForm. Die köpfchenförmigen männlichen Blüthen sind immer terminal und von mehr kugeliger Gestalt, die Hiüllblätter mit scheidiger Basis nehmen von aussen nach innen an Grösse ab, und hören da auf, wo die Antheridien anfangen. Oft besitzen die köpfchenförmigen Blüthen eine Art Stiel, welcher die direkte Verlängerung des Stammes bildet, eine Eigenthümlichkeit, die besonders auffallend an den männlichen Blüthen von Splachnum, Tetraplodon und Tayloria sich findet. Am auffallendsten sind die scheibenförmigen Blüthen der Gattungen Mnium, Polytrichum u. a., die Hüll- blätter derselben weichen von den Stengelblättern an Gestalt und Grösse auf- fallend ab, sie sind breiter und kürzer als die letzteren und oft lebhaft gelb oder roth gefärbt. Die Hüllblätter einer männlichen Blüthe von Zolytrichum z. B. verhalten sich zu den Stengelblättern ganz ähnlich wie die Tragschuppen eines Larix-Makrosporangienstandes zu den Nadeln. Es findet ein allmählicher Ueber- gang der Stengelblätter in die Hüllblätter statt, die untersten derselben erhalten an ihrer Basis einen schmalen häutigen Saum, der nach oben zunimmt,bis dann die oberen Hüllblätter wieder als reducirte Bildungen erscheinen. Die Antheridien und Paraphysen stehen in den Achseln der Hüllblätter, der Scheitel der Blüthe wird aber, wie schon die Durchwachsungen bei Zolytrichum lehren, von den Antheridien nicht eingenommen. Die Hülle der männlichen Blüthe ist von SCHIMPER Perigonium genannt worden. Bei einzelnen diöcischen Moosen findet sich die eigenthümliche Erscheinung, dass die männlichen Pflanzen den weiblichen an Grösse beträchtlich nachstehen. So in geringerem Grade bei Funaria hygrometrica, auffallender bei Dicranum undulatum und Leucobryum glaucum, wo die männlichen Pflänzchen als Zwerg- pflanzen in dem Protonemafilz der weiblichen vegetiren, wie er namentlich aus den oberen Stengelblättern entspringt; allein auch aus Sporen können männliche Pflanzen hervorgehen, die Sporen finden gerade in dem dichten, von den weiblichen Pflanzen ausgehenden Protonemafilz eine günstige Keimstätte. Sehr häufig sind übrigens diöcische Moose, des Fehlens eines der Geschlechter halber steril. In jeder der kleinen Zellen des Innengewebes des reifen Anthe- ridiums entwickelt sich ein Spermatozoid, jedenfalls auf ganz ähnliche Weise wie ') Denkbar wäre ja auch, dass die Antheridien auf kurzen, wirtelig gestielten Seitenknospen ständen, BE Seh un Die Laubmoose. 377 bei den Lebermoosen (vergl. pag. 342). Durch einen Riss am Scheitel öffnet sich das Antheridium (Sphagnum vergl. u.) und der Plasmabrei, welcher die Spermatozoiden enthält, tritt heraus. Die einzelnen Spermatozoiden machen sich dann aus demselben frei und bewegen sich vermittelst ihrer Cilien. Die weiblichen Blüthen sind knospenförmig, ihre Hülle wird gebildet von einem oder mehreren Blattcyklen, deren Blätter von den Stengelblättern sich gewöhnlich nur wenig unterscheiden, und von aussen nach innen kleiner werden. Das Archegonium ist im Grossen und Ganzen übereinstimmend mit dem der Leber- moose gebaut, zeichnet sich aber aus durch seinen sehr entwickelten gegen die Basis hin keilförmig verschmälerten Stieltheil (vergl. Fig. 19 von Sphagnum squarrosum) und weicht ausserdem ab durch seine Entwicklung. Die letztere ist von JANCZEWSKI?), bei Africhum undulatum, Bryum nudum, Funaria hygrometrica, Phascum cuspidatum verfolgt, und als bei allen genannten Moosen im Wesent- lichen gleich verlaufend gefunden worden. Eine Oberflächenzelle des Vegetations- punktes (beim ersten Archegonium die Scheitelzelle vergl. Fig. ı8 A) wölbt sich hervor, und theilt sich in eine untere platte (dem Stielchen der Lebermoose entsprechende) Zelle (t Fig. ı8 B) und eine obere äussere. In der äusseren entsteht zuerst eine schiefe, auf die Basis angesetzte Wand (a a, Fig. 18), dann folgt eine zweite in entgegengesetzter Richtung. (bb, Fig. ı8B); in diesem Stadium gleicht also die Archegonienanlage ganz einer Antheridienanlage. Nun zerfällt die oberste Zelle der Archegonienanlage durch drei Längswände in eine mittlere und drei peripherische Zellen ganz wie bei den Lebermoosen. Die peripherischen Zellen werden bald durch radiale Längswände halbirt, während die mittlere Zelle in eine innere und äussere (obere) zerfällt, dann erfolgt in sämmtlichen peripherischen und der inne- ren Zelle eine Quertheilung, welche diese Archegonienpartie in zwei Stockwerke zer- legt, von denen das untere zum Aufbau des Bauchtheils, das obere zu dem des Halses beiträgt. Der ganze Unterschied in diesem Ent- wicklungsstadium, dem gleichen eines Lebermoosarcheganiums gegenüber, besteht H | „FD e Fig. 18. (B. 234.) also ım Auftreten der ersten, antheridien- Nun tritt eine Diffe- renz ein, indem die das Archegonium nach oben abschliessende Kappen- oder Deckel- zelle (De Fig. ı8 B) nicht wie bei den Lebermoosen in den Ruhezustand über- geht, sondern zur Verlängerung des Halses beiträgt, indem in ihr successive neue peri- pherische Zellen und innere Zellen — Kanalzell-Initialen gebildet werden, in einer Weise die besser aus der Be- artigen Theilungen. als schreibung aus der Fig. ı8 B ersichtlich ist. A Stammspitze mit jungen Blattanlagen (be) von Andreaca petrophila, nach KÜHn. Aus der Scheitelzelle hat sich eine Archegonien- anlage gebildet; Durch die Wand mm wird von derselben die dem »Stielchen« der Leber- moosarchegonien entsprechende Zelle t ab- gegliedert. (Nach Künn.) Fig. B. Schema für die Weiterentwicklung eines Laubmoos- archegoniums. aa, und bb, die antheridien- artigen Wände. St der Theil aus dem der Stiel, H derjenige, aus welchem der Halstheil hervorgeht. Die mit C bezeichnete Zelle ist die »Centralzelle«e deren Plasmainhalt später nach Abtrennung der Bauchkanalzelle zum Ei wird. Die Theilungen in der Deckel- 1) Vergleichende Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte des Archegoniums. Bot, Zeit. 1872, pag. 404 ff. 378 Die Muscineen. zelle sind hier durch punktirte Linien angedeutet. Es treten nämlich in der Deckelzelle (De) wieder drei Längswände — zwei Antiklinen und eine Perikline auf, von denen in der Figur natürlich nur zwei zu sehen sind. Diesen setzt sich eine Querwand an, wodurch eine innere Zelle und eine neue, obere Deckelzelle entsteht, in welcher sich nun die Theilungen in gleicher Weise wiederholen. Nach der Bildung von 5—6 (bei Andreaea mehr) solcher Segmente erlischt die Thätigkeit der Kappenzelle mit einer Kreuztheilung, welche sie in eine Deckelzellengruppe verwandelt. — Die erwähnten antheridienartig abge- schnittenen Zellen betheiligen sich in hervorragendem Maasse an dem Aufbau des Archegonienbauchtheils, namentlich der untern Partie. — Die Centralzelle zerfällt auch hier in Embryonalzelle (Eizelle) und Bauchkanalzelle, welche im Status nascendi sich an Grösse zuweilen (z. B. bei Sphagnum squarrosum Fig. 19) wenig von einander unterscheiden, was früher zur Annahme von zwei »Keimbläschen« Veranlassung gegeben hat. — Die Archegonienentwicklung von Sphagnum stimmt der Hauptsache nach mit der oben geschilderten überein. Details s. bei JanczEwskı a. a. OÖ. — Die Wand des Archegoniums ist in ihrem Bauchteil bei den Bryineen zwei-, bei SpAagnum vierschichtig. — Durch einen ganz ähnlichen Vorgang, wie bei den Lebermoosen — Verschleimung der Hals- kanalzellen — erfolgt die Oefinung des Archegonienhalses. — Auch die Art und Weise der Befruchtung, d. h. der Transport der Spermatozoiden, dürfte eine ähnliche sein, sehr erleichtert wird sie hier ja A bei .den »Blüthen«, in welchen Antheridien und Archegonien zusammen stehen. Die Entwicklung des Sporogoniums weicht dagegen von der des Lebermoossporogoniums um so beträchtlicher ab, sowol was die äusseren Wachsthumsvorgänge, als was die Differenzirung im Innern des Embryo betrifft. Am meisten Aehnlichkeit mit den Lebermoosen bezüglich der ersteren Verhältnisse bietet noch Sphagnum. Das Sporogonium bleibt nämlich wie bei jenen fast bis zu seiner Reife im mitwachsenden Archegonien- bauch, der Calyptra, eingeschlossen, bei der Aus- dehnung des heranwachsenden Sporogoniums wird dann die Calyptra unregelmässig zerrissen. Auch Archidium, eine Phascacee, verhält sich insofern ähnlich, als das Sporogonium aus der gesprengten Calyptra hervortritt. Bei den übrigen Laubmoosen dagegen tritt das Sporogonium schon früh aus dem Archegonienbauch hervor, es reisst die Ca- =® an miese um I ERETI Fig. 19. (B. 235.) Längsschnitt eines weiblichen Blü- thensprosses von Sphagmum squarro- sum. A das aus der Scheitelzelle hervorgegangene Archegonium, B Bauchkanalzelle, E Eizelle. H Hals-; C Central-; St Stieltheil Ar- chegoniums. des lyptra an ihrer Basis ab und hebt sie als Mütze empor, deren zugespitztes Ende gebildet wird vom Halstheil des Archegoniums (vergl. z. B. Fig. 19). Die Streckung des Sporogonienstieles ist also nicht eine plötzliche wie bei den Lebermoosen, son- dern vollzieht sich langsam. Der Stiel ist übrigens von sehr verschiedener Länge. Am kürzesten ist er bei Sphagnum, Andreaea und Ar- chidium. 3ei den beiden ersteren aber wird seine Function dadurch ersetzt, dass der Stengeltheil, auf welchem das Sporogonium sitzt, sich stielartig verlängert, und Die Laubmoose. 379 so ein sogen. Pseudopodium bildet. Wir haben hier also einen ganz ähnlichen Vorgang, wie bei der Stielbildung der Marchantiainflorescenzen, die ebenfalls einen Ersatz bietet für die geringe Stielbildung der Sporogonien. — Die Kapsel ist ein oft sehr complicirt gebautes Gebilde, sie besitzt eine deutliche, oft mit Spaltöffnungen versehene Epidermis, welche den vegetativen Theilen der Moose durchaus abgeht. Der Epidermis schliessen sich noch einige wandbildende Zell- schichten an. Das Innengewebe wird nie ganz zur Sporenbildung verwendet, sondern ein Theil desselben bleibt als steriler Zellkörper als Columella, zurück, die bei den verschiedenen Abtheilungen in verschiedener Weise ausgebildet ist, bei Archidium, das sich dadurch den Lebermoosen nähert, aber ganz fehlt. Ausserdem finden sich noch Einrichtungen, welche das Oeffnen der Kapsel bewirken, und die Ausstreuung der Sporen erleichtern; Einrichtungen, die unten besprochen werden sollen, da sie bei den einzelnen Abtheilungen bedeutende Verschiedenheiten zeigen, Die Entwicklung und Anlegung der Kapsel verläuft bei den verschiedenen Gruppen nicht in derselben Weise. Und zwar bestehen die Differenzen einerseits im Wachsthum und der Zellenanordnung des Embryo, andererseits in der Art und Weise der Anlegung des Archespors, seiner Gestalt und Abstammung. Was zunächst die Theilungsfolgen im Embryo!) betrifft, so weicht Sphagnum von allen übrigen dadurch ab, dass der Embryo nicht wie bei den übrigen Laub- moosen eine »zweischneidige« Scheitelzelle besitzt, sondern sich nur durch quer zu seiner Längsachse gestellte Antiklinen fächert, und zwar treten diese nur in beschränkter Zahl auf. Die befruchtete Eizelle theilt sich zunächst durch eine zur Archegonienachse rechtwinklige Wand in eine untere und eine obere Zelle, von denen die untere, ähnlich wie das Anhängsel an manchen Lebermoosembryonen nur wenig Theilungen mehr erfährt, während sich aus der obern allein das Sporogonium ent- wickelt. Es treten zunächst eine Anzahl (6—8) von Querwänden (nebst den ent- sprechenden Längswänden) auf, dann erfolgt interkalares Wachsthum. — Die übrigen daraufhin untersuchten Laubmoose haben, wie erwähnt, eine andere Anordnung der Zellen im Embryo. Nachdem in der befruchteten Eizelle ein oder mehrere Querwände aufgetreten sind, erscheint in der oberen (dem Archegonienhals nächsten) Zelle eine schräge Wand, der sich eine zweite, entgegengesetzt geneigte aufsetzt (vergl. Fig. 20 A). So entsteht eine zweischneidige Scheitelzelle, die eine Anzahl von Segmenten bildet; später aber wird sie zuweilen auf ganz ähnliche Weise mit einem Zellnetze ausgefüllt, wie dies z. B. bei den Scheitel- zellen der Farnprothallien der Fall ist. Die Segmente lagern sich in Quer- scheiben. Der Querschnitt eines jungen Embryos (Fig. 2o B und C) besteht also aus zwei Zellen, welche die Form von Cylinderhälften haben, und ge- trennt sind durch die Segmentwand ss. Nun tritt eine zweite zu ss recht- winklige Wand auf, so dass Cylinderquadranten (Fig. 20 B) entstehen, (die bei Archidium nicht gebildet werden.) In jedem Quadranten tritt eine Antikline (aa) auf, der sich je eine Perikline ansetzt. Es sind also in Fig. 2o D folgende Zellen vorhanden: vier innere, annähernd ein Quadrat bildende (Grundquadrat, Q Fig. 20) und vier peripherische äussere. Aus den ersteren geht bei den Bryineen und Phascaceen das Archespor und die Columella, l) Vergl. WALDNER, Zur Entwicklungsgeschichte der Sporogonien von Andreaea und Sphagnum (vorläuf. Mittheilung). Bot. Zeit. 1879, pag. 595- 380 A (B. 236). Fig. 20. A Embryo von Ceratodon purpureus im opt. Längsschnitt. B, C, D Querschnitte Die Muscineen. aus den letzteren die Wandung hervor. Jenes Zellquadrat (»Grundquadrat«) kann als En- dothecium, die peripherischen Zellen als Amphithecium bezeichnet werden. Es ist klar, dass die Sonderung von Amphithecium und Endothecium noch einfacher dadurch hätte eingeleitet werden können, dass in je- dem Quadranten eine Perikline aufgetreten wäre, und so also vier innere Zellen des Endotheciums von vier äusseren des Amphi- theciums gesondert hätten, also wie in C Fig. 20. So ist es in der That zu B. bei Funaria hygrometrica und Ephemerum und es zeigt dieses Beispiel aufs Neue, wie wenig Gewicht den Zelltheilungsfolgen beizulegen ist. Ganz derselbe Vorgang kann durch verschiedene Zelltheilungsfolgen bewirkt werden, was eben zeigt, dass es nicht auf die letzteren, sondern auf das Resultat an- kommt. Im Endothecium wird durch eine in jedem Quadranten auftretende Perikline eine äussere Zellschicht, das Archespor (in durch den Kapseltheil junger Sporogonien, der Figur schattirt) von der centralen Partie B und C von Ceratodon purpureus; D von der Columella gesondert, welche letztere Funaria hygrometrica. Nach KIENITZ-GER- LOFF, BCD schematisirt. noch weitere Theilungen erfährt und so zu einem Zellcomplex wird, während das Arche- spor entweder das sporenbildende Gewebe selbst darstellt oder in einen Complex von Sporenmutterzellen zerfällt. Das Amphithecium erfährt noch vor der Differen- zirung des Archespors aus dem Endothecium perikline und radiale Spaltungen, (B.237.) Fig. 21. Längsschnitt durch ein junges Sphagmun-Spo- rogon (schematisch). und wird so mehrschichtig. Es bildet sich in demselben ein Intercellularraum, welcher eine äussere mehrschichtige Wand von zwei, dem Archespor anliegenden Zellschichten sondert (vergl. den Längsschnitt Fig. 27), letztere werden als äusserer Sporensack (asp Fig. 27) bezeichnet, während »der innere Sporensack« die äusserste, dem Archespor angrenzende Zellschicht der Columella ist (isp Fig. 27). Die Gestalt des Archespors ist bei den Bryineen und Phascaceen die einer oben und unten offenen Tonne, es wird also von der Colu- mella durchsetzt, dies ist bei Andreaea nicht der Fall, hier bildet das Archespor eine bogenförmige, gegen unten geöffnete Schicht, wird also von der Columella nicht durchsetzt, ähnlich wie dies bei SpAhagnum| der Fall ist (Fig. 21). Die Phascacee Archidium endlich zeigt gar keine Differen- zirung eines Archespors., einzelne wenige weder der Zahl (r—7) noch der Lage nach bestimmte Zellen des Endo- theciums werden zu Sporenmutterzellen, in denen durch Tetraädertheilung je vier Sporen entstehen. Dies ist offen- bar die niederste Form, die in ihrer Entwicklung Anklänge an die Embryo- entwicklung der Lebermoose zeigt, indem hier eine Sonderung des Endo- “ ER EN I Die Laubmoose. 381 theciums in sterile und fertile Zellen nicht eigentlich eintritt, da unter Umständen jede der Endotheciumzellen zur Sporenmutterzelle werden kann. Bei Sphagnum endlich hat das Archespor dieselbe Gestalt wie bei Andreaea, es entsteht aber aus dem Amphithecium. Ob nun diese Entstehung aus Amphi- oder Endothecium wirklich als wichtiger Unterschied zu betrachten ist, das erscheint noch fraglich, immerhin mag dies Verhalten mit zur Charakteristik der in vielen Beziehungen so abweichenden Sphagnaceen dienen. Wir geben im Folgenden noch einmal nach LeitGeg!) eine Uebersicht über die Entwicklungstypen der Laubmoos- sporogone. A. Das Archespor entsteht aus dem Amphithecium: 1. Sphagnaceentypus. Das Endothecium bildet nur die Columella, welche aber das Archespor nicht durchsetzt, sondern von ihm überdacht wird. B. Das Archespor entsteht aus dem Endothecium, sämmtliche Sporogone be- sitzen eine zweischneidige Scheitelzelle. 2. Archidiumtypus. Im Endothecium sporenbildende und steril bleibende Zellen durcheinander gemengt. Der Sporensack ist von der Kapselwand durch einen glockenförmigen Intercellularraum getrennt, und besitzt keine Columella.?) 3. Andreaeaceentypus. Das Endothecium differenzirt sich in das Archespor und die Columella, welche jene nicht durchsetzt. Im Amphithecium wird die innerste Schicht zum Sporensacke, der jedoch von dem übrigen Wandgewebe durch keinen Intercellularraum getrennt ist. 4. Bryineentypus. Die Differenzirung erfolgt wie bei Typus 3, aber die Columella durchsetzt den Sporensack, der von der Kapselwand durch einen hohlcylindrischen Intercellularraum geschieden ist. Versuchen wir es, die gegenseitigen Beziehungen dieser vier Typen näher in’s Auge zu fassen, so werden wir zunächst auf den Aufbau des Embryo mit oder ohne zWweischneidige Scheitelzelle keinen so grossen Nachdruck legen, denn wenn auch der letztere ein charakteristisches Merkmal ist, für die grosse Mehr- zahl der Laubmoose, so kommt doch auch bei den Lebermoosen (Symphyogyna) ein ähnlicher Wachsthumsmodus des Embryos vor. Vielmehr stellen wir auch hier die Art und Weise der Differenzirung des Archespors ebenso wie bei den Lebermoosen in den Vordergrund. Berücksichtigen wir die Verhältnisse der letzteren, und die Thatsache, dass sie mit den Laubmoosen zweifellos von Einem Stamme abzuleiten sind, so werden wir als hypothetische ursprüngliche Form des Laubmoosembryo eine solche annehmen dürfen, bei welcher die sämmtlichen Zellen des Endotheciums zu Sporenmutterzellen wurden. Archidium steht dieser Urform am nächsten, nur ist es eine verarmte Form, nur wenige Zellen haben die Fähigkeit der Sporenproduction behalten, diese wenigen Zellen haben aber keine bestimmte Lagerung, sondern es sind, falls ihnen die nöthigen Stoffe zugeführt werden mehr oder weniger alle Zellen des Endotheciums a priori befähigt, Sporenmutterzellen zu werden. Von jener Urform aus können wir uns D) Das Sporogon von Archidium. Sitzungsb. der Wiener Akad. Bd. LXXX. ı. Abthl. November- heft 1879. pag. ıI des Sep.-Abdr. 2) Auch bei der Phascacee Zphemerum liegen die halbreifen Sporen vollkommen frei im Kapselraum. Hier ist aber der Vorgang ein anderer; die Columella wird angelegt, ganz wie bei den Bryineen, nachträglich aber von den heranwachsenden Sporenmutterzellen verdrängt und resorbirt. Vergl. N. J. C. MÜLLER, Die Entwicklungsgeschichte der Kapsel von Ephemerum in PRINGSHEIM’s Jahrb. für wissenschaftl. Botanik. VI. pag. 237 ft. ae TE u‘ Dar, ar RR 382 Die Muscineen. die Weiterentwicklung als nach zwei Richtungen hin vor sich gegangen denken: einmal nach dem SpAhagnum- und Andreaea-Typus und dann nach dem Bryineen- typus, in beiden Fällen ist im Endothecium ein umfangreiches steriles Gewebe, die Columella, gebildet worden. Wir betrachten es daher als erwünschte Stütze der oben ausgesprochenen Ansicht, dass zuweilen, wie LAnTzius-BEnNIGA beob- achtet hat, auch Zellen der Columella sporenbildend werden bei Darbula rubulata (vergl. auch KIENITZ-GERLOFF, Bot. Zeit. 1878. pag. 47), es wäre dies also in gewissem Sinne eine Rückschlagsbildung, Demnach haben wir also in der Leber- wie der Laubmoosreihe einen parallelen Entwicklungsgang zu ver- zeichnen, in beiden Reihen nämlich sehen wir die Tendenz (si? venia verbo!). Zellen, die ursprünglich im Sporenraum zu Sporenmutterzellen gedient haben, steril und andern Functionen angepasst werden zu lassen. — Auch auf Grund der Zellenanordnung hat man Beziehungen zwischen den Laub- und Lebermoosen aufge- stellt, Hypothesen auf die ich, weil ich deren Ausgangspunkt für unrichtig halte, hier nicht näher eingehen will. — Gelegentlich kommen auch Doppelfrüchte ) bei Moosen vor; die am Grunde einfache Seta ist an der Spitze gespalten und trägt zwei normal ausgebildete Kapseln, in einem beobachteten Falle (von PFEFFER bei Dryum pallens) auch drei. Entstanden sind diese Missbildungen, die in ähn- licher Weise ja auch bei thierischen Embryonen häufig genug vorkommen, höchst wahrscheinlich durch Verzweigung ursprünglich einfacher Sporogonanlagen, deren Scheitel durch äussere Einflüsse beschädigt wurde, auch bei Lebermoosen (Um- braculum) ist ein ähnlicher Fall beobachtet worden. Aus derartigen Fällen, die auch bei vegetativen Organen gelegentlich vorkommen, phylogenetische Schlüsse ziehen zu wollen, halte ich für durchaus unberechtigt, eine Discussion dieser Frage muss hier aber ausgeschlossen bleiben, und es mag nur das hervorgehoben werden, dass aus derartigen Missgeburten phylogenetische Schlüsse ziehen zu wollen nicht mehr Berechtigung hat, als wenn man dazu z. B. einen menschlichen Embryo mit zwei Köpfen verwenden wollte, wie sie in mannigfaltiger Ausbildung die anatomischen Sammlungen zu zieren pflegen. Die oben beschriebenen Vorgänge beziehen sich natürlich nur auf den oberen Theil des Embryos, der zur Kapsel wird. In der unteren Partie, die sich zum Fruchtstiel, zur Seta gestaltet, wird ein Archespor nicht angelegt, das Gewebe differenzirt sich hier nur in einen Centralstrang und ein mehrschichtiges Rinden- gewebe mit verdickten Zellen. Die Zeitdauer, welche die Entwicklung eines Sporogoniums von der Be- fruchtung?) bis zur Sporenreife beansprucht, ist eine sehr verschiedene; eine rela- tiv kurze natürlich bei den einjährigen Formen, wie z. B. Zottia, die im Sommer blüht, im Winter ihre Sporen reift, eine relativ lange dagegen, bis zu 17 Monaten bei manchen //ypnum-Arten, z. B. Hypnum Crista castrense 16—2ı Monate, Foly- trichum piliferum und P. commune ı3 Monate, Dicranella varia 6—8 Monate.”) ) Vergl. LeitGeR, Ueber verzweigte Moossporogonien; Mittheilungen des naturwissenschaftl. Vereins für Steiermark 1876, und die dort angeführte Literatur. ?) Die Blüthezeit einiger Moose, die in den Floren, welche nur die Fruchtreife berück- sichtigen, nicht zu finden ist, mag hier nach RozE (Revue bryologique No. I. 1874, pag. 3) an- gegeben werden: Diranım scoparium Mai bis Juni; Ceratodon purpureus Juni; Dryum caespi- ticrum Mai; Mnium hornum April; M. undulatum Mai; Polytrichum-Arten März bis April; Hypnum cupressiforme Februar. 3) Vergl. Arnerr, A proposal of phenological observations on mosses. Bot. Jahresb. 1878, pag. 510. Die Angaben beziehen sich auf das mittlere Schweden, gelten aber wohl so ziemlich auch für unsere Gegenden. Wenigstens giebt KLINGGRAEFF (Zur Sexualität der Moose. Bot. Ztg. Die Laubmoose. 383 Während dieser Entwicklungsdauer gehen mit dem Sporogon, dessen innere Differenzirung wir oben vergleichend besprochen haben, auch beträchtliche äussere Gestaltsveränderungen vor sich: es bilden sich aus dem anfänglich spindelförmigen Körper Kapsel und Stiel, welch letzterer bei Sphagnum und Andreaea, wie viele Lebermoossporogonien eine angeschwollene Basalpartie, einen Fuss hat (Fig. 21). Der Stiel, im reifen Zustand Seta genannt, pflegt sich während des Wachsthums des Sporogoniums in das Gewebe des Fruchtsprosses einzubohren, das an seiner Basis aussen eine wallartige Wucherung, dieVaginula, bildet. Der Archegonienbauch- theil wächst mit dem eingeschlossenen Embryo längere Zeit mit, bis dieser schliess- lich das Archegonium an seiner Basis abreisst, und als Mütze, Calyptra, emporhebt. Die Zellen des Archespors gestalten sich entweder direkt zu Sporenmutter- zellen, aus deren jeder durch T'heilung vier Sporen hervorgehen, oder es theilen sich diese Zellen des Archespors erst weiter, und erst die hierdurch enstandenen Zellen sind die Sporenmutterzellen. Die Sporen selbst sind runde oder tetra&- drische Zellen, die umgeben sind von zwei Hüllen: einer braun gefärbten Aus- senhaut, dem Exospor und einem dünnen Endospor. Sie führen in ihrem Plasmainhalt neben Oel auch Chlorophyll, bewahren aber im Gegensatz gegen die ebenfalls chlorophyllhaltigen Zgwisetum- und Osmunda-Sporen ihre Keim- fähigkeit ziemlich lange. Die Keimungserscheinungen!) der Laubmoose bieten ein viel mannig- faltigeres und reiclieres Bild als die der Lebermoose. Waren dort die Vorkeime, an denen die eigentlichen Pflanzen dann enstehen, meist kleine unscheinbare und kurzlebige Gebilde, so sind sie bei manchen niederen Laubmoosen vielmehr die augenfälligsten Theile der Pflanze. — Es entstehen bei der grossen Mehr- zahl der Moose aus der keimenden Spore zunächst confervenartige Zellfäden, die denn früher auch nicht selten mit Algen verwechselt worden sind. Sie führen die Bezeichnung Protonema; an ihm entsteht als Knospe das beblätterte Moos- stämmchen, die grössere Entwicklung des Protonema bringt es aber mit sich, dass an demselben nicht nur eine Pflanze, wie dies bei den Lebermoosen wohl fast durchgehends der Fall ist, sondern mehrere entstehen können. Im Folgenden sei zunächst Funaria hygrometrica als Beispiel gewählt. Die Keimung der Sporen tritt unter günstigen Bedingungen, wozu vor Allem ein gewisser Grad von Feuchtigkeit gehört, schon nach wenigen Tagen ein. Die Spore schwillt an, die äussere Membran, des Exospor, wird dadurch ge- sprengt und zerrissen, und der vom Endosporium (— oder vielleicht einer neu gebildeten Cellulosehaut —) umschlossene Inhalt tritt als Keimschlauch hervor. (Fig. 22 A), der durch eine Querwand vom Innenraum der Spore abgegrenzt wird. Gewöhnlich bildet die Spore zunächst nur eine solche Ausstülpung. Diese zeigt unbegrenztes Spitzenwachsthum: Fächerung durch Querwände findet nur 1860, pag. 344) an, dass Zypnum giganteum, cuspidatum, aduncum etc. Ende August blühen und ihre Früchte Anfang Juni des folgenden Jahres reifen, zur Entwicklung derselben also Io Mo- nate brauchen, Zyp. cupressiforme über ein Jahr, die Sphagna, die im November und De- cember blühen, reifen ihre Früchte im Juli und August. I) Erste Beobachtung der Keimung bei Hedwig, Fundam. muscorum vol. II. 1782; NAEGELI, Zeitschr. f. wiss. Botanik; SCHIMPER, a. a. O., SACHS, Lehrbuch, IV. Aufl., pag. 559 (und die früheren Auflagen); MÜLLER-THURGAU, Die Sporenvorkeime und Zweigvorkeime der Laubmoose. Arb. des bot. Inst. in Würzburg, I. Bd. pag. 475; BERGGREN, Studier ofver Mossornas bygnad och Utveckling I. Andreaeaceae, Lund 1868; II. Tetraphideae (Lunds Univ. Arsskrift T: VII. 1870; Id. Jakttagelser öfver Mossornas Könlösa fortplantning. Lund 1868. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II, [$) in 384 Die Muscineen. in der Scheitelzelle statt, während die Gliederzellen sich gewöhnlich nicht mehr theilen, aber die Fähigkeit haben, Seitenzweige zu treiben, so dass schliesslich ein Komplex mehr oder minder reich verzweigter Zellfäden entsteht. Ist die (B. 238.) Fig. 22. Aus Sporenkeimung entstandenes Protonema von Zumaria hygrometrica nach MÜLLER- THurGAU. ABC junges, D älteres Stadium, ab Bodenoberfläche; Kn Moosknospen; f und f, zwei seitliche Auszweigungen mit begrenztem Wachsthum, ex Exospor. erste Ausstülpung der Spore zu einem zwei- oder vielzelligen Faden herange- wachsen, so bildet sich auf der entgegengesetzten Seite der Spore eine zweite Ausstülpung, die ebenfalls zu einem Zellfaden sich entwickelt. Statt zwei Zell- fäden können auch mehrere aus einer Spore entstehen. Diese Zellfäden verhalten sich aber nur kurze Zeit gleich; bald dringt einer in die Erde ein, wird zum Rhizoid des Protonemas und nun gehen eigenthümliche Veränderungen in ihm vor sich. Während seine Querwände, so lange der Faden im Lichte wächst, und grün war, rechtwinkelig zur Längsachse des Fadens gestellt waren, werden sie in dem in den Boden eingedrungenen von farblosem Plasma erfüllten Faden schief. Die Membranen an älteren T'heilen des Rhizoids verdicken sich und und werden braun. Dass diese Vorgänge Folgen eines durch den Lichtmangel veränderten Wachsthumsvorganges sind, zeigt der Umstand, dass solche Rhizoid- fäden, wenn sie, durch irgend welche Ursachenfan’s Licht treten und ergrünen wieder quer gestellte Wände erhalten. Protonema, welches ich auf einem flachen Teller in Nährstofflösung zog, wuchs zu dichten Rasen heran, ohne Rhizoid- B 5 Se Die Laubmoose. 385 bildung zu zeigen; hier waren» alle Protonemafäden dauernd der Beleuchtung ausgesetzt. Normal aber besitzt, wie erwähnt, das Protonema einen oberirdischen, grünen, assimilirenden Theil und ein System von Rhizoiden. Was die Stellung der Querwände in den letzteren betrifft, sofihat H. MÜLLER-THURGAU (a. a. OÖ.) angegeben, die Segmentirung sei dieselbe wie die in der Scheitelzelle des Moos- stammes, nur dass die Hauptwände der aufeinander folgenden Segmente so weit von einander entfernt seien, dass sie sich nicht mehr schneiden. Hierauf ist zu bemerken, dass erstens die Thatsache, dass die in der Scheitelzelle eines Rhizoids auftretenden - Wände abwechselnd nach drei Richtungen geneigt, also schraubig angeordnet sind, wie in der Stammscheitelzelle weit davon entfernt ist, eine durchgreifende zu sein; oft genug vielmehr sieht man z. B., dass zwei auf einander folgende Wände parallel sind, die Stellung ist vielmehr im Allgemeinen als eine regellose zu bezeichnen. Wäre aber auch MÜLLER’s Angabe richtig, so würde sich die Segmen- tirung dennoch. ganz anders verhalten, als die im Moosstämmchen. Dort nämlich sind die Segmentwände auf der Aussenwand des Stammvegetationspunktes senkrecht, bei den Rhizoiden dagegen schneiden sie die Fadenwand unter einem schiefen Winkel, wäre dieser ein rechter, so erhielte man eben die gewöhnlichen Querwände, wie sie in den grünen Fäden vorhanden sind, und beim an’s Licht treten auch in den Rhizoiden wieder auftreten. Schon der letztere Umstand zeigt übrigens, dass die Anschauung: »dass das Protonema und die ihm gleichwerthigen Rhi- zoiden der Bryineen eine sehr schmächtige Form des Moosstämmchens selbst darstellen« (Sachs, Lehrb., IV. Aufl.), eine dem Sachverhalt entsprechende nicht ist, und deshalb aufgegeben werden muss. Ich möchte vermuthen, dass auch die schiefe Stellung der Querwände in den Rhizoiden dadurch zu Stande kommt, dass eine ursprünglich rechtwinkelig zur Fadenachse orientirte Zell- platte in die schiefe Stellung verschoben wird, was um so leichter möglich ist, als die Zell- wände zu ihrer Ausbildung hier relativ sehr lange brauchen. Aus den angegebenen Gründen, zu denen sich auch noch der gesellt, dass MÜLLER die Fäden mit schiefen Wänden, welche nur Rhizoiden des Protonemas sind, als Hauptachsen desselben auffasste, wozu kein Grund vorliegt, gehen wir auch auf die anderen Ausführungen desselben, die zum Zweck haben nachzuweisen, dass auch die Anlage seitlicher Glieder am Stammvegetationspunkt mit der am Protonema über- einstimme, hier nicht näher ein, auch hier hat MÜLLER-THURGAU zu viel schematisirt. Was nun’ die Anlage der Moosstämmchen betrifft, so erfolgt dieselbe in einer der Basalzellen der mit begrenztem Wachsthum versehenen seitlichen Aus- zweigungen des Protonema’s (Kn Fig. 22 D) an einer Stelle, wo sonst auch Pro- tonemafäden mit unbegrenztem Wachsthum ihren Ursprung nehmen. Nur selten erfolgt die Anlegung einer Moosknospe an der Spitze des Protonemafadens, wie dies bei den beblätterten Jungermannieen der gewöhnliche Fall ist. Es entsteht im ersteren Fall eine Ausstülpung, die sich von der Mutterzelle abgegliedert, und nun zur Scheitelzelle der Moosknospe gestaltet, welche dann Blattanlagen etc. entwickelt und zum Stämmchen heranwächst. Bei den höheren Moosen stirbt das Protonema nach der Bildung von Moosknospen ab, bei einigen der nieder stehenden Phascaceen dagegen bildet es den auffälligsten Theil der Pflanze, es geht erst (wenigstens in seinen oberirdischen grünen Theilen, die im Boden befindlichen Stücke werden bei Zphemerum z. B. wohl perenniren) zu Grunde, wenn das Sporogonium des hier auf ein kleines Knöspchen reducirten Pflänzchens bereits seine Sporen gereift hat. Schon unter den Bryineen finden sich nun Protonemaformen, welche compli- cirter gebaute Assimilationsorgane besitzen. So z. B. Diphyscium foliosum'). I) Die in LüÜrssEn’s »medicin.-pharm. Botanik« pag. 443 citirte Arbeit von BERGGREN »Ueber Entwicklung und Bau des Proembryo bei den Gattungen Diphyscium und Oedopodium, « Botaniska Notiser utg af Nordstedt 1873; ist mir leider unzugänglich geblieben, das im Texte Mitgetheilte bezieht sich daher auf vor einigen Jahren von mir gemachte Beobachtungen, und zwar an solchem Protonema, welches vom Stämmchen ausging (s. u.); das aus Sporenkeimung entstandene wird sich, wie ich nicht bezweifle, wohl ebenso verhalten. 53 25 386 Die Muscineen. Dem fädigen Protonema dieser Pflanze sitzen eigenthümliche Bildungen von der Gestalt eines »schildförmigen« Blattes auf, d. h. auf einem rundlichen im Quer- und Längschnitt aus einer grösseren Anzahl von Zellen befindlichen Stiel befindet sich eine ebene, oder in der Mitte concave Platte, deren Zellen lebhaft grün sind, die ganze Bildung, deren Entwicklung in manchen Punkten z. B. an die der Keimscheiben von Marchantieen, wie Rebowzlia erinnert, ist offenbar ein Assimilations- organ für das Protonema. Aehnliche Bildungen kommen, wie SachHs (Lehrbuch) und BERGGREN beobachtet haben, bei Ze/raphis und Tefradontium vor, nur dass wir es hier nicht mit schildförmigen, sondern mit Flächenbildungen zu thun haben, die an dem im Uebrigen fadenförmigen Protonema sich entwickeln, bei 7efraphis (s. u.) auch direkt aus den Brutknospen hervorgehen können. An der Basis dieser Protonemablätter pflegen sich dann die Stammknospen zu bilden (Sachs Fig. 252 B) ohne Zweifel desshalb, weil hier am meisten plastische Stoffe sich finden. Aehnliches dürfte auch wohl bei anderen Moosarten vorkommen. Nament- lich wäre Duxbaumia, ein Diphyscium nächst verwandtes Moos, darauf hin zu untersuchen. Das Verhalten von Schöstostega osmundacea mag hier noch anhangs- weise kurz erwähnt werden. Die Protonemazellen sind hier kugelig gerundet, und geben in Folge dessen in den Höhlungen, die sie bewohnen, einen matten Lichtreflex. Gegen direktes Sonnenlicht ist das auf geringe Lichtintensitäten »gestimmte« Schzstostega-Protonema, wie auch viele Schattenmoose sehr empfindlich. (Vergl. HoFMEISTER, vergl. Unters. pag. 77). Finden sich bei Moosen wie Diphyscium, Tetraphis u. a. am sonst fädigen Protonema Zellflächen nur als blattartige, seitliche Bildungen, so tritt bei Andreaea und Sphagnum das ganze Protonema, also auch die Hauptachsen desselben in Flächenform auf. Eigenthümlich sind die Vorgänge, namentlich bei Andreaea (vergl. BERGGREN und Künn a. d. a. OÖ.) Die kugelrunden Sporen von Andreaea treiben bei der Keimung nicht wie die der Bryineen einen Schlauch, sondern sie wachsen und zerfallen durch Fächerung in einen Zellkörper, der zunächst noch im Exospor eingeschlossen ist, bei seinem weiteren Wachsthum dasselbe aber zerreisst. Es erinnert dies an ähnliche Verhältnisse, die bei den Sporen von Zellia und ZFegatella schon während sie noch im Sporogonium ein- geschlossen sind, auftreten. Der weitere Entwicklungsgang ist aber ein anderer. Eine bis drei der peripherisch gelagerten Zellen wachsen nämlich zu Fäden aus, in denen sowohl zur Fadenachse rechtwinkelige als schief zu derselben geneigte (uerwände auftreten. Es finden aber auch Theilungen in der Richtung der Fadenachse, also durch Längswände statt. Wo das Protonemäa auf ebenem Gestein aufliegt, breitet es sich zu einer, vielfach gelappten Gewebe- platte aus, die sich auf mannigfache Weise verzweigt, und deren Randzellen vielfach wieder zu Zellfäden auswachsen. Eine weitere Form, die der Vorkeim annehmen kann, ist die, welche man als Vorkeimbäumchen bezeichnen kann, rundliche, verzweigte Gebilde, im Querschnitt aus einem ganzen Zellcomplex bestehend, die selten isolirt aufrecht wachsen, sondern sich meist mit einander verschlingen. Ihre Aussenfläche umkleidet sich mit einer dicken Cuticula, so dass ihre L,ebensfähigkeit lange erhalten bleibt. Solche bäumchenartige Gebilde können, wie BERGGREN’S Abbildungen zeigen, auch auf den Flächen-Vorkeimen entspringen. Ausserdem finden wir auch am Andreaeaceen-Vorkeim ähnliche blattartige Gebilde, wie sie oben für 7e/raphis erwähnt wurden. Sie nehmen ihren Ursprung aus einer mamillenartig sich nach aussen wölbenden Zelle des Vorkeims. Nicht so reich gegliedert wie der von Andreaea tritt der Vorkeim der en # Die Laubmoose. 387 Sphagnum-Arten auf. Die Entwicklung der Sporen ist hier eine verschiedene, je nachdem sie auf Wasser oder auf einer festen Unterlage keimen. Im ersteren Falle entwickeln sie ein fädiges, verzweigtes Protonema, an welchem die Stamm- knospen seitlich erscheinen, im zweiten dagegen gestaltet sich der Vorkeim zu einer krausverzweigten Zellplatte. Ich möchte indess vermuthen, dass man auch auf Wasser bei günstiger Ernährung Flächenvorkeime ziehen kann, und jeden- falls verdient dieser Punkt, welcher eines der auffallendsten Beispiele für die direkt form- und wachsthumsbestimmende Wirkung des äusseren Mediums bieten würde, noch eingehenderer Untersuchung. — Die Fig. 23 mag für die Keimung von Sphagnum cymbifolium als Bei- spiel dienen, es geht, wie ersicht- lich aus der Spore zunächst eine Zellläche hervor, die erst später Rhizoiden mit meist schief gestellten Wänden entwickelt, in andern Fällen treten dieselben schon früh aut, (vergl. Fig. 23 B). Die Verzweigung dieser Flächenvorkeime ist eine sehr unregelmässige, ähnlich dem Pro- \ thallium von Zgwisetum haben be- liebige Randpartieen die Fähigkeit zu neuen Sprossen auszuwachsen, wenigstens ist es mir nicht gelungen, irgend weiche Regelmässigkeit in dem Verzweigungsmodus aufzufin- Sporenkeimung von Sphagrum cymbifolium. A jünge- res, B älteres Stadium. Fig. 23. (B. 239.) den. Eine Zelle eines solchen Flächenvorkeims, “und zwar offenbar eine ganz beliebige, wird dann zur Anfangszelle einer Stammknospe. Die hier entstandene SpAagnum-Keimpflanze besitzt, wie erwähnt, Rhizoiden, welche einer erwachsenen Pflanze ganz abgehen, ebenso wie manchen Zypnum-Arten. Dagegen haben die andern Bryineen (s. 1.) Rhizoiden, die sich ganz ähnlich verhalten, wie die Protonema- fäden. Sie haben einerseits die Aufgabe, dem Moosstämmchen, aus dem sie entspringen als Wurzeln d. h. als Organe, vermittelst welcher das Pflänzchen am Substrate befestigt ist und anorganische Nährstoffe aus demselben aufnimmt, zu dienen, andererseits functioniren sie in mannigfacher Weise als vegetative Pro- pagationsorgane. Sie entstehen aus Oberflächenzellen des Moosstämmchens, und können entweder als chlorophyllreiche, quergegliederte Fäden oder als Rhizoiden mit schiefen Wänden auftreten. Die letzteren verzweigen sich ganz auf dieselbe Weise wie die entsprechenden Protonemafäden, sie bilden auch wie diese, er- grünende, über die Erde tretende Aeste, an denen dann Moosknospen entstehen, oder es tritt das Ende der Rhizoid-Hauptachse selbst an’s Licht und erhält dann die Querstellung seiner Wände und bildet Clorophyll in seinen Zellen. Dass die grünen Aeste dieser Fäden sich zu eigenthümlichen Assimilationsorganen aus- bilden können, wurde oben für Diphyscium beschrieben. Die Protonemata der Moose gehören ohne Zweifel zu den eigenthümlichsten Bildungen im Pflanzenreich. Wenn wir die so oft wiederkehrende Regel berücksichtigen, dass die Keimpflanzen Eigenthümlichkeiten zeigen, welche von denen der erwachsenen Pflanze abweichen, aber über- einstimmen mit denen der Stammformen der lezteren, so erscheint auch das Protonema als die- jenige einfache Form, welche der Vegetationskörper der Bryineen ursprünglich besessen hat. 388 Die Muscineen. Antheridien und Archegonien in irgend einer Form wären dann also dem Protonema direkt aufge- sessen. Sehen wir ja doch bei verschiedenen Formen blattartige Bildungen am Protonema auftreten, bei Andreaea selbst verzweigte, rundliche, bäumchenartige Gebilde, Erscheinungen, die wir als — wenn ein bildlicher Ausdruck gestattet ist —- dem Protonema inhärente Tendenz, eine reichere Gliederung zu erwerben, auffassen können, eine Tendenz, die schliesslich zur Bildung von beblätterten Moos- pflanzen geführt hat. Die beblätterten Laubmoose stehen sicher in keiner genetischen Beziehung zu den beblätterten Lebermoosen, wo wir die Entstehung eines beblätterten Stämmchens aus thallosen Formen heute noch verfolgen können. Thallose Laubmoose kennen wir, wie schon der Name dieser Klasse besagt, heute nicht mehr, die thallose Form ist nur in einer Entwicklungsphase der Keimpflanze noch repräsentirt. Arten, wie die kleinen Phascaceen, Zphe- merum etc., bei denen nur ein winziges Knöspchen die beblätterte Pflanze repräsentirt, können wir als die einfachsten, und den erstentstandenen noch nächststehenden Formen auffassen. — Auf die Wiederholung der Phylogenie in der Ontogenie (HÄcker’s biogenet. Grundgesetz) — sie mag nun zu erklären sein, wie sie will — wurde oben schon verschiedentlich aufmerksam ge- macht. Hier seien nur die Fälle betont, welche zwei sicherlich abgeleitete Formen, Sphagnum und Fissidens betreffen: bei beiden haben die Keimpflanzen, resp. bei Züssidezs auch die untern Theile der Zweige nicht jene von den übrigen abweichende Blattstructur, sondern die ersten Blätter stimmen mit den übrigen Laubmoosblättern überein. Bei den Phanerogamen kennen wir eine ganze Anzahl solcher Fälle, ich nenne nur die Keimpflanzen von Xaipsalis, den neu- holländischen Acacien, Ruscus, Carmichaela etc. Die Bildung neuer Moosknospen auf Protonemafäden, die aus älteren Pflanzen entspringen, ist nicht die einzige Art und Weise der geschlechtslosen Verviel- fältigung bei den Laubmoosen. Vielmehr tritt sie uns in einer fast proteusartigen Mannigfaltigkeit entgegen. Hier sei zunächst darauf hingewiesen, dass man bei einer Anzahl von Moosen überhaupt keine geschlechtlich erzeugten Früchte, keine Sporogonien und Sporen kennt, sondern nur Propagation durch Sprossung. Viele Moose sind, wie oben erwähnt, oft steril, weil bei der diöcischen Ver- theilung ihrer Geschlechtsorgane männliche und weibliche Individuen nicht über- all zusammenwachsen. Das auffallendste Beispiel dafür ist wohl das in unseren Gärten weitverbreitete Lebermoos Zunwlaria vulgaris, das aus Italien zu uns eingeführt, aber nur in weiblichen Exemplaren vorhanden ist, und in Folge dessen nie fruchtet, aber sich massenhaft durch Brutknospen fortpflanzt.!) So ist auch das Laubmoos Zewcobryum glaucum häufig steril, während man dicht mit Sporo- gonien besetzte Rasen trifft, sobald männliche und weibliche Pflanzen zusammen vorhanden sind. Bei BDarbula papillosa Wırs.?) aber die sich durch ihre zahl- reichen blattbürtigen Brutknospen fortpflanzt, kennt man überhaupt keine Sexual- organe. Auf ähnliche Weise reproducirt sich Ulota phyllantha, wo zuweilen, aber sehr selten, Antheridien gefunden worden sind. Es sind dies also Formen, bei welchen die Organe der geschlechtlichen Zeugung verloren gegangen sind, ähnlich wie bei den apogamen Farnprothallien (DE Bary a. a. OÖ.) und die Fortpflanzung ausschliesslich durch ungeschlechtliche Vermehrung geschieht. Allein auch Formen, die reichlich Sporen produciren, bilden zugleich vegetative Propagations- organe in nicht geringer Zahl. Jeder Theil der Moospflanze, Blatt, Stamm und Rhizoiden können solchen die Entstehung geben. Die höchst entwickelten Formen dieser vegetativen Vermehrungsorgane sind Brutknospen, die den ana- logen Bildungen von Marchantia, Blasia u. a. gleichen. Solche finden sich als lang gestielte Zellkörper auf dem Gipfel blattloser Verlängerungen des belaubten I) Die männlichen Pflanzen sind übrigens auch in Italien nicht häufig, doch habe ich z. B. in Corsika Zumularia vulgaris mehrfach mit Sporogonien gefunden. 2) Vergl. DE Bary, Bot. Zeit. 1878, pag. 482. Die Laubmoose. 389 Stämmchens von Tefraphis pellucida (vergl. Sachs, pag. 367). Nach BERGGRENS Figuren (der schwedische Text ist uns leider unverständlich) finden sich zwischen den Brutknospen Haare, denen wir wohl eine ähnliche Function zuschreiben dürfen, wie den in den Brutknospenblättern der Lebermoose befindlichen: d. h. die durch Vergallertung von Membranschichten den Schleim zu liefern, welcher die Brut- knospen aus ihrem kelchartigen (aus mehreren Blättern gebildeten) Behälter heraus drängt. Die Entwicklung der Brutknospe scheint die zu sein, dass die Endzelle einer Zellreihe, deren untere Zellen dann später den Stiel bilden, zur (»zwei- schneidigen?«) Scheitelzelle wird etc. Bei der Keimung der Brutknosnen treiben einzelne Zellen derselben Protonemafäden, welche jene oben beschriebenen blattartigen Assimilationsorgane besitzen, die gelegentlich auch direkt aus der Brutknospe hervorgehen können. Am Protonema entstehen dann junge Pflanzen, deren also mehrere aus einer Brutknospe hervorgehen können. Auch Awlacomnium androgynum zeigt auf blattlosen Stengelverlängerungen sitzende, aber nicht von einem Hüllkelch umgebene Brutknospen, die viel kürzer gestielt sind, als die von Zefraphis und nur aus wenig Zellen bestehen. — Ausserdem ist, wie erwähnt, eigentlich jede Stelle der Stengeloberfläche befähigt, einen Protonemafaden zu bilden, aus welchem dann junge Pflanzen entstehen können. Bei Dryum anno- Zinum (vergl. HiLDEBRAND, Flora, 1874, No. 38) stehen eiförmige, rothbraune, lang- gestielte Brutknospen — von Knospen im eigentlichen Sinne des Wortes ist natürlich hier so wenig wie bei den Marchantieen die Rede — in den Achseln der Blätter. Zu den stengelbürtigen Vermehrungsorganen können wir auch die Zweige rechnen, die sich nach SCHIMPER bei Conomitrium Julianum und Cincli- dotus aguaticus vom Hauptstamm ablösen, ein Vorgang, der bei andern Formen in anderer Weise dadureh stattfindet, dass durch von unten her vorschreitende Ver- moderung die einzelnen Zweige sich isoliren. Blattbürtige Brutknospen finden sich in mannigfacher Form. Kugelige gestielte Zellkörper sitzen den Blattenden von Grimmia Hartmanni und den Blattrippen von Darbula papillosa auf (BERGGREN, a. a. OÖ. Tab. II, Fig. 1—6), flächenförmige Brutknospen finden sich auf den Blät- tern von Zeueobryum phyllanthum, Zellreihen bei Calymperes Richardi, bei Zygodon viridissimus werden sie auf baumförmig verzweigten Trägern gebildet. Der Keimungs- prozess besteht in allen diesen Fällen nicht darin, dass der Körper der Brut- knospe direkt zur Bildung einer Moosknospe verwendet wird, sondern dass ein- zelne Zellen derselben zunächst zu Protonemafäden auswachsen. Diese entspringen nun in manchen Fällen auch direkt vor den Blättern. Bei Orthotrichum Lyellü z. B. in Form gegliederter, mit verdickter, brauner Wand versehener, kurzen Zell- reihen, die einen Ruhezustand durchmachen können. Und wol beinahe jedes Moosblatt hat die Fähigkeit, wenn es abgeschnitten und feucht gehalten wird, Protonemafäden zu erzeugen, die aber bei manchen Moosen z. B. Buxbaumia aphıylia auch aus den am Stamme befindlichen Blättern entspringen. Dazu kommt nun noch die Reproductionsfähigkeit des Protonemas selbst. Hält man Protonema trocken, so zerfallen die grünen Fäden in einzelne Stücke, die derbere Membran und dickeren Inhalt erhalten und so die Trockenheit überstehen, bei Feuchtigkeits- zufuhr aber wieder auswachsen können, während andere Fadenstücke zu Grunde gehen. Und bei einer nicht kleinen Zahl von Formen, z. B. Zryum- und Fissidens-Arten bildet das Protonema auch Brutknospen, kugelige, gestielte Zell- körper mit ovalen, gebräunten Membranen und entsprechendem Reservestoffinhalt der Zellen. Die Reproductionsfähigkeit auf ungeschlechtlichkem Wege, für die } “ wg Du FR N a c 390 Die Muscineen. P oben nur einige Beispiele herausgehoben worden, ist also eine sehr grosse, und trägt nicht wenig zur Verbreitung der Moose bei, Allein sogar an den Theilen der Moostrüchte treten auch ungeschlechtliche Sprossungen auf. Dies ist der Fall bei Conomitrium Julianum.‘) Hier entspringen aus der Innenfläche der-Calyptra?), an wie es scheint mit normal entwickelten Sporen versehenen Sporogonien junge Pflanzen, die sehr bald wieder zur Bildung von Geschlechts- organen schreiten (s. die Archegonien in Fig. 24). Es entspringen aus der Innen’ fläche der Calyptra kurze Protonemafäden, die bald junge Pflanzen bilden, die dann unter der Calyptra hervorkommen. Ob der erwähnte Vorgang ein durch- greifender und überall stattfindender ist, muss fernere Untersuchung lehren, wahrscheinlich wird das Letztere durch eine mir nachträglich bekannt gewordene Be- merkung SCHIMPER’S (Synopsis, II. Aufl., pag. 122), wonach er dieselbe Beobachtung (B. 240.) Fig. 24. Sporogonium von Cozomitrium Julianum. Aus der Innenfläche der Calyptra (Cal) kommt eine junge Pflanze hervor, die bereits Archegonien (Ar) trägt. (A). gemacht hat.?) Es ist dabei zu berücksichtigen, dass die Sporogonienstiele sehr leicht abbrechen, vielleicht tritt also die Erscheinung nur dann ein, wenn noch nicht ganz reife Sporogonien abbrechen. Künstlich hervorrufen lässt sich die Protonemabildung an Sporogonien- theilen wie PRINGSHEIM®) und STAHL gezeigt haben. Aus Querschnitten durch- schnittener, auf feuchtem Sande cultivirter Fruchttheile wachsen Protonemafäden ') Die untersuchten Pflanzen stammen aus verschiedenen Brunnen Stuttgarts. Die Pflanze ist übrigens in Württemberg auch sonst verbreitet, wie Hr. E. KoLs, dem die dortige Moosflora viele interessante Funde verdankt, nachgewiesen hat. ?) Dass die Calyptra zur ungeschlechtlichen Generation gehört ist klar: sie ist wie das Sporogonium, nur ein durch die Befruchtung veränderter Theil der geschlechtlichen Generation, ebenso wie z. B. die Integumente der phanerogamen Samenknospe durch die Befruchtung ver- ändert, und Theile des Samens werden. %) SCHIMPER spricht dort nur von cultivirten Pflänzchen, und giebt an, dass die Proto- nemafäden aus der Aussenwand der Calyptra hervorkommen. Letzteren Fall habe ich nicht beobachtet, sondern nur den im Text angegebenen. Es fragt sich, ob «die Sporen dieser Sporo- gonien, deren Calyptra oft einen ganzen Kranz junger Pflanzen trägt, wirklich keimfähig sind, oder ob die Vermehrung hier ausschliesslich durch Sprossung geschieht. *) Ueber vegetative Sprossung von Moosfrüchten. Monatsbericht der Kgl. Akad. der Wissensch. zu Berlin, 10. Juli 1876; Sranı, Ueber künstlich hervorgerufene Protonemabildung an dem Sporogonium der Laubmoose. Bot. Zeit. 1876, pag. 689. ie A in Die Laubmoose, 391 hervor, welche gleich nach ihrem Hervortreten aus der Schnittfläche des Frucht- stielstückes Knospen anlegen, aus denen die beblätterten jungen Moospflänzchen in der gewöhnlichen Weise hervorgehen. Nur die innerın, an Reservestoffen reicheren Zellen treiben diese Protonemafäden. Beobachtet wurde das bei Aypnum cupressiforme, Hypnum serpens, Bryum caespitosum und Ceratodon purpu- reus, bei letzterer Pflanze wurde auch von Zellen der Kapselwand (STAHL, a. a. O., pag. 694) ein solches Auswachsen constatirt. — Es geht aus den angeführten Thatsachen hervor, dass, wenn man die Sporenbildung künstlich verhindert, sowol die Zellen des Fruchtstieles, als die der Kapsel fähig sind, Vorkeime zu erzeugen, also dieselbe Function übernehmen, die sonst den Sporen zukommt. Die Schlüsse, die aus dieser Thhatsache gezogen worden sind, sollen unten auch berührt werden. % Pen?) Die Laubmoose lassen sich in zwei Abtheilungen gruppiren, von denen die eine die Sphagnaceen und Andreaeaceen, die andere die Phascaceen und Bryineen umfasst, die zweite Abtheilung enthält weitaus die meisten Gattungen. In beiden Abtheilungen finden sich Organisationsverhältnisse, welche an die der Lebermoose erinnern, und auf die Abstammung von einer lebermoosähnlichen Stammform hindeuten: bei Sphagnum Gestalt und Anordnung der Antheridien, sowie das Verhalten der Calyptra, bei Andreaea, das bezüglich der Antheridien- bildung mit den Bryineen übereinstimmt, die Organisationsverhältnisse der Kapsel; in der zweiten Gruppe endlich zeigt Archidium in seiner Sporogonentwicklung auffallende Uebereinstimmung mit den Lebermoosen, und ausserdem finden wir bei den Phascaceen überhaupt die einfachsten organisirten Laubmoose. Die An- ordnung der Gruppen wird also naturgemäss die sein, dass die Sphagnaceen als eigenartiger Typus vorangestellt werden, an sie schliessen sich die Andreaeaceen durch die Sporogonentwicklung an, und vermitteln durch ihre anderweitige Or- ganisation den Uebergang der zweiten Gruppe. I. Reihe (Sphagnaceen und Andreaeaceen). ı. Die Sphagnaceen oder Torfmoose sind namentlich durch SCHIMPER’S aus- gezeichnete Monographielt)inihren Strukturverhältnissen eingehend bekanntgeworden. Die Keimungserscheinungen sind oben schon, im Zusammenhang mit denen der übrigen Laubmoose geschildert. Hier mag nur noch hervorgehoben werden, dass die ersten Blätter, welche das aus dem Vorkeim entstandene Pflänzchen bildet, noch nicht jene Differenzirung zeigen, wie sie den ausgebildeten Blättern zukommt, die Zellen des Blattes sind vielmehr bei den ersten drei bis vier Blättern noch gleich- artig und erst mit den folgenden Blättern beginnt die Differenzirung derselben in zwei Zellformen, die unten beschrieben werden soll. Es erinnert dies an die Uebereinstimmung der ersten Blattanlagen der foliosen Lebermoose mit den entsprechenden Anhangsgebilden der thallosen Formen. Die Keimpflanze unter- scheidet sich auch dadurch von der erwachsenen Pflanze, dass sie allein Rhizoi- den besitzt, welche der erwachsenen Pflanze, ebenso wie manchen Zypnum- Arten gänzlich abgehen. Mit den Rhizoiden befestigen sich die Keim- pflänzchen; später, wenn die Stämmchen in dichtgedrängten Rasen sich gegen- seitig aufrecht erhalten, bedürfen sie derseiben nicht mehr. Aehnliche Verhält- nisse finden sich auch bei phanerogamen schwimmenden Wasserpflanzen, inso- fern als auch bei diesen, in älteren Stadien die entbehrlich gewordene Wurzel- D) Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Torfmoose. Stuttgart 1858. „ re y N VS j ! 392 Die Muscineen. bildung gewöhnlich unterbleibt (z. B. bei Ceratophyllum, das aber gelegentlich auch festgewurzelt getroffen wird) bei Salvinia sogar schon in der Anlage. — Der anfangs unverzweigte, aufrecht wachsende Stengel bildet bald langgestreckte, den Flagellen der foliosen Jungermannien ähnliche Aeste, die in der Endknospe dicht gedrängt die Hauptknospe umstehen. Sie entspringen, wie erwähnt, an den Rän- dern der Blätter, rechts vom Blatte bei linksläufiger Blattspirale, links bei recht- läufiger!). Es kommt immer auf je vier Blätter ein Ast. Uebrigens ist die Regel- mässigkeit der Aststellung keine so durchgreifende, es finden sich Astanlagen auch bei zwei Blättern hinter einander. Die Endknospe entwickelt sich unbe- grenzt, die Aeste aber schliessen mit Ausnahme der Innovationssprosse mit dem einjährigen Vegetationscyklus ab. Was die Innovationssprosse betrifft, so bildet sich alljährlich, gewöhnlich unmittelbar nach der Fruchtreife, unter der Vegetations- spitze des Hauptsprosses ein Seitenspross, der sich in Allem ganz dem Haupt- spross analog verhält, und sich später auch als selbständige Pflanze abtrennt. — Die anderen, nicht selbständig werdenden Aeste sind entweder fertile oder sterile, die letzteren sind ihrerseits wieder büschelig verzweigt. — An der Spitze des Stammes stehen die Aeste alle noch ähnlich köpfchenförmig zusammen, dann rücken sie auseinander und die sterilen nehmen die Peitschen-(Flagellen-) Form an, biegen sich am Stämmchen herab, und legen sich demselben an. — Es wirken diese fadenförmigen Aeste in Verbindung mit der spongiösen Zellenhülle des Stengels als Heber, welche der Endknospe Wasser zuführen. — Eine Anzahl der wagrecht abstehenden Aeste verdickt sich nach der Spitze hin kolbenförmig und bildet die männlichen Blüthekätzchen, ein geringerer Theil gestaltet sich zu Fruchtästen (Fig. 19), die mehrere Archegonien produciren, von denen aber nur eines zur Bildung eines reifen Sporogoniums gelangt. Die die Geschlechtsorgane bergenden Aeste sind entweder auf derselben Pflanze, was der gewöhnlichere Fall ist, oder auf verschiedene Individuen vertheilt, betreffs ihres Aufbaues s. u. Ein Querschnitt durch den Stengel zeigt drei Theile; ı. eine äussere Rinden- hülle, dann einen Ring (der aus mehreren Lagen besteht) aus Zellen mit ver- dickten Wänden, und einen centralen Cylinder von unverdickten Zellen, von denen, wie oben erwähnt bei Sphagnum squarrosum nicht wenige als Schleim- zellen ausgebildet sind. Die Zellen dieses Centralcylinders dienen jedenfalls grösstentheils der Stoffleitung und Aufbewahrung, während der Ring verdickter Zellen ähnlich wie bei vielen Phanerogamen-Stämmen und der Mehrzahl der anderen Laubmoosstämmchen als Steifungscylinder zu bezeichnen ist. — Diese beiden Gewebearten stimmen also durchaus überein mit denen vieler anderer, ebenso einfach gebauter Laub- und Lebermoosstämmchen, dagegen zeigen die Zellen der Rindenschicht eine höchst eigenthümliche Ausbildung. Sie sind mit dünnen Zellwänden versehen, und der Plasmainhalt ist vollständig geschwunden. Die Innenflächen der Zellwände sind versehen mit dünnen, eng- oder spiral- förmigen Verdickungsleisten. Vor Allem aber sind die Zellwände nicht ge- schlossen, sondern auf Längs- wie auf Querwänden mit Löchern versehen, die durch partielle Membranresorption entstanden sind. Sie stellen in Folge dessen ein System von mit einander und dem umgebenden Medium in Verbindung stehenden Capillaren dar, in welchen das Wasser in die Höhe gehoben wird. — Die Struktur der Aeste, speciell der peitschenförmigen, stimmt, was Steifungs- ') Auch hier entspringt die Astmutterzelle aus demselben Segmente, wie das über ihr liegende Blatt, Vergl. Leiter, Wachsthum des Stämmchens und Entwicklung der Antheridien bei Sphagnum (Bd. LIX. Sitzb. der K. Ak. d. Wissensch. I. Abth.). a BER U Die Laubmoose. 393 ring und Centralcylinder betrifft mit der des Stammes überein, nur dass diese Theile in geringerer Mächtigkeit ausgebildet sind, dagegen ist der Bau der Rinde ein eigenartiger. Neben jenen durchlöcherten Zellen, welche die Stammrinde bilden, kommen hier nämlich andere vor: sie sind gross, flaschen- oder retorten- förmig aus bauchigem Grund sich nach oben verengernd, und nach aussen biegend. Sie zeigen an ihrer Spitze eine ziemlich grosse Oeffnung, und besitzen jene spiralfaserförmige Verdickungen wie die anderen Rindenzellen. Es sind diese Zellen, von denen je eine auf eine Blattinsertion fällt, besonders stark an den hängenden und gegen die Spitze der ausgebreiteten Aeste hin entwickelt. Die Struktur der Blätter wird dadurch eine eigenthümliche, dass zwischen den maschenbildenden, engen chlorophyliführenden Zellen (a Fig. 25) solche sich befinden, die in ihrer Beschaffenheit durchaus mit den Rindenzellen des Stämm- chens übereinstimmen, sie haben wie jene ihren Plasmainhalt verloren, ihre Membranen haben Löcher, die meist rund und von einem Faserring umschrieben sind, oft werden aber auch grössere Stücke der Zellmembran resorbirt!) (vergl. Russow, Beiträge zur Kenntniss der Torfmoose Dorpat 1865). Auf der Innen- seite der Zellmembranen sind ring- und spiralförmige Verdickungen. Es ist dies also eine complicirtere Form der- jenigen Blattstruktur, die wir oben bei Zewcodbryum glaucum kennen ge- lernt haben; beide Blattstrukturen sind ganz unabhängig von einander vorkommende interessante Parallel- bildungen. Die chlorophyllführenden Zellen sind eng und sehr langge- streckt, sie werden von den sich hervorwölbenden farblosen Zellen oft überdeckt, da die Ränder derselben sich dann über den chlorophylil- führenden Zellen vereinigen, wie die Figur 25 A zeigt, so können, wenn an diesen Stellen Perforationen der Wand auftreten, auch die farb- losen Zellen des Blattes ein com- municirendes System darstellen. Ur- sprünglich aber sind sie von einander durch die farblosen Zellen getrennt (wie in dem unteren Ende von Fig. 25 A). Ein Mittelnerv existirt in : dem einschichtigen Blatte nicht. 4 b B Uebrigens existiren kleinere Differen- Fig. 25. (B. 241.) zen im Baue der Ast- und Stengel- A Querschnitt eines Blattes von Sphagmum acuti- blätter, bezüglich welcher auf die Joäum. B Astblatt von Sphagnum cymbifolium nach 11: . . SCHIMPER. öcher i arbl > Specialliteratur zu verweisen ist. Re ee Es Z BEL. : & 4 letzteren sind hier auf ihren Innenflächen mit ring- Die männlichen Blüthenzweige förmigen Verdickungen versehen. a die chlorophyll- nähern sich, wie schon oben hervor- haltigen Zellen, b die leeren. gehoben wurde, denen der Lebermoose, indem die Antheridien nicht am Gipfel der ) Die Einzelnheiten dieses Vorgangs sind nicht bekannt. 394 Die Muscineen. Achse zusammengedrängt sind, sondern einzeln, kätzchenartig an dem Aste stehen. Die männlichen Blüthenzweige schliessen auch nach der Production von Anthe- ridien ihr Wachsthum nicht ab, sondern die Endknospe derselben entwickelt sich weiter zu einem peitschenartigen Spross. Es sind die männlichen Zweige meist kenntlich durch die lebhaftere Färbung ihrer Blätter und dadurch, dass dieselben dicht schindelig über einander gelegt sind. Die männlichen Aeste sind nicht in der dicken Endknospe des Hauptstämmchens, sondern stehen am Jahres- trieb zerstreut. Die Antheridien sind kugelige, auf einem ziemlich langen, dünnen Stiele stehenden Körper, die — wie die Aeste — jeweils neben einem Blatte inserirt sind,1) dabei werden aber nicht wie bei den Aesten bestimmte Blätter übersprungen, sondern durch eine gewisse Zahl von Umgängen steht neben jedem Blatt ein Antheridium. Es entwickeln sich die Antheridienanlagen auch aus Zellen, deren Lage mit der der Astmutterzellen übereinstimmt, bezüglich der Zellenfolge mag auf LEıtGep’s citirte Abhandlung verwiesen werden. Die reifen Antheridien öffnen sich, indem die Wand des Antheridiums an dessen Scheitel sich in einige Lappen spaltet, die sich zurückbiegen, und so das Antheridium öffnen. Die weiblichen Blüthenäste schliessen, im Gegensatze zu den männlichen ihr Wachsthum mit der Production von Archegonien ab, denn schon das erste Archegonium geht aus der Scheitelzelle des Blüthensprosses hervor, ihm folgen gewöhnlich mehrere seitlich stehende (Fig. 19). Zelltheilungsfolge und Differen- zirung des Archespors im Embryo sind oben schon, im Vergleich mit den übrigen Formen behandelt worden, hier sollen also nur die gröberen Entwicklungsverhält- nisse desselben geschildert werden. Wie WALDNER (a. a. O., pag. 596) angiebt, sind die befruchtete Eizelle sowohl als fortgeschrittene Embryonen stets von einer hyalinen, coagulirten Schleimmasse umgeben, die Proteinreaction zeigt und in dünnen Fortsatz ausgezogen ist, der in den Archegonienhals so weit hineinreicht, als derselbe nicht gebräunt ist. Diese Schleimmasse enthält ursprünglich jeden- falls die protoplasmatischen Bestandtheile der Halskanalzellen, später die der Zellen des weiblichen Blüthenzweigs, welche der heranwachsende Embryo auflöst. Dieser wird zuerst zu einem lang birnförmigen dann oblongen Körper, der sich nur bis zu einem gewissen Grade im Archegonienbauch entwickelt. Dann bohrt er sich in das weiche Zellgewebe des angeschwollenen Archegonienfusses ein, tritt durch denselben hindurch und gelangt so in das Innere des Fruchtbodens, d. h. den Theil des Fruchtastes, welchem das Archegonium aufsitzt. Er löst da- bei die Zellen derselben auf und resorbirt dieselben. Der Fuss des Embryos dehnt sich dann bedeutend und das Gewebe des Fruchtbodens, dem er einge- senkt ist, folgt dieser Verbreiterung (Fig. 21). Auch der obere Theil des Embryos verbreitert sich und so differenzirt sich in demselben das Archespor (Fig. 21), das sich in eine Anzahl von Zellschichten, die Mutterzellen der Sporen, theilt. Jede derselben theilt sich, wie gewöhnlich, in vier Sporen, die von kugel- tetraädischer Gestalt sind. — Räthselhafte Bildungen sind die in besonderen kleinen Sporogonien gebildeten kleinen Sporen, die zu 16 kugelig zusammen- ') SCHIMPER spricht auch (a. a. O., pag. 25) von »Paraphysen, welche die Antheridien um- geben« und die äusserst dünne, weiche, gegliederte verzweigte Fäden bilden, denen er die Function zuschreibt, den Antheridien die nöthige Feuchtigkeit zuzuführen. Hier wie bei den Archegonien, wo er ähnliche Bildungen beschreibt, sind dieselben aber Pilzfäden. Da diese natürlich auch fehlen können, so erklärt sich daraus, warum LEItGBR (a. a. OÖ. pag. 17 des Sep.- Abdr.) mittheilt, dass er nie diese Paraphysen gesehen habe, Die Laubmoose. 395 hängen. Sie keimen nicht, und es liegt nahe, hier an Deformationen durch Pilze zu denken, sie bedürfen aber noch näherer Untersuchung. Eine Haube im Sinne der anderen Laubmoose findet sich hier nicht, vielmehr zerreist das Archegonium und die aus Zellschichten des Fruchtbodens bestehende Hülle un- regelmässig beim weiteren Wachsthum des Sporogoniums. Der kurze Kapselstiel streckt sich indess auch bei der Fruchtreife nicht, oder doch höchstens so wenig, dass diese Streckung eben hinreicht, um die Calyptra zu zerreissen. Die Kapseln stehen aber trotzdem auf einem Stiele, den man bei oberflächlicher Befruchtung für einen Kapselstiel halten könnte. Er ist dies aber nur physiologisch, nicht morphologisch, denn er entsteht durch Streckung und stielähnliche Ausbildung des oberen Theiles des Fruchtastes. Die Kapseln öffnen sich, indem der obere Theil derselben als Deckel abfällt. Auf die wichtige Rolle, welche die Sphagnaceen im Haushalt der Natur spielen, mag hier nur kurz hingewiesen werden. Sie sind bekanntlich die wichtigsten Gewächse der Torfmoore, und ihre mehr oder weniger verwitterten Reste bilden oft auch die Hauptbestandtheile des Toorfes. Sie verlangen, wie dies aus ihrer ganzen Organisation hervorgeht, zu ihrem Gedeihen hauptsächlich Feuchtigkeit, wachsen aber in feuchter Gebirgsluft auch an Stellen mit relativ trockenem Boden. Am üppigsten aber gedeihen sie an Stellen, wo eine undurchlässige Bodenschicht eine Wasseransammlung bedingt. Hier bilden sie bald eine dichte Decke, auf der sich dann auch andere Moose, wie Diranum Schraderi und Fobytrichum strictum ansiedeln, welche die festeren Stellen der Moordecke bezeichnen. 2. Die Andreaeaceen unterscheiden sich von den Sphagneen auffallend durch ihren Habitus, es sind kleine, schwärzliche, felsenbewohnende Moose, in ihrem Habitus mit den anderen Laubmoosen durchaus übereinstimmend. Die Kenntniss ihrer entwicklungsgeschichtlichen, Verhältnisse verdankt man einer vor- trefillichen Arbeit von E. Künn.!) Die anatomische Struktur von Blatt und Stamm sind sehr einfach, jene Complikationen, die sich bei SpAagnum finden, fehlen hier also, die Blätter besitzen bei Andreaea petrophila keine Mittelrippe, die aber bei anderen Formen (A. rupestris, crassinervis etc.) oft in starker Ausbildung vor- handen ist. Das Stämmchen zeigt nur insofern eine Gewebedifferenzirung, als die peripherischen Zellen engere Lumina haben. Die Antheridien nehmen hier, abweichend von Sphagnum und in Ueberein- stimmung mit den anderen Laubmoosen den Scheitel der männlichen Zweige ein, sie sind . untermischt mit Paraphysen. Die Antheridien öffnen sich, indem die Wand an ihrem Scheitel sich in mehrere Lappen spaltet, und so die in Schleim gebettete Spermatozoidenmasse austreten lässt. Auch die Archegonienbildung stimmt mit der der übrigen Laubmoose überein, nur dass der Archegonienhals hier ein besonders lang andauerndes Spitzenwachsthum zeigt. Die Zelltheilungs- folge im Embryo stimmt mit der der Bryineen überein, d. h. derselbe besitzt eine zweischneidige Scheitelzeille. Dagegen stimmt die Gestalt des Archespors mit der von Sphagnum überein: es ist wie dort eine kuppelförmig gewölbte Zellschicht, die also von der Columella nicht durchsetzt wird, sie wird aber wie bei den Bryineen vom »Grundquadrat«, also vom Endothecium gebildet. Der reifen Kapsel sitzt die abgerissene Calyptra als zartes Mützchen auf. Die Art und Weise, wie sich die Kapsel öffnet, weicht von dem sonst für die Laubmoose Bekannten ab, und !) Zur Entwicklungsgeschichte der Andreaeaceen, in SCHENK und LüÜRSSEN, Mitth. aus dem Gesammtgeb. der Bot. Bd. I. Man vergl. auch BERGGREN, studier öfver Mossornas byggrad och utveckling. 1. Andreaeaceae. Lund 1868. ET NE IE WARE 396 Die Muscineen. erinnert sehr an die Lebermoose. Es bilden sich nämlich in der Kapselwand vier Spalten, welche den Sporen den Durchtritt gestatten, sie sind aber nur bei trockener Witterung offen, bei feuchter legen sie sich mit ihren Rändern wieder aneinander, ganz ähnlich, wie die Peristome mancher höheren Moose. Dass die Verbreitung der Sporen dadurch begünstigt wird, dass dieselben nur bei trockenem Wetter austreten, wo sie mehr Aussicht haben durch Luftströmungen weggeführt zu werden, ist klar. Die Stellen, an welchen die Spalten in der Kapselwand ent- stehen, sind schon vor dem Auftreten der ersteren daran kenntlich, dass bei vier Zellreihen, die in der Richtung der Diagonalen des »Grundquadrates« liegen, die Verdickung der Zellwände unterbleibt, die sonst bei den Zellen der Kapsel- wandung eintritt. Diese Eigenthümlichkeit erinnert an das Aufspringen der Jungermannieenkapseln mit vier Klappen. — Wie bei den Sphagnen bleibt auch hier der eigentliche Sporogoniumstiel kurz, und seine Funktion wird übernommen durch ein ganz ähnlich wie dort entstehendes Pseudopodium, jene stielförmige Verlängerung der Archegonien tragenden Achse, die wir als Parallelbildung mit dem Inflorescenzstiel der Marchantien bezeichnet haben. — Und auch eine weitere Eigenthümlichkeit theilen die Andreaceen mit den Sphagnen: die Bildung eines flächenförmigen Protonemas. Dasselbe ist, im Vergleich mit den anderen Formen, schon oben geschildert worden, hier erübrigt nur noch hinzuzufügen, dass auch die Rhizoiden des Stämmchens ganz ähnliche Ausbildung zeigen wie das Protonema, es sind hyaline, später gebräunte Zellfäden mit schiefen Querwänden. In den später auftretenden Rhizoiden treten aber auch Längswände auf, sie werden zu bandförmigen Verbreiterungen, die sich dicht dem Gestein anschmiegen, und auch ihrerseits befähigt sind neue Pflänzchen zu produciren. Die Andreaeaceen bilden also einerseits eine Uebergangsform zwischen Sphagnaceen und den andern Laubmoosen (Sphagnaceencharaktere sind: Pseudo- podium, Form des Archespors, und gröberer Bau des Sporogoniums; mit den anderen Laubmoosen stimmen überein: die Stellung und Entwicklung der An- theridien, anatomischer Bau und Verzweigung des Stammes, Zellanordnung des Embryos, deutliche Ausbildung der Calypfra als Mütze), andererseits besitzen sie in dem Aufspringen der Kapsel einen Lebermooscharakter, wie die Sphagna einen solchen in der Ausbildung ihrer Antheridienstände, die Phascacea (Archidium) in der des Archespors besitzen: es sind also die mit den Lebermoosen überein- stimmenden Charaktere auf verschiedene Gruppen vertheilt. II. Bryineenreihe. 1. Die Phascaceen, kleine, meist einjährige, Moose unterscheiden sich von der Hauptmasse der Bryineenreihe dadurch, dass die Kapsel sich nicht mit einem abfallenden Deckel öffnet (vergl. auch SpAagnum) sondern geschlossen bleibt, die Sporen werden also erst durch Verwitterung der Kapselwand frei. Hierher ge- hört noch das durch seine Sporogonentwicklung merkwürdige Archidium®), bei welchem eine Sonderung des Endotheciums in Archespor und Columella nicht stattfindet, sondern einzelne Zellen desselben (1—7) von wechselnder Lage und Zahl zu Sporenmutterzellen werden und die andern verdrängen, es füllen dann also 4—28 Sporen, die sich durch ihre Grösse auszeichnen, den Kapselraum aus. ') Vergl. Hormeıster, Ber. der k. Sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1854 und Lerrgz»’s Be- richtigungen dazu in der Abhandlung: Das Sporogon von Archidium. Sitzb. der Wiener Ak. Bd. LXXX. ı. Abth. 1879. Die Laubmoose. 397 Es wurde oben schon hervorgehoben, dass Archidium durch seine Sporogon- entwicklung an die Lebermoose anknüpft, und es ist dies auch bezüglich eines anderen Umstandes der Fall. Archidium besitzt nämlich keine Calyptra (s. Sphag- num) d. h. der Archegonienbauch wächst eine Zeitlang mit, wird dann aber vom heranwachsenden Sporogonium gesprengt, nicht als Mütze emporgehoben. Der Stiel bleibt kurz und an seinem Ende fussförmig angeschwollen. Die Sporogon- entwicklung und Ausbildung der übrigen Phascaceen stimmt mit Ausnahme des Geschlossenbleibens der Kapseln (weshalb sie auch als Cleistocarpi den Stegocarpi gegenübergestellt werden), mit der der Bryineen im engern Sinn überein. £ 2. Die Bryineen (i. e. S.) umfassen bei weitem die Mehrzahl aller Moos- arten, woraus sich von selbst ergiebt, dass die Angehörigen dieser Abtheilung von verschiedenster Grösse und Ausbildung sind. Ihre morphologischen (vergl. z. B. Schistostega, Fissidens) und anatomischen Eigenthümlichkeiten (so z. B. Polytrichum) haben wir schon oben besprochen, ebenso die Keimungserscheinungen und die Arten der ungeschlechtlichen Fortpflanzung z. B. Awlacomnium, Tetra- phis, Bryum, Barbula etc. Auch die Sporogonentwicklung ist oben vergleichend dargestellt, so dass wir uns hier nur noch mit dem Bau der reifen Sporogonien zu befassen haben. — Die Theile des Sporogoniums sind der hier immer vorhandene, grössere oder kleinere Stiel (Seta), die Kapsel und auf ıhr die Calyptra. Der Theil des Stiels, welcher in die Kapsel über- geht, wird als Apophyse bezeichnet, die bei den Splachnaceen besonders stark entwickelt, und brei- ter als die Kapsel ist. Die Apophyse besitzt fast immer wie die Käpselepidermis Spaltöffnungen. Die Calyptra hat sehr verschiedene, in der Systematik verwerthete Formen, wir verweisen auf die Ab- bildungen Fig. 24 und Fig. 26, wo sie in einem Fall spitz kegelförmig, (bei Conomitrium) ım andern “ halbseitig geschlitzt (Funaria) ist. Bei Orthotrichum und Zobtrichum u. a. ist sie mit Haaren bedeckt, die natürlich erst nach der Befruchtung entstanden. Fie. 26 “% Was nun den Bau der Kapsel betrifft, so tritt ın R = ? = = N u: N (Nach SACHS) Zumaria hygrometrica, derselben schon frühe ein ringförmiger Intercellular- \ ein belaubtes Stämmchen g mit raum auf, welcher die zwei bis drei innersten, also der Calyptra c; B eine Pflanze dem Archespor angrenzenden Schichten des Amphi- en nn = "Kapsel £ theciums von den äusseren trennt. Die ersteren also, Calyptra c. C symmetrisch hal- die zwischen Intercellularraum und Archespor liegen- birender Längsschnitt der Kapsel. Zellschichten, werden als äusserer Sporensack be- Ge DT a : mella, h Luftraum, s Archespor. zeichnet, die dem Archespor nach innen zu an- grenzende Zellschicht als innerer Sporensack. Der Intercellularraum wird meist von grünen Zellfäden durchsetzt, welche den äusseren Sporensack mit den Zellschichten der Wand verbinden (vergl. Fig. 26 h). Es fehlt dieser Intercellularraum bei den Sporogonien der Sphagnaceen und den Andreaea- ceen, dagegen besitzen ihn die der Phascaceen. Die Complicationen im Bau der Sporogonien beziehen sich nun namentlich auf die Einrichtungen zum Oeffnen der Kapsel und zur Ausstreuung der Sporen. Der Deckel foperculum " 398 Die Muscineen. wird immer abgeworfen!). Dies geschieht entweder dadurch, dass eine oder mehrere übereinander liegende zwischen Kaspel und Deckel befindliche Zell- schicht sich als Ring (annulus) ausbildet, dessen Zellwände verdickt werden und theilweise quellen, wobei sich der Ring ablöst, und so Deckel und Kapsel von einander trennt?). Oder in einfacheren Fällen bleibt einfach eine ringförmige Zone von Epidermiszellen der Kapsel dünnwandig (vergl. analoge Erscheinungen bei Sphagnum und Andreaea) und zerreisst dann beim Austrocknen derselben. Ist der Deckel abgeworfen so erscheint in den allermeisten Fällen der Rand der geöffneten Kapsel mit einem einfachen oder doppelten Ring von zahnförmigen Bildungen besetzt, die als Peristom bezeichnet werden. Es giebt aber auch (B. 243.) Fig. 27. Anacalypta rubella Künn. (Weissia curvirostra). A ein Theil eines Längs-, B eines Quer- schnittes durch die ausgewachsene Kapsel. Nach Lantzius-BENNIGER. ee Epidermis, a Ring, i Intercellularraum im Amphithecium zwischen der Kapselwand und dem Sporensack, isp innerer, asp äusserer Sporensack, rr Zellenschicht, welche die Schicht der Peristomzellen nach aussen hin begrenzt, cc Centrum der Kapsel (Columella etc.) pp Peristom. Formen, z. B. Gymnostomum, Hymenostomum, die kein Peristom besitzen. Bei Hymenostomum ist aber die Kapsel trotzdem nicht offen, sondern verschlossen dadurch, dass sich die Columella nach oben verbreitert, und so eine die Kapsel- öffnung überdachende Haut (» Zymenium«) bildet, durch deren Risse die Sporen !) Der Uebergang von kleistokarpen (»holokarpen«) Bryineen zu den stegokarpen ist aber ebenfalls ein durchaus nicht schroffer. In der zu den letztern gehörigen Gattung Systegium z. B. pflegt der Deckel bei Syszegium erispum nicht abzufallen, und das geschieht zuweilen auch bei den andern Arten dieser Gattung, wo er gewöhnlich abfällt. ?) Die Mechanik dieses Vorgangs bedarf noch der Untersuchung. Die Laubmoose. 399 in’s Freie gelangen. In einfachster Weise tritt das Peristom auf bei Teiraphis!). Hier fällt die Epidermis des obern, conischen Theils der Kapsel als Deckel ab, während das ganze in ihm enthaltene Gewebe, dessen beide äussere Schichten dickwandig sind, kreuzweise in vier Lappen sich spaltet«, welche das Peristom bilden. — Während aber die einzelnen Zähne desselben hier aus Zellcomplexen bestehen, ist die Entstehung derselben in den übrigen Fällen eine ganz andere, hier sind die Zähne des Peristoms nichts anderes, als verdickte Trümmer von Zellmembranen, deren unverdickte Theile zu Grunde gegangen, zerrissen sind. In Fig. 27 .ist ein Theil eines Längs- und eines Querschnitts durch eine Moos- kapsel dargestellt, welche die oben besprochenen Verhältnisse erläutern werden. Wie der Querschnitt Fig. 27 B zeigt, geht ein einzelner Peristomzahn hier hervor aus der Verdickung von Wandstücken von drei aneinander stossenden Zellen, und da dies bei einer ganzen Anzahl über einander gelagerter Zellen geschieht, so erreicht der einzelne Peristomzahn eine relativ beträchtliche Länge, die unver- dickt gebliebenen Stellen der Membranen aber gehen zu Grunde, dadurch werden die einzelnen Peristomzähne von einander isolirt. Würde auch in einer von der Zellschicht p aus weiter nach innen gelegenen Partie eine ähnliche partielle Wandverdickung eingetreten sein, so wäre das Peristom ein doppeltes. Die Zähne (»Cilien«) des inneren Peristoms alterniren dann mit denen des äusseren, sind denselben aber an Zahl nicht immer gleich. Bei Auxdaumia und Diphyscium zerfällt es nicht in Zähne, sondern stellt eine gefaltete Haut dar. In anderen Fällen bildet das innere Peristom ein Gitterwerk (Fontinalis antipyretica) etc. Die Zahl der Peristomzähne ist immer 4 oder ein Multiplum von vier, z. B. 8 bei Octoblepharum und einigen Splachnum-Arten 16 bei Orthotrichum, Grimmia, Bry- um, Hypnum, 64 bei den meisten Zolytrichum-Arten. Die Peristomzähne sind sehr hygroskopisch, ihre Function ist hauptsächlich die, bei feuchtem und nassem Wetter die Oeffnung der Kapselurne zu verschliessen, und so ein Aus- treten der Sporen zu verhindern (vergl. Andreaea). Es wird so einerseits ein Eindringen von Feuchtigkeit in die Kaspel und dadurch veranlasstes Keimen der Sporen verhindert, andrerseits ist es den letztern selbst unmöglich gemacht, unter Umständen, die für ihre weitere Verbreitung ungünstig sind, die Kapsel zu verlassen. Bei trockenem Wetter dagegen krümmen sich die Peristomzähne zu- rück, und gestatten so dem Sporenstaub den Austritt. — Die Columella pflegt nach der Bildung der Sporen zu verschrumpfen, so dass die Kapsel ganz von Sporen erfüllt erscheint. Der Zweck?), die Sporen in der geöffneten Kapsel vor dem Zutritt von Feuchtigkeit zu schützen, wird in andern Fällen noch durch andere, etwas com- plicirtere Einrichtungen erreicht. So bei den Polytrichaceen. Hier ist die Oeff- nung der Kapsel überdacht von einer Platte, dem »Epiphragma«, welches ge- tragen ist von den (32—64) Zähnen, die hier also nicht frei endigen. Sie bestehen hier aber nicht, wie in der Mehrzahl der Fälle aus verdickten Membran- stücken, sondern aus hufeisenförmigen Bündeln verdickter Faserzellen. Ohne Zweifel werden auch hier bei Feuchtigkeit die Zwischenräume zwischen den Zähnen geschlossen, und so der Sporenaustritt verhindert. Der Bau des Stieles, der Seta, sei hier noch kurz berührt. Er gleicht im All- I) Vergl. LAntzius-BENINGA, Beiträge zur Kenntniss des inneren Baues der ausgewachsenen Mooskapsel. Bot. Zeit. 1847, pag. 17 mit ı Taf.; und Nova acta Ac. Leop.-Carol. 1856. Mit ıı Tafeln. ?) Man gestatte der Kürze halber diese Bezeichnung! SCHENK, Handbuch der Botanik, Bd. II. 26 400 - Die Muscineen. gemeinen dem des Stämmchens, hat aber einen Centralcylinder unverdickter Zellen auch bei den Formen, wo derselbe dem Stämmchen fehlt. Bei den Phascaceen bleibt der Stiel weich, die Kapsel pflegt von ihm abzufallen, um dann zu ver- wittern, bei den Bryineen (s. u.) dagegen, wo die Sporen ausgestreut werden, nimmt der Stiel einen wesentlichen Antheil an dieser Thätigkeit, er wird zu einem elastischen Träger (der nicht selten auch Torsionen zeigt), und vermöge dieser Eigenschaft die Sporenausstreuung sehr erleichtert. — Es findet also wie auch aus dem kurzen eben gegebenen Ueberblick hervorgeht in der Ausbildung der Sporogonien auch innerhalb der Bryineenreihe eine ziemliche Mannigfaltigkeit statt, die einfachen cleistocarpen Phascaceen, mit geschlossen bleibenden Sporo- gonien sind aber durch Syszegium, Tetraphis etc. mit den höchst ausgebildeten Sporogonien der Polytrichaceen verknüpft, ebenso wie in der Jungermannienreihe ganz allmähliche Uebergänge von den Anelatereen zu den Elatereen sich finden. Auch bei den Sporogonien also haben wir eine zusammenhängende Entwicklungs- reihe vor uns. Rückblick. Ueberblicken wir am Schlusse noch einmal die geschilderte Pflanzengruppe, so ist zunächst zu betonen, dass Laub- und Lebermoose, so differente Formen sie auch scheinbar umfassen, doch zwei in sich zusammen- hängende Entwicklungsreihen darsteilen, und zwar Reihen, die so viel Gemeinsames zeigen, dass sie als Zweige eines Stammes aufgefasst werden müssen, dessen hypothetischen Eigenschaften die niederen Lebermoose noch am nächsten stehen. Innerhalb jeder Reihe hat dann eine divergente Entwicklung in einzelne Gruppen stattgefunden, deren wir bei den Lebermoosen zwei (Marchantiaceen und Jungermanniaceen) bei den Laubmoosen drei (SpAagna, Andreaeaceen und Bryineen im weitern Sinn) unterschieden haben. Der Anschluss an die Thallophyten bietet nur insofern Schwierigkeit, als wir dort dem Moossporogonium entsprechende Gebilde nicht in derselben Weise antreffen. Allein es giebt, wie die seit PRINGSHEIM’sS!) Untersuchungen oft citirte Coleochaete zeigt, doch Formen, bei welchen Früchte auftreten, die sich von den einfachsten Moosfrüchten wenig unterscheiden. Bei Coleochaete geht aus dem befruchteten Ei (vergl. Bd. II. pag. 249 ff. dieses Handbuches) aus der über- winterten Oospore ein Gewebekörper hervor, welcher sich nur dadurch von dem Sporogon von Kiccia unterscheidet, dass der Inhalt seiner Zellen je eine Zoo- spore bildet, und dass die übrigens bald resorbirte Wandschicht des Ricciasporo- gons hier nicht gebildet wird, ist die Oospore hier doch umhüllt von einer Rinde von Thallusfäden. Auch Spermatozoiden und Eier fanden wir bei den Chlorophyceen (denn nur um diese kann es sich hier handeln) wieder, wie z. B. Chara zeigt, und dass die Moosarchegonien nur etwas complicirtere Oogonien sind, haben wir oben schon betont. Auf die Habitusähnlichkeit, welche die Oogonien von Coleochaete mit Archegonien zeigen, wollen wir hierbei allerdings ') Jahrb. für wissensch. Bot. II. pag. 1—36. PRINGSHEIM hat in den citirten Abhandlungen die Bedeutung der von ihm entdeckten Thatsachen ausdrücklich hervorgehoben (l. c. pag 21). Neuerdings ist dieser Forscher zu einer Auffassung des Generationswechsels gelangt (Ueber den Generationswechsel der T'hallophyten und seinen Anschluss an den Generationswechsel der Moose, Monatsber. der Berl. Akad. 1876), in welcher ich ihm nicht zu folgen vermag. Unstreitig hat man das Generationswechselschema oft zu weit getrieben, aber zwingende Gründe, die alte Auf- fassung zu verlassen, scheinen mir für die Muscineen nicht vorzuliegen. Da eine Darstellung der Anschauung PRINGSHEIM’s hier zu weit führen würde, muss ich auf das Original verweisen. a a Sa ar PT A he 4 Ki ” Erg = u. En a Wr ’ v Die Laubmoose. 401 keinen besonderen Werth legen, um so mehr als der Befruchtungsakt von Coleo- chaete immer noch der Aufklärung im Einzelnen harrt. Dagegen bilden die Muscineen eine Gruppe, die sich nach oben nicht direkt fortsetzt, sondern blind endigt. So viel Mühe man sich auch gegeben hat, zwischen Muscineen und den übrigen Archegoniaten, den »Gefässkryptogamen« (Pteridophyten) engere Anknüpfungspunkte zu finden, so wenig Resultate haben bei eingehenderer Prüfung diese Bemühungen gehabt. Dass Moos- sporogonien und die sporenerzeugenden Farnpflanzen, Farnprothallien und Ge- schlechtliche Moospflanze analoge Gebilde sind, das ist eine seit HOFMEISTER’S bahnbrechenden Untersuchungen unbestrittene Thatsache. Darüber hinaus ist man aber meiner Ansicht nach auch nicht gekommen, man wird den An- knüpfungspunkt der Pteridophyten anderswo zu suchen haben, als bei den Muscineen, bei Formen, die Lebermoosen ähnlich gewesen sein mögen, deren ungeschlechtliche Generationen aber von Anfang an einen anderen Ent« wicklungsgang eingeschlagen hat. Vor Allem ist an relativ so hoch ent- wickelte Formen wie die Laubmoose nicht zu denken. Wir müssen uns also damit begnügen zu constatiren, dass die Kluft zwischen Moosen und Pteridophyten die tiefste ist, die wir im Pflanzenreich kennen, sie wird dadurch nicht geringer, dass man sie mit Hypothesen und Deutungen überbrückt. Da- gegen bieten die gegenseitigen Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Musci- neengruppe heute ein um so befriedigenderes Bild. Die Kenntniss dieser Be- ziehungen, welche im Einzelnen ja noch vielfach geklärt und bereichert werden mag, verdankt man einzig und allein den eingehenden entwicklungsgeschicht- lichen Untersuchungen, vor Allem von HOoFMEISTER, SCHIMPER, NAEGELI und LEITGEB, deren Resultate vielfach durch die oben citirten Abhandlungen anderer Forscher, namentlich bezüglich der Embryoentwicklung ergänzt worden sind. 26* a Ewa) N ER ER. ar \ De FR pr rs wg h ort iM BuTT "AyE em sah ’ri ‘ . x Pi N tee Aliys NEE EEE RER EN] Bau 9931 1. |. 0 VAR i r ı ce a Fe f { rn fr au 2 VIRT IE 0% Die Bacillariıaceen (Diatomaceen) von E. Pfitzer. I. Das Vorkommen und äussere Ansehen der Bacillariaceen. 8 der Natur liegt noch heute alles, was sich nicht unmittelbar mit Händen greifen lässt, selbst den gebildeten Kreisen »meilenfern« und so wird auch nur wenigen nicht speziell naturwissenschaftlich gebildeten Lesern überhaupt der Namen der Racillariaceen oder Diatomaceen bekannt sein. Handelt es sich doch hier fast ausschliesslich um mikroskopisch kleine Wesen, welche auch der Wissen- schaft erst im Anfang des vorigen Jahrhunderts zugänglich zu werden anfıngen. Im Jahre 1702 beobachtete wohl LEEUWENHOEK!) die erste zu dieser Gruppe ge- hörige Art (Synedra Ulna EHrec.), als feine auf Süsswasserpflanzen sitzende Stäb- chen, 1754 BAkeEr?) als »Haferthier« die erste frei lebende Navicula und erst die gleitenden Bewegungen, welche O. F. MÜLLER?) 1782 an der Dacillaria paradoxa sah, gaben der ganzen Gruppe ein physiologisches Interesse. Alle genaueren Kenntnisse aber stammen aus unserem Jahrhundert, in welchem nach vorbereitenden Arbeiten von Nitzsch®), LvnGBvE®), AGARDH®) u. a. namentlich EHRENBERG*) und KürzinG‘) die Aufmerksamkeit auf diese kleinen Wesen lenkten, die von dem ersteren dem Thierreich, von dem letzteren mit besserem Recht der Pflanzenwelt zugezählt wurden. Die ungewöhnliche Zierlichkeit der Gestalt und die Jahrtausende über- dauernde Festigkeit ihrer Zellhüllen erwarb dann rasch den Bacillariaceen Be- wunderer und thätige Forscher und so giebt es heute wohl kaum eine Abtheilung mikroskopischer Organismen, welche auch ausserhalb des Kreises der eigent- lichen Fachmänner soviele Freunde zählte; gerade einige der ausgezeichnetsten Kenner dieses Gebiets sind Techniker, Geistliche, Juristen, Kaufleute u. s. w. Nur sehr wenige der in Rede stehenden Organismen haben Dimensionen, welche dem unbewaffneten Auge sie einzeln wahrzunehmen gestatten. Die das N) Philosophical Transactions. 1703. Fig. 8. L. K. 2) Beiträge z. nützl. Gebrauch d. Mikroskops. pag. 315. T. X. Fig. 7. 3) Kleine Schriften herausg. v. Göze I. T. ı. Fig. 1—8. 4) Beiträge zur Infusorienkunde oder Naturbeschreibung der Zerkarien und Bacillarien, 1817. 5) Tentamen Hydrophytologiae Danicae. 1819. 6) Systema Algarum. 1824. Conspectus criticus Diatomacearum. 1830—32. 7) Die Infusionsthierchen als vollkommene Organismen. 1838. Mikrogeologie. 1854 und zahlreiche kleinere Schriften in den Abhandl. u. Monatsberichten d. Berlin. Akademie. 8) Synopsis Diatomearum. 1833. Die kieselschaligen Bacillarien. 1844. 404 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). Süsswasser bewohnenden Arten erreichen nur ganz selten eine Länge von 4 Millim., meistens sind sie viel kleiner. Im Meere, namentlich unter den frei fluthenden pelagischen Species finden wir schon grössere: Mitzschia spectabilis W. Sm. und N. scalaris W. Sm. werden etwa ı Millim., Synedra Thallothrix Cu. sogar 3 Millim. lang und sind also leicht als glitzernde Stäbchen sichtbar. Auch die cylindrischen Arten mit kreisrunden Schalen werden recht gross: man kennt pelagische Cos- cinodiscus (C. Gazellae Grun.), deren Scheibe bis fast 2 Millim. Durchmesser hat.t) Immerhin sind aber solche Riesen äusserst seltene Erscheinungen gegenüber der Masse winziger Formen, die erst in Menge beisammenliegend sich dem blossen Auge bemerkbar machen. Es sind die eigenthümliche goldbraune Färbung und die schleimige Consistenz, welche dem Kenner die Anwesenheit der Bacillariaceen verrathen. Wo Süss- wasser oder Meerwasser in seichten Lachen steht, ist oft deren Boden ganz bedeckt von einer schleimigen, gelbbraunen Schicht, die zahlreiche Luftblasen einzuschliessen pflegt und sich bei hochgradiger Entwicklung in breiten Lappen ablösen lässt; nicht selten werden auch solche Lappen von den aufsteigenden Gasblasen an die Wasseroberfläche emporgehoben. Ebenso finden wir oft, namentlich im Frühjahr und im Herbst, die Steine im Bette schnell fliessender Bäche und Flüsse goldbraun überzogen und das gleiche Verhalten zeigen Mühl- gerinne und Mühlräder, die im Wasser eingerammten Pfähle, die Stengel der grösseren Wasserpflanzen und am Meere die Felsen zwischen der Fluth- und Ebbegrenze. Wo solche Färbungen auftreten, ist eine ungeheure Masse von Bacillariaceen vorhanden, die dann unter dem Mikroskop die ganze Zierlichkeit ihres Baues enthüllen. Aber auch wo nicht direkt die gelbbraune Färbung hervor- tritt, suchen wir meistens nicht vergebens. Die flachen, langsam fliessenden Ränder der Bäche, die Gräben, welche Wiesen und Torfmoore durchziehen, die Ufer grösserer See’'n und Teiche zeigen auf dem Sande oder Schlamme oft nur eine graubräunliche, sehr feinkörnige und leicht bewegliche Schicht, welche vor- zugsweise aus sehr fein zertheilten vegetabilischen Resten aller Art besteht — zwischen diesen lebt eine Menge interessanter Bacillariaceen, welche aber in der Masse so zerstreut sind, dass sie keine bestimmte Färbung bedingen. Ebenso bietet uns der Schlamm an seichten Stellen der Häfen oft reiche Massen davon dar, ohne dass dieselben sich durch die Färbung verriethen. Eine grosse Reihe von Formen fluthet dann auch frei im Wasser — so unter den Süsswasserformen die grossen Melosiren und in den Torfgräben die Tabellarien, deren bräunliche Faden- massen sich von abgestorbenen Conferven namentlich dadurch unterscheiden, dass sie ausserordentlich wenig Zusammenhang haben und sich nicht wie jene in langen, festen Bündeln aus dem Wasser ziehen lassen. Bisweilen sind solche Bacillariaceenfäden auch an Steine angeheftet und fluthen im Uebrigen frei im Wasser (Odontidium). Auf dem offenen Meere schwimmen frei mehrere Centimeter Durchmesser erreichende, wie gelbe Baumwolle aussehende Fadenmassen von Rhizosolenien, sowie gelbliche kleinere von Diddulphia-Ketten gebildete Flocken und endlich einzelne glitzernde Cylinder, die bis mehrere Fuss unter der Meeres- oberfläche sichtbar sind und sich als riesige Coscinodiscus erweisen?). In den ) Grunow, Neue Diatomaceen aus dem kaspischen Meere. Journ. of Royal mierosc. Soc. I. pag. 677- 2) Vergl. Warricn, On the Distribution and Habits of the Pelagic and Freshwater free floating Diatomacee. Ann. a. Mag. of. nat. History. 3 Series. vol. V. pag. I. Pr 1. Das Vorkommen und äussere Ansehen der Bacillariaceen. 405 Polarmeeren werden diese frei lebenden Formen oft so massenhaft vom Eise ein- geschlossen, dass dieses durch und durch braun gefärbt erscheint. Sehr viele Formen bedecken mit Gallertstielen oder flachen Gallertaus- scheidungen angeheftet die grösseren Algen, die Vaucherien, Cladophoren und fluthenden Moose des süssen Wassers; auch die Florideen der Meere zeigen oft ihren eigentlichen Farbenton ins bräunliche verändert lediglich durch die Massen der ihnen anhängenden Cocconeiden, Synedren u. s. w. Auch die Schalen der Seemuscheln sind oft von ihnen bewachsen und kommen sie auf den Austern bisweilen noch lebend im Binnenlande an. Eine besondere Erwähnung verdienen dann diejenigen Bacillariaceen, bei welchen die von den einzelnen Zellen ausgeschiedene Gallerte die Form vielfach verzweigter Fäden annimmt, in deren Innenraum die Zellen liegen. Solche Gallertfäiden kommen wohl auch im Süsswasser vor (Zncyonema, Colletonema), eine viel höhere Entwicklung erreichen sie aber im Meere, wo die grosse Gattung Schizonema ansehnliche, über einen Decimeter lange reich verzweigte Büsche bildet, die äusserlich mit manchen Tangarten Aehnlichkeit haben und lange alssolche beschrieben waren, ehe man ihre Zugehörigkeit zu den Bacillariaceen erkannte. Die Festigkeit der die einzelnen Zellen einschliessenden Gallertröhren ist hier oft sehr bedeutend, so dass erst das Mikroskop die wahre Natur der bräunlichen Alge klar stellt. Es giebt weiter eine ziemliche Menge von Bacillariaceen, die nicht eigent- lich im Wasser leben, sondern mit mässig feuchten Standorten, benetzten Felsen an Wasserfällen, feuchter Erde, ja mit den ältere Bäume bekleidenden Moos- polstern zufrieden sind. Als solche »terrestrische« Arten können namentlich Orthosira mirabilis, O. spinosa, Navicula mutica, N. pusilla, Pinnularia borealıs, Amphora affınis, Achnanthidium coarctatum, Nitzschia amphioxys gelten!) — die letztgenannte wird man kaum jemals vergeblich in der feuchten Erde der Blumen- töpfe suchen, selbst in gewöhnlicher Garten- oder Ackererde ist sie nicht selten. Durch den Wind werden solche kleine Formen namentlich beim Austrocknen des sie enthaltenden Schlammes u. s. w. leicht fortgeführt und können dann, wenn sie ins Wasser gelangen, ihr Leben fortsetzen. So finden wir in Regen- tonnen, in Wassergläsern, die längere Zeit im Zimmer gestanden haben, nicht selten ganze Colonieen kleiner Nitzschien und Naviculen, die wohl nur durch den Staub in ihre neue Wohnstätte gelangt sein können. Grössere Arten kommen in dieser Weise kaum jemals vor. Vergebens sucht man nach Bacillariaceen in sehr eisen- oder gerbstoffhalti- gem, sowie in stark jauchigem Wasser. So sind z. B. die mit verwesenden Baum- blättern erfüllten Lachen unserer Wälder, wenn sie keinen Zu- und Abfluss haben, meistens sehr arm daran, während sie, wenn stetig frisches Wasser zuströmt, oft schöne Stauroneiden, Surirayen und Campylodiscen enthalten. Die bisher erwähnten Arten des Vorkommens theilen die Bacillariaceen mit anderen Algen und sind diese Fundorte auch die einzigen, welche uns lebende entwicklungsfähige Zellen darbieten. Liegt dem Beobachter aber nicht daran, die in Rede stehenden Formen lebend zu haben, genügt ihm die zierlich gestreifte Zellhaut, so kann er noch an ganz anderen Stellen nach Bacillariaceen suchen. Da das Austrocknen, selbst wenn es rasch geschieht, die Gestaltung der Zell- membran in keiner Weise verändert, so sind für den Binnenländer, dem lebende I) DeBEy, Diatomees terrestres. Bull d. 1. Soc. Belge d. Mikrosk. re Ta En eb Tate Se En ae lan 406 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). marine Formen schwer zugänglich sind, alle aus dem Meere stammenden getrock- neten Objecte reiche Fundgruben. So geben z. B. die in den Conchyliensammlungen liegenden Schalen der Seemuscheln, falls sie nicht schon sorgfältig gereinigt wurden, oft beim Abspülen seltene Arten ferner Meere: von den Zaliotis wurden so schöne Awlocodiscus erhalten, während die indischen SZrombus meistens präch- tige Campylodiscus ergeben.!) Das Seegras, die getrockneten Seetange der Herba- rien, namentlich auch das als » Muscus Helminthochorton< in den Apotheken käuf- liche Gewirr kleiner, Tange aus dem Mittelmeer enthalten zahlreiche Formen — in dem »Zelminthochorton« findet man sehr regelmässig schöne Biddulphien, Rhab- donemen, Grammatophoren u. s. w. Selbst die durch Kochen aus Tangen her- gestellten Produkte, wie die japanische Gelatine, umschliessen noch reichliche unveränderte Bacillarien — an dem Vorkommen von marinen Arachnoidiscen wurde z. B. die Verfälschung nachgewiesen, die mit solcher Gelatine an Frucht- Gelees vorgenommen war. Wenn es sich um die Süsswasserarten ferner Gegenden handelt, so bieten die einst schwimmenden Wasserpflanzen, die Wurzeln der Sumpfpflanzen, die in den Herbarien aufbewahrt sind, eine ergiebige Quelle für die Untersuchung — ein grosser Theil des Materials, welches EHRENBERG in seiner berühmten »Mikro- geologie« bearbeitete, war auf diesem Wege erhalten. Wie Kürzıng im Jahre 1834 entdeckte, ist die Zellmembran der Bacillaria- ceen in so hohem Grade verkieselt, dass sie der Verwesung, selbst der Glühhitze zu widerstehen vermag und auch bei dem Verdauungsprozess kaum angegriffen wird. In Folge dessen sind die Verdauungsorgane der Schnecken und Muscheln z. B. die so massenhaft in das Binnenland importirten Seemuscheln (Myzilus edu- Zis) eine reiche Fundgrube schöner Bacillariaceen und ebenso sucht man selten vergeblich nach ihnen im Darm der Krebse, der Hummern und der auf dem Meeresboden im Schlamm liegenden Plattfische (Seezungen, Schollen u. s. w.) — für pelagische Formen bieten die Mägen der Salpen vortreffliches Material. Selbst eine mehrmalige Verdauung greift die Bacillariaceen kaum an. Nachdem sie kleinen Krebsen, Salpen u. s. w. zur Nahrung gedient haben, gelangen sie wohl zunächst in den Darm der Fische und werden dann mit diesen von See- vögeln verschlungen — noch in deren vor Jahrhunderten abgelagertem Koth zeigt uns der Guano von Peru, von Californien, Bolivia, Ichaboe, von der AlBSRUEN prächtige Meeresformen in kaum verändertem Zustande. So widerstandsfähige Gebilde, die selbst durch die mehrfache Verzehrung seitens grösserer Thiere weder zerkleinert, noch in ihrer Substanz angegriffen werden, müssen sich dann natürlich überall anhäufen, wo grössere Wassermassen zur Ruhe gelangen. Sowohl der Meeresgrund, als der Boden unserer See’'n und Teiche bedeckt sich allmählich mit solchen Resten vergangener Generationen. Dagegen sind die Angaben, dass auch in grösserer Tiefe noch lebende Baci- lariaceen vorkommen, wohl überall abzuweisen; — schon die Abschwächung des Sonnenlichtes durch die dicken Wasserschichten muss diesen Organismen das Leben in den Abgründen der Alpenseen und der Meere unmöglich machen. Wohl aber entstehen allmählich auf dem Grunde der Gewässer ausgedehnte Lager, die neben Sand und Schlamm massenhaft die verkieselten Zellmembranen der Bacillaria- ceen enthalten. So stehen die Städte Berlin und Königsberg zum grossen Theil auf solchen dem Süsswasser entstammenden, stellenweise 23 Meter mächtigen Schichten, ') Vergl. Recherches des Diatomees. Brebissonia. I. pag. 36. , ’ E AM ’ ”„ Yys ı. Das Vorkommen und äussere Ansehen der Bacillariaceen. 407 deren im trockenen Zustande graue Massen schon durch ihr geringes specifisches Gewicht sich von Lehm oder Thon unterscheiden. Mit den Resten der Bacillaria- ceen mischen sich dann häufig auch die Kalkschalen kleiner Krebse und Süss- wasserschnecken, der von Charen u. s. w. abgeschiedene amorphe Kalk und es entstehen auf diese Weise die mächtigen Lager von Süsswassermergeln, wie sie namentlich in der norddeutschen Tiefebene so oft vorkommen. Viele dieser Mergel enthalten zwar keine Bacillariaceen, andere aber, z.B. derjenige vom Rammer- Fio, 1. (B. 244.) Kieselguhr von Eger in 300facher Vergrösserung nach EHRENBERG. Die runden Scheiben sind Campylodiscus Clypeus EHREG., die schiffchenähnlichen Schalen Anomoeoneis (Na- vicula) sculpta Pr. (in der Mitte) und dohemica Pr. (oben und unten). Moor bei Schwerin, von Savory bei Carthaus, Arklitten bei Gerdauen, Gr. Hub- nicken in Samlande u. s. w. sind reich an zierlichen Formen, die wohl die Fluthen längst ausgetrockneter Landsee’'n bevölkerten. Besonders merkwürdig sind dann diejenigen lockeren Lager, welche fast aus- schliesslich aus Bacillarieen bestehen und eine hellgraue bis rein weisse Farbe zeigen. Eine derartige Bildung wurde zuerst 1836 bei Eger entdeckt und ist eine kleine Probe davon beistehend abgebildet — später fand man noch sehr zahl- reiche ähnliche Vorkommen, wie das ı3 Meter mächtige Kieselguhrlager von Ebsdorf in der Lüneburger Haide, ähnliche Lager bei Santa Fiora in Toskana, die Bergmehle von Lillhagshyön und Degernfors in Finnland u. s. w. Es bleibt hier zu erklären, wodurch diese mächtigen, jetzt vielfach zur Dynamitfabrikation be- nutzten Massen so ausserordentlich rein blieben. Ausser den leeren Hüllen der ST ar ir Be a RER ea ee BT > a Em AL har r AT k an eu Y y .” x EN ER NT TEE RE SR OR RT VICE SER STAND CORSO Mi . ; ENGEN? + Ka € Rt wur 408 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). Bacillariaceen sind meistens nur noch die Nadeln von Süsswasserschwämmen und die ebenfalls kieseligen Reste mancher höheren Pflanzen vorhanden. Bei den rein weissen oberen Schichten des Ebsdorfer Lagers haben jedenfalls durch- sickernde Wasser alles Organische vollständig zerstört;!) die tieferen Schichten des genannten Lagers sind viel unreiner, auch grau gefärbt. Es scheint sich hier übrigens nicht um eine auf dem Grunde eines Wasserbeckens entstandene Schicht, sondern um das Produkt einer grossen Quelle zu handeln, welche nur eben die Oberfläche nass erhielt — durch solches Verhalten wird auch die Ab wesenheit von Sand erklärlich, der unter dem Lager vorhanden ist, aber nie vom Grunde her aufgewühlt wurde. Die bisher erwähnten Ablagerungen gehören der allerjüngsten geologischen Formation an — ja im Berliner und Königsberger Lager finden wir, wo dieselben FEN] nn Nut iS Il Br Se Vera cto ul, (B. 245.) Fig. 2. Tripelgestein von Richmond in Virginien in 300facher Vergrösserung. 1 Cosd- nodiscus Gigas EHRBG. 2 Actinoptychus biternarius EHRBG. 3 Anlacodiscus sp. 4 5 Paralia marina Hei. 6 Actinocychus sp. 7 8 Grammatophora sp. 9 Navicula gemina &. 5. 10 Pleurosigma sp. ı1 Hemiaulus sp. genügend zu Tage treten, um Luft und Licht ungehinderten Zutritt zu gestatten, noch lebende Formen. Aber auch ältere Schichten zeigen analoge Bildungen. So erwies sich als sehr reich an Bacillariaceen der dem Diluvium zugehörige !) Vergl. EirEnBERG im Journ. f. pract. Chemie. 1843. pag. 54. a een Je a RT cr TE en ET ET a I EE a Er A TE RG “ BARE BE AR er Ba EN hr s ? Sr: 2 j ı. Das Vorkommen und äussere Ansehen der Bacillariaceen. 409 Kalkmergel von Domblitten bei Zinten und aus der Tertiärformation haben wir in den Polirschiefern von Bilin in Böhmen und vom Habichtswalde bei Cassel geschichtete, weiche Gesteine, die fast ganz aus Bacillariaceen sich aufbauten. Auch im Bernstein, dem Harze untergegangener Nadelholzwaldungen der Tertiär- zeit sind einige Formen gefunden worden, die vor Jahrtausenden zufällig von dem noch weichen Harz überfluthet und umschlossen wurden. Aus derselben Periode stammen dann zahlreiche Meeresbildungen, welche uns massenhafte Bacillariaceen theils fast rein, theils untermischt mit den Kalk- schalen der Polythalamien und den Kieselschalen der Radiolarien zeigen. Ruht doch die Stadt Richmond in Virginien auf einem solchen mächtigen Tripelgestein, welches fast ausschliesslich aus Bacillariaceenschalen besteht. Weitere Beispiele bieten uns zahlreiche Mergelgesteine von den Küsten des Mittelmeeres, von welchen namentlich dasjenige von Caltanisetta in Sicilien bereits lange bekannt ist, und der Tripelfels von Oran in Algier. In der zunächst vorhergehenden geologischen Formation, in der Kreide, sind die Bacillariaceen selten, doch kommen sie immerhin in einigen ihren jüngeren Schichten zugehörigen Bildungen vor. In der Schreibkreide sucht man vergebens danach und auch alle Angaben, welche sich auf noch ältere Perioden, namentlich auf die Steinkohlenzeit beziehen, haben sich als irrig erwiesen. Wie es scheint, sind erst in dem Meere, dessen Absätze die Kreide bildeten, die ersten marinen Bacillariaceen und in der Tertiärzeit die ersten Süsswasserformen aufgetreten. Die Zahl der Bacillariaceen, welche in unseren Mergeln und Kieselguhren begraben sind, entzieht sich jeder Darstellung. Ein neuerer Beobachter!) be- rechnet, dass durchschnittlich 8000 Stück zur Füllung eines Cubikmillimeters erforderlich sind, von den kleinsten Arten aber würden 4o Millionen auf denselben Rauminhalt gehen. SCHUMANN?) findet, dass in einem Kubikfuss 3000000000000 — drei Billionen — Bacillariaceen Platz haben; da nun allein das Königsberger Lager nach Abrechnung aller Beimischungen einer reinen Bacillarienschicht von etwa einer Quadratmeile Ausdehnung und einem Fuss Dicke, also einem Raum- inhalt von 576 Millionen Cubikfuss entspricht, so würden allein in ihm 576000000 > 3000000000000 Bacillariaceenhüllen vorhanden sein — es lohnt nicht die Zahl auszusprechen, da sie doch unser Fassungsvermögen übersteigt. Die in Rede stehenden Formen bieten übrigens auch der Geologie insofern ein Hülfsmittel dar, als die echten Meeresformen niemals im Süsswasser vor- kommen und umgekehrt. Es genügt ‘also die Auffindung einiger Bacillariaceen- schalen in einem Gestein, um dessen marinen oder nicht marinen Ursprung mit grosser Sicherheit festzustellen. Nach dieser allgemeinen Orientirung über das Vorkommen und die Be- deutung der hier zu besprechenden Pflänzchen wenden wir uns nun diesen selbst genauer zu. I) Brun, Les Diatomees des Alpes et du Jura. 1879. 2) Wanderungen durch Altpreussen. pag. 186. f Ba Ns Ye and Ba a a ha 410 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). I. Bau der Bacillariaceen. Wir können hier die Darstellung danach gliedern, dass einmal der weiche lebendige Leib der Zelle, andererseits deren feste Membran in ihrem Bau zu schildern ist. Da der erstere entschieden das primäre, wichtigere ist, insofern derselbe seinerseits erst die Zellhaut durch Ausscheidung bildet, so erscheint es auf den ersten Blick selbstverständlich, ihn zuerst zu betrachten und erst später die feste Mem- bran zu beschreiben. Hätten wir es bei den Bacillariaceen mit so einfachen kuge- ligen oder cylindrischen Zellformen zu thun, wie sie sonst im Pflanzenreich sich finden, so wäre diese Reihenfolge auch die richtige — bei den complicirten Ge- staltverhältnissen aber, wie sie thatsächlich hier vorliegen, ist es nöthig vor Allem die durch die Membran bedingte starre Gesammtform der Zellen genauer kennen zu lernen und gilt dies um so mehr, als auch die Lage der weichen Inhalts- körper sich nicht ohne fortwährende Bezugnahme auf die äussere Gestalt der Zelle beschreiben lässt. ı. Die Zellhaut. Man hat vielfach irrthümlich die Membran der Bacilla- riaceen als einen blossen Kieselpanzer aufgefasst — schon der Umstand jedoch, dass dieselbe sich beim Erhitzen bräunt und erst bei weiterer Einwirkung der hohen Temperatur wieder farblos wird, beweist, dass die Grundlage der Membran, wie bei allen Zellhäuten, eine organische Substanz ist. Auch kann man durch Flusssäure den Kieselgehalt entfernen und behält dann die organische Grundlage als zarte biegsame Haut übrig. Diese letztere besteht ihrer Substanz nach aus einer Modification der Cellulose, welche mit Jod auch bei Einwirkung quellungs- erregender Körper, wie Schwefelsäure u. s. w., sowie nach vorgängiger Behandlung mit Kalilauge oder Salpetersäure und chlorsaurem Kali nur braungelb, nicht blau wird — wenigstens gelang es dem Verf. nicht, die entgegengesetzte Angabe von Weıss zu bestätigen. Die Cellulose ist durchdrungen von einer nicht genauer bekannten Siliciumverbindung, welche bald in grösserer Menge vorkommt, so dass beim Glühen ein ganz starres, sehr schwer veränderliches Kieselsäureskelett übrig bleibt, bald nur in geringer Quantität vorhanden ist, so dass die Zellhaut leicht beim Glühen sich biegt und bis zur Unkenntlichkeit verändert wird — namentlich Ahizosolenia, Amphitropis paludosa, Podosira zeigen das letztere Ver- halten, welches wol nur zum Theil sich aus der sehr geringen Dicke ihrer Mem- branen erklärt; auch deren Gehalt an Alkalien wird in dieser Hinsicht nicht ohne Bedeutung sein. Dass die Kieselsäure, welche beim Glühen zurückbleibt, als solche in der Membran enthalten sei, ist durchaus nicht erwiesen und bedürfen diese Verhältnisse noch eingehenderer Untersuchung. Jedenfalls aber ist die Kieselverbindung nicht in einzelnen gröberen Partikeln eingelagert; dieselbe durchdringt vielmehr die ganze Substanz der Zellwand. Ferner bleibt noch hervorzuheben, dass die nach dem Glühen übrig bleibenden Kieselskelette ihrem Verhalten gegen Reagentien und ihren physikalischen Eigenschaften nach aus der leichter angreifbaren, amorphen Modification der Kieselsäure bestehen: der Brechungsexponent wurde durch Beobachtung des optischen Verschwindens der Skelette in verschiedenen flüssigen Medien zu 1,434 bestimmt,!) was ungefähr mit dem (amorphen) Hyaliın übereinstimmt, während der (krystallinische) Quarz 1,55 zeigt. In der allgemeinen Gestaltung der Zellhaut der Bacillariaceen ist der bei !) STErHENSoN, Monthly microsc. Journ. X. pag. 2, i h dı , 2 Gi, 2028 I. Bau der Bacillariaceen. 4ı1ı Weitem hervorragendste und merkwürdigste Zug ihre Zusammensetzung aus zwei getrennten und in einander verschiebbaren Stücken. Weder bei den nächst- verwandten Algengruppen, noch bei den niederen Thieren finden wir dasselbe Verhalten wieder, so dass diese Eigenschaft ganz besonders ein Kennzeichen der Bacillariaceen ist. Erst 1858 wurde diese Zweischaligkeit der Membran von WAarLıcH!) entdeckt und 1871 von dem Verf.?) dieser Zeilen ausführlich nach- gewiesen und hat es nicht an weiteren bestätigenden Beobachtungen gefehlt. Setzt man zu frischen Bacillariaceen Kalilauge, so kann man oft sehen, wie der quellende Inhalt die beiden Zellhauthälften von einander treibt, so dass sie unter den Augen des Beobachters sich aus einander schieben und trennen. Wir wollen diese Verhältnisse hier spezieller an einer sehr gewöhnlichen Bacillariacee, an Zinnularia viridis EHRBG. erörtern. Dieselbe erscheint unter dem Mikroskop entweder als eine langgezogene Ellipse, die zum grössten Theil mit zierlichen Querstreifen bedeckt ist: in diesem Falle (Schalenansicht, Nebenseite der älteren Autoren) sehen wir eine der beiden Schalen (Fig. 3 2); oder wir sehen sie als ein Rechteck mit etwas abgerundeten Ecken (Gürtelansicht, Hauptseite der älteren Schrift- steller):; dann wendet uns die Zelle eine ihrer Gürtelbandseiten zu (Fig. 3 ı). Nur in der letzteren Lage zeigt dieselbe ihre Zusammensetzung aus zwei Stücken. Es liegt dann rechts und links, senkrecht zur Ebene des Papiers der Abbildung je eine Schale, deren zierliche Streifen ja auch am Rande der Fig. 3 ı sichtbar sind. An diese beiden Schalen setzen sich an zwei dünne, zur Schalenfläche etwa senkrecht stehende Gürtelbänder, die im grössten Theil ihres Verlaufs der Ebene des Papiers parallel liegen, an den Zellenden aber gebogen fast senkrecht dazu stehen. Hier sieht man denn auch, wie das eine Gürtelband, in unserer Abbildung Fig. 3 ı das rechte, über das andere übergreift, und es wird gleich- zeitig die Bedeutung der beiden zarten Linien klar, welche von der äussersten Be- uns der Gürtelba Deer jr = ee Pinnularia viridis EHRBG. I Gürtelansicht, gebogen beginnend in ihrer grössten Länge , Schalenansicht, A und Z die beiden nicht gerade über die Zelle hinlaufen: dieselben ganz gleichen Schalenhälften, r Riefen. sind die Ränder der in einander geschachtel- Der inhalt ten Gürtelbänder. Wir können überhaupt die ganze Zellhaut am besten mit einer gewöhnlichen, länglichen Pappschachtel vergleichen, deren ebene schmal elliptische Flächen den Schalen, deren gebogene über einander verschiebbaren Ringe den DZ AETZRERSHRTSTE SR IGTE TONER NERUTE RRRRDEHANE BONS RAR Annan (B. 246.) D) On Triceratium. Quart. Journ. of microsc. Science 1858. pag. 243. On the develop- ment and structure of the Diatom-Valve. Transact. of the microsc. Society. 1860. pag. 129. 2) Untersuchungen über Bau und Entwicklung der Bacillariaceen. Mit 6 Farbendrucktafeln. Bot. Abhandl. herausg. von HAnsTtein. I. Heft 2. 1871. a 412 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). Gürtelbändern entsprechen. Es giebt ja auch eine derartige Schachtel zwei ver- schiedener Ansichten, je nachdem wir sie auf eine ebene Fläche stellen oder auf den ringförmigen Theil legen: nur im letzteren Fall ist bei Betrachtung von oben das Uebereinandergreifen der beiden Hälften sichtbar. Zur Verdeutlichung des ganzen Verhaltens kann vielleicht noch der beistehende schematische Querschnitt derselben Zinnularia beitragen, wenn wir von den mit dargestellten Inhaltsbestandtheilen absehen. S. ist die rechte, S; die linke Schale von Fig. 3 ı, während g. das übergreifende, g; das eingeschobene Gürtelband bezeichnet. Beide Abbildungen zeigen gleichzeitig, wie die Schalen und Gürtelbänder ver- bunden sind — die letzteren schieben sich etwas unter die ersteren und sind sehr fest mit ihnen ver- bunden, während, wie bemerkt, beide Gürtelbänder gegen einander leicht verschiebbar sind. (B. 247.) ie 4, Die allermeisten Gattungen der Bacillariaceen Pirmularia viridis Erirc. Schema- „eigen den oben beschriebenen Bau lediglich mit tischer Querschnitt eines lebenden i Ä ? Exemplars mit Zellinhalt. Sa und den Modificationen, welche der wechselnde Umriss Si die beiden Schalen, ga das zur der Schalen bedingt. Die letzteren sind kreisrund SER a ns (Actinocyclus, Coscinodiscus Fig. 2 ı 6), elliptisch, verbundene umschlossene Gürtel- lanzettförmig oder rhombisch (WVavicula), Sförmig band, r Riefe, pp Protoplasma, /Pfeurosigma Fig. 2 10), biscuitförmig (NV. gemina ep Endochromplatten. 2 . : : Fig. 2 9), ganz langgezogen lineal mit rundlichen oder spitz vorgezogenen Enden (Synedra), dreieckig (Triceratium), viereckig (Amphitetras) u. s. w. In allen diesen Fällen varıırt nur die Schalenansicht, die Gürtelbandansicht bleibt ein Rechteck mit abgerundeten Ecken, dessen lange Seiten bald eben, bald auch, wenn nämlich die Schalen etwas ge- wölbt sind, schwach convex erscheinen. Nicht selten steigert sich dann die Krümmung der Schalen bis zur Glockenform (Zaralia marina Fig. 2 4 5), so dass die Gürtelansicht beinahe kreisförmig wird. Bisweilen zeigt die Schale auch mehrfache Krümmungen; so sind bei Actinoptychus (Fig. 2 2) drei Felder nach aussen, drei damit abwechselnde Felder nach innen convex, was natürlich auch in der Gürtelansicht erkennbar wird, während bei Cymatopleura die Schalen nach ihrem längsten Durchmesser mehrmals wellig hin und her gebogen sind, was man ebenfalls am deutlichsten in der Gürtelansicht wahrnimmt. Gradezu höckerig sind dann die elliptischen, stark gewölbten Schalen von Biddulphia, Hemiaulus (Fig. 2 ı2): namentlich die Schalenenden erscheinen dann in der Gürtel- ansicht weit vorgezogen, und kommen wir auf den Bau solcher Fortsätze weiter unten zurück. Durch meistens schmal eiförmige Schalen und eine keilförmige Gürtelband- ansicht ausgezeichnet sind dann Gomphonema, Licmophora, Meridion, Podosphenia, und Suriraya. Bei letzterer Gattung (vergl. Fig. 5) sind die Gürtelbänder nur in einer Ebene gekrümmt, sie erscheinen in der Mittelansicht der Zelle gerade, setzen sich aber unter spitzem, beziehungsweise stumpfem Winkel an die Schalen an — bei den Gomphonemeen haben die Gürtelbänder bisweilen auch doppelte Krümmung, sodass die Gürtelansicht namentlich nach oben eine bogige Be- grenzung zeigt. Immerhin bleibt der Querschnitt der Zelle auch hier, wie bei Suriraya, abgesehen von der Wölbung der Schale rechteckig. Rhombisch ist der- selbe bei Nitzschia: denken wir uns hier die Zelle auf einer Schale stehend von Lr% En A a TE ar ET Sg age EB Ra A ee ne ST BEE Dis II. Bau der Bacıllariaceen. 413 oben her betrachtet, so decken sich die beiden Schalen nicht, sondern dieselben sind seitlich gegen einander verschoben; beide Gürtelbandseiten setzen sich schief- winkelig und unter einander parallel den Schalen an. Ein Trapez stellt dann ferner den Querschnitt der Zelle dar bei den Cymbelleen, deren nach ihrer Längslinie unsymmetrische Schalen nicht parallel sind, wodurch die Gürtelband- seiten ganz ungleiche Breite erhalten: die Gesammtform der Zelle lässt sich hier mit einem der leicht ablösbaren Stücke einer Apfelsine vergleichen, wobei die etwas breiter zu denkende nach innen gewandte Kante der schmalen, die der gelben Schale zugekehrte der breiten Gürtelbandseite, jede der ebenen Flächen einer Schale entsprechen würde. Denken wir uns die letzteren dann noch nach aussen convex gekrümmt, so gelangen wir zu dem Bilde, wie es z. B. viele Amphora- und Zpithemia-Arten darbieten. Endlich sind bisweilen die Schalen auch in ihrer Querlinie oder Längslinie gewissermassen eingeknickt; im ersteren Falle erscheint dann auch die Gürtelbandansicht gebrochen rechteckig, (Achnanthes) oder gebrochen keilförmig (RAoicosphenia), im ersteren (Cocconeis) decken die verschiedenen Einstellungen derselben unter dem Mikroskop ein- ander nicht. So sehr durch die bisher erwähnten Abänderungen des einfachsten, durch Pinnularia vepräsentirten Typus die Gestalten der Bacillariaceen variiren, so ist damit doch noch lange nicht der Gegenstand erschöpft. Einmal wurde, um die Darstellung nicht zu sehr zu compliciren, abgesehen von den mannigfaltigen Flügeln und Kielen, welche die Zelle bei vielen Gattungen (Swriraya, Amphiprora, Plagiotropis) bildet, und zweitens bleiben nicht alle Bacilla- rıaceen bei der Bildung zweier Schalen stehen, sondern es fächern viele Gattungen den Innenraum der Zelle durch unvollständige, den Schalen parallele und ihnen auch am ersten vergleichbare »Innenschalen«, durch deren Oeff- nungen aber die plasmatischen Substanzen des ganzen Zellleibs im Zusammen- hang bleiben. Diese unvollkommen gefächerten Formen (Licmophoreen, Ta- bellarieen, manche Epithemien) haben oft einen sehr verwickelten Bau.!) Viel- leicht am leichtesten ist noch Grammatophora zu beschreiben. Die Schalenan sicht (Fig. 2 8) zeigt hier eine langgezogene Ellipse, in welche bei etwas tieferer Einstellung concentrisch eine viel kleinere Ellipse so eingelagert ist, dass sich die Längsränder beider decken. Die Gürtelansicht (Fig. 2 7) zeigt dagegen ein Rechteck mit vier seinen langen Kanten paralellen dicken mehr oder weniger gebogenen Strichen, welche sich paarweise gegenüber liegen, einander aber nicht erreichen. Es verlaufen hier parallel den eigentlichen Schalen zwei in der Mitte elliptisch durchbrochene Innenschalen, deren Oeffnungen in der Schalenansicht als kleine eingelagerte Ellipsen sichtbar werden, während in der Gürtelansicht ihre soliden Theile sich als dunkle Striche projiciren, die in der Mitte der Zelle, wo die Innenschale durchbrochen ist, plötzlich authören. Bei manchen Grammatophoren sind die Innenschalen nur einmal, bei anderen (Gr. serpentina) mehrmals wellenartig gebogen, was in der Gürtelansicht am deut- lichsten wird. Bei Ahabdonema, Tabeilaria flocculosa u. a. hat jede Zelle zahl- reiche durchbrochene Innenschalen und erscheinen dann dem entsprechend in der Gürtelansicht viele den Schalen parallele mehr oder minder deutlich unter- brochene Streifen als Grenzen der zahlreichen, in der Mitte zusammenhängenden D) Vergl. MÜLLER in Sitzungsber. d. Berlin. Gesellsch. naturf. Freunde. 1872. pag. 69. 1874. pag. II5. 1881. pag. I. 414 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). Kammern. Hier scheint auch zu jeder Innenschale 'ein Stück Gürtelband zu gehören, worauf wir unten bei der Zelltheilung zurückkommen. Nachdem im Vorstehenden die allgemeinsten Züge des so eigenthümlichen Baues der Zellhaut der Bacillariaceen entwickelt worden sind, erübrigt nun noch die Darstellung der mannigfaltigen Sculpturen, welche durch die Regelmässigkeit ihrer Form und Anordnung namentlich dem Studium der in Rede stehenden Gruppe so viele Freunde unter den Nicht-Botanikern erworben haben. Wir wollen dabei zunächst die Schalen, später die Gürtelbänder besprechen und an ersteren wieder unterscheiden die wirklichen Durchbrechungen, Oeffnungen der Membran einer- seits und die durch Vertiefungen und Erhöhungen, überhaupt ungleiche Dicke ver- schiedener Membranstellen hervorgebrachten Structur andererseits. Um für die Spalten, welche die Zellhaut mancher Bacillariaceen durchsetzen ein einfaches Beispiel voranzustellen, kehren wir zu der pag. 411, Fig. 3 2, gege- benen Schalenansicht von /innularia zurück. Zwischen den drei fast kreisförmigen »Knoten«, welche stark verdickten, nach innen vorspringenden Stellen der Membran entsprechen, verlaufen zwei regelmässig gebogene, schmal beginnende und en- digende, in der Mitte breitere Linien, welche zwei die Zellmembran durchsetzende Spalten darstellen. Wo dieselben annähernd senkrecht die Zellhaut durchschnei- den, erscheinen sie als einfache schmale Linien. Die Verbreiterung entsteht da- durch, dass die Spalte entweder unter spitzem Winkel die Membran durchsetzt, oder aber ausserdem noch einmal gebrochen ist; der letztere Fall ist in dem schematischen Querschnitt von Zinnwlaria (Fig. 4) dargestellt; die Spalte liegt dicht bei den Buchstaben S, und S;. Es ist übrigens kaum möglich, selbst an wirklichen Querschnitten zu entscheiden, ob nicht vielleicht der Spalt innen oder aussen durch eine äusserst feine Membran geschlossen ist — aber die später zu erörternden Bewegungen, welche längs der Spalten stattfinden, sprechen sehr entschieden für das Vorhandensein einer wirklichen Oeffnung, durch welche das Protoplasma in ähnlicher Weise in’s Freie tritt, wie etwa die Wimpern der Volvocinen. Aehnliche Längsspalten finden wir bei allen Naviculeen, Cymbelleen, Achnantheen und Gomphonemeen, und liegen die ziemlich geraden Spalten hier überall annähernd in der Mittellinie der länglichen Schalen — ganz gegen den Rand derselben hin verschoben erscheinen sie schon bei einigen wenigen Cymbelleen, namentlich aber bei Amphora. Wo der mittlere Theil der Schalen zu einem hervorragenden dünnen geraden oder Sförmigen Kiel ausgebildet ist (Plagiotropideen, Amphitropideen), scheint an dessen Rande auch eine Längs- spalte vorhanden zu sein, doch bleibt dies noch genauer zu untersuchen. Bei den Surirayen hat jede Schale zwei dem Schalenrande genäherte und ihm parallel verlaufende Kiele von zierlichster Bildung, deren Rand wohl gleichfalls geöffnet ist. Wir müssen uns dabei die U förmigen Stellen als solide Membranstücke denken, welche durch Vereinigung zweier anfangs getrennter Lamellen entstanden sind. Sowohl der Rand des Kiels als die ziemlich geraden Stäbe, welche je zwei Uförmige Stellen trennen, sind dagegen hohle Röhren, in welche das Plasma und z. Th. auch die Endochromplatten der Zelle eintreten. Die Mittellinie der. Schalen, welche bei der Fig. 5 dargestellten Art (Suriraya calcarata Pr.) in einen spitzen Dorn vorgezogen ist, ist in keiner Weise durchbrochen. Auch bei den Nitzschieen müssen wohl feine Längsspalten die Schalen durchsetzen, doch ist deren Lage noch nicht mit Sicherheit festgestellt. In anderer Weise zeigt die Membran der Zelle Oeffnungen bei den Bacilla- riaceen mit kreisrunden, eckigen, überhaupt centrisch entwickelten Schalen. Es bilden I. Bau der Bacillariaceen. 415 sich hier namentlich an den Ecken /(Triceratium), oder in regelmässiger Ver- theilung am Rande der kreisrunden Schalen (Zupodiscus, Awlacodiscus, Actino- ptychus, u. s. w. vergl. Fig. 2, 2 3 6) cylindrische oder kegelförmige Fortsätze, deren Enden bald mit einem, bald mit mehreren kleinen Löchern durchbohrt zu sein scheinen.!) Fraglich ist, ob die rundlichen Fortsätze an den Ecken der Biddulphien, mit welchen die Zellen oft kettenartig zusammenhängen, in dieselbe Kategorie gehören. Bei 2. aurita erreichen dieselben schon fast den Durchmesser der ganzen Gürtel- ansicht und noch viel länger werden sie bei Chaeloceras, wo alle vier Ecken der Zelle in dünne glatte oder mit kurzem nach aussen vorspringenden Zähnen besetzte Röhren ausgezogen sind, die wol zwanzigmal so lang werden, als die ganze übrige Zelle. Ob hier auch Durchbohrung der Enden stattfindet, oder ob diese Fortsätze bei Biddulphia nur zurGallertausscheidung, bei Chaetoceras aber dazu dienen den Zellen das Schwimmen auf der Meeres. oberfläche zu erleichtern, bleibt noch zu entscheiden. Bei den Biddulphien u. s. w. finden sich ausser den an den Pig. 5. (B. 248.) ZelleckenvorhandenenFortsätzennoch uriraya calarata Pr. Die beiden rechts und Be 2 2 . links hervorragenden Spitzen entsprechen den einige sehr dünne Röhren, die gruppen- H n. ö k i Dornen auf der Mittellinie der Schalen — der weise von der Schalenmitte entspringen Deutlichkeit halber ist jederseits nur ein Kiel (vergl. Fig. 2 ı1). Nach oben laufen gezeichnet. Vergl. auch Fig. 11. diese Dornen in ein kurzes Tförmiges Endstück aus, in welchem Durchbrechungen vorhanden sein sollen. Die Melosireen, Licmophoreen, Tabellarieen, Meridieen und Eunotieenscheinen, abgesehen von der Verschiebbarkeit der Gürtelbänder, ganz geschlossene Mem- branen zu besitzen. Hinsichtlich der auf ungleicher Dicke der Membran beruhenden Riefen u. s. w. können wir trennen einmal die auf grösseren Flächen ziemlich gleichförmig ver- theilten Zeichnungen, wie sie namentlich bei den centrischen Formen (Coscinodiscus (Fig. 2, 1), Zriceratium u. s. w.), aber auch z. B. bei Zleurosigma sich finden, und andererseits die symmetrisch gestellten einzelnen Streifen und Punktreihen, wie wir sie bei NMavicula (Fig. 2, 9), Zinnularia, Cymbella u. s. w. sehen. Da die ersteren Structuren in den grössten Dimensionen vorkommen, also auch am leichtesten zu erforschen sind, wollen wir sie hier voranstellen. Besonders eingehend untersucht wurde 7riceratium Favus EHRBG. von MÜLLER?) und können wir diese Art als Typus einer grossen Reihe namentlich meeresbe- wohnender Formen betrachten. Die Schalenansicht der genannten Art ist ein D) MÜLLER in REICHERT’s und Du Boıs-REvMoNnD’s Archiv. 187I, pag. 633. 2) Sitzungsber. d. Berliner Gesellsch. naturforsch, Freunde. 1871. pag. 74; REICHERT’s und DU Boıis-REyMonD’s Archiv. 1871, pag. 619. SCHENß, Handbuch Jer Botanik, Bd. II, 27 416 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). gleichseitiges Dreieck mit etwas abgerundeten Ecken, deren jede einen der eben beschriebenen hornähnlichen Fortsätze trägt. Die ganze Oberfläche der Schale zeigt eine äusserst regelmässige sechseckige Felderung, wie wir sie etwa bei den Bienenwaben zu sehen gewohnt sind. Ausserdem sind die Felder selbst mit sehr feinen in Reihen angeordneten Punkten bedeckt, die namentlich bei- tiefer Ein- stellung auf die mit ihrer Aussenfläche nach oben liegende Schale deutlich werden. Hebt man dagegen den Tubus des Mikroskops in die höchste Lage, welche über- haupt ein klares Bild der Schale gewährt, so erscheinen an Stelle der Sechsecke kreisförmige Figuren, deren jede mit je einem Sechsecke concentrisch ist. Die thatsächlich vorhandenen Verhältnisse sind folgende. Die eigentliche Begrenzung des plasmatischen Zellleibes nach aussen bildet eine continuirliche Membran, welche die eben erwähnten Punktreihen trägt. Dieselben divergiren vom Centrum der ganzen Schale nach deren Rande hin, worin sich der centrische Bau der ganzen Zellhaut ausspricht. In dem beistehend (Fig. 6) dargestellten Bruchstück ist diese continuirliche Membran mit a be- zeichnet und wäre die Mitte der ganzen Schale nach oben, deren Rand nach un- ten hin zu denken. Nach aussen ist nun aufgesetzt ein System hoher schmaler Lei- sten (b), welche die Fig. 6. Schale in sechseckige Felder theilen und (B. 249.) Bruchstück von Triceratium Favus EHRBG. in 1200facher Vergr. a die continuirliche Zellhaut, b ein nach aussen vorragendes Leistensystem, senkrecht zu derMem- c demselben an den Ecken aufgesetzte Spitzen, d horizontal über-- bran a stehen. Wo je cc d ä . . “ ” ragende Ränder drei dieser Leisten zusammenstossen, ist dann noch ein kleiner spitzer Dorn (c) aufgesetzt, der in Fig. 6 in Verticalprojection als kleiner Kreis, in Fig. 7 in Seitenansicht erscheint. Die die Felder umschliessenden Leisten sind von ziemlich gleicher Höhe: ihre obere Begrenzungsebene ist der Membran a parallel. In dieser Ebene setzen sich dann den Leisten senkrecht an schmale seitliche Ausbreitungen (d), welche an den Ecken der Sechsecke ihre grösste Ausdehnung erreichen und das von den Leisten b gebildete sechsseitige Prisma theilweise überdachen — in dessen Mitte bleibt ein kreisrundes Loch offen, durch welches das Meerwasser frei in den Innenraum des sechsseitigen Prismas eintreten kann: so erklären sich die bei hoher Einstellung erscheinenden Kreise. Namentlich die Abbildung Fig. 7, welche den Rand einer Schale perspectivisch darstellt, wird diese Verhältnisse anschaulich machen — es kommt daselbst noch hinzu ein Flügelrand der Schale, welcher nach innen geneigt dieselbe überragt und aus einer zarten, am Rande vielbogig begrenzten und anscheinend von runden Löchern durchbohrten Membranfortsatz besteht, der jedoch vielleicht den Kielen der Surirayen analog gebaut ist. Alles in Allem hätten wir somit bei Zriceratium einen verwickelten Fall centrifugaler Wandverdickung — wir müssen uns denken, dass bei der Bildung der Schalen zuerst die Membran a vom Protoplasma ausgeschieden wird, dass dann sich auf ihr nach aussen ein anfangs niedriges, dann immer höher werden- N er II. Bau der Bacillariaceen. 417 des Netz von Leisten erhebt, die endlich durch einen letzten Wachsthumsact die Dornen c und die vorspringenden Ränder d anlegen. Ganz analog ist der Bau der zierlich gefelderten kreisrunden Schalen von Coscinodiscus u. Ss. W., wie sie namentlich im Meere so reichlich vorkommen. So zeigt auch der Fig. 2, ı dargestellte Coscinodiscus Gigas regelmässige sechseckige Felder, welche dem Leistensystem entsprechen, und bei hoher Einstellung in jedem Feld einen kleinen Kreis, die Oeffinung zwischen den tibergreifenden Rändern. Besonders deutlich wird diese Structur an dem nach dem Gürtelband hin umge- bogenen Schalenrand, wo jede Leiste mit dem ihr ansitzenden Rande wie ein T er- scheint, während die Lücken zwischen je zwei solchen T den kreisrunden Löchern der Schalenansicht entsprechen. Die Variationen dieses weit verbreiteten Baues beschränken sich auf die grössere und geringere Dicke und Höhe der aufgesetzten Leisten, die mehr sechseckige, oder auch stumpffünf- und vier- eckige (Arachnoidiscus) Form der Felder und die stärkere oder schwächere Ausbildung der die letzteren theilweise überdachenden, Axcososezele von den Leisten ausgehenden Ränder. == Ausserdem ist die Anordnung der Felder verschieden — bald erscheinen sie (Fig. 2, ı) deutlich radial an einander gereiht, wobei natürlich ihre Grösse vom Centrum nach dem Rande der Schale zunimmt und schön Fig. 7. (B. 250.) geschwungene vom ersteren ausgehende Stück des Schalenrandes vom Trxeratium Bogenlinien entstehen, bald sind sie so Z@”“s Etrss. Bezeichnung wie in Fig. 6. gleichmässig sechseckig, dass sie drei sich unter 60° schneidende Reihensysteme bilden (C. Zineatus EHREG.). Namentlich diese letzteren Formen vermitteln den Uebergang zu den als mikroskopische Probeobjecte so vielfach angewandten ZZewrosigma-Arten mit drei Riefensystemen, wie Z. angulatum W. Sm., P. decorum W. Sm. u. A. (vergl. Fig. 2, 10). Schwächere Vergrösserungeu zeigen hier, je nach der Stellung des Spiegels, ent- weder feine, die längliche Sförmige Schale rechtwinklig durchschneidende Quer- streifen oder zwei Systeme paralleler feiner Linien, die einander unter 60° schneiden und um ebensoviel gegen das (Querstreifensystem geneigt sind. Stärkere Objectivsysteme lösen dann diese Zeichnung in lauter kleine regel- mässige Sechsecke auf, welche je zwei Seiten dem längsten Durchmesser der Schale annähernd parallel stellen und je eine Ecke nach den beiden Schalen- enden richten. Diese Zeichnung ist übrigens viel regelmässiger, als ihre Dar- stellung in umstehendem Holzschnitt (Fig. 8). Die vorhin erwähnten sich schneiden- den Linien sind somit nicht gerade, sondern in ganz kurzen, der Länge einer Sechseckseite entsprechenden Abständen unter 120° abwechselnd nach oben und nach unten gebrochen. Macht man dann Querschnitte durch ZVewro- sigma-Schalen, die zu diesem Zweck in Gummischleim eingebettet nach dessen Erhärtung mit letzterem durchschnitten und schliesslich zur Lösung des Gummis in Wasser gebracht werden, so sieht man nach MÜLLER der convex erscheinenden Aussenseite der Schale aufgesetzte gestielte Knöpfchen, deren seitlicher Abstand m al 418 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). einem Sechseckdurchmesser gleich ist. Der dünne Stiel der Knöpfchen ent- spricht den Leisten (b) bei 7riceratium, die Knöpfe selbst den oberen Aus- breitungen (d), die hier somit wulstige Anschwellungen der oberen Leistenränder sind. Jeder der dunklen kleinen Räume zwischen je zwei Knöpfchen ist eines der in der Fläche sichtbaren Sechsecke, dessen Innenraum durch eine ver- hältnissmässig kleine, von den wulstigen Leistenrändern umschlossene Oeffnung mit dem die lebende Zelle umgebenden Meer- wasser communicirt. Bei anderen Zleurosigma-Arten (P. atte- nuatum, P. balticum u. Ss. W.) sind nur zwei einander rechtwinklig durchschneidende Streifensysteme vorhanden. Die der Schale aufgesetzten Leisten umschliessen hier recht- eckige Felder. Wo je vier Leisten zu- sammenstossen, ist ein ziemlich dicker, nach aussen vortretender Knopf vorhanden, wäh- (B. 251.) Fig. 8. rend etwas niedrigere Sättel diese Knöpfe Pleurosigma angulatum W. Sm. Vergr. 1300. unter einander verbinden. Die Verdickung der Leistenränder ist dabei stärker in der Längsrichtung der Schale, als in der Querrichtung, was auf die Linien, in welchen die Schale zerbricht, von Einfluss ist.?) Denken wir uns dann die Leisten von Triceratium ohne Randausbreitung niedrig und ziemlich breit entwickelt, so können wir sowohl von einem flachen nach aussen vorragenden Leistensystem sprechen, als auch von regelmässig an- geordneten flachen Gruben, welche von aussen her sich in die Schale einsenken Eine solche Structur zeigen Diddulphia, Isthmia und viele kreisrunde Formen und ist derselbe Bau die Grundlage der bei so zahlreichen symmetrischen Bacil- lariaceen (Navicula, Cymbella u. s. w.) vorkommenden Querstreifen, die bei stärkerer Vergrösserung als Reihen einzelner Punkte, eben Reihen solcher Gruben erscheinen. Ausgezeichnet schöne Objecte dieser Art sind z. B. Cocconema aspe- rum EureG. und die der NVazzcula didyma verwandten Meeresformen. Aber auch die feinen, in Punktreihen auflösbaren Riefen, welche sonst so ausserordentlich verbreitet sind, dürften auf analogen Bau zurückzuführen sein. Schon in der Gruppe der eben genannten /. didyma erscheinen die in Rede stehenden Grübchen häufig am Grunde langgezogener kurzer flacher Furchen (vergl. Fig. 2, 9), Am deutlichsten finden wir solche dann entwickelt bei den Pinnularien: Die beiden feinen Querlinien jeder Furche entsprechen den Grenzen zwischen einem mittleren tieferen und zwei seitlichen flacheren Theilen — eine Vergleichung unserer Abbildungen Fig. 3 und 4 werden diese Verhält- nisse leicht deutlich machen. Ziemlich dunkel ist noch der Bau der Zupodiscus, Aulacodiscus u. S. W., welche aus zwei superponirten Platten bestehende Schalen haben sollen. Im Wesentlichen liegt aber wohl auch hier der Bau von Triceratium vor, nur sind die Oeffnungen, welche die von den senkrechten Leisten horizontal ausgehenden Ränder übrig lassen, ziemlich klein und unregelmässig begrenzt. Man kann dies Verhältniss dann in der 'T'hat so darstellen, als seien zwei Platten, eine innere continuirliche und eine äussere durchlöcherte durch ein System verticaler Leisten I) MÜLLER, a. a. O. pag. 637. II. Bau der Bacillariaceen, 419 verbunden. Alles in Allem haben wir es aber doch mit einer, wenn auch ziem- lich complicirten centrifugalen Wandverdickung zu thun. Bekanntlich ist diese letztere sonst im Pflanzenreich weniger verbreitet und beschränkt auf die freien Aussenflächen der Zellen, Pollenkörner, Sporen u. s. w., wo sie ja auch bei den Bacillariaceen auftritt. Die sonst viel häufigeren Wandver- dickungen nach innen fehlen übrigens auch hier in keiner Weise. So ragen die »Knoten«, d.h. die stark glänzenden rundlichen Stellen in der Mitte und an den Enden der Naviculeen-Schalen nach innen vor und finden wir auch häufig schmale, centripetale Leisten z. B. bei Odontidium, Meridion, Tetracyclus, wo dieselben die Schalenansicht als derbe Querstreifen durchziehen, in der Gürtelansicht als nach innen vorspringende Körner erscheinen. Ganz kleine solche Vorsprünge von geringer seitlicher Ausdehnung sind auch die sogen. Kielpunkte der Nitzschien. Bei manchen in der :Mitte eingeschnürten Vavicwla-Arten des Meeres, Achnanthes longipes, Isthmia nervosa und manchen kreisrunden Formen (Arachnoidiscus) com- biniren sich derartige Leisten mit Feldern oder Gruben, die von aussen her ein- gedrückt erscheinen, also durch nach aussen erhabene Leisten getrennt sind. Die erste Einstellung der Schale zeigt die letzteren Zeichnungen, eine etwas tiefere erst die centripetalen Leisten. Besonders tief dringen die letzteren nach innen vor bei den Epithemien, namentlich bei Z. ocellata u. s. w., wo dann jede Leiste mit einem wulstigen Rand endet, der in der Gürtelansicht als rundlicher Knopf erscheint. Auf die pag. 413 erwähnten inneren Schalen, welche ebenfalls als Produkte centripetalen Dickenwachsthums der Membran betrachtet worden sind, kommen wir noch später zurück. Mit allen den bisher besprochenen Structurverhältnissen vereinigen sich dann ferner die Zeichnungen, welche lediglich auf den Biegungen der gesammten Schalenfläche beruhen und die mannigfachen Randzeichnungen, welche dadurch entstehen, dass die Schale sich zu einem schmalen Grat erhebt, dessen beide Wandungen bald dicht an einander liegen, bald einen mit Plasma u. s. w. er- füllten Raum zwischen sich lassen, wie dies pag. 414 bei Suriraya ausgeführt wurde, und bleibt bei jeder Untersuchung einer Bacillariacee festzustellen ı. ob die Schale in einer Ebene entwickelt ist, oder ob sie Biegungen, Kiele, Flügel u. s. w. besitzt; 2. welche von diesen letzteren Bildungen mit dem Zellinhalt communieciren und welche nur Erhabenheiten der Membran sind. 3. in welcher Weise die feineren Zeichnungen auf nach aussen oder nach innen vorspringende Leisten oder sonstige Unebenheiten der Membran zurückzuführen sind. Man hat sich dabei sehr zu hüten, dass man nicht rein optische Fr- scheinungen für den Ausdruck wirklicher räumlicher Verhältnisse nehme. Man erhält z. B. bei ZZeurosigma angulatum u. s. w. sehr leicht ein feines Längs- streifensystem, welches eine reine Diffractionserscheinung ist. Man sieht ferner, wenn man eine unverletzte, leere Zellmembran von Zinnwlaria, Cymbella, Gom- phonema in Schalenansicht einstellt, sehr leicht ein feines Riefensystem, welches aber gerade zwischen den beiden Schalen liegt und auf Interferenz beruht. Die in Canadabalsam liegenden Actinocyclus zeigen prächtige bunte Farben, die nicht etwa von besonderen Farbstoffen der Membran herrühren, sondern als Beugungsfarben zu betrachten sind — ähnliche Farben sieht man auch an Pleuro- sigmen, wenn dieselben in Luft liegend seitlich beleuchtet werden, mit blossem Auge. Auch die helleren oder dunkleren Färbungen, welche diese und andere Bacillariaceen in Canadabalsam eingebettet unter dem Mikroskop wahrnehmen lassen, werden wohl vielfach aus den Farben dünner Blättchen u. s. w. zu er- 420 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). klären sein. Wir verdanken namentlich AsgE werthvolle Beiträge zur Theorie dieser mikroskopischen Trugbilder. Man kann ferner wohl fragen, welchen Nutzen die besprochenen zierlichen Wandverdickungen für die Bacillariaceen haben, und dürfte die richtige Antwort die sein, dass gerade ein solcher Bau bei geringem Verbrauch an Material ein- mal sehr feste und zweitens doch leicht durchlässige Membranen liefert. Wenn z. B. die Schalen von Triceratium (vergl. pag. 415 f.) überall so dick wären, als die Leisten b hoch sind, so würde sehr viel organische Substanz zum Aufbau nöthig sein und die von aussen aufzunehmende Nahrung hätte sehr dicke Membranlagen zu passiren. Eine dünne Membran mit einem aufgesetzten regelmässigen System von Leisten, die unter einander gewissermaassen verankert sind, wird eine er- hebliche Festigkeit haben, ohne dass die Leichtigkeit des Stoffaustausches an den dünnen Stellen beeinträchtigt wäre. Alles in Allem würden wir also die zierlichen Schalen der Bacillarien etwa mit den leichten und festen Gitterconstructionen unserer Brücken u. s. w. vergleichen können, in denen ja auch die Stäbe, ob- gleich sie nur nach mechanischen Bedürfnissen zusammengefügt wurden, eine regelmässige, sich vielfach wiederholende Anordnung zeigen. Eine besondere Besprechung verdienen dann wohl noch die oft ziemlich complicirten Symmetrieverhältnisse der Schalen. Wir können hier fragen ı. sind die letzteren symmetrisch zu einander in Bezug auf die zwischen ihnen liegende Ebene 2. ist jede einzelne Schale nach einer Längsfläche und einer Querfläche, oder nach einer von beiden, oder gar nicht symmetrisch. Sehen wir davon ab, dass nothwendig die Schale der übergreifenden Zellhaut- hälfte etwas grösser sein muss, als diejenige, die dem umschlossenen Gürtelband ansitzt und vernachlässigen wir ferner kleine unregelmässige Variationen der Structur, so sind nach der zwischen den beiden Schalen liegenden, die Zelle halbirenden Theilungsebene symmetrisch zahlreiche runde Formen, wie Coscino- discus, Melosira u. s. w., dann die meisten Naviculeen, Cymbelleen, Amphoreen, Amphipleureen, Eunotieen, Synedreen, Surirayeen, Fragilarieen, Meridieen, Ta- bellarieen, Licmophoreen und Biddulphieen. Wenn man hier von jedem Punkte der Schale eine Senkrechte auf die Theilungsebene fällt und jenseits derselben um ihre eigene Länge verlängert, so würden alle diese Endpunkte zusammen die andere Schale ergeben. Anders verhalten sich unter den runden Meeresformen z. B. die Auliscus, Aulacodiscus, bei welchen die Fortsätze der einen Schale ge- gerade in die Mitte zwischen denen der anderen Schale fallen!) und auch die Krümmungen der Schalen entsprechend ungleichförmig sind; man müsste hier die eine Schale um einen bestimmten Winkel drehen, um die andere als Pro- jection zu erhalten. Bei den Pinnularien (vergl. pag. 411) ist jede Schale etwas asymmetrisch nach ihrer Längslinie, der Mittelknoten ist einseitig verschoben (in Fig. 4 nach Z hin) und auch die Riefen sind in A und Z nicht gleich. Liegt nun bei der dem Beobachter zugewandten Schale A links, so liegt es bei der ihm abgewandten rechts, so dass wieder beide Schalen gegen die Theilungsebene nicht symmetrisch sind. Bei den Nitzschien erhält man die entgegengesetzte Schale nicht durch senkrechte, sondern durch den schief ansitzenden Gürtel- bändern parallele schiefe Projection auf die Theilungsebene und liegen dabei die Kielpunkte bald bei beiden Schalen auf derselben Seite, bald diagonal. Während die Amphiproren mit geradem Kiel, wie A. constricta, streng symmetrisch ) Schmidt, Atlas der Diatomaceenkunde, Taf. 31, 41. I. Bau der Bacillariaceen. 421 sind, haben die Sförmig gebogenen Flügel oder Kiele der meisten Amphitropi- deen und Plagiotropideen entgegengesetzte Krümmung (S und 2), so dass sie sich nur im Mittelpunkt und in den Endpunkten auf einander projiciren. Bei Scoliopleura zeigen die Sförmigen Mittellinien dasselbe Verhalten. Ausserdem aber sind die Gürtelbänder Sförmig gewunden, wodurch sich die Symmetriever- hältnisse weiter compliciren. Jede Schale ist der anderen gleich, aber um 180° gegen sie gedreht. Aehnliche Sförmige Drehungen der Gürtelbänder zeigt auch Suriraya spiralis. In diesen Fällen muss man eine den Schalen parallel gebogene Symmetriefläche annehmen, um durch Projection der einen die andere zu be- kommen. Ebenfalls eine gebogene Symmetriefläche haben dann Campvlodiscus, wo die Schale sattelförmig in zwei Ebenen gekrümmt ist, ferner die Actinoptychus- Arten, deren Schale eine paarige Anzahl abwechselnd convexer und concaver Sectoren zeigt, die so zu einander liegen, dass, wo die eine Schale convex ist, die andere concave Wölbung zeigt, endlich die Achnantheen und Cocconeideen: bei den ersteren ist die Symmetriefläche nach dem Querdurchmesser, bei den letzteren nach dem Längsdurchmesser gebogen oder gebrochen. Die Verhält- nisse compliciren sich aber hier weiter dadurch, dass bei Campylodiscus die Mittel- linien der etwas symmetrisch gebauten gleichen Schalen sich rechtwinklig kreuzen und dass bei Aczinoptychus die convexen Felder allein Fortsätze haben und auch in der Structur von den concaven etwas verschieden sind, so dass rechts und links von der Symmetrieebene doch Verschiedenes liegt. Bei den Achnantheen und Cocconeideen endlich hat nur die eine Schale Mittelknoten und Längsspalten. Was dann die Symmetrie jeder einzelnen Schale für sich betrachtet angeht, so ist ein radiater Bau ziemlich verbreitet, wobei dann entweder die ganze Schalenfläche denselben Bau zeigt (Coscinodiscus), oder wie bei /Zalionyx, Actino- ptychus, Heliopelta u. s. w. sich verschieden gebaute, regelmässig mit einander abwechselnde Strahlen unterscheiden lassen, welche dann häufig auch in ver- schiedenem Niveau liegen. In solchen Fällen muss natürlich die Gesammtzahl der Strahlen paarig sein — nicht erforderlich ist dies bei lauter gleichen Sec- "toren (Arachnoidiscus). Ebenfalls lauter gleiche Strahlen hat Actinocyclus: durch einen einzigen nahe dem Rande gelegenen Fortsatz wird aber hier schon die Structur bilateral und noch deutlicher ist sie dies bei kreisrundem Umriss bei den bilateral gezeichneten Aszeromphalus, Campylodiscus und vermitteln diese Gattungen, indem auch die Gesammtform der Schale mehr länglich wird, den Uebergang zu den zahlreichen Bacillariaceen, deren Schale sich durch bestimmte Linien zweiseitig symmetrisch theilt. Sowohl nach der Längs- als nach der Querlinie symmetrisch sind Navicwla, Neidium, Stauroneis, Pleurostaurum, Fru- stulia, Colletonema, Schizonema, Brebissonia, Achnanthes, Achnanthidium, Cocconeis, Amphipleura, Synedra, Cymatopleura, Fragilaria, Odontidium, Tabellaria, Gramma- tophora, Rhabdonema, Biddulphia, nur nach der Längslinie Sphenella, Gompho- nema, Rhoicosphenia, Suriraya, Meridion, Licmophora, nur nach der Querlinie Pinnularia, Anomoeoneis, Cymbella, Cocconema, Encyonema, Amphora, Epithemia, Nitzschia, Ceratoneis, Tryblionella, Eunotia, Himantidium. Aus zwei gleichen Längs- und Querhälften, die aber umgedreht werden müssen, um sich zu ein- ander wie Spiegelbilder zu verhalten, bestehen die Schalen von Zleurosigma, Plagiotropis, Scoliopleura. Die Gürtelbänder, deren allgemeine Gestalt sich aus dem bisher über die 422 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). , Form des Querschnittes der Zellen und die Symmetrieverhältnisse Gesagten er- giebt, zeigen meistens einen einfachen Bau. Mit zierlicher sechsseitiger Felderung versehen finden wir sie bei Diddulphia, /sthmia, Terpsinoe — es lässt sich hier leicht an den Zeichnungen erkennen, wo die Gürtelbänder einander decken und wo nur eines frei liegt. Je einen besonderen Längsstreifen, der wohl eine ver- dünnte Stelle der Schale ist, haben die Gürtelbänder von Zinnularia (vergl. Fig. 3 u. 4). — eine sehr feine Querstreifung ist ziemlich verbreitet, doch erscheint die Fläche vielfach noch mit unseren besten optischen Hülfsmitteln glatt. Auf die Frage, ob bestimmte, mit Innenschalen versehene Formen mehr als zwei Gürtelbänder haben, soll später eingegangen werden. Als einen Bestandtheil der Zellhaut müssen wir endlich wohl auch betrachten die Gallerthüllen, Stiele u. s. w., welche so zahlreiche Gattungen gewöhnlich bilden. Die schleimige Beschaffenheit, welche frische Massen reiner frei lebender Arten stets zeigen, beweist wohl, dass auch bei ihnen die äusserste Schicht der Membran einer gallertartigen Aufquellung fähig ist: auch das Anhaften fremder Körperchen spricht dafür. Bei anderen Formen (Cocconeis, Frustulia) wird dann die Gallertschicht um jede einzelne Zelle auch mikroskopisch wahrnehmbar und bei Mastogloia lanceolata Tuw.!) finden wir dann bereits, dass in der die nassen Steine überziehenden zähen Haut einmal eine Gallerthülle um jede einzelne Zelle, dann aber eine durch Vereinigung der äussersten gequollenen Schichten ent- standene gemeinsame Gallerte vorhanden ist. Diese letztere nimmt weiter eine bestimmtere Gestalt an, z. B. bei M. Smithii Tuw., die Form einer gestielten Keule, bei Dickieia wulvoides Raırs diejenige einer am Rande vielfach einge- schnittenen laubartigen Ausbreitung, bis dann dieser Typus in den pag. 405 er- wähnten einfachen oder verzweigten, von zahlreichen Zellen erfüllten Gallert- fäden seine höchste Ausbildung erreicht. Wiewohl auch diese Gallertfäden als Produkte einer Verschleimung der Zellmembranen betrachtet werden müssen, so zeigen sie doch häufig eine von der Lage der einzelnen Zellen unabhängige Structur, namentlich eine ziemlich deutlich abgegrenzte, festere äussere Schicht, welche die ganze äussere Umgrenzung der Schizonemen u. s. w. bildet, und eine weichere innere Masse, welche so wasserreich ist, dass sich die einzelnen Zellen in ihr bewegen und an einander vorbeigleiten können. Bei den gestielten Bacillariaceen besitzen einzelne Stellen der Zellhaut, nämlich die unteren, später dem Stie! aufsitzenden Endflächen in besonders hohem Maasse die Fähigkeit der Gallertbildung und schaltet sich allmählich zwischen das Substrat und das ihm ansitzende Gürtelbandstück ein mehr oder minder langer Stiel ein, der dann auch weiter sich differenziren kann: wir unterscheiden an jungen Stielen eine doppelt contourirte schmale Aussenschicht und eine helle Innenmasse, (Fig. 10 g), an alten eine breite helle Aussenschicht und einer schmalen bräunlichen, inneren Strang (Fig. 10 g,,). Man kann oft wahrnehmen, wie sich die helle Aussenschicht auf die Schalen u. s. w. fortsetzt. Die Verzweigungen der Gallertstiele, sowie die Bildung der Polster, mit welchen die Isthmien, Biddulphien Grammatophoren u. s. w. kettenartig zusammenhängen, soll bei der Zelltheilung noch berührt werden: die eben erwähnten Polster sind natürlich ebenfalls lokale Aufquellungsprodukte der Zellmembranen. Bei manchen Cocconeis-Arten richtet sich die Intensität der Gallertbildung nach dem Bau der inneren Schalen. ) Smitn, British Diatomaceae. Fig. 340. En is - f f x au A nis) TEN I ı Fi RIP EN, "ah Sr B> de ER 7 u a 2 Fra D. Ep a Aa ee ht er ak Lo ae Na Br AZ nE I FE rar y x - \ = ne K = Er I, Bau der Bacillariaceen. 423 2. Der weiche Zellleib. Sehen wir von einigen durch die Zweischaligkeit der Zellmembran und die Durchbohrung der letzteren durch Spalten u. s. w. bedingten Eigenthümlichkeiten ab, so unterscheidet sich der eigentliche Zellleib der Bacillariaceen in keinem Punkte wesentlich von demjenigen anderer erwachsener Pflanzenzellen. Wie bei diesen bildet das Protoplasma immer einen der festen Wand innig angeschmiegten Schlauch, dessen Inneres von einer wässerigen Flüssigkeit erfüllt ist. Bei manchen Formen (Melosira, vergl. Fig. 16) ist alles Protoplasma, welches die Zelle bildet, auf diesen Schlauch vertheilt, der auch überall annähernd gleiche Dicke besitzt. Bei anderen (Coscinodiscus, Cyclotella, Suriraya) kommt noch eine mittlere Plasma- masse hinzu, welche zwischen der Mitte der beiden Schalen ausgespannt ist, seitlich aber rings von Flüssigkeit umgeben ist, so dass sie die Gürtelbänder nicht berührt; an die Schalen setzt sie sich bald mit ihrem ganzen Querschnitt an, bald breitet sie sich hier zeltartig aus, so dass die Ansatzfläche nur einen Ring darstellt, während eine kegelförmige Flüssigkeitsmasse den Zwischenraum zwischen dem Wandbeleg der Schale und dem sich ausbreitenden Strangende erfüllt (grosse Arten von Suriraya, vergl. Fig. ır). Bei denjenigen Bacillaria- ceen, deren Schalen eine schmale langgezogene Form haben, ist dann dieser Strang in der Regel so massenhaft entwickelt, dass er den ganzen Querschnitt der Zelle ausfüllt (Naviculeen, Gom- phonemeen, Cymbelleen, Amphoreen, Epithemieen, Nitzschieen, Achnantheen, Cocconeideen, Fragilari- neen, Tabellarieen u. s. w.) und finden sich gleich- zeitig meistens noch mehr oder minder starke Plasma- anhäufungen in den Zellenenden vor (Naviculeen). Die wässerige Zellflüssigkeit ist dann in der Mitte unterbrochen, die Zelle hat zwei grosse safterfüllte Vacuolen. Die mittlere Plasmamasse ist dabei bald Fig. 9. (B. 252.) ganz symmetrisch gestaltet, bald an der einen Weidium firmum Pr. g Gürtel- s Gürtelbandseite stets breiter als an der anderen. Schalenansicht. In der Mitte und : i Ä an den Enden grössere, dunkelgrau Letzteres Verhalten finden wir namentlich bei den- gehaltene Plasmamengen, in erste- jenigen Formen, deren Schalen nach ihrer Längs- rer der Zellkern. Die schraffirten linie unsymmetrisch oder doch nicht ganz sym- Ani N metrisch sind (Cymbelleen, Anomoconeis, Gompho- den und auf die Schalen über- nema). Dünne frei durch den Zellsaft ausgespannte greifenden Endochromplatten. Die Plasmafäden werden namentlich bei den Coscinodis- "* Deren Kein Dun sind nur von einem dünnen Plasma- ceen und Surirayeen häufig beobachtet. schlauch überzogen. Die kleinen Die Substanz des Bacillariaceenplasmas ergiebt Kreise stellen Oeltropfen dar. keine Verschiedenheiten gegenüber derjenigen anderer Pflanzenzellen. Es ist auch hier eine farblose, durch zahlreiche eingelagerte Körnchen getrübte, schleimige Masse, die bei Einwirkung von Salzlösungen sich von der Zellhaut zurückzieht und in che- mischer Hinsicht gegen Jod u. s.w. die bekannten Reactionen der Eiweisskörper zeigt. Auffallend sind höchstens die Differenzirungen, welche in der mittleren Plasmamasse mancher Formen auftreten. So finden wir (vergl. Fig. ı2) in der mittleren Plasma- anhäufung der Pinnularien kurze dichtere Stränge, die sich bisweilen zu unter- BEER a a a an ng kr } 5 5 Rs at, R rn ER m 424 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). brochenen Bändern an einander reihen. Ganz ähnliche Bildungen sind später in pflanzlichen wie thierischen Zellen bei der Theilung mancher grosser Zellkerne aufgefunden worden. Da jedoch bei den Pinnularien oft neben diesen Strängen ein grosser deutlicher Zellkern mit Kernkörperchen sichtbar ist, so scheinen hier diese Strangbildungen mit der Kerntheilung nicht zusammenzuhängen. Von der letzteren ebenfalls ganz unabhängig sind ferner die dichteren Plasmabänder, welche sich bei Anomoconeis, Cymbella, Gomphonema (Fig. 10) u. a. dem Plasma- schlauch eingebettet zeigen und quer über eines der Gürtelbänder sich hinziehen. Oft werden dann die Endochromplatten durch derartige Bänder von der Wand abgedrängt. Die Zellkerne der Bacillariaceen bieten kaum etwas Besonderes: wo sie nicht sofort deutlich sind, treten sie bei Behandlung mit Alauncarmin und analogen Färbungsmitteln klar hervor. Sie liegen bald innerhalb grösserer Plasmamassen in der Mitte der Zellen (Naviculeen Fig. 9, Surirayeen, Cos- cinodisceen), bald sind sie dem wandständi- gen Plasmaschlauch eingebettet. (Melosireen, u ; Eunotieen u. a.) Im ersteren Falle ist Eee een ihre Gestalt sphäroidal, im letzteren mehr s schematischer Querschnitt: Sa grössere, Si linsenförmig mit einer flacheren, der Zell- kleinere ae aha p dichtes and zugekehrten Seite. Ein Kernkörper- chen (Nucleolus) ist in beiden Fällen deut- RP (B. 253.) Fig. 10. lich erkennbar. Nächst dem Zellkern bilden wohl die Endochromplatten den wichtigsten Theil der Bacillariaceenzelle. Wie wir bei den grünen Fadenalgen theils das Chlorophyll an flache linsenförmige Körner, theils an grössere verschiedenartig geformte Platten gebunden finden, so durchdringt auch der goldbraune Farbstoff der Bacillariaceen theils kleinere Körner von dichterem Plasma (Melosira, Coscinodis- cus, Biddulphia u. s. w. (Fig. 16), theils grössere Platten (MVavicwla, Pleurosigma, Pinnularia, Suriraya u. s. w.). In beiden Fällen kann man mit Alkohol oder Aether den Farbstoff ausziehen und es bleiben auch danach die jetzt farblosen Körner und Platten in dem minder dichten, grobkörnigeren Plasma des auch vorher ungefärbten Zellenleibes deutlich sichtbar. Wo Endochromkörner vorkommen, ist deren Zahl in jeder Zelle nicht bestimmt und steigt die erstere bei grossen Coscinodiscus u. s. w. ziemlich hoch, auf einige Hundert; ihre Begrenzung ist bald rund, bald buchtig oder sternartig mit stumpfen Lappen (Melosira varians Fig. 16). Wo dagegen grössere Endochromplatten sich finden, giebt es deren nur entweder eine oder zwei in jeder Zelle; lediglich kurz vor der Zelltheilung findet eine weitere Zerklüftung derselben statt. Sehen wir von allen solchen die Zellver- mehrung einleitenden Vorgängen ab, so besitzen nur eine einzige Endochrom- platte in jeder Zelle die Cocconeideen, die Gomphonemeen, Cymbelleen, Amphoreen und Nitzschieen; bei der erstgenannten Gruppe liegt die am Rande vielfach eingeschnittene Platte der convexen Schale, bei den anderen (Fig. 10) der einen Gürtelseite an. Es soll damit zunächst nur gesagt sein, dass die Mittellinie der ziemlich symmetrischen Platte die angegebene Lage hat. Dieselbe erstreckt sich z. B. bei Gomphonema, Amphora, Epithemia, Cymbella nicht II. Bau der Bacillariaceen. 425 nur auf beide Schalen, sondern erreicht auch noch die gegenüberliegende Gürtel- seite, welche bald die convexe (Amphora, Epithemia), bald die concave (Cymbella) ist. Zwei Platten in jeder Zelle finden wir sehr häufig. Bei den Surirayeen (Fig. ı2), Synedreen und Eunotieen liegen dieselben den Schalen an und breiten sich seitlich mehr oder weniger weit auf die Gürtelbänder aus, bei den Naviculeen und verwandten Formen liegen sie dagegen auf den letzteren und erstrecken sich seitlich auf die Schalen (Fig. 9). In allen Fällen haben die Platten eine verhältniss- mässig geringe Dicke und werden aussen wie innen von dem farblosen Plasma überzogen, doch ist die bedeckende Schicht so dünn, dass sie vielfach schwer wahrnehmbar ist. Bei den allermeisten Bacillariaceen überziehen die Platten den weitaus grössten Theil der Zellinnenfläche: fast die ganze Zelle erscheint braun gefärbt, nur schmale Streifen farblos. Es ist übrigens nicht immer auf den ersten Blick deutlich, dass es sich um grosse Endochromplatten handelt. Dieselben sind vielfach am Rande und bis fast zur Mitte durch schmale Einschnitte so zer- klüftet, dass eine Menge einzelner getrennter Lappen vorhanden zu sein scheinen (Pleurosigma, Suriraya). Die dunkleren Streifen, welche z. B. auf der Schalen- ansicht in Fig. 9 dicht an der rechten und linken Zellwand erscheinen und in der Natur dunkelbraun aussehen, entsprechen denjenigen Stellen, wo man durch grössere Strecken, hier durch die ganze Breite der die Gürtelseiten bedeckenden Endochromplatten hindurch sieht. Die Wanderungen und Spaltungen der letzteren sollen erst bei der Zelltheilung besprochen werden. Die braune Färbung der Endochromplatten wird nicht durch einen einheitlichen Farbstoff hervorgebracht, sonderen beruht auf der Anwesenheit einer grünen, mit dem Chlorophyll der rein grünen Algen übereinstimmenden und einer eigenen als Diatomin bezeichneten goldbraunen Substanz!) — beide sind in Alkohol, Aether, Benzol u. s. w. löslich und kommen in verschiedenen Mengenverhältnissen vor. Während z. B. /ragilaria virescens ganz entschieden grünliche Endochrom- platten besitzt, werden die letzteren bei den meisten Arten erst nach dem Tode der Zelle grün, nachdem vorher die Farbe rein goldbraun war. Es scheint eben der Diatomin überaus leicht zerstört zu werden, während das Chlorophyll be- ständiger ist. Besonders deutlich sieht man die Farbenänderung auftreten, wenn man Meeresbacillarien in Süsswasser bringt, oder wenn man Süsswasserformen mit Wasser erwärmt, oder mit Salzsäure behandelt. Schüttelt man den alkoholischen beide Farbstoffe enthaltenden Auszug mit Benzol, so enthält man eine Trennung — im Alkohol bleibt wesentlich der Diatomin, im Benzol das Chlorophyll gelöst. Die Absorptionsspektren beider Farbstoffe stehen einander sehr nahe. Von sonstigen Inhaltskörpern der Zelle ist als allgemein verbreitet nur noch fettes Oel zu nennen, welches in grösseren und kleineren Tropfen dem Plasma eingebettet oder auch im Zellsaft vorkommt (Fig. 9) und an seiner raschen Schwärzung durch Osmiumsäure zu erkennen ist. Stärke ist in den Bacillariaceen niemals gefunden worden. 0) Kürzıng, Die kieselschaligen Bacillarien. pag. 22. NÄGELI, Gattungen einzelliger Algen, ASKENASY in Bot. Zeit. 1867, pag. 235. KRAUS und MILLARDET, Mem. d. ]. soc. d. scienc. natur. de Strassburg. 1866—70. NEBELUNG in Bot. Zeit. 1878. pag. 394. 426 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). III. Die Lebenserscheinungen der Bacillariaceen. ı. Ernährung und Stoffwechsel. Wir dürfen nicht daran zweifeln, dass die Bacillariaceen wie die normalen höheren grünen Pflanzen ihre organische Substanz unter dem Einfluss des Lichts aus Kohlensäure und Wasser bilden. Hat man irgend grössere Mengen beisammen, so ist die Abscheidung von Sauerstoff sehr leicht zu constatiren — ja es ist etwas ganz Gewöhnliches, dass die in dicker Schicht den Schlamm seichter Ge- wässer überziehenden Bacillariaceenmassen von den durch ihre Assimilations- thätigkeit entwickelten Gasblasen, die aus der schleimigen Masse nicht entweichen können, an die Oberfläche des Wassers emporgehoben werden. Das Bedürfniss der Süsswasserformen für Aschenbestandtheile scheint nicht gross zu sein oder es genügen ihnen wenigstens sehr verdünnte Lösungen. Das letztere gilt nament- lich hinsichtlich der Kieselsäure, die zwar allgemein verbreitet aber nur in mini- maler Menge im Wasser vorkommt. Da Stärke niemals gebildet wird, so ist das fette Oel das erste sichtbare Product der Assimilation. Dasselbe häuft sich namentlich dann an, wenn die Zellen in etwas ungünstigen Verhältnissen, z. B. in kleinen Schalen im Zimmer cultivirt werden, wo wohl die Theilung langsamer vor sich geht. 2. Bewegungserscheinungen. Wir können hier trennen die im Innern der Zelle wahrnehmbaren Strömungen u. s. w. von den Ortsbewegungen, welche ‘die ganzen Zellen der Bacillariaceen ausführen. Die ersteren zeigen die grösste Analogie mit den auch in anderen Pflanzenzellen beobachteten Erscheinungen. Nur wenige Bewegungen beruhen, wie das leicht zu beobachtende Aufsteigen der Oeltropfen des Zellsaftes an die jeweilige Oberseite der Zelle, nur auf dem specifischen Gewicht der verschiedenen Inhaltskörper; die allermeisten Ortsveränderungen im Innern der Zelle sind von den Bewegungen des Protoplasmas abhängig. Plasmaströmung in constanter Bahn, also eine in sich selbst zurückkehrende an der einen Seite des plasmatischen Wandbelegs aufsteigende, an der anderen abwärts gerichtete Bewegung, wie wir sie bei Vallisneria u. s. w. finden, scheint selten zu sein; nur die von SCHULTZEA) bei Ahizosolenia in den dem grössten Durchmesser der Zelle parallel längs der Zellwand verlaufenden ziemlich zahlreichen (bis 16) Plasmafäden beobachteten Erscheinungen mögen wohl hierher gehören. SCHULTZE schreibt darüber: »Die Strömung ist in jedem der Fäden eine doppelte. Kleine Körnchen fliessen in einer mehr homogenen Grundsubstanz bald schneller bald langsamer, häufen sich hier zu einem Klümpchen, sind dort nur einzeln zu erkennen, ragen am Rande über die Oberfläche des Fadens hinaus oder sind scheinbar ganz in ihn einge- bettet. Oft werden einzelne oder viele der Farbstoftbläschen (Endochromkörner) mit von dem Strome ergriffen und eine Strecke weit fortgeführt, andere liegen ruhig zwischen den Strömchen in einer äussersten nicht bewegten Schicht.« Weit verbreiteter finden wir ein reiches weit verzweigtes Netz von Plasmafäden, in welchen lebhafte Strömungen in wechselnden Bahnen stattfinden. So nach SCHULTZE bei Coscinodiscus, Biddulphia, nach eigenen Beobachtungen in verein- fachter Form namentlich bei Suriraya, wo grosse Oeltropfen an den Fäden rasch hin und hergeschoben werden, und in der Minute etwa -!; Millim. durchlaufen.2) ") Innere Bewegungserscheinungen bei Diatomeen. MÜLLER’s Archiv für Anatomie und Physiologie. 1858, pag. 334. 2) PFITZER, Untersuchungen. pag. 112. III. Die Lebenserscheinungen der Bacillariaceen. 427 Bewegungen der ganzen Zellen sind fast allgemein verbreitet — selbst die sonst anderen Pflanzen epiphytisch ansitzenden, auf Gallertstielen stehenden oder von Gallertröhren umschlossenen Zellen zeigen, sobald sie irgendwie frei ge- worden sind, fortschreitende Bewegung. Besonders lebhaft ist die letztere bei den Nitzschieen und Naviculeen — ganz unbeweglich scheinen die Melosiren und einige andere fadenbildende Formen zu sein. Die grösste beobachtete Schnelligkeit betrug ı Millim. in 43 Sekunden). Was die Art und Weise der Bewegung betrifft, so rücken die Zellen in der Regel ihrem längsten Durchmesser nach fort und zwar bald ziemlich gleichmässig, bald mehr stossweise. Kleine Hindernisse, wie Sandkörnchen und Pflanzenreste werden entweder bei Seite geschoben, oder es bahnt sich die Bacillarie auch wohi ihren Weg mitten durch einen ganzen Haufen solcher Hindernisse, oftmals still- stehend, schliesslich wieder freie Bahn erreichend. Ein unüberwindliches Hemmniss lenkt auch wohl die Zelle von ihrer Bahn ab. Gewöhnlich folgt der Bewegung nach einer Richtung eine kurze Ruhepause, worauf dann der eben gemachte Weg wieder rückwärts durchmessen wird. Eine bestimmte Richtung zeigen die auf dem Objectträger sich bewegenden Bacillariaceen nicht: im grossen Ganzen müssen aber die Lichtstrahlen einen orientirenden Einfluss haben, denn eine gut durchge- schüttelte Schlammprobe zeigt nach einigem ruhigen Stehen im Lichte fast alle lebenden Bacillariaceen oben auf dem Schlamm versammelt — sie arbeiten sich aus den dunklen tieferen Schichten empor, auch wenn die letzteren specifisch leichter sind. Besonders merkwürdig sind die Bewegungen der Dacillaria para- doxa: »Eine Gruppe von 20— 30 stäbchenförmigen Zellen, welche alle mit ihren langen Seiten in einer Ebene dicht aneinander liegen, so dass die Gruppe in der Ruhe eine dünne, viereckige Tafel vorstellen würde, ist in der lebhaftesten Bewegung begriffen, indem alle Einzelexemplare sich an einander verschieben, vorwärts, rückwärts in allen möglichen Lagen, wie Stäbchen sie zu einander an- nehmen können, ohne dass ein einziges aus dem Zusammenhang mit den übrigen heraustritt, bald zu einer langen Kette ausgezogen, deren Glieder sich nur noch mit minimalen Abschnitten der Seitenränder berühren, bald zu einem Parallelepi- pedon zusammengeschoben, jetzt eine Figur bildend, wie ein Schwarm wilder Gänse, in welchem die mittelste den Führer macht und den Scheitel eines Winkels einnimmt, dessen langausgezogene Schenkel die übrigen bilden, dann eine der anderen, in unregelmässiger Anordnung vorauseilend — so wechseln sie in schneller Folge ihre Lage, indem jede ohne sichtbare Bewegungsorgane gleitend an dem Nachbar sich hinschiebt.«?) Ueber die Ursachen dieser Ortsveränderungen stehen sich zwei Ansichten gegenüber. Die eine, zuerst von NÄGELI ausgesprochen, neuerdings von MERESCH- KOWSKI?®) verfochten, sucht die Bewegungen auf den Rückstoss von Wassermassen zurückzuführen, welche bei den endosmotischen Processen des Stoffwechsels aus- gestossen werden. Die andere, von M. SCHULTZE begründet, von dem Verf. dieser Zeilen und später von ENGELMANN®) u. A. weiter vertreten, setzt voraus, dass durch die oben besprochenen Spalten u. s. w. der Zellhaut das Protoplasma nach aussen hervortrete und die Bewegungen der ganzen Zelle vermittle. Nach %) SCHUMANN, Wanderungen u. s. w. pag. 117. 2) SCHULTZE, Die Bewegung der Diatomeen. Archiv f. mikr. Anatomie. I. 1865. pag. 396. 3) Botan. Zeitung. 18830. pag. 529. #) Botan. Zeitung. 1879. pag. 49. 428 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). der ersten Hypothese sind die letzteren ein wirkliches Schwimmen, nach der zweiten mehr ein Kriechen auf fester Unterlage. Prüfen wir zunächst die Thatsachen, welche SCHULTZE’s Auffassung, der ich mich auch heute noch anschliesse, stützen. Am besten wäre dieselbe natürlich bewiesen, wenn es gelänge, das aus den Spalten der Zellmembran hervortretende Plasma zu sehen. So viele Mühe man sich aber auch in dieser Richtung ge- geben hat, so war dieselbe bisher umsonst. Doch kann man daraus noch keinen Gegenbeweis herleiten. Denn es ist jedenfalls eine äusserst schwierige Aufgabe, eine sehr dünne Schicht körnchenfreien Plasmas auf der stark lichtbrechenden Schale zu sehen und namentlich eine solche Plasmaschicht von mancherlei op- tischen Erscheinungen, welche auch dem Schalenrande parallele Linien ergeben, zu unterscheiden. Wohl aber können andere, gleich zu besprechende Thatsachen kaum ohne die Annahme frei vortretenden Plasmas erklärt werden. Beobachtet man nämlich z. B. eine auf einer Schale liegende Zinnwlaria in natürlich trübem oder noch besser in künstlich durch fein vertheilten Indigo oder Karmin ge- trübtem, Wasser, so sieht man sehr häufig, dass längs der Spalten Klümpchen der Farbstoffkörner mit grosser Schnelligkeit auf und ab bewegt werden. Es bilden sich dabei keine Strudel in der trüben Flüssigkeit; alles ausser den gewisser- maassen unmittelbar von den Bacillariaceen ergriffenen Klümpchen bleibt auch in nächster Nähe des Spalts in vollkommener Ruhe. Gewöhnlich wird der er- fasste Körper von einem Knoten zum anderen geschoben, liegt dann eine kurze Weile still und kehrt dann zum ersten Knoten zurück. Nur selten wird das Klümpchen über den Knoten fort von einer Naht zur anderen geschleudert. Aus diesen Beobachtungen folgt, dass einmal Wimperbewegung nicht vorhanden ist, da durch eine solche lebhafte Strudel entstehen müssten: aber auch aus- tretende Wasserströme, wie man sie zur Erklärung dieser Gleitbewegungen herangezogen hat, müssten die feinen im Wasser suspendirten Körper in der Nähe des Spaltes in Bewegung bringen, während, wie bemerkt, lediglich das er- fasste Klümpchen fortschreitet. Ich kann hier nicht ohne die Voraussetzung auskommen, dass Plasma aus dem Spalt hervorkommend die Körper bewegt und werde darin weiter bestärkt durch den Umstand, dass einmal in ganz ähnlicher Weise im Innern der Bacillariaceen Oeltropfen auf leicht sichtbaren Plasmafäden fortgleiten, und dass zweitens bei /Zeurosigma von SCHULTZE der Spalte parallele Strömungen in dem ihr innen anliegenden Protoplasma gesehen wurden. Ein zweites wichtiges Moment ist dann, dass Bacillariaceen in reinem Wasser sich ‘nicht frei schwimmend zwischen Objectträger und Deckglas bewegen, son- dern stets mit einer ihrer Spalten dem einen oder dem anderen anliegen, dass sie also am Glase entlang kriechen. Sie können sich dabei sehr fest an. dasselbe anheften — oft braucht man sehr starke Stösse am Deckglas, ja ein förmliches Hin- und Herreiben, um die festgelegte Zelle loszumachen. Ein derartiges An- haften kommt auch in der Weise vor, dass die Zelle nur mit einem Ende am Glase ansitzt, und frei pendelt. Alles das setzt eine plasmatische Masse zwischen Schale und Glas voraus — wäre die Zelle einfach durch Schleim angeklebt, so würde sie sich nicht gleichzeitig fortbewegen können, ohne ihre Verbindung mit dem Glase zu verlieren. Während übrigens die Zellen sich bewegen, können sie auch gleichzeitig an der freien Schalenseite fremde Körper in beliebiger Richtung auf den Spalten fortschieben. Im freien Wasser schwimmen somit die Bacillariaceen wohl überhaupt nicht, sondern sie ziehen sich nur an fremden Körpern entlang und wo wir sie auf der III. Die Lebenserscheinungen der Bacillariaceen. 429 Wasseroberfläche finden, müssen sie wohl durch Strömungen im Wasser oder durch Gasentwicklung emporgehoben sein. Dass wir das aus Spalten der Schale hervortretende Plasma nicht sehen, ist sehr wohl verständlich, wenn dasselbe körnerfrei ist und in seiner Lichtbrechung vom Wasser kaum differirt. Sieht man doch oft, dass eine Bacillarie irgend einen fremden Körper in einiger Entfernung hinter sich herschleppt, ohne dass es auch mit guten optischen Hülfsmitteln gelingt, den unzweifelhaft vorhandenen verbindenden Faden wahrzunehmen. Was dann die andere Hypothese angeht, welche die Bewegung aus dem Rückstoss austretender Wassermassen zurückführen will, so stösst dieselbe auf die schwersten Bedenken. Wenn einmal von den Vertretern der eben be- sprochenen Ansichten verlangt wird, sie sollten das frei zu Tage tretende Plasma nachweisen, so darf billiger Weise verlangt werden, dass andererseits auch das austretende Wasser irgendwie gezeigt werde Wenn man aber Bacillariaceen in gefärbtem oder durch feine farbige Körnchen getrübtem Wasser sich bewegen lässt, so bemerkt man weder jemals eine helle Stelle hinter der fortschreitenden Zelle, noch sieht man lebhafte Wirbelbewegungen der Körnchen, wie sie ent- stehen müssten, wenn Wasserstrahlen mit nennenswerther Geschwindigkeit ausge- stossen würden. Nun behauptet zwar MERESCHKOWSKI gesehen zu haben, dass Bacterien vom Hinterende der Dacillaria abgestossen wurden — genaue und wiederholte Beobachtungen zeigten mir aber, dass eine derartige Abstossung nicht stattfindet. Wenn die Zelle in getrübtem Wasser vorschreitet, müssen natürlich hinter ihr Strömungen im Wasser entstehen und also die suspendirten Theilchen in Bewegung gerathen — dieselben bewegen sich aber nicht fort von der fortschreitenden Zelle, sondern sie folgen ihr von seitwärts und rückwärts, indem sie gewissermaassen in die bei der Fortbewegung entstehende Lücke ein- strömen. Ausserdem beschränkt sich diese ganze Bewegung kleiner Theilchen auf einen ganz engen Raum. Wollte man aber auch zugeben, es sei die Ausstossung von Wasser wohl möglich, ohne dass sie irgendwie äusserlich sichtbar würde, so bliebe doch noch eine viel grössere, meines Erachtens unüberwindliche Schwierigkeit übrig, näm- lich die, dass am Hinterende der sich bewegenden Bacillariaceen gar keine Oeffnungen vorhanden sind: das Wasser müsste also entweder mit grosser Reibung durch unsichtbare, unmessbar feine Löcher austreten, oder es müsste gar, wie gerade behauptet worden ist, diosmotisch durch die Membranen gehen. Dass in beiden Fällen überhaupt ein für die Bewegung der ganzen Zelle genügender Rückstoss stattfindet, möchte ich denn doch bezweifeln — wenigstens hat wohl noch Niemand solche diosmotische Rückstösse durch eine Membran hindurch gesehen. Bis auf Weiteres möchte daher die Auffassung, welche den Bacillariaceen frei zu Tage tretendes Plasma zuschreibt, den Vorzug verdienen. Wenigstens möchten die gewöhnlichen Sätze der Hydrodynamik nicht ausreichen, um aus einem jedenfalls minimalen Wasseraustritt aus den seitlich vorhandenen Spalten die geradlinig fortschreitenden Bewegungen der Bacillariaceen zu erklären. 3. Ruhezustände. Wenn es auch im Entwicklungsgang der letzteren keine eigentlichen Ruhe- sporen giebt, so können doch die gewöhnlichen vegetativen Zellen auf längere Zeit ihre Bewegungen u. s. w. einstellen und in einem sehr passiven Zustand . ‚ \ 430 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). günstigere Verhältnisse abwarten. Es ist zunächst mehrfach nachgewiesen worden, dass die Lebensfähigkeit der Bacillariaceen durch das Gefrieren des sie ent- haltenden Wassers nicht gefährdet wird; sehr oft frieren die von ihnen bewohnten seichten Lachen bis zum Boden zu und auch die auf nassen Steinen, im nassen Moos vorkommenden Formen sind jährlich hohen Kältegraden ausgesetzt. SCHUMANN!) berichtet, dass er nach dreitägiger ungewöhnlicher Kälte, die bis 25°C. stieg, ein auf freier Wiese liegendes gefrornes Stückchen Erde im Zimmer aufthaute und eine halbe Stunde darauf mehrere Naviculeen in lebhafter Be- wegung sah. Wie hohe Kältegrade überhaupt die Bacillariaceen im gefrornen Zustande aushalten, bleibt noch zu untersuchen; jedenfalls kommen sie auch in den Polargegenden reichlich vor. Auch das Austrocknen der Gewässer tödtet die Bacillariaceen nicht, wenn es nur langsam genug vor sich geht. PErır?) fand bei den im trocknen Schlamm eingebetteten Zellen das Plasma ganz nach einem Ende zusammengezogen: es dehnte sich aber selbst nach acht Monaten noch aus und erfüllte wieder in nor- maler Weise die auch wieder beweglich gewordenen Zellen. Es dauerte jedoch immerhin acht Tage, bis das Leben wieder vollständig erwacht war. Ob andere Angaben?), nach welchen dies auch nach mehrjähriger Pause geschieht, glaub- würdig sind, will ich dahin gestellt sein lassen — es können leicht bei mangeln- der Vorsicht zu dem ganz ausgestorbenen trockenen Schlamm durch das zuge- fügte Wasser oder durch den Staub lebende Bacillariaceen gelangen, die dann aus dem ersteren hervorgekommen zu sein scheinen. Als eine besondere Form von Ruhezuständen möchte ich die sogen. »Cra- ticularbildungen« betrachten. Dieselben erhielten ihren Namen von Suwriraya Craticula Eurec., einer Form, welche später als ein Entwicklungszustand von Navicula cuspidata Krz. erkannt wurde, und besteht das Charakteristische dieser Bildungen darin, dass sich das Protoplasma von den alten Schalen zurückzieht und ein paar neue Schalen von abweichender Gestalt abscheidet. Von den pag. 413 erwähnten inneren Schalenbildungen sind die hier in Rede stehenden dadurch verschieden, dass bei jenen das Protoplasma der Zellen durch die Oeff- nungen der inneren Schalen hindurch die ganze Innenfläche der Schalen und den grössten Theil der Gürtelbänder überzieht, während bei den Craticular- zuständen zwischen den inneren und den äusseren Schalen ein nur mit Wasser erfüllter, nichts Lebendes enthaltender Hohlraum liegt, in welchen dann natür- lich auch die Endochromplatten nicht hineinragen. Solche Bildungen sind namentlich häufig bei Zimantidium;, sonst wurden sie noch bei Meridion, Fragi- laria, Odontidium, Navicula u. A. beobachtet. Bei letzterer Gattung zeigen die inneren Schalen grobe, nach innen vorspringende Querrippen, wodurch sie einige Aehnlichkeit mit Suriraya Gemma erhalten und EHRENBERG'S Irrthum begreitlich wird. Bei Achnanthes, Achnanthidium, Schizonema, wiederholt sich der Process mehrmals), wobei immer nur die beiden innersten Schalen den lebenden Zell- leib umschliessen. Es entstehen in dieser Weise sehr wunderliche Gebilde, die jederseits eine Menge in einander eingeschachtelter und deshalb natürlich nach innen immer kleiner werdender Schalen zeigen. Ob ähnliche bei Orthosira°) I) Preussische Diatomeen. pag. 173. 2) Bullet. d. 1. Soc. botan. d. France. XXIV. pag. 376. 3) Z. B. Journ. Royal microsc. Soc. I. pag. 150. #) SmitH, British Diatomaceae. II. pag. 29. Fig. 302; PFITzEr, Untersuchungen pag. 104. 5) SmitH, a.a.0. I. pag. 60. Fig. 335, GrUNOW in Monthly microsc. Journal. Vol, 18. pag. 165. II. Die Lebenserscheinungen der Bacillariaceen. 431 beobachtete vielschalige Bildungen, bei denen aber die Schalen nach innen zu immer grösser werden, hierher zu rechnen sind, ist noch ungewiss. Der Inhalt der craticularen Bacillariaceen pflegt sich durch grossen Reichthum an fettem Oel auszuzeichnen, welches ja namentlich bei stockender Vegetation gebildet wird. 4. Zelltheilung. Wir kennen bei den Bacillariaceen nur einen Vermehrungsvorgang, d. h. nur einen Prozess, welcher aus einer Mutterzelle mehrere Tochterzellen hervorbringt, nämlich die Zweitheilung der Zellen — alle die ungeheuren Mengen von Bacillariaceen, wie sie so rasch in stehenden, eben gebildeten Lachen auftreten, stammen aus der immer wieder sich vollziehenden Wiederholung dieses Vorganges. Wieviel Zeit zwischen je zwei aufeinander folgenden Theilungen vergeht, ist noch kaum entschieden, doch scheint der Prozess namentlich im Frühjahr sehr rasch zu verlaufen. Der Theilungsvorgang selbst wird stets dadurch eingeleitet, dass die Breite der Zelle, d. h. der Abstand der beiden Schalen sich durch Auseinanderrücken der Gürtelbänder vergrössert, so dass die letzteren während der Theilung sich nur noch mit einem schmalen Streifen berühren (vergl. Fig. ıı. 12.) In vielen Fällen behalten dabei die Endochromplatten ihre Lage unverändert bei (WVezdium, Cymbelleen, Gomphonemeen, Amphoreen, Nitzschieen, Surirayeen u. s. w.) — in andern wandern sie vorher. So rücken sıe bei NMavicula, Pinnularia von den Gürtelbändern auf die Schalen hinüber. Im ersteren Falle geht ihre Zerklüftung der Zelltheilung voraus, im letzteren findet sie nachträglich statt. Wo Endochrom- körner vorhanden sind, werden dieselben vom Theilungsvorgang direkt nicht be- rührt, sondern es erbt jede Tochterzelle etwa die Hälfte der Endochromkörner ihrer Mutterzelle — eine Verringerung der in jeder Zelle vorkommenden Anzahl wird dadurch vermieden, dass die Endochromkörner sich wie die Chlorophyll- körner unabhängig von der Zelltheilung durch Zweitheilung vermehren. ' Die Zerklüftung der Endochromplatten erfolgt in verschiedener Weise. Bei Gomphonema, Cymbella u. a. zerfällt die einzige Platte, welche jede Zelle besitzt durch zwei von den Enden her nach der Mitte vorschreitende Einschnitte all- mählich in zwei Platten (vergl. Fig. 10). Bei Neidium, Pinnularia tritt gleichzeitig 2 ee Fig. 11. (B. 254.) Suriraya cakarata PF. Schematische Querschnitte einer ungetheilten und einer eben ge- theilten Zelle. Sa die grössere, Si die kleinere Schale, u dünnere lumenlose, c dickere röhrenförmige Theile der Flügel. mit den von den Zellenden her vorrückenden Buchten eine mittlere Oeffnung auf, so dass die Platten in einem mittleren Zustand aus zwei durch ein Paar dünne Querbänder verbundenen Stücken bestehen (Fig. 9, ı2), die sich endlich SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II. 28 432 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). durch Zerreissen der Bänder vollständig trennen. Bei NMaviczula werden die auf die Schalen übergetretenen beiden Endochromplatten durch je zwei in schräger Richtung nach der Zellmitte hin weitergehende Einschnitte zerklüftet. Bei Himantidium erfolgt die Theilung in den beiden je eine Schale bedeckenden und sich seitlich auf die Gürtelbänder erstreckenden Platten durch je einen quer verlaufenden Einschnitt. Endlich bei Suriraya (Fig. ı1) spaltet sich jede Platte parallel ihrer Fäche in zwei neue. Unter allen Umständen ist kurz vor der Zelltheilung ein heller, endochrom- freier Ring vorhanden, welcher sich in der Mitte der Zelle, da, wo die Gürtel- bänder einander noch bedecken, rings um die erstere herumzieht und der Ort des eigentlichen Spaltungsvorganges ist. Dem letzteren geht stets eine Theilung des Zellkerns voraus. An einer anderen Stelle soll über diese ausführlicher berichtet werden — hier sei nur be- tont, dass ähnliche Körnerplatten und Streifungen, wie sie neuerdings so viel- fach bei der Kerntheilung beobachtet wurden, auch in der hier zu besprechen- den Pflanzengruppe vorkommen. Sehr bemerkenswerth ist ferner, dass die Ver- breiterung und Theilung des Kerns vielfach nicht in einer die Schalenmitten ver- bindenden Linie, sondern vielmehr parallel dem Längen- oder Querdurchmesser der Schalen erfolgt, worauf dann erst nachträglich die neu gebildeten Kerne an ihre Plätze rechts und links von dem oben erwähnten hellen Ring treten. Die Theilung der Zelle erfolgt, wie es scheint, sowohl bei Tage als bei Nacht. Im einfachsten Fall (Vavicwla, Pinnularia) schneidet eine von Anfang an scharf und deutlich sichtbare schwarze Linie von den Zellenden her vordringend in das wandständige Plasma ein, zuerst dicht am Gürtelband von zwei rechten Winkeln begrenzt, wenig später hier sich zu einem kleinen etwa dreieckigen Zwischenraum erweiternd. Diese schwarze Linie entspricht einer rings um die Zelle gehenden, beiderseits von Plasma umgebenen Ringfurche, die immer weiter nach innen vorschreitend die Zelle durchschneidet. Die mittlere Plasmamasse erscheint kurz vorher in der Mitte verschmälert, rechts und links breiter; sobald sie von der Ringfurche erreicht wird, zieht sie sich beiderseits an ihr hinauf. Bei Suriraya (Fig. 5) fliesst diese mittlere Masse kurz vor der Theilung nach dem breiteren Zellende hin ab — die ebenfalls als scharfe schwarze Linie er- scheinende theilende Furche tritt hier zuerst allein am schmalen Zellende auf und hat schon die Zellmitte erreicht, wenn eine seichte Einbuchtung in der grossen Plasmamasse sichtbar wird; noch später beginnt die letztere sich eben- falls vom Gürtelband her zu spalten, worauf dann die Theilung schnell vollendet ist und die Plasmamasse wieder nach der Zellmitte abströmt. Wir haben jetzt schon zwei Zellen, deren jede mit einem Kern und der Hälfte des vorhandenen Endochroms versehen ist; dagegen besitzen die eben entstandenen Tochterzellen nur je eine, von der Mutterzelle ererbte Schale. In- dem dann die sich berührenden noch nackten Flächen der Tochterzellen an- fangen feste Membran auszuscheiden, entstehen zunächst (Fig. 12) zwei neue dünne Schalen, welche rasch an Dicke zunehmen und die charakteristischen Knoten, Flügel oder sonstigen Zeichnungen bilden. Erst etwas später sieht man ringsum am Rande der neugebildeten Schale auch ein neues Gürtelband — dasselbe ist somit von Anfang an vom ererbten, älteren umschlossen und mit ihm nicht in organischem Zusammenhang. Indem dann die beiden Tochterzellen Wasser aufnehmen, verbreitern sie den Abstand ihrer beiden Schalen; dadurch | | U Sa a 2 Ar “.k. — > Y ‘ / III. Die Lebenserscheinungen der Bacillariaceen. 433 kommen allmählich die beiden alten, ererbten Gürtelbänder ausser Berührung und die neugebildeten werden nach aussen hin mehr und mehr frei. Hinsichtlich der für die einzelnen Stadien des Theilungsvorganges noth- wendigen Zeit sei noch hinzugefügt, dass die Wanderung der Endochromplatten bisweilen nachweislich in wenigen Stunden stattfindet. Die die Kerntheilung ein- leitenden Vorgänge gehen dagegen der Theilung ziemlich lange Zeit vorher und scheinen langsam zu verlaufen. Die eigentliche Durchschneidung der Zelle dauerte vom ersten Auftreten der Ringfurche bis zur vollkommenen Zerklüftung bei Mavicwla nur 4 Minuten, bei Zinnularia etwa 4 bis $ Stunde. Bei Suriraya waren $ Stunde nach der Theilung schon zwei deutliche neue Schalen gebildet, welche einander nicht mehr berührten, zwanzig Minuten später waren schon die Anlagen der Flügel sicht- bar und nach weiteren zwanzig Minuten waren die letzteren im Wesentlichen vollendet (Fig. ı1). Un- ter ungünstigeren Umständen verlaufen diese Er- scheinungen bisweilen auch erheblich langsamer. Selbstverständlich müssen nach vollständiger Theilung häufig die Endochromplatten noch fernere . Gestalts- und Ortsveränderungen vornehmen, um an ihre definitiven Plätze zu gelangen. Bei Nav:- cula liegen sie z. B. anfangs schräg gegen einander und werden erst allmählich parallel; bei Zimanftı- dium stehen sie ursprünglich über einander und schieben sich so an einander vorbei, dass sie neben Fig. 12. (B. 355.) einander zu liegen kommen. Bei Suriraya (Fig. II) Pjymularia viridis EHRBG. unmittel- sind sie nach vollzogener Zelltheilung noch theil- bar nach der Zelltheilung; links weise in Berührung, dann rücken die inneren Gürtel, rechts Schalenansicht. beiden Platten auf die neugebildeten Schalen hinüber, während die in der Figur noch zwischen den letzteren und je einer Platte liegende grosse Plasmamasse zwischen die beiden Platten jeder Zelle zu liegen kommt. Ueberall wo eine Längstheilung der Platten durch Einschnitte geschieht, müssen natürlich die beiden jungen Endochromplatten noch stark in die Breite wachsen, um die normalen Dimensionen, welche die Platten vor der Theilung hatten, zu erreichen. Man erkennt daher leicht die eben durch Theilung ent- standenen Zellen an der geringen Breite ihrer Endochromplatten, beziehungs- weise an den trotz weit über einander greifender Gürtelbänder breiten, farblosen Längsstreifen auf der Schalen- oder Gürtelbandansicht. Nur wenige, sämmtlich mit Endochromkörnern versehene Gattungen zeigen bei der Zelltheilung besondere Eigenthümlichkeiten. So zunächst /szAmial): die stark gewölbten, von einem Ende zum anderen schräg abfallenden Schalen geben hier der Zelle entweder, wenn nämlich die höchsten Stellen beider Schalen ein- ander gegenüber liegen, die Form eines Rhombus, oder aber, wenn sie auf der- selben Seite sich befinden, diejenige eines Trapezes. Die Theilungsebene liegt 1) Cox, Etude sur le mode de vegetation et de reproduction de /’Zsthmia nervosa. Bre- bissonia I., pag. 13. 28* ni ' a. . . ’ « Erw 434 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). in beiden Fällen schief und ist im ersteren Falle keiner, im letzteren nur der einen Schalenkante annähernd parallel, im ersteren Falle sind somit beide Tochter- zellen Trapeze, im letzteren entsteht eine rhombische und eine trapezförmige Tochterzelle, so dass natürlich die Trapeze an Zahl überwiegen. Besonders zu besprechen ist dann ferner die sehr ungenügend bekannte Zell- theilung von Rhabdonema, Tabellaria und Tetracyclus, d. h. den Gattungen mit zahlreichen unvollständigen Scheidewänden an einer Zelle. Es sind hier zwei Deutungen möglich. Entweder es sind nur zwei Gürtelbänder da und die kurzen Ringe, welche man zwischen je zwei Innenschalen, z. B. bei Rhabdonema so deutlich sieht, sind umgebogene, übergreifende Schalenränder — dann bietet auch der Theilungsvorgang, bei welchem nun undurchbrochene Endschalen gebildet werden, nichts Besonderes. Oder aber es entsteht mit jeder Innenschale ein kurzes, ihr angewachsenes Gürtelband, welches von dem benachbarten älteren umfasst wird und das nächst entstehende jüngere umschliesst — dann könnten wir, da jedesmal eine Schale mit Gürtelband gebildet wird, jede Bildung einer Innenschale als eine Art unvollständiger Zelltheilung betrachten und es besässe jede Zelle von Khabdonema u. s. w. eine Menge von Schalen, von denen nur die äussersten, beziehungsweise die bei der wirklichen Zweitheilung entstehenden undurchbrochen sind, und eben so viele Gürtelbänder, als Schalen vorhanden sind. Es ist nun noch nicht gelungen durch direkte Wahrnehmung zwischen beiden Alternativen zu entscheiden. Für die letztere spricht einmal der Umstand, dass die Zellen von Khabdonema in der Gürtelbandansicht starke Krümmungen . zeigen, welche weit leichter an einem System kurzer Ringe, als an zwei langen Ringen ausführbar sind. Zweitens liegt die helle Zone, in welcher die Bildung neuer Innenschalen stattfindet, vielfach weit entfernt von der Zellmitte und ist dann häufig das grössere Stück dasjenige, welchem das grössere umfassende Gürtel- band zugehört: setzen wir voraus, dass dieses einheitlich ist, so sind wir zu der Annahme gezwungen, dass das äussere, ältere Gürtelband, obgleich es nicht direkt mit dem Plasma in Berührung ist, längere Zeit am Rande wachse. End- lich hat man bei Ahabdonema!) drei Kerne in einer Zelle beobachtet, was auch mit dem Stattfinden successiver unvollkommener Zelltheilungen stimmen würde. Ob nach vollendeter Theilung die Zellen in Zusammenhang bleiben oder auseinanderfallen, hängt wesentlich von dem Grade der Gallertbildung und über- haupt von der Adhäsion der einander die Rückseiten zuwendenden neuen Schalen ab. Ob dieselben sich nachträglich convex krümmen oder eben bleiben, ist in dieser Hinsicht ohne erhebliche Bedeutung, da wir sowohl bei ebenen (Synedra — Himantidium), als bei stark gewölbten Schalen (MVavieula cuspidata — Melosira nummuloides) freie und fadenförmig zusammenhängende Zellen antreffen. In den letzteren Fällen dürfen wir wol annehmen, dass die ganzen Schalen oder ihre Mittelregion gallertartig wird — bei M. nummuloides sind ja die die Zellen zu- sammenhaltenden Gallertpolster unmittelbar sichtbar. Bilden dieselben sich nicht in der Mitte, sondern an einem Ende der Schalen, so entstehen die zick- zackartig gebrochenen Fäden, wie wir sie bei Diddulphia, Grammatophora, Odon- fdium u. s. w. kennen. Die gestielten Formen verhalten sich verschieden. Ent- weder findet nach jeder Zelltheilung auch eine besondere Gallertbildung statt: dann erhalten wir zierlich dichotom verzweigte Stämmchen mit je einer Zelle am Ende jedes Stiels (Gomphonema, Cocconema), oder aber es entstehen erst nach ') Lüpers, Botan. Zeitung 1862, pag. 41. III. Die Lebenserscheinungen der Bacillariaceen. 435 einer ganzen Reihe von Zelltheilungen neue Gallertmassen am Grunde der Zellen. Dann bekommen wir die breiten, weniger regelmässig verzweigten und je einen ganzen Zellfächer tragenden Gallertäste von Zzcmophora u. Ss. W. Bei den Gallertfäden mit eingeschlossenen Zellen bildenden Bacillariaceen soll nach BERTHOLD!) die Verzweigung ziemlich unabhängig vom Theilungsvor- gang durch Spaltung der Gallertstränge erfolgen, doch bedarf diese Frage noch eingehenderer Untersuchung. 5. Die Bildung der Auxosporen. Aus der gegebenen Darstellung der Zelltheilung der Bacillariaceen geht hervor, dass die beiden entstehenden Tochterzellen nicht ganz gleiche Grösse haben. Die eine Tochterzelle erbt von der Mutterzelle die grössere, mit ihrem Gürtelband umfassende Zellhauthälfte, die andere Tochterzelle übernimmt da- gegen die kleinere, früher umschlossene Hälfte der Membran der Mutterzelle. Da nun die neu gebildeten Schalen u. s. w. im Innern der ererbten Gürtel- bänder entstehen, so müssen sie etwas kürzer und schmäler sein und bestimmt überhaupt allein die Länge der von der Mutterzelle überkommenen Schale die Länge der Tochterzelle. Daraus folgt weiter, dass bei jeder Theilung die grössere der beiden entstehenden Tochterzellen genau eben so lang ist, als die Mutter- zelle war, während die andere etwa um die doppelte Dicke des Gürtelbandes kürzer ist. Denken wir uns nun, dass beide Tochterzellen sich von Neuem theilen, so erhalten wir vier Enkelzellen, von welchen nur eine, die Erbin der grösseren Schale ihrer Grossmutter mit dieser gleiche Länge hat, während die drei anderen kleiner sind. Die Schwesterzelle der eben erwähnten grössten ist, wenn wir die Gürtelbanddicke y nennen, um 2 y kürzer: ihr gleich ist diejenige Enkel- zelle, welche die kürzere Schale ihrer Grossmutter erbte. Am kleinsten ist end- lich die vierte Zelle, deren längere umschliessende Schale innerhalb der kleineren Schale der Grossmutterzelle entstand. Bezeichnen wir die ursprüng- liche Zelle mit a, die um 2y kürzere Tochterzelle mit a,, die um 4y kürzere Enkelzelle mit a, u. s. w. so erhalten wir folgende Uebersicht: a == a a a, a a a, a9 un m — ne — a a, a| a9 a| Ag a9 a, Aa 2, Ag, A, Ay Ag Ag a] Ag Ag A; Ag A; 2, &% USW. Zählen wir nach viermaliger Theilung die Zellen zusammen, so finden wir ı von ursprünglicher Länge 4 um die 2fache Gürtelbanddicke kürzere ea ” » „ 4 „ » 6 „ 2) ” 2) In» 8 „ ” ”„ ”„ und lässt sich dem entsprechend nach dem Binomialtheorem leicht die Anzahl der verschieden langen Zellen nach n Theilungen berechnen. Wenn sämmtliche Zellen dauernd zu einer Reihe verbunden bleiben, so muss deren ungleiche Länge zu dem umstehend dargestellten Schema führen, in welchem nur die ganz links liegende Zelle a, die ursprüngliche Länge hat, während alle anderen kürzer sind, a, schon erheblich hinter a, zurücksteht. !) Ueber die Verzweigung einiger Süsswasseralgen. N. Act. Acad. Leop. Car. Vol. 40. 436 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). Es ist dabei stillschweigend vorausgesetzt, dass ein Längenwachsthum der Schalen nicht stattfindet. Machen wir diese gleich genauer zu erörternde An- nahme, so ergiebt sich, dass, je öfter die Theilungen sich wiederholen, um so kleiner die durchschnittliche Länge der Zellen wird. Unter tausend Nachkommen einer Bacillariacee ist nur ein einziges Exemplar ebenso lang wie das ursprüng- liche, eines um die zwanzigfache Gürtelbanddicke kürzer, die meisten Zellen haben mittlere, zwischen diesen beiden Extremen liegende Dimensionen. Wenn die Theilungen in grosser Zahl einander folgen, so muss — immer unter der —- en a RER — {42 0072 SNL gl 3 ge 5 4 4- Sue Me dee Sa N 74 co oh (B. 256.) Fig. 13. Schema der Zelltheilungsfolge. oben gemachten Voraussetzung — schliesslich ein zwerghaftes Geschlecht ent- stehen und das um so eher, als Zufälligkeiten das Fortleben der einzigen der Urahne an Grösse gleichen Zelle und der wenigen nicht viel kleineren leicht gefährden können. Es ist nun gerade der charakteristische Zug der Sporenbildung bei den Bacillariaceen, dass dabei aus kleinen Exemplaren erheblich grössere entstehen und es liegt die Annahme sehr nahe, dass wir hier einen Vorgang haben, welcher die durch die Theilungen bewirkte Verringerung der Dimensionen der Zellen wieder ausgleicht. Während die Sporenbildung selbst bei den ver- schiedenen Gattungen in sehr verschiedener Weise geschieht, ist doch allen ge- meinsam der erhebliche Grössenunterschied zwischen den die Sporen erzeugenden letzten Zellen der alten Generation und den in der Spore entstehenden Erst- lingen einer neuen Entwicklungsreihe. Es werden dabei durchweg die kiesel- haltigen Membranen der alten Zellen abgestreift, und der freigewordene plasma- tische Inhalt wächst mächtig heran. Man erhält den Eindruck, als sei eben die starre verkieselte Membran ein Wachsthumshinderniss, das von Zeit zu Zeit abgeworfen wird, um mit einem Schlage das Gesammtwachsthum auszuführen, welches sich bei den weichhäutigen Algen auf alle Zellen langer Generationen vertheilt. Weil gerade das Wachsen, das ad&dveıv ein sehr wesentlicher Zug bei der Fortpflanzung der Bacillariaceen ist, nennen wir ihre Sporen Auxosporen. Ehe wir deren Entstehung genauer schildern, wird es zur Begründung der eben entwickelten Auffassung wichtig sein die Gründe zu nennen, welche gegen ein Längenwachsthum der Bacillariaceenschalen sprechen. In erster Linie ist hier zu erwähnen, dass die Zahl der Riefen, welche auf eine bestimmte Längen- einheit gehen, bei grossen und kleinen Exemplaren nur sehr geringen Schwankungen unterliegt. Wenn z. B. eine kleine Pinnularia viridis von z4,'' Länge, die auf 145 ı8,33 Riefen hat zur doppelten oder dreifachen Länge heranwachsen könnte, so müsste sie nach Vollendung dieses Wachsthums nur 9,16 beziehungs- 1) SCHUMANN, Beiträge zur Naturgeschichte der Diatomaceen. Verhandl. d. zool. botan. Gesellsch. in Wien, 1869, pag. 695. III. Die Lebenserscheinungen der Bacillariaceen. 437 weise 6,11 Riefen auf der gleichen Einheit zeigen — die Messung ergiebt aber 14,00 resp. 13,45. Man hat wohl eingewandt, es könnten neue Riefen zwischen den schon vorhandenen eingeschoben und so die dichtere Stellung wieder erreicht werden — aber eine solche Einschiebung müsste sich beobachten lassen und doch hat noch Niemand sie gesehen. Es ist ferner überhaupt kaum denkbar, wie in der dickeren, zwei Riefen von /innwlaria trennenden Leiste eine Riefe d. h. eine von aussen eindringende Vertiefung nachträglich gebildet werden sollte. Ein irgend erhebliches Längenwachsthum findet somit gewiss nicht statt — höchstens könnte man annehmen, dass nach jeder Theilung der eingetretene Längenverlust durch eine kleine Streckung wieder eingeholt würde. Dagegen spricht aber einmal, dass lange Bänder von Zimantidium, Fragilaria u. S. W. wirklich und thatsächlich die nach dem Schema Fig. ı3 bei unserer Annahme nothwendige schwach wellige Begrenzung ihrer Ränder zeigen, und zweitens namentlich der Umstand, dass nach allen Beobachtern, welche die Auxosporen- bildung der Bacillarieen verfolgt haben, immer ganz kleine, dem Längenminimum der Art nahe stehende Zellen diesen Vorgang zeigen, während er bei grösseren Exemplaren nicht beobachtet wird.!) Diese Thatsache wäre ganz unerklärlich, wenn wir nicht, wie oben geschehen, annehmen wollen, dass gerade die Sporen- bildung den durch die fortgesetzte Theilung in ihrer Länge herabgekommenen Zellen einen neuen Aufschwung zum Längenmaximum der Art gestattet. Hinsichtlich der Entstehungsweise der Auxosporen können wir drei Typen unterscheiden. Entweder findet eine Verschmelzung der vorher getrennten Plasmakörper zweier Zellen statt, oder es vollziehen, ohne dass ein derartiges Verschmelzen zu beobachten wäre, wenigstens zwei Zellen in gemeinsamer Gallert- hülle die Sporenbildung, oder endlich es bilden sich die Sporen aus nur einer vegetativen Zelle ohne jeden sichtlichen Befruchtungsvorgang. Die einfachste zum ersten Typus gehörige Form der Sporenbildung zeigen die Gattungen Suriraya,?2) Cymatopleura und Himantidium. Der Vorgang beginnt damit, dass sich zwei Zellen durch Gallertausscheidung mit einander verbinden: wo dieselben nach der Querebene nicht symmetrisch sind, hängen sie stets mit den spitzen Enden zusammen. Durch starke Wasseraufnahme werden dann die Gürtelbänder aus einander geschoben — die Zellen beginnen an den benach- barten Enden zu klaffen, während die Gallerte mehr und mehr das ganze Paar umhüllt. Etwa 6 Stunden nach Beginn der Erscheinung haben sich die plas- matischen Leiber beider Zellen ganz von ihren Membranen zurückgezogen und liegen als nackte, ellipsoidische Massen zwischen den leeren Membranen. Die beiden Plasmakörper nähern sich dann einander und fliessen rasch zu einem einzigen zusammen, womit die Befruchtung ähnlich wie bei Cossmarium, Spirogyra u. s. w. vollzogen ist. Die vereinigte Masse wächst dann stark in die Länge, wobei sie die ihren Enden ansitzenden leeren Schalenpaare von einander entfernt und scheidet endlich auf ihrer ganzen Aussenfläche eine glatte durchsichtige, ebenfalls kieselhaltige Membran ab; dieselbe ist im ganzen Entwickelungsgang der Bacillariaceen die einzige, welche nicht zweischalig, sondern wie bei den übrigen Pflanzen continuirlich ist. Die Endochromplattenpaare der beiden Mutter- zellen liegen anfangs getrennt im oberen und unteren Theil der Auxospore — später verschmelzen die einander zugewandten Ränder der Platten, so dass die I) PFITZER, Untersuchungen, pag. 155. 2) FockE, a. a. O., pag. 39 ff. PFITZER, Untersuchungen, pag. 117. SMITH, Synopsis II. D. Fig. 220. 438 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). Auxospore schliesslich ebenso viele besitzt wie die normalen Zellen. Das Ver- halten der Kerne ist noch genauer zu erforschen. Die Auxospore ist kein Ruhezustand — sofort nach ihrer völligen Ausbildung zieht sich das Protoplasma von der Membran zurück und scheidet zunächst eine Schale mit zugehörigem Gürtelband, dann innerhalb des letzteren eine zweite Schale mit Gürtelband ab. Innerhalb dieser neuen, nun zweischaligen Membran, deren Hälften sich von ihrer Entstehung an umfassen, liegt das gesammte Proto- plasma; zwischen der neuen Zellhaut und der glatten Membran der Auxospore bleibt nur farblose Flüssigkeit übrig, so dass erstere als lebende Zelle jetzt nicht mehr existirt. Indem dann die Erstlingszelle wachsend ihre Schalen von einander entfernt und so ihre Breite vergrössert, sprengt sie schliesslich die spröde Auxo- sporenhaut und tritt als erstes Glied einer neuen Reihe von vegetativen theilungs- fähigen Zellen frei ins Wasser aus, nachdem auch die anfangs gebildete Gallerte sich wieder aufgelöst hat. i Bemerkenswerth ist auch, dass beı allen Bacillariaceen die im Innern der Auxosporenhaut frei liegend gebildeten Schalen der Erstlingszellen gewöhnlich etwas minder regelmässig gebildet sind als diejenigen, welche bei gewöhnlicher Zweitheilung entstehen. Bei den beiden Tochterzellen jeder Erstlingszelle pflegen daher die beiden Schalen nicht ganz gleich zu sein — die grössere, umschliessende, entstand eben freier im Hohlraum der Auxospore. Da jedoch bei weiter fort- schreitender Theilung, wie oben ausgeführt wurde, immer nur eine einzige Zelle diese älteste Schale der neuen Generation erbt, so entschwinden diese Unregel- mässigkeiten rasch der Beobachtung. Auffallender Weise kreuzt bei Suriraya und Cymatopleura in der Regel die Theilungsebene der Erstlingszelle die Ebene, in welcher die Mittellinien der Schalen der Mutterzellen lagen — sehen wir die leeren Schalen rechts und links an den Enden der Gallertmasse liegen, so kehrt uns der Erstling seine Schalen zu. Eine weitere Complication erfährt der erste, auf Copulation zweier Zellen beruhende Sporenbildungstypus bei Zpifhemia und Amphora dadurch, dass die von Gallerte umhüllten beiden Mutterzellen sich vor der Vereinigung noch ein- mal und zwar in einer ganz neuen Richtung, nämlich parallel dem Querdurch- messer der Schalen theilen. So entstehen vier Tochterzellen, die nackt zwischen den klaffenden vier Membranhälften liegen und sich dann paarweise so zu zwei Auxosporen vereinigen, dass immer zwei Hälften verschiedener Mutterzellen copuliren. Die Richtung des stärksten Wachsthums der Auxospore ist hier nicht, wie bei den bisher besprochenen Formen, dem längsten Durchmesser der Mutter- „ellschalen parallel, sondern kreuzt denselben rechtwinkelig, Die somit quer zwischen den vier entleerten Membranhälften liegenden Auxosporen bilden dann die Erstlingszellen ganz wie im vorigen Fall. Zu der zweiten durch den Mangel einer eigentlichen Verschmelzung der frei gewordenen nackten Mutterzellen charakterisirten Gruppe gehören, wie es scheint, die sämmtlichen Naviculeen, Cymbelleen und Gomphonemeen, ferner nach SCHMITZ) auch Achnanthes exilis. Bei Frustulia saxonica Ren. (Mavicula crasst- nervia Br£p.)?) findet man die Zellen paarweise durch Gallerte zusammengehalten so gelagert, dass ihre Schalen annähernd parallel sind. Die Zellen klaffen dann !) Schmitz, Ueber die Auxosporenbildung der Bacillariaceen. Sitzungsber. d. naturf. Gesellsch. zu Halle. Juni 1877. 2?) PFITZER, Untersuchungen, pag. 69. III. Die Lebenserscheinungen der Bacillariaceen. 439 an den Seiten, die sie einander zuwenden, durch Auseinanderschieben der Gürtel- bänder auf, während in jeder der gesammte Inhalt sich zu einem Ellipsoid zu- sammenzieht. Die beiden ellipsoidischen Plasmamassen treten dann in Berührung, ohne jedoch jemals vollständig zu verschmelzen, da schon vorher um jede eine zarte Membran entstanden ist. werden cylindrisch mit stumpf abgerundeten Enden: nur diese Letzteren erscheinen derbwandig und glatt, im Uebrigen zeigt die dünne Auxosporenhaut grobe ringförmige Querstreifen bei gallertiger Aufquellung ihrer äusseren Schichten. Schliess- lich wird (Fig. 14) an jedem Ende der Auxosporen eine derbe Kappe abgestossen, während nur eine zarte innere Lamelle der Membran zu neuen spitzeren Enden auswächst. In jeder Auxospore entsteht dann eine die daneben liegenden leeren Zellhauthälften der Mutterzellen um mehr als das Doppelte an Länge übertreffende Erstlingszelle einer neuen Generation. Genauer ist deren weitere Entwickelung in Fig. ı5 bei Na- vicula cuspidata Krz. dargestellt. Die Auxosporen sind hier doppeltkegelförmig mit einem schwachen erhabenen Ring- wulst in der Mitte. In der linken Abbildung der Fig. ı5 ist erst eine von den beiden Schalen der Erstlingszelle, nämlich die linke gebildet: rechts erstreckt sich die mittlere dichte Plasmamasse sowie die Endochromplatten noch bis zu der dünnen Auxosporenmembran. Bei der mittleren Abbildung hat die Erstlingszelle schon ihre beiden in der Mitte freien, an den Enden noch der Auxosporenhaut anliegenden und in Folge dessen winkelig gebogenen Schalen. Rechts ist end- (Hmm ee Porteeeet N un, Ball) Fig. 14 Frustulia saxon Auxosporenb KIT Sie wachsen darauf stark in die Länge und SU SUEREN » (B. 257.) ZcaRABH. ildung. lich eine Zelle dargestellt, wie sie bei der ersten Theilung einer Erstlingszelle entsteht — die linke Schale zeigt noch die für die letztere charakteristische. winkelige Biegung, die rechte, deutlich kürzere, hat bereits die normale Gestalt der Schalen von Navicula cuspidata angenommen. Bei /innularia stehen die Auxosporen bis- weilen (?. hemiptera) nicht neben, sondern über einander; sonst scheinen aber nur wenige Varia- tionen vorzukommen. ScHMmitz,t) der die Auxo- sporenbildung von Cocconema Cistula genau ver- ) folgte, betont besonders, dass sich die | beiden durch eine Gallertmasse zur Auxosporen- bildung verbundenen Zellen niemals berühren und dass auch die Entwickelung der einen Zelle zur Auxospore nicht dadurch beeinträchtigt wird, dass die andere in irgend einem Zustand, selbst bevor sie irgend begonnen hatte die Schalen abzuwerfen, abstirbt. Derselbe beobachtete ferner auch Fälle, wo von vorn herein ein oder drei Zellen in einer Gallertmasse die Auxosporen- bildung begannen. hier I) Botan. Zeitung, 1872. pag. 217. Fig. 15. (B. 258.) Navicula cuspidata KTz., Auxosporen und Erstlingszellen. 440 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). Nach alledem ist es sehr zweifelhaft, ob man hier von einer Befruchtung sprechen kann. Dieselbe könnte einmal, da die Zellen sich nicht berühren, bei Cocconema jedenfalls nur durch Diffusion erfolgen und ausserdem müsste, da beide Zellen sich weiter entwickeln, jede von ihnen zugleich befruchten und be- fruchtet werden. Es ist aber schwer vorstellbar, dass ein- und derselbe plasma- tische Zellleib gleichzeitig männlich und weiblich sein sollte. Jede Andeutung eines Befruchtungsvorganges fehlt denn bei dem dritten Typus, den wir bei den Melosireen, Coscinodisceen, Biddulphieen, und bei Cocconeis finden. Als Beispiel sei Melosira varians!) (Fig. 16) gewählt. Die (B. 259.) Fig. 16. Melosira varians AG. Auxosporenbildung. Schalen sind hier glockenförmig und bilden ihre Gürtelbänder erst sehr spät, kurz vor der Zelltheilung. Bei den sich zur Auxosporenbildung anschickenden Zellen unterbleibt deren Bildung an der jüngeren, aus dem einschliessenden Gürtelband allmählich herausrückenden Schale, ganz. Das Plasma scheidet dann ringsum eine zarte neue Membran aus und die so verjüngte Zelle wächst, das einzige Gürtelband absprengend, stark in die Dicke (a), während sie sich gleich- zeitig gegen die jüngere Schale hin abrundet und so aus dieser heraustritt. Schliesslich (b) hat die Auxospore die Gestalt einer gestielten Kugel mit glatter einheitlicher Membran; einerseits, nach der älteren Schale ihrer Mutterzelle hin, erstreckt sie sich ganz in diese hinein, andererseits ist sie mit schwacher Zu- spitzung abgerundet. Die erste Schale der Erstlingszelle entsteht in dieser abge- rundeten Hälfte, welche auch stets den Zellkern enthält, und ist bei b allein vor- handen — bei c ist dann auch die zweite Schale gebildet, welche immer noch mit einem kurzen Ansatz versehen ist, welcher jedoch der dünnen Auxosporen- haut nicht überall anliegt. Indem die Erstlingszellen sich dann nach Sprengung der Sporenhaut theilen, entstehen Zellfäden, welehe zwei- bis dreimal so dick sind als diejenigen, von denen wir ausgingen. Bei Melosira fällt die Theilungsrichtung des letzten Fadens der alten (reneration mit derjenigen des ersten Fadens der neuen Entwicklungsweise zu- sammen. Bei Orthosira, Cyelotella und wohl überhaupt den Coscinodisceen kreuzen sich dagegen beide Richtungen rechtwinklig und liegt ausserdem die Auxospore freier in einer Gallertmasse zwischen den weit von einander getrennten Schalen der Mutterzelle. (Genauer zu untersuchen bleiben noch die marinen Achnanthes-Arten und Rhabdonema. Hier sollen aus einer Mutterzelle zwei Auxosporen entstehen.?) Es ist eine besonders merkwürdige Thatsache, dass nach dem eben Mitge- theilten bei den sonst so homogenen, eine so natürliche Gruppe bildenden Bacilla- riaceen die ebenfalls in allen wesentlichen Punkten übereinstimmenden Auxo- !) Pritzer, Untersuchungen, pag. 181, ScHMITZ, Auxosporenbildung. a. a. O. ?) SMitu, Synopsis. II. Taf. D. E. Lüpers, a. a. O. IV. Systematik. Geographische Verbreitung. 441 sporen theils durch eine Copulation, also durch einen unzweifelhaften Befruchtungs- vorgang, theils (Vavicwla u. s. w.) wenigstens aus zwei verbundenen Zellen, theils endlich ganz ungeschlechtlich, ohne jede Andeutung eines Befruchtungsprocesses entstehen. Es zeigt dies, wie misslich jede Eintheilung der Thallophyten nach rein sexuellen Gesichtspunkten ist. Da die Auxosporenbildung keinen Ruhezustand einleitet, so kann man die- selbe zu allen Jahreszeiten beobachten — selbst mitten im Winter kommt sie vor. Andere Fortpflanzungserscheinungen sind bei den Bacillariaceen nicht be- kannt — was von Schwärmsporen derselben angegeben worden ist, beruht auf einer Verwechslung mit den Zoosporen von Parasiten, welche die Bacillarien be- wohnen. Auch alle Angaben über Bildung ruhender kleiner Keime haben vor einer strengeren Kritik nicht bestehen können und ist auch der Entwicklungs- gang der Bacillariaceen, wie er vorstehend dargestellt wurde, so in sich abge- schlossen, dass nirgends eine Lücke die spätere Auffindung anderer Vermehrungs- formen erwarten lässt. IV. Systematik. Geographische Verbreitung. Die Gesammtzahl der bekannten Bacillariaceenarten ist schwer anzugeben; weil leider hinsichtlich des Artbegriffs noch nicht die nöthige Sicherheit erzielt ist. Die Unsitte nach einzelnen gefundenen Schalen neue Species aufzustellen, deren Variationsgebiet und Grenzen ganz unbekannt sind, hat hier grosse Ver- wirrung gestiftet, um so mehr, als in Folge der sehr zerstreuten Literatur oft die- selbe Form mehrmals unter verschiedenen Namen als neu beschrieben wurde. Es empfiehlt sich durchaus eine neue Art nur dann /einzuführen, wenn davon zahlreiche Exemplare vorliegen, die wenigstens einigermaassen die Grenzen der Variation erreichen können. Es lässt sich übrigens auch allgemeiner angeben, welche Merkmale ziemlich constant, welche dagegen variabel sind. Höchst be- ständig ist zunächst die feinere Structur der Schalen — die Form des Mittel- knotens, der Mittelspalten, sowie der sie begleitenden Linien und ebenso die Streifung. Schon von SmitH wurde der seitdem von SCHUMANN, CASTRACANE u. A. bestätigte Satz aufgestellt, dass die Gesammtzahl der Riefen für die einzelne Schale nach deren Grösse ausserordentlich wechselt, dass dagegen die Riefenzahl bezogen auf eine constante Längeneinheit, etwa einen Mikromillimeter, überaus constant ist. Man kann dabei jedoch als Regel annehmen, dass kleinere Exemplare ein wenig feiner gestreift sind als grössere — nach SCHUMANN zeigen ferner die aus höheren Gebirgslagen stammenden Zellen feinere Riefung als die in der Ebene lebenden Exemplare derselben Art. Sehr constant ist auch die Farbe der trockenen Schale, weit variabler dagegen schon die absolute Grösse der Zellen. Bei Cymatopleura Solea W. Sm., Epithemia gibba Krz. sind die grössten Exemplare wohl 9 mal so lang als die kleinsten; immerhin kommen jedoch so grosse Varia- tionen selten vor. Unter 470 Arten fand ScHuUmAnN nur 10, bei denen die Variation von a zu 5a, 29, bei denen sie von a: 3—4a, 70, bei denen sie von a:2—3a geht. Es würden danach 772 der in Betracht gezogenen Arten nur Schwankungen der Länge von ı:2 zeigen, doch ist vielleicht die Artbegrenzung bei SCHUMANN etwas eng gezogen. Auch das Verhältniss von Länge und Breite ist ziemlich wechselnd — die längsten Exemplare von Cymazopleura Solea sind z. B. nicht viel breiter als die kleinsten. 442 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). Sehr variabel ist der Umriss der Schalen und namentlich die Verkennung dieses Umstandes hat zu einer fehlerhaften Zerspaltung der Arten geführt. Es ist z. B. ganz sicher, dass dieselbe Art mit lang elliptischem Umriss, ‘mit einer oder mehreren Einschnürungen, mit zwei vorgezogenen Köpfen, mit keilförmigen oder rundlichen Enden u. s. w. vorkommt. Es ist ja auch leicht denkbar, dass alle diese Formen innerhalb des Gürtelbandes einer Zelle mit zwei langelliptischen Schalen entstehen können und ebenso kann eine Bacillariacee mit einer oder zwei Anschwellungen etwas schmälere Toochterzellen ohne solche produciren. Um zu einer bleibenden Artbegrenzung zu gelangen wird es nöthig sein einmal in Proben, welche einzelne Arten reichlich enthalten, deren Variations- grenzen möglichst genau zu bestimmen und zweitens die Auxosporenbildung aus- giebig zu verfolgen, bei welcher Zellen aus der unteren Grössenregion der Art Erstlinge von maximaler Grösse und häufig stark abweichender Form liefern, sodass in den Mutter- und Erstlingszellen gewissermaassen die Artgrenzen neben einander vorliegen. Wenn man die unnöthig getrennten Formen zusammenzieht, möchten die Süsswasserbacillariaceen kaum über 400 Arten zählen, während es jedenfalls eine viei grössere Menge Meeresformen giebt, sodass die Gesammtzahl der Arten wohl 2000 betragen mag. Für die Begrenzung der Gattungen kommen in Betracht namentlich die all- gemeinen Form- und Symmetrieverhältnisse der Schalen und Gürtelbänder, sowie kleinere Variationen im Bau des weichen Zellleibes und Verschiedenheiten in der Zelltheilung, namentlich in der Theilungsweise der Endochromplatten. Eine hierbei kritische Frage ist die, ob frei lebende, gestielte, fadenbildende und in Gallertröhren eingeschlossene Zellen einer Gattung angehören können, oder ob z. B. Cymbella, Cocconema, Encyonema wohlcharakterisirte Genera darstellen. Kür beide Alternativen lässt sich Manches anführen — entscheidend möchte einmal der Umstand sein, dass die schon an sich sehr grossen frei lebenden Gattungen Navicula, Cymbella u. s. w. durch das Hinzutreten der wegen ihrer Gallertbildungen abgetrennten Genera noch mehr anschwellen würden und dass somit die Ueber- sichtlichkeit durch Beibehaltungen von Gattungen, wie Schizonema u. S. w. ge- fördert wird. Ferner bleibt das Vorkommen in Gallertröhren u. s. w. doch immer der normale Zustand und werden die Zellen nur zeitweilig frei. Was dann die Anordnung der Gattungen zu grösseren Abtheilungen betrifft, so stehen sich zwei Richtungen gegenüber, deren eine lediglich nach dem Bau der Schalen gruppirt, während die andere in erster Linie den weichen Zellleib berücksichtigt. Dass das ältere erstere Verfahren unnatürlich ist, zeigt sich z. B. darin, dass viele Formen nach den Schalen allein betrachtet zu den Naviculeen gerechnet werden müssen, die nach ihrem inneren Bau unzweifelhafte Cymbelleen sind, und zweitens auch in der Unmöglichkeit, ohne Zuhülfenahme der Weich- theile zu scharfer Abgrenzung der genannten beiden Gruppen zu gelangen — gerade hier gehen deutlich nach der Mittellinie symmetrische und asymmetrische Formen, wenn wir nur die Schalen betrachten, ganz unmerklich in einander über, während nach dem Bau des weichen Zellleibes ganz scharfe Grenzen sich ziehen lassen. Mit der Zeit dürften daher die von dem Verf. dieser Zeilen eingeführten, sonst namentlich von P. Prrır angenommenen und erweiterten Anordnungs- principien sich allgemeine Geltung verschaffen. Die Eintheilung beruht danach wesentlich einmal auf dem Vorkommen von vielen Endochromkörnern oder wenigen Endochromplatten, dann weiter noch auf der Zahl und Lage der letzteren, { III. Systematik. Geographische Verbreitung. 443 ihrer Theilungsweise und auf der Auxosporenbildung. Wir erhalten so folgende Abtheilungen: 1. Bacillariaceae coccochromaticae. Mit zahlreichen Endochromkörnern. “A. Schalen centrisch gebaut: eine Mutterzelle bildet ungeschlechtlich eine Auxospore. a) Schalen kreisrund. ı. Zellen zu Fächern verbunden, ohne mittleren Plasmastrang: Melosireae. 2. Zellen meistens frei, mit mittlerem Plasmastrang. a. Ohne besondere, wahrscheinlich durchbohrte Fortsätze: Coscinodisceae. ß. Mit solchen Fortsätzen: Zupodisceae. b) Schalen polygonal oder im Umriss bilateral, jedoch mit centrischem Bau: Biddulphieae (einschliesslich Anguliferae). B. Schalen nach Umriss und Structur bilateral gebaut. Eine oder zwei Mutterzellen bilden zwei Auxosporen, soweit bekannt ungeschlechtlich. a) Schalen nach ihrer Längs- und Querebene symmetrisch. 1. Ohne Innenschalen: Zragzlarieae. 2. Mit .y Tabellarieae. b) Schalen nur nach ihrer Längsebene symmetrisch. 1. Ohne Innenschalen: Meridieae. 2. Mit = Licmophoreae. Il. Bacillariaceae placochromaticae. Mit einer oder zwei grossen Endochromplatten. A. Eine der convexen Schale anliegende Endochromplatte. Eine Mutterzelle bildet ungeschlechtlich eine Auxospore: Cocconeideae. B. Eine einzige schräg durch den Zellraum ausgespannte oder dem einen Gürtelband anliegende Endochromplatte. a) Ohne Knoten, aber mit Kielpunkten: WiZschieae. b) Mit Knoten. Schalen wenigstens nach einer Richtung nicht symmetrisch. 1. Zwei Mutterzellen bilden durch Copulation zwei zu ihnen rechtwinkelig liegende Auxosporen. Schalen nach der Längsebene nicht symmetrisch: Amphoreae. 2. Zwei Mutterzellen bilden ohne Copulation zwei ihnen parallele Auxosporen. a. Schalen nach der Längsebene nicht symmetrisch: Cymöelleae. ß. Schalen nach der Querebene nicht symmetrisch: Gomphonemeae. ec) Mit Knoten. Die gekielten oder geflügelten Schalen sind einfach oder Sförmig symmetrisch: Amphitropideae. C. Zwei den beiden Schalen anliegende Endochromplatten. Zwei Mutterzellen bilden durch Copulation zwei Auxosporen. a) Endochromplatten sich quer theilend: Schalen ohne ersichtliche Längsspalten. ı. Schalen durchgehend gestreift, nach der Längsebene nicht symmetrisch: Eunotieae. 2. Schalen mit plattem Mittelstreifen, in der Regel ganz symmetrisch: Synedreae. b) Endochromplatten sich ihrer Fläche parallel theilend, Schalen mit zwei dem Rande genäherten, auf Flügeln liegenden Längsspalten: Szrirayeae. D. Zwei den beiden Gürtelbändern anliegende Endochromplatten. Zwei Mutterzellen bilden ohne Copulation zwei Auxosporen. a) Mit je zwei Kielen auf jeder Schale, verlängertem Mittelknoten: Amphipleureae. b) Mit je einem Kiel auf jeder Schale, normalem Knoten: ZPagiotropideae. c) Ohne Kiele. Beide Schalen gleich: NVavicwleae. 444 Die Bacillariaceen (Diatomaceen). d) Ohne Kiele. Beide Schalen verschieden, Theilungsebene gebrochen: Achnantheae. Es bleibt endlich noch zu besprechen die Stellung der Bacillariaceen zu den übrigen niederen Pflanzen — dass sie keine Thiere sind, scheint mir eines be- sonderen Beweises nicht mehr zu bedürfen. Man hat im Allgemeinen die Bacil- lariaceen der Ordnung der Conjugaten beigezählt, indem man sich darauf stützte, dass auch bei ihnen Sporenbildung durch Copulation vorkommt. Da jedoch, wie wir gesehen haben, die meisten Gattungen ıhre Sporen ohne Verschmelzung zweier Zellen bilden und es überhaupt zu den unnatürlichsten Gruppirungen führt, wenn man allein nach dem Fortpflanzungsprocess ein System zu entwerfen versucht, so ist die Verwandtschaft der Bacillariaceen mit den sonstigen Conju- gaten, den Desmidiaceen, Zygnemaceen u. s. w. doch nur eine sehr lockere. Es scheint vielmehr, wie dies auch Bd. I. pag. 170 geschehen ist, weit natürlicher, die Bacillariaceen als eine ganz besondere Ordnung aufzufassen, die ich schon 1872 als »Auxosporeen« bezeichnete, und welche ihre nächsten Verwandten allerdings wohl einerseits bei den Conjugatae, andererseits bei den Schizophyceae (Phy- cochromaceae) hat. Die charakteristischen Merkmale, welche die Auxosporeen als eigene Ordnung kennzeichnen, sind die folgenden: ı. die Zweischaligkeit der Zellmembran, 2. deren Unfähigkeit zu continuirlichem Längenwachsthum, 3. das Vorkommen von Oeffnungen in der Membran, ohne das diese Oeffnungen Wimpern den Aus- tritt gestatten, 4. die Bildung von Auxosporen mit einheitlicher Membran, in welchen die grossen Erstlingszellen einer neuen sich bei der Zelltheilung allmählich verkleinernden Generation entstehen, 5. das Vorkommen eines das Chlorophyll begleitenden charakteristischen Farbstoffs. Die den Auxosporeen und den Con- jugaten gemeinsamen Züge sind die Sporenbildung durch Copulation, das Vor- kommen grosser, bestimmt geformter Endochromplatten und die Zusammensetzung der Zellen aus zwei annähernd gleichen aber ungleich alten Hälften, welche ja namentlich bei den Desmidiaceen so deutlich hervortritt. Während aber bei den letzteren die Zellmembran bis auf eine innerste Lamelle bei jeder Theilung in zwei Hälften gesprengt wird, zwischen welche sich die neugebildeten einschieben’ (vergl. Bd. II. pag. 293) ist bei den Auxosporeen der Zweischaligkeit der Membran wegen eine derartige Sprengung nicht nöthig. Auch daran mag erinnert werden, dass die in den Zygosporen der Desmidiaceen entstehenden Erstlinge einer neuen Generation ebenfalls etwas abweichende Membranbildung haben, so dass ganz wie bei den Bacillarieen erst bei der zweiten Theilung ganz normale Zellen ent- stehen (vergl. Bd. II. pag. 294). Unter den Schizophyceae stehen den Auxosporeen noch am nächsten die Nostochineen (vergl. Bd. II. pag. 305). Einmal ist auch hier ausser dem Chlorphyli noch ein besonderer Farbstoff vorhanden, zweitens ist die Sporenbildung von der bei Melosira, Cocconeis u. s. w. beschriebenen nur dadurch verschieden, dass die alte Membran der sich zur Spore umwandelnden Zelle nicht abgestreift wird und dass die entstehenden Sporen eine Ruhezeit durchmachen. Auch die mancherlei Gallertbildungen kommen in beiden Gruppen in ähnlicher Weise vor. Schliesslich kann wohl noch die Frage aufgeworfen werden, ob es bei den Bacillarieen auch bestimmte Florengebiete giebt, wie bei den höheren Pflanzen. Es ist dies jedenfalls nur in sehr beschränktem Maasse der Fall; sehr zahlreiche Arten scheinen über den ganzen Erdball verbreitet zu sein und zwar sind sie dies nicht bloss jetzt, sondern waren es schon vor sehr langen Zeit- IV. Systematik. Geographische Verbreitung. 445 räumen — die im Bernstein und anderen tertiären Ablagerungen gefundenen Arten sind vielfach von den heute in denselben Gegenden vorkommenden nicht zu unterscheiden. Wenn aber auch z. B. oft Proben aus dem Innern Afrika’s oder Amerika’s fast nur gemeine europäische Formen enthalten, so giebt es doch immerhin auch hier Ausnahmen. So werden z. B. als rein arktische Arten be- zeichnet 7’halassiosira Nordenskioldii, Achnanthes arctica, Amphora lanceolata, Synedra kamtschatica; als specifisch tropisch wäre T7erpsinoe musica, als alpin Gomphonema geminatum zu nennen. Umgekehrt ist z. B. der sonst so häufige Actinoptychus undulatus niemals im nördlichen Eismeer gefunden worden. Auf die Frage, welche Werke für das Bestimmen der Bacillariaceen vorzugsweise zu empfehlen seien, ist schwer zu antworten, da es an einer allgemeinen syste- matischen Monographie fehlt. Dem Anfänger wird vielleicht immer noch Smer#’s »Synopsis of the British Diatomaceae« die besten Dienste leisten — einige Gruppen sind von GRUNOw in ausgezeichneter Weise bearbeitet. (Schriften d. zool. botan. Gesellschaft in Wien. 1860. 1862.). ScHMmipr's Atlas der Diatomaceenkunde ent- hält zahlreiche schöne Abbildungen aber ohne genügenden Text und ohne dass der Verf. selbst die nöthige Klarheit über die Grenzen der von ihm abgebildeten Arten verbreitete. Im Uebrigen ist in Zeitschriften ein überaus reiches Material zerstreut, welches hier aufzuführen nicht wohl möglich ist. Es ist dem Leser vielleicht aufgefallen, dass in vorstehender Abhandlung stets von Bacillariaceen und.nicht von Diatomaceen gesprochen worden ist. Nach den Regeln der botanischen Nomenclatur ist eben der erstere Namen der berechtigte. Die Gattung Bacillaria wurde schon 1788 begründet und besteht noch heute, während es eine Bacillariaceen-Gattung Diafoma von Rechts wegen nicht giebt, da sie erst 1805 begründet wurde, trotzdem LOoUREIRO schon 1790 denselben Namen an eine Myrtacee vergeben hatte. Auch die ganze Gruppe wurde zuerst von Nitzsch (1817) und BorRY DE ST. VINCENT (1822) Bacillarien genannt, während erst 1824 der Name Diatomeen zum ersten Male auftaucht. Auch EHRENBERG, dessen Untersuchungen auf diesem Gebiet so besonders aus- gedehnt sind, hat stets den ersteren Namen gebraucht, der nur in Frankreich und England weniger üblich war und allmählich auch in Deutschland trotz seiner Berechtigung minder oft gebraucht wurde. Ausserdem ist »Bacillarie« viel be- zeichnender als »Diatomee«, da alle Algen, ja alle Pflanzenzellen zerschneidbar, d. h. theilungsfähig sind, während gerade die starre, stabähnliche Gestalt hier das Charakteristische ist. System der Pflanzenphysiologie. Dr. W. Detmer, Professor an der Universität Jena, Zweiter Theil. Physiologie des Wachsthums. Erster Abschnitt. Die allgemeinen Eigenschaften wachsender Pflanzentheile und das Wesen des Wachsthumsprocesses. Erstes Kapitel. Einleitende Bemerkungen. $ ı. Ernährung und Wachsthum. Es unterliegt keinem Zweifel, dass ein erfolgreiches Studium der Wachsthumsphänomene allein für den- jenigen möglich, ‘der mit den Lehren der Ernährungsphysiologie vertraut ist. Das Wachsthum der Zellenbestandtheile (Zellhaut, Stärkekörner, pro- toplasmatische Gebilde), und damit das Wachsthum des gesammten Pflanzen- körpers, kann allein dann zur Geltung kommen, wenn die für diesen Vorgang verwerthbaren, durch den Ernährungsprocess erzeugten Stoffe vor- handen sind, und wenn es zugleich nicht an den für das Zustandekommen des Wachsthums geeigneten Kraftquellen mangelt. Eine Pflanzenzelle, welche nicht assimilatorisch thätig ist, oder welcher überhaupt keine hinreichenden Quantitäten plastischer Stoffe zur Disposition stehen, kann keine normalen Wachsthumser- scheinungen zeigen. Es sind eben in diesem Falle die Grundvoraussetzungen für das Zustandekommen des Wachsthumsprocesses nicht erfüllt. Für eine sachgemässe Beurtheilung der Beziehungen zwischen den Vor- gängen der Ernährung und des Wachsthums ist es aber wichtig, daran zu erinnern, dass jener erstere Process keineswegs immer in seinem ganzen Um- fange in den wachsenden Zellen zu Stande kommt. In einem einzelligen Orga- nismus ist allerdings die physiologische Arbeitstheilung, wie man einer solchen bei complicirt gebauten Gewächsen begegnet, noch nicht ausgebildet, und die ge- sammten Ernährungsvorgänge sowie das Wachsthum können in diesem Falle also zeitlich sowie räumlich ungetrennt, d. h. in einer und derselben Zelle, stattfinden. Ganz anders gestaltet sich aber das Verhältniss zwischen Ernährung und Wachs- thum, wenn man namentlich solche sich unter normalen Umständen entwickelnde Pflanzentheile betrachtet, welche, wie viele Trichomgebilde, Wurzeln oder Blüthen- theile, nicht im Stande sind assimilatorisch thätig zu sein, aber dennoch nur unter Beihülfe der Assimilationsprodukte zur Ausbildung gelangen. Einer der wichtigsten Ernährungsvorgänge, nämlich die Produktion organischer Substanz SCHEnk, Handbuch der Botanik. Bd. II. 29 \ 4 5 P) d u Li En Dr Be a danke 75 m y N , i N PReE N N - 4 “N AN 448 System der Pflanzenphysiologie. aus rein anorganischem Material, ist in den chlorophylifreien Zellen der erwähnten Organe nicht möglich, aber dieselben wachsen dennoch. Ebenso können die Wurzeln, Stengel sowie Blätter solcher Pflanzen, die sich im Dunkeln ausbilden, ein sehr energisches Wachsthum unterhalten, wenn denselben nur hinreichende Mengen plastischen Materials aus Reservestoffbehälter (Knollen, Zwiebeln, Cotyie- donen etc.) zuströmen, und in diesen Fällen lässt sich auch der Nachweis leicht führen, dass eine Pflanze als Ganzes nicht von aussen her ernährt zu werden braucht, trotzdem ihre einzelnen Theile lebhaft wachsen. Nach alledem sind Ernährung und Wachsthum grundverschiedene Processe, und wenngleich das Wachsthum einer Zelle allein bei Gegenwart gewisser plastischer Stoffe in der- selben möglich ist, so kann dieser Vorgang dennoch ohne gleichzeitige Ernährung der ganzen Pflanze von aussen erfolgen. Uebrigens reicht die Gegenwart grösserer Quantitäten plastischer Stoffe in einem Pflanzentheil ebenso wenig allein aus, wie dies die ausgewachsenen, aber noch assimilirenden Blätter deutlich erkennen lassen, um Veranlassung für das Zustandekommen von Wachsthumsprocessen zu geben. S 2. Begriffsbestimmung. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch bezeichnet man als Wachsthum der Pflanzen und Thiere diejenigen Vorgänge, welche zu einer Gestaltveränderung und Massenzunahme der Organismen führen. Diese Definition genügt aber den wissenschaftlichen Anforderungen keineswegs, denn sie ist durchaus nicht erschöpfend und kann überdies leicht zur Entstehung der mannigfaltigsten Irrthümer Veranlassung geben. Der Begründer der heutigen Wachsthumphysiologie, JuLıus SacHus, der wie keiner vor ihm die Probleme der Physiologie des Wachsthums erkannt und bereits eine Reihe classischer Unter- suchungen zur Lösung der sehr schwierigen einschlägigen Fragen ausgeführt hat, legt deshalb mit Recht ein grosses Gewicht auf eine genaue Begriffsbestimmung des Wortes »Wachsen« ). Es ist allerdings sicher, dass die bestimmt umschriebenen Theile einer Pflanze oder gar diejenigen Partien einer Zelle, welche Wachsthumserscheinungen zeigen, eine Massenzunahme erfahren, aber damit ist noch keineswegs gesagt, dass der gesammte Organismus oder die ganze Zelle etwas Aehnliches zeigen müsse. Werden z. B. Samen im Dunkeln zum Keimen ausgelegt, so vergrössert sich zwar das Volumen sowie das Gewicht des Embryo sehr bedeutend; die ganze Pflanze erfährt aber, trotzdem Wachsthumserscheinungen ganz unzweifelhaft an derselben hervortreten, keine Massenzunahme, sondern im Gegentheil eine Massenabnahme. Diese letztere kann unter Umständen so weit gehen, dass sich das Trockenge- wicht des gesammten Untersuchungsobjects schliesslich bis auf die Hälfte des ursprünglichen Gewichts vermindert, und die Massenzunahme der bestimmt um- schriebenen wachsenden Pflanzentheile (Wurzeln, Stengel, Blätter) kommt in diesem Falle nur dadurch zu Stande, dass dieselben die in dem Endosperm, dem Perisperm oder den Cotyledonen vorhandenen Reservestoffe, nachdem diese zu- nächst eine theilweise Zersetzung erlitten haben, verbrauchen. Ebenso genügt es keineswegs, die Gestaltveränderung eines Pflanzentheils als alleiniges Merkmal für das Stattfinden von Wachsthumsprocessen anzuführen, denn es treten häufig Gestaltveränderungen an durchaus nicht wachsenden Pflanzentheilen hervor. Derartiges macht sich z. B. geltend, wenn Stamm- gebilde oder Wurzeln durch bestimmte äussere Kräfte gedehnt, comprimirt I) Vergl. Sacus, Lehrbuch d. Botanik. 4. Aufl. 1874. pag. 741. I. Abschnitt. ı. Einleitende Bemerkungen. 449 oder gebogen werden, wenn Amylumkörner oder Samen in Contact mit Wasser Quellungsphänomene zeigen, und wenn Pflanzentheile, indem sie an ihre Umgebung durch Verdunstung Wasser abgeben, ihre normale Turgescenz mehr oder minder einbüssen. In allen diesen Fällen treten Gestalt- oder Volumenveränderungen der pflanzlichen Gebilde hervor, die ihre Entstehung aber durchaus keinen Wachsthumsprozessen verdanken. Die Discussion über den wissenschaftlichen Begriff des Wortes »Wachsthum« liesse sich noch sehr weit fortführen, ich ziehe es hier aber vor, die Begriffsbe- stimmung sogleich zu geben und derselben nur noch wenige erläuternde Be- merkungen beizufügen. Als Wachsthum der Pflanzentheile ist derjenige Process aufzu- fassen, welcher unter Mitwirkung organisatorischer Momente, die in den Zellen zur Geltung kommen, zu einer nicht wieder rückgängig zu machenden Gestalt- oder Volumenveränderung der Pflanzentheile führt. Wenn die Zellen eines bestimmten Gewebes gewisse Formen annehmen, oder wenn sich jedes Individuum einer Pflanzenspecies stets nahezu in derselben Weise ausbildet, so haben wir es unzweifelhaft mit Erscheinungen zu thun, deren wesentlichste Ursachen auf die Thätigkeit organisatorischer, in den Pflanzen selbst wirkender Momente zurückgeführt werden müssen. Es soll dieser Momente im folgenden Paragraphen specieller gedacht werden, und ich möchte hier nur noch darauf hinweisen, dass die Gestalt- oder Volumenveränderungen der Pflanzen- theile, welche unter Mitwirkung derselben zu Stande kommen, und die wir als Wachsthumserscheinungen auffassen, nicht ohne weiteres wieder rückgängig zu machen, sondern als bleibende zu bezeichnen sind. Jene bereits oben erwähnten Gestalt- oder Volumenveränderungen quellender Samen oder welkender Pflanzen- theile etc. sind eben deshalb nicht als Wachsthumsphänomene aufzufassen, weil dieselben leicht wieder durch Wasserabgabe, resp. Wasseraufnahme seitens der Pflanzentheile rückgängig gemacht werden können. Wenn dagegen Wachsthums- processe stattgefunden haben, so sind die dadurch bedingten Gestalt- oder Vo- lumenveränderungen der Pflanzentheile fixirt. S 3. Die Wachsthumsbedingungen. a) Aeussere Wachsthums- bedingungen. Soll ein Pflanzentheil Wachsthumserscheinungen zeigen, so müssen demselben bestimmte Quantitäten plastischer Stoffe zur Disposition stehen, es darf nicht an Wasser sowie an freiem Sauerstoff mangeln!), und die Temperatur- verhältnisse müssen geeignete sein. Ohne diese nothwendigen Wachsthums- bedingungen ist das Zustandekommen des Wachsthumsprocesses überhaupt unmöglich. Wenn die Temperatur z. B. unter einen bestimmten, für verschie- dene Pflanzentheile allerdings nicht gleichen Grenzwerth sinkt, oder wenn sie zu sehr gesteigert wird, so hört jedes Wachsthum auf. Dasselbe kann allein bei Temperaturen innerhalb der Grenzwerthe zu Stande kommen und wird dann in seiner Geschwindigkeit ganz wesentlich von den herrschenden Temperaturver- hältnissen beeinflusst. Als eine andere Reihe äusserer Wachsthumsbedingungen sind die Neben- bedingungen des Wachsthums anzusehen. Hierher gehören das Licht, die Schwerkraft (Gravitation), sowie Druckverhältnisse etc., und für diese Nebenbe- 1) Hier muss übrigens bemerkt werden, dass einige Pflanzen, wie an anderer Stelle ge- nauer gezeigt werden soll, bei völligem Sauerstoffmangel wachsen können. 29* 450 System der Pflanzenphysiologie. dingungen ist es charakteristisch, dass dieselben zwar nicht absolut nothwendig vorhanden sein müssen, um das Wachsthum überhaupt zu ermöglichen, dass sie den Verlauf desselben aber dennoch in bestimmter Weise beeinflussen. Es wird später specieller davon die Rede sein, dass z. B. das Licht auf das Wachs- thum der Zellen in wesentlicher Weise einwirkt, aber der Beweis dafür, dass das Licht nicht als eine absolut nothwendige Wachsthumsbedingung, sondern nur als eine Nebenbedingung anzusehen ist, muss als unmittelbar erbracht angesehen werden, wenn man sich an die Thatsache des sehr ausgiebigen Wachsthums von Pflanzentheilen bei völligem Ausschluss der Lichtstrahlen erinnert. b) Die inneren, historischen oder ererbten Wachsthumsbe- dingungen. Es ist bekannt, dass jeder Pflanzentheil, z. B. ein Blatt oder ein Inter- nodium, nur eine gewisse Zeit lang fortwächst, und dass ebenso die Geschwindig- keit, mit der das Wachsthum während der auf einander folgenden Entwicklungs- stadien eines Pflanzentheils statt hat, keineswegs stets dieselbe ist, selbst dann nicht, wenn die äusseren Wachsthumsbedingungen immer in gleicher Weise auf die im Wachsthum begriffenen Zellen einwirken. Demnach übt also der Alterszustand der Pflanzentheile einen Einfluss auf ihr Wachsthum aus, oder es werden, um es mit anderen Worten zu sagen, Hand in Hand mit dem gerade erfolgenden Wachs- thum in den Zellen Zustände hervorgerufen, die auf das fernere Wachsthum in bestimmter Weise einwirken. Neben diesen inneren Wachsthumsbedingungen existiren aber noch ander- weitige, die ihren Grund von vornherein in den specifischen Eigenthümlichkeiten der einzelnen Pflanzentheile selbst haben. Wenn eine bestimmte Pflanzenspecies im Allgemeinen ein sehr energisches Wachsthum, eine andere ein sehr schwaches zeigt, wenn das Wachsthum des einen Theiles einer Pflanze von einer äusseren Wachstumsbedingung in wesentlich verschiedener Weise wie dasjenige eines anderen Theiles des nämlichen Organismus beeinflusst wird"), oder wenn gleich- namige Glieder (z. B. die Blätter) verschiedener Pflanzenarten ganz abweichende Formen annehmen, so setzt das Zustandekommen dieser Phänomene offenbar die Mitwirkung innerer Wachsthumsursachen voraus, welche auf den specifischen Charakter der Zellen selbst zurückgeführt werden müssen. Das Wachsthum steht eben unter dem Einflusse jener bereits im zweiten Paragraphen erwähnten orga- nisatorischen Momente, für welche zumal dies eigenthümlich ist, dass jede äussere Wachsthumsbedingung unter ihrer Mitwirkung das Wachsthum selbst nur in ganz bestimmter Weise beeinflussen kann, und dass die in Folge des Wachsthums in den Pflanzentheilen hervorgerufenen Veränderungen als bleibende, nicht wieder ohne weiteres rückgängig zu machende erscheinen. Wenn die inneren Wachsthumsbedingungen auch als historische oder er- erbte bezeichnet wurden, so geschah dies, weil dieselben, abgesehen von jenen durch den Fortgang des Wachsthumsprocesses selbst erst hervorgerufenen, den Zellen, in welchen sie zur Geltung kommen, von vornherein in Folge ihrer Ab- stammung eigenthümlich sind. Jeder Pflanzentheil, ja jede Zelle besitzt be- stimmte Eigenschaften, die nicht erst im Verlaufe des Lebens erworben werden, sondern die von Anfang an für dieselben charakteristisch sind. Diese Eigen- schaften der Zellen werden durch Vererbung einem Pflanzenindividuum von an- deren übermittelt und sind für eine bestimmte Pflanzenspecies der Hauptsache !) So werden wir später sehen, dass z. B. die Schwerkraft auf die Wurzeln und Stamm- gebilde einer und derselben Pflanze in durchaus verschiedener Weise einwirkt. wu u I. Abschnitt. ı. Einleitende Bemerkungen. 451 nach unveränderlich. Die inneren Wachsthumsbedingungen sind also als etwas Gegebenes anzusehen, sie hängen mit der specifischen Natur der Zellen auf das Innigste zusammen, wir können sie nicht leicht beseitigen, und es ist bei dem Studium des Wachsthumsprocesses von fundamentaler Bedeutung, ihren Ein- fluss keinen Augenblick unberücksichtigt zu lassen. Uebrigens muss vor der Anschauung gewarnt werden, als ob die inneren Wachsthumsbedingungen ihre Entstehung ganz besonderen Kräften verdankten. Die Existenz der inneren Wachstnumsbedingungen muss vielmehr auf die Thätig- keit der nämlichen physikalischen und chemischen Kräfte zurückgeführt werden, welche ihren Einfluss auch noch heute auf die pflanzlichen Zellen geltend machen; nur sind uns die specifischen Eigenthümlichkeiten der Zeilen, welche den inneren Wachsthumsbedingungen zu Grunde liegen, vor der Hand allerdings fast völlig unbekannt. Es erscheint mir von principieller Bedeutung zu sein, als Träger der inneren Wachsthumsbedingungen das Protoplasma der Zellen anzusehen, und alle Erscheinungen auf die specifischen Eigenthümlichkeiten des- selben zurückzuführen. Ich meine, dass Sachs!) der Physiologie einen grossen Dienst geleistet hat, indem er nachdrücklich betont, dass seiner Ansicht nach mit den Formverschiedenheiten der Organe materielle Substratverschiedenheiten der- selben verbunden sind. Ich glaube annehmen zu dürfen, wie ıch bereits an anderer Stelle andeutete,?) dass in der That die lebendigen Eiweissmoleküle oder Lebens- einheiten des Protoplasma, die man auch zweckmässig als physiologische Ele- mente bezeichnen kann, eine sehr verschiedenartige Natur besitzen. Nimmt man an, dass nicht allein die physiologischen Elemente verschiedener Pflanzen- species, sondern ebenso diejenigen der verschiedenen Organe einer bestimmten ‘ Pflanzenart nicht genau den nämlichen Charakter tragen, so wäre damit der Ausgangspunkt einer für die Physiologie gewiss fruchtbaren Hypothese gegeben. Endlich will ich noch betonen, dass es unzweifelhaft für das Verständniss des Wesens der inneren oder ererbten Wachsthumsursachen sehr wichtig sein dürfte, die sogen. Nachwirkungserscheinungen der Spannungszustände sowie der Wachsthumsprocesse recht eingehend zu studiren. Diese Nachwirkungen, von denen noch mehrfach die Rede sein wird (vergl. $ ı5, 38, 42 etc.), führen da- hin, dass Pflanzen, die zunächst unter dem Einfluss wechselnder äusserer Ein- flüsse vegetirten und in Folge dessen Schwankungen ihrer Spannungszustände und Wachsthumsbewegungen erkennen liessen, selbst dann noch entsprechende Ver- änderungen der Spannung sowie des Wachsthums zeigen, wenn sie nachträglich constant bleibenden äusseren Bedingungen ausgesetzt werden. Es scheint mir, dass zwischen den Ursachen sowie den Phänomenen der Nachwirkung einer- und der Vererbung andererseits in der That nur ein gradueller, ein quantita- tiver Unterschied besteht, und da die Nachwirkungserscheinungen einem ein- dringenden Studium gewiss zugänglich sind, so würden bezügliche Untersuchungen zugleich eine Bedeutung für das Verständniss der Vererbungsphänomene gewinnen können. I) Vergl. Sachs, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. 2. pag. 452. ?) Vergl. DETMER, landwirthschaftl. Jahrbücher. Bd. 10. pag. 751. 452 System der Pflanzenphysiologie. Zweites Kapitel. Allgemeine Eigenschaften wachsender Pflanzentheile. $ 4. Aufzählung der Eigenschaften. Den wachsenden Pflanzentheilen kommt eine Reihe von Eigenschaften zu, die ihnen allerdings nicht ausschliess- lich eigenthümlich sind, deren Kenntniss aber für das Verständniss der Wachs- thumserscheinungen ein hervorragendes Interesse beansprucht. Die wachsenden Zellenbestandtheile (die verschiedenen protoplasmatischen Gebilde, die Amylum- körner sowie Zellmembranen) sind, wie bereits im 29. Paragraphen des ersten Theils meines Systems der Pflanzenphysiologie auseinandergesetzt worden ist, imbibitionsfähig, d. h. sie sind in Folge ihrer eigenthümlichen Organisations- verhältnisse in Berührung mit Flüssigkeiten im Stande, die Moleküle derselben zwischen ihre festen Partikel (Tagmen oder Micellen) aufzunehmen. Die auf diesem Wege herbeigeführte Erscheinung der Quellung der organisirten pflanz- lichen Gebilde ist für die Mechanik des Wachsthumsprocesses, wie später speciell gezeigt werden soll, von sehr grosser Bedeutung. Die wachsenden Pflanzentheile setzen äusseren Einwirkungen, wie dies alle Körper thun, gewisse Widerstände entgegen. Je nach dem Grade der Wider- standsfähigkeit unterscheidet man harte und weiche pflanzliche Gebilde; zu den ersteren gehören die verholzten Membranen, zu den letzteren die Chlorophyll- körper, und das Protoplasma. Solche Gebilde, die eher den Zusammenhang ihrer Theilchen aufgeben, als dass sie ihre Form unter dem Einfluss äusserer Einwirkungen (Druck und Zug) wesentlich ändern, werden als spröde bezeich- net (z. B. Amylumkörner). Dehnbare Körper sind solche, welche ihre Form unter dem Einfluss von Zugkräften oder von Biegungsursachen beträchtlich ändern. Wenn die gedehnten Körper ihre ursprüngliche Form nach Beseitigung der Dehnungsursache wieder mehr oder minder annehmen, so werden sie als im höheren oder geringeren Grade elastische bezeichnet. $ 5. Dehnbarkeit und Elasticität. Die Dehnbarkeits- sowie Elasticitäts- verhältnisse der Pflanzentheile besitzen für die Theorie des Wachsthums eine so hervorragende Bedeutung, dass wir denselben in einem besonderen Paragraphen unsere Aufmerksamkeit zuwenden müssen. Sachs, der die Wichtigkeit der hier in Rede stehenden Eigenschaften der wachsenden Pflanzentheile klar erkannte, hat auch Untersuchungen zu deren genauerer Feststellung ausgeführt!). Er be- nutzte wachsende Stengeltheile zu seinen Versuchen und brachte am oberen sowie unteren Ende je eines abgeschnittenen Internodiums mit chinesischer Tusche feine Striche als Marken an. Ober- und unterhalb der Marken wurden die Sprosse mit den beiden Händen gefasst und auf einer Millimetertheilung liegend, so stark wie möglich, aber ohne dass die Gefahr des Reissens eintrat, gedehnt. Einige Beobachtungen lieferten die folgenden Ergebnisse: Ursprüngliche Restirt eine bleiben- Namen der Pflanze. Länge des Interno- Wurde gedehnt de Verlängerung diums. " um pCt. der Länge. von Sambucus nigra 26 Millim. 18,0 $ 5,4 $ das nächst ältere Internodium 65 ,„ BIEY 1.03, noch älteres Internodium IH, 3 0,8 ,, 0,0 ,, Aristolochia Sipho 91,0.,4 PR u nächst älteres Internodium 220. 05, 2,6, 0,8 „, ) Vergl. Sachs, Lehrbuch der Botanik. pag. 753- I. Abschnitt. 2. Allgemeine Eigenschaften wachsender Pflanzentheile. 453 Auf die Zahlen der letzten Columme komme ich weiter unten noch zurück; hier ist zunächst dies Resultat der Versuche von SacHs für uns von Wichtigkeit, dass wachsende Sprosse im frischen Zustande einen nicht unerheblichen Grad von Dehnbarkeit besitzen. Die weitere Verfolgung des hier berührten Gegenstandes musste natürlich auch zu der Frage führen, wie sich die Dehnung des Gewebes verschiedener Zonen eines und desselben Internodiums unter der Einwirkung der nämlichen Kraft gestaltet. Man wird aber bei der Ausführung der bezüglichen Unter- suchungen von vornherein darauf zu achten haben, ob sich die Pflanzentheile, mit denen man experimentirt, im Zustande normaler Turgescenz befinden, oder ob dies nicht der Fall ist. Bestimmt man nämlich die Dehnbarkeit turgescirender Pflanzentheile, so misst man nicht die Grösse der totalen Dehnbarkeit derselben, sondern, da die Zellen bereits unter dem Einfluss des Turgors gedehnt sind, nur die Differenz zwischen der totalen Dehnbarkeit und der durch den Turgor be- reits vorhandenen Ausdehnung. DE VRrIES!) bestimmte die Dehnbarkeit turgescirender Pflanzentheile und fand, dass bei Sprossen, unabhängig von dem Alter derselben, das Maximum der Dehnbarkeit in unmittelbarer Nähe der Endknospe liegt. Physiologisch weit wichtiger ist offenbar die Frage nach der Vertheilung der Dehnbarkeit an solchen Pflanzentheilen, die nicht turgesciren, und DE VrıEs?) hat auch dieses Problem speciell bearbeitet. Die zu diesem Experimente dienenden wachsenden Sprosse wurden zunächst unter Anwendung der plasmolytischen Methode, auı welche wir später noch eingehender zurückkommen werden, ihres Turgors voll- ständig beraubt und nach der natürlich erfolgten Verkürzung bei der Ausführung derjenigen Versuche, die gerade für uns ein besonderes Interesse beanspruchen, so stark gedehnt, dass sie ihre ursprüngliche Länge wieder annahmen. Auf die Sprosse waren in bestimmten Entfernungen Tuschestriche als Marken angebracht worden, und es ergaben sich, auf eine Anfangslänge der einzelnen Partialzonen von 2o Millim. berechnet, z. B. die folgenden Werthe für die Verkürzung der Partialzonen in Folge des Turgorverlustes durch Plasmolyse sowie für die Ver- längerung in Folge der Dehnung. Junge Blüthenstiele von Thrincia hispida. | Plantago media. Zene Verkürzung in Folge | Verlängerung in Folge Zane Verkürzung in Folge | Verlängerung in Folge des Turgorverlustes. der Dehnung. des Turgorverlustes. der Dehnung. I oben 1,3 Millim. 1,9 Millim. Ioben 2,0 Millim. 2,1 Millim. 1 1,9 ”„ 2,1 2) II 2,2 PD) 2,2 2) III zo. ; Far NT ,; III ER ee 0,8% IV 0,8 2 0,6 „ IV 0,1 » O,1 » V Bro" .,, SO Rh, V 0,04 0,0, Wachsende Sprosse lassen also, wenn sie ihres Turgors beraubt worden sind und nicht zu stark gedehnt werden, etwas unterhalb ihrer Spitze ein Maximum der Dehnbarkeit erkennen. Im älteren Theil der Sprosse nimmt die Dehnbarkeit stetig ab. 1) Vergl. DE VrIEs, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. B. ı. pag. 519. 2) Vergl. DE VRIES, Untersuchungen über die mechanischen Ursachen d. Zellstreckung. Halle 1877. pag. Iıı. 454 System der Pflanzenphysiologie. Ein Körper, der seine Form unter dem Einfluss äusserer Momente verändert hat, und der die ihm aufgenöthigte Form beibehält, nachdem die Ursache, welche die Formveränderung bedingte, nicht mehr wirksam ist, heisst unelastisch. Nimmt der Körper dagegen die ursprüngliche Form wieder an, so ist er voll- kommen elastisch. Wenn ein Körper dagegen seine ursprüngliche Form nach Aufhebung der formverändernden Ursache nicht völlig wieder annimmt, so wird er als unvollkommen elastisch bezeichnet, und die Zahlen der letzten Columne der Tabelle auf pag. 452 lassen in der That erkennen, dass wachsen- den Pflanzentheilen unter Umständen eine solche unvollkommene Elasticität eigenthümlich ist. Die gedehnten Sprosse haben sich nämlich nach Aufhebung der Dehnungsursachen nicht wieder bis auf ihre ursprüngliche Länge contrahirt, sondern sie zeigen eine bleibende Verlängerung, deren Grösse als Maassstab zur Beurtheilung ihrer Elasticitätsverhältnisse dienen kann. Die einem Körper äusser- lich aufgenöthigte grösste Formveränderung, welche noch eine vollständige | Restitution der anfänglichen Form zulässt, bestimmt die Elasticitätsgrenze, in Folge einer Ueberschreitung derselben kann der Körper seine ursprüngliche Form nicht wieder annehmen; er ist dann eben unvollkommen elastisch. Ganz ähnliche Erscheinungen, wie solche an Pflanzentheilen beobachtet werden können, welche dem Einflusse einer Zugkraft ausgesetzt gewesen sind, lassen sich auch erkennen, wenn dieselben Druckkräften oder Biegungsursachen unterliegen. Wachsende Pflanzentheile können comprimirt werden, und sie sind ebenso in erheblichem Grade biegsam. Wenn die Druckkräfte oderBiegungsursachen nicht mehr auf die Pflanzentheile einwirken, so nehmen dieselben ihre ursprüng-. liche Form gewöhnlich nicht wieder völlig an; ihre unvollkommene Elasticität documentirt sich also auch in diesen Fällen. $ 6. Die Erschütterungskrümmungen. — Durch Stösse, Schläge oder Erschütterungen überhaupt können an wachsenden Pflanzentheilen plötzlich auf- tretende Krümmungserscheinungen hervorgerufen werden, die zuerst von Hor- MEISTER!) genauer studirt wurden. SAacHs?) zeigte aber neuerdings, dass die An- sichten HorMEISTER’s über die Ursachen, welche das Zustandekommen der in Rede stehenden Krümmungsphänomene bedingen, nicht in allen Punkten zutreffende waren. Wenn aufrechte, im Wachsthum begriffene Sprosse am unteren Theil, dessen Längenwachsthum bereits beendigt ist, plötzlich heftig angestossen werden, so zeigt der freistehende Gipfel unmittelbar nach dem Stoss oder Schlag eine starke Krümmung, deren Concavität auf derjenigen Seite liegt, von welcher der Stoss oder Schlag unten erfolgte. In manchen Fällen, z. B. bei Zyfhrum, Senecio-arten, bei Blüthenstengeln von Digitalis, genügt ein einziger Schlag mit einem Stocke, um die Erschütterungskrümmungen hervorzurufen; in anderen Fällen treten dieselben erst nach wiederholten Stössen oder Schlägen hervor. Die krümmungsfähigste Region der Sprosse liegt immer in unmittelbarer Nähe des Gipfels derselben. Wird diese Region am noch graden Spross durch feine Tuschestriche markirt, und der Pflanzentheil alsdann durch Schläge in Schwingung versetzt, so zeigt sich, dass die convexe Seite des sich kriimmenden Sprosses eine Verlängerung, die con- !) Vergl. Hormkister, Berichte d. königl. sächs. Gesellsch. der Wiss. 1859. ?) Vergl. Sachs, Lehrbuch d. Botanik. 1874. pag. 755: AA u I. Abschnitt. 2. Allgemeine Eigenschaften wachsender Pflanzentheile. 455 cave aber eine Verkürzung erlitten hat. Die von Sachs ermittelten Zahlen der folgenden Tabelle lassen dies in der That deutlich erkennen! Ursprüngliche Krümmungs- Verlängerung Verkürzung der Name der Sprosse. markirte radius der convexen concaven Länge. annähernd. Seite. Seite. Polygonum Fagopyrum 63 Millim. 8 Centim. 2,18 1,68% Helianthus tuberosus une er 2:0, A, Banana exaltata _ . 150, .,...32 ei 0,8 ,, O4 ,, „ ”„ s . I1o „ u „ 0,7 5 2,1, Benifera . ..... 1490 ,:6-I0. , 23; 2,0, Die Erscheinungen, welche wir hier besprochen haben, kommen auf dieselbe Weise zu Stande wie jene, welche sich geltend machen, wenn man Sprosse einfach zwischen den Händen gekrümmt hat. Das Gewebe derjenigen Seite der Sprosse, welche die Stösse oder Schläge empfängt, muss comprimirt werden, während sich die Gewebe der entgegengesetzten Seite in Folge dessen ausdehnen müssen. Die auf diesem Wege hervorgebrachten Krümmungen werden nun aber nach dem Aufhören der Stösse oder Schläge der unvollkommenen Elasticität der Pflanzentheile wegen nicht unmittelbar rückgängig gemacht, sondern bleiben zu- nächst bestehen, und können höchstens allmählich durch elastische Nachwirkungen oder durch Wachsthumsprocesse wieder ausgeglichen werden. Bei dem Versuche, diejenigen Vorgänge specieller zu beurtheilen, die sich im Gewebe solcher Pflanzentheile geltend machen, welche Erschütterungen erleiden, muss auch noch auf die sehr merkwürdige Angabe von G. Kraus!) hingewiesen werden, dass in Sprossen im Momente der Erschütterung (mögen die Sprosse entblättert sein oder ihre Blätter noch tragen, mag eine Krümmung er- folgen oder nicht nachweisbar werden) eine Neubildung von Zucker?) stattfindet, so dass die Pflanzentheile absolut zuckerreicher werden. In der rechten und linken Hälfte gerader Sprosse ist die Concentration des Zellsaftes dieselbe; ebenso ist der Zuckergehalt des Saftes gleich. Sprosse, die Erschütterungskrümmungen erfahren haben, lassen, wie Kraus nachgewiesen hat, erkennen, dass der Zellsaft der con- vex gewordenen Hälfte concentrirter als derjenige der concaven Hälfte ist, und dass der Zellsaft der ersteren Hälfte mehr Zucker als derjenige der letzteren enthält. Ich bin der Ansicht, dass das Zustandekommen der Erschütterungskrümmungen direkt nichts mit der Zuckerbildung zu thun hat. Die ersteren sind Folge der Dehnbarkeits- sowie Elasticitätsverhältnisse der Sprosse, aber die Zuckerbildung durch Erschütterung ist nichts desto weniger im hohen Grade interessant. Ich meine, dass diese Zuckerbildung ihre Erklärung vorläufig wohl durch die Annahme finden kann, dass Erschütterungen ganz allgemein die Dissociation der Lebens- einheiten des Plasma beschleunigen und damit eine gesteigertere Anhäufung stick- stofffreier Zersetzungsprodukte der lebendigen Eiweissmoleküle (eben Zucker) in den Pflanzenzellen bedingen.) Man darf, wie noch zu bemerken ist, gewiss be- D) Vergl. G. Kraus, Ueber die Wasservertheilung in d. Pflanze, II. In Abhandlungen d. natur- forschenden Gesell. z. Halle. Bd. 135. 2?) Besser gesagt: von Kupferoxyd reducirender Substanz. 3) Möglich ist es auch, dass Erschütterungen das bei der Zuckerbildung aus Amylum in den Pflanzen betheiligte Ferment (Diastase) in irgend einer Weise beeinflussen, und dass auf diesem ‚Wege die gesteigerte Zuckerbildung bei Erschütterungen zu Stande kommt. ’ 456 System der Pflanzenphysiologie. haupten, dass die Zellen auf der concaven Seite gekrümmter Sprosse, weil sie comprimirt werden, gewisse Wassermengen verlieren und an die gedehnten Zellen der convexen Seite abgeben. !) Drittes Kapitel. Theorie des Wachsthumsprocesses. S$S 7. Der Turgor. — a) Allgemeines. Wenngleich ich mich bereits im ersten Theile dieses Systems der Pflanzenphysiologie über den Turgor der Zellen ausgesprochen habe, so muss ich hier auf denselben Gegenstand noch einmal specieller zurückkommen, da eine klare Einsicht in das Wesen der Turgor- erscheinungen die Grundlage für das Verständniss der heutigen Wachsthumstheorie, wie dieselbe zumal von Sachs entwickelt worden ist, bildet. Wenn die Pflanzenzellen aus dem jugendlichen Zustande, in welchem das Innere derselben vollkommen von körnigem Protoplasma erfüllt erscheint, in den älteren Zustand übergegangen und in das Stadium der lebhaftesten Streckung sowie Volumenvergrösserung eingetreten sind, so unterscheidet man meistens die folgenden Theile deutlich an den Zellen: ı. Die Cellulosemembran, 2. das wandständige Protoplasma mit dem Kern, 3. den Zellsaft, der, vom Protoplasma umschlossen, den grössten Raum der Zelle einnimmt. Da nun im Zellsaft bestimmte Stoffe (Mineralstoffe, Pflanzensäuren, Kohle- hydrate) im gelösten Zustande vorhanden sind, denen die Fähigkeit zukommt, Wassermengen von aussen in das Innere der Zellen auf osmotischem Wege hinein zu befördern, so muss die Menge des Zellsaftes unter geeigneten Bedingungen vermehrt werden. Das Protoplasma legt sich in Folge des in den Zellen zur Geltung kommenden hydrostatischen Druckes der Innenseite der Cellulosemembran dicht an, aber damit hat der in Rede stehende Vorgang noch keineswegs sein Ende erreicht. Die mit Wasser imbibirten Schichten des Protoplasma sowie der Cellulosemembran sind bekanntlich sehr dehnbar, und wenn die durch die osmotische Saugkraft des Zellinhaltes erzeugte Druckkraft, die Turgorkraft, fortdauernd, indem immer neue Wassermengen in das Innere der Zelle eintreten, bedeutender wird, so müssen jene Schichten alsbald unter dem Einfluss der Turgorkraft lebhaft gedehnt werden. Diese Turgorausdehnung erreicht erst dann ihr Ende, wenn die Elasticitätsverhältnisse der gedehnten Schichten weiterer Volumenvergrösserung der Zelle ein Ziel setzen, indem sie dem ferneren Ausdehnungsbestreben des Zellsaftes einen hinreichend grossen Widerstand ent- gegenstellen 2). Der Turgor der Zellen kommt also durch den Druck des Zellsaftes auf die dehnbaren sowie elastischen Schichten des Protoplasma und der Cellulose- membran zu Stande, und die Grösse der in einer turgescirenden Zelle herrschen- den Spannung (Turgorspannung) erweist sich von sehr verschiedenen Momen- I, Es sei hier noch bemerkt, dass nach Kraus der procentische Zuckergehalt des Saftes aller Zellen solcher Sprosse, die Erschütterungskrümmungen erfahren haben, zunimmt, nämlich so- wohl der Zuckergehalt des Zellsaftes der convex- wie auch derjenige des Zellsaftes der concav- werdenden Seite. Der Zuckergehalt des Zellsaftes der ersteren Seite wächst aber beträchtlicher als derjenige des Zellsaftes der letzteren. Uebrigens würde es sehr wichtig sein, die von KrAus angeregten Fragen specieller zu verfolgen. 2) Es sei hier übrigens, um Irrthümern vorzubeugen, bemerkt, dass auch jugendliche Zellen, in denen der Zellsaft (Vacuolenflüssigkeit) noch nicht scharf abgegrenzt ist, turgesciren können. I. Abschnit. 3. Theorie des Wachsthumsprocesses. 457 ten abhängig. Turgescirende Pflanzentheile sind wasserreich und steif, während Pflanzentheile, die ihren Turgor verloren haben {z. B. gewelkt sind), relativ wasserarm und schlaff erscheinen. Nur allseitig geschlossene Zellen können turgesciren; Zellen, deren Wandungen mit wirklichen Poren versehen sind, ver- mögen nicht in den Zustand der Turgescenz überzugehen. Die Grösse der Turgorausdehnung einer Zelle ist einerseits abhängig von der Grösse der ‚ Turgorkraft, andererseits aber von der Grösse des Widerstandes, den die gespannten Zellenschichten (Plasmaschichten sowie Cellulosemembran) der Turgorkraft entgegensetzen. Zur Veranschaulichung der Turgorerscheinungen kann man sich zweckmässig des folgenden einfachen Apparates bedienen. Ein kurzes, weites Glasrohr wird auf der einen Seite mit frischer, löcherfreier Schweinsblase oder mit vegetabili- schem Pergament verschlossen, dann füllt man den Apparat mit concentrirter Zucker- oder Gummilösung vollkommen an und schliesst auch das andere Ende des Glasrohres mit einer Membran. Wird eine solche künstliche Zelle in Wasser gelegt, so zieht der Inhalt der Zelle, indem osmotische Kräfte zur Geltung kommen, das Wasser mit grosser Kraft an; die Menge der Flüssigkeit in der Zelle wird bedeutend vermehrt, die Membranen wölben sich halbkugelig vor, und die Zelle turgescirt. Bringt man in eine der gespannten Häute mit Hülfe einer Nadel eine feine Oeffnung. an, so springt ein mehrere Fuss hoher Flüssig- keitsstrahl hervor, und der Turgor der Zellen ist aufgehoben. b) Die Turgorkraft. Die Druckkräfte, welche im Innern turgescirender Zellen zur Geltung kommen, und welche ihren Ausdruck in der Grösse der Spannung zwischen Zellsaft und gedehnten Zellschichten finden, sind offenbar sehr erhebliche. H. pE Vrıes!) bestimmte die Grösse der Turgorkraft in den Zellen ver- schiedener Pflanzentheile z. B. derartig, dass er das Untersuchungsobject zunächst mit Hülfe einer alsbald zu besprechenden Methode in den turgorfreien Zu- stand versetzte. Die Pflanzentheile mussten sich in Folge des Wasserverlustes natürlich contrahiren, und nun wurden sie durch Anhängen von Gewichten wieder bis zu der Länge gedehnt, welche sie im turgescirenden Zustande besessen hatten. Es musste offenbar eine Kraftin Anwendung gebracht werden, welche der Grösse der in den turgescirenden Pflanzentheilen herrschenden Turgorkraft gleich war. Ein junger Blüthenstiel von /lantago amplexicaulis von ı Millim. Dicke verkürzte sich z. B. bei der Ueberführung in den turgorfreien Zustand um 4,9 Millim. (auf 80 Millim. Länge bezogen). Es war ein Gewicht von 50 Grm. erforderlich, um den Pflanzentheil wieder auf seine ursprüngliche Länge auszudehnen. Be- rechnet man hieraus die elastische Spannkraft eines Querschnittes, so findet man dieselbe zu 64 Atmosphären. Trotz der sehr bedeutenden Kräfte, die beim Turgor der Pflanzenzellen ins Spiel kommen, ist die Concentration des Zellsaftes der Pflanzen ganz allgemein eine relativ geringe, wie dies z. B. schon aus der An- gabe von SAacHs?) hervorgeht, dass man im Markcylinder rasch wachsender Pflanzentheile oft nur 2—52 Trockensubstanz findet, wovon ein beträchtlicher Theil noch auf die Zellhäute und das Protoplasma entfällt. Das Zustandekommen leb- haften Turgors in den Zellen setzt daher unbedingt das Vorhandensein solcher Stoffe im Zellsaft voraus, die eine sehr erhebliche Anziehungskraft für Wasser be- sitzen. Welche Körper kommen hier nun in erster Linie in Betracht? ) Vergl. H. DE VRrIESs, Untersuchungen über die mechanischen Ursachen der Zellstreckung. 1877. pag. 118. 2) Sachs, Lehrbuch d. Botanik. 4. Aufl. pag. 775. 458 System der Pflanzenphysiologie. Man wird zunächst an solche Substanzen denken, die mehr oder minder den Charakter von Colloiden tragen (Eiweissstoffe, Gummi, Dextrin, Zucker). Aber die Grösse des absoluten Wasseranziehungsvermögens dieser Körper ist nach den Untersuchungen von DE VRIES!) und PFEFFER?) keineswegs so gross, wie man wohl früher annahm, und sie kommen in zu kleinen Mengen im Zellsaft vor, um sich an dem Zustandekommen eines lebhaften Turgors in hervorragender Weise betheiligen zu können. Eine wichtigere Rolle als die genannten Substanzen spielen wohl schon in der hier in Rede stehenden Hinsicht gewisse Mineralstoffe (zumal Chloride sowie salpetersaure Salze). DE VRIES giebt in seiner soeben citirten Abhandlung an, dass z. B. das Wasseranziehungsvermögen des Chlornatriums und Chlorkaliums etwa sechsmal grösser als dasjenige. des Zuckers sei; es genügt also eine viel ver- dünntere Lösung dieser Stoffe, um den nämlichen Fffect, wie durch eine concen- trirtere Zuckerlösung hervorzurufen. Ganz besonders scheinen nun die organischen Säuren sowie die löslichen sauren Salze derselben die osmotische Saugkraft des Zellsaftes und damit die Turgorkraft zu steigern. Diese im Protoplasma gebildeten Körper scheinen dem Zellsaft vor allen Dingen, was zumal von DE VRIES?) betont worden ist, seine Turgorkraft zu verleihen, und diesen Stoffen kommt in der That nach GRAHANS‘) und PFEFFER’S?) Untersuchungen ein sehr erhebliches Wasseranziehungsvermögen zu. Eine directe Bestätigung findet die über die Bedeutung der organischen Säuren für den Turgor der Zellen ausgesprochene Ansicht durch die Thatsache, dass die im Dunkeln schnell erwachsenden Blätter monocotyler Pflanzen säure- reicher als die entsprechenden Organe unter normalen Verhältnissen zur Ent- wicklung gebrachter Pflanzen sind, und dass die langen etiolirten Stengel dicotyler Gewächse einen stark sauer reagirenden Saft enthalten, während der Saft der kleinen Blätter dicotyler Pflanzen kaum sauer reagirt®). Ein lebhaftes Wachs- thum kann, wie unten eingehender gezeigt werden soll, unter anderem durch Steigerung der Turgorkraft herbeigeführt werden, und wenn Beziehungen zwischen der Grösse des Säuregehalts der Zellen und ihrer Wachsthumsge- schwindigkeit bestehen, so werden wir ebenfalls, zumal unter Berücksichtigung des bereits Gesagten, auf die Existenz von Relationen zwischen dem Säuregehalt der Zellen und der Grösse der in ihnen zur Geltung kommenden Turgorkraft schliessen müssen. c) Das Verhalten der Cellulosemembran und des Protoplasma. Diejenige Erscheinung,welche wir als Turgor bezeichnen, kann natürlich nur dann zu Stande kommen, wenn sich der vom Zellinhalt geltend gemachten Turgor- kraft ein hinreichend bedeutender Widerstand entgegenstellt, Gebilde, die allein aus einer Cellulosemembran und einem Wasser anziehenden Inhalt bestehen, können allerdings auch turgesciren, aber da der Filtrationswiderstand der Cellulose- membran ein nur geringfügiger ist, so würde der Turgor in diesem Falle niemals ein sehr bedeutender werden können. Ebenso wäre aber auch bei Abwesenheit der I) Vergl DE VRrıEs, Unters. über die Ursachen der Zellstreckung. Halle 1877. pag. 32. 2) Vergl. PFEFFER, OÖsmotische Untersuchungen. 1877. pag. 73- 3) Vergl. DE Vrırs, Botan. Zeitung. 1879. pag. 847. #) Vergl. GRAHAM, Philosophical Transactions. 1849. 1850. 1351. 5) Vergl. PFEFFER, Osmotische Untersuchungen. 1877. pag. 91. 6) Vergl. WIESNER, Sitzungsber. d. k. Akadem. d. Wissensch. zu Wien. 1874. Aprilheft. Vergl. auch DE VrIEs, Botanische Zeitung. 1879. pag. 852. I. Abschnitt. 3. Theorie des Wachsthumsprocesses. 459 Zellstoffmembran und alleiniger Anwesenheit der Protoplasmaschichten kein nor- maler Turgor möglich, denn unter solchen Umständen würden diese letzteren unter dem Einfluss der vom Zellsaft geltend gemachten Turgorkraft offenbar leicht zerreissen. Das gemeinschaftliche Vorhandensein der Cellulosemembran und das Protoplasma ermöglicht erst das Zustandekommen lebhafter Turgescenz; das letztere legt sich der Innenseite der ersteren dicht an und wird somit vor dem Zerreissen geschützt, während bestimmte Regionen des Protoplasma in Folge ihres grossen Filtrationswiderstandes für viele Stoffe die Zellen vor dem schnellen Verluste der wasseranziehenden Körper sowie des Wassers selbst be- wahren. Es ist nun aber mit Nachdruck zu betonen, dass keineswegs die sämmtlichen Regionen des Protoplasma die gleiche Bedeutung für das Zustandekommen der für den Turgor der Pflanzenzellen so wichtigen osmotischen Processe besitzen, und ich habe bereits im 30. sowie 31. Paragraphen des ersten Theiles dieses Systems auf die bezüglichen Verhältnisse kurz hingewiesen. Viele im Zellsaft in gelöster Form vorhandene Substanzen (Mineralstoffe, organische Pflanzensäuren, Kohlehydrate, wie Dextrin und Zuckerarten, Proteinsubstanzen, Farbstoffe) sind nämlich nicht oder nur in sehr untergeordnetem Grade im Stande, die Haut- schicht des Protoplasma (das Hyaloplasma) unter gewöhnlichen Umständen zu passiren.!) Wenn die Zellen demnach auf osmotischem Wege Wasser von aussen aufnehmen, so treten keineswegs diejenigen Stoffe, welche die Turgorkraft hervor- rufen (also zumal Pflanzensäuren) aus den Zellen aus, sondern diese Substanzen verharren in den Zellen und können daher unter Umständen das Maximum ihrer Leistungsfähigkeit zur Geltung bringen. Wäre das Hyaloplasma dagegen permea- bel für die osmotisch wirkenden Körper, so würde der Turgor der Zellen keines- wegs eine bedeutende Grösse erreichen. Wenn die Turgorkraft im Innern der Zellen zur Geltung kommt, so wird die Membran derselben mehr und mehr straff gespannt. Die Turgorausdehnung schreitet fort, bis die Turgorkraft und die Elasticität der gedehnten Zellschichten sich das Gleichgewicht halten. d) Die Turgorausdehnung. Die Grösse der Volumenzunahme einer turgescirenden Zelle, also die Grösse der Turgorausdehnung, ist einerseits ab- hängig von der Grösse der Turgorkraft, andererseits von der Grösse des Wider- standes, welchen die Schichten des Protoplasma sowie der Cellulosemembran der Zellen dem auf sie einwirkenden Druck des Zelleninhaltes entgegensetzen. Die Grösse dieses Widerstandes der gespannten Zellschichten hängt seinerseits ganz von der Beschaffenheit dieser letzteren, namentlich von den Dehnbarkeits- und Elasticitätsverhältnissen sowie von dem Filtrationswiderstande derselben ab. Wenn in zwei Zellen (a und b) eine Turgorkraft von gleicher Grösse zur Geltung kommt, so ist damit noch nicht gesagt, dass die beiden Zellen die nämliche Tur- gorausdehnung erfahren. Denn wenn z. B. die gespannten Schichten der Zelle a widerstandsfähiger als diejenigen der Zelle b sind, so wird dem Gleichgewichts- zustand zwischen der Turgorkraft und dem Widerstande der gedehnten Schichten im ersteren Falle eine geringere Turgorausdehnung als im letzteren entsprechen. Im Interesse vieler physiologischer Fragen ist es nun bedeutungsvoll, Aufschluss I) Vergl. DE VRIES, Archives Neerlandaises. T. 6. 1871; PFEFFER, Osmotische Unter- suchungen, 1877. DE VRIES, Botanische Zeitung. 1879, pag. 850. DETMER, vergleichende Physiol. d. Keimungsprocesses d. Samen. 1880. pag. 365. 460 System der Pflanzenphysiologie. über die Grösse der Turgorausdehnung der Pflanzenzellen zu erlangen, und es ist daher von grosser Wichtigkeit, dass DE VRIES!) eine sehr genaue Methode zur Er- mittelung derselben begründet hat. Bei der Handhabung dieser Methode werden die Pflanzentheile (z. B. Sprosse) in geeignete Salzlösungen gelegt nnd zwei bis drei Stunden lang mit denselben in Berührung belassen. Die Pflanzenzellen ver- lieren unter solchen Umständen ihren Turgor und somit ihre Turgorausdehnung vollkommen, ohne dabei das Leben einzubüssen. Indem die Zellen ihren Turgor verlieren, verkürzen sie sich sehr allgemein (nicht immer, wie im neunten Para- graphen gezeigt werden soll) und diese Verkürzung ist somit ein Maass für ihre vorherige Turgorausdehnung. Sollen Pflanzentheile der Plasmolyse, mit welchem Namen DE VRIES die in Rede stehende Methode belegt hat, unterworfen werden, so legt man dieselben zweckmässig in 5, 7, oder ıoßige Lösungen von Salpeter oder Kochsalz, nach- dem man die Regionen des Pflanzentheiles, deren Verkürzung in der Lösung man messen will, durch feine Tuschestriche markirt hat. Die Salzlösungen dringen in die Zellen ein und entziehen dem Zellsaft, da sie weit concentrirter als dieser selbst sind, Wasser, so dass sich das Protoplasma von der Innenseite der Cellulose- membran ablöst. Der Turgor der Zelle ist aufgehoben, und die untersuchten Pflanzentheile haben in Folge dessen eine erhebliche Volumenverminderung erfahren. e) Die Turgorspannung. In turgescirenden Zellen besteht natürlich zwischen dem Zellinhalt und der Membran ein Spannungsverhältniss, da der erstere sein Ausdehnungsbestreben geltend zu machen sucht, aber daran bis zu einem bestimmten Grade durch die elastische Membran behindert wird, und da diese letztere ihrerseits das Bestreben hat, sich mehr, als es die in den Zellen herrschenden Druckverhältnisse thatsächlich zulassen, zusammenzuziehen. Diese Spannungen müssen natürlich vollkommen ausgeglichen werden, wenn man die Zellen in den plasmolytischen Zustand versetzt, oder wenn man in den Mem- branen wirkliche Löcher anbringt. In diesem letzteren Falle kann, selbst dann, wenn der Zellinhalt noch Wasser von aussen aufsaugt, gar keine Spannung der bei normal turgescirenden Zellen gedehnten Zellschichten mehr erfolgen, da jede Drucksteigerung im Innern der Zelle sofort durch Saftaustritt aus den Löchern ausgeglichen wird. Die Turgorspannung der unverletzten Zelle kann übrigens eine bestimmte Grenze nicht überschreiten, denn wenn die Turgorkraft eine gewisse Grösse erreicht, so wird häufig ein Quantum des Zellinhaltes aus den Zellen herausge- presst, indem der allerdings nicht unerhebliche Filtrationswiderstand der ge- spannten Zellschichten überwunden wird. Es muss hier ausdrücklich betont werden, dass die Grösse der Turgor- ausdehnung nicht als ein Maassstab zur Beurtheilung der Grösse der Turgor- spannung angesehen werden darf. Wenn z. B. die Turgorkraft einer Zelle keine besonders grosse ist, und die dehnbaren Zellschichten dem auf sie einwirkenden Druck einen relativ geringen Widerstand entgegensetzen, so wird zwar eine be- trächtliche Turgorausdehnung resultiren können, aber die Turgorspannung erreicht dennoch keinen hohen Grad. Andererseits geht eine nicht sehr bedeutende Turgorausdehnung häufig mit erheblicher Turgorspannung Hand in Hand. Die absolute Grösse der Turgorspannung der Zellen kann auf verschie- I) Vergl. DE Vrıes, Untersuchungen über die mechanischen Ursachen der Zellstreckung. Halle, 1877. ET DE ? LATE ‘ I. Abschnitt. 3. Theorie des Wachsthumsprocesses. 461 dene Weise Modificationen erleiden. Bei gleichbleibendem Widerstande der dehnbaren Zellschichten muss die Turgorspannung z. B. wachsen, wenn die Turgorkraft in Folge der Neubildung grösserer Quantitäten osmotisch wirksamer Substanzen erhöht wird. Die Turgorspannung muss dagegen eine Verminderung erfahren, wenn z. B. der Filtrationswiderstand der gedehnten Zellschichten durch irgend welche Ursachen sinkt. Besonders beachtenswerth ist auch die That- sache, dass jeder von aussen auf eine turgescirende Zelle einwirkende Druck die Turgorspannung in derselben steigern muss, während jede Dehnung den ent- gegengesetzten Erfolg hat. In diesem letzteren Fa!le kann übrigens die ursprüng- liche Turgorspannung wieder erreicht werden, wenn die osmotisch wirksamen Stoffe in den Zellen das Maximum ihrer Leistungsfähigkeit vor der Dehnung noch nicht geltend gemacht hatten, und somit die Bedingungen für das Zustande- kommen einer ferneren Wasseraufnahme von aussen gegeben sind. $ 8. Der Ursprung der bei der Imbibition sowie beim Turgor zur Geltung kommenden Kräfte. — In Folge vieler Stoffwechselprocesse, z. B. der Dissociation der physiologischen Elemente des Plasma sowie der Athmungs- vorgänge werden Spannkräfte ausgelöst, die im vegetabilischen Organismus zur Er- zeugung von Wärme, Licht und Bewegungen (Protoplasmabewegungen) verwendet werden. Die Pflanze vollzieht aber noch anderweitige Leistungen, und uns interessirt hier insbesondere die innere sowie die äussere Arbeit, welche bei dem Zustande- kommen der Imbibitions- sowie der Turgorerscheinungen zur Geltung kommt, und welche zugleich die äusserste Bedeutung für die Wachsthumsphänomene besitzt. Wenn die mit Wasser imbibirten organisirten pflanzlichen Gebilde einen Theil ihres Wassers durch Verdunstung verlieren, so wird dadurch eine Wasserbewegung in der Pflanze eingeleitet, als deren nächste Ursache die molekulare Anziehung der Tagmen oder Micellen zum Wasser anzusehen ist. Soll aber diese moleku- lare Wasseranziehung zu Stande kommen, soll die Arbeit der Wasserbewegung in den Pflanzen geleistet werden, so ist eine Betriebskraft erforderlich. Diese Kraft wird durch freie Wärme geliefert, welche ja die Verdunstung des Wassers erst ermöglicht. Die freie Wärme liefert die Spannkraft, welche es den Mi- cellen möglich macht, wasseranziehend thätig zu sein. Ebenso liefert die freie Wärme die Betriebskraft für das Zustandekommen der osmotischen Erscheinungen und der Turgorphänomene in der Pflanze. Um dies klar zu machen, sei Folgendes angeführt. Man denke sich ein kurzes, aber weites Glasrohr oben sowie unten mit einer Membran verschlossen. In der künstlichen Zelle befinde sich die wässerige Lösung eines Körpers, dessen Mole- küle durchaus nicht im Stande sind, die Membranen zu passiren, während die Wassertheilchen der Lösung dies vermögen. Die mit dem unteren Ende in Wasser eingetauchte künstliche Zelle wird alsbald lebhaft turgesciren; es wird Wasser am oberen Ende der Zelle ausgepresst werden können, und dies nach unten abfliessende Wasser kann bei geeigneter Anordnung des Versuchs z. B. ein kleines Rädchen in Bewegung setzen. Nehmen wir an, dass die Membranen sich im Laufe der Zeit nicht verändern, und der im Innern der Zelle osmotisch thätige Körper die Zelle nicht verlässt, so kann der Apparat, indem das am oberen Ende desselben ausgepresste Wasser durch die Membran am unteren Ende immer wieder in die Zelle eintritt, offenbar unendlich lange Zeit in Gang er- halten werden. Die Betriebskraft für die Arbeitsleistung des Apparates ist in der Anziehungs- kraft zu suchen, welche die im Innern der Zelle osmotisch thätige Substanz auf 462 System der Pflanzenphysiologie. die Wassertheilchen ausübt. Wenn diese Anziehungskraft sich während unend- lich langer Zeit immer wieder auf's Neue geltend macht, so muss den osmotisch thätigen Körpern nach dem Gesetze von der Erhaltung der Kraft eine Kraftquelle zur Disposition stehen, und es kann hier keine andere Kraftquelle als freie Wärme in Betracht kommen. k Wenn die Pflanzenzellen turgesciren, so wird natürlich ebenfalls eine ganz bedeutende Arbeit geleistet. Auch ist für das Zustandekommen des Wachsthums ein erheblicher Arbeitsaufwand erforderlich, und wir werden alsbald specieller zeigen, dass nur turgescirende Zellen zu einem lebhaften Flächenwachsthum ihrer Membranen befähigt sind. Dieselbe Kraft, nämlich die freie Wärme, welche das Zustandekommen der Turgorausdehnung der Zellen ermöglicht, ist zugleich auch von der grössten Bedeutung für die Wachsthumsphänomene. (Vergl. auch $ 25.) Demnach kann also nicht allein die actuelle Energie des Lichts als Quelle der Betriebskraft des vegetabilischen Organismus angesehen werden. Ein wesent- licher Theil der für die Pflanze bedeutungsvollen Spannkräfte wird vielmehr durch Bindung freier Wärme beschafft‘). $o. Das Flächenwachsthum der Zellhäute.?) — Der Zellstoff, welcher den hauptsächlichsten Bestandtheil der wachsenden Zellmembranen bildet, ist nicht als solcher im Protoplasma vorhanden; die Cellulosemembran ist daher nicht als ein einfaches Ausscheidungsprodukt des Plasma aufzufassen. Wir haben uns vielmehr vorzustellen, dass eine in Folge der Dissociationsprocesse der lebendigen Eiweissmoleküle sowie der Decompositionsvorgänge im Protoplasma gebildete Substanz, die aber noch keine Cellulose darstellt, vom Plasma ausge- schieden wird und sich sofort in Zellstoff umwandelt®). Die Grösse der jugend- lichen Zellen ist sehr gering. Die protoplasmahaltigen, wachsenden Zellen er- fahren aber gewöhnlich eine sehr bedeutende Volumenvergrösserung, die dahin führt, dass die Zellen schliesslich oft hundert-, ja tausendmal grösser als zu Be- ginn ihrer Entwickelung sind. Diese Volumenvergrösserung der Zellen wird durch das Flächenwachsthum der Zellhäute vermittelt. Die bedeutende Volumenvergrösserung der wachsenden Zellen kommt keineswegs durch eine ein- fache passive Dehnung der Zellhäute zu Stande, sondern sie ist mit einer Ein- lagerung neuer Zellstoffmassen zwischen die bereits vorhandenen Tagmen oder Micellen der Häute verbunden, und redet man daher von dem Zustandekommen eines Intussusceptionsprocesses beim Flächenwachsthum der Cellulose- membranen der Zellen. Für die Beurtheilung der Vorgänge beim Flächenwachs- thum der Zellhäute, mit denen wir uns in diesem Paragraphen specieller zu be- schäftigen haben, ist es nun von fundamentaler Bedeutung, dass in neuerer Zeit, zumal durch die bahnbrechenden Untersuchungen von SAcHs sowie durch die Arbeiten von H. DE VrıEs immer deutlichere Beziehungen zwischen dem Tur- gor und dem Wachsthum der Zellen hervorgetreten sind. Der letztere Forscher hat direkt gezeigt, dass nur mehr oder minder turges- cirende Zellen wachsen können, dass aber turgorlosen Zellen (plasmolytisch ge- machten) diese Fähigkeit völlig abgeht. Pflanzentheile, die in verdünnte Salz- 1) Es ist übrigens zu beachten, dass hierbei auch die Wärme in Anspruch genommen werden kann, welche in den Pflanzenzellen selbst durch Athmung oder bei dem Zustandekommen von Imbibitionsprocessen etc. erzeugt wird. 2) Ueber die Wachsthumsprocesse protoplasmatischer Gebilde sind wir, wie hier bemerkt werden mag, nicht genauer unterrichtet: 3) Vergl. DETMER, System d. Pflanzenphysiologie. I. Theil, pag. 131. I. Abschnitt. 3. Theorie des Wachsthumsprocesses. 463 lösungen gebracht werden, sind noch im Stande schwach zu wachsen; je con- centrirter die Lösungen sind, um so gerinfügiger werden die Zuwachse, bis diese endlich bei Concentrationen der Lösungen, welche den Turgor der Zellen gänz- lich aufheben, völlig verschwinden‘). Wenn die mit Wasser imbibirte Zellhaut unter dem Einflusse der Turgorkraft einfach gedehnt wird, und die Zelle in Folge dessen eine Volumenvergrösserung erleidet, so ist damit die nothwendige Vorbedingung für das Zustandekommen des Wachsthumsprocesses gegeben, aber ein wirkliches Wachsthum noch nicht eingetreten, denn die Turgorausdehnung kann ja durch Wasserentziehung (Welken, Plasmolyse) wieder rückgängig gemacht werden. Wachsthumsphänomene treten erst auf, wenn die Zellen, wie im zweiten Paragraphen hervorgehoben worden ist, unter Mitwirkung organisatorischer Kräfte nicht wieder rückgängig zu machende Gestalt- oder Volumenveränderungen erfahren. Diese kommen aber unter dem Einfluss der Turgorkraft dadurch zu Stande, dass sich zwischen die Theilchen der gedehnten Zellmembran neue Zellstoffpartikelchen einlagern, und dass die be- reits vorhandenen Tagmen der Zellhaut vergrössert werden?). Die Elasticitäts- spannung der gedehnten Zellschichten muss natürlich durch dieses Wachsthum und die damit im unmittelbaren Zusammenhange stehende gesteigerte Aufnahme von Imbibitionswasser seitens der wachsenden Zellschichten mehr oder minder ausgeglichen werden. Die Turgorspannung in den Zellen wird durch das Wachs- thum herabgesetzt, aber dies geschieht nur vorübergehend, denn die Zelle kann nach erfolgter Ausgleichung der Elasticitätsspannung neue Wasserquantitäten von aussen aufnehmen, abermals stark turgesciren und wachsen?). Nach dem Gesagten ist es klar, dass beim Wachsthum zwei wesentliche Momente in Betracht kommen: ı. Die Dehnung der mit Plasma ausgekleideten Zellhaut durch den Turgor. 2. Die Ausgleichung der Elasticitätsspannung der gedehnten Zellschichten. Daraus erhellt, dass diejenigen Momente, welche bestimmend auf das Wachs- thum einwirken, dasselbe in doppelter Weise beeinflussen können. Wenn die Dehnung der gespannten Schicht gesteigert, oder die Ausgleichung der Elasticitäts- spannung beschleunigt wird, so muss das Wachsthum der Zellen eine Begünstigung erfahren; eine retardirende Wirkung auf das Wachsthum der Zellen üben dagegen solche Momente aus, welche die Dehnung der gespannten Schichten verringern oder die Spannungsausgleichung verlangsamen‘®). Die hier geltend gemachten Principien lassen von vornherein eine bis zu einem gewissen Grade befriedigende Erklärung gewisser Phänomene zu, die ich hier erwähnen muss, da die Frage nach den Ursachen derselben in genaue Be- ziehung zu den in Rede stehenden Verhältnissen gebracht werden kann. Wenn die Grösse des Widerstandes der gespannten Zellschichten (Cellulose- membran sowie Protoplasmabeleg) im ganzen Umfange einer Zelle die gleiche ist, so muss diese Zelle, da die Kraft, welche die erwähnten Schichten zu dehnen I) Vergl. H. DE VRIES, Untersuchungen über Zellstreckung. Halle 1877. pag. 52. 2) In diesem letzteren Falle findet allerdings ein Appositionsprocess statt, aber das Zustande- kommen desselben ist doch erst nach vorausgegangener Intussusception möglich. 3) Vergl. Sachs, Lehrbuch der Botanik. 4. Aufl. pag. 762. Vergl. auch GoDLEWsKI, Botan. Zeitung. 1879. No. 8. %, Veränderungen der Dehnung der gespannten Zellschichten können namentlich bedingt werden: I. durch Schwankungen der Turgorkraft; 2. durch Veränderungen der Dehnbarkeits- verhältnisse der gespannten Zellschichten; 3. durch Veränderungen der Elastieitätsverhältnisse derselben; 4. durch Veränderungen des Filtrationswiderstandes derselben. ScHENß, Handbuch der Botanik, Bd. II. 30 464 System der Pflanzenphysiologie. bestrebt ist, an jedem Punkte dieselbe ist, kugelige, oder bei gegenseitigem Druck der Zellen auf einander, polyedrische Gestalt annehmen. Werden aber die ge- spannten Zellschichten in Folge ihrer specifischen Beschaffenheit oder in Folge der Wirksamkeit äusserer Kräfte durch die Turgorkraft an einem Punkte schwach, an anderen stärker gedehnt, so ist damit die Bedingung für die Entstehung der mannigfachsten Zellformen gegeben. Es können auf diesem Wege z. B. stern- förmige Zellen entstehen. Fadenförmige Zellen müssen sich bilden, wenn die gespannten Zellschichten an der Spitze der Zellen der Turgorkraft den geringsten Widerstand entgegensetzen (Haarbildungen, keimende Pollenkörner und Sporen). Wenn wir sehen, dass die Zellen der Blätter hauptsächlich nur in zwei Richtungen des Raumes wachsen, so erklärt sich diese Erscheinung ebenfalls unter Berück- sichtigung des Gesagten. Die gespannten Schichten der Zellen solcher Organe, welche, wie Knollen und Zwiebeln, hauptsächlich in die Dicke wachsen, müssen insbesondere in querer Richtung gedehnt werden. Wir sind nun allerdings heute noch nicht darüber orientirt, weshalb die Widerstandsgrösse der gespannten Schichten der Zellen an verschiedenen Punkten häufig nicht die gleiche ist, aber die weitere Verfolgung der hier berührten Ver hältnisse, die namentlich von DE VRIEs schärfer ins Auge gefasst worden sind, führt doch noch zur Betrachtung einiger eigenthümlicher Wachsthumsphänomene, auf welche an dieser Stelle wenigstens kurz hingewiesen werden muss. Es ıst nämlich eine sehr beachtenswerthe Erscheinung, dass, während die Cotyledonen der Keimpflanzen oft über der Erde ausgebreitet sind, und die Plu- mula in Folge dessen aus dem Boden hervorragt, die Ansatzstellen der Cotylen sowie der aus der Knospe hervorgegangenen Blätter später im Boden versteckt sind. Es müssen die Pflanzen also nachträglich in den Boden hineingeschoben werden, und dies geschieht durch die im Pflanzenreich sehr allgemein ver- breitete Wurzelcontraction. Diese Verkürzung der Wurzeln, welcher eine erheb- liche biologische Bedeutung zukommt, ist neuerdings eingehend von DE VRIES!) studirt worden. Er constatirte zunächst die Erscheinung an der Hauptwurzel des Klees und der Rübe. Die Pflanzen, deren Wurzeln mit Marken versehen waren, wurden einige Wochen lang mit Hülfe der Methode der Wassercultur eultivirt. Wiederholte Messungen ergaben, dass die. Verkürzung an den Wurzeln in dieser Zeit 10—2o % betrug. Werden nicht zu alte Wurzeln der verschiedensten Pflanzen mit Wasser in Berührung belassen, so zeigt sich, dass alle Partialzonen derselben (mit Ausnahme der noch in die Länge wachsenden Theile der Wurzelspitzen) eine Verkürzung erleiden. Dabei nimmt aber das Volumen der Wurzeln, wie DE VRIES ausdrücklich bemerkt, zu. Wenn die völlig turgescirenden Wurzeln nachträglich unter Benutzung geeigneter Salzlösungen in den plasmolytischen Zu- stand versetzt werden, so erschlaffen sie, aber verlängern sich. Unsere Erörterungen über den Turgor haben zu dem Resultat geführt, dass die Zellen durch das Zustandekommen des 'Turgors eine Volumenvergrösserung erfahren müssen. Dieser Satz besitzt ganz allgemeine Gültigkeit; er gilt nicht allein für die Zellen der Stengel oder Blätter, sondern ebenso für die contraktilen Wurzelzellen. Um so merkwürdiger ist es, dass diese letzteren sich, im Gegen- satz zu anderen Zellen, bei der Wasseraufnahme verkürzen und bei einem Wasserverlust verlängern. Diese auf den ersten Blick vielleicht unverständlichen ’hänomene lassen sich aber dennoch leicht allgemeinen Gesichtspunkten unter- ) Vergl. H. ve Vrıes: Landwirthschtl. Jahrbücher. B. 9. pag. 37. a Se WEN ee Gent KR KR Eee y . «? . > 1 ” I. Abschnitt. 3. Theorie des Wachsthumsprocesses. 465 ordnen, wie schon die Thatsache der Volumenvergrösserung contraktiler Zellen in Folge von Wasseraufnahme vermuthen lässt. Verkürzen sich nämlich diese Zellen indem sie turgesciren, so wächst ihr Durchmesser. In allen turgescirenden Pflanzenzellen findet eine Dehnung der dehnbaren Zellschicht unter dem Einfluss der Turgorkraft statt. Bei den sich streckenden Zellen fällt das Maximum der durch den Zellinhalt hervorgebrachten Dehnung dieser Zellschichten in Folge ihrer Beschaffenheit mit der Achse der Zellen zusammen; den contraktilen Zellen fällt dagegen in dieser Richtung das Minimum der Dehnung zu, und sie dehnen sich daher bei der Wasseraufnahme in der Querrichtung aus, verkürzen sich aber in der Längsrichtung, gleich wie ein Kautschukstreifen, wenn er in einer Richtung ausgedehnt wird, sich in der darauf senkrechten Richtung contrahirt. Unter Berücksichtigung der Resultate, die DE VRıEs bei dem Studium der schnellen Contraction der Wurzelzellen in Folge der Wasseraufnahme gelangt hat, gelingt es nun auch, die langsame Contraction der Wurzeln, wie sie in der Natur thatsächlich zur Geltung kommt, zu verstehen. Diese letztere ist, da sie zu Volumenveränderungen der Pflanzentheile führt, die nicht wieder rückgängig gemacht werden können, als eine Wachsthumserscheinung aufzufassen, und da die Dehnung der dehnbaren Zellschichten durch den Turgor als eine Vor- bedingung des Wachsthums durch Intussusception aufzufassen ist, so müssen Zellen, deren gespannte Schichten in der Querrichtung weniger widerstandsfähig als in der Längsrichtung sind, auch in der ersteren lebhafter als in der letzteren wachsen. Ein schwaches Wachsthum in der Längsrichtung mag wohl bei den contraktilen Zellen erfolgen; es ist dasselbe aber auf jeden Fall nicht lebhaft genug, um die durch die eigenthümliche Vertheilung der Dehnbarkeit in den gespannten Zellschichten bedingte Verkürzung auszugleichen. Am Schlusse dieses Paragraphen ist es noch erforderlich, einige Worte über die viel besprochenen sogen. anorganischen Zellen TRAupe’s!) zu sagen, um dem Leser zu zeigen, welchen Werth das Studium derselben für die Wachsthums- physiologie besitzt. Wird ein Tropfen des Körpers A in die Lösung des Körpers B gebracht und entsteht nun im Umfange des Tropfens ein Niederschlag, dessen Interstitien kleiner als die Moleküle seiner Componenten sind, so muss jener Niederschlag Membranform annehmen. Solche Niederschlagsmembranen kann man z. B. herstellen, indem man einen Tropfen des sogen. BLeims (gewonnen durch längeres Kochen gewöhnlichen Leims) in eine Lösung von Gerbstoff (Tannin) einträgt, oder indem man einen Tropfen concentrirter Kupferchlorid- lösung (bequemer kleine Stückchen festen Kupferchlorids) in verdünnte Ferro- cyankaliumlösung bringt. Nachdem die Niederschlagsmembranen von gerbsaurem Leim oder Ferrocyankupfer entstanden sind, zieht der Inhalt der künstlichen Zellen (Leim in einem, Kupferchlorid im anderen Falle) Wasser von aussen an. Der Zellinhalt übt einen immer lebhafter werdenden Druck auf die ihn um- schliessende und dehnbare Membrane aus, so dass die Zelle alsbald lebhaft turgeseirt. Trotzdem die Moleküle der Membranogene relativ gross sind, so vermögen sie dennoch unter bestimmten Umständen in die Interstitien der Niederschlagsmembranen einzudringen; es ist nämlich nur erforderlich, dass die- selben unter dem Einflusse der Turgorkraft hinreichend gedehnt werden. Ge- schieht dies, so treten z. B. in die Membranen von Ferrocyankupfer von der einen Seite Kupferchloridmoleküle, von der anderen aber Ferrocyankaliummoleküle ein, I) Vergl. TRAUBE, in REICHERT und Du BoIs Archiv f. Anatomie., Physiol. u. wissenschaftl. Medicin. 1867. pag. 87. 30* 466 System der Pflanzenphysiologie. aber diese Moleküle vereinigen sich in den Interstitien, da, wo sie auf einander treffen, sofort zur Bildung von Ferrocyankupfer, und dadurch wird das Flächen- wachsthum der Niederschlagsmembranen ermöglicht. Das Studium des Verhaltens der künstlich hergestellten Niederschlags- membranen ist unzweifelhaft für die Pflanzenphysiologie von hohem Werth, und zumal ist dasselbe für das Verständniss osmotischer Processe in den Pflanzen- zellen von Bedeutung. TRAUBE glaubt sogar, dass die Wachsthumserscheinungen seiner sogen. anorganischen Zellen vollkommene Analogie zu den Wachsthums- phänomenen der pflanzlichen Zellen darbieten, aber gegen eine solche An- schauung lassen sich ganz gewiss ernste Bedenken geltend machen.!) TRrAUBE betrachtet nämlich die Cellulosemembran der Zellen selbst als eine Niederschlagsmembran; als Membranogene werden von ihm aber bestimmte Bestandtheile des Protoplasma einerseits sowie der atmosphärische Sauerstoff andererseits angesehen. Diese Körper sollen, wenn die Interstitien der Haut unter dem Einfluss der Turgorkraft hinreichend erweitert sind, in dieselben ein- dringen und, indem sie einen Niederschlag von Zellstoff erzeugen, das Flächen- wachsthum der Membran herbeiführen. Dieser Auffassung gegenüber lässt sich aber anführen: ı. Wir wissen nicht, ob die Cellulosemembran wirklich eine Niederschlagsmembran im Sinne TrAugE’s ist. 2. Traupe’s Niederschlagsmem- branen besitzen einen sehr hohen Filtrationswiderstand, während derjenige der Zellhaut sehr gering ist, weshalb die Pflanzenzellen nur dann lebhaft turgesciren, wenn ihre Zellhaut auf der Innenseite mit einem Protoplasmabeleg, dem in der That ein hoher Filtrationswiderstand eigenthümlich ist, ausgekleidet wird. 3. Stimmt man TrAUBE bei, so würde es complicirter Hypothesen bedürfen, um das Zustandekommen der normalen Athmung der Pflanzen zu erklären, denn Traure’s Niederschlagsmembranen sind für die Membranogene inpermeabel, während der Sauerstoff doch unzweifelhaft im Stande ist, die Zellhaut nach ver- schiedenen Richtungen hin zu passiren. Ich bin durch reifliche Ueberlegung zu der Ansicht geführt worden, dass die Cellulosemembranen der Pflanzenzellen überhaupt gar keine Niederschlagsmembranen im Sinne '['RAUBE’s repräsentiren und dass das Flächenwachsthum jener ersteren daher auch in wesentlich anderer Weise wie dasjenige der letzteren erfolgt. $S 10. Das Dickenwachsthum der Zellhäute und das Wachsthum der Stärkekörner. Während Näcezrı alle Wachsthumsphänomene, auch das Dickenwachsthum der Zellhäute sowie das Wachsthum der Stärkekörner, als durch Intussusceptionsvorgänge vermittelte betrachtete, sind in neuester Zeit Bedenken gegen eine derartige allgemeine Bedeutung der Intussusception geltend gemacht worden. SCHMITZ?) versucht sogar, das Flächenwachsthum der Zellhäute als einen in manchen Fällennicht durch Intussusception, sondern durch Apposition herbeigeführten Wachsthumsprocess aufzufassen, indessen dagegen sind doch wohl schwer wiegende Bedenken zu erheben. Würde das Flächenwachsthum der Membranen thatsächlich durch Apposition erfolgen, so müssten offenbar die peri- pherischen Regionen der Zellhäute, indem die Zellen sich beim Uebergang aus dem jugendlichen in den erwachsenen Zustand sehr erheblich vergrössern, eine enorme Dehnung erfahren. Die Grösse dieser Dehnung erscheint viel zu be- !) Vergl. auch Sachs, Botan. Zeitung. 1878, pag. 308; TRrAUBE, ebendaselbst, pag. 241 und 657; GODLEWSKI, Botan. Zeitung. 1879, pag. I15. ?) Vergl. Schmitz, Sitzungsber. der niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heil- kunde, 1880. Sitzung v. 6. December. I. Abschnitt. 3. Theorie des Wachsthumsprocesses. 467 deutend, um überhaupt von den Zellhäuten ertragen werden zu können, und daher halten wir mit Rücksicht auf das Flächenwachsthum der Membranen an der Intussusceptionstheorie fest. Hingegen unterliegt es wohl kaum einem Zweifel, dass das Dickenwachsthum der Zellhäute in seinen überaus mannig- faltigen Formen, wie SCHMITZ es annimmt, zum Mindesten in vielen Fällen durch Apposition vollzogen wird. Mit Bezug auf das Wachsthum der Stärkekörner haben sich lange Zeit hin- durch die Anschauungen, welche NÄGELI in einem grundlegenden Werke der Pflanzenphysiologie ausgesprochen hatte!) der allgemeinen Anerkennung erfreut. Die anfangs kugeligen, später mannigfaltige Formen zeigenden Amylumkörner wachsen nach NÄGELI immer durch Intussusception, niemals durch Apposition. Als eine der wesentlichsten Thatsachen, welche diese Ansicht rechtfertigen sollen, wird von NÄGELI diese geltend gemacht, dass die äusserste Schicht der Stärke- körner nach seinen Beobachtungen stets dicht und wasserarm ist. Würde das Wachsthum durch Apposition erfolgen, so müsste die äusserste Schicht der Körner, da dieselben aus dichten und weichen Schichten zusammengesetzt sind, bald eine dichte, bald eine weiche Beschaffenheit besitzen. Beim Wachsthum der Stärkekörner dringen immer neue Mengen zur Stärkebildung geeigneter Sub- stanzen in dieselben ein, lagern sich zwischen die bereits vorhandenen Micellen ein oder schlagen sich auf die vorhandenen Micellen nieder und vergrössern diese dadurch. Ausserdem treten Differenzirungsprocesse in den Körnern auf, die zur Bildung der dichten sowie weichen Schichten derselben führen. Der Lehre von dem Wachsthum der Stärkekörner durch Intussusception ist neuerdings SCHIMPER?) entgegengetreten. Er stützt seine Ansicht, nach welcher die in Rede stehenden organisirten pflanzlichen Gebilde durch Apposition wachsen sollen, namentlich auf die folgende Beobachtung: In manchen im lebhaften Wachsthum begriffenen Zellen trifft man Stärkekörner an, die, weil ihre Substanz theilweise für den Zweck des Wachsthums verwerthet wird, ein corrodirtes Aus- sehen zeigen, d. h. unregelmässig gelappt, zuweilen sogar durchlöchert erscheinen. Hört das Wachsthum der Zellen später auf, so bleiben die corrodirten Körner erhalten; sie umgeben sich aber mit weiteren Mengen von Stärkesubstanz, sie wachsen, und die jetzt entstehenden peripherischen Theile der Körner zeigen normale Schichtungserscheinungen. Die Beobachtungen wurden an den reifen- den Cotyledonen von Vicia faba, Phaseolus etc. gemacht, und die Resultate der- selben werden von SCHIMPER als Beweise für das Appositionswachsthum der Amylumkörner angesehen. Der genannte Autor sucht weiter auch die Phänomene der Schichtenbildung der Stärkekörner sowie des excentrischen Wachsthums derselben mit seiner Theorie in Einklang zu bringen. Die Appositionslehre hat in ihren allgemeinen Grundlagen sowie in ihrer speciellen Anwendung auf das Wachsthum der Stärkekörner der Irisrhizome kürzlich von A. MAYER?) eine wesentliche Erweiterung erfahren, und wenn es gleich gewiss ist, dass der Appositionstheorie noch keineswegs die erforderliche Durchbildung zur Erklärung der mannigfaltigen und sehr complicirten Erscheinungen, die bei dem Wachsthum der Amylumkörner zu beobachten sind, zu Theil geworden ist*), so scheint der- selben doch wohl der Hauptsache nach die Zukunft zu gehören. ) Vergl. NÄGELI, Stärkekörner. pag. 213. 2) Vergl. SCHIMPER, Botanische Zeitung, 1881. No. 12. 3) Vergl. A. MAYER, Botanische Zeitung, 1881. No. 51. 4) Vergl. NÄGELI, Botan. Zeitung 1831. No. 40. 468 System der Pflanzenphysiologie. $ ıı. Das Verhältniss des Wachsthums zur Zelltheilung. Wenn man das Verhalten der Zellen in verschiedenen Regionen eines Pflanzentheils verfolgt, so zeigt sich, dass die Zellen des Vegetationspunktes in sehr lebhafter Theilung begriffen sind, dagegen ein nur schwaches Flächenwachsthum erfahren. Es folgt darauf eine Region, deren Zellen umgekehrt vor allem Flächenwachs- thum erkennen lassen, sich aber nur wenig theilen. Endlich folgen Zellen, deren Wachsthum wesentlich auf Verdickung der Membranen beschränkt ist. Uebrigens braucht das Wachsthum eines Pflanzentheiles nicht immer an dessen Spitze zu: erfolgen; es können auch eingeschaltete oder intercalare Vegetationszonen vor- handen sein, d. h. solche, die zwischen bereits fertigen Gewebemassen liegen. Solche intercalare Vegetationszonen finden sich z. B. bei Phaseolus an der Spitze der einzelnen Internodien. Viele Blätter sowie die Internodien der Gräser etc. sind aber durch den Besitz intercalarer Vegetationszonen an ihrer Basis ausge- zeichnet. Die Zellen der intercalaren Vegetationszonen verhalten sich ähnlich wie diejenigen der eigentlichen Vegetationspunkte an den Spitzen der Pflanzen- organe und liefern wie diese die Elemente zur Bildung der verschiedenartigsten Gewebe des Pflanzenkörpers. Was die Theilung der Pflanzenzellen anbelangt, so interessiren uns die in neuerer Zeit von STRASBURGER und anderen Forschern eingehend studirten dabei zur Geltung kommenden morphologischen Verhältnisse an dieser Stelle nicht; da- gegen kann die Frage nach der Beziehung zwischen dem Wachsthum und der Zelltheilung nicht ganz umgangen werden. Manche Zellen höherer Gewächse, z. B. die Milchzellen von Zuphorbia theilen sich niemals, obgleich sie ein sehr ausgiebiges Wachsthum erfahren. Es giebt sogar Pflanzen (Siphoneen), welche nur aus einer einzigen, lebhaft wachsenden und reich gegliederten Zelle bestehen. Wenn eine theilungsfähige Zelle sich thatsächlich theilen soll, so muss sie zunächst wachsen, und aus alledem geht, wie zumal Sachs!) in neuerer Zeit mit besonderem Nachdruck betont hat, hervor, dass die Theilung nicht als primäres, sondern als ein secundäres Moment bei der Entwickelung der Zellen aufzufassen ist, und dass sogar Wachsthum der Zellen ohne Theilung derselben nicht allein denkbar ist, sondern wirklich in der Natur vorkommt. In den meisten Fällen folgt aller- dings dem Wachsthum der Zellen eine Theilung derselben, aber diese Theilung ist nicht die Ursache des Wachsthums, sondern die Fächerung der Pflanzenorgane durch Zelltheilungen ist im Gegentheil der Hauptsache nach dem Wachsthum derselben untergeordnet. Die Art und Weise, in welcher sich die Fächerung des Innenraumes eines wachsenden Pflanzentheiles durch Zelltheilung dem Wachsthum anschliesst, wird, wie Sachs in seinen beiden soeben citirten Abhandlungen mit allem Nachdruck betont, wesentlich durch das von diesem Forscher begründete Princip der rechtwinkeligen Schneidung beleuchtet. Wenn nach erfolgtem Wachsthum der Zellen Theilungsvorgänge stattfinden, so zeigt sich wenigstens in der Regel, dass die bei der Zelltheilung neu entstehenden Wände in einem rechten Winkel auf die schon vorhandenen Wände treffen.?) I) Vergl. Sachs, Arbeiten d. botanischen Instituts in Würzburg. B. 2, pag. 47 u. 196. 2) Es sei hier noch erwähnt, dass auch bei den Zellen sehr niedrig stehender Organismen den Theilungsvorgängen das Wachsthum vorausgeht. Neuerdings hat BrEFELD (Botan. Unter- suchungen über Schimmelpilze. 1881, pag. 4) z. B. gezeigt, dass die Zellen des Dacillus subtilis vor jeder Theilung (bei 17° R. verging von einer Theilung bis zur nächsten eine Zeit von 5/, Stunden) lebhaft wachsen. } RR F “ri I. Abschnitt. 4. Die Gewebespannung. 469 Viertes Kapitel. Die Gewebespannung. S ı2. Begriffsbestimmung. Wird ein langer Holzcylinder in einen unten geschlossenen kurzen Kautschukschlauch, den er ausfüllt, hineingesteckt, und wird ' der letztere nun so weit gedehnt, dass er über das obere Ende des Holzcylinders hin- ausragt und hier zugebunden werden kann, so hat man ein gespanntes System herge- stellt. Der Kautschukschlauch hat vermöge seiner Elasticität das Bestreben, sich zu- sammenzuziehen; es ist aber das Zustandekommen einer irgendwie beträchtlichen Contraction nicht möglich, da der Schlauch durch den Cylinder, mit dem er verbunden, daran verhindert wird, sich erheblich zu verkürzen. Es kann in unserem Fall höchstens eine ganz geringfügige Zusammenziehung des Kautschuk- schlauches eintreten, da derselbe auf den Holzcylinder einen Druck ausübt und diesen in Folge dessen comprimirt. Bei der relativ geringen Compressibilität des Holzes kann die Verkürzung des Holzcylinders aber keinen hohen Werth erreichen. In unserem System wird der Kautschukschlauch also durch den Holzcylinder gedehnt; der letztere aber durch den ersteren comprimirt. Es ist eine Spannung und eine Gegenspannung vorhanden. Diejenigen Elemente eines Spannungssystems, welche andere Elemente desselben Systems dehnen, selbst aber comprimirt und in ihrem Ausdehnungsbestreben gehindert werden, bezeichnet man als activ oder positiv gespannte. Die Elemente aber, welche andere Elemente comprimiren, selbst gedehnt und in ihrem Contractionsbestreben gehindert sind, müssen als passiv oder negatıv gespannte aufgefasst werden. In unserem System ist der Holzceylinder also activ oder positiv, der Kautschukschlauch passiv oder nega- tiv gespannt. In einem sich in Ruhe befindenden Spannungssystem müssen die Spannung sowie die Gegenspannung sich das Gleichgewicht halten, sie müssen gleich sein. In unserem Falle suchen sich also die Kautschuktheilchen mit derselben Kraft zusammenzuziehen, mit welcher die Holztheilchen sich von einander zu entfernen streben. | Wird die Verbindung zwischen den Elementen eines Spannungssystems auf- gehoben, in unserem Falle also der Kautschukschlauch von dem Holzcylinder losgebunden, so tritt Spannungsausgleichung ein. In Folge dessen muss sich das vorher positiv gespannte Element (Holzcylinder) ausdehnen, während das seither negativ gespannte Element (Kautschukschlauch) eine Verkürzung erfährt. Die Dimensionsänderungen, welche die Elemente eines Spannungssystems in Folge der Isolirung erfahren, können uns nur unter bestimmten Voraussetzungen Anhaltspunkte zur Beurtheilung der in dem unversehrten System herrschenden Spannungsintensität gewähren, dagegen gehen sie keinen Aufschluss über die Spannungsintensität der einzelnen Elemente eines Spannungssystems. Wenn sich der Kautschukschlauch nach dem Isoliren sehr erheblich zusammenzieht, während das Holz eine nur geringfügige Ausdehnung erfährt, so beweist dies Verhalten nicht, dass ersterer stark, letzterer schwach gespannt war. Beide Elemente müssen in Verbindung mit einander gleich energisch gespannt gewesen sein, und die Dimensionsänderungen, welche sie nach dem Isoliren erfahren, werden durch ihre eigenthümlichen Dehnbarkeits-, Compressibilitäts- sowie Elasticitätsverhältnisse bedingt. Die Dimensionsänderungen, welche die einzelnen Gewebemassen von Pflanzentheilen nach dem Isoliren zeigen, sind ebenso nicht dazu geeignet, uns Ba e HET 470 System der Pflanzenphysiologie. Aufschluss über die Spannungsintensität der Gewebe zu verschaffen. Wird z. B. das Mark und das Holz etwas älterer, noch nicht ausgewachsener Internodien isolirt, so dehnt sich jenes stark aus, dieses zieht sich aber wenig zusammen, trotzdem Spannung sowie Gegenspannung im unversehrten Internodium gleiche Grösse besessen haben müssen. | S$ı3. Grundursachen der Spannungserscheinungen der Pflanzen!). a) Die Imbibition. Da in der Pflanze Gewebemassen vorhanden sind (zumal solche, welche zum grössten Theil aus dickwandigen Zellen, getüpfelten Holzzellen oder Holzgefässen bestehen), die in Folge von Imbibitionsprocessen oder Aus- trocknungsvorgängen bedeutendere Volumenveränderungen erleiden können, wäh- rend andere Gewebe dazu nicht in dem nämlichen Maasse befähigt sind, so ist damit die Ursache für das Zustandekommen einer energischen Gewebespannung in den Pflanzen gegeben. Solche Spannungszustände existiren z. B. zwischen dem mit Wasser imbibirten Holzkörper und der Rinde der Bäume. Es zeigt sich übrigens häufig, dass an Pflanzentheilen, deren einzelne Gewebe- elemente verschiedene Imbibitionsfähigkeit besitzen, oder deren Gewebeelemente sich solchen Ursachen gegenüber, welche einen Wasserverlust herbeiführen, nicht gleichartig verhalten, zunächst Spannungen und schliesslich Ausgleichung der Spannungsverhältnisse hervortreten. Diese letztere führt oft das Zustandekommen energischer Kraftäusserungen sowie das Hervortreten von Bewegungserscheinungen herbei, und ich brauche zur Illustration des Gesagten nur auf die Phänomene des Aufspringens der Sporangien, Antheren, vieler Früchte und auf die Bewegungs- erscheinungen hinzuweisen, welche die Involucralblätter des Blüthenstandes der Carlinaarten in Folge einer Wasseraufnahme oder Wasserabgabe zeigen?). b) Der Turgor. Wenn die Elemente eines Gewebes ihren protoplasmati- schen Inhalt verloren haben, oder wenn ihre Membranen gar mit wirklichen Löchern versehen sind, so ist natürlich das Zustandekommen des Turgors in den Zellen ausgeschlossen. Die active Betheiligung der turgorlosen Gewebe an der Gewebespannung wird somit nur durch Imbibitionsprocesse vermittelt werden können. Dagegen besitzt der Turgor für die Spannungszustände jugendlicher Pflanzentheile eine hohe Bedeutung. In jeder turgescirenden Zelle besteht schon eine Spannung zwischen dem Inhalt nnd den gedehnten Schichten des Proto- plasmas sowie der Cellulosemembran. Ersterer befindet sich im Zustande activer oder positiver, letztere im Zustande passiver oder negativer Spannung. Sind solche Zellen, welche zu turgesciren vermögen, mit einander verbunden, so können bedeutende Spannungen hervorgerufen werden. Legt man welke Internodien in Wasser, so nimmt das Mark derselben die Flüssigkeit schnell auf; die Zellen desselben turgesciren stark und suchen sich so lange auszudehnen, bis ihrem Dehnungsstreben durch die Elasticität der peripherischen Gewebe- massen des Internodiums das Gleichgewicht gehalten wird, und nun lässt sich das Vorhandensein einer lebhaften Gewebespannung leicht constatiren. Ein längsgespaltener Stengel von Zaraxacum officinale vollt sich, in Wasser gelegt, spiralig ein. Die Aussenseite wird concav, da das Markparenchym viel lebhafter turgescirt als die Rinde und die Epidermis. Im unverletzten Stengel !) Vergl. über das Folgende Sachs, Lehrbuch d. Botanik. 4. Aufl. pag. 757: 2) Es sei hier noch bemerkt, dass auch in ein und derselben Zellmembran, die aus Schichten von verschiedener Imbibitionsfähigkeit besteht, Spannungen zur Geltung kommen können. Solche Schichtenspannungen können sich z. B. auch in einem Stärkekorn zeigen. I. Abschnitt. 4. Die Gewebespannung. 471 von Taraxacum wuss Wasseraufnahme also eine sehr hohe Spannung zwischen den centralen und peripherischen Gewebemassen hervorrufen. c) Das Wachsthum. Dass das Wachsthum überhaupt von Einfluss auf die Spannungszustände in der Pflanze sein muss, leuchtet von selbst ein, obgleich eine detaillirte Behandlung der bezüglichen Verhältnisse mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Wenn z. B. die Zellmembran einer turgescirenden Zelle durch Intussusception wächst, so wird die Turgorspannung mehr oder minder ausge- glichen, und wenn von zwei mit einander verbundenen Geweben das eine lebhafter als das andere wächst, so müssen dadurch die Spannungszustände der Gewebe natürlich wesentliche Veränderungen erfahren!). S 14. Die Erscheinungen der Gewebespannung. — a) Die Längs- spannung. Es gelingt durch die einfachste Beobachtung den Nachweis dafür beizubringen, dass zwischen den Geweben wachsender Pflanzentheile eine energische Längsspannung, d. h. eine Spannung parallel der Wachstumsachse der Organe existirt?). Bestimmt man z. B. die Länge eines Internodiums, trennt man dann die einzelnen Gewebemassen desselben mit Hülfe eines scharfen Messers von einander, ohne den Pflanzentheil zu zerren, und misst man jetzt die Länge der isolirten Gewebe, so ergiebt eine Vergleichung der gewonnenen Resultate, dass die einzelnen Gewebeschichten keineswegs die nämlichen Dimensionen wie das unversehrte Internodium besitzen. Das isolirte Mark ist ganz allgemein länger als das unversehrte Internodium, während dagegen in der Regel die Epidermis, die gesammten Rindenschichten sowie das Holz eine Verkürzung erfahren. Das Mark muss daher im unverletzten Stengeltheil im Zustande activer, Epidermis, Rinde und Holz müssen dagegen im Zustande passiver Spannung vorhanden gewesen sein. Die peripherischen Gewebemassen erfahren übrigens beim Isoliren keines- wegs sämmtlich die nämliche Verkürzung. Die Epidermis verkürzt sich am meisten, Rinde sowie Holz weniger, und es ist nach der Isolirung im Allge- meinen be N ee N N Im unversehrten Internodium ist jede Gewebeschicht gegen die nächst innere passiv, gegen die nächst äussere activ gespannt. Seither ist allein auf die Spannungszustände der Internodien Rücksicht ge- nommen, aber es muss bemerkt werden, dass ebenso in anderweitigen Pflanzen- theilen Gewebespannung herrscht. So ist z. B. die Existenz einer beträchtlichen Längsspannung zwischen den Geweben vieler Blattstiele (zumal derjenigen von Rheum sowie Philodendron) nachgewiesen. Auch die Wurzeln zeigen eigenthümliche Spannungserscheinungen®?), und ebenso bestehen Spannungen zwischen den äusseren und inneren Schichten des Hyphengewebes der grossen Hutpilze. Sehr beachtenswerth ist die Thatsache, dass in den ganz jugendlichen Theilen der Pflanzen (Wurzel- sowie Stengelspitzen) keine Spannungen existiren, dass die- 1) Es muss beachtet werden, dass diese Veränderungen der Spannungszustände wieder eine Rückwirkung auf den Wachsthumsprocess ausüben. 2?) Die Erscheinungen der Gewebespannung sind zuerst von DUTROCHET (vergl. m&moires pour servir a l’hist. etc. 1837) specieller untersucht worden, und HOFMEISTER, SACHS sowie KRAUS haben dem Gegenstande dann zumal weitere Aufmerksamkeit gewidmet. Vergl. HOFMEISTER, Berichte d. königl. sächs. Gesellsch. d. Wissensch. 1859 u. 1860. Sachs, Handbuch d. Ex- perimentalphysiologie u. Lehrbuch d. Botanik. Kraus, Botan. Ztg. 1867. 3) Vergl. H. ve Vrızs; Landwirthschaftl. Jahrbücher. Bd. 9. pag. 41. ” S ET ri Dr tn Fu) Ben ET N a a N ee A ee DE a en Er ES A dan an Dede A a nn an . R e N K EEE RE | 472 System der Pflanzenphysiologie. selben in lebhaft in die Länge wachsenden Pflanzentheilen bedeutende sind, und dass die Spannungen schliesslich wieder verschwinden. Aus einigen Angaben von Kraus berechnen sich z. B. für die Längsspannung von Internodien die in der folgenden Tabelle angegebenen Werthe: Nummern des Längsänderung der isolirten Gewebe in pCt. des Pflanze. : Internodiums ganzen Internodiums. (1 das jüngste). Epidermis. Rinde. Holz. Mark, Sambucus nigra. . . . ] — 3,1 0,0 0,0 II — 1,5 — 1,0 -+ 6,4 III — 1,6 + 6,5 IV — 1,6 +03 +61 V — 0,2 +02 +0,7 vI -- 0,5 —05 +0,1 Aelianthus tuberosus I-IV — 43 — 1,7 + 6,8 V-VI — 17 — 0,0 + 6,8 VI-VI — 09 — 0,4 + 4,4 VII — 0,5 — 0,0 —e1232 IX—XI — 0,0 + 0,9 —+ 2,0 Wenngleich wir heute noch keineswegs im Stande sind, die Ursachen der hier in Rede stehenden Phänomene im Einzelnen genau anzugeben, so ver- dienen doch die folgenden Bemerkungen zur Deutung der in der vorstehenden Tabelle mitgetheilten Angaben einige Beachtung. Die Spannungsverhältnisse können natürlich erst dann in ausgeprägter Weise hervortreten, wenn es zu einer Differenzirung der Gewebe gekommen ist. Die Zellen des Markes turgesciren in Folge der Beschaffenheit ihres Inhaltes sowie ihrer Membranen unzweifelhaft weit lebhafter, als die Zellen anderer Gewebe, wie dies bereits im vorigen Paragraphen unter b hervorgehoben worden ist, und schon dadurch, zumal aber durch das lebhaftere Wachsthum des Markes, welches in genauer Beziehung zu seinen eigenthümlichen Turgorverhältnissen steht, müssen die mit dem Mark ver- bundenen, im jugendlichen Zustande sehr dehnbaren peripherischen Gewebe be- trächtliche Zerrungen erfahren, während dieselben ihrerseits das Mark an seinem Ausdehnungsstreben zu verhindern suchen. Wenn nun mit fortschreitendem Alter der Internodien die Cuticularisirung der Epidermis immer weitere Fortschritte macht, und die das Mark umgebenden Gewebe mehr und mehr verholzen, so müssen die Widerstände, welche das Mark zu überwinden hat, fortdauernd grössere werden, und schiesslich kann das Mark dieselben gar nicht mehr überwinden. Das Mark wird sehr energisch comprimirt, die Zellen desselben verlieren ihren Turgor, sie geben ihr Wasser an benachbarte Gewebemassen ab und füllen sich mit Luft. Da- mit ist aber die Hauptursache der Längsspannung, die Ausdehnung des Marks durch Turgor und Wachsthum, aufgehoben, und die Spannung selbst ver- schwunden. In den ausgewachsenen Internodien und Blattstielen ist die Längsspannung gewöhnlich aufgehoben. Nur zuweilen bleibt sie noch bestehen, und dies lässt sich namentlich bei der Untersuchung der Bewegungsorgane der periodisch be- weglichen und reizbaren Blätter der Papilionaceen, Mimoseen sowie Oxalideen etc. constatiren. Ich komme am Schlusse dieser Abhandlung auf die bezüglichen Ver- hältnisse zurück. b) Die Querspannung. Wenn das Mark bei dem Zustandekommen der Längsspannung comprimirt wird, so muss dasselbe natürlich in der Längsrichtung eine Verkürzung, in der (Juerrichtung aber eine Ausdehnung erfahren. Die I. Abschnitt, 4. Die Gewebespannung. 473 peripherischen Gewebemassen (Holz, Rinde) müssen im Gegentheil in Folge der passiven Dehnung, welcher sie ausgesetzt sind, eine Verminderung ihres Gesammt- umfanges erleiden. Diese einfachen Ueberlegungen lehren, dass in solchen Organen, in denen Längsspannungen bestehen, zugleich Querspannungen existiren können, der Art nämlich, dass die in ihrer Ausdehnung in die Länge behinderten Gewebe (Mark) sich in querer Richtung zu vergrössern bestreben, also activ gespannt sind, und die peripherischen Gewebe somit in der nämlichen Richtung passiv dehnen). In lebhaft wachsenden Pflanzentheilen kann demnach neben der Längs- spannung zugleich eine Querspannung vorhanden sein. Wenn das Längenwachs- thum aufhört, so erlischt damit auch die Längsspannung; die Querspannung tritt dagegen in den nunmehr allein in die Dicke wachsenden und zu ausgiebiger Holzbildung befähigten Pflanzentheilen erst recht deutlich hervor. Dabei ist aber wohl zu beachten, dass die Ursachen der Querspannung jetzt wesentlich andere wie früher geworden sind, was schon von vornherein deutlich aus dem Umstande erhellt, dass nunmehr die Längsspannung, welche das Zustandekommen der Quer- spannung seither bedingte, ja nicht mehr vorhanden ist. Wenn das Dickenwachsthum der Stämme unter Vermittelung des Cambiums beginnt, so müssen die Elemente der primären Rinde sowie der Epidermis in peripherischer Richtung gedehnt werden. Ueberdies erfahren die auf der Aussen- seite des Cambiumringes erzeugten Phloömelemente eine passive Dehnung durch das auf der Innenseite des Cambiumringes entstehende Holz, da die Zellen des- selben in tangentialer Richtung stärker wachsen als diejenigen des Bastes. Die peripherischen Gewebemassen sind aber nicht allein dehnbar, sondern zugleich elastisch und üben, indem sie sich zusammenzuziehen suchen, einen Druck auf die centralen Gewebe der Stammgebilde aus. Wenn mit zunehmendem Alter die Bildung des Periderms sowie der Borke erfolgt, und das Holz zugleich eine bedeutendere Mächtigkeit erlangt, so muss die Spannungsgrösse offenbar eine fort- schreitend erheblichere werden. Das Hautgewebe setzt der Dehnung, welche dasselbe in peripherischer Richtung erfährt, jetzt einen sehr bedeutenden Wider- stand entgegen und übt demnach auch einen starken Druck in radialer Richtung auf die centralen Gewebe des Stammes (Phlo&m, Cambium und Xylem) aus. Die Thätigkeit des entwickelten Holzes bei dem Zustandekommen der Quer- spannung ist bis zu einem gewissen Grade mit derjenigen des Markes bei der Längsspannung zu vergleichen. Beide Gewebemassen haben das Bestreben sich auszudehnen und üben daher einen Druck oder Zug auf die mit ihnen ver- bundenen Gewebe aus. Aber während die eigenthümlichen Functionen des Markes vor allem auf Turgor- sowie Wachsthumsverhältnisse zurückgeführt werden müssen, leuchtet es von vornherein ein, dass das Ausdehnungsbestreben des Holzes insbesondere durch Imbibitionsvorgänge vermittelt wird. Dieser Unter- schied ist von grosser Wichtigkeit und für die Beurtheilung der Spannungsver- hältnisse in der Pflanze von principieller Bedeutung. Gewisse Elemente des Holzes, die Gefässe nämlich, können überhaupt gar nicht turgesciren; andere !) Ich gehe auf die hier berührten, seither wenig studirten Verhältnisse nicht specieller ein, nur sei noch bemerkt, dass das Bestreben der Markzellen sich quer zu erweitern, nicht immer durch die peripherischen Gewebemassen behindert, sondern in manchen Fällen sogar unterstützt wird. Wenn diese letzteren in der Richtung der Peripherie lebhafter als das Mark wachsen, so zerren sie die Elemente desselben in radialer Richtung, und auf diese Weise wird das Hohlwerden noch wachsender Internodien sowie Blattstiele hervorgerufen. E . % EP Pb Bi A na ce a, ö 2, ww Auer i Fk 474 System der Pflanzenphysiologie. Elemente vermöchten sich, selbst wenn in ihnen Turgescenzerscheinungen zu Stande kämen, der Beschaffenheit ihrer Membranen wegen unter dem Einfluss hydrostatischen Druckes kaum in erheblichem Grade auszudehnen, so dass also als wesentliche Ursache des Ausdehnungsbestrebens fertiger Holzmassen allein das Imbibitionsvermögen derselben anzusehen ist. Von der Existenz der Querspannung der Stengel und Stämme kann man sich leicht überzeugen, wenn man die einzelnen Gewebe einer Querscheibe der- selben von einander trennt, indem man sie durch einen Längsschnitt spaltet und dann in Richtung der Peripherie von einander ablöst. Es zeigt sich dann, wo- für Kraus in seiner citirten Abhandlung viele Beispiele anführt, dass die isolirten Hautgewebemassen eine Contraction erfahren. Dieselben müssen also im unver- sehrten Pflanzentheil im Zustande passiver Spannung vorhanden gewesen sein, während das Holz aktiv gespannt war. Es ıst angeführt worden, dass die Längsspannung ein und desselben Stengels nicht in sämmtlichen Regionen desselben die nämliche Grösse besitzen kann. Genau dasselbe ist bezüglich der Querspannung der Fall. Dies zeigt sich schon bei der Untersuchung einjähriger, stark in die Dicke wachsender Stämme (z. B. Zelian- Zhus). In der Nähe der Spitze solcher Stämme ist das Dickenwachsthum sehr gering, und in der Nähe der Basis wird in Folge des continuirlich wirkenden Druckes die Elasticitätsgrenze der peripherischen Gewebemassen allmählich über- schritten, so dass das Maximum der Querspannung in einer mittleren Region der Stämme liegen muss. Sehr deutlich zeigt sich eine ähnliche Vertheilung der Spannungsintensität an solchen Pflanzen, deren Stämme zu ausgiebiger Borken- bildung befähigt sind. Wenn auf die Borke in Richtung der Peripherie ein leb- hafter Druck von innen her geltend gemacht wird, so muss, da dieselbe in hohem Grade widerstandsfähig ist, eine sehr bedeutende Spannung resultiren. Schliess- lich wird dieser Widerstand aber überwunden, die Borke reisst auf, und es erfolgt mindestens ein theilweiser Spannungsausgleich. Etwas oberhalb der Stelle der Borkenabschuppung muss also am Stamme ein Maximum der Querspannung vor- handen sein, und nach unten sowie nach oben wird die Spannungsintensität ab- nehmen müssen. S ı5. Die Veränderungen der Spannungsintensität. a) Der Ein- fluss des Wassers. Wenn man die Spannungsintensität eines Internodiums (gemessen an der Längsdifferenz zwischen dem unversehrten Pflanzentheil und den isolirten Geweben) feststellt und ein gleichalteriges Internodium der nämlichen Pflanzenspecies nach längerem Welken auf seine Spannungsintensität prüft, so ergiebt sich dieselbe für das letztere kleiner als für das erstere. Die benutzte Methode kann, sofern man nur mit gleichalterigen Internodien experimentirt, deren Gewebe ähnliche Dehnbarkeits- sowie Hlasticitätsverhältnisse besitzen, zu brauchbaren Resultaten führen, und es ergiebt sich also, dass Wasserverlust die Intensität der Längsspannung, auf welche es hier zunächst ankommt, deprimirt. Wasserzufuhr steigert die Spannungsintensität wieder. Bestimmt man die Länge isolirter Mark- und Epidermisstreifen vor sowie nach dem Welken, so zeigt sich, wie zumal Kraus fand, dass der Wasserverlust eine sehr bedeutende Verkürzung des Markes, aber eine relativ geringe Verkürzung der Epidermis zur Folge hat. Umgekehrt verlängern sich isolirte Markstreifen in Contact mit Wasser viel erheb- licher als isolirte Epidermisstreifen. Auch bezüglich der Querspannung ist es sicher, dass Wasserzufuhr die Inten- I. Abschnitt. 4. Die Gewebespannung. 475 sität derselben steigert, Wasserverlust aber das Entgegengesetzte zur Folge hat. Wenn, wie es thatsächlich der Fall ist, der Holzkörper bei zunehmendem Wasser- gehalt seinen Umfang vergrössert, so muss schon dieses Moment eine Erhöhung der Spannungsintensität herbeiführen. Dazu kommt, dass die Rindenringe der Stämme, wie Kraus!) gezeigt hat, durch Wasserzufuhr zwar an Dicke zu-, an Länge aber abnehmend, einen gesteigerten Druck auf die centralen Gewebemassen ausüben müssen. Alle diejenigen Ursachen, welche den Wassergehalt des Pflanzenkörpers steigern (Wasserzufuhr zum Boden, verminderte Transpiration etc.) bewirken dem- nach eine Erhöhung der Spannungsintensität, während ein Sinken des Wasser- gehaltes der Pflanzen den entgegengesetzten Erfolg herbeiführen muss. b) Der Einfluss der Temperatur. Kraus hat bereits in seiner in der botanischen Zeitung vom Jahre 1867 über die Gewebespannung veröffentlichten Abhandlung gezeigt, dass die Temperaturverhältnisse von Einfluss auf die Inten- sität der Gewebespannung sind. Die Spannungsintensität sinkt namentlich bei Temperaturen unter 8°C., und bei solchen Wärmegraden soll die weiter unten zu erwähnende tägliche Periodicität der Gewebespannung nicht mehr zu constatiren sein. Kraus hat ferner nachgewiesen (vergl. seine in der letzten Anmerkung eitirte Abhandlung, pag. 50), dass Steigerung der Spannungsintensität durch höhere Temperatur keineswegs mit einer Zunahme des Gesammtwassergehaltes der Stämme Hand in Hand zu gehen braucht. Temperatursteigerung treibt Wasser aus dem Holz in die Rinde, und es kann schon dadurch eine Zunahme der Spannungsintensität bewerkstelligt werden. ?) Unter Berücksichtigung der soeben angeführten Thatsachen ersgheint es von vornherein als wahrscheinlich, dass die Intensität der Querspannung im Laufe eines Jahres Schwankungen unterliegen muss, und in der That sind solche con- statirt worden. Es ist aber daran zu erinnern, dass die Veränderungen der Spannungsintensität keineswegs ausschliesslich als Folge des Temperaturwechsels aufzufassen sind, sondern dass sicher eine ganze Reihe verschiedener Faktoren bei dem Zustandekommen der jährlichen Spannungsperiode betheiligt sind, von denen die Temperaturverhältnisse allerdings in erster Linie maassgebend erscheinen. Im Winter ist die Spannungsintensität der niederen Temperatur wegen auf jeden Fall gering; mit dem Erwachen der Vegetation im Frühjahr und der damit Hand in Hand gehenden starken Quellung des Gewebes der Stämme steigt die Spannungs- intensität bedeutend, um später, wenn der Holzkörper in Folge der mit der Ent- faltung der Blätter immer lebhafter zur Geltung kommenden Transpiration wieder wasserärmer wird, auf's Neue zu sinken. Schliesslich erfährt die Spannungsinten- sität eine abermalige Erhöhung durch das bis zum Hochsommer anhaltende Dickenwachsthum der Stämme.?) c) Der Einfluss des Lichts. Vom Standpunkte der heutigen Wachsthums- physiologie aus ist es von vornherein sehr wahrscheinlich, dass die Intensität der Gewebespannung (Längs- sowie Querspannung) solcher Pflanzentheile, die unter sonst constanten äusseren Bedingungen wechselnden Beleuchtungsverhältnissen I) Kraus, Ueber d. Wasservertheilung in d. Pflanze. ı. Abhandlung, pag. 65. Sonderab- druck aus d. Festschrift d. naturforschenden Gesellschaft zu Halle. 1879. 2) Specielle Begründung vergl. bei Kraus. 3) Vergl. Sachs, Lehrbuch d. Botanik. 4. Aufl. pag. 778 und H. DE Vrıes. Flora 1875. pag. 98. 476 System der Pflanzenphysiologie. ausgesetzt werden, Schwankungen erfährt, die ihren Grund aber nicht allein in dem Vermögen der Lichtstrahlen haben, erwärmend zu wirken und eine Steigerung der Transpiration herbeizuführen, sondern deren Ursachen auch in anderen Ver- hältnissen zu suchen sind. Das Licht kann nämlich einen unmittelbaren Ein- fluss auf den Turgorzustand und damit auch auf das Wachsthum der gespannten Gewebe ausüben, woraus sich sofort eine Abhängigkeit der Intensität der Spannungen von den Beleuchtungsverhältnissen ableiten lässt. Wir werden an anderer Stelle zeigen, dass Dunkelheit die Turgorausdehnung sowie das Wachsthum der Pflanzenzellen im Allgemeinen steigert, während die Lichtstrahlen in entgegengesetzter Weise auf die Zellen einwirken. Danach würde also Dunkelheit eine Erhöhung, Lichtzutritt aber eine Verminderung der Intensi- tät der Gewebespannung zur Folge haben. Diese Anschauung, welche gewiss im Wesentlichen richtig ist, bedarf übrigens noch einer exacten experimentellen Begründung.!) d) Die tägliche Periodicität der Gewebespannung. Untersucht man die Intensität der Längs- sowie Querspannung der Pflanzen zu verschiedenen Tageszeiten, so ergiebt sich, dass dieselbe sich im Laufe von 24 Stunden keines- wegs immer auf der nämlichen Höhe erhält. Die Spannungsintensität zeigt näm- lich in den frühen Nachmittagsstunden ein Minimum, sie steigt dann bis zum frühen Morgen, erreicht ein Maximum, um endlich wieder zu sinken. Kraus (vergl. botan. Zeitung, 1867, Beilage, pag. 28) fand z. B. für die In- tensität der Querspannung eines älteren Stammes von Sorbus aucuparia, im Laufe eines Tages folgende Werthe, welche die procentische Differenz zwischen dem Umfange des ganzen Stammes und der Länge der isolirten Rindenringe ausdrücken: 6-h. a. m. 9 h. a. m. 2 DD. 5 h. p.im 31 2,6 DD 3,3 Bei der Untersuchung der Querspannung von Pyrus communis ergaben sich folgende Werthe: n„h.ra.m. 'ı0.h. a. m.‘ /2,b..p. m... 5 h.p. ms 6,0 4,9 4,2 4,0 5,8 3ei dem Studium der täglichen Periodicität der Querspannung kann man die Rindenringe zu den verschiedenen Tageszeiten stets ein und derselben Region der Pflanzen entnehmen, wodurch die Genauigkeit der Untersuchungsresultate wesent- lich erhöht wird. Die Ermittlung der Periodicität der Längsspannung ist mit weit grösseren Schwierigkeiten verbunden, aber es gelingt dennoch, wie die folgenden Angaben von Kraus zeigen, dieselbe zu constatiren. Die folgenden Zahlen, welche bei der Bestimmung der Längsspannung der Stengeltheile von ZZantago Psyllium gewonnen worden sind, repräsentiren Mittelwerthe aus vielen Einzel- beobachtungen; sie beziehen sich auf die procentischen Längsdifferenzen zwischen Rinde und Mark. I) Durch einige Angaben von Kraus (Botan. Zeitung, 1867, pag. 125 und Abhandlungen d. naturforschenden Gesellschaft zu Halle, B. ı5, Sonderabdruck d. dritten Abhandlung über die Wasservertheilung in der Pflanze, pag. 69) scheint die geltend gemachte Anschauung ge- stützt zu werden. Ich habe hier übrigens nur den Einfluss der Beleuchtungsverhältnisse auf die Spannungsintensität im Organismus solcher Pflanzen, die dem Wechsel von Tag und Nacht aus- gesetzt sind, ins Auge gefasst. Die Spannungszustände etiolirter Pflanzen gehören nicht hierher. u Shane el OH EEE ne u „ Du f P 13 » - 3 ie = - n= ii Ei I. Abschnitt. 4. Die Gewebespannung. 477 Zeit. Spannung. Tauber 3.0. 2,45 SE 1,76 TORu en, 1,92 115 N) 1,75 123: „»,P-.m. 1,66 RER 1,46 4 „ ” 2 1,35 5 PYazLa 7 1,93 12 N) 2,34 Versuchen wir es, uns über die Ursachen der täglichen Spannungsperiode klar zu werden, so muss von vornherein der Gedanke an die Existenz einer von der Temperatur, dem Licht sowie dem Wassergehalt der Pflanzen unabhängigen Periode als ein heute nicht zu begründender zurückgewiesen werden. Die Ver- änderungen, welche der pflanzliche Organismus unter dem Einflusse äusserer Faktoren erleidet, genügt auch vollkommen, um eine einigermaassen befriedigende Erklärung für das Zustandekommen des Phänomens der Spannungsperiode zu gewähren, und vor allem ist es der durch Schwankungen der Temperatur- sowie Beleuchtungsverhältnisse bedingte Wechsel im Wassergehalt der Pflanze, welcher uns hier interessiren muss. Die Pflanze kann allerdings zu jeder Tageszeit Wassermengen mit Hülfe ihrer Wurzeln aus dem Boden aufnehmen, aber zur Zeit des Tages kommen unter dem Einfluss der Wärme und Licht spendenden Sonnenstrahlen Processe zur Geltung, durch welche dem Pflanzenkörper bedeutende Feuchtigkeits- quantitäten entzogen werden. Die Transpiration vermindert den Wassergehalt der Gewächse in erheblichem Grade, und dieser Umstand muss, wie wir gezeigt haben, ein Sinken der Spannungsintensität zur Folge haben. Während der Nacht braucht die Transpiration zwar nicht völlig still zu stehen, aber sie ist ganz all- gemein zu dieser Zeit weit weniger ergiebig als am Tage. Der Wassergehalt des Pflanzenkörpers wächst in Folge dessen, und damit ist unmittelbar eine Er- höhung der Spannungsintensität verbunden. Es ist ferner wohl sicher, dass auch die Lichtstrahlen als solche (d. h. abgesehen von ihrer Fähigkeit, erwärmend zu wirken und einen beschleunigenden Einfluss auf die Transpiration auszuüben) die Schwankungen in der Spannungsintensität, zumal der Längsspannung, mit beeinflussen. Die Gegenwart des Lichtes vermindert unzweifelhaft die Turgor- ausdehnung der Zellen und wirkt retardirend auf das Wachsthum ein, während die Abwesenheit des Lichtes das Entgegengesetzte zur Folge hat. Ich komme auf alle diese Verhältnisse noch an anderer Stelle eingehender zurück und möchte dieselben hier nur andeutungsweise berühren, um die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Beziehungen zwischen den Beleuchtungs- und Spannungs- verhältnissen hinzulenken!?). D) Für ein genaues Studium der sämmtlichen hier berührten Verhältnisse ist es wichtig, sich mit dem Inhalt der schon citirten I. und 3. Abhandlung von Kraus über die Wasserver- theilung in den Pflanzen bekannt zu machen. Es wird darin der Einfluss äusserer Verhältnisse (Licht, Temperatur) auf den Wassergehalt der Pflanzen, den Gang des Wassergehaltes der Ge- wächse im Laufe eines Tages sowie die damit im Zusammenhang stehende tägliche Schwellungsperiode der Pflanzen besprochen. Am Tage ist nämlich das Volumen der ver- schiedensten Pflanzentheile kleiner als in der Nacht. Der Verlauf der Schwellungsperiode stimmt mit derjenigen der Periodicität der Spannung sehr nahe überein und die letztere ist wesentlich abhängig von der ersteren. 478 System der Pflanzenphysiologie. Ich muss schliesslich noch auf eine Erscheinung etwas specieller eingehen, die mit den hier berührten Verhältnissen in genauerem Zusammenhange steht. Im 43. Paragraph des ersten Theils dieses Systems der Pflanzenphysiologie wurde bereits angedeutet, dass die Periodicität des Saftausflusses eines Pflanzentheiles wohl in Beziehung zu den Phänomenen der täglichen Periodicität der Gewebe- spannung zu bringen ist, und an dieser Stelle muss dies Verhältniss wieder be- rührt werden!). Werden decapitirte Pflanzen constanten äusseren Bedingungen ausgesetzt, und bestimmt man unter Anwendung geeigneter Vorsichtsmaassregeln die Menge des aus den Stammstümpfen ausfliessenden Saftes, so zeigt sich, dass die Grösse des Saftausflusses keineswegs immer die nämliche ist. Der Saftausfluss ist am Tage bedeutender als in der Nacht; er erreicht meistens bald nach Mittag sein Maximum, wird dann bis zum folgenden Morgen schwächer, um endlich wieder zuzunehmen. Die Periodicität des Saftausflusses kommt nur bei solchen Pflanzen zu Stande, welche bereits ein gewisses Alter überschritten haben. Es scheint mir gewiss zu sein, dass nur solche Pflanzen die in Rede stehende Periodicitäts- erscheinung zeigen, in denen sich die Querspannung bereits entwickelt hat. Dieser Umstand deutet schon auf die Relationen zwischen der Periodicität des Saftausflusses einerseits sowie der Gewebespannung andererseits hin, Noch deut- licher tritt aber eine derartige Beziehung hervor, wenn man bedenkt, dass das Maximum des Saftausflusses fast genau auf diejenige Tageszeit (kurz nach Mittag) fällt, in welcher die Spannung ihr Minimum erreicht, während die Zeit des ge- ringsten Saftausflusses (frühe Morgenstunde) mit derjenigen des Spannungs- maximums zusammenfällt. Zwar bedarf die Frage nach der Relation zwischen der täglichen Periode des Saftausflusses und der Spannungsperiode noch sehr eingehender experimenteller Untersuchungen, aber es scheint doch wohl Folgen- des bereits jetzt betont werden zu können. Wenn die Querspannung ihr Maxi- mum erreicht, so werden offenbar die Gefässe, in denen der Saft von der Wurzel aus nach aufwärts geleitet wird, am stärksten comprimirt. Die Widerstände, welche die Flüssigkeitsmassen zu überwinden haben, sind unter den bezeichneten Umständen am bedeutendsten, und der Saftausfluss ist inFolge dessen am kleinsten. Umgekehrt muss aus Gründen, die sich nach dem Gesagten von selbst ergeben, die Zeit des Maximums für die Periodieität des Saftausflusses mit der Zeit des Spannungsminimums zusammenfallen. Besonders beachtenswerth ist nun, dass decapitirte Pflanzen, welche vor jeder Verdunstung geschützt sind, sich fortdauernd den nämlichen Temperatur-, sowie Feuchtigkeitsverhältnissen ausgesetzt befinden und stets im Dunkeln verweilen, die Periodicität des Saftausflusses erkennen lassen. Hängt nun diese letztere, wie es wohl sicher ist, mit der Spannungsperiode zusammen, so müssen im Organismus der decapitirten Gewächse unter constant bleibenden äusseren Um- ständen noch diejenigen Ursachen thätig sein, welche der Periodicität der Quer- spannung zu Grunde liegen. Diese Ursachen sind aber, wie wir gesehen haben, in einem Wechsel des Wassergehaltes der Pflanzengewebe zu suchen, und namentlich spielt der Wassergehalt der Rinde bei dem Zustandekommen der Periodicität der Querspannung eine wichtige Rolle. Man wird somit annehmen dürfen, dass der Wassergehalt der Gewebe, zumal der Rindenschichten, decapitirter !) Vergl. die bereits im ersten Theil dieses Systems d. Pflanzenphysiologie citirten Abhand- f ver Fe lungen über den Wurzeldruck. I. Abschnitt. ı. Wachsthumsgeschwindigkeit und Torsionserscheinungen. 479 Gewächse auch unter constanten äusseren Umständen Schwankungen erfährt, die allerdings nicht direkt durch den Wechsel von Temperatur- sowie Beleuchtungs- verhältnissen etc. hervorgerufen ‘werden, sondeın ihre Ursachen in sogen. Nachwirkungen haben. Die im Laufe eines Tages schwankenden äusseren Bedingungen, unter denen sich die Pflanzen ursprünglich entwickelten, induciren die Periodicität der Spannung zwar ganz sicher, aber diese Spannungsperiode — und damit ebenso die Periodicität des Saftausflusses — kann auch im Organis- mus der decapitirten Gewächse durch Nachwirkung zur Geltung kommen, wenn dieselben constanten äusseren Bedingungen ausgesetzt und dem Wechsel von Tag und Nacht entzogen sind. Es steht dem Experimentator mit Rücksicht auf die hier berührten Verhältnisse noch ein weites Feld der Forschung offen. e) Weitere Oscillationen der Spannungsintensität. Neben den täg- lichen Schwankungen der Spannungsintensität, existiren noch anderweitige Öscillationen derselben, die auch von Kraus (Botan. Zeitung, 1867, pag. 126) beobachtet worden sind, welche aber ebenfalls noch eingehender studirt werden müssen. Diese Öscillationen, welche in sehr kurzen Zeiträumen schwingen, lassen sich auch an Pflanzen beobachten, welche im Dunkeln gehalten werden. Sie erlöschen aber unter solchen Umständen schnell, können indessen durch Beleuchtung der Gewächse wieder hervorgerufen werden. Die Ursachen der in Rede stehenden ÖOscillationen der Spannungsintensität sind offenbar in Ver- änderungen des Wassergehaltes der Pflanzengewebe zu suchen, welche durch das Licht hervorgerufen werden, aber sich auch noch im Dunkeln geltend machen können. Zweiter Abschnitt. Die durch innere Wachsthumsbedingungen hervorgerufenen Wachsthumserscheinungen. Erstes Kapitel. Wachsthumsgeschwindigkeit und Torsionserscheinungen. S 16. Die Wachsthumsgeschwindigkeit. Es ist bereits im dritten Paragraphen im Allgemeinen Rücksicht auf die inneren Wachsthumsbedingungen genommen worden. Die durch dieselben hervorgerufenen Phänomene sind sehr mannigfaltiger Natur, aber einer mechanischen Erklärung noch so wenig zugäng- lich, dass die Physiologie heute fast allein im Stande ist, die bezüglichen That- sachen zu constatiren. Berücksichtigen wir zunächst einige der hier in Betracht kommenden augen- fälligsten Erscheinungen, so ist vor allem auf die verschiedene den einzelnen Pflanzenarten eigenthümliche Wachsthumsgeschwindigkeit hinzuweisen. Die tägliche Erfahrung lehrt, dass die Wachsthumsgeschwindigkeit verschiedener Gewächse selbst unter dem Einfluss derselben äusseren Bedingungen eine ausserordentlich verschiedenartige ist. Manche Pflanzen schiessen schnell empor; sie erzeugen in kurzer Frist Stammgebilde von erheblicher Länge sowie Dicke und produciren in kurzer Zeit Blätter von beträchtlichen Dimensionen. Andere Pflanzen wachsen ausserordentlich langsam, so dass es selbst innerhalb längerer Zeiträume kaum gelingt, einen Fortschritt in ihrer Entwicklung wahrzunehmen. Besonders lang- sam wachsen z. B. manche Flechten. Als Beispiel schnellen Wachsthums sei SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II. zı 480 System der Pflanzenphysiologie. erwähnt, dass sich der Stengel von Bambusa arundinacea nach Beobachtungen, die in Kew gemacht wurden, in 24 Stunden um 0,6—0,9 Meter verlängern kann. Ferner kann leicht nachgewiesen werden, dass selbst die Wachsthums- geschwindigkeit verschiedener Individuen einer bestimmten Pflanzenart keineswegs dieselbe ist. Setzt man z. B. eine Anzahl unter gleichen Umständen gereifter Samen dem Einfluss normaler Keimungsbedingungen aus, so zeigt sich, dass die einzelnen Samen, selbst wenn sie einander äusserlich möglichst gleichen und unter denselben Umständen zur Entwicklung angeregt werden, keineswegs sämmtlich mit der nämlichen Geschwindigkeit keimen. Das individuell ver- schiedenartige Verhalten der einzelnen Untersuchungsobjecte tritt schon von vornherein deutlich hervor und lässt sich auch fernerhin leicht constatiren. Eben- so ist zu betonen, dass gleichnamigen Gliedern verschiedener Pflanzenspecies oder verschiedener Individuen einer Pflanzenart nicht die nämliche Wachsthums- dauer sowie Wachsthumsenergie!) zukommt. (Vergl. $ 18.) Es ist endlich noch hervorzuheben, dass die Wachsthumsgeschwindigkeit eines Pflanzentheils, wie dies wenigstens für einige Fälle sicher constatirt zu sein scheint, innerhalb sehr kurzer Zeiträume, d. h. weniger Minuten, aus inneren Ursachen Schwankungen erfährt. Diese autonomen Öscillationen der Zuwachsbewegung bedingen, dass ein Pflanzentheil selbst bei constant bleibenden äusseren Um- ständen zunächst in der Zeiteinheit ein relativ langsames Wachsthum erfährt, dann schneller, darauf wieder langsamer, abermals lebhafter und aufs Neue langsamer wächst etc. etc. Solche Oscillationen sind z. B. von PFEFFER?) an den wachsenden Wurzeln von Vicia faba und von DrupeE?) an den Blättern von Vicloria regia verfolgt worden. E $ ı7. Die Torsionserscheinungen®). Wird ein grader Pflanzentheil, z. B. ein Internodium, oben und unten festgehalten und nun an einem Ende um seine Achse gedreht, so tritt eine Torsionserscheinung hervor. Die Seiten- linien des Organs sind der Wachsthumsachse desselben nicht mehr parallel, sondern sie umlaufen diese letztere in Schraubenlinien. Torsionen können den Pflanzentheilen aber nicht allein durch die Wirksamkeit äusserer Kräfte künstlich aufgenöthigt werden, sondern dieselben sind sehr häufig Folge der Wirksamkeit innerer Wachsthumsursachen, welche während der Entwickelung der Gewächse zur Geltung kommen. So zeigen z. B. Stengel mancher dicotyler Pflanzen Torsionserscheinungen. Sehr schön tordiren Organe, wenn sie sich im Finstern entwickeln (hypocotyle Glieder der Keimpflanzen, Blüthenschaft von Hyacinthus). Beachtenswerth ist, dass Stengeltheile, die, wenn sich dieselben unter normalen Verhältnissen entwickeln, nicht tordiren, im etiolirten Zustande häufig Torsionserscheinungen zeigen. Auch manche Blätter, z. B. diejenigen von Triticum vulgare sowie verschiedener Avena-Species, lassen Torsionen erkennen. Ebenso sind die Stiele der Laubmooskapseln gewöhnlich stark tordırt. Die Phänomene, welche man an tordirten Pflanzenorganen (zumal den Stengeln) ') Als Wachsthumsenergie eines Pflanzentheils bezeichnet man die Fähigkeit desselben, durch das Wachsthum überhaupt eine bestimmte Grösse zu erreichen. ?) Vergl. PFEFFER, Pflanzenphysiologie. Bd. 2. pag. 82. #) Vergl. Drupe, Nova acta d. Kaiserl. Leop.-Carol.-Deutschen Academie d. Naturforscher. Bd. 43. No. 3. #) Literatur: Sachs, Botanische Zeitung, 1863, Beilage pag. 16; KrAUS, PRINGSHEIMS Jahr- bücher, Bd. 7, pag. 250; H. pw Vrıes, Arbeiten d. botanischen Instituts in Würzburg, Bd. 1, pag. 542; Sachs, Lehrbuch d. Botanik, 4. Aufl., pag. 831. en w II. Abschnitt. 2. Die grosse Wachsthumsperiode. 481 wahrnehmen kann, berechtigen unmittelbar zu dem Schluss, dass die äusseren Ge- webe derselben länger als die centralen Gewebe sein müssen. Die Wachsthums- processe, welche ohne Zweifel als Ursache der Torsionen zu betrachten sind, müssen in den ersteren also lebhafter zur Geltung kommen oder länger dauern als in den letzteren. Für die Beurtheilung der hier in Rede stehenden Ver- hältnisse ist es wichtig zu beachten, wie schon Sachs betont hat, dass zur Zeit des lebhaftesten Wachsthums der Pflanzentheile gewöhnlich die inneren Schichten derselben das ausgiebigste Wachsthum zeigen, demnach keine Torsion erfolgen kann. Somit wird das Zustandekommen der Torsionen der Stengel wesentlich auf ein durch innere Ursachen bedingtes länger dauerndes Wachsthum der peripherischen Gewebeschichten zurückgeführt werden müssen. Diese Anschauung findet eine Stütze durch die Thatsache, dass die Torsionen gewöhnlich erst am Ende des Längenwachsthums zu Stande kommen. Ferner ist zu bemerken, dass die Stengel nur dann tordiren können, wenn das Längenwachsthum der peri- pherischen Schichten derselben nicht genau parallel der Wachsthumsachse erfolgt!), sondern in Folge kleiner Unregelmässigkeiten in der Anordnung der Theilchen der äusseren Gewebe eine seitliche Richtung annimmt.) Zweites Kapitel. Die grosse Wachsthumsperiode. $S ı8. Constatirung der Erscheinungen. Es ist eine merkwürdige Thatsache, dass die Wachsthumsgeschwindigkeit eines Pflanzentheiles selbst unter constant bleibenden äusseren Bedingungen keineswegs immer denselben Werth be- sitzt. Zur Begründung dieses Satzes liessen sich schon die Angaben einiger älterer Forscher, zumal diejenigen HAartınG’s sowie CAsPpAary's heranziehen, aber erst SacHs?) hat das erwähnte Phänomen in einer für die gesammte Wachsthums- physiologie fundamentale Bedeutung besitzenden Abhandlung unzweifelhaft fest- gestellt. Die älteren Beobachter hatten das Wachsthum von Pflanzentheilen näm- lich stets im Freien untersucht, also unter Umständen, welche nicht gestatten, den Verlauf des Wachsthums, insofern derselbe unabhängig von verschiedenen äusseren Momenten (Licht, Temperatur etc.) ist, zu verfolgen. Sachs legte dagegen mit Recht von vornherein ein hohes Gewicht darauf, seine Untersuchungsobjecte möglichst constant bleibenden äusseren Bedingungen auszusetzen, und es zeigte sich dabei mit aller Schärfe, dass die Wachsthumsgeschwindigkeit eines sich ent- wickelnden Pflanzentheiles in Folge innerer Wachsthumsursachen keineswegs zu allen Zeiten die nämliche Grösse besitzt. SacHs#) sagt darüber selbst: »Das wachsende, d. h. in Streckung begriffene Stück einer Wurzel, eines Internodiums oder Blattes verlängert sich in aufeinanderfolgenden gleichen Zeiten nicht um gleiche Zuwachse, dasselbe gilt von ganzen aus vielen Internodien bestehenden Stengeln und sogar von jeder noch so kleinen Querzone eines längswachsenden Organs. Es zeigt sich nämlich, dass das Wachsthum jedes Theiles erst langsam beginnt, immer rascher wird, endlich ein Maximum der I) Ein der Längsachse genau paralleles Längenwachsthum der peripherischen Gewebe würde nur zur Entstehung longitudinaler Spannungen Veranlassung geben. 2) Ueber das Zustandekommen von Torsionen unter dem Einfluss äusserer Umstände, vergl. Sachs, Lehrbuch, pag. 833. 3) Vergl. SacHs, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. ı. pag. 99. 4) SACHS, Lehrbuch d. Botanik. 4. Aufl. pag. 788. 482 System der Pflanzenphysiologie. Geschwindigkeit erreicht, worauf die Verlängerung wieder langsamer wird und endlich erlischt, wenn das betreffende Organ fertig ausgebildet ist.« Die Arbeiten von Sachs, auf die ich weiter unten zurückkomme, haben Veranlassung dazu gegeben, dass sich viele Beobachter mit der Bestimmung des Verlaufes der grossen Wachsthumsperiode verschiedener Pflanzentheile be- schäftigten, und ich erwähne hier zunächst einige Ergebnisse, zu denen ich bei der Feststellung dieser Periode für das Wachsthum der Keimwurzel von Zisum sativum gelangte: Wurzellänge nach Zuwachs Bemerkungen. 48 Stunden 4 Millim. 4 Millim. DiePflanze entwickelte sich ferneren 48 n LoR ı6, It im Dunkeln bei einer mög- > 48 an Te 20° In, lichst constanten Tempera- Br 48 : 70.70, SEE, tur von 16°C. Die Mes- © 48 5 De ARE, sungen wurden mit Hülfe 48 T IKoWEN 35 7 eines Millimetermaass- ne 48 © 175 Mr 25 B stabes ausgeführt. ” 48 7 186 . 11 er E 48 R 198 & 12 ” e 48 RR 210 en 12 re Wan? ı Ze? 237 Ten Ich habe auch das Wachsthum der einzelnen sich im Dunkeln entwickeln- den Internodien von Erbsenkeimpflanzen verfolgt, und dabei zeigte sich deut- lich, dass das Wachsthum derselben zunächst langsam beginnt, fortschreitend lebhafter wird, ein Maximum der Geschwindigkeit erreicht, um endlich wieder langsamer zu werden. Was die Beobachtungen von Sachs anbelangt, so theile ich zunächst die Resultate mit, zu denen er bei der Bestimmung der Zuwachse des aus der Zwiebel herauswachsenden Internodiums des Blüthenstengels von Zritillaria imperialis gelangte: Zuwachse in Millim, Tag. bi der normalen ten Panze Im emperauur 20. März. 2,0 10,6 { 2 5,3 10,5 2 al 6,1 11,4 za 6,8 12,2 24: 9,3 75 13,4 25. 13,4 12,5 13,9 20:1 45 12,2 L2AS 14,6 Zen 8,5 11,5 15,0 HERDER 10,6 14,2 14,3 29 0 10,3 12,6 12,4 30, 05, 6,3 15,9 12,0 32), 4,7 16,6 11,2 1. April. 5,8 18,2 10,7 un 4,4 15,5 10,2 3 3,8 14,0 9,4 As 2,0 13,8 10,6 Nr 1,2 11,9 10,7 rer 0,7 8,8 11,0 re 0,0 4,4 11,0 Bed 2,1 11,2 ls, 0,6 11,5 10, 0,0 12,5 II. Abschnitt. 2. Die grosse Wachsthumsperiode. 483 Die vorstehenden Angaben lassen das Phänomen der grossen Wachsthums- periode in sehr deutlicher Weise hervortreten. Der Verlauf des Längenwachs- thums erleidet durch geringfügige Temperaturveränderungen keine wesentlichen Störungen; bedeutendere Temperaturschwankungen können allerdings den Ver- lauf des Wachsthums derartig modificiren, dass man den Verlauf der grossen Periode nicht mehr unmittelbar aus den Messungsresultaten erkennt, und aus diesem Grunde ist es immer zweckmässig, die Beobachtungen bei möglichst con- stanter Temperatur anzustellen. Einige Unregelmässigkeiten im Gange des Wachs- thums, wie unsere Zahlenangaben solche erkennen lassen, erklären sich einfach aus der temporären Beschleunigung des Wachsthums in Folge des während der Versuche nothwendigen Begiessens der Untersuschungsobjecte.!) Es ist bereits oben angeführt worden, dass nicht allein ganze Pflanzenglieder oder gewisse Abschnitte derselben, z. B. ganze Internodien, das Phänomen der grossen Wachsthumsperiode erkennen lassen, sondern dass dasselbe ebenso jeder noch so kleinen Querzone eines wachsenden Pflanzentheiles eigenthümlich ist. SıcHs markirte eine unterhalb der ersten Laubblätter befindliche Querzone des ersten Internodiums von Phaseolus multiflorus durch feine Tuschestriche. Die Querzone besass ursprünglich eine Länge von 3,5 Millim.; der Zuwachs der- selben erreichte in je 24 Stunden bei einer täglich zwischen 16,2 ILo RK. schwankenden Temperatur folgende Werthe: Am ı. Tage: ı,2 Millim. DER en h ER » Se „ 0 90 Eon „ 7,0 ) NLORE nn 210/95 Wenn aber jede Querzone eines Pflanzentheiles im Verlaufe ihrer Entwicke- lung eine verschiedene Wachsthumsgeschwindigkeit zeigt, so müssen die einzelnen Querzonen verschiedenen Alters eines in die Länge wachsenden Organs, die nach und nach aus dem Urmeristem des Vegetationspunktes (oder einer intercalaren Vegetationszone) hervorgehen, in gleichen Zeiten verschiedene Wachsthums- zustände aufweisen. Markirt man die über einander liegenden Querzonen eines wachsenden Internodiums oder einer wachsenden Wurzel durch feine Tuschestriche, so zeigt sich in der That, dass die dem Vegetationspunkte nächste Zone eben zu wachsen beginnt, dass die folgenden schon viel lebhafter wachsen, eine weitere gerade das Maximum ihrer Wachsthumsgeschwindigkeit zeigt, während die noch älteren Zonen bereits wieder langsam wachsen. So fand Sachs z. B. an dem ersten Internodium von Phaseolus multiflorus, welches in ı2 Zonen von je 3,5 Millim. Länge abgetheilt worden war, in den ersten 40 Stunden folgende Zuwachse: veoswoaunew 1) Weitere Angaben über die grosse Wachsthumsperiode findet man bei H. DE VRIES, Landwirthschaftl. Jahrbücher. Bd. 3, pag. 627. Auch das Blattwachsthum zeigt eine grosse Periode. Vergl. PRANTL, Arbeiten d. botanischen Instituts in Würzburg. Bd.L, pag. 333. Vergl. ferner: Sachs, Flora, 1873; Sachs, Arbeiten d. botanischen Instituts in Würzburg, BASTI pag. 413; STREHL, Untersuchungen über das Längenwachsthum der Wurzel und des hypocotylen Gliedes, Inaugural-Dissert., Leipzig, 1874; STEBLER, Untersuchungen über das Blattwachsthum, Inaugural-Dissert., Leipzig, 1876. Es ist wohl unzweifelhaft, dass auch dem durch das Cambium vermittelten Dickenwachsthum der Pflanzen eine grosse Periode eigenthümlich ist. 484 System der Pflanzenphysiologie. No. der Querzone. Zuwachs in Millim. ı (oben) 2,0 2 2,5 3 4,5 4 6,5 5 5,5 6 3,0 7 1,8 8 1,0 9 1,0 10 0,5 11 0,5 12 0,5 Es muss hier noch bemerkt werden, dass, wenn sich ein Internodium oder ein ganzer Stengel noch in früheren Stadien des Wachsthums befindet, die sämmtlichen Querzonen des ersteren, resp. die verschiedenen, bereits leicht sicht- baren Internodien des letzteren, wachsen.!) Schreitet das Wachsthum weiter fort, so hören zunächst die ältesten Regionen des Internodiums, resp. die ältesten Internodien des Stengels zu wachsen auf, dann erlischt das Wachsthum in den jüngeren und schliesslich auch in den jüngsten Pflanzentheilen. Die vorstehende Tabelle über das Wachsthum des Internodiums von Zhaseo- Zus zeigt auch (und ganz Aehnliches lässt sich überhaupt beim Stengelwachsthum constatiren), dass die Region des lebhaftesten Flächenwachsthums ziemlich weit von derjenigen Region entfernt liegt, in welcher in erster Linie neue Zellen durch Theilung gebildet werden. Es ist nicht ohne Interesse, dies besonders zu betonen, da, wie zumal Sachs ermittelte, beim Wurzelwachsthum im Gegensatz zum Stengelwachsthum die Zone des stärksten Flächenwachsthums der Zellen dem Vegetationspunkte sehr nahe liegt. Im Zusammenhange mit den hier berührten Verhältnissen steht eine andere Erscheinung, auf welche an dieser Stelle noch hingewiesen werden muss. Ver- ‚gleicht man die Internodien ausgewachsener Pflanzen, wenn sich dieselben im Freien unter normalen Umständen oder im Finstern allein auf Kosten vorhandener Reserve- stoffe entwickelt haben, so gewahrt man häufig sehr leicht, dass die Länge der einzelnen auf einander folgenden Internodien keineswegs die nämliche ist. Ich habe Keimpflanzen von Zisum sativum ım Dunkeln in Contact mit destillirtem Wasser zur Entwickelung gebracht und die Versuche so lange fortgesetzt, bis die Pflanzen gar nicht mehr wuchsen. Bei einer Temperatur von etwa 2ı°C. trat dieser Zeitpunkt nach 3—4 Wochen, bei einer Temperatur von etwa 16°C. aber erst nach 4—5 Wochen ein. Die Messung der Länge der einzelnen Inter- nodien führte in einzelnen Fällen zu folgenden Resultaten: Pflanze No.’ 1. No, IE No. II. ı. Internodium (unterstes) 22 Millim. 31 Millim. 31 Millim. 2. 2) 34 „ 35 2) 40 I) 3: „ 85 „ 90 ”„ 105 „ 4 4 Tazıure EEE Le: 5. » 117 » 57 „ 75 » 6. y 109 be 45 f$ 7: „ 45 » ') Von der Thatsächlichkeit dieses letzteren Verhältnisses habe ich mich bei der Unter- suchung des Stengelwachsthums der Keimpflanzen von Pisum sativum überzeugt. 5 g I g Br. II. Abschnitt. 2. Die grosse Wachsthumsperiode. 485 Man sieht, dass die sich zuerst entwickelnden Internodien relativ kurz bleiben, dann folgen längere, ferner ein längstes, und schliesslich erreichen die jüngsten Stengeltheile wieder geringere Grösse. Alle Internodien haben zu einer bestimmten Zeit einmal die nämliche Grösse besessen. "Trotzdem erreichen sie im völlig ausgewachsenen Zustande nicht die nämlichen Dimensionen, und wir können dieser Thatsache dadurch einen Ausdruck verleihen, dass wir sagen, die einzelnen auf einander folgenden Internodien einer Pflanze besitzen nicht die gleiche Wachsthumsenergie. Es lässt sich ebenso bei der Betrachtung der verschiedenen Blätter eines Stengels sowie der Nebenwurzeln, die sich aus einer Hauptwurzel entwickeln, constatiren, dass die Wachsthumsenergie derselben, d. h. die Fähigkeit der Pflanzentheile, überhaupt eine bestimmte Grösse zu erreichen, nicht die gleiche ist. Die ersten Blätter eines Stengels sind gewöhnlich relativ klein, dann folgen grössere und schliesslich wieder kleinere. Die Nebenwurzeln, welche aus der Hauptwurzel einer Keimpflanze hervorgehen, besitzen nicht die gleiche Länge; die ältesten (zuerst entstandenen) sind kurz, es folgen viel längere, und die jüngsten sind auch. im völlig ausgewachsenen Zustande wieder viel kürzer.!) 8 19. Die Ursachen der grossen Wachsthumsperiode. — Ich habe im Vorstehenden absichtlich ganz ausschliesslich die Erscheinungen selbst berührt, welche durch das Vorhandensein der grossen Wachsthumsperiode der Pflanzen bedingt sind. Indem wir nunmehr auf die Ursachen der Phänomene eingehen, legen wir uns die wichtige Frage vor, weshalb ganze Pflanzenglieder, einzelne Internodien oder einzelne Querzonen derselben zunächst langsam wachsen, dann schneller wachsen, ein Maximum der Wachsthumsgeschwindigkeit erreichen und endlich wieder ein langsameres Wachsthum zeigen. Ein Internodium möge bei Beginn einer Untersuchung über das Längen- wachsthum desselben die Länge von ı Millim. besitzen. Im Laufe von 24 Stun- den möge das Internodium um ı Millim. gewachsen sein, also eine Länge von 2 Millim. erreicht haben. Wenn man nun findet, dass der Zuwachs des Interno- diums in ferneren 24 Stunden nicht abermals ı Millim., sondern vielleicht 4 Millim. beträgt, so könnte man geneigt sein, die Erscheinung des geringen Zu- wachses während der ersten und des grösseren Zuwachses während der zweiten 24 Stunden auf das Vorhandensein einer kleineren Zellenzahl in dem ältesten und einer bedeutenderen Zellenzahl in dem jüngeren T'heile des Internodiums zurückzuführen. Einer solchen Anschauung liegen aber ganz falsche Vorstellungen über die thatsächlich in wachsenden Pflanzentheilen herrschenden Verhältnisse zu Grunde, und es muss dieselbe daher zurückgewiesen werden. Ferner kann man sagen, das Internodium von 2 Millim. Länge muss schneller wachsen als dasjenige von ı Millim. Länge, weil die wachsende Region des ersteren iiberhaupt grösser als diejenige des letzteren ist. Und in der That wird durch eine derartige Betrachtung, die man ja leicht weiter ausdehnen kann, die in den auf einander folgenden Zeiten zur Geltung kommende Veränderung der Zuwachsgrösse eines Pflanzentheiles bis zu einem gewissen Grade ver- ständlich. Aber für die Beurtheilung des Phänomens der grossen Wachsthumsperiode ist es von entscheidender Bedeutung, sich der Thatsache zu erinnern, dass die einzelnen auf einander folgenden Partialzonen eines wachsenden Inter- D) Es ist kaum zweifelhaft, dass auch den einzelnen Querzonen eines bestimmten Pflanzen- theiles eine verschiedene Wachsthumsenergie zukommt. 486 System der Pflanzenphysiologie. nodiums in Folge innerer Wachsthumsursachen sehr verschiedene Wachsthums- geschwindigkeiten erkennen lassen, so zwar, dass die jüngsten Querzonen langsam, die älteren schneller und die noch älteren wieder langsamer wachsen. Diese Erscheinung bedarf hier einer specielleren Untersuchung, da dieselbe das Phäno- men der grossen Wachsthumsperiode in erster Linie bedingt.!) Bei Gelegenheit der Untersuchung über das Wesen des Wachsthumsprocesses ist darauf hingewiesen worden, dass das Flächenwachsthum der Zellhaut in ge- nauer Beziehung zu der Turgorausdehnung der Zellen steht. Von diesem Grund- gesichtspunkte ausgehend, hat H. DE Vrıes in seiner Arbeit über Zellstreckung die einzelnen Partialzonen eines wachsenden Internodiums auf ihre Wachsthums- geschwindigkeit einerseits, sowie mit Hülfe der plasmolytischen Methode auf die Turgorausdehnung ihrer Zellen andererseits untersucht und dabei z. B. die folgen- den Resultate gewonnen.?) Beobachtungen an einem jungen, kräftig wachsenden Blüthenstiel von Buto- mus umbellatus, welcher in Partialzonen von je 2o Millim. Länge eingetheilt worden war. PER Partialzuwachs Verkürzung in der Lösung in 44 Stunden in 12 Stunden. auf 20 Millim. Anfangslänge berechnet. ı (oben) 3,1 Millim. 1,8 Millim. Z 10H, Be 3 49 1,8 „ 4 56 » RR? 5 3 18» 6 4,2 2) 1,7 2) 7 BD DB. 8 | 35 — > Nicht allein diese, sondern noch eine ganze Reihe anderweitiger Beob- achtungen von H. DE VrIEs lassen einen mehr oder minder deutlich ausgeprägten Parallelismus zwischen dem Wachsthum und der Turgorausdehnung der Zellen erkennen?), aber es fragt sich nun weiter, welche Ursachen die eigenthümliche Vertheilung der Turgorausdehnung der Zellen eines wachsenden Pflanzentheils bedingen. Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns daran erinnern, dass die Turgorausdehnung die Resultirende mehrerer Faktoren ist. Dieselbe hängt zumal ab von der Grösse der Turgorkraft des Zellinhaltes und der Grösse des Widerstandes der gedehnten Zellschichten. Ob die Turgor- kraft der Zellen der einzelnen Partialzonen sich verschiedenartig gestaltet, wissen 88 , wir nicht genau®); dagegen ist es von hohem Interesse, dass die Dehnbarkeit der !) Uebrigens ist auch wohl die Wachsthumsdauer sowie die Wachsthumsenergie der ein- zelnen Partialzonen eines Pflanzentheils für das Zustandekommen der grossen Wachsthumsperiode von Bedeutung. 2) Vergl. H. DE VrıEs, Untersuchungen über Zellstreckung. 1877, pag. 90. 3) Mit diesen Angaben über die Vertheilung der Turgorausdehnung an wachsenden Pflanzentheilen im genauen Zusammenhange stehen die Resultate, zu denen Kraus (vergl. Fest- schrift d. naturf. Gesellschaft zu Halle, 1879, pag. 6) bei dem Studium des Wassergehaltes der einzelnen Partialzonen wachsender Internodien gelangte. Er fand, dass der procentische Wasser- gehalt der jüngsten Gewebe geringer ist als derjenige älterer, und dass derselbe, wenn er in einer bestimmten Region sein Maximum erreicht hat, im noch älteren Gewebe wieder ge- ringer wird. #) Vergl. H. ve Vrıes, Untersuchung über Zellstreckung, pag. 120. Einige Angaben von Kraus (Separatabdruck aus d. Abhandlungen d. naturf. Gesellschaft zu Halle, Bd. 15, pag. 25) II. Abschnitt. 3. Die spontanen Nutationserscheinungen im Pflanzenreich 487 einzelnen Partialzonen, wie ebenfalls H. DE Vrıes (vergl. dessen citirte Abhand- lung) nachgewiesen hat, erhebliche Unterschiede zeigt. Ich habe auf dies Ver- hältniss bereits im fünften Paragraphen hingewiesen und gezeigt, dass die jüngsten Zonen eines Internodiums im Allgemeinen weniger dehnbar als die älteren sind, dass das Maximum der Dehnbarkeit denjenigen Zonen eigenthümlich ist, deren Zellen auch am lebhaftesten wachsen, und dass die Dehnbarkeit der älteren Gewebemassen wieder geringer wird. Somit existiren Relationen zwischen der Wachsthumsgeschwindigkeit der Zellen, der Turgorausdehnung dieser letzteren und der Dehnbarkeit der wachsenden Gewebemassen. Nach dem Gesagten ist aber ferner klar, dass diese Relationen keine rein äusserlichen sind; vielmehr stehen die erwähnten Verhältnisse in einem causalen Zusammenhange mit ein- einander. Eine erhöhte Dehnbarkeit der unter dem Einfluss der Turgorkraft gedehnten Zellschichten hat unmittelbar eine beträchtlichere Turgorausdehnung der Zellen zur Folge. Mit der gesteigerten Turgorausdehnung geht ein lebhafteres Flächenwachsthum der Zellhäute Hand in Hand. . Die vorstehenden Bemerkungen mögen genügen, um den Leser über den heutigen Standpunkt der Frage nach den Ursachen der grossen Wachsthums- periode zu orientiren. Der weiteren Forschung fällt namentlich die Aufgabe zu, den Relationen zwischen der Wachsthumsgeschwindigkeit der Zellen, der Turgor- ausdehnung derselben und der Dehnbarkeit der Zellschichten specieller nach- zugehen, sowie zu untersuchen, welche Momente die verschiedene Dehnbarkeit in den einzelnen Zonen wachsender Pflanzentheile bedingen.!) Auch würde ein genaueres Studium der wechselseitigen Beziehungen zwischen Wachsthumsge- schwindigkeit und Spannungsintensität gewiss werthvolle Resultate liefern. Drittes Kapitel. Die spontanen Nutationserscheinungen im Pflanzenreich. 8 20. Allgemeines über die spontanen Nutationserscheinungen im Pflanzenreich. Es ist eine bekannte Thatsache, dass sowohl wachsende als auch ausgewachsene Pflanzentheile Bewegungserscheinungen zeigen. Die letzteren, welche uns erst später beschäftigen werden, können mit PFEFFER als Variationsbewegungen zusammengefasst werden; an dieser Stelle interessiren uns allein die Bewegungen wachsender Pflanzentheile, durch deren Stattfinden die letzteren Krümmungen erfahren. Derartige Krümmungen, die eine ungemeine Ver- breitung im Pflanzenreich besitzen, werden durch ungleiches Längenwachsthum der verschiedenen Seiten eines Organes hervorgebracht und sind ganz allgemein als Nutationen zu bezeichnen. Die Nutationen werden nun aber wieder je nach Umständen als receptive oder paratonische und als spontane Nuta- tionen unterschieden deuten darauf hin, dass die Turgorkraft lebhaft wachsender Zellen grösser als diejenige lang- sam wachsender Zellen ist. !) Eine einmal existirende Verschiedenartigkeit der Dehnbarkeitsverhältnisse wachsender Zellhäute ist natürlich auf den weiteren Verlauf des Wachsthums derselben von wesentlichem Einfluss. Dagegen ist es wohl sicher, dass der erste Anlass zur Entstehung verschiedener Dehnbarkeitszustände der Zellhäute der einzelnen Zonen wachsender Pflanzentheile durch das Protoplasma gegeben wird. 488 System der Pflanzenphysiologie. Receptive Nutationen sind solche, welche durch den Einfluss äusserer Ver- hältnisse hervorgebracht werden. Wenn ein Internodium allseitig gleichmässig beleuchtet wird, so zeigt dasselbe in vielen Fällen keine Krümmungserscheinungen. Bei einseitiger Beleuchtung treten aber sofort heliotropische Krümmungen hervor, und die Ursache der sich geltend machenden Nutation ist Folge einer Licht- wirkung. Abgesehen vom Licht sind noch anderweitige äussere Momente (Schwer- kraft, Druckwirkungen, Feuchtigkeitseinflüsse) im Stande, das Wachsthum derartig zu beeinflussen, dass die Pflanzentheile Nutationen erfahren, aber alle diese receptiven Nutationen lassen wir vor der Hand völlig bei Seite. Dagegen sollen die spontanen Nutationen hier untersucht werden; wir wollen die Krümmungen der Pflanzen studiren, welche ihre Entstehung nicht der direkten Einwirkung äusserer Einflüsse auf den Organismus verdanken,- sondern als Folgen der Wirksamkeit innerer Wachsthumsursachen betrachtet werden müssen. Wir unterscheiden verschiedene spontane Nutationen im Pflanzenreich: ı. Die Hyponastie; 2. Die Epinastie; 3. Die undulirende Nutation; 4. Die rotirende Nutation!). Es erscheint zweckmässig, in diesem Paragraphen noch einiges über die den spontanen Nutationserscheinungen zu Grunde liegenden allgemeinen Ursachen zu bemerken. Es unterliegt heute gar keinem Zweifel mehr, dass die Nutationen im Wesentlichen Folge eines Wachsthumsprocesses sind. Die eine Seite der Pflanzentheile wächst schneller als eine andere; da aber beide Seiten in orga- nischem Zusammenhange mit einander stehen, so muss jene Seite convex, diese concav werden. Die wichtigste Frage bleibt also diejenige, nach der Ursache des stärkeren Wachsthums der einen Seite und des schwächeren Wachsthums einer anderen Seite nutirender Pflanzentheile. H. pE Vrırs?) hat Pflanzentheile, welche im Stande sind, in Folge der Wirksamkeit innerer Ursachen Nutationen auszuführen, kurze Zeit nach erfolgter Krümmung in den plasmolytischen Zustand versetzt. Die Krümmungen wurden fast völlig oder gänzlich rückgängig gemacht, und dies beweist, dass das Zustandekommen derselben zunächst durch eine ver- schiedene Vertheilung der Turgorausdehnung der Zellen auf der convex sowie concav werdenden Seite der Pflanzentheile eingeleitet wird. Wurden die Pflanzen nach Verlauf längerer Zeit der Plasmolyse unterworfen, so gelang es nicht, die Krümmungen rückgängig zu machen. Die lebhaftere Turgorausdehnung der Zellen auf der convexen Seite hatte ein lebhafteres Wachsthum dieser Zellen zurFolge gehabt; die Krümmungen waren durch Wachsthumsprocesse fixirt worden, und es konnte demnach gar nicht gelingen, dieselben durch Plasmolyse zu be- seitigen. Fragen wir endlich nach den Ursachen der lebhafteren Turgorausdehnung der Zellen der convex werdenden Seite solcher Pflanzentheile, die spontane Nutationserscheinungen zeigen, so ist noch einmal daran zu erinnern, dass die- selben nicht in äusseren Einflüssen zu suchen sind, sondern dass wir es hier mit inneren Ursachen zu thun haben. I) Wiesner hat in verschiedenen Schriften, die noch eitirt werden sollen, auch andere Nutationsformen (einfache sowie unterbrochene Nutationen) unterschieden, Es bedarf weiterer Untersuchungen zur Aufklärung der bezüglichen Erscheinungen. 2) Vergl. H. ne Vrıes, Botan. Zeitung. 1879, pag. 834. Vergl. ferner H. DE VRIES, landwirthschl. Jahrblicher. B. 9, pag. 503. fi | TER 5. r 3 II. Abschnitt. 3. Die spontanen Nutationserscheinungen im Pflanzenreich. 489 Ob nun aber die gesteigerte Turgorausdehnung der Zellen auf der convex werdenden Seite nutirender Pflanzentheile in unserem Falle Folge einer erhöhten Widerstandsfähigkeit der gespannten Zellschichten oder Folge einer erhöhten Turgorkraft dieser Zellen ist, wissen wir vor der Hand nicht. 8 2ı. Die Hyponastie und die Epinastie Für eine sehr grosse Anzahl dorsiventraler Pflanzentheile (Blätter, Staubgefässe, nicht vertical wachsende Stammgebilde) ist es charakteristisch, dass dieselben auf ihren beiden Seiten ein verschiedenes Wachsthum zeigen. Wächst die Bauchseite oder Innenseite der Organe stärker als die Rücken- oder Aussenseite, so ist dasselbe nach der von H. DE Vrırs!) eingeführten Nomenclatur als epinastisch, im entgegengesetzten Falle als hyponastisch zu bezeichnen. Für das Studium der Hyponastie und der Epinastie bieten namentlich die ge- wöhnlichen Laubblätter ein sehr geeignetes Untersuchungsmaterial dar; und ich will die feststehenden Resultate der bezüglichen Beobachtungen zuerst ins Auge fassen. - Untersucht man die Laubblätter im jugendlichen Zustande, so zeigt sich, dass die Aussenseite derselben stärker als die Innenseite wächst. Diese Hyponastie bedingt es auch, dass die Innenseite der Blätter den sie erzeugenden Achsenge- bilden concav zugekrümmt ist. Sehr schön zeigen die jungen Blätter der Farne die hier in Rede stehende Erscheinung; dieselben sind ja, wie bekannt, anfangs nach der Achse hin eingerollt?.. Werden die Laubblätter älter, so geht ihre Hyponastie mehr und mehr verloren. Es wächst jetzt die Innen- oder Bauchseite (also die schliessliche Oberseite) am stärksten. Die Epi- nastie tritt immer deutlicher hervor; die Organe rollen sich auf und neigen sogar häufig nach rückwärts über. H. DE VRrıEs hat bei seinen vielfachen Ver- suchen über die Nutation der Blätter, die in der citirten Abhandlung dieses Forschers mitgetheilt sind, sehr häufig mit isolirten Blattmittelrippen experimentirt und meint, dass die Epinastie der älteren Pflanzentheile ihre Entstehung keines- wegs äusseren Einflüssen verdanke. Das Wachsthum der Blätter kann allerdings durch äussere Momente (Licht, Schwerkraft) in bestimmter Weise modificirt werden, aber abgesehen davon sollen auch Nutationen der Blätter existiren, die durch die Wirksamkeit innerer Wachsthumsursachen zur Geltung kommen.?) Ich begnüge mich hier mit diesen wenigen Andeutungen, da ich in dem Abschnitte über die natürliche Wachsthumsrichtung der Pflanzentheile die Aufmerksamkeit des Lesers noch einmal auf die berührten Verhältnisse hinlenken werde. Bei den Untersuchungen über das Verhalten von Seitensprossen hat H. DE Vrırs ebenfalls gefunden, dass viele derselben epinastisch, andere hyponastisch sind. Als epinastische Seitensprosse sind zu nennen: viele Inflores- cenzzweige (z. B. von /satis Zinctoria), die horizontalen Zweige von Pyrus malus, die Ausläufer von /ragaria elatior, und Potentilla reptans. Werden diese Pflanzen- theile bei Lichtabschluss horizontal in feuchten Sand gesteckt, so krümmen sich dieselben sämmtlich nach aufwärts, mag die natürliche Unterseite unten oder oben liegen. Im letzteren Falle ist die Krümmung aber stärker als im ersteren, weil der Geotropismus durch die Epinastie unterstützt wird. Hyponastisch wurden f) Vergl. H. DE VRrIEs, Arbeiten d. botanischen Instituts in Würzburg B. I, pag. 223. 2) Vergl. auch FRANK, Die natürliche wagerechte Richtung v. Pflanzentheilen. Leipzig 1870, pag. 46. 3) Es bedarf übrigens der Begriff der Epinastie einer wissenschaftlichen Klärung (vergl. $ 47 unter ı). 490 System der Pflanzenphysiologie. dagegen die horizontalen Aeste von Ulmus campestris, Corylus Avellana etc. be- funden. S 22. Die undulirende Nutation. Wir bezeichnen allein die in einer Ebene stattfindenden und durch den Einfluss innerer Wachsthumsursachen zu Stande kommenden Nutationen der Blattgebilde sowie der nicht vertical wachsen- den Stammgebilde als durch Epinastie oder Hyponastie bedingte. Aber auch viele vertical wachsende Pflanzentheile zeigen auf inneren Ursachen beruhende Nutationen in einer Ebene. Ich habe hier vor allem die undulirende Nutation im Auge, welche sich z. B. sehr schön bei dem Studium der Wachsthumsverhältnisse der Keimpflanzen beobachten lässt). Die Stammgebilde der Keimlinge dicotyler Pflanzen sind, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben, unzweifelhaft multilateral, aber in der Jugend ist ihr bilateraler Charakter ein sehr ausgeprägter. Die Knospe der Keimpflanzen wird nämlich in hängender oder nickender Stellung über die Erde gebracht, eine Thatsache, die ein erhebliches biologisches Interesse bean- sprucht. Die Krümmung am oberen Ende des Stengels ist gewöhnlich eine sehr scharfe; sie wird nicht durch die Wirkung des Lichtes oder der Schwerkraft hervorgerufen, sondern ist Folge innerer Wachsthumsursachen. Später wird die Nutation durch Wachsthum ausgeglichen, aber wenn sich die Keimpflanzen (Pisum sativum, Phaseolus, Cruciferen) jetzt bei schwachem Licht oder besser in einem um eine horizontale Achse langsam rotirenden Recipienten entwickeln, so macht sich auf der Vorderseite der älteren Theile der Keimstengel, also auf der- jenigen Seite, die anfangs concav war, ein lebhafteres Wachsthum als auf der Hinterseite geltend. Die Vorderseite wird convex, so dass die älteren und jüngeren Theile der Keimstengel nun ein S bilden. Es kommen übrigens im Pflanzenreich noch viel complicirtere undulirende Nutationen vor als diejenigen sind, welche die Keimstengel zeigen. Auch Hauptwurzeln lassen unter geeigneten Umständen deutliche Nutationserscheinungen erkennen. $ 23. Die rotirende Nutation und das Winden der Schling- pflanzen?). Für viele Pflanzen, zumal dünnstenglige, ist es von grosser Be- deutung, dass ihnen das Vermögen zu klettern zukommt. Die Einrichtungen, welche den Gewächsen das Klettern ermöglichen, sind mannigfaltiger Natur, und es sei zunächst darauf hingewiesen, dass manche Pflanzen sich unter Beihülfe von Wurzeln, die aus dem Stamme hervortreten, an Bäumen, Felsen oder Mauern emporzuheben vermögen. (Hedera helix, Ficus repens). Andere Pflanzen (Galium aparine, Rubus australis) erzeugen hakenartige Gebilde, welche ihnen dlas Klettern gestatten). Die meisten Kletterpflanzen erlangen aber dadurch die Fähigkeit, sich vom Boden zu erheben, dass sie zu winden oder zu ranken im Stande sind. Es ist hier von vornherein mit Nachdruck zu betonen, dass zwischen dem Winden und dem Ranken der Pflanzen ein bedeutsamer Unterschied be- steht. Das Winden der Schlingpflanzen ist als Folge einer spontanen Nutations- !) Vergl. Sachs, Lehrbuch, pag. 828; WIESNER, Sitzungsber. d. Akadem. d. Wiss. in Wien. 1878, Bd. 77; Wiesner, das Bewegungsvermögen der Pflanzen, Wien 1881, pag. 1354. ?) Literatur über das Winden der Pflanzen: Mont, Ueber d. Bau und das Winden der Ranken und Schlingpflanzen, Tübingen 1827; H. ve VrıEs, Arbeiten d. botan. Instituts in Würz- burg, Bd. 1. pag. 317; Sachs, Lehrbuch d. Botanik, pag. 834; Darwın, Die Bewegungen und Lebensweise der kletternden Pflanzen, 1876; SCHWENDENER, Monatsbericht der königl. Akadem. d. Wiss. zu Berlin. December 1881. ”) Es giebt einige Wurzel- und Hakenkletterer, welche zugleich winden oder ranken. TI. Abschnitt. 3. Die spontanen Nutationserscheinungen im Pflanzenreich. 491 erscheinung, nämlich der rotirenden Nutation, aufzufassen, die dadurch zu Stande kommt, dass bald die nach Norden, bald die nach Westen, bald die nach Süden und bald die nach Osten gerichtete Seite der Pflanzentheile am lebhaftesten wächst; dagegen muss das Ranken der Pflanzen als eine durch Berührung mit festen Körpern verursachte receptive Nutationserscheinung angesehen werden. Uebrigens ist zu bemerken, dass in sehr vielen Fällen einem und demselben Pflanzentheil die Fähigkeit zukommt, rotirende Nutationen und durch Berührung verursachte Reizbewegungen auszuführen. Viele Ranken bieten hierfür aus- gezeichnete Beispiele dar, worauf ich bei der speciellen Besprechung der Nuta- tionen dieser Pflanzentheile zurückkomme!!). Fassen wir nun das Phänomen des Windens der Schlingpflanzen genauer ins Auge, so ist zunächst zu bemerken, dass MoHL die ganze Erscheinung als eine durch äusseren Reiz verursachte ansah. Diese Anschauung ist aber nicht richtig; neue Untersuchungen, namentlich diejenigen von H. DE VRrıEs, haben mit aller Bestimmtheit gelehrt, dass die Erscheinung des Windens ihre Entstehung der Wirksamkeit innerer Wachsthumsursachen verdankt. Die Wachsthumsverhältnisse windender Internodien werden wenig vom Licht beeinflusst, dieselben sind nur schwach positiv heliotropisch, eine Thatsache, die natürlich sehr bedeutungsvoll ist, denn ein kräftiger Heliotropismus würde dem Zustandekommen des Windens nur hinderlich sein. Viele Pflanzen (z. B. Phaseolus multifforus) winden auch im etiolirten Zustande bei völligem Abschluss des Lichtes. Die windenden Pflanzen gehören den verschiedensten Pflanzenfamilien an. Verhältnissmässig wenige Gewächse winden rechts, d. h. von rechts unten nach links oben (Hopfen, Zonicera caprifolium). Die meisten winden links (Convoz- vulus sepium, Aristolochia Sipho, Phaseolus u. a.) Wenn man die Entwickelung solcher Gewächse beobachtet, die überhaupt zu winden befähigt sind, so zeigt sich, dass die ersten Internodien, mögen sie aus den Samen oder Rhizomen etc. hervorgehen, nicht winden, sondern ohne Stütze aufrecht wachsen. Die folgenden Internodien verlängern sich bedeutend, sie hängen seitwärts über, und nun beginnt die rotirende Nutation. Ist keine Stütze vorhanden, so wird die Endknospe in Folge dessen in einem Kreise oder einer Ellipse herumgeführt. Indem die Internodien in die Länge wachsen, wer- den die Bahnen, welche die Spitze des nutirenden Sprosses beschreibt, immer grössere, bis die Endknospe endlich einmal gegen eine Stütze stösst, welcher sich der Spross fest andrückt. Die jenseits der Stütze hervorragende freie Spitze kann ihre rotirende Nutation noch einige Zeit fortsetzen, aber alsbald wächst dieselbe in einer Schraubenlinie empor, die nicht zu dicke Stütze umwindend. Das Phänomen des Windens, welches, wie noch zu bemerken ist, gewöhnlich von Torsionen der älteren Internodien der schlingenden Stengel begleitet wird, verdankt also der rotirenden Nutation der Pflanzentheile seine Entstehung. Wenn sich den kreisenden Sprossgipfeln der Schlingpflanzen eine Stütze in den Weg stellt, und in Folge dessen neben einer horizontalen, zugleich eine verticale Componente auf die Bewegung derselben wirkt, so müssen die Stengel in einer Schraubenlinie emporsteigen. Uebrigens würde es zur völligen Klarlegung der Mechanik des Windens sehr eingehender Darstellungen bedürfen, und ich muss den Leser, da dieselben hier nicht gegeben werden können, auf die Auseinander- setzungen in den citirten Schriften verweisen. Die jüngsten Windungen der ') Es sei hier noch bemerkt, dass viele Ranken durch Hyponastie und Epinastie bedingte Nutationen erfahren. 492 System der Pflanzenphysiologie. schlingenden Stengel liegen der Stütze gewöhnlich nicht an. Sie sind weit und niedrig. Die älteren, steiler emporsteigenden und engeren Windungen liegen der Stütze dagegen dicht an. Daraus erhellt, dass die anfangs losen, weiten Windungen erst später enger und steiler werden, so dass ein nachträgliches Anschiuse der schlingenden Stengel an die Stützen erfolgt. Es dürfte an dieser Stelle wohl der geeignete Ort sein, verschiedene Phänomene zu besprechen, welche CH. sowie FR. Darwın in ihrem bekannten vor nicht langer Zeit erschienenen Buche: »The Power of Movement in Plants« behandelt haben!). Die leitende Grundidee des gesammten Werkes kommt in dem Bestreben zum Ausdruck, die verschiedenartigsten Bewegungsphänomene im Pflanzenreich (heliotropische, geotropische, hyponastische Bewegungen etc.) als Modificationen einer Urbewegung, nämlich der Circumnutation, aufzufassen. Ich kann hier unmöglich eine detaillirtere Darstellung der von dem Verf. gewonnenen Resultate geben, und es ist noch viel weniger geboten, dieselben einer specielleren kritischen Untersuchung zu unterziehen; ich muss mich vielmehr auf wenige An- deutungen beschränken. Die Spitzen der verschiedensten Pflanzentheile (Wurzeln, Stengel etc.) be- schreiben nach Darwın continuirlich kreisende oder einer Schraubenlinie folgende Bewegungen, welche gewöhnlich erst unter Anwendung besonderer Untersuchungs- methoden sichtbar gemacht werden können. Die Circumnutation verdankt ihre Entstehung nach Darwın der Wirksamkeit innerer Wachsthumsursachen; zwischen der Circumnutation einerseits und der rotirenden Nutation andererseits bestehen daher wohl nur quantitative Unterschiede. Gehen wir aut einige Beobachtungen Darwın’s specieller ein, so erscheint es zweckmässig, zunächst auf die Angabe des englischen Forschers über die Circumnutation der Wurzeln hinzuweisen. Zum Versuch dienten z. B. Keim- pflanzen von Aesculus und Vicia. Die Wurzeln wuchsen auf Glasplatten hin, welche in einem Winkel von 70—80° gegen den Horizont geneigt und mit einer Russschicht überzogen waren. Es ergab sich, dass die wachsenden Wurzeln den Russ nicht, entsprechend ihrer Hauptwachsthumsrichtung, in gerader Richtung, sondern in schwachen Windungen abwischten. Zuweilen wischten die Wurzeln den Russ auch in Unterbrechungen ab; sie hoben sich zeitweilig von der Glas- platte ab, um nach kurzer Zeit wieder mit dem Russ in Berührung zu gerathen. Diese Beobachtungsresultate führten Darwın zu dem Schluss, dass den Wurzel- spitzen das Vermögen zukomme, in schraubenförmiger Bewegung nach abwärts zu wachsen, d. h. zu circumnutiren. WiEsNER?) hat die Versuche Darwın’s zunächst in genau derselben Weise, wie der zuletzt genannte Forscher dieselben anstellte, wiederholt und dabei auch die nämlichen Resultate gewonnen. Wenn die Glasplatten aber nicht mit Russ, sondern mit einer sehr dünnen Schicht sogen. Bärlappsamens gleichmässig bestäubt wurden, so zeigte sich, dass die Wurzeln gerade wuchsen und völlig gerade und ununterbrochene Spuren in dem feinen Bestäubungsmittel hervor- riefen. Weitere Beobachtungen über die von wachsenden Wurzeln eingehaltene Richtung, die von WIESNER unter Zuhülfenahme des Mikroskops angestellt wurden, ergaben ebenfalls, dass die Organe häufig durch lange Strecken völlig gerade weiter wachsen. Zuweilen zur Geltung kommende kleine Abweichungen von I) Die deutsche Uebersetzung dieses Werkes ist bereits erschienen. Vergl. auch Fr. Darwin, Botan. Zeitung. 1881, No. 30. 2) Vergl. Wırsner, Das Bewegungsvermögen der Pflanzen. Wien, 1881. pag. 165 etc. II. Abschnitt. 1. Die nothwendigen Wachsthumsbedingüngen. 493 dieser geraden Bahn fasst WIESNER nicht als Folge von Circumnutationen auf. Vielmehr sollen dieselben durch das Zuzammenwirken anderweitiger spontaner Nutationen sowie geotropischer Krümmungen zu Stande kommen. WIESNER hat nicht allein das Wachsthum der Wurzeln, sondern ebenso dasjenige von Stengeln sowie Blättern verfolgt und kommt schliesslich zu folgenden Endergebnissen: Nach Darwin’s Ansicht bewegen sich alle wachsenden Pflanzentheile, nament- lich deren Enden, continuirlich, wobei sie schraubige oder unregelmässige im Raum hin und her gehende Bahnen beschreiben. Dieser Circumnutation kommt aber keine allgemeine Verbreitung zu, denn viele Pflanzentheile wachsen voll- kommen gradlinig weiter. Darwın sieht die Circumnutation als eine einstweilen nicht erklärbare Urbewegung pflanzlicher Organismen an, deren Ursachen also an sich mit den letzten Ursachen des Wachsthums im genauesten Zusammenhange stehen müssen. Eine derartige Auffassung ist schon mit dem Gesagten nicht vereinbar, und überdies muss betont werden, dass die Abweichungen, welche die Spitzen wachsender Pflanzen von der normalen, geraden Wachsthumsrichtung unter Umständen thatsächlich erkennen lassen, bis zu einem gewissen Grade sogar auf ihre Ursachen zurückgeführt werden können. Diese Abweichungen werden bedingt: r. Durch nicht völlig regelmässigen Bau der Organe und nicht absolut gleiche Wachsthumsfähigkeit der Zellen, wodurch in ihrer Richtung un- regelmässige Bewegungen der Pflanzentheile zu Stande kommen; 2. durch das Zusammenwirken gewisser spontaner sowie paratonischer Nutationen; 3. durch rotirende Nutation, welche allerdings bei einigen nicht schlingenden Organen, z. B. dem epicotylen Gliede von Zhaseolus multiflorus, schon angedeutet ist. Zwischen der rotirenden Nutation nicht schlingender und schlingender Pflanzen besteht also nur ein quantitativer Unterschied, weshalb es als nicht gerecht- fertigt erscheint, die Nutationen der ersteren als Circumnutationen zu bezeichnen. Dritter Abschnitt. Die nothwendigen Wachsthumsbedingungen und der Einfluss äusserer Verhältnisse auf das Wachsthum. Erstes Kapitel. Die nothwendigen Wachsthumsbedingungen. S 24. Die Nährstoffe und das Wachsthum. Im ersten Paragraphen dieser Schrift ist bereits auf die allgemeinen Beziehungen zwischen dem Er- nährungs- und Wachsthumsprocesse der Pflanzen hingewiesen worden. Es hat sich ergeben, dass Ernährung und Wachsthum allerdings grundverschiedene Vorgänge sind, dass dieselben aber dennoch in genauer Beziehung zu einander stehen, und an dieser Stelle ist es unsere Aufgabe, den thatsächlich vorhandenen Relationen etwas genauer nachzugehen. Zunächst ist zu betonen, dass das Zustandekommen eines ausgiebigen Wachs- thums nicht allein die Gegenwart hinreichender Mengen organischer Substanzen voraussetzt, sondern ebenso an das Vorhandensein ganz bestimmter Mineralstoffe und Mineralstoffquantitäten gebunden erscheint. Diese Substanzen haben ja im vegetabilischen Organismus ganz bestimmte physiologische Functionen zu erfüllen, und wenn diese letzteren auch keineswegs sämmtlich in unmittelbarer Beziehung 494 System der Pflanzenphysiologie. zu dem Wachsthumsprocesse stehen, so ist dennoch eine gewisse Relation zwischen ihnen und dem Wachsthum unzweifelhaft vorhanden. Sehr deutlich lässt sich dies z. B. erkennen, wenn man einen Blick auf die Function des Eisens im Pflanzenkörper wirft. Werden Keimpflanzen mit Hülfe der Methode der Wasserkultur bei Ausschluss von Eisensalzen in der Nährstofflösung zur Ent- wickelung gebracht, so zeigen die Untersuchungsobjecte nur so lange eine nor- male Ausbildung, wie dies der im Organismus selbst vorhandene Vorrath an Eisensalzen zulässt. Sind die Eisensalze verbraucht, so geht die Pflanze in einen krankhaften, in den icterischen und chlorotischen Zustand über. Die normale Ausbildung des Chlorophyllapparates in den jugendlichen Stengel- und Blattgebil- den unterbleibt, der Assimilationsprocess erfährt in Folge dessen bedeutende Störungen, und dadurch wird das Wachsthum des Organismus zum Mindesten ganz erheblich beschränkt. Ebenso wächst eine Pflanze, selbst unter sonst durch- aus normalen Vegetationsbedingungen, nur sehr kümmerlich, wenn derselben keine genügenden Mengen von Kalium oder anderer unentbehrlicher Nährstoffe zur Disposition stehen. Was ferner die Beziehungen zwischen dem Wachsthum einerseits und dem Vorhandensein organischer Stoffe andererseits anbelangt, so lässt sich eine Fülle von Thatsachen zur Beleuchtung dieser Relation anführen. Die Pilze gedeihen nur, wenn ihnen unter anderem organische Körper zur Verfügung stehen. Eben- so verhalten sich chlorophyllfreie phanerogame Gewächse. Im Dunkeln steht das Wachsthum der Glieder des Embryo der Keimpflanzen sowie der Stengel- und Blattgebilde, die sich z. B. aus den Knospen der Knollen entwickeln, in genauester Beziehung zu dem Vorrath an organischen Stoffen in den Reserve- stoffbehältern. Wenn eine Keimpflanze im Finstern, eine andere derselben Species aber im Licht cultivirt wird, so wächst die letztere selbst dann längere Zeit als die erstere fort, wenn ihr nicht die Gelegenheit geboten wird, Mineralstoffe von aussen aufzunehmen. Ich liess Keimpflanzen von Zisum sativum unter sonst gleichen äusseren Umständen theils am Licht, theils im Finstern in Contact mit destillirtem Wasser vegetiren. Die Dunkelpflanzen stellten ihr Wachsthum nach 4—5 Wochen völlig ein, die Lichtpflanzen hörten aber erst nach 6—7 Wochen zu wachsen auf. Sachs!) hat unter Benutzung junger Pflanzen von Zropaeolum majus den Nachweis geliefert, dass Pflanzen, die normalen Beleuchtungsverhält- nissen ausgesetzt sind, im Ganzen weit lebhafter als schlecht beleuchtete Gewächse wachsen, und alle diese Phänomene sind leicht verständlich, wenn man sich daran erinnert, dass das Licht für die Production organischer, für die Zwecke des Wachsthums verwerthbarer Substanzen die höchste Bedeutung besitzt. Handelt es sich darum, die Beziehungen zwischen dem vorhandenen Vorrath an plastischen Stoffen einerseits und der Energie des Wachsthums andererseits specieller festzustellen, so bieten sich uns die keimenden Samen als vorzügliches Beobachtungsmaterial dar. Werden einmal grosse Samenindividuen, ferner kleine Samen derselben Pflanzenspecies unter den nämlichen äusseren Umständen zum Keimen gebracht, so entwickelt sich der Embryo der ersteren weit kräftiger als derjenige der letzteren. Zwar findet diese Erscheinung ihre theilweise Erklärung schon in den absolut grösseren Dimensionsverhältnissen der Embryonen der grösseren Samen; in erster Linie ist sie aber auf den bedeutenderen .‚Reservestoff- vorrath zurückzuführen, der den aus grossen Samen hervorgehenden Keimpfianzen !) Vergl. Sacns, Handbuch d. Experimentalphysiologie d. Pflanzen. pag. 21. III. Abschnitt. I. Die notliwendigen Wachsthumsbedingungen. 495 zur Disposition steht!). Die Beobachtungen von SACHS, VAN TIEGHEM, BLOCISZEWSKI, MAREK, F. sowie G. HABERLANDT, welche ich in meiner Keimungsphysiologie specieller beleuchtet habe, zeigen überdies, dass Keimpflanzen, welche künstlich eines Theils ihrer Reservestoffe (z. B. durch Verletzung der Cotyledonen) be- raubt worden sind, weit weniger lebhaft als unversehrte Keimpflanzen wachsen. Die Resultate direkter Beobachtungen lehren also, dass die von vornherein geltend zu machende Behauptung, wonach die Wachsthumsintensität einer Pflanze mindestens bis zu einem gewissen Grade abhängig von der Quantität der dispo- niblen plastischen Stoffe ıst, als eine durchaus berechtigte aufgefasst werden muss. Die Ausgleichung der Elasticitätsspannung der gedehnten Zellschichten, welche im neunten Paragraphen als das zweite wesentliche Wachsthumsmoment bezeichnet wurde, kann in der That nur dann in ausgiebiger Weise erfolgen, wenn es nicht an hinreichenden Mengen solcher Substanzen in den Zellen fehlt, welche für den Zweck des Wachsthums verwerthbar sind. Schliesslich ist hier noch daran zu erinnern, dass die plastischen Stoffe ın den Zellen, z. B. Amylum, Inulin, Fette etc., nicht direkt für die Zwecke des Wachsthums verwerthet werden, sondern dass sie zunächst mannigfaltigen chemischen Metamorphosen unterliegen, ‚bis endlich gewisse Atomgruppen der stickstofffreien Dissociationsprodukte der Lebenseinheiten des Plasma in Zellstoff übergehen. Alle diejenigen Umstände, welche die chemischen Metamorphosen der plastischen Stoffe beeinflussen, sind somit selbstverständlich auch von in- direktem Einfluss auf den Wachsthumsprocess, und wenn wir z. B. sehen, dass die Amylumkörner, bevor die Substanz derselben tiefgreifende Veränderungen erfährt, die zur Bildung unmittelbar für die Zwecke des Wachsthums verwerth- barer Stoffe führen, zunächst unter Vermittelung der Diastase aufgelöst werden, so ist es klar, dass schon diejenigen Bedingungen, welche von Einfluss auf den Ver- lauf dieses letzteren Processes sind, zugleich eine gewisse indirekte Bedeutung für das Wachsthum gewinnen können?). S25. Der Athmungsprocess und das Wachsthum. Wir können heute den Satz mit voller Bestimmtheit aussprechen, dass allein athmende Pflanzenzellen zu wachsen im Stande sind?). Es muss aber von vornherein nachdrücklich be- tont werden, dass die Pflanzenathmung einen sehr verschiedenartigen Charakter tragen kann, und für uns ist hier einerseits die normale, andererseits die innere Athmung der Zellen von Interesse®). Alle höheren Pflanzen sowie sehr viele Kryptogamen vermögen nur dann zu wachsen, wenn sie normale Athmung unter- halten, wenn ihnen also eine reichlichere Menge atmosphärischen Sauerstoffs zur Disposition steht. Werden diese Gewächse dagegen dem Einfluss des freien Sauerstoffs entzogen, so hört das Wachsthum ihrer Zellen völlig auf. Man hat sich häufig, zumal unter Benutzung keimfähiger Samen, von der Thatsächlichkeit der hier berührten Verhältnisse tiberzeugt, und ich habe noch vor kurzer Zeit bezügliche Beobachtungen angestellt’). Es wurden die Samen höherer Pflanzen bei völligem Ausschluss der atmosphärischen Luft nach dem Anquellen in eine !) Vergl. Specielleres in meiner vergleichenden Physiologie d. Keimungsprocesses d. Samen. Jena 1880. pag. 541. 2) Vergl. meine bezüglichen Darstellungen i. d. landwirthschl. Jahrbüchern. B. 10. pag. 764. 3) In der Fassung: »Alle athmenden Pflanzenzellen sind im Stande zu wachsene würde dieser Satz falsch sein. *) Vergl. DETMER, System d. Pflanzenphysiologie. 1. Theil. 8 52. 5) Vergl. DETMER, Landwirthschl. Jahrbücher. B. ıı. H. 2. SCHENk, Handbuch der Botanik Bd II. 19 496 System der Pflanzenphysiologie. Atmosphäre von Wasserstoft, Kohlensäure oder Stickstoffoxydulgas gebracht. Die Embryonen entwickelten sich nicht, auch nicht, was ein besonderes physiologisches Interesse beansprucht, wenn das Untersuchungsmaterial sich mit dem zuletzt er- wähnten Gase in Contact befand. Wurden die Samen nach Verlauf längerer Zeit bei Zutritt des freien Sauerstoffs normalen Keimungsbedingungen ausgesetzt, so trat die Evolution der Embryonen alsbald ein. Die Wurzel- sowie Stengel- theile in lebhaftem Wachsthum begriffener Keimpflanzen stellten ihr Wachsthum, wie ich ferner fand, sofort ein, wenn sie in eine Atmosphäre der oben genann- ten Gase gelangten. Die Zellen der höheren Gewächse sterben, wenn sie dem Einfluss des freien Sauerstoffs entzogen werden, keineswegs sogleich ab. Sie unterhalten sogar noch recht lange eine lebhafte innere Athmung, und ihr Wachsthum kann durch erneute Zufuhr atmosphärischer Luft wieder hervorge- rufen werden. Sehr -merkwürdig sind die Beziehungen zwischen der Athmung und dem Wachsthum der Zellen der Pilze. Ich habe im 60. Paragraphen des ersten Theiles dieses Systems der Pflanzenphysiologie bereits auf die bezüglichen Ver- hältnisse hingewiesen, und kann mich hier somit kurz fassen!). Viele Pilze, z. B. die Basidiomyceten, können nur bei Zutritt des freien Sauerstoffs wachsen; sie verhalten sich den höheren Gewächsen in gewisser Beziehung also voll- kommen gleich. Mucor mucedo sowie M. stolonifer wachsen ebenso nur in Contact mit freiem Sauerstoff. Mwcor racemosus und zumal Sacharomyces cerevisiae sind im Stande, sowohl bei Sauerstoffzutritt als auch bei völligem Sauerstoffabschluss zu wachsen. Aehnlich verhalten sich viele Spaltpilze, ja einer derselben (Closzridium butyricum), der die Buttersäuregährung hervorzurufen vermag, scheint allein bei Sauerstoffabschluss gedeihen zu können. Es ist nun aber wohl zu beachten, dass diejenigen Organismen, welche überhaupt bei Abwesenheit des freien Sauer- stoffes zu wachsen vermögen, dies nur dann thatsächlich thun, wenn sie, in Contact mit geeigneten Nährstoffen, lebhafte innere Athmung und energische zersetzende Thhätigkeit (zumal Gährthätigkeit) unterhalten können?). Diese Abhängigkeit des Wachsthums der Pilze von ihrer zersetzenden Thätig- keit ist durchaus verständlich, wenn man sich daran erinnert, dass für das Leben eines jeden Organismus Betriebskräfte zur Disposition stehen müssen. Wenn die Zellen dem Einfluss des freien Sauerstoffes ausgesetzt sind, so werden diese Be- triebskräfte durch den Dissociationsprocess, dem die lebendigen Eiweissmoleküle oder L,ebenseinheiten des Plasma unterliegen, sowie durch die in Folge normaler Athmung zur Geltung kommenden Oxydationsprocesse ausgelöst. Bei Sauerstoff- abschluss kommen aber für den in Rede stehenden Zweck allein die Dissociations- vorgänge (Zersetzung der Lebenseinheiten und weitere Zersetzung der stickstoff- freien Dissociationsprodukte) in Betracht. Die actuelle Energie, welche durch normale oder innere Athmung in der Pflanze gewonnen wird, besitzt nach dem, was bereits in $ 8 gesagt worden, keine unmittelbare, direkte Bedeutung für den Wachsthumsprocess an sich, dagegen ist dieselbe für den Fortgang des l,ebens der Zellen (und somit auch indirekt für das Wachsthum) von äusserster Wichtigkeit, und kann bei dem Zustandekommen jener das Wachsthum als solches bedingenden Vorgänge nicht entbehrt werden. Es müssen ja zur Unter- I) Die wichtigste Literatur ist auch schon am angegebenen Orte zusammengestellt. 2) Vergl. auch NÄGELI, Theorie d. Gährung. pag. 70 und PPEFFER, Pflanzenphysiologie. Bd. ı, pag. 380. II. Abschnitt. 1. Die nothwendigen Wachsthumsbedingungen. 497 haltung des Lebens fortdauernd neue lebendige Eiweissmoleküle gebildet werden; die dazu erforderlichen Kräfte beschafft eben die Athmung!). Wenn wir sehen, dass ohne Athmung (normale oder innere Athmung) kein Wachsthum möglich ist, so findet diese wichtige Thatsache schon ihre theilweise Erklärung in dem Gesagten. Aber es muss vor allen Dingen noch hinzugefügt werden, dass nur durch die Athmungsprocesse sowie durch die mit denselben im genauesten Zusammenhange stehenden Dissociationsvorgänge gewisser Zellenbe- standtheile die für das Wachsthum bedeutungsvollen Stoffe gewonnen werden können. Ich erinnere hier zunächst an die für das Zustandekommen des Turgors un- entbehrlichen Substanzen, unter denen die Pflanzensäuren die wichtigste Rolle spielen. Diese letzteren Körper entsteben theils durch Dissociations- theils durch Oxydationsprocesse. Die Spannkraft zwischen Wassertheilchen und den Molekülen der zu osmotischen Wirkungen befähigten Substanzen kann unter geeigneten Um- ständen in lebendige Kraft übergehen. Dies ist bei dem Zustandekommen des Turgors der Fall, und so werden erst die für das Wachsthum unmittelbar be- deutungsvollen Betriebskräfte gewonnen. Ferner darf nicht übersehen werden, dass durch Dissociations- sowie Athmungs- processe diejenigen Körper entstehen, welche beim Wachsthum der Zellhäute das Material zur Zellstoffbildung liefern. Im Organismus höherer Pflanzen scheinen diese Körper nur bei Sauerstoffzutritt gebildet werden zu können?); manche Pilze vermögen dieselben auch bei Sauerstoffabschluss zu erzeugen. S 26. Der Wassergehalt der Pflanzen und das Wachsthum. — Dass der Wassergehalt der Pflanzen von Einfluss auf das Wachsthum derselben ist, lassen bereits alltägliche Erfahrungen vermuthen. Auf dürrem Boden entwickelt sich die Vegetation weit weniger üppig, als an einem Standorte, an welchem es nicht an ausreichender Feuchtigkeitsmenge mangelt. Wir sehen das Wachsthum der Gewächse sistirt, wir sehen dieselben in den welken Zustand übergehen und schliesslich absterben, wenn ihnen unzureichende Wassermengen zur Dispo- sition stehen. Ausgetrocknete Pflanzentheile wachsen nicht; die Zellen derselben brauchen übrigens in Folge des Wasserverlustes nicht abzusterben, sondern sie können in einen Ruhezustand übergegangen sein, in welchem sie ihre Lebens- fähigkeit lange bewahren. Das Wachsthum der Zellenbestandtheile und Zellen kann allein zu Stande kommen, wenn dieselben reichliche Mengen von Imbibitionswasser enthalten, und wenn die Zellen mehr oder minder lebhaft turgesciren. Daraus ergiebt sich so- fort, dass der Wachsthumsprocess in Beziehung zu allen jenen Momenten stehen muss, durch welche der Wassergehalt der Gewächse regulirt wird. Man hat auch specielle Versuche angestellt, um zu zeigen, dass der Wasserge- halt der Zellen auf das Wachsthum derselben einen bestimmenden Einfluss ausübt. So wurde z. B. von H. DE VrıEs?) das Wachsthum von Wurzeln, die sich mit Salzlösungen in Contact befanden, untersucht. Die Salzlösungen entziehen den Pflanzenzellen mehr oder minder grosse Wassermengen; concentrirtere Salz- lösungen deprimiren die Turgorausdehnung der Zellen natürlich in höherem !) Vergl. DETMER, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissensch. Botanik. B. 12. pag. 264. 2) Ob übrigens alle Wachsthumsprocesse in den Zellen höherer Pflanzen bei Mangel des freien Sauerstoffs stille stehen, ist fraglich. Es ist z. B. möglich, dass die Amylumkörner auch bei Sauerstoffabschluss zu wachsen vermögen. 3) Vergl. H. DE VRrıes, Untersuchungen über Zellstreckung. pag. 56. 32% 498 System der Pflanzenphysiologie. _ Maasse als verdünntere T,ösungen und verlangsamen das Wachsthum daher auch in erheblicherem Grade als die letzteren. Die Verlängerung der Hauptwurzeln von Maiskeimpflanzen betrug z. B. in 24 Stunden: in einer Salpeterlösung von Zuwachs in Millim. 0,5% 22,0 0 16,5 1,5 » 11,5 0, zo»: Im Anschluss an das hier Gesagte ist auf die interessante T’hhatsache hinzu- weisen, dass manche Pflanzentheile, wenn sie sich in der Nähe feuchter Gegen- stände entwickeln, und die Vertheilung der Feuchtigkeit auf den verschiedenen Seiten der Organe nicht die nämliche ist, Wachsthumskrümmungen erfahren, welche man alshydrotropische Krimmungen bezeichnen kann. WORTMANN?) brachte in die Nähe wachsender Fruchtträger von ZAhycomyces nitens eine mit Wasser völlig durchtränkte Pappscheibe, und es zeigte sich, dass sich dieselben von dieser letzteren wegkrümmten. Diejenige Seite der Fruchtträger, welche der Pappscheibe zugekehrt war, sich also mit einer wasserreicheren Luft als die übrigen Seiten in Contact befand, wuchs am schnellsten und wurde convex. Wenn WoRrTManNn keine feuchte, sondern eine trockene Pappscheibe in Anwen- dung brachte, so wuchsen die Fruchtträger gerade nach aufwärts, woraus ersicht- lich ist, dass die erwähnten Wachsthumskrümmungen keineswegs durch die Masse der Pappscheibe hervorgerufen waren. Es musste dem genannten Experimentator um so mehr daran liegen, den Beweis dafür beizubringen, dass nicht die Masse sondern der Feuchtigkeitsgehalt der Pappscheibe die Krümmungen veranlasste, als van TIEGHEM kürzlich den Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf die Wachsthums- richtung der Mucorineen leugnete und gewisse Wachsthumskrümmungen derselben als Folge von Massenwirkungen deutete (Somatotropismus). Mit dem negativ hydrotropischen Verhalten der Fruchtträger von Zhycomyces nitens nahe verwandt sind gewisse Erscheinungen, welche z. B. von Sachs?) bei dem Studium des Wurzelwachsthums beobachtet wurden, und die man wohl als Folge eines positiven Hydrotropismus auffassen darf. Wird ein schief aufgehängter Zinkrahmen unten mit weitmaschigem Tüll überspannt, und der Apparat dann mit feuchten Sägespänen angefüllt, in denen Samen zur Keimung gebracht werden, so zeigt sich, dass die Keimwurzeln innerhalb der Sägespäne zunächst nach abwärts wachsen. Treten die Wurzelspitzen nun aber durch die Tüllmaschen in die feuchte Luft unter dem Apparat über, so wenden sich dieselben, auch wenn sie das feuchte Substrat zunächst nicht berühren, auf dem kürzesten Wege der feuchten Unterfläche der beschriebenen Vorrichtung zu, wobei der Geotro- pismus der Wurzeln offenbar überwunden wird. Sachs hat gezeigt, dass die Krümmungen der Wurzeln nicht in Folge von T'emperaturdifferenzen auf den verschiedenen Seiten der Pflanzentheile zu Stande kommen. Vielmehr verdanken die erwähnten Krümmungen dem Vorhandensein von Feuchtigkeitsunterschieden auf der Ober- und Unterseite der Wurzeln ihre Entstehung; sie können daher I) Vergl. über die hier berührten Verhältnisse auch SORAUER, Botan. Zeitung. 1873. pag. 145: 2) Vergl. WORTMANN, Botan. Zeitung. 1881. pag. 368. ») Vergl. Sachs, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. ı. pag. 208. a IH. Abschnitt. ı. Die nothwendigen Wachsthumsbedingungen. 499 nur dann zur Geltung kommen, wenn thatsächlich solche Feuchtigkeitsdifferenzen auf den beiden Seiten der Organe bestehen. 8 27. Der Einfluss der Temperatur auf das Wachsthum. —a) All- gemeines. Die verschiedensten physischen Processe, und somit auch der Wachsthumsvorgang sowie alle diejenigen Vorgänge, welche, wie z. B. die helio- tropischen und geotropischen Bewegungen der Pflanzen erst durch das Wachsthum hervorgebracht werden, können nur innerhalb bestimmter Grenzwerthe der Tem- peratur zur Geltung kommen. Sinkt die Temperatur zu tief, so hört das Wachs- thum völlig auf; steigt sie zu sehr, so ist dasselbe der Fall. Ganz besonders wichtig ist nun aber, dass das Wachsthum nicht fortdauernd lebhafter wird, wenn die Temperatur von dem unteren Grenzwerthe, dem Temperaturminimum fürdas Wachsthum, allmählich bis zum oberen Grenzwerthe, dem Temperatur- maximum für das Wachsthum, steigt. Vielmehr haben sehr zahlreiche Beob- achtungen zu dem Resultate geführt, dass das Wachsthum allerdings zunächst mit steigender Temperatur lebhafter wird, dann aber bei einer bestimmten Tem- peratur, dem Temperaturoptimum für das Wachsthum, ein Maximum seiner Geschwindigkeit erreicht, um mit noch weiter steigender Temperatur wieder langsamer zu verlaufen. Es ist ferner beachtenswerth, dass das 'Temperatur- minimum, das Temperaturoptimum sowie das Temperaturmaximum für das Wachsthum gleichnamiger Theile verschiedener Pflanzen, ja sogar für das Wachsthum verschiedener Theile ein und desselben Pflanzenindividuums durch- aus nicht immer durch die nämlichen Wärmegrade ausgedrückt werden kann. Auch ist daran zu erinnern, dass Temperaturen, die das Wachsthum nicht mehr zulassen, keineswegs das Zustandekommen anderer physiologischer Processe in demselben Organismus unmöglich zu machen brauchen, denn das Temperatur- maximum für den Wachsthumsprocess fällt nicht mit derjenigen Temperatur zu- sammen, durch welche lebensthätige Pflanzenzellen getödtet werden. Wenn wir durch Beobachtung erfahren, dass nicht zu weit getriebene Steigerung der Temperatur das Wachsthum der verschiedensten Pflanzentheile begünstigt, so ist diese T’hatsache unter Berücksichtigung des Umstandes verständlich, dass höhere Temperaturen die Processe der Dehnung der mit Plasma ausgekleideten Zellhaut durch den Turgor und der Ausgleichung der Elasticitätsspannung der gedehnten Zellschichten beschleunigend beeinflusst. Bei höherer Temperatur werden zweifelsohne in der Zeiteinheit bedeutendere Mengen osmotisch wirksamer Stoffe in den Zellen als bei niederen Wärmegraden gebildet. Die osmotischen Processe, welche die Turgorausdehnung der Zellen bedingen, verlaufen überdies bei höherer Temperatur weit schneller als bei niederer, und die Erzeugung des für die Zwecke des Wachsthums unmittelbar verwerthbaren Materials geht bei gesteigerter Temperatur schneller vor sich als bei niederer. Alle diese Momente wirken zusammen, um das Phänomen des Steigens der Wachsthumsgeschwindig- keit bei steigender, und des Sinkens derselben bei sinkender T’emperatur hervor- zurufen. Uebrigens besteht, selbst bei Temperaturen, die zwischem dem Temperatur- minimum und dem Temperaturoptimum für das Wachsthum liegen, kein genauer Parallelismus zwischen der Höhe der Temperatur einerseits und der Wachsthums- geschwindigkeit der Pflanzentheile andererseits. Wird das Temperaturoptimum für das Wachsthum eines Phanzentheiles über- schritten, so sinkt die Wachsthumsintensität desselben bedeutend. Die zu sehr gesteigerte Temperatur ruft Störungen in der normalen Lebensthätigkeit der Zellen hervor, welche sich äusserlich in einer Verlangsamung des Wachsthums 500 System der Pflanzenphysiologie. ausprägen. Bei Ueberschreitung des Temperaturmaximums für das Wachsthum nach oben und ebenso des Temperaturminimums für das Wachsthum nach unten erlischt der Wachsthumsprocess vollkommen. b) Die Temperaturminima und Maxima für den Wachsthums- process.!) Es wird angegeben, dass manche Alpenpflanzen unter einer Schnee- decke zu wachsen und zu blühen vermögen, wobei übrigens zu berücksichtigen ist, dass den Gewächsen durch Leitung sowie Strahlung Wärme von aussen zu- geführt werden kann, und dass die im Organismus selbst erzeugte Wärme (Eigen- wärme) den Temperaturzustand derselben beeinflusst. Manche Pflanzen sind un- zweifelhaft bei Temperaturen zu wachsen im Stande, die wenige Grade über dem Gefrierpunkte des Wassers liegen; ob aber bei 0°, bei welcher Temperatur die Säfte der Zellen allerdings noch nicht zu gefrieren brauchen, thatsächlich Wachs- thum stattfinden kann, ist wenigstens für höhere Pflanzen noch nicht sicher dar- gethan. Dagegen geht aus einigen Angaben FALKENBERG's (vergl. dessen in diesem Handbuche erschienene Schrift über die Algen, pag. 175) hervor, dass einige marine Algen, welche bei Spitzbergen vorkommen, bei einer mittleren Temperatur des Wassers von — ı°C. zu wachsen und zu fructificiren vermögen. Ueberhaupt ist meiner Meinung nach bei der Beurtheilung der 'Temperatur- minima für die physiologischen Processe der Pflanzen, mehr, als dies seither ge- schehen, Rücksicht auf die Temperaturen zu nehmen, bei denen alles Wasser der Säfte der Zellen zu Eis erstarrt. Diese Temperatur kann aber beträchtlich unter o°C. liegen. Unglaublich klingt die Angabe EHRENBERG's, dass einige Algen in Wasser von 81—85°C. zu wachsen vermögen. Sehr häufig ist die niedrigste sowie die höchste Temperatur bestimmt worden, bei welcher Samen zu keimen vermögen, bei der also das Längenwachsthum der Glieder des Embryo stattfinden kann. Bei der Ausführung bezüglicher Unter- suchungen müssen die Samen den Keimungsbedingungen bei verschiedenen, aber in jedem einzelnen Versuche constant gehaltenen Temperaturen ausgesetzt werden. Man sucht dies unter Benutzung von Thermostaten, die man häufig noch mit Thermoregulatoren versieht, zu erreichen, aber es liegt auf der Hand, dass sich der Ausführung derartiger Untersuchungen erhebliche experimentelle Schwierig- keiten in den Weg stellen, weshalb wenigstens manche der gewonnenen Resul- tate mit grosser Vorsicht aufzunehmen sind. Es ist auch hier wieder SACHS gewesen, der mit scharfem Blick das zu lösende Problem erkannte und die ersten genaueren Beobachtungen über die Temperaturminima und Maxima für den Keimungsprocess der Samen anstellte. In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse einiger Untersuchungen von SACHS und anderer Forscher über das Temperaturminimum sowie Maximum für den Keimungsprocess verschiedener Samen mitgetheilt. Zugleich füge ich die An- gaben über das T’emperaturoptimum für den Keimungsprocess bei: 1) Mit Bezug auf die reichhaltige Literatur über den hier in Rede stehenden Gegenstand ist namentlich auf folgende Schriften hinzuweisen: SAcHs, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissen- schaftl. Botanik. Bd. 2. pag. 338; Sachs, Handbuch der Experimentalphysiologie. pag. 54 Sachs, Lehrbuch d. Botanik. pag. 802. DETMER, Keimungsphysiologie. pag. 421; KÖPPEN, Wärme und Pflanzenwachsthum, Moskau 1870; ULoTH, Flora. 1871 u. 1875; KERNER, Botanische Zeitung. 1873. pag. 437; Tıerz, Ueber die Keimung einiger Coniferen und Laubhölzer. Inaugural- Dissertation; Fr. HABERLANDT, Versuchsstationen. Bd. 17. pag. 104 und wissenschaftl.-prakt. Untersuchungen auf d. Gebiete des Pflanzenbaues. Bd. ı. pag. 109. Be ah nn a ST are «| Te a a nd ” h N ( r s * 4 r s - III. Abschnitt. ı. Die nothwendigen Wachsthumsbedingungen. 501 Temperatur- minima in °C. optima in °C. maxima in °C, Pinus sylvestris 7—8 27 34 Triticum vulgare 5 28,7 42,5 Zea Mays 9,5 33,7 46,2 Alnus glutinosa 7—8 24 36 Lepidium satıvum 1,8 21 28 Linum usitatissimum 1,8 21 28 Phaseolus multiflorus 9,5 33,7 46,2 Gleditschia 9 28 36 Cucurbita Pepo 5357 SR] 46,2 Wird eine bestimmte Samenspecies Temperaturen ausgesetzt, die unter dem Temperaturminimum für den Keimungsprocess dieser Samenart liegen, so erfolgt die Keimung nicht. Unter dem Einfluss desjenigen T'emperaturgrades, den man als Temperaturoptimum bezeichnet, findet die Keimung am schnellsten statt, d. h. die Geschwindigkeit, mit welcher das Wachsthum der Zellen des Embryo erfolgt, ist die grösste. Bei Temperaturen oberhalb des Temperaturmaximums kann keine Keimung mehr zu Stande kommen. Die vorstehenden Zahlen lassen ferner noch Folgendes erkennen: ı. Die Temperaturminima, Optima und Maxima für den Keimungsprocess verschiedener Samenspecies werden keineswegs immer durch die nämlichen Temperaturgrade zum Ausdruck gebracht. 2. Liegt das Minimum der Keimungstemperatur hoch, so liegen ebenso das Optimum und Maximum der Keimungstemperatur relativ hoch; einemniedrigerliegen- den Minimum entspricht auch ein niedriger liegendes Optimum und Maximum. 3. Die Differenz zwischen dem Minimum und dem Optimum der Keimungs- temperatur (in °C. ausgedrückt) ist stets beträchtlicher als diejenige zwischen dem Optimum und dem Maximum. Bei dem Studium der Abhängigkeit des Keimungsprocesses von der Tempe- ratur ist es mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, die Temperaturminima genau zu bestimmen. Einige Beobachter (ULoTH, KERNER, HABERLANDT), die bei der Ausführung ihrer Untersuchungen ein ganz besonderes Gewicht auf die Fest- stellung der niedrigsten Temperatur legten, bei der die Keimung überhaupt noch möglich ist, haben nun gefunden, dass dieselbe im Allgemeinen viel tiefer liegt, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt. Danach keimen die Samen vieler Alpenpflanzen, aber auch diejenigen des Roggen, der Wicke, der Erbse, des Roth- klees, wohl sicher noch bei Temperaturen, die zwischen o und 2°C. liegen. c) Die Abhängigkeit des Wachsthumsprocesses von verschiedenen Temperaturen innerhalb derGrenzwerthe. Der hier zu behandelnde Gegen- stand hat bereits das lebhafte Interesse verschiedener älterer Pflanzenphysiologen erreg. Man suchte zumal nach einer mathematischen Formel, um die Be- ziehungen zwischen den herrschenden Temperaturverhältnissen einerseits, sowie dem Wachsthum andererseits zum Ausdruck zu bringen, und man kam z. B. zu dem Schluss, dass die Vegetationsdauer einer Pflanzenspecies der herrschenden mittleren Temperatur umgekehrt proportional sei (BoussinGAuLT), oder die Vegetationsdauer sei dem Quadrat der mittleren Temperatur umgekehrt pro- portional (QUETELET)). I) Vergl. DE CANDOLLE, Pflanzenphysiologie, deutsch v. RÖPER. Bd. ı. pag. 432; BoussinGAULT, Die Landwirthschaft in ihrer Beziehung zur Physik, Chemie und Meteorologie, 502 System der Pflanzenphvsiologie. Diese Temperaturformeln, welche überdies gar nicht die Beziehung zwischen der 'Temperatur und dem Wachsthum an sich, sondern die Relation zwischen ersterer und der auf dem Zusammenwirken der mannigfaltigsten T,ebensprocesse beruhenden Gesammtentwicklung der Pflanzen zum Ausdruck bringen, besitzen für die Wachsthumsphysiologie kaum eine Bedeutung. Für unsere Zwecke ist es zunächst allein von Wichtigkeit, genaue Daten über den Einfluss verschiedener Temperaturen auf das Wachsthum der Zellen zu erlangen, und auch hier hat zu- mal wieder Sachs!) auf diejenigen Wege hingewiesen, auf denen man zu tieferer Erkenntniss gelangen kann. Dieser Weg besteht aber darin, dass man die Wachsthumsgeschwindigkeit von Pflanzentheilen bei verschiedenen, in den einzelnen Versuchen aber möglichst constant erhaltenen Temperaturen studirt, und Sachs kam z. B. bei der Unter- suchung des Wachsthums der Keimwurzel von Zea Mays zu folgenden Resultaten: Zeit in Stunden. Temperatur in °C. Erreichte Wurzellängen in Millim. 48 42,3 5,9 48 38,3 25,2 48 340 55,0 48 333 39,0 48 26,3 24,5 2-48 17T 2 Bei der Prüfung der Abhängigkeit des Wachsthums der Plumula von Zea von der Temperatur erhielt SacHs die folgenden Ergebnisse: Zeit in Stunden. Temperatur in °C. Erreichte Länge der Plumula in Millim. 48 42,3 46 48 38,3 9,1 48 340 13,0 48 33,3 11,0 48 26,3 5,6 2-48 17,8 4,6 In meiner Keimungsphysiologie habe ich die Resultate der Untersuchungen von Sachs sowie anderer Forscher einer eingehenden Disscusion unterzogen. Hier sei nur auf das Hauptergebniss der vorliegenden exacten Beobachtungen hingewiesen, dass nämlich zunächst mit steigender Temperatur die Wachsthumsgeschwindigkeit eines Pflanzentheils bedeutender wird. Temperaturen, welche aber höher als das Temperaturoptimum für den Wachsthumsprocess eines Pflanzentheils liegen, wırken nicht beschleunigend, sondern im Gegentheil verlangsamend auf die Entwicklung desselben ein’). d) Die Jahresperiode des Wachsthums. Der Umstand, dass der Wachs- thumsprocess der Pflanzen nur innerhalb bestimmter T’emperaturgrenzen zur Geltung kommen kann, lässt von vornherein ein helles Licht auf die Thatsache deutsch von GRAEGER. Bd. 2. pag. 436; SAacHs, PRINGSHEIMS Jahrbücher, Bd. 2. pag. 370; DETMER, Keimungsphysiologie. pag. 441. In den beiden zuletzt citirten Schriften wird die Frage nach der Bedeutung der 'Temperaturformeln kritisch beleuchtet. ') Vergl. Sachs, PRINGSHEIMS Jahrbücher. Bd. 2 und Arbeiten d. botanischen Instituts in Würzburg. Bd. ı. pag. 164. ?) Die Frage nach dem Einfluss von Temperaturschwankungen auf das Wachsthum will ich hier nicht specieller erörtern. Ich verweise die Leser nur auf die bezüglichen Untersuchungen von KörrEn (Wärme und Pflanzenwachsthum, 1870), sowie von PEDERSEN (Arbeiten des botan. Instituts in Würzburg. Bd. ı. pag. 563). II. Abschnitt. ı. Die nothwendigen Wachsthumsbedingungen. 503 der im gemässigten sowie kalten Klima zur Zeit des Winters leicht zu beobachtenden Ruheperiode der verschiedenartigsten Gewächse fallen!). Aber es ist von vorn- herein mit Nachdruck zu betonen, dass die niedere Temperatur des Winters, wenngleich dieselbe in ganz wesentlicher Weise unmittelbar an dem Zustande- kommen der Ruheperiode betheiligt ist, dennoch in vielen Fällen nicht als der allein massgebende Factor ‘bezeichnet werden darf. Zwar können sich viele Pflanzen, die in unsern Breiten heimisch sind (z. B. Dellis perennis, Stellaria media, Veronica Buxbaumi, Lamium purpureum etc. etc.) zu jeder Jahreszeit, also auch im Winter, wenn es die Temperaturverhältnisse nur gestatten, entwickeln und zur Blüthe gelangen, aber andere Gewächse lassen ein durchaus abweichendes Verhalten erkennen. Manche unserer Holzpflanzen (Eichen, Obstbäume) zeigen nämlich in beson- ders ausgeprägter Weise die Eigenthümlichkeit, dass die für die nächste Vege- tationsperiode bestimmten Knospen im Herbst selbst in einem warmen Raume nicht oder nur sehr schwer zur Entfaltung gebracht werden können, und die Evo- lution der Knospen solcher Gewächse beginnt nicht allein bei uns, sondern ebenso in wärmeren Gegenden (Madeira, Nizza) erst relativ spät im Frühjahr. Dass die Entwicklung der Knospen unserer Bäume und ebenso z. B. das Aus- treiben von Knollen sowie Zwiebeln bis zu einem bestimmten Grade abhängig von der Temperatur ist, unterliegt gar keinem Zweifel. Man bedenke nur, dass die Entwicklung der Vegetation im Frühjahr keineswegs ın jedem Jahr genau zur nämlichen Zeit erfolgt, sondern bei wärmerer Witterung früher als bei kälterer stattfindet?). Andererseits lassen aber die bereits angeführten 'Thatsachen deut- lich erkennen, dass die 'T'’emperaturverhältnisse den Zeitpunkt des Beginns der neuen Jahresperiode der Vegetation keineswegs allein bestimmen, sondern dass dabei noch innere Wachsthumsursachen mitwirken. Wir dürfen diese innern Ur- sachen unzweifelhaft als wesentlich durch den jährlich in gleichsinniger Weise wiederkehrenden Temperaturgang hervorgerufen betrachten, und danach würden also bei dem Zustandekommen der Jahresperiode der Vegetation neben den un- mittelbar wirksamen Temperaturverhältnissen gewisser durch den jährlich wieder- kehrenden Temperaturwechsel verursachte Nachwirkungen eine sehr erhebliche Rolle spielen. In der That lässt sich mit einer solchen Anschauung die That- sache durchaus in Einklang bringen, dass sich die Jahresperiode mancher Pflanzen im wärmeren Klima auf die Dauer nicht erhält. So z. B. sind die Reben in Venezuela und die Kirsche auf Ceylon zu immergrünen Pflanzen geworden, die Jahresperiode, welche diese Gewächse in unseren Breiten zeigen, ist verschwunden.°) !) Auch manche tropische Pflanzen zeigen eine Ruheperiode in ihrer Heimath, und hier tritt dieselbe in der trockenen Jahreszeit hervor. 2) So sah ich während des gegenwärtigen milden Winters (1881 auf 82) die Laubknospen von Zonicera tartarica im Freien am 12. Januar zur Enfaltung kommen. 3) Vergl. über die hier berührten Verhältnisse Askenasy, Botan. Zeitung, 1877. pag. 824 sowie PFEFFER, Pflanzenphysiologie, Bd. 2. pag. 106. Der letzte Forscher hat auch die ein- schlägige Literatur zusammengestellt. 504 System der Pflanzenphysiologie. \ Zweites Kapitel. Die Beeinflussung des Wachsthums durch Druck und Dehnung. S 28. Allgemeines und Betrachtung einzelner Fälle. Nach den im 9. Paragraphen entwickelten Anschauungen ist es von vornherein sicher, dass Druckkräfte, welche von innen her auf die wachsenden Zellhäute einwirken, das Wachsthum derselben begünstigen müssen. Wenn die Turgorkraft der Zellen durch irgend welche Momente eine Steigerung erfährt, und die passiv gespannten Zellschichten in Folge dessen eine lebhaftere Dehnung erfahren, so müssen sich die Zwischenräume zwischen den Micellen dieser Schichten um etwas erweitern, und das Zustandekommen der Intussusceptionsprocesse beim Wachsthum wird dadurch erleichert. Ueberhaupt können alle diejenigen Momente, welche eine Dehnung der gespannten Zellschichten herbeiführen (mögen die dehnenden Ur- sachen vom Innern der Zelle aus oder von aussen auf die gespannten Zell- schichten einwirken), einen beschleunigenden Einfluss auf das Wachsthum aus- üben, während eine Compression der gespannten Zellschichten im Gegentheil Verlangsamung des Wachsthums zur Folge haben wird. Die wachsenden Zellen stehen ganz allgemein in der normal vegetirenden Pflanze durch das Vorhandensein der Gewebespannung unter dem Einfluss dehnender Kräfte sowie gewisser Druckwirkungen. Ebenso können die Zellen aber auch durch Kräfte, die ihren Ursprung nicht in den Pflanzen selbst, sondern ausserhalb derselben haben, gedehnt oder comprimirt werden. Die Modificationen, welche das Wachsthum in Folge dieser verschiedenen Momente erleidet, sind zum Theil noch wenig bekannt, aber auf jeden Fall äusserst mannigfaltiger Natur, und es sollen zunächst einige specielle Fälle angeführt werden, welche uns wenigstens im Allgemeinen über den Einfluss des Druckes sowie der Dehnung auf das Wachsthum der Zellen orientiren. Es ist übrigens zu beachten, dass die nächste Wirkung des Druckes oder der Dehnung sich nicht allein auf die gespannte Cellulosemembran der Zellen zu beschränken braucht; vielmehr können jene Kräfte zugleich das Protoplasma affıcıren, gewisse Veränderungen in demselben hervorrufen und auch dadurch einen modificirenden Einfluss auf das Wachsthum ausüben. Ueberdies ist von vornherein zu betonen, dass Druck sowie Dehnung keineswegs in allen Fällen dieselbe Wirkung auf die Pflanzentheile ausüben. Oft beeinflussen sıe das Wachsthum in direkter Weise; unter anderen Umständen werden durch äussere Anstösse allein gewisse Spannkräfte in den Zellen ausgelöst. Auf ein derartiges Verhältniss ist z. B. wohl die auf Reizwirkung zur Geltung kommende Bewegung der Ranken und anderer Pflanzentheile zurückzuführen, denn die be- deutende Arbeitsleistung bei dieser Bewegung steht in keinem Verhältniss zu der Grösse des Reizes selbst. ı. Es ist bekannt, dass die Epidermiszellen langer Internodien sowie langer Blätter vorwiegend in longitudinaler Richtung wachsen, während breite Blätten poly- gonal gestaltete Epidermiszellen besitzen. Diese Verhältnisse darf man wohl auf die in Folge von Gewebespannung zu Stande kommende hauptsächlich longi- tudinale Zerrung der Zellen im ersteren, und auf die allseitig in der Blattfläche zur Geltung kommende Zerrung der Zellen im zweiten Falle zurückführen). !) Vergl. über das Gesagte Sachs, Lehrbuch, 4. Aufl. pag. 781. Ueber Zugwachsthum vergl. auch WIEsNER, Das Bewegungsvermögen d. Pflanzen. pag. 135. Ferner vergl. die werth- vollen Darstellungen DETLEFSEN’s, in Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. 2. pag. 18. r I + ; j pi Ni R re an N N ar: Di Pe She II. Abschnitt. 2. Die Beeinflussung des Wachsthums durch Druck und Dehnung. 505 2. Sehr merkwürdig ist der Einfluss, den Druckkräfte, zum Theil schon sehr schwache, auf die Ranken ausüben. Wenn eine bestimmte Seite der Ranken mit fremden Körpern in Berührung gelangt, so wird das Flächenwachsthum der Zellen eben dieser Seite bedeutend verlangsamt oder gar sistirt, während die Zellen der Gegenseite eine Wachsthumsbeschleunigung erfahren. Ich komme weiter unten auf die Wachsthumsverhältnisse der Ranken eingehender zurück; hier sei nur noch bemerkt, dass die Haupt- und Nebenwurzeln der Keimpflanzen (z. B. von Zea und Zisum), wenn eine Seite derselben mit einem festen Körper in Berührung gelangt, in Folge ungleichseitigen Wachsthums ganz ähnlich wie die Ranken Krümmungserscheinungen zeigen. 3. Einen sehr bedeutsamen Einfluss üben die Druckverhältnisse auf das Dicken- wachsthum der Pflanzen aus. H. vE Vrırs!) hat über diesen Gegenstand ein- gehende Untersuchungen angestellt und zwar beobachtete er einerseits das normale Dickenwachsthum verschiedener Holzpflanzen, andererseits bestimmte er die Ein- wirkung gesteigerten oder verminderten Druckes auf das Dickenwachsthum. Eine Erhöhung des Druckes, dem das Cambium sowie das Holz schon unter normalen Umständen ausgesetzt sind, wurde in sehr einfacher Weise durch Ligaturen von Bindfaden herbeigeführt; dagegen konnte eine Herabsetzung des Rindendruckes leicht durch Längsschnitte in die Rinde bewerkstelligt werden. Die Versuche er- gaben, dass die mittlere Dicke des Jahresringes unter der Ligatur geringer war als die mittlere Dicke des nämlichen Jahresringes in einiger Entfernung ober- oder unterhalb der Versuchsstelle. Der Einfluss der Verminderung des Rinden- druckes prägte sich deutlich darin aus, dass die zu den Untersuchungen benutzten Zweige an den Versuchsstellen beträchtlich stärker als an anderen Stellen in die Dicke gewachsen waren’). 4. Es ist bekannt, dass sich das Frühlingsholz und das Herbstholz, welches die Pflanzen zu erzeugen vermögen, ganz wesentlich hinsichtlich ihrer Ausbildung von einander unterscheiden. Im Allgemeinen lässt sich dieser Unterschied wie folgt charakterisiren: a) der radiale Durchmesser der Holzzellen des Herbstholzes ist ein geringerer als derjenige der Zellen des Frühlingsholzes; b) Im Herbstholz sind weniger und engere Gefässe als im Frühlingsholz vorhanden. Die extremen Formen der Frühlings- und Herbstholzbildungen sind in den Pflanzen durch Uebergangsformen mit einander verbunden. Da nun, wie in dem Abschnitt über die Gewebespannung gezeigt worden ist, die Intensität der Querspannung zur Zeit des ersten Erwachens der Vegetation relativ bedeutend ist, dann mit Beginn der Blattentwickelung (also zur Zeit der Frühlingsholzbildung) in Folge lebhafterer Transpiration der Gewächse bedeutend sinkt, um schliesslich mit fortschreitendem Dickenwachsthum der Pflanzentheile wieder zuzunehmen, so liegt die Annahme einer Beziehung zwischen der Aenderung der Spannungszu- stände in den Pflanzen einerseits, und der verschiedenartigen Ausbildung des Holzes in den auf einander folgenden Zeiten einer Vegetationsperiode anderer- seits, sehr nahe. H. DE VRIES?) ist es gelungen, solche Beziehungen in der That 1) Vergl. H. DE Vrıes, Flora, 1872. No. 16. 2) DETLEFSEN hat auch die Erscheinung des excentrischen Dickenwachsthums der Stämme, Aeste, Zweige und Wurzeln mit Erfolg mit der Vertheilung der Spannungsverhältnisse in den Pflanzentheilen in Zusammenhang gebracht. (Wissensch. Beigabe zum Michaelis-Programm der grossen Stadtschule zu Wismar, 1881). 3) Vergl. H. DE Vries, Flora, 1872. No. 16 und Flora, 1875. No. 7. 506 System der‘ Pflanzenphysiologie. j auf experimentellem Wege festzustellen, indem er Cambium sowie Holz seiner Versuchsobjecte in der bereits unter 3 angegebenen Weise künstlich gesteigertem oder vermindertem Druck aussetzte. H. DE VRIES fasst die Hauptresultate seiner Beobachtungen wie folgt zusammen (Flora, 1875): a) Die Zahl der Zelltheilungen im Cambium hängt von dem auf das Cam- bium einwirkenden radialen Druck ab; je grösser dieser Druck, desto geringer wird die Zahl der Zelltheilungen in jeder radialen Reihe in der nämlichen Zeit und unter sonst gleichen Umständen sein. b) Das Wachsthum (Streckung) der Elementarorgane des Holzes in radialer und tangentialer Richtung hängt von dem Druck ab, unter dem es stattfindet; je grösser dieser Druck, desto geringer ist diese Streckung. c) Das Verhältniss zwischen der Zahl der Gefässe und der der Holzfasern in einer Holzschicht hängt von dem Druck ab, unter dem diese Holzschicht entstanden ist, je grösser dieser Druck, desto geringer ist die relative Zahl der Gefässe. d) Die Thatsache, dass der radiale Durchmesser der Holzfasern und die Anzahl und die Weite der Gefässe in jedem Jahrring des Holzes von innen nach aussen abnehmen, wird durch die stetige Steigerung des Rindendruckes während des Dickenwachsthums in genügender Weise erklärt). 5. Dass die Aufhebung des Druckes, dem eine Zelle ausgesetzt ist, das Wachsthum derselben steigern kann, ergiebt sich auch sehr schön bei der Be- trachtung der Thyllenbildung. Die T'hyllen entstehen da, wo eine wachsthumsfähige Holzparenchymzelle die Tüpfel eines benachbarten Gefässes begrenzt. Das über einem Tüpfel liegende Hautstück der Parenchymzelle wird durch den in dieser letzteren selbst herrschenden hydrostatischen Druck in die Tüpfelöffnung hineingedrückt, und die Zelle dehnt sich schliesslich durch Wachsthum in dem hohlen Raum des Gefässes bedeutend aus. 6. Werden querdurchschnittene Holzzweige in feuchtem Sand oder feuchter Luft gehalten, so quillt das Cambium häufig in Form eines Wulstes über die Schnittfläche hervor. Der sich bildende Callus entsteht durch Wachsthum un- versehrter Cambiumzellen sowie benachbarter Rindenzellen, und es fragt sich, welche Momente es sind, die hier ein so lebhaftes Wachsthum der die Wund- fläche begrenzenden Gewebe veranlassen. Es ist zunächst klar, dass der Druck, dem die zur Callusbildung befähigten Zellen unter normalen Verhältnissen aus- gesetzt waren, in Folge des erwähnten Durchschneidens der Pflanzenorgane eine Verminderung erfährt. Diese Druckverminderung wird nach allem, was wir bereits angeführt haben, schon an sich eine Beschleunigung des Wachsthums jener die Schnittfläche begrenzenden Zellen herbeiführen können, ja es ist sogar denkbar, dass Zellen, die bereits aufgehört haben zu wachsen, durch Verminderung des auf ihnen lastenden Druckes wieder zu wachsen beginnen. Es dürfte aber dennoch zu untersuchen sein, ob nicht in Folge von Verwundungen der Pflanzentheile, abgesehen von der Druckverminderung, noch anderweitige Momente in Wirksamkeit gesetzt werden, die beschleunigend auf das Wachsthum der die Wundstelle be- grenzenden Gewebe einwirken. Scheint es doch sicher zu sein, dass gewisse Reize, die ja auch in Folge von Verwundungen auf die Zellen ausgeübt werden, unter bestimmten Umständen als Ursache der Hypertrophie der Gewebe aufgefasst ') Hier sei auch auf gewisse schr interessante Angaben von H. DE Vrırs über Wundholz hingewiesen. Flora, 1876, vergl. zumal pag. 134. Ei II.- Abschnitt. 2. Die Beeinflussung des Wachsthums durch Druck und Dehnung. 507 werden müssen, und zwar habe ich hier vor allem jene Reize im Auge, die zur Entstehung der so überaus mannigfaltigen Formen der Pflanzengallen Veran- lassung geben. 7. Die unter 6 geltend gemachten Gesichtspunkte sind auch zu beachten, wenn es sich darum handelt, die merkwürdige von Darwın!) constatirte T'hat- sache zu erklären, weshalb Wurzeln, deren Spitze in bestimmter Weise mit festen Körpern in Berührung gebracht wird, sich von diesen letzteren fortkrümmen. Dar- wın hat z. B. unter Berücksichtigung verschiedener Vorsichtsmaassregeln an die conischen Spitzen der Würzelchen von Vicia Faba sowie anderer Pflanzen kleine Stücke von Carton mit einer sehr dicken, rasch festwerdenden Schellacklösung festgeklebt. Die Würzelchen wurden stets durch eine Krümmung in eine Richtung gebracht, welche der Seite, an welcher der Carton klebte, geradezu entgegengesetzt war. Der Reiz, den die Wurzeispitze durch blosse Berührung mit dem Carton erfährt, soll sich bis in die Region der Wurzel, welche das lebhafteste Wachsthum zeigt, fortpflanzen und so zur Entstehung der Krümmung Veranlassung geben. WIESNER?) hat die Beobachtungen Darwıns wiederholt und zwar zunächst in der Art, dass er kleine Holzstückchen oder Sandkörnchen ohne Anwendung eines Klebemittels seitlich an die Wurzelspitzen andrückte. Krümmungen traten nicht ein, und daraus erhellt, dass Darwıns Anschauung, nach welcher unver- sehrte Wurzeln, welche an ihrer Spitze einseitiger Berührung ausgesetzt werden, in Folge eines von der Spitze aus weiter nach rückwärts auf die lebhaft wachsenden Zellen fortgepflarzten Reizes Krümmungen erfahren, nicht richtig sein kann. WIESNER fand auch bei der Wiederholung der Versuche Darwıns mit den Carton- stückchen, dass die Zellen der Wurzelspitzen, welche mit dem Schellack in Contact gebracht worden waren, abstarben, aber er beobachtete in der That bei diesen Versuchen das Zustandekommen von Krümmungen. Dieselben sind zweifellos Folge der Verletzung der Wurzelspitze; sie verdanken ihre Entstehung also wesentlich anderen Momenten wie diejenigen sind, welche Darwın zur Deutung der von ihm constatirten Erscheinungen herangezogen hatte. In Folge der Ver- letzung werden die noch unversehrten Zellen auf derjenigen Seite der Wurzel, welche verletzt worden ist, zu gesteigertem Wachsthum angeregt. Die näheren Ursachen dieser Wachsthumsbeschleunigung sind uns vor der Hand nicht genauer bekannt, aber es ist klar, dass ihre Wirksamkeit ein Wegwenden der Wurzel von derjenigen Seite, auf welcher die Verletzung erfolgte, bedingen muss, und diese Thatsache ist von grossem biologischem Interesse. 8. Sehr merkwürdig ist, dass Druckwirkungen, im Gegensatz zu den bisher berührten Fällen, häufig das Wachsthum gewisser Zellen, die ohne das nicht wachsen würden, überhaupt erst anregen. Hierher gehört wohl die Erscheinung der Ent- stehung einer grösseren Anzahl von Wurzelhaaren an Wurzeln, die sich in Con- tact mit den festen Bodenpartikelchen entwickeln, als an den in Berührung mit einer Nährstofflösung zur Ausbildung gelangenden Organen. PFEFFER?) fand, dass, während die Brutknospen von Marchantia normalerweise nur auf der nach abwärts gerichteten Seite Wurzelhaare erzeugen, auch gewisse Oberflächenzellen der Ober- I) Vergl. Darwm, Das Bewegungsvermögen der Pflanzen. 1381. Deutsche Uebersetzung. pag. 109. 2) Vergl. WIESNER, Bewegungsvermögen etc., pag. 139. 3) Vregl. PFEFFER, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. B. 1. pag. 77. 508 System der Pflanzenphysiologie. seite der Brutknospen zu Wurzelhaaren auswachsen, wenn dieselben mit feuchten festen Körpern in Contact gerathen. Die Haustorien von Cuscufa sowie die Haftscheiben der Ranken von Ampelopsis entstehen ferner nur dann, wenn die betreffenden Gewebeoberflächen in dauernde Berührung mit einem festen Körper gelangen.!) \ Die Ranken von Ampelopsis sind negativ heliotropisch. Sie wenden sich da- her vom Licht ab und können leicht mit Stützen, Mauern etc, in Berührung kommen. Geschieht dies, so treten verschiedene merkwürdige Erscheinungen hervor, von denen uns hier aber nur das Phänomen der Haftscheibenbildung interessirt. Diese Haftscheiben bestehen aus einer Anzahl roth gefärbter Zellen, und bilden sich in Folge der Berührung der Ranken mit festen Körpern. Ver- möge der Haftscheiben vermag sich der wilde Wein selbst an senkrecht stehen- den Mauern zu befestigen. Es scheint, dass die Zellen der Haftscheiben eine harzartige Kittsubstanz auszuscheiden vermögen, durch welche das Zustande- kommen der Befestigung der Ranken an fremden Körpern noch erleichtert wird. 9. Es ist bekannt, dass viele Pflanzen sowohl dann zu normaler Entwicke- lung gebracht werden können, wenn sich ihre Wurzeln in einem Bodenmaterial ausbilden, als auch in dem Falle, dass die Wurzeln sich in Contact mit einer Nährstofflösung befinden. Der Habitus der »Bodenwurzeln« einerseits und der- jenigen der »Wasserwurzeln« andererseits ist aber ein wesentlich verschiedener. Jene erzeugen mehr Wurzelhaare als diese und verästeln sich weit stärker als die Wasserwurzeln. Sollen die »Bodenwurzeln« ihre normale Ausbildung erfahren, so ist es übrigens erforderlich, dass sich dieselben nicht in einem mit Wasser übersättigten Material entwickeln. Man hat vielfach versucht, die Ursachen fest- zustellen, welche es bedingen, dass sich die Wurzeln in Berührung mit einem Boden einer- und mit einer Nährstofflösung andererseits so verschiedenartig aus- bilden, aber es lässt sich auf Grund der vorliegenden Untersuchungen wohl nur behaupten, dass hier eine ganze Reihe von Faktoren (Luftzutritt zu den Wurzeln, Zustand der Pflanzennahrungsmittel, Druckverhältnisse ete.) in Betracht kommen. Dass Druckverhältnisse die Entwickelung der Wurzelhaare beeinflussen, ist bereits unter 8. angegeben worden. Ob das soeben erwähnte Moment noch anderweitige hier in Betracht kommende Wirkungen ausübt, muss durch weitere Untersuchungen festgestellt werden.?) $ 29. Die Bewegungen der Ranken.?) — Als Ranken sind alle dünnen, schmalen oder fadenförmigen Pflanzentheile zu bezeichnen, welche zur Zeit ihres längenwachsthums in Berührung mit festen Körpern (Stützen) Krümmungen er- fahren. Die Ranken umschlingen die berührte Stütze und befestigen auf diese Weise den Pflanzenkörper. Die Physiologie lehrt, dass sehr häufig Organe von sehr verschiedenem mor- !) Vergl. Darwın, Die Bewegungen und Lebensweise d. kletternden Pflanzen, 1876, pag. ııı, vergl. PFEFFER, ]. c. pag. 96. 2) Literatur: Sachs; Handbuch d. Experimentalphysiologie, pag. 177; NORBE, Versuchs- stationen, Bd. 4 und Bd. 10; WAGNER, Journal f. Landwirthschaft, 1870, pag. 103; DETMER, Versuchsstationen, Bd. 15; PERSEKE, Inaugural-Dissert., Leipzig 1877; PFEFFER, Pflanzenphysio- logie, Bd. ı, pag. 83. 3) Literatur: H. v. Mont, Ueber den Bau und das Winden der Ranken und Schling- pflanzen, Tübingen 1827; Darwın, Die Bewegungen und Lebensweise d. kletternden Pflanzen, 1876; Sachs, Lehrbuch d. Botanik, pag. 837; H. DE VRrıezs, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg, Bd. ı, pag. 302. 4 ’ E“ sur II. Abschnitt. 2. Die Beeinflussung des Wachsthums durch Druck und Dehnung. ° 509 phologischem Werth dennoch vom physiologischen Standpunkte aus als gleich- werthig betrachtet werden müssen. Hierfür bieten die Ranken ausgezeichnete Beispiele dar. Bei vielen Pflanzen, z. B. bei Vitis, Ampelopsis, Fassifiora und wahrscheinlich auch bei Cucurbitaceen, sind die Ranken als metamorphosirte Zweige aufzufassen. Bei Clematis und Tropaeolum vermag der Blattstiel als Ranke zu fungiren. Bei /umaria officinalis ist das ganze feinzertheilte Blatt für Be- rührung empfindlich. Bei Ziszm verwandelt sich der ganze vordere Theil des gefiederten Blattes in eine verzweigte Ranke. Zunächst ist es natürlich von grösster Wichtigkeit, dass die Ranken mit Stützen, welche sie zu umschlingen vermögen, in Berührung gelangen. Es ver- dient daher Beachtung, dass jene die Ranken tragenden Sprosse sowie die Ranken selbst, wenn sie bereits eine erhebliche Länge erreicht haben und noch gerade gestreckt sind, rotirende Nutationen machen. Die typisch entwickelten Ranken (Ranken von Cucurbitaceen sowie Zassiflora etc.), welche wir hier be- sonders im Auge haben, sind zur Zeit der rotirenden Nutation im lebhaften Längenwachsthum begriffen und für Berührungen empfindlich. Jede Berührung auf der reizbaren Seite ruft eine concave Einkrümmung zunächst der berührten Stelle hervor, und die Krümmung verbreitet sich dann nach oben und unten weiter. Die Ranke legt sich um die Stütze, es kommen dadurch immer neue reizbare Stellen der noch lebhaft wachsenden Ranke mit der letzteren in Be- rührung, so dass sich das freie Ende des Organs in mehr oder minder zahlreichen Windungen um die Stütze schlingt. Derjenige Theil der Ranke, welcher zwischen der Basis derselben und ihrem Befestigungspunkte liegt, kann sich natürlich nicht wie das freie Ende der Ranke um die Stütze schlingen. Aber der von der Stütze ausgeübte und sich nach unten fortpflanzende Reiz ist dennoch nicht ohne Einfluss auf das fernere Verhalten des zwischen der Basis der Ranke und ihrem Befestigungspunkte befindlichen Rankentheils. Derselbe rollt sich näm- lich unter dem Einflusse des Reizes korkzieherförmig ein, wobei, wie noch zu bemerken ist, aus rein mechanischen Ursachen sogen. Wendepunkte auftreten. Wenn die in rotirender Nutation begriffenen Ranken keine Stütze finden, so ist das Verhalten der Organe ein wesentlich anderes wie dasjenige solcher Ranken, die eine Stütze erfasst haben. Sind die nicht befestigten Ranken aus- gewachsen, und haben sie ihre Reizbarkeit verloren, so erscheinen dieselben in vielen Fällen noch gerade gestreckt, sie verkümmern aber alsbald und fallen ab (Vitis, Ampelopsis). Bei anderen Pflanzen (Cucurbitaceen, Passifloren) rollen sich die nicht befestigten Ranken vor dem völligen Erlöschen ihres Längenwachsthums korkzieherförmig ein und verholzen oder vertrocknen in diesem Zustande. Diese letztere Erscheinung ist derjenigen sehr ähnlich, welche wir oben für solche Ranken, die eine Stütze ergriffen haben, angaben. Befestigte Ranken zeigen die korkzieherförmige Einrollung aber immer; die nicht befestigten Ranken vieler Pflanzen bleiben aber gerade oder rollen sich spiralig ein, und daraus er- hellt, dass wir es im ersten Falle (bei den befestigten Ranken) mit einer para- tonischen, im letzteren (bei den nicht befestigten Organen) mit einer spon- tanen Nutationserscheinung zu thun haben. Die korkzieherförmige Einrollung einer befestigten Ranke erfolgt auch sehr bald (in 4—ı Tag), nachdem die Ranke eine Stütze ergriffen hat und noch lebhaftes Längenwachsthum zeigt, während bei den nicht befestigten Ranken der nämlichen Pflanze die in Rede stehende Einrollung, wenn sie überhaupt zu Stande kommt, erst mit dem Er- löschen des Längenwachsthums der Ranken erfolgt. Befestigte Ranken haben 510 System der Pflanzenphysiologie. überdies eine längere Dauer als nicht befestigte derselben Pflanze, und alle diese Thatsachen lassen keinen Zweifel darüber bestehen, dass die Berührung der Ranken mit festen Körpern nicht allein von Einfluss auf das Verhalten der un- mittelbar berührten Rankenpartie ist, sondern dass die Reizwirkung sich über- haupt auf das Verhalten der ganzen Ranke erstreckt. Wird eine Ranke nur vorübergehend berührt, so streckt sich dieselbe später wieder gerade. Andauernde Berührung der Ranke, wie sie stattfindet, wenn das Organ eine Stütze erfasst hat, verursacht bleibende Krümmung. Der Druck, dem die Ranken ausgesetzt werden müssen, um sich zu krümmen, und die Zeit, die verstreicht, bis die Krümmung erfolgt, ist für die Organe verschiedener Pflanzen- species verschieden. Die sehr empfindlichen Ranken von Zassifora krümmen sich unter dem Druck eines Milligramms schon in 25 Secunden. Andere Ranken, zumal diejenigen von Ampelopsis, besitzen einen weit geringeren Grad von Reiz- barkeit. Endlich sei noch bemerkt, dass dıe meisten Ranken nur dann Berührungs- krümmungen erfahren, wenn ihre Unterseite gereizt wird. Andere Ranken sind auf allen Seiten reizbar. Mit Bezug auf die Mechanik der Rankenbewegung ist zunächst zu betonen, dass bei dem Zustandekommen derselben das Wachsthum eine wichtige Rolle spielt. H. DE Vrıs!) fand, dass sich allerdings solche Ranken, die eben begonnen hatten, sich unter dem Einfluss eines Reizes zu krümmen, wenn sie der Plasmo- lyse unterzogen wurden, wieder völlıg gerade streckten, dass dagegen stark ge- krümmte Ranken durch Plasmolyse nicht wieder gerade gestreckt werden konnten. Im letzteren Falle muss also die durch 'Turgescenzänderungen der Zellen der Ranken eingeleitete Krümmung derselben durch Wachsthumsprocesse fixirt worden sein. Das Wachsthum der Zellen auf den verschiedenen Seiten der gereizten Ranken ist nun kein gleichartiges. In vielen Fällen erfährt das Wachsthum der Zellen auf der für Berührung empfindlichen, concav werdenden Seite der Organe eine absolute Verlangsamung, während die Zellen der convex werdenden Seite eine absolute Zunahme der Wachsthumsgeschwindigkeit erkennen lassen. Dies geht z. B. aus den folgenden Angaben von H. DE Vrızrs (vergl. Arbeiten des botan. Instituts in Würzburg, Bd. ı) deutlich hervor. "Zuwachs auf ı Millim. der | Mittlerer Zuwachs an nicht Ranken von Innenseite | Aussenseite ' gewundenen Theilen der der Windungen. | Ranken pr. Millim. Cucurbita Pepo o,1o Millim. | 1,40 Millim. | 0,20 Millim. ” „ | 0,00 „ 0,55 „ I 0,2 2] Bryonia alla — 0,15 ,„ 0,85 7 107 . I Passiflora alata 0,80. OBON 0 0,207 Dem veränderten Wachsthum auf den beiden Seiten der gereizten Ranken geht unzweifelhaft eine Veränderung der Turgorausdehnung der Zellen voraus. Die Turgorausdehnung der Zellen der concav werdenden Seite der Organe sinkt nämlich, während die Zellen auf der convex werdenden Seite eine Steigerung ihrer Turgorausdehnung erfahren. Es ist aber sicher, dass die Berührung hier nur auslösend wirkt, denn die sehr unbedeutenden Druckkräfte, welche häufig genügen, um eine energische Nutationsbewegung der Ranken herbeizuführen, !) H. DE VRIEs, Landwirthschl. Jahrbücher. Bd. 9. pag. 511. ‚III. Abschnitt. 2. Die Beeinflussung des Wachsthums durch Druck und Dehnung. 511 reichen als solche gewiss nicht entfernt hin, um eine entsprechende Compression, resp. Verminderung der Turgorausdehnung der Zellen auf der concav werdenden Seite der Ranken zu Stande zu bringen. Welche Ursachen die Differenz der Turgorausdehnung der Zellen auf den beiden Seiten gereizter Ranken speciell bedingen, ist, wie mir scheint, noch nicht sicher festgestellt. Es ist nämlich für mich fraglich, ob Berührung der Ranken verändernd auf die osmotische Leistungsfähigkeit der Zellen oder auf die Widerstandsfähigkeit der gespannten Zellschichten derselben einwirkt. H. DE Vrıes!) fand, dass Ranken, wenn dieselben mit Wasser injicirt werden, sich viel lebhafter nach erfolgter Berührung bewegen, als wenn dies nicht geschehen ist. Man kann dies interessante Resultat der Versuche nun in verschiedener Weise deuten. Es liegt die Möglichkeit vor, dass der durch die Injection bedingte grössere Wasserg&halt der Ranken eine bessere Ausnutzung der durch Berührung hervorgerufenen gesteigerten osmotischen Leistungsfähigkeit der Zellen der convex werdenden Rankenseite gestattet. Andererseits ist es aber auch denkbar, dass eine gesteigerte Wasserzufuhr nur deshalb beschleunigend auf die Bewegung der reizbaren Organe einwirkt, weil die Berührung eine Verminderung der Wider- standsfähigkeit der gespannten Zellschichten der convex werdenden Rankenseite zur Folge hat, und die osmotische Leistungsfähigkeit des Zellinhaltes, trotzdem ihre absolute Grösse vor sowie nach der Reihung dieselbe ist, erst jetzt, zumal bei Gegenwart erheblicherer Wassermengen, recht ausgiebig zur Geltung kommen kann. S 30. Die Bewegungen derBlätter von Droseraundanderer Pflanzen. Es giebt eine Anzahl von Blättern, welche, wenn sie berührt werden, durch Bewegung auf diesen Reiz reagiren. Diese Erscheinungen lassen sich bei der Untersuchung ausgewachsener sowie noch wachsender Blätter beobachten. Die Variationsbewegungen der ersteren interessiien uns hier aber nicht; an dieser Stelle kommen allein die Nutationen der noch ım Wachsthum begriffenen Blätter in Betracht. Die klassischen Untersuchungen, welche Darwın ?) über die Lebensweise der fleischfressenden Pflanzen angestellt hat, haben uns auch sehr eingehend mit den Phänomenen bekannt gemacht, welche eintreten, wenn die Drüsen der Tentakeln der Blätter von Drosera-Arten berührt werden. Ich erwähne hier nur, dass die Tentakeln sich einbiegen wenn die alleın für Reize unmittelbar empfindlichen Drüsenköpfchen eine solche Berührung erfahren, und dass die Blattspreite, in- dem ihre Unterseite convex wird, ebenfalls in Folge der Berührung eine Ein- krümmung erfährt. BAaTALın?®) hat die Ursachen dieser merkwürdigen Erscheinung, speciell an den Blättern von Drosera longifolia, eingehend studirt, und es ist zunächst von principieller Bedeutung, dass dıe in Rede stehenden Organe, gerade so wie die Ranken, nur so lange für Berührung empfindlich sind, wie sie Wachs- thumserscheinungen erkennen lassen. BATALIN constatirte durch Messung, dass die Berührung der Tentakeln der Droserablätter eine absolute Verlangsamung des Wachsthums der Blattoberseite, dagegen eine absolute Beschleunigung des Wachsthums der Blattunterseite zur Folge hat, und dass das Wachsthum der Blätter auch nach stattgehabter Einwirkung eines Reizes noch nicht aufhört®). D) Vergl. H. DE VRIES, Archives Neerlandaises. T. 15. 2) Vergl. Darwın, Insectenfressende Pflanzen. 1876. 3) BATALIn, Flora 1877, No. 3, etc. #) Die Spreiten sowie die Tentakeln der Drosera-Blätter breiten sich schliesslich wieder aus, ein Vorgang, der durch epinastisches Wachsthum verursacht wird. Schenk, Handbuch der Botanik. Bd. TI. n [957 512 System der Pflanzenphysiologie. Aus den vorliegenden Beobachtungen geht ferner hervor, dass das Proto- plasma in den Zellen der unberührten, ausgebreiteten Tentakeln der Zellhaut dicht anliegend, einen mit homogen erscheinendem Zellsaft angefüllten Raum umschliesst. In Folge der Berührung treten zunächst, ohne Betheiligung des Protoplasma, im Zellsaft der direct gereizten Zellen Zusammenballungen oder Aggregationen vo Eiweissstoffen hervor, die sich dann auch in immer entfernter liegenden Zellen geltend machen!). Mit Bezug auf die Mechanik der Bewegungsphänomene am Drosera-Blatt ist zu bemerken, dass die Zellen auf der concav werdenden Seite der Tentakeln sowie der Blattspreite, indem der Reiz, den die Drüsenköpfchen empfangen haben, bis zu diesen Zellen fortgeleitet wird, unzweifelhaft Wasser an ihre Umgebung abgeben. Ihre Turgorausdehnung sinkt und ihr Wachsthum wird in Folge dessen geringer. Die Zellen der Unterseite der Drosera-Blätter nehmen dagegen wahr- scheinlich Wasser auf, und ihr Wachsthum wird somit erhöht werden müssen. Das Schliessen der Blätter der Dionaea muscipula scheint mit den Variations- bewegungen, welche z. B. an den Blättern von Mimosa pudica nach erfolgter Berührung derselben zu beobachten sind, grosse Aehnlichkeit zu haben, dagegen beruhen die Bewegungen der Blätter von Zingwicula vulgaris wie diejenigen der Drosera-Blätter auf einem durch Berührung veranlassten verschiedenartigen Wachsthum der Ober- und Unterseite der Blätter. Drittes Kapitel. Die Wirkung der Gravitation auf das Wachsthum der Pflanzen. $ 31. Allgemeines. a) Historisches. Wird ein Same dem feuchten Boden übergeben, so zeigt sich, dass die einzelnen Organe des zur Entwickelung gelangenden Embryo keineswegs die nämliche Wachsthumsrichtung einhalten. Die Hauptwurzel wächst vielmehr nach abwärts, während die Stengeltheile in entgegengesetzter Richtung, also nach aufwärts wachsen. Diese überaus wichtige Thatsache, welche dem Laien übrigens fast als selbstverständlich erscheint, hat schon die Aufmerksamkeit der älteren Pflanzenphysiologen erregt, und viele Forscher haben sich bemüht, die Ursachen des verschiedenartigen Verhaltens der Wurzel einer- und der Stengeltheile andererseits festzustellen. Man hat bereits im vorigen Jahrhundert versucht, das Problem, um welches es sich hier handelt, zu lösen?), aber erst KnicHT’s®) Fundamentalversuche brachten die Forschung auf den rechten Weg. KnıcHT befestigte Samen an dem Umfange eines Rades, welches sich sehr schnell um eine horizontale Achse drehte. Die Wurzeln der sich entwickelnden Embryonen wuchsen in centrifugaler Richtung, die Stengel dagegen dem Mittelpunkte des Rades zu. Aehnliche Ver- suche wurden unter Anwendung eines sich um eine vertical stehende Achse sehr schnell drehenden Rades wiederholt. Die Wurzeln der Samen entwickelten sich I) Vergl. Fr. Darwın in Just’s botan. Jahresbericht f. 1876. pag. 931 und PFEFFER, Pflanzenphysiologie, Bd. 2. pag. 248. Die Bedeutung der Eiweissaggregation ist noch nicht aufgeklärt. ?) Vergl. die historischen Zusammenstellungen von CIESIELSKI, Untersuchungen über die Abwärtskrümmung der Wurzel. Inaugural-Dissert. Breslau 1871, %) Vergl. Knıcut, Philosophical transact. 1806. 'T. I, pag. 99, übersetzt in TREVIRANUS, Beiträgen zur Pflanzenphysiologie, 1811. pag. Ig1. IN. Abschnitt. 3. Die Wirkung der Gravitation auf das Wachsthum der Pflanzen. 513 in centrifugaler Richtung, welche jedoch von der horizontalen Drehungsebene des Rades um ı0° nach unten abwich. Die Stengel wuchsen in centripetaler Richtung, aber um ı0° nach oben abgelenkt. Je langsamer die Drehung des Rades erfolgte, um so mehr senkten sich die Wurzeln nach abwärts, und um so mehr wuchsen die Stengel in verticaler Richtung empor. Es leuchtet ein, dass die Keimpflanzentheile bei diesen Versuchen der Wirkung der Schwerkraft mehr oder minder entzogen und unter den Einfluss der Centrifugalkraft gestellt worden waren, und KniGHT sah sich unter Berücksichtigung der Ergebnisse seiner Unter- suchungen zu folgendem Ausspruch veranlasst: »Ich glaube bewiesen zu haben, dass die Würzelchen keimender Samen zum Hinabsteigen und ihre Keime (Stengeltheile) zum Hinaufsteigen bestimmt werden durch eine äussere Ursache und nicht durch ein dem vegetabilischen Leben einwohnendes Vermögen, und ich sehe nicht, wie Einer zweifeln könne, dass die Schwere, wo nicht das einzige Agens, doch das vornehmste sei, dessen die Natur sich in diesem Falle bedient.« Die weichen und biegsamen Theile der Wurzelspitze sollen nach KnıcHT einfach dem Zuge der Schwerkraft folgen und dadurch das nach abwärts gerichtete Wachsthum der Wurzel herbeiführen. Die Stengel wachsen hingegen nach auf- wärts, indem die Nahrungsmittel, dem Zuge der Schwerkraft folgend, sich in grösseren Mengen an der Unter- als an der Oberseite der horizontal gelegten Pflanzentheile ansammeln, so dass die unteren Gefässe sich stärker ausdehnen als die oberen und die Aufwärtskrümmung bewirken. Diese Anschauungen KnicHT's sind, wie wir weiter unten sehen werden, nicht haltbar; dem genannten Forscher kommt aber das grosse Verdienst zu, mit Hülfe der Rotationsversuche festgestellt zu haben, dass die Gravitation von ganz hervorragendem Einfluss auf die Wachsthumsrichtung der Pflanzentheile ist. Wenn verschiedene Organe (Wurzeln sowie Stengel) ein und derselben Pflanze in gänzlich verschiedener Weise auf die Wirkung der Schwerkraft reagiren, so ist dies eine Folge specifischer Eigenthümlichkeiten eben dieser ver- schiedenen Organe, die einstweilen nicht zu erklären sind. Organe, die sich dem Erdcentrum zuwenden, werden als positiv geotropische bezeichnet (Haupt- wurzeln der Keimpflanzen, die meisten aus Knollen, Rhizomen etc. hervor- brechenden Nebenwurzeln, manche beblätterte Seitensprosse, zumal solche, welche dazu bestimmt sind, Rhizome zu erzeugen oder Zwiebeln zu bilden etc.) Zu den sich vom Erdcentrum abwendenden negativ geotropischen Organen ge- hören in erster Linie die aufrecht wachsenden Sprossachsen, die Blattstiele, die Strünke vieler Hutpilze, die Sporangienträger von Mucor. Die Luftwurzeln der Aroideen und Orchideen sind fast gar nicht geotropisch, d. h. die Gravitation übt keinen wesentlichen Einfluss auf ihre Wachsthumsrichtung aus. Ueberhaupt ist die Empfindlichkeit verschiedener Pflanzentheile für Schwerkraftswirkungen eine sehr verschiedene. JOHNSON sowie auch DUTROCHET!) haben die Ansicht KniıcHT's, dass die Schwerkraft die Wachsthumsrichtung der Pflanzentheile in sehr wesentlicher Weise beeinflusse, bekämpft, DE CANDOLLE, MoHL und HoFMEISTER?) stimmten der Auffassung KnicHT’s bei, und der zuletzt genannte Forscher hat auch eine Theorie über das Wesen der Schwerkraftskrümmungen entwickelt, welche sich D) Vergl. DUTROCHET, Annl. d. sc. nat. 1833. pag. 413. 2) Vergl. HOFMEISTER, Berichte d. Sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1860; PRInGsHEIM’s Jahr- bücher, Bd. 3. pag. 77; Botan. Zeitung, 1868 und 1869. 33% 514 System der Pflanzenphysiologie. zunächst viele Anhänger erwarb. Nach HorwEIsSTER folgen alle spannungslosen Pflanzentheile, zu denen er z. B. die wachsenden Wurzelregionen rechnet, dem Zuge der Schwerkraft ganz passiv. Solche Pflanzentheile hingegen, in denen Gewebespannung herrscht, richten sich, wenn sie schief oder gar horizontal ge- legt worden sind, auf, sie verhalten sich demnach negativ geotropisch. Nach HOFMEISTER kommt die Aufwärtskrümmung horizontal gelegter Organe durch eine Steigerung der Dehnbarkeit des passiv gespannten Gewebes der unteren Längshälfte zu Stande?). Der bedeutendste Fortschritt, welcher neuerdings auf dem uns hier interessirenden Gebiete der Pflanzenphysiologie gemacht worden ist, besteht offenbar in der Erkenntniss, dass die Gravitation das Wachsthum der Zellen beeinflusst und dadurch erst bestimmend auf die Wachsthumsrichtung der Pflanzen- organe einwirkt”). CIESIELSKI?) beobachtete, dass die Zellen der convexen Seite nach abwärts gekrümmter Wurzeln länger als die Zellen der concaven Wurzel- seite und als die entsprechenden Zellen gerade gestreckter Wurzeln sind. CiIESIELSKI führt überdies an, dass die geotropischen Wurzelkrimmungen nur dann stattfinden, wenn die Wurzelspitze unversehrt ist, dass dieselben dagegen unter- bleiben, sobald diese entfernt oder beschädigt ist®). Die vielen werthvollen Arbeiten, welche SacHs zur Erforschung des Einflusses der Gravitation auf die Pflanzen ausführte, haben, wie wir alsbald sehen werden, unter anderem insbesondere den Zweck gehabt, den Modus der Schwerkraft- einwirkung auf das Wachsthum zu ermitteln, um dadurch ein sicheres Fun- dament für weitere Untersuchungen zu schaffen®).. Ebenso hat H. DE 3) Die Theorie HOFMEISTER’S ist, wie wir sogleich sehen werden, nicht haltbar. Hier sei übrigens bemerkt, dass schon FRANK (botan. Zeitung, 1868. pag. 561) die Abwärtskrümmung der Wurzel als einen Vorgang auffasst, bei dem dieses Organ activ betheiligt ist, und dass SacHs (Lehrbuch, 1874. pag. 815) auf die Thatsache der Existenz von Spannungen in den der Abwärtskrümmung fähigen Wurzelregionen hinweist. ?) Es sei hier übrigens erwähnt, dass auch einige nicht wachsthumsfähige Pflanzentheile unter dem Einfluss der Schwerkraft (Blattgelenke von Leguminosen und Oxalideen) Bewegungen ausführen, die am zweckmässigsten als geotropische bezeichnet werden können. Vergl. PFEFFER, Pflanzenphysiologie, Bd. 2. pag. 308. 3) Vergl. CIESIELSKI, Untersuchungen über die Abwärtskrümmung d. Wurzel. Inaugural- Dissert. Breslau, 1871. pag. 27. ‘ 4) Diese Ansichten CIESIELSKTs sind, wie SACHS zeigte (Arbeiten d. bot. Instituts in Würz- burg, Bd. 1, pag. 433) nicht haltbar. Neuerdings hat DArWwINn in seinem Buche über das Be- wegungsvermögen der Pflanzen wieder betont, dass die geotropischen Krümmungen der Wurzeln, die er nur als Formen der Circumnutation auffasst, allein bei unversehrter Wurzelspitze zu Stande kommen. Die an sich gar nicht geotropische Wurzelspitze soll einen Reiz empfangen und dieser soll sich auf die krümmungsfähige Wurzelregion fortpflanzen. WIESNER (das Bewegungsvermögen d. Pflanzen, 1881. pag. 105) zeigte aber, dass auch Wurzeln, ohne Wurzelspitze geotropische Krümmungen erfahren. Es ist dafür nur erforderlich, dass die Wurzeln nach erfolgter Verletzung noch zu wachsen vermögen, was allerdings nicht immer in ausreichendem Grade der Fall ist. 5) Sachs (vergl. Lehrbuch, 1874. pag. 739) hat auch darauf hingewiesen, dass nicht allein durch die Ergebnisse der Rotationsversuche, sondern auch durch andere Beobachtungen der 3eweis für die Wirkung der Schwerkraft auf das Pflanzenwachsthum beigebracht werden kann. Thatsächlich wachsen gleichartige Pflanzentheile an verschiedenen Orten der Erdoberfläche nach ganz verschiedenen Richtungen, aber sie zeigen immer die nämliche Stellung zum Horizont, also auch zur Lage des Erdradius ihres Wohnplatzes. Daraus folgt, dass die Wachsthumsrichtung vieler Pflanzentheile in erster Linie von einer Kraft beeinflusst werden muss, die in ganz be- stimmter Beziehung zur Lage des Schwerpunktes der Erde stehen muss. Als solche Kraft kann nur die Schwerkraft in Anspruch genommen werden. u SE » 7 ee Pay af Pr nr Fler. n . k . ut II. Abschnitt. 3. Die Wirkung der Gravitation auf das Wachsthum der Pflanzen. sız Vrıies!) ähnliche Bestrebungen in den Vordergrund gestellt und z. B. constatirt, dass erheblicher geotropisch gekrümmte Pflanzentheile, wenn sie in den plasmolytischen Zustand versetzt werden, diese ihre Krümmung nicht völlig verlieren, woraus ersichtlich ist, dass die Gravitation auf keinen Fall allein die Turgorverhältnisse der Zellen modificirt, sondern thatsächlich einen bestimmten Einfluss auf das Wachsthum der Zellen ausübt. b) Ausschliessung der geotropischenKrümmungen. Werden Wurzeln oder Stengel unter normalen Wachsthumsbedingungen, aber bei Abschluss des Lichtes horizontal gelegt, so krümmen sich die ersteren Organe nach abwärts, die letzteren nach aufwärts. Wir haben es hier des Lichtmangels wegen häufig mit reinen geotropischen Krümmungen zu thun. Die Wurzeln verhalten sich dabei positiv, die Stengel dagegen negativ geotropisch. Für viele physiologische Untersuchungen ist es nun von Wichtigkeit, die geotropischen Krümmungen aus- zuschliessen, und es sind mehrfach Versuche gemacht worden, diesen Zweck zu erreichen. Lässt man Pflanzen, z. B. Keimpflanzen, in verticaler Ebene schnell rotiren, so werden allerdings die reinen Schwerkraftskrümmungen ausgeschlossen, da die Organe der Untersuchungsobjecte bald ihre Ober- bald ıhre Unterseite der Erde zuwenden, und die Wirkung der Gravitation also alle Seiten der Organe gleich- mässig trifft. Aber in diesem Falle übt die Centrifugalkraft einen bestimmenden Einfluss auf das Wachsthum aus. Bei schneller Rotation der Pflanzen in horizon- taler Ebene bestimmen die Schwerkraft und die Centrifugalkraft gemeinsam die Wachsthumsrichtung, und zwar muss die Wirkung der letzteren Kraft um so mehr die Oberhand gewinnen, je schneller die Rotation stattfindet. Erfolgt die Rotation von Pflanzen in horizontaler Ebene sehr langsam, so dass keine Centrifugalkraft zur Geltung kommt, dann sind natürlich die Ursachen zur Ent- stehung gewöhnlicher geotropischer Krümmungen gegeben, aber es ist wichtig zu beachten, dass man durch langsame Drehung der Pflanzen in horizontaler Ebene ein Mittel in der Hand hat, die durch das Licht unter normalen Ver- hältnissen inducirten heliotropischen Krümmungen auszuschliessen. Dies ist selbst- verständlich der Fall, wenn der Rotationsapparat im Dunkeln in Gang gesetzt wird; die heliotropischen Krümmungen treten aber ebenso nicht auf, wenn die langsame Rotation bei Lichtzutritt erfolgt, denn unter diesen Umständen ist bald die eine, bald die andere Seite der Pflanzen unmittelbar beleuchtet. Will man die geotropischen Krümmungen ausschliessen, die heliotropischen Krümmungen aber nicht ausschliessen, so verfährt man, wie es z. B. von MÜLLER (Thurgau) geschehen ist”), derartig, dass man die Pflanzen langsam in verticaler Ebene um eine horizontale Achse rotiren, und das Licht parallel dieser letzteren einfallen lässt. Handelt es sich endlich darum, sowohl die geotropischen als auch die heliotropischen Krümmungen selbst bei Lichtzutritt auszuschliessen, so benützt man den von Sachs?) construirten Klinostaten. Die Pflanzen rotiren unter Anwendung dieses Apparates langsam in verticaler Ebene um eine zu den ein- fallenden Lichtstrahlen rechtwinkelig gestellte horizontale Achse. Es leuchtet ein, dass bei dieser Versuchsanstellung bald die eine, bald die andere Seite der Untersuchungsobjecte der Erde, resp. dem Licht zugewendet ist. Durch geeignete !) Vergl. H. DE Vrıes: Landwirthsch. Jahrbücher. Bd. 9. pag. 502. 2?) Vergl. MÜLLER (Thurgau), Flora. 1876. pag. 67. ?) Vergl. SAcHs, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. 2. pag. 217. 516 System der Pflanzenphysiologie. Vorsichtsmassregeln kann man auch das Zustandekommen hydrotropischer Krümmungen sowie der Berührungskrümmungen ausschliessen. Der Klinostat giebt uns also ein Mittel in die Hand, alle paratonischen Nutationen der Pflanzen zu beseitigen, und dies ist sehr wichtig, wenn es sich darum handelt, die spon- tanen Nutationserscheinungen der Gewächse specieller zu erforschen. S 32. Specielles über das Verhalten positiv geotropischer Organe.?) Das Verhalten positiv geotropischer Pflanzentheile ist bis jetzt namentlich unter Be- nutzung der Hauptwurzeln von Keimpflanzen studirt worden, und das Nach- folgende bezieht sich zumal auf die bei diesen Untersuchungen gewonnenen Resultate. 1. Die sehr eingehenden Untersuchungen von Sachs haben ergeben, dass die Abwärtskrümmung horizontal gelegter Wurzeln nicht allein von einer Zone derselben vermittelt wird, sondern dass sich die gesammte, allerdings nicht sehr ausgedehnte wachsende Region der Wurzel an dieser Abwärtskrümmung betheiligt. Uebrigens ist zu bemerken, dass bei dieser Wurzelkrümmung die im raschesten Wachstum begriffene Zone die wichtigste Rolle spielt, während den davor und dahinterliegenden Regionen eine geringere Bedeutung bei dem Zustandekommen der Nutation zukommt. 2. Dass die Wurzel bei der Abwärtskrümmung nicht einfach passiv dem Zuge der Schwerkraft folgt, sondern dabei activ betheiligt ist, geht schon aus den Ver- suchen Jounson’s (Referat in Linnaea, Bd. 5, 1830), die vielfach wiederholt worden sınd, hervor. Wenn man das eine Ende eines Fadens an einer sich abwärts krümmenden Wurzel befestigt, den Faden über eine leicht bewegliche Rolle legt, und an das andere Ende desselben ein Gewicht hängt, so zeigt sich, dass das Gewicht, wenn dasselbe nicht zu schwer ist, emporgezogen wird, während die Wurzel nach abwärts wächst. Hierher gehört auch die Thatsache, dass Wurzeln, die horizontal auf Quecksilber ruhen, mehr oder minder leicht mit ihrer nach abwärts wachsenden Spitze in das schwere Metall eindringen. Zur Ausführung der Beobachtung eignen sich zumal die eine genügende Dicke besitzenden Keim- wurzeln vou Zhaseolus, Pisum, Quercus und Zea. 3. Hauptwurzeln, die in normaler Lage mit ihrer Spitze nach abwärts ge- richtet sind, befinden sich der Schwerkraft gegenüber in einer Gleichgewichtslage und erfahren keine geotropischen Krümmungen. Jede Ablenkung der Wurzeln aus der verticalen Lage, ruft dagegen sofort das Zustandekommen geotropischer Krümmungen hervor, und dadurch wird die Wurzelspitze alsbald wieder in die normale Richtung zurückgeführt. Die Form der Krümmung, welche an nicht vertical gestellten Wurzeln zur Geltung kommt, ist in hervorragendem Grade abhängig von dem Winkel, welchen die Wurzel ursprünglich mit der Verticalen bildete. SAcHs (Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg, Bd. ı, pag. 454) sagt in dieser Be- ziehung: »(Querzonen von gleicher Entwickelungsphase erfahren verschiedene Krümmungen während derselben Zeit, wenn sie mit der Verticalen verschiedene Winkel bilden und zwar so, dass die Krümmung um so stärker ausfällt, je mehr sich dieser Winkel, den ich allgemein den Ablenkungswinkel nennen will, einem Rechten nähert; ist also der Ablenkungswinkel ein Rechter, so tritt das Maximum der Wachsthumsdifferenz der Ober- und Unterseite, also die stärkste Krümmung ein.« 4. Wenn eine Wurzel genau vertical aufgestellt wird, ihre Spitze aber nicht nach abwärts, sondern nach aufwärts gerichtet ist, so fällt jeder unmittelbare Grund zu 3) Vergl. SacHs, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg, Bd. ı. pag. 439; Lehrb. 1874, pag. 824. WIEsNER, Das Bewegungsvermögen der Pflanzen, 1881. pag. 85. ur. III. Abschnitt. 3. Die Wirkung der Gravitation auf das Wachsthum der Pflanzen. 517 einer geotropischen Krümmung weg, da ja die Schwere, ebenso wie bei einer gerade abwärts wachsenden Wurzel, auf alle Seiten derselben gleichartig einwirkt. Die Erfahrung zeigt aber, dass die mit der Spitze nach aufwärts gerichteten Wurzeln dennoch geotropische Krümmungen ausführen, so dass die Spitze schliesslich nach abwärts zeigt. Diese Erscheinung hat, wie Sachs (l. c. pag. 459) hervorhebt, in dem Zustandekommen spontaner Nutationen der Wurzeln ihren Grund. Durch dieselben wird die Wurzelspitze aus ihrer verticalen Lage abgelenkt, und so bald dies geschehen, machen sich natürlich geotropische Krümmungen geltend. 5. Vergleicht man die Zuwachse, welche einerseits gerade nach abwärts wachsende Wurzeln, andererseits solche erfahren, die horizontal gelegt sind und sich geotropisch krümmen, so zeigt sich, dass die convexe Oberseite der ge- krümmten Organe in gleicher Zeit schneller, die concave Unterseite derselben aber langsamer als die entsprechenden Seiten gerader Wurzeln wachsen. Die Zellen innerhalb des sich krümmenden Stückes der Wurzeln sind, wenn die ge- geotropische Krümmung thatsächlich erfolgt ist, um so länger, je näher sie der convexen Oberseite des Organes liegen. 6. Die Nebenwurzeln erster Ordnung wachsen in einem ganz bestimmten Winkel (Eigenwinkel) aus den Hauptwurzeln hervor. Sachs (]. c. pag. 599) hat Pflanzen zur Erforschung der Richtung, welche die Nebenwurzeln- allein unter dem Einflusse innerer Wachsthumsursachen einschlagen, im Dunkeln derartig rotiren lassen, dass das Zustandekommen geotropischer Krümmungen ausgeschlossen blieb. Weitere Versuche ergaben, dass die Nebenwurzeln positiv geotropisch sind, allerdings nicht in dem Grade wie die Hauptwurzeln. Es ist sehr merkwürdig, dass die Nebenwurzeln erster Ordnung, obgleich dieselben positiv geotropisch sind, doch nicht unter dem Einfluss der Gravitation senkrecht nach abwärts wachsen, sondern, wenn sie einmal eine gewisse Neigung erreicht haben, geradeaus fort- wachsen. Denjenigen Winkel, unter welchen die Nebenwurzeln erster Ordnung geneigt sind, wenn ihre geotropische Krümmung aufhört, bezeichnet Sachs als geotropischen Grenzwinkel. 7. Die Nebenwurzeln zweiter Ordnung, welche aus den Nebenwurzeln erster Ordnung hervortreten, sind gar nicht geotropisch; sie wachsen daher ganz ihrer Anlage gemäss gerade fort, wenn sich ihnen keine Widerstände in den Weg stellen. Dies Verhältniss besitzt eine hohe Bedeutung für das Wurzelleben der Gewächse. BE Specielles über das Verhalten negativ geotropischer Organe). — Die sich nach aufwärts krümmenden Internodien der Pflanzen werden, wie bereits angeführt worden ist, als negativ geotropisch bezeichnet, und die Untersuchungen über ihr Verhalten der Gravitation gegenüber, haben nament- lich zu den folgenden Ergebnissen geführt: 1. Nur diejenigen Internodien oder Theile derselben sind, wenn sie eine horizontale oder schiefe Lage erhalten haben, im Stande, geotropische Krümmungen auszuführen, welche überhaupt oder in dieser Lage noch Wachthumserscheinungen zeigen. 2. Bei einem horizontal gelegten Spross wächst von zwei gleichnamigen Gewebestreifen immer derjenige der unteren, convexen Seite stärker, derjenige der oberen, concaven Seite schwächer als die gleichnamigen Gewebestreifen eines auf- rechten Sprosses in derselben Zeit. !) SacHs, Arbeiten d. botanischen Instituts in Würzburg, Bd. ı. pag. 193. Flora, 1873, pag. 324. Lehrbuch, 1874. pag. 817; H. DE VRrIEs, landwirthschaftl. Jahrb. Bd. 9. pag. 473: 518 System der Pflanzenphysiologie. 3. Das Gesammtlängenwachsthum eines horizontal gelegten sich krimmenden Sprosses ist geringer als dasjenige eines senkrecht gestellten gerade bleibenden (vergl. Sachs, 1. c., pag. 200). Dasselbe gilt auch für das Längenwachsthum horizontal gelegter und sich krümmender Wurzeln (Sachs, 1. c. pag. 465). 4. Die Krümmungsform eines sich aufrichtenden Sprosses ist abhängig von der Wachsthumsgeschwindigkeit, sowie der Dicke desselben, von der Ablenkung des Sprosses von der Verticalrichtung und verschiedenen anderen Momenten. Mit Bezug auf die Ableitung von den Verticalen ist zu bemerken, dass die Krümmung in gegebener Zeit um so stärker ausfällt, je mehr die Lage des Sprosses sich der horizontalen nähert (vergl. auch $ 32 unter 3). Sachs hat Stengelstücke von Sida napaea, die gleiche Länge besassen, entweder sofort, oder nachdem dieselben geotropische Krümmungen erfahren hatten, in einzelne Gewebe- streifen zerlegt und diese gemessen. Das Nähere zeigt die folgende Tabelle: Länge der Gewebestr ifen in Millim. Anfangs nach 2o Stunden T. II: concave Rinde 298,0 310,5 318,8 concaves Mark 308,8 3375 341,5 convexes Mark 308,8 342,9 342,0 convexe Rinde 298,0 328,2 319,6 Die unter I aufgeführten Zahlen sind an Stengelstücken gewonnen worden, welche eine horizontale Lage erhalten hatten. Die Angaben unter II beziehen sich dagegen auf das Verhalten schief aufrecht gestellter Stengelstücke. Die geotropische Krümmung der letzteren Pflanzentheile ist geringer als diejenige der ersteren ausgefallen. 5. Wird ein Spross horizontal gelegt und nun, nachdem die ersten Spuren einer geotropischen Aufwärtskrümmung eingetreten sind, was nach 4—2 Stunden der Fall zu sein pflegt, vertical gestellt, so dauert die Krümmung ı—3 Stunden lang fort und kann sehr bedeutend ausfallen. Von Anfang an vertical stehende Sprosse krümmen sich nicht, wenn sie daher, nachdem sie zuvor einige Zeit in horizontaler Lage verharrt haben, später selbst in verticaler Stellung geotropische Krümmungen erfahren, so muss sich in ihrem Gewebe eine geotropische Nach- wirkung geltend machen. 6. Ein sehr eigenthümliches Verhalten der Schwerkraft gegenüber zeigen die sogen. Knoten, richtiger die Knotengelenke der Gramineenhalme. Diese Gelenke, welche zwischen den bereits starren Internodien liegen, repräsentiren bekannt- lich die Basalstücke der Blattscheiden und umfassen die Internodiumbasis in Form eines mehr oder minder hohen Ringwulstes von beträchtlicher Dicke, aber zarter, jugendlicher Structur. Für die Knotengelenke ist es besonders charak- teristisch, dass dieselben, wenngleich sie in normaler aufrechten Stellung keine Wachsthumserscheinungen mehr zeigen, dennoch zu neuem Wachsthum angeregt werden, sobald ihnen eine horizontale Lage ertheilt wird. Es zeigt sich alsdann, dass die Unterseite der Knotengelenke convex, die Oberseite derselben aber concav wird, und dass sich die Grashalme in Folge dessen wieder aufrichten!). Die convex werdende Unterseite verlängert sich bedeutend, die Oberseite erfährt keine Verlängerung, sondern sogar eine mit Faltenbildung verbundene Verkürzung, wie das die folgenden Angaben von Sachs, welche sich auf das Verhalten der Knotengelenke von Zea beziehen, deutlich erkennen lassen. ') Auf diese Weice kommt das Aufrichten des gelagerten Getreides zu Stande. II. Abschnitt. 3. Die Wirkung der Gravitation auf das Wachsthum der Pflanzen. 519 Länge des Knotens No I. vor nach der Krümmung. Oberseite 4,3 Millim. 2,5 Millim. Unterseite AR ONG, OO: No 1. ö Oberseite 5,0 Millim. 4,5 Millim. Unterseite 5,00, TORE een $ 34. Die Ursachen der geotropischen Krümmungen. — Es ist be- kannt, dass der einzellige Organismus vieler Siphoneen, z. B. Dotrydium, Caulerpa, in einen wurzelartigen und einen stammartigen Theil differencirt ist. Diese beiden Theile reagiren auf den Einfluss der Gravitation verschiedenartig, indem der eine ein positiv, der andere ein negativ geotropisches Verhalten zeigt. Die geotropischen Krümmungen, zu denen einzellige Pflanzen oder aus einer Zellenreihe bestehende Organe zweifellos befähigt sind, können unmöglich Folge der Veränderung der Turgorkraft des Zellinhaltes sein, denn solche Veränderungen würden eine gleich- mässige Wirkung auf sämmtliche Regionen der gedehnten Zellschichten geltend machen. Vielmehr. ist anzunehmen, dass die Schwerkraft bestimmend auf die Verhältnisse der Widerstandsfähigkeit des Protoplasma, speciell der Hautschicht desselben, einwirkt und auf diese Weise das Wachsthum der Zellen beeinflusst. Was die Ursachen der geotropischen Krümmungen solcher Pflanzentheile anbe- langt, die aus vielen Gewebemassen zusammengesetzt sind (Stengel, Wurzeln), so will ich mich über dieselben an dieser Stelle noch nicht genauer aussprechen. Ich verweise den Leser auf die Darstellungen in dem Paragraphen über die Ur- sachen der heliotropischen Krümmungen, aus denen hervorgeht, dass einseitige Be- leuchtung in den Pflanzenzellen ganz analoge Veränderungen hervorruft, wie solche unter geeigneten Umständen durch die Schwerkraft bedingt werden. Es sei hier nur bemerkt, dass die Wirkung der Schwerkraft auf vielzellige Pflanzen- theile meiner Meinung nach ebenso, wie dies für einzellige Organismen ange- geben worden ist, allein zu Veränderungen der Widerstandsfähigkeit der Plasma- schichten führt, während die Grösse der Turgorkraft der Zellen selbst durch die Gravitation nicht unmittelbar beeinflusst wird. Wenn sich z. B. das eine Ende eines horizontal gelegten Stengels negativ geotropisch nach aufwärts krümmt, so ist die Ursache dieses Phänomens in einer Verminderung der Widerstandsfähigkeit der Plasmaschichten der Zellen auf der convex werdenden Seite und einer Steigerung die Widerstandsfähigkeit der Protoplasmaschichten derZellen auf der con- cav werdenden Seite des Organs durch die Schwerkraft zu suchen. In Folge der angedeuteten Schwerkraftwirkung strömt den Zellen der convex werdenden Seite eine gewisse Wassermenge aus den sich concav einkrimmenden Regionen des Stengels zu. Die Turgorausdehnung und somit auch das Wachsthum der Zellen der Unterseite des Organs wird grösser als die Turgorausdehnung sowie das Wachsthum der Zellen der Oberseite. Kraus!) fand in der T'hat, dass, während der Saft der beiden Hälften eines geraden Sprosses (durch Spaltung desselben parallel der Wachsthumsachse hergestellt) gleiche Concentration besitzt, der Saft der Unterseite geotropisch gekrümmter Stengel wasserreicher als derjenige der Ober- seite ist. Der genannte Forscher macht z. B. auch die folgenden Mittheilungen über die Wanderung des Wassers aus der oberen in die untere Hälfte der sich geotropisch nach aufwärts krümmenden Stengel. I) Vergl. Kraus, Sonderabdruck aus d. Abhandlungen d. naturforsch. Gesellschaft zu Halle. Bd. 15, pag. 39. 520 System der Pflanzenphysiologie. Versuch mit Szlphium scaberrimum. Anfangsgewicht . . . . 17.2.0509, 550 Ge Gewicht nach 4 Stunden re ehon deutlich) 58,492 „, Wasserverlust 1,058 Grm. Gewichtsverhältnisse nach erfolgter Krümmung: Frischgewicht Trockengewicht Wassergehalt. Obere Hälfte 28,725 Grm. 2,4749 Grm. 91,384% Untere Hälfte 20707, 9 2,4920 „, 91,628% Ursprünglich ist der Wassergehalt der beiden Stengelhälften gleich gross ge- wesen; bei dem Zustandekommen der geotropischen Krümmung ist aber Wasser aus der concav werdenden Stengelhälfte in die convex werdende übergetreten. (Vergl. Weiteres über die Ursachen geotropischer Krümmungen am Schluss des Paragraphen.) S 35. Einige weitere Wirkungen der Schwerkraft auf das Pflanzen- wachsthum. Die Gravitation ist nicht allein im Stande, unter geeigneten Um- ständen zur Entstehung von Krümmungen der Pflanzentheile Veranlassung zu geben, sondern sie vermag auch in anderer Weise die Entwickelung gewisser Glieder der Gewächse in bestimmtem Sinne zu beeinflussen, und an dieser Stelle sollen die bezüglichen Thatsachen Erwähnung finden. 1. Die Brutknospen von Marchantia polymorpha sind ursprünglich nicht dorsiventral. Die Dorsiventralität der Organe bildet sich aber alsbald mit der Entwickelung derselben heraus. PFEFFER!) hat gezeigt, dass jede Wurzelhaar- zelle der Brutknospen allerdings zu einem Wurzelhaar auswachsen kann, dass dies aber thatsächlich nur erfolgt, wenn die Gravitation dem in Rede stehenden Wachsthumsvorgange nicht 'entgegenwirkt. Aus diesem Grunde werden auf der der Erde zugekehrten Seite der Brutknospen Wurzelhaare gebildet, auf der zenith- wärts zugewandten Seite aber normaler Weise keine. Es erfolgt nur dann auch auf dieser letzten Seite der Brutknospen das Auswachsen der Wurzelhaarzellen, wenn dieselbe in dauernde Berührung mit einem soliden Körper gebracht, und da- durch die hemmende Wirkung der Schwerkraft überwunden wird. VÖCHTING?) hat bei seinen vielfältigen Untersuchungen über die Reproduktions- vorgänge abgeschnittener Wurzeln, Blätter und Stengel gefunden, dass z. B. bei diesen letzteren die neu entstehenden Wurzeln vorwiegend an der morphologischen Basis, die neu entstehenden Triebe aber zumal an der morphologischen Spitze zur Entwickelung gelangen. Es besteht nun zwischen SacHs und VÖCHTING?) ein Streit darüber, ob das Zustandekommen der erwähnten Phänomene wesentlich in Folge der Wirksamkeit ererbter Wachsthumsursachen aufzufassen ist, oder ob jene Erscheinungen in erster Linie einem mehr direkten Einfluss äusserer Ver- hältnisse auf den Pflanzenkörper (zumal der Schwerkraft) ihre Entstehung ver- danken.*) Die Discussion der bestehenden Controverse würde mich hier viel zu weit führen; ich ziehe es vor, sogleich verschiedene von VÖCHTING constatirte !) PFEFFER, Arbeiten d. bot. Instituts in Würzburg. Bd. ı, pag. 77: ?) Vergl. Vöcnting, Ueber Organbildung im Pflanzenreich. Bonn 1878. ”) Vergl. Sachs, Arbeiten d. bot. Instituts in Würzburg, Bd. 2, pag. 475 und VÖCHTING, Botan. Zeitung. 1880, pag. 593. *) Für die Beurtheilung der hier berührten Verhältnisse ist es von besonderer Wichtigkeit nicht zu vergessen, dass die ererbten, inneren oder historischen Wachsthumsursachen unzweifelhaft in Folge des Einflusses äusserer Umstände auf den pflanzlichen Organismus zu Stande ge- kommen sind. III. Abschnitt. 4. Der Einfluss der Beleuchtungsverhältnisse auf das Wachsthum der Pflanzen. 521 Thatsachen anzuführen, welche beweisen, dass die Schwerkraft auf alle Fälle von nicht zu unterschätzender Bedeutung für den Modus der berührten Regene- rationsvorgänge ist. Werden Stammstücke verschiedener Pflanzen entweder in normal aufrechter Stellung oder in umgekehrter Stellung, sodass die Spitze nach unten gerichtet ist, möglichst günstigen Vegetationsbedingungen ausgesetzt, so zeigt sich, dass die Wurzelentwickelung zwar in beiden Fällen vorwiegend an der morphologischen Basis der Stammstücke erfolgt, dass aber die umgekehrten Untersuchungsobjekte auch in grösserer Entfernung von der morphologischen Basis Wurzeln produ- ceiren. Als eine Folge der Schwerkraftswirkung ist es auch anzusehen, dass, wie VÖCHTInG fand, an manchen horizontal gelegten Zweigen die Knospenent- wickelung auf der zenithwärts gerichteten Seite derselben eine Begünstigung erfährt, während an der morphologischen Basis der Zweige die Wurzelbildung zumal auf der erdwärts gekehrten Seite erfolgt. Es scheint mir, dass einige Gesichtspunkte, auf die ich im Paragraphen über die Ursachen des Heliotropismus aufmerksam machen werde, ebenso bei der Beurtheilung der hier erwähnten Wachsthums- vorgänge Beachtung verdienen. Viertes Kapitel. Der Einfluss der Beleuchtungsverhältnisse auf das Wachsthum der Pflanzen. S 36. Allgemeines. — Die folgenden Darstellungen werden zeigen, dass sich die wachsthumsfähigen Zellen den Beleuchtungsverhältnissen gegenüber ausserordentlich verschiedenartig verhalten. Einige Pflanzentheile wachsen, wie weiter unten specieller gezeigt werden soll, im Dunklen überhaupt nicht. Andere Pflanzentheile, wie z. B. viele Blüthen, entwickeln sich, wenn nur hinreichende Quantitäten plastischer Stoffe nicht fehlen, in dauernder Finsterniss genau ebenso wie unter normalen Umständen.!) In vielen anderen Fällen übt das Licht einen deutlich retardirenden Einfluss auf das Flächenwachsthum der Zellen aus, während vorübergehende, resp. dauernde Verdunkelung dasselbe beschleunigt. Dies gilt sowohl für solche Organe, die sich bei einseitiger Beleuchtung der Lichtquelle zuwenden (positiv heliotropische Organe) als auch für negativ heliotropische Pflanzentheile, eine Thatsache, die für die Beurtheilung des Wesens der helio- tropischen Phänomene von grosser Wichtigkeit geworden ist. Organe, die im Dunkeln überhaupt nicht wachsen, oder alsbald zu wachsen aufhören, trotzdem es nicht an plastischen Stoffen fehlt, sind als solche anzusehen, die sich im Zustande der Dunkelstarre befinden. Als Phototonus ist da- gegen derjenige Zustand eines Pflanzentheiles zu bezeichnen, in welchem derselbe in charakteristischer Weise auf Differenzen der Beleuchtungsverhältnisse reagirt. S 37. Das Etiolement. — a) Die Formbildung etiolirter Pflanzen.) Die tägliche Erfahrung lehrt, dass Pflanzen, die bei völligem Abschluss des Lichts zur Entwickelung gelangt sind, sich mit Rücksicht auf die Gestaltungs- und Dimensionsverhältnisse ihrer einzelnen Theile in sehr wesentlicher Weise von den I) Vergl. Sachs, Experimentalphysiologie d. Pflanzen, pag. 33 und Askknasv, Botan. Zeitung 1376. No. ı. 2) Literatur: DE CANDOLLE, Physiol. vegetale, 1832. T. 3. pag. 1079; Sachs, Botan. Zeitung 1863. Beilage; KrAUSs, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissenschaftl. Botanik, Bd. 7; DETMER, vergleichende Physiologie des Keimungsprocesses der Samen, 1880. pag. 464. 522 System der Pflanzenphysiologie. unter normalen Verhältnissen erwachsenen grünen Individuen derselben Pflanzen- species unterscheiden. BONNET, SENNEBIER, sowie verschiedene andere ältere Physiologen haben den Phänomenen des Etioiements der in dauernder Finsterniss erwachsenen Pflanzen schon ihre Aufmerksamkeit zugewendet, aber es muss be- tont werden, dass erst durch die neueren von SAacHs vorgenommenen Beob- achtungen eine sichere Basis zur Beurtheilung der in Rede stehenden Erscheinungen gewonnen worden ist. Dieser Forscher liess es sich nämlich vor allen Dingen angelegen sein, die Gestalt- sowie Formveränderungen, welche die Pflanzen bei völligem Abschluss des Lichtes erfahren, genau zu constatiren, und diese Beobachtungen sowie diejenigen einiger anderer Physiologen haben namentlich zu folgenden Resultaten geführt. In ausserordentlich vielen Fällen erfahren die Stengeltheile der in dauernder Finsterniss erwachsenen Pflanzen eine bedeutende Ueberverlängerung. Derartig verhalten sich z. B. die hypocotylen Glieder solcher Keimpflanzen, deren Coty- ledonen über die Erde emporgehoben werden, die auf das hypocotyle Glied folgenden Internodien vieler Pflanzen, die Stengeltheile, die aus Knollen oder Zwiebeln (Ayacinthus, Tulipa etc.) hervorgehen. Dagegen verlängert sich das hypocotyle Glied solcher Keimpflanzen, deren Cotyledonen ım Boden stecken bleiben, im Finstern nicht besonders. Die Hopfensprosse erreichen dieselbe Länge, mögen sich dieselben unter normalen Umständen oder in dauernder Finsterniss ausbilden. Die etiolirten Stengeltheile besitzen in der Regel einen geringeren Durchmesser als die normalen; dies ist aber keineswegs immer der Fall. Mit Rücksicht auf das Verhalten der Laubblätter höherer Pflanzen im Finstern ist zu bemerken, dass die etiolirten Blätter monocotyler Gewächse ganz allgemein eine beträchtlichere Länge, aber eine geringere Breite als die normalen Organe besitzen. Die Spreite der Blätter dicotyler Pflanzen bleibt dagegen im Finstern in ihrer Entwickelung fast immer in jeder Richtung bedeutend hinter der Aus- bildung der Spreite unter normalen Umständen erwachsener Blätter zurück. Zu bemerken ist übrigens, dass die Blätter von Deia sowie Zragopogon auch im Dunklen recht erhebliche Dimensionen erreichen. Man sieht also, dass sich die Vegetationsorgane der Pflanzen dauerndem Lichtmangel gegenüber sehr verschiedenartig verhalten, und um dies so recht klar hervortreten zu lassen, braucht man z. B. nur Erbsenkeimpflanzen einerseits am Licht, andererseits im Finstern zur Entwickelung zu bringen. Die etiolirten Keimpflanzen zeichnen sich den normalen gegenüber durch den Besitz sehr lang gestreckter Internodien aus, während ihre Blätter winzig klein bleiben. Werden verschiedene Pflanzenindividuen derselben Art zwar sämmtlich bei Zutritt des Lichts, aber unter dem Einfluss eines Lichts von verschiedener Intensität culti- virt, so ergiebt sich, dass sich diejenigen Untersuchungsobjecte in ihrer Form- bildung am meisten völlig etiolirten Pflanzen nähern, welche dem Licht von ge- ringster Helligkeit ausgesetzt gewesen waren. Nicht allein normalerweise grün gefärbte, sondern auch chlorophylifreie Pflanzentheile erfahren, wenn sich dieselben in constanter Finsterniss entwickeln, eigenthümliche Formveränderungen. Sehr viele Blumenblätter entwickeln sich allerdings in dauernder Finsterniss, wenn nur hinreichende Quantitäten plastischer Stoffe vorhanden sind, ebenso wie unter normalen Verhältnissen. Dagegen ist es z. B. bekannt, dass die Perigonblätter von Crocus sowie Colchicum bei Licht- N! a Dar WEN EI Sue ZN yRLeR NL eier n y } ’ SE x M - N € , > . i IM. Abschnitt. 4. Der Einfluss der Beleuchtungsverhältnisse auf das Wachsthum der Pflanzen. 523 abschluss deutliche Etiolirungserscheinungen erkennen lassen. BREFELD!) hat ge- funden, dass der Hut eines Pilzes (Coprinus stercorarius) in constanter Finster- niss sehr klein bleibt, während dagegen sein Stiel eine abnorme Länge erreicht. b) Weitere Eigenthümlichkeiten etiolirter Pflanzentheile. ı. Die Zellen etiolirter Pflanzentheile, namentlich diejenigen solcher Stengeltheile, welche im Finstern eine bedeutende Länge erreichen, sind dadurch ausgezeichnet, dass ihre Cellulosemembranen ein viel geringeres Dickenwachsthum als die Membranen der entsprechenden Zellen normal entwickelter Pflanzentheile erfahren. 2. Die Untersuchungen von Kraus haben ergeben, dass die Zellen etiolirter Internodien viel länger (zuweilen um das 5fache länger) als die entsprechenden Zellen normal ausgebildeter Stengeltheile sind. Neben dieser Zellüberverlängerung macht sich aber bei dem Zustandekommen des Etiolements der Internodien zu- gleich eine Zellübervermehrung geltend. Die folgende Tabelle lässt diese Ver- hältnisse klar hervortreten. | Grösse des Interno- | Grösse einer Epider- | Anzahl der Epidermis- diums in Millim. miszelle in Millim. zellen. Name d. Pflanzen. | Normal. | Etiolirt. | Normal. | Etiolirt. | Normal. | Etiolirt. Lychnis Githago 15,6 | 104,3 | 0,2300 | 1,3756 69 77 Cucurbita Pepo 50 | 244 0,0825 | 0,2076 | 606 1652 Convolvulus tricolor | 39 | 66 | 0,2345 | 0,4366 106 151 Phaseolus vulgaris \ 99 199 1|0,0736 | 0,1931 | 1345 1030 3. GODLEWSKI?) sowie andere Beobachter haben feststellen können, dass solche Pflanzentheile, welche, wie zumal die Internodien, im Finstern eine Ueber- verlängerung erfahren, procentisch erheblich wasserreicher als die entsprechenden grünen Organe sind. Die im Dunkeln sehr klein bleibenden Blätter dicotyler Pflanzen enthalten dagegen procentisch weniger Wasser als die normal ausgebil- deten Pflanzentheile. c) Die Ursachen der Etiolirungserscheinungen. Es ist vor allem zu bemerken, dass manche Erscheinungen, welche zumal längere Zeit im Dunkeln ‚verweilende Pflanzen erkennen lassen, einfach Folge von Nahrungsmangel sind. Diese Phänomene lassen wir hier natürlich unberücksichtigt, denn dieselben haben mit einer direkten Einwirkung der Beleuchtungsverhältnisse auf die Pflanzen nichts zu thun. Dagegen ist in erster Linie darauf Gewicht zu legen, dass viele Organe (namentlich Stengeltheile) im Dunkeln eine Ueberverlängerung erfahren, während andere (Blätter dicotyler Pflanzen) in dauernder Finsterniss sehr klein bleiben, und dass diese Erscheinungen unzweifelhaft als direkte Folge des Lichtmangels anzusehen sind.?) Die Thatsache, dass die Internodien dicotyler Pflanzen im Dünkeln sehr lang werden, während die Blätter klein bleiben, und dass bei Zutritt des Lichts kurze Stengeltheile sowie relativ grosse Blätter entstehen, hat, wie hier noch Eı- !) Vergl. BREFELD, Separatabdruck aus d. Sitzungsber. d. Gesellsch. naturforschender Freunde zu Berlin. 1877. pag. 4. ?) Vergl. GoDLEWsKI, Bot. Ztg. 1879. No, 6. 3) Werden Pflanzen einerseits im Dunkeln, andererseits bei Zutritt des Lichts, aber in kohlensäurefreier Atmosphäre cultivirt, so zeigt sich, wie GODLEWSKI fand, dass die letzteren sich auch in diesem Falle in ihrer Formbildung ganz wesentlich von den ersteren unterscheiden: ihre Stengeltheile sind im Vergleich zu denjenigen der etiolirten Pflanzen kurz, ihre Blätter er- reichen aber relativ erhebliche Grösse. - A, P ” 1 ” - Be ei eu 524 System der Pflanzenphysiologie. wähnung finden mag, verschiedene Forscher veranlasst, die gesammten Etiolirungs- erscheinungen als Folge einer gegenseitigen Beeinflussung des Wachsthums der Organe aufzufassen. Einer solchen Anschauung gegenüber sind schon von vorn- herein principielle Bedenken geltend zu machen, und ich habe in meiner ver- gleichenden Physiologie des Keimungsprocesses der Samen (pag. 506), namentlich unter Berücksichtigung gewisser Beobachtungen GODLEWSKT's, gezeigt, dass die eigenthümlichen Etiolirungsphänomene gewiss nicht allein auf eine wechselseitige Beeinflussung des Wachsthums der Organe zurückgeführt werden können. Es muss daher auf alle Fälle untersucht werden, welchen Einfluss die Be- leuchtungsverhältnisse selbst auf das Wachsthum der Zellen ausüben, und zunächst beansprucht in dieser Beziehung die Frage nach den Ursachen der Ueberver- längerung vieler Organe im Dunkeln unser Interesse. Die Grösse der Turgor- ausdehnung der Zellen und damit auch das Wachsthum derselben ist abhängig von der Grösse der Turgorkraft einerseits und andererseits von der Wider- standsfähigkeit der gespannten Zellschichten. Es ist nun sehr wahrscheinlich, dass die constante Dunkelheit auf die beiden soeben erwähnten Wachsthumsmomente einen Einfluss ausübt, der eine Wachsthumsbeschleunigung zur Folge hat. WIESNER sowie H. DE Vrıes!) haben gefunden, dass überverlängerte etiolirte Organe reicher an Pflanzensäuren als die entsprechenden normal entwickelten Pflanzentheile sind. Diese Substanzen besitzen aber als osmotisch sehr leistungsfähige Körper eine grosse Bedeutung für das Zustandekommen einer energischen Turgorkraft in den Zellen, und daher verdienen die Angaben der genannten Forscher unsere volle Beachtung. Es ist überdies wahrscheinlich, dass Lichtmangel, ebenso wie derselbe die Turgorkraft der Zellen steigert, zugleich auch die Widerstandsfähigkeit der gespannten Zellschichten (zunächst wohl nur diejenige der Plasmaschichten) der Turgorkraft gegenüber herabsetzt, so dass also verschiedene Momente zusammen- wirken, um eine recht bedeutende Turgorausdehnung der Zellen gewisser etio- lirender Organe herbeizuführen. Damit ist aber auch die Bedingung für ein recht ausgiebiges Flächenwachsthum der Zellen dieser Pflanzentheile gegeben, wie denn überhaupt fast die sämmtlichen Eigenthümlichkeiten der überverlängerten Organe auf die in Folge des Lichtmangels zur Geltung kommenden Veränderungen des Turgorzustandes der Zellen zurückgeführt werden können. Mit Bezug auf die Etiolirungserscheinungen der im Finstern sehr klein bleibenden Blätter ist zunächst die G. Kraus’sche Selbsternährungstheorie von der Hand zu weisen, nach welcher die erwähnten Organe nur dann wachsen, wenn sie assimilatorisch thätig sind. Dass ein ausgiebiges Wachsthum nur dann erfolgen kann, wenn hinreichende Nährstoffquantitäten vorhanden sind, ist selbst- verständlich; aber viele Blätter bilden sich auch dann im Finstern winzig aus, wenn es nicht an Nährstoffen fehlt. Ebenso ist die Ansicht BaTaLım’s?), dass die Blätter im Finstern nicht wachsen, weil die Zellen derselben sich unter diesen Umständen nicht normal theilen, wie PRANTL?) dargethan hat, unhaltbar. Handelt es sich darum, die wahren Ursachen des eigenthümlichen Verhaltens der Blätter dicotyler Gewächse zu ermitteln, so ist in erster Linie zu betonen, dass dieselben im Zustande des Phototonus, d. h. unter normalen Verhältnissen, wo sie dem Wechsel von Tag und Nacht ausgesetzt sind, genau so wie alle I) Vergl. H. pe VrıEs, Botan. Zeitung. 1879. pag. 852. 2) Barauın, Botan. Zeitung. 1871. pag. 669. 3) Vergl. PrAntL, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. ı. pag. 384. IM. Abschnitt. 4. Der Einfluss der Beleuchtungsverhältnisse auf das Wachsthum der Pflanzen. 525 übrigen Pflanzentheile eine Beeinträchtigung des Flächenwachsthumes ihrer Zellhäute durch das Licht, sowie eine Steigerung derselben durch Dunkel- heit erkennen lassen. Ich komme darauf im folgenden Paragraphen zurück. Unter dem Einfluss constanter Finsterniss müssen die Blattzellen daher in einen pathologischen Zustand versetzt werden, der eben das normale Flächenwachsthum ihrer Zellhäute verhindert. Worin aber das Wesen dieses krankhaften Zustandes zu suchen ist, kann heute noch nicht mit Bestimmtheit angegeben werden. Es ist möglich, dass Lichtzutritt überhaupt erst das Zustandekommen normaler Turgorverhältnisse in den Blattzellen hervorruft, und damit würde die Thatsache des relativ geringen Wassergehaltes etiolirter Blätter im Einklang stehen; ferner mag das Licht aber auch eine Bedeutung für die Translocation sowie die Bildung des für das Blattwachsthum geeigneten 'Materials aus vorhandenen organischen Substanzen besitzen. S 38. Der Einfluss des Beleuchtungswechsels auf das Pflanzen- wachsthum!). Die Wachsthumsgeschwindigkeit eines Pflanzentheiles ist be- kantermaassen abhängig von einer Reihe äusserer Factoren (Feuchtigkeits-, Wärme-, Beleuchtungsverhältnissen etc... Soll nun z. B. der Einfluss dieser letzteren auf das Wachsthum studirt werden, so muss dafür Sorge getragen werden, dass die übrigen erwähnten Factoren, während die Beleuchtungsverhält- nisse selbst wechseln, immer in genau derselben Weise auf die Untersuchungs- objecte einwirken. Dieser Forderung hat SacHs, wie keiner vor ihm, bei der Ausführung seiner Beobachtungen über den Einfluss des Lichtes auf das Wachs- thum Rechnung getragen, und aus diesem Grunde sind auch die Untersuchungs- resultate des genannten Forschers von so grosser Bedeutung geworden. Werden Pflanzen möglichst constanter Temperatur und möglichst constant bleibenden Feuchtigkeitsverhältnissen ausgesetzt, so zeigt sich, dass der Wechsel der Be- leuchtung, der im Laufe von 24 Stunden auf die Gewächse einwirkt, das Wachs- thum derselben ın hohem Grade beeinflusst; die durch das Licht inducirte tägliche Wachsthumsperiode tritt unter diesen Umständen deutlich hervor. Es zeigt sich im Allgemeinen, dass die Wachsthumsgeschwindigkeit der Pflanzen vom Morgen bis zum Abend fortdauernd abnimmt, um dann vom Abend bis zum Sonnenaufgang am andern Morgen wieder bedeutender zu werden. Das Licht übt also einen retardirenden Einfluss auf das Wachsthum aus, während Dunkelheit dasselbe befördert. Man kann diese Thatsache zuweilen schon durch einfache Messung der Grösse des Zuwachses mit Hülfe eines Millimetermaassstabes constatiren; in anderen Fällen muss man sich zur Feststellung der Zuwachsgrösse besonderer, sehr genau arbeitender Apparate, z. B. des Auxanometers, bedienen’). SACHS hatte das Phänomen der durch das Licht inducirten Wachsthumsperiode zunächst für Stengeltheile festgestellt. Die Untersuchungen von PRANTL, VINES sowie STEBLER haben aber ergeben, dass auch das Wachsthum der Blätter sowie der !) Literatur: SACHS, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg, Bd. ı, pag. 99; PRANTL, ebendaselbst, Bd. ı, pag. 371; STREHL, Untersuchungen über das Längenwachsthum d. Wurzel etc. Inaugural-Dissert., 1874; STEBLER, PRINGSHEIM’s Jahrbücher, Bd. ı1. pag. 47; BARANETZKI, Memoires de l’academ. imp. de St. Petersb. ser. 7, T. 27, Nr. 2; VINES, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg, Bd. 2, pag. 114 u. 131; Fr. Darwin. ebendaselbst, pag 521; Sachs, Lehrbuch d. Botanik, 4. Aufl. 2) Abbildungen dieses Apparates sowie anderweitiger findet man bei Sacıs, Lehrbuch d. Botanik, 4. Aufl., pag. 799 und PFEFFER, Pflanzenphysiologie, Bd. 2, pag. 85. 526 System der Pflanzenphysiologie. Wurzeln in derselben Weise wie dasjenige der Internodien vom Licht retardirend beeinflusst wird. Bestimmt man die Zeit, zu welcher das Wachsthum verschiedener Pflanzen- theile im Laufe von 24 Stunden am schwächsten, resp. am stärksten ist, so ergiebt sich, dass die täglichen Minima sowie Maxima der Wachsthumsgeschwindigkeit nicht in allen Fällen genau auf die nämlichen Stunden fallen. Ferner ist wichtig, dass die Wachsthumsgeschwindigkeit einer aus der Finsterniss ans Licht gebrachten Pflanze nicht sogleich ihr Minimum erreicht, und dass die Wachsthumsgeschwindig- keit ebenso nicht sogleich auf ihren Höhepunkt steigt, wenn eine Pflanze ins Dunkle gebracht wird, sondern dass der Einfluss der verminderten Beleuchtungs- verhältnisse sich erst allmählich im vollen Umfange geltend macht. Damit ım Zusammenhange steht auch die Thatsache, dass Pflanzen, die zunächst längere Zeit unter normalen Verhältnissen, d. h. unter dem Einfluss des Wechsels von Tag und Nacht vegetirt haben, das Phänomen der täglichen Wachsthumsperiode noch mehr oder minder lange Zeit erkennen lassen, wenn sie fortan in constanter Finsterniss verweilen. Wir haben es hier mit einer deutlich erkennbaren Nach- wirkungserscheinung zu thun, und BAarANETZkY fand z. B. die Tagesperiode des Stengelwachsthums von Zelianthus tuberosus ım Finstern noch 14 Tage lang an- haltend. Handelt es sich darum, den retardirenden Einfluss des Lichtes auf das Wachs- thum zu studiren, so kann man auch derartig verfahren, dass man einen Theil der Untersuchungsobjekte kurze Zeit beleuchtet, andere Untersuchungsobjekte aber während der nämlichen Zeit ins Dunkle bringt und in beiden Fällen die Zuwachsgrösse ermittelt. Unter Umständen ist es geboten, die gesammten Be- obachtungen an ein und demselben Pflanzentheil, den man bald ins Dunkle bringt, bald dem Einfluss des Lichtes aussetzt, vorzunehmen. So fand VınEs, dass auch das Wachsthum einzelliger Pilze (Phycomyces nitens) vetardirend durch das Licht beeinflusst wird. Analoge Ergebnisse haben anderweitige Beobachtungen geliefert, und es verdient hier noch besonders auf das Verhalten negativ heliotropischer Pflanzentheile hingewiesen zu werden, indem MÜLLER (Thurgau), WIESNER, sowie Fr. Darwın (der letztere experimentirte z. B. mit den negativ heliotropischen Keimwurzeln von ‚Sinapis alba) gefunden haben, dass das Wachs- thum derselben ebenso wie dasjenige positiv heliotropischer Organe unter sonst gleichen äusseren Bedingungen im Licht schwächer als im Finstern ist.) Es kann mit aller Bestimmtheit ausgesprochen werden, dass nicht sämmtliche Strahlengattungen des gemischten weissen Lichtes in der nämlichen Weise hemmend auf das Wachsthum einwirken; vielmehr lassen die allerdings noch nicht sehr zahlreichen Untersuchungen erkennen, dass insbesondere die stärker brechbaren Strahlen das Wachsthum verlangsamen, während die weniger brech- baren Strahlen einen ähnlichen Einfluss wie Lichtmangel auf das Zellenwachsthum ausüben. Vıwes fand, dass das Wachsthum des ZAhycomyces nitens erheblich ver- langsamt wird, wenn der Pilz den durch eine Lösung von Kupferoxydammoniak. gegangenen Lichtstrahlen ausgesetzt wurde, während das Wachsthum des Pilzes unter dem Einfluss des Lichtes, welches eine Lösung von doppelt chromsaurem Kali passirt hatte, in ähnlicher Weise wie im Finstern erfolgte. Ebenso giebt I) Vergl. WIEsnEr (Separatabdruck aus d. 43. Bande d. Denkschriften d. Wiener ‚Acad. pag. 13.) hat gezeigt, wie hier noch bemerkt werden mag, dass die Wachsthumsge- schwindigkeit eines Pflanzentheiles im Allgemeinen mit steigender Lichtintensität ab, mit sinkender Lichtintensität aber zunimmt. III. Abschnitt. 4. Der Einfluss der Beleuchtungsverhältnisse auf das Wachsthum der Pflanzen. 527 Sachs an, dass die Stengeltheile von Keimpflanzen im gemischten gelben Licht Etiolirungsphänomene zeigen, während sie im gemischten blauen Licht ihre nor- male Länge erreichen. Ich werde ferner weiter unten zeigen, dass auch das Zustandekommen der heliotropischen Krümmungen der Pflanzentheile vor allem durch die brechbareren Lichtstrahlen vermittelt wird, und man sieht also, dass gerade diejenigen Strahlen des Sonnenlichtes für das Wachsthum die hervor- ragendste Bedeutung besitzen, welche für die rein chemischen Processe in der Pflanzenzelle (Assimilation, Chlorophylibildung) von untergeordneter Wichtigkeit erscheinen. Ich will noch erwähnen, dass der retardırende Einfluss der brechbaren Strahlen auf das Wachsthum sich auch dann geltend macht, wenn es nicht an hinreichenden Mengen plastischer Stoffe, die für die Zwecke des Wachsthums verwerthet werden können, mangelt. Handelt es sich um die Beantwortung der Frage, weshalb die Lichtstrahlen und insbesondere die brechbaren Strahlen hemmend auf das Wachsthum ein- wirken, so ist zu bemerken, dass die Verlangsamung des Wachsthums einzelliger Pflanzen, aus einer Zellenreihe bestehender Organe, sowie complicirter gebauter Pflanzentheile zu Stande kommen kann, indem die Lichtstrahlen in irgend einer Weise die Widerstandsfähigkeit der Hautschicht des Protoplasma beeinträchtigen. Die Hemmung des Wachsthums der Pflanzentheile durch das Licht kann aber, abgesehen von dem soeben erwähnten Momente, überdies noch durch Vermin- derung der Turgorkraft der Zellen herbeigeführt werden. A. MAvER sowie Kraus!) haben wenigstens constatiren können, dass die Acidität des Saftes der Blätter ver- schiedener Pflanzen zur Zeit der Nacht eine grössere als am Tage ist, und diese Thatsache lässt auf eine Steigerung der Turgorkraft des Zellinhaltes durch Dunkelheit, sowie auf eine Verminderung derselben durch Lichtwirkung schliessen. Untersucht man den Verlauf des Wachsthums an solchen Pflanzentheilen, die im Freien gewöhnlichen Vegetationsbedingungen ausgesetzt sind, so ist gar nicht zu erwarten, dass die durch das Licht inducirte Tagesperiode des Zuwaches stets deutlich hervortritt. Der Wachsthumsprocess wird ja nicht allein von der Lichtwirkung als solcher, sondern überdies von einer ganzen Reihe anderweitiger Factoren, zumal den herrschenden T'emperatur- sowie Feuchtigkeitsverhältnissen, beeinflusst. Wenn also auf eine relativ kühle Nacht ein warmer, regnerischer Tag folgt, so kann die retardirende Wirkung des Lichtes während dieses Tages vollkommen unkenntlich werden. Der Zuwachs ist in der Nachtzeit trotz der Dunkelheit der niederen Temperatur wegen ein geringfügiger; er wird in unserem Specialfalle am Tage viel erheblicher, weil die Pflanze nun günstigeren Tem- peratur- sowie Feuchtigkeitsverhältnissen ausgesetzt ist, und die Verlangsamung des Wachsthums durch das Licht tritt gar nicht hervor. S 39. Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreich. a) Zur Orientirung. Wenn Pflanzentheile von allen Seiten gleichmässig be- leuchtet werden, so ist keine Veranlassung zur Entstehung heliotropischer Krümmungen gegeben. Bei einseitiger Beleuchtung treten aber Krümmungen auf, und die tägliche Erfahrung lehrt schon, dass die im Zimmer cultivirten Gewächse sich sehr häufig dem Licht zuwenden. Es existiren aber auch Pflanzentheile, die sich vom Licht abwenden. Man unterscheidet daher zwischen positiv und negativ heliotropischen Pflanzentheilen. Bei den ersteren verlängert sich die vom Licht abgewendete Seite beträchtlicher als die entgegengesetzte und wird D) Kraus, Sitzungsber. d. naturf. Gesellsch. zu Halle. Sitzung v. 13. März 1880. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II. 34 RT TEN IE - 7 ae 528 System der Pflanzenphysiologie. convex, so dass die Spitze des Organs mehr und mehr in die Richtung der einfallenden Lichtstrahlen gelangt. Bei den negativ heliotropischen Pflanzen- theilen wird im Gegentheil die direkt vom Licht getroffene Seite convex. Dass die heliotropischen Erscheinungen als Wachsthumsphänomene auf- gefasst werden müssen, unterliegt keinem Zweifel, denn es hat sich gezeigt, dass fast allein die noch nicht ausgewachsenen Regionen eines Pflanzentheiles in der hier in Rede stehenden Weise auf die Lichtwirkung reagiren!). Ueberdies ist nachgewiesen, dass kräftig heliotropisch gekrümmte Pflanzentheile ihre Krümmung, wenn sie in den plasmolytischen Zustand versetzt werden, keines- wegs völlig verlieren?). Positiv heliotropisch verhalten sich namentlich die meisten Stengel- sowie Blattgebilde. Auch viele Wurzeln, z. B. diejenigen von Zea Mays, Lemna, Cucur- bita, sowie die Fruchtträger von Pilzen®), (Phllobolus erystallinus etc.) sind positiv heliotropisch. Als negativ heliotropische Pflanzentheile sind die folgenden zu nennen. Hypocotyles Stengelglied von Viscum album, ältere, fast ausgewachsene Internodien von Zedera Helix und Tropaeolum majus (?), basale Rankentheile von Vitis vinifera sowie Ampelopsis quinguefolia, \uftwurzeln der Aroideen und Orchi- deen, Wurzeln von Cruciferen (z. B. Drassica Napus. Sinapis alba). Auch die Wurzelhaare der Marchantia wenden sich bei einseitiger Beleuchtung vom Licht ab. Ein sehr ausgeprägt negativ heliotropisches Verhalten zeigen die Wurzeln von Chlorophytum Gayanum. Die Fähigkeit der Pflanzentheile, heliotropische Krümmungen unter dem Einfluss des Lichtes zur Geltung zu bringen, ist quantitativ eine sehr verschiedene. Manche Organe erfahren sehr bedeutende, andere nur schwache heliotropische Krümmungen, und vielleicht sind die Stengel verschiedener Verbascum-Arten gar nicht heliotropisch®). b) Historische Notizen. — Nachdem schon BonNET, DU HAMEL sowie einige andere Beobachter Angaben über das heliotropische Verhalten der Pflanzen gemacht hatten, untersuchte namentlich DE CAnDOLLE?) die bezüglichen Phänomene specieller. Dieser Forscher berücksichtigte den negativen Heliotropismus sehr wenig, dagegen hat er versucht, das Zustandekommen der Krümmungen positiv heliotropischer Pflanzentheile zu erklären. Einseitig beleuchtete Pflanzen zersetzen auf der vom Licht abgewendeten Seite weniger Kohlensäure als auf der unmittelbar von den Lichtstrahlen getroffenen. Die Schattenseite der Organe »bindet weniger Kohlenstoff, und wird folglich auch weniger schnell fest.«‘ Die Krümmung soll durch das zumal in Folge des angedeuteten Verhältnisses zu Stande kommenden bedeutenderen Längenwachsthums der Zellen der Schattenseite und des geringeren Längenwachsthums der Zellen der Lichtseite der Pflanzentheile verursacht werden. DuTrocHET®) wandte dem Verhalten negativ beliotropischer Pflanzentheile specielle I) Vergl. MÜLLER (Thurgau), Flora 1876. pag. 69. Uebrigens sei bemerkt, dass es auch einige ausgewachsene Pflanzentheile giebt (Blattgelenke von Leguminosen und Oxalideen), welche zu Bewegungen befähigt sind, die den mit Wachsthum verbundenen heliotropischen Bewegungen äusserlich gleichen. Vergl. Prerrer, Pflanzenphysiologie. Bd. 2. pag. 308. 2) Vergl. H. pw Vrıes, Jandwirthsch. Jahrbücher. Bd. 9. pag. 503. 3) Vergl. Wiesner: Denkschriften d. Akad. d. Wiss. in Wien. Bd. 43. Sonderabdruck. pag. 85. ") Vergl. Wırsner: Das Bewegungsvermögen d. Pflanzen. 1881. pag. 40. 5) Vergl. vE CAanpoLnk, Physiologie vögetale. Deutsch von RÖPER. 1835. Bd. 2. pag. 575. 6) Vergl. Durrocher, M&moire pour servir etc, 1837. Bd. 2. pag. 60. 4 III. Abschnitt. 4. Der Einfluss der Beleuchtungsverhältnisse auf das Wachsthum der Pflanzen. 529 Aufmerksamkeit zu, und GARDNER!) beschäftigte sich unter anderem mit den Be- ziehungen zwischen der Brechbarkeit des Lichtes und der heliotropischen Phänomene. Von grosser principieller Bedeutung ist die Entdeckung HOoFMEISTER’S?) ge- worden, dass auch solche Organe, welche, wie z. B. die Stengel von WNizella, nur aus einer Zellenreihe bestehen, positiv heliotropischer Krümmungen fähig sind. Ebenso sind HormEIsSTER’s Angaben über den Heliotropismus der Pilze und Moose von Wichtigkeit. In neuerer Zeit sind die heliotropischen Erscheinungen namentlich von SAcHs?), FRANK *), DE VRIES®), N. I. C. MÜLLER®), WOLKOFF?), MÜLLER (Thurgau)°), PFEFFER?) Darwin "), WIESNER !') und G. Kraus '?) studirt worden. Ich gehe hier nur auf einige Beobachtungsresultate dieser Forscher ein, da sich uns weiter unten Gelegenheit bieten wird, die werthvollsten Angaben derselben specieller zu berücksichtigen. Auf Frank’s Lehre vom Transversalheliotropismus komme ich im nächsten Abschnitt eingehender zurück; hier sei nur angedeutet, dass Frank’s Lehre von H. pE Vrırs mit Erfolg bekämpft worden ist, indem dieser Forscher namentlich auf jene die normale Stellung der Pflanzentheile im hohen Grade beein- flussenden, von FRANK aber nicht berücksichtigten spontanen Nutationen der Organe hingewiesen hat. Nach der Ansicht von WOL.KOFF ist der negative Heliotropismus nur eine specielle Form des positiven Heliotropismus, und zwar gelangte der genannte Beobachter zumal unter Berücksichtigung gewisser Eigenthümlichkeiten negativ heliotropischer Wurzeln zu einer derartigen Auffassung. Die Wurzeln sind an ihren wachsenden Enden häufig im hohen Grade durchscheinend, und die auf diese von einer Seite her einwirkenden Lichtstrahlen können derartig gebrochen werden, dass sie auf der von der Lichtquelle abgewendeten Seite des Organs eine intensivere Be- leuchtung des Gewebes als auf der Lichtseite erzeugen. Die Zellen dieser letzteren sollen nun, eben weil sie weniger beleuchtet sind, gerade so wie die Zellen der Schattenseite positiv heliotropischer Pflanzentheile, lebhafter wachsen als diejenigen der von der Lichtquelle abgewendeten Seite und dadurch, die negativ heliotropische Krümmung des Organes verursachen. Sachs (Lehrbuch, 1874, pag. 810) hat aber darauf aufmerksam gemacht, was mit WoLKorF's Auffassungsweise gar nicht in Einklang zu bringen ist, dass positiv heliotropische Wurzeln ganz ähnliche Lichtbrechungserscheinungen wie negativ heliotropische erkennen lassen. Darwin betrachtet die heliotropischen Erscheinungen nur als specielle Form I) Vergl. GARDNER, Frorieps Notizen. 1844. Bd. 30. pag. 161. 2) Vergl. HOFMEISTER, die Lehre von der Pflanzenzelle. 1867. pag. 288. 3) Vergl. Sachs, Botanische Zeitung, 1864. pag. 353; Handbuch der Experimentalphysiologie; Lehrbuch d. Botanik. #) Vergl. FRANK, Die natürliche wagrechte Richtung von Pflanzentheilen, 1870; Botan. Zeitung. 1873. 5) Vergl. H. DE VRIES, Arb. d. botan. Instituts in Würzburg, Bd. 1. pag. 223; Flora, 1873. 6) N. I. C. MÜLLER, Botan. Untersuchungen, Bd. 1. pag. 57. ?) Vergl. WOLKOFF, SACHS, Lehrbuch d. Botanik, 4. Aufl. pag. 810. 8) Vergl. MÜLLER (Thurgau), Flora, 1876. pag. 65. 9) Vergl. PFEFFER, Osmotische Untersuchungen, 1877. pag. 207. 10) Vergl. Darwın, Das Bewegungsvermögen d. Pflanzen, 1881. 1) Vergl. WIESNER, Denkschriften d. Akad. d. Wiss. z. Wien, Bd. 39 u. 43; das Bewegungs- vermögen d. Pflanzen, 1831. 12) Vergl. Kraus, Abhandl. d. naturf, Gesellsch. zu Halle, Bd. 15. Sonderabdruck. pag. 41. E 34° 530 System der Pflanzenphysiologie. der den Pflanzen nach seiner Ansicht allgemein eigenthümlichen Circumnutationen. Nach Darwın können auch Pflanzentheile heliotropische Krümmungen erfahren, welche, allein einseitig vom Licht getroffen, keine Krümmungen zeigen, wenn dieselben in Verbindung mit direct heliotropischen Geweben stehen. Die Wirkung des Lichtes auf diese letzteren pflanzt sich einem Reize gleich auf jene ersteren fort und bewirkt deren Krümmung selbst dann, wenn dieselben gar nicht be- leuchtet sind. WIESNER hat die Unhaltbarkeit der Anschauungen Darwı’s darge- than. Derselbe zeigte ferner (Bewegungsvermögen d. Pflanzen, pag. 72.) dass auch heliotropisch krümmungsfähige Pflanzentheile sich nur dann heliotropisch krüämmen, wenn sie direkt beleuchtet werden. Bei dem Zustandekommen heliotropischer Krümmungen spielen demnach derartige Reizfortpflanzungen, wie wir sie bei der Besprechung der Bewegungsphänomen der Ranken kennen lernten, keine Rolle. 8 40. Specielles über das Verhalten heliotropischer Pflanzen- theile. — Durch die Untersuchungen über den Heliotropismus ist eine Reihe wichtiger Thatsachen festgestellt worden, welche an dieser Stelle zunächst zur Kenntniss gebracht werden müssen. ı. Es ist bereits im vorigen Pharagraphen angedeutet worden, dass MÜLLER (Thurgau) Untersuchungen über das heliotropische Verhalten der Pflanzen ausge- führt hat, und zwar sind die Resultate derselben um so werthvoller, als der ge- nannte Forscher seine Beobachtungen unter Zuhülfenahme einer sehr brauchbaren Methode anstellte.. Werden Stengel in verticaler Stellung einseitig beleuchtet, und macht sich eine positiv heliotropische Krümmung geltend, so wird dadurch die Spitze des Organs sogleich in eine Lage gebracht, in welcher nun auch die Gravitation ihren richtenden Einfluss auf dasselbe ausüben kann. Der Geotropismus wirkt in unserem Falle der heliotropischen Krümmung entgegen. Will man also das Zustandekommen geotropischer Krümmungen bei dem Studium des Heliotropismus ausschliessen, so muss man die Pflanzentheile, wie MÜLLER (Thurgau) dies that, langsam um eine horizontale Achse rotiren lassen, den Apparat aber, um eine einseitige Lichtwirkung auf die Untersuchungsobjecte zu erzielen, so aufstellen, dass die Lichtstrahlen parallel derRotationsachse einfallen (vergl.$3). Zunächst interessirt uns hier die Angabe MÜLLEr’s, dass sich sämmtliche wachsende Regionen eines Stengels an dem Zustandekommen der heliotropischen Krümmungen betheiligen. Am empfindlichsten gegen einseitige Beleuchtung sind im Allgemeinen die stärker wachsenden Theile der Stengel, während die Krümmungsfähigkeit nach oben und unten abnimmt. Auf der Licht- sowie Schattenseite eines Stengels von Valeriana officinalis wurden von 2o zu 2o Millim. 'Tuschemarken angebracht, und das Ver- halten des Organes untersucht. Die Versuche dauerten 5 Stunden, und die Messungen lieferten nach dieser Zeit die folgenden Werthe: Länge der Zonen d. Zuwachs d. Vorderseite. Hinterseite. Vorderseite. Hinterseite. in Millim. in Millim, 20,5 20,7 0,5 0,7 20,7 2a,T, 0,7 1 21,0 21,7 1,0 1,7 21,0 21,9 1,0 1,9 20,9 21,6 0,9 1,6 20,6 21,1 0,6 IK 20,4 20,7 0,4 0,7 20,1 20,3 0,1 0,3 20,0 20,1 me 0,1 20,0 20,0 E — III. Abschnitt. 4. Der Einfluss der Beleuchtungsverhältnisse auf das Wachsthum der Pflanzen. 531 2. Werden gleichartige Pflanzentheile entweder allseitig oder einseitig be- leuchtet, so wächst die concav werdende Seite der sich im letzteren Falle helio- tropisch krimmenden Organe, wie MÜLLER (Thurgau) fand, auf jeden Fall lang- samer als die entsprechende Seite der allseitig beleuchteten Organe. Das Wachs- thum der convex werdenden Seite wird bei einseitiger Beleuchtung sehr wahr- scheinlich beschleunigt. 3. Weitere Versuche Mürrzer’s (Thurgau) ergaben, dass, wenn auf die Vorderfläche eines Stengels Licht einwirkt, die Wirkung um so geringer wird, je kleiner der Winkel ist, den die Lichtstrahlen mit der Längsachse des Stengels bilden. Lichtstrahlen, die auf einen Pflanzentheil parallel der Längsachse desselben einwirken, rufen keine heliotropische Krümmung hervor. Diese letztere macht sich am lebhaftesten geltend, wenn die Lichtstrahlen den Pflanzentheil rechtwinklig zu seiner Längsachse treffen. Es ist hier also eine vollkommene Analogie zwischen dem Verhalten der Pflanzentheile der Gravitation einerseits und dem Licht andererseits gegenüber zu erkennen. 4. Es ist keinem Zweifel unterworfen, dass ein bestimmter Grad heliotropischer Krümmung im Allgemeinen um so leichter erreicht wird, je intensiver das Licht, dem die Pflanzentheile sich ausgesetzt befinden. WIESNER giebt an, dass Licht von hoher Intensität verlangsamend auf das Zustandekommen heliotropischer Krümmungen einwirkt. 5. Die Untersuchungen von Sachs haben schon zu dem wichtigen Resultate geführt, dass die minder brechbaren Strahlen des Sonnenlichtes vor allen Dingen das Zustandekommen der rein chemischen Processe im vegetabilischen Organismus (Chlorophylibildung, Assimilation etc.) vermitteln, während dagegen die Strahlen von hoher Brechbarkeit in erster Linie Bedeutung für die Wachsthumsvorgänge, die Bewegungsprocesse des Protoplasma etc. be- sitzen. Diese Thatsachen lassen sich leicht constatiren, wenn man das Verhalten der Pflanzen einerseits unter dem Einfluss des Lichtes, welches durch eine Lösung des doppelt chromsauren Kalis hindurchgegangen ist, andererseits in einem Licht untersucht, dass eine Lösung von schwefelsaurem Kupferoxydammoniak passirt hat. Berücksichtigt man, dass die heliotropischen Erscheinungen als Wachsthumsphänomene aufzufassen sind, so ist von vornherein die grössere Be- deutung der brechbareren Strahlen für ihr Zustandekommen klar, und die speciellen Untersuchungen, die zur Erforschung des in Rede stehenden Verhältnisses aus- geführt worden sind, haben in der That ein Resultat ergeben, welches mit der geltend gemachten Anschauung in Einklang steht. Ich gehe hier nicht auf ältere Beobachtungen ein, sondern möchte vor allen Dingen auf die Resultate hinweisen, zu denen WIESNER bei seinen Untersuchungen über den Einfluss des Lichtes von verschiedener Brechbarkeit auf das Zustande- kommen heliotropischer Erscheinungen im Pflanzenreich gelangte. Danach kommt allen Strahlengattungen vom Ultraroth bis Ultraviolett mit Ausnahme von Gelb heliotropische Kraft zu. Die grösste heliotropische Kraft ist stets den Strahlen an der Grenze zwischen Violett und Ultraviolett eigenthümlich. Heliotropisch stark krümmungsfähige Organe (z. B. etiolirte Keimstengel von Vicia) krümmen sich im objectiven Spectrum am stärksten an der Grenze zwischen Ultraviolett und Violet; von hier sinkt die heliotropische Kraft der Strahlen allmählich bis Grün, im Gelb ist dieselbe gleich Null, beginnt im Orange und steigt continuirlich, um im Ultraroth ein zweites (kleineres) Maximum zu erreichen. Wird eine Lösung von doppelt chromsaurem Kali hergestellt, welche gar keine chemischen 532 i System der Pflanzenphysiologie. Strahlen passiren lässt, so zeigt sich, dass auch ein von allen chemischen Strahlen befreites Licht im Stande ist, heliotropische Krümmungen auszulösen. Es ist noch zu bemerken, dass negativ heliotropische Pflanzentheile sich den Strahlen verschiedener Brechbarkeit gegenüber im Allgemeinen ähnlich wie positiv heliotropische Organe verhalten, und dass heliotropisch weniger empfindliche Pflanzentheile unter dem Einfluss des Lichtes von verschiedener Wellenlänge ein etwas anderes Verhalten zeigen, wie dies im Vorstehenden für heliotropisch sehr empfindliche Organe angegeben worden ist. 6. Sehr merkwürdig ist die von MÜLLER (Thurgau) und WIESNER specieller constatirte Thatsache, dass heliotropisch krümmungsfähige Pflanzentheile, wenn die- selben zunächst einseitig beleuchtet worden sind, und dann, nachdem höchstens eine schwache heliotropische Krümmung erfolgt ist, ins Finstere gebracht werden, ihre Krümmung beträchtlich steigern. Wir haben es hier mit einem Nachwirkungs- phänomen zu thun, welches der von Sachs bei den geotropischen Krümmungen nachgewiesenen Nachwirkung in hohem Grade ähnlich ist. 7. Ich habe feststellen können, dass Pflanzentheile, die sich in einer sauer- stofffreien Atmosphäre dem Einflusse des Lichtes ausgesetzt befinden, keine helio- tropischen Krümmungen erfahren. S 41. Die Ursachen der heliotropischen Krümmungen. — Bei dem Zustandekommen der heliotropischen Krümmungen wird unter dem Einfluss des Lichts eine nicht unerhebliche Arbeitskraft ausgelöst. Dieselbe findet theils zur Leistung innerer Arbeit Verwendung, theils dient sie dazu, äussere Arbeit zu leisten, was sofort klar ist, wenn man bedenkt, dass ein sich heliotropisch krümmender Pflanzentheil andere Pflanzentheile, die mit dem ersteren in orga- nischer Verbindung stehen, in Bewegung zu versetzen im Stande ist.!) Wenden wir unsere Aufmerksamkeit zunächst den ja thatsächlich statt- findenden heliotropischen Krümmungen einzelliger oder aus einer Zellenreihe be- stehenden Organen zu, so leuchtet von vornherein ein, dass bei diesen eine durch das Licht inducirte Differenz der Turgorkraft auf der direkt beleuchteten und nicht unmittelbar von den Lichtstrahlen getroffenen Seite der Zellen, nicht die Ursache der Krümmungen sein kann, denn eine Veränderung der Turgorkraft würde in diesem Falle einen allseitig gleichartigen Einfluss auf das Wachsthum der Zellen ausüben müssen. Die heliotropische Krümmung einzelliger oder aus einer Zellen- reihe bestehender Pflanzentheile kann daher nur durch eine unter der Einwirkung der Beleuchtung zu Stande kommende einseitige Veränderung der Beschaffen- heit der gespannten Zellschichten hervorgerufen werden. Dass die Cellulose- membran unmittelbar eine solche Veränderung erleidet, ist sehr unwahrscheinlich ; es liegt viel näher anzunehmen, dass das Licht zunächst modificirend auf die vom Turgor gespannten Plasmaschichten einwirkt. Man hat sich vorzustellen, je nach- dem man es mit einer positiv oder negativ heliotropischen Zelle zu thun hat, dass entweder die Schatten- oder die Lichtseite der gedehnten Plasmaschichten unter dem Einfluss der einseitigen Beleuchtung eine Verminderung resp. Steigerung ihrer Widerstandsfähigkeit erfährt. Die Widerstände, welche sich dem Aus- dehnungsbestreben des Zellinhaltes entgegenstellen, sind in Folge dessen nicht !) Viel deutlicher als bei den heliotropischen Krümmungen tritt die Thatsache, dass das Zu- standekommen der Wachsthumskrümmungen mit der Leistung äusserer Arbeit verbunden ist, bei den geotropischen Phänomenen hervor. Wenn sich z. B. die Knotengelenke horizontal gelegter Grashalme krümmen, so werden die nicht mehr wachsthumsfähigen Theile der Internodien, die ein bedeutendes Gewicht besitzen, emporgehoben. “ \ 2 N a IT RT Re DEE NE Et an RL Ve PEN NEE N IIT. Abschnitt. 4. Der Einfluss der Beleuchtungsverhältnisse auf das Wachsthum der Pflanzen. 533 mehr, wie bei allseitig gleichartiger Beleuchtung der Zelle, dieselben, sondern auf der einen Seite grösser ais auf der andern. Es findet nun thatsächlich eine stärkere Dehnung der dehnbarer gewordenen Plasmaschichten, sowie der diese Schichten unmittelbar berührenden Regionen der Cellulosemembran durch den Turgor statt, und damit ist sofort die Ursache für das Zustandekommen eines lebhafteren Wachsthums dieser Zellhautpartieen, sowie eine heliotropische Krümmung des ganzen Organs gegeben. Bei positiv heliotropischen Zellen wird die Widerstandsfähigkeit der Schattenseite des Protoplasmas, bei negativ helio- tropischen Zellen diejenige der L.ichtseite desselben unter dem Einflusse einseitiger Beleuchtung vermindert, während in beiden Fällen die Widerstandsfähigkeit der entgegengesetzten Schichten des Protoplasmas eine Erhöhung erfährt. Wenn wir nunmehr die heliotropischen Krümmungen aus verschiedenen Ge- webemassen zusammengesetzter Pflanzentheile ins Auge fassen, so ist zunächst mit Bezug auf das Verhalten der positiv heliotropischen Organe zu bemerken, dass bei diesen das Wachsthum der Zellen der Schattenseite bei einseitiger Be- leuchtung vielleicht in Folge einer gesteigerten Turgorkraft um etwas beschleunigt werden kann. Lichtmangel steigert, wie wir bereits in diesem Kapitel gesehen haben, die Turgorkraft der Zellen, aber dass dieser Erhöhung der Turgorkraft höchstens eine ganz untergeordnete Bedeutung bei dem Zustandekommen positiv heliotropischer Krümmungen zuzuschreiben ist, geht aus den folgenden Beob- achtungen klar hervor. Wenn das beschleunigte Wachsthum der convex werdenden Seite heliotropischer Organe wesentlich Folge einer Erhöhung der Turgorkraft der betreffenden Zellen wäre, so müsste bei negativ heliotropischen Pflanzentheilen die Turgorkraft der- jenigen Zellen, welche dem Licht unmittelbar ausgesetzt sind, eine Steigerung erfahren. Dies ist aber gewiss nicht der Fall, denn wir wissen heute bestimmt, dass das gesammte Längenwachsthum negativ sowie positiv heliotropischer Organe im Dunkeln energischer als unter dem Einflusse des Lichtes zur Geltung kommt, und es kann ferner mit Gewissheit behauptet werden, dass die Turgor- kraft der Zellen negativ sowie positiv heliotropischer Pflanzentheile durch Licht- abschluss erhöht, durch Lichtzutritt aber herabgedrückt wird. Ferner muss hier auf eine Thatsache hingewiesen werden, die, wie ich meine, sehr beachtenswerth ist, aber noch keine gehörige Würdigung seitens der Pflanzenphysiologien er- fahren hat. Es ist bekannt, dass die brechbareren Strahlen des Sonnenlichtes in erster Linie retardirend auf das Wachsthum einwirken, also auch unzweifelhaft besonders geeignet sind, die Grösse der Turgorkraft der Zellen herabzusetzen. Diese brech- bareren Strahlen besitzen nun aber für das Zustandekommen der positiv, sowie negativ heliotropischen Krümmungen die grösste Bedeutung. Nach alledem spielt bei dem Zustandekommen heliotropischer Krümmungen bei den aus verschiedenen Geweben bestehenden heliotropisch krümmungsfähigen Pflanzentheilen die Veränderung der Grösse der Turgorkraft der Zellen auf keinen Fall eine irgendwie erhebliche Rolle. Ich meine vielmehr schon jetzt behaupten zu können, dass die heliotropischen Krümmungen wesentlich Folge einer durch die einseitige Beleuchtung modificirten Widerstandsfähigkeit der vom Turgor der Zellen gedehnten Plasmaschichten sind, und ich hoffe dieser Anschauung alsbald durch experimentelle Untersuchungen eine tiefere Begründung zu verleihen. Lassen wir weitergehende theoretische Auseinandersetzungen bei Seite, so ist nur noch zu bemerken, dass bei dem Zustandekommen positiv heliotropischer vr nu f ee a u > 534 System der Pflanzenphysiologie. Krümmungen die den einfallenden Lichtstrahlen zugewendete Region des Plasma der Zellen eine Erhöhung, die entgegengesetzte Region des Plasma aber eine Verminderung der Widerstandsfähigkeit der Turgorkraft gegenüber erfahren wird. Bei constant bleibender Grösse der Turgorkraft werden diejenigen Zellen, deren Schichten jetzt einseitig stärker als vorher gedehnt werden können, eine lebhaftere Turgorausdehnung und somit auch ein gesteigertes Wachsthum erfahren. Wenn die osmotische Saugkraft der in Rede stehenden Zellen vor Beginn der helio- tropischen Bewegung noch nicht ihr Maximum erreicht hatte, so kann nun auch eine Wanderung von Wasser aus dem concav werdenden Theil des sich heliotropisch krümmenden Pflanzentheils in den convex werdenden stattfinden, und in der That hat Kraus eine solche Wasserbewegung für heliotropische Organe ebenso wie für geotropische constatirt. Durch eine derartige Wasserwanderung braucht aber die Grösse der Turgorkraft der Zellen (d. h. die Grösse des Druckes, den der Zell- inhalt auf die gespannte Zellschicht ausübt) gar nicht erhöht zu werden; es er- leidet vielmehr nur die Turgorausdehnung der Zellen auf der convex werdenden Seite des sich krümmenden Pflanzentheiles eine Steigerung!). Die Vorgänge, wie sich dieselben bei einseitiger Beleuchtung in negativ heliotropischen Pflanzentheilen geltend machen, sind nach dem Gesagten ohne weiteres verständlich 2). Fragen wir endlich danach, in welcher Weise die Beeinflussung der Wider- standsfähigkeit des Protoplasmas durch das Licht zu Stande kommt, so sind wir allerdings auf hypothetische Annahmen angewiesen, die nur einen mehr oder minder hohen Grad der Wahrscheinlichkeit für sich haben. Ich stelle mir vor, dass die lebendigen Eiweismoleküle des Plasma, die Lebenseinheiten oder physiologischen Elemente eine polare Beschaffenheit besitzen, und dass das Licht eine richtende Einwirkung auf dieselben auszuüben vermag. Bei Abschluss des Lichtes ist von einer bestimmten Richtung der physiologischen Elemente der vom Turgor gespannten Plasmaschichten keine Rede. Wird eine Pflanze von oben her allseitig gleichartig beleuchtet, so sind die sämmtlichen Elemente mit den gleichnamigen Polen nach aufwärts gerichtet, und die Achsen der Elemente stehen den einfallenden Lichtstrahlen parallel. Ich nehme weiter ‚an, dass die physiologischen Elemente immer, also auch bei einseitiger Beleuchtung der Pflanzentheile, das Bestreben haben, ihre Achsen parallel zu den einfallenden Lichtstrahlen zu stellen, aber ich unterscheide zwischen positiv und negativ heliotropisch physiologischen Elementen. Die erste- ren bilden das Plasma der Zellen solcher Pflanzen, welche sich den einfallenden Licht- strahlen zuwenden, während die letzteren die Bestandtheile des Plasma der sich negativ heliotropisch verhaltenden Pflanzentheile ausmachen. Wird ein positiv helio- tropisches Organ einseitig beleuchtet, so wenden die sämmtlichen physiologischen Elemente ihren negativen Pol den einfallenden Lichtstrahlen zu, den positiven Pol aber von diesen ab. Entgegengesetzt verhalten sich hingegen die negativ heliotropischen Lebenseinheiten oder physiologischen Elemente. Diese durch das !) Vergl. auch Vınzs, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. 2. pag. 145. ?) Die Resultate der Untersuchungen von DE VRrıEs über das Verhalten heliotropisch ge- krümmter Pflanzentheile bei der Plasmolyse (landwirthsch. Jahrbücher, Bd. 9, pag. 503) stehen mit den geltend gemachten Anschauungen nicht im Widerspruch, denn dieselben geben einen bestimmten Aufschluss nur über die Betheiligung der Turgorausdehnung, resp. dieser und des Wachsthums an dem Zustandekommen der heliotropischen Krümmungen. Ueber die Grösse der Turgorkraft der Zellen der gekrümmten Pflanzentheile lassen die Ergebnisse von DE VRIES da- gegen direkt nichts erkennen. or 2 N II. Abschnitt. 4. Der Einfluss des Lichtes auf das Wachsthum der Pflanzen. 535 Licht bedingte Lageveränderung der polaren physiologischen Elemente der Plasmaschicht heliotropischer Zellen oder Organe ruft eine Veränderung der Widerstandsfähigkeit der unter dem Einfluss der Turgorkraft gedehnten Plasma- schichten und damit das Zustandekommen heliotropischer Krümmungen hervor. Ich habe im Vorstehenden zur Erklärung des Lichteinflusses auf die Wider- standsfähigkeit der Plasmaschichten also das Hauptgewicht auf die richtende Wirkung, welche die Lichtstrahlen den heliotropischen Elementen gegenüber geltend machen, gelegt, und ich stimme Sachs!) auch völlig bei, wenn er be- tont, dass seiner Ansicht nach die heliotropischen, die positiven sowie negativen Krümmungen auch dann eintreten würden, wenn die reizbaren Organe vollständig durchsichtig wären. . Die hier über das Zustandekommen des Heliotropismus geäusserten An- schauungen bedürfen natürlich der experimentellen Prüfung, aber dieselben ver- dienen vielleicht einige Beachtung, da sie eine einheitliche Beurtheilung der mannigfaltigsten Phänomene zulassen, und weil die heliotropischen Bewegungen im Lichte der angedeuteten Hypothese als Specialfälle weit allgemeinerer Bewegungs- erscheinungen gedeutet werden können. In der That übt ja das Licht nicht allein einen richtenden Einfluss auf heliotropisch krümmungsfähige, sondern ebenso auf viele andere Zellen aus. Ich habe hier natürlich in erster Linie die Schwärmsporen im Auge, für deren Bewegungsrichtung, wie wir im ersten Theil dieses Systems der Pflanzenphysiologie sahen, das Licht eine so grosse Bedeutung besitzt. Die Lichtstrahlen, und zwar vor allen Dingen fast genau dieselben, welche auch bei dem Zustandekommen der heliotropischen Krümmungen in erster Linie betheiligt sind,?) wirken, wie an- zunehmen ist, in dieser oder jener Weise richtend auf die polaren Lebenseinheiten oder physiologischen Elemente des Plasma der Schwärmer ein. Das Licht ver- ursacht die Bewegung der Schwärmsporen zwar nicht, denn dieselben vermögen sich auch im Finstern zu bewegen, aber die leuchtenden Strahlen bestimmen die Bewegungsrichtung der Schwärmer. Im Anschluss an die vorstehenden Darstellungen sei noch bemerkt, dass meiner Ansicht nach das Zustandekommen geotropischer Krümmungen in ganz analoger Weise wie dasjenige der heliotropischen Bewegungen erklärt werden kann. Ich nehme an, dass man zwischen positiv sowie negativ geotropischen physiologischen Elementen des Protoplasma zu unterscheiden habe, deren Pole bei Vertical- stellung der Pflanzentheile der Spitze, resp. der Basis derselben zugewendet sind, und durch deren unter dem Einfluss der Schwerkraft erzielten Lageveränderung die Widerstandsfähigkeit der in Folge des Turgors gespannten Zellschichten Modı- ficationen erfährt. Mit dieser Anschauung kann auch wohl die bereits früher erwähnte Erfahrung in Einklang gebracht werden, dass die geotropische Krümmung eines Pflanzentheiles um so stärker ausfällt, je mehr sich der Winkel, unter welchem die Gravitation auf das Organ einwirkt, einem rechten nähert (vergl. auch Sachs, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg, Bd. 2, pag. 240). Ebenso verdient hier mit Bezug auf die geltend gemachten Ansichten über das Zustande- I) Vergl. SacHs, Arbeiten des botan. Instituts in Würzburg. Bd. 2. pag. 487. 2) Vergl. auch STRASBURGER, Wirkung des Lichtes und der Wärme auf Schwärmsporen. 1878. pag. 71. n.C 9 Ps N Er a u N IR \ . j £ ah v PN Be r N v h } er \ ESH, ü N 536 System der Pflanzenphysiologie. kommen der Schwerkraftkrümmungen die von ErrvinG!) und SCHWARZ?) con- statirte Thatsache Erwähnung, dass Schwerkraft, resp. Centrifugalkraft keinen merklichen Einfluss auf die Wachsthumsgeschwindigkeit normal gerichteter Pflanzen- theile ausüben, wenn sie parallel der Achse derselben wirken. Hingegen fand ErrvingG die Wachsthumsgeschwindigkeit der Fruchtträger von Phycomyces nitens um etwas verringert, wenn die Pflanzen in umgekehrter Stellung, d. h. mit der Spitze erdwärts gewendet, zum Versuch benutzt wurden. S 42. Die durch Licht- sowie Temperaturschwankungen bedingten Bewegungen wachsender Laubblätter und Blüthentheile?). Viele Laub- blätter und Blüthenblätter lassen Bewegungserscheinungen erkennen, welche weder mit den spontanen Nutationsbewegungen, noch mit den heliotropischen Bewegungen auf eine Stufe gestellt werden können. Die Stellungsänderungen der Laubblätter und Blüthenblätter sind abhängig von dem täglich erfolgenden Wechsel äusserer Bedingungen, sie werden durch den stets wiederkehrenden Wechselder Beleuchtungs- sowie T’emperaturverhältnisse bedingt, und man redet daher von täglichen periodischen Bewegungen, Schlafbewegungen oder mit DArwIn von nycti- tropischen Bewegungen der erwähnten Pflanzentheile. Es ıst von vornherein zu betonen, dass sowohl wachsende als auch ausge- wachsene Organe zu den in Rede stehenden Bewegungen befähigt sind. Die Grundursachen der Bewegungen sind auch sicher im beiden Fällen der Haupt- sache nach dieselben, aber trotzdem scheint es für unsere Zwecke geboten, an dieser Stelle allein die Bewegungsphänome noch wachsender Organe ins Auge zu fassen und erst weiter unten diejenigen der ausgewachsenen Pflanzentheile zu behandeln. Ferner ist zu beachten, dass die täglichen periodischen Bewegungen der Laubblätter sowie Blüthentheile sowohl durch den Wechsel der Beleuchtungs- als auch durch denjenigen der Temperaturverhältnisse hervorgerufen werden können, ja dass zumeist sogar ein bestimmtes Organ für beiderlei Einflüsse gleichzeitig, allerdings in verschieden hohem Grade empfindlich ist. Dieser Umstand lässt es auch wohl berechtigt erscheinen, dass wir den Einfluss der Temperatur auf die Bewegung der Laub- sowie Blüthenblätter erst hier besprechen. Was die Bewegungsphänomene selbst anbelangt, so ist namentlich auf die folgenden Verhältnisse hinzuweisen: 1. Die periodischen Bewegungen der noch wachsthumsfähigen Pflanzentheile kommen in allen Fällen dadurch zu Stande, dass in Folge des Einflusses ver- änderter Beleuchtungs- oder Temperaturverhältnisse die eine der antagonistischen Seiten der dorsiventralen Organe schneller als die andere wächst. 2. Es ist wahrscheinlich, dass die meisten Laubblätter für meteorische Ein- flüsse reizbar sind; allerdings ist aber der Grad der Reizbarkeit ein äusserst ver- schiedener. Sicher nachgewiesen ist die Empfindlichkeit der Laubblätter von /mpatiens nolitangere, Chenopodieen, Solaneen, Szene- und Alsine-Arten, Malva rotundifolia, Linum grandiflorum sowie verschiedener Compositen. 3. Die Bewegungen der Laubblätter kommen unter dem Einfluss wechselnder ') Vergl. Eurving, Beiträge zur Kenntniss der physiologischen Einwirkung der Schwerkraft auf Pflanzen. Helsingfors, 1880. ?) Vergl. SCHWARZ, Untersuchungen aus dem botan. Institut zu Tübingen. Bd. I. pag. 53. ») Literatur: PFEFFER, physiologische Untersuchungen, 1873. pag. 161; die periodischen Bewegungen der Blattorgane, 1875; Pflanzenphysiologie, Bd. 2. pag. 254; BATALın, Flora, 1873. No. 28 u. 29; SACHS, Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl. pag. 841; Darwın, Das Bewegungsver- mögen der Pflanzen. 1881. II. Abschnitt. 4. Der Einfluss der Beleuchtungsverhältnisse auf das Wachsthum der Pflanzen. 537 äusserer Verhältnisse durch ein lebhafteres Wachsthum der Ober- resp. Unter- seite des Blattstieles oder des unteren Theils der Spreite zu Stande; sie werden also nicht durch besonders geformte Organe der Blätter (Blattpolster) vermittelt. 4. Bei einigen Pflanzen erheben sich die Laubblätter in der Nacht, bei andern senken sie sich zu dieser Zeit. Ersteres ist der Fall bei den Blättern von Chenopodium, Brassica, Stellaria, Linum, letzteres bei denjenigen von /mpatiens, Polygonum, Convolvulus. | 5. Die Bewegung der Laubblätter wird in erster Linie durch Schwankungen der Beleuchtungsverhältnisse hervorgebracht; auf Temperaturschwankungen rea- giren die in Rede stehenden Organe, soweit bekannt, dagegen nur in geringem Grade. 6. Es giebt eine grosse Anzahl von Blüthen und Blüthenständen, welche durch den Wechsel äusserer Einflüsse zu Bewegungen veranlasst werden und sich im Laufe eines Tages einmal öffnen und einmal schliessen. Die Bewegungen kommen durch Krümmungen der Blumenblätter nach aussen oder innen zu Stande. Das Schliessen sowie Oeffnen der Blüthenstände von Compositen wird durch Bewegungen der Einzelblüthen vermittelt. 7. Genauer studirt sind die Bewegungsphänomene der Blüthen von Crocus, Tulipa, Colchicum, Ornithogalum, Anemone, Ranunculus, Nymphaea, Taraxacum, Leontodon, Calendula, Bellis etc. . 8. Die Bewegungen der Blüthen werden nicht durch besondere Organe ver- mittelt, sondern sie kommen dadurch zu Stande, dass eine bestimmte Region der Blumenblätter, welche gewöhnlich in der basalen Hälfte derselben liegt, ın Folge der Wirkung meteorischer Einflüsse bald auf der Ober- bald auf der Unter- seite stärker wächst. 9. Die meisten Blüthen öffnen sich am Morgen oder doch im Laufe des Tages mit steigender Temperatur und Lichtintensität; einige Blüthen öffnen sich aber am Abend (Vymphaea Lotus, Oenothera biennis). ı0. Die Blüthen, welche Oeffnungs- sowie Schliessungsbewegungen ausführen können, sind sowohl für Schwankungen der Lichtintensität als auch für Tempe- raturänderungen empfindlich. Manche Blüthen (Crocus, Tulipa) veagiren aber in erster Linie auf Schwankungen der Temperatur; andere (Oxalis, Nymphaca alba, Calendula officinalis, Taraxacum, Leontodon hastilis) sind besonders empfind- lich veränderten Beleuchtungsverhältnissen gegenüber. ı1. Die Empfindlichkeit der Crocusblüthen verändeter Temperatur gegenüber ist so gross, dass dieselben sich bei Temperaturschwankungen von 5° C. schon in 8 Minuten völlig öffnen oder schliessen. Man kann übrigens nachweisen, dass die Crocusblüthen schon für Temperaturschwankungen von 0,5° C. em- pfindlich sind. ı2. Die Bewegungen der Laub- sowie Blumenblätter unter dem Einfluss wechselnder äusserer Verhältnisse treten nur innerhalb bestimmter T'emperatur- grenzen hervor. Unterhalb einer bestimmten Temperatur (dem Temperatur- minimum) gehen die Organe in den Zustand der Kältestarre über; oberhalb eines bestimmten Temperaturgrades (dem Temperaturmaximum) gerathen sie in den Zustand der Wärmestarre. Ferner ist zu bemerken, dass ein gewisses Maass der Turgescenz der Zellen der reizbaren Organe für das Zustandekommen der Bewegungen als unerlässlich erscheint. Was die Mechanik der durch einen Wechsel der Temperatur- sowie Be- leuchtungsverhältnisse hervorgerufenen Bewegungen der Laubblätter und Blüthen- 538 System der Pflanzenphysiologie. theile anbelangt, so will ich, ohne auf Details Rücksicht zu nehmen, allein die principiell bedeutungsvollen Gesichtspunkte hervorheben. Da die neueren Untersuchungen mit Sicherheit dargethan haben, dass die in Rede stehenden Bewegungen der Blattgebilde wesentlich Folge eines unter dem Einflusse äusserer Umstände veränderten Wachsthums derselben sind, so liegt die Vermuthung nahe, wonach Schwankungen der Beleuchtungs- sowie Temperatur- verhältnisse eine absolute Beschleunigung des Wachsthums der einen der antago- nistischen Seiten der Organe und eine absolute Verlangsamung des Wachsthums der anderen herbeiführen. Diese Anschauung muss aber unter Berücksichtigung der Ergebnisse, zu denen PrEFFER bei seinen ausführlichen Untersuchungen ge- langte, als eine unrichtige bezeichnet werden. Die veränderten äusseren Um- stände beeinflussen nämlich das Wachsthum der beiden antagonistischen Seiten der reizbaren Laub- sowie Blüthenblätter gleichsinnig, aber ungleich schnell. Wird z. B. der Wachsthumsmodus einer Blüthe, welche in Folge von Verdunke- lung eine Schliessungsbewegung ausführt, untersucht, so ergiebt sich folgendes. Die Verfinsterung ruft zunächst ein beschleunigtes Wachsthum der Aussenseite (Unterseite) der Blumenblätter hervor, während die Innenseite (Oberseite) der- selben zunächst nicht, oder nur sehr unbedeutend wächst. Verharrt die Blüthe jetzt fernerhin im Dunkeln, so macht sich allmählich ein lebhafteres Wachsthum der Innenseite der Blumenblätter geltend, während die Aussenseite derselben sich nicht oder nicht erheblich verlängert. Die durch die Verfinsterung der Blüthe herbeigeführte Receptionsbewegung hat erst mit dieser der Schliessungsbewegung folgenden Oeffnungsbewegung ihr Ende erreicht, und die Untersuchung ergiebt nun, dass die wachsthumsfähige Zone der Blumenblätter nach Rückkehr derselben in ihre Ausgangslage sich er- heblicher verlängert hat, als es ohne Bewegung der Fall gewesen sein würde. Verdunkelung beschleunigt also das Wachsthum der beiden antagonistischen Seiten der bewegungsfähigen Organe, aber diese Wachsthumsbeschleunigung macht sich zunächst auf der einen, erst später auf der anderen Seite geltend. Ueber den Einfluss des Lichtes sowie der Temperaturverhältnisse auf das Wachsthum der Laub- und Blüthenblätter will ich mich hier nicht specieller aus- sprechen, sondern verweise den Leser auf Prerrer’s Mittheilungen selbst. Es sei nur noch bemerkt, dass den gesammten hier erwähnten Veränderungen der Wachsthumsgeschwindigkeit der bewegungsfähigen Pflanzentheile unzweifelhaft entsprechende Veränderungen der Turgorausdehnung der Zellen vorausgehen. Werden Pflanzen, deren im Wachsthum begriffene Blattorgane zu periodischen Bewegungen befähigt sind, nachdem dieselben zunächst gewöhnlichen Vegetations- bedingungen ausgesetzt waren, in constante Finsterniss gebracht oder ununter- brochen beleuchtet, so verschwindet die tägliche Bewegung keineswegs sofort, sondern bleibt oft noch mehrere Tage lang unter allmählicher Verminderung der Amplitude bestehen. Wir haben es hier also mit einer Nachwirkungserschei- nung zu thun, die aber nach längerer oder kürzerer Zeit, indem die Blattorgane bewegungslos werden, völlig verschwindet. Werden diese durch Verweilen im Dunkeln oder bei continuirlicher Beleuchtung bewegungslos gemachten Pflanzen einer einmaligen Beleuchtung, resp. Verfinsterung ausgesetzt, so führen dieselben neue Receptionsbewegungen sowie Nachwirkungsbewegungen aus. Die Oeffnungs- sowie Schliessungsbewegungen, welche die Laubblätter und Blüthentheile der unter gewöhnlichen Umständen vegetirenden Pflanzen aus- führen, kommen nach dem Gesagten durch Zusammengreifen der Nachwirkungs- III. Abschnitt. 4. Der Einfluss der Beleuchtungsverhältnisse auf das Wachsthum der Pflanzen. 539 bewegungen und neuer, durch den Wechsel der Beleuchtungs- und Temperatur- verhältnisse erzielter Receptionsbewegungen zu Stande. 8 43. Einige weitere Wirkungen des Lichts auf das Pflanzen- wachsthum. — Das Flächenwachsthum sowie die Theilungsvorgänge der Zellen vieler Pflanzen können bei völligem Lichtabschluss zur Geltung kommen, und mit Bezug auf diese Verhältnisse ist namentlich auf jene Erfahrungen Hinzu- weisen, welche man bei dem Studium des Etiolements zu sammeln Gelegenheit hat. Ebenso können die Zellen des Cambiums unserer Bäume, welche durch das Vorhandensein des Hautgewebes vor den Lichtstrahlen geschützt sind, in völliger Dunkelheit wachsen und sich theilen. Es versteht sich dabei übrigens von selbst, dass die Wachsthumsphänomene allein unter der Voraussetzung, dass es den Zellen nicht an hinreichenden Quantitäten plastischer, für den Zweck des Wachsthums verwerthbarer Stoffe mangelt, im Dunkeln zu Stande kommen können. Für eine Reihe von Pflanzentheilen hat man nun aber, wie zu erwähnen ist, den Nachweis geliefert, dass dieselben bei Lichtabschluss nur sehr unvollkommen oder gar nicht zu wachsen vermögen.. Ich mache hier noch einmal auf das eigenthümliche Verhalten der sich im Dunkeln ausbildenden Blätter dicotyler Gewächse aufmerksam, die unter solchen Umständen alsbald zu wachsen auf- hören, aber, wenn sie durch kurz dauernde Beleuchtung in den Zustand des Phototonus versetzt worden sind, fernerhin selbst im Finstern beträchtlich weiter wachsen. STEBLER!) hat gezeigt, dass die Samen mancher Gräser, namentlich diejenigen der Zoa-Arten, bei Lichtzutritt weit besser als im Dunkeln zu keimen vermögen, während das Licht die Keimung vieler Samen allerdings nicht beein- flusst. Nach L£itGER?) keimen die Sporen der Lebermoose und nach BoRODIN3) diejenigen der Farne nur bei Lichtzutritt, nicht im Dunkeln. Ebenso hat man ermittelt, dass das hypocotyle Glied von Viscum album nur bei Lichtzutritt zu wachsen vermag.*) Die vorstehenden Angaben lassen demnach erkennen, dass der Wachsthumsprocess im Allgemeinen unter sonst geeigneten Bedingungen im Finstern erfolgen kann; nur in bestimmten Fällen ist das Licht für das Zustande- kommen des Wachsthums erforderlich. Es ist übrigens wahrscheinlich, dass den Lichtstrahlen auch hier nur eine indirekte Bedeutung für das Wachsthum zu- kommt, indem erst unter ihrer Vermittelung die für das Wachsthum der Zellen verwerthbaren Substanzen gebildet werden. Welche Ursachen der Erscheinung zu Grunde liegen, dass die Lichtstrahlen hemmend auf die Wurzelbildung vieler Gewächse einwirken,°) ist nicht bekannt. Ferner ist es auch beachtenswerth, dass sich die Zellen verschiedener Algen (Spirogyra, Ulothrix etc.) vorwiegend zur Zeit der Nacht theilen.®) I) Vergl. STEBLER, Botan. Zeitung. 1881. pag. 469. 2) Vergl. LEITGEB, Sitzungsber. d. Akadem. d. Wissensch. zu Wien. Bd. 74. ı. Abthl. pag. 425. 3) Vergl. Boropin, Melanges biologiques. Petersbourg, 1867. B. 6. #, Vergl. WIESNER, Sonderabdruck aus d. 43. Bd. d. Denkschriften der Akadem. d. Wissensch. zu Wien. pag. 17. 5) Vergl. VÖcHTInG, Ueber Organbildung im Pflanzenreich, 1878. pag. 146. 6) Am Schluss der Darstellungen über den Einfluss äusserer Verhältnisse auf das Pflanzen- wachsthum sei noch bemerkt, dass über eine Einwirkung der Elektricität sowie des Magnetismus auf dasselbe nichts Sicheres bekannt ist. 540 - System der Pflanzenphysiologie. Vierter Abschnitt. Die natürliche Richtung der Pflanzentheile. Erstes Kapitel. Die Anisotropie und die Festigung der Pflanzentheile. S$S 44. Die Anısotropie der Pflanzentheile. — Der Eindruck, den eine Pflanzenform auf den Beschauer macht, wird, abgesehen von den Dimensions- verhältnissen des Gewächses sowie von anderweitigen Momenten, wesentlich durch die von den einzelnen Gliedern der Pflanzen eingeschlagene Wachsthumsrichtung bestimmt. Diese letztere ist aber ihrerseits zum Theil abhängig von inneren, zum Theil von äusseren Wachsthumsbedingungen, was schon sofort einleuchtet, wenn man bedenkt, dass verschiedene Glieder eines und desselben Organismus sich selbst dem Einfluss gleicher äusserer Kräfte gegenüber aus inneren Ursachen keineswegs gleichartig verhalten. Diese verschiedene Reactionsfähigkeit der Pflanzentheile gleichen äusseren Einflüssen gegenüber bezeichnet SacHs!) treffend als Anisotropie der Pflanzentheile. So sind z. B. der aufrecht wachsende Hauptstamm und die abwärts wachsende | Hauptwurzel einer Pflanze unter einander anisotrop; ebenso die Hauptwurzel und ihre schiefen oder horizontalen Nebenwurzeln. Auch die aufrechten Fruchtträger und das horizontal oder abwärts wachsende Mycelium eines Mucor sind unter einander anisotrop. Es erscheint nun zweckmässig, die anisotropen Pflanzentheile mit Sacns (vergl. dessen soeben citirte Abhandlung) in folgender Weise zu classificiren: Orthotrop werden solche Pflanzentheile genannt, die sich, wie die Haupt- stämme, Hauptwurzeln, einige Blattstiele, unter durchaus normalen Vegetations- bedingungen vertical stellen. Die orthotropen 'l’heile sind im Allgemeinen radiär gebaut, und sie besitzen im Allgemeinen äusseren Einflüssen gegenüber (Licht Schwerkraft etc.) eine um ihre Längsachse herum allseitig gleiche Reactions- fähigkeit?). Diejenigen T'heile einer Pflanze, welche nicht orthotrop sind, sondern unter dem Einfluss gleicher äusserer Verhältnisse keine verticale Richtung annehmen, werden nun im Gegensatz zu jenen ersteren als plagiotrop bezeichnet (schiefe oder horizontale Aeste, Nebenwurzeln, Blätter etc). Alle dorsiventralen Organe, d. h. solche, welche eine Rücken- und eine Bauchseite unterscheiden lassen, wie es z. B. beim 'Thallus der Marchantien und den meisten Laubblättern der Fall ist, sind zugleich plagiotrop. Dagegen lassen z. B. die Blätter der Irisarten erkennen, dass nicht alle bilateralen Pflanzentheile plagiotrop sind. Der radiäre oder dorsiventrale Bau eines Pflanzentheils, der, wie ım Vor- stehenden angegeben worden ist, im Allgemeinen maassgebend für das orthotrope oder plagiotrope Verhalten desselben erscheint, wird theils durch äussere Um- stände, theils durch innere Wachsthumsursachen inducirt, und es ist eine wichtige Aufgabe der Physiologie den bezüglichen Verhältnissen genauer nachzugehen. Uebrigens verdient hier die T'hatsache noch besonderer Erwähnung, dass die radiär gebauten Organe zwar im Allgemeinen, aber nicht immer, zugleich ortho- I) Vergl. Sachs, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. 2. pag. 226. 2) Bei einseitigem Einflusse äusserer Kräfte auf normal orthotrope Pflanzentheile können dieselben natürlich auch schiefe Stellungen annehmen. IV. Abschnitt. 1. Die Anisotropie und die Festigung der Pflanzentheile. 541 trop sind. Dies zeigt sich namentlich dann, wenn ein radiär gebauter Pflanzen- theil z. B. sowohl auf den Einfluss des Lichtes als auch auf denjenigen der Gravitation reagirt; er kann in diesem Falle orthotrop oder plagiotrop werden. Ich komme im nächsten Kapitel specieller auf diese Verhältnisse zurück und erwähne hier nur, dass ein radiär gebauter Pflanzentheil, wenn derselbe, wie es 2. B. bei den meisten Hauptstämmen der Fall ist, zugleich ein stark negativ geo- tropisches und positiv heliotropisches Verhalten zeigt, orthotrop werden muss, während ein negativ geotropisches und zugleich negativ heliotropisches Verhalten radıär gebauter Pflanzentheile zum Plagiotropismus derselben führt. S 45. Die Festigung der Pflanzentheile. a) Allgemeines. Es ist natürlich von grosser Wichtigkeit für die Pflanzentheile, dass dieselben in den Stand gesetzt werden, äusseren Eingriffen widerstehen und ihre Gestaltungen bewahren zu können. Die Pflanzen haben sich daher im Kampfe ums Dasein mannigfaltige Mittel, die in ihrer Organisation und in ihrem physiologischen Ver- halten zum Ausdruck gelangen, erworben, um in dieser Beziehung gesichert zu sein. Ziehen wir zunächst solche unmittelbar ins Auge fallende Mitte] in Betracht, so ist auf das Vermögen vieler Gewächse hinzuweisen, sich mit Hülfe von haken- artigen Organen, Haftwurzeln oder Ranken aufrecht zu erhalten. Ebenso dienen die Schlingbewegungen vieler Pflanzentheile demselben Zweck, und viele sub- merse Wasserpflanzen sind in Folge eines specifischen Gewichts, welches geringer als dasjenige des Mediums ist, in welchem sie leben, vor dem Umsinken geschützt. Von ganz besonderem Interesse ist hier aber die Frage, welchen Momenten die sich ohne Stützen über die Bodenoberfläche erhebenden Pflanzentheile und ebenso die im Boden fortwachsenden Pflanzenorgane ihre Widerstandsfähigkeit ver- danken, denn es bedarf offenbar sehr wirksamer Mittel, um z. B. die dem Anprall des Sturmes ausgesetzten Bäume vor der Entwurzelung und die Stämme und Stengel grösserer oder kleinerer Gewächse vor dem Umfallen oder dem Einknicken unter der Last, welche sie zu tragen haben, zu schützen. Die Biegungsfestigkeit, Zugfestigkeit und Druckfestigkeit, welcher die Pflanzen bedürfen, wird durch das Zusammenwirken einer Reihe von Mo- menten herbeigeführt, von denen bald dieses, bald jenes in erster Linie wirk- sam erscheint. Es sei hier betont, dass in vielen Fällen schon der Turgor der Zellen als ein sehr bedeutungsvolles Mittel zur Festigung der Pflanzentheile auf- gefasst werden muss, und wir sehen ja in der That, dass turgescirende Gewebe- massen steif und widerstandsfähig sind, während sie durch Wasserverlust schlaff werden. Sehr allgemein spielen aber die mechanischen Elemente der Ge- wächse neben der Turgescenz der Zellen oder allein eine sehr wichtige Rolle bei dem Zustandekommen der Festigung der Pflanzentheile. Das mechanische System.!) b) Diejenigen Elemente, aus denen das zur Festigung der Pflanzen dienende mechanische System derselben zusammengesetzt ist, dessen Bedeutung für den Organismus zuerst von SCHWENDENER in ausge- dehntem Maasse gewürdigt worden, sind im Allgemeinen von dickwandiger und sehr widerstandsfähiger Beschaffenheit. Diese mechanischen Elemente werden als I) Literatur: SCHWENDENER, Das mechanische Prinzip im anatomischen Baue d. Monoco- tylen etc., 1874; HABERLANDT, Die Entwickelungsgeschichte des mechanischen Gewebesystems d. Pflanzen. 1879; AMBRONN, PRINGSHEIM’s Jahrbücher, Bd. 12; REINKE, Lehrb. d. allgem. Botanik, POTONIE, Sammlung gemeinnütziger wissensch. Vorträge. Herausg. von VIRCHOW und HOLTZEN- DORFF, XVI. Ser. H. 382. 542 System der Pflanzenphysiologie. Stereiden, die Gewebemassen aber, welche durch Vereinigung der Stereiden entstehen, als Stereome bezeichnet. In den höheren Gewächsen ist die physio- logische Arbeitstheilung so weit fortgeschritten, dass keineswegs die sämmtlichen vorhandenen Zellen die nämlichen Functionen zu erfüllen haben. Gewisse Zellen schützen den Organismus vor zu starker Transpiration, andere sind assimilatorisch thätig, andere. dienen zumal der Leitung plastischer Stoffe und wieder andere sind vor allem als Bestandtheile des Skeletes von Bedeutung etc. etc.!) Diese letzteren werden aber als Stereiden bezeichnet, und es kommen hier die Collen- chymzellen (dieselben sind namentlich für die Festigung noch lebensthätiger, wachsender Pflanzentheile von Wichtigkeit) die Tracheiden, die Libriform- fasern sowie die Bastfasern in Betracht. Die Festigkeit der Stereomzellen ist eine sehr bedeutende; ein Faden frischer Bastzellen von ı Quadratmillim. Querschnitt vermag z.B., ohne zu zerreissen und ohne dass seine Elasticitätsgrenze überschritten würde, ein Gewicht von ı5 bis 25 Kilogr. zu tragen. Das Tragvermögen des stärksten Stereoms steht demnach jenem des Eisens nicht nach. Es ist nun von sehr hervorragendem Interesse, wie zumal SCHWENDENER ein- gehend nachweist, dass die Anordnung der Stereiden in den Pflanzen derselben Regel folgt, welche auch von den Technikern bei der Construktion des Ge- bälkes eines Hauses, eines Thurmes oder einer Brücke in Betracht gezogen werden. Dabei wird in allen Fällen das Ziel verfolgt, die erforderliche Festig- keit mit einem möglichst geringen Aufwand von Material herzustellen. Denken wir uns eine vertikal stehende Construktion, die mit dem einen Ende in der Erde steckt, an deren oberen Ende aber ein Tau angebracht ist, so muss dieselbe, wenn sie einem seitlichen Zuge ausgesetzt wird, biegungsfest sein, um der Zugkraft Widerstand leisten zu können. Es ist klar, dass vor allem die der Zugstelle zugewandte und die gegenüberliegende Fläche der Construktion dem Angrift der Zugkraft ausgesetzt sind, und daher muss bei der Herstellung einer Construktion, die biegungsfest sein soll, zumal darauf geachtet werden, dass einer- seits die Zuggurtung, andererseits die Druckgurtung derselben aus möglichst widerstandsfähigem Material angefertigt werde, während es genügt, als Ver- bindungsmittel (Füllung) der Gurtungen ein Gitterwerk zu verwenden. Der Quer- schnitt einer bigungsfesten Construction, wie wir dieselbe hier im Sinne haben, kann durch ein doppeltes T (I) dargestellt werden, weshalb man kurzweg von T-Trägern redet. Werden mehrere 'T-Träger vereinigt, welche die zwischen den Gurtungen vorhandene Füllung gemeinsam haben, so resultirt eine Construction, die nicht, wie die erwähnte, nur einseitig biegungsfest erscheint, sondern allseitig biegungsfest sein kann. Es ist hier nicht der Ort, im Speciellen auf die Anordnung der Stereiden in einseitig oder allseitig biegungsfesten Pflanzentheilen einzugehen. Ich erwähne hier nur, dass namentlich die langen Blätter monocotyler Pflanzen vorzügliche 3eispiele einseitig biegungsfester Pflanzentheile abgeben, während die meisten Stammgebilde der Gewächse allseitig biegungsfest construirt sind, um dem Ein- fluss des Windes sowie anderweitiger Verhältnisse einen genügenden Widerstand entgegen stellen zu können. I) Es sei tibrigens bemerkt, dass die mechanischen Gewebe, wenngleich sie wesentlich zur Festigung der Pflanzentheile dienen, doch auch in anderweitiger Beziehung von Bedeutung für den Organismus sein können. Ferner sei erwähnt, dass man diejenigen Gewebe der Fibrovasal- stränge, die nicht zur Festigung dienen, (Tracheen, Siebröhren etc.) als Mestom bezeichnet. IV. Abschnitt. 2. Specielles über die natürliche Richtung der Pflanzentheile. 543 Die Anordnung des Stereoms in den biegungsfesten Blättern sowie Stammge- bilden ist übrigens eine äusserst mannigfaltige, und wird nur durch ein ein- dringenderes Specialstudium verständlich. Abgesehen von den biegungsfesten Pflanzentheilen giebt es andere, für welche es besonders wichtig erscheint, dass dieselben zug- oder druckfest gebaut seien. In beiden Fällen kommt es wesentlich auf die Menge des widerstandsfähigen Materials und ferner darauf an, dass die Wirkungen der Zug- oder Druckkräfte sich möglichst gleichmässig auf die vorhandenen mechanischen Elemente ver- theilen. Zugfest müssen z. B. die Wurzeln und Rhizome gebaut sein, weil sie dem Zuge der durch den Wind bewegten oberirdischen Pflanzentheile Wider- stand zu leisten haben; ebenso müssen die ım strömenden Wasser fluthenden Ge- wächse und z. B. auch die Fruchtstiele, welche die Last der Früchte zu tragen haben, zugfeste Constructionen aufweisen. Für die Stämme, welche grosse Kronen zu tragen haben, und ebenso für unterirdische Organe, die dem seitlichen Druck beträchtlicher Erdmassen widerstehen müssen, ist dagegen ein druckfester Bau von besonderer Bedeutung. In der That lehrt uns die Erfahrung, dass die Stereiden in den genannten Pflanzentheilen eine derartige Anordnung aufweisen, dass die letzteren einen erheblichen Grad von Zug- oder Druckfestigkeit vertragen. Zweites Kapitel. Specielles über die natürliche Richtung der Pflanzentheile. S 46. Die ursächlichen Momente. — Das Studium der natürlichen Richtung, welche die Pflanzentheile im Laufe ihrer Entwickelung annehmen, führt zu der Ueberzeugung, dass diese Richtung in der T'hat eine solche ist, die es den einzelnen Organen ın sehr vollkommener Weise ermöglicht, ihre specifische physiologische Arbeit zu leisten. Es ist vielleicht gerade diese Erfahrung, welche verschiedene Forscher veranlasste, den einzelnen Pflanzentheilen ganz besondere Eigenschaften zuzuschreiben, durch welche dieselben überhaupt erst in den Stand gesetzt werden, jene bestimmten, für den gesammten Organismus keineswegs be- deutungslosen Stellungsverhältnisse einzunehmen. FRANK!) z. B. ist der Ansicht, dass es nothwendig erscheint, um die Wachs- thumsrichtung plagiotroper Pflanzentheile zu erklären, eine eigenthümliche Polarität der Zellhäute der Zellen derselben anzunehmen. In Folge dessen werden plagiotrope Organe von der Gravitation sowie dem Licht derartig affıcırt, dass sich ihre Achsen rechtwinkelig zur Richtung der Wirkung der Schwerkraft und zur Richtung der Lichtstrahlen stellen. Den plagiotropen Pflanzentheilen kommt daher ein transversaler Geotropismus und Heliotropismus zu, während der gewöhnliche oder longitudinale Geotropismus und Heliotropismus den orthotropen Pflanzentheilen eigenthümlich ist. Von CH. sowie Fr. Darwın?) wird ebenfalls die Ansicht vertreten, dass vielen Pflanzentheilen eine besondere Form des Heliotropismus und Geotropismus (Dia- heliotropismus und Diageotropismus) zukomme.?) ‚!) Vergl. Frank, Die natürliche wagerechte Richtung von Pflanzentheilen. Leipzig 1870. 2) Vergl. CH. u. Fr. Darwın, Das Bewegungsvermögen d. Pflanzen. Deutsche Ausgabe, 1881. pag. 374 u. 446. Vergl. auch Fr. Darwin, Linnean Society Journal, V. 28. ®) Was FRANK als Transversal-Heliotropismus und Transversal-Geotropismus bezeichnet, wird von CH. u. Fr. DARWIN Diaheliotropismus und Diageotropismus genannt. ScHuese, Handbuch der Botanik, Bd I. 35 544 System der Pflanzenphysiologie. Ich theile die Annahme von dem Vorhandensein verschiedener Formen des Heliotropismus sowie des Geotropismus nicht. Meiner Meinung nach, die hier übrigens nicht im Detail begründet werden kann, haben weder FRANK noch CH. und Fr. Darwin entscheidende Beweise für ihre Auffassung beigebracht, und es lassen sich einerseits principielle Bedenken gegen dieselben geltend machen, andererseits lässt sich auf Grund der Erfahrung zeigen, dass die Annahme von der Existenz des Transversal-Heliotropismus und des Transversal-Geotropismus überhaupt zur Erklärung der Phänomene, um die es sich hier handelt, entbehrt werden kann. Ich werde daher im Folgenden den nämlichen Standpunkt ein- nehmen, wie er auch von DE Vrıss!) und Sachs?) vertreten wird. Die Richtung plagiotroper Pflanzentheile wird durch ganz analoge Ursachen be- dingt, wie solches auch die Stellungsverhältnisse orthotroper Pflanzentheile hervor- rufen. Als solche Ursachen sind aber namentlich die durch innere oder äussere Wachsthumsbedingungen veranlassten Wachsthumsbewegungen der Organe (epinas- tische, hyponastische, heliotropische, geotropische, hydrotropische Bewegungen etc.) sowie einige andere Momente, z. B. die Belastung der Pflanzentheile anzusehen. Wenn nun verschiedene Wachsthumsbedingungen (innere und äussere oder ver- schiedenartige äussere) gleichzeitig auf einen und denselben Pflanzentheil ein- wirken, so ist es klar, dass die Richtung des betreffenden Organs eine Resul- tirende aus verschiedenen Componenten sein muss, und es darf dies namentlich keinen Augenblick ausser Acht gelassen werden, wenn es sich um die Beurthei- lung des Zustandekommens der plagiotropen Pflanzentheile handelt. Beachtung verdient auch noch mit Bezug auf die in Rede stehenden Verhältnisse die Thatsache, dass die dorsiventralen Pflanzentheile, welche ja stets zugleich plagio- trop sind, auf ihren verschiedenen Seiten nicht die nämliche Reactionsfähigkeit gleichen äusseren Einflüssen gegenüber erkennen lassen, und endlich ist zu er- wähnen, dass die Stellung eines Fflanzentheiles häufig auch durch die Stellung eines zweiten Pflanzentheiles, mit welchem jener erstere in organischer Verbindung steht, beeinflusst wird. 8 47. Specielles über die natürliche Richtung einiger Pflanzen- theile. Es soll im Folgenden unter Berücksichtigung der im letzten Paragraphen an- gedeuteten Principien gezeigt werden, auf welchem Wege die natürliche Richtung einiger Pflanzentheile zu Stande kommt, um dem Leser das Verständniss der hier in Betracht kommenden Phänomene noch etwas zu erleichtern. ı. Marchantia polymorpha?). Wächst die Pflanze im Freien unter dem Ein- fluss allseitig gleicher Beleuchtung auf einem horizontalen Boden, so sind die beiden Thalluslappen dem Boden mit ihrer Unterseite dicht angepresst, also der Hauptsache nach horizontal gestellt. Zum Unterschied von diesen dorsiventralen und plagiotropen Thalluslappen sind die radiären Wurzelhaare orthotrop und dringen senkrecht in den Boden ein. Fructificirt die Marchantia, so zeigt sich, dass die Träger der männlichen, sowie weiblichen Hüte nach aufwärts gerichtet sind, also als orthotrop und im Verhältniss zu den Wurzelhaaren als antitrop erscheinen. Bei der Ausführung seiner scharfsinnigen Untersuchungen über die Ursachen der Anisotropie der einzelnen Theile der Marchantia liess SacHus die Pflanzen I) Vergl. DE Vrıes, Arbeiten des botanischen Instituts in Würzburg. Bd. I. pag. 223. Weitere Literatur: FRANK, Botanische Zeitung. 1873 und H. pr Vrıes, Flora. 1873. 2) Vergl. Sachs, Arbeiten d. botanischen Instituts in Würzburg. Bd. 2. pag. 228. 3) Vergl. Sacns, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. 2. pag. 229. IV. Abschnitt. 2. Specielles über die natürliche Richtung der Pflanzentheile. 545 zunächst auf in bestimmter Weise präparirten Torfstücken zur Entwickelung ge- langen, und die Lichtstrahlen in einem Winkel von ungefähr 45° auf das Beob- achtungsmaterial einwirken. Dabei ergab sich vor allem, dass die Fruchtträger den schief einfallenden Lichtstrahlen entsprechend schief gerichtet waren, während sich die Thalluslappen bei günstiger, d. h. ziemlich intensiver Beleuchtung, den Lichtstrahlen nahezu rechtwinkelig entgegenzustellen suchten. Zur Erklärung dieser merkwürdigen T'hatsache, ist namentlich das Folgende zu beachten. Es ist sicher, dass die Thalluslappen von Marchantien ein negativ geotropisches Verhalten zeigen (vergl. die Abhandlung v. Sachs, pag. 236). Wird die morpho- logische Unterseite der Thalluslappen von schwachem oder intensivem Licht ge- troffen, so verhalten sich dieselben stets positiv heliotropisch (pag. 237). Dagegen ist es sehr merkwürdig, dass schwaches Licht einerseits und intensives anderer- seits keineswegs die nämlichen Wirkungen zur Geltung bringt, wenn dasselbe die Oberseite der Thalluslappen trifft. Bei schwachem Licht bleiben die Thallus- lappen sehr schmal, die Pflanzentheile werden rinnig, und ihre Oberseite erscheint concav eingekrümmt. Dagegen ruft normale Beleuchtung erst die Breitenent- wickelung der Lappen hervor, und die Oberseite derselben ist unter solchen Ver- hältnissen bestrebt, die Unterseite concav zu machen. Man könnte nun dieses stärkere Wachsthum der Oberseite der Thalluslappen im intensiven Licht, wie es auch thatsächlich von WIESNER!) geschehen ist, als eine Folge negativen Heliotropismus auffassen. Aber dagegen sind doch wohl Bedenken geltend zu machen, es sei denn, dass man zwei Formen des negativen Heliotropismus unterscheide. Der typische negative Heliotropismus, den wir bereits an ganz anderer Stelle kennen lernten, und der den Gegensatz zum positiven Heliotropismus bildet, führt ein schnelles und auch bei schwacher Lichtintensität hervortretendes Wegwenden der Pflanzentheile vom Licht herbei. Das lebhafte Wachsthum der Oberseite des Thallus von Marchantia kommt aber nur bei starker Und lange anhaltender Lichtwirkung zu Stande. Die Thallus- lappen verhalten sich dem Licht gegenüber ähnlich wie die Laubblätter höherer Pflanzen. Diese bilden sich auch im Dunkeln oder bei unzureichendem Licht- zutritt rinnig und faltig aus; das stärkere Wachsthum der Blattoberseite (die Epinastie von H. DE Vrızs) wird, wie das lebhaftere Wachsthum der Oberseite des Thallus von Marchantia, erst durch Licht von höherer Intensität hervorge- rufen. Nach alledem erscheint es zweckmässig, diese durch normale Be- leuchtungsverhältnisse hervorgerufenen Wachsthumsphänomene der Oberseite der Blätter sowie des Thallus der Marchantien nicht als solche aufzufassen, die durch negativen Heliotropismus bedingt werden, sondern dieselben vorläufig als Folge einer bestimmten Form der Epinastie zu deuten.?) Die Wachsthumsrichtung der plagiotropen Thalluslappen von Marchantien I) Vergl. WIESNER, Sonderabdruck aus d. 43. Bd. d. Denkschriften d. Akadem. d. Wiss. zu Wien. pag. 55. 2) Das Gesagte fordert auch zu weiteren Untersuchungen über die Epinastie auf, um den Antheil, den einerseits innere, andererseits äussere Wachsthumsbedingungen an ihrem Zustandekommen haben, richtig würdigen zu lernen. Fände man z. B., dass die Oberseite solcher Blätter, die zunächst dem Licht ausgesetzt waren, fernerhin auch im Dunkeln bei Zufuhr plastischer Stoffe lange Zeit hindurch ein ausgiebiges Wachsthum zeigte, und die Blätter im ausgebreiteten Zustande verharrten, so würde damit ein Phänomen constatirt sein, welches weder als Folge des eigentlichen negativen Heliotropismus, noch als Folge typischer, allein durch innere Wachsthumsursachen bedingter Epinastie gedeutet werden könnte. * 35 = 546 System der Pflanzenphysiologie. wird also bestimmt durch den negativen Geotropismus, den positiven Heliotropis- mus sowie durch die Epinastie derselben. Das Licht, zumal intensives, würde, wenn dasselbe allein wirkte, eine Convexkrümmung der Oberseite der Pflanzen- theile herbeiführen, während die Wirkung der Schwerkraft allein gerade das Entgegengesetzte zur Folge haben würde. Wachsen die Thalluslappen nun unter geeigneten Umständen ohne Krümmungen gerade. aus, indem sie dem Einfluss der Gravitation sowie des Lichtes ausgesetzt sind, so bedeutet dies, dass die Schwerkraftskrümmung von den durch das Licht inducirten Krümmungen gerade ausgeglichen wird. 2. Wurzeln. Die Hauptwurzeln sind orthotrop und zwar im Verhältniss zu. den Hauptstämmen antitrop, da sie nicht gerade nach aufwärts, sondern im’ Gegentheil gerade nach abwärts wachsen. Für das Wachsthum der Hauptwurzeln ist der positive Geotropismus maassgebend, denn wenn die Organe durch zufällige. Umstände oder absichtlich einer Ablenkung aus ihrer normalen Wachsthums-- richtung unterliegen, so ist die Gravitation bestrebt, dieselben sofort wieder in die letztere zurückzuführen. Mit Bezug auf die Wachsthumsrichtung der Nebenwurzeln erster Ordnung ist besonders zu beachten, dass dieselben allerdings ein positiv geotropisches Verhalten zeigen, dass die Schwerkraft das Wachsthum der Organe aber nur so lange beeinflusst, Dis der geotropische Grenzwinkel erreicht ist. 3. Stammgebilde. Die multilateralen oder radiär gebauten Hauptstämme der Pflanzen reagiren gewöhnlich allseitig gleichartig auf den Einfluss des Lichts und der Gravitation; sie suchen sich daher so zu stellen, dass die äusseren Ein- flüsse auf alle Seiten ihrer Längsachse gleichmässig einwirken. Die orthotrope Stellung der Hauptstämme wird vor allem durch den negativen Geotropismus und den positiven Heliotropismus derselben bedingt. Die Wachsthumsrichtung der schiefen oder horizontalen Sprosse wird durch Belastungsverhältnisse, Hyponastie, Epinastie, Geotropismus sowie Heliotropismus bestimmt). Es möge dem Leser überlassen bleiben, sich die Wachsthumsrichtung in speciellen Fällen klar zu machen; nur ein einziges Beispiel sei hier angeführt. In seiner Abhandlung über orthotrope und plagiotrope Pflanzentheile bespricht SacHs unter anderem das Verhalten der Sprosse von 7ropaeolum majus und ge- langt durch seine Untersuchungen zu folgenden Resultaten. Das hypocotyle Stengel- glied von Tropaeolum ist anfangs positiv heliotropisch. Später wird dasselbe, ebenso wie die folgenden Internodien, negativ heliotropisch.”) Die Stengel krümmen sich daher vom Licht fort und legen sich nach rückwärts flach auf den Boden nieder oder an eine eventuell vorhandene Mauer dicht an. Wenn das Licht nicht in- tensiv ist, so wenden sich die Pflanzen nicht in dem nämlichen Maasse wie bei starker Beleuchtung vom Licht ab, offenbar deshalb, weil die Lichtwirkung nicht im Stande ist, die negativ geotropische Krümmung der Stengeltheile vollkommen auszugleichen. Einige Stengeltheile, z. B. die Rhizome von Yucca, wachsen, wie die Haupt- wurzeln in Folge ihres positiven Geotropismus senkrecht in die Erde. Dagegen ist noch nicht sicher festgestellt, welche Momente den Plagiotropismus der Rhizome von Heleocharis, Sparganium etc. verursachen.?) ı) Vergl. H. DE Vrıes, Arbeiten d. botan. Instituts in Würzburg. Bd. I. pag. 267. 2) Es ist übrigens fraglich, ob man es hier mit wirklichem negativem Heliotropismus oder nur mit jenem unter ı erwähnten durch das Licht inducirten Form der Epinastie zu thun hat. 3) Vergl. ELrving, Arbeiten des botan. Instituts in Würzburg. Bd. 2. pag. 489. ir. Es \ ST „. , IV. Abschnitt. 2. Specielles über die natürliche Richtung der Pflanzentheile. 347 Viele Blüthen wenden sich dem Licht zu, eine Erscheinung, die durch den positiven Heliotropismus der die Blüthen tragenden Stengeltheile zu Stande kommt!). In vielen Fällen nehmen die Blüthen eine fixe Lichtlage an. Andere Blüthen verändern ihre Stellung im Laufe eines Tages und folgen dem Gange der Sonne. Die Sonnenblume zeigt dieses letztere Verhalten übrigens gewöhnlich nicht; dagegen ist dasselbe namentlich für die Blüthenstände von Zragopogon orientale constatirt worden. In der Nacht stehen die Internodien, welche die Blüthenköpfe tragen, sowie diese selbst, aufrecht; am Tage wird durch den ‚Heliotropismus eine fortschreitende Bewegung der Pflanzentheile herbeigeführt. Auch die Blüthen von Zeontodon hastilis folgen dem Lauf der Sonne. Einige Blüthen nehmen keine heliotropische Lage an; sie sind, selbst bei einseitiger Be- leuchtung, zenithwärts gerichtet. Die während der Blüthezeit aufrecht stehenden Blüthenstengel von Cyeamen persicum wachsen während der Frucht- und Samenentwicklung noch bedeutend und krümmen sich dabei so stark, dass die Kapseln in den Boden eingegraben werden können. Nach Darwın?) soll der negative Heliotropismus diese Erscheinung hervorbringen. Für die Früchte von Zrifolium subterraneum und Arachis hypogaea ist es bekanntlich wichtig, dass dieselben unter der Erde zur Reife gelangen. Das Eingraben der Pflanzentheile wird nach Darwın (vergl. pag. 440 der soeben eitirten Schrift) dufch geotropische Bewegungen vermittelt. 4. Blätter®). Die meisten grünen Blätter haben das Bestreben, ihre morpho- logische Oberseite dem Licht zuzukehren und sich dabei im Allgemeinen senk- recht zur Richtung der einfallenden Lichtstrahlen zu stellen. Wird diese Stellung der Blätter künstlich verändert, so suchen die Pflanzentheile ihre normale Lage zum Licht alsbald wieder einzunehmen. Die Stellungsverhältnisse der Blätter werden namentlich durch die Hyponastie und Epinastie derselben, sowie durch das Verhalten der Organe dem Licht und der Schwerkraft gegenüber bestimmt Frank (vergl. dessen citirte Abhandl., pag. 46) hat beobachtet, dass die sich im Dunkeln entwickelnden Wurzelblätter von Plantago major, Capsella Bursa pastoris, Primula elatior etc. eine verticale Stellung erlangen, eine Thatsache, die durch das Zusammenwirken der Hyponastie der Blätter sowie des negativen Geotropismus derselben ihre Erklärung findet. BeiLicht- zutritt legen sich die Wurzelblätter horizontal auf den Boden, indem jetzt die durch das Licht inducirte Epinastie (vergl. übrigens die Bemerkungen unter?) ein sehr lebhaftes Wachsthum der Oberseite der Blätter hervorruft. Weitere Details über die Stellungsverhältrisse der Blätter sind in den “citirten Schriften nachzu- sehen. Ein besonderes Interesse gewähren die Stellungsverhältnisse, welche die Blätter der sogen. Compasspflanzen (Zactuca scariola, Sülphium laciniatum) annehmen können. Der Erdmagnetismus ist übrigens nicht die Ursache des eigenthümlichen Verhaltens der Blätter jener Gewächse, sondern dasselbe kommt durch Licht- wirkung zu Stande). D) Vergl. über das Folgende, WIESNER, Sonderabdruck aus dem 43. Bd. der Denkschrift der Akadem. d. Wiss. zu Wien. pag. 62. 2) Vergl. Darwın, Das Bewegungsvermögen d. Pflanzen. Deutsche Ausg. pag. 3069. 3) Vergl. Frank, Die natürliche wagrechte Richtung von Pflanzentheilen, Leipzig. 1870; H. DE VRIES, Arb. d. botan. Institus in Würzburg. Bd. ı. pag. 240. Vergl. auch WiIESNER’s soeben citirte Abhandlung. #) Vergl. STAHL, Jenaische Zeitschrift f. Naturwissenschaft, Bd. 15. NE RT TE RE N EN N 548 System der Pflanzenphysiologie. Fünfter Abschnitt. Die Variationsbewegungen der Pflanzen. Erstes Kapitel. Constatirung der Erscheinungen. $ 48. Einleitende Bemerkungen. — Es ist festgestellt worden, dass eine grosse Anzahl wachsthumsfähiger Pflanzentheile aus inneren Ursachen oder unter dem Einfluss äusserer Verhältnisse zu Bewegungen veranlasst werden. Derartige Bewegungen zeigen z. B. die Schlingpflanzen, die Ranken, die heliotropisch sowie geotropisch empfindlichen Organe etc., und das gemeinsame charakteristische Merk- mal dieser mannigfaltigen Nutationen liegt darin, dass dieselben eben nur wach- senden oder noch wachsthumsfähigen Pflanzentheilen eigenthümlich sind, und dass sie deshalb stets eine nicht wieder rückgängig zu machende Veränderung des betreffenden Organes zur Folge haben. Im Gegensatz zu diesen Nutationsbewegungen stehen nun die Variationsbe- wegungen der Pflanzen. Dieselben kommen gewöhnlich unter Vermittelung be- sonderer Organe, der Gelenkpolster, auf deren Beschaffenheit wir weiter unten specieller hinweisen werden, zu Stande; sie sind ferner im Gegensatz zu den Nutationsbewegungen wachsender Pflanzentheile nur ausgewachsenen Organen eigenthümlich, und führen zu Veränderungen derselben, die nachträglich wieder aufgehoben werden können. Es ist übrigens zu bemerken, dass die Nutationsbewegungen einerseits und die Variationsbewegungen andererseits in vieler Hinsicht Uebereinstimmungen unter einander erkennen lassen und zeigt sich schon darin, dass gewisse Formen jener so wie dieser Bewegungen durch die nämlichen Ursachen (spontane Ur- sachen, Beleuchtungsverhältnisse, Berührung, resp. Erschütterung) hervorgerufen werden können, und ferner ist namentlich zu betonen, dass die durch innere oder äussere Ursachen bedingten Vorgänge im Innern der reizbaren Zellen in beiden Fällen erhebliche Analogien zeigen. Wir haben oft hervorgehoben, dass der Process des Wachsthums nur dann zur Geltung kommen kann, wenn zwischen dem Zellinhalte einer- und den dehn- baren Zellschichten andererseits eine gewisse Spannung herrscht. Nur die turges- cirenden Zellen sind im Stande zu wachsen, und es ist gewiss, dass die Wachs- thumsgeschwindigkeit einer Zelle in genauer Beziehung zu der Turgorausdehnung derselben steht. Einer Veränderung der Wachsthumsgeschwindigkeit einer Zelle geht daher eine durch innere oder äussere Ursachen veranlasste Erhöhung, resp. Herabsetzung der Turgorausdehnung der Zelle voraus. Wenn die Organe der Pflanzen in den ausgewachsenen Zustand übergegangen sind, so braucht damit die Fähigkeit der Zellen, unter dem Einfluss innerer oder äusserer Ursachen Veränderungen ihrer Turgorausdehnung zu erfahren, noch nicht zu erlöschen. Verharren die peripherischen Zellschichten nur in einem dehnbaren und elastischen Zustand, so ist das Zustandekommen von Turgorveränderungen, trotzdem die Zellen nicht mehr wachsen, keineswegs ausgeschlossen. Wenn innere oder äussere Ursachen die Turgorausdehnung der Zellen auf verschiedenen Seiten wachsender Pflanzentheile nicht in derselben Weise ver- ändern, so rufen dieselben Nutationsbewegungen, d. h. mit Wachsthum der Zellen verbundene Bewegungen hervor. Die nämlichen Ursachen geben hingegen, wenn 1 7 a \ ad! £ rc y “ 4} Y ar) # ” ve I Pin u; \ 3 Nil, . [} V. Abschnitt. ı. Constatirung der Erscheinungen. 549 sie die Turgorausdehnung der Zellen verschiedener Seiten ausgewachsener Or- gane in ungleicher Weise beeinflussen, zur Entstehung von Variationsbewegungen Veranlassung. f $ 49. Die verschiedenen Formen der Variationsbewegungen. — a) Die spontanen oder autonomen Variationsbewegungen!). Manche Pflanzentheile lassen unter günstigen äusseren Umständen ein von der Temperatur sowie den Beleuchtungszuständen unabhängiges, allein durch innere Ursachen hervorgerufenes Hin- und Herschwanken erkennen. Sehr deutlich lassen sich der- artige Bewegungen an den Seitenblättchen von Desmodium gyrans, einer in Indien einheimischen Papilionacee, erkennen. Die Bewegung der Seitenblättchen wird durch die dem gemeinschaftlichen Blattstiel ansitzenden dünnen Stielchen derselben vermittelt. Die Organe beschreiben elliptische Bahnen. Ein Umlauf der Seitenblätt- chen wird bei 35° C. in 85—90 Secunden, bei 28— 30° C. in 4 Minuten vollendet. Bei 22° C. hört die Bewegung schon auf. Das Endblatt von Desmodium gyrans ist im Stande, pendelartige Bewegungen von geringer Amplitude auszu- führen. Die Amplitude sowie die Geschwindigkeit der spontanen Variationsbe- wegungen der Laubblättchen anderer Pflanzen, Oxalis acetoselle, Mimosa pudica, Acacia lophantha, Trifolium pratense, Phaseolus) sind nicht so bedeutend wie diejenigen der Desmodium-Blättchen. Es kommt noch hinzu, dass die Blätter jener Gewächse auch für Veränderungen der Beleuchtungsverhältnisse empfindlich sind, ein Umstand, der eine Verdeckung der spontanen Variationsbewegungen leicht zur Folge haben kann. Die auf- und abgehenden Bewegungen der Blätter von Oxalis, Trifolium, Mimosa etc., welche innerhalb kurzer Zeit (die Blätter kehren nach Verlauf einer oder einiger Stunden in ihre ursprüngliche Lage zurück) Stellungsveränderungen der Blätter bedingen, sind übrigens leicht zu constatiren, wenn die betreffenden Pflanzen längere Zeit constanter Dunkelheit oder continuir- licher Beleuchtung”ausgesetzt werden b) Diedurch Veränderung der Beleuchtungsverhältnisseinducirten Variationsbewegungen. Die Blätter vieler Pflanzen (Oxalis, Trıfolium, Phaseolus, Mimosa etc.) erfahren unter dem Einfluss wechselnder Beleuchtungs- verhältnisse Stellungsveränderungen. Die Empfindlichkeit verschiedener Gewächse für Lichtwechsel ist specifisch verschieden, jedoch zeigt sich im Allgemeinen stets, dass die Blätter sich am Licht flach ausbreiten (Tagesstellung)?), während sie im Dunkeln zusammengeschlagen erscheinen (Nachtstellung). Diese Stellungs- änderungen können aber auf mannigfaltige Weise zu Stande kommen, und es ist in dieser Hinsicht besonders wichtig, dass nicht allein die folola, sondern auch die Hauptblattstiele unter Vermittelung der vorhandenen Blattpolster zu Be- wegungen befähigt sind. Bei Mimosa senkt sich der Hauptblattstiel im Dunkeln nach abwärts, während sich die Blättchen nach vorn und oben wenden und sich mehr oder weniger über einander legen. In der Dunkelstellung ist der Blattstiel von Phaseolus nach aufwärts gerichtet, während sich die folola nach abwärts ge- schlagen haben. Im Dunkeln legen sich die Blättchen von Oxalıs, Kobinıa, 1) Literatur: MevEn, Neues System d. Pflanzenphysiologie. 1839. Bd. 3; CagscH, Bot. Zeit. 1861. pag. 355; Sachs, Flora, 1863. pag. 468; PFEFFER, physiologische Unters. 1873. 2) Uebrigens ist hier zu bemerken, dass recht intensives Licht die Blätter verschiedener hier in Betracht kommender Pflanzen veranlasst, besondere Stellungsverhältnisse anzunehmen, die nicht mit jener der Tagesstellung identisch sind. Vergl. Specielleres bei PFEFFER, Pflanzen- physiologie, Bd. 2. pag. 265, wo auch die Literatur angegeben. N ER . “ vr . A en PE A 7 . Re Br ST War >, Y 550 System der Pflanzenphysiolögie. - Ma N 10 F F . 3% “ x | B...: Zupinus, nach abwärts zusammen; die Blättchen von T7rifolum, Vicia, Lotus, Lathyrus schlagen sich hingegen im Dunkeln-aufwärts zusammen. c) Die durch Berührung oder Erschütterung hervorgerufenen Variationsbewegungen. Manche Pflanzen (Oxalis- sowie Mimosa-Arten, Robinia Pseudoacacia, Acacia lophantha), welche spontane und durch Beleuchtungsverhält- nisse inducirte Variationsbewegungen zeigen, sind ebenso für Berührung, resp. Er- schütterung empfindlich. Unter dem Einfluss solcher Reize nehmen die Blätter der Gewächse eine Stellung an, welche der durch Verdunkelung hervorgebrachten Nachtstellung gleicht; nach Aufhören des Reizes gehen die Organe aber all- mählich wieder in die ausgebreitete Stellung über. Die Empfindlichkeit der Pflanzen für Berührung sowie Erschütterung ist specifisch verschieden. Bei einigen Gewächsen bedarf es starker und wiederholter Reize, um eine Lageveränderung der Blätter zu erzielen; andere Pflanzen (Mimosa pudica, Oxalis sensitiva) reagiren auf die schwächste Berührung sehr lebhaft, und es zeigt sich, dass die Bewegungs- phänomene in Folge einer Fortleitung des Reizes sogar an solchen Theilen der Gewächse auftreten, welche nicht unmittelbar berührt wurden!). Eigenthümliche Variationsbewegungen zeigen auch die Blätter von Dionaea muscipulz und Aldrovanda vesiculosa. Die Blätter dieser fleischverdauenden Pflanzen schliessen sich nämlich, wenn ihre Oberseite gereizt (berührt) wird. Die Staubfäden von Berberis sowie von Mahonia-Arten sind im ruhenden Zu- stande nach aussen geschlagen. Sie reagiren auf einen Reiz, der die Innenseite des Filaments trifft und krümmen sich in Folge dessen nach innen, so dass die Antheren mit der Narbe in Berührung gelangen. . Sehr eigenthümlich sind die Bewegungsphänomene der Filamente vieler Compositenblüthen (Centaurea, Onopordon, Carduus, Cichorium, Hieracium). Die fünf Filamente tragen die fünf mit einander verklebten Antheren.. Die Filamente sind im Ruhezustande convex nach aussen gebogen und an jeder Stelle fast gleich empfindlich für Berührung oder Erschütterung. Ein Reiz bedingt eine Contraction der Filamente; sie strecken sich gerade und die Antheren entleeren den Pollen nach oben, welcher nun von den Insecten, welche die Reizung vermittelten, auf die bereits entfalteten Narben anderer Blüthen oder Blüthenköpfe übertragen werden kann. Zu bemerken ist noch, dass auch die Narbenlappen der Blüthen von Mimulus sowie anderer Pflanzen empfindlich für Berührung sind. Wird nämlich die Innenseite der Narbenlappen berührt, so legen sich dieselben zusammen, offenbar um den auf sie von Insekten übertragenen Pollen festzuhalten. S 50. Der Einfluss äusserer Verhältnisse auf die Variations- bewegungen?). Es ist zunächst ganz im Allgemeinen zu bemerken, dass die- jenigen Pflanzentheile, welche Variationsbewegungen auszuführen vermögen, zwei Zustände zeigen können, nämlich den Bewegungs- und den Starrezustand. Der erstere Zustand ist den Organen unter normalen Verhältnissen eigenthümlich; der letztere tritt ein, wenn die Pflanzen längere Zeit abnormen Umständen aus- gesetzt werden. Es ist aber der Starrezustand ja nicht mit dem todten Zustand der bewegungsfähigen Pflanzentheile zu verwechseln, denn während dieser mit Veränderungen an den Zellen verbunden ist, die nicht wieder rückgängig zu machen I) Vergl. Durkrocher, Memoires p. servir etc,, 1837; PFEFFER, PRINGSHEIM’s Jahrbücher. Bd. 9. pag. 308. ?) Literatur: Kassch, Botan. Zeitung, 1861 und 1862; DUTROCHET, M&moires pour serv. etc. T. 1. p. 562; Sachs, Flora, 1863 und Lehrbuch d. Botanik. 1874. pag. 857. V. Abschnitt. rs. Constatirung der Erscheinungen. 551 sind, kann ein Organ aus dem Starrezustand durch geeignete Mittel auf's Neue in den Bewegungszustand übergeführt werden. Sauerstoffentziehung tödtet die bewegungsfähigen Pflanzentheile zunächst nicht, sondern führt dieselben nur in einen Starrezustand über, der aber, wenn die Sauerstoffentziehung nicht zu lange gedauert hatte, durch erneute Sauerstofl- zufuhr wieder rückgängig gemacht werden kann. Lange dauernde Sauerstoffent- ‘ziehung tödtet die Zellen natürlich. Ebenso können die Bewegungsorgane der Pflanzen durch die Einwirkung verschiedener Substanzen (z. B. Aether und Chloro- form) sowie durch electrische Reize in vorübergehende starre Zustände versetzt werden. Die Blätter von Mimosa gehen ferner durch oft und in kurzen Zeit- räumen wiederholte Reizung (Erschütterung) in einen vorübergehenden Starre- zustand über. Der nämliche Zustand der Blätter wird durch Wassermangel, der noch gar nicht so weit zu gehen braucht, dass die Turgescenz der Blattzellen sichtbar geringer geworden ist, herbeigeführt. Von besonderem Interesse sind die Starrezustände reizbarer Pflanzentheile, welche durch ungünstige Temperatur- sowie Beleuchtungsverhältnisse hervor- gebracht werden. Die vorübergehende Kältestarre der Blätter von Mimosa pudica macht sich bei Temperaturen unter 15°C. geltend. Es verschwindet zunächst die Empfind- lichkeit für Berührung und Erschütterung, sodann die Reactionsfähigkeit für Be- leuchtungswechsel, und endlich hören auch die spontanen Variationsbewegungen auf. Werden die Mimosa-Pflanzen 4 Stunde lang einer Lufttemperatur von 45°C. ausgesetzt, so sind die Blätter in den Zustand der vorübergehenden Wärmestarre übergegangen. Bei höherer Temperatur tritt dasselbe innerhalb kürzerer Zeit ein. Werden Mimosa- oder Oxalis-Pflanzen u. s. w. nachdem dieselben zunächst unter normalen Verhältnissen verweilt haben, constanter Dunkelheit ausgesetzt, so verschwinden die durch den Wechsel von Tag und Nacht inducirten Variations- bewegungen alsbald, während die spontanen Bewegungen noch einige Zeit lang fort- dauern. Endlich gehen die Blätter aber in den Zustand der Dunkelstarre über, aus welchem sie indessen durch neu erfolgende Beleuchtung wieder erweckt werden können. Es ist besonders zu beachten, dass die Blätter im Zustand der Dunkelstarre keineswegs jene Stellungsverhältnisse zu zeigen brauchen, zu welchen sie unter normalen Umständen durch Verdunkelung veranlasst werden. Die einzelnen Blättchen der dunkelstarren Mimose sind z. B. nicht zusammengeschlagen, sondern ausgebreitet, aber, worauf es vor allem ankommt, bewegungslos. Bewegungsfähige Pflanzentheile, die normalen Verhältnissen ausgesetzt sind und auf den Einfluss des Beleuchtungswechsels zu reagiren vermögen, werden von Sachs als solche bezeichnet, die sich im Zustande des Phototonus be- finden. Es besteht also ein ausgeprägter Gegensatz zwischen dunkelstarren und phototonischen Pflanzentheilen. Die letzteren gehen, wenn sie constanter Dunkel- heit oder überhaupt einem zu wenig intensiven Licht ausgesetzt werden, allmäh- lmch in den Zustand der Dunkelstarre über. 552 System der Pflanzenphysiologıe. Zweites Kapitel. Die Ursachen der Variationsbewegungen. S$ 51. Die spontanen Variationsbewegungen. Man könnte von vorn- herein zu der Ansicht neigen, dass die spontanen Bewegungen, wie dieselben den Blättern von Desmodium, Mimosa, Oxalis etc. eigenthümlich sind, zu Stande kommen, indem immer nur die Turgorausdehnung der Zellen der einen Gelenk- hälfte eine Steigerung erfährt, die Expansionskraft in der antagonistischen Gelenk- hälfte aber zunächst keine Veränderung erleidet. Diese Ansicht muss aber als eine nicht zutreffende zurückgewiesen werden. PFEFFER!) hat nämlich gefunden, dass die Biegungsfestigkeit der Gelenke beweglicher Blätter unverändert bleibt, während die Organe beträchtliche Oscillationen ausführen. Dieses Beobachtungs- resultat zwingt zu der Annahme, dass dieGesammtspannung in den Bewegungsorganen während der Thätigkeit derselben (natürlich gleich bleibende äussere Bedingungen vorausgesetzt), keine wesentlichen Veränderungen erleidet, und dass die spontanen Variationsbewegungen zu Stande kommen, indem die Expansionskraft in der einen Gelenkhälfte zunimmt, in der antagonistischen Hälfte aber eine ent- sprechende Abnahme erfährt. Jede Steigerung der Expansionskraft muss mit einer Wasseraufnahme der betreffenden Zellen, jede Verminderung der Expansions- kraft mit einem Wasserverlust der Zellen verbunden sein, und somit ergiebt sich, dass in den Gelenken der oscillirenden Organe fortdauernd eine Wasserbewegung, die bald nach dieser, bald nach jener Seite hin gerichtet ist, erfolgt. S 52. Die durch Veränderung der Beleuchtungsverhältnisse indu- cirten Variationsbewegungen. Es ist im vorigen Kapitel hervorgehoben worden, dass die ausgewachsenen Blätter vieler Pflanzen unter dem Einfluss wechselnder Beleuchtungsverhältnisse (und ebenso, wie hier noch zu betonen, in Folge von Temperaturschwankungen) Stellungsveränderungen erfahren. Mit Bezug auf die Ursachen dieser Phänomene kann ich mich kurz fassen, da dieselben in vieler Hinsicht mit jenen Ursachen identisch sind, welche in wachsenden und zu nyctitropischen Bewegungen befähigten Pflanzentheilen zur Geltung kommen (vergl. $ 42). Die gesammten Variationsbewegungen, welche durch Beleuchtungswechsel zu Stande kommen, beruhen auf Turgorveränderungen in den bewegungsfähigen Organen. Während aber bei dem Stattfinden der spontanen Variationsbewegungen die Biegungsfestigkeit der Blattgelenke keine Schwankungen erfährt, sind die in Rede stehenden Bewegungen nach PFEFFER’s Untersuchungen mit einer bedeutenden Veränderung derselben verbunden. Verdunkelung der bewegungsfähigen Organe erhöht nämlich die Biegungsfestigkeit, die Steifheit und den Gesammtturgor derselben, während Beleuchtung im entgegengesetzten Sinne wirkt. Die Ver- dunkelung ruft in den reizbaren Organen eine Zunahme der Turgorausdehnung aller Zellen hervor, aber diese Zunahme macht sich, gerade wie bei den zu nyctitropischen Bewegungen befähigten wachsenden Pflanzentheilen, zunächst nur auf einer Seite der Organe und erst später auf der antagonistischen Seite geltend. Einer Schliessungsbewegung der reizbaren Blätter folgt daher immer eine Oeffnungs- bewegung derselben, und ebenso kommen noch Nachwirkungsphänomene zu Stande, die jenen im 42. Paragraph erwähnten sehr ähnlich sind. $ 53. Die durch Berührung oder Erschütterung hervorgerufenen !) Vergl. PFEFFER: Die periodischen Bewegungen der Blattorgane. 1875. pag. 88. V. Abschnitt. 2. Die Ursachen der Variationsbewegungen. 553 Variationsbewegungen.!) Mit Bezug auf die Mechanik der interessanten durch Berührung oder Erschütterung hervorgerufenen Variationsbewegungen der Pflanzen sind namentlich die Blätter von Mimosa pudica, sowie die Staubfäden der Cynareen häufig als Untersuchungsobjecte verwandt worden, und da die ge- wonnenen Resultate ohne Zweifel im Wesentlichen zugleich Gültigkeit für ander- weitige Pflanzentheile haben, so werde ich mich im Folgenden auf die Dar- stellung derjenigen Ergebnisse beschränken, zu denen man bei dem Studium der Ursachen der Variationsbewegungen jener genannten Pflanzentheile gelangt ist. Fassen wir zunächst die Blätter von Mimosa in ihrem Verhalten näher ins Auge, so ist noch einmal zu betonen, dass die sämmtlichen Formen der Variations- bewegungen derselben nur unter Vermittelung besonderer Bewegungsorgane, der Gelenkpolster, zu Stande kommen. Für das Verständniss der Mechanik der durch Berührung oder Erschütterung hervorgerufenen Variationsbewegungen ist es aber von besonderer Wichtigkeit, diese Organe näher kennen zu lernen, und ich muss denselben daher zunächst einige Aufmerksamkeit widmen. Das vollständig entwickelte, doppelt gefiederte Laubblatt der Mimosa pudica be- steht aus einem 4—6 Centim. langen Stiel, welcher vorn die secundären Stiele trägt, denen die Blättchen ansitzen. Die sämmtlichen Theile des Laubblattes sind durch Bewegungsorgane unter einander verbunden, und zwar finden sich die Gelenkpolster, um die es sich hier handelt, sowohl an der Basis des Hauptblatt- stieles, der secundären Stiele, sowie der einzelnen Blättchen vor. Das Bewegungs- organ des Hauptblattstiels ist von fast cylindrischer Gestalt und besitzt eine Länge von 4—5, eine Dicke von 2—.2,5 Millim. Jedes Bewegungsorgan wird von einem axilen, wenig dehnbaren Fibrovasal- strang durchzogen. Dieser ist von einem relativ mächtig entwickelten Parenchym- mantel umhüllt. Die Epidermis der Organe ist schwach entwickelt und spalt- öffnungsfrei. Die rundlichen Zellen des Parenchyms umschliessen zumal in der Nähe des axilen Stranges grosse, luftführende Intercellularräume. Erfahren die Blätter von Mimosa Erschütterungen, so treten die bereits oben erwähnten Phänomene ein. Der Hauptblattstiel senkt sich, die Einzelblättchen legen sich nach aufwärts zusammen. Will man die Erscheinungen, um die es sich hier handelt, specieller studiren, so darf man das Blatt nicht im Allgemeinen erschüttern, sondern man muss die einzelnen Theile desselben gesondert und vorsichtig berühren. Dabei zeigt sich, dass der Hauptblattstiel nur dann sofort Bewegungen ausführt, wenn die Unterseite seines Bewegungsorganes gereizt wird, während die Bewegung der Blättchen allen auf Reizung der Oberseite ihrer Gelenkpolster erfolgt. Uebrigens ist noch zu erwähnen, dass auch eine Fortleitung des Reizes in den Blättern beobachtet werden kann, denn die Reizung eines Blättchens ruft nicht nur die Bewegung eben dieses Pflanzentheils, sondern ebenso diejenige anderer Blättchen hervor. In den Bewegungsorganen der Mimosenblätter besteht eine erhebliche Spannung. Der Parenchymmantel ist im Zustande activer Spannung begriffen, indem die Zellen desselben lebhaft Wasser anziehen, und daher stark turgesciren. Das Parenchym sucht den axilen Strang, sowie die Epidermis zu dehnen, wird aber natürlich in seinem Ausdehnungsbestreben selbst durch diese Theile der ) Die wichtigste Literatur ist die folgende: MEvENn, Neues System d. Pflanzenphysiologie. Bd. 3. pag. 516; E. BrÜCKE, MÜLLER’s Archiv f. Annalen u. Physiologie. 1848. pag. 434 und Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. zu Wien. 1864. Bd. 50. 2. Abth.; Sachs, Handbuch d. Experi- mentalphysiologie u. Lehrbuch d. Botanik; PFEFFER, physiologische Untersuchungen. 1873. va 554: System der Pflanzenphysiologie. Gelenkpolster wesentlich behindert. In Folge eines Reizes zieht sich nun das Parenchym auf der für Reiz empfindlichen Seite der Bewegungsorgane (also z.B. bei den Hauptblattstielen das Parenchym der Unterseite) zusammen, während sich die für Reize unmittelbar unempfindliche antagonistische Seite des Parenchyms ausdehnt. Das Bewegungsorgan wird demnach auf seiner für Reiz empfänglichen Seite stets concav, auf der entgegengesetzten aber convex, und dadurch wird die Form der Variationsbewegung der einzelnen Theile des Mimosenblattes bestimmt. Es handelt sich nun vor allem um die Entscheidung der Frage, weshalb das Parenchym der reizbaren Seite der Gelenkpolster in Folge eines Reizes eine Verkürzung erfährt, denn diese Verkürzung ist ohne Zweifel als die wesentlichste Ursache der in Rede stehenden Variationsbewegungen anzusehen. Dabei ist be- sonders zu betonen, dass die Reizbewegungen, obgleich dieselben schliesslich zu ganz ähnlichen Stellungsveränderungen der Blätter führen, wie dieselben auch durch Dunkelheit hervorgerufen werden, dennoch auf ganz anderem Wege wie diese letzteren zu Stande kommen. Lichtmangel führt ja zu einer Steigerung des Gesammtturgors der Zellen der Bewegungsorgane und erhöht deren Biegungs- festigkeit, während es von entscheidender Bedeutung ist, dass, wie BRÜCKE in einer klassischen Abhandlung nachwies, Berührungen oder Erschütterungen die Biegungsfestigkeit und Steifheit der Gelenkpolster von Mimosa herabdrücken. Der ‘genannte Forscher nimmt schon an, dass jede Berührung oder Erschütterung zu einem Wasseraustritt aus den Parenchymzellen der reizbaren Gelenkhälfte führt, und die Richtigkeit dieser Anschauung ist durch PFEFFER’s werthvolle Arbeiten (vergl. namentlich physiologische Untersuchungen, pag. 32) durchaus sicher gestellt worden. Wird der Blattstiel einer Mzmosa durch einen scharfen Schnitt von dem Ge- lenk abgetrennt, und die Pflanze nun im dampfgesättigten Raume einige Zeit lang sich selbst überlassen, so beobachtet man, dass in Folge eines Reizes, dem das Bewegungsorgan ausgesetzt wird, Wasser aus der Schnittfläche hervorschiesst. Es sind aber nur die Zellen der reizbaren Seite der Gelenke, welche das Wasser verlieren, und zwar wird die Flüssigkeit im unversehrten Blatt, nachdem dieselbe von den früher lufterfüllten Intercellularräumen der Parenchymschichten der Bewegungsorgane aufgenommen worden ist, in diesen fortgeleitet. Ein kleines (Quantum des in Folge eines Reizes aus den Zellen des Parenchyms der Gelenke austretenden Wassers geht auch in das Gefässbündel über, wird in diesem fort: geleitet und veranlasst, wie DUTROCHET sowie PFEFFER zeigten, die bereits er- wähnte Fortleitung des Reizes von *einer berührten Stelle des Mimosa-Blattes zu einer nicht direkt gereizten. Nach alledem ist also der auf Reiz erfolgende Wasserverlust des Parenchyms der empfindlichen Gelenkhälfte die Ursache der Variationsbewegung. Einige Zeit nach eingetretener Reizbewegung füllen sich die Zellen auf's Neue mit Wasser, und die Mimosenblätter nehmen wieder die- jenige Stellung an, welche sie vor stattgehabtem Reiz zeigten. Es ist klar, dass die Zellen des Parenchyms der für Berührung empfindlichen Seite der Bewegungsorgane der Blätter von Mimosa in Folge eines Reizes eine Verminderung ihrer Turgorausdehnung erfahren. Ob diese Herabsetzung der Turgorausdehnung ihre Entstehung aber einer durch die Reizwirkung unmittelbar hervorgebrachten Senkung der Turgorkraft oder einer Modification der Wider- standsfähigkeit der dehnbaren Zellschichten verdankt, konnte bis jetzt nicht mit Sicherheit ermittelt werden. Was die Mechanik der Filamentbewegungen von Cynareen anbelangt, so Mi ir a y a der na nn Sa mich mit Rücksicht auf die vorstehenden Darstellungen kurz fassen. A 'h hier wird ein axiles Gefässbündel von einem Parenchymgewebe umgeben, d nach aussen folgt die Epidermis. Das Gefässbündel sowie die Epidermis Sind ‚negativ gespannt, während den Zellen des Parenchyms ein starkes Aus- fe _ dehnungsbestreben eisenthümlich ist. Besondere Bewegungsorgane fehlen den 4 Filamenten, vielmehr sind dieselben an allen Punkten fast gleich empfindlich für Reize. Sie contrahiren sich in Folge einer Berührung, es tritt eine bedeu- 2 Ri tende Verkürzung und Volumenveränderung des ganzen Pflanzentheiles ein, die auf eine Veränderung der Turgorausdehnung der Zellen des Parenchyms zurück- M geführt werden muss. Das die Zellen verlassende Wasser ergiesst sich in die zwischen den Zellen der Parenchymschicht vorhandenen Intercellularräume und kann bei der Wiederverlängerung der Filamente auf's Neue von den erwähnten Zellen aufgenommen werden. PRZFREN >. x a N % Mh rn Su ae De EN RR a ar RD v2 = a DS Ten BEE \,. tu , = w r #5 BR A a x ai ;: a « g " 1 a NET EWR Bl. s 4 $ Z I I E a rn, ET TE oe a eh N n Er a? | y j ” : E7 I, ue> En u = * F Ah .- > , a4 = “.- - $- x w = “ 2 em [2 f De Ye Nr £, 5 » [2 * p # RD Bi E. Die physiologischen Leistungen der Pllanzengewebe. Von Dr. G. Haberlandt. Erstes Kapitel. Einleitune. I. Das Princip der Arbeitstheilung. Das Gesammtleben der Pflanze setzt sich aus einer Reihe verschiedener physiologischer Functionen zusammen, welche vielfach und complicirt ineinander- greifen und deren Endzweck in der Entwickelung des werdenden, in der Er- haltung des ausgebildeten Individuums besteht. Die Bedeutung gewisser physio- logischer Vorgänge reicht sogar über das einzelne Individuum hinaus, indem die- selben die Erhaltung seiner ganzen Art zum Zwecke haben. — Damit dieses be- sondere und allgemeine Ziel erreicht werde, müssen die einzelnen physiologischen Functionen des Organismus möglichst ungestört und- sicher von Statten gehen, ihre Wechselbeziehungen müssen geregelt sein, sodass sie sich gegenseitig fördern und nicht etwa zum Hemmniss werden. Das wichtigste Mittel, welches dem Organismus zu Gebote steht, um die nothwendige Gleichmässigkeit und Sicher- heit seiner physiologischen Functionen zu erzielen, besteht in der Durchführung des Princips der Arbeitstheilung. Indem jede wichtige physiologische Leistung einem eigens dazu bestimmten Organe oder Gewebe übertragen wird, kann sich die weitgehendste Uebereinstimmung zwischen dem morphologischen Aufbau dieser einzelnen Apparate und den ihnen zugetheilten physiologischen Leistungen ausbilden. Die Arbeitstheilung ist also Ursache der morphologischen Differenzirung, welche die Organe und Gewebe der Pflanzen in bald höherem, bald geringerem Maasse aufweisen. Je entschiedener und vielseitiger das Princip der Arbeits- theilung durchgeführt wird, auf einer desto höheren Stufe der Entwickelung und Organisation steht die betreffende Pflanze. Auch viele einzellige oder, um mit SACHS zu sprechen, nicht celluläre Pflanzen lassen in ihrem Aufbau eine gewisse Arbeitstheilung nicht verkennen, die Zellmembran fungirt als schützende Haut und als Festigungsapparat, die Chlorophylikörner sind assimilatorische Organe, der Zellkern intervenirt möglicherweise bei den Fortpflanzungsprocessen und hat jedenfalls seine besondere Aufgabe. Wie weit bei einer nicht zelligen Structur die morphologische Differenzirung fortschreiten kann, dies lehrt uns z. B. die be- kannte Algengattung Cawlerpa, welche mit ihrem kriechenden Stengel und ihren SCHENK, Handbuch der Botanik. II. 36 558 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. wurzel- und laubblattähnlichen Organen den allgemeinen Habitus einer hoch- differenzirten, vielzelligen Pflanze nachahmt. Bei nicht cellulärem Bau ist aber die Herstellung der vor Allem erforderlichen Festigkeit des Organismus mit zu grossen Schwierigkeiten verknüpft. Die in der Cawlerpa zahlreich ausgespannten Cellulosefäden!) sind zwar eine ganz wirksame Versteifungseinrichtung, allein einer Landpflanze wäre damit nur wenig gedient. Dieselbe bedarf der wirksameren Aussteifung mittelst ganzer Cellulosewandungen, welche sich nach verschiede- nen Richtungen schneiden und derart eine fächerige, d. ı. zellige Structur der Pflanze bedingen. Den einfachsten Fall repräsentirt uns in dieser Hinsicht ein beliebiger Algen- oder Pilzfaden, dessen Querwände augenscheinlich den Zweck haben, in gewissen Abständen als Aussteifungsplatten zu fungiren, durch welche die dünne, zarte Celluloseröhre vor dem Einknicken bewahrt wird. Diese Quer- wände fächern die ganze Röhre,. sie zertheilen das gesammte Plasma in ebenso viele Portionen als Fächer gebildet wurden und damit ist die Röhre zu einem Zellfaden geworden. Die soeben angeführte Zerklüftung oder Zertheilung des Gesammtplasmas der Pflanze in einzelne kleine Portionen, welche nun zu selbstständigen Plasma- Individuen werden, ist für das Princip der Arbeitstheilung und die damit zusammen- hängende morphclogische Differenzirung des Organismus von grösster Tragweite. Es sind damit unzählige kleine Arbeiter, es sind Elementarorganismen gewonnen, welchen mit viel grösserer Leichtigkeit verschiedenartige Aufgaben zugewiesen werden können, als einem einzigen, unzertheilten, grossen Plasmakörper. Damit geht Hand in Hand eine leichtere, raschere und ausgiebigere Differenzirung des inneren und äusseren Baues der Pflanze. So bildet die zellige Structur des Pflanzenrleibes eine der nothwendigsten Voraussetzungen für eine durchgreifende Arbeitstheilung und ihre morphologischen Conse- quenzen. Dieser mit einem zelligen Aufbau verbundene Vortheil verliert nicht im Geringsten an seiner grossen Bedeutung, wenn er auch von der Natur nicht direkt angestrebt wurde, wenn er sich vielmehr gewissermassen als blosser Neben- gewinn einstellte, indem durch die Wandbildung und Fächerung im Innern der Pflanze zunächst eine mechanische Aussteifung bezweckt wurde, um grössere Pflanzenformen zu ermöglichen.?) — Uebrigens haben wir mit diesen Auseinander- setzungen bereits ein Gebiet betreten, auf welchem gegenwärtig noch die Hypothese herrscht. Die Frage nach den Ursachen und Vortheilen der zelligen Structur des Pflanzenkörpers liess sich aber in der Einleitung dieser Abhandlung, welche die physiologischen Aufgaben der Gewebe zum Gegenstande hat, nicht ganz bei Seite schieben. — II. Die anatomisch-physiologische Betrachtungsweise der Gewebe. Unter einer Gewebeform oder Gewebeart versteht man im Allgemeinen eine Verbindung von Zellen, welche ein oder mehrere bestimmte Merkmale ge- meinsam haben. Diese Merkmale können entwicklungsgeschichtlicher, topo- graphischer, morphologischer oder physiologischer Natur sein. So kann man z. B. Alles, was aus der äussersten Zellschicht des jugendlichen Pflanzentheiles, dem Dermatogen HansTeEiss hervorgeht, als eine bestimmte Gewebeart zusammen- I) Vergl. SCHWENDENER, Das mechanische Princip etc. pag. 168. 2, Sachs, Ueber die Anordnung der Zellen in jüngsten Pflanzentheilen, Arbeiten des botan. Institutes in Würzburg. Bd. IL. Heft I. pag. 90; ferner SCHWENDENER, Mechanisches Princip, pag. 167 u. 168. En . i. Einleitung. 559 fassen und als Epidermis bezeichnen. Das gemeinsame charakteristische Merkmal ihrer einzelnen Zellen ist in diesem Falle ihre entwicklungsgeschichtliche Her- kunft. Man könnte aber ebenso gut bloss die äusserste Zellschicht des ausge- wachsenen Pflanzentheiles als die mit dem Namen »Epidermis« zu bezeichnende Gewebeart hinstellen. Das charakteristische Merkmal ihrer Zellen würde dann aus- schliesslich in ihrer topographischen Lagerung zu suchen sein. In ähnlicher Weise können auch morphologische und physiologische Merkmale herangezogen werden, um die Epidermis als bestimmte Gewebeart zu charakterisiren. Man könnte vielleicht meinen, dass es im Grunde genommen von keiner grossen Bedeutung sei, nach welchem Eintheilungsprincip man bei der Classifi- cation der pflanzlichen Gewebe vorgeht, wenn nur das jeweilige Princip auch folgerichtig angewendet wird. Dagegen ist aber zu erinnern, dass in der Art der Eintheilung sich zugleich die ganze Betrachtungsweise wiederspiegelt, dass in ihr der Grundgedanke zum Ausdruck kommt, von welchem die jeweilige Forschungsrichtung geleitet wird. Ein Histologe, welcher die Gewebe nach rein morphologischen Merkmalen gruppirt, wird dieselbe in ganz anderer Weise schildern, jedem Detail einen ganz anderen Platz zuweisen, als ein anderer Forscher, der die Gruppirung nach entwicklungsgeschichtlichem oder physio- logischem Principe vornimmt. Von diesem Gesichtspunkte aus sind die nach- folgenden Erörterungen aufzufassen. Die Abgrenzung der verschiedenen Gewebearten wird natürlich verschieden ausfallen, je nach dem Eintheilungsprincipe, welches man zur Anwendung bringt. Um aber eine möglichst natürliche, im Wesen der Sache selbst begründete Ein- theilung und Abgrenzung vornehmen zu können, wird man sich zunächst die Frage zu beantworten haben, welche Art von Merkmalenfür die einzelnen Gewebearten am meisten charakteristisch sei? Die Antwort auf diese Frage wird nun durch den Umstand nahe gelegt, dass die Differenzirung des Pflanzenkörpers in verschiedene Gewebearten eine Folge des Princips der Arbeits- theilung ist, dass mithin die wirklich charakteristischen Merkmale der Gewebe mit ihren physiologischen Functionen im engsten Zusammenhange stehen müssen. Jede physiologische Function setzt einen bestimmten anatomischen Bau voraus, welcher sich mit ihr in Uebereinstimmung befindet. Demnach kann jedes morphologische Merkmal eines Gewebes, von dem die angeführte Uebereinstimmung nachgewiesen worden, als ein anatomisch-physiologisches Merkmal bezeichnet werden. Es ist nach alledem einleuchtend, dass die Eintheilung und Abgrenzung der verschiedenen Gewebearten nach anatomisch-physiologischen Kennzeichen unter allen Eintheilungsweisen die natürlichste ist und auf breitester Grund- lage ruht. Für die Pflanze hat die Verschiedenartigkeit der Gewebe bloss in- sofern einen Sinn und eine Bedeutung, als damit zugleich eine Verschiedenheit der physiologischen Functionen verknüpft ist; würde die Forschung sachgemäss handeln, wenn sie die Verschiedenheit der Gewebe von anderen Gesichtspunkten aus betrachten wollte? Die Anwendung des anatomisch-physiologischen Eintheilungsprincipes in der Lehre von den pflanzlichen Geweben datirt erst seit verhältnismässig kurzer Zeit. Im Jahre 1874 veröffentlichte S. SCHWENDENER, damals Professor der Botanik in Basel, sein grundlegendes Werk über »Das mechanische Princip im anatomischen Bau der Monocotylen,«!) in welchem zum ersten Male die Ab- ) Der vollständige Titel des Werkes lautet: Das mechanische Princip im anatomischen Bau der Monocotylen, mit vergleichenden Ausblicken auf die übrigen Pflanzenklassen. Mit 36 = 560 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe, grenzung und Charakterisirung eines Gewebesystems nach anatomisch-physio- logischen Merkmalen consequent durchgeführt wurde. Es war dies das mecha- chanische Gewebesystem, das Skelet der Pflanzen, dessen Bau und Anordnung auf Grund seiner physiologischen Function die überzeugendste Erklärung fand. Wenn auch in diesem Werke nicht direkt ausgesprochen wurde, dass die botanische Forschung bei diesem einen anatomisch-physiologischen Gewebesystem nicht stehen bleiben dürfe, so konnte doch nur ein kurzsichtiger Leser daran zweifeln, dass die Aufstellung des mechanischen Gewebesystems bereits von der Voraussetzung ausging, es sei die naturgemässeste Eintheilung und Betrachtung der Gewebe auf anatomisch-physiologischer Grundlage durchzuführen. Uebrigens hat SCHWENDENER alle diesbezüglichen Zweifel in einer Rede zerstreut, welche er als Mitglied der königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin in der öffent- lichen Sitzung zur Feier des Leieniz’'ischen Jahrestages am 8. Juli 1880 abhielt, und aus welcher an dieser Stelle jener Absatz reproduzirt werden möge, welcher die Ziele der anatomisch-physiologischen Betrachtungsweise klar und bündig kennzeichnet. Nachdem SCHWENDENER seine Mitarbeiterschaft an dem gemeinschaftlich mit NÄGELI verfassten Werke »Das Mikroskop« erwähnt hatte, lautete die Fortsetzung seiner Rede folgendermassen: »Meine Vorliebe für exactwissenschaftliche Arbeiten wurde dadurch nur bestärkt; die bloss beschreibende Anatomie und Entwicklungs- geschichte vermochte mich nicht mehr zu befriedigen. Es war mir Bedürfniss geworden, eine Vertiefung des mikroskopischen Studiums dadurch anzustreben, dass ich es versuchte, für die anatomischen Thatsachen, welche den Bau und die Anordnung bestimmter Gewebe betreffen, das sie beherrschende Princip aufzu- finden. Ich glaube auf diesem Wege eines der ausgeprägtesten anatomischen Systeme, dasjenige nämlich, welches die Festigkeit der pflanzlichen Organe be- dingt, als eine nach den Grundsätzen der Mechanik ausgeführte und den äusseren Lebensbedingungen angepasste Construction dargestellt und damit nach Bau und Function richtig erkannt zu haben. Es ist dies allerdings nur ein kleiner Schritt nach einem entfernten Ziel; was mir vorschwebt, ist eine in analoger Weise durch- geführte anatomisch-physiologische Betrachtung der sämmtlichen Gewebesysteme, mit Einschluss der lokalen Apparate zu bestimmten Zwecken, in gewissem Sinne also eine Physiologie der Gewebe, welche das zwar stattliche und durch ernste Arbeit zu Stande gebrachte, aber an sich doch todte Lehrgebäude der Anatomie durch die Klarlegung der Beziehungen zwischen Bau und Function zu ergänzen und neu zu beleben, in manchen Einzelheiten wol auch naturgemässer zu gliedern hätte.« Dieses sind also die Ziele der »anatomisch-physiologischen Forschungsrichtung«, welche von ihrem Begründer und seinen Schülern (darunter auch dem Verfasser der vorliegenden Abhandlung), bei allen anatomischen und histologischen Unter- suchungen zur Richtschnur genommen werden. Die vorliegende Abhandlung basirt zum grossen 'T’heile auf den bisher veröffentlichten Arbeiten dieser Schule und bildet so ein abgerundetes und durch verschiedene neue Beobachtungen ergänztes Referat über diese Arbeiten. Denn was bisher von anderen Forschern über die physiologischen Leistungen der vegetabilischen Gewebe mit Rücksicht auf die Uebereinstimmung zwischen Bau und Function gesagt wurde, beschränkt 13 Holzschnitten und 14 lithogr. Tafeln in Farbendruck. Leipzig, Verlag von Wilhelm Engel- mann. 1874. ı. Einleitung. 561 sich mit wenigen Ausnahmen auf bloss gelegentliche Bemerkungen oder aphoristisch hingeworfene Ideen. Gerade auf diesem Gebiete kann aber bloss ein planvolles Arbeiten, ein consequentes Verfolgen der Grundidee zu wahrhaften und dauernden Erfolgen führen. Zum Verständnisse der folgenden Abschnitte dürfte es nicht unwesentlich bei- tragen, wenn ich anschliessend an diese einleitenden Bemerkungen es versuche, die allgemeine Stellung der anatomisch-physiologischen Forschungsrichtung und ihren Zusammenhang mit den anderen Zweigen der Botanik eingehender zu be- sprechen. Zu diesem Behufe sei es mir gestattet etwas weiter auszuholen. Auf jede morphologische Eigenschaft eines Organismus, mag sie nun in der Form einer bestimmten Zelle, im Bau ihrer Wandungen, in der Anordnung eines Gewebes, in der Stellung eines Organes etc. bestehen, lässt sich das Causalitäts- prineip in doppelter Weise anwenden. Indem wir die morphologische Eigen- schaft als Wirkung auffassen, können wir nach zwei Seiten hin nach ihren Ur- sachen forschen und demgemäss zwei diesbezügliche Fragen stellen. Die erste Frage lautet: Welche Combination von chemischen und physikalischen Kräften bewirkt das Zustandekommen der morphologischen Erscheinung? Die Antwort auf diese Frage erklärt uns das jeweilige Factum auf causal-mechanische Weise. Die zweite Frage dagegen lautet folgendermassen: Welchen Endzweck hat die morphologische Thatsache für den Organismus als lebendes Wesen? Mit anderen Worten: welches ist ihre physiologische Function, und in welcher Weise giebt sich die morphologische Thatsache als Mittel zu diesem Zwecke zu erkennen? Auch die Beantwortung dieser Frage erscheint als Causal-Erklärung, indem sie die Function als Ursache, die damit übereinstimmende morphologische Eigen- schaft als Wirkung hinstellt. Es ist dies aber keine mechanische, sondern eine teleologische Erklärung. Den anscheinend unüberwindlichen Gegensatz dieser beiden Erklärungsweisen aufzulösen, den inneren Zusammenhang zwischen den »wirkenden Ursachen« (causae efficientes) und den Endursachen fcausae finales) klar zu legen: diese Aufgabe bildet bekanntlich eines der ältesten und wichtigsten Probleme des philosophischen Denkens. Unabhängig von einander können die wirkenden und die Endursachen gleichzeitig nicht bestehen. Die exacte Naturforschung wenigstens musste ein solches unvermitteltes Nebeneinander perhorresciren, und da sie auf die Ergründung der mechanischen Ursachen des Zustandekommens der Natur- erscheinungen nicht verzichten durfte, ohne ihren Charakter als exacte Forschung aufzugeben, so musste sie consequenter Weise alle teleologischen Erklärungsver- versuche bis auf Weiteres von ihrem Gebiete streng ausschliessen. Durch einen »Zauberschlag des Genies« wurde nun auf einmal die Scheide- wand durchbrochen, welche die mechanische und teleologische Erklärungsweise trennte und der lang zurückgestaute Strom der Forschung konnte sich unge- hindert in das neue breite Bett ergiessen. Dem Scharfsinne CHARLES DArwın’s blieb es bekanntlich vorbehalten, für die teleologische Erklärungsweise die mechanische Formel zu finden. Im »Kampfe ums Dasein« werden nur jene morphologischen Variationserscheinungen durch Vererbung fixirt, welche einen möglichst sicheren, vollständigen und glatten Verlauf aller physiologischen Func- tionen gewährleisten. Oder genauer gesagt, es bleiben diejenigen Combinationen von chemischen und physikalischen Kräften durch Vererbung erhalten, welche bei jedem einzelnen Individuum der betreffenden Species die vortheilhaften 562 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. morphologischen Eigenschaften causalmechanisch hervorrufen. So werden die wirkenden Ursachen mit den Endursachen verknüpft; die einen bewirken das Zustandekommen der morphologischen Thatsache in der Entwicklung des ein- zelnen Individuums, die anderen dagegen bewirken das Gleiche in der historischen Entwicklung der ganzen Species. — Weil es nun, wie wir oben gesehen haben, die Aufgabe der anatomisch- physiologischen Forschungsrichtung ist, den Causalnexus zwischen Bau und Func- tion aufzudecken, d. h. den Bau der Pflanzengewebe auf Grund ihrer physiologi- schen Leistungen zu erklären, so hat diese Richtung selbstverständlich die An- erkennung der Grundlehren des Darwinismus zur Voraussetzung; sie überträgt diese I,ehren auf das histologische Gebiet, sie weist den anatomischen Bau und die Anordnung der Gewebe als eine Reihe von Anpassungserscheinungen nach. So giebt sich die ganze Richtung als ein Zweig darwinistischer Forschung zu erkennen. Fassen wir die Beziehungen der neuen Richtung zu den einzelnen Zweigen der Botanik ins Auge, so haben wir zunächst an die descriptive Anatomie und Histologie zu denken. Vor dieser hat die anatomisch-physio- logische Betrachtungsweise Alles voraus, was eine erklärende Wissenschaft der bloss beschreibenden voraus hat. Besonders ist zu betonen, dass eine im wahren Sinne des Wortes vergleichende Anatomie der Pflanzen erst auf Grund der Ergebnisse aufgebaut werden kann, welche die anatomisch-physiologische Richtung zu Tage fördert. Denn vor Allem handelt es sich hier darum, Ver- gleichbares zu vergleichen; wenn aber, wie in der descriptiven Anatomie, die Eintheilung und Abgrenzung der Gewebe blos nach rein morphologischen Merk- malen erfolgt, welche nach Gutfinden herausgegriffen werden, worin liegt dann die Gewähr, dass nicht Unvergleichbares verglichen wird’ In der That ist die rein descriptive Anatomie dieser Gefahr oftmals genug unterlegen. So sind z. B. unter den Begriff der »Markstrahlen« ganz heterogene Dinge zusammengefasst worden. Auch der Begriff der »Hautgewebe« erwiess sich dehnsamer, als für eine richtige Vergleichung nützlich war. Ferner wäre auch noch darauf hinzu- weisen, dass die descriptive Anatomie alle Abweichungen vom gewöhnlichen Bau der Organe und Gewebe als unverständliche »Anomalien« aufzufassen ge- zwungen ist, während die physiologische Anatomie solche Anomalien als An- passungserscheinungen an besondere Lebensbedingungen nachweist und sie der- art als Prüfsteine für die Richtigkeit ihrer Vorstellungen verwerthet. Welche der beiden Richtungen die Einheit der Naturauffassung mehr fördert, steht ausser Frage. Verschiedenartig sind die Beziehungen der anatomisch-physiologischen Be- trachtungsweise zur entwicklungsgeschichtlichen Forschung. Zunächst ist es von Interesse zu erfahren, aus was für Bildungsgeweben jedes einzelne anato- misch-physiologische Gewebesystem hervorgeht. Ist dasselbe eine entwicklungs- geschichtliche Einheit, oder werden verschiedene Bildungsgewebe zu seiner Her- stellung verwendet? Nach allem bisher Bekannten ist letzteres der Fall. Die entwicklungsgeschichtliche Herkunft der einzelnen Systeme ist überaus verschieden- artig und man geht kaum zu weit, wenn man in dieser Hinsicht behauptet, dass Alles aus Allem werden könne. Mit dieser Erkenntniss wird aber der Entwicke- lungsgeschichte, deren Bedeutung auf histologischem Gebiete vielfach überschätzt wurde, wieder der ihr gebührende Platz zugewiesen. Es geht nicht an, den fertigen Zustand gewissermassen als letztes Entwicklungsstadium zu betrachten, ZA % N Ze Ka a E eo. “ Bl mr? » Fr „* i js 1. Einleitung. 563 und »über das voir venir die Dinge selbst, die da kommen sollen, zu vernach- lässigen.«!) Dass der Entwicklung ein bestimmtes Ziel gesteckt ist, wird aber desto klarer werden, je mehr wir an dem fertigen Zustande nicht blos die morpho- logische, sondern gleichzeitig auch die functionelle Seite ins Auge fassen. — Wenn man diese doppelte Betrachtungsweise auch beim Studium der Entwicklungs- geschichte acceptirt, dann erweitert sich der Rahmen dieses Forschungszweiges in sehr erwünschter Weise. Wir werden uns dann nicht mehr mit der blossen Er- kenntniss der morphologischen Aenderungen begnügen, welche ein bestimmtes Gewebe im Laufe seiner Entwicklung erfährt, sondern gleichzeitig auch zu erforschen trachten, in welcher Weise das sich entwickelnde Gewebe allmählich immer tauglicher wird, die physiologische Function zu erfüllen, zu welcher es im fertigen Zustande bestimmt ist. So macht sich auch in der Entwicklungsgeschichte ein physiologischer Gesichtspunkt geltend; es wird die Entwicklungsgeschichte der physiologischen Function verfolgt, die ja nicht plötzlich und unvermittelt be- ginnt, nachdem das betreffende Gewebe seine vollständige Ausbildung erreicht hat). Die Entfremdung welche sich auf dem Gebiete der Botanik zwischen anato- mischer und physiologischer Forschung allmählich eingestellt hatte, war auch der Entwicklung der Pflanzenphysiologie nicht günstig. Wenn der Physiologe sich beim Anatomen oder Histologen in irgend einer Frage Raths erholen wollte, dann wurde ihm meist mit rein morphologischen Thatsachen gedient, die ihn be- greiflicherweise nicht zufriedenstellen konnten. Denn der Anatom scheute sich bei seinen Untersuchungen vor einer »unwissenschaftlichen Vermengung« von morphologischen und physiologischen Gesichtspunkten; der Physiologie aber blieb unter solchen Umständen nichts übrig, als sich einseitig auf ihre chemisch-physi- kalischen Methoden zu beschränken. So lange man nicht genau weiss, welchen physiologischen Functionen die verschiedenen Gewebe angepasst sind und wie diese Anpassung durchgeführt ist, fehlen ja die meisten Anhaltspunkte für eine richtige Beurtheilung der Aenderungen, welche durch abgeänderte Lebensbe- dingungen im anatomischen Bau der Pflanze hervorgerufen werden. Erst die Er- gebnisse der anatomisch-physiologischen Betrachtungsweise werden auch den Experimental-Physiologen veranlassen, bei seinen Untersuchungen häufiger als bis- her des Mikroskops sich zu bedienen. Die Fragen des Heliotropismus und Geotropismus, des Saftsteigens etc. würden sich wahrscheinlich in manchen Punkten rascher klären, wenn man auf die anatomische Untersuchung der dem Experimente unterworfenem Objecte ein grösseres Gewicht legen würde. — Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, dass die anatomisch-physiologische Richtung allmählich auch auf die Systematik von Einfluss werden und die Verwandtschaftsverhältnisse der Pflanzen klarlegen helfen wird. Unsere gegen- wärtige Systematik der Phanerogamen ist fast ausschliesslich eine Blüthen- systematik;?) sie nimmt nicht gleichmässig auf den gesammten inneren und äusseren Bau der Pflanze Rücksicht, sondern bevorzugt die äussere Gestaltung bestimmter Organe und Organsysteme in auffälligster Weise. Mit der Annahme, l) pe BAary, Vergleichende Anatomie. Vorwort. pag. IX. 2) Meines Wissens liegen bisher in der bot. Literatur nur wenige Arbeiten vor, welche von ähnlichen Gesichtspunkten ausgehen; vergl. u. A. die Abhandlung v. HÖHnEL’s »Ueber den Gang des Wassergehaltes und der Transpiration bei der Entwickelung des Blattese in WOLLNYs Forschungen auf dem Gebiete der Agrikulturphysik. I. Bd. 4. Heft. 3) Vergl. SCHWENDENER, Mechanisches Princip. pag. 173. 564 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. dass die Eigenthümlichkeiten des Blüthenbaues die natürlichen Verwandtschafts- ' beziehungen der höheren Pflanzen am klarsten und ungefälschtesten zum Ausdruck bringen, hilft man der Blüthensystematik noch keineswegs über jene Klippen hinweg, welche allen mehr oder weniger künstlichen Systemen gefährlich werden; denn die Voraussetzung, dass die Organe der Blüthe die nach Form, Zahl und Stellung beständigsten, durch äussere Einflüsse am wenigsten leicht abzuändernden Theile der Pflanze seien, trifft durchaus nicht immer zu. Man weiss gegen- wärtig, dass die Organe der Blüthe, mit allen Eigenthümlichkeiten ihrer Form und Stellung, ebenso allmählich auf dem Wege der natürlichen Züchtung als Anpassungserscheinungen herangebildet wurden, wie die übrigen, vegetativen Organe der Pflanze. Die moderne Blumentheorie hat gerade im Bereiche des Blüthenbaues die merkwürdigsten und complicirtesten Anpassungen an äussere Verhältnisse, speciell an die Lebensgewohnheiten der Insektenwelt nachgewiesen und so den Glauben an eine wenn auch nur relative Formbeständigkeit im Blüthenbau der Pflanze sehr erschüttert. Neuerdings hat auch SCHWENDENER'S »Mechanische T'heorie der Blattstellungen« zu einer mehr skeptischen Auffassung des Werthes der Blüthencharaktere beigetragen; in diesem Werke wurde nämlich gezeigt, dass die Stellungen der Organe in der Blüthenregion von genau denselben mechanischen Bedingungen abhängen wie in der Laubblattregion, dass die »Juxtappositionstheorie« hier wie dort den Schlüssel zu einer mechanischen Erklärung der Stellungsverhältnisse darbietet. In der Blüthenregion treten sogar die verschiedenartigsten Störungen hinsichtlich der Zahl und Stellung der Organe noch leichter auf als in der vegetativen Region, weil die »Mechanik des Blüthen- baues« entsprechend complicirter ist. — Es muss hiernach in hohem Grade wünschenswerth erscheinen, auch die Ergebnisse der vergleichend anatomischen Forschung zu systematischen Zwecken verwerthen zu können und so das »natürliche Pflanzensystem« auf eine breitere Grundlage zu stellen. Es ist zwar schon viel über den systematischen Werth anatomischer Charaktere geschrieben worden, doch wurde bislang eine Einigung hierüber nicht erzielt. Einzelne Versuche waren in dieser Hinsicht von Erfolg begleitet; so ist z. B. die systematische Bedeutung des anatomischen Baues der Samenschalen schon wiederholt hervorgehoben worden. Von anderer Seite konnte man dagegen auf Arbeiten hinweisen, aus welchen die Unbrauchbarkeit anatomischer Charaktere für Zwecke der Systematik deutlich hervorzugehen schien. Unter diesen Arbeiten ist namentlich Fr. Kamienskts »Vergleichende Anatomie der Primulaceen« (Halle 1879) beachtenswerth. Mit besonderer Rücksichts- nahme auf diese Arbeit hat nun vor Kurzem WESTERMAIER!) eine sehr dankens- werthe Erörterung der ganzen Frage vorgenommen und namentlich die Gesichts- punkte klargelegt, von welchen aus eine erfolgversprechende Heranziehung ana- tomischer Charaktere zu Zwecken der Systematik allein möglich ist. Er betont mit Recht, dass es sich hierbei vor Allem darum handle, nur Vergleichbares zu vergleichen, und dass bloss die aus einer solchen Vergleichung hervorgehenden Resultate für die Systematik verwerthbar seien. Ebenso wie bei ein und derselben Pflanze die unterirdischen Organe einen ganz andern Bau zeigen, als die ober- irdischen, werden auch die gleichwerthigen Organe von nahe verwandten Pflanzen- formen, welche aber verschiedenen Standorten angepasst sind, einen vielleicht ') Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Pflanzen. I. die Ausbildung des mechanischen Gewebesystems als Familiencharakter. Monatsberichte der k. Akademie der Wissenschaften in 3erlin. 1881. pag. 1056. oa RE Er ; 1. Einleitung. 565 sehr verschiedenen anatomischen Bau zeigen, ohne dass selbstverständlich aus diesem Umstande zu folgern wäre, die anatomischen Merkmale seien für die Syste- matik werthlos. Wenn in einer Gruppe unzweifelhaft zusammengehöriger Pflanzen eine wasserliebende Species sich befindet, während die übrigen ausgesprochene Landbewohner sind, so wird es Niemand überraschend finden, wenn der ana- tomische Bau jener einen Species einen in Manchem abweichenden Charakter aufweist, wenn z. B. ihr Grundgewebe von grossen Lufträumen durchzogen wird, welche dem Grundgewebe der landbewohnenden Formen fehlen. Ganz analoge Erscheinungen können sich ja auch im Bau der Blüthen zeigen. Stellen wir uns vor, in einer Gruppe von nahe verwandten Pflanzen seien die Blüthen aller Species bis auf eine an den Besuch kurzrüsseliger Insekten, z. B. der Fliegen, angepasst; diese eine Species dagegen sei auf den Besuch langrüsseliger Schmetter- linge angewiesen; dann wird sich die Blüthe dieser einen Species höchst wahr- scheinlich durch auffallende Spornbildungen oder langröhrige Blumenkronen, auf deren Grund der Nektar ausgeschieden wird, von den Blüthen der übrigen Species sehr wesentlich unterscheiden!). Ebensowenig als nun der Systematiker sich durch derartige abweichende Blüthenbildungen beirren lässt, von welchen er weiss, dass sie mit bestimmten biologischen Eigenthümlichkeiten zusammen- hängen, — ebensowenig darf er andererseits auf jene Abweichungen im ana- tomischen Bau der Pflanzen Gewicht legen, von welchen man nachweisen kann, dass sie gleichfalls nur der morphologische Ausdruck besonderer biologischer Eigenthümlichkeiten sind. Die Möglichkeit diesen Nachweis zu führen, bildet nun allerdings eine Voraussetzung für die richtige Beurtheilung des systematischen Werthes ana- tomischer Charaktere. Wenn man von einem bestimmten Gewebe nicht an- zugeben weiss, welcher Function es dient und in welcher Weise es als Werk- zeug dieser Function dient, dann nützen alle Kenntnisse über seinen ana- tomischen Bau nur wenig, weil man die primären von den secundären oder richtiger, die früher erworbenen von den später erlangten Merkmalen nicht zu unterscheiden im Stande ist. Zu diesen »secundären« Merkmalen rechnen wir alle diejenigen anatomischen Charaktere, welche sich aus einer relativ späten Anpassung an besondere TLebensverhältnisse ergeben. Ein Beispiel, welches ich der Abhandlung WESTERMAIER’s entnehme, wird das Gesagte noch deutlicher machen. Die Blüthenschäfte fast aller Primulaceen besitzen als biegungsfeste Organe einen Bastring, beziehungsweise einen Hohlcylinder aus Bastgewebe; der Blüthenschaft von Cyclamen dagegen weist an Stelle eines Bastringes bloss einen sehr schwach entwickelten subepidermalen Collenchymring auf. Nun ist es aber eine bekannte biologische Eigenthümlichkeit desBlüthenschaftes von Cyclamen, dass sich derselbe zur Zeit der Fruchtreife schraubig einrollt. Diese Einrollung wäre bei Vorhandensein eines verhältnissmässig starren Hohlcylinders aus Bast- gewebe unmöglich, die Ausbildung eines solchen unterbleibt also, und das den- selben vertretende subepidermale Collenchymgewebe ist geschmeidig genug, um dem mechanischen Vorgange der Einrollung keinen nennenswerthen Widerstand entgegenzusetzen. Hier ist also die Stellvertretung des Bastringes durch schwach I) Derartige Anpassungen seitens einiger weniger Species eines grösseren Formenkreises kommen thatsächlich vor. Von den Gentiana-Arten der Hochalpen besitzen einige (G. bavarica und verza) »Schwärmerblumen« mit auffallend langen Blumenröhren. Vergl. H. MÜLLER, Die Wechselbeziehungen zwischen den Blumen und den ihre Kreuzung vermittelnden Insekten, Encyklopädie der Naturwissenschaften. Handbuch der Botanik. I. B. pag. 62, 566 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. ausgebildetes Collenchym ein unwesentliches anatomisches Merkmal, weil es durch die vorhin erwähnte biologische Eigenthümlichkeit des Blüthenschaftes bedingt wird. In ähnlicher Weise gelingt es nun WESTERMAIER, sämmtliche von KAMIENSKI aufgestellten fünf Typen im Stengelbau der Primulaceen, welche die Unbrauch- barkeit anatomischer Charaktere zu Zwecken der Systematik darthun sollten, mit den biologischen Eigenthümlichkeiten der betreffenden Formen in Beziehung zu setzen, oder doch eine solche Beziehung sehr wahrscheinlich zu machen. Wenn man von all diesen Beziehungen und ihren anatomischen Consequenzen absıeht, so gelangt man mit WESTERMAIER zu dem Ergebniss, dass im Vorhanden- sein eines Bastringes mit innenseitig angelegten Mestombündeln ein anatomischer Familiencharakter der Primulaceen zu erblicken ist. Aus dem bisher Gesagten geht wohl zur Genüge hervor, dass die Systematik nur an der Hand der anatomisch-physiologischen Betrachtungsweise in die Lage versetzt wird, auch die anatomischen Charaktere der verschiedenen Pflanzenformen in den Bereich ihrer vergleichenden Untersuchungen zu ziehen. »Der Grad des Erfolges hängt auf’s Innigste mit dem Stand der Gewebephysiologie zusammen; je grösser die Zahl der nach Bau und Function durchforschten Gewebesysteme, desto sicherer sind die aus solchen Vergleichen gezogenen Folgerungen, desto umfassender gestalten sich die Schlüsse auf die wahre Verwandtschaft der Ge- wächse.« Bisher sind nun derartige Untersuchungen bloss mit Rücksicht auf das mechanische Gewebesystem angestellt worden. Bereits SCHWENDENER hat in seinem schon mehrmals erwähnten Werke!) darauf aufmerksam gemacht, dass in der Ausbildung des mechanischen Systems bei den Cyperaceen noch heutzutage jene Schwankungen zum Ausdruck kommen, welche einst beim Uebergange von den Cyperaceen zu den lilienartigen Gewächsen (oder umgekehrt) stattgefunden haben; »es ist dies einer der Fälle, setzt der Verfasser hinzu, wo die Metamorphosen des mechanischen Systems in der gegenwärtigen Vegetation vollständiger ver- treten sind, als diejenigen der Blüthe und Frucht.« Ebenso werden wol noch in vielen anderen Fällen die anatomischen Charaktere auf Verwandtschaftsver- hältnisse ein Licht werfen, zu deren Erkennung das Studium des Blüthenbaues nur wenig oder gar nichts beiträgt. Zu den gelungenen Versuchen auf diesem Gebiete wäre schliesslich noch die von E. Hacker?) vorgeschlagene Eintheilung der Feszwcae auriculatae nach der Ausbildungsweise des mechanischen Gewebesystems in den Laubblättern beizuzählen. Diese Gruppe von Zestuca-Arten macht dem Systematiker wegen der grossen Unbeständigkeit ihrer im Bereiche des Blüthenstandes auftretenden morphologischen Charaktere grosse Schwierigkeiten. »Die Variationen in Bezug auf Form, Grösse, Behaarung und Begrannung der Spelzen, Ausbreitung der Rispe etc. standen, wie wir annehmen müssen, in keinem Zusammenhange mit den Lebensbedingungen der Pflanze,« sie wurden nicht fixirt und wechseln deshalb noch heute stets von Neuem. Dagegen waren die Variationen in der Ausbildung des mechanischen Systems der Laubblätter in Bezug auf die Stand- ortsverhältnisse bald vortheilhaft, bald unvortheilhaft; die ersteren wurden dem- nach allmählich fixirt und so lassen sich nun mit Hacker drei Gruppen der Festucae auriculatae unterscheiden: ı. Cydndricae, Blatt zusammengedrückt ) Mechanisches System etc. pag. 73. *) Zur Kenntniss der ungarischen Festuca-Arten, Terme&szetrajzi füzetek. IL B. 4. Abth. 1878. Br VL a a a Pa . er SR Kehle { EL, of 4 Az er 1 ‚ 2, h e: 1. Einleitung. 567 ceylindrisch, sehr starr; unter der Epidermis der Unterseite eine continuirliche, gleichdicke Bastlage. 2. Canaliculatae; Blatt im frischen Zustande platt-cylindrisch, ziemlich starr; unter dem Mittelnerv und an den Rändern grosse und breite Bastbündel. 3. Angwiatae; das Blatt weit schlaffer und zarter als bei den vorigen Typen; unter jedem Gefässbündel ein ungefähr gleichdicker subepidermaler Bast- strang. Diese anatomischen Charaktere sind nach HackEL von grosser Constanz und desshalb sehr gut verwerthbar, um darauf eine feste Gruppirung der ein- zelnen Arten zu basiren. Wenn nun auf diese Weise die morphologischen Con- sequenzen biologischer Eigenthümlichkeiten, welche wir vorhin als secundäre Merkmale bezeichneten, den Zwecken der Systematik dienstbar gemacht werden, so befinden wir uns, nach der Anerkennung eines solchen Verfahrens, in einem scheinbaren Widerspruche mit unseren obigen Ausemandersetzungen. Allein es ist nicht zu vergessen, dass die Aufgabe der Systematik eine doppelte ist. Sie hat erstens das Gemeinsame der verschiedenen Formen, und somit ihre Ver- wandtschaftsbeziehungen zu ermitteln; auf diese Weise vereinigt sie die ver- schiedenen Formen in höhere systematische Einheiten, in Familien, Ordnungen u. s. w. Bei der Lösung dieser Seite ihrer Aufgabe muss die Systematik offen- bar in der oben erwähnten Weise vorgehen, indem sie von den biologischen Eigenthümlichkeiten der einzelnen Formen und ihrer morphologischen Folge- erscheinungen vollständig absieht. Die Systematik hat aber auch die Aufgabe, das Unterscheidende der einzelnen Formen festzustellen, dieselben ausein- anderzuhalten und zu diesem Behufe stützt sie sich naturgemäss am sichersten auf jene morphologischen Merkmale, welche mit den biologischen Eigenthümlich- keiten der einzelnen Formen im direktesten Zusammenhange stehen Wenn wir uns nunmehr der Pflanzengeographie zuwenden, so erscheint uns die anatomisch-physiologische Betrachtungsweise der Organe und Gewebe dazu berufen, auf die Methode der pflanzengeographischen Forschung geradezu reformirend einzuwirken. Es ist bekanntlich Aufgabe dieses Zweiges der Botanik, die Verbreitung der Pflanzenwelt auf der Erde festzustellen und die Ursachen klarzulegen, welche die räumliche Anordnung der Vegetation beherrschen. Diese Ursachen sind theils historischer Art, indem die gegenwärtige Anordnung der Gewächse an ihre Vertheilungsweise in früheren geologischen Perioden sich an- schliesst, theils sind sie klimatischer Art, weil jede Pflanze nur dort dauernd be- stehen kann, wo sie die ihr zusagenden klimatischen Existenzbedingungen findet. Es herrscht also eine Uebereinstimmung zwischen den klimatischen Ansprüchen der Pflanze und den klimatischen Verhältnissen ihres Verbreitungsgebietes und diese Uebereinstimmung wird begreiflicherweise im morphologischen Aufbau der Pflanze einen entsprechenden Ausdruck finden. Schon die äussere Gestaltung der Vegetationsorgane, die physiognomische Ausbildung des ganzen Individuums wird Anhaltspunkte darbieten, um dem Zusammenhange zwischen Bau und Klima nachzuforschen und die von Ar. v. HumsoLpr begründete, in neuerer Zeit von GRISEBACH noch sorgfältiger durchgeführte physiognomische Ulassification der Pflanzen hat ja keinen anderen wissenschaftlichen Zweck, als Pflanzengruppen aufzustellen, deren Ansprüche an das Klima sich mit ziemlicher Genauigkeit präcisiren lassen, und welche derart pflanzengeographische Einheiten vorstellen. Wenn wir z. B. einen der »Spartiumform« angehörigen Strauch betrachten, so müssen wir uns sofort sagen, dass seine unterdrückte Blattbildung auf eine möglichst weitgehende Verringerung der transpirenden Oberfläche hinweist, dass mithin die Anpassung an ein trockenes Klima in der physiognomischen Aus- 568 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. bildung des Strauches ganz unverkennbar ausgeprägt ist. Allein nicht immer giebt die äussere Gestaltung der Pflanze so klaren Aufschluss über ihre klimatischen Ansprüche, denn die unterscheidenden Merkmale bei der physiognomischen Ein- theilung der Pflanzen, wie Form, Grösse, Farbe, Glanz, Stellung und Consistenz der vegetativen Organe sind durchaus Eigenschaften, deren Beziehungen zu den klimatischen Factoren, zu Licht, Wärme und Feuchtigkeit keineswegs klar und bekannt sind. Es ist dies vor Kurzem in einer Abhandlung von A. TscHircH!) betont worden, deren leitender Grundgedanke in der Forderung besteht, bei pflanzengeographischen Untersuchungen das Hauptgewicht auf den anatomischen Bau, nicht aber auf die physiognomische Ausbildung der Vegetationsorgane zu legen. Im anatomischen Bau der Blätter sprechen sich die Ansprüche der Pflanze an das Klima viel deutlicher und mannigfaltiger aus, weil eben die meisten Einrichtungen, mittelst welcher sich das Blatt dem Klima anpasst, in seinem inneren Bau sich zeigen. Die Dicke der Epidermiszellwände, der Bau der Spaltöffnungen, die Vertheilung des mechanischen Systems, die Ausbildung der Durchlüftungsräume, dies Alles sind anatomische Eigenschaften, welche die Eignung oder Nichteignung des Blattes für ein bestimmtes Klima bedingen. Die äussere Gestalt des Blattes steht aber mit derselben in fast gar keinem Zusammen- "hange. »Zwei morphologisch gleiche Blattorgane können in ihren anatomischen Verhältnissen soweit von einander abweichen, dass das eine befähigt ist, im trockensten Klima auszudauern, während das andere dem periodischen Wechsel der Jahreszeiten zum Opfer fällt.«) Es werden also nach dem Gesagten bloss jene physiognomische Pflanzen- Typen auf naturgemässer Basis ruhen, welche sich auf anatomisch-physiologische Grundlagen zurückführen lassen. Damit tritt an den Pflanzengeographen die Forderung heran, mikroskopisch-anatomische Untersuchungen anzustellen, und zwar selbstverständlich mit steter Berücksichtigung der physiologischen Aufgaben der Organe und Gewebe. In seiner oben erwähnten Abhandlung hat TscHiRCH diese Forderung zu erfüllen getrachtet und indem er hauptsächlich auf die Be- ziehungen zwischen Bau und Vertheilung der Spaltöffnungen und den klimatischen Verhältnissen achtete, gelang es ihm, zu zeigen, wie selbst schon bei der gegen- wärtig noch gebotenen Beschränkung auf einzelne Details die anatomisch- physiologische Betrachtungsweise dazu berufen ist, die Pflanzengeographie auf festere Grundlagen zu stellen. Wenn wir schliesslich auch noch die Phytopaläontologie ins Auge fassen, so muss zugestanden werden, dass eine von anatomisch-physiologischen Gesichts- punkten ausgehende Untersuchung fossiler Pflanzenreste, soweit eine solche über- haupt durchführbar ist, manchen interessanten Aufschluss über die Lebensvor- gänge und die Lebensbedingungen der Pflanzen früherer geologischer Perioden geben dürfte. Stellen wir uns z. B. vor, die Physiologie des Holzes sei bis ins kleinste Detail erforscht; wie überaus lehrreich wäre dann die Betrachtung eines Dünn- schliffes aus einem fossilen Holzkörper, welch sichere Schlüsse liessen sich daraus in Bezug auf die Stoffleitung, Wasserbewegung und andere physiologische Vorgänge in den vorweltlichen Pflanzen ableiten. Auch auf die Natur der »alten ') Ueber einige Beziehungen des anatomischen Baues der Assimilationsorgane zu Klima und Standort. Linnaea. Neue Folge. Bd. IX. Heft 3 und 4. 2) A. TSCHIRCH, 1. c. pag. 181. 1. Einleitung. 569 Klimate« würden derartige Untersuchungen ein Licht werfen. Wenn SAPoRTA!) am Schlusse seiner geistvollen Auseinandersetzungen über die alten Klimate die Forderung ausspricht, dass diese schwierige Frage vor Allem das Zusammenwirken mehrerer verbündeter Wissenschaften verlange, so kann unter denselben die Ge- webephysiologie mit in erster Linie genannt werden. Der Grad der Ausbildung des mechanischen Systems in leichten biegungsfesten Organen müsste z. B. einen ziemlich sicheren Rückschluss gestatten auf die Stärke der Luftströmungen in den betreffenden Zeitepochen. Aus manchen Eigenthümlichkeiten im Bau des Assi- milationssystems und der Epidermis könnte auf die grössere oder geringere Intensität der Beleuchtung geschlossen werden etc. Vorerst muss aber die gegenwärtige Pflanzenwelt in anatomisch-physiologischer Beziehung gründlich er- forscht sein, bevor mit Erfolg an die Lösung derartiger Fragen gegangen werden kann. — II. Die anatomisch-physiologischen Gewebesysteme. Die Berechtigung einer Eintheilung und Abgrenzung der vegetabilischen Gewebe nach ihren physiologischen Leistungen wurde zu Anfang des vorigen Abschnittes ausführlich nachgewiesen. Wir wollen nun im Nachstehenden eine übersichtliche Zusammenstellung der wichtigsten anatomisch-physiologischen Ge- webesysteme mittheilen, ohne begreiflicherweise diese Eintheilung als eine definitive hinstellen zu wollen. Zunächst erscheint aber noch eine Definition des Begriffes »Gewebesystem« nothwendig, welcher mit dem Begriffe »Gewebeart« durchaus nicht zusammen- fällt. Unter einem »Gewebesystem« ist die Gesammtheit der einer bestimmten physiologischen Aufgabe dienenden Gewebe des Pflanzenkörpers zu verstehen. Je nach der Complicirtheit dieser Aufgabe betheiligt sich eine bald grössere bald geringere Anzahl von Gewebearten an dem Aufbau des ganzen Systems. Das Ernährungssystem z. B., welches so verschiedenartige Leistungen durchzu- führen hat, differenzirt sich dementsprechend in eine Reihe verschiedener Gewebe- arten, welche sich zunächst zu verschiedenen Untersystemen (dem Absorptions- system, Assimilationssystem, Speichersystem etc.) vereinigen. Die einzelne Ge- webeart repräsentirt demnach immer die letzte, unterste Stufe der Arbeitstheilung, das Gewebesystem aber den ersten, wichtigsten Schritt derselben. Uebersicht der anatomisch-physiologischen Hauptsysteme. I. Hautsystem: wetipidermis. 2. Kork. 3. Borke. ll. Skeletsystem: (Mechanisches System): ı. Bast und Libriform; 2. Collenchym; 3. Sklerenchym (?) III. Ernährungsystem: 1. Absorptionssystem (Epithel der Wurzel mit den Wurzelhaaren etc.). 2. Assimilationssystem (»Chlorophyliparenchym«, Pallisadengewebe). 3. Leitungssystem (Leitparenchym, Leitbündel |Mestom, Hadrom, Lep- tom|, Parenchymscheiden, Milchsaftgefässe?). 4. Speichersystem (Reservestoffführendes Gewebe der Samen, Zwiebeln, Knollen etc.). 5. Durchlüftungssystem (Tracheales System |?], luftführende Intercellu- larräume mit ihren Ausgangsöffnungen |[Stomata und Lenticellen)). I) Die Pflanzenwelt vor dem Erscheinen. der Menschen, übersetzt von C. VogGr. 1881. Pag. 149. 570 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Zwischen diese verschiedenen Systeme vertheilen sich verschiedenartige lokale Apparate, die Endodermis, die verdickten Gefässbündelscheiden, die Drüsen, Oel-, Schleim- und Gummigänge etc. — Eine gleichmässig anatomisch-physiologische Darstellung aller dieser Gewebe- Systeme und lokalen Einrichtungen ist gegenwärtig nicht möglich. Es werden hierzu noch viele eingehende Vorarbeiten durchgeführt werden müssen, und die Abfassung eines »Handbuches der Gewebephysiologie« bleibt deshalb der Zu- kunft vorbehalten. Die vorliegende Abhandlung bezweckt vor Allem den gegen- wärtigen Stand der Gewebephysioiogie zu schildern und muss desshalb ver- schiedene Gewebesysteme ganz ausser Acht lassen, über deren physiologische Leistungen zwar aphoristische Angaben vorliegen, welche aber eine zusammen- hängende Schilderung vorläufig nicht gestatten. Demgemäss sollen bloss drei Ge- webesysteme, das Haut-, das Skelet- und das Assimilationssystem ausführlicher behandelt werden. Weil aber das Leitungs- und das Durchlüftungssystem eine zusammenhängende Beschreibung ihrer physiologischen Leistungen wenigstens theilweise zulassen, so sollen auch diese Systeme, freilich nur in Kürze besprochen werden. Auf die Absorptions- und Speichergewebe dagegen kann ebenso wenig eingegangen werden, wie auf alle Einrichtungen und Apparate, welche bloss lokalen Bedürfnissen dienen. Die Abhandlung wird aber ihren Zweck vollständig erfüllen, wenn aus ihr hervorgehen sollte, welch überaus wichtigen Markstein in der botanischen Literatur dereinst eine gleichmässige und erschöpfende Dar- stellung der physiologischen Leistungen der Gewebe bilden wird. Von jedem der in dieser Abhandlung besprochenen Gewebesysteme soll auch seine Entwicklungsgeschichte in Kürze dargelegt werden. Es wird daraus hervorgehen, dass keines dieser Systeme eine entwicklungsgeschichtliche Einheit repräsentirt. Ich werde mich bei diesen histogenetischen Auseinandersetzungen auf jene drei verschiedenartige Bildungsgewebe beziehen, welche die Vegetations- spitze der Phanerogamen konstituiren. Dieselben sind; ı. Das Protoderm, aus der peripherischen Meristemzelllage bestehend (das Dermatogen HansTeins). 2. Das Cambium, aus englumigem, prosenchymatischen Zellen bestehend, welche sich gewöhnlich zu Längsbündeln vereinigen. 3. Das Grundparenchym, d. i. jenes prosenchymatische Meristemgewebe, welches nach der Differenzirung des Protoderms und des Cambiums noch übrig bleibt. Ich habe diese Eintheilung der primären Bildungsgewebe zuerst in meiner »Entwicklungs- geschichte des mechanischen Gewebesystems« Leipzig 1879, durchgeführt und daselbst auch ein- gehend begründet. Für das »Protoderme habe ich in jener Schrift den Ausdruck »junge Epi- dermis«e angewendet, welcher mir aber heute aus verschiedenen, an einem anderen Orte aus- führlicher mitzutheilenden Gründen nicht mehr zweckmässig erscheint. Man thut am besten, den Ausdruck »Epidermis« bloss im anatomisch-physiologischen Sinne zur Bezeichnung der ausge- bildeten oder ihrer Ausbildung schon sehr nahen Oberhaut zu gebrauchen, Zweites Kapitel. Das Hautsystem. So wie sich bereits die einzellige Alge durch Bildung einer Zellhaut gegen die Aussenwelt abgrenzt und gegen ihre nachtheiligen Einflüsse schützt, ebenso und in noch höherem Maasse bedürfen die vielzelligen, hochentwickelten Pflanzen EN “ ci 2. Das Hautsystem. 571 eines Hautsystems zum Schutze ihrer physiologisch wichtigen Gewebe und Organe. Während aber bei den niedrigsten Pflanzenformen die Zellmembran nicht bloss als Zellhaut, sondern zugleich als Festigungsapparat dient, sehen wir bei den höheren Pflanzen diese beiden Functionen nach dem Princip der Arbeitstheilung zwei ganz verschiedenen Gewebesystemen übertragen. Bevor wir an die anatomisch-physiologische Charakteristik des Hautsystems gehen, dürfte es angezeigt sein, vorerst jene nachtheiligen Einflüsse der Aussen- welt zu schildern, gegen welche sich die Pflanze durch Bildung eines Haut- systems zu ‘schützen trachtet. Die Forderungen, welche wir an ein Gewebe zu stellen haben, damit sich dasselbe als Hautgewebe qualifizire, ergeben sich dann von selbst. Wenden wir unsere Aufmerksamkeit zunächst den Landpflanzen zu und zwar den oberirdischen, von atmosphärischer Luft umspülten Theilen derselben. Hier ‘stellt sich vor Allem eine Gefahr in Folge der Wasserverdunstung ein, welcher die Pflanzengewebe ausgesetzt sind, so gut wie jeder andere feuchte Körper. Diese Gefahr der Austrocknung ist für die zartwandigen, schutzlosen Gewebe so gross, dass ihr gegenüber die mechanischen Verletzungen durch heftige Regengüsse und aufgewirbelte Staub- und Sandtheilchen, die vollständigste Wehrlosigkeit gegenüber den Angriffen der Schmarotzerpilze und der Insekten ganz in den Hintergrund treten. Zuweilen wird es ferner nothwendig, bestimmte Gewebe gegen zu intensive Beleuchtung zu schützen oder den nachtheiligen Einfluss der nächtlichen Wärmestrahlung zu verringern. Endlich müssen die Ge- webe der überwinternden Organe wie mehrjähriger Zweige und Aeste vor allzu raschem Temperaturwechsel, namentlich vor schnellem Aufthauen bewahrt sein. Die Ansprüche, welche submerse Wasserpflanzen an das Hautsystem stellen, sind vor Allem desshalb geringer, als bei den Landpflanzen, weil hier unter normalen Ver- hältnissen die Gefahr der Austrocknung entfällt. Dafür wird aber ein Hautgewebe aus anderen Gründen nothwendig. Die Wasserpflanzen beanspruchen, wie wir später sehen werden, ein wohl ausgebildetes Durchlüftungssystem, welches sich nicht bloss auf das Vorhandensein eines reichen Netzes von Intercellularräumen beschränkt, sondern auch häufig grosse und weite Luftkanäle aufweist. Diese grossen Durchlüftungsräume würden bald mit Wasser erfüllt sein, wenn nicht das durch Massenbewegung erfolgende Eindringen des Wassers in das Innere der Organe verhindert würde. Allein nicht bloss Wasser würde die Binnen- räume der Pflanze füllen. Mit demselben kämen auch thierische und pflanz- liche Organismen aller Art und würden sich im Innern der Pflanze als unwill- kommene Gäste niederlassen. — Bei Pflanzen, welche im fliessenden Wasser leben, kommt noch ein weiteres Moment hinzu: Die abscheerende Kraft der Strömung, welche bei einem lockeren Bau der Gewebe leicht Zelle um Zelle aus ihrem Verbande losreissen könnte. Was die unterirdischen Organe der Landpflanzen betrifft, so nehmen die- selben eine intermediäre Stellung ein und nähern sich hinsichtlich ihrer Ansprüche an das Hautgewebe je nach dem Feuchtigkeitsgehalt des Bodens bald der einen, bald der andern von den besprochenen Pflanzengruppen. Wir werden nun in der nachfolgenden Besprechung der verschiedenen Ge- webearten des Hautsystems sehen, inwieweit dieselben geeignet sind, den ver- schiedenen Organen und Geweben der Pflanze gegen die soeben geschilderten schädlichen Einflüsse den nöthigen Schutz zu gewähren. Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. in SI 167 I. Die Epidermis. A. Begriffisbestimmung der Epidermis. Die erste Stufe in der Entwicklung der Hautgewebe repräsentirt die Epidermis. Dieselbe besteht in der Mehrzahl der Fälle aus einer einzigen Zelllage, welche die von ihr bedeckten Organe und Gewebe gegen die Aussenwelt abgrenzt und ihnen den im vorigen Abschnitte besprochenen Schutz bietet. Dies ist die charakteristische Hauptfunction der Epidermis und demnach werden nun jene oberflächlich gelegenen Zellschichten als Epidermis im anatomisch-physiologischen Sinne zu betrachten sein, deren anatomischer Bau mit jener Function in vollstem Einklang steht. Nicht jede oberflächlich gelegene Zellschicht hat nämlich die Aufgabe als schützende »Oberhaut« zu fungiren. Jene äusserste Zelllage der Wurzeln, welche die Wurzelhaare bildet, gehört im anatomisch-physiologischen Sinne nicht zur Epidermis, weil ihre Aufgabe in der Absorption des Wassers und der verschiedenen Nährsalze besteht und so der Hauptfunction eines Haut- gewebes vollkommen widerstreitet; die Epidermis hat ja das Organ nach aussen in jeder Hinsicht abzuschliessen und keineswegs die Beziehungen der Pflanze zur Aussenwelt zu vermitteln. Ebenso wenig wird man die ein süsses Secret aus- sondernden oberflächlich gelegenen Zellen der Nektarien an Blumenblättern etc. zur Epidermis rechnen dürfen. Denn bekanntlich gehört die Nektarausscheidung in das Kapitel über die Wechselbeziehungen zwischen Thier- und Pflanzenwelt. Eine consequente Auffassung der Epidermis als Hautgewebe wird auch die sogen. Schliesszellen der Spaltöffnungen einem anderen System und zwar dem der Durch- lüftungseinrichtungen zutheilen, denn diese paarweise zwischen die Epidermiszellen eingeschalteten und derselben entwicklungsgeschichtlich gleichwerthigen Zellen | haben die Aufgabe, durch Erweiterung oder Verengerung der Spaltöffnung die Communication der inneren Lufträume mit der Atmosphäre zu reguliren; ihre physiologische Leistung ist also den Aufgaben eines Hautgewebes nicht nur fremd, sondern gerade entgegengesetzt. Man muss in der begrifflichen Abgrenzung der Epidermis noch weiter gehen. Nicht jede oberflächliche Zellschicht, welche das Organ nach aussen abschliesst und schützt, ist deshalb schon ohne weiteres der Epidermis beizuzählen. Denn es könnte ja diese Function als Hautgewebe bloss eine Nebenfunction der be- treffenden Zellschicht sein, während von der Epidermis verlangt wird, dass sie als solche durch ihre Hauptfunction charakterisirt werde. So kommt es z. B. nicht selten vor, dass oberflächlich gelegene Zellen zu specifisch-mechanischen Elementen werden, indem sie sich einem darunter liegenden Baststrange voll- kommen anschliessen. Es wäre höchst gezwungen, wenn man eine Zelle, die ihrem ganzen Baue nach eine Bastzelle ist, als zur Epidermis gehörig betrachten wollte und zwar allein wegen ihrer oberflächlichen Lage und gewisser damit zusammenhängender Eigenthümlichkeiten ihrer Aussenwand, wodurch aber ihre wesentlichen anatomischen Merkmale nicht berührt werden. In einem späteren Kapitel wird auseinandergesetzt werden, dass die äusserste Zellschicht auch dem Assimilationssystem in seiner specifischen Ausbildung als Pallisadengewebe ange- hören könne, und dass die Function dieser Zellschicht als Hautgewebe zu einer blossen Nebenfunction herabsinkt. Als Epidermis im anatomisch-physiologischen Sinne werden wir daher nur jene oberflächlich gelegene Zellschicht ansehen dürfen, deren anatomische Merkmale erkennen lassen, dass sie ihrer Hauptfunction nach als Hautgewebe fungirt. Dies % u . 4 # «t —J en : a S 2. Das Hautsystem 573 ist zwar eine engere, aber jedenfalls viel präcisere Fassung des Begriffes »Epi- dermis«, als die vom morphologisch-entwicklungsgeschichtlichen oder topographi- schen Standpunkte aus gewonnene Umgrenzung desselben. Eine Zelllage bloss deshalb als Epidermis zu bezeichnen, weil sie oberflächlich gelegen ist, oder weil sie von der »Cuticula« bedeckt wird, hat keine streng wissenschaftliche Be- rechtigung; eine solche Definition ist vielmehr als bloss conventionell anzusehen. B. Bau und Function der Epidermis. Die Epidermiszellen besitzen meistens eine tafel- oder plattenförmige Gestalt und stehen untereinander im lückenlosen Zusammenhange. An lang- sam wachsenden und gleichmässig ausgebreiteten Organen sind die beiden Flächen- durchmesser annähernd gleich gross, wie z. B. an den meisten dicotylen Laub- blattspreiten. Gestreckte Organe dagegen, wie z. B. die linealen Blätter der Monocotylen, die meisten Stengel und Blattstiele besitzen gewöhnlich in gleichem Sinne gestreckte Epidermiszellen. 1. Die Zellwandungen. Der physiologisch wichtigste Theil der Epidermis- zelle besteht in ihrer Aussenwand; dieselbe unterscheidet sich gewöhnlich durch stärkere Verdickung von den übrigen Wandungen, wozu dann noch Unterschiede im chemisch-physikalischen Verhalten kommen, hervorgerufen durch die Ein- lagerung des Cutins, einer in Mineralsäuren und Kupferoxydammoniak unlöslichen, der Fäulniss in hohem Grade widerstehenden Substanz; die verdickte Aussenwand differenzirt sich dabei von innen nach aussen gewöhnlich in dreierlei Schichten: 1. die Celluloseschichten, welche an das Zellinnere grenzen und aus Cellulose bestehen; 2. die Cuticularschichten, welche mehr oder weniger cutinhaltig sind und 3. die Cuticula, welche bloss aus Cutinsubstanz bestehend als dünnes, ununter- brochenes Häutchen die ganze Aussenfläche der Epidermis überzieht. Eine Cuticula ist stets vorhanden. An zarten Oberhäuten fehlen dagegen häufig die Cuticularschichten, so dass die Cuticula unmittelbar der Cellulosemembran auf- liegt; bei derberem Bau der Epidermis können hinwieder die Celluloseschichten fehlen, indem die ganze Membran der Cuticularisirung anheimfällt. — Auf weitere Details in Bezug auf die Structur der Aussenwand muss in dieser Ab- handlung verzichtet werden. — Es fällt nicht schwer, durch vergleichende Untersuchungen nachzuweisen, dass die Verdickung und Cuticularisirung der Aussenwandungen der Epidermis gleichen Schritt hält mit der Schutzbedürftigkeit der darunter liegenden Gewebe gegen Austrocknung. Die Epidermis der submersen Wasserpflanzen besitzt daher ganz zarte Aussenwände, welche kaum dicker sind als die seitlichen und die inneren Wandungen der Zellen. Werden solche Pflanzen ans trockene Land gebracht, so welken und vertrocknen sie in kürzester Zeit. Ihre Oberhaut ist eben nicht darauf eingerichtet, als Schutzmittel gegen zu grosse Transpiration zu dienen. Auch nicht submerse Wasserpflanzen besitzen häufig eine zarte Epi- dermis; so sind z. B. bei den Wasserlinsen die Aussenwandungen der an die Atmosphäre grenzenden oberen Epidermis ebenso zart und unverdickt wie jene der unteren Epidermis, welche zeitlebens vom Wasser benetzt wird. Gehen wir dann auf das andere Extrem über, zu’jenen Pflanzen, welche in regenarmen Klimaten wachsen, so finden wir, dass durch mächtige Verdickung und starke Cuticularisirung der äusseren Zellwände die Epidermis in den Stand gesetzt wird, die Transpiration der Pflanze auf ein möglichst geringes Ausmaass einzuschränken. Die australischen Xantorrhoeen, Proteaceen, Epacrideen, die afrikanischen Succu- SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II. 37 574 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. lenten zeichnen sich alle durch einen derartigen Bau ihrer Epidermis aus.!) Bei Welwitschia mirabilis und verschiedenen Mesembryanthemum-Arten begnügt sich die Natur nicht bloss mit einer starken Cuticulasirung der Aussenwände, sie lagert denselben ausserdem noch zahlreiche Kalkoxalat-Partikelchen ein, sodass die Epidermis einen förmlichen Panzer bildet. Die verschieden starke Cuticulasirung und Verdickung der Aussenwände lässt sich aber auch an den verschiedenen Organen von ein und derselben Pflanze beobachten, denn es ist einleuchtend, dass die Schutzbedürftigkeit der einzelnen Organe gegenüber der Austrocknung eine sehr ungleich grosse ist. Die verhältnissmässig kurzlebigen Blüthenorgane, deren Entfaltung gewöhnlich in eine Jahreszeit verlegt wird, in welcher die Pflanze die Gefahr einer Austrocknung nicht zu fürchten hat, werden in dieser Hinsicht eines geringeren Schutzes be- dürfen, als die Laubblätter, welche während der ganzen Vegetationszeit zu assi- miliren haben und deshalb dem Wechsel der Witterung in weit höherem Maasse ausgesetzt sind. Die Epidermis der Blumenblätter, der Staubblätter, der Griffel etc. ist deshalb fast immer zart und dünnwandig. Bezüglich des einzelnen Laub- blattes wird es ferner nicht überraschen, dass die Epidermis der Oberseite sehr häufig mit stärkeren Aussenwandungen versehen ist, als die der Unterseite. So beträgt z. B. die Dicke der peripherischen Zellwandungen auf der Blattoberseite von Daphne chrysantha 8,6 Mikromillim., auf der Blattunterseite bloss 4,2 Mikromillim. für das Laubblatt von Finca minor betragen diese Werthe 5,4 und 3,1 Mikromillim. Aehnliche Unterschiede machen sich wahrscheinlich auch in der Ausbildung der beiderseitigen Cuticula geltend. Die Oberseite des Blattes hat sich eben wegen der stärkeren Beleuchtung und Erwärmung, welcher sie ausgesetzt ist, gegen zu grosse Transpiration ausgiebiger zu schützen. Versuche über den hemmenden Einfluss der Epidermis, beziehungsweise deren Aussenwandungen auf die Wasserabgabe seitens der Pflanzenorgane sind schon zu wiederholten Malen angestellt worden. Freilich verwendete man hierzu meistens Öbjecte (Aepfel, Pflaumen, Stammstücke von Cactus) welche den Werth der Epidermis als Schutzmittel gegen Austrocknung für die vegetativen Organe der Pflanze, vor allem die Laubblätter, mehr abschätzen als deutlich erkennen lassen. Wegen der Schwierigkeit eines gleichmässigen, raschen Abziehens der Epidermis von den beiden Blattseiten geht es eben kaum an, direkt mit Laubblättern Versuche anzustellen. Uebrigens bleibt es sich ja für die Bedeutung der Epidermis als Schutzmittel ziemlich gleich, ob die Transpiration durch sie um das ı0- oder 2ofache herabgesetzt wird. Aus diesem Grunde verzichte ich darauf, dem Leser eine grössere Anzahl hierhergehöriger Zahlenangaben tabellarisch vorzuführen. Beispielsweise will ich bloss erwähnen, dass nach Versuchen von J. BoussinGauLrt?) eine unverletzte Pflaume in einer Stunde pro Quadratdecim.- Oberfläche 0,087 Grm. Wasser abgab, nach Entfernung der Epidermis dagegen 0,5 Grm., also 5,7mal so viel. Ein intacter Apfel verdunstete pro ı Stunde und ı (Juadratcentim. Oberfläche 0,005 Grm. Wasser, ein geschälter dagegen 0,277 Grm., d. 1. 55 mal so viel. Wenn auch alle derartigen Angaben aus nahe- liegenden Gründen mit Vorsicht aufzunehmen sind, so geht doch jedenfalls daraus !) Vergl. A. TscnuircHn, Ueber einige Beziehungen des anatomischen Baues der Assimi- lationsorgane zu Klima und Standort. Linnaea. Neue Folge. Bd. IX. Heft 3 u. 4 (1881) pag. 147 fl. ?) Etude sur les fonctions physiques des feuilles: Transpiration etc. Annales de Chimie et physique, V. Serie XIII. B. pag. 289 ff. 2. Das Hautsystem. 575 hervor, dass die Epidermis ein sehr vollkommenes Schutzmittel gegen allzu grosse Transpiration vorstellt. Eine häufige Unterstützung erfährt die Epidermis in ihrer Function durch die sogen. Wachsüberzüge, welche an Trauben, Pflaumen und vielen Blättern den bekannten reifartigen Anflug bilden und aus wachsartigen Verbindungen be- stehen; sie verringern gleichfalls die Transpirationsgrösse der betreffenden Organe. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für die den Epidermiszellwänden. einge- lagerten, wachsähnlichen Substanzen. Bezüglich des Einflusses der Wachsüber- züge aut die Transpiration wurden zuerst von FRIEDR. HABERLANDT!) Versuche angestellt und zwar mit Rapsblättern, welche einen wohlausgebildeten Körnchen- überzug besitzen. Blätter, von welchen der Wachsüberzug sorgfältig abgewischt wurde, verdunsteten pro Tag und Quadratdecim. 4,03 Grm. Wasser; Vergleichs- blätter mit unversehrtem Ueberzug 3,6 Grm. Bei einem zweiten Versuche ergab sich für erstere 4,63 Grm. Wasserverlust, für letztere bloss 3,03 Grm. Die vom Wachs befreiten Blätter verloren also durchschnittlich um beinahe ein Drittel mehr Wasser als die mit Wachs bedeckten; Von TscHIRCH?) wurden ähnliche Versuche mit den Blättern von Zucalyptus globulus angestellt. Er liess zwei Blätter desselben Blattpaares, das eine mit, das andere ohne Wachsüberzug unter gleichen äusseren Bedingungen welken. Für das oberste, am stärksten bereifte Blattpaar erhielt der Verfasser folgende Gewichtsabnahmen, resp. Transpirationsverluste: Blatt bereift unbereift Nach Stunden . m. #. Hr ES 16,948 Nach weiteren 2ı Stunden weitere . 30,35, 42, 7A, Das dritte, am schwächsten bereifte © verlor Mack sz Stunden 7x .- - 70,400 10,938 Nach weiteren 20 Stunden weitere . 16,66, 18,80, Nach weiteren 50 % Be 36,68 ,, 39,94 ,, Es ergiebt sich aus diesen Zahlen, dass ae Wachsüberzug namentlich bei weiter vorgeschrittener Verdunstung einen wesentlichen Schutz darbietet. Bei Pflanzen, deren Wachsüberzug als krustenförmige Glasur auftritt, wird derselbe ein noch viel wirksameres Schutzmittel gegen Austrocknung sein. Diese Wachs- krusten können ausserdem eine grosse Mächtigkeit erreichen. An den jungen Blättern von Corypha (Copernicia) cerifera besitzen sie eine Dicke von 15—19Mikromillim., an den Stengeln und Blättern von Zanicum turgidum FoRsK. eine Mächtigkeit bis zu 30 Mikromillim.?) Bei einer solch massigen Ausbildung erscheint es allerdings fraglich, ob die Verringerung der Transpiration den alleinigen Zweck der Wachsüberzüge bildet. Nachdem wir nunmehr die Aussenwand der Epidermiszelle und ihre Haupt- function kennen gelernt, wollen wir auch noch den übrigen Wandungen einige Aufmerksamkeit schenken. Es interessiren uns zunächst die Seitenwände, weil denselben die Aufgabe zukommt den für die Epidermis nothwendigen festen Zusammenhang der einzelnen Zellen herzustellen. Die Epidermis wird nämlich überaus häufig auf Zugfestigkeit in Anspruch genommen. In Folge der Gewebe- spannung unterliegt sie der Wirkung nicht unansehnlicher Zugkräfte, welche bei Stengelorganen sowol in longitudinaler als auch namentlich in transversaler !) Wissensch.-praktische Untersuchungen auf dem Gebiete des Pflanzenbaues. II. B. pag. 156. 2) l. c. pag. 149. ®) Vergl. DE BAry, Vergleichende Anatomie der Vegetationsorgane. 1877. pag. 88. 37° 576 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Richtung wirksam werden; durch die Biegungen der Blätter im Winde erfolgt gleichfalls eine allseitige Inanspruchnahme der Zugfestigkeit der Epidermis. Der wechselseitige Verband ihrer Zellen muss also ein möglichst fester sein und zu diesem Behufe sind die Seitenwandungen häufig gefaltet oder gewellt, wodurch die seitlichen Berührungsflächen der Zellen entsprechend vergrössert werden. Die einzelnen Zellen erhalten dabei einen lappigen oder zackigen Umriss, und fügen sich so aneinander, dass eine vollständige Verzahnung der Ränder eintritt, ganz ähnlich wie an den Zahnnähten der Schädelknochen. An longitudinal gestreckten Organen wie Stengeln, Grasblättern, sind es die Längsseitenwandungen der gleich- falls gestreckten Epidermiszellen, welche manchmal auffallend gewellt sind. Namentlich zeichnen sich die Gräser, eine in anatomischer Hinsicht überhaupt sehr hochdifferenzirte Pflanzengruppe, durch eine solche Verzahnung ihrer Epidermis- zellen aus. An den Blättern der Dicotylen beschränkt sich die Faltung und Wellung der Seitenwandungen fast ausnahmslos auf die Epidermis der Unterseite. Wie wir in einem späteren Kapitel hören werden, treten die Spaltöffnungen der Epidermis meistens auf der Blattunterseite auf, und dass solche Lücken im Zu- sammenhang der Zellen die Festigkeit der Epidermis beeinträchtigen müssen, liegt auf der Hand. Sollte vielleicht die durch die Spaltöftnungen bedingte Ver- ringerung der Festigkeit durch die gegenseitige Verzahnung der Epidermiszellen wieder behoben werden? Vergleichende Beobachtungen müssten hierüber bald entscheidenden Aufschluss gewähren. Den unteren Wan- dungen der Epidermis- zellen kommt die Auf- gabe zu, eine hinreichend feste Verbindung der Epi- dermis mit den darunter- liegenden Geweben her- zustellen. Besondere Ein- richtungen sind hierzu meist nicht nothwendig. . Schon bei ganz gewöhn- lichem Bau der Epi- dermiszellen haften die- selben häufig so fest an dem darunterliegenden Ge- (B. 2360.) Fig. 1. webe, dass bei dem Ver- A& und B Epidermiszellen mit gewellten Seitenwandungen, Suche sieabzuziehen, regel- A von der Blattunterseite von Cyeamem europaeum. Vergr. 420. mässig ein bis mehrere B von der Blattunterseite von /eszuca ovina, bei z halbmondförmige _ N, Zelll Zwergzellen. Vergr. 400. C subepidermale mechanische Zellen SEDSDITENSEE nn Salt mit zahnartigen Seitenfortsätzen aus der Spelze von Oryza sativa mit losgetrennt werden. nach Hönner. a einfach, b doppelt gesägte Zellen. V. 136. Fine ganz eigenthümliche und besonders feste Verbindungsweise der Epidermis mit dem hypodermalen Gewebe hat v. HönneL!) an den Spelzen verschiedener Gramineen nach- !) Ueber eine eigenthümliche Verbindung des Hypoderma mit der Epidermis; Wissenschaft- lich-praktische Untersuchungen auf dem Gebiete des Pflanzenbaues, herausg. von Fr. HABER- LANDT. I. B. 1875. pag. 149; ferner: Vergleichende Untersuchung der Epidermis der Gramineen- spelzen und deren Beziehung zum Hypoderma, ebendaselbst, pag. 162. 2. Das Hautsystem. 577 gewiesen. Er fand nämlich, dass beim Reis (Oryza safiva), bei der Moor- hirse (Sorghum vulgare), beim Mohar (Sefaria germanica), beim Dinkel (Tritium Spelta), bei der Gerste (Hordeum vulgare) und anderen Gräsern die unter der äusseren Epidermis der genannten Organe befindlichen Bastzellen seitliche Fortsätze besitzen, welche wie Sägezähne aussehen. Diese Fortsätze sind in ent- sprechende Löcher der inneren Epidermiszellwandungen eingefügt, so dass eine vollständige Verzapfung der subepidermalen Bastzellen mit den Epidermiszellen eintritt. Die Mehrzahl der Bastzellen besitzt bloss eine einzige Reihe von säge- zahnartigen Fortsätzen; jene Bastzellen aber, welche gerade unter den Seiten- wandungen der Epidermiszellen liegen und einen dreieckigen Querschnitt besitzen, tragen an ihren beiden oberen Längskanten zwei Reihen solcher Sägezähne, welche überdies noch zahlreicher, länger und meist auch mehrfach gelappt sind. — So wie an den Seitenflächen sind gewöhnlich auch die Innenwände der Epidermiszellen zarter, dünner als die Aussenwandungen. Nur selten kommt das umgekehrte Verhältniss vor und es ist anzunehmen, dass eine solch auffällige Ab- weichung vom typischen Bau ihre triftigen Gründe hat. Bei verschiedenen Cyperaceen lässt sich z. B. beobachten, dass die über den subepidermalen Bast- bündeln der Stengel und Blätter befindlichen Epidermiszellen verhältnissmässig sehr dünne Aussenwandungen besitzen, während die dem Bastbündel auflagernden Innenwände beträchlich verdickt sind. Die Epidermis als Hautgewebe ist über den Bastrippen überflüssig und deshalb unterbleibt die Verdickung der Aussen- wände. Dafür werden die Innenwandungen verdickt, welche derart eine Ver- stärkung des Bastbündels bilden und so die Epidermiszellen dem mechanischen Principe dienstbar machen!). Schwieriger ist die innenseitige Verdickung sämmtlicher Epidermiszellen des Laubes der Bromeliaceen zu erklären. Wahrscheinlich steht hier diese eigen- thümliche Structur der Epidermiszellen mit dem frühzeitigen Auftreten von zahl- reichen schuppenförmigen Trichomen in causalem Zusammenhange. Nach Be- obachtungen, welche „ich an der Gattung Hechtia angestellt, habe ich mir über diesen vermuthlichen Causalzusammenhang folgende Vorstellung gebildet. Die zahlreichen Schuppen bilden an jugendlichen Blättern eine ganz continuir- liche, dicht aufliegende Bedeckung der Blattflächen und vertreten in diesem Stadium gewissermassen die Epidermis. Die Verdickung der Aussenwandungen der eigentlichen Epidermiszellen ist in diesem Stadium überflüssig und unterbleibt also. Wenn nun das Blatt die Knospenlage verlässt, so vertrocknet jene Pseudo- Epidermis, die einzelnen Schuppen lösen sich von der Blattfläche theilweise ab und nun muss sich die in der Entwicklung zurückgebliebene Epidermis rasch zum Hautgewebe ausbilden. Das Blatt hat aber wie erwähnt, die Knospenlage schon verlassen und die zarten Aussenwände der Epidermiszellen scheinen in diesem späten Stadium die Fähigkeit des Dickenwachsthums bereits eingebüsst zu haben. Statt ihrer werden die Innenwandungen verdickt. — Ob nun der eben mitgetheilte Erklärungsversuch richtig ist, müssen eingehendere Untersuchungen über diesen Gegenstand lehren. 2. Das Plasma und der Zellinhalt. Die Epidermiszellen besitzen meistens einen lebenden Plasmakörper mit einem Zellkern; der erstere bildet gewöhnlich bloss einen dünnen Plasmaschlauch, welcher farblosen, klaren Zellsaft ein- I) Vergl. auch WESTERMAIER, Beiträge zur Kenntniss des mechanischen Gewebesystems. Monatsberichte d. k. Akademie der Wissenschaften in Berlin. 1881. pag. 72, 73. 578 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. schliesst. Das Vorhandensein lebenden Plasmas ist durchaus nicht belanglos, denn die Epidermis muss oft noch längere Zeit hindurch, nachdem sie bereits zu funetioniren begonnen, in die Fläche wachsen, sei es an langsam wachsenden Blättern oder an Dickenwachsthum zeigenden Stengeln. Von geformten Inhaltsbestandtheilen kommen in den Epidermiszellen sehr häufig Chlorophylikörner vor; sie treten aber um so spärlicher auf, je typischer die Epidermis ausgebildet ist und je intensiver sie beleuchtet wird. Zahlreiche Beobachtungen hierüber sind in letzterer Zeit von A. STÖHR!) angestellt worden. Derselbe fand, dass die Epidermis an grünen Organen der breitblättrigen Gymnospermen und weitaus der meisten Land-Dicotyledonen Chlorophyll führe, während dasselbe der Epidermis der nadelblättrigen Gymnospermen und der Land- Monocotylen fehlt. Für die submersen Phanerogamen ist andererseits das meist sehr reichliche Vorkommen von Chlorophylikörnern in der Epidermis schon seit langem bekannt. Dem oben Gesagten entsprechend findet sich das Chlorophyll fast immer nur in der Epidermis der Blattunterseite vor, während es an der oberen Blattseite fast ausnahmslos fehlt. Doch gilt dies nur für Pflanzen, welche an lichten, sonnigen Standorten wachsen. In Schattenpflanzen, namentlich ver- schiedenen Farnkräutern, enthält auch die Epidermis der Blattoberseite eine oft beträchtliche Anzahl von normalen, functionsfähigen Chlorophyllkörnern. Im Allgemeinen kann das Auftreten von Chlorophyll in der Epidermis auf das Bedürfniss der Pflanzen zurückgeführt werden, ihren gesammten Chlorophyll- apparat möglichst stark auszubilden. So wird die Assimilationsthätigkeit manchem zu einer anderen Hauptfunction bestimmten Gewebe als Nebenfunction übertragen, soweit durch eine solche Nebenaufgabe die Hauptfunction nicht beeinträchtigt wird. Dies gilt auch für die Epidermis und nachdem die Zellinhalte derselben für die bisher geschilderte Function der Epidermis als schützendes Hautgewebe belanglos sind, so muss man sich eigentlich fragen, warum die Pflanze die ihr gebotene Gelegenheit zur Verstärkung ihres Chlorophyllapparates nicht noch besser ausnützt und sämmtliche Epidermiszellen reichlich mit Chlorophylikörnern versieht? Von STÖHr wird diese Frage mit dem Hinwei$®®auf die Zerstörung des Chlorophylis im Licht zu beantworten gesucht. Die Durchleuchtung der Epidermis an der Blattoberseite soll eine zu intensive sein, als dass in diesem Gewebe Chloro- phylikörner dauernd bestehen könnten. Auf der Blattunterseite und an schattigen Standorten dagegen ist das Chlorophyll der Epidermis wegen der geringeren Lichtintensitäten von dauerndem Bestande. Dieser Erklärungsversuch kann aber nicht als genügend bezeichnet werden. Zunächst wäre einzuwenden, dass auf der Blattoberseite die Unterschiede zwischen den Lichtintensitäten, welche in der Epidermis und in der darunter befindlichen Zellschichte herrschen, unmöglich so gross sein können, dass in ersterer das Chlorophyll vollständig zerstört wird, in letzterer dagegen vollkommen intact bleibt und reichlich auftritt. Dass es keines- wegs die zu grosse Lichtintensität ist, welche das Vorkommen von Chlorophyll in der Epidermis verhindert, geht überdies in unwiderleglicher Weise aus der Thatsache hervor, dass die Schliesszellen der Spaltöffnungen gewöhnlich reichlich Chlorophyll führen, auch wenn sie auf der Blattoberseite auftreten. Niemand wird behaupten wollen, dass die Schliesszellen weit weniger intensiv durchleuchtet werden, als die angrenzenden Epidermiszellen. Wenn bloss eine zu grosse Licht- ') Ueber das Vorkommen von Chlorophyll in der Epidermis der Phanerogamen-Laubblätter. Sitzungsberichte d. k. Akademie der Wissenschaften in Wien. 79. Bd. I. Abth. Jahrg. 1879. ae en eh ie eh Thai are \ ) 2. Das Hautsystem. 579 intensität die Chlorophyllarmuth der Epidermis verursacht, so ist ferner nicht ein- zusehen, warum auf der Blattunterseite und bet Schattenpflanzen auch auf der Blattoberseite, das Chlorophyll trotzdem so spärlich auftritt. Denn hier kann von einer Zerstörung des Chlorophylis durch das Licht, wie ja auch STÖHR zu- giebt, nicht die Rede sein. — Es geht also hieraus hervor, dass zwischen dem grösseren und geringeren Chlorophylimangel in der Epidermis und der verschieden grossen Intensität ihrer Durchleuchtung keine so einfache Beziehung herrscht, wie sie von STÖHR ange- nommen wurde. Viel wahrscheinlicher ist es, dass der Grund für die in Rede stehende Erscheinung in einer jetzt noch unbekannten Function der Epidermis liegt, welche einen durchsichtigen, hellen Zellinhalt erfordert und demnach mit einem zu reichlichen Vorhandensein von Chlorophylikörnern nicht verträglich ist. -Aus den oben mitgetheilten Thatsachen wäre dann zu folgern, dass sich die Nothwendigkeit oder Nützlichkeit dieser fraglichen Function mit zunehmender Intensität der Beleuchtung steigert. Wenn man sich dies Alles vor Augen hält, so gelangt man unwillkürlich auf die Vermuthung, es handle sich hier um eine derartige Brechung der einfallenden Lichtstrahlen durch die nach aussen meist convexen Epidermiszellen, dass die Seitenwandungen der darunter befindlichen Zellen intensiver beleuchtet werden, als dies der Fall wäre, wenn die Licht- brechung unterblieb. Wir müssen uns dabei vergegenwärtigen, dass sich die Laub- blätter wie WIESNER gezeigt hat, meist senkrecht zur Richtung des stärksten ein- fallenden zerstreuten Lichtes stellen und dass im specifischen Assimilationsgewebe, in den Pallisadenzellen, die Chlorophylikörner ausschliesslich an den zur Blatt- fläche senkrecht orientirten Seitenwandungen auftreten. Ein optischer Apparat, welcher eine intensivere Beleuchtung dieser Seitenwandungen bewerkstelligt, und sei es auch nur eines Theiles derselben, begünstigt deshalb die Assımilation und ist der Pflanze von grossem Nutzen. Nach dieser Auffassung wäre jede Epidermis- zelle einer Sammellinse vergleichbar und die Art ihrer Wirksamkeit lässt sich durch eine einfache Construction leicht veranschaulichen. — Ist diese Deutung jener fraglichen Function der Epidermis richtig, dann wird es auch verständlich, weshalb sich gerade die Epidermiszellen der Blattoberseite durch besondere Durchsichtigkeit, beziehungsweise durch vollständigen Chlorophylimangel aus- zeichnen; denn das Pallisadengewebe tritt eben vorzugsweise auf der besser be- leuchteten Blattoberseite auf. Jedenfalls wäre die Richtigkeit der hier aufge- stellten Hypothese auf vergleichend anatomischem Wege eingehend zu prüfen. — Es scheint mir hier der geeignete Platz zu sein, von der sogen. mehr- schichtigen Epidermis zu sprechen. Dieselbe kommt namentlich in den Familien der Piperaceen und Begoniaceen, ferner bei den Zäcws-Arten vor und zwar hauptsächlich auf der Blattoberseite. Die Epidermis der Unterseite des Blattes ist entweder einschichtig, wie bei sämmtlichen Zeperomia-Arten, oder doch viel weniger mächtig, wie z. B. bei Zicus elastica. Das Zustandekommen der mehr-' schichtigen Epidermis erfolgt gewöhnlich in der Weise, dass sich dieselbe im jugendlichen Zustande, wo sie noch aus einer einzigen Zellenlage besteht, durch wiederholte tangentiale Theilungen in mehrere Zellschichten zerlegt. Die äusserte dieser Zelllagen nimmt nun den typischen Charakter der Epidermis an, die darunter liegenden Schichten dagegen haben mit der obersten bloss die Farblosigkeit ihres durchsichtigen Zellinhaltes gemeinsam. Die Zellwände dagegen bleiben unverdickt und werden nicht cuticularisirt. Daraus folgt also, dass durch die Mehrschich- tigkeit der Epidermis ihre Function als schützendes Hautgewebe nicht gefördert 580 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. wird; nur in sofern kann hier von einer Verstärkung der Epidermis die Rede sein, als durch das Vorhandensein mehrerer farblosen Zellschichten jene fragliche Function der einschichtigen Epidermis unterstützt wird, welche sich durch die Farblosigkeit und Durchsichtigkeit der Zellinhalte verräth. Es handelt sich hier demnach höchst wahrscheinlich um eine Modificirung der Beleuchtungsverhält- nisse im Interesse der Assimilationsthätigkeit. Auch TscHircH ist einer ähnlichen Ansicht, indem er sich 1. c. pag. 148 folgendermassen hierüber äussert: »die Ent- wicklung einer mehrschichtigen Epidermis scheint weniger eine Anpassung an Trockenheit zu sein, als vielmehr in Beziehung zu Lichtwirkungen zu stehen, denn wir finden sie sowohl bei tropischen Pflanzen, die reichliche Wasserzufuhr erhalten (Palmen, Pandanen, Zücus, Pittosporum, Peperomien etc.) als auch bei einer Reihe von Gewächsen, die auch in trockenen Klimaten auszudauern be- fähigt sind (Banksia, Dryandra, Elegia, Nerium, Franklandia). Wenn bisweilen im Zellsaft der Epidermiszellen vegetativer Organe ein Farb- stoff, gewöhnlich rothes Anthokyan gelöst ist, so ist eine solche Färbung der Epidermis wol gleichfalls auf die Beziehungen der betreffenden Organe zum Lichte zurückzuführen. In einer Anzahl von Fällen dürfte es sich hier um einen Schutz der subepidermalen Gewebe gegen zu intensive Beleuchtung handeln, wobei also die Färbung der Epidermis im Dienste ihrer Function als schützendes Hautge- webe stünde. Denn Zerstörung des Chlorophylis (nach WIEsNER) und allzu sehr gesteigerte Athmung (nach PRINGSHEIM) sind die Folgen einer zu starken Inten- sität der Beleuchtung, welche durch die gefärbte Epidermis wie durch einen rothen Schirm gedämpft wird. Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht eine ganze Reihe von Thatsachen. Schon H. v. MonHL!) hat auf die häufige Röthung junger Triebe und Keimpflanzen aufmerksam gemacht, in welchen das erst im Entstehen begriffene Chlorophyll der Zerstörung durch das Licht besonders ausge- setzt ist, und in welchen der Athmungsprocess ohnehin schon sehr gesteigert wird. Die Rothfärbung durch Anthokyan tritt ferner sehr häufig als Winterfärbung aus- dauernder Blätter auf, deren Chlorophyll im Winter deshalb eines ausgiebigeren Schutzes gegen die zerstörende Wirkung des Lichtes bedarf, weil bei niederer Tem- peratur keine nennenswerthe Neubildung von Chlorophyll stattfindet.?) Es kann hier auf die allbekannte Thatsache hingewiesen werden, dass bei so vielen Pflanzen bloss die Blattunterseiten eine roth gefärbte Oberhaut besitzen; ein Factum welches mit der von BöHm?) gemachten Beobachtung, dass die Blattunterseite für intensives Licht viel empfindlicher ist, als die Blattoberseite, in vollkommenem Einklang steht. Schliesslich sei es mir gestattet, auf einige interessante von Prof. Dr. v. KERNER angestellte Gulturversuche hinzuweisen, deren Ergebnisse mir der genannte Forscher ausführlich mitzutheilen so gütig war. Prof. v. KERNER säete die Samen ver- schiedener wildwachsender und kultivirter Pflanzen der Thäler und Ebenen in seinem Versuchsgarten auf dem über 5000' hohen Blaser in Tyrol aus, um zu be- obachten, inwieweit diese Pflanzen sich dem Hochgebirgsklima zu accomodiren im Stande wären. Da ergab sich nun das merkwürdige Resultat, dass nur die- jenigen Arten in so beträchlicher Höhe gediehen, welche im Stande waren, durch ") Untersuchungen über die winterliche Färbung der Blätter, (1837). Vermischte Schriften pag. 375 ff. ?) Vergl. G. HABERLANDT, Untersuchungen über die Winterfärbung ausdauernder Blätter, Sitzungsberichte d. k. Akademie der Wissenschaften in Wien. 72. Bd. I. Abth. 1876. 3) Ueber die Verfärbung grüner Blätter im intensiven Sonnenlichte. Landw. Versuchs- stationen. XXI. Bd. 1878. pag. 465. 2. Das Hautsystem. 581 Anthokyanbildung sich vor der schädlichen Wirkung der im Hochgebirge weit intensiveren Beleuchtung zu schützen. Ich habe die betreffenden Versuchs- objecte in getrocknetem Zustande selbst gesehen und war ganz erstaunt über die kräftige, üppige Entwicklung der gerötheten Pflahzen gegenüber dem kümmer- lichen Aussehen der in der Entwicklung zurückgebliebenen blassgrünen Individuen. Professor v. KERNER ist der Ansicht, dass es sich hier vor Allem um Schutz, beziehungsweise um Zerstörung des Chlorophylis handle. Im Vorausgegangenen sind bloss die typischen Epidermiszellen nach Bau und Function geschildert worden. Eine erschöpfende Besprechung der Epidermis hätte aber natürlich auch auf jene abweichend gebauten Oberhautzellen einzu- gehen, welche meist einzeln und nicht eben’regelmässig vertheilt zwischen den typisch geformten FEpidermiszellen auftreten und über deren Function noch so gut wie gar nichts bekannt ist. Was haben z. B. die sogen. Cystolithen der Urticaceen und Acanthaceen zu bedeuten? oder die verkieselten »Zwergzellen« in der Epidermis der Gräser; die schlauchförmigen, gerbstoffreichen Zellen in der Oberhaut von Saxifraga Cymbalaria und Sedum spurium? Eine Beantwortung dieser Fragen ist gewiss möglich; denn nicht nur jeder einzelnen Gewebeart kommt eine bestimmte physiologische Aufgabe zu, es hat selbst jede einzelne Zelle, welche von ihren Nachbarinnen abweichend gebaut ist, als localer Apparat einem besonderen Zwecke zu dienen. C. Anhangsgebilde der Epidermis. An den meisten Pflanzen wächst eine grössere oder geringere Anzahl von jugendlichen Epidermiszellen entweder einzelnoder gruppenweisezu sehr verschieden- artig geformten ein- oder mehrzelligen Anhangsgebilden aus, welche man unter den morphologischen Begriff der Trichome zusammenfasst oder auch als Haar- bildungen im weitesten Sinne des Wortes bezeichnet. In der Mehrzahl der Fälle sind nämlich diese Auswüchse der Epidermis haarförmig, wenn sie auch anderer- seits nicht selten die Gestalt von Schuppen, Stacheln, Warzen oder Blasen be- sitzen. Wie aus ihren überaus mannigfaltigen Formen hervorgeht, sind die Tri- chome sehr verschiedenartigen Functionen angepasst; zum nicht geringen Theile auch solchen Functionen, welche mit den Aufgaben der Epidermis gar nichts gemein haben. Es ist demnach begreiflich, dass die anatomisch-physiologische Be- trachtungsweise nur jene Haarbildungen als zur Epidermis gehörig betrachten kann, welche dieses Gewebe in seiner Aufgabe als schützendes Hautgewebe unterstützen. Vor Allem fällt hier in Betracht, dass durch einen dichten Haarüberzug die Transpiration der betreffenden Organe herabgesetzt und so die Gefahr der Austrocknung verringert wird. Wenn auch exacte Versuche über diesen Gegen- stand noch fehlen, so ist doch ohne Weiteres einleuchtend, dass ein dichter Ueber- zug von trockenen Haaren wie ein Schirm wirken muss, welcher das betreffende Organ vor direkter Insolation und deren Folgen schützt. Auch verzögert der- selbe den Luftwechsel über der transpirirenden Fläche und verringert auch aus diesem Grunde die Transpiration. In Uebereinstimmung mit dieser Annahme zeigen Steppen- und Wüstenpflanzen häufig eine dichte Behaarung. So z. B. in der Sahara die Gattungen Crozophora mit wolliger Haarbekleidung, Artemisia mit seidenartig sich anschmiegenden und Sa/via mit steifen, starren Haaren.!) ") Vergl. GRISEBACH, Die Vegetation der Erde. II. Bd. pag. 97. 582 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. In Wüsten und Steppen dürfte die Haarbekleidung der Blätter wohl auch noch einem anderen Zwecke dienen, nämlich als Schutzmittel gegen die starke nächtliche Wärmestrahlung. In neuerer Zeit hat Darwın in seinem Buche über das Bewegungsvermögen der Pflanzen gezeigt, dass sich die Blätter gewöhnlich durch nyctitropische Bewegungen dem schädlichen Einflusse der Wärmestrahlung entziehen; es wäre deshalb interessant, zu erfahren, ob reichlich behaarte Blätter ebenso ausgiebige Schlafbewegungen ausführen wie unbehaarte. Dass die Haarbekleidung in vielen Fällen auch die direkten Folgen einer zu intensiven Beleuchtung abwehrt und so die gleiche Bedeutung hat wie eine durch Anthokyan rothgefärbte Epidermis, unterliegt in Anbetracht der so häufigen Behaarung derlichtempfindlichen Blattunterseite keinem Zweifel. Interessant sind in dieser Hinsicht die Beobachtungen WIESNERS!) über die Laubblätter der verschiedenen Pappel-Arten. Die Blätter der Silberpappel (Zopulus alba) schwanken im Winde nach allen Richtungen, so dass die Blattunterseiten immer wieder vom Lichte hell beschienen werden und deshalb mit einem silberweissen dichten Haarfilze versehen sind. Die Blätter der Schwarzpappel (Zopulus nigra) und noch einiger anderer Arten (op. tremula, pyramidalis, canadensis) zeichnen sich zwar gleichfalls durch grosse Beweglichkeit aus, allein in Folge ihres senkrecht zur Blattfläche stark abgeplatteten Stieles können sie sich bei jedem Windstosse fast nur in der Ebene der Blattspreite bewegen, welche in »günstiger fixer Licht- lage« senkrecht zur Richtung des stärksten einfallenden Lichtes gestellt ist. Die Blattunterseite kommt hier also nie in Gefahr, zu stark beleuchtet zu werden und demgemäss besitzt sie auch keine lichtschützende Haarbekleidung. Die Anhangsgebilde der Epidermis haben in verschiedener Ausbildung (als steife Haare, Borsten, Drüsen- und Brennhaare) der Pflanze als Schutzmittel gegen die Thierwelt zu dienen und sind deshalb gleichfalls zum Hautsystem zu rechnen. Am einleuchtendsten ist in dieser Hinsicht die Function der Brenn- haare, bei denen es nicht schwer fällt, jede einzelne Eigenthümlichkeit ihres Baues mit ihrer Aufgabe in Beziehung zu setzen. Häufig werden die Trichome auch noch zu anderen oft sehr wichtigen Leistungen herangezogen, doch sind dieselben dann nicht mehr als Bestandtheile des Hautsystems aufzufassen. So gehören die Wurzelhaare, und ferner auch die Digestionsdrüsen der insektenfressenden Pflanzen zum Ernährungssystem. Die hakenförmig ge- krüimmten Haare von Zhaseolus multifforus und vielen anderen Schlingpflanzen sind Haftorgane. Die federartigen Haarbildungen an Samen und Früchten stellen Verbreitungsmittel vor. Auf alle diese Functionen kann hier selbst- verständlich nicht näher eingegangen werden. II. Das Periderm. A. Begriffsbestimmung des Periderms. Die Epidermis kann älteren, mehrjährigen Pflanzenorganen aus einem doppelten Grunde nicht genügen. Erstens bildet sie ein verhältnissmässig doch zartes Hautgewebe, welches grössere Organe, wie die Stämme und Aeste der Holzpflanzen, nicht mehr ausreichend schützt, und zweitens kann die Epi- dermis als Dauergewebe nur in seltenen Fällen dem Dickenwachsthum der Organe durch eigenes Wachsthum derart folgen, dass sie nicht alsbald zersprengt ") Die heliotropischen Erscheinungen im Pflanzenreiche. II. Theil. Denkschriften der Wiener Akademie. XLIII. Bd. 1880. pag. 45 u. 46 des Separatabdrucks. 2. Das Hautsystem. 583 und zerrissen wird.?) Die Epidermis hat daher durch ein resistenteres, stärkeres Hautgewebe ersetzt zu werden, welches ausserdem die Fähigkeit besitzen muss, sich stets auf’s Neue zu regeneriren, damit das betreffende Organ in jedem Stadium des Dickenwachsthums von einem schützenden Hautgewebe umkleidet wird. Zwei verschiedenartige Anforderungen, welche die Epidermis derart zu er- füllen im Stande ist, dass ihre Zellen einestheils verdickte und cuticularisirte Aussenwandungen und anderntheils lebende Plasmakörper besitzen, steigern sich auf der nächst höheren Stufe der Ausbildung des Hautsystems in solcher Weise, dass eine Gewebeart nicht mehr ausreicht und nothwendigerweise das Princip der Arbeitstheilung zur Geltung kommen muss. Das Periderm, wie wir das in Rede stehende Hautgewebe nennen, besteht demnach aus zwei Gewebearten: Einem Dauergewebe, dem Kork, dessen Aufgabe es ist die darunter liegen- den Gewebe vor zu grosser Wasserverdunstung, vor mechanischen Verletzungen und anderen Beschädigungen zu schützen und einem Bildungsgewebe, dem Phellogen, welchem die Aufgabe der fortdauernden Regeneration des todten, in Folge des Dickenwachsthums immer wieder zerreissenden Korkgewebes zukommt. Um es also zu wiederholen: die verdickten Aussenwandungen der Epidermis und das Korkgewebe einerseits, die lebenden Plasmakörper der Epi- dermiszellen und das Phellogen andererseits — sind physiologisch gleichwerthige Theile der beiden Hautgewebe, der Epidermis und des Periderms. Der Begriff des Periderms erscheint hiernach in anatomisch- physiologischer Fassung. H. v. Mont, welcher den Ausdruck Periderm zuerst angewendet hat, verstand darunter jene Korke, welche aus flachen, tafelförmigen Zellen bestehen, die sogen. Lederkorke. Dies war also eine rein histologische Abgrenzung des Begriffes. In neuerer Zeit hat pe Barv in seiner vergleichenden Anatomie (pag. 560) unter den Begriff des Periderms alle Gewebe zusammengefasst, welche aus dem Phellögen hervorgehen, und auch dieses selbst mit dazu gerechnet. Nachdem aber, wie später noch ausführlicher gezeigt werden soll, das Phellogen nicht bloss Kork erzeugt, sondern sehr häufig auch Parenchymzelllagen (das sogen. Phelloderm) und nach Ampronn’s Untersuchungen sogar Collenchymzellen, also mechanische Elemente, so repräsentirt das Periderm im Sinne DE Bary's bloss eine entwickelungsgeschichtliche Einheit, die weder vom rein histologischen noch vom anatomisch-physiologischen Standpunkte aus gerechtfertigt werden könnte. B. Bau und Function des Periderms. ı. Der Kork. Die einzelne Korkzelle ist meist von prismatischer, resp. tafelförmiger Ge- stalt mit 4—6seitiger Grundfläche. Die Zellwand ist ringsum mehr oder weniger stark verdickt und zwar meist gleichmässig; selten besitzt die äussere Wand (Sax, Zanthoxylon fraxineum) oder die innere (Mespilus germanica, Viburnum Opulus) eine grössere Dicke?) Nach den Untersuchungen DE Bary's, welche von HÖHNEL°) vielfach erweitert wurden, besteht die Korkzellmembran gewöhnlich aus !) Zu solchen Ausnahmen gehören die Stämme und Aeste von Fiscum album, Ilex-Arten, die immergrünen Jasminen, Merispermum canadense, Aristolochia Sipho, Sophora japonica, Acer striatum u. A. Vergl. DE Barv, Vergleichende Anatomie pag. 551. 2) S. DE Bary, Vergleichende Anatomie, pag. 117. h 3) Ueber Kork und verkorkte Gewebe überhaupt, Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissensch. in Wien. LXXVI. Bd. I. Abth. Jahrg. 1877. Ich citire im Folgenden stets nach der Paginirung des Separatabdrucks. 1.0 WET a Z 277 e 584 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. drei verschiedenen Lamellen. Zu innerst liegt eine (bisweilen verholzte) Cellulose- schicht, dann folgt nach aussen eine verkorkte Lage, die sogen. Suberinla- melle, welcher die ganze Zellwand ihre physiologisch wichtigen Eigenschaften verdankt und nach dieser kommt dann noch die Grenz- oder Mittellamelle (Intercellularsubstanz), welche zwei benachbarten Zellen gemeinschaftlich ist und entweder die Reactionen der Cellulose zeigt oder gleichfalls verholzt ist.!) Bei dünnen Zellmembranen kann die innere Celluloseschicht auch Eule und dann sind jene bis auf die Grenzlamelle total verkorkt. Ueber den Korkstoff oder das Suberin, welches den Korkzellwandungen eingelagert ist, liegen namentlich von chemischer Seite zahlreiche Untersuchungen vor, auf welche hier nicht näher eingegangen werden kann; ich verweise in dieser Hinsicht auf die sehr vollständige Literaturzusammenstellung in HÖHNEL's Abhandlung (l. c. pag. 63 ff.) Wenn auch die chemische Natur des Suberins noch nicht vollständig bekannt ist, so ist doch soviel sichergestellt, dass das- selbe eine dem Cutin der Epidermiszellwände und der Cuticula sehr nahestehende, mit demselben vielleicht identische Substanz vorstellt. Ueber die mikrochemischen Reactionen der verkorkten Zellwände ist gleichfalls in v. Hönner's Abhandlung nachzulesen, welche sich über diesen Gegenstand sehr ausführlich verbreitet. Am bequemsten lassen sich verkorkte Zellmembranen durch ihre Unlöslichkeit in concentrirter Schwefelsäure erkennen. Das Suberin ist wie das Cutin in den Cuticularschichten der Epidermis zwischen die Cellulosemicellen der Zellwand eingelagert, so dass die Suberinlamelle immer aus zwei membranbildenden Stoffen besteht. Wie von Hönneı (l. c. pag. 76 ff.) gezeigt wurde, kann die Suberinla- melle auch verkieselt sein; dabei ist bemerkenswerth, dass in der Regel nur solche Arten verkieselte Korke aufweisen, die auch in der Epidermis viel Kiesel- säure enthalten. Von den sonstigen Eigenschaften der Zellwände, welche mit der Function des Korkes in Beziehung stehen, wäre noch erwähnenswerth, dass Porenkanäle sehr selten sind und dass sie nach v. Höhner (l. c. pag. 82) bloss in der (inneren) Celluloselamelle vorkommen, niemals aber die Suberinlamelle durch- setzen. Die erstere ist namentlich dann mit Poren versehen, wenn sie verdickt ist. Es dürfte hieraus zu folgern sein, dass die Porenkanäle für das ausgebildete Korkgewebe bedeutungslos sind; es wäre ja auch das Vorhandensein von Poren, welche die ganze Wand durchsetzen, mit den Aufgaben des Korkgewebes gar nicht vereinbar. Die Poren functioniren offenbar nur in der lebenden, oder richtiger gesagt in der werdenden Korkzelle und erleichtern die Ernährung und Ausbildung der Suberinlamelle. — Mit der physiologischen Aufgabe des aus- gebildeten Korkgewebes steht es dagegen im Zusammenhange, wenn die Suberin- lamelle der Aussenwand stärker verdickt ist, als die der Innenwand; in diesem Falle besitzt dann gewöhnlich die innenseitige Celluloselamelle eine grössere "Dicke, als der aussenseitige T’heil des Schlauches. — Was den Inhalt der Korkzellen betrifft, so sind dieselben als abgestorbene (sewebselemente meistens luftführend. Namentlich gilt dies für den dünnwandigen Kork. Ob dabei noch Reste des Plasmaleibes in Form eines dünnen Ueberzuges die Zellwände auskleiden oder nicht, ist nur von untergeordneter Bedeutung. ') Diese von mir gemachte Beobachtung (Ueber die Nachweisung der Cellulose im Kork- gewebe. Oesterr. bot. Ztg. 1875, Augustheft) wurde von HÖHNEL, l. c. pag. 54 ff. (Separat- abdruck) bestätigt. 2) Vergl. HÖHneL, 1. c. pag. 84. y nf FE N Tri [24 P+ Au! t iu . BT) “ « n 2b ar a . cn \ \ 7 7 IE ER, Fi=. h y 3 gern N , Br. n \ 2. Das Hautsystem. 585 Wichtiger dagegen ist es, dass viele dickwandige Korke in ihren Zellen gelbe bis rothbraune Inhaltstoffe enthalten, welche die Zelllumina ausfüllen und theilweise wenigstens aus Gerbstoffen und deren Zersetzungsprodukten (Phlobaphene) bestehen.!) Daneben sind noch besondere Vorkommnisse zu erwähnen; das Betulin in Birkenkork und das in Form von nadelförmigen Krystallen auftretende Cerin in Bouteillenkork (Ouercus Suber). Bisweilen kommt auch oxalsaurer Kalk in Form von Drusen (Quercus Suber) oder Raphiden (Testudinaria elephantipes) im Korke vor. Hinsichtlich der Beziehungen zwischen Zellinhalt und Function wurde von HÖHNnEL darauf aufmerksam gemacht, dass »die Korke um so inhalts- reicher sind, je näher sie ihrer Function und Entstehung nach an die Oberfläche der Rinde zu stehen kommen, vorausgesetzt, dass sie nicht massig entwickelt sind. Dieses deutet darauf hin, dass massige Korke durch ihre Lufthaltigkeit noch eine besondere Function erfüllen.« So wie die Epidermiszellen bilden auch die Korkzellen ein lückenloses Gewebe. Dieser Mangel an Intercellularräumen ist selbstverständlich das erste Erforderniss behufs der Functionstüchtigkeit des Korkes. Die einzelnen Zellen ordnen sich ge- wöhnlich in radiale Reihen an und bilden Gewebsschichten von sehr ungleicher Dicke. Es giebt »Korkhäutec e er, f - h er — ‚ e E FR x Pe wir . I j \ we x 5, \ 2. Das Hautsystem. 587 hier einige mittheile. So verlor z. B. ein im Transpirationsapparat befindlicher 2jähriger Rosskastanienzweig bei einer Temperatur von — 3,5 bis — 10,5°C. in 24 Stunden 0,3230 seines Gewichtes an Wasser. Bei einer Temperatur von — 5,5 bis — 13° C. gab derselbe Zweig 0,199% Wasser ab. Ein 3jähriger Eichen- zweig erlitt bei — 3 bis — 8,5° C. in 24 Stunden einen Transpirationsverlust von 0,2510, bei — 5,5 bis — 13° C. einen solchen von 0,192. Die Transpiration der Zweige ist also selbst bei so niedrigen Temperaturen durchaus nicht unbedeutend und es lässt sich hiernach erwarten, dass auch die überwinternden Knospen transpiriren werden, um so mehr, als sie bei milderen Temperaturen ziemlich ansehnliche Transpirationsverluste erleiden. So ermittelten WIESNER u. PACHER für eine Rosskastanienknospe eine tägliche Wasserabgabe von 1,523— 1,60%. Wenn demnach die Zweige und Aeste durch Korkgewebe gegen Austrocknung zu schützen sind, so wird das gleiche auch für die Knospen gelten und in der That finden wir, dass die Knospendecken oder Tegmente sehr häufig unter ihrer äusseren Epidermis (welche sich übrigens bei Aesez/us ablöst) noch eine Kork- lage besitzen.!) Es geht daraus hervor, dass sich das Auftreten des Korkes nicht nach der morphologischen Dignität des betreffenden ÖOrganes richtet, wie man früher öfters annahm, sondern ausschliesslich nach den physiologischen Bedürf- nissen der Pflanze. — Für Gase ist das Korkgewebe überaus schwer durchlässig, wodurch es sich von der Epidermis sehr beträchtlich unterscheidet. Nach sehr eingehenden von WIESNER?) angestellten Versuchen erwiesen sich selbst ganz dünne Korkplättchen (von der Korkeiche und der Kartoffel) auch bei beträchtlichen Druckdifferenzen für atmosphärische Luft so gut wie impermeabel. Wenn wir die geringe Durchlässigkeit des Korkes für Wasser und Gase mit dem anatomischen Bau seiner Zellwandungen in Beziehung setzen wollen, so müssen wir die verholzte Mittellamelle von den Suberinlamellen scharf unter- scheiden. Nachdem verholzte Membranen eine hohe Leitungsfähigkeit für Wasser besitzen und auch für Gase leicht durchlässig sind, erscheint es in hohem Grade wahrscheinlich, dass die Bewegung des Wassers und der Gase ausschliesslich oder doch hauptsächlich in dem zusammenhängenden System der Mittellamellen erfolgt, welche so zu sagen ein System von substanzerfüllten Intercellularräumen vorstellen. Die Suberinlamellen sind dann möglicherweise für Wasser sowol wie für Gase vollkommen impermeabel. Wie es sich unter dieser Voraussetzung mit dem molekularen Bau der Suberinlamellen verhält, dies zu erörtern würde uns hier zu weit führen. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Function des Korkes ist sein geringes Wärmeleitungsvermögen. Er erweist sich dadurch als ein den Bedürfnissen der überwinternden oberirdischen Pflanzenorgane besonders ange- passtes Hautgewebe. An jedem Zweige oder Aste sind nämlich zwei sehr peri- pherisch gelegene Meristeme, das Phellogen und der cambiale Verdickungs- ring vorhanden, welche gegen zu rasche Temperaturschwankungen ausgiebig zu schützen sind. Denn bekanntlich erfolgt das Absterben gefrorener Pflanzentheile um so leichter, je rascher das Aufthauen vor sich geht. Nachdem nun im Laufe I) Vergl. C. MıkoscH, Beiträge zur Anatomie u. Morphologie der Knospendecken dicotyler Holzgewächse. Sitzungsberichte der Wiener Akademie. LXXIV. Bd. I. Abth. Jahrg. 1876. . ?) Versuche über den Ausgleich des Gasdruckes in den Geweben der Pflanzen. Sitzungs- berichte der Akademie der Wissenschaften in Wien. LXXIX. Bd. I. Abth. 1879. 588 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. eines Winters den peripherisch gelegenen Bildungsgeweben der Holzgewächse ein überaus häufiger Wechsel von Gefrieren und Aufthauen nicht erspart bleibt, so muss der Pflanze um so mehr daran gelegen sein, diesen Wechsel durch Ver- langsamung der Temperaturschwankungen möglichst unschädlich zu machen. Wenn der Gärtner seine empfindlicheren Holzpflanzen im Winter mit-Stroh und - Werg umwickelt, so ahmt er damit nur die Natur nach, welcher im Korkgewebe und in der später zu besprechenden Borke ein noch viel zweckmässigeres Material zu Gebote steht. Wichtig für die Function des Korkes ist auch seine beträchtliche Dehnbar- keit und Elasticität, Eigenschaften, welche auch den cuticularisirten Zellmem- branen, also den Aussenwandungen der Epidermiszellen, in hohem Grade zu- kommen. Wenngleich in Folge des Dickenwachsthums auftretende Längsrisse im Korkgewebe durch die Thätigkeit des Phellogens bald wieder geschlossen werden, so ist doch leicht einzusehen, dass häufige Rissbildungen im Kork aus verschiedenen Gründen sehr unerwünscht sind. Durch die Dehnbarkeit der Kork- zellwände wird nur eine zu grosse Zerklüftung vermieden. Dabei ändern natür- lich die tangential gedehnten und radial gedrückten Zellen ihre Gestalt und werden mehr oder weniger stark zusammengepresst. Auch die Zellwände selbst erleiden Veränderungen, indem, wie HÖHnEL (l. c. pag. 89) nachwies, bloss die Suberinlamellen sehr dehnbar sind, und in Folge dessen intact bleiben, während die verholzten und viel weniger dehnsamen Mittellamellen und Celluloseschläuche in Querstreifen zerrissen werden, deren Zwischenräume an Querschnitten wie . Porenkanäle erscheinen. Schliesslich soll nur mit wenigen Worten daran erinnert werden, dass sich der Kork auch als vortreffliches Schutzmittel gegen die Angriffe der Schmarotzer- pilze, sowie der höheren und niederen Thierwelt bewährt und dass er in dieser Function sehr häufig durch verschiedene der Rinde eingelagerte Gerbstoffe, Bitter- stoffe, Alkaloide etc. unterstützt wird. Weil die verkorkte Zellwand beinahe vollständig, luft- und wasserdicht ist, und auch den osmotischen Durchtritt von Nähr- und Baustoffen in hohem Grade erschwert, so macht die Pflanze nicht bloss zur Herstellung ihrer Hautgewebe, sondern auch dort überall von verkorkten Zellmembranen Gebrauch, wo es sich um eine Abgrenzung von Zellen oder Geweben handelt, deren Stoffaustausch mit den angrenzenden Geweben möglichst vermieden werden soll. So wurde in neuerer Zeit von ZACHARIAS!) für eine grössere Anzahl von verschiedenartigen Secret- behältern die Verkorkung ihrer Membranen nachgewiesen. Besonders zeichnen sich in dieser Hinsicht die Behälter farbloser bis hellgelber, in Alkohol löslicher ätherischer Oele aus, wie sie z. B. im Parenchym der Stammtheile und der Blätter verschiedener Zingiberaceen, Piperaceen, Acorus Calamus etc. vorkommen. Schleim- und Raphidenschläuche mit verkorkten Wandungen wurden dagegen bloss in den Gattungen Aloö, Mesembryanthemum u. Zlohenbergia angetroffen. Früher hatte schon DE BArY?) auf derartige Vorkommnisse aufmerksam gemacht und von TRECUL wurde gezeigt, dass die Membranen der Milchsaftbehälter von Calystegia sepium von Schwefel- säure nicht gelöst werden, also das charakterische Verhalten von verkorkten Zellwänden zeigen. Die Schutzscheide Caspary’s (Endodermis DE BArY’s) ist gleichfalls, wie schon seit langem bekannt ist, mit verkorkten Zellwänden versehen und der Vortheil dieser Einrichtung leuchtet so- fort ein, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass die Schutzscheiden entweder den gesammten Ge- fässbüindelkörper oder die einzelnen Leitbündel umgeben. Sie verhindern auf diese Weise, dass aus den Leitbündeln die aufsteigenden Nährsalze vorzeitig die Leitbahnen verlassen, vielleicht schon theilweise im Stamme, während sie doch bis in die Laubblätter hinaufgeleitet werden !) Ueber Secret-Behälter mit erkorkten Membranen, Bot. Ztg. 1879. No. 39. u. 40. ?2) Vergl. Anatomie, pag. 152. cl Pie. . 2. Das Hautsystem. 589 sollen. Ebenso verhindern sie, dass die aus den Laubblättern im Leitparenchym nach abwärts strömenden Baustoffe (z. B. Glycose) in die Gefässbündel eintreten und hier von dem aufsteigen- den Wasserstrome wieder nach aufwärts gerissen werden. — Hierher gehören auch die subepi- dermalen Bastmäntel der Rhizome jener Carex-Arten, welche in lehmigem oder wasserdurch- tränktem Boden vegetiren und deshalb grosser Luftkanäle bedürfen. Um das Eindringen des Wassers zu verhüten, sind, wie bereits SCHWENDENER!) angab, die Rindenzellen und Bastzellen verkorkt. Später wurde dann von HÖHNEL (l. c. pag. 149 ff.) gezeigt, dass diese peripherischen Bastzellen denselben Membranbau besitzen wie die Korkzellen; »eine Mittellamelle, die sich in ScHULZE’schem Gemisch leicht löst, eine sehr dünne Suberinlamelle und einen dicken, verholzten Celluloseschlauch. « Wegen der physikalischen Eigenschaften seiner Zellwandungen ist der Kork auch besonders geeignet als Vernarbungsgewebe zu fungiren. Es werden demnach Wunden im Parenchym der Stengel, Wurzeln und Blätter gewöhnlich mittelst sogen. Wundkorkes abgeschlossen. Die der Wundfläche angrenzenden, unverletzten Zellen theilen sich in tangentialer Richtung, es ent- steht ein Phellogen und dieses bildet Korkgewebe. In solcher Weise vernarben z. B. die vielen in Folge des herbstlichen Laubfalles auftretenden Wundflächen an den Zweigen. Auch abge- storbene oder erkrankte Pflanzentheile werden von den gesunden durch Korkbildung abgegrenzt. 2. Das Phellogen. So wie das Dicken- und Flächenwachsthum der Aussenwandungen der Epi- dermis von den Plasmaindividuen dieses Gewebes abhängt, ebenso beruht die Neubildung und fortwährende Ergänzung des Korkes auf der Thätigkeit des als Phellogen bezeichneten Bildungsgewebes. Dasselbe besteht aus plasmareichen, zartwandigen Meristemzellen von tafelförmiger Gestalt, welche gewöhnlich bloss eine einzige Schicht bilden. Diese Initialzellen theilen sich in tangentialer Richtung und von den beiden Tochterzellen wird die äussere zu einer Kork- zelle, die innere bleibt Phellogenzelle. Von Sanıo?) wird dieser Vorgang als centripetale Theilungsfolge bezeichnet. Wenn dagegen von den beiden Tochterzellen die äussere zur neuen Phellogenzelle wird, die innere dagegen zu einer parenchymatischen Phellodermzelle sich ausbildet, so ist das nach Sanıo eine centrifugale Theilungsfolge. Wie schon oben erwähnt, beschränkt sich also die gewebsbildende Thätigkeit des Phellogens nicht bloss darauf, Kork zu er- zeugen; neben dieser Hauptfunction vollzieht es — zwar häufig, aber nicht immer — auch Nebenfunctionen, indem es durch Bildung von »Phelloderm« zur Verstärkung des chlorophyliführenden Rindenparenchyms beiträgt, oder (bei Melano- selinum decipiens) durch Bildung von Collenchym am Aufbau des mechanischen Systems betheiligt ist. Der Entstehungsherd des Phellogens ist häufig in der Epidermis oder in den unmittelbar darunter befindlichen Parenchyraschichten gelegen. Die betreffenden Mutterzellen theilen sich in tangentialer Richtung und erzeugen so zunächst das korkbildende Folgemeristem. Auf diese Weise kommen die Oberflächen- periderme?) zu Stande. Dieselben gehen bei sämmtlichen Pomaceen und Salix-Arten, bei verschiedenen Viburnum-Species, Nerium Oleander, Staphylea pinnata etc. aus der Epidermis hervor. In den meisten Fällen dagegen ist es die unter der Epidermis gelegene Parenchymschicht, welche die Mutterzelllage des Phellogens bildet. Die Mehrzahl unserer Waldbäume und Sträucher gehört in diese Kategorie. I) Mechanisches Princip, pag. 126 u. 127. 2) Vergleichende Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung des Korkes, PRINGS- HEIM’s Jahrbücher für wissensch. Botanik. I. Bd. pag. 39. 3) Vergl. DE Bary, Vergleichende Anatomie. pag. 563. SCHENnK, Handbuch der Botanik, Bd. II, 39 590 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Bei vielen Holzgewächsen tritt die Phellogenbildung in grösserer Entfernung von der Oberfläche auf, entweder in tieferen Rindenparenchymschichten, oder wie z. B. bei den Wurzeln der Dicotylen und Gymnospermen noch tiefer im Inneren des Organs, in einer Zelllage, die bereits dem Gefässbündelsystem an- gehört. Bei den Wurzeln ist es das Pericambium, welches zur Initialschicht des Phellogens wird. Es ist begreiflich, dass wenn solch innen entstandenes Phellogen Kork bildet, die darüber befindlichen Gewebe von jeder Wasserzufuhr abge- schnitten werden und vertrocknen müssen. Dieses vertrocknete Rindengewebe bildet dann gemeinschaftlich mit den Korklagen die sogen. Borke. Das Phellogen kann früher oder später seine Thätigkeit einstellen und selbst zu Kork werden. Dies ist z. B. bei Organen der Fall, deren Dickenwachsthum sistirt wird, z. B. bei Aepfeln und Knospendecken. Hier wird das Phellogen überflüssig und das Periderm besteht schliesslich bloss aus Korkgewebe. In anderen Fällen hört das primäre Phellogen zu functioniren auf, wird aber durch ein weiter innen neu entstehendes Korkbildungsgewebe ersetzt; dieser Process kann sich öfters wiederholen, es werden immer wieder neue, tiefer liegende Peri- derme gebildet, welche entsprechende Gewebestücke aus der Rinde gleichsam herausschneiden und der Austrocknung preisgeben. So wird die Borke immer mächtiger, zugleich aber von immer complicirterer Structur. III. Die Borke. Wenn wir die Borke als dritte Ausbildungsstufe des Hautsystems bezeichnen, so soll damit nicht gesagt sein, dass diese ausgetrockneten Gewebemassen, ähn- lich wie das Periderm im Verhältniss zur Epidermis, als eine Folge gesteigerter und zugleich modificirter Ansprüche an das Hautsystem sich herausstellen Die Borke hat genau dieselben Aufgaben zu erfüllen wie das Korkgewebe und nicht einmal die Behauptung wäre zulässig, dass letzteres den gesteigerten An- forderungen, welche an das Hautgewebe alternder Stämme gestellt werden, nicht mehr nachkommen könne. Die Rothbuche, die Korkeiche u. A. besitzen zeit- lebens selbst an den mächtigsten Stämmen bloss Korkgewebe. Wenn wir nun trotzdem die Borke als eine besondere Ausbildungsstufe des Hautsystems be- trachten, so geschieht dies hauptsächlich ihres anatomischen Baues wegen. Das Periderm bildet eine wohl charakterisirte anatomisch-physiologische Einheit. Die Borke dagegen ist ausschliesslich eine physiologische Einheit, weil in der- selben ausser den Korklamellen auch noch verschiedene andere Gewebearten vertreten sind, welche früher anderen Gewebesystemen angehörten. Ein ausge- trocknetes, abgestorbenes Gewebe kann eben nur mehr in einer Hinsicht der Pflanze von Nutzen sein, d. ı. als schützendes Hautgewebe. Wie sehr z. B. eine vertrocknete Gewebeschicht, mag sie früher dem saftigsten Parenchym angehört haben, die Transpiration herabsetzt, beobachten wir an jedem angeschnittenen Apfel, dessen I'ranspirationsverluste täglich auffallend abnehmen. Andererseits sind vertrocknete Gewebemassen auch gegen mechanische Beschädigungen ein vortreffliches Schutzmittel. Die Pflanze kann also ihre überflüssig gewordenen peripherischen Gewebe, wie die primären Bastbündel oder die Collenchymstränge, ferner die in Folge des Alters vielleicht functionsuntüchtig gewordenen Rindenparenchymmassen nicht besser verwerthen, als indem sie dieselben durch Korklamellen herausschneidet, und sie im ausgetrockneten Zustande zur Verstärkung des Hautsystems ver- wendet. — Fu 2. Das Hautsystem. 591 Ueber den anatomischen Bau der Borke ist nach dem Vorausgegangenen nur wenig mehr zu sagen. Wir wissen bereits, dass abgesehen vom Korkgewebe auch noch das mechanische und ernährungsphysiologische System das erforder- liche Material zur Borkebildung liefern können. Auch die Unterscheidung von Schuppen- und Ringelborke wäre hier unter Hinweis auf die Handbücher der descriptiven Anatomie bloss zu erwähnen. Von grösserem Interesse sind für uns jene anatomischen Einrichtungen, welche die Festigung der Borke zum Zwecke haben. Zunächst ist es selbstverständlich, dass etwaige mechanische Stränge, welche früher die Festigkeit des ganzen Organs herstellten, nunmehr den festen Zusammenhang der verschiedenen Gewebemassen der Borke erhöhen werden. Das gleiche Ziel, verbunden mit einer allgemeinen Steigerung der Festigkeit und Härte des Gewebes wird durch Bildung zahlreicher isolirter oder Gruppen bildender Sklerenchymzellen angestrebt, welche aus der nachträglichen Verdickung von dünnwandigen Parenchymzellen hervorgehen. Diese letzteren behalten dabei entweder ihre ursprüngliche Form oder sie zeigen ansehnliche Veränderungen hinsichtlich Gestalt und Grössel). Namentlich kommt es zur Bildung vielarmigen Steinsklerenchyms, welches besonders geeignet ist, eine feste Textur des ganzen Gewebes zu vermitteln. Die Sklerenchymzellen können sogar so reichlich auf- treten, dass sie die Hauptmasse des ganzen Gewebes bilden; in diesem Falle kann mit HArRTIG von einer »Steinborke« gesprochen werden. Die Eichen, Eschen, Ahorne, Birken, Weisstannen und namentlich die Rothbuchen besitzen derartige Steinborken, welche übrigens deshalb nicht genau unter den oben definirten Begriff der Borke fallen, weil ihre Entstehung keineswegs die Bildung von Kork- lamellen zur Voraussetzung hat. Die Borke ist einer stetigen Abschülferung ausgesetzt; ihre obersten Schuppen trennen sich los und werden abgeworfen. Dass es sich hierbei nicht etwa um Ablösungsvorgänge handelt, welche sich als mechanische Folge des Dicken- wachsthums gewissermassen unbeabsichtigt einstellen, ergiebt sich daraus, dass seitens der Pflanze eigene Trennungsgewebe gebildet werden, welche eine leichtere Abspaltung der Borkenstücke zum Zwecke haben. Es liegen hier analog wirkende Einrichtungen vor, wie an den Blattinsertionen zur Zeit des herbstlichen Laubfalls. Diese Trennungsgewebe gleichen hinsichtlich der Gestalt ihrer Zellen dem Korkgewebe, zwischen welchem sie in Form von Lamellen auftreten; sie unterscheiden sich aber vom Kork durch die mangelnde Verkorkung ihrer Zell- wandungen. Von HÖöHnneEL, welcher diese Trennungsgewebe in anatomischer und theilweisse auch physiologischer Hinsicht studirt hat, werden sie deshalb als Trennungsphelloide?) bezeichnet. Er unterscheidet dabei active und passive Trennungsphelloidee Wenn nämlich die Korkzellen dickwandig und fest, die dazwischenliegenden Phelloidschichten dagegen dünnwandig und ausserdem zum Zerreissen in bestimmter Richtung geeignet sind, so bewirken nach HönneL die hygroskopischen Krümmungen von Kork und todtem Rindengewebe die Zer- reissung im Phelloid oder an der Grenze desselben. In diesem Falle hätte man es mit einem passiven Trennungsphelloid zu thun. Wenn dagegen die Korkzellen dünnwandig, die Phelloidschichten dagegen dickwandig und verholzt sind, so ver- anlasst das Phelloid mit dem Borkengewebe oder jenes vorwiegend allein, die Zerreissung in den Korklamellen. Dies wäre dann ein actives Trennungsphelloid. Wenn nun auch zugestanden werden muss, dass diese Eintheilung sehr wahr- I) Vergl. DE Bary, Vergleichende Anatomie. pag. 555. 2) Ueber den Kork und verkorkte Gewebe. pag. 95 ff. 592 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. scheinlich den natürlichen Verhältnissen entspricht, so wäre doch eine eingehendere und die Mechanik des Ablösungsvorganges genauer berücksichtigende ‘Beweis- führung sehr erwünscht gewesen. Immerhin lassen aber die anatomischen Unter- suchungsergebnisse von HÖHNnEL's einige interessante Anpassungserscheinungen auf das Deutlichste erkennen. Passive Trennungsphelloide wurden von HÖHnEL bei Doswellia papyrifera, Philadelphus coronarius, Fuchsia sp., Callistemon sp., Myrtus communis u. A. ge- funden. Bei Boswellia papyrifera sind die Korkzellen dickwandig, stark zu- sammengepresst und treten in 10— 135 Schichten hintereinander auf. Die Phelloid- zellen bilden dagegen bloss eine einzige Lage, und besitzen dünne Aussen- und Seitenwandungen. Besonders ausgezeichnet sind aber ihre Innenwände; dieselben sind sehr dick, dabei in hohem Grade verholzt und verkieselt und besitzen nach innen vorspringende Leisten, welche meistens der Längsrichtung des Stammes folgen. Die Seitenwandungen zerreissen sehr leicht und so werden bei der Ab- lösung der Korkschichten die Innenwände der Phelloidzellen blosgelegt, welche wegen ihrer Aehnlichkeit mit verdickten Epidermisaussenwandungen besonders geeignet sind, die darunter liegenden grossen Korkblätter nach aussen zu abzu- grenzen. Active Trennungsphelloide fand HÖHnEL bei Abdies excelsa, Araucaria excelsa, Pinus sylvestris, Taxus baccata, Larix europaea. Sie bestehen fast immer aus mehrschichtigen, sehr dickwandigen Zellen, mit welchen die ganz dünnwandigen Korkzelllagen abwechseln. IV. Die Entwickelungsgeschichte des Hautsystems. Wenn wir die Beziehungen der verschiedenen Hautgewebe zu den drei Bildungsgeweben der Vegetationsspitze, dem Protoderm, dem Cambium und dem Grundparenchym ins Auge fassen, so gelangen wir zu dem Ergebniss, dass das Hautsystem direkt oder indirekt aus jedem dieser drei primären Bildungsgewebe hervorgehen könne. Die Epidermis, mit welcher wir uns zunächst beschäftigen wollen, entsteht an oberirdischen Pflanzentheilen fast immer aus dem Protoderm, welches von Hansteın eben deshalb geradezu als »Dermatogen« bezeichnet wurde. Doch giebt es Fälle, in welchen eine anatomisch und physiologisch wohldifferenzirte Epidermis entwickelungsgeschichtlich dem Grundparenchym angehört. Dies gilt z. B. in ganz ausgezeichneter Weise für jene Epidermiszellen, welche die an manchen ausgewachsenen Aroideenblättern vorkommenden L,öcher und Einbuchtungen be- grenzen. In neuerer Zeit ist hierüber von FR. SCHWARZ!) eine auf das Blatt von Philodendron pertusum bezugnehmende Abhandlung erschienen, aus welcher her- vorgeht, dass an den jungen, ca. 8 Millim. langen Blättern das noch undifferenzirte meristematische Blattgewebe an circumscripten, nicht näher bestimmten Stellen zwischen den Secundärnerven abstirbt und eine braune Färbung annimmt. Die ringsum an die austrocknenden Schuppen grenzenden Zellen werden tangential zum Schuppenrande wiederholt getheilt, so dass das Gewebe ein peridermartiges Aussehen erhält. Die äussersten Zellen des L,ochrandes entwickeln sich dann zur »secundären Epidermis«, welche also in Form eines schmalen Streifens zwischen die primäre Epidermis der Blattober- und Unterseite eingeschaltet wird. Von SCHWARZ wird nun über den anatomischen Bau dieser secundären, aus dem I) Ueber die Entstehung der Löcher und Einbuchtungen an dem Blatte von PAilodendron pertusum Scuort; Sitzungsberichte der Wiener Akademie, LXXVI. Bd. I Abth. 1878. 2. Das mechanische System. 3 593 u Grundparenchym des Blattes hervorgegangenen Epidermis nichts Näheres mitge- theil. Uns aber interessirt hier vor Allem, zu wissen, ob hier wirklich eine typisch gebaute Epidermis vorliegt. Ich habe deshalb bei Monstera_ deliciosa, welche gleichfalls durchlöcherte und eingebuchtete Blätter besitzt, die Epidermis- zellen der Buchtenränder mit jenen des primären äussern Blattrandes verglichen und dabei das Hauptaugenmerk auf den feineren Bau der Aussenwandungen gelegt. Die Uebereinstimmung zwischen primären und secundären Epidermiszellen ist eine vollständige. Die Aussenwände der letzteren sind gleichfalls mit einer zarten Cuticula bekleidet, die darunter befindliche Cuticularschicht zeigt eine deutliche Schichtung und besitzt ein auch sonst so häufig vorkommendes, in die Seitenwände keilförmig einspringendes Leistennetz und zu innerst folgt dann noch eine dünne Celluloselage, so dass der Bau der Aussenwände als vollkommen typisch zu bezeichnen ist. Dabei sind auch die Dickenverhältnisse ihrer einzelnen Schichten in der primären und secundären Randepidermis genau dieselben. Die ganze Aussenwand ist ungefähr 6 Mikromillim. dick und etwas stärker als die Aussen- wandung einer Epidermiszelle der Blattspreite. Die Innenwände der secundären Epidermiszellen bilden am Querschnitt betrachtet allerdings keine so regelmässige Zickzacklinie, als wie dies bei Phanerogamen sonst der Fall zu sein pflegt, allein die ungleiche Höhe der einzelnen Zellen erklärt sich begreiflicherweise aus ihrer späten Entstehung vollständig und ist ja für die anatomisch-physiologische, wie auch für die rein histologische Auffassung der Epidermiszellen ganz belanglos. Auch die mehrschichtige Epidermis muss an dieser Stelle nochmals erwähnt werden. In vielen Fällen (z. B. bei den Piperaceen, Begoniaceen), geht dieselbe ausschliesslich aus dem Protoderm hervor, dessen Zellen sich wiederholt tangential theilen. In anderen, gleichfalls sehr zahlreichen Fällen dagegen (Palmen, Pan- danen etc.) ist bloss die äusserste Zelllage protodermalen Ursprungs; die darunter liegenden farblosen Schichten gehen aus dem Grundparenchym hervor. Es wäre nun offenbar sehr gezwungen, wenn man dieses entwicklungsgeschichtlichen Unter- schiedes halber das protodermale und das grundparenchymatische »Hypoderm«, wie man die farblosen, dünnwandigen Zelllagen der mehrschichtigen Epidermis auch nennt, auseinander halten wollte, da es sich doch um anatomisch und physiologisch ganz gleichwerthige Gewebe handelt!). Das Periderm (beziehungsweise das Phellogen), geht niemals aus den Bildungs- geweben der Vegetationsspitze direkt hervor, da dieses Hautgewebe erst später nothwendig wird. Weil also das Phellogen als sogen. Folgemeristem gewöhnlich aus Dauergeweben hervorgeht (eine Ausnahme bildet das durch Theilungen im Pericambium entstehende Phellogen der Wurzeln) so zeigt dasselbe bloss eine indirekte Beziehung zu den drei primären Bildungsgeweben, welche eingehender auseinanderzusetzen hier zu weit führen würde. — Drittes Kapitel. Das mechanische System. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Gedeihen, ja für dıe gesammte Existenz der Pflanze besteht in dem Vorhandensein von Einrichtungen, welche die Festigung aller ihrer Organe und ihres wechselseitigen Zusammenhanges zur Aufgabe haben. Je höher differenzirt die betreffende Pflanze ist, je vielgestaltiger !) Vergl. auch TscHIRCH, Ueber einige Beziehungen des anatomischen Baues der Assimilations- organe etc. pag. 148. Anmerk. 594 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. und zahlreicher ihre einzelnen Organe sind, desto leichter werden natürlich mechanische Eingriffe aller Art den Aufbau und die Gestaltung der Pflanze schädigen. Diese mechanischen Eingriffe äussern sich in verschiedener Weise; sie bewirken bei ungenügender Festigkeit ein Zerbrechen, Zerreissen, Zerdrückt- oder Zerquetschtwerden der betreffenden Pflanzentheile und gegen diese Be- schädigungen hat sich die Pflanze zu schützen, indem sie ihre Organe je nach Bedürfniss, d. h. je nach der Art ihrer Inanspruchnahme bald biegungsfest (gegen Zerbrechen), bald zugfest (gegen Zerreissen), säulen- oder strebefest (gegen Ein- knicken), schubfest (gegen Abscheeren) oder druckfest ausbildet. Einrichtungen zur Herstellung der nothwendigen Festigkeit bedarfjede Pflanze, die unscheinbare Fadenalge sowohl wie ein mächtiger Baumriese. Der Zellfaden der Alge muss gegen das Zerreissen und Einknicken geschützt sein und wenn wir die Algenrasen betrachten, welche in reissenden Gebirgswässern die Steine bedecken, so müssen wir uns sagen, dass an die Festigkeit ihrer zarten Zellfäden keine geringen Ansprüche gestellt werden. Wenn wir uns dann andererseits einen Repräsentanten unserer Laubwälder vor Augen halten, so werden uns bald die so verschiedenartigen Ansprüche klar, welche an die Festigkeit seiner Organe ge- stellt werden. Zunächst hat der Stamm das Gewicht der mächtigen Krone, ihrer Ast- und Laubmassen zu tragen: er muss nach Art einer Säule strebefest gebaut sein. Die schief oder horizontal abstehenden Aeste sind in gleicher Weise be- lastet und werden auf Biegungsfestigkeit in Anspruch genommen. Besitzt der Baum an langen Stieien hängende Früchte, wie z. B. die Platane, so werden die ersteren auf Zugfestigkeit beansprucht. Wenn dann ein Sturm weht, erhöhen und vervielfältigen sich die Ansprüche. Der Stamm und die Aeste müssen biegungs- fest sein, um nicht zu zerbrechen. Die Blätter würden vom Sturm zerfetzt werden, wenn sie nicht schubfest gebaut wären und wenn nicht ihre Ränder noch be- sondere Schutzeinrichtungen gegen das Einreissen besässen. Und indem der Sturm den ganzen Baum zu entwurzeln trachtet, erstreckt sich die Inanspruch- nahme der Festigkeit auch auf das gesammte Wurzelsystem, dessen einzelne Theile ihre Zugfestigkeit erproben müssen, in ganz ähnlicher Weise wie die Ankertaue eines im Hafen vom Sturm gepeitschten Schiffes. So wie die festen Zellwandungen der Pflanze ihre eigenartige Gestaltbildung, die Differenzirung der Organe überhaupt erst möglich machen, da ohne Cellulose- material die gestaltbildende T'hätigkeit der an sich formlosen Plasmaindividuen ganz erfolglos wäre, ebenso ermöglichen die Zellwandungen zugleich die Er- haltung jener Eigengestalt der Pflanze und ihrer Organe, indem sie die hierzu erforderliche Festigkeit herstellen. Zu diesem Zwecke werden von der Pflanze verdickte sowie unverdickte Zellwandungen verwendet. Dünne Zellwände ver- mögen freilich an sich keine nennenswerthe Festigkeit zu erzielen. Sie erlangen erst dann eine mechanische Bedeutung, wenn sie durch den hydrostatischen Druck des Zellsaftes gespannt und in Folge dessen straff werden: der Turgor muss hin- reichend gross sein. Es handelt sich hier um dieselbe Erscheinung, welche uns ein schlaffer dünnwandiger Kautschukschlauch zeigt, wenn Luft oder Wasser in denselben hineingepresst wird; der Schlauch ist nunmehr ‚viel straffer, weniger leicht biegsam geworden. Jede krautige Pflanze, welche im welken Zustande ihre Laubblätter hängen lässt, lehrt uns, dass im frischen, turgescenten Zustande die Festigkeit der dünnwandigen aber durch den Turgor gespannten Zellen ausreicht, um das Gewicht der im welken Zustande abwärts hängenden Organe zu über- winden, und dieselben in jenen Lagen zu erhalten, welche sie ihrer Function ge- 3. Das mechanische System. 595 mäss einnehmen sollen. Die durch gesteigerte Turgorkratt erzielte Straffheit der Gewebe und Organe machen dieselben zuweilen auch noch zu anderen mechani- schen Leistungen tauglich, welche noch augenfälliger sind, als die Ueberwindung des eigenen Gewichtes. So durchbrechen die nutirenden Sprossenden der Keim- pflanzen den Boden mit einem nicht unbeträchtlichen Kraftaufwande; die hierzu erforderliche Strebefestigkeit ist auf den hohen Turgor zurückzuführen, welcher in den parenchymatischen Geweben der Keimpflanzen gewöhnlich herrscht. Bei den Gräsern ist hierzu sogar ein eigenes Organ vorhanden, die meissel- oder keil- förmige »Keimblatt-Scheide«, deren Hauptfunction in der Durchbrechung des Bodens besteht; nichtsdestoweniger weist das ganze Organ nicht eine einzige Zelle auf, welche als »specifisch-mechanische« Zelle in dem später zu erörternden Sinne aufzufassen wäre; der Turgor ersetzt hier vollkommen das fehlende mechanische System. — Es ist leicht einzusehen, dass die mittelst dünnwandiger Zellen unter Mit- wirkung des Turgors erzielte Festigkeit von äusseren Einflüssen, namentlich von der Boden- und Luftfeuchtigkeit viel zu sehr abhängig ist, um grösseren Pflanzen eine dauernde Festigkeit zu verleihen. Gerade zu jener Zeit, in welcher die Biegungsfestigkeit der oberirdischen Organe am meisten in Anspruch genommen wird, während eines länger andauernden Windes, sinkt in Folge der erhöhten Transpiration der 'T'urgor der Gewebe und hiermit auch die durch ihn bedingte Festigkeit. Die Pflanze muss daher mit verlässlicheren Einrichtungen ausgestattet sein, um sich die für ihre Existenz nothwendige Festigkeit dauernd zu erhalten. Dies ist nur möglich, indem das Princip der Arbeitstheilung Platz greift und ganz bestimmten Geweben die Herstellung der erforderlichen Festigkeit überträgt. Diese Gewebe werden in mehr oder minder hervorragender Weise diesem speciellen Zwecke angepasst sein und es wird sich diese Anpassung nicht nur in einer be- trächtlichen Verdickung der Zellwandungen d. i. in quantitativer Hinsicht äussern, sondern auch in Bezug auf die Qualität des in Form von Zellwänden auftretenden festen Baumateriales, dessen physikalische Eigenschaften sich von jenen der ge- wöhnlichen Cellulosewände im Sinne einer besseren Eignung zu mechanischen Zwecken vortheilhaft unterscheiden werden. So kommt es zur Ausbildung von »specifisch-mechanischen« Zellen und Geweben, mit deren Bau und Anordnung wir uns im Folgenden zu beschäftigen haben. 1, Dijie-meicehanäschen Zellen. A. Morphologie der mechanischen Zellen. 1. Bastzellen. Der Begriff des »Bastes« ist bedeutend älter als die pflanz- liche Gewebelehre. Seit altersher bezeichnet man mit diesem Ausdrucke, welcher etymologisch mit »Binden«, »Band« zusammenhängt, die zum Binden verwendbaren, geschmeidigen Theile der Rinde verschiedener Baumarten. So deutet schon die Bezeichnung, in ihrem ursprünglichen Sinne wenigstens, auf die hervorragenden mechanischen Eigenschaften dieses Gewebes hin, welches unter allen mechanischen Gewebearten als das häufigste und wichtigste zu betrachten ist. Von Sachs, DE BArY, Russow, u. A. wird das Bastgewebe als »Sklerenchym« bezeichnet; seine Elemente werden »Sklerenchymfasern« genannt. Aus histori- schen und sachlichen Gründen schliessen wir uns aber dieser Terminologie nicht an, sondern fassen unter den Begriff des »Sklerenchyms« die stark verdickten und verholzten parenchymatischen Elemente der Rinde und anderer Gewebe zu- sammen. 596 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Die Bastzellen gehören zu den prosenchymatischen Zellformen; sie besitzen eine langgestreckte spindelförmige Gestalt mit pfriemenförmig zugespitzten Enden. Es kommt diese Form dadurch zu Stande, dass die in den allerersten Entwickelungs- stadien noch mehr oder weniger rechtwinkeligen Querwände in Folge specifischer Wachsthumseigenthümlichkeiten eine immer schiefer werdende Lage annehmen, wodurch sich jede einzelne Bastzelle zwischen ihre Nachbarzellen gleichsam ein- keilt. In gewissen Fällen wird dieses Einkeilen noch verstärkt durch ein selbst- ständiges Spitzenwachsthum der sich entwickelnden Zellen, wie ein solches be- reits von UNGER vermuthet und von mir für Finca major zifftermässig nachge- wiesen wurde.!) Dass auf diese Weise die wechsel seitige Verbindung der Bast- zellen in Folge der Ver- grösserung ihrer Berührungs- flächen zu einer sehr festen wird, liegt auf der Hand, und in dieser Herstellung eines möglichst festen Ver- bandes der einzelnen Ge- webselemente liegt die phy- siologische, d. h. mechani- sche Bedeutung der pro- senchymatischen Zuspitzung der Zellen. Es werden der- art auch die Querwände, welche sonst mechanisch kaum wirksam wären, zu einer Leistung, im Interesse Fig. 2. Bastzellen im Quer- und Längsschnitt. einem Zweige des Fruchtstandes der Dattelpalme im Quer- schnitt; A, dieselben im Längsschnitt; in der Mitte das zuge- spitzte Ende einer Bastzelle, bei f eine dünne Querwand; die (B. 261.) A Bastzellen aus Zelllumina sind schraffrt. B Bastzellen aus der Rinde eines Zweiges von Buxus sempervirens im Querschnitt; zwischen den Zellen die ziemlich breiten Mittellamellen (Intercellularsubstanz). C Bastzelle von Urena sinuata mit ungleichmässig verdickten Wandungen, bei Z ist das Lumen ganz verschwunden (nach WIESNER). D stumpfe Bastzellen aus dem Blüthenschafte von der Festigkeit des Pflanzen- theiles herangezogen. Wenn nun die Bastzellen schon an und für sich von beträcht- Allium multibulbosum. licher Län ge sind, so kann ’ zuweilen die Zuspitzung, d. h. die Schiefstellung der Querwände, als mechanisch überflüssig unterbleiben; so habe ich z. B. im Blüthenschafte der meisten Allium- Arten?) Bastzellen gefunden, die bei einer Länge von 4—5 Millim. ganz stumpfe Zellenden mit rechtwinkelig gestellten Querwänden besitzen. Die Länge der Bastzellen schwankt innerhalb weiter Grenzen. Im Allge- meinen lässt sich kaum mehr sagen, als dass eine starke Streckung der Organe auch ein gesteigertes Längenwachsthum der Bastzellen zur Folge hat, während ein frühes Aufhören der Streckung auch das Wachsthum der mechanischen Elemente beeinträchtigen muss. Im Uebrigen gehört die Länge der Zellen mit zu den specifischen Eigenschaften der betreffenden Pflanzenart. Am gewöhnlichsten sind Bastzellen in der Länge von ı—2 Millim. In der nachstehenden Zusammen- stellung sind die Längen und Breitendimensionen der Bastzellen einiger Pflanzen- arten mitgetheilt. ') Vergl. G. HABERLANDT, Entwickelungsgeschichte des mechanischen Systems. pag. 35. pag- 49. LG a 3. Das mechanische System. 597 Länge. Grösste Breite, Bindenbast . . ....... „= 0,875-—1,25 Millim. 0,031—0,25 Millim. Yute-Bast (Corchorus spec.). 0,8—4,1 e 0,016 Pr East. res nn sn ars: 20—40 a 0,15—0,17 ,„ Berainast. . 2: 2 22.2.2. 40, 210. Millım.' u.. darüber 0,15—0,28 ,, Nesselbast (Urzica dioica) bis 77 Millim. _ Bast von Boehmeria nivea bis 22.0 a, 0,04—0,08 ,, Unter den Bastzellen finden sich demnach die längsten Zellen des Pflanzen- reiches vor. Die Wandungen der Bastzellen sind stets mehr oder weniger stark ver- dickt, und zwar, wenn man von wenigen Ausnahmen absieht, ringsum in gleich- mässiger Weise. Das Lumen ist in Folge dessen oft sehr verengert; bei den Bastzellen der Corchorus-Arten verschwindet es sogar stellenweise gänzlich). Die Verdickungsmassen erscheinen unter dem Mikroskope meist sehr hell, nicht selten concentrisch geschichtet. Bei den Apocyneen u. Asclepiadeen lässt sich auch Streifung der Membranen beobachten. Sehr charakteristisch für die typischen Bast- zellen sind die spaltenförmigen Porenkanäle, welche die Wandungen in longitudi- naler oder schiefer Stellung durchsetzen. Am "häufigsten sind. die schief ge- stellten Poren, deren Stellung mit seltenen Ausnahmen einer linksläufigen Schrauben- linie entspricht. Diese Stellungsrichtung der Poren ist deshalb von Bedeutung, weil aus derselben die Richtung der Molekularreihen erschlossen werden kann. Verschiedene Thatsachen sprechen nämlich dafür, dass man sich in prosenchy- matischen Zellen die kleinsten Membranpartikelchen, die Micellen, reihenweise ver- wachsen zu denken hat, so dass sie überaus zarte, mikroskopisch nicht mehr wahr- nehmbare Fibrillen darstellen?). Die Wandungen einer Bastzelle mit schiefge- stellten Poren bestünden demnach aus einem mehrfach gedrehten, von einem Kanale, dem Zelllumen, durchzogenen Bündel solcher feinster und überaus zahl- reicher Fasern. Man könnte also die Bastzelle mit einem Tau vergleichen, dessen einzelne Fasern ja gleichfalls in Schraubenlinien verlaufen, Und so wie die Tordirung der Faserbündel des Taues die Festigkeit desselben erhöht, dürfte auch der schraubenlinige Verlauf der Molekularreihen in den Bastzellwänden mechanisch vortheilhaft sein. Hinsichtlich der chemischen Beschaffenheit der Wandungen ist zu erwähnen, dass dieselben gewöhnlich aus ziemlich unveränderter Cellulose bestehen, wie aus der Blaufärbung durch Jod und Schwefelsäure hervorgeht. Eine Verholzung der Wandungen kommt wohl vor, allein stets nur in geringem Maasse, so dass die Ge- schmeidigkeit der Wände, ein Charakteristikon des typischen Bastes, nicht ver- loren geht. — Eine Zelle mit mehr oder weniger stark verdickten Wandungen, welche den osmotischen Verkehr mit den Nachbarzellen stark beeinträchtigt, wird in er- nährungs-physiologischer Hinsicht stets übel daran sein. Der lebende Plasma- körper der Zelle wird leicht zu Grunde gehen, verschrumpfen und eintrocknen. An seiner und des Zellsaftes Stelle erfüllt dann Luft das Lumen der Zelle, welche nunmehr als abgestorben zu betrachten ist. In der That ist dies das Schicksal der meisten Bastzellen, wenn auch das Eindringen von Luft in dieselben erst nach vollendetem Längen- und Dickenwachsthum der Zellen und Zellwände statt- findet, zu einer Zeit also, von der an die Erhaltung und Ermährung der chloro- D) Vergl. J. WIEsNER, Die Rohstoffe des Pflanzenreiches, pag. 399. 2) Vergl. C. v. NÄGELI, Theorie der Gährung. 1879. pag. 126. 598 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. phyllosen Plasmaindividuen für die Pflanzen nicht bloss überflüssig, sondern gradezu eine Stoffvergeudung wäre. Uebrigens kommt es nicht selten vor, dass die Bastzellen zeitlebens Saft führen, in welchem Falle auch der resistente Zell- kern noch lange als letzter Rest des Plasmaleibes der Zelle erhalten bleibt. Hierher gehören die Bastzellen der verschiedenen Geranium- und Pelargonium- Arten, Liliaceen etc. Bei dieser Gelegenheit sei auch auf die Beobachtungen Treug's!) hingewiesen, welcher in den jungen Bastzellen einiger Pflanzen das Vor- handensein zahlreicher Kerne constatirte. Im Anschlusse hieran möge das nicht seltene Vorkommen gefächerter Bastzellen erwähnt werden: Mehrere zarte Querwände theilen die Bastfaser in einzelne Fächer, deren jedes entwicklungsge- schichtlich eine Zelle repräsentirt. Eine derartig »gefächerte Bastzelle« ist also morphologisch als eine Zellreihe oder ein Zellfaden aufzufassen. — Ueberblicken wir zum Schlusse nochmals die charakteristischen Merkmale der typischen Bastzellen, so können wir als solche ı. ihre prosenchymatische Gestalt 2. die grössere oder geringere Zellwandverdickung und 3. die longitudi- nale oder linksläufig-spiralige Anordnung der Micellen bezeichnen. 2. Libriformzellen. Die Unterscheidung zwischen Bast- und Libriform- zellen gründet sich nicht so sehr auf thatsächlich vorhandene morphologische Unterschiede, sie leitet ihre Berechtigung vielmehr in erster Linie von der topo- graphischen Lagerung ab. Es ist nämlich seit Sanıd, welcher den Begriff der Libriforms, der »bastfaserähnlichen Zellen« aufgestellt hat, allgemein üblich, die Bastzellen oder wenn man lieber will, die bastähnlichen Zellen des Holzes der Dieotylen mit dem obigen Ausdruck zu bezeichnen. Allgemeiner und wohl auch richtiger gesagt, pflegt man alle innerhalb des Verdickungsringes auf- tretenden mechanischen Zellen als Libriformzellen den ausserhalb des Verdickungs- ringes gelegenen »echten Bastzellen« gegenüber zu stellen. Es ist einleuchtend, dass die Aufstellung des Verdickungsringes als Grenzzone zwischen verschiedenen Zellformen eine ganz willkürliche, weil ausschliesslich auf topographischer Grund- lage beruhende ist. Für die physiologische Function, d. i. in unserem Falle die mechanische Bedeutung einer bestimmten Zellform ist es an sich ganz gleich- giltig, ob die betreffenden Elemente innerhalb oder ausserhalb des Verdickungs- ringes gelegen sind.?) Die Libriformzellen (auch Holzzellen oder Holzfasern, von DE BAry Skleren- chymfasern des Holzes genannt) stimmen, wie schon oben erwähnt wurde in allen wesentlichen Merkmalen mit den Bastzellen überein; ihre Gestalt ist prosenchy- matisch, die Wandungen sind verdickt, die spaltenförmigen Poren schief links- läufig. Dass sie an Länge hinter den Bastzellen gewöhnlich zurückstehen, indem sie durchschnittlich bloss 0,5— 1,5 Millim. lang werden, ist ein bloss neben- sächlicher Unterschied. Grösseres Gewicht könnte man dagegen auf den Um- stand legen, dass die Wandungen der Libriformzellen in der Regel mehr oder weniger stark verholzt sind. Allein da diese Eigenschaft in keiner directen Be- ziehung zur mechanischen Hauptfunction steht, sondern durch die Nebenfunction der Wasserleitung bedingt wird, so ist sie von unserem Standpunkte aus als ziemlich belanglos anzusehen. Erwähnenswerth ist noch, dass nicht selten die innerste Schicht der Wandung unverholzt und von weicher, knorpelig-gelatinöser Beschaffenheit ist. Das Vorkommen dieser Gallertschicht, deren physiologische Bedeutung noch ganz räthselhaft ist, wurde von Sanıo bei zahlreichen Legumi- !) Sur la pluralit@ des noyaux dans certaines cellules vegetales. Compt. rend. 89, pag. 494. 2) Vergl. SCHWENDENER, Mechanisches Princip. pag. 6, 7: 3. Das mechanische System. 599 nosen, bei Ulmus suberosa, Celtis australis, Morus alba, Corylus avellana, Betula alba und vielen anderen Holzgewächsen beobachtet. 3. Collenchymzellen. Während die Bast- und Libriformzellen ihrer Auf- gabe, die Festigkeit ausgewachsener Pflanzentheile herzustellen, in sehr voll- ständiger Weise Genüge leisten, wären dieselben in jungen, streckungsfähigen Organen durchaus nicht am Platze. Man darf eben nicht ausser Acht lassen, dass die vollkommen ausgebildeten Bastzellen nur mehr aus todten Zellhautge- rüsten bestehen, welchen selbstverständlich jedes weitere Wachsthumsvermögen vollständig abgeht. Wir brauchen uns bloss ein junges, im Längenwachsthum begriffenes Organ mit Strängen aus Bastzellen ausgestattet zu denken, um alsbald das Irrationelle einer solchen Combination einzusehen. Es könnte in diesem Falle nur zweierlei eintreten; entweder wäre der Bast zugfest genug, um ein ausgiebiges Wachsthum des Organs gradezu unmöglich zu machen; oder die Baststränge würden reissen und so zu jeder ferneren mechanischen Leistung un- tauglich werden. In Streckung begriffene Organe benötigen daher ein mecha- nisches Gewebe, welches selbst noch streckungs- d. h. wachsthumsfähig ist. Dieses Gewebe ist das Collenchym !), mit dessen Elementen wir uns hier zu be- schäftigen haben. Ihrer Gestalt nach kann man prosenchymatische undparenchymatische Collenchymzellen unterscheiden, zwischen welchen es übrigens alle Uebergänge giebt. Bloss die ersteren sind zu den mechani- schen Zellen zu rechnen; dieselben er- reichen eine beträchtliche Länge (bis zu 2 Millim.), sind sowie die Bastzellen häufig gefächert und besitzen meistens spaltenförmige, longitudinalgestellte Poren. Die Collenchymzellen zeichnen sich durch eine ganz charakterische Ver- dickungsweise ihrer Wandungen aus. Die Verdickung ist nämlich keine ringsum gleichmässige, sie beschränkt sich viel- mehr ausschliesslich auf die Zellkanten, oder ist doch hier viel auffälliger als an den übrigen Zellwandpartien. Diese Fig. 3. (B. 262.) Eigenthümlichkeit steht in engster Be- A Collenchym aus dem Blattstiele von Trago- ziehung zur Function des Collenchyms ne a m als mechanisches Gewebe der im Wachs- chym aus einer Hauptkante des Stammes von thum begriffenen Pflanzentheile. Dadurch, Zeozurus Cardiaca im Querschnitt, V. 300 dass zwischen den verdickten Wandpartien rn Kae Be sn umina schraffhrt. ganz unverdickte oder nur schwach ver- dickte Membranstreifen sich befinden, wird nämlich ein doppelter Vortheil er- reicht. Erstens bedingt diese Bauart eine grössere Elastizität des ganzen Ge- webes, indem die einzelnen Fasern nicht unverrückbar mit einander verbunden sind; ein mechanischer Vortheil, welcher sich namentlich beim Dickenwachsthum des betreffenden Organes geltend macht. Die unverdickten Membranstreifen er- leichtern aber ausserdem noch den osmotischen Verkehr zwischen den einzelnen !) Den Ausdruck Collenchym wandte zuerst Link auf die ungleich verdickten gallertigen Wandungen der Pollenmutterzellen an. 600 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Ei Zellen, ein Umstand, der seinerseits wieder die Ernährung der einzelnen Zellen, die Zufuhr neuen Baumaterials in hohem Grade erleichtert. Die Collenchym- zellen sind nämlich im Gegensatze zu den Bastfasern lebende Zellen, sie be- sitzen wahrscheinlich zeitlebens einen intacten Plasmaschlauch!), der eine noth- wendige Voraussetzung ihres Wachsthumsvermögens bildet. Die Collenchym- zellen führen auch fast immer Chlorophyll, wenn auch nur in geringer Menge, . sodass sie wenigstens einen Theil der zum Wachsthum nothwendigen Baustoffe selbst erzeugen können. Es erübrigt jetzt noch, einige Angaben über die Eigenschaften jener Modi- fication der Cellulose zu machen, aus welcher die verdickten Collenchymzell- wandungen bestehen. Es liegen hierüber genaue Untersuchungen von AMBRONN vor, dem wir überhaupt zahlreiche interessante Mittheilungen über das Collenchym verdanken. Sämmtliche von AMBRONN untersuchten Collenchymzellwände färben sich bei Anwendung von Chlorzinkjodlösung oder Jod und Schwefelsäure hellblau; sie stehen also hinsichtlich ihrer chemischen Beschaffenheit der sogen. reinen Cellulose viel näher als die Bastzellwandungen. Die vielfach behauptete starke (Quellbarkeit der Zellmembranen des Collenchyms in Wasser ist wie AMBRONN überzeugend nachwies, gar nicht vorhanden. Durch Wasserentziehung konnte niemals eine stärkere Verkürzung der Zellen als um 1—# Proc. der Gesammtlänge erzielt werden. 4. Sklerenchymzellen. Mit diesem von METTENIUS herrührenden Aus- drucke wollen wir jene nicht prosenchymatischen, dickwandigen Zellen be- zeichnen, deren mechanische Bedeutung zwar in vielen Fällen zweifellos, in andern Fällen aber noch sehr problematisch ist. Hierher gehören z. B. die iso- diametrischen, selten stabförmigen »Steinzellen« mit ihren stark verdickten, ver- holzten und von zahlreichen Porenkanälen durchsetzten Wandungen. Wo die- selben das steinharte Gewebe der Pericarpien oder einzelrer Schichten derselben zusammensetzen, liegt ihre mechanische Bedeutung auf der Hand. Wenn man aber kleine oder grössere Gruppen solcher Steinzellen in regelloser Anordnung und ohne wechselseitigen Zusammenhang in den fleischigen Wurzelknollen von Paeonia, Dahlia, ım Fruchtfleische der Birnen?) und anderer Pomaceen, im Marke von Hoya carnosa beobachtet, dann käme man in Verlegenheit, sobald man über die mechanische Bedeutung dieser Zellnester eine begründete Vermuthung aussprechen sollte. Denn aus der blossen Membranverdickung, mag dieselbe auch noch so stark sein, darf man nicht ohne weiteres auf eine mechanische Function der betreffenden Zelle schliessen. Es lehrt uns dies in sehr eindring- licher Weise das Endosperm der Dattel und verschiedener anderer Palmen, in welchen die stark verdickten Zellwandungen einen Reservestoff vorstellen, der bei der Keimung gelöst und den wachsenden Organen der Keimpflanze zugeführt wird. — Die Bastzellen, Librifoım- und Collenchymzellen werden von SCHWENDENER als »specifisch-mechanische« Zellen bezeichnet. Zu den mechanischen Zellen ') Vergl. H. AMBRONN, Ueber die Entwicklungsgeschichte und die mechanischen Eigenschaften des Collenchyms, PRINGSHEIM’s Jahrb. f. wissensch. Botanik. Bd. XI. 1881. Separatabdruck, pag. 44. °) Von H. Poronıß sind die Steinkörperchen im Fruchtfleische der Birnen und der Poma- ceen üiberhaupt (Kosmos, VIII. Bd. pag. 33 ff.) in ansprechender Weise für Rudimente einer bei den Stammeltern vorhanden gewesenen Steinhülle erklärt worden, welche, so wie die Steinschicht in den Früchten der Drupaceen, zum Schutze des Samens diente, 4. Das mechanische System. 601 im weiteren Sinne des Wortes sind noch die Sklerenchymzellen zu rechnen, in- soweit die mechanische Function derselben zweifellos ist. Die Gesammtheit der specifisch-mechanischen Zellen oder der »Stereiden« einer Pflanze bildet das mechanische Gewebesystem, das »Stereom« derselben, in welches die Sklerenchymzellen vorläufig noch nicht mit einbezogen sind; erst wenn auch für sie der Nachweis voll erbracht sein wird, dass ihr Bau sowol wie ihre Anordnung von mechanischen Principien beherrscht und geregelt werden, können wir diese Zellen gleichfalls dem mechanischen System beizählen. B. Elasticität und Festigkeit der mechanischen Zellen. Nachdem wir bereits in den vorstehenden morphologischen Auseinander- setzungen wiederholt Gelegenheit fanden, auf die Uebereinstimmung zwischen Bau und Function der mechanischen Zellen hinzuweisen, soll nunmehr in diesem Abschnitte ausführlich gezeigt werden, dass die mechanischen Zellen auch in Bezug auf die wichtigsten physikalischen Eigenschaften ihrer Membransubstanz den Anfor- derungen vollständig entsprechen, welche an sie als Elemente der Festigungsein- richtungen des Pflanzenkörpers gestellt werden. Die hier zu besprechenden Ver- suche über die Elasticität und Festigkeit der mechanischen Zellen sind zuerst von SCHWENDENER ausgeführt und in seinem grundlegenden Werke über diesen Gegenstand beschrieben worden. Dieser Forscher wendete sein Augenmerk hauptsächlich den Bastzellen zu. Später hat AmBRONN in seiner Abhandlung über das Collenchym die Festigkeits- und Elasticitätsverhältnisse der eben genannten Gewebeart einer eingehenden Besprechung unterzogen. Hierher gehörige Beob- achtungen liegen ferner von 'TH. von WEINZIERL"), FRIEDR. HABERLANDT u. A. vor. Die von SCHWENDENER angewandte Versuchsmethode war ganz einfach.?) Aus Blättern oder bastreichen Stengeltheilen wurden Riemen von ca. 150 bis 400 Millim. Länge und etwa 2—5 Millim. Breite herausgeschnitten und am -oberen Ende in den Schraubstock, am unteren in eine starke Pincette gespannt, welche zugleich zum Anhängen der Gewichte eingerichtet war. Mittelst ganz einfacher Vorrichtungen wurde die durch die Belastung bewirkte Verlängerung beziehungs- - weise die nach Wegnahme der Gewichte eintretende Verkürzung der Riemen be- stimmt. Von den geprüften Riemen wurden Querschnitte angefertigt, mit Hülfe der Camera lucida bei angemessener Vergrösserung skizzirt, und sodann die Querschnittsfläche der widerstandsfähigen Elemente auf der Skizze gemessen. Unter den zahlreichen von SCHWENDENER mitgetheilten Beispielen theile ich hier eines (das zehnte), um die Untersuchungsmethode zu verdeutlichen, mit den Worten des Verfassers mit: »Riemen aus dem peripherischen Bastring des Blattstiels von Cibozium Schiedei, 2,6 Millim. breit und 0,66 Millim. dick. Verlängert sich bei ı5 Kilo Belastung um nahezu ı Procent. Derselbe Riemen trägt noch ı5 Kilo, nachdem er auf 1,6 Millim. Breite verschmälert worden. Auf 1,25 Millim. Breite reducirt, wider- steht er dem nämlichen Zuge noch etwa 2 Sekunden und reisst dann. Nehmen wir 1,5 Millim. Breite als zulässig an, so beträgt der Querschnitt des Riemens = ı Quadratmillim., nach Abzug der Zellhöhlungen beträchtlich weniger. Die !) Beiträge zur Kenntniss von der Festigkeit und Elasticität vegetabilischer Gewebe und Organe. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften. LXXVI Bd. I. Abth. 1877. ?) Mechanisches Princip, pag. 9. Ich folge hier zum Theile wörtlich den Angaben SCHWENDENER’S. 602 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Tragkraft kann demnach immerhin auf 18—2o Kilo per Quadratmillim. veran- schlagt werden.« In ähnlicher Weise bestimmte AMBRONN die Festigkeits- und Elasticitätsver- hältnisse des Collenchyms. In der nachstehenden Tabelle stelle ich zunächst eine Reihe der von SCHWENDENER ermittelten Daten zusammen und nehme in dieselbe des Vergleiches halber auch einige auf Metalle bezügliche Angaben auf. Diese letzteren hat bereits SCHWENDENER in seinem »mechanischen Principe« zum Abdrucke gebracht; sie sind der 5. Aufl. von WEısBach’s Ingenieur- und Maschinenmechanik entnommen. Verlängerung Tragvermögen Elastieitäts- Name. auf 1000Längen- per Quadrat- modul N). einheiten. millim. in Kilo. Diapnihus capitalus,. >... .2.2.,2...055 14,3 1910 SDELITLEN DRS en a ee A 15—20 3450 Kal AREAL... re Nee re 19 2500 RDEINERUE ECNIER. a eg 20 1310 Molsmia: Coetwiea Zur Sylt 22 2000 FEBLENEEHRSKBEUFUGIR... = aA 25 1720 Kupferdralt ti nenn] ekjeg 12,1 12100 Messiupdraht 6rssmaa Rn} IE 13,3 9870 Schmiedeeisen in Drähten . . 1,00 21,9 21900 Deutscher Stahl, gehämmert und anpebssen ie.) Hm 728 24,6 20500 Aus der Vergleichung dieser Zahlen ergeben sich ebenso interessante als überraschende Ergebnisse. Das Tragvermögen des Bastes (bei der Elasticitäts- grenze) ist auffallend gross; es variirt pro Quadratmillim. Querschnittsfläche ge- wöhnlich zwischen ı5 und 2o Kilo und kommt also dem Tragvermögen des Schmiedeeisens gleich; der Bast von Zincenectia recurvata ist in genannter Hin- sicht sogar dem Stahl ebenbürtig. Dabei unterscheidet sich aber der Bast durch zwei wichtige Merkmale von den Metallen: ı. durch eine weitaus grössere Dehnbarkeit, indem seine Verlängerung bei der Elasticitätsgrenze ca. 10—15 Längeneinheiten auf 1000 beträgt, während dieselbe bei den Metallen im Durch- schnitt kaum eine Längeneinheit erreicht. 2. Durch die geringe Differenz zwischen Tragmodul und Festigkeitsmodul, welche sich darin äussert, dass wenn jene Zugkräfte, die bloss eine Verlängerung bis zur Elasticitätsgrenze bewirken nur um ein Weniges grösser werden, dass sofortige Zerreissen eintritt. Bei den Metallen ist diese Differenz viel grösser; so beträgt z. B. beim Schmiedeeisen in Stäben das Festigkeitsmodul ziemlich genau das Dreifache des Tragmoduls. SCHWENDENER bemerkt hierzu Folgendes: »Die Natur hat offenbar ihre ganze Sorgfalt auf das Tragvermögen verwendet. Und mit Recht, denn das Festigkeits- modul kommt bei Constructionen thatsächlich gar nicht in Betracht, da jede Ueberschreitung der Elasticitätsgrenze durchaus unstatthaft ist.« Was nun das Collenchym betrifft, so ergab sich aus den Versuchen Am- BRONNS, dass seine absolute Festigkeit derjenigen des echten Bastes nur wenig nachsteht; es reisst durchschnittlich erst bei einer Belastung von 10—ız2 Kilo pro (Juadratmillim. Dagegen unterscheidet sich das Collenchym vom Baste in sehr Tragvermögen >< Länge ) Elasticitätsmodul — ———— - Verlängerung u, 3. Das mechanische System. 603 wesentlicher Weise dadurch, dass seine Elasticitätsgrenze weitaus niedriger liegt, indem schon eine Belastung von 1ı,5—2 Kilo pro Quadratmillim. zu einer bleibenden Verlängerung führt. Diese physikalische Eigenthümlichkeit der Collenchymzellwandungen ist für die speciellen Aufgaben dieses Gewebes von grösster Bedeutung. Nur auf diese Weise wird dasselbe in den Stand gesetzt, »beim intercalaren Aufbau als Stütze zu dienen, ohne dabei dem Längenwachs- thum hinderlich zu sein.« Die hier mitgetheilten Angaben beziehen sich durchaus nur auf solche Bast- oder Collenchymstränge, welche direkt der lebenden Pflanze entnommen waren, also einen bestimmten normalen Wassergehalt besassen. Das Austrocknen des betreffenden Gewebes verändert begreiflicher Weise seine Elasticitäts- und Cohä- sionsverhältnisse!), doch kann hier auf diese Veränderungen ihres geringen physiologischen Interesses halber nicht eingegangen werden. Von grösserer Bedeutung ist dagegen die Frage, in welcher Weise die mechanischen Eigenschaften des Bastes und Collenchyms von den äusseren Vege- tationsverhältnissen, der chemischen und physikalischen Beschaffenheit des Bodens, der Luft- und Bodenfeuchtigkeit, der grösseren oder geringeren Beleuchtung und Wärme etc. abhängig sind. Man hat in dieser Hinsicht bisher nur sehr wenige exacte Versuche angestellt. — So harrtz. B. noch immer die schon wiederholt auf- geworfene Frage ihrer Erledigung, ob die Einlagerung des Siliciums in die Zell- wandungen deren Festigkeitsverhältnisse in bemerkenswerther Weise beeinflusst oder nicht. Wenn auch das sogen. Lagern des Getreides nicht durch geringeren Kieselsäuregehalt verursacht wird, wie man früher meinte, so können doch nur Culturversuche in entsprechend zusammengesetzten Nährstofflösungen, welchen dann Versuche über die Festigkeit der darin erzogenen Pflanzen zu folgen hätten, in dieser Frage von entscheidender Bedeutung sein. — Hinsichtlich des Einflusses der Bodenfeuchtigkeit liegen Beobachtungen von FRIEDRICH HABERLANDT2) vor, denen zu Folge der günstige Einfluss der Bewässerung auf die Erhöhung der Festigkeit des Bastes nicht zu verkennen ist. Ein 2 Millim. breites Hanfbast- band von einem nicht bewässerten Beete zerriss im Durchschnitt bei einer Be- lastung von 4,12 Kilo; ein solches von einer bewässerten Parzelle erst bei 5,48 Kilo. Allerdings blieb bei diesen Versuchen unentschieden, ob die durch Bewässerung erhöhte Festigkeit der Bastbänder auf eine Vergrösserung ihrer Quer- schnittsfläche d. h. auf eine grössere Dicke der Bänder oder auf eine Erhöhung der Festigkeit der Zellwandungen zurückzuführen ist; mit anderen Worten oh durch die Bewässerung die quantitative oder qualitative Ausbildung des mechanischen Systems günstig beeinflusst wurde.?) Darüber müssten also noch weitere Ver- suche Aufschluss geben, ebenso über den Einfluss der grösseren oder geringeren Beleuchtung, in welcher Hinsicht aus verschiedenen Thatsachen mit einiger Wahr- scheinlichkeit zu folgern ist, dass Mangel an Licht die Festigkeit der Zell- wandungen herabsetzt. Von nicht geringem Interesse wären schliesslich experimentelle Unter- suchungen über die Ausbildung des mechanischen Systems, wenn die betreffenden I) Vergl. von WEINZIERL, 1. c. pag. 4—28 (des Separatabdrucks). ?) Versuche über die Tragfähigkeit und Elasticitäts der Bastbänder gerösteter Hanfpflanzen, Forschungen auf dem Gebiet der Agrikulturphysik. Herausg. v. E. Worrnv. I. Bd. 5. Heft. 3) Achnliches gilt auch für die gleichzeitig gemachte Beobachtung, dass die Bastbänder der männlichen Hanfpflanzen weniger tragfähig sind, als die der weiblichen Pflanzen; die ersteren rissen bei 4,11 Kilo, die letzteren bei 5,91 Kilo Belastung. ]. c. pag. 6. 604 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Organe während ihrer Entwickelung einem künstlichen Zuge oder Drucke ausge- setzt werden. Welche Unterschiede zeigt z. B. das mechanische System von zwei ganz gleichen, in einer Nährstofflösung wachsenden Wurzeln derselben Pflanze, von welcher die eine während ihres Wachsthums zeitweise durch eine entsprechende Belastung auf Zugfestigkeit in Anspruch genommen wurde, die andere stets unbelastet blieb? Welchen Einfluss übt ein häufiges Biegen des Juncus- oder Sceirpus-Halmes auf die Ausbildung seiner Baststränge? Aehnliche Fragen liessen sich noch vielfach aufstellen. Ihre Beantwortung müsste auf die Entwicklung des mechanischen Systems im Laufe der Entstehung der Pflanzen- arten interessante Streiflichter werfen. II. Die mechanischen Bauprincipien. Wenn der Ingenieur den Plan einer Brücke entwirft oder der Architekt den Plan eines Dachstuhles, dann handelt es sich ihnen jedesmal darum, das zur Verfügung stehende Material möglichst auszunützen oder deutlicher gesagt, mit möglichst geringem Materialaufwande die grösstmögliche Festigkeit und Solidität der Construction zu erzielen. Zu diesem Behufe müssen die festen Constructions- theile in ganz bestimmter, von der theoretischen Mechanik vorgezeichneter Weise angeordnet sein. Genau derselben Aufgabe sieht sich die Natur bei der Her- stellung der Festigkeit der Organismen gegenübergestellt. Auch hier soll mit möglichst geringem Materialaufwande die erforderliche Festigkeit hergestellt werden und dieselben Bauprincipien, nach welchen der Techniker arbeitet, sind deshalb auch für die organbildende Thätigkeit der Naturkräfte mass- gebend. Dieselben Constructionsprincipien, welche in einer den Strom über- spannenden, elegant und kühn gebauten Eisenbahnbrücke verkörpert sind, kamen in vielleicht noch vollendeterer Weise bereits vor Hunderttausenden von Jahren in der Pflanzenwelt vergangener geologischer Perioden zum Ausdruck. Was der menschliche Scharfsinn zum grossen Theile auf mathematisch-deductive Weise ersonnen, das hat die Natur schon längst auf dem Wege des unendlich oft variirten und wiederholten Experimentes, vermittelst der Anpassung erfunden. Wir wollen nun im Nachstehenden die wichtigsten mechanischen Bauprin- cipien, welche hier in Betracht kommen, näher kennen lernen. A. Die Biegungsfestigkeit. Wenn wir einen geraden Tragbalken, der an den Enden frei aufliegt, in der Mitte belasten, so wird er sich nach Massgabe seiner Belastung mehr oder weniger stark krümmen; er muss sich dabei auf seiner nach oben gekehrten Seite etwas verkürzen, auf der unteren entsprechend verlängern. Der Verkürzung entspricht eine Druckspannung, der Verlängerung eine Zugspannung und begreiflicherweise werden diese Spannungen an der oberen und unteren Grenzfläche ihr Maximum erreichen. Gegen die Mitte des Querschnittes zu nehmen die einander entgegen- gesetzten Spannungen ab und gehen hier durch Null in einander über. Diese der Spannung Null entsprechende Faserschicht heisst die neutrale Faser. Um also einen Balken möglichst biegungsfest zu construiren, wird man das zur Ver- fügung stehende Material dorthin verlegen, wo die Spannungen am grössten sind, d. i. an die obere und untere Grenzfläche. So erhalten wir einen oberen und einen unteren Constructionstheil des Balkens, die beiden sogen. Gurtungen, welche selbstverständlich mit einander fest verbunden sein müssen. Den diese Verbindung herstellenden Constructionstheill nennt man die Füllung und der .s 3. Das mechanische System. 605 ganze derartig construirte Balken wird als Träger bezeichnet. Seine Quer- schnittsform wird im Allgemeinen ein I oder ein doppeltes T (T) darstellen, wobei die horizontalen Striche den Gurtungen entsprechen und der verticale Strich der Füllung (Fig. 4, A). Das Tragvermögen des balkenförmigen Trägers wächst natürlich mit der Stärke der Gurtungen. Es nimmt aber auch mit dem gegenseitigen Abstand derselben zu, weil die aus der Belastung des Balkens resultirenden Zug- und Druckkräfte dem Abstande der Gurtungen umgekehrt proportional sind. Eine be- deutend leichtere Construction als die Gurtungen lassen A die Verbindungsglieder zwischen denselben, die Theile der Füllung zu, weil sie begreiflicherweise geringeren Spannungen ausgesetzt sind. Bei Brückenträgern wird als Füllung gewöhnlich ein Gitterwerk oder Fachwerk B V angewendet und wenn der Träger aus zweierlei Material &, = besteht, so wird natürlich das geringere Material zur Ä Herstellung der Füllung verwerthet. Aus diesem letzte- ren Grunde bestehen in der Pflanze die Gurtungen stets aus mechanischen Zellen, die Füllungen dagegen aus Leitbündeln oder aus Parenchym. !) 2 Der I-förmige Träger ist bloss in einer Ebene biegungsfest. Wollen wir nun eine Construction her- stellen, die in verschiedenen Ebenen, d. h. nach ver- a. . Trägerquerschnitte. A ein I- schiedenen Richtungen senkrecht zur Achse biegungs- fest ist, so müssen wir mehrere I-förmige Träger der- art combiniren, dass sie die neutrale Achse miteinander gemein haben. In der nebenstehenden Fig. 4, B sind drei I-förmige Träger combinirt; aa’, bb’ und cc’ sind die paarweise zusammenhängenden Gurtungen; die ge- förmiger Träger, g obere, g, untere Gurtung, f Füllung des Trägers. B zusammengesetzter Träger, aus drei I-förmigen combinirt; aa,, bb,, ec,, die drei Gurtungspaare; durch o geht die gemeinschaftliche neu- trale Achse. strichelten Linien würden den radialen Füllungen ent- sprechen, welche aber bei einer derartigen Combination von Trägern überflüssig werden, sobald die einzelnen Gurtungen unter sich durch tangentiale Verbände fest vereinigt sind. Denn nunmehr sind ja auch die zusammengehörigen Gurtungen wechselseitig so gut wie fest verbunden. Derartige Combinationen kommen im Pflanzenreiche überaus häufig vor. — Denken wir uns nun ferner die einzelnen Gurtungen so dicht nebeneinander im Kreise stehend, dass sie miteinander seit- lich verschmelzen, so haben wir jetzt die cylindrische Röhre vor uns, welche im Pflanzenreiche gleichfalls eine sehr häufige Verwendung findet.?) Von den combinirten Gurtungen eines allseits biegungsfesten Trägers kann jede einzelne Gurtung abwechselnd auf Zug und Druck beansprucht werden. Damit nun bei eintretender Druckspannung die einzelnen Gurtungen nicht etwa seitlich ausbiegen oder einknicken, bevor die Elasticitätsgrenze erreicht wird, werden dieselben gleichfalls biegungsfest gebaut und erhalten eine ähnliche Querschnittsform wie der ganze Träger, so z. B. die Form eines liegenden Doppel-T (H) eines Kreuzes, eines Ringes etc. Auch diese rationelle Umge- I) Vergl. SCHWENDENER. |. c. pag. 21. 2) Ziffermässige Belege für die grossen Unterschiede im Maass des Biegungsmomentes der vollen und der hohlen Träger finden sich bei SCHWENDENER. 1. c. pag. 23. Schenk, Handbuch der Botanik. II. 39 606 Die physiologischen ‘Leistungen der Pflanzengewebe. staltung der einzelnen Gurtungen des Hauptträgers zu Trägern zweiter Ordnung sehen wir im Pflanzenreiche häufig durchgeführt. Bei solchen Trägern darf die Wanddicke nicht zu gering sein, weil sonst die Querspannungen, welche bei der Belastung des Trägers auftreten, zu leicht ein Einknicken der dünnen Wandungen bewirken; diesem Einknicken geht stets eine Veränderung der Querschnittsform des Trägers voraus und schon dies soll aus naheliegenden Gründen möglichst vermieden werden. Die Wanddicke muss also annähernd im richtigen Verhältniss zum Durchmesser stehen. SCHWENDENER veranschlagt des Minimum der zulässigen Wanddicke auf ungefähr 4—1 des Durchmessers. Sind die Wände noch dünner, dann müssen besondere Aus- steifungsvorrichtungen vorhanden sein, welche die Querschnittsform des Trägers sichern. Solche Aussteifungen werden wir in späteren Paragraphen näher kennen lernen. B. Die Zugfestigkeit. Da die Zugfestigkeit bloss von der Querschnittsgrösse der widerstandsfähigen Bestandtheile der Construction abhängt, so ist die Anordnung derselben theoretisch genommen gleichgiltig. Dabei werden aber ganz gleichmässig wirkende Zugkräfte vorausgesetzt und diese Voraussetzung wird um so schwerer zu erfüllen sein, je grösser die Querschnittsfläche ist, auf der sich die widerstandsfähigen Elemente zerstreuen. Es ist unschwer einzusehen, dass bei einer solchen Anordnung sehr leicht ungleichmässige Spannungen eintreten können, die unter Umständen zu einem Zerreissen einzelner Stränge führen, wodurch dann die Widerstandsfähigkeit der ganzen Construction Schaden leidet. Je dichter aber die isolirten zugfesten Elemente beisammen stehen, desto gieichmässiger wird ihre Inanspruchnahme sein und die Vereinigung derselben zu einer einzigen compacten, soliden Masse repräsentirt demnach die vortheilhafteste Anordnung der widerstandsfähigen Ele- mente in zugfesten Constructionen. C. Die Druckfestigkeit. 1. Festigkeit gegen longitudinalen Druck (Säulenfestigkeit). Wenn ein prismatischer oder cylindrischer Körper, dessen Längsachse bedeutend grösser ist als sein Querdurchmesser an einem Ende befestigt und am anderen Ende derart belastet wird, dass die Belastung in der Richtung der Längsachse wirksam ist, dann wird dieser Körper auf rückwirkende oder Säulenfestigkeit in Anspruch genommen. Die Mittellinie des Körpers kann aber nur dann ihre gerade Richtung behaupten, wenn die Belastung genau in der Richtung der Achse wirkt. Dieselbe wird unter dieser Voraussetzung in den einzelnen Punkten des Körpers gleiche Zusammendrückungen hervorrufen, die sich für jeden Quer- schnitt zu einer Gesammtpressung zusammensetzen. Die vorhin erwähnte Voraus- setzung ist nun in der Natur kaum jemals realisirt. Durch irgend einen Umstand, sei es ein seitlicher Druck oder eine ungleiche Beschaffenheit des Körpers etc. findet leicht eine Biegung der Körperachse statt, welche durch die Last sofort vergrössert wird. Kine Säule muss also biegungsfest gebaut sein und es gelten somit für die Anordnung ihrer Constructionstheile dieselben mechanischen Bau- prineipien, welche bereits oben besprochen wurden, als von der Herstellung der Biegungsfestigkeit die Rede war. 2. Festigkeit gegen radialen Druck. Wenn ein cylindrischer Körper einem radialen Drucke ausgesetzt ist, welchem er widerstehen soll, dann müssen oftenbar seine widerstandsfähigen Elemente einen festen, peripherischen Mantel 3. Das mechanische System. 607 bilden, um den Körper vor dem Zerdrücktwerden zu schützen. Wie wir später sehen werden, bedürfen unterirdische oder im Wasser lebende Pflanzentheile eines solchen Schutzes gegen den radial wirkenden Erd- oder Wasserdruck. Der gegen radialen Druck construirte Hohlcylinder darf übrigens "mit dem Hohlcylinder der biegungsfesten Constructionen nicht verwechselt werden. Diesen letzteren kann man sich (vom rein mechanischen Standpunkte aus) durch seitliche Ver- schmelzung ursprünglich isolirter Gurtungen entstanden denken; nicht so aber den gegen radialen Druck construirten Hohlcylinder, welcher durch einen Kreis isolirter Gurtungen selbstverständlich nicht ersetzt werden kann. Mit der vorstehenden Aufzählung haben wir zwar die im Pflanzenreiche zur Geltung kommenden mechanischen Bauprincipien noch nicht vollständig erschöpft, allein die wichtigsten und allgemein giltigen unter ihnen sind im Vorausgegangenen für unsere Zwecke hinreichend ausführlich besprochen worden. Uebrigens wird noch im folgenden Abschnitt auf einige minder wichtige Bauprincipien am ent- sprechenden Orte hingewiesen werden. II. Die Anordnung der mechanischen Gewebe. Die specielle Betrachtung des mechanischen Systems in den verschiedenen Pflanzenorganen, vor Allem den Stammtheilen, den Blättern und Wurzeln, wird uns nunmehr in deutlichster Weise zeigen, dass die Anordnung der mecha- nischen Gewebe genau jenen Bauprincipien entspricht, von welchen im vorigen Abschnitte die Rede war. Diese Uebereinstimmung ist in der That eine überraschende; wir begegnen hier den auffallendsten, in ihrer Zweck- mässigkeit einleuchtendsten Anpassungen, weil auf keinem anderen Gebiete der physiologischen Function die physikalischen Grundlagen, worauf hin die An- passung erfolgt, in gleicher Weise sicher gestellt und über jeden Zweifel er- haben sind. Bevor wir nun zur Detailbetrachtung des mechanischen Systems übergehen, mögen hier vorerst einige allgemein-anatomische Bemerkungen über Bau und Anordnung der mechanischen Gewebe einen Platz finden. Die specifisch-mechanischen Elemente, Bast- und Collenchymzellen, vereinigen sich fast immer zu Gewebemassen, welche ebenso wie das einzelne Element nach einer Richtung hin von besonderer Ausdehnung sind und demnach die Form von Strängen oder Bündeln annehmen. Dieselben durchziehen die zu festigenden Organe ganz unabhängig von morphologischen Gesetzen in solcher Anordnung, dass die ausschliessliche Herrschaft des mechanischen Princips fast niemals zu verkennen ist. Natürlich stellen sich dabei gewisse Beziehungen der mechanischen Stränge zu den übrigen anatomisch-physiologischen Gewebesystemen heraus, welche nicht ausser Acht zu lassen sind, wenn man Bau und Anordnung des mechanischen Systems vollkommen bis in’s Detail verstehen will. Wir werden auf diese Beziehungen später nochmals zurückkommen. Doch muss schon an dieser Stelle auf die so häufige Vereintläufigkeit der Baststränge und Leitbündel hingewiesen werden, welche durch lange Zeit die Entdeckung des wahren Sach- verhaltes verhindert hat. Indem sich das Bastbündel dem stoffleitenden Gewebe- strange oft dicht anlegt, bildet es mit demselben gewissermassen eine morpho- logische Einheit, die man‘ auch heute noch als Fibrovasalstrang zu bezeichnen pflegt. Auf dem Querschnitte desselben erscheint der Bast als halbmond- oder sichelförmiger Beleg des Leitbündels, welcher einfach oder doppelt sein kann 39* [5 Pr V 608 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. oder er umschliesst dasselbe ringsum in Form einer festen Scheide. Erst SCHWENDENER hat den Nachweis geliefert, dass in einem solchen Fibrovasal- strange der Bast nicht etwa emem morphologischen Gesetze zu Folge, son- dern bloss aus physiologischen Opportunitätsgründen der Begleiter des Leitbündels ist. Dieses letztere besteht z. Th. aus sehr zartem Gewebe, es be- darf des Schutzes von Seiten eines festen, derben Gewebes und lehnt sich des- halb mit Vorliebe an die mechanischen Baststränge an. Ein im Querschnitte sichelförmiger Bastbeleg wirkt wie eine feste Schiene, in welchem das zarte Ge- webe des Leitbündels wohl geborgen ist. Andererseits erweisen sich die Leit- bündel, ihrer Strangnatur zu Folge, als dasjenige Gewebe, welches in vielen Fällen, namentlich bei kleineren Trägern, als die zweckentsprechendste Füllungs- masse zwischen den aus Bast bestehenden Gurtungen fungirt und so ergiebt sich hieraus ein weiterer Grund, welcher die Vereintläufigkeit von Bast- und Leitbündel- gewebe als vortheilhaft erscheinen lässt. »Mit Rücksicht auf diese so häufige Lagerung des Leitbündels zwischen den Gurtungen der Träger oder im Inneren eines continuirlichen Bastringes, oder endlich im Libriformring der Dicotylen, wo dieselben gleichsam die Lücken und Spalten im mechanischen Gerüste aus- füllen«, — hat SCHWENDENER die Leit- oder Gefässbündel (oder bastlosen Fibro- vasalstränge) als Mestom (d. i. Füllgewebe) bezeichnet, und wir wollen im Nachstehenden von dieser Bezeichnung überall dort Gebrauch machen, wo wir die Leitbündel in ihren Beziehungen zum mechanischen System zu schildern haben. A. Herstellung der Biegungsfestigkeit. Die Mehrzahl der oberirdischen Organe der Pflanzen wird auf Biegungsfestig- keit beansprucht. In cylindrischen Organen wie Grashalmen, Blüthenschäften etc. kann die biegende Kraft in allen zur Längsachse rechtwinkeligen Richtungen wirksam sein; zur Herstellung der erforderlichen Biegungsfestigkeit sind hier demnach jene combinirten Trägerformen nothwendig, von welchen im vorigen Abschnitte die Rede war. Dem zu Folge wird die Anordnung der Bast- oder Collenchymstränge auf dem Querschnitte des Organes im Allgemeinen eine peripherisch-kreisförmige sein. Die "Tendenz nach peripherischer Lagerung des mechanischen Systems wird um so deutlicher zum Ausdruck gelangen, je weniger die Herrschaft des mechanischen Princips durch andere physiologische Functionen beeinträchtigt wird. Flächenförmig ausgebreitete Organe, wie die Laubblätter werden vorzugsweise in der Richtung senkrecht zur Flächenausdehnung gebogen und in dieser Richtung muss also die Festigkeit gesteigert werden. Es geschieht dies durch reihenförmige Nebeneinanderlagerung der einzelnen Träger. 3ezüglich der Detailausführung dieser mechanischen Constructionen herrscht nun, wie SCHWENDENER gezeigt hat, eine überaus grosse Mannigfaltigkeit, namentlich bei den Monocotylen. Um eine Uebersicht über diese Mannigfaltig- keit zu gewinnen, hat SCHWENDENER die verschiedenen Constructionstypen syste- matisch geordnet, und dieselben höheren Einheiten, die er als Systeme be- zeichnet, untergeordnet. Es kann nicht Aufgabe dieser Darstellung sein, sämmt- liche 28 'I'ypen der biegungsfesten Organe bei den Monocotylen, welche SCHwEN- DENER aufgestellt und durch zahlreiche Beispiele in lehrreichster Weise erläutert hat, dem Leser im Auszuge vorzuführen. Wir wollen uns vielmehr bloss durch genaue Betrachtung einiger ausgewählter und charakteristischer Objecte ‘von der Richtigkeit der Anschauungen SCHWENDENER’S überzeugen. Aus Zweckmässigkeits- 3. Das mechanische System. 609 gründen machen wir hier in der Auswahl der Beispiele zwischen Monocotylen und Dicotylen keinen Unterschied. Ebenso ist es für uns jetzt gleichgiltig, ob das mechanische Gewebe, dessen Anordnung wir studiren, aus Bast- Libriform- oder Collenchymzellen besteht. I. Cylindrische Organe. Unter cylindrischen Organen verstehen wir hier mit SCHWENDENER ganz all- gemein solche, welche nach allen Richtungen rechtwinkelig zur Längenausdehnung in Anspruch genommen werden. Es ist dabei gleichgiltig, ob sie auch im geo- metrischen Sinne cylindisch oder ob sie kantig sind. a) System der subepidermalen Rippen. Die beiden Typen dieses Systems sind bezüglich des Bastes in den Blüthen- N) N —z schäften und Blattstielen verschiedener Aroideengenera, bezüglich des Collen- chyms in den Blattstielen verschiedener Umbelliferen und in den Stengeln der Labiaten ausgebildet. Die mechanischen Stränge treten entweder in einfacher, zickzackförmiger oder in doppelter Ring- lage auf. Die beistehende Fig. 5 B zeigt die Anordnung der verschieden starken mit Mestomsträngen combinirten Bast- bündel im Blattstiele von Colocasia anti- quorum. Bei den ‚Labiaten (F ig. 5 A) be- ® fh 9 m Br sitzt der 4kantige Stengel zwei kreuzweise /({\ Doeey a be combinirte Collenchymträger und reprä- D < Ö ® a N SIE . . D x . FE: 2) a = N) } | sentirt so die einfachste Constructionsform \0 ae N ie S a Se £ d LEN) EN eN a7 drisch-biegungsfesten Organe. Im Anschlusse hieran sind auch die in einer Ringlage auftretenden Bastbündel Fig. 5. (B.%4) in den einjährigen Zweigen verschiedener A Schematischer Querschnitt durch ein Stamm- dicotyler Holzgewächse (Acer campestre, ae von Zamium album, in den 4 Kan- en verlaufen Collenchymgurtungen, welche Fagus, Betula, Paulownia, Cornus sangui- zwei kreuzweise combinirte Träger bilden. nea, Nerium Oleander etc.) zu erwähnen, Vergr. 12. B Theil des Querschnittes aus EB: - : »inem Blattstiel von Colocasia antiguorum (nach welche das primäre mechanische System X. 4 7 E RB N SCHWENDENER.) Die Bastbündel werden von der Zweige bilden und später nach Be- Mestombündeln begleitet. Vergr. 30. (In die- ginn der Holzbildung und genügender ser, wie in den nachfolgenden schematischen Figuren, das mechanische System betreffend, A 5 Zn Fa = = 7 pi Erstarkung durch Korkbildung abgeworfen erscheinen die Querschnitte der Bast- und werden. Collenchymstränge schraffirt dargestellt.) des mechanischen Systems in einem cylin- N EEE, eo NER b) System der zusammengesetzten peripherischen Träger. Dieses System ist vorzugsweise bei verschiedenen Cyperaceen und Junca- gineen ausgebildet. Seine 6 Typen repräsentiren eine grosse Mannigfaltigkeit von Constructionsformen, von welchen hier bloss drei beschrieben werden sollen. Im hohlen Schafte von Scirpus caespitosus treten 5, 6 oder auch mehr Iförmige Träger in regelmässigen Abständen von einander auf und bilden eine subepidermale Ringlage. Die äusseren Gurtungen lehnen sich an die Epidermis a en 610 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. (B. 265.) Fig. 6. Subepidermale Träger. A Hälfte den Halm von Sceirpus caespitosus, die Füllungen zwischen den (schraffirten) Bastgurtungen bestehen bloss aus Mestombündeln. Sich B Theil des Querschnittes durch den Halm von hindel Die Füllungen Vergr. 100. Cyperus vegetus. an, die inneren umschliessen halb - kreisförmig das die Füllung bildende Mestom- bündel (Fig. 6 A.) Zwischen diesen grossen Hauptträgern befindet sich je ein kleinerer Träger, welcher aber mehr an A nach innen gelegen ist, — | Ns Bei Cyperusvegetus begegnen \ wir einer ähnlichen Anord- nung des mechanischen Systems. Auch hier treten im Schafte subepidermale I-förmige Träger auf, welche eine ziemlich regelmässige 8 \ Ne j35 Ringlage bilden; allein die I 9 beiden Gurtungen eines Trä- 9° gers sind so weit von ein- o ander entfernt, dass das Mestombündel als Füllung nicht mehr ausreichend ist; es müssen deshalb zwischen die äussere Gurtung und das an die innere Gurtung anlegende Mestom- noch Parenchym- Bl m des Querschnittes durch der Träger bestehen aus Mestombündeln, an welchen sich die inneren Bastgurtungen zellen eingeschaltet werden, sichelförmig anlegen und aus Parenchym (zwischen den Mestom- welche die Füllung zu ver- bündeln und den subepidermalen Gurtungen). (B. 266.) Fig. 7. Subepidermaler Träger im Schaft von Cyperus vegelus. \b äussere, , Innere Bastgurtung, g Mestom- bündel, s Parenchymscheide. b Vergr. 66. vollständigen haben. Hierzu werden chlorophyllführende Parenchymzellen injener Ausbildung verwendet, welche für die specifischen Assimilationszellen charakteristisch ist, nämlich Pallisadenzellen. Der ganze Träger hat also den in Fig. 7 dargestellten Bau. Man könnte vielleicht die Frage aufwerfen, ob in der geschilderten An- ordnung der Füllungsbestandtheile ein morphologi- sches oder gleichfalls ein physiologisches Princip zum Ausdruck kommt. Diese Frage ist im letzteren Sinne zu beantworten, indem die Pallisadenzellen behufs ihrer Assimilationsthätigkeit eine günstige Be- leuchtung und deshalb eine mehr peripherische Lagerung beanspruchen, während den Mestombündeln als leitenden Gewebesträngen eine centripetale Ten- denz eigenthümlich ist. Wir sehen also, dass für die Anordnung sämmtlicher Gewebearten eines Trägers ausschliesslich das physiologische Princip bestimmend ist. Ein viel complicirterer, eleganter Typus tritt uns in den Halmen von Juncus glaucus entgegen. 3. Das mechanische System. 611 Auch hier haben wir eine Ringlage von regelmässig angeordneten Haupt- trägern vor uns, deren äussere Gurtungen (Fig. 8 A b) aus starken Bast- rippen bestehen, während die inneren Gurtungen von den sichelförmigen Bastbelegen gebildet werden, welche die im gleichen Radius liegenden grossen Mestombündel begleiten (Fig. 8 A f). Zwischen diesen beiden Gurtungen liegt ii ur ı Ver: u Nur ee WS lan Rs : N 3 er a rag u) ee & > - ee ee \ N \ er \ ® \ #7. FF. U . TR Fig. 8. (B. 267.) Mechanisches System des Halms von Jameus glaucus. A Theil eines Querschnittes durch den oberirdischen, B desgleichen durch den unterirdischen Theil des Halms; b die subepidermalen Bastrippen, welche sich mit den Bastbelegen der opponirten Gefässbündel bei f zu Trägern combiniren; i Luftkanäle. C Theil eines Querschnittes durch den Halm 1,5 Centim. unter seiner Spitze. Bei b sind die Bastrippen mit den äusseren Bastbelegen der opponirten Gefässbündel verschmolzen. Vergr. für A, B und € 45. D Entstehung eines I-förmigen Trägers aus einem gemeinschaftlich angelegten Cambiumbündel; b Bast- cambium, c Mestomcambium, g primordiales Gefäss, e der zu Epen werdende Theil des Cambiumbündels. Vergr. 350. von innen nach aussen zunächst das grosse Mestombündel, dann folgt ein kleiner äusserer Bastbeleg, dann dünnwandiges Parenchym, ein grosser Luftkanal und schliesslich ‘wieder Parenchymgewebe. An dieser »Füllung« befremdet uns zweier- lei; vor Allem der Luftgang, welcher trotz des lockeren Filzgewebes, das ıhn ausfüllt, die radiale Verbindung der beiden Gurtungen aufhebt. Schon im vorigen Abschnitte haben wir aber gehört, dass wenn ein hinreichend starker tangentialer Verband zwischen den Gurtungen der einzelnen Träger und Träger- gruppen hergestellt wird, auf die radiale Füllung verzichtet werden kann. Man muss daher zugeben, dass die Lagerung der grossen Luftkanäle nicht bloss nicht irrationell ist, sondern dass dieselben im Gegentheile einen solchen Platz ein- nehmen, auf welchem sie, wie wir gleich sehen werden, das Gefüge des mecha-_ nischen Systems am wenigsten stören. — Noch eine zweite Eigenthümlichkeit er- 612 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. scheint uns auffällig: die kleine Bastsichel auf der Aussenseite des Mestombündels. Warum wurden die zur Herstellung dieser Bastsichel erforderlichen Baustoffe nicht zweckentsprechender zur Unterstützung der inneren Gurtung verwendet? So wäre man geneigt zu fragen, wenn man nicht an die local-mechanische Be- deutung gewisser Baststränge denken müsste, welche diesmal in dem Schutze des zarten, eiweissleitenden Bestandtheiles des Mestombündels besteht. Zwischen den einzelnen Hauptträgern, welche einander in relativ grossen Ab- ständen folgen, befinden sich in symmetrischer Anordnung kleinere Träger, deren Füllungen bloss von Mestombündeln gebildet werden. Sie gruppiren sich »in eine förmliche Phalanx von 4—6 Gliedern« und haben die Festigkeit der zwischen den Hauptträgern befindlichen verhältnissmässig breiten Wandstücke herzustellen.!) c) System der subcorticalen Fibrovasalstränge, mit starker Bastentwickelung und zuweilen mit Verschmelzungen in tangentialer und radialer Richtung. In diesem System werden die Bastbündel von der Epidermis durch das Assimilationsgewebe abgedrängt und mehr nach innen geschoben. Nichtsdesto- weniger ist die Anordnung der mechanischen Gewebestränge eine ausgeprägt peripherische. Gegenüber den übersichtlichen, mehr durch rationelle Construction als durch massige Entwicklung des Bastes ausgezeichneten Typen des vorigen Systems fällt das gegenwärtig zu besprechende durch die mächtige Ausbildung der Bastmassen auf, welche schon einfach durch peripherische Lagerung eine vollkommen ge- nügende Biegungsfestigkeit des Organs erzielen. Hierher gehören die Halme der Bambusen und die Stämme und Inflorescenzachsen der Palmen. Die Bastbe- lege der Mestombündel, welche bei den Palmen sehr häufig zu unregel- mässigen Bändern verschmelzen (Fig. 9) bilden in ihrer Gesammtheit einen BE Hohlcylinder, dessen Wanddicke nur IM uni] Ih Im Mn einen verhältnissmässig kleinen Bruch- a a ll |)-m theil des ganzen Durchmessers dar- ve | Il | „\ stellt. Vermöge dieser Eigenthümlich- RR zn G——— nn if m) el AM li KIT. A| N es n us | ol! Am bl v I) " 7 bil keit des Baues werden denn auch ag \) manche Palmen, deren Mark beson- NOS ; | i N ders weich ist, wie z. B. Arenga sacharifera, Lodoicea Sechellarum, Bo- A] ; ; \ ln Al \ rassus flabelliformis, nach Entfernung a ER. ERDE fly h n des Markes als Wasserleitungsröhren, (B. 268.) Fig. 9. , Dachrinnen u. dergl. verwendet und Peripherischer Theil des Querschnittes durch einen von dem rohrartigen Stengel der Zweig des Fruchtstandes v Phönix dactylifera. - e ’ Zweig des Fruchtstandes von Zhönix aadyffera 7,jgrtea setigera MaRT., Euterpe olera- Den kleinern peripherischen Bastbündeln sind in ä h excentrischer Lage Mestombündel eingebettet. Die ce@ MART. und Aunthia montana H. B. subcorticalen Mestombündel besitzen auf ihrer wird berichtet, dass die Indianer ihre Aussenseite starke Bastbekleidungen, welche stellen- Dass Kart nd weise tangential verschmelzen; je centraler die asrohre daraus verierligen, Indem Mestombündel gelagert sind, desto schwächer sie das weiche Mark mit einer langen werden IE POEIMEIFER, Ruthe herausstossen.?) — Die tiefer im Marke liegenden Mestombündel, sind mit viel schwächeren Bastsicheln versehen, welche für die Biegungsfestigkeit des ganzen Stammes bedeutungslos sind und ') Ausführlicheres hierliber findet man bei SCHWENDENER, 1. c. pag. 57- 2) SCHWENDENER, l. c. pag. 67, 68. _ entwickelungsgeschichtlichen 3. Das mechanische System. 613 ausschliesslich local-mechanischen Zwecken dienen. Dagegen dürften die ausser- halb des Holzkörpers in der Rinde verlaufenden Bastbündel das Zerreissen und Abschieben der Rinde beim Biegen des Stammes zu verhüten haben. d) System des einfachen Hohleylinders mit eingebetteten oder angelehnten Mestomsträngen. Dieses System darf seiner grossen Verbreitung halber als das bei den Mono- cotylen herrschende bezeichnet werden. Es ist namentlich in den Familien der Liliaceen, Irideen, Orchideen, Dioscoreen u. A. vertreten; auch viele Dicotylen-Genera sind hierhergehörig und ver- mitteln so hinsichtlich des Skeletbaues den Anschluss an die Monocotylen. Ich nenne hier nur beispielsweise die Gattungen Saxifraga, VS — ke Aristolochia, Phytolacca, Che- er nopodium, Epimedium, Cortusa, Armeria, Lonicera, Geum, Pa- paver und die Familien der Caryophylleen, Primulaceen und Geraniaceen. Wenn man sich auch vom mechanischen Standpunkte aus den Bastring aus der seit- lichen Verschmelzung zahl- reicher im Kreis gestellter Bastgurtungen hervorgegan- gen denken kann, so würde man doch entschieden fehl- gehen, wenn man den Bast- ring auch vom anatomisch- IN ll N Il) ii IM NIT ii Ähm | im arm il! Iı ln | EA NN] I Dome Il N DBLUN NUN UINUERMH \ Iil UNLRRE TTV IN) i | \ I . 4 Ar u ZA I IIIN Ai il u Standpunkte aus als das Pro- duct einer solchen Ver- schmelzung ansehen wollte. 7 E i Weder in der Entwickelungs- geschichte des einzelnen In- Fig. 10. (B. 269.) dividuums noch im Laufe der Bastringe von Monocotylen. A Subcorticaler Bastring von £ : Allium odorum mit aussen angelehnten Gefässbündeln. B Sub- phylogenetischen Entwickel- Br re Bee . corticaler Bastring von Corrallard ia verticillat« wit eingebetteten ung der betreffenden Pflanzen- Gefässbündeln. C Subcorticaler Bastring des Halmes von form ist derBastring aufsolche Yolinia coerulea, verstärkt durch subepidermale Bastrippen. Weise entstanden. Er ist, wie SCHWENDENER sagt, »ein Gebilde für sich, in Form und Lage nur wenig beeinflusst von anderen Geweben; der unzwei- deutige Vertreter des mechanischen Princips. Die peripherischen Gefässbündel richten sich nach ihm, nicht umgekehrt; sie finden an ihm einen festen Halt oder eine schützende Hülle, indem sie sich bald von aussen und bald von innen an denselben anlehnen oder im Innern des Ringes einbetten.« (Fig. 10 A u. B). Von der Oberfläche des Organs entfernt sich der Bastring gewöhnlich um 614 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. 35 — „4 des Durchmessers. Gegen die Rinde zu ist er fast immer scharf differen- zirt, und zeigt stark verdickte Zellwandungen. Auf der Innenseite geht er da- gegen häufig allmählich in das Markgewebe über; die Zellen werden im Quer- schnitt grösser, dünnwandiger, auf Längsschnitten kürzer, mit immer mehr in die Quere gestellten Wandungen. e) System des gerippten Hohleylinders mit Anschluss der Rippen an die Epidermis. Bei den Gräsern, deren Halme gleichfalls Bastringe besitzen, sind die letzteren durch subepidermale Bastrippen verstärkt, welche sich in mehr oder weniger regelmässigen Abständen an seine Aussenseite anlegen. Es ist einleuchtend, dass eine solche Construction von besonderer Widerstandsfähigkeit ist, weshalb sie auch in der Architektur und im Maschinenbau eine sehr häufige Anwendung findet. Die Mestombündel lehnen sich hauptsächlich an die Innenseite des Bast- ringes an, treten aber auch häufig im Markgewebe isolirt auf. An der Grenze zwischen Ring und Rippe ist dem Bastgewebe gewöhnlich eines von den kleineren peripherischen Mestombündeln eingelagert. Fig. 10 C stellt einen solchen typischen Gramineenbastring mit starken Bastrippen dar. Eine noch weit allgemeinere Verwendung als bei den Monocotylen, welche sich durch eine grosse Mannigfaltigkeit der Constructionsformen auszeichnen, findet der Bastring als zweckmässigste Einrichtung zur Herstellung der Biegungs- festigkeit bei den Dicotylen. Damit nun derselbe neben dem Dickenwachsthum der Stengel und Zweige bestehen könne, muss der ursprünglich ausserhalb des Verdickungsringes gelegene Bastring auf die Innenseite desselben verlegt werden und wird derart zum Libriformring. Nur bei dieser Lagerung kann der Hohl- cylinder zu einem dauernden Bestandtheil des mechanischen Systems werden; denn der ausserhalb des Verdickungsringes gelegene Bastring wird, wie wir früher gesehen haben, bei Eintritt des Dickenwachsthums gesprengt und abgeworfen. Zwischen dem extracambialen Bastring und dem intercambialen Libriform- ring giebt es nun alle Uebergänge, welche von SCHWENDENER (l. c. pag. 147 ff) ein- gehend geschildert worden sind, auf welche aber in dieser Abhandlung nicht näher eingegangen werden kann. Den Endpunkt dieser Uebergangsreihe repräsentirt der normale Dicotylenstamm; die einzelnen concentrischen Holzringe desselben re- präsentiren mit ihren mechanischen Elementen ebenso viele Libriformringe, in welche aber die Mestomelemente nicht wie in den Bastringen vieler Monocotylen zu Bündeln vereinigt eingebettet sind, sondern in viel gleichmässigerer Vertheilung, in Folge dessen die ursprüngliche Selbständigkeit und Abgeschlossenheit des Mestoms verloren geht. Indem sich derart im Holze zwei verschiedenartige Gewebesysteme, das mechanische und das stoffleitende, wechselseitig durchdringen und so ihre anatomische Selbständigkeit aufgeben, wird auch begreiflicherweise ihre physiologische Selbständigkeit zum Theile verwischt. Die beiderlei Functionen sondern sich nicht mehr strenge nach den anatomischen Hauptmerkmalen der Gewebe; namentlich gilt das für die mechanischen Elemente, welchen als wichtige Nebenfunction die Leitung des Wassers übertragen wird. — Eingehenderes über diese eigenthümlichen Beziehungen soll im vierten Kapitel mitgetheilt werden. 2. Bilaterale Organe. Vor Allem sind hier die Laubblätter zu nennen; entsprechend der Art der Inanspruchnahme dieser Organe auf Biegungsfestigkeit sind ihre Träger sämmtlich von gleicher Orientirung: die Trägerebene steht senkrecht zur Oberfläche des 3. Das mechanische System. 615 Blattes. Nach ihrem Verhältnisse zur Epidermis unterscheidet SCHWENDENER (l. c. pag. 77) subepidermale, innere und gemischte Träger, welche zu- gleich die drei Systeme des mechanischen Systems in bilateralen Organen charakterisiren. — Im einfachsten Falle treten subepidermale Iförmige Träger auf, welche die obere und untere Blattseite mit einander ver- binden. Hierher gehören die Blätter vieler Gramineen und Cyperaceen, von Zypha, Cor- dyline, Phormium (Fig. ır A), Zandanus, Musa etc. Die Gurtungen sind beiderseits an- nähernd gleich stark und auch von ähnlichen Querschnittsformen. Als Füllungen fungiren entweder bloss Mestombündel, oder dieselben combiniren sich mit Parenchymzellen. Eine höhere Stufe der Anpassung reprä- sentiren jene Blätter und Blattmittelrippen, welche eine auf Ober- und Unterseite ungleiche Ausbildung des mechanischen Systems zeigen, die der Ausdruck einer verschiedenartigen In- anspruchnahme der Festigkeit ist. Bei allen bandartigen, überhängenden Blättern werden die Oberseiten hauptsächlich auf Zug, die Unter- seiten auf Druck in Anspruch genommen. Auf der Zugseite sind demnach zur Herstellung gleichmässiger Spannungen breite subepider- male Bastbänder am Platze, auf der Druckseite dagegen gewöhnliche Träger. Diese Ausbildung des mechanischen Systems in bilateralen Or- ‚ganen zeigen z. B. die Blattmittelrippen von Erianthus, Saccharum, Zea, (Fig. ıı C) Gyne- Fig. 11. (B. 270.) rium etc. Hierher gehören auch die Blätter Trägerquerschnitte aus monocotylen verschiedener Carex-Arten, welche rinnig ge- Laubblättern. A Phormium tenax. Obere 5 Be i R und untere Gurtung nahezu gleich faltet sind, so dass längs der beiden Ränder stark, Füllung Mestom. B Carex sylva- die Inansprüchnahme des Blattes auf Zugfestig- za. Obere Gurtung schwächer, mehr keit am grössten ist. Dieselben sind dann bandförmig; untere Gurtung stärker; SEsE \ | Füllung Mestom (mit Bastsicheln auf auch mit je einem Bastbande versehen. der Hadromseite) und farbloses Paren- »Gemischte Träger« sind in den Blatt- chym. C Zea Mais, Blattmittelrippe. : : Die oberen Gurtungen sind als Zug- spreiten verschiedener Palmen vorhanden. het 3 = ö Fr Dur z bänder ausgebildet; den unteren Druck- Die in der Mitte des Mesophylis verlaufen- gurtungen sind Mestombündel einge- den grösseren Gefässbündel sind mit beider- lagert. seitigen Bastbelegen versehen: diese »Fibrovasalstränge« repräsentiren die in- neren Träger, deren Stellung in der Mitte zwischen Ober- und Unterseite der Blätter eine mechanisch unvortheilhafte ist. In manchen Fällen (Zivistona_ chi- nensis, Chamaerops excelsa) sind diese Bastbelege der Mestombündel allerdings so schwach, dass sie in erster Linie augenscheinlich einem localmechanischen Zwecke, nämlich zum Schutze der stoffleitenden Stränge dienen. In anderen Fällen da- gegen (z. B. Phönix dactylifera, Sabal Adansoni) sind die beiden Gurtungen so stark entwickelt, dass sie unzweifelhaft zur Herstellung der Biegungsfestigkeit bestimmt sind. Ihre unzweckmässige Stellung ist nicht zu leugnen. Neben diesen 616 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. inneren Trägern ist noch eine grosse Anzahl von subepidermalen Bastbündeln vorhanden, welche verhältnissmässig sehr stark sind. Bei der Dattelpalme treten sie auf der Ober- und Unterseite des Blattes in ungefähr gleich starker Aus- bildung auf, allein in unregelmässigen Abständen, so dass nur selten zwei Bündel opponirt sind und sich zu einem Träger combiniren. Genau dieselbe wenig rationelle Anordnung der beiderseitigen Bastbündel habe ich noch bei ver- schiedenen anderen Palmen (Zivistona chinensis, Sabal Adansoni, Chamaerops excelsa) beobachtet. Bei den zwei zuletzt genannten Arten kommt noch eine weitere Eigenthümlichkeit hinzu, welche mechanisch ungünstig ist: nämlich eine stärkere Ausbildung des mechanischen Systems auf der Blattoberseite, während doch eine rationelle Construction das Gleichgewicht beider Seiten erfor- dert. Bei Chamaerops excelsa sind die subepidermalen Bastbündel der Blattober- seite nicht bloss zahlreicher, sondern auch beträchtlich stärker als auf der Blatt- unterseite. Sie springen häufig rippenförmig gegen das Mesophyll vor. Bei Sa- bal Adansoni sind die mestomlosen Bastbündel beiderseits ziemlich gleich zahl- reich und gleich stark ausgebildet. Dafür lehnen sich aber die kleineren Gefäss- bündel an ziemlich starke subepidermale Bastrippen an, welche unter der Blatt- oberseite verlaufen und der Blattunterseite vollständig fehlen. Festigkeitsein- richtungen anderer Art, welche die Blattunterseite für die mangelhafte Bastaus- rüstung entschädigen würden, lassen sich nicht nachweisen. Wir finden nach dem Gesagten in manchen Palmblättern eine förmliche Häufung irrationeller Constructionseigenthümlichkeiten. Nur die peripherische Anordnung der subepidermalen Bastbündel lässt noch die Herrschaft des mecha- nischen Princips erkennen. Das Palmenblatt bildet demnach ein vollständiges Pendant zum Palmenstamme, in welchem ja gleichfalls die mächtigen Baststränge im Allgemeinen zwar peripherisch gelagert sind, untereinander aber eine ganz regellose Anordnung zeigen. Und doch zeichnen sich die Palmen bekanntlich durch eine bedeutende ‚Festigkeit ihrer Organe aus, denn durch die massige Aus- bildung des mechanischen Systems wird reichlich ersetzt, was demselben an Zweckmässigkeit der Construction abgeht. Namentlich gilt dies für die Blatt- spreiten. Wir haben hier eine Reihe von Fällen vor uns, in welchen das Princip des möglichst geringen Materialaufwandes keine so strenge Durchführung erfährt, wie in den meisten anderen Pflanzen. Derlei Fälle sind aber deshalb lehrreich, weil aus ihnen deutlich hervorgeht, dass sich in der zweckmässigen Anordnung des mechanischen Systems ebensowenig ein vorgefasster einheitlicher Bauplan ausspricht, als wie z. B. in dem so überaus zweckentsprechenden Bau der Blüthen, welche zum Zwecke der Kreuzbefruchtung auf den Besuch von Insekten ange- wiesen sind. Hier wie dort handelt es sich bloss um Anpassungserscheinungen. 3. Die mechanischen Einrichtungen zur Erhaltung der Querschnittsform. Wird ein cylindrisches Organ gebogen, so hat der kreisförmige Querschnitt desselben die Neigung elliptisch zu werden; man kann sich davon beim Biegen eines Kautschukschlauches leicht überzeugen. Wenn man ein flächenförmig aus- gebreitetes Organ, z. B. ein Laubblatt biegt, so suchen aus demselben Grunde die beiderseitigen Blattflächen ihren Abstand zu verringern. Mit jeder Krümmung eines Organs ist demnach eine gewisse Veränderung seiner (Juerschnittsform ver- bunden, welche auf ein möglichst geringes Maass einzuschränken der Pflanze edürfniss ist. Solche Veränderungen sind nämlich aus einem doppelten Grunde für die Pflanze schädlich. Durch eine veränderte (Juerschnittsform des Organes 3. Das mechanische System. 617 erleidet auch die gegenseitige Lage seiner mechanischen Constructionstheile ent- sprechende Veränderungen; nun ist es aber eine Voraussetzung für das verläss- liche Functioniren des mechanischen Systems, dass seine Bestandtheile, die peri- pherischen Träger und Gurtungen an ihrer gegenseitigen Lage fixirt seien. Hier- zu kommt dann noch der sehr in's Gewicht fallende Umstand, dass die Veränderung der Querschnittsform mit radialen Zerrungen und Pressungen ver- bunden ist, welchen die verschiedenen Gewebe des Organs leicht in so hohem Grade ausgesetzt sein können, dass dadurch ihre Function beeinträchtigt, ıhr Zusammenhang gelockert wird. Wie störend müssen z. B. derartige Pressungen die Function der stofileitenden Gewebe beeinflussen! Wie leicht können stärkere Zerrungen den ohnehin so lockeren Bau des Assimilationssystems schädigen. Aus ähnlichen Gründen werden bereits bei den niedrigsten Pflanzenformen die Aenderungen der Querschnittsform möglichst eingeschränkt. In der Einleitung war bereits von den in der Cawserpa-Zelle quer ausgespannten Cellulosefäden die Rede, welche zur Aussteifung dienen; in ganz analoger Weise wirken die in den Luftgängen verschiedener Cyperaceen ausgespannten Zellfäden, welche vor- wiegend in der Querrichtung verlaufen und sich häufig verzweigend ein zartes Gebälke von ungemein zierlichem Aussehen bilden. Namentlich sind in dieser Hinsicht verschiedene Scirpus-Arten ausgezeichnet. — So wie dann ferner ein langer Algenfaden durch Querwände die nöthige Aussteifung erfährt, werden die grossen Luftgänge in den Stengeln von Zapyrus antiıquorum, Juncus glaucus, Scir- pus lacustris und anderen wasserliebenden Gewächsen zu gleichem Zwecke durch quergestellte Gewebeplatten, sogen. Diaphragmen, unterbrochen. Dieselben treten bei Juncus glaucus und Scirpus lacustris ın Abständen von 5 —ıo Millim. auf und werden in den meisten Fällen von kleinen Gefässbündeln, den Mestomanasto- mosen, durchzogen, welche auch ihrerseits als Verspannungen dienen, indem sie die längsverlaufenden Gefässbündel untereinander verkoppeln. Ausser den eben: beschriebenen Einrichtungen sind bei den Phanero- gamen noch verschiedene andere Eigenthümlichkeiten des anatomischen Baues zu nennen, welche die Erhaltung der Querschnittsform zum Zwecke haben. Bei verschiedenen Juncus-Arten (J. glaucus, paniculatus, acutus) sind die gestreckten Assimilationszellen des Rindengewebes in Curven angeordnet, welche gegen die subepidermalen Bastrippen convergiren und den Linien des stärksten Druckes entsprechen. Wird nämlich der Halm gebogen, so üben die Bastrippen den stärksten radialen Druck gegen die inneren Träger aus und das dazwischen- liegende grüne Gewebe muss sich nach den Principien der Gewölbeconstruction anordnen, um einerseits die (Juerschnittsform zu erhalten und andererseits selbst nicht zerdrückt zu werden. Ausführlicheres hierüber enthält SCHWENDENER’S »Mechanisches Princip« (pag. 85 ff.), woselbst auch die diesbezüglichen mecha- nischen Principien ausführlich erörtert werden. 4. Die mechanischen Einrichtungen für den interkalaren Aufbau. Nur bei einer verhältnissmässig geringen Anzahl von Phanerogamen erfolgt das Längenwachsthum der Stammorgane in der Weise, dass sich Zellbildung und Zell- streckung bloss auf die Scheitelregion und die jüngsten Internodien beschränken. Dieses einfache Aufsetzen neuer Constructionstheile auf einen hinlänglich erstarkten Unterbau, wie SCHWENDENER einen solchen Wachsthumsmodus treffend charakterisitt, findet z. B. bei den Palmen, Dracaenen, Pandaneen, verschiedenen Liliaceen etc. statt. Weit häufiger dagegen erfolgt die Längenzunahme der Stammorgane durch 618 r Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. interkalare Wachsthumserscheinungen, welche besondere Anpassungen seitens des mechanischen Systems nothwendig machen. Bei den meisten Dicotylen und vielen Monocotylen besitzen die Stengel- organe ziemlich lange Wachsthumszonen, welche sich gewöhnlich über mehrere Internodien erstrecken und je nach der betreffenden Species eine Länge von ca. 2—5o Centim. besitzen.'!) Diese im Wachsthum begriffenen Stengeltheile werden natürlich entsprechend biegungsfest gebaut sein müssen und sich deshalb | | von den ausgewachsenen Stammpartien bezüglich der Constructionsformen ihres mechanischen Systems nicht wesentlich unterscheiden. Der Unterschied wird sich vielmehr in der Qualität des zum Aufbau des Skeletes verwendeten Materiales zeigen; aus Gründen, welche bereits in einem früheren Abschnitte ausführlich auseinander gesetzt wurden, wird der Bast' durch das dehnsame, wachsthumsfähige Collenchym zu ersetzen sein. So stellt dieses Gewebe, welches gewöhnlich in Form von subepidermalen Platten und Rippen auftritt, »ein vor läufiges Skelett dar, ein Arbeitsgerüste,« welches bei einzelnen Monocotylen (Tradescantia, Dioscorea, Tamus) auch späterhin das eigentliche mechanische System während der ganzen einjährigen Vegetationsperiode unterstützt, bei den Dicotylen dagegen nach genügender Erstarkung des Zweiges durch Korkbildung gewöhnlich abgeworfen wird.?) Eine wesentlich andere Art, interkalar wachsende Organe zu schützen, besteht in der Verdickung der Internodien in der Region des stärksten Wachsthums. Bei Tradescantia erecta befindet sich diese Region an der Basis des betreffenden Internodiums, wo denn auch der Durchmesser desselben fast doppelt so gross ist, als oben. Umgekehrt verhält sich die Sache bei den Blüthenschäften verschiedener Compositen, deren obere Regionen die vorzugsweise interkalar wachsenden sind. Von WESTERMAIER?) wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die nach oben zu- nehmende Dicke dieser Schäfte offenbar als eine Anpassung an diese Art des interkalaren Wachsthums aufzufassen sei. Die Verdickung ist manchmal eine sehr auffällige. Bei Arnoseris minima ıst der Durchmesser des Blüthenschaftes unmittelbar unter dem Köpfchen bis- weilen sechsmal so gross als an der Basıs des Schaftes. Die vollkommensten Einrichtun- gen zum Schutze des interkalaren Längenwachsthums finden sich an den Halmen der Gramineen und Cyperaceen. Unmittelbar über dem Knoten eines Grashalmes befindet sich eine verhältnissmässig kurze Zone, in welcher die Gewebe im meristematischen Zustande verharren und in stetem Wachsthum begriffen sind. Selbstverständlich ist diese Querschnitt durch die Blattscheide von Prachy- , - } podium sylvaticum, ", Centim. über dem Knoten. Zone von weicher Beschaffenheit und Subepidermale Bastbündel mit angelehnten Mestom- mechanisch fast gar nicht wider- 0 strängen. Vergr. 30. standsfähig. Soll demnach das In- ') Vergl. Prerrer, Pflanzenphysiologie. II. Bd, pag. 72. (B. 271.) Fig. 12. 2) Vergl. SCHWENDENER, ]l. c. pag. 96. 3) Beiträge zur Kenntniss des mechanischen Gewebesystems. Monatsberichte der Königl. Akademie der Wissensch. in Berlin. 1881. pag. 67 ff. / 3. Das mechanische System. 619 ternodium an dieser Stelle nicht bei dem geringsten Windstosse abbrechen, so muss es durch ein besonderes Organ entsprechend gestützt werden. Dies geschieht durch die Blattscheide, welche die ganze wachsthumsfähige Region des Internodiums vollständig umhüllt und unmittelbar über dem Knoten zum Schutze der Meristemzone besonders stark gebaut ist. Das mechanische System der Blattscheide hat also das noch unentwickelte Skelett des umhüllten Internodium- abschnittes zu ersetzen. Die ein Rohr bildende Scheide muss biegungsfest ge- baut sein und zu diesem Behufe ist ihr mechanisches System nicht wie in einer bilateralen Blattspreite angeordnet, sondern wie in einem hohlen cylindrischen Stengelorgane. Die Battrippen sind peripherisch gelagert und treten also in kräftiger Ausbildung unter der Epidermis der Aussenseite auf, während die Innen- seite entweder gar keine oder bloss sehr schwach ausgebildete Bastgurtungen besitzt (Fig. ı2). -Dieser Fall zeigt wieder auf das Deutlichste, dass die An- ordnung der Bastbündel nicht von morphologischen, sondern ausschliesslich von mechanischen Principien beherrscht wird. Dieselbe Aufgabe wie den Laubblattscheiden der Glumaceen kommt jenem eigenthümlichen Scheidenorgane zu, welches bei der Gattung Armeria von der köpfchenförmigen Inflorescenz nach abwärts reichend den oberen Teil des Blüthenschaftes röhrenartig umhüllt. Wie WESTERMAIER!) überzeugend darlegte, sprechen alle Verhältnisse dafür, dass diese Scheiden einen Stützapparat für den interkalaren Aufbau vorstellen. B. Herstellung der Zugfestigkeit. Alle Organe, welche zur Befestigung der Pflanze dienen, sei es nun im Erd- reich oder an Felswänden, Baumstämmen, Zweigen etc. werden häufig auf Zug- festigkeit in Anspruch genommen. Vor allem gilt dies für die Wurzeln, welche US, UNTEN Fig. 13. (B. 272.) Querschnitte durch zugfeste Organe. A Rhizom von Carex giauca, mechanisches System in Form eines centralen, dickwandigen Hohleylinders, in welchem zahlreiche Mestombündel eingebettet sind... B Nebenwurzel I. Ordnung von Zea Mais. Mechani- sches System 1. als centraler dickwandiger Hohlcylinder (zur Herstellung der Zugfestig- keit), 2. als subepidermaler Hohleylinder (zur Herstellung der Druckfestigkeit). »im Ganzen genommen als Modelle zugfester Constructionen« gelten können. Wie im vorigen Abschnitte auseinandergesetzt wurde, besteht die vortheilhafteste 1) Monatsberichte der Berliner Akademie. 1881. pag. 62. fl. 620 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Anordnung des mechanischen System in zugfesten Organen in der Vereinigung . der widerstandsfähigen Elemente zu einer einzigen compacten tauförmigen Masse, von centraler Lage. Wie’sehen demnach bei sämmtlichen zugfest gebauten Wurzeln das mechanisch wirksame Gewebe sammt den stoffleitenden Elementen einen axilen Strang bilden. In ähnlicher Weise sind auch die Bastmassen jener Rhizome, welche zur Befestigung der Pflanze im Boden beitragen, zu dickwandigen axilen Röhren oder sogar zu compacten Strängen vereinigt; besonders auffallend zeigen die Rhizome der Gramineen, Cyperaceen und Juncaceen diese centrale Anordnung ihres mechanischen Systems, so dass diese Organe den Wurzeln anatomisch näher stehen, als den ihnen morphologisch gleichartigen oberirdischen Stammorganen.!) Dieser anatomische Gegensatz zwischen ober- und unterirdischen Pflanzen- theilen, welcher auf der Biegungsfestigkeit der einen, auf der Zugfestigkeit der anderen beruht, kann unter Umständen schon an ein und demselben Organe zum Ausdruck kommen. Auch in dieser Hinsicht sind verschiedene Cyperaceen' und Juncaceen als ausgezeichnete Beispiele zu nennen. Das unterste Halmstück von Juncus glaucus steckt mehrere Centim. tief im festen Boden und wird hier bei Biegungen des oberirdischen 'Theiles des Halmes ähnlich wie eine Pfahlwurzel ausschliesslich auf Zugfestigkeit beansprucht. Niemand wird nun von diesem unter- irdischen Halmstück einen rhizom-ähnlichen Bau erwarten. Die anatomische Unter- suchung lehrt im Gegentheile, dass alle Bastbündel und Mestomstränge des ober- irdischen Halmstückes im unterirdischen eine nahezu unveränderte Stellung einnehmen. Die histologische Continuität erfährt also nicht die leiseste Störung. Allein die quantitative Ausbildung, die Stärke der einzelnen Bastbündel ist im unterirdischen Halmstücke eine wesentlich andere. Vergleicht man die Quer- schnittsansichten A und B in Fig. 8, so erkennt man auf den ersten Blick die centripetale Tendenz des mechanischen Systems im unterirdischen, die centri- fugale Tendenz im oberirdischen Halmabschnitt. Vor Allem fällt der Unter- schied in der® Ausbildung der subepidermalen Bastrippen auf, welche in dem biegungsfesten Halmstücke viel breiter sind und tiefer einspringen, als im zugfesten Theile; hier hat sich ihr Querschnitt um das 3—4fache verkleinert. Dafür sind die inneren Gurtungen der Hauptträger viel mächtiger geworden, und auch die auf der Aussenseite der grossen Mestombündel auftretenden Bastbelege sind so stark, dass sie gewiss nicht bloss eine localmechanische Bedeutung haben. Im Anschlusse an die unterirdischen Organe sind die Ranken und Stengel der Schling- und Kletterpflanzen zu besprechen, welche als Befestigungsorgane gleich- falls auf Zugfestigkeit in Anspruch genommen werden. Für die Ranken leuchtet dies ohne Weiteres ein; und was die Stengel betrifft, so sind dieselben bei windenden Pflanzen in Folge des Dickenwachsthums der Stützen und ihrer durch den Wind verursachten Biegungen dem Zuge ausgesetzt; bei Kletterern kommt noch das Auseinanderweichen der einmal erfassten Stützpunkte hinzu, ferner ein schlaffes Herunterhängen grösserer oder kleinerer Pflanzentheile.?) Diesen mechanischen Bedingungen entspricht eine centripetale Tendenz des mechanischen Systems, welche entweder bloss durch eine Verdickung der Markzellen angedeutet wird, wie z. B. bei Zamus und Dioscorea nach SCHWENDENER'S Beobachtungen (l. ce. pag. ı24) oder zu einer thatsächlichen Contraction der mechanischen Ge- I) Bezüglich mehrerer Einzelheiten vergl. SCHWENDENER. ]. c. pag. 117 ff. ?) Vergl. WesterMmAIER und AMBRONN, Beziehungen zwischen Lebensweise und Structur der Schling- und Kletterpflanzen. Flora, 1881. Separatabdruck. pag. 14. .’- | | a 3. Das mechanische System. 621 webe führt. So sind z. B. bei den kletternden Monocotylen Car/udovica und Calamus Rotang auch die innersten Bündel des Stammes mit starken Bastbelegen versehen und bei verdickten Piperaceen-Stämmen (Macropiper, Piper) liegt an der Innenseite des peripherischen Gefässbündelkreises das Mark umhüllend ein Ring mechanischer Zellen. Alle submersen Wasserpflanzen, mögen sie in fliessendem oder stehendem Wasser leben, müssen mehr oder minder zugfest gebaut sein. Von besonderem Interesse sind in dieser Hinsicht ihrer verschiedenartigen Standortsverhältnisse halber die Pofamogeton-Arten. Wie von SCHWENDENER ausführlich gezeigt wurde, besitzen diejenigen Arten, welche nur in stehenden oder langsam strömenden Wassern leben (Zofamog. crispus, densus und pectinatus) weder in der Rinde, noch im axilen Mestomcylinder besondere mechanische Zellen. Den sehr geringen An- sprüchen, welche an die Zugfestigkeit ihrer Stengel gestellt verden, vermag der axile Mestomcylinder vollständig Genüge zu leisten. Andrerseits zeigen aber die an ‚rascher fliessendes Wasser angepassten Formen (of. lanceolatus, longifolius, compressus etc.) nicht bloss eine entsprechende Verstärkung ihres Centralstranges mittelst mechanischer Zellen, auch in die maschige Rinde ist eine grössere oder geringere Zahl von zerstreuten Bastbündeln eingebettet, welche offenbar ein Zer- reissen oder Abstreifen des lockeren, von Luftkanälen durchzogenen Rinden- gewebes verhüten sollen. Schliesslich soll auch noch auf die zugfesten Constructionen in hängenden Fruchtstielen und Inflorescenzachsen aufmerksam gemacht werden. Die Her- stellung der erforderlichen Zugfestigkeit geschieht entweder durch Contraction des Bastringes, oder durch Ausstattung der inneren Mestombündel mit stärkeren Bast- belegen (Platanus. Stanhopea insignis). C. Herstellung der Druckfestigkeit. 1. Festigkeit gegen radialen Druck. Alle unterirdischen oder in Wasser vegetirenden Organe sind einem radialen Drucke ausgesetzt, welchen das umgebende Medium auf ihre Oberfläche ausübt. Wenn nun, wie dies gewöhnlich der Fall ist, das Rindenparenchym dieser Organe von Luftkanälen durchzogen wird und überhaupt einen lockeren Bau zeigt, so muss das Organ durch einen festen peripherischen Mantel gegen jene radialen Druckkräfte geschützt sein. Zuweilen genügt für diesen Zweck schon die mittelst einiger Parenchymzelllagen verstärkte Epidermis, z. B. bei Najas, Sagittaria, Juncus supinus, Alısma natans etc., welche sämmtlich in stehendem oder langsam fliessendem Wasser vegetiren. Dagegen stellt sich bei Organen, welche in lehmigem oder wasserdurchtränktem Boden wachsen, mit den grösseren Luft- kanälen zugleich die Nothwendigkeit einer Verstärkung der Rinde mittelst dick- wandiger Parenchym- oder echter Bastzellen ein. So kommt es in den Wurzeln verschiedener Carex-Arten (C. stricta, caespitosa, vulgaris) und Gramineen zur Aus- bildung eines hohlcylindrischen Bastmantels, dessen Zellwandungen, wie schon im vorigen Kapitel erwähnt wurde, gegen das Eindringen des Wassers theilweise verkorkt sind. In wesentlich anderer Weise sind die Blätter verschiedener Proteaceen und Restiaceen gegen radiale Druckkräfte geschützt. Am bekanntesten sind in dieser Hinsicht die verzweigten, nadelförmigen Blätter der Zaea-Arten. Zwischen der Epidermis und dem centralen Markcylinder befindet sich ein Mantel von sehr locker gebautem, zartwandigem Pallisadengewebe, welches bei Biegungen des SCHENK, Handbuch ‚der Botanik. Bd. TIL, 40 622 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Blattes und namentlich beim Austrocknen desselben durch die sich contrahirende Epidermis in radialer Richtung gedrückt wird. Um diese Druckkräfte unschäd- lich zu machen und bei eintretenden Regen ein Wiederaufleben des intact ge- bliebenen Pallisadengewebes zu ermöglichen, sind zwischen Epidermis und Mark- eylinder zahlreiche dickwandige Säulen- oder Strebezellen eingesetzt, welche Radspeichen vergleichbar sind und mit ihren fussförmig erweiterten und auch verzweigten Enden dem Markgewebe und der Epidermis sehr fest aufsitzen. Zwischen diesen Säulenzellen ist das zarte Assimilationsgewebe gegen das Zerdrücktwerden sehr vollkommen geschützt. Bei Aingia australis treten wie TSCHIRCH!) gezeigt hat statt einzelner Strebe zellen sogar ganze Strebewände auf, welche aus radialgestreckten, dickwandigen Zellen bestehen, unregelmässig gewunden sind und so die Bildung zahlreicher Kammern zur Folge haben, in welchen das Pallisadengewebe untergebracht ist. 2. Festigkeit gegen longitudinalen Druck. Jedes aufrechte Stammorgan, welches die Last der Aeste, Zweige und des Laubes zu tragen hat, wird wie eine Säule auf rückwirkende Festigkeit in An- spruch genommen. Im vorigen Abschnitte wurde auseinandergesetzt, dass in solchen säulen- festen Organen das mechani- sche _Princip die gleiche Ver- theilung des wi- derstandsfähi- gen Materiales verlangt, wie in biegungsfesten Organen. Es soll deshalb auf sie nicht näher eingegangen werden. Von grösse- rem Interesse (B. 273.) sind hier jene Längsschnitt durch den Wurzelstock und die untersten Stamminternodien Organe, welche von Zea Mais. v vj Adventivwurzeln, welche aus einem über dem Niveau abwechselnd des Bodens (0—o,) befindlichen Knoten hervorgebrochen sind, und eine nachträgliche feste Verankerung und Stützung des Stammes zum Zwecke haben. auf Zug- und Die Faserwurzeln sind der Deutlichkeit des Ganzen halber in spärlicherer Säulenfestigkeit Anzahl gezeichnet. beansprucht werden. Hierher gehören z. B. die Stützwurzeln von Z/andanus odoratissimus, /riartea exorrhiza und Wettinia; ferner die kranzförmig aus den untersten Knoten des Maishalmes hervorbrechenden Adventivwurzeln, welche ihrer Function nach als echte Stützwurzeln bezeichnet werden können. Durch das im Erdreich zur Ausbildung gelangte Wurzelsystem wäre der !) Der anatomische Bau des Blattes von A’ngia australis R. Br., Abhandl, des bot. Vereins der Provinz Brandenburg. XXIII. Bd. 1881. u Hr AR BL \ 3. Das mechanische System. 623 aufschiessende Maisstengel nur unzureichend gestützt. Aus den ı—2 untersten Knoten des oberirdischen Stammstückes brechen deshalb dicht nebeneinander Adventivwurzeln hervor, welche an jedem Knoten einen sehr regelmässigen Kranz bilden. Diese Wurzeln wachsen nun nicht senkrecht nach abwärts sondern in mehr oder weniger schiefer Richtung, wobei sämmtliche Wurzeln eines Kranzes nahezu denselben Figen-Winkel einhalten. Es ist einleuchtend, dass diese schiefe Richtung, welche die Wurzeln einschlagen, in Anbetracht ihrer späteren, mechani- schen Function als Stützorgane und »Ankertaue« vollkommen rationell ist. Nach- dem dann die Wurzeln je nach der Höhe des Knotens in grösserer oder ge- ringerer Entfernung vom Stamm in den Boden gedrungen sind, treiben sie hier zahlreiche Nebenwurzeln und befestigen sich in genügender Weise. Wenn nun der Maisstamm vom Winde gebogen wird, so ist es klar, dass die der Windrichtung zugekehrten Wurzeln auf Zugfestigkeit, die von ihr abge- kehrten auf Säulenfestigkeit in Anspruch genommen werden. Auf diese Weise hat im Laufe der Vegetationsperiode jede Wurzel abwechselnd als zugfestes und als säulenfestes Organ zu dienen und ist auch dementsprechend gebaut. Die ganze Construction ist demnach noch vollkommener, als die ihr sonst sehr ähn- liche Befestigungsweise von Mastbäumen oder hohen eisernen Fabriksschornsteinen, weil wegen der hierzu verwendeten Taue und Drahtseile bloss die Zugfestigkeit der Constructionstheile in Betracht kommt. Wie schon erwähnt, befindet sich der anatomische Bau dieser Stützwurzeln mit ihrer Function in vollem Einklange. Der sonst bei Wurzeln solide Fibrova- salcylinder besitzt eine weite Markhöhlung, so dass das Mestom und die dasselbe begleitenden Stereiden einen Hohlcylinder bilden. Derselbe zeigt die für Wurzeln charakteristische Anordnung seiner Mestomelemente, von welchen namentlich ein Kranz weitlumiger Gefässe auffällt; die Zwischenräume werden von verhältniss- mässig dünnwandigen Bastzellen ausgefüllt, so dass dieser Hohlcylinder zugleich eine mechanische Bedeutung hat. Umgeben wird er von einer C-förmig ver- dickten Schutzscheide. Die Rinde besteht aus verdickten Parenchymzellen und geht gegen aussen zu allmählich in einen mehr oder weniger breiten, subepider- malen Bastring über, dessen Zellen sehr stark verdickt und porenreich sind. Ueber die Massverhältnisse der verschiedenen Gewebecomplexe auf dem Wurzelquerschnitt geben folgende Zahlen Aufschluss. Eine sehr kräftig ge- baute Wurzel besitzt im ausgetrockneten Zustande knapp über dem Erdboden einen Radius von durchschnittlich 2 Millim. Die Dicke des subepidermalen Bastringes beträgt 0,3—0,6 Millim., jene der ganzen Rinde (inclusive Bastring) ı,ı Millim., die des Fibrovasalringes 0,3 Millim. Der Radius der Markhöhlung ist 0,6 Millim. lang. Aus diesen Zahlen geht hervor, dass der innere Hohlcylinder eine mehr axile als peripherische Lage besitzt. Das mechanische System der Stützwurzeln von Zea Mais besteht demnach aus zwei Hohlcylindern. Der äussere besteht bloss aus Bastgewebe und bedingt hauptsächlich die Säulenfestigkeit des Organs. Der innere enthält die Mestom- elemente und dient in erster Linie zur Herstellung der Zugfestigkeit. Im Allge- meinen muss aber aus dem anatomischen Bau dieser Stützwurzeln gefolgert werden, dass sie mehr als säulenfeste, denn als zugfeste Constructionen fungiren, da sonst nicht einzusehen wäre, weshalb sich der meist solide Fibrovasalcylinder in diesen Wurzeln zu einem Hohlcylinder erweitert hat, welcher bloss ein zartwandiges, leicht verschrumpfendes Markgewebe umgiebt. Die soeben geschilderten Organe kommen nicht bloss beim Mais vor. 40* Br W.?< IRRE FREE I) ’ : \ 624 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Ganz ähnlich gebaute Stützwurzeln lassen sich auch an den verschiedenen Sorg- hum-Arten und anderen stark gebauten, hohen Gramineenformen beobachten. In ganz anderer Weise sind die Stützwurzeln von Pandanus ihrer Doppel- function angepasst. Den inneren Theil ihres Querschnittes nehmen zahlreiche Gefässbündel mit starken Bastbekleidungen ein und in das Rindengewebe sind zahlreiche grössere und kleinere Bastbündel eingestreut. Das mechanische System vertheilt sich also gleichmässig über den ganzen Querschnitt und nur die Combi- nation von Zug und Druck lässt diese Vertheilung des Materials begründet er- scheinen!). Zu den strebefest gebauten Organen sind schliesslich noch die geraden Stacheln und Dornen zu rechnen; bei den Monocotylen (Agave americana, Chamaerops humilis, Livistona sinensis) besitzen sie nach SCHWENDENER (l. €. pag. 132) durchgehends, dem mechanischen Princip entsprechend, einen starken subepi- dermalen Bastring. D. Herstellung der Schubfestigkeit. Wenn mechanische Kräfte auf einen Körper in der Art einwirken, dass sie seine kleinsten Theilchen auf einander zu verschieben trachten, so pflegt man die- selben als scheerende Kräfte zu bezeichnen und diejenige Festigkeit des Körpers, welche den Scheerkräften Widerstand leistet, und das wechselseitige Vorbeigleiten der kleinsten Theilchen hindert, heisst Schubfestigkeit. Bei jeder Biegung eines cylindrischen oder flächenförmigen Organs treten Scheerkräfte auf, welche aber bei einfachen Biegungen ziemlich belanglos sind und keine besonderen Ein- richtungen zur Herstellung der Schubfestigkeit nothwendig machen. Wenn aber solche Einrichtungen trotzdem, namentlich an flächenförmigen Organen, zur Aus- bildung gelangen, so geschieht dies deshalb, weil bei starker Luft- oder Wasser- strömung die Inanspruchnahme auf Schubfestigkeit eine wesentliche Steigerung erfährt. Ein im Winde Nlatterndes Laubblatt ist Scheerkräften ausgesetzt, welche senkrecht zu seiner Flächenausdehnung wirken und es zu zerfetzen drohen. Um dieser Gefahr wirksam zu begegnen, müssen offenbar die zur Herstellung der Biegungsfestigkeit dienenden Träger durch möglichst zahlreiche Querverbindungen fest miteinander verkoppelt sein. Dies geschieht nun durch die schon bei früherer Gelegenheit erwähnten Gefässbündelanastomosen, welche in monocotylen und dicotylen Blättern ein reiches Netzwerk bilden, und namentlich an den durch Naturselbstdruck gewonnenen Abbildungen stets auf das Deutlichste hervor- treten. Besonders wirksamer Schutzeinrichtungen bedürfen natürlich die Blatt- ränder, welche der Gefahr des Einreissens am ehesten unterliegen. Im einfachsten Falle besitzen die Epidermiszellen des Blattrandes dickere Aussenwandungen, als die- jenigen der Spreite; die Membransubstanz zeigt nicht selten durch ihr optisches Ver- halten und durch Gelbfärbung nach Behandlung mit Kalilauge, ihre Verwandtschaft mit der zum Autbau der Bastzellmembranen verwendeten Cellulosemodification. Nur verhältnissmässig selten begnügt sich die Pflanze mit dieser rein epidermoi- dalen Verstärkung des Blattrandes.. (Gewöhnlich werden auch subepidermale Zellschichten dazu verwendet, welche entweder in Form von schwach verdickten Collenchymzellen (Aroideen), oder als wohlausgebildete Bastbündel erscheinen. Die (Juerschnittsform dieser zum Schutze des Blattrandes dienenden Baststränge kann eine sehr verschiedenartige sein. Wenn der Blattrand eine scharfe Kante I) Vergl. SCHWENDENER,‘ Mechanisches Princip, pag. 131 u. 132. 3. Das mechanische System. 625 bildet, so gleicht der subepidermale Bastbeleg im Querschnitt häufig einer Pfeil- spitze, wie z. B. bei den Irisarten, bei Zryngium etc. Bei mehr abgerundetem Blattrande ist der Stereombeleg gewöhnlich sichel- oder halbmondförmig (Zucalvp- Zus sp., Fig. ı5 C.) oder er löst sich bisweilen in mehrere kleine Bündel auf, welche unregelmässig geformt und ungleich stark sind. Bei der Dattelpalme sind die Blattfiedern an beiden Rändern wie abgeschnitten und ebenso dick wie in der Mitte der Spreite. Die Fieder besitzt derart ziemlich ebene Seitenflächen, welche ebenso breit sind, als das Blatt dick ist und von welchen in der Mittellinie je ein Fig. 15. (B. 274.) Mechanische Einrichtungen zum Schutze des Blattrandes. A—D Querschnitte durch Blattränder; A 7heophrasta Fussieui mit einem unregelmässig contourirten subepidermalen Rand-Bastbündel (b). B TZheophrasta imperialis; das Rand-Bastbündel (b) ist von der Epidermis durch einige Parenchymzelllagen getrennt; in dasselbe sind zwei Mestom- bündel eingebettet. C Zwcalyptus sp.; c subepidermale Collenchymsichel. D Phoenix dactylifera. Rand einer Blattfieder; in der oberen und unteren Kante ein Bastbündel (b): bei z der Rest des Mittelstreifens, welcher den Zusammenhang mit der benachbarten Blatt- fieder herstellte. E Längsschnitt durch das sichelförmige mechanische Gewebe in einer Ecke zwischen zwei Blattzähnen von Sargwisorba carnea, welches das Einreissen der Blatt- spreite verhütet. Das mechanische Gewebe sitzt gegen innen einem querüber gespannten Leitbündel auf, von welchem in der Figur bloss die Parenchymscheide und eine Tracheiden- reihe dargestellt sind. F Theil einer Laubblattspreite von Aibes rubrum. Durch querüber gespannte Gefässbündel wird das Einreissen der Blattspreite verhindert. schmaler vertrockneter Gewebestreifen vorspringt (Fig. ı5 D z). Dieser im Quer- schnitt zäpfchenförmige Streifen repräsentirt den Rest des Verbindungs-Gewebes zwischen zwei benachbarten Blattfiedern, welche bekanntlich erst durch eine nach- trägliche Spaltung von einander getrennt werden. Die Zellen dieses Gewebe- streifens sind klein, ihre Wandungen verdickt und allem Anscheine nach auch cuticularisirt. In den Winkeln, welche die Seitenfläche der Fieder mit der oberen und unteren Blattfläche einschliesst, befindet sich je ein starkes Bastbündel; so kommt es, dass die beiden stärksten subepidermalen Träger der ganzen Blatt- fieder zugleich als mechanische Einrichtung zum Schutze des Blattrandes fungiren. — 626 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Nicht immer sind die Bastbündel des Blattrandes streng subepidermal ge- lagert. Zuweilen werden dieselben von der Epidermis durch einige chlorophyll- führende Parenchymzelllagen getrennt, in welchem Falle gewöhnlich das den »Randnerv« bildende Mestombündel dem Baststrange seitlich anliegt oder in denselben eingebettet ist (ZTAeophrasta imperialis Fıg. ı5 B). Schliesslich kommt es auch häufig vor, dass sich subepidermale Bastbündel mit den verstärkten Rand- nerven combiniren, in welchem Falle wieder die verschiedenartigsten Querschnitt- formen auftreten können. Wenn das Blatt ganzrandig ist, so sind die besprochenen Einrichtungen rings- um von ziemlich gleicher Ausbildung. Bei gebuchtetem, gekerbtem oder gesägtem Blattrande stellt sich dagegen häufig die Nothwendigkeit heraus, die der Gefahr des Einreissens besonders ausgesetzten Einschnitte zwischen den einzelnen Lappen und Zähnen noch auf besondere Weise zu schützen. Zu diesem Behufe dienen häufig starke Mestomanastomosen, welche derart querüber gespannt werden, dass sie die Winkel zwischen den Blattzähnen nahezu tangiren. Solche Querver- spannungen sind namentlich bei verschiedenen Aibes-Arten schön ausgebildet. (Ribes rubrum Fig. ı5 F gg). In anderen Fällen wird der Grund jedes Einschnittes von einem sichelförmig gekrümmten Belege umfasst, welcher aus starkverdickten, collenchym- oder hornartig verdickten Zellen besteht. Bei verschiedenen Zoterium- und Sanguisorba-Arten (Fig. ı5 E) sind diese Sicheln von besonders deutlicher Differenzirung. Die Verdickung der parallel zum Blattrande gestreckten farblosen Zellen ist ebenso auffallend wie ihre scharfe "Abgrenzung gegen das benachbarte Chlorophyliparenchym. Nach innen zu stützt sich diese Sichel häufig auf eine querüber gespannte Mestomanastomose. IV. Die Beziehungen des mechanischen Systems zu den übrigen Gewebesystemen. 1. Die Beziehungen zum Hautsystem. Wie wir im vorigen Abschnitte wiederholt gesehen haben, führt die peripherische Lagerung des mechanischen Systems in biegungsfesten Organen sehr häufig zu einem unmittelbaren Contact des Bastes oder Collenchymgewebes mit der Epidermis. Es kann nicht über- raschen, dass diese so nahen räumlichen Beziehungen auf die Ausbildung der Epidermis nicht ohne Einfluss bleiben. In den verschiedensten Abstufungen wird die Oberhaut zu einer Verstärkung des subepidermalen Bastes oder Collenchyms herangezogen und am Ende dieser Stufenreihe sehen wir die Epidermis ihren anatomi- schen Charakter als Hautgewebe aufgeben und vollständig zu mechanischem Gewebe werden. Allein auch ohne das Vorhandensein solcher räumlichen Beziehungen zwischen Haut- und Skeletsystem ergiebt sich häufig schon aus der blossen Herr- schaft des mechanischen Princips eine Verwendung der Epidermis zu mechani- schen Zwecken. Denn je peripherischer eine Zellschicht in biegungsfesten Organen gelegen ist, desto mehr verlohnt es sich für die Pflanze, ihre Metamorphose in mechanisches Gewebe anzustreben. Vorausgesetzt natürlich, dass nichtnoch schwerer wiegende physiologische Momente dagegen sprechen. Von diesem Gesichts- punkte aus hat man z. B. die collenchymatische Verdickung der Epidermiszell- wandungen in den Blättern vieler Liliaceen, namentlich der Allium-Arten, aufzu- fassen; ferner die sklerotische Verdickung und Verholzung der Epidermiszellen an den nicht grünen Hochblättern von Zapyrus antiguorum und an den Spelzen verschiedener C'yperus-Arten. Derartige Vorkommnisse liessen sich noch viele aufzählen. An dieser Stelle soll nur noch der vollständige Anschluss der Epider- 3. Das mechanische System. 627 mis an das mechanische System der Halme verschiedener Gräser erwähnt werden, welcher zu einer vollständigen Metamorphose der Epidermiszellen in Stereiden führt). Die Bastrippen verschiedener Dromus-Arten und die Bastringe in den von den Blattscheiden bedeckten Halmstücken der Melica-Arten sind nach aussen durch eine Zelllage abgegrenzt, welche von stark verdickten, prosenchymatisch zugespitzten und mit linksschiefen, spaltenförmigen Poren versehenen Zellen ge- bildet wird; dieselben sind demnach als echte Bastzellen zu bezeichnen. Solche Vorkommnisse beschränken sich nicht bloss auf Phanerogamen. Im Blatte der Farnspecies Aneimia densa werden die beiden Gurtungen der Iförmigen Träger sogar ausschliesslich von solchen »epidermoidalen« Bastzellen gebildet. Einer ganz anderen Reihe von Beziehungen des mechanischen Systems zur Epidermis gehört die Erscheinung an, dass unter der Oberhaut bisweilen eine einzige continuirliche Bastzelllage auftritt, von welcher sich nicht behaupten lässt, dass sie in erster Linie zur Herstellung der Festigkeit des ganzen Organs dient, weil dieser Zweck durch andere mechanische Einrichtungen erreicht wird. Solche subepidermale Bastbelege kommen in den Blättern verschiedener Coniferen vor und sind in neuerer Zeit von 'TSCHIRCH auch im Blatte von Aingia australis aufgefunden worden. Man wird nicht fehlgehen, wenn man in dieser Einrichtung eine Versteifung der Epidermis erblickt, welche für die genannten Pflanzen, deren Blätter sehr wechselnden klimatischen Verhältnissen ausgesetzt sind, ent- schieden vortheilhaft ist. Von den entwicklungsgeschichtlichen Beziehungen des Collenchyms zum Phello- gen wurde bereits bei früheren Gelegenheiten gesprochen, und auf die Bedeutung von Baststrängen in der Borke soll hier nur nochmals kurz verwiesen werden. 2. Die Beziehungen zum Assimilationssystem. Weil die Production organischer Substanz aus den Elementen der Kohlensäure und des Wassers be- kanntlich nur bei hinreichender Beleuchtung stattfindet, so strebt das assimilirende Chlorophyliparenchym nach einer möglichst peripherischen Lagerung; es geräth dadurch in Conflict mit dem mechanischen System, welches in biegungsfesten Organen ja gleichfalls eine peripherische Zone für sich beansprucht. »In diesem Widerstreit der Bedürfnisse, sagt SCHWENDENER (l. c. pag. 105), bleiben zwei Auswege offen. Entweder die beiden Principien theilen sich in dem Raume zu- nächst der Oberfläche ... . . oder die Ansprüche der Assimilation wiegen vor und die mechanischen Zellen treten um eine Stufe zurück.« Sehr lehrreich ist das Verhältniss der beiden Systeme in den Halmen der Gräser, deren Internodien theilweise von den Blattscheiden umhüllt sind. In den unbedeckten, günstig be- leuchteten Halmabschnitten drängt das grüne Rindengewebe den Bastring zurück. In den bedeckten Theilen dagegen wird die Rinde als assimilirendes Gewebe der mangelhaften Beleuchtung wegen werthlos und der Bastring verdrängt sie beinahe vollständig. Neben diesem Conflicte zwischen beiden Systemen giebt es auch noch andere auf gegenseitiger Förderung beruhende Beziehungen. Dieselben sind schon bei früheren Gelegenheiten erwähnt worden. Wir kennen bereits jene druckfesten Einrichtungen in den Blättern der Proteaceen und von Äingia australis, welche das zarte Pallisadengewebe vortrefflich gegen Druck und Zerrung schützen und erinnern uns andererseits auch jener Anordnung der gestreckten Assimilations- zellen in Curven des grössten Druckes, durch welche in Juncus-Halmen die ) Vergl. G. HABERLANDT, Entwickelungsgeschichte des mechanischen Gewebesystems. Leipzig 1879. pag. 67 ft. 6283 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Festigkeit der ganzen Construction nicht unwesentlich gesteigert wird. — Schliess- lich wäre an dieser Stelle auch noch der Assimilationsthätigkeit mancher Collen- chymstränge zu gedenken, welche durch ihren bescheidenen Chlorophyligehalt zu dieser Nebenfunction befähigt sind. 3. Die Beziehungen zum Leitungssystem. Schon wiederholt wurde in dieser Abhandlung auf die verschiedenen Beziehungen des mechanischen Systems zu den Leitbündeln hingewiesen. Die Rolle der letzteren als »Mestom- bündel«, als Träger-Füllungen ist uns hinreichend bekannt, ebenso der »lokal- mechanische« Schutz, welchen die Bastbelege den Leitbündeln gewähren. Nament- lich ist es der zarte, eiweissleitende Theil derselben, das Leptom, welches solcher fester Schienen bedarf, um nicht zerdrückt zu werden. In den Blattstielen verschiedener Palmen sind diese Bastschienen, wie neuerdings Kny gezeigt hat, mit leistenförmigen Fortsätzen versehen, welche, nach innen vorspringend, das Leptom in 2 oder mehrere Gruppen theilen und dasselbe in ähnlicher Weise gegen Druck schützen, wie die Strebewände des Blattes von Alngia australis das Pallisadengewebe. Die lokal-mechanische Bedeutung solcher Bastbelege ergiebt sich übrigens nicht bloss aus der Schutzbedürftigkeit der Leitbündel, sondern auch aus der häufig ganz irrationellen Lagerung, welche diesen Bast- strängen als Bestandtheilen einer biegungs- oder zugfesten Construction an- gewiesen wäre. Bei Scirpus Holoschoenus konnte ich auch einen entwicklungs- geschichtlichen Beweis für die Richtigkeit der in Rede stehenden Auffassung führen, indem ich nachwies, dass die kleinen Bastsicheln auf der Leptomseite der grossen Leitbündel des Blattes aus dem Coleogen hervorgehen, d. ı. aus dem Bildungsgewebe der dickwandigen Schutzscheide, welche das ganze Bündel als steifes Rohr umgiebt. Bei den Dicotylen, welche Dickenwachsthum zeigen, bietet der primäre Bastbeleg des Leptoms für die Dauer häufig nur einen ungenügenden Schutz. In dem Maasse als die Dicke der Leptomschicht zunimmt, werden deshalb nach gewissen Intervallen neue Bastplatten gebildet und vorgeschoben, zwischen welchen dann das secundäre Leptom eine geschützte Lage einnimmt. (Tilia, Vitis, Juglans, Quercus Robur, Castanea etc.) Eine direkte Beziehung des mechanischen Systems zur Stoffleitung besteht darin, dass seine Elemente in einer bestimmten Ausbildung zur Leitung des Wassers geeignet sind und auch hierzu verwendet werden. Es sind dies die Libriformzellen des dicotylen Holzkörpers; doch ist schon hier zu erwähnen, dass die dickwandigen Herbstholzzellen, deren mechanische Bedeutung pronon- cirter ist, ein bedeutend geringeres Wasserleitungsvermögen besitzen, als die dünn- wandigen Zellen des Frühlingsholzes. Die typischen Bastzellen sind zu dieser Function ganz ungeeignet. Man darf also den auch für die Elemente des Holzes der Dicotylen geltenden Satz aussprechen, dass die mechanischen Zellen der Function der Stoffleitung um so weniger angepasst sind, je typischer sie als Stereiden ausgebildet erscheinen. V. Die Entwickelungsgeschichte des mechanischen Systems. Sowie das Hautsystem kann auch das Skelet der Pflanzen aus sämmtlichen drei Bildungsgeweben der Vegetationsspitze hervorgehen. Es gilt diese Ent- stehungsweise sowol für den Bast, wie auch für das Collenchym, so dass zwischen !) Kıyy, Ueber einige Abweichungen im Baue des Leitbündels der Monocotyledonen. Berlin 1881. 3. Das mechanische System. 629 diesen beiden Hauptformen des Stereoms auch eine vollständige entwicklungs- geschichtliche Homologie herrscht.!) 1. Entstehung des Stereoms aus dem Cambium. In weitaus den meisten Fällen gehen die mechanischen Gewebe als prosenchymatische Gewebe- massen aus jenem Bildungsgewebe hervor, welches sich durch die gestreckte, spindelförmige Gestalt seiner englumigen Elemente auszeichnet uud seit NÄGELI den Namen »Cambium« führt. Dieses Bildungsgewebe wird in der Vegetations- spitze und in den jüngsten Internodien meist dort angelegt, wo später im ausge- bildeten Organe prosenchymatische und strangförmige Gewebe auftreten sollen, nämlich Skelet- und Mestombündel. Man würde aber einen entschiedenen Fehl- griff thun, wenn man deshalb die Cambiumstränge einfach als junge, unausge- bildete Skelet- und Mestomstränge betrachten wollte. Denn nicht alles Cambium wird zum Aufbau dieser beiden Systeme verwendet, und letztere sind ihrerseits nicht immer bloss cambialen Ursprungs. Die isolirten Bast- und Collenchymbündel gehen meistens aus gleichfalls isolirten Cambiumsträngen hervor. Dies gilt sowol für subepidermale wie für tiefer liegende Skeletstränge (Bast bei Scirpus Holoschoenus, Typha vatifolia, Phoenix dactylifera etc., Collenchym bei Salvia officinalis, Cucurbita Pepo etc.) Wenn das mechanische System einen Hohlcylinder bildet, welcher keine Beziehungen zu den Mestombündeln zeigt, so ist der entsprechende Cambiumring meist gleich- falls von gesonderter Anlage; (als Beispiele nenne ich den peripherischen Bast- ring in den Rhizomen von Carex-Arten und den subcorticalen Bastring im Stengel von Cucurbita Fepo etc.) Neben dieser isolirten Anlage kommt es aber nicht selten vor, dass wenn auch das mechanische System im ausgebildeten Zustande selbständige Bündel oder Ringe vorstellt, die Anlage derselben dennoch gemein- schaftlich mit Mestomsträngen erfolgt. Dieser eigenthümliche Entwickelungsvor- gang wird am besten durch einige Beispiele erläutert werden. Bei Juncus glaucus bestehen die grossen Hauptträger, wie bereits oben beschrieben wurde, aus einer subepidermalen Bastrippe als äusserer und einer starken Bastsichel als innerer Gurtung, zwischen welchen von aussen nach innen zunächst Parenchym liegt, dann ein Luftkanal, dann wieder Parenchym, eine lokalmechanische Bastsichel und schliesslich ein grosser Mestomstrang. Dieser ganze Gewebecomplex geht aus einem einzigen subepidermalen Cambiumbündel hervor, welches tief in das Grundparenchym einspringt und im uerschnitte sanduhrförmig aussieht. (Fig. 8 D) Während in den inneren und äusseren Partien dieses Cambiumbündels die Längstheilungen der Zellen fortdauern, hören sie in der eingeschnürten Mittel- partie bald gänzlich auf, die Zellen werden weiter, theilen sich durch häufige Querwände und werden so allmählich zu Parenchymgewebe, welches von NÄGELI seines cambialen, beziehungsweise secundären Ursprungs halber als Epen be- zeichnet wird. Durch die Entstehung dieses Epens ist das ursprüngliche Cambium- bündel in zwei einander opponirte Stränge gespalten worden, von welchen sich nun jeder nach seiner Isolirung selbständig weiter entwickelt. Der äussere wird zur subepidermalen Bastrippe, der innere zum Mestombündel mit seinen beiden Bastbelegen. Im Epenparenchym entsteht dann noch nachträglich der grosse Luftkanal. — Die gemeinschaftliche Anlage der einzelnen Trägerbestandtheile ) Die nachfolgenden Auseinandersetzungen basiren hauptsächlich auf 2 Abhandlungen: G. HABERLANDT, Entwickelungsgeschichte des mechanischen Gewebesystems, Leipzig 1879; und H. AMBRONN, Ueber die Entwickelungsgeschichte und die mechanischen Eigenschaften des Collen- chyms, PRINGSHEIM’s Jahrbücher f. wissensch. Bot. Bd. XII. 1881. N MU TERE a $ 3 Re u n’, PP. n u E >> N DIN P2 630 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe, wird übrigens schon durch den Bau der Halmspitze nahegelegt. Hier fehlt das Epenparenchym und der Luftkanal zwischen den Gurtungen meist vollständig; die subepidermale Bastrippe reicht bis zum Mestombündel (Fig. 8 C). Der ge- meinschaftliche Cambiumstrang hat sich demnach in der schwächeren Halmspitze nicht gespalten, die Epenbildung unterblieb und das ganze Cambiumbündel ent- wickelte sich zu prosenchymatischem Dauergewebe, zu Bast und zu Mestom. In ähnlicher Weise erfolgt bei verschiedenen Caryophylleen (Zychnis, Melan- dryum, Dianthus, Saponaria) die Anlage des Bastringes und der Mestombündel gemeinschaftlich durch einen einzigen Cambiumring. Derselbe spaltet sich später, indem eine mittlere Zone zu Epen wird, in einen äusseren Bastcambium- ring und in einen inneren Kreis von Bändern und Bündeln aus Mestomcambium. Eine derartige gemeinschaftliche Anlage und nachträgliche Trennung gilt nach AMBRONNS Untersuchungen auch für Collenchym und Mestom und ist sogar in den Familien der Araceen, Umbelliferen und Pipereen sehr häufig. Eine be- merkenswerthe Thatsache ist es, dass bei dem Umbelliferen auch die Oelgänge Entstehung des Bastringes und der an seine Innenseite (B. 275.) Fig. 16. sich anlehnenden Gefässbündel im Blüthenschafte von ?ri- maula sinensis; b Bastcambium, g Gefässbündelanlagen A Gemeinsame Anlage eines subepider- 1 3 (Mestomcambiumstränge). malen Collenchymbündels und eines demselben opponirten Oelganges. c k i > A Collenchymcambium, o junges Epithel nicht selten gemeinschaftlich mit dem Collenchym des Oelganges. B Collenchymbündel angelegt werden. Im Blattstiele von Sium lati- an Pagani dor. 002 A Jolium treten kleine subepidermale Collenchym- Oelganges; dazwischen das aus einer bündel auf, welchen nach innen je ein Oelgang Zelllage bestehende Epenparenchym. opponirt ist. Dazwischen befindet sich Parenchym in der Stärke von ein bis mehreren Zelllagen. Der Oelgang wird im Querschnitt von 5—6 kranzförmig angeordneten Epithelzellen umgeben, welche sich durch Inhalt und Kleinheit von den umgebenden Parenchymzellen scharf differenziren. In den frühesten Entwickelungsstadien ist ein einziges Cambiumbündel vorhanden, in welchem sich an der Innengrenze vor Allem der Oelgang differenzirt. Das Epi- thel desselben ist bereits deutlich erkennbar bevor noch im Collenchymcambium 3 Das mechanische System. 631 die geringste Verdickung der Zellwandungen bemerkbar ist. Zwischen Oelgang und Collenchymeambium wird gewöhnlich eine Zelllage zu Epenparenchym und damit ist die Trennung des Collenchyms vom Oelgange durchgeführt. — Wenn die mechanischen Gewebestränge, wie dies so häufig vorkommt, mit den Gefässbündeln vereintläufig sind, und mit diesen »Fibrovasalstränge« bilden, dann ist die Anlage derselben fast ausnahmslos eine gemeinschaftliche. Es wird en durchweg gleichartiges Cambiumbündel, beziehungsweise ein Cambiumring gebildet, aus welchem sich die Elemente des mechanischen und des stoffleitenden Systems den Bedürfnissen der Pflanze entsprechend herausmodelliren. Häufig kommt es vor, dass in jenen Partien des Cambiums, aus welchen Gefässbündel werden sollen, die Längstheilungen noch länger fortdauern; so verhält es sich z. B. im Blüthenschafte von Primula sinensis, wo aus dem »primären« Cambiumringe ein Bastring wird, während die demselben innenseitig angelegten Mestombündel aus gewissermassen secundären Cambiumbündeln entstehen (Fig. 17). Schliesslich wäre hier noch auf einen wichtigen Unterschied aufmerksam zu machen, welcher zwischen Stereom und Mestom in entwickelungsgeschichtlicher Hinsicht besteht. Während das Bastcambium auf seinem ganzen Querschnitte gleich schnell oder doch nahezu gleich schnell zu Dauergewebe wird, beginnt die Ausbildung des Mestomcambiums gewöhnlich an zwei oder mehreren be- stimmten Punkten des Querschnittes und schreitet von hier aus allmählich weiter fort. Das erstere entwickelt sich simultan, das letztere succedan zu Dauer- gewebe. 2. Entstehung des Stereoms aus dem Protoderm. Wie bereits im Fig. 18. (B. 277.) Protodermale Bastbündel im Querschnitt. A Cyperzs glaber,; Laubblattoberseite; b Bastbündel, e secundäre Epidermiszelle. B Cyperus glomeratus. Protodermale Bastzelle von der Unter- seite eines schwachen Hochblattes; darüber die secundäre Epidermiszelle.. C—G Papyrus antiguorum; C Bastbündel der Hochblatt-Unterseite. D Hochblatt-Oberseite; das Bastbündel ist aus einem herausgeschnittenen Mittelsticke der schmalen Protodermzelle entstanden. E Hochblatt-Oberseite, fast die ganze Protodermzelle ist zu Bast geworden; derselbe wird bloss von 3 niederen secundären Epidermiszellen bedeckt. F peripherisches Bastbündel aus dem Schafte, welches in seiner oberen Querschnittshälfte protodermalen, in seiner unteren Hälfte grundparenchymatischen Ursprungs ist. G ein solches Bündel im cambialen Stadium. vorigen Abschnitte erwähnt wurde, schliesst sich die Epidermis nicht selten an subepidermale Bastbündel vollständig an und metamorphosirt sich in typische Stereiden. Man hat sich nun nicht etwa vorzustellen, als ob diese Metamorphose 632 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. an jedem Individuum sich vollzöge; dieselbe ist vielmehr in dem Sinne aufzu- fassen, dass jenes Bildungsgewebe, welches bei den Vorfahren der betreffenden Species ausschliesslich zur Bildung der Epidermis verwendet wurde, nunmehr an den betreffenden Stellen statt Oberhautzellen typische Bastzellen bildet. Dieses Bildungsgewebe ist das Protoderm. Seine Zellen können sich entweder ohne vorherige Tangentialtheilungen zu Bastzellen entwickeln, in welchem Falle der betreffende Baststrang unmittelbar bis zur Oberfläche des Organs vorrückt, oder es werden nach vorausgegangenen Tangentialtheilungen bloss die inneren Toochter- zellen des Protoderms zu Bastgewebe, die äusseren dagegen zu secundären Epi- dermiszellen. Auf diese Weise kommt es in den Blättern verschiedener Cypera- ceen, namentlich der Cyperus-Arten (C. vegetus, longus, glaber. glomeratus etc.) zur Bildung vollständiger kleiner Cambiumstränge!), welche im Protoderm verlaufen und zu normalen Baststrängen werden. An der Bildung dieser protodermalen Cambiumbündel betheiligt sich (im Querschnitt betrachtet) entweder bloss eine einzige Zelle, beziehungsweise Zellreihe, oder es vereinigen sich mehrere benach- barte Zellen zu diesem Zwecke. Auf nähere Einzelheiten kann hier nicht einge- gangen werden; ich verweise in dieser Hinsicht auf die Abbildungen (Fig. 15 A—G) und auf meine »Entwickelungsgeschichte des mechanischen Systems« (pag. 12 ff). (B. 278.) Fig. 19. Entstehung des Bastringes und eines denselben unterbrechenden Gefässbündels im Blüthen- schafte von //vacinthus orientalis; b grundparenchymatische Anlage des Bastringes; c Mestom- cambium; g erstes Gefäss. Von Interesse ist es, dass bei manchen Pflanzen, z. B. im Schafte von Zapyrus antiguorum, die peripherischen Bastbündel an der Grenze zwischen Protoderm und Grundparenchym entstehen, so dass sich beide Bildungsgewebe an der Anlage eines Cambiumbündels betheiligen. (Fig. ı5s F und G.) Wie der Bast kann auch das Collenchym aus tangential ungetheilten Proto- dermzellen hervorgehen, wie z. B. im Blüthenschafte von Allium ursinum; durch wiederholte Tangentialtheilung des Protoderms wird der äussere Theil des subepi- dermalen Collenchymringes von /eperomia latifoha angelegt. ') Strenge genommen sind dieselben als Folgecambium zu bezeichnen. 24 4. Das Ernährungssystem. 633 3. Entstehung des Stereoms aus dem Grundparenchym. Bei ver- schiedenen Monocotylen, namentlich bei den Liliaceen gehen die Bastringe aus dem Grundparenchym hervor; die Zellen dieses Bildungsgewebes theilen sich zu- nächst mehrfach und bilden ein secundäres Meristem, welches sowol wegen der Grösse seiner Zellen, als auch namentlich wegen seiner reichlichen |Intercellular- räume und der häufig fehlenden Zuspitzung seiner Elemente nicht als Cambium betrachtet werden kann. Noch häufiger geht das Collenchym aus dem Grundparenchym hervor, wobei es gewöhnlich gleichfalls vorerst zur Bildung von secundären Meristemen kommt. 4. Entwickelungsgeschichte der einzelnen Stereide. Für die ana- tomisch-physiologische Homologie des Bastes und des Collenchyms ist es jeden- falls bedeutsam, dass jede Bastzelle in einem früheren Stadium ihrer Entwickelung Collenchymzelle gewesen ist. Die Ausbildung einer Bastcambiumzelle beginnt nämlich mit einer collenchymatischen Verdickung der Zellkanten und erst später wird die provisorische Collenchymzelle zu einem jungen Bastelemente; dies ge- schieht derart, dass bloss die innerste, ein dünnes Häutchen bildende Wandschicht gleichmässig in die Dicke wächst und so zur Bastzellmembran wird, während die Collenchymzellwandungen allmählich resorbirt werden oder theilweise als Intercellularsubstanz zwischen den Bastzellen erhalten bleiben. Dieses collen- chymatische Uebergangsstadium des Bastes ist aus einem doppelten Grunde vortheilhaft. Erstens gewinnt die Pflanze dabei eine Stütze für ihren interkalaren Aufbau, welche nicht selten allein ausreichen muss und zweitens wird dadurch eine am ganzen (Querschnitte des Bündels gleichmässige Verdickung der Bast- zellmembranen erleichtert, indem für jede einzelne Bastzelle ein nicht geringer Theil der Baustoffe bereits in den verdickten Zellwandungen der betreffenden Collenchymzellen deponirt ist, welche auch thatsächlich mehr oder weniger voll- ständig resorbirt werden. — Das Längenwachsthum der Bastzellen ist grösstentheils ein »passives«, indem dasselbe nach Maassgabe der imterkalaren Streckung des ganzen Organs erfolgt. Nach von mir angestellten vergleichenden Messungen zeigen aber die Bastzellen mancher Pflanzen auch ein selbständiges Spitzenwachsthum, welches z. B. beı Vinca major eine Verlängerung der Zellen um ca. ıı$ zur Folge hat, wenn die bloss durch passives Wachsthum erreichte Länge = 100 gesetzt wird. Auch von den Collenchymzellen ist es wahrscheinlich, dass sie z. 'Th. durch actives Wachs- thum länger werden. Viertes Kapitel. Das Ernährungssystem. Das wichtigste und in seinen Functionen vielseitigste Gewebesystem ist zweifellos jenes, welchem die Ernährung (im weitesten Sinne des Wortes) über- tragen ist. Die ersten Anfänge einer Gewebedifferenzirung, wie solche schon bei den Algen (den Florideen und Phäosporeen) zu beobachten sind, bezwecken eine Theilung der ernährungs-physiologischen Arbeit, welche bei allen mehr- zelligen Organismen alsbald zu einem unabweislichen Bedürfnisse wird. Es ist eben nicht jede einzelne Zelle im Stande, sich im vollkommen ausreichendem Maasse selbst zu ernähren, schon deshalb nicht, weil je nach dem Platze, welcher der Zelle im Organismus zugewiesen ist, die äusseren Bedingungen der Er- Y 634 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. nährung sich bald günstig, bald ungünstig gestalten. Schon der Gegensatz zwischen innerer und peripherischer Lage bedingt wegen ungleicher Zufuhr von Nähr- stoffen und der ungleichen Durchleuchtungsverhältnisse einen solchen Unterschied: Dazu kommt dann noch der sehr wesentliche Umstand, dass nicht alle Zellen hinsichtlich der Ernährung die gleichen Ansprüche stellen. Die im Dienste der Fortpflanzung stehenden Zellen, welche Schwärmsporen, Eizellen und Spermato- zoiden bilden, beanspruchen hierzu eine solche Menge plastischer Bildungs- stoffe, dass sie dieselben unmöglich selbst zu produciren im Stande sind. Bei höher entwickelten Pflanzen, welche bereits ein mechanisches System besitzen, sind die einzelnen Elemente desselben nicht im Stande die zur Herstellung der verdickten Wandungen nothwendigen Baustoffe selbst zu erzeugen. Solcher Bei- spiele liessen sich natürlich noch viele anführen. — Schon aus diesen kurzen, aphoristischen Bemerkungen ergiebt sich _ die Nothwendigkeit einer Dreitheilung des Ernährungssystems. Wo die Bedingungen der Nährstoffaufnahme am günstigsten sind, hat sich ein Absorptionsgewebe zu entwickeln. Dieses Untersystem nimmt mehr Nährstoffe auf, als es selbst zu assimiliren im Stande ist, sofern ihm diese Fähigkeit überhaupt zukommt. Wenn ferner zahlreiche Zellen die für ihr Wachsthum und ihre Function nothwendigen Baustoffe nicht in ausreichender Menge selbst zu produciren vermögen, so ist es eine selbstverständliche Forderung, dass der Gesammtheit dieser Zellen ein durch entsprechende Mehrproduction von Baustoffen sich auszeichnendes Ge- webe gegenübersteht. Dieses Untersystem wird als Assimilationssystem im weitesten Sinne des Wortes aufzufassen sein. Die beiden genannten Unter- systeme haben bereits eine 'Translokation der rohen Nährstoffe einerseits und der producirten Baustoffe andererseits zur Voraussetzung. Um diese 'Translokation mit genügender Schnelligkeit und Vollständigkeit vornehmen zu können wird durch das Princip der Arbeitstheilung die Differenzirung eines besonderen Leitungssystems angestrebt und mehr oder weniger vollständig durchgeführt. Ausser diesen drei Untersystemen des Ernährungssystems wurden in der Einleitung noch das Durchlüftungs- und das Speichersystem genannt. Das erstere dient vor allem der Athmung, tritt aber auch zur Stoffabsorption und zur‘ Transpiration in nächste Beziehung. Das letztere dagegen ist eine specielle Anpassung an die Ernährungsverhältnisse junger Pflanzen und Pflanzentheile. — In dieser Abhandlung sollen bloss die durch Mannigfaltigkeit der Ausbildung hervorragenden Systeme der Assimilation, der Stoffleitung und der Durchlüftung besprochen werden. I. Das Assımılationssystem. In der Pflanzenphysiologie wird der Ausdruck »Assimilation« in einem weiteren und einem engeren Sinne angewendet. Man kann unter der Assimi- lation so wie in der T'hierphysiologie alle Stoffmetamorphosen verstehen, »durch welche in den Organismus eingeführte Stoffe in nutzbringende Körper verwandelt werden,«!) mögen die ersteren organischer oder unorganischer Natur sein. In diesem Sinne sprechen SCHLEIDEN, WIESNER, PFEFFER u. A. von der Assimilations- thätigkeit. Man kann aber auch mit Sachs diese Bezeichnung auf den fundamen- talsten und merkwürdigsten aller Assimilationsvorgänge beschränken, nämlich auf die Produktion organischer Substanz aus Kohlensäure und Wasser unter Ab- scheidung von Sauerstoff. Während im weiteren Sinne des Wortes alle Pflanzen assimiliren, mögen sie Chlorophyll führen oder nicht, ist die Assimilation im > I) PrErrer, Pflanzenphysiologie. I. B. pag. 187. 4. Das Ernährungssystem. 635 engeren Sinne eine ausschliessliche Eigenthümlichkeit der grünen, chlorophyll- haltigen Gewächse. — Wenn wir uns an die erste, allgemeinere Definition des Begriffes halten, so kann von einem bestimmten Assimilationssysteme nicht gesprochen werden. Selbst wenn man von der Assimilation jener Nahrungsstoffe absieht, welche nach der Verbrennung des Organismus als Aschenbestandtheile zurückbleiben, und ausschliesslich jene Nährstoffe im Auge behält, welche zur Synthese der Kohle- hydrate und Eiweisssubstanzen nothwendig sind, so ist der Begriff des Assimi- lationssystems deshalb noch immer nicht greifbarer geworden. Nachdem durch das Experiment gezeigt wurde, dass zur Bildung von Eiweisssubstanzen das Chlorophyll entbehrlich ist, kann a priori keiner lebenden Zelle des Pflanzen- körpers, möge sie was immer für einem Gewebesysteme angehören, die Fähig- keit zur Eiweisssynthese abgesprochen werden. Eine andere Frage ist es freilich, ob sich thatsächlich alle lebenden Zellen der Pflanze an der Bildung jener Stick- stoffverbindungen gleichmässig betheiligen, joder ob auch in Bezug auf diese wichtige Function das Princip der Arbeitstheilung durchgreift und eine bestimmte Gewebeart xa7 2£oynv als eiweissbildendes Gewebe thätig ist. Letzteres ist zwar wahrscheinlich, aber nicht bewiesen und so bleibt uns bis auf Weiteres nichts Anderes übrig, als lediglich die Production der Kohlehydrate, oder richtiger, die Assimilation in dem oben präcisirten engeren Sinne in’s Auge zu fassen und das hierfür bestimmte Gewebe eingehend zu studiren. Nachdem die grössere oder geringere Assimilationsthätigkeit einer Zelle in der Grösse ihres Chlorophyligehaltes (unter sonst gleichen Umständen) einen ziemlich genauen Maassstab findet, so ist für die Abgrenzung des Assimilationssystems im engeren Sinne ein bestimmter Anhaltspunkt gewonnen, welcher zwar nicht ausreichend ist, allein die Unter- suchung doch sehr erleichtert. Nicht jede chlorophyllführende Zelle ist schon dem Assimilationssysteme bei- zuzählen, ebensowenig wie jede derbwandige Zelle ohne Weiteres als mechanisches Element zu betrachten ist. Dieselbe Forderung, welche beim Haut- und beim Skeletsysteme erhoben wurde, ist auch hier zu wiederholen: nur jene grüne Zelle, deren Hauptfunction in der Assimilationsthätigkeit besteht, ist eine Assimi- lationszelle im eigentlichen Sinne des Wortes. Auf dieser Forderung ist in diesem Falle um so entschiedener zu beharren, als die Kohlenstoff-Assimilation ihrer biologischen Wichtigkeit halber eine der verbreitetsten Nebenfunctionen anderer Gewebesysteme ist. Die äusseren und inneren Bedingungen der Chloro- phylibildung sind sehr bald gegeben und so können im Pflanzenkörper an den verschiedensten Orten, in Haaren, Epidermiszellen, Pollenschläuchen, Bast- zellen, Parenchymscheiden etc. Chlorophylikörner entstehen, welche eine für unsere Betrachtung nebensächliche, für den Haushalt der Pflanze aber nicht ganz belanglose Verstärkung ihres gesammten Chlorophyllapparates bedeuten. Um also eine bestimmte Zelle als Assimilationszelle zu charakterisiren, genügt es nicht, auf ihren grösseren oder geringeren Chlorophyligehalt hinzuweisen. Die Zelle muss noch andere Bedingungen erfüllen, welche auf ihren anatomischen Bau und ihre Anordnung Bezug nehmen und dadurch die Herrschaft gewisser oberster Bauprincipien erkennen lassen, nach welchen die Pflanze ihr Assimilations- system aufbaut. ä A. Die assıimilirenden Zellen. 1. Die Zellformen. Wenn wir uns zunächst die verschiedenen Zellformen näher ansehen, so beobachten wir eine weitaus grössere Mannigfaltigkeit derselben, als beim Skelet- En 636 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. systeme. In den einfachsten Fällen sind die Assimilationszellen von isodiame- trischer, zur Abrundung neigender Gestalt; weitaus häufiger dagegen sind sie nach einer bestimmten Richtung gestreckt und nehmen dann schlauchartige, eylindrische Formen an. In welcher Weise diese Streckung der Zellen mit ihrer Function zusammenhängt, soll später gezeigt werden. Ihre Örientirung zur Oberfläche des assımilirenden Organs kann eine verschiedene sein. Zuweilen sind sie parallel zur Blattoberfläche gelagert und in Bezug auf das ganze Organ entweder längsgestreckt (Zlodea canadensis, Galanthus nivalis, Leucojum vernum) oder quergestreckt (/ris germanica, Tritonia-Arten, Erythronium dens canis). Weit- aus häufiger nehmen sie aber eine zur Oberfläche des Organs rechtwinkelige Stellung ein und werden in diesem Falle schon seit langem als Pallisadenzellen bezeichnet. Das Verhältniss ihrer Länge (oder Höhe) zur Breite ist ein sehr verschiedenes. Es giebt kurze Pallisadenzellen, welche kaum höher als breit sind und andererseits auch sehr schlanke Formen, deren Höhe 10—ı2mal die Breite übertrifft. Als eine merkwürdige und für die Erklärung der Pallisaden- zellform wichtige Modification sind die Armpallisadenzellen zu erwähnen, welche später ausführlicher beschrieben werden sollen. Hier soll nun noch be- tont werden, dass die Pallisadenzellen bloss einen durch ihre Anordnung charakterisirten Specialfall in der Gruppe der schlauchförmig gestreckten Assimi- lationszellen vorstellen, ein Umstand, der bei allen Versuchen, die Gestalt und Orientirung der Pallisadenzellen physiologisch zu erklären, wol zu beachten ist. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird u. A. durch die eigenthümliche Orientirung der gestreckten Assimilationszeilen in’ den Blättern verschiedener Cyperzs-Arten bestätigt. Dieselben sind nämlich radıenförmig um die grösseren und kleineren Leitbündel herum angeordnet und so giebt es denn in ihrer Stellung alle Ueber- gänge von der zur Oberfläche des Organs senkrechten, d. ı. pallisadenförmigen Örientirung bis zur tangentialen, mit der Oberfläche parallelen Lagerung. Die Armpallisadenzellen vermitteln den Uebergang zu den tafelförmig- poly&drischen Assimilationszellen verschiedener Coniferen (Zinus, Cedrus) und Gramineen, welche mit mehr oder weniger tief in das Zelllumen vorspringenden Membranfalten versehen sind. Schliesslich wäre in dieser Aufzählung der Zellformen des Assimilations- systems auch noch der Elemente des Schwammparenchyms zu gedenken, welche von vielarmiger, oft sternförmiger Gestalt sind und deren Assimilations- thätigkeit gewöhnlich zu einer blossen Nebenfunction herabsinkt. 2. Die Chlorophyllkörper. Den physiologisch wichtigsten T'heil der assimilirenden Zelle bildet der Chlorophyllapparat. Derselbe gehört dem Plasmakörper der Zelle an; die einzel- nen Chlorophylikörper sind Organe des Plasmaleibes, welcher ja gleichfalls schon das Princip der physiologischen Arbeitstheilung erkennen lässt. ‚Diesen be- stimmt geformten und grün tingirten Theilen des Plasmas ist also die Kohlenstoff- assımilation übertragen. Jeder Chlorophylikörper besteht aus zwei wesentlichen Bestandtheilen: Dem grünen Farbstoff, welchen man als Chlorophyll im engeren Sinne des Wortes bezeichnet und der protoplasmatischen Grundsubstanz, welche den Farbstoffträger vorstellt. Auf die optischen Eigenschaften des Chlorophyllifarbstoffes und auf die noch immer räthselhafte Rolle, welche derselbe beim Assimilationsprocesse spielt, kann in dieser Abhandlung nicht näher eingegangen werden. Ueberhaupt 2a, Vila Mn Ta ee) Re , FE u / * . - 4. Das Ernährungssystem. 037 müssen wir hier darauf verzichten, die chemisch-physiologische Seite der Kohlen- stoffassimilation zu erörtern, nachdem wir in dieser Schrift ausschliesslich die Be- ziehungen zwischen Bau und Function betrachten wollen. Hinsichtlich dieser Beziehungen ist aber über die Chlorophylikörper bisher so gut wie nichts bekannt. Die Gestalt der Chlorophylikörper ist bloss bei den Algen eine variable. Im einfachsten Falle ist der ganze Plasmakörper mit Ausnahme der Hautschicht gleichmässig grün gefärbt und repräsentirt so einen einzigen grossen Chlorophyll- körper; oder richtiger gesagt, das Princip der Arbeitstheilung ist auf dieser niedersten Stufe noch nicht zur Geltung gelangt, besondere Organe der Assimilation sind noch nicht vorhanden. Hierher gehören viele Schwärmsporen, Palmellaceen, Flechtengonidien. Bei anderen Algen erscheinen die Chlorophylikörper in Form grosser Platten, von welchen je eine in einer Zelle suspendirt ist (Mesocarpus); oder sie sind sternförmig wie bei Zygnema cruciatum oder bandförmig und schraubig gewunden wie bei Spzrrogyra-Arten. In den weitaus häufigsten Fällen, bei der Mehrzahl der Algen und allen höheren Pflanzen sind die Chlorophylil- körper von rundlicher, linsenförmiger oder polygonaler Gestalt und treten als sogen. Chlorophylikörner in jeder assimilirenden Zelle meist in grösserer Zahl auf. Sie sind immer wandständig, und bilden, wenn sie dichtgedrängt erscheinen, einen die Zellwandungen auskleidenden Chlorophyllbeleg; derselbe besteht immer bloss aus einer einzigen Lage von Chlorophylikörnern. Wenn man die verschiedenen Formen der Chlorophylikörper überblickt, so gewinnt man den Eindruck, als hätte die Natur bei den niedersten chlorophyl]- haltigen Pflanzen zunächst verschiedene Formen von Chlorophylikörpern gebildet um dieselben hinsichtlich ihrer Functionstüchtigkeit auszuproben und dann bei der Weiterentwickelung der Pflanzenformen ausschliesslich von dem zweckent- sprechendsten Modelle Gebrauch zu machen. In der That lässt sich leicht zeigen, dass die Ausbildung des Chlorophyllapparates einer Zelle in Form von Chlorophylikörnern am vortheilhaftesten ist. Nachdem der functionirende Chloro- phylikörper zunächst die in das Zellinnere diffundirende Kohlensäure zu absor- biren hat, so wird unter sonst gleichen Umständen die Absorption dieses Roh- materials um so rascher und vollständiger erfolgen, je grösser die absorbirende Oberfläche ist. Die grösstmögliche Oberfläche wird aber durch Zertheilung des Chlorophyllapparates in zahlreiche kleine Körner erzielt. Nur von diesem Ge- sichtspunkte aus wird es verständlich, warum nicht nur in den verschiedensten Pflanzenklassen, sondern auch in den verhältnissmässig zahlreichen T'hierformen, welche chlorophyllhaltig sind!) (Zuglena, Vortex, Hydra, Stentor, Planaria etc.) die Chlorophyllkörper fast allgemein in Körnerform auftreten. — Mit dieser Aus- bildung sind aber noch andere Vortheile verbunden: Eine grössere Beweglich- lichkeit des ganzen Apparates, welche, wie wir später hören werden, im Dienste Il) Die neuerdings von K. BRANDT in einer kurzen Abhandlung »über das Zusammenleben von Thieren und Algen« (Archiv für Physiologie, herausgegeben von DU BoIS-REYMORD. 1881. pag. 570 ff.) aufgestellte Ansicht, dass die Chlorophylikörner in thierischen Organismen eigent- lich niedrige Algenformen seien, welche zu dem betreffenden Thiere in einem ähnlichen biolo- gischen Verhältnisse stehen, wie die Flechtengonidien zu den sie umspinnenden Pilzen, — diese An- sicht bedarf wohl noch eingehenderer Bestätigung. U. A. sind die von BRANDT mitgetheilten 3 Abbildungen für den Botaniker durchaus nicht beweisend. Fig. 3, welche eine einzellige Alge mit zwei seitlichen Chlorophyllkörpern vorstellen soll, könnte ebensogut ein in Theilung,begriffenes Chlorophylikorn bedeuten. Ich habe da speciell jenen Theilungsvorgang im Auge, welcher zu- erst von MIKOSCH betrachtet und abgebildet wurde. (Oesterr. bot. Zeitschrift 1877, No. 2.) Schkn®, Handbuch der Botanik. Bd I. 41 r 2 4 638 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. der Assimilationsthätigkeit steht, ein erleichtertes Auswandern der Assimilations- produkte und eine vollständigere Durchleuchtung, die bei schwachen Lichtinten- sitäten wohl ins Gewicht fallen dürfte. Ueber den inneren Bau der Chlorophylikörper weiss man bisher nur wenig. Am bekanntesten sind verschiedene Einschlüsse derselben, vor Allem die Stärke- einschlüsse, welche gewöhnlich in Form von unecht zusammengesetzten Körnern auftreten. Die einzelnen Theilkörnchen sind mehr oder minder zahlreich und häufig durch grünes Plasma vollständig von einander getrennt. Die physiologisch- entwicklungsgeschichtlichen Beziehungen dieser Stärkeeinschlüsse zu den be- treffenden Chlorophylikörpern sind verschieden. Entweder ist die Stärke oder das Chlorophylikorn der primär vorhandene Theil. Im ersteren Falle umhüllt sich das Stärkekorn mit ergrünendem Plasma und wird so zu einem Chlorophyll- korne, dessen nunmehriger Stärkeeinschluss bei mangelnder Assimilation gänzlich gelöst werden und verschwinden kann. Dieser bereits von H. v. MoHL beobachtete Vorgang wurde von mir!) genauer beschrieben und von MIKoSCH?) als eine sehr häufige Entstehungsweise der Chlorophylikörper nachgewiesen. Wenn dagegen das Chlorophylikorn primär und der Stärkeeinschluss in ihm erst entstanden ist, so sind zweierlei Fälle möglich. Entweder ist die zum Aufbau des Stärkeein- schlusses verwendete Substanz ein Assimilationsprodukt des betreffenden Chloro- phylikorns oder die Thätigkeit desselben beschränkt sich auf ein blosses Orga- nisiren, indem das zurBildung des Stärkeeinschlusses nothwendige Kohlenhydrat dem Chlorophylikorne in gelöster Form zugeführt wird.?) Zwischen diesen beiden Fällen sind Uebergänge denkbar und wol auch vorhanden. Je zahlreicher die Chlorophylikörner einer Zelle sind, desto grösser wird be- greiflicherweise die Assimilationsenergie dieser Zelle sein. Am chlorophyli- reichsten sind die Pallısadenzellen, welche man schen aus diesem Grunde als specifische Assimilationszellen bezeichnen darf. Nachdem sich das Mesophyll der meisten Laubblätter in Pallisadengewebe und Schwammparenchym differenzirt, so erscheint es vor Allem interessant, das Verhältniss dieser beiden Gewebearten hinsichtlich ihres Chlorophyligehaltes kennen zu lernen, um. so einen Anhalis- punkt für die Beurtheilung ihrer Assimilationsenergie zu gewinnen. Ich habe deshalb für verschiedene Pflanzen die Menge der Chlorophylikörner in den Laubblättern durch Zählung approximativ bestimmt und bringe im Nachstehenden einige Resultate dieser Zählungen zur Mittheilung, — Im Laubblatt von Adeinus communis enthält eine Pallisadenzelle im Durchschnitt 36, eine Schwammparen- chymzelle 20 Chlorophylikörner. Wegen der mehr als doppelt so grossen Anzahl von Pallisadenzellen sind pro Quadratmillim. Blattfläche ım Pallisadengewebe ca. 403200, im Schwammparenchym bloss 92000 Chlorophylikörner enthalten. Auf das erstere entfallen daher 82%, auf das letztere 18% der Gesammtmenge an Chlorophylikörnern. In nachfolgender Tabelle sind die gleichen procentischen Angaben für verschiedene andere Pflanzen zusammengestellt worden. ') Ueber die Entstehung der Chlorophylikörner in den Keimblättern von Phaseolus wul- raris. Bot. Ztg. 1877. No. 23. u. 24. ?) Ueber die Entstehung der Chlorophylikörner. Sitzungsberichte der Wien. Akademie 1878. #) Diese Beziehung zwischen Chlorophylikorn und Stärkeeinschluss ist bereits vor längerer Zeit zu wiederholten Malen von BoEHM behauptet worden. Neuerdings wurde sie von DEHNECKE (Ueber nicht assimilirende Chlorophyllikörper, Inaugural-Dissertation, Bonn 1880) und A. F. W. Schimper (Untersuchungen über die Entstehung der Stärkekörner. Bot. Ztg. 1881. No. 21 ff.) nachgewiesen, Die Versuche des letztgenannten Autors sind allerdings nicht ganz vorwurfsfrei. 4. Das Ernährungssystem. 639 Pallisadengewebe.e Schwammparenchym. Fragaria elatior . . . 86 14 Pulmonaria offiwinalis . S5 15 Ricinus communis . . . S2 18 BELASSEA: Rada win) So 20 Galeopsis Tetrahit. . . 79 21 Tropaeolum majus . .- 77 23 Hehanthus annuus . . 7 27 Phaseolus multifforus. . 69 31 Bellis perennis. . . 67 33 Im Maximum enthält also das Sl .ehe 6 mal, im Mittel 3—4 mal, im Minimum 2 mal so viel Chlorophylikörner als das Schwammparenchym. Es kann demnach keinem Zweifel unterliegen, dass die Assimilationsenergien dieser beiden Gewebearten in einem ähnlichen Verhältnisse zu einander stehen; der Unterschied ist wahrscheinlich noch grösser, weil sich das Pallisadengewebe auf der Blattoberseite befindet und deshalb weit günstigeren Beleuchtungsver- hältnissen ausgesetzt ist, als das von ihm beschattete Schwammparenchym. Das Resultat, welches sich aus diesen Mittheilungen ergiebt, besteht also in der Anerkennung des Pallisadengewebes als specifisches Assimilationsgewebe des gewöhnlich gebauten Laubblattes. Dasselbe Ergebniss kann auch auf vergleichend anatomischem Wege erreicht werden, indem wir den Bau der Zweige jener laubblatt- losen Pflanzen untersuchen, welche ihr Assimilationssystem in die Stengelorgane verlegt haben. Hierher gehören bekanntlich die Equiseten, Zphedra, Asparagus, Casuarina, Spartium, Genista-Arten u. a. Hier finden wir nun das Rindenparen- chym der jüngeren Zweige als typisches Pallisadengewebe ausgebildet und sehen also, dass dieses letztere nicht etwa bloss eine morphologische Eigenthümlichkeit der Laubblätter ist, sondern das anatomisch-physiologische Hauptmerkmal aller vollkommen ausgebildeten Assimilationsorgane. Vor einiger Zeit ist von H. Pıck !) die grosse Assimilationsenergie des chloro- phyllreichen Pallisadengewebes auch auf direktem Wege mittelst gasanalytischer Versuche nachgewiesen worden. Er verglich die eben erwähnten Zweige blatt- loser Sträucher hinsichtlich der Sauerstoffausscheidung im Lichte mit den Zweigen laubblatttragender Pflanzen, deren Rindenparenchym verhältnissmässig chlorophylil- arm ist. Während die letzteren nur ganz geringe, oft kaum constatirbare Sauerstoffmengen aushauchten, war die Sauerstoffausscheidung der ersteren eine sehr beträchtliche. So betrug die nach 3 stündiger Besonnung ausgeschiedene Luftmenge pro Quadratcentim. für Caswarina excelsa 1,6 Cubikcentim., für Spar- tium monospermum 2,3 Cubikcentim. Mit welcher Sicherheit bei ähnlich gebauten Laubblättern aus dem Chloro- phyligehalte auf die Assimilationsenergie geschlossen werden darf, ergiebt sich aus der weiter unten folgenden Gegenüberstellung einiger diesbezüglichen Angaben. Von C. A. WEBER?) wurde für mehrere Pflanzen die Menge der von der Blattflächen- einheit an einem Assimilationstage im Durchschnitt producirten Trockensubstanz er- mittelt, um einen Ausdruck für die Leistungsfähigkeit oder Assimilationsenergie der Blattfläche zu gewinnen. Es stellt sich dabei für jede einzelne Pflanzenart ein »specifische Assimilationsenergie« heraus, welche aber von WEBER nicht weiter I) Beiträge zur Kenntniss des assimilirenden Gewebes armlaubiger Pflanzen. Bonn 1881. ?) Ueber specifische Assimilationsenergie, Arbeiten des bot. Institutes in Würzburg, herausg. BulssacHs, II. B. 2. EL pag. 343 fi. 4ı* 640 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. erklärt wurde. Es lag unter solchen Umständen natürlich nahe, die Menge der Chlorophylikörner in den betreffenden Blattflächeneinheiten zu bestimmen, um zu sehen, ob zwischen Assimilationsenergie und Chlorophyligehalt ein festes Ver- hältniss herrscht. Setzen wir nun diese beiden Grössen für Tropaeolum majus gleich 100, so ergeben sich für die übrigen Pflanzen die nachstehenden Werthe. Spec. Assimilations- Anzahl der energie. Chlorophylikörner. Tropaeolum majus . . 100 100 Phaseolus multiflorus . 72 64 Ricinus communis . . 118,5 129 Helianthus annuus . . 124,5 122 Die Proportionalität zwischen der Assimilationsenergie und dem Chlorophyll- gehalte ist also ganz unverkennbar. Dass dieselbe nicht ganz genau ist, erklärt sich aus der Unvollkommenheit der Versuchsanstellung und aus der ungleichen (Grösse der Chlorophylikörner bei den einzelnen Arten. 3. Die Zellwände. Die Wandungen der Assimilationszellen sind meistens dünn und zart und hier und da mit einfachen Tüpfeln versehen, wie z. B. im rundzelligen Chloro- phyliparenchym succulenter Pflanzen, im Mesophyli der Cycadeenfiedern und im grünen Parenchym der ARuscxs-Cladodien. — Partielle Wandverdickungen sind im Assimilationssystem selten. Am bekanntesten sind wol die längsfaserförmigen Verdickungen der Pallisadenzellwände in den Cycas-Blättern, welche offenbar den Zweck haben, die Säulenfestigkeit der zartwandigen Palliısaden zu erhöhen und das ganze Gewebe gegen radialen Druck zu schützen. B. Der anatomische Bau des Assimilationssystems.!) I. Das Bauprincip der Oberflächenvergrösserung. Wir haben bereits im vorigen Abschnitte das Pallisadengewebe als das specifische Assimilationsgewebe kennen gelernt und haben daher von diesem (sewebe auszugehen, wenn wir den anatomischen Bau des Assimilationssystems mit seiner physiologischen Function in Beziehung setzen wollen. Dabei dürfen wir aber niemals ausser Acht lassen, dass die zur Oberfläche des Organs recht- winkelige Anordnung der Assımilationszellen nur einen Specialfall bildet, dass es auch quer- und längsgestreckte Assimilationszellen giebt, auf welche eine um- fassende Erklärung des anatomischen Baues des Assimilationssystems gleichfalls Rücksicht zu nehmen hat. Wir wollen bei unseren Erörterungen von dem Chlorophyligewebe des Zinus- Blattes ausgehen. Wenn wir einen zarten (Querschnitt aus einer Kiefernadel unter dem Mikroskope betrachten, so sehen wir, dass die grossen polygonalen Assimilationszellen lückenlos an einander schliessen und eigenthümliche Mem- branfalten aufweisen, welche bald mehr bald weniger tief ın das Zellinnere vor- springen und je nach der lage der Zellen verschieden orientirt sind. In den mehr einwärts gelegenen Zellen zeigen die Falten keine bestimmte Orientirung zur Oberfläche des Blattes; in den peripherisch gelegenen bemerkt man aber fast ausschliesslich zur Blattoberfläche senkrecht gestellte Falten, sodass die poly- I) Die nachstehenden Auseinandersetzungen sind ein Auszug aus meiner in PRINGSHEIM’S Jahrbüchern, XIII. B., 1. H., 1881, erschienenen »Vergleichenden Anatomie des assimilatorischen Gewebesystems der Pflanzen. « 4. Das Ernährungssystem. 641 gonal-tafelförmigen Assimilationszellen mit pallisadenförmig orientirten Armen ausgestattet erscheinen. Gewöhnlich ragen aus entgegengesetzter Richtung zwei Falten nach innen vor, wodurch die betreffende Zelle einem H mit stark ver- kürztem Querbalken ähnlich wird. Es könnte nun zweifelhaft erscheinen, ob diese Pallisaden bildenden Zellen mit dem typischen Pallisadengewebe zu ana- logisiren seien oder ob es sich hier bloss um eine rein äusserliche Aehnlichkeit Fig. 20. (B. 279.) Armpallisadengewebe. A Theil des Blattquerschnittes von Pinxs Zaricio. Die Membran- falten sind in den subepidermalen Assimilationszellen senkrecht zur Blattfläche orientirt (f), in den darunter liegenden Zellen dagegen ohne bestimmte Orientirung (f,). Der Deutlichkeit wegen wurden bloss die Zellwände gezeichnet. B Querschnitt durch das Laubblatt von Sambueus nigra. Die Armpallisadenschicht ist schraffirt. C Protodermale Armpallisadenschicht von Adiantum trapeziforme. handle, aus welcher weiter nichts zu folgern wäre. Selbst die genaueste Unter- suchung des Pinusblattes kann diesen Zweifel nicht lösen, weil sein anatomischer Bau zu sehr von dem eines typisch gebauten Laubblattes abweicht. Wenn wir da- gegen die Laubblätter verschiedener Ranunculaceen untersuchen z. B. von 77o/- lius europaeus, Caltha palustris, Aconitum Napellus und dissechum, Paeonia corallına, Anemone-Arten etc. so erkennen wir an Querschnitten auf den ersten Blick jene »Armpallisadenzellen« wieder, welche wir bereits auf dem Querschnitte der Kiefernadel beobachteten. Dieselben nehmen hier genau dieselbe Stellung zwischen der oberen Epidermis und dem Schwammparenchym ein, wie in den Blättern anderer Ranunculaceen (z. B. von Aanunculus, Helleborus, Eranthıs hiemalis, Aquilegia vulgaris u. a.) das typisch ausgebildete Pallisadengewebe und es kann demnach nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass man es in diesem eigenthümlichen, durch Faltenbildungen ausgezeichneten Assimilationsgewebe bloss mit einer merkwürdigen Modification des Pallisadengewebes zu thun habe. Bevor wir aus dieser Thatsache weitere Folgerungen ableiten, wollen wir uns noch etwas eingehender mit dem anatomischen Bau des Armpallisaden- gewebes vertraut machen. Dasselbe kommt in allen grossen Abtheilungen der Gefässpflanzen, bei den Dicotylen und Monocotylen, den Gymnospermen und den Farnen (einschliesslich der Equisetaceen) vor. Unter den Dicotylen sind es die bereits erwähnten Ra- nunculaceen, welche ein (sehr verschiedenartig gebautes) Armpallisadengewebe 642 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe, aufweisen, ferner die Samdwcus-Arten. Unter den Monocotylen verschiedene Bambusa- und Arundinaria-Species, ferner Zlvmus- und Calamagrostis-Arten. und Alstroemeria psittacina. Unter den Gymnospermen sind die /inus- und Cedrus- Arten zu nennen, unter den Farnen Aspidium aculeatum und Sieboldiü, Lomaria gibba und Todea aspera, verschiedene Adiantum-Arten und Didymochlaena sinuosa. — Die Falten reichen entweder nur von der oberen, der Epidermis anliegenden Seite in das Zellinnere hinein und zertheilen so die obere Häfte des Zellleibes in mehrere sich bald abrundende Arme, oder es kommt auch auf der entgegen- gesetzten, an das Schwammparenchym angrenzenden Seite der Zellen zur Falten- bildung, so dass jene H-Form zu Stande kommt, welche wir bereits im Pinusblatte kennen lernten. Hierher gehören z. B. Anemone sylestris und Clematis recta. In den tafelförmigen Chlorophylizellen von Dambusa Simonü‘ etc. reichen die Falten bloss von unten nach aufwärts, so dass die Zellen kammförmig aussehen. Auch die Farne besitzen derartige Faltenbildungen, zu welchen sich aber noch häufige Seitenfalten gesellen. Was die Anzahl der Zellarme betrifft, in welche sich eine Zelle theilt, so schwankt dieselbe zwischen 2 (Caltha palustris) bis 8 und darüber (Todea aspera). Am gewöhnlichsten sind 3—4 Arme. Die Länge der Falten ist verschieden; sie beträgt ı—2 Drittel der Zellhöhe. Hinsichtlich sonstiger Details muss ich auf meine »Vergleichende Anatomie des assimila- torischen Gewebesystens« verweisen. Aus der Auffassung der Armpallisadenzellen als einer modificirten Form des typischen Pallisadengewebes ergiebt sich die physiologische Gleichwerthigkeit der als Pallisaden zu bezeichnenden Gewebebestandtheile, mögen dieselben aus blossen Zellarmen, oder aus ganzen Zellen bestehen. Man kann sich dement- sprechend die radialen Längswände des echten Pallisadenparenchyms als voll- ständig ausgezogene, bis zum entgegengesetzten Wandstück reichende Falten denken, oder umgekehrt die Falten als unvollständige »Scheidewände« vorstellen. Auch der Vergleich einer Armpallisadenzelle mit einem Bündel mehrerer typischer Pallısadenzellen, welche seitlich theilweise verschmolzen sind, trägt zur Veran- schaulichung dieses Verhältnisses bei, welches durch die morphologische Ungleich- werthigkeit von physiologisch gleichbedeutenden Gewebselementen in bezeichnender Weise charakterisirt wird. Mit den nunmehr gewonnenen Erfahrungen kehren wır wieder zur Be- trachtung des Chlorophyliparenchyms der Zinus-Nadeln zurück. Niemand wird leugnen wollen, dass die Falten der peripherischen Armpallisadenzellen mit den unregelmässig orientirten Falten der weiter innen gelegenen Zellen ganz gleich- werthig sind und durch ein und dasselbe Bauprincip gefordert werden. Während aber bei den letzteren bloss nach der Ursache ihres Auftretens zu forschen ist, muss bei den ersteren ausserdem noch die Ursache ihrer bestimmten Örientirung ausfindig gemacht werden. Es handelt sich also bei der Erklärung des Pallisadengewebes um 2 Probleme. Das erste derselben lautet: Welcher Vortheil ist für die Function der Assimilationszelle mit der Wand- und Falten- bildung an sich verknüpft? Das zweite Problem dagegen lautet: Welchen Vor- theil zieht die Pflanze aus der zur Oberfläche des Organs rechtwinkeligen Örientirung der Wände und Falten? Indem wir in diesem Abschnitte an die Beantwortung der ersten Frage gehen wollen, ist es also unsere nächste Aufgabe, die physiologische Bedeutung der unregelmässig orientirten Falten in den assimi- lirenden Zellen des /inus-Blattes klarzulegen. Man möchte vielleicht an eine mechanische Function der Wandeinfaltungen 4. Das Ernährungssystem. 643 denken; allein auf diese Weise würde die Faltenbildung nicht mit der Haupt- function des Gewebes in Beziehung gebracht werden. Wir müssen uns deshalb fragen, in welcher Weise durch die Faltenbildung die Assimilationsthätigkeit der Zelle begünstigt oder gesteigert wird? Die Antwort auf diese Frage liegt in der Beobachtung, dass die Chlorophyllkörner, welche ja immer wandständig sind, in allen Fällen auch von den beiderseitigen Flächen der Falten Besitz ergreifen. »Die physiologische Bedeutung der Wandeinfaltungen in assimi- lirenden Zellen besteht also vor Allem darin, dass sie dieInnenfläche der Zellhaut vergrössern und so Platz schaffen für eine vermehrte Anzahl von Chlorophylikörnern.« Wir sehen also, dass das Princip der Oberflächenvergrösserung, welches den Chlorophyllapparat der Zelle in einzelne Körner zertheilte, auch für den anatomischen Bau des ganzen Gewebes maass- gebend ist. Die Grösse des Gewinnes an Chlorophylikörnern, welcher der Pflanze durch die Wandeinfaltungen und die ihnen physiologisch gleichwerthigen Wandungen des Pallisadengewebes erwächst, ist sehr ansehnlich. Setzen wir die Innenfläche der faltenlos gedachten Zelle = 100, so umfasst die Innenfläche der mit Falten versehenen Zelle 120— ı50 Flächeneinheiten. Für eine einseitig-tafelförmige Zelle von Bambusa Simonii wit 3 Falten beträgt dieser Werth ı45, für eine tafelförmige Zelle von Pinus sylvestris mit unregelmässig orientirten Falten 115—135, für eine Hförmige Armpallisadenzelle von Anemone sylwestris bis 127; für eine garmige Pallisadenzelle von Sambucus nigra 148. Selbstverständlich ist der Oberflächen- gewinn noch grösser, wenn statt der Falten wirkliche Scheidewände auftreten. 2. Das Bauprincip der Stoffableitung auf möglichst kurzem Wege. Es ist nunmehr das zweite Bauprincip auseinanderzusetzen, welches die je- weilige Richtung erklärt, in welcher die vom ersten Bauprincip geforderten Falten und Zellwände eingeschaltet werden und welches überhaupt die Ur- sache der so grossen Verschiedenheiten im anatomischen Bau des Assimilations- systemes ist. Es ist klar, dass die möglichst rasche Ableitung der Assimilationsprodukte aus dem functionirenden Gewebe eine wichtige Bedingung für einen ungestörten Verlauf der Assimilationsthätigkeit bildet. Jedes einzelne Chlorophylikorn soll womöglich bloss die selbst erzeugten Assimilationsprodukte zu Stärkekörnern organisiren und durch Stärkebildung aus auswärts eingewanderten Kohlehydraten möglichst wenig in Anspruch genommen werden. Ueberhaupt soll das Assimi- liren vollständig überwiegen, das Organisiren in den Hintergrund treten. Ein längeres Verweilen, ein Wandern oder gar eine Aufspeicherung der Assimilations- produkte in den assimilirenden Zellen muss schon vom rein chemischen Stand- punkt aus als unvortheilhaft erscheinen, weil nach einem bekannten Erfahrungs- satze jeder chemische Process um so glatter, vollständiger und rascher verläuft je schneller die dabei entstehenden Produkte entfernt werden. Die Pflanze muss also nach dem Gesagten trachten, die Assimilationsprodukte aus dem Chlorophyligewebe möglichst bald und auf möglichst kurzem Wege zu ent- fernen. Damit ist aber auch gesagt, dass sie es womöglich zu vermeiden hat, das Assimilationsgewebe gleichzeitig als Ableitungsgewebe zu benützen, durch welches die Assimilationsprodukte aus Laubblättern hinausgeschafft werden. Die grösste Vollkommenheit im Bau des Assimilationssystems wird erreicht sein, wenn jede assimilirende Zelle die von ihr erzeugten Stoffe direkt einem anderen, dem ableitenden Gewebe zuführt. 644 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. . Von dem Ausmaasse, in welchem das Bauprincip der Ableitung auf möglichst kurzem Wege zur Durchführung gelangt, ist die Richtung abhängig, welche der Strom der auswandernden Assimilationsprodukte einschlägt. Wird dieses Bauprincip ganz vernachlässigt, dann fungirt das Assimilationssystem zugleich als Ableitungsgewebe und die Stromrichtung geht von der Spitze des Blattes zur Basis. Bei eingetretener Differenzirung der Blattgewebe schlagen die Assimilations- produkte im Assimilationssystem entweder die Querrichtung ein, indem sie auf = kürzestem Wege den längsverlaufenden Leitbündeln zuströmen oder sie bewegen sich senkrecht nach abwärts einem dichten Netze von grossen und kleinen Leit- bündeln zu, welches unter dem Assimilationssystem allseits ausgebreitet ist. In diesen von dem Principe der Arbeitstheilung geforderten Stromrichtungen werden nun die vom Principe der Oberflächenver- grösserunggefordertenMembranfaltenundLäängswände eingeschaltet. Es geschieht dies nicht nur, damit der Diffusionsstrom in seiner etwa bereits vorhandenen Richtung nicht gestört wird; vielmehr ist in den meisten Fällen durch die betreffende Orientirung der Wände und Falten die jeweilige Strom- richtung erst zu schaften. So wie der Hydrotechniker in die regulirungsbe- dürftigen Ströme und Flüsse Dämme hineinbaut, welche als sogen. Parallelwerke der Strömung eine bestimmte Richtung aufnöthigen, ebenso werden von der Pflanze zu gleichem Zwecke die Falten und Wände in Anwendung gebracht. In wiefern bei der Beurtheilung dieser Function der Zellwände der Charakter der Strömung als Diffusionsbewegung in Betracht kommt, welch letztere natür- lich mit der Massenbewegung des fliessenden Wassers nur theilweise vergleichbar ist, kann an dieser Stelle nicht näher auseinandergesetzt werden.!) Die grosse Mannigfaltigkeit im anatomischen Bau des Assimilationssystems, von welcher im Nachfolgenden einige Beispiele gegeben werden sollen, kommt dadurch zu Stande, dass das Princip der Stoffableitung auf möglichst kurzem Wege in den verschiedensten Abstufungen einer bald grösseren, bald geringeren Vollkommenheit zur Geltung kommt. In ähnlicher Weise, wie dies SCHWENDENER für das mechanische System durchführte, habe ich die verschiedenen Construc- tionsformen des assimilatorischen Gewebesystems in einer Reihe von ıo Typen zusammengefasst und dieselben drei Systemen untergeordnet. Wie bei der Be- sprechung des mechanischen Systems muss auch hier auf die Charakterisirung der einzelnen Typen verzichtet werden. Bloss die drei Systeme sollen durch entsprechend ausgewählte Beispiele erläutert werden. a) Das Assimilationsgewebe dient zugleich als Ableitungsgewebe. Hier begegnen wir der untersten Ausbildungsstufe des Assimilationssystems. Das assimilirende Gewebe besorgt zugleich die Ableitung der Assimilations- produkte aus dem jungen Organe und indem die Zellwände in der entsprechenden Richtung eingeschaltet werden, entstehen mit der Blattoberfläche parallel ver- laufende, längsgestreckte Assimilationszellen. Dieselben bilden in den meisten Laubmoosblättern eine einzige Lage, bei Zlodea canadensis zwei Schichten und bei Galanthus, Lewcojum und Sempervivum ein mehrschichtiges, oft sehr mächtig ausgebildetes Gewebe. Beim Schneeglöckchen befindet sich unter der Epidermis der Oberseite eine aus 3—4 Zelllagen bestehende Schicht von chlorophyllreichen Zellen, welche in der Längsrichtung des Blattes gestreckt sind und sehr regel- I) Näheres hierüber enthält meine Abhandlung über das Assimilationssystem, 1. c. pag. 40 ff. (Separatabdruck.) Be 4. Das Ernährungssystem. 645 mässige, zur Blattoberfläche parallele Längsreihen bilden. Die Länge der Zellen ist sehr variabel und übertrifft die Breite um das 2—sfache. Auf der Blattunter- seite tritt eine chlorophyllärmere Zellschicht auf, welche ungefähr von gleicher Mächtigkeit ist wie die der Blattoberseite und gleichfalls aus längsgestreckten, reihenweise angeordneten Zellen besteht. Das Intercellularsystem ist aber in dieser Schicht weit stärker ausgebildet, als in der oberen. Längsverlaufende, radiale Parenchymlamellen enthalten die Gefässbündel; zwischen diesen Lamellen durchziehen grosse Luftkanäle das Mesophyll des Blattes. Hin und wieder zeigen die Vertreter dieses Systems bereits das Bestreben, eine Arbeitstheilung zwischen assimilirendem und ableitendem Gewebe eintreten zu lassen. In Moosblättern sind die Zellen häufig in schief abwärts zu den Leit- bündeln verlaufenden Curven angeordnet; die Assimilationsprodukte sollen wenigstens theilweise der Blattmitte zugeführt und von dort abgeleitet werden. Bei Zodea canadensis sind die chlorophyllärmeren Zellen der unteren Zelllage des Blattes schmäler und länger als die der oberen Schichte, woraus hervorgeht, dass dieselbe der Function der Stoffleitung besser angepasst ist. b) Es ist ein Assimilations- ‘und ein Ableitungsgewebe vorhanden. Die Assimilationsprodukte wandern aus dem ersteren direkt in das letztere. Dieses System ist das formenreichste. Immer wieder tauchen neue Combi- nationen auf, welche aber trotz ihrer Mannigfaltigkeit die Herrschaft der oben erwähnten Bauprincipien stets deutlich erkennen lassen. Die einfachste Constructionsform ist in den Blättern der Gattungen Gladialus und Zritonia, ferner bei /ris germanica ausgebildet; dasselbe charakterisirt sich durch längsverlaufenee Ableitungsstränge und quergestreckte Assimilationszellen. Bei Gladiolus, wo dieser Typus am schönsten entwickelt ist, sind die grünen Zellen 4—7 mal so lang als breit und bilden auf dem Blattquerschnitte ein ziemlich lückenloses Gewebe, während man auf tangentialen Längsschnitten zwischen den Längswänden der quergestreckten Zellen lauter ziemlich breite Intercellularspalten auftreten sieht. Diese quergestellten Spalten sind ebensoviele Schranken, welche eine Auswanderung der Assimilationsprodukte senkrecht zur Streckungsrichtung der grünen Zellen unmöglich macher. Dieselben strömen vielmehr nach rechts und links den eigentlichen Hauptbahnen zu, welche theils von den Parenchym- scheiden der kleineren Gefässbündel, theils von grösseren Lamellen und Strängen des Ableitungsgewebes gebildet werden. So liegt der gesammten Gewebean- ordnung im Mesophyll ein einheitliches Princip zu Grunde, welches alle Eigen- thümlichkeiten des anatomischen Baues als Glieder einer zusammenhängenden Kette erscheinen lässt. Ein namentlich bei den Monocotylen verbreiteten T'ypus dieses Systems wird durch pallisadenförmige Assimilationszellen charakterisirt, unter welchen sich das Ableitungsgewebe ausbreitet, ohne zu den Gefässbündeln Beziehungen zu zeigen. Hierher gehören z. B. die Blätter und Stengel der Allium-Arten, Ornitho- galum Asphodelus etc, unter den Gefässkryptogamen Zgwisetum palustre und wol auch andere Zgwisetum-Arten. Auch in diesem Typus treten im Assimilations gewebe zahlreiche Querspalten auf, welche mit Luft erfüllt sind und die Aus- wanderung der Assimilationsproducte aus den betreffenden Organen ım Pallisaden- gewebe unmöglich machen, d. h. die Assimilationsprodukte können nicht etwa vom Orte ihrer Entstehung aus die Pallisadenzellen quer durchsetzend direkt der Blattbasis zuströmen; schon der anatomische Bau des Mesophylis zwingt sie, eine 646 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. zur Oberfläche des Organs rechtwinkelige Richtung einzuschlagen, d. h. die Palli- sadenzellen der Länge nach zu durchströmen und so das assimilirende Gewebe auf kürzestem Wege zu verlassen. Diesem Typus schliesst sich auf das Engste ein ganz ähnlich construirter Typus an, welcher gleichfalls ein Pallisadengewebe besitzt und dessen Ableitungs- gewebe als gemeinschaftliche Parenchymscheide eines Gefässbündelkreises (oder auch eines Bastringes) ausgebildet ist. Dieses ist der Typus der stielrunden oder prismatischen Stengelorgane, wie z. B. der Zweige von Sparfium junceum, Genista bracteolata, Tunica Saxifraga, Asparagus etc. Schliesslich haben wir in diesem Systeme auch den T'ypus der Zinus-Arten zu erwähnen. Was den Bau und die Anordnung der mit Wandeinfaltungen ver- sehenen, tafelförmigen Assimilationszellen betrifft, so wurde hierüber bereits im vorigen Abschnitte das Nöthige mitgetheilt. Hier ist mit Rücksicht auf das zweite Bauprineip nur noch hinzuzusetzen, dass das Assimilationsgewebe aus sehr scharf differenzirten Querlamellen besteht, welche von je einer Zelllage gebildet werden, sich stellenweise berühren, im Uebrigen aber durch ebenso deutlich ausgebildete Luftspalten von einander getrennt werden. Es geht hieraus auf das Deutlichste hervor, dass die Assimilationsprodukte jeder einzelnen assimilirenden Gewebs- lamelle direkt in die Parenchymscheide hinüberwandern müssen, welche wol in erster Linie als ableitendes Gewebe fungirt. — Die gleiche lamellöse Anordnung des Assimilationssystems finden wir auch bei verschiedenen anderen Coniferen bei Abies-Arten, Thuja plicata, Cryplomeria elegans u. A. (Fig. 2ı C). c) Die Assimilationsprodukte wandern aus dem Assimilationsgewebe zunächst in ein »Zuleitungs- geweber und dieses erst führt sie den Bahnen des Ableitungsgewebes zu. Dieses am rationellsten construirte System umfasst bloss zwei Typen, welche sich dadurch unterscheiden, dass in dem einen das Ableitungsgewebe parallel verlaufende Längsstränge bildet, in dem andern dagegen ein dichtes Netzwerk. Dementsprechend besteht das Zuleitungsgewebe des ersteren Typus aus querge- streckten, das des letzteren aus vielarmigen Zellen. Das Assimilationsgewebe ist in beiden Fällen pallisadenförmig ausgebildet. Die eine Constructionsform gelangt in den Blättern der meisten Gräser, Carices und mancher Cyperus-Arten; ferner bei einigen Liliaceen, den Cycadeen und in den Nadeln von Taxus baccata zur An- wendung. Die andere dagegen repräsentirt den eigentlichen Dicotylentypus, welchem aber auch die meisten Farne angehören. Der anatomische Bau des Dicotylen-Laubblattes ist seit den Untersuchungen von BRONGNIART und TREVIRANUS in seinen allgemeinen Zügen hinreichend be- kannt. Unter der Epidermis der Blattoberseite tritt in ein bis mehreren Zell- lagen das Pallisadengewebe auf, welches meistens einen recht lockeren Bau zeigt. Fast immer macht sich die Tendenz nach einer seitlichen Isolirung der Pallisaden- zellen geltend, welche durch ihr Bestreben, aus der prismatischen in die cylin- drische Form überzugehen, zum Ausdruck kommt. Man sieht, dass jede einzelne Pallisadenzelle von ihren Nachbarinnen unabhängig ist, sowol in Bezug auf die die eigentliche Assimilationsthätigkeit, als auch hinsichtlich der Stoffleitungsprocesse. Sie empfängt von ihnen weder unverarbeitete Nährstoffe, noch liefert sie ihnen die Assimilationsprodukte ab. Einen Stoftverkehr unterhält sie bloss mit jenem Gewebe, welchem sie mit ihrem unteren Ende aufsitzt, d. h. mit dem »Schwamm- parenchym« oder der (Grefässbündelscheide. Dass in dem Pallisadengewebe von keiner Stoffleitung die Rede sein kann, deren Richtung die senkrecht zur .Blatt- 647 4. Das Ernährungssystem. fläche orientirten Zellen quer durchsetzt, ergiebt sich auch daraus, dass das Pallı- sadengewebe an der Blattbasis genau so gebaut ist, wie an der Blattspitze, während doch die Menge der zu- und abgeleiteten Stoffe, welche den Blattquer- schnitt an jenen Stellen passiren, sehr ungleich gross sind. Es wäre aber ganz unbegreiflich, wenn ein solch beträchtlicher Unterschied die quantitative und qualitative Ausbildung des leitenden Gewebes nicht beeinflussen würde. Die Stromrichtung der Assimilationsprodukte im Pallisadengewebe ist zweifel- los dieselbe, wie die Streckungsrichtung der Pallisadenzellen, rechtwinkelig zur Oberfläche des Organs. Es geht dies auch aus einer charakteristischen Eigen- thümlichkeit im Bau des Pallı- sadengewebes hervor, welche nur durch die vorstehende Annahme ihre Erklärung fin- det. Man beob- achtet häufig, dass eine kleine Gruppe von Pal- lisadenzellen (2— ı0) sich nach unten zu dicht zusam- mendrängt und dass dieses Büschel einer einzigen Zelle aufsitzt, welche j TEIrr IS SS SCHE 2 (1! IR ——, AS S J Sy \ L_ de I ez > I ee KR x, Jess Fig. 21. (B. 280.) A Von der Oberseite der Wedelspreite von Asplemium B Partie aus dem Blatt- Pallisadengewebe. ruta muraria, a trichterförmige Aufnahmszellen. oben trichter- querschnitte von Asphodelus Villarsü. Vergr. 106. C Assimilatorische Ge- förmig erweitert webelamellen aus dem Blatte von Uryptomeria elegans; horizontaler, durch die ist Auf den Mitte des Blattes geführter Längsschnitt. Vergr. 65. D Partie aus dem ersten Blick muss man sich sagen, dass es Querschnitte durch die Wedelspreite von Aspidium Sieboldi;, a Aufnahmszellen. E Querschnitt durch die fertile Blattfiederhälfte von Asplenium Belangeriü ; das Mesophyll besteht bloss aus zwei Zellschichten; die obere setzt sich aus Trichterzellen, die untere aus Schwammparenchynizellen zusammen. sich hier um eigenthümliche Aufnahms- oder Sammelzellen handelt, welche die Assimilationsprodukte eines grösseren oder kleineren Büschels von Pallisadenzellen in Empfang nehmen, und direkt oder indirekt den Hauptbahnen zuleiten. Ich habe diese Structureigenthümlichkeit des Assimilationssystem sehr schön bei Flcus elastica beobachtet, ferner bei Zulmonaria offieinalis, Juglans regia, Elaeagnus angustifolia, Eranthis hiemalis u. A. Zuweilen sitzen die Pallisadenbüschel un- mittelbar den Zellen des namentlich in dünneren, ein- facher gebauten Blättern. (Vgl. Fig. zı A, C p, D; Fig. 22 a.) Dieses gewissermassen ein physiologisches Mittelglied zwischen Assimilations- und Ableitungsgewebe vorstellt, besteht aus den Zellen des »Schwammparenchyms.< Unter der Pallisadenschicht sich aus- breitend setzt sich dieses Gewebe gewöhnlich aus mehrarmigen Zellen zusammen, welche ihre Arme in horizontaler Richtung ausstrecken und so die Zuleitungs- »Zuleitungsgewebes« auf, » Zuleitungsgewebe,« welches 645 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. röhren darstellen, durch welche die vom Pallisadengewebe herabströmenden Assimilationsprodukte nach allen Seiten hin dem vielverzweigten Netze der Ab- leitungsstränge zugeführt werden. Uebrigens ist nicht ausser Acht zu lassen, dass das Schwammparenchym wegen seines Chlorophyligehaltes, welcher aller- dings nicht sehr bedeutend ist, zugleich auch als assimilirendes Gewebe functio- nirt und wegen seiner grossmaschigen Durchlüftungsräume auch das »Transpi- rationsgewebe« des Blattes vorstellt. Das Schwammparenchym repräsentirt des- halb einen jener seltenen Fälle, dass ein- und dieselbe Gewebeart gleichzeitig mehreren verschiedenen Functionen angepasst ist. Das Zuleitungsgewebe füllt die grösseren und kleineren Maschen des Systems der ableitenden Stränge aus, welche von den Parenchymscheiden der Gefäss- bündel gebildet werden. Dieselben sind in den zarteren Anastomosen einschichtig und bestehen aus mehr oder weniger gestreckten, chlorophyllarmen Zellen, welche nicht selten mit Seitenarmen versehen sind, wahrscheinlich um den An- schluss an das Schwammparenchym zu erleichtern. Eine solche Zelle besteht dann aus einem zuleitenden und einem fortleitenden Schenkel. An grösseren Gefäss- bündeln besteht die Parenchymscheide aus mehreren Zelllagen und geht all- mählich unter Verlust ihres anatomischen Charakters als Gefässbündelscheide in das sogen. »Nervenparenchym« über, aus welchem die grösseren Blattnerven der Hauptsache nach bestehen; das Nervenparenchym findet seine histologische und physiologische Fortsetzung im »Grundgewebe« des Blattstieles, beziehungsweise des Stammes. So sehen wir, dass in dem Maasse, als die abzuleitenden Stoffe immer reichlicher werden, auch die Querschnittsgrössen der Leitungsbahnen con- tinuirlich zunehmen; ein reichverzweigtes Fluss- und Stromnetz bietet mit seinen zahllosen Zuflüssen ein ganz ähnliches Bild. Die Verschiedenheiten in der Ausbildung des vorstehend besprochenen Typus beschränken sich hauptsächlich RROTIII ‚El ” auf quantitative Untere Bald ist N y Ne \ das Pallisadengewebe mächtiger ent- N N --?, wickelt, bald das Schwammparenchym, 3 IN und selbst die Laubblätter von einer und SÄNEEN ! \ derselben Species können in dieser Hin- u 099, ng sicht nicht unbeträchtlich variiren. Ueber rt die Ursachen dieser Variationen wird im nächsten Abschnitte gesprochen wer- 2m / den. Als schönes Beispiel eines in er- Pin IN 7 nährungs-physiologischer Hinsicht sehr Meran vollkommen gebauten, hochdifferenzirten Organes ist das Laublatt von Zücus elastica zu nennen, dessen Bau ich in meiner vergl. Anatomie des Assimila- ’ ionssystems ausführlich geschil s Partie aus dem Blattquerschnitt von Zeus elastıca, NORSSYSISTUR sh geschi dert habe pP, p, die beiden Pallisadenschichten; a Auf- Das Mesophyll besteht hier, abgesehen nahms- oder Sammelzellen. g zartes Gefäss- von den Leitbündeln mit ihren Scheiden ünde ss aus Tracheiden bestehend; s Pa- : s ö btindel, bloss aus ee 5 aus zwei Pallisadenschichten und aus renchymscheide. Vergr. 230. 6— 10 l,agen von Schwammparenchym- zellen. Ausserdem tritt zwischen diesen beiden Geweben eine Lage von trichter- förmigen Sammelzellen auf und unter der Epidermis der Blattunterseite lagert eine Schicht von kurzen pallisadenähnlichen Zellen, welche ihr Vorhandensein dem rn Ge Di 4. Das Ernährungssystem 649 Streben der Pflanze danken, ihr Assimilationssystem überall dort, wo es die Durch- leuchtungsverhältnisse noch lohnend erscheinen lassen, in entsprechender Weise zu verstärken. So bildet diese untere Pallisadenschicht, welche auch andeı wärts nicht selten vorkommt und deren Zellen gewöhnlich trichterförmig, bisweilen auch sanduhrförmig ausgebildet sind, eine bescheidene Wiederholung des Assimilations- systems der Oberseite. — Für das entgegengesetzte Extrem, die quantitative Ausbildung des Mesophylis betreffend, liefert uns die fertile Blattfiederhälfte von Asplenium Belangeri ein schönes Beispiel, welche abgesehen von der beider- seitigen Epidermis, bloss aus zwei Zelllagen besteht, einer Pallisadenschichte und einer Schwammzelllage. Am Schlusse dieses Abschnittes wollen wir einen nochmaligen kurzen Rück- blick auf das Palliısadengewebe werfen. Indem seine Assımilationsprodukte in derselben Richtung auswandern, in welcher die Pallisadenzellen gestreckt sind, werden die producirten Stoffe auf dem denkbar kürzesten Wege aus dem Assimi- lationssystem hinausgeschafft und demzufolge sind alle Constructionstypen, welche ein Pallisadengewebe aufweisen, vom Standpunkte der beiden Bauprincipien aus betrachtet, die vollkommensten und zweckmässigsten. Die vergleichende Anatomie des Assimilationssystems lehrt denn auch, dass im Laufe der phylogenetischen Entwickelung der Pflanzenformen sehr verschiedenartige Constructionstypen durch Ausbildung eines Pallisadengewebes vervollkommnet wurden; man darf so gewisser- massen von einer polyphyletischen Abstammung des Pallısadengewebes sprechen. Bei den Monocotylen lassen sich zwei Urtypen des Assimilationssystems unter- scheiden: ı. der Typus der längsgestreckten Assimilationszellen, welche zugleich als Ableitungsgewebe fungiren (1. Typus; Galanthus, Leucojum, Zygadenus); und 2. der Typus der quergestreckten Assimilationszellen, welche zugleich das Zu- leitungsgewebe zu den Ableitungssträngen vorstellen (3. Typus; Gladiolus, Tritonia, Iris germanica). jeder dieser beiden so verschiedenen Urtypen entwickelte sich in dem Sinne weiter, dass die Elemente einer oder mehrerer subepidermaler Zelllagen immer kürzer und kürzer wurden, schliesslich eine zur Oberfläche des Organs rechtwinkelige Streckung zeigten und sich derart allmählich in Pallisaden- zellen umwandelten. Die darunter liegenden Zellschichten blieben unverändert und fungirten nunmehr beim 2. Typus auschliesslich als Ableitungs-, beim 3. Typus als Zuleitungsgewebe. So war selbstverständlich die morphologische Differen- zirung zugleich von der physiologischen Arbeitstheilung begleitet oder richtiger gesagt von ihr verursacht. Aus dem 2. Typus wurde nunmehr der fünfte, welcher bei den Monocotylen, namentlich den Liliaceen so häufig vorkommt und durch ein Pallisadengewebe mit darunter gleichmässig ausgebreitetem Ableitungsgewebe charakterisirt wird.!) (Allum, Asphodelus, Ornithogalum etc.) Aus dem 3. Typus dagegen wurde der neunte, welcher sich bei den Monocotylen gleichfalls einer grossen Verbreitung erfreut und welchen ich in meiner » Vergleichenden Anatomie etc.« mit folgenden Worten gekennzeichnet habe: »Das Assimilationsgewebe besteht gewöhnlich aus Pallisadenzellen. Das Ableitungsgewebe begleitet meistens in Form von Parenchymscheiden die parallel verlaufenden Gefässbündel. Das Zuleitungsgewebe besteht aus quer- gestreckten chlorophyliführenden Zellen.« Wie bereits oben erwähnt wurde, ist dies der Typus der meisten Gräser, Carzces, verschiedener Cyperxs-Arten und Liliaceen. — Dass die vorstehenden Bemerkungen über die historische Ent- D) Vergl. die obige Schilderung dieses Typus. 650 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. wickelung des Pallisadengewebes und der betreffenden Constructionstypen mehr sind als blosse Ideen, ergiebt sich daraus, dass noch gegenwärtig zwischen den Urtypen und den aus ihnen hervorgegangenen Constructionsformen zahlreiche Uebergänge thatsächlich vorkommen. Doch würde es mich hier zu weit führen, wenn ich solche Uebergangsformen mit der nöthigen Ausführlichkeit schildern wollte und muss mir dies für eine andere Gelegenheit vorbehalten. — So wie bei den Algen sehr verschieden geformte Chlorophylikörper zur Aus- bildung kommen, bis das vollkommenste Modell gefunden ist und bei allen höheren Pflanzen zur allgemeinen Verwendung gelangt, ebenso tritt bei den Monocotylen und Gymnospermen eine grosse Mannigfaltigkeit von Constructionsformen des Assi- milationssystems auf, bis ein möglichst vollkommener, allen Anforderungen ent- sprechender Typus construirt ist, der bei den Dicotylen die allgemeinste Verwendung findet. Viel rascher und gleichmässiger schreitet bei den Gefässkryptogamen die Vervollkommnung des Assimilationssystem weiter, bis zu demselben vollkommensten Typus, welcher bei den Dicotylen so allgemein verbreitet ist. — C. Die Beziehungen des Assimilationssystems zum Licht. Die Produktion organischer Substanz aus Kohlensäure und Wasser findet bloss im Lichte statt und wenn auch hinsichtlich dieser Assimilationsbedingung die An- sprüche der verschiedenen Pflanzenarten verschieden sind, wenn sich auch manche Schattenpflanzen mit recht schwachen Lichtintensitäten begnügen, so säumt doch keine Pflanze, ihr Assimilationssystem dort anzubringen, wo es den günstigsten Durch- leuchtungsbedingungen ausgesetzt ist. Im Allgemeinen gilt eben der Satz, dass der Assimilationsprocess um so energischer von statten geht, je grösser die Intensität des einfallenden Lichtes ist. So kommt es, dass die Intensität der Beleuchtung für die Anordnung des Assimilationssystems von massgebendster Bedeutung ist. Das Assimilationssystem, mag es was immer für einem Typus angehören, strebt nach einer möglichst peripherischen Lagerung. Dieselbe zeigt sich an jenen eylindrischen oder prismatischen Assimilationsorganen, welche keine ausgeprägte Licht- und Schattenseite aufweisen, am allerdeutlichsten. Die flächenförmig ausgebreiteten Laubblätter, welche sich meist senkrecht zur Richtung des stärksten einfallenden zerstreuten Lichtes orientieren, bringen ihr Assimilationssystem auf der besser beleuchteten Oberseite, oder richtiger gesagt, auf der Lichtseite zur Ausbildung. Denn wenn auch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die morphologische Oberseite des Blattes zugleich die besser beleuchtete Seite vorstellt, so kommt es doch hin und wieder vor, dass durch Tor- sion des Blattstieles oder der Blattbasis die morphologische Unterseite zur Lichtseite wird. Dies ist z. B. bei Allium ursinum der Fall, bei Alstroemeria, Gynerium argenteum und anderen Gräsern. Gewöhnlich ist diese Anordnung des - Assimilationsgewebes durch Vererbung schon so gefestigt worden, dass beim ein- zelnen Individuum, oder gar bei einem einzelnen Organ desselben die Intensität der Beleuchtung die Anordnung und Ausbildung des assimilirenden Gewebes nicht mehr zu beeinflussen im. Stande ist. Bloss für ZAuja occidentalis ist von FRANK!) der Nachweis geführt worden, dass je nach Beleuchtung auf der einen oder der anderen Seite des sich entwickelnden Zweiges das Assimilationssystem — in diesem sich ausbildet. Hier wirkt das Licht als auslösendes Falle Pallisadengewebe I) Ueber den Einfluss des Lichtes auf den bilateralen Bau der symmetrischen Zweige von Thuja occidentalis, PRINGSMEIM’s Jahrbücher f. wissensch. Botanik. IX. Bd. pag. 147 ff. a 4. Das Ernährungssystem. 651 Agens, welches den Beginn jener Wachsthumsvorgänge einleitet, die zur Bildung von Pallisadengewebe führen. Gehen wir nun auf eine andere Beziehung des Assimilationssystems zum Lichte über, so liegt die Frage nahe, welche Constructionsformen dieses Systems am vollkommensten durchleuchtbar sind; denn es liegt auf der Hand, dass je geringere Hindernisse das assimilirende Gewebe den eindringenden Licht- strahlen bereitet, desto tiefer liegende Gewebsschichten zuı Assimilationsthätigkeit herangezogen werden können. Jede unnütze Absorption von Lichtstrahlen muss möglichst vermieden werden und je weniger Zellwandungen das Licht zu passiren hat, desto günstiger wird dies für das Assimilationsgewebe sein. Nachdem nun für die Durchleuchtung desselben die senkrecht auf die Oberfläche des Organs auffallenden Lichtstrahlen die wichtigsten sind — das Laubblatt stellt sich ja des- halb senkrecht zur Richtung des stärksten zerstreuten Lichtes — so ist leicht einzusehen, dass alle Constructionsformen, welche ein Pallisadengewebe aufweisen, die für die Assimilation so nothwendige Durchleuchtung des Gewebes am wenigsten beeinträchtigen. Das Pallisadengewebe entspricht am vollkommensten den An- forderungen, welche bezüglich der Durchleuchtbarkeit an das assımilirende Ge- webe gestellt werden und dies ist wol einer der Hauptgründe für seine grosse Verbreitung. Allein man darf dabei nicht vergessen, dass es sich hier um keine direkte Anpassung handelt. Die Gestalt der Pallisadenzellen steht nicht mit den Beleuchtungsverhältnissen im unmittelbaren Causalzusammenhange, sondern mit den Verhältnissen der Stoffleitung, denn nur von diesem letzteren Gesichtspunkte aus lässt sich Gestalt und Orıentirung aller gestreckten Assimilationszellen, also auch der quer- und längsgestreckten Zellen, einheitlich erklären. Die Pallisadenzelle erweist sich auch in anderer Hinsicht als ein sehr zweck- mässig gebautes 'Element. Wie seit den Untersuchungen von BOEHM, FRANK, BORODIN, und STAHL!) bekannt ist, zeigen die Chlorophylikörner in den assimilirenden Zellen verschiedenartige Lagerungen, welche von der Intensität und der Richtung des einfallenden Lichtes abhängig sind. Es lassen sich in dieser Hinsicht zwei Gruppen von Zellen unterscheiden. In die erste Gruppe gehören die Assimilations- zellen der Moosblättchen, Farnprothallien, Wasserlinsen, die Blätter von Zlodea canadensis, Vallisneria etc. und schliesslich die Schwammparenchymzellen der typisch gebauten Dicotylen-Blätter. Hier suchen die Chlorophyllkörner im diffusen Licht die von den einfallenden Lichtstrahlen senkrecht getroffenen Wandungen auf, sie zeigen »Flächenstellung«; im direkten Sonnenlichte dagegen werden die zur Richtung des Lichteinfalls parallelen Seitenwandungen besetzt; die Chlorophylil- körner zeigen »Profilstellung«. Zweifellos handelt es sich hier um Wanderungen, welche den Schutz des Chlorophylis oder seiner Assimilationsprodukte gegen den schädlichen Einfluss zu intensiver Beleuchtung zum Zwecke haben. Dieses Ziel wird nun durch die verschiedene Lagerung der Chlorophylikörner sehr voll- ständig erreicht, allein auf Kosten der möglichst vollständigen Raumausnützung und wie von SranL?) betont wurde, unter Entfaltung eines bestimmten Kraftauf- wandes. Diese beiden Nachtheile fallen in der zweiten Gruppe, welche durch die Pallisadenzellen repräsentirt wird, vollständig hinweg, indem hier die Chloro- phylikörner im diffusen wie ım Sonnenlichte in der Profilstellung verharren, d. h. l) Ueber den Einfluss von Richtung und Stärke der Beleuchtung auf einige Bewegungser- scheinungen im Pflanzenreiche, Bot. Ztg. 1880. pag. 297 ff. 2) Ueber den Einfluss der Lichtintensität auf Structur und Anordnung des Assimilations- parenchyms. Bot. Zeitung. 1880. pag. 868 ff. v> z ET TE TER Ta 652 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. die Seitenwandungen occupiren. Von einer nennenswerthen Umlagerung ist hier also nicht die Rede. Weil nun aber die ständige Profilstellung der Körner in den Pallisadenzellen mehr für direkte Insolation berechnet ist, so, erweisen sich die Pallisadenzellen, wie STanHt. (l. c. pag. 871) hervorgehoben hat, als eine für starke Lichtintensitäten besonders angemessene Zellform. An Pflanzen, welche sonnige Standorte bevorzugen, wie Peucedanum Cervaria, Linosyris vulgaris, Galium verum, Distelarten etc. ist deshalb das Pallisadengewebe besonders mächtig ausgebildet. Bei der Buche sind sogar nach SraHr die im Sonnenlichte entwickelten Blätter wesentlich anders gebaut, als die Schattenblätter. In den ersteren besteht das Mesophyll hauptsächlich aus Pallisadengewebe, in den letzteren aus Schwammparen- chym. Uebrigens ist es nicht wahrscheinlich, dass diese verschiedene Ausbildung der Sonnen- und Schattenblätter ausschliesslich auf die verschiedene Lagerungs- weise der Chlorophyllkörner zurückzuführen ist. Es macht sich gewiss auch die viel allgemeinere Beziehung geltend, dass wenn die Beleuchtungsverhältnisse günstiger sind, für die Pflanze auch die Ausbildung ihres specifischen Assimilationsgewebes um so lohnender ist. Ferner darf auch der Umstand nicht ausser Acht gelassen werden, dass das Schwammparenchym auch als Transpirationsgewebe fungirt, dass also, um eine bestimmte 'Transpirationsgrösse zu erzielen, dieses Gewebe in Schatten- blättern viel reichlicher ausgebildet sein muss, als in Sonnenblättern. D. Die Entwickelungsgeschichte des Assimilationssystems. In weitaus den meisten Fällen geht das Assimilationssystem aus dem Grund- parenchym hervor. Bei Cyperus pannonicus ist es theilweise als Epen aufzu- fassen, indem die zwischen den subepidermalen Bastbündeln und den ihnen oppo- nirten Mestomsträngen befindliche Pallisadenzellschicht aus cambialen Zellen entsteht. Bast und Mestom gehen nämlich aus einem einheitlich angelegten Cambiumbündel hervor. Bei verschiedenen Adiantum-Arten namentlich aber bei Didymochlaena sinuosa ist das typisch ausgebildete Armpallisadengewebe proto- dermalen Ursprungs. Es bildet die oberflächlich gelegene Zelllage der Blatt- oberseite, welcher demnach eine Epidermis im anatomisch-physiologischen Sinne vollständig fehlt. Die etwas verdickten Aussenwandungen dieser Pallisadenzellen zeigen allerdings den charakteristischen Bau der äusseren Epidermiszellwände, allein es ist dies nur der anatomische Ausdruck für die Nebenfunction dieser specifischen Assimilationszellen als Hautgewebe. Schliesslich noch einige Worte über den Vorgang und den Zeitpunkt der Differenzirung des Pallisadengewebes. Ersterer charakterisirt sich stets durch leb- hafte radiale T'heilungen der meristematischen Mutterzellen, welche gewöhnlich annähernd so hoch als breit sind. Es vollzieht sich gewissermassen vor den Augen des Beobachters die Einschaltung der vom Principe der Oberflächenver- grösserung geforderten Wände; man sieht, dass die Pallisadenzellen nicht bloss durch einfache Streckung von isodiametrischen Meristemzellen zu Stande kommen, wie mehrfach behauptet wurde. Was den Zeitpunkt dieser Wandbildungen be- trifft, so ist derselbe, je nach der Species, verschieden. Bei Zlcus elastica fällt der jeginn der Differenzirung des Pallisadengewebes zeitlich zusammen mit den ersten Differenzirungsvorgängen des Hypoderms, mit der Ausbildung der kleineren Gefässbündel und dem mittleren Entwickelungsstadium des mechanischen Systems. ei Caragana frutescens erfolgt die Anlage des Pallisadengewebes viel früher, näm- lich in der Zeit zwischen der Anlage der grösseren und kleineren Gefässbündel. Ebenso bei Ziphedra vulgaris, in deren Zweigen die Pallisadenzellen und die sub- epidermalen Bast-Cambiumbündel fast gleichzeitig angelegt werden, | a 4. Das Ernährungssystem. 653 II. Das Leitungssystem. In allen höher entwickelten Pflanzen finden während der ganzen Vegetations- zeit Stoffleitungsvorgänge statt, deren Qualität und Ausgiebigkeit in den ver- schiedenen Vegetationsphasen eine sehr wechselnde ist. Ehe wir die Bahnen ein- gehender betrachten, in welchen die Leitung der Stoffe vorzugsweise stattfindet, wollen wir uns zunächst über die Beschaffenheit und ernährungsphysiologische Bedeutung dieser Stoffe orientiren. Vor allem findet in der Pflanze ein sehr ansehnlicher Wassertransport statt Der geringste ‘Theil des aufgenommenen und fortgeleiteten Wassers dient als Nährstoff, indem er zwei wichtige Elemente für den Stoffwechsel liefert. Grösser ist schon jene Wassermenge, welche als »Vegetationswasser< am Aufbau der Elementarorgane betheiligt ist, indem es die Imbibitionsflüssigkeit der Zellwände und des Protoplasmas, sowie den Hauptbestandtheil des Zellsaftes vorstellt. Am grössten aber sind jene Wassermengen, welche in Folge der Transpiration die Pflanzenorgane durchströmen, und eine bedeutendere Abnahme des Wassergehaltes der Pflanze, beziehungsweise ihre Austrocknung verhüten. — Theils unabhängig von diesem Wasserstrome, theils von ihm mitgerissen, be- wegen sich die verschiedenen anorganischen oder organischen Nährstoffe von den Aufnahmsorganen aufwärts in die assimilirenden und wachsenden Pflanzen- theile. Bei den chlorophyllhaltigen Pflanzen, auf welche wir uns hier beschränken wollen, handelt es sich um die sogenannten »Nährsalze«, deren Elemente zum grössten Theile in den »Aschenbestandtheilen« wiederkehren. — Endlich findet in der Pflanze auch eine mehr oder minder ausgiebige Wanderung von plastischen Bildungsstoffen statt, welche aus den assimilirenden Organen nach den ent- sprechenden Verbrauchsstellen hingeleitet werden, mögen dieselben wachsende Pflanzentheile und Gewebe oder anzufüllende Reservestoffbehälter sein. Hierher gehören verschiedene Kohlehydrate, (Glycose, Stärke), Fette, Proteinstoffe und Amide. Die Leitung aller dieser verschiedenartigen Stoffe regelt sich ganz nach den jeweiligen Bedürfnissen der Pflanze und ihrer Theile; sie erfolgt von den Wurzeln aufwärts in Stengel und Blätter, aus den Reservestoffbehältern in die ebengenannten Organe und in die Wurzeln, aus den Laubblättern in die Knospen, Blüthen, in reifende Samen und Früchte und wachsende Wurzeln u. s. f. Dabei kann natürlich von einem einheitlichen aufsteigenden und einem absteigenden Saftstrome nicht die Rede sein. Die einstige Lehre von der Safteirculation in der Pflanze, vom rohen Nahrungssafte und dem verarbeiteten Bildungssafte, be- ruhte auf einer viel zu weitgehenden Verallgemeinerung einzelner Stoffleitungsvor- gänge, welche erst seit den wichtigen Untersuchungen von SacHs in das rechte Licht gestellt wurden. — Das stoffleitende Gewebesystem der Pflanze ist unter allen Systemen am complicirtesten gebaut; seine Elemente sind von der grössten Formenmannig- faltigkeit. Es erscheint dies begreiflich, wenn wir uns die Verschiedenartigkeit der Stoffe vergegenwärtigen, welche das Leitungssystem zu translociren hat. Dass ein wasserleitendes Element anders gebaut sein muss, als ein eiweissleitendes, liegt auf der Hand. Andererseits wird niemand bezweifeln, dass es im Interesse einer geregelten, stetigen Stoffleitung gelegen ist, für die wichtigsten Stoffe be- sondere Leitungsbahnen auszubilden und so innerhalb des ganzen Systems dem Principe die Arbeitstheilung den Weitesten Spielraum zu lassen. Wegen des so verschiedenartigen Baues der stoffleitenden Gewebe lassen SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. Il. 42 654 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. sich nur wenige Merkmale angeben, welche Allen gemeinschaftlich sind. Diese wenigen Merkmale erklären sich aus dem allgemeinen Bauprincipe, alle Bewegungshindernisse auf ein möglichst geringes Maass zu redu- eiren. Die Art 'der Stoftbewegung in der Pflanze ist entweder eine molekulare oder eine Massenbewegung. Es kann nicht Aufgabe dieser Abhandlung sein, die bewegende Kräfte, welche in vielfacher Hinsicht noch sehr räthselhaft sind), eingehend zu besprechen. Es gehört dies in das Gebiet der »physikalischen Physiologie.« So viel ist aber gewiss, dass mag es sich um Diosmose, Filtration oder was immer für eine Bewegungsform handeln, das Vorhandensein von Quer wandungen in den leitenden Geweben der Stoffleitung hinderlich sein wird; vorausgesetzt natürlich, dass die Bewegung im Inneren der Elemente und nicht in den Wandungen von statten geht. Nicht nur, dass eine Massenbewegung selbstverständlich gar nicht möglich ist, wenn ununterbrochene Diaphragmen das leitende Röhrensystem in Fächer theilen, auch jede molekulare Bewegung wird um so schwieriger und langsamer von statten gehen, je häufiger die Querwan- dungen auftreter und je dicker sie sind. Es ergiebt sich daraus die Notwendigkeit, die Zahl der Querwandungen in den leitenden Geweben möglichst einzuschränken und ihre Durchlässigkeit für die wandernden Stoffe zu erhöhen. Diesen beiden Forderungen gemäss sind ı. die leitenden Elemente von mehr oder weniger lang- gestreckter Gestalt und 2. die Querwandungen häufig mit zahlreichen Tüpfeln versehen, welche bisweilen zu wirklichen Poren, zu Löchern werden. Diese beiden anatomischen Merkmale sind die einzigen, welche allen leitenden Gewebe- arten gemeinschaftlich sind. Ueber das erste dieser Hauptmerkmale ist hier nichts weiter zu bemerken. Bezüglich des zweiten Merkmals ist aber hervorzuheben, dass zwischen der ein- fachen Tüpfelung der Querwand und ihrer vollständigen Resorption alle Ueber- gänge vorhanden sind. Eine blosse Tüpfelung der Querwände ist überaus häufig. Schon die Pallisadenzellen, welche ja noch zum Assimilationssystem gehören, zeigen an ihrer unteren Querwand zuweilen Tüpfel, als weiteres Kennzeichen, dass die Assimilationsprodukte in der Längsrichtung der Zellen auswandern. So fand G. Kraus?) im Mesophyll der Cycadeenfiedern den unteren Fuss jeder Pallisaden- zelle constant mit einer oder mehreren Poren besetzt. Getüpfelte Querwände sind auch im Leitparenchym, in den Markstrahlen und Parenchymscheiden sehr häufig. Besonders auffallend sind in dieser Hinsicht die Querplatten, durch welche die in den Zwiebelschalen von Allium Cepa vorkommenden Milchröhren gefächert werden. Von oben gesehen zeigt sich auf der Platte Tüpfel an Tüpfel, so dass die Aehnlichkeit mit einer »Siebplatte« sehr auffällig ist. Wir haben uns bloss die zarten, schwach verdickten Tüpfelmembranen resorbirt zu denken, um eine typische Siebplatte, welche den charakteristischen Wandtheil der eiweissleitenden Siebröhren vorstellt, vor uns zu haben. Aehnliche Perforationen kommen an den Querplatten der Milchröhren von Musa und Chelidonium?) thatsächlich zu Stande. Was die Siebröhren betrifft, so ist wohl zweifellos, dass ihre durchlöcherten Sieb- I) Vergl. das Capitel über »das Saftsteigen« im »Mikroskop« von NÄGELI und SCHWENDENER, 2. Aufl. pag. 378 ff. ferner Prerrer’s Pflanzenphysiologie. I. Bd. pag. 113 ff, 318 ff und an anderen Stellen. ?) Ueber den Bau der Cycadeenfiedern, PRINGSHEIM’s Jahrbücher für wissensch. Botanik, IV. Bd. pag. 326. 3) Vergl. DE Bary, Vergleichende Anatomie. pag. 199. FR: er u £ wi E Fr * “4 u N » „ _ \ 4. Das Ernährungssystem. 655 platten gleichfalls nur aus der Weiterbildung von einfach getüpfelten, undurch- brochenen Querplatten hervorgegangen sind. — Im Anschlusse an die Siebröhren wären die Gefässe des Hadromtheiles der Gefässbündel und des Holzkörpers zu nennen, deren Querplatten hier und da noch erhalten und mit einigen grossen Löchern versehen sind, gewöhnlich aber bis auf einen schmalen ringförmigen Rand vollständig resorbirt erscheinen. Eine noch vollständigere Auflösung der Querwände zeigen die Milchsaftgefässe der meisen Cichoriaceen, Papaveraceen, Papayaceen u. A.; im ausgebildeten Zustande ist von den Querwänden keine Spur mehr zu sehen. Den Schluss dieser ganzen Reihe bilden jene ungegliederten Milchröhren, in welchen Querwände überhaupt gar nicht angelegt werden; welche nicht aus reihen- weise verschmelzenden Meristemzellen hervorgehen, sondern in morphologischer Hinsicht einzelnen Zellen gleichwerthig sind. Diese Zellen wachsen zu langen, sich vielfach verzweigenden Schläuchen aus, indem sie sich mit ihren Enden pilzhyphenartig zwischen die benachbarten Zellen eindrängen!). Es könnte jetzt vielleicht die Frage aufgeworfen werden, warum die Pflanze in einem grossen Theile ihrer leitenden Gewebe die hindernden Querwände intact lässt, während sie dieselben in anderen Partien ihres Leitungssystems mehr oder weniger vollständig beseitigt? Die Querwände müssen in jenen Fällen doch mehr sein, als blosse Hemmnisse, sie haben offenbar eine oder mehrere Aufgaben zu erfüllen. Es soll an dieser Stelle bloss auf zwei Umstände aufmerksam ge- macht werden, welche das Vorhandensein von Querwänden vortheilhaft erscheinen lassen. Zunächst ist gewiss bemerkenswerth, dass nur in jenen Röhrensystemen, welche Wasser oder doch sehr wässrige, an festen Theilen arme Säfte leiten, die Quer- wände beseitigt werden, während dort, woingrösserer Menge Wanderstärke auftritt, wo überhaupt eine grössere Ansammlung der geleiteten Stoffe eine Stauung hervorrufen kann, die Querwände erhalten bleiben und grössere Stauungen verhindern können. Von DEHNECKE wurde in seiner bereits bei früherer Gelegenheit citirten Disser- tation die Beobachtung mitgetheilt, dass in den sogen. Stärkescheiden der verti- kalen Stengelorgane die Stärkekörner in Folge ihrer Schwere häufig den unteren Querwandungen jeder Zelle auflagern. Je geringer die Anzahl der Querwände, desto grösser und störender werden selbstverständlich diese Stärkeansammlungen sein. Um sie in kleinere Portionen zu zertheilen sind in gewissen Abständen Querwände unerlässlich. Wenn die soeben angedeutete Function der Quer- wandungen noch eingehenderer Untersuchungen bedarf, so ist in vielen Fällen ihre mechanische Bedeutung als Aussteifungsplatten um so wahrscheinlicher und naheliegender. — Die bisherigen Auseinandersetzungen basiren auf der Annahme, dass die Stoffleitung im Inneren der Elementarorgane, in einem System von continuirlichen oder gefächerten Röhren vor sich geht. Sie gelten nur theilweise für die Wasser- leitung im Holz der Dicotylen, in welchem auch die verdickten Wandungen der mechanischen Elemente als Leitungsbahnen Verwendung finden. Damit wird zwar das Princip der Arbeitstheilung bei Seite geschoben, allein man darf nicht vergessen, dass dieses Princip nicht Selbstzweck ist, sondern in extremer Weise durchgeführt mit dem Principe des möglichst geringen Materialaufwandes in Widerspruch gerathen kann. Im Holzkörper behält dieses letztere Princip die Oberhand. I) Vergl. DE Bary, ]. c. pag. 199 ff. 42° 656 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. A. Die Leitung des Wassers. Fast alle Untersuchungen über die Wasserleitung in der Pflanze haben den dicotylen Holzkörper zum Ausgangspunkt. Es ist schon ein altes pflanzenphysiolo- gisches Experiment, welches zeigt, dass wenn von einem transpirirenden Zweige ein Rindenring abgelöst wird, die Blätter frisch und turgescent bleiben, während eine Unterbrechung des Holzkörpers alsbald das Welken des Laubes zur Folge hat. Schwieriger, ja bis auf den heutigen Tag noch nicht vollständig gelöst ist die Frage, welchen Elementarorganen des Hoizes die Leitung des Wassers zukommt. Bis vor nicht langer Zeit hielt man einzig und allein die Wandungen der. Holz- zellen für die Leitungsbahnen, in den letzten Jahren gewann aber allmählich die Ueberzeugung mehr Raum, dass auch die Gefässe bei dem Wassertransport in der Pflanze eine bedeutsame Rolle spielen. ı. Die verholzten Zellwändet). Nicht in jeder imbibitionsfähigen Zell- membran ist eine gleich schnelle Fortbewegung des imbibirten Wassers möglich. In stark quellbaren Zellhäuten z. B. wird das Wasser mit solcher Kraft festge- halten, dass eine Fortleitung desselben in hohem Grade erschwert ist. Dagegen zeichnen sich die verholzten Zellwandungen durch eine sehr leichte Verschieb- barkeit ihres Imbibitionswassers aus, wodurch eben die specifische Eigenschaft dieser Wandungen, eine rasche Fortbewegung des Wassers zu gestatten, bedingt wird?2). Wenn nun auch diese Fähigkeit der raschen Wasserleitung nicht an das Vorhandensein eines lebenden Plasmaleibes geknüpft erscheint, so ist es doch eine sehr bemerkenswerthe Thatsache, dass nur der frische, dem lebenden Stamme oder Zweige angehörige Holzkörper jenes grosse Wasserleitungsvermögen besitzt, während dasselbe dem austrocknenden Holzkörper für immer verloren geht. Es ist dies ein wichtiger, hinsichtlich seiner Ursachen noch unaufgeklärter Unterschied, welcher es wohl gestattet, auch bezüglich der Wasserleitung von todtem und lebendem Holze zu sprechen. Auch mit dem Alter nimmt die Leitungsfähigkeit der Holzzellwandungen ab; es ist dies einer der Gründe weshalb älteres Kernholz für den Wassertrans- port fast bedeutungslos ist. Schon bei Besprechung des mechanischen Systems ist hervorgehoben worden, dass das Frühlingsholz das Wasser besser leitet, als das Herbstholz, wobei wir hier von der ungleichen Ausbildung der Gefässe ganz absehen. Bereits UNGER?) constatirt eine geringere Durchlässigkeit des Herbstholzes für Wasser. Er brachte eine erwärmte Mischung aus Wachs und Terpentin auf die Querschnittsfläche des Holzes, liess dieselbe in die Gefässe eindringen, erkalten und entfernte dann eine dünne Scheibe, um die Zellwandungen blosszulegen. Das durch eine 1—2 Fuss hohe Wassersäule eingepresste Wasser drang zuerst aus den jüngeren, an das Mark grenzenden Holzpartien hervor. Dasselbe Resultat erzielte WIESNER®) bei folgender Versuchanstellung. Aus ein- und demselben frischen Fichtenholze wurden gleich grosse Würfel geschnitten und dieselben bis auf die Querschnittsflächen mit Siegellack verschlossen; dann wurde an dem einen Würfel das Frühlings- und I) Vergl. JuLıus Sachs, Ueber die Porosität des Holzes, Arbeiten des bot. Instituts in Würz- burg. II. Bd. 2. Heft. pag. 291 ff. ?) Vergl. PFEFFER, Pflanzenphysiologie. I. Bd. pag. 114 ff. %) Weitere Untersuchungen über die Bewegung des Pflanzensaftes, Sitzungsberichte der Wiener Akademie. Bd. 58. I. Abth. 1868. Ich eitire hier nach Prerrer’s Pflanzenphysiologie I. Bd. pag. 125. #) Untersuchungen über die Bewegung des Imbibitionswassers im Holze und in der Mem- bran der Pflanzenzellen, Sitzungsberichte der Wiener Akademie. 72. Bd. I. Abth. 1875. 52 4. Das Ernährungssystem. 657 Sommerholz, an dem anderen das Herbstholz mit Asphaltlack überzogen und zwar so, dass die transpirirenden Flächen beider Querschnitte gleich gross waren. Die Wasserverluste betrugen bei unverklebtem Frühlingsholz Herbstholz nach 2 Stunden 0,988 0,67 8 2A ns 1,46, Ta Das gleiche Resultat ergab sich bei Versuchen über das Aufsteigen von Lithionlösungen. Nach diesen Untersuchungen stellt sich also heraus, dass die mechanischen Elemente des Holzes das Wasser um so weniger rasch leiten, je typischer sie als Stereiden ausgebildet sind, dass mithin die Arbeitstheilung im Holzkörper keineswegs so vollständig verwischt ist, wie man anfänglich meinen könnte. Dass die einzelne Holzzelle das Wasser besser in der Längsrichtung leitet, als in der Querrichtung bedarf hier keiner weiteren Besprechung. Ein ent- gegengesetztes Verhalten würde Allem widersprechen, was wir über die Be- ziehungen zwischen dem anatomischen Hauptmerkmale der stoffleitenden Elemente und ihrer physiologischen Function wissen. 2. Die Gefässe. Die physiologische Bedeutung der Gefässe ist zwar über- aus häufig erörtert worden, allein noch heute ist dieselbe ein strittiger Gegen- stand. Nachdem man in den letzten Decennien die Gefässe fast allgemein als » Tra- cheen« im physiologischen Sinne, alsDurchlüftungskanäle betrachtethatte, wurden im Laufe der letzten Jahre verschiedene Thatsachen bekannnt, mitwelchenjene Annahme schlechterdings unvereinhar ist. So wurde von HÖHnEL!) auf experimentelle Weise dargethan, dass die angebliche offene Communication der Gefässe mit den Intercellularräumen, eine Hauptstütze der Auffassung der Gefässe als Durchlüftungs- kanäle, gar nicht vorhanden ist. Dieselben communiciren weder mit den Spalt- öffnungen noch mit den Lenticellen und alle früheren Versuche, aus welchen eine solche Communication hervorzugehen schien, sind entweder fehlerhaft gewesen oder unrichtig interpretirt worden. Nach diesen neueren Erfahrungen hätte man es also in der Pflanze mit zwei, von einander vollständig getrennten Durch- lüftungssystemen zu thun, von welchen das tracheale vollkommen geschlossen wäre und nirgends mit der äusseren Atmosphäre communiciren würde. Ein solches Durchlüftungssystem würde einen sonderbaren Gegensatz zu den inter- cellularen Durchlüftungsräumen bilden und auch im Thierreiche kein Analogon finden. Dazu kommt noch, dass gleichfalls von HÖHNEL eine ältere HAarTıGg’sche Beobachtung, die geringe Tension der Luft in den Gefässen betreffend, durch neue Versuche vollkommen bestätigt und mannigfach erweitert wurde. Wenn aber in den Gefässen ein »negativer Luftdruck« herrscht, welcher so gross werden kann, dass in transpirirenden, unter Quecksilber abgeschnittenen Zweigen das Quecksilber trotz des grossen capillaren Widerstandes bis zu 70 Centim. hoch ein- dringt, dann werden die Gefässe wie Saugpumpen fungiren, nicht aber die an- grenzenden Gewebe mit Luft versorgen. Zu diesen Beobachtungen gesellten sich noch andere, welche über den In- halt der Gefässe ganz unerwartete neue Aufschlüsse gaben. Wiederholt schon wurde von Böhm?) behauptet, dass die Gefässe vieler Pflanzen nicht mit Luft, N) Beiträge zur Kenntniss der Luft- und Saftbewegung in der Pflanze, PRINGSHEIM’s Jahr- bücher f. wissensch. Botanik. XII. Bd. 1879. ®) BÖHM’s auf diesen Gegenstand bezugnehmende Abhandlungen erschienen in den Land- wirthsch. Versuchsstationen, 20. Bd. 1877. pag. 357 ff.; in den Forschungen auf dem Gebiete 658 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. sondern mit wässerigem Safte erfüllt seien. Sie führen nicht nur Nachts diesen Inhalt, was auch HÖHNneEL zugab (l. c. pag. ı21) und zur Erklärung des negativen Luftdrucks in den Gefässen heranzog, sondern die älteren Gefässe sind auch bei Tage, zur Zeit der lebhaften Transpiration safthaltig. Nur die jüngsten Ge- fässe enthalten tagsüber Luft von geringer Tension. Hier wird nämlich das Nachts in Folge des Wurzeldruckes eingetretene Wasser bei Tage wieder verdunstet und derart erfolgt eine theilweise Entleeruug der Gefässe; da statt des verbraucht.n Wassers Luft nicht in genügender Quantität eindringen kann, so muss die Gefäss- luft wieder verdünnt werden. So erklärt Hönneı die geringe Tension der Luft in den jungen Gefässen. Dem gegenüber ist nun auf die von BÖHM gefundene und bereits vorhin erwähnte Thatsache Gewicht zu legen, dass alle älteren Gefässe auch während des Tages Saft führen; ihre Function als wasserleitende Röhren erfährt keine Unterbrechung. Das Erfülltsein der Gefässe mit Wasser kann sowol auf mikroskopischem wie auch auf experimentellem Wege demonstrirt werden. Von Böhm wurde zu diesem Behufe folgender einfache Versuch angestellt. Zweige von Acer, Aesculus, Betula, Tilia etc., welche ı—2 Centim. dick und gegen 50 Centim. lang sind, werden von einem Ende aus unter Quecksilberdruck mit Luft injicirt. Es erweisen sich hierbei entweder alle Gefässe des Quer- schnittes oder doch die des peripheren Holzes bei einem Ueberdrucke von einer Atmosphäre als impermeabel; oft wird aus denselben “eine bald versiegende zuckerhaltige Flüssigkeit ausgetrieben. Daraus folgt, dass die Gefässe wasser- haltig sind, wenn auch damit noch nicht gesagt ist, dass das Wasser continuirliche Fäden bildet, und die Gefässe auf grosse Strecken hin erfüllt; dass letzteres aber wirklich der Fall ist, geht aus dem Umstande hervor, dass frisch abgeschnittene Zweige für Wasser schon bei sehr geringem Drucke durchlässig sind. Wenn man auf die obere Schnittfläche eines solchen vertikal gehaltenen Zweiges, welcher selbst mehr als meterlang sein kann, einen Wassertropfen setzt, so dringt alsbald aus der abwärts gekehrten Schnittfläche ein Wassertropfen hervor. BöHm folgert aus diesem Versuche mit Recht das Vorhandensein von continuir- lichen Wasserfäden im saftleitenden Holze. Dagegen schloss Sachs!) aus demselben Versuche, welchen er mit frischem Tannenholze anstellte, auf die grosse Leitungs- fähigkeit der verholzten Zellwandungen, welche in diesem Ausmaasse allerdings staunenerregend wäre. Dass der erwähnte Versuch auch mit frischem wasser- reichen Tannenholze gelingt, welches doch gefässlos ist, erklärt sich wol einfacher und natürlicher aus dem Vorhandensein von gefässartig zusammenhängenden Tracheidensträngen, welche so wie die echten Gefässe ein System von ununter- brochenen Röhren bilden, und in welchen continuirliche Wasserfäden auftreten. Wenn also als feststehend zu betrachten ist, dass die Gefässe — mit Aus- nahme der jüngsten — keineswegs Luft enthalten, sondern auch zur Zeit der lebhaftesten Transpiration Wasser führen, so ist damit schon gesagt, dass diese Röhren das Wasser zugleich auch leiten. Denn dass bei der fortdauernden raschen Erneuerung des im Holze vorhandenen Wassers der in den Gefässen enthaltene Theil desselben keine Ausnahme machen wird, ist selbstverständlich. der Agrikulturphysik I. Bd.; und in der Bot. Zeitung unter dem Titel: Ueber die Function der vegetabilischen Gefässe, Jahrg. 1879. pag. 227 ff.; vergl. auch die Abhandlung desselben Autors »Ueber die Ursache der Wasserbewegung und der geringeren Lufttension in transpirirenden Pflanzen«e. Bot. Ztg. 1881. Nr. 49 und 50. ') Ueber die Porosität des Holzes, Arbeiten des Würzburger bot. Instituts. IL Bd. I. Heft. pag. 296. | F ry I ER 4. Das Ernährungssystem. 659 Alle künftigen Untersuchungen über die Function der Gefässe werden demnach wol in erster Linie ihre Eigenschaft als Wasserleitungsröhren zu berück- sichtigen haben. Ferneren Untersuchungen bleibt es auch vorbehalten, zu er- mitteln, in welchem Verhältnisse die durch das Gefässsystem beförderte Wasser- menge zu dem in den verholzten Zellwandungen aufwärts geleiteten Quantum steht. Dieses Verhältniss wird natürlich ein sehr variables sein, doch erscheint es schon jetzt nicht unwahrscheinlich, dass in den verholzten Zellhäuten der Wassertransport geringer ist, als man nach den gegenwärtig herrschenden An- sichten voraussetzen möchte. Die Arbeitstheilung im Holzkörper ist vielleicht doch schärfer durchgeführt, als man nach unseren damaligen Kenntnissen anzu- nehmen berechtigt ist. — Schliesslich muss auch erwähnt werden, dass erst künftige Untersuchungen über die Ursachen der Wasserbewegung in den Ge- fässen vollständig klaren Aufschluss werden geben können. Ueber die Beziehungen zwischen Bau und Anordnung der Gefässe und ihrer wasserleitenden Function ist begreiflicherweise noch wenig Positives mitzutheilen. Die so charakteristischen Verdickungsmassen ihrer Wandungen, nach welchen Ring- und Spiralgefässe, Netz- und Leitergefässe etc. unterschieden werden, haben wol die Aufgabe, eine genügende Aussteifung der Röhren zu bewerkstelligen, ohne einem eventuellen Stoffaustausch mit den benachbarten Elementen hinder- lich zu sein. Dass die ersten Gefässe, welche in einem jungen, in Streckung be- griffenen Organe ausgebildet werden, ring- oder spiralförmig verdickt sind, er- klärt sich aus dem Umstande, dass bloss diese beiden Verdickungsweisen eine weitgehende Dehnung der verdickten Gefässwandungen zulassen. Thatsächlich rücken die Ringe und Spiralwindungen der jungen Gefässe in dem Maasse als Sich das Organ streckt, immer weiter auseinander. Dass zwischen netzförmig verdickten und getüpfelten Gefässwandungen keine scharfe Grenze existirt, darf hier als bekannt vorausgesetzt werden. Ebenso giebt es zwischen den einfachen und den sogen. behöften Tüpfeln Uebergänge!), welche aber auf die un- bekannte Function der Hoftüpfel gegenwärtig noch kein Licht zu werfen ver- mögen. Die einfachen Tüpfel besitzen bekanntlich einen überall fast gleich weiten Tüpfelkanal. Bei den Hoftüpfeln dagegen erweitert sich dieser Kanal nach aussen in sehr beträchtlicher Weise, und nachdem die Tüpfel zweier be- nachbarter Gefässe miteinander correspondiren, kommt auf diese Weise ein linsen- förmiger Tüpfelraum zu Stande, welcher durch die dünne Mittellamelle in zwei Hälften getheilt wird; gewöhnlich wächst die Mittellamelle derart in die Fläche, dass sie sich später einer von den beiden Tüpfelwänden dicht anlegt. Jener mittlere Theil dieser zarten Membran, welcher über der runden oder spalten- förmigen Aussenmündung des Tüpfelraumes zu liegen kommt, verdickt sich ge- wöhnlich und bildet ein kleines Deckelchen. Der ganze Apparat ist also von verhältnissmässig complicirtem Bau. Sein so allgemein verbreitetes Vorkommen scheint eine wichtige Function anzudeuten, über welche aber derzeit bloss Ver- muthungen statthaft sind. Russow?) hält die Ansicht, dass der Hoftüpfel ein Klappenventil vorstelle, für die plausibelste, allein zur Begründung dieser aller- dings sehr ansprechenden Vermuthung fehlen gegenwärtig noch die meisten An- haltspunkte. Es wäre hierzu vor Allem eine genauere Kenntniss der Luft- und Saftbewegung im Holzkörper erforderlich. I) Vergl. SCHWENDENER, Mechanisches Princip. pag. I1o. 2) Ueber die Entwickelung des Hoftüpfels; Sitzungsberichte der Dorpater Naturforscher- Gesellschaft. Jahrg. 1881. pag. 1Io. — 2 29 LTR, SE 660 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Zum Schlusse sei hier noch mit einigen Worten auf die sogen. Thyllen hingewiesen. Dieselben bestehen aus rundlichen Zellen, welche das Innere eines Gefässes auf grössere oder kleinere Strecken hin oft dicht erfüllen. Sie kommen durch das Auswachsen von benachbarten Parenchymzellen zu Stande, deren Wandungen sich in das Innere des Gefässes einstülpen und zu Aussackungen werden, die sich durch Querwände von den Mutterzellen abgrenzen. Die Thyllen scheinen Verstopfungs-Einrichtungen vorzustellen. Denn wenn sie auch in älteren unverletzten Gefässen auftreten, so entwickeln sie sich doch besonders häufig unter den Schnittflächen der Aststumpfe und an den beiderseitigen Enden von Stecklingen.?) B. Die Leitung der Nährsalze und Aschenbestandtheile. Die aus dem Boden aufgenommenen Nährsalze schlagen zweifellos dieselben Leitungsbahnen ein, auf welchen das Wasser aus den Wurzeln aufwärts trans- portirt wird. Die Identität der Leitungswege ergiebt sich schon aus dem Um- stande, dass durch den aufsteigenden Wasserstrom ein wahrscheinlich sehr be- | trächtlicher Theil der gelösten Nährsalze mitgerissen wird. Es ist nicht anzu- nehmen, dass jener Theil der aufgenommenen Nährsalze, deren Bewegung un- mittelbar von den ernährungs-physiologischen Bedürfnissen der Pflanze geregelt wird, andere Leitungsbahnen einschlägt. Ueber die Translokation der Aschenbestandtheile?) ist gegenwärtig noch wenig bekannt. Es scheint aber gewiss zu sein, dass dieselben zum grössten Theile gemeinschaftlich mit den plastischen Bildungsstoffen translocirt werden, zum Theile vielleicht auch in chemischer Verbindung mit denselben. — Besondere Leitungsbahnen für Nährsalze und Aschenbestandtheile scheinen nicht zu existiren. C. Die Leitung der plastischen Bildungsstoffe. ı. Die stickstofflosen Baustoffe. Die hier in Betracht kommenden Stoffe sind vor Allem die Kohlehydrate und zwar Glykose und Stärke. Ihre Leitungs- bahnen sind in der Regel parenchymatische Zellenzüge, welche in den Blättern die Parenchymscheiden und das Parenchym der »Nerven«, in Blattstielen und Stengeln vorzugsweise das Rindenparenchym, im dicotylen Holzkörper das »Holz- und Markstrahlenparenchym« bilden. Diese hauptsächlich der Stoffleitung dienenden Gewebe sollen hier unter der Bezeichnung »Leitparenchym« zu- sammengefasst werden. 4 Wenn auch die einfachen Gefässbündelscheiden des Blattes allmählich und continuirlich in das Parenchym des Blattstieles und mit diesem in das Grund- gewebe des Stengels übergehen, so betheiligt sich doch in den letztgenannten Organen das Parenchym nicht gleichmässig an der Stoftleitung. Gewöhnlich findet eine Einengung, eine Lokalisirung der Leitungsbahnen statt, indem vor- zugsweise die den Gefässbündeln benachbarten Zellen mit der Stoffleitung be- traut werden. So kommen die sogen. Stärkescheiden (SacHs) oder Zucker- scheiden (pE VrıEs) zu Stande, von denen sich namentlich die ersteren oft scharf differenziren und durch ihren reichen Inhalt an feinkörniger Wanderstärke von den angrenzenden Zellen sehr deutlich abheben. Die anatomischen Merkmale dieser Scheiden sind wohl nicht ausreichend, um ihre Bevorzugung gegenüber den angrenzenden Parenchymzellen erklärlich zu machen. _ »Wir müssen die Ein- engung von Glykose oder Stärke auf einzelne Zellenzüge als eine Folge relativ I) Vergl. Bozrm, Ueber die Function der Gefässe. Separatabdruck. pag. 15. ?) Vergl. Prerrer, Pflanzenphysiologie. I. Bd. pag. 327. 4. Das Ernährungssystem. 661 überwiegender osmotischer Anziehungskraft (die von Umwandlung der dios- mirenden Produkte abhängt) ansehen, welche es der Stärkescheide und den be- nachbarten Zellen ermöglicht, bei geringerer Stoffmenge fast Alles an sich zu reissen.«!) Diese Einengung der Leitungswege findet aber bloss statt, wenn die Menge der wandernden Stofie keine beträchtliche ist. Bei ausgiebiger Stoffwanderung dagegen, wie z. B. in Keimpflanzen und Frühjahrstrieben wird das gesammte Leit- parenchym als Leitungsbahn benützt. So gewährt der Strom der wandernden Stoffe das Bild eines regulirten Flusses oder Stromes mit seinem für niedrigen oder mittleren Wasserstand berechneten Bette und seinem Inundationsgebiete, dass vom Hochwasser überschwemmt wird. 2. Die stickstoffhaltigen’Baustoffe wandern hauptsächlich in Form von Proteinsubstanzen. Die Leitungsbahnen derselben zeichnen sich durch eine scharfe Differenzirung aus und werden von den Sıiebröhren und Cambiform- zellen repräsentirt, welche zusammen das Leptom (den Weichbast oder Sieb- theil) des Gefässbündels bilden. In den ringsum geschlossenen Cambiformzellen können bloss lösliche Ei- weissubstanzen translocirt werden; dieselben sind zartwandige, gestreckte Zellen, mit prosenchymatischen Enden und feinkörnigem Plasmakörper. Die Siebröhren da- gegen sind Zellfusionen, in welchen auf grössere Strecken hin eine Massenbe- wegung der Inhaltsstoffe möglich ist. Es scheint demnach auch im Leptomtheile das Princip der Arbeitstheilung zur Geltung gekommen zu sein, indem es zur Leitung der leichter löslichen Proteinstoffe das Cambiform, zur Leitung der schwer löslichen die Siebröhren bestimmte. Mit den Siebröhren, welche zu den vollkommensten Leitungsbahnen der Pflanze gehören, haben wir uns hier noch etwas näher zu beschäftigen. Die Siebröhren entstehen aus Längsreihen von gestreckten Zellen, welche noch späterhin als ihre Glieder unterscheidbar sind. Dieselben sind von ein- ander in den primären Gefässbündeln durch quergestellte, im secundären Leptom der Dicotylen dagegen durch sehr schief gestellte Wandungen getrennt. Die Siebplatten entstehen aus scharf umgrenzten Partien dieser Trennungswände, welche von runden oder polygonalen Poren dicht und gleichmässig besät sind. Diese Poren sind wirkliche Löcher und der Ausdruck Siebplatte ist demnach vollkommen bezeichnend. Die Weite der Poren bleibt sich an ein- und derselben Siebplatte nicht immer gleich. Indem die Platte ein allseitiges callöses Dickenwachsthum zeigt, verengern sich die Poren und werden unter Umständen auch ganz geschlossen. Durch die leichte Löslichkeit der Callus- masse ist aber die Möglichkeit gegeben, enge Poren wieder zu erweitern oder geschlossene zu öffnen. Der Callus stellt also, wie auch von WILHELM?) hervor- gehoben wurde, eine Vorrichtung vor, welche eine je nach Bedarf ver- schiedene Weite der Poren ermöglicht. Wenn z. B. vor Eintritt der Winterruhe häufig ein vollständiger Verschluss der Siebporen bewerkstelligt und damit jede Massenbewegung in den Röhren sistirt wird, so kann dies nur als eine vortheilhafte Einrichtung bezeichnet werden Dass nach dem Gesagten die Siebplatten auch in functioneller Hinsicht wirkliche Siebe vorstellen, liegt wohl auf der Hand. Ueber jeder horizontalen I) PFEFFER, Pflanzenphysiologie. I. Bd. pag. 332. ?) Beiträge zur Kenntniss des Siebröhrenapparates dicotyler Pflanzen. Lpzg. 1880. pag. 73. 662 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Siebplatte ist gewöhnlich eine Schleimansammlung wahrnehmbar, sei es in Gestalt einer dünnen Platte oder eines ziemlich hohen Pfropfes. Dieser protoplasmatische- Schleim dringt durch die Siebporen und communicirt so mit dem Schleimin- halte des nächsten Siebröhrengliedes. Die Siebplatten hemmen also bis zu einem gewissen Grade die Massenbewegung des protoplasmatischen Schleimes und eine solche Hemmung liegt offenbar im Interesse eines stetigen, gleich- mässig raschen Transportes. Besonders erwähnenswerth ist es auch, dass die Schleimansammlungen über den Siebplatten in sehr vielen Fällen zahlreiche kleine Stärkekörnchen enthalten, welche die Platte dicht bedecken und von der- selben augenscheinlich aufgehalten werden sollen. Wenn Brıosı in den Poren Stärkekörnchen stecken sah, so ist daraus nicht zu folgern, dass die Siebröhren auch die Translocirung geformter Stärke zu vollziehen haben, sondern es ist da- raus einfach der Schluss zu ziehen, dass die betreffende Siebplatte nicht genug enge Poren besass, um die Stärkekörner vollständig aufzuhalten. Nur eine gründ- liche Verkennung der Beziehungen zwischen Bau und Function der Gewebe konnte die erstere Schlussfolgerung aufkommen lassen, welche gegenwärtig übrigens ziemlich allgemein perhorrescirt wird.!) Auf die mechanischen Ursachen der Bewegung des Siebröhreninhaltes, auf die Abhängigkeit der Strömung von Turgescenzänderungen der Gewebe, sowie auch auf andere, die rein physiologische Seite des Gegenstandes berührende Fragen kann in dieser Abhandlung umsoweniger eingegangen werden, als unsere der- zeitigen Kenntnisse in dieser Hinsicht noch sehr fragmentarisch sind. — Bisher war stets von der Leitung der Proteinstoffe die Rede. Die stickstoff- haltigen Baustoffe wandern aber auch häufig als Amide, von welchen nach den Untersuchungen von PFEFFER u. A. namentlich das Asparagin zu nennen ist. Als Leitungsbahnen dienen demselben die Zellenzüge des die Kohlehydrate trans- locirenden Leitparenchyms. Zu den Leitungsorganen für plastische Bildungsstoffe sind höchst wahrschein- lich auch die Milchröhren zu rechnen. Die in ihnen enthaltenen Milchsäfte enthalten zwar verschiedene Stoffe, welche als Endprodukte des Stoffwechsels in ernährungsphysiologischer Hinsicht werthlos sein dürften, wie Harze, ätherische Oele, Kautschuk etc., allein neben diesen kommen im Milchsafte auch grössere oder kleinere Quantitäten von Kohlehydraten (Stärke, Glykose), Eiweisssubstanzen und Fetttröpfchen vor. Von FAıvrE?) wurde beobachtet, dass bei Tragopogon porri- Jolius der Milchsaft im Dunkeln verschwindet, im Lichte aber wieder neuge- bildet wird. Er constatirte ferner den Verbrauch des Milchsaftes bei raschem Wachs- thum einzelner Organe; bei Morus alba ist der Milchsaft im Winter trüber, also substanzreicher als im Sommer und auch SacHs fand, dass in verdunkelten Blüthensprossen von /pomoea purpurca der Milchsaft eine wässerige Beschaffen- heit annahm, während derselbe in den beleuchteten Organen der Pflanze trübe war. Aus diesen und ähnlichen Beobachtungen geht deutlich hervor, dass der Milchsaft plastische Baustoffe enthält und dass die Milchröhren einestheils als Reservestoffbehälter (?), anderentheils als stoffleitende Organe fungiren.?) !) Sacns, Lehrbuch d. Botanik, 4. Aufl. pag. 682; pw BArv, Vergleichende Anatomie, pag. 187; C. WILHELM, ]. c. pag. 73. ?2) Faıvre®’s diesbezügliche Abhandlungen erschienen in den Annales d. sc. nat. V. Serie, T. VI. (1866) u. T. X. (1869); ferner in den M&moires de l’academie de Lyon. T. XXI. 1878, 3) Während der Correctur dieser Abhandlung kam dem Verf. derselben eine grössere Schrift a rc 4. Das Ernährungssystem. 663 D. Bau und Anordnung des Leitungssystems. Nachdem wir in den bisherigen Abschnitten die verschiedenen Elementar- organe der Stoffleitung kennen gelernt, wollen wir jetzt einen kurzen Ueberblick auf die verschiedenen Arten ihrer Vereinigung zu stoffleitenden Gewebecomplexen zu gewinnen suchen. Es soll dabei zunächst bloss auf die primäre Anordnung der Gewebe Rücksicht genommen werden. Den Holzkörper der Dicotylen wollen wir einer gesonderten Betrachtung unterziehen. Den einfachsten Bau zeigen jene Bündel des Leitungssystems, welche ent- weder bloss aus wasserleitenden, aus eiweissleitenden oder aus Kohlehydrate leiten- den Elementen bestehen. So setzen sich die feinen Gefässbündelanastomosen in Blättern und Stengelorganen häufig bloss aus einigen 'Tracheiden zusammen, welche zarte Wasseradern vorstellen. Dieselben sind allerdings meistens von glykoseleitenden Gefässbündelscheiden umgeben, in diesem Falle also nicht hier- her gehörig. Allein es kommt auch vor, dass diese Wasseradern in Baströhren verlaufen, wie z. B. in derben Monocotylenblättern (Rhapis, Vanda fulva) oder in den flügelartigen Deckblättern des Fruchtstandes der Linde. Viel häufiger sind zarte Leitbündel, welche bloss aus eiweissleitenden Ele- menten, aus Cambiformzellen und Siebröhren bestehen. In allen Organen durch welche ein ausgiebiger Eiweisstransport stattfindet, vor Allem in Blüthenschäften, kommen neben den gewöhnlichen Gefässbündeln solche eiweissleitende Leptom- stränge nicht selten vor. Im Blüthenschaft von /Zantago lanceolata verlaufen zwischen den grösseren und kleineren Gefässbündeln, welche sich innen an den Bastring anlehnen, zahlreiche solcher ganz kleiner Leptombündelchen, deren Quer- schnittscontouren meist dem Umrisse einzelner Parenchymzellen gleichkommen. Endlich können auch jene glykoseleitenden Zellenzüge, -welche gewöhnlich die zarten Gefässbündel der Laubblätter umscheiden, zu selbständigen zarten Leit- parenchymsträngen zusammentreten; ich habe dieselben im Blatte von Zücus elastica beobachtet, wo sie häufige Anastomosen zwischen den gewöhnlichen Leitbündeln herstellen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle vereinigen sich die im Vorstehenden als isolirt geschilderten Leitungsstränge zu gemeinschaftlich verlaufenden Bündeln. Ein vollständiges Leitbündel im anatomisch-physiologischen Sinne setzt sich demnach aus drei verschiedenen Arten von Gewebesträngen zusammen. Die eiweissleitenden Elemente bilden den zarten Leptomtheil des Bündels; die wasserleitenden Gefässe und Tracheiden, zu welchen sich auch häufig Holz- parenchym gesellt, bilden den derben Hadromtheil. Diese zusammen als Gefässbündel bezeichneten Theile werden noch von den die Hauptmenge Kohlehydrate leitenden Parenchymscheiden umschlossen. Da jede dieser drei stoffleitenden Gewebearten in ihrer Function von den sie begleitenden Strängen unabhängig ist, so darf die Frage nicht als überflüssig bezeichnet werden, aus welchen Gründen die Pflanze in weitaus den meisten Fällen die Vereinigung dieser Stränge zu gemeinschaftlichen Leitbündeln dem isolirten Verlaufe jener Stränge entschieden vorzieht? Diese Gründe sind derzeit noch nicht klar zu übersehen. Sie scheinen u. A. in der individuellen und über »die physiologische Bedeutung des Milchsaftes von Zuphorbia Lathyris L.« von J. SCHULLERUS zu, welche in den Abhandlungen des Vereins der Provinz Brandenburg XXIV. erschienen ist. SCHULLERUS gelangte u. A. zu dem Ergebnisse, dass der Milchsaft der genannten Pflanze ein Bildungssaft ist, und dass die Milchsaftschläuche ausschliesslich als Leitungsröhren und nicht als Reservestoff behälter fungiren. 664 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. historischen Entwickelungsgeschichte zu liegen. Es unterliegt nämlich keinem Zweifel, dass die aus Leptom- und Hadrom-Elementen bestehenden Leitbündel der höher entwickelten Pflanzen aus leitenden Gewebesträngen hervorgingen, welche das Princip der Arbeitstheilung noch nicht erkennen liessen und aus lauter gleichmässig geformten Zellen zusammengesetzt waren. Solche Urleitbündel besitzen auch heute noch die Stämmchen der Laubmoose. Aus ihnen entstan- den durch allmählich fortschreitende Gewebedifferenzirung die Leitbündel. der »Gefässpflanzen«. Historisch betrachtet sind also die isolirt verlaufenden Leptom- und Hadrombündel und Leitparenchymstränge gewissermassen aus der Auflösung (B. 282.) Fig. 23.13 Collaterales Gefässbündel aus dem Halm von Aambusa Simoniü mit Bastbelegen. g grosse getüpfelte Gefässe; ] intercellulare Luftlücke — dazwischen Gefässe und Tra- cheiden; ss Siebröhren, darüber Cambiform, welches auch gegen innen zu die Siebröhren umsäumt; bb die 4 Bastsicheln; die oberste zum Schutze des Leptoms; die beiden seitlichen zum Schutze der beiden grossen Gefässe; pp starkwandiges Grundgewebe. der gewöhnlichen Leitbündel in ihre Hauptbestandtheile hervorgegangen. Und wer dies nicht gelten lassen möchte, wird doch der Annahme zustimmen, dass jene isolirten Bündelchen später erworbene anatomische Eigenthümlichkeiten, dass sie jüngeren Datums seien, als die typischen Leitbündel. Nach der Anordnung des Leptoms und Hadroms unterscheidet man drei Hauptformen von Gefässbündeln; die collateralen, concentrischen und radialen Bündel. Ein collaterales Gefässbündel kommt zu Stande, wenn Leptom- und Hadromtheil nebeneinander verlaufen und sich dabei seitlich berühren. Wird 4. Das Ernährungssystem. 665 einHadromstrang von zwei einander gegenüberstehenden Leptombündeln begleitet, so pflegt man dies Gefässbündel als bicollateral zu bezeichnen. Den erstge- nannten Bau zeigen die Gefässbündel im Stamm und Blatt der Pbanerogamen; ferner im Stamm der Equiseten, der Ophioglosseen, der Farngattungen Osmunda und 7Zodea und die kleineren Gefässbündel in den Blattspreiten der meisten Farne. Im Stamme sind die Bündel gewöhnlich so orientirt, dass das Leptom der Peripherie, das Hadrom dem Centrum zugekehrt ist. Im dorsiventralen Blatte ist die Anordnung eine gleichsinnige, in dem sich das Leptom der Ober-, das Hadrom der Unterseite des Blattes zukehrt. Die Ursachen dieser meist sehr constanten Lagerung sind bisher noch unaufgeklärt. Bei der Lösung dieser Frage handelt es sich zunächst um die Beantwortung der Vorfrage, welches die primäre anatomische 'Thatsache sei, die Orientirung des Gefässbündels im Stamme oder seine Orientirung im Blatte? Da die kleineren Gefässbündel in den Wedel- spreiten der Farne collateral gebaut sind und die in Rede stehende Orientirung zeigen, während die Stammbündel den später zu erläuternden concentrischen Bau besitzen, so ergiebt sich hieraus für die Farne mit Nothwendigkeit, für die Phanerogamen mit grösster Wahrscheinlichkeit, dass der collaterale Bau des Ge- fässbündels und seine Orientirung im flachausgebreiteten Laubblatte eine primäre anatomische Thatsache ist. Unterstützt und noch näher beleuchtet wird diese Annahme durch die Beobachtung, dass zwischen dem collateralen Bau der Farn- gefässbündel und dem dorsiventralen Bau des Mesophylis der Blattspreiten ein Parallelismus herrscht, aus welchem hervorgeht, dass der collaterale Bau der Gefässbündel selbst nur ein Glied in der Kette jener anatomischen Erscheinungen vorstellt, welche zusammen den dorsiventralen Bau des ganzen Blattes ausmachen. So wie die Dorsiventralität des Mesophylis, nämlich ‘das Auftreten des Pallisaden- gewebes auf der Oberseite, des Schwammparenchyms auf der Unterseite des Blattes, im Dienste der Function des ganzen Laubblattes steht, ebenso wird auch die oben erwähnte Orientirung der Gefässbündel von irgend einem Vortheile be- gleitet sein, der aber bis jetzt noch gänzlich unbekannt ist!). — Vor der soeben besprochenen normalen ÖOrientirung der collateralen Ge- fässbündel kommen zuweilen Abweichungen vor; es kann sogar genau die um- gekehrte Orientirung eintreten. Solche Fälle besitzen aber für uns kein weiteres Interesse, da sie eben nur neue und noch complicirtere Räthsel sind, als die normale Lagerung. Von einem concentrischen Bau des Gefässbündels pflegt man zu sprechen, wenn einer der beiden Haupttheile die Mitte einnimmt und von dem anderen scheidenförmig rings umgeben wird. In den meisten Fällen bildet der Hadrom- theil die Mitte, das Leptom die Umhüllung: derartig sind die Gefässbündel im Stamme und mit Ausnahme der kleineren Bündel auch im Laube der Farne gebaut. Auch verschiedene Dicotylen sind hierher gehörig?). Die umgekehrte Anordnung der beiden Gefässbündeltheile zeigen die peripherisch gelegenen Enden der Blattspurbündel in manchen Monocotylen-Rhizomen Zris germanica, Cyperus aureus, FPapyrus, Acorus calamus.) Was dıe Beziehungen dieser beiden Anordnungsweisen zum collateralen Gefässbündelbau betrifft, so ist es zweifellos, dass das collaterale Bündel aus dem concentrischen mit centralem Hadromtheil I) Eingehender findet man dieses Thema in meiner Abhandlung »Ueber collaterale Gefässbündel im Laube der Farne« Sitzungsberichte der Wiener Akademie. 84 B. I. Abthl. 1881 besprochen. 2) Vergl. die vollständige Aufzählung in DE Bary’s Vergl. Anatomie. pag. 353 ff. 666 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. hervorgegangen ist, während umgekehrt das concentrische Bündel mit centralem Leptomtheil aus dem collateralen entstanden ist. Die Ursachen und Vortheile dieser Umwandlungen sind aber noch gänzlich unbekannt. Die radialen Bündel charakterisiren sich durch eine strahlige Anordnung des Leptoms und Hadroms. Der Hadromtheil bildet radiale Platten in grösserer oder geringerer Anzahl, zwischen welchen das Leptom in ebenso vielen isolirten Streifen auftritt. Im Centrum des Bündels kommt oft ein parenchymatisches Markgewebe oder Bast zur Ausbildung. Weil dieser Typus in den meisten Wurzeln, also in zugfesten Organen zur Anwendung kommt, so werden auch zwischen die einzelnen Radien der Gefässbündeltheile die Elemente des mechani- schen Systems vertheilt, da sie oft nur auf diese Weise ihre vom mechanischen Principe vorgezeichnete centrale Lagerung einnehmen können. Auch be- züglich der radialen Bündel müssen erst künftige Untersuchungen über die physiologische Bedeutung ihres anatomischen Baues Aufschluss geben. — Auf die seit NÄGELI so vielfach untersuchten Details bezüglich des Längs- verlaufes der Gefässbündel in Stämmen und Blättern kann hier nicht näher ein- gegangen werden. Bloss ganz im Allgemeinen sei hier hervorgehoben, dass im Verlaufe der Gefässbündel als oberstes Anordnungsprincip die möglichst rasche und ausgiebige Versorgung aller Organe mit jenen Nähr- und Baustoffen zur Geltung kommt, welche die betreffenden Organe für inr Wachsthum und ihre Function benöthigen. Durch die Anordnung der Gefässbündel wird dem- nach auch jene häufige Ungleichheit der äusseren Ernährungs-Bedingungen un- wirksam gemacht, welche an sich einen ungleichmässigen Aufbau, eine gestörte Architektonik der Pflanzenform bedingen könnte. Im Längsverlaufe der Ge- fässbündel macht sich nicht nur eine oft bewundernswerthe Regelmässigkeit, sondern auch eine nicht minder grosse Zweckmässigkeit geltend und es wäre ein lohnendes Beginnen, auch auf diesem Gebiete die Uebereinstimmung zwischen Anordnung und Function an zahlreichen Beispielen darzulegen. — Was die Anordnung der Gefässbündel auf dem Querschnitte des Stammes betrifft, so muss ich hier gleichfalls alle Details beiseite lassen. Es soll hier bloss die von SCHWENDENER!) constatirt centripetale Tendenz der Gefässbündel in den Stammtheilen der Monocotylen erwähnt werden. Wo sich diese Tendenz in schwach gebauten Rhizomen zeigt, z. B. bei Zemerocallis fulva, Agave americana, Sagittaria sagittaefolia, oder in den Stammorganen von Wasserpflanzen, welche nur in ganz geringem Masse dem Zuge ausgesetzt sind, z. B. bei Poramogeton crispus, Najas, Ruppia, Hydrilla etc. da hat dieses Zurückweichen der leitenden Stränge mit den mechanischen Verhältnissen offenbar nichts zu thun. Dass aber andererseits in biegungsfesten Organen ein Zurückweichen der Leitbündel von der auf Zug und Druck am stärksten beanspruchten Peripherie und eine An- näherung an die neutrale Achse vortheilhaft ist, kann nicht geleugnet werden. — Eine gesonderte Besprechung erfordert die Vertheilung der leitenden Gewebe- elemente im Holze der dicotylen Laubbäume. Bereits bei Besprechung des mechanischen Systems wurde auseinandergesetzt, dass im »Jahresringe« des Holz- körpers die leitenden Elemente nicht bündelweise auftreten, wie in den Bastringen vieler Monocotylen und Dicotylen, sondern dass dieselben in ein Maschenwerk aus- einandergedrängt sind, welches aus einzelnen Zellenzügen besteht. Zwischen den- k) Mechanisches Princip. pag. 124. 4. Das Ernährungssystem. 667 selben befinden sich die mechanischen Elemente, die Libriformzellen. Begreif- licherweise wird diese Vertheilung der Gefässbündelelemente nicht so weit gehen dürfen, dass eine vollständige Isolirung derselben eintritt. Eine stärkeleitende Holzparenchymzelle, ringsum von mechanischen Fasern umgeben, wäre vollkommen functionsunfähig. Es darf also die wechselseitige Durchdringung von Stereom und Mestom zu keiner Zerreissung des letzteren führen; die leitenden Elemente müssen vielmehr überall in einem solchen Zusammenhange stehen, dass die Continuität des Saftstromes nirgends gefährdet wird. Zu jeder Holzparenchymzelle, zu jeder Markstrahlenzelle muss eine direkte Stoffzufuhr möglich sein. Diese vom anatomisch-physio- logischen Standpunkte aus erhobene Forderung wird vom Holzkörper der dicotylen Laub- bäume in sehr vollkommener Weise erfüllt. Es geht dies aus den eingehenden Unter- suchungen hervor, welche J. TROSCHEL!) über diesen Gegenstand angestellt hat. Derselbe untersuchte namentlich das Holz von Kobinia Pseudoacacia, Fagus silvatica und Caragana arborescens, sowie einiger anderer Bäume und Sträucher und fand überall, dass sich die Holzparenchymzellen mit Markstrahlen in rang) (B. 283) Verbindung setzen. Bei Fagus sylvatica Schematische Darstellung des allseitigen werden die Markstrahlen durch tangentiale Zusammenhanges der Hadromelemente im Bänder aus Holzparenchym verbunden. Solche Holze von Caswarina (nach WIESNER). is SE > gg Gefässe, mm Markstrahlen, pp Holz- Tangentialbinden kommen auch im sogen. parenchymlamellen. Alle Zwischenräume Eisenholze vor (Casuarina eguisetifolia) und die werden von mechanischen Zellen (Libri- nebenstehende Abbildung, welche lange vor der u Entdeckung des hier zu besprechenden Sachverhaltes von WIESNER?) gezeichnet wurde, bringt diesen innigen Zusammenhang aller Mestomelemente sehr deutlich zur Darstellung. In anderen Hölzern bildet das Holzparenchym längsverlaufende Zellreihen, deren schiefe Endigungen sich stets seitlich an eine Markstrahlenzelle anlegen. Die Tüpfelung der sich berührenden Wände beweist den Stoffaustausch, der an diesen Stellen stattfindet. Gewöhnlich stehen auch die Gefässe mit den Elementen des Amyloms, wie TROSCHEL das System der stärkeleitenden Holz- parenchym- und Markstrahlenzellen nennt, in seitlicher Verbindung, wenn auch die physiologische Nothwendigkeit eines solchen Anschlusses keine zwingende ist. E. Ausbildung des Leitungssystems bei veringerten oder gesteigerten Ansprüchen an das Leitungsvermögen. In einem besonderen Abschnitte soll hier noch die Ausbildung des Leitungs- systems unter solchen biologischen Verhältnissen erörtert werden, welche eine Veringerung oder Steigerung des Leitungsvermögens zur Folge haben. Wir werden hierbei auf's Neue sehen, dass auch im Baue der leitenden Gewebestränge vor Allem das physiologische Princip zur Geltung kommt. Nachdem die Ausgiebigkeit der Wasserleitung in der Pflanze hauptsäch- D) Untersuchungen über das Mestom im Holze der dicotylen Laubbäume. Inauguraldisser- tation. Berlin 1879. 2?) Rohstoffe des Pflanzenreiches. pag. 616. 668 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. lich von der Transpirationsgrösse der letzteren abhängig ist, so werden natürlich an das wasserleitende Gewebe submerser Wasserpflanzen nur die allergeringsten Anforderungen gestellt. Dementsprechend degenerirt das System der Wasser- leitungsröhren oft vollständig und auch die Verholzung der Zellwandungen ist nur eine ganz geringe. Bei einer ganzen Reihe von hierhergehörigen Gewächsen werden zwar in den jungen Internodien Ring- und Spiralgefässe angelegt, sie gehen aber sehr bald auf lange Strecken vollständig zu Grunde und an ihre Stelle tritt ein Intercellularkanal.!)- So verhält sich die Sache z. B. bei ver- schiedenen Zofamogeton-Arten (P. perfoliatus, lucens, gramineus, densus, crispus) bei Zanichellia, Althenia, Cymodocea u. A. Bloss in den Knoten bleiben die Ge- fässe persistent. Bei Zlodea canadensis werden ı—2 axile Gefässe angelegt; bei Beginn der Streckung verschwinden sie überall, auch in den Knoten. Bei Cera- Zophylium und Najas findet nach Sanıo nicht einmal eine Anlage von Gefässen statt. Bemerkenswerth ist, dass das eiweissleitende Leptom von dieser Degene- ration durchaus nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Eiweissleitung voll- zieht sich eben unabhängig von dem Medium, ın dem die Pflanze vegetirt. Von Interesse ist auch die Vergleichung des Gefässbündelbaues bei nahe verwandten Pflanzenformen, von welchen die einen Wasserpflanzen, die anderen Landpflanzen sind. So bildet DE Bary in seiner vergleichenden Anatomie pag. 345 die Querschnitte von zwei ungefähr gleich starken Gefässbündeln ab, von welchen das eine dem kriechenden Stengel von Ranunculus repens, das andere dem Stengel von Aanunculus fluitans angehört. Das Gefässbündel der Landform enthält 3 kleinere Ring- und Spiralgefässe und 4 weite Tüpfelgefässe. Jenes der Wasser- form enthält ı kleines Ring- und Spiralgefäss und 3 etwas weitere Gefässe mit spiral- und netzfaseriger Wand, welche aber im Durchschnitt beträchtlich enger sind, als die Tüpfelgefässe von A. repens. Aehnliche Beobachtungen finden sich in der anatomischen Literatur mehrfach vor. An dieser Stelle soll hier nur noch eine Beobachtung Bönm’s?) mitgetheilt werden, welche die grosse Anpassungs- fähigkeit der Weidenzweige an geänderte, die Ansprüche an das Wasserleitungs- vermögen modificirende Verhältnisse darlegt. Werden abgeschnittene Zweige von Salix fragilis im Frühjahre nach Beginn der Holzbildung unter Wasser getaucht, so fahren sie gewöhnlich auch unter den neuen Verhältnissen fort, sich zu ver- dicken, das neugebildete, oft aus mehr als zo Zelllagen bestehende Holz ist aber gefässlos. Eine Verringerung der Ansprüche an das eiweissleitende Leptom und die zuckerleitenden Gefässbündelscheiden findet z. B. in dem als Flugorgan dienenden Deckblatte der Linden-Inflorescenz statt. Dieses leicht und doch fest gebaute Organ besitzt zahlreiche Gefässbündelanastomosen, welche die Schubfestigkeit des in dieser Hinsicht natürlich ausnehmend stark beanspruchten Blattes her- stellen. Weil nun in der Function dieser Anastomosen die mechanische Be- deutung ganz vorwiegt, die Stoffleitung dagegen vollkommen zurücktritt, so werden zunächst diejenigen Gefässbündel-Elemente in der Ausbildung vernach- lässigt, deren mechanische Bedeutung am geringsten ist, dies sind die Elemente des Leptoms; dasselbe fehlt auch in stärkeren Anastomosen oft vollständig, während es in gleich starken Anastomosen der Laubblätter von normaler Aus- ') Eine ausführliche Schilderung der hierhergehörigen »unvollkommenen und rudimentären Bündelstämme« findet sich bei pw BArY, Vergl. Anatomie. pag. 381 ff. ?) Ueber die Function der veget. Gefässe. Separatabdruck. pag. 14. RE VRR 1 4. Das Ernährungssytem. 669 bildung ist. — Und statt von glykoseleitenden Parenchymscheiden werden die grösseren und kleineren Anastomosen von festen Bastscheiden umgeben. Es sollen nunmehr einige Beispiele von gesteigerten Ansprüchen an das Leitungsvermögen besprochen werden. Wenn sich diese Ansprüche auf den Wassertransport beziehen, so sorgt die Pflanze fir eine vermehrte Anzahl von Gefässen und für eine ausgiebigere Verholzung der Zellwandungen. Wenn es sich um die Translokation einer grösseren Menge von plastischen Bildungstoffen handelt, so erfolgt entweder eine stärkere Ausbildung der vorhandenen Leitungs- stränge, oder es wird die Zahl derselben entsprechend vermehrt. Der erste Fall einer Vergrösserung der Leitungsbahn lässt sich in vielen Blüthenstandsachsen und Fruchtstielen beobachten, in welchen natürlich zur Zeit des Reifens eine sehr lebhafte Stoffleitung stattfindet. Namentlich erfahren die eiweissleitenden Gewebe eine solche Vergrösserung. Als ein instructives Beispiel mögen hier mehrere Zahlenangaben über die quantitative Ausbildung der Ge- webe auf den Querschnitten von zwei Haselnusszweigen (Corylus Avellana) einen Platz finden, von welchen der eine zwei männliche Blüthenkätzchen trug!), der andere ein einjähriger, vegetativer Zweig war. Die Messungen wurden in der Weise ausgeführt, dass ich mittelst des Zeichenprismas die Querschnitte der Zweige mit den Umrissen der einzelnen Gewebearten auf einem Blatt Papier genau skizzirte, dann die den einzelnen Geweben entsprechenden Partien herausschnitt, abwog, und so die Querschnittsgrössen berechnete. In der nachstehenden kleinen Tabelle wurden die gefundenen Zahlen auf gleich grosse Zweigquerschnitte reducirt und diese letzteren — 100 gesetzt. Zu erwähnen ist noch, dass die Messungen im März, kurz vor Beginn des Stäubens der Blüthenkätzchen vorgenommen wurden. ale tt Blüthenkätzchen Vegetativer Quersehnittsgrösse ZE 38; tragender Zweig Zweig des Rindenparenchyms. . .... 62,6 41,3 BEREDLOMSE. ann „sen ET,2 BEETCLONS Se une 6 DO,8 32,9 ehlarkes:e % 4 ,0.. 10,2 14,6 Aus diesen Zahlen sind sehr deutlich die verschiedenen Ansprüche an das Leitungsvermögen der beiden Zweige herauszulesen. Die für die Leitung der plasti- schen Bildungsstofte zunächst bestimmten Gewebe, das Rindenparenchym und das Leptom beanspruchen im Blüthenkätzchen-tragenden Zweige 798, im vegetativen Zweige bloss 52,50 des gesammten Querschnittes. Dagegen ist das vorzugsweise wasserleitende Hadrom im vegetativen Zweige dreimal so stark ausgebildet, als im fertilen, entsprechend den so ungleichen Transpirationsgrössen der Organe, welche sie mit Wasser zu versorgen haben. Uebrigens wird der letztgenannte Unterschied jedenfalls auch durch die verschieden grossen Ansprüche an die Festigkeit der beiden Zweige mitbedingt. Ich gehe nun auf den zweiten Fall über, in welchem das gesteigerte Leitungs- bedürfniss durch eine vermehrte Anzahl von Leitbündeln befriedigt wird. Zwei hieher gehörende Beispiele sind von WESTERMAIER?!) eingehend geschildert worden. Das erste Beispiel betrifft die mit Knollen und Rhizomen überwinternden Begonien b) Es ist hier der kurze »Stiele gemeint, welcher die gemeinschaftliche Inflorescenzachse bildet. 2) Ueber das markständige Bündelsystem der Begoniaceen, Flora 1879; ferner: “Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Pflanzen, II. Ein abnormer Dicotylentypus, Monatsberichte der k. Akademie der Wissensch. in Berlin. 1881. pag. 1064. ScHENk, Handbuch der Botanik. II. 43 670 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. (B. boliviensis, tuberculata, hybrida, ignea, robusta, Rex, hydrocotylifolia u. A.) deren Stammtheile natürlich grössere Stoffmengen zu leiten haben, als diejenigen Degonia- Arten, welche den Winter mit oberirdischen, verholzten Stämmen überdauern. Diesem in Folge dss »Einziehens« der Reservestoffe gesteigerten Leitungsbedürf- nisse entsprechen die markständigen Leitbündel, welche ein System von stamm- eigenen Bündeln bilden, welches den schwächer gebauten, nicht mit Knollen oder Rhizomen überwinternden Begoniaceen abgeht. Das zweite Beispiel bezieht sich auf verschienene Campanula-Arten, welche sich durch grösseren Blüthenreichthum von anderen Arten auszeichnen, und bei welchen die einzelnen Blüthen häufig gruppenweise beisammenstehen. Hierher gehören z. B. Camp. Trachelium und multiflora. Begreiflicherweise werden die unterhalb der knäuel- und köpfchen- artigen Inflorescenzen befindlichen Stammpartien wegen der ungefähr gleichzeitigen Samenbildung reichlicher mit leitenden Elementen ausgestattet sein müssen als die armblüthigen, oder mit mehr gleichmässig vertheilten und nach einander reifenden Blüthen besetzten Stammtheile anderer Formen. Die Vermehrung der leitenden Stränge geschieht durch markständige Bündel, welche bei C. Trachelium sehr nahe dem inneren Rande des normalen Holzringes liegen, bei C. muliflora zwei concen- trische Kreise bilden, von denen der äussere dem normalen Bündelring sehr nahe liegt, während ein viel kleinerer das Innere des Markgewebes umschliesst. Von besonderem Interesse ist die Ausbildung der stoffleitenden Gewebe in den Stammtheilen der Schling- und Kletterpflanzen, welche in neuerer Zeit von WESTERMAIER und AMBRONN!) in gelungener Weise mit den biologischen Eigenthümlichkeiten dieser Gewächse in Beziehung gesetzt wurde. Für den Bau des Leitungssystems ist hier der Umstand massgebend, dass die Leitungsbahnen stark eingeengt und dabei sehr lang sind. Es ergiebt sich daraus die Nothwendig- keit einer möglichst vollständigen Beseitigung aller Hindernisse, welche einer raschen Stoffleitung im Wege stehen. Dieser Anforderung entspricht nun der anatomische Bau des Leitungssystems vollständig. Beim Wassertransport in den Gefässen handelt es sich, wenn eine schnellere Fortbewegung erzielt werden soll, um eine möglichste Veringerung der Adhäsion des Wassers von den Gefässwänden. »Eine solche Verminderung der Adhäsion wird am besten durch die Vergrösserung des Querschnittes der leitenden Kanäle erreicht; denn auf diese Weise wird, da die Cylindermäntel (bei gleicher Höhe) proportional dem Radius, die Inhalte derselben aber proportional dem (Quadrate des Radius wachsen, die Grösse der adhärirenden Flächen im Verhältnisse zur Menge der zu leitenden Stoffe vermindert.«?) — Nun ist es eine schon längst be- kannte Eigenthümlichkeit der Schling- und Kletterpflanzen, dass ihre Stämme im Ver- gleich zu den aufrechtstehenden Pflanzen, sehr weite Gefässe besitzen. Dieselben können schon makroskopisch mit Leichtigkeit beobachtet werden. Im nach- stehenden sind die durchschnittlichen Durchmesser der grösseren Gefässe einiger Schling- und Kletterpflanzen (nach WESTERMAIER und AMBRONN) verzeichnet; des Vergleiches halber habe ich einige Angaben über die Weite der Gefässe im Holze mehrerer unserer Laubbäume (nach WIESNER*?) danebengestellt. !) Beziehungen zwischen Lebensweise und Structur der Schling- und Kletterpflanzen. Flora 1881. 2) ]. c. pag. 8 (Separatabdruck). ®) Die Rohstoffe des Pflanzenreiches, pag. 526. ren. la Mikromill. Aypanthera guapeva 600— 700 Calamus Rotang . 350 Anisosperma Fassiflora 300 Passıflora laurifolia 200 F edulis 200 Glycine sinensis 200 Aristolochia spec. 140 Serjania spec. 120 In jüngeren Zweigen sind die Gefässe enger, als in den späteren Zuwachszonen, was sich wol aus dem Umstande erklärt, dass in den ersteren die Leitung des Wassers nicht auf so weite Entfernungen hin statt- findet. Der auf diese biologischen Verhält- nissen beruhende Unterschied in der Weite der Gefässe ist besonders auffällig, wenn man Stamm-Querschnitte von kletternden oder schlingenden und aufrechten Formen derselben Gattung betrachtet. »So erreicht 2. B. bei Galium Aparine der Gesammt- querschnitt der grösseren Gefässe das 6 fache desjenigen bei Galum verum und das 5fache bei Galum Mollugo.« Selbst an verschiedenen Organen von ein- und der- selben Pflanze sind solche Unterschiede wahrnehmbar. Man vergleiche nur die Weite und die Anzahl der Gefässe in den Ranken und in den blatttragenden Zweigen von Vitis vinifera. Die Verschiedenheiten bezüglich der Ansprüche an das Wasser- leitungsvermögen dieser Organe können anatomisch nicht auffallender zum Ausdruck kommen. Ein Blick auf die nebenstehende Abbildung beweist dies mit hinreichender Deutlichkeit.. Auch die bekannte FEr- scheinung, dass die Gefässe des Früh- jahrsholzes unserer Laubbäume ansehnlich weiter sind als die des Herbstholzes, beruht offenbar auf ungleichen Ansprüchen an das Wasserleitungsvermögen. Von den eiweissleitenden Elemen- ten sind bei den Schling- und KRletter- pflanzen besonders die Siebröhren gut aus- gebildet. Aus derselben Ursache wie die Gefässe besitzen sie eine besondere Weite und die Siebplatten zeigen alle charak- teristischen Eigenthümlichkeiten in schönster Ausbildung. 4. Das Ernährungssystem. 671 Mikromill. Eichen 200— 300 Ulme . 158 Esche . 140 Birker. uf 85 Erle Aus 76 Linde. 60 Birnbaum 40 Buchsbaum . 28 en en en RN id ne, oı,, Ike A N | || N y \ [2 N N y N T N DG ie N SG N 1 l Fig. 25. (B. 284.) Schematische Darstellung des Unterschiedes im anatomischen Bau der Ranken und der blatttragenden Zweige von Vitis vinifera. (Beide Figuren sind mittelst des Zeichen- prismas entworfen.) A Partie aus dem Querschnitt durch eine ausgebildete Ranke. B Partie aus dem Querschnitt durch einen ıjährigen Zweig. In beiden Figuren be- zeichnet 1 das Leptom, g die Gefässe, b die Baststränge; die innenseitigen schraffirten Partien bezeichnen die primären Hadromtheile (Markkrone). Vergl. den Text. Es ist kein Zufall, dass 43* 672 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. man zur Demonstration und zum Studium der Siebröhrenstructur hauptsächlich Schling- und Kletterpflanzen auswählte, nämlich Cxcurbita FPepo, Lagenaria vulgaris, Vitis vinifera und Calamus Rotang. Nach WESTERMAIER und AMBRONN zeichnen sich auch AZumulus Lupulus, Passifloreen, Serjania-Arten, Clematis vitalba, Dios- coraea Batatas, Tamus communis, Lonicera Caprifolium wu. A. durch schön ent- wickelte Siebröhren aus. — Bei Fizis vinifera sind übrigens nicht bloss die Sieb- röhren gut ausgebildet, das ganze Leptom ist massig entwickelt, wie dies aus der Abbildung (Fig. 25 B) deutlich hervorgeht. Vergleicht man damit den schmalen Leptomsaum des Rankenquerschnittes (Fig. 25 A I) so sieht man, dass die geringen Ansprüche an das Stoffleitungsvermögen der Ranken auch in der quantitativen Ausbildung der eiweissleitenden Gewebe sehr deutlich ausgesprochen sind. Je grösser die Ansprüche sind, welche an das Leptom bezüglich seines Leitungsvermögens gestellt werden, desto mehr bedarf es eines mechanischen Schutzes, um gegen alle die Stoffbewegung hemmenden und störenden Pressungen verwahrt zu sein. Von diesem Gesichtspunkte aus versuchen WESTERMAIER und AMBRONN auch gewisse Anomalien des Dickenwachsthums von kletternden oder schlingenden Stämmen physiologisch zu deuten. Die Sapindaceen besitzen einen zusammengesetzten Holzkörper, in Folge dessen ein grosser Theil des Leptoms eine geschützte Lage zwischen den Xylempartien gewinnt. Bei den Bignoniaceen und einigen Apocyneen und Asclepiadeen liegen beträchliche Leptommassen in Einsenkungen des Holzkörpers und bei mehreren S/rychnos-Arten erscheinen einzelne Leptombündel im Xylem förmlich eingemauert!). Im Holzkörper der Dicotylen ist, wie wir gehört haben, die Leitung der Kohlehydrate dem Holzparenchym und den Markstrahlen übertragen. Bei den Schling- und Kletterpflanzen tritt nun das Holzparenchym in grösseren Gruppen auf als bei anderen Pflanzen und die Markstrahlen sind oft auffallend hoch und breit. Während diese letzteren sonst vorzugsweise die Leitung in radialer Richtung besorgen, scheinen sie hier subsidiär auch die Leitung in longitudinaler Richtung zu übernehmen. Also auch bezüglich des die Kohlehydrate leitenden Gewebes ist eine Anpassung an die gesteigerten Leitungsbedürfnisse nachzuweisen. Die vorliegenden, auf die Schling- und Kletterpflanzen bezugnehmenden Aus- einandersetzungen sind mehr oder minder vollständig auch für andere Pflanzen mit hohen und dabei dünnen Stämmen giltig. So zeichnen sich z. B. viele Grami- neen und Cyperaceen durch weite Gefässe und Siebröhren aus. Ich verweise ferner in dieser Hinsicht auf die Abbildung eines Gefässbündelquerschnittes von Dam- busa Simonii, der die Anpassung an gesteigerte Leitungsansprüche nicht verkennen lässt (Fig. 23). F. Die Entwickelungsgeschichte des Leitungssystems. ı. Die Gefässbündel. In den weitaus meisten Fällen gehen die Gefäss- bündel aus primären Cambiumsträngen hervor. In einzelnen Fällen können aber kleinere Gefässbündel auch aus dem Grundparenchym durch Vermittelung eines Folgecambiums entstehen. Auf diese Weise entwickeln sich z. B. die kleinen Anastomosen in den Diaphragmen des Schaftes von Zapyrus antiguorum. Auch das sog. Interfascicularcambium des Dicotylenstammes ist ein solches Folgecambium und die von ihm erzeugten Elemente des Holzkörpers gehen in- direkt aus dem Grundparenchym hervor. In Ausnahmsfällen können einzelne Gefässe auch direkt aus einer Reihe von Grundparenchymzellen hervorgehen. !) Eingehenderes über die morphologischen Verhältnisse dieser Anomalien des Dickenwachs- thums findet sich bei DE BAry, Vergl. Anatomie, pag. 582 ff. u. 594 ff. "1 4. Das Ernährungssystem. 673 So ist z. B. in Fig. ı9 das erste Gefäss des kleinen Gefässbündels im Blüthen- schafte von ZZyacinthus orientalis wegen seiner etwas seitlichen Lage in jenen grundparenchymatischen Meristemring gewissermassen hineingerathen, aus welchem der Bastring des Schaftes hervorgeht. 2. Das Leitparenchym. Alles primäre Leitparenchym ist grundparen- chymatischen Ursprungs. Hierhergehörig sind also die Gefässbündelscheiden und das Nervenparenchym der Blätter, das Rindenparenchym, die primären Mark- strahlen und das Markgewebe der Stengel. Das Holzparenchym dagegen, die secundären Markstrahlen und das mit dem Ausdrucke Epen bezeichnete Rinden- gewebe sind cambialer Herkunft. Wenn demnach das Leitungssystem in sehr verschiedenartiger Weise sowol aus dem Cambium, wie auch aus dem Grundparenchym hervorgehen kann, so ist doch andererseits seine Entwickelung aus dem Protoderm bisher noch nicht beobachtet worden. Nachdem aber in diesem letzteren Bildungsgewebe Cam- biumbündel entstehen können, so ist die Möglichkeit durchaus nicht ausgeschlossen, dass diese Cambiumbündel nicht immer bloss zu Baststrängen werden, sondern unter Umständen auch zu Gefässbündeln. Jedenfalls ist es keine principielle Nichteignung des Protoderms zur Gefässbündelbildung, sondern die centripetale Tendenz der leitenden Stränge, welche das Vorhandensein kleiner protodermaler Gefässbündel bisher noch nicht constatiren liess. II. Das Durchlüftungssystem. Jede Pflanze unterhält mit der Aussenwelt einen mehr oder minder lebhaften Gasaustausch. Beim Athmungsprocesse wird Sauerstoff verbraucht und Kohlen- säure ausgeschieden; bei dem in grünen Pflanzentheilen sich abspielenden Assi- milationsprocesse wird umgekehrt Kohlensäure aufgenommen und Sauerstoff an die Umgebung abgegeben; in einzelnen Fällen bedingt der Stoffwechsel auch die Ausscheidung anderer Gase, wie des Wasserstoffs und Schwefelwasserstoffs. Schliesslich geben alle von der Luft umspülten Pflanzentheile Wasserdampf ab, zu welchem sich bei verschiedenen Pflanzen auch Dämpfe von ätherischen Oelen und anderen flüchtigen Stoffen gesellen. Die Lebhaftigkeit des Gasaustausches hängt ceteris paribus von der Grösse der den Gasaustausch vermittelnden Oberfläche der Pflanze ab. Bei den mikro- skopisch kleinen einzelligen Pflanzenformen ist selbst, im Falle dieselben kugel- förmig!) sind, das Verhältniss der Oberfläche zum Volumen ein so günstiges, dass alle auf eine Vergrösserung der Oberfläche abzielenden Einrichtungen überflüssig sind. Je grösser aber die Pflanzenformen werden, desto nothwendiger wird auch die Oberflächenvergrösserung, welche zunächst schon durch eine mehr oder minder reichliche Verzweigung der Pflanzengestalt erreicht wird. Auf diese Weise genügt bis zu einem nicht allzugrossen Volumen noch immer die äussere Oberfläche der Pflanze zur Vermittelung und Regelung ihres Gasaustausches. Bei allen höher entwickelten Pflanzen reicht aber zu diesem Zwecke selbst bei der ausgiebigsten Verzweigung die äussere Oberflächenentfaltung nicht aus und so kommt es im Innern der Pflanzentheile zur Ausbildung eines Maschenwerkes von lufterfüllten Hohlräumen und Kanälen, welche für die angrenzenden Zellen dasselbe sind, wie für die oberflächlich gelegenen Zellen die äussere Atmosphäre. ) Bekanntlich repräsentirt bei gegebenem Volumen die Kugelgestalt die geringste Ober- flächenentfaltung. 674 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Auf diese Weise entsteht in Folge des Princips der Oberflächenvergrösserung das Durchlüftungssystem. Für die Art der Abgabe und Aufnahme eines Gases seitens einer lebenden Zelle ist es natürlich gleichgültig, ob die betreffende Zelle im Innern der Pflanze an einen lufterfüllten Intercellularraum grenzt oder ob sie bei oberflächlicher Lagerung unmittelbar mit der äusseren Atmosphäre in Contact ist. In beiden Fällen müssen die Gase durch imbibirte Membranen passiren, der Gasaustausch | kann also nur auf diosmotischem Wege vor sich gehen. Nachdem wir aber | das Durchlüftungssystem als einen integrirenden Bestandtheil des Pflanzenleibes ansehen, so müssen wir, wenn von dem Modus des Gasaustausches gesprochen wird, die Pflanze als Ganzes betrachten; wir können dann, wenn das Durch- lüftungssystem Ausführungsgänge besitzt, zwei Arten des Gesaustausches unter- scheiden: einen osmotischen und einen freien Gasdurchgang!). Für die Gasbe- wegung in der Pflanze gilt also dasselbe, was bereits für den Transport der übrigen Stoffe erwähnt wurde; sie kann eine molekulare oder eine Massen- bewegung sein. Aus der Eingangs erwähnten Mannigfaltigkeit des Gasaustausches ergeben sich für das Durchlüftungssystem drei Functionen. Es hat ı. allen lebenden Zellen den für den Athmungsprocess nothwendigen Sauerstoff zuzuführen. 2. hat es die assimilirenden Gewebe mit Kohlensäure zu versorgen und den in Freiheit gesetzten Sauerstoff aufzunehmen. 3. hat es den in Folge der Transpiration aus- geschiedenen Wasserdampf abzuführen. — Nach dem Vorausgegangenen braucht wol kaum besonders hervorgehoben zu werden, dass nicht der gesammte Gas- austausch der Pflanze durch das Durchlüftungssystem vermittelt und geregelt wird. Die Pflanze unterhällt mittelst ihrer äuseren Oberfläche auch einen direkten osmotischen Gasaustausch mit der Aussenwelt und je peripherischer eine Zelle gelegen ist, desto wichtiger wird für sie dieser direkte Stoffverkehr sein. Eine subepidermale Assimilationszelle bezieht die Kohlensäure nicht bloss aus den sie, begrenzenden Intercellularräumen; sie empfängt diesen Nährstoff auch direkt von Aussen, indem die Kohlensäure mit ziemlicher Leichtigkeit durch die cuticulari- sirten Epidermiszellwandungen hindurchtritt. Für alle mehr nach innen gelegenen Zellen der Pflanzentheile — und diese bilden doch weitaus die Mehrzahl — wird aber das Durchlüftungssystem von hervorragendster Bedeutung sein. A. Die Ausbildung und Vertheilung der Durchlüftungsräume. ı. Die Form der Durchlüftungsräume. Damit die Durchlüftungsräume der Pflanze ihren Zweck erfüllen, müssen sie vor Allem ein zusammenhängendes System bilden. Die Vertheilung dieses Systems ist im Allgemeinen eine solche, dass jede Zelle des zu durchlüftenden Gewebes an lufterfüllte Intercellularräume grenzt. Im Uebrigen richtet sich sowol die Vertheilung der Durchlüftungsräume, wie auch ihre quantitative Ausbildung ganz nach den Bedürfnissen und Functionen der betreffenden Gewebe und Pflanzentheile. Im Allgemeinen können die Durchlüftungsräume in Form von Kanälen, Lücken und Spalten ausgebildet sein. Im gewöhnlichen Parenchym mit isodiametrischen Zellen bilden die Inter- stitien enge Kanäle, welche längs der abgerundeten Zellkanten verlaufen und so ein engmaschiges, allseits sich ausbreitendes Netzwerk vorstellen. Im Palli- ') Vergl. PrErrer, Pflanzenphysiologie. I. B. pag. 100 ff. 4. Das Ernährungssystem. 675 sadengewebe grenzt jede Zelle an mehrere ihrer Längsachse parallel ver- laufende Kanäle, welche an der Grenzfläche zweier Pallisadenzellschichten mit- einander communiciren. Wenn gestreckte Zellen reihenweise hintereinander liegen, dann kommen häufig sehr lange, längs der Zellkanten verlaufende Luft- _ kanäle zu Stande, wie z. B. im Laubblatte von Zlodea canadensis, Galanthus — nivalis, Leucojum aestivum und in der inneren primären Rinde vieler Wurzeln. Wenn diese das betreffende Organ der Länge nach durchziehenden Kanäle be- - sonders weit sind, so bilden sie jene grossen Luftgänge, welche bei so vielen e er { Sumpf- und Wasserpflanzen sämmtliche vegetativen Organe durchziehen. In Form von communicirenden Lücken treten die Durchlüftungsräume haupt- sächlich im Schwammparenchym der Laubblätter auf. Die einzelnen Zellen sind meist von vielarmiger Gestalt und da sie bloss mit den Enden ihrer armförmigen Aussackungen in wechselseitiger Verbindung stehen, so kommt ein System von lückenförmigen Hohlräumen zu Stande. Den Luftgängen analog sind die grossen poly&drischen Luftkammern, wie solche z. B. in den Blättern von Zisia, in den Wasserlinsen vorkommen. Wenn die Durchlüftungsräume Spalten bilden, so können dieselben, sowie die Kanäle und Lücken, entweder zwischen den einzelnen Zellen auftreten oder ganze Gewebelamellen von einander trennen. Ersteres ist z. B. in den Blättern verschiedener Myrtaceen der Fall, ferner bei Scirpus-Arten und bei Cladium Mariscus. In den Blättern der letztgenannten Pflanze grenzen die tafelförmigen Chlorophyllzellen mit ihren quergestellten Grundflächen grösstentheils an Inter- cellularspalten und stehen hier nur mittelst kleiner runder Felder in wechsel- seitiger Berührung. In Form von grösseren Intercellularspalten tritt das Durch- lüftungssystem häufig im Assimilationssystem auf, z. B. in den Blättern von Zinus, Abies und Crypfomeria; ferner in vielen Monocotylenblättern. Wenn auch die Ventilationsräume der Pflanzen häufig ganz isolirte Gänge, Lücken oder Spalten zu bilden scheinen, so sind doch in den allermeisten Fällen offene Communicationswege vorhanden, welche einen freien Gasaustritt aus dem einen Raum in den andern hinüber gestatten. Freilich sind diese Ver- bindungskanäle oft sehr enge und entziehen sich leicht der Beobachtung. 2. Die Beziehungen zwischen Ausbildung und Function der Durch- lüftungsräume sind bisher noch nicht einheitlich erörtert worden. Wir müssen uns hier deshalb auf die Mittheilung verschiedener Einzelheiten beschränken. Der Athmungsprocess scheint die Ausbildung des Durchlüftungssystems am wenigsten zu beeinflussen. So viel wir wissen, zeichnet sich dieses System in Organen, welche besonders energisch athmen, wie z. B. in den Reservestoff- führenden Cotylen der wachsenden Keimpflanzen, durch keine speciellen Eigen- thümlichkeiten seiner Ausbildung und Vertheilung aus. Nicht einmal eine ge- wisse Proportionalität zwischen der Energie der Athmung und der quantitativen Ausbildung der Durchlüftungsräume lässt sich nachweisen, indem gerade in jungen, lebhaft wachsenden und deshalb auch energisch athmenden Pflanzentheilen das System der luftführenden Intercellularräume erst in Entwickelung be- griffen ist. Das Vorhandensein von Beziehungen, welche sich zwischen der Ausbildung des Durchlüftungssystems und dem Assimilationsprocesse herausstellen, lässt sich in vielen Fällen deutlich erkennen. Allerdings handelt es sich dabei mehr um indirekte Beziehungen. Soferne die Intercellularräume das Assimi- 676 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. lationssystem mit Kohlensäure versorgen und den in Freiheit gesetzten Sauerstoff aufnehmen, zeigen sie keine besonderen Anpassungen an die Function des assi- milirenden Gewebes. Nachdem aber die Intercellularräume der Pflanze häufig als hemmende Schranken dienen müssen, um die Auswanderung der Assimilations- produkte in unvortheilhaften Richtungen unmöglich zu machen, so ist diese Neben- function der Durchlüftungsräume für ihre Anordnung im assimilirenden Gewebe von massgebendster Bedeutung. Die so häufig wiederkehrende Neigung, Quer- spalten zu bilden, durch welche die auswandernden Assimilationsprodukte ver- hindert werden, sofort die Längsrichtung durch das Blatt einzuschlagen, ist im Grunde nichts anderes, als ein Ausdruck des im Bau des Assimilationssystems zur Geltung kommenden Principes der möglichst raschen Stoffableitung, welches seine Herrschaft auch über das Durchlüftungssystem ausdehnt. Am massgebendsten ist wohl die Transpiration für die Ausbildung des Durchlüftungssystems. Das Schwammparenchym der Laubblätter kann geradezu als Transpirationsgewebe bezeichnet werden, weil die grösste Menge des vom ganzen Blatte ausgeschiedenen Wasserdampfes auf Rechnung dieses mit Intercellularräumen so reichlich ausgestatteten Gewebes zu setzen ist. — An- passungen seitens der Pflanze an trockneres oder feuchteres Klima machen sich deshalb sofort in der Ausbildung des Schwammparenchyms bemerkbar. Je mehr die Pflanze, um der Gefahr der Austrocknung zu entgehen, ihre Transpiration herabzusetzen genöthigt ist, desto kleiner werden die Luftlicken des Schwamm- parenchyms, desto geringer wird auch die Mächtigkeit desselben.!) Auf diese Weise verringert sich im Innern der lJ,aubblätter die transpirirende Oberfläche, wobei auch häufig eine Verringerung der äusseren Oberfläche der transpirirenden Organe nebenhergeht. — Wenn andererseits durch die klimatischen Verhältnisse die Intensität der Transpiration sehr herabgesetzt wird, wie z. B. an feuchten, schattigen Standorten, dann ist es für die Pflanze angezeigt, ihr Transpirationsgewebe recht mächtig auszubilden. Von diesem Gesichtspunkte sind wohl in erster Linie, wie auch ArEscHouG hervorhebt, jene Fälle des Blattbaues zu beurtheilen, in welcher das ganze Mesophyll des Blattes bloss aus Schwammparenchym besteht. Der von StauL betonte Zusammenhang einer solchen Blattstructur mit den Be- leuchtungsverhältnissen, beziehungsweise mit den Bewegungserscheinungen der Clorophylikörner, kann wohl erst in zweiter Linie in Betracht kommen. — Wenn in der Mehrzahl der Fälle die verschiedene quantitative Ausbildung des Durchlüftungssystems ausreicht, um eine Steigerung oder Verringerung der Transpiration zu erzielen, so giebt es doch einzelne Fälle, in welchen die An- passung an trockenes Klima sogar zu einer ganz eigenartigen Anordnung und VeErtheilung der Intercellularräume führt. Wie oben erwähnt wurde, ist die einzelne Pallisadenzelle in der Regel von ebenso vielen Längskanälen umgeben, als Nach- barzellen vorhanden sind. Wiewohl nun das Pallisadengewebe in transpiratorischer Hinsicht dem Schwammparenchym gegenüber ohnehin schon sehr zurücksteht, so würde doch die gewöhnliche Anordnungsweise seiner Intercellularräume bei verschiedenen (australischen) Pflanzen, Hakea, Restio, Kingia, die Transpiration in mehr als wünschenswerther Weise fördern. Hier treten also statt der Längs- kanäle gürtelförmig um die Zellen herumlaufende Intercellularräume auf, welche ) Vergl. F. W. C. ArescHovG, der Einfluss des Klimas auf die Organisation der Pflanzen, insbesondere auf die anatomische Structur der Blattorgane. Botan. Jahrb. von A. EnGLeEr. II. Bd. V. Heft. pag. 5ıı (1882). FRTE 4. Das Ernährungssystem. 677 nur parallel der Oberfläche des Blattes, nicht aber in radialer Richtung commu- niciren. Bei Zakea swaveolens beschreibt TscHIRCH!) auch einzelne grössere Inter- cellularräume, welche an der Grenze zweier Pallisadenzellschichten liegend, das Röhrenmaschenwerk des unteren Stockwerkes gleichsam in Reservoiren sammeln und mit der Leitung des nächst höheren verbinden. »Durch diese Einrichtung sagt TSCHIRCH, muss der Wasserdampf uffenbar, um vom Innern des Blattes nach aussen zu gelangen, einen weit längeren Weg zurücklegen, indem er statt in gerader oder wenig gewundener Linie, in Zickzackbahnen das Gewebe durch- ziehty. Aehnliche Einrichtungen liessen sich gewiss auch bei manchen anderen Pflanzen beobachten, welche trockenen Standorten angepasst sind. So besitzen z. B. die Pallisadenzellen von Olea europaeca gleichfalls schön ausgebildete Gürtelkanäle. Eine besor{ ere Besprechung erheischen noch die grossen Luftkanäle, welche die Vegtsationsorgane so vieler Pflanzen, namentlich der Sumpf- und Wasserpflanzen durchziehen. Man hat hier drei Kategorien von Organen zu unterscheiden: ı. Organe, welche zeitlebens unter Wasser oder in nassen, lehmigen Böden vegetiren. 2. Organe, welche gewöhnlich in die Luft ragen, zeitweilig aber unter Wasser gesetzt werden können. 3. Organe, welche zeitlebens von Luft um- geben sind. Die Luftkanäle der ersten Kategorie haben den betreffenden Organen ge- wissermassen die äussere Atmosphäre zu ersetzen. Die Nothwendigkeit grosser Luftreservoirs ergiebt sich hier aus dem Umstande, dass der Gasaustausch mit dem umgebenden Medium nicht lebhaft genug ist, um den diesbezüglichen Be- dürfnissen der Organe zu genügen. Namentlich gilt dies für die in Sumpfböden | vegetirenden Wurzeln und Rhizome vieler Cyperaceen, deren peripherische Bastmäntel, wie schon bei früherer Gelegenheit erwähnt wurde, häufig verkorkt sind und so den Gasaustausch sehr erschweren oder gradezu unmöglich machen. Von besonderem Interesse sind in dieser Hinsicht die Rhizome der Carex-Arten, welche bezüglich der Ausbildung ihrer Luftkanäle die Anpassung an die jeweilige Beschaffenheit des Bodens, in welchem sie vegetiren, sehr deutlich erkennen lassen. Es liegen hierüber Beobachtungen von SCHWENDENER vor (Mech. Princip, pag. 128), welcher dieselben mit specieller Rücksicht auf die Ausbildung des mechanischen Systems tabellarisch zusammengestellt hat. Jene Carex-Arten, deren Rhizome in gewöhnlichem Waldboden /C. alba) ın festem Heideboden /[C. erice- Zorum) oder in festem Grasboden /C. supina) vegetiren, besitzen bloss kleine Luftkanäle in der Umgebung des Fibrvoasalcylinders. Die in feuchtem Wald- oder Sandboden wachsenden Arten /C. brizoides, Schreberi) weisen kleine und mittelgrosse Luftwege auf; und bei den auf Sumpfboden vorkommenden Arten (©. disticha, stricta, caespitosa etc.) ist sowie in submersen Pflanzentheilen, die Rinde mit grossen Luftkanälen ausgestattet. Ueber die Art der Lufterneuerung in solchen grossen Luftlücken und Luft- kanälen geben einige von MERGET?) und von BARTHELEMY?) mit den Laubblättern von /Velumbium und NMymphaeca angestellte Versuche Aufschluss. Nach dem letzt- genannten Forscher ist schon eine geringe Saugkraft, welche einer Wassersäule 1) Linnaea, Neue Folge. IX. Bd. Heft 3 u. 4, pag. 154 fl. 2) Comptes rendus. 1873. Bd. 77. pag. 1469, ferner 1874, Bd. 78. pag. 884. ®) Annales de sciences naturelles. 1874. Ser. V. Bd. 19. pag. 152. Ich citire hier nach PFEFFERS Pflanzenphysiologie. I. Bd. pag. 112. 678 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. von 2—3 Centim. Höhe entspricht, ausreichend, um aus einem mit der Pflanze in Verbindung stehenden Blatte einen mächtigen Gasstrom zu ziehen. Zweifel- los wird dabei durch andere Blätter Luft aufgenommen, welche die Lufträume der Rhizome passirte und aus denselben in das saugende Blatt übertritt. Nun findet aber nach MERGET in einem besonnten Blatt eine Luftströmung von der Blattfläche aus nach einwärts statt, sodass aus den Intercellularen eines abge- schnittenen Blattstieles Luft hervordringt. Andererseits konnte schon RAFFENAU- DELILE an hellen Tagen ein so lebhaftes Ausströmen von Luft aus den Spalt- öflnungen des Blattes constatiren, dass auf der Blattoberfläche herumlaufende | Wassertropfen förmlich umher geworfen wurden. Stellt man alle diese Beob- achtungen zusammen, so kann wohl nicht bezweifelt werden, dass durch Be- sonnung und Erwärmung der Blätter eine ausgiebige Lufteirculation durch die Pflanze zu Stande kommt. | ä j j Was die Kategorie der zeitweilig unter Wasser gesetzten Organe betrifft, so ist es begreiflich, dass in ihrer Organisation für dieses zeitweise Untergetaucht- sein vorgesehen ist, dass sie also wie submerse Organe von grossen Luftkanälen durchzogen sind. Gehen wir endlich zur Kategorie der zeitlebens von Luft umgebenen Organe über. Hier compliciren sich wahrscheinlich die Ursachen, welche das Auftreten weiter Luftkanäle bedingen. In der Mehrzahl jener Fälle, in welchen biegungs- feste Stengeltheile von einem einzigen grossen Luftgange durchzogen werden, wie z. B. in den Grashalmen, ım Blüthenschafte von Zeontodon, ın Allium-Blättern etc. erklärt sich dieser hohl-cylindrische Bau vom Standpunkte des mechanischen Princips und der Luftgang hat in erster Linie mit der Durchlüftung nichts zu schaffen. Uebrigens kann in jedem einzelnen Falle nur die genauere Kenntniss der biologischen Eigenthümlichkeiten der betreffenden Pflanze über die Bedeutung ihrer Luftkanäle Aufschluss geben. 3. Aussteifungseinrichtungen. Das Filzgewebe in den Luftgängen der Scirpus-Halme ist bereits im vorigen Kapitel besprochen worden; ebenso kennen wir schon die mechanische Bedeutung der Diaphragmen als Aussteifungsplatten. Ueber die so verschiedenartige Ausbildung derselben kann hier nichts Näheres mitgetheilt werden und verweise ich hinsichtlich dieses Punktes namentlich auf DE Barv’s »vergleichende Anatomie«, pag. 227 ff. In den Luftgängen solcher Pflanzen, welchen Diaphragmen fehlen, kommen intercellulare Haare vor, deren mechanische Bedeutung schon durch den Um- stand, dass sie die Diaphragmen vertreten, in hohem Grade wahrscheinlich ge- macht wird. Auch ihre Structur und Anordnung stimmt damit überein. Hierher gehören die Nymphaeaceen, Aroideen, Ahizophora, Pilwaria u. A. Bei Mymphaea- Arten ragen in Luftgänge der Blatt- und Blüthenstiele von den die Kanten der Gänge bildenden Zellreihen verzweigte »Sternhaare« hinein, welche derbe Wandungen mit nach aussen vorspringenden stumpfwarzenförmigen Verdiekungen besitzen. Die Höhenabstände zwischen den einzelnen Sternhaaren sind nicht bedeutend. Diese Haare haben wol als Verspreitzungen zu dienen, um bei etwaigen Biegungen die Querschnittsform der Luftgänge zu erhalten. Die das Jamellöse Parenchym bestimmter Aroideen (Monstera, Tornelia, Heteropsis, Pothos ete.) durchziehenden Haare sind bastzellähnlich, vielfach verästelt und oft mit hakenförmigen Enden versehen. Ihrer mechanischen Wirksamkeit nach dürften sich diese Haare dem Filzgewebe der Scirpus-Arten anreihen, doch sind darüber A ee ee IE FEN Pr u Dh 4. Das Ernährungssystem. 679 noch eingehendere Untersuchungen anzustellen. Ein Analogon zu den in der Caulerpa-Zelle ausgespannten Cellulosefäden scheinen die von LUERSSEN im Parenchym der Blattstiele und der Stämme verschiedener Farngattungen beob- i achteten Wandverdickungen zu bilden, welche nach aussen vorspringend die f Intercellularräume als dünne und verzweigte Stäbchen allseitig durchziehen, sich vielfach verschränken, und so ein zartes Balkenwerk vorstellen. Von den Cellulosefäden der Cawlerpa unterscheiden sich diese zarten Bälkchen dadurch, - dass sie zum grossen Theile frei endigen. Schliesslich wären hier jene eigen- _ — thümlichen, von TscHircH genauer beschriebenen Höckerbildungen an den Palli- 3 sadenzellen von Aingia australis zu nennen, welche eine zu weitgehende Ver- engerung der Intercellularräume zweifellos verhüten können. Ob dies wirklich * ihre Function ist, muss hier dahingestellt bleiben. B. Die Ausgänge des Durchlüftungssystems. 4 Damit das Durchlüftungssystem mit der äussern Atmosphäre in direkter Communication stehe und ein freies Aus- und Einströmen von Gasen erfolgen könne, müssen die Hautgewebe an bestimmten Stellen durchbrochen sein, das - Durchlüftungssystem muss offene Ausführungsgänge besitzen. Es sind dies in der - Epidermis die Spaltöffnungen (S/omata), im Periderm die Lenticellen. 1. Die Spaltöffnungen. 1. Allgemeines über die Function der Spaltöffnungen. Bevor wir uns mit dem anatomischen Bau des Spaltöffnungsapparates, seiner Lage und seinem Vorkommen eingehender beschäftigen, haben wir vorerst die physiologische Function der Spaltöffnungen im Allgemeinen näher ins Auge zu fassen. Schon seit DUTROCHET weiss man, dass die Spaltöffnungen wirklich Aus- führungsgänge des Intercellularsystems sind. In verschiedenen Modificationen wurden zur Sicherstellung dieser Thatsache Experimente durchgeführt, welche alle darlegen sollten, dass in die Spaltöffnungen Luft eingepresst werden kann, deren Austritt aus den abgeschnittenen Blattstielen oder Stengeln dann ieicht zu beobachten ist. Solche Versuche wurden von DUTROCHET, ÜNGER, SACHS u. A. angestellt!) und werden sie in allen Hand- und Lehrbüchern der Pflanzenphysiologie beschrieben. Besonders eingehend hat man den Einfluss der Spaltöffnungen auf die Abgabe von Wasserdampf seitens der transpirirenden Pflanze studirt. Die von GARREAU, UNGER, DEHERAIN, ]. BOUSSINGAULT u. A. durch zahlreiche Versuche constatirte Thatsache, dass die nicht spaltöffnungs- freien Oberseiten der Laubblätter viel weniger Wasserdampf abgeben, als die mit Spaltöffnungen oft dicht besäeten Unterseiten ist zweifellos auf die soeben angeführte ungleiche Vertheilung der Spaltöfinungen zurückzuführen. GARREAU benützte zu diesen Versuchen zwei gleich grosse tubulirte Glassglocken, welche der Ober- und Unterseite desselben Blattes luftdicht aufgesetzt wurden. In jeder Glocke befand sich ein Schälchen mit Chlorcalcıum, dessen Gewichtszunahme die abgegebene Wassermenge bestimmen liess. PFEFFER hat in seiner Pflanzen- physiologie (I. Bd. pag. 144) einige der GAaRREAU'schen Versuchsergebnisse tabellarisch mitgetheilt und die nachfolgenden Beispiele sind dieser Zusammen- stellung entnommen. D) Vergl. PFEFFER, Pflanzenphysiologie. ı. Bd. 96. 680 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. er Verhältnisszahl In 24 Stunden Blattflächen ar der Spalt- transpirirtes Wasser. Ä öffnungen. Grm. Oben 10 0,48 Atropa belladonna 40 J 3 \ Unten 55 0,60 Oben 100 0,30 Syringa vulgaris 20 J x Me & \ Unten 150 0,60 % Oben oo 0,20 Tilia europaca 20 i Unten 60 0,49 Nachdem die Cuticula für Wasserdampf nicht undurchlässig ist, so ist eine vollständige Proportionalität zwischen der Zahl der Spaltöffnungen und der ab- geschiedenen Wassermenge nicht möglich. Ferner ist zu erwähnen, dass die GARREAU’schen Versuche den Einfluss der Spaltöftnungen auf die Transpiration sicherlich etwas geringer erscheinen lassen, als dem thatsächlichen Verhältnisse entspricht; und zwar deshalb, weil in Folge der grossen Lufttrockenheit, die in den beiden Glasglocken herrschte, die Cuticular-Transpiration der zu den Ver- suchen verwandten Blätter viel ausgiebiger sein musste, als unter normalen Ver- hältnissen.!) In anderer Weise experimentirte A. MERGET,?) um die hervorragende Rolle der Spaltöffnungen bei der Transpiration ersichtlich zu machen; seine Methode bestand in dem Auflegen des zu untersuchenden Blattes auf ein Papier, welches mit einer Schicht von Eisen- und Palladiumchlorür bedeckt war. Nachdem ein derartig präparirtes Papier, welches anfänglich eine gelblichweisse Färbung zeigt, um so dunklere Farbentöne annimmt, je feuchter es wird, so lieferten die auf- gelegten Blätter verschieden schattirte Abdrücke, je nach der Menge des von ihnen abgeschiedenen Wasserdampfes. Auf Grund dieser Abdrücke konnte dann auf die Rolle der Spaltöffnungen beim 'Transpirationsprocesse geschlossen werden. — Von HÖHneEL wurde in seiner bereits erwähnten Abhandlung nachgewiesen, dass die Transpirationskurve des sich entwickelnden Laubblattes zwei Maxima aufweist, wovon das eine grössere Maximum in das frühe Jugendstadium des Blattes fällt, das zweite dagegen mit der vollständigen Entwickelung des Blattes erreicht wird. Dieser Verlauf der 'Transpirationskurve kann aus dem Verhalten der Cuticula und der Spaltöffnungen vollständig erklärt werden. So lange die Cuticula zart, die Stomata unentwickelt sind, findet »cuticulare« Transpiration statt. In dem Maasse, als sich die Cuticula verdickt, sinkt die Transpiration bis zu einem Minimum, um mit der Entwickelung der Spaltöffnungen als »stomatäre« Iranspiration wieder zu steigen. 2. Bau und Mechanik des Spaltöffnungsapparates. Nur in selte- nen Fällen werden die Spaltöffnungen durch blosses Auseinanderweichen von gewöhnlichen Epidermiszellen gebildet. Derartige Lücken sind beispielsweise von WALDNER®) in der Oberhaut der Blumenblätter von Z/ranciscea macrantha ") Auf andere Fehlerquellen hat HoEHNEL hingewiesen. Vergl. dessen Abhandlung über den Gang des Wassergehaltes etc. Forschungen auf dem Gebiete der Agrikulturphysik. I. Bd. 4. ff. ?2) Sur les fonctions des feuilles. Röle des stomates dans l’exhalation et dans l’inhalation des vapeurs aqueuses par les feuilles, Comptes rendus, T. 87. pag. 293. 3) Ueber eigenthümliche Oeffnungen in der Oberhaut der Blumenblätter von Zranciscea macrantha POHL, Sitzungsberichte der Wiener Akademie. 77. Bd. I. Abth. 1878. A REDE EEE VEEREG 4. Das Ernährungssystem. 681 beobachtet worden. Sie kommen namentlich auf der Blattunterseite vor und bilden kreisrunde, linsenförmige oder rhombische Oeffnungen, welche die ganze Tiefe der Epidermiszellen durchsetzen und ın darunter befindliche Inter- cellularräume münden. Derartige Spaltöffnungen finden aber deshalb keine all- gemeinere Verwendung, weil ihnen begreiflicherweise die Fähigkeit abgeht, sich behufs einer zweckentsprechenden Regulirung des Gasaustausches zu erweitern oder zu verengern, sich zu öffnen oder ganz zu schliessen. Diese Fähigkeit wird bloss erreicht, indem die an die Spalte angrenzenden Zellen als ein zu diesem Zwecke speciell eingerichteter Schliess- und Oeffnungsapparat functioniren. Mit dem Bau und der Mechanik dieses Apparates haben wir uns im Folgenden zu beschäftigen. So eingehend der anatomische Bau der Spaltöffnungen seit GREw und MArLPIGHI studirt wurde, so ist doch das Spiel des Oeffnens und Schliessens bis auf die neueste Zeit in den wesentlichen Punkten unaufgeklärt geblieben. Seit den grundlegenden Untersuchungen von Monr’s über diesen Gegenstand, welche bereits im Jahre 1856 erschienen, ist bis zum Jahre 1881 keine Arbeit veröffentlicht worden, welche als ein wesentlicher Fortschritt zu bezeichnen gewesen wäre, Erst im letztgenannten Jahre brachte eine Abhandlung von SCHWENDENER!) zahl- reiche neue Aufschlüsse über die Beziehungen zwischen Bau und Mechanik der Spaltöffnungen. Durch den genannten Forscher wurden die wichtigsten dieser Beziehungen vollständig klar gelegt und ich werde mich deshalb im Nachfolgen- den hauptsächlich auf die erwähnte Abhandlung SCHWENDENER’S zu stützen haben. Wenn wir der abweichenden Gestaltung des Spaltöffnungsapparates bei ver- schiedenen Lebermoosen absehen, so besteht derselbe der Hauptsache nach aus zwei nebeneinanderliegenden schlauchartigen Zellen, welche mit ihren Enden fest verbunden sind und zwischen sich die eigentliche Spaltöffnung frei lassen. Wenn sich diese beiden »Schliesszellen« halbmondförmig krümmen, so erweitert sich natürlich die Spalte; wenn sıe sich gerade strecken, so verengert und schliesst sich die Oefinung. Von dem Krümmungsgrade der Schliesszellen hängt also die Weite der Spaltöffnungen ab; die zu beantwortende Hauptfrage lautet demnach: Wie kommt die Krümmung, wie die Gradestreckung der Schliesszellen auf Grund ihres anatomischen Baues mechanisch zu Stande? Für die Beantwortung dieser Frage war bereits durch H. von Monrs Unter- suchungen der leitende Gesichtspunkt gewonnen worden. Dieser Forscher hat nämlich gezeigt, dass durch Einlegen der Präparate in reines Wasser die Spalten geöffnet und erweitert, durch Einlegen in Zuckerlösung dagegen verengert und geschlossen werden können. Steigt also der 'Turgor der Schliesszellen, so krümmen sich dieselben, sinkt er dagegen, so strecken sich die Zellen gerade. Diese Ab- hängigkeit des Spiels der Schliesszellen von der Grösse ihres Turgors muss festgehalten werden, wenn man zum Verständnisse ihres anatomischen Baues gelangen will. Bei vielen Pflanzen zeigen die Schliesszellen auf ihrer der Spalte zugekehrten Bauchseite weit stärkere Membranverdickungen, als auf der meist zartwandigen Rückenseite. Gewöhnlich ist die Bauchseite mit zwei im Querschnitt drei- oder viereckigen Verdickungsleisten versehen, welche der oberen und unteren Längskante entsprechen (Fig. 26, 27), und mit Rücksicht auf eine durch das I) Ueber Bau und Mechanik der Spaltöffnungen, Monatsberichte der Berliner Akademie d. Wissenschaften 1881. DEFRER 682 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Centrum der Schliesszelle und rechtwinkelig zur Blattfläche gelegte Ebene ent- schieden asymetrisch angeordnet sind. Steigt nun der Turgor der Schliesszelle, so wird natürlich der hydrostatische Druck des Zellsaftes die dünnwandige - Rückenseite stärker dehnen, als die mit Verdickungsleisten versehene Bauchseite; die Schliesszelle muss sich entsprechend krümmen und die Spaltöffnung wird weiter. Bei sinkendem Turgor wird sich die Zelle in Folge der stärkeren Con- traction der Rückenseite wieder gerade strecken und die Spalte schliessen. Im (B. 285.) Fig. 26. Bau des Spaltöffnungsapparates. A Erhöhte Spaltöffnung der Deckspelze von Cyperus glaber. B Eingesenkte Spaltöffnung von Zakea suaveolens; ss Schliess- zellen; i innere, a äussere Athemhöhle; r Ringleiste. C Spaltöffnungen von Firzca rosea, a im geschlossenen, b im geöffneten Zustande (nach SCHWENDENER). D Spaltöffnungen von Zemna minor; die functionslosen Schliesszellen besitzen un- regelmässige Contouren und nähern sich in ihrem Bau den übrigen Epidermis- zellen. E junge Spaltöffnung von Mercurialis perennis. Die eine Schliesszelle (3) erscheint als jüngstes Segment, die andere (v) als Scheitelzelle des ganzen aus der Urmutterzelle hervorgegangenen Zellcomplexes. Grossen und Ganzen verhält sich also eine derartige gebaute Schliesszelle wie ein kurzes Stück einer Kautschuckröhre, deren Wandung auf einer Seite beträchtlich dicker ist, als auf der anderen; sobald man von innen Wasser oder Luft unter hohem Druck auf die Röhrenwandungen wirken lässt, so kommt eine entsprechende Krümmung zu Stande. — Die Zweizahl der Verdickungsleisten ist aus ver- schiedenen Gründen vortheilhaft; so ist es einleuchtend, dass der ganze Mechanis- mus in Folge der Fixirung zweier Längslinien regelmässiger spielt, als wenn z. B. nur eine Leiste mitten auf der Bauchwand verlaufen würde. Ausserdem ermög- licht der zarte Membranstreifen zwischen diesen beiden Leisten, dass sich die 3auchwand charnierartig um die Mittellinie bewegen und demnach beim Schliessen stark vorwölben kann. Die beiden Leisten der Schliesszelle lassen sich demnach, wie SCHWENDENER sagt, mit den festen Kartons einer halbgeöffneten Mappe ver- gleichen, und der zarte Membranstreifen der Bauchwand mit dem weichen a a > Be Ne BZ Kl Re a da wen? - ö Au 4. Das Ernährungssystem. 683 Rückenleder dieser Mappe. Erdlich ist noch als dritter Vortheil hervorzuheben, dass sich der Verschluss mit zarten aneinandergepressten Membranen vollständiger herstellen lässt, als mit dicken und verhältnissmässig starren Wandungen. Der soeben. geschilderte Bau der Schliesszellen ist bei allen Monocotylen und Dicotylen mit schwach gebauter Epidermis Regel. Besonders übersichtlich gestalten sich die Verhältnisse bei Amaryllis formosissima, an deren Spaltöffnungen die Mechanik des Oeffnens und Schliessens seit MoHtL schon mehrmals studirt wurde. Auch SCHWENDENER hat dieser Pflanze seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Er schildert in eingehendster Weise die Vorgänge, welche sich beim Oeffnen und Schliessen ihrer Spaltöffnungen vollziehen, indem er aus den durch genaue Messungen ermittelten Form- und Dimensionsänderungen der Schliess- zellen die entsprechenden Bewegungserscheinungen ableitet. Hinsichtlich dieser Details muss hier auf SCHWENDENER’S Originalabhandlung verwiesen werden. Bei einer anderen Reihe von Pflanzen, welche sich durch derbe Phyllodien und immergrüne Blätter mit sehr starker Epidermis auszeichnen, sind die Wandungen der Schliesszellen meist so ansehnlich verdickt, dass die Lumina nur mehr enge, quergestellte Spalten vorstellen. Stets aber bleibt auf der Rückenseite der Zelle ein mehr oder weniger breiter Längsstreifen zart und unverdickt. Den Zweck dieser Einrichtung werden wir später kennen lernen. Bei dieser Verdickungs- weise fallen die Schwerpunkte der mächtigen, halbeylindrischen Verdickungs- streifen in die Medianebene der Schliesszellen; ihre Anordnung ist also eine symmetrische und bei gesteigertem Turgor kann sich die Rückenseite nicht stärker ausdehnen, als die Bauchseite. Die Krümmung der Schliesszellen muss also auf andere Weise zu Stande kommen. Sie erfolgt dadurch, dass die sich verlängernden Schliesszellen seitens der ober- und unterseits angrenzenden Epidermiszellen einen Gegendruck erfahren und in Folge dessen, nach Art einer überlasteten Säule, seitlich ausbiegen müssen; dabei wird aber vorausgesetzt, dass die Schliesszellen schon im spannungslosen Zustande eine gleichsinnige Krümmung zeigen, was ja in der That fast immer der Fall ist. — Hieher gehören die Spalt- öffnungen der älteren Phyllodien von Acacia leprosa, farinosa und acinacea, der Blätter von Melaleuca uncinata, Hakea suaveolens, Carex hirta. Wir haben im Vorausgegangenen die beiden Extreme hinsichtlich des Baues und des Krümmungsmechanismus der Schliesszellen kennen gelernt. Zwischen diesen beiden extremen Formen giebt es die mannigfachsten Uebergänge, wobei sich natürlich auch die mechanischen Vorgänge der Krümmung entsprechend a ie KA a ee Ka Pr Kan Ka a A I u. © Da I A compliciren, beziehungsweise combiniren müssen. Es sind jetzt noch zwei anatomische Eigenthümlichkeiten zu besprechen, welche sämmtlichen functionirenden Spaltöffnungen zukommen, mögen sie der einen oder der anderen Gruppe angehören oder auch Uebergangsformen vor- stellen. Die eine dieser Einrichtungen bezeichnet SCHWENDENER als das Hautgelenk der Spaltöffnung. Sie besteht gewöhnlich aus einer mehr oder weniger verdünnten Stelle der äusseren Epidermiswand, rechts und links von den Schliesszellen (Fig. 26 A, Fig. 28 C, D). Bald ist sie eine äusserst schmale Rinne in der dicken Aussenwand (Prunus Laurocerasus, Myrtus communis), bald eine etwas breitere Membranlamelle von gleichmässiger Dicke, wie bei den Cyperaceen. Wenn die Aussenwandungen der Epidermiszellen besonders stark verdickt sind und über den Spaltöffnungen eine spalten- oder trichterförmige Unterbrechung zeigen, dann sind die Schliesszellen an den unteren Rändern dieser Vertiefungen gleichsam 684 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. aufgehängt und zwar oben mittelst jener zarten Membranlamellen, welche das Hautgelenk bilden (Aloe soccotrina, nigricans, Templetonia glauca, Allium altaicum und Cepa u. A.). Es ist leicht einzusehen, dass durch diese ganze Einrichtung die Beweglichkeit der Schliesszellen auf der Rückenseite ermöglicht wird. Ohne Hautgelenk wäre der Spaltöffnungsapparat zwischen die starren Epidermiszell- wände fest und unverrückbar eingeklemmt und das Oeffnen und Schliessen der Spalte unmöglich. Die andere Einrichtung ist bereits erwähnt worden. Sie besteht darin, dass entweder die ganze Rückenseite der Schliesszelle oder doch ein bestimmter Längs- streifen derselben zartwandig ist. Abgesehen von der mechanischen Bedeutung dieser Eigenthümlichkeit in der ersten Gruppe von Spaltöffnungen handelt es sich hier augenscheinlich um eine Erleichterung des diosmotischen Verkehrs zwischen den Schliesszellen und den benachbarten Epidermiszellen. Auch die chemische Beschaffenheit der unverdickten Wandstelle weist in manchen Fällen auf ihre Bedeutung für den Säfteverkehr hin. Während nämlich die Wandungen der Schliesszellen häufig in ihrem ganzen Umfange cuticularisirt sind, besteht die er- wähnte Stelle aus gewöhnlicher Cellulose (Macrozamia cylindrica, Pinus-Arten und andere Coniferen.) — Diese für das Sinken und Steigen des Turgors der Schliesszellen überaus wich- tige Einrichtung giebt uns Gelegenheit, auf die Grösse des hydrostatischen Druckes in den genannten Zellen und auf die Ursachen seines Wechsels einzugehen. SCHWENDENER hat unter bestimmten Voraussetzungen?!) die Druckgrösse annähernd berechnet. Bei einer Membrandicke von ı Mikrom. ist dieselbe (natürlich im gespannten Zustande der Schliesszellen) ungefähr 5 Atmosphären, bei 2 Mikrom. Membrandicke ıo Atmosphären gleichzusetzen. — Was die Aenderungen in der Grösse des hydrostatischen Drucks betrifft, wodurch eben das Oeffnen und Schliessen der Spaltöffnungen bewirkt wird, so ist hervorzuheben, dass alle die- jenigen Momente, welche auf die Turgescenz der ganzen Pflanze Einfluss nehmen, begreiflicherweise auch den Turgor der Schliesszellen steigern oder erniedrigen. Welkt also die Pflanze in Folge der Trockenheit der Luft oder des Bodens, so sinkt auch der Tuurgor der Schliesszellen und die Spaltöffnungen schliessen oder verengern sich. Dadurch wird aber die weitere Abgabe von Wasserdampf ver- ringert. Gesteigerte Wasserzufuhr, welche die 'Turgescenz der ganzen Pflanze erhöht, kommt dann auch den Schliesszellen zu Gute und die Spaltöffnungen können sich wieder öffnen und erweitern. Diese Abhängigkeit des Turgors der Schliesszellen vom Turgescenzzustande der ganzen Pflanze macht eben die Schliesszellen zu Regulatoren der 'Transpiration, als welchen ihnen die Fähigkeit des Oefinens und Schliessens vor Allem zukommt. Die Richtigkeit dieser Auf- fassung erhellt u. A. aus der auch von SCHWENDENER hervorgehobenen Thatsache, dass die Spaltöffnungen verschiedener Wasserpflanzen, welche sich gegen zu grosse Transpiration natürlich nicht zu schützen brauchen, niemals geschlossen werden. Die Schliesszellen bleiben auch im spannungslosen Zustande gekrümmt. Hierher gehören die Spaltöffnungen von Alisma Plantago, Calla palustris, Salvinia natans, Azolla, Lemna u. A. Die Functionslosigkeit der Schliesszellen dieser Pflanzen ist auch auf ihre anatomische Ausbildung nicht ohne Einfluss geblieben. Bei Azola und ‚Salvinia hat bereits STRASBURGER statt der charakteristischen Halbmondform einen polygonal-eckigen Umriss der Schliesszellen constatirt, und das Gleiche habe I) Vgl. 1. c. pag. 850. 4. Das Ernährungssystem. 685 ich bei den Wasserlinsen gefunden. Wie aus der obigen Abbildung (Fig. 26 D) hervorgeht, kommen die Spaltöffnungszellen von Zemna hinsichtlich ihrer Gestalt den angrenzenden Epidermiszellen ziemlich nahe, sie degeneriren gewissermassen in Folge ihrer Functionslosigkeit. — Zu den äusseren Agentien, welche für das Oeffnen und Schliessen der Spalt- Öffnungen massgebend sind, ist auch das Licht zu rechnen. Schon MoHL con- statirte, dass sich die Stomata im Lichte öffnen, und CzeEcH fand, dass sie im Dunkeln sich schliessen. In welcher Weise die Unterschiede in der Beleuchtung eine Turgescenzänderung der Schliesszellen veranlassen, ist noch nicht ermittelt. Jedenfalls können in Folge dieses Lichteinflusses die Turgoränderungen der Schliesszellen und der betreffenden Pflanzentheile keinen vollständigen Parallelis- mus zeigen. — Am Schlusse dieser Auseinandersetzungen muss auch noch mit einigen Worten der Bedeutung der Chlorophyll- und Stärkekörner gedacht werden, welche in den Schliesszellen so häufig vorkommen. Die Turgescenzänderungen der letzteren hängen natürlich von der wechselnden Quantität und Qualität der in den Zellen vorhandenen osmotisch wirksamen Stoffe ab. Es liegt nun nahe, den Chloro- phyllapparat der Schliesszellen mit der Erzeugung dieser Substanzen in Beziehung zu bringen und die Stärke als einen Reservestoff aufzufassen, welcher allmählich nach Bedarf in jene osmotisch wirksame Substanz umgewandelt wird. Eingehende Untersuchungen hierüber fehlen noch. 3. Sonstige Beziehungen des Baues und der Lage der Spaltöff- nungen zur Transpiration. Im vorstehenden Abschnitte wurde auf den ana- tomischen Bau der Spaltöffnungen nur insofern Rücksicht genommen, als derselbe mit der Mechanik des Oeffnens und Schliessens zusammenhängt. Wir haben jetzt noch eine Reihe anatomischer Eigenthümlichkeiten zu betrachten, welche unab- hängig von der Mechanik des Schliessapparates auf die Transpirationsgrösse einen grossen Einfluss nehmen. Die Schliesszellen sind häufig am oberen und unteren Rande der Bauchseite mit vorspringenden Leisten versehen, welche am Querschnitt mehr oder minder spitze Hörnchen bilden. Diese rinnenförmigen Leisten überdecken zwei Hohl- räume, welche durch die eigentliche Spaltöfnung, die »Centralspalte<« von einander getrennt werden; der obere Hohlraum heisst Vorhof, der untere Hinterhof; beide Höfe werden seitlich von den Bauchwandungen der Schliess- zellen begrenzt. Den Eingang in den Vorhof nennt TschHircH!) die Eisodialöff- nung, den Ausgang aus dem Hinterhof Opisthialöffnung. Wenn die Spalt: Öffnung tiefer liegt als die angrenzenden Epidermiszellen, so kann man das der- artig entstehende Grübchen als äussere Athemhöhle bezeichnen. Dieselbe erscheint in Form einer Schale, eines Krugs, Trichters oder Cylinders; ihre Ausgangsöffnung ist also durch wall- oder leistenartige Vorsprünge seitens der benachbarten Epidermiszellen häufig verengert. Als innere Athemhöhle be- zeichnet man den unter der Spaltöffnung fast ausnahmslos vorhandenen Inter- cellularraum, in welchen die Durchlüftungskanäle des angrenzenden Gewebes einmünden. Durch die verschiedene Ausbildung dieser einzelnen Theile des ganzen Spalt- öffnungsapparates und die vielfachen Variationen, welche in dieser Hinsicht mög- t) Ueber einige Beziehungen des anatomischen Baues der Assimilationsorgane zu Klima und Standort, mit specieller Berücksichtigung des Spaltöffnungsapparates. Linnaea, Neue Folge, B. IX. Heft 3 und 4. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II, 44 686 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe lich sind, ist die Pflanze im Stande, die Spaltöffnungen ihren Transpirationsver- hältnissen sehr vollständig anzupassen. Einige Beispiele mögen das Gesagte er- läutern. Eine Spaltöffnung, welche in gleichem Niveau mit den Epidermiszellen liegt oder sogar über dieselben emporgehoben wird (Fig. 26 A), welche ferner keinen Vorhof besitzt oder mit sehr weiter Eisodialöffnung versehen ist, wird offenbar wegen des sehr erleichterten Austrittes des Wasserdampfes nur dort am Platze sein, wo die Verdunstungsgrösse beträchtlich steigen kann, ohne dass die Gefahr | des Austrocknens nahe rückt. Dem entsprechend finden wir derartig gebaute “ | Spaltöffnungen hauptsächlich an Sumpf- und Wasserpflanzen, wie überhaupt an Gewächsen, welche feuchte Standorte bevorzugen z. B. an Farnkräutern. Betrachten wir nun ein entgegengesetztes Extrem z. B. die Spaltöffnungen des Blattes von Zakea suaveolens. Durch breite, leistenartige Vorsprünge seitens der benachbarten Epidermiszellen wird eine trichterförmige äussere Athemhöhle gebildet, auf deren Grund die Spaltöffnung in einer zweiten, kleineren Ver- | tiefung liegt (Fig. 26 Ba). Auf diese Weise befindet sich über der Spaltöffnung ein mit Wasserdampf erfüllter Hohl- ; raum, in welchem sozusagen Wind- stille herrscht, wenn über die Blatt- oberfläche ein Luftstrom hinstreicht. Man begreift, dass diese ganze An- | ordnung eine Schutzeinrichtung gegen zu lebhafte Transpiration vorstellt. In der 'That sehen wir, dass zahlreiche Pflanzen, welche in trockneren Klimaten leben, ihre Verdunstungsgrösse durch derartig vertiefte Spaltöffnungen herabsetzen. Es giebt nun in dieser Hinsicht, (B. 2356.) Fig. 27. wie TscHircH ausführlich gezeigt Ungleiche Ausbildung des Spaltöffnungsapparates hat, zahlreiche Variationen des auf Ober- und Unterseite des Laubblattes.. A Baues und der Lagerung. Von Spaltöffnung der Blattoberseite von ZPopzdus pyrami- . N i R B E 2 = £ x - > Ss > R ’erT [0% dalis. Die Schliesszellen sind etwas eingesenkt, so den seichten Schalenvertiefungen dass eine äussere Athemhöhle (a) gebildet wird, welche der Blätter des Oelbaumes an bis seicht trichterförmig IsE rar Spaltöffnung von der zu den tiefen, mit Haaren ausge- Unterseite desselben Blattes; die Schliesszellen sind leide Krii d Oo] kaum merklich unter das Niveau der Epidermis ge- Kleideten Krügen des cander- drückt. B Spaltöffnung von der Oberseite, B, von blattes, auf deren Grund gleich der Unterseite des Laubblattes von ZPlantago major. Die erstere besitzt einen weiteren Vorhof (v). mehrere Spaltöffnungen auftreten, giebt es die verschiedensten Ab- stufungen. Dieselben sind um so mannigfaltiger, als jener windstille Hohlraum nicht bloss durch Ausbildung einer äusseren Athemhöhle, sondern auch durch Erweiterung des Vorhofes geschaffen werden kann. Die physiologische Be- deutung dieser beiden Räume ist offenbar ganz die gleiche. Sowie die Dicke der Epidermiszellwandungen an verschiedenen Organen derselben Pflanze eine variable ist, ebenso werden voraussichtlich auch die ge- schilderten Schutzeinrichtungen des Spaltöflnungsapparates bald mehr, bald weniger ausgiebig sein. Dass sich derartige Unterschiede selbst an den verschiedenen Seiten desselben lJaubblattes zeigen können, geht aus den obenstehenden Ab- bildungen (Fig. 27) hervor. Bei Zopulus pyramidalis hat die Mehrzahl der Spalt- j 4. Das Ernährungssystem. 687 öffnungen auf der Blattoberseite eine ziemlich vertiefte Lage (Fig. 27 A); die äusseren Athemhöhlen sınd in Form seichter Trichter ausgebildet. Auf der Blatt- unterseite ist die Einsenkung der Spaltöffnungen kaum angedeutet (Fig. 27 A,). Bei Plantago major fand ich auf der Blattoberseite die Vorhöfe meistens beträchtlich weiter, als auf der Blattunterseite (Fig. 27 B und B,). Man sieht also, dass auf jener Blattseite, auf welcher erhöhte Beleuchtung und Erwärmung die Transpi- ration ansehnlich steigern, die diesbezüglichen Schutzeinrichtungen der Spalt- öffnungen sich viel entschiedener ausprägen. Uebrigens sind diese Unterschiede nicht bei allen Pflanzen deutlich wahrnehmbar, welche auf beiden Blattseiten Spaltöffnungen aufweisen. Auch bei den vorhin genannten Arten gilt der er- wähnte Unterschied bloss für die Mehrzahl der Spaltöffnungen. Es sind jetzt noch einige Bemerkungen über die innere Athemhöhle bei- zufügen. Dieselbe stellt ein Luftreservoir vor, in welches die Durchlüftungskanäle allseits einmünden; damit dieser Hohlraum bei etwaigen Biegungen des Organs nicht eingedrückt werde, sind nicht selten mechanische Einrichtungen vorhanden, welche die Athemhöhle in dieser Beziehung sichern sollen. Wenn die Spalt- Öffnungen in Längsreihen angeordnet sind, wie dies bei den meisten Grasblättern, bei Coniferennadeln etc. der Fall ist, so zeigt sich gewöhnlich eine ganz auffällige Ueberwölbung der meist zu Kanälen verschmolzenen Athemhöhlen seitens der angrenzenden Zellen. Dieselbe besteht darin, dass sich unter jeder Spaltöffnung zwei gestreckte Chlorophyllzellen zu einem Bogen vereinigen, welcher den Athem- kanal quer überspannt (Fig. 28 A, A,, Fig. 26 B). Bei /ris germanica, auf deren Blättern die Spaltöfnungen unregelmässig zerstreut sind, wird jede Athemhöhle von 3—4 gekrümmten Chlorophylizellen ringförmig umfasst (Fig. 28 B, B,). Eine mehr als localmechanische Bedeutung kommt, wie WESTERMAIER!) ge- zeigt hat, den aus dickwandigen Zellen bestehenden festen Rinnen zu, welche die zu lLängskanälen verschmolzenen Athemhöhlen im Halme von Scirpus caespitosus, Eriophorum alpinum etc. überwölben (Fig. 28 D). In Folge des reihenweisen Auftretens von Spaltöftnungen findet nämlich eine empfindliche Schwächung des tangentialen Verbandes der Bastträger statt. Indem nun die an den Athemkanal grenzenden Zellen die vorhin erwähnte feste Rinne bilden, welche durch dicke Radialwände von Epidermiszellen bald rechts, bald links an die starre Epidermis förmlich »festgenagelt« wird, so ist die Entstehung einer empfindlichen Lücke im tangentialen Trägerverbande vollkommen vermieden. ZurHerstellung der Communi- cation zwischen den Durchlüftungsräumen des angrenzenden Gewebes und dem Athemkanale lassen die dickwandigen Zellen jener Rinne stellenweise Intercellular- räume zwischen sich frei (Fig. 28 Di). Als eine merkwürdige Schutzeinrichtung gegen zu grosse Transpiration ist die Auskleidung der Athemhöhle mit eigenthümlich geformten mechanischen Zellen oder Zellfortsätzen zu betrachten, welche von TscHircH?) in den Blättern von Kingia australis und Xanthorrhoea hastilis beobachtet wurde. Bei der ersteren Pflanze ist die Athemhöhle durch eine vielfach gewundene, höckerige Zelle mit stark verdickten Wandungen vom Pallisadengewebe abgeschlossen. Mit ihren seitlichen Fortsätzen ist diese »Schutzzelle« mit den beiderseitigen subepidermalen Bastzellen fest verwachsen. Der auf diese Weise erzielte Verschluss der Athem- D) Beiträge zur Kenntniss des mechanischen Gewebesystems. III. Anatomische Einrichtungen zur Erhaltung der Querschnittsform biegungsfester Organe. Monatsberichte d. k. Akademie der Wissenschaften in Berlin. 1881. 2) Der anatomische Bau des Blattes von Aöngia australis. pag. 11 des Separatabdrucks. 44* erg rn 3a er u rn EM — » a 2 - « a \ 658 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. höhle ist übrigens kein fester, er ist vielmehr, wie TSCHIRCH sagt, etwa mit einem Verschlusse vergleichbar, den ein auf eine Oeffnung gewälzter Stein von sehr un- regelmässiger Gestalt bewirkt: er verschliesst wol.die Oeffnung und erschwert die Communication, hebt sich jedoch nicht auf; zwischen den Protuberanzen können die Gase frei circuliren. Bei Xanthorrhoea hastilis erfolgt der theilweise Verschluss der Athemhöhle durch wulstartige Fortsätze, welche die benachbarten Bastzellen der subepidermalen Versteifungsröhre in die Athemhöhle hineinsenden. Bei (B. 287.) Fig. 28. Bau der inneren Athemhöhle.. AA, Ueberwölbung der Athemhöhle mit chlorophyll- führenden Parenchymzellen. A im Laubblatte von Zlymaus canadensis. A, im Laubblatte von Zlym. arenarius. BB, ringförmige Umfassung der Athemhöhle mittelst chlorophyll- führender Parenchymzellen im Laubblatte von /ris germanica. C Verengerung der Athem- höhle mittelst starkverdickter mechanischer Zellen (m) bei Aazthorrhoea hastilis (nach TSCHIRCH). D (uerschnitt durch einen Athemkanal des Halmes von Zriophorum alpinum, die den Kanal begrenzenden Zellen bilden eine feste Rinne, welche bei i von einem Intercellular- raum durchbrochen wird (nach WESTERMAIER). Elegia nuda und anderen Kestiaceen fand PritzEr eine offenbar dem gleichen Zwecke dienende Auskleidung der Athemhöhlen mit cuticularisirten Zellen. 4. Vorkommen und Vertheilung der Spaltöffnungen. Aus dem Um- stande, dass die Spaltöffnungen die offene Communication der Durchlüftungsräume der Pflanze mit der äusseren Atmosphäre herzustellen haben, erklärt sich ohne Weiteres, dass diese Apparate bloss an den von Luft umgebenen Pflanzentheilen vorkommen, den Wurzeln dagegen und den submersen 'T'heilen fehlen, und dass die Epidermis bloss dort von Spaltöffnungen durchbrochen wird, wo dieselbe ein an Intercellularräumen zum mindesten nicht armes Gewebe überdeckt. Ueber subepidermalen Bastrippen, Bastringen, Collenchymsträngen etc. werden desshalb keine Spaltöffnungen ausgebildet. Abgesehen von den Wurzeln giebt es wol keine Pflanzenorgane, an welchen man noch keine Spaltöffnungen gefunden hätte. Am reichlichsten kommen aber dieselben an den Laaubblättern vor, den Assimilations- und zugleich auch Trans- pirationsorganen der Pflanze. Hier kommen durchschnittlich 100—300 Spalt- öffnungen auf den (Juadratmillimeter. Im Maximum wurden von Weıss auf der Blattunterseite von Olca europaeca 675, von UNGER bei Drassica Rapa 716 pro OD Millim. gefunden. Wie der Bau so steht auch die Menge der Spaltöffnungen rn F - A r BE . 2 en 4. Das Ernährungssystem. 689 in Beziehung zu der Transpirationsgrösse der betreffenden Pflanzen, beziehungs- weise zu ihren Standorten, allein diese Beziehungen sind, wie neuerlich von TscHIRcH !) hervorgehoben wurde, offenbar weit verwickelter, als es auf den ersten Blick erscheinen möchte. Es ist eben nicht zu vergessen, dass die Spaltöffnungen bei den verschiedenen Pflanzen sehr verschieden gebaut sind. Die Weite der Central- spalte ist grossen Schwankungen unterworfen, die Einsenkung unter das Niveau der Epidermis ist ungleich gross u. s. w So kann es kommen, dass ı Spalt- öffnung der einen Pflanze in Bezug auf den Gasaustausch eben so viel leistet, als wie 2—3 Spaltöffnungen einer anderen Pflanze; damit ist auch schon gesagt, dass ein weitergehender Parallelismus zwischen der Menge Spaltöffnungen und den Feuchtigkeitsverhältnissen der jeweiligen Standorte nicht zu erwarten ist. Bloss im Allgemeinen lässt sich der Satz aufstellen, dass mit der wachsenden Trockenheit des Standortes die Zahl der Spaltöffnungen abnimmt. Einer von TSCHIRCH zu- sammengestellten Tabelle entnehme ich folgende, den angeführten Satz illustrirende Zahlen: Blattoberseite Blattunterseite Nymphea alba 60 o er Br Wasser i " Zerminalis 625 o Quercus Robur \ ER o 346 feuchte Wälde “ peduncwataf ee vo sage 38 Prunus domestica _\ o 263 : tgärten Pirus Malus f Ohsteözten o 246 Triticum sativum 2 E \ Felder = z Avena sativa f 40 27 Sedum acre \ steinige, 21 14 Sempervivum tectorumf trockene Stellen rı 14 Begreiflicherweise erhält man um so vergleichbarere Zahlen, je näher die betreffenden Pflanzenformen einander verwandt sind. Von ZINGELER, welcher ver- schiedene Carex-Arten verglich und Prirzer, welcher seine Untersuchungen auf die Gräser beschränkte, sind desshalb verhältnissmässig sehr übereinstimmende Zahlen ermittelt worden. An dorsiventral gebauten Blättern treten die Spaltöffnungen in der Regel auf der Blattunterseite auf, d. i. auf derselben Seite, welche das 'Transpirations- gewebe des Blattes zur Ausbildung bringt. Vertikal stehende Blätter, welche beiderseits gleich gebaut sind, führen auch eine gleiche Anzahl von Spaltöffnungen auf beiden Seiten. Dass auf dem Wasser schwimmende Blätter die Stomata aus- schliesslich auf der Oberseite ausbilden, bedarf keiner Erläuterung. Auch die Keimblätter verschiedener Pflanzen, welche das Erdreich verlassend zu den ersten Laubblättern des jungen Pflänzchens werden, führen hauptächlich auf der Ober- seite Spaltöffnungen;?) vermuthlich deshalb, weil die transpirirende Oberfläche in diesem Entwicklungsstadium noch nicht gross genug ist, um (bei gewöhnlicher Vertheilungsweise der Stomata) dem gewiss nicht kleinen Transpirationsbedürfnisse des Keimlings zu genügen. Die Spaltöffnungen sind über die mit ihnen versehene Epidermis entweder gleichmässig vertheilt, oder in Gruppen und Längsstreifen angeordnet. Diese Längsstreifen werden bei Pflanzen, welche trockenen Standorten angepasst sind, 1) Linnaea, Neue Folge. Bd. IX. Heft 3 und 4 pag. 176. 2) Vergl. meine Schrift über die Schutzeinrichtungen in der Konwiekeline der Keimpflanze. Wien 1876, pag. 88 ff. E “ = x « ? 7 690 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. sehr häufig zu Längsrinnen, an deren Böschungen die Spaltöffnungen auftreten; hierher gehören z. B. viele Steppengräser; nicht selten sind diese Längsrinnen mit Haaren ausgekleidet (Caswarina, Exocarpus.) Es ist einleuchtend, dass eine solche Anordnung der Stomata denselben physiologischen Effect erzielt, wie ihre Versenkung in Trichter und Krüge. 5. Functionswechsel der Spaltöffnungen. Da die Stomata normaler- weise die einzigen Durchbrechungen der Epidermis vorstellen, so erscheint es begreiflich, dass die Pflanze von ihnen nicht selten auch in jenen Fällen Gebrauch macht, wo es sich ihr um die Ausscheidung von tropfbar-flüssigen Stoffen handelt. Hierher gehören vor Allem die sogenannten Wasserporen,!) welche über den Enden von Gefässbündeln, meist nahe dem Blattrande oder auf den Spitzen der Blattzähne auftreten. Das ausgeschiedene Wasser enthält bei den Saxzfraga- Arten eine grössere Menge gelösten kohlensauren Kalkes. Ferner sind hier die sogen. Saftventile vieler Nectarien zu nennen, an welche sich dann noch die harzabsondernden Spaltöffnungen an Coniferenblättern (nach THomas) und die wachsausscheidenden Stomata an manchen Früchten (Cydonia japonica, Rosa glan- dulosa, Prunus Cerasus etc. nach LıcoPoLı?) anschliessen. So hat es in einzelnen Fällen mit der ehemaligen Auffassung der Spaltöffnungen als »Hautdrüsen« seine Richtigkeit. — Eine eigenthümliche Bedeutung kommt den Spaltöffnungen der Samenschale von Canna zu, welche mit ihren langen trichterförmigen Athem- höhlen die alleinigen Wege vorstellen, auf welchen zu Beginn der Keimung Wasser in das Innere des Samens dringt.?) — Die ihrer ursprünglichen Function entfremdeten Spaltöffnungen büssen in den meisten Fällen die Fähigkeit des Oeffnens und Schliessens vollständig ein. 6. Die Nebenzellen des Spaltöffnungsapparates. Sehr häufig sind die den Schliesszellen benachbarten Epidermiszellen anders gebaut als die übrigen typischen Oberhautelemente und gehören sowol in anatomischer Hinsicht wie auch ihrer Function nach gewöhnlich zum Spaltöffnungsapparate im weiteren Sinne des Wortes. Ihre Bedeutung kann eine sehr verschiedenartige sein. So bilden sie z. B. bei den Cyperaceen mit ihren dünnen Aussenwänden das Haut- gelenk der Spaltöffnung. Bei Finca minor sind sie die Reservestoffbehälter des ganzen Apparates. Und wieder in anderen Fällen bilden sie die Wände und wallartigen Ueberwölbungen der äusseren Athemhöhlen. Die Spaltöffnungen der zweiten Lebermoosreihe, der Marchantiaceen, sind von den vor- stehend geschilderten Spaltöffnungen der Gefässpflanzen und Laubmoossporogonien sehr wesent- lich verschieden. Die Achnlichkeit ist eigentlich eine mehr äusserliche und indem man gegen- wärtig bei den erwähnten Lebermoosen von Athemöffnungen statt Spaltöffnungen, von Luft- kammern statt Athemhöhlen zu sprechen pflegt, wird dieser wesentliche Unterschied auch durch die abweichende Bezeichnung anerkannt. Die Athemöffnung stellt auf dem Thallus von Zreissia und Marchantia einen tonnenförmigen Kanal vor, welcher von mehreren übereinander befindlichen Ringen von Zellen begrenzt wird; die Fähigkeit des Oeffnens und Schliessens scheint nach den bisherigen Beobachtungen durchaus zu fehlen. Die grossen Luftkammern sind von chlorophyll- reichen Zellfäden erfüllt, welche von dem Boden der Luftkammer, manchmal auch von den Seitenwänden entspringen, und das Assimilationssystem der Pflanze vorstellen. Was die physio- logische Bedeutung der ganzen Einrichtung betrifft, so wird dieselbe vielleicht am richtigsten als eine Schutzeinrichtung des Assimilationssystems charakterisirt. Dafür spricht auch die merk- !) Näheres über dieselben bei DE BArv, Vergl. Anatomie. pag. 54. ?) Botanischer Jahresbericht von L. Just. 1879. pag. 35. 3) Näheres hierüber enthält meine Abhandlung über »die Schutzeinrichtungen der Keim- pflanze.«e pag. I0 u. II. 4. Das Ernährungssystem. 691 x würdige Entstehungsweise der Luftkammern und Athemöffnungen, die von LEITGEB !) eingehend beschrieben wurde. 2. Die Lenticellen. So wie die Epidermis wird auch das Periderm von offenen Gaswegen durch- setzt, welche seit DE CANDOLLE als Lenticellen bezeichnet werden. Schon in der Entwickelungsgeschichte macht sich die analoge Bedeutung der Spaltöffnungen und Lenticellen geltend. An jungen Trieben unserer Holzgewächse entsteht jede Lenticelle, wie schon UNnGER beobachtete, unter einer Spaltöffnung und setzt so gewissermassen deren Function fort, nachdem an Stelle der Epidermis das Periderm getreten ist. Die Lenticelle ist im ausgebildeten Zustande ein linsenförmiger, in das Periderm eingesetzter Gewebekörper. Zu innerst besteht sie aus der meristema- tischen Verjüngungsschicht, welche seitlich ringsum im Phellogen ihre Fortsetzung findet. Der Hauptsache nach setzt sich aber die Lenticelle aus abgerundeten, dichtgedrängten Zellen zusammen, welche seit STAHL's Untersuchungen als Füll- zellen bezeichnet werden. Die dazwischen befindlichen Intercellularräume stellen die offene Communication des Durchlüftungssystems mit der Aussenluft her. Die Füllzellen besitzen dünne Wandungen, welche sich mit dem Alter bräunen; der anfänglich vorhandene Plasmaleib vertrocknet in älteren Füllzellen, gleichwie in den Zellen des Korkes. Lenticellen können sowol an jungen, noch mit der Epidermis versehenen Trieben entstehen, wie auch an älteren, bereits vom Periderm umgebenen Zweigen. Im ersteren Falle ist ihre Entstehung nach STanL?) die folgende: die unter einer Spaltöffnung gelegenen, die Athemhöhle begrenzenden Parenchym- zellen theilen sich unter Grössenzunahme und bringen als farblose Füllzellen die Athemhöhle zum Verschwinden. Durch tangentiale Theilungen einer uhrglas- förmigen Zelllage wird die Verjüngungsschicht gebildet, welche stets neue Füll- zellen nach aussen abscheidet. In Folge des Druckes seitens der andrängenden Füllzellen wölbt sich die Epidermis immer mehr empor und zerreisst endlich. Das nunmehr austretende Füllgewebe bildet die kleinen wulstförmigen Erhaben- heiten der Lenticelle und nimmt bei dem losen Zusammenhang seiner Elemente eine brüchige, oder pulverige Beschaffenheit an. — An älteren, bereits mit einem Periderm versehenen Zweigen entstehen die Lenticellen dadurch, dass an be- stimmten eircumscripten Stellen das Phellogen statt interstitienloser Korkzellen das an Intercellularen reiche Füllgewebe bildet und so zur Verjüngungsschicht der Lenticelle wird. Wie im früheren Falle die Epidermis wird bei dieser Ent- stehungsweise die über dem Füllgewebe befindliche Korkschicht gesprengt. Um die physiologische Bedeutung der Lenticellen richtig beurtheilen zu können, ist es nothwendig, sich die Thatsache gegenwärtig zu halten, dass die Lenticellen oft schon lange vor Beginn der Peridermbildung entstehen. In diesem Falle werden die Lenticellen so lange als den Gasaustausch hemmende Verstopfungseinrichtungen fungiren, bis die Epidermis durch Periderm ersetzt wird. Denn wo früher eine Athemhöhle sich vorfand, welche unmittelbar mit der Aussenluft communicirte, da schliessen jetzt die Zellen der Verjüngungsschicht das abgestorbene Füllgewebe und die in den meisten Fällen noch unverletzte Oberhaut das unter denselben liegende Parenchym vollständig ab. Durch die !) Die Athemöffnungen der Marchantiaceen. Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissen- schaften in Wien. 188o. 2) Entwickelungsgeschichte u. Anatomie der Lenticellen. Botan. Zeitg. 1873. pag. 615, 692 Die physiologischen Leistungen der Pflanzengewebe. Lenticellen peridermloser Triebe lässt sich niemals Luft pressen. Auch das von mir beobachtete Vorkommen solcher Lenticellen an Blattstielen !) (Aesculus, Acer, Tilia, Juglans etc.) kann nur insofern eine physiologische Bedeutung haben, als dieselben Verstopfungseinrichtungen vorstellen. Erst nach eingetretener Periderm- bildung werden die Lenticellen zu wirklichen Rindenporen. Die Epidermis ist jetzt gesprengt und das nachrückende Füllgewebe scheint an leicht wegsamen Intercellularräumen reicher geworden zu sein. Wenn man jetzt zur Sommerszeit einen mit Lenticellen versehenen Zweig luftdicht an den kürzeren Schenkel eines Uförmig gekrümmten Glasrohres befestigt, den ganzen Zweig bis zur oberen zu- gekitteten Schnittfläche in ein mit Wasser gefülltes Glasgefäss untertaucht und in den längeren Schenkel des Glasrohres Quecksilber giesst, so sieht man schon bei ganz geringem Drucke reichliche Luftblasen aus den Lenticellen austreten. Wenn nun auch dieser Versuch sehr leicht gelingt, so wird man doch vergebens an anderen Stellen der Zweigoberfläche, sei es durch Verletzung des Periderms, oder durch Ablösung desselben vom Rindenparenchym, einen Austritt von Luft- blasen zu bewirken suchen. Es geht daraus hervor, dass die Lenticellen nicht bloss partielle Durchbrechungen des Periderms vorstellen, sondern auch Ver- einigungspunkte des Durchlüftungssystems. Fasst man nun die Function der Lenticellen an Zweigen mit und ohne Peri- derm gleichzeitig ins Auge, so darf man die Lenticellen als Regulatoren des Gasaustausches bezeichnen, welche denselben an peridermlosen Zweigen hemmend, an peridermbesitzenden fördernd beeinflussen. Was hier über die Beziehungen der Lenticellen zu dem Gasaustausch im All- gemeinen gesagt wurde, das gilt natürlich auch für die Transpiration im Besonderen. Wenn nun auch in letzterer Hinsicht den Lenticellen lange nicht jene Bedeutung zukommt, wie den Spaltöffnungen, so erschien es mir nicht ohne Interesse einige zahlenmässige Daten über die Beeinflussung der Transpiration durch die Lenti- cellen zu gewinnen. In meiner oben citirten Abhandlung habe ich mehrere dies- bezügliche Versuche mitgetheilt; dieselben wurden in der Weise durchgeführt, dass ich ältere Zweigstücke verschiedener Bäume an den Schnittflächen mit Siegellack fest verschloss und die Lenticellen mit dickflüssigem Asphaltlack ver- klebte; an ebenso grossen Vergleichszweigen wurden die Asphalttüpfelchen in gleicher Anzahl und Grösse zwischen den Lenticellen angebracht. Durch täg- liche Wägungen bestimmte ich die Gewichtsverluste der derartig präparirten Zweige und konnte so den Einfluss der Lenticellen auf die Wasserabgabe seitens der Zweige zahlenmässig feststellen. Nachstehende kleine Tabelle enthält einige Versuchsresultate in übersichtlicher Zusammenstellung. Die mitgetheilten Zahlen bedeuten die jeweiligen Gewichtsverluste, ausgedrückt in Procenten des Anfangs- gewichts der Zweige. Sambucus nigra Triaenodendron caspicum Morus alba Zeitangabe Lenticellen Lenticellen Lenticellen offen geschlossen offen geschlossen offen geschlossen Nach 5 Tagen 10,60 7,66 5,35 3,58 9,76 9,26 1 RO 19,65 15,90 11,10 7,69 19,84 17,47 Rs 3 TR 28,02 23,71 16,41 12,18 2m ke 24,62 Die Unterschiede in der Transpiration der Zweige mit offenen und ge- schlossenen Lenticellen sind also ziemlich ansehnlich. — ') G. HABERLANDT, Beiträge zur Kenntniss der Lenticellen. Sitzungsberichte der Wiener Akademie. 72. B. I. Abth. 1875. 4. Das Ernährungssystem. 693 Von Srtant wurde die interessante Beobachtung gemacht, dass bei manchen Bäumen die Lenticellen zur Zeit der Vegetationsruhe, d. i. vom Herbste bis zum Frühjahr geschlossen und für Gase undurchlässig sind. Der Verschluss erfolgt dadurch, dass schon vor der Zeit des Laubfalles die Verjüngungsschicht anstatt gewöhnlicher Füllzellen normale, interstitienlose Korkzellen bildet, welche zusammen eine mehr oder minder dicke Verschlussschicht darstellen. Im Frühjahr wird wieder Füllgewebe gebildet und die Verschlussschicht so wie anfänglich die Epidermis gesprengt. Nach von mir angestellten Versuchen tritt der Zeitpunkt, in welchem sich die Lenticellen soweit öffnen, dass sichtbare Luftblasen aus denselben hervortreten, ziemlich spät ein, in der Regel erst nach vollendeter Belaubung der Zweige und nur in seltenen Fällen vor der Blüthezeit des be- treffenden Baumes. Bezüglich der Vertheilung der Lenticellen ist hier zu erwähnen, dass dieselben an vertical stehenden Zweigen ringsum ziemlich gleichmässig vertheilt sind, an horizontal stehenden dagegen auf der Unterseite viel reichlicher auftreten als auf der Oberseite. Doch gleicht sich mit zunehmendem Alter der Aeste diese un- gleiche Vertheilung allmählich aus. Besonders auffallend sind in dieser Hinsicht Gleditschienzweige /G/. triacanthos) von welchen z. B. ein ıjähriges 20 Centim. langes Zweigstück auf der Oberseite 73, auf der Unterseite 21o l.enticellen auf- wies. Näheres hierüber entbält meine oben citirte Abhandlung. Dass wir in dem Vorwiegen dieser Organe an der Zweigunterseite eine Erscheinung vor uns haben, welche analog ist dem Vorwiegen der Spaltöffnungen an der Blattunter- seite, dies kann wohl bei der Gleichartigkeit der physiologischen Function dieser Organe nicht bezweifelt werden. C. Die Entwickelungsgeschichte des Durchlüftungssystems. Was für die Gewebesysteme gilt, hat auch für die Intercellularräume Geltung: Ihre Entwickelungsgeschichte kann eine sehr verschiedenartige sein. Die meisten Durchlüftungsräume entstehen schizogen, d. h. durch einfaches Auseinander- weichen der Zellen unter Spaltung der ursprünglich gemeinsamen Wände Um unter vielen nur ein sehr schönes Beispiel zu erwähnen, so verweise ich auf die Luftgänge im Schafte von Zapyrus antiguorum. In anderen Fällen entstehen die Durchlüftungsräume lysigen, d. h. durch Desorganisation, durch Collabiren und Zerreissen vergänglicher Zellen und Zellgruppen. Ein hierher gehöriges, gleich- falls ausgezeichnetes Beispiel sind die Luftgänge im Halme von Juncus glaucus. Im Einzelnen zeigt sich nun in der Entstehung der schizogenen und Iysigenen Durchlüftungsräume eine überaus grosse Mannigfaltigkeit. Die Zellen des gesammten Spaltöffnungsapparates sind theils protodermalen theils grundparenchymatischen Ursprungs. Die Schliesszellen gehen zwar stets aus einer Protodermzelle hervor, doch sind sie desshalb nicht immer gleich- werthige Schwesterzellen; wie ich gezeigt habe,!) stehen die beiden Schliesszellen von Mercurialis perennis und verschiedenen Crassulaceen zu einander in demselben Verhältnisse, wie eine Scheitelzelle zu ihrem jüngsten Segment (Fig. 26 E). Sıe liefern so den Beweis, dass selbst dann, wenn der ganze Apparat bloss aus zwei Zellen besteht, die entwicklungsgeschichtliche Bedeutung dieser beiden anatomisch und physiologisch gleichwerthigen Zellen eine verschiedene sein könne. D) Ueber Scheitelzellwachsthum bei den Phanerogamen, Mittheilungen des naturw. Vereins für Steiermark. 188o. N, Acetabularia mediterranea 269 (9). ‚Actinocyclus 408 (2). Actinoptychus biternarius 408 (2). Register der Holzschnitte. (Die erste Ziffer giebt die Seitenzahl, die in () stehende die Nummer der Figur an.) Adiantum trapeziforme 641 (20C). Allium multibulbosum 596 (2 D). Allium odorum 613 (I0OA). Anacalypta rubella 398 (27). Andreaea_petrophila 377 (18). Aneura multifida 331 (5). Anlage, gemischte, eines Oel- ganges 630 (16.) Anomoeneis sculpta 407 (1). Anthoceros laevis 350 (12). Arthrocladia villosa 221 (10). Asphodelus Villarsii 647 (21 B). Aspidium Sieboldi 647 (21 D). Asplenium Belangeri 647 (21 E.). Asplenium Ruta muraria 647 (21 A). Aulacodiscus 408 (2). Bambusa Simonii 664 (23). Bartramia Halleriana 368 (15). Brachypodium sylvaticum 618 (12). Bulbochaete 255 (16). Buxus sempervirens 596 (2 B). Callithamnion corymbosum 181 (4)- Calothrix aeruginea 308 (25). Campylodiscus Clypeus 407 (1). Carex sylvatica 615 (Iı B). Carex glauca 619, (13 A.) Casuarina 667 (24). Ceratodon purpureus 380 (20). Chaetopteris plumosa 221 (Io). Chantransia corymbifera 199 (2). Chara 241 (13). Chylosceyphus polyanthus 3235 (3). Chlamydomonas 281 (21). Closterium 288 (22). Coleochaete 251 (14). Colocasia antiquorum 609 (5 B). Conomitrium Julianum 390 (24). Convallaria verticillata 613 (1oB). Coseinodiscus Gigas 408 (2). Cosmarium Botrytis 293 (23). Cryptomeria elegans 647 (21 C). Cutleria multifida 215 (8). Cyclamen europaeum 576 (I A). Cyperus glaber 631 (18 A), 682 (26 A). Cyperus glomeratus 631 (IS B). Cyperus vegetus 610 (6 B, 7). Dattelpalme 596 (2 A, A ı). Desmarestia ligulata 221 (10). Dictyota 232 (12). Dudresnaya 178 (I, 180 3). Dudresnaya coccinea 183 (5). Ectocarpus elegans 221 (Io). Ectocarpus siliculosus 229 (9). Elymus arenarius 688 (28 A,). Eriophorum alpinum 688 (28 D). Eucalyptus 625 (15 C). Eudorina 281 (21). Fegatella conica 329 (4). Festuca ovina 576 (1 B). Ficus elastica 648 (22). Fissidens taxifolius 366 (14). Fontinalis antipyretica 373 (17). Frustulia saxonica 439 (14). Fucaceenconceptaculum, weib- liches, schematisch 211 (7) Funaria hygrometrica 380 (20). 394 (22), 397 (36). Gleocapsa spec., Gleocapsa stego- phila 308 (25). Gleotrichia punctulata 308 (25). Gomphonema constrictum EHREN- BG. 424 (10). Gracilaria confervoides 178 (1) 180 (3). Grammatophora 408 (2) Hakea suaveolens 682 (26 B). Hemiaulus 408 (2). Hyacinthus orientalis 632 (19). Iris germanica 688 (28 B). Juncus glaucus 611 (8). Jungermannia bicuspidata 354(12). Laminaria Cloustoni 227 (II). Lamium album 609 (5 A). Lemna minor 682 (26 D). Leonurus Cardiaca 599 (3 C). Lepidozia reptans 336 (6). Leucobryum vulgare_366 (14). Macrocystis pyrifera 227 (Ir). Marchantia polymorpha 329 (4), 338 (7), 341 (8), 343 (9), 347 (10), 348 (11), 354 (12). Melobesia callithamnioides (a): Melosira varians AG. 440 (16). Mercurialis perennis 682 (26 E). Metzgeria furcata 321 (1). Molinia coerulea 613 (10 C). Mycoidea parasitica CUNING. Navicula cuspidata KTz. 439 (15); N. gemina 408 (2). Neidium firmum PFTzr. 423 (9). Nodularia litorea 308 (25). Nostoc tennuissimum 308 (25). Oedogonium 255 (16). ÖOzothallia nodosa 211 (7). Oryza sativa 576 (1 C). Pandorina 281 (21.) Papyrusantiquorum 631 (18 C G). Paralia marina 408 (2). Pediastrum 277 (20). Pellia epiphylla 354 (12). Phoenix dactylifera 612 (9), 625 (15 D). Phormium tenax 685 (11 A). Phytophtora omnivora 299 (24). Pinnularia viridis 411 (3), 412 (4), 433 (12). Pinus Laricio 641 (z0A). Plantago major 686 (27 B). Pleurosigma 408 (2), P. angula- tum W. Sm. 418 (8). Polysiphonia 180 (3); P. varie- gata 192 (6). 178 696 Register der Holzschnitte. 3 Polytrichum commune 365 (13), | Sirogonium 288 (22). Trägerquerschnitt 605 (4A B). 396 (16).P. formosum 373 (17). | Sium latifolium 630 (19). Tragopogon crocifolius 599 (3 Preissia commutata 343 (9). Kenn flabellatum 178 | A,B). Primula sinensis 630 (17). (1). Triceratium Favus EHRENEG. 416 Populus pyramidalis 684 (27). | Sphacelaria cirrhosa 221 (10). (6) 417 (7). Radula complanata 354 (12). Sphagnum 380 (21), S. acutifo- | Ulothrix 260 (17). Ribes rubrum 625 (ı5 F). lium 393 (25), S. cymbitolium | Urena sinuata 596 (2 C). Riccia 354 (12). 387 (23), 395 (25); S. squar- | Vaucheria 264 (18). Riella helicophylla 323 (2). rosum 378 (19). Vinca rosea 682 (26 C). Rhodymenia palmata 180 (3). Spirogyra 288 (22). Vitis vinifera 671 (25). Sambucus nigra 641 (20 B). Stigonema 308 (25). Volvox 281 (21). Sanguisorba carnea 625 (15 E). | Stypocaulon scoparium 221 (Io). | Weissia curvirostra 398 (27). Schema der Zelltheilungsfolge der | Suriraya calcarata PFTzZr. 415 | Xanthorrhoea hastilis 688 (28 C). Bacillariaceen 436 (13). (5),.43% (a3). Zanardinia 215 (8). Sciadium 277 (20). Taonia 232 (12). ZeaMays 615 (11 C) (619), (13B), Seirpus caespitosus 610 (6 A). | Theophrastaimperialis625(15B); 622 (14). Scytonema 308 (25). Th. Jussieui 625 (15 A). Ci % Be er, ng % a Mm a DNB a Fe er A or, © 4 Is ha z w 2 RR Se Ze ee re Ä Be: 3 a. , r r D 2 ; \ 4 - 3 - . 2 Namen- und Sach-Register. Abies 646 674; A. excelsa 592. Absorptions-Vermögen des Bo- dens 111; A.-Gewebe 634. A.-System 569. Acacia acinacea 683; A, farinosa 683; A. leprosa 683; A. lo- phanta 549 550. Acer 84 658 692; A. campes- tre 585 609; A. striatum 583. Acetabularia 201 202 204 205 236 270 271 272; A. Caly- culus 270; A. mediteranea 269 270. Achnantheae 444. Achnanthes 413 421 430 440; A. arctica 445; A. exilis 438; A. longipes 419. Achnanthidium 421 coarctatum 405. Aconitum dissectum 540. A. Na- pellus 641. Acorus Calamus 588 665. Actinocyclus 108 412 419. Actinoptychus 412 415 421; A. biternarius 408; A. undulatus 445- Adiantum 652 642; A. trapezi- forme 641. Aerobien 131. Aesculus 492 587 658 692; A. Hippocastanum 586. Aethallium 73. Aethylamidoparaoxybenzoesäure 128. Agaricus olearius 140. Agarum 228. Agavce americana 625 666. Aglaozonia 217; A.-Sprosse 215. Akrogyne Jungermanniaceen 363. Alasia 228. Aldrovanda vesiculosa 550. Algen 163 169; A. im engeren Sinne 193. Alicularia 351 359; A. RIO N, scalaris Alisma natans 621; A. Plantago 684. Alkaloide 187. Allium 626 645 649 678; A. al- taicum 684; A. Cepa 27 654 684; A. multibulbosum 596; A. odorum 613; A. ursinum 632 650. Alnus glutinosa 128. Alo& 588; A. nigricans 684; A. soccotrina 684. Alsine 536. Alstroemeria 650; psittacina 642 Althenia 668. Aluminium 40. Amansia 192. Amarylis formosissima 683. Amblystegium serpens 368. Amidobernsteinsäureamid 126. Amidocaprinsäure 127. Amidopyroweinsäure 127. Amidosäuren 126. Ammoniak 34. Amöbenbewegung 72. Ampelopsis 508 509 510; quinquefolia 526. A. Ampbhigastrien 333 334. Amphipleura 421. Amphipleureae 413. Amphiprora 413; A. 420. Amphiroa 191. Amphitetras 412. Amphitropideae 443. Amphitropis paludosa 410. Amphora 413 414 421 424 425 438. Amphoreae 443. Amphora affınis 405; A. lanceo- lata 445. Amygdalin 146. Amylom 667. Amylumkörner 54. Anabaena 308. Anacalypta rubella 398. Anadyomene 361. Anakrogyne Jungermanniaceen 369. | Andreaea 364 365 376 377 378 eonstricta 382 383 386 391 398 399; | Schenk Handbuch der Botanik, Bd. II. A. pe- rupestris Br 395; trophila 395; A. 395. Andreaeaceen 391 395. Androsporen 257. Androphor 266. Aneimia densa 627. Anelatereen 363. Anemone 537 641; A. sylvestris 643. Aneura 320 332 335 337 339 340 344 358 363; A. multi- fida 337 345; A. palmata 345; A. pinnatifida 359. Anguliferae 443. Anisosperma Passiflora 671. Anisotropie 540. Anomoneis 407 421 423 424. Antheridien 315; A. der Chara- ceen 244; A. v. Coleochaete 251; A. der Dictyotaceen 233; A. der Fucaceen212; A. der Leber- moose 341; A. der Oedogo- niaceen 257. Anthoceros 316 322 333 342 345° 347, 18552 1,3304 / 3605 A. laevis 354 357 384; A. punctatus 357. Anthoceroteen 363. Anthokyan ı5 580. Anthophycus longifolius 209. Annulus 398. Aplanogameten 197 199; A.-co- pulation der Chlorophyceen 235: Apocyneen 672. Apophyse 397. Apostrophe 74. Aqusition 467. Aquilegia vulgaris 641. Arabis 246. Araceen 630. Arachis hypogaea 547. Arachnoidiscus 417 419 421. Araucaria excelsa 592. Arbeitstheilung 557. Archegonien 315; A. der Leber- mMOOose 342. 45 998 Archesporium 317. Archidium 378 379 391 397; A. phascoides 365. Arenga saccharifera 612. Aristolochia 613 671; A. cymbi- fera 585; A. Sipho 452 583 791. Armeria 613 619. Armpallisadenzellen 636. Arnoseris minima 618. Aroideae 624. Arsen 4I. Artemisia 581. Arthrocladia 218 224 225 226; A. villosa 221. Arundinaria 642. Asclepiadeen 672. Asparagin 126. Asparagus 639 646. Asperococcus 217 226 227; A. bullosus 226; A. compressus 226. Asphodelus 645 649; A. Villar- sii 647. Aspidium aculeatum Sieboldi 642 647. Asplenium Belangeri 647 649; A. Ruta muraria 647. Assimilations-Produkte, erste 25; A.-Process 2; A.-System 569 634; A.-Zelle 635; A.-Zellen eylindrische 636; A.-Zellen, schlauchartige 636; A.-Zellen, tafelförmige-poly&drische 636. Assocjationsprocesse 121. Asteromphalus 421. Astroporae 362. Athemhöhle, äussere innere 685 687. Athemöffnungen 631. Athmung, innere 120 135; A., normale 120 131; A.-Processe 120. Atrichum undulatum 369 377: Atriplex hortensis 95. Atropa Belladonna 680. Aufthauen 60. Augenfleck 194. Aulacodiscus 406 408 415 418 420. Auliscus 420. Ausschliessung geotropischer Krümmungen 515. Auxosporen 301 436 444. Avena 93 480; A. sativa 689. Azolla 684. Azygosporen 291. Jacillaria 429 445; B. paradoxa 403 427- Bacillariaceae 443: Bacillariaceen 403. Bacillus subtilis 468. Bacterium syncyaneum 147; Termo 139. Bambusa 642; B. 480; B. Simonii 643 664. 6A AN 2 685; coccochromaticae B. arundinacea | Namen- und Sach-Register. Bambusen 612. Bambusina 293. Bangia 176 177 157. Bangiaceen 187. Banksia 500. Barbula 365; B. aloides 366; B. papillosa 388 389; B. ruralis 364 369 374; B. subulata 382. Baryum 41. Bartramia Halleriana 368; B. ithyphylla 368; B. pomiformis 369. Basilarknoten 242. Basilarzelle 309. Bassorin 146. Bast 569. Bastfasern 542. Bastmantel der Carexarten 569. Bastzellen 595 607; B., ge- | fächerte 598. Batrachospermum 176 180 189 190. Bau des Vegetationspunktes der Lebermoose 330. Bauprincipien, mechanische 604. Befruchtung der Characeen 245; B. der Florideen 173. Befruchtungsakt derFucaceen 213; B. der Phaeosporeen 218. Beggiatoa 313. Begonia 94; B. boliviensis 670; B. hybrida 670; B. hydroco- tylifolia 670; B. ignea 670; B. Rex 670; B. robusta 670; B. tuberculata 670. Bellis 537; B. perennis 6309. Berberis 550. Berindungsfäden 224. | Beta 17 Io1. | Betula 94 609 658; B. alba 699. | Biddulphia 404 412 415 418 421 422 424 434. Bidens cannabina 108. | Biegungsfestigkeit 541 604. Bignoniaceen 672. Bildung von Brutknospen der | Lebermoose 337; B. Hohlräume 211; B. der Spore der Lebermoose 358. | Birke 671. | Birnbaum 671. | Bitterstoffe 147- ı Blasia 322 339 335 338 344 345 359 361 363 388; B. pusilla 324 332. ı Blätter der Laubmoose 364. , Blattbildung der Lebermoose 330. Blattstellung der Lebermoose 371. | Blossevillea 212. | Blyttia 322 345. Böhmeria nivea 597. ı Bor 41. Jorassus flabelliformis 612. | Borke 569 590. Boschia 330 346 347 349 361 362. | Boswellia papyrifera 592. 2 J 53 Ni Botrydium 73 194 195 202 205 237 239 273 519. ö Botrydium, geschlechtliche Gene- ration von, 274; B., unge- schlechtliche Vermehrung von, 274. } Brachypodium sylvaticum 618. Brassica IOI 537; B. Napus 528; B. Rapa 639 688. Braunfärbung 15. Brebissonia 421. Brom 41. Bromus 627. Brutknospen Sphacelarieen 223. Bryineen 396 397. Begonia alba 510. Bryopogon 93. Bryopsis 73 145 203 267 268 272.279: Bryum 389 399. Bryum caespiticum 382; B. caespi- tosum 391; B. nudum 377; B. pallens 382. Buche 652. Bulbochaete 205 206 255 256 257; B. setigera 255. Butomus umbellatus 486. Buxbaumia 306 349; B. aphylla 389. Buchsbaum 671. Buxus sempervirens 596. Calamogrostis 642. Calamus Rotang 621 671 672. Calcium 40 47: n Calendula 537; €. offhieinalis 537. Calla palustris 684. Callistemon 592. Callithamnieen 176. Callithamnion 176 178 182 185 ı 188; C. corymbosum 177 181 182; C. cor. var. seirospermun 182. ı Calothrix 309; C. aeruginea 308. ' Caltha palustris 640 642. | Calluna 51. der ! Calymperes Richardi 389. | Calypogeia 326 334 336 351; C. ericetorum 352; C,. Tricho- manes 339. Calyptra 396 397. Calystegia sepium 588. Cambium 570 629. Camellia 253. Campanula multiflora 670; Trachelium 670. Campylodiscus 406 421; C. Cly- peus 407. Capsella Bursa pastoris 547. , Caragana arborescens 667; C. frutescens 652. Carduus 550. | Carex 589 615 689; C. alba 677; | €. brizoides 677; C. caespi- tosa 621 677; C. disticha 677; ' €. glauca 619; C. hirta 683; | €. Schreberi 677; C. stricta C 621 677; €. supina 677; C. sylvatica 615; C. vulgaris 621. Carludovica 621. Carmichaelia 388. Carpoglossum 211. Carpogon 179 180. Carposporen 169 177 185. Caryophyllus 613. Castagnea 218 224 225 226. Castanea 628. Casuarina 667 690; C. excelsa0639. Caulacanthus 176. Caulerpa 165 272 336 519 557 617 636 673; C. prolifera 273» Cedrus 642. Celtis australis 599. Centaurea 550. Centralknoten der Dicytotaceen 232. Centralspalte 685. Ceramiaceen 188. Ceramieen 176. Ceramium 181 188. Ceratophyllum 21 668; C. cupres- sum 21. Ceratodon 364; C. purpureus 380 382 391. Ceratoneis 420. Chaetoceras 415. Chaetophora 194 261; Ch. endi- viaefolia 262. Chaetophoreen 194 259 261. Chaetopteris221 222; Ch. plumosa 231. Chamaerops excelsa 615 616; Ch. humilis 624. Chantransia 176 182 185 189; C. corymbifera 179. 190; Ch. efflorescens 190; Ü. investiens 190; C. luxurians 190; Ch. ve- lutina 190. Chara 167 243 244 245 246 400; Ch. crinita 206 246; fragilis 241. Characeen 72 170 198 199 204 205 234 240; Ch.-Thallus 241; Ch.-Vorkeim 241; Ch., O©ogonium der 245; Ch., Par- thenogenese der, 246. Characeen-Zweige, nacktfüssige 247. Characium 277. _ Chelidonium 654. Chenopodium 537 613. Chilosceyphus 359; Ch. polyanthus 325. Chinaroth 146. Chinagerbssäure 146. Chlamydococcus 196 280 281 282 286 297 304. Chlamydomonas 196 280 281 282 283 234 286 297 298 304; Ch. multifilis 283 284; Ch. pulvisculus 203 281 233 284 288. Chlor 40 45. Namen- und Sach-Register. Chlorochytrium 202 204 237 239 238 278 279; Ch. Lemnae 172 198 278. Chlorophyceen 163 169 193 194 234; Chl. marine 204. | Chlorophyceen, ungeschlechtliche Vermehrung der, 234: Chl., Oogame Befruchtung der, 235. Chlorophyll 171. Chlorophylifarbstoff, chemische Natur 10; Chl. Entstehung IT; Chl. optisches Verhalten 8; Chl. Zersetzung 13. Chlorophylifreie Thallophyten 163. Chlorophylihaltige Thallophyten 163. Chlorophylikörner 6 636. Chlorophylikörper 6 636. Chlorophyliparenchym 569. Chlorophylispectrum 8. Chlorophytum Gayanum 528. Chlorotylium 235. Chondriopsis 192. Chroococcaceen 304 305 312. Chroolepus 174 249 260; Chr. Jolithus 260. Chrysanthemum cosmarium 95. | Chylocladia 176; Chr. kalifor- mis 177. Chytridieen 297. Cibotium Schiedei 60T. Cichorium 550. Cilien 194. Cilien des Peristoms 399. Cinclidotus aquaticus 389. Circulation des Plasma 72. Circumnutation 492. Cirsium arvense 93. Cladium Mariscus 674. Cladophora 166; U]. arcta 260; Cl. sericea 260; Cl. rupestris 260. Cladophoree 259 260. Cladostephus 217 221 222 223. Claudea 177. Clematis Vitalba 672. Clevea 330 332 348 362; Cl hyalina 346. Climacium dendroides 367. Closterium 292 295. Clostridium butyricum 137 139. Cocconeis 413 421 422 440 444. | Cocconema 42I 430 440 442; C. asperum 418. Codieen 267. Codium 267 272 279. Codonieen 363. Coelastrum 275. Coenobien 234 275. Coenobium 275. Colchicum 522 537- Coleochaete 195 205 235 237 248 249 287 298 400 401; C. divergens 250 251; C. irre- gularis 251 253; C. orbicu- laris 251 253; C. pulvinata 699 250 251 253; C. scutata 250 251 253; C. soluta 249 250; C., Oogonien von, 251. Coleochaeteen 199 204 249. Collatonema 421. Collenchym 569 602 607. Collenchymzellen 542 599. Colocasia antiquorum 609. Coleogen 628. Colpomenia 218 226. Combinationspectrum 8. Compositen 362. Conceptacula 191. Conceptakeln 211. Conferva 259. Confervoideen 170 234 240 248; C. isogame 249 259; C. o0- game 249. Conjugaten 170 199 234 240 287 288. Conjugation 199; C. von Chla- mydomonas 284. Conomitrium 371 C. ju- lianum 389 390. { 397; | Convallaria verticillata 613. Convolvulus 537; C. sepium 291; C. tricolor 523. Copernicia cerifera 575- Coprinus stercorarius 523. Copulation 197; C. von Aplano- gameten 197; C. von Eiern und Spermatozoiden 197 198; C. nicht schwärmender Game- ten 199; C. einer ruhenden und schwärmenden Gamete 198; C. schwärmender Game- ten 197; €. der Planogameten der Protococcaceen 278; C. von Planogameten 197. Copulationsknäuel 202. Cordyline 615. Corallina 180 184 191; C. me- diteranea 191; €. squamata 191; C. virgata IQI. Corallineen 190. Corallorhiza innata 51. „ | Corchorus 597. - | Cornus sanguinea 609. Corsinia 328 330 346 347 353 357 361 362. Corsinieen 262. Cortusa 613. Corylus avellana 599 669. Corypha cerifera 575- Coscinodiscus 404 412 415 417 419 421 423 424 443; C. Gazellae 404; C. Gigas 408 417; €. lineatus 417. Cosmarium 292 294 437; C. Botrytis 293. Craticularbildungen 430. Craticularzustände 173. Crocus 522 537. Crozophora 581. Cryptomeria 674; U. elegans 646. Cryptopleura lacerata 176. 45" 700 Cucurbita 17 94 101; C. Melo- pepo 96; C. Pepo 75 100 152 5ıo 523 629 672. Cuscuta 508. Cuticularisirung 57. Cutin 146 573. Cutleria 204 214 205 216 217; C. adsspera 208; C. multifida 208 214. Cutleriaceen 169 200 207 214. Cyanophyceen 304. Cyathodium 330 362. Cyathophorum 367. Cycas 172 640. Cyclamen europaeum persicum 547. Cyclotella 423 440 442. Cydonia 9I; C. japonica 690. Cylindrocapsa 206 235; C. invo- luta 258. Cylindrospermum 303 309. Cymatopleura 412 421 437 438; C. Solea 441. Cymbella 415 418 419 421 424 431. Cymbelleae 443. Cymodocea 668. Cyperaceen 618 620. Cyperus 626: C. Gelaber 631. 632.,682:.C. glomeratus 631 632; C. longus 632; C. pannonicus 652; C. vegetus 610 632. Cystocarp 179. Cystoclonium purpurascens 176. Cystosira 210 311; C. discors 2115,.C. Hıbrosa 211. 272. Dahlia 600. Daphne chrysantha 574. Dattelpalme 625. Dasya 177 192. Dasycladeen 269. Dasycladus 201 Dauersporen 173 305; Chaetophoreen 261. Dauerzellen 173. Dawsonia superba 368. Deckel 397. Deckzelle 193. Decompositionsprocesse 121. Degradationsprocesse 122. Delesseria 176 180. Dendroceros 322. Dermatogen 558 592. Desmarestia 228 229; D. ligulata 221. Desmarestieen 223 224. Desmidiaceen 204 205 292. Desmodium 552; D. gyrans 549. Dermogloea Limi 314. Dextrin 15 56. Diageotropismus 543. Diaheliotropismus 543. BIOS, D. der aureus 665; | 204 238 272.| | | | I} \ Ecetocarpus EEE - . Namen- und Sach-Register. Diatomeen 7. | Diatomin 425. Dichelyma 372. | Dickieia ulvoides 422. Dicranella heteromalla 369; D. varia 382. Dicranum Schraderi 395; D. sco- parium 368 369 382; D. un- dulatum 376. Dictyopteris 231 232 233. Dictyosphaerium 28o. Dictyota' 227 231 232 233. | Dietyotaceen 169 230 231; D,, Oogonien der, 233. Dietyurus 177 192; D. purpur- ascens 177. Didymochlaena sinuosa 652 642. Digitalis 146; D. media 95. Dinkel 577. Dionaea muscipula 512 550. | Dioscorea 618 620; D. Batatas 672. Diphyscium 386 387 399; foliosum 385. Diplomitrieen 363. Discosporangium 195 218 230. Disporen 178. Dissociationsprocesse 121. Distichium 371. 10), Dorsiventral 540. Dorstenia 332 337. Draparnaldia 261 -262. Drosera 511 512; D. longifolia 511. Druckfestigkeit 541 606. Druckgurtung 542. | Drüsen 570. | Dryandra 580. Dudresnaya 178 180 ı81 183 184 186; D. coccinea 180 183; D. purpurifera 180; D.-Frucht 182. Dumortiera 330 363. Dunkelstarre 363. 521 551 Durchlüftungssystem 569 634. | Duvalia 330 347 348 362. Ectocarpeen 218 223 224 225. 195 205 2I8 219 220 224; E. elegans 221 226; E. pusillus 203 218 219; E. sect. Pitayella 218; E. silicu- losus 200 20I 203 204 218 219 220 226 230. Eiche 671. Eier 167 169 197 198. Eigenwinkel 517. ' Einfluss des Lichtes auf die Be- wegung des Plasma 73; E. der Strahlen verschiedener Brech- barkeit 21. ' Eisen 40 48. Eisodialöfmung 685. Ecklonia 223. Dianthus 630; D. capitatus 602. | Elachistaea 224. Diastase 55 56. Diatoma 445. | Diatomaceen 163 170 300 403. Elaeagnus angustifolia 647. Elateren 317; E. der Lebermoose 353: a Ze Bien f . > c : KR % in 1 3 Elatereen 363. Elegia 580;. E. nuda 688, j Elodea canadensis 636 644 645 651 668 674. j Elymus 642; E. canadensis 688. Empfängnissfleck 199. Encyonema 421 442. Endochromplatten 425. Endodermis 570 588. Endosphaera 172 198 202 204 237 238 239 272 279. Entocladia viridis 172. Entstehung Iysigene 692; E. schizogene 693. | Entwickelungstypen des Laub- mMOossporogons 381. Epen 629. Ephedra 6 639; E. vulgaris 652. Ephemerum 318 365 367 380. Epidermis 569 592; E., Bau der 573; E. mehrschichtige 579; E., Plasma der, 577; E. Wachs- überzüge der, 575; E., Zellin- haltder, 577; E., Zellwandungen der. 573: Epimedium 613. Epinastie 488 489. % | Epipogium Gmelini 52. Epiphragma 399. Epistrophe 74. Epithemia 413 421 425 438; E. gibba 441; E. occellata 419. Epithel der Wurzel 569. Equisetum 6; E. palustre 645. Eranthis hiemalis 641 647. Eremobiae 275 277. Eremosphaera 240. Erfrieren 60. Erianthus 615. Erica 51. Eriophorun alpinum 684 688. Erle 671. | Ernährungssystem 569. Erythronium dens canis 636. Esche 671. Etiolin 9. Eucalyptus 625; E. globulus 575. Eudorina 240 281 282 283; E. elegans 281. Euglena 627. Eunotia 421. Eunotieae 443. Euphorbia 468. Euphrasia 51. Eupodiscus 415 418. Eupodisceae 443. Euterpe oleracea 612, Evernia 93. Evonymus europaeus 585. Exocarpus 690. Färbung der Algen 170. Fagus 609. Fagus sylvatica 54 667. Farbstoffe 147, Fasergrübchen 211. Faser, neutrale 904. 1 Al ee ee ee Fe ed ee he ee ee Dr I Bhlcus 579) 580; -F. Fegatella 317 322 326 330 332 346 347 350 358 362 386; F. conica 307 329. Festigkeit gegen longitudinalen Druck 606; gegen radialen Druck 606. Festuca ovina 576. elastica 579 648 652 663. Ficus repens 490. Filtration 69. Fimbriaria 330 348 302. Fissidens 367 371 388 389; F. taxifolius 365 367. Flechtengonidien 173. Flimmerhaare 194. Florideen 162 169;, Fl., Männ- liche Sexualzellen der, 180. Florideengrün 172. Florideenroth 171. Folia perichaetialia der Leber- moose 351. Foliose Elatereen 363. Formbildung etiolirter Pflanzen 527. Fontinalis 364 366 375; F. tipyretica 369 372 373. Fortpflanzungszellen der Dictyo- taceen 232. Fortpflanzung der Florideen 177; der Rucaceen 2IT;- F. der Schizophyceen 305; F., un- geschlechtliche der Vaucheria- ceen 264. Fossombronia 324 325 344 345; F. pusilla 335. Fragaria elatior 489 639. Fragilaria 421 430 437 443; F. virescens 425. Franklandia 580. Franeiscea marcantha 680. Fraxinus excelsior 128. Fruchtbildung der Florideen 179. an- Frullania 351 354; F. dilatata 341. Frustalia 421 422; F. saxonica 302 433 430. Fucaceen 7 169 204 207 209; F., Männliche Geschlechtsor- gane der, 212; F., Oogonien der, 212; F., Prothallus der, 213. Ei der Fucaceen 312. Fuchsia 592. Eueus#270, 212 213; E...cerä- noides 212; F. platycarpus Punsll. serratus‘, 208. 21T; F. vesiculosus 208 212. Füllung 542 604. Füllzellen 691. Funaria 397; F. 372 376 377 380 383 -384 Galanthus 644 649; G. nivalis 636 674. Galeopsis T'etrahit 639. Galium Aparine 490 671; G. Mollugo 671; verum 652 672. hygrometrica | Namen- und Sach-Register. Gametangien 197. Gameten 197. Gametencopulation 167. Gasabsorption 77; G. Flüssigkeiten 75. Gasdiffusion 76. Gastranspiration 76. Gefässbündel, bicollaterales, 665; G., collaterales, 664: G., con- centrisches, 665; G., radiales 666. Gefässbündelscheiden 570. Geisseln 194. Gelbfärbung 15. Gelidium 176. Generationswechsel 206. Generation, ungeschlechtliche, der Cutleriaceen 216, Genista 630; G. bracteolata 646. Geraniaceen 623. Gerbstoffe 147. Gerste 577. Geschlechtliche Vermehrung der Chlorophyceen 235; G. Fort- pflanzung der Melanophyceen und Chlorophyceen 196; G. Vermehrung der Volvocineen 283; G. Vermehrung der Zyg- nemaceen 290. Geschlechtsorgane von Coleo- chaete 250; G. der Cutleria- ceen 214 216; G., Vertheilung der, bei den Florideen 179. G., weibliche der Florideen 180; G. der Laubmoose 375; G. der Vaucheriaceen 266. Geschlechtszellen, weibliche der Characeen 245. Geschwindigkeit derWasserleitung 39: Geum 613. Gewebeart 558. Gewebeform 558. Gewebespannung, Periodicität der 476. Gewebesystem, mechanisches 601. Gigartina Teedii 171. Giraudia 220 230; G. sphacela- rioides 218 219. Gladiolus 645 649. Gleditschia triacanthos 693. Gloeocapsa 308 312; G. stego- phila 308. Gloecapsin 304. Gloeccystis 194 280. Gloeosiphonia capillaris 180. Gloeotrichia 309; G. punctulata 308. Glutamin Glycerin spectabilis 19. Glyeine sinensis 671. Glycose 141. Glycoside 147. durch DT 22]. Gomphonema 412 419 421 4235| 424 431 434 443; G. con- strictum 424; G. geminatum 445. 701 Gonatonema 296. Gongrosira 266. Gonium 280 281 285 297. Gracilaria armata 176; G. con- fervoides 178 180; G. dura 171. Gramineen 618 620. Grammatophora 408 413 421; G. serpentina 413. Granulose 55. Grateloupia Consentini 184; G. dichotoma 184; G. filicina 184. Grenzwinkel, geotropischer, 517. Grenzzellen 305 307. Grimaldia 330 346 348 362; G. barbifrons 364; G. dichotoma 358. Grimmia 364 374 399; G. Hart- manni 389. Grundgewebe 152 570. Gürtelansicht 411. Gürtelbandseiten 411. Gummiarten 146. Gummigänge 570. Gunnera 172. Gurtungen 604. Gymnogongrus 178. Gymnomitrium 351. Gymnostomum 365 398; calcareum 372. Gymnostomum curvirostrum 371. Gynerium 615; G. argenteum 650. Haarbildungen 581. Hadrom 569 663. Haematococcus 73 74- Hakea 621; H. suaveolens 676 677 682 683 686. Halidrys 210 2ı1 212. Halimeda 268. Halonia 421. Haliotis 406. Haloplegma 177. Halopteris 221 212. Halosphaera 195; H. viridis 275. Halymenia Floresia 183; H. li- gulata 180. Hanfbast 597. Haplolaeneen 363. Haplomitrium 318 325 333 334 335 344 345 550 359; H. Hookeri 320 357 340 363. Haplospora 226. Haplosporen 178. Harze 147. Hauptseite 411. Hautgelenk 683. Hautschicht 58. Hautsystem 569. Hechtia 577. Hedera Helix 490 528. Heleocharis 546. Helianthus 94 474: H. annuus 100 639 640; H. tuberosus 142 455 472 526. G. 1. >) | Heliopelta 421. Helleborus 641. Helminthochorton 406, 702 Helminthocladia 190. Helminthora 177 190; H. ricata 180. Hemerocallis fulva 666. Hemiaulus 408. Herposiphonia 336. Heterocysten 305 307. Hieracium 550. Hildebrandtia 176. Himanthalia 208 lorea 209 212. Himantidium 42I 433 434 437. Hinterhof 685. Hohenbergia 588. Hohlräume, blasenförmige, des Fucaceenthallus 210. Holocarpe Bryineen 398. Holz 153. Holzfasern 598. Holzzellen 598. Hookeria 370 Hopfen 491. Hordeum vulgare 577- Hormogonien 305. Hormogonienbildung. 310. Hormosira 209. Hottonia 107; H. palustris 25. Hoya carnosa 600. Humulus lupulus 672. Hyacinthus ıı 522; H. lis 632 673. Hyaloplasma 58. Hydra 637. Hydrilla 66. Hydrocytium 235. Hydrodictyaceen 205. Hydrodictyon 174 Ig4 195 196 202 204 205 238 275 276 2771 279 285 2806; ıH. 'ge- schlechtliche Fortpflanzung von 276; H. utriculatum 286. Hydrurus 194 195. Hymenium 398. Hymenostomum 398. Hypanthera Guapeva 671. Hypnosporangien 274. Hypnum 364 274 376 377 399; H. aduncum 383; H. commu- tatum 371; H. crista castrensis 316 382; H. cupressiforme 364 383; H. cuspidatum 383 391; H. Ailicinum 369; H. giganteum 383; H. serpens 391; H. splendens 367; H. triqueteum 368. Hypochlorin 28 170. Hyponastie 488 499. Hypopterygium 367. llex 583. Imbibition 65. Impatiens 537; I. nolitangere 536, Inactis 307. Insolationsathmung 121 130. Inulin 54. Intercellularräume, 569. Intussusception 466. diva- 2103 21 TR EL} orienta- luftführende | Namen- und Sach-Register. | Ipomoea purpurea 662. Iriartea exorrhiza 622; I. setigera 612. Irideae 613 625. Iris germanica 636 645 649 665 687 688. Isatis tinctoria 489. ı Isogame Befruchtungsform 197; I. Befruchtung der Chlorophy- ceen 235; TI. Syphoneen 267. Isogameten 167 169 197 201. Isthmia 418 422; | Jeannerettia 192. Jod 40. Juglans 628 692; ]. Juncaceen 620. Juncus 604; ]J. acutus 617; ]J. glaucus 610 611 617 620 629 693; ]J. paniculatus 617; ]. supinus 610, Jungermannia 351; ]. bieuspida- ta 325 326 334 337 339 354; J. erenulata 334; ]J. hyalina 334; J. ventricosa 339. | Jungermanniaceen 400. Jungermanniae geocalyceae 251. Kältestarre 551. Kalium 40 46. Kapsel 397. Keimung der Characeen 246; K. der Laubmoose 383; K. der Sporen der Lebermoose 358; K. der Rivulariaceen 310; K. der Zygoten 205. Keimzellen, unbewegliche, 205. Kieselguhr 407. Kingia 676 679; K. 622 627 628 687. Rleister 55. Kletterpflanzen 620 670. Knotenzellen 242. Körnerschicht 28. Kork 569 533. Kork, Dehnbarkeit des 588; K. Durchlässigkeit für Gase 587; K. D. für Wasser 586; K. Eigenschaften physikalische 586; K. Elastieität 588; K. Wärmeleitungsvermögen des 587. Korkhäute 505. Korkkrusten 585. Korkstoff 584. Korkzellen, Inhalt der, 584. Krönchen 245. Kützingia 192. | Kunthia montana 612. Kupferdraht 602. Kyanophyll 8 9. Längsspannung 471. Lactuca Scariola 547. | Lagenaria vulgaris 672. Laminaria 165; 1. Cloustoni 227. Laminarieen 195 227. Lamium album 609. | Langtriebe 192. | Larix europaea 592. regia 647. australis I. nervosa 410. | Lathraea squamaria 52. Lathyrus 550. Laubmoose 318 364. Laurencia 192 193; L. papillosa 171; L. obtusa” 17172200: tusa var. gelatinosa 171. Lebensweise der Algen 172. Lebensweise der Laubmoose 364. Lebensdauer der Laubmoose 378. Lebermoose 317 319 320; L,, Geschlechtsorgane der, L., Rückblick auf die vegetative | Gliederung der, 340; L., Ent- wickelung des Sporogoniums der, 352; L. Vertheilung der Ge, schlechtsorgane der, 344; L.. Verzweigung der foliosen, 334- Lederkork 583. Leinbast 587. Leitbündel 569 663. Leitparenchym 559 660. Leitungsgewebe 637. Leitungssystem 569. Lejeunia 351 354; 334- Lejolisia 186. Lemanea 176. Lemaneaceen 188. Lemna 685; L. minor 682. Lenormandia 192. Lenticellen 569 679 691. L. calcarca Leontodon 537 678; L. hastilis 537 547. Leonurus Cardiaca 599. Lepidozia 334 336; L. reptans 336. Leptom 569 628 661 663. Leptothrix 313. Lessonia 229. Leucin 127. Leucobryum glaucum 366 367 369 376 383 393; L. phyllan- thum 389. Leucojum 644 649; L. aestivum 674; L. vernum 636. Liagora 190. Libriform 569. Libriformfasern 542. Libriformring 614. | Libriformzellen 598. Lichtintensität 20. Lichtstimmung 73: Lichtwirkung 19. Licemophora 412 421 435. Licmophoreae 443. Liebmannia 224 225. Lignin 146. Liliaceae 613. Lilium auratum 602. Linde 671. Lindenbast 597. | Linosyris vulgaris 652. Linum 91 537; L. grandiflorum 536. Liquidambar styraciflua 585. Lithium 41. u ı72 278 528 674 684 , . PN, \ N Lithophyllum 190. Lithothamnion 190. Livistona chinensis 615 616 624. Lodoicea Sechellarum 612. Lomaria gibba 642. Hkonicerd, 012; : L. 491 672. Lophocolea 334 340 351 359; L. bidentata 336 337. Lotus 550. Luftkammern 691. Lunularia 330 332 348 388; L. vulgaris 392. Lupmus 91 ı27 363 550; L. varius 128. Lychnis 630; L. Githago 523. Lychnothamnus 243 244 243. Lycopodium Selago 335. Lyngbya 307. Lyngbyeen 304. Lysimachia Nummularia 279. Macrocystis 228; M. pyrifera 227. Macropiper 621. Macrozamia cylindria 684. Macrozoospore 234. Magnesium 40 47. Mahonia 15 550. Malva rotundifolia 536. Mangan 40. Mannit 145. Manubrium 310. Marchantia 323 339, 332. 333 349 350 355 362 363 388 507 528 544 545 691; M. polymorpha 329 338 341 343 347 348 354 520 544. Marchantieen 362 400. Marsilia 336. Massenbewegung plastischer Stoffe 153. Mastigobryum 334 335 336. Mastogloia lanceolata 422; M. Smithii 422. Martensia 180. Mechanisches System Meesia tristicha 372. Melaleuca cruciata 683. Melampyrum 51. Melandryum 630. 326 338 329 348 541 569. Melanophyceen 163 169 193 194 199 204 207. Melica 627. Melobesia 190; M. callitham- nioides 178 187 190. Melosira 420 423 424; M. nummuloides 424; M. varians 424 440 443 444. Mercurialis perennis 682 694. Meridieae 443. Meridion 412 419 428 430. Merismopoedia 306 312. Mesembryanthemum 574 588. Mesocarpeen 204 295 Mesocarpus 637. Mesogloea 224. Caprifolium 338 346 Namen- und Sach-Register. Mesogloeaceen 198 218 223 224 225. Mespilus germanica 583. Messingdrath 602. Mestom 569 608. Metzgeria 322 332 335 M. furcata 321 331 pubescens 331. Metzgerieen 363. Microccocus prodigiosus M. ureae 139. Micellen 54. Microcoleus 307. Microdietyon 260. Microspora 195. Microzoosporen 234. Milchröhren 662. Milchsaftbehälter 569. Milchsaftgefässe 152. Mimosa 549 550 551 552 553 554; M. pudica 512 549 550 345 359; a2: 99) 554. Mirabilis Jalappa 1350. Mnium 376; M. hornum 382; M. undulatum 367 374. Moerkia 322 345. Mohar 577. Molecularbewegung _plastischer Stoffe 154. Molinia coerulea 602 613. Monosiphone Aeste 192. Monospora 177 186. Monstera 678; M. deliciosa 593. Monostroma 198; M. bullosum 262. Monotropa Hypopitys 52. Moorhirse 577. Morus 586. Morus alba 95 586 599 662 693. Mougeotia 296; M. calcarea 288. Mucor Mucedo 496; M. racemo- sus 136 496; M. stolonifer 496. Musa 27 28 654; M. sapientum 100. Muscineen 315. Mycoderma aceti 139. Mycoidea 172 174 208; M. parasitica 253. Myriactis 224. Myriodesma 2II 212. Myriotrichia 230. Myrtus communis 592 683. Myxomyceten 163. Naccaria hypnoides 180. Nachwirkung, geotropische Najas 621 666 668. Natrium 40 47. Navicula 403 415 418 419 421 424 430 4531 432 453 440; N. bohemica 407; N.crassiner- via 438; N. cuspidata 430 434 438; N. didyma 418; N. ge- mina 408 412; N. pusilla 405; N. mutica 405; N. sculpta 407. 518. | Naviculeae 443. | Nebenseite 411. 703 Neckera 365 373. Neidium 421 431; N. firmum 423. Nelumbium 677. Nemalieen 189. Nemalion 190. Nemastoma cervicomis 184; N. dichotoma 184; N. marginifera 180. Neottia nidus avis 7 51. Nereocystis 228. Nerium 580; N. Öleander 589 609. Nesselbast 597. Nicotiana Tabacum Ioo. Nitella 242 244 245 246. Nitophyllum 176. Nitzschia 412; N. 421; N. am- physys 405; N. scalaris 404; N. spectabilis 404. Nitzschieae 443. Nodularia 308 309; N. litorea 308. Nostoc 308 309; N. tenuissimum 308. Nostocaceen 307. Nostochineen 304 305. Nothothylas 556 357 358 363; N. fertilis 357. Nutation, rotirende 488 490; N. undulirende 488 490. Nutationen paratonische 487; N. receptive 487; N. spontane 487. Nymphaea 537 677 678; N. alba 537 689, N. Lotus 537, N. thermalis 680. Oberschlächtige Blätter 326. Odontidium 419 431 430. Oedogoniaceen 199 204 205 254; Oogonien der 257. Oedogonien, gynandrosporische, 207, Oedogonium 194 195 204 206 236 255 256 260 287 297; OÖ. eiliatum 255; O. diplandrum 257; ©. echinospermum 257. Oele, ätherische 147. Oelgänge 570. Oenothera biennis 537. Olea europaea 144 677 688. Önopordon 550. Oogame Befruchtungsform 197. Operculatae 362. Operculum 397.« Ophyocytium 277. Opistialöffnung 685. Orchideen 613. Ornithogalum 537 645 649. Orthoblepharum 399. Örthosira 430 440; OÖ. spinosa 405; O. mirabilis 405. Orthotrichum 365 374 397 399; O. Lyellii 389; ©. pumilum 369. | Orthotrop 540. Oryza sativa 576 577. 704 Oscillaria 306. Oscillariaceen 304 306. Osmose 67. Osmunda 665. Oxalis 537 549 550 551 552; Öxalis Acetosella 549; O. sensi- | tiva 550. Oxymitra 528 350 355 357 361. Özothalia 208 2ıI 212 213; O. nodosa 211. Padina 231 232 233. Paeonia 600; P. corallina 641. Pallisadengewebe 569. Pallisadenzellen 636. Palmen 612. Palmella 23 240 249. Palmellaceen 275 279. Pandanus 615 624; P. odoratis- | simus 622. Pandorina 282 283 284 297 305; P. Morum 281. Panicum turgidum 575. Papaver 613; P. somniferum 95. Papyrus 665. Papyrus antiquorum 617 626 631 632 672 693. Paralia marina 408 412. Paraphysen 211. Parenchymscheiden 569. Parthenogenese 205. Passiflora 509 510 672; P. alata 510; P. edulis 671; P. lauri- folia 671; P. limbata 585. Paulownia 609. Proteinstoffe 146. Pediastrum 195 196 275 276 285; P. Ehrenbergii 276; P. vagum 275; P. granulatum 276. Peixotoa 585. Pellia 320 322 332 339 340 345 346 354 357 386; P. calycina 322 342; P. epiphylla 316 322. Peltolepis 330 362. Pelvetia 2Io 2II 212 213. Peperomia 579; P. latifolia 632. Periderm 532 583 593. Peristom 399. Peronosporeen 203 297. Peucedanum Cervaria 652. Peyssonelia 178 180. Pflanzensäuren 147. Pflanzenschleim » 146. Phaeosporeen 169 195 200 208 217; Schwärmzellen der 218. Phascaceen 396. Phascum 365 367; Ph. tum 377- Phaseolus 17 143 152 467 468 516 549; Ph. multiflorus 483 491 493 582 639 640; Ph. vul- garis 523. Phellogen 583 539 593. Phelloderm 583. Philadelphus coronarius 5924 | 28o; P. Zustände cuspida- Namen- und Sach-Register. Philodendron 471; Ph. pertusum 592. Philonotis caespitosa 368. Phloridzin 143. Phönix dactylifera 143 612 615 625 629. Phormium 615; Ph. tenax 602 615. Photometrische Schwärmer 73. Phosphor 40 42. Phototonus 521 551. Phragmicoma 351. ı Phycochrom 7 304. Phycochromaceen 7 304. Phycocyan 17I 304. Phycoerythrin 7 171. | Phycomyces nitens 498 526. | Phycophaein 171. Phycopteris 231. Phycoxanthin 17I 304. ‚ Phyllitis 195 218 226. Phyllobium 172 278 279; Ph. dimorphum 279. Phytolacca 613. Phytophtora omnivora 298. Pilayella 225 ; P. litoralis 226. Pilobolus erystallinus 528. | Pilularia 678. Pilze 163. | Pinguicula vulgaris 512. Pinnularia 414 419 421 424 431 432 433 437; P. borealis 405; P. viridis 4II 412. Pinus 636 642 684; P. Laricio 641; P. sylvestris 592 643. Pirus Malus 489 689. Pistia 674. Pisum 126 143 508 516; P. sa- tivum 54 482 484. Piper 621; P. medium 158. Pipereen 630. Pittosporum 580. Placenta 185 186. Placophora 192. Plagiochasma 330 332 348 362. Plagiochila 351; P. asplenioides 334- Plagiotrop 540. Plagiotropideae 443. Plagiotropis 413 421. Planaria 637. Planogameten 197. Plantago lanceolata 663; P. ma- jor 547; P. media 453. Plasmabewegung, Einfluss Temperatur auf die, 74. Platanus 621. Pleurocladia 207. Pleurococcus 240. Pleurosigma 408 412 415 417 421 424 425 428; P. angula- tum 417 418 419; P. attenua- tum 418; balticum 418; P. decorum 417. Pleurostaurum 421. Plocamium 176 177 179. Poa 539. der N MATT RP SET N 3 en. Podocarpus macrophylla 100, Podosira 410. Podosphenia 412. Pollexfenia 192. Polyeder 277 279. Polyedrium 277 279. Polygönum 537; P. Fagopyrum 455; P. Persicaria 108. Polyides 185; P. rotundus 183. Polysiphonia 180 191— 193; P. fibrillosa 177; P. variegata 177 192. Polysporen 178. Polytrichum 316 366 367 370 372 373 375 376 397 399; P. aloides 374; P. commune 365 369 372 382; P. nanum 374; P. piliferum 365 374 382; P. stricetum 395. Polyzonia 192. Populin 145. Populus alba 582; P. canadensis 582; P. pyramidalis 582 682; P. tremula 128 582. Porphyra 176 177 187. Porphyridium 28o. Potamogeton 2I; P. crispus 621 666 668; P. densus 621 668; P. gramineus 668; P. lucens 279 668; P. pectinatus 621; P. perfoliatus 668. | Potentilla reptans 489. Poterium 626. Pothos 678. Pottia 382; P. cavifolia 366; P. truncata 365. Preissia 317 322 326 328 330 346 347 348 350 362 363 690; P. commutata 327. Primulaceen 565 566 613. Primula elatior 547; P. sinensis 630 631. Procarpbefruchtung 167. Procarpien 179 180. Procarpium 169. Prostanthera nivea 96. Proteinstoffe, Eigenschaften der, 122; P., allgemeines Verhalten 123. Protococcaceen 170 275. Protococcoideen 234 240 274. Protococcus 235 279. } Protococcus-Zustände 240 249. Protoderm 570 592. Protonema 318. Protoplasmabewegungen 71. Prunus Cerasus 690; P. domes- tica 689; P. Laurocerasus 25 26 683; P. Padus 128. Psilotum 337. Pulmonaria offieinalis 639 647. Punctaria 226. Pyconophycus 2II 212. (Quereus 516; Q. occidentalis 588; Q. pedunculata 128 689; Q. Pseudosuber 585; Q. Robur 628 689; Q). Suber 585. Querspannung 472. Radula 334; R. complanata 338 339 354. Ralfsia 230. Ramalina 93. Ranunculus 537 641; R. fuitans 21 668; R. repens 668. Raphidium 280. Raumparasitismus 172. Rebouillia 330 346 348 362. Reis 577. Restio 676. Rhabdonema 413 421 434 440. Rhapis 663. Rheum 471. Rhinanthus 51. Rhipsalis 388. Rhizophora 678. Rhizophyllis dentata 176. Rhizosolenia 410. Rhododendron 51. Rhodomeleen 176 191 193. Rhodophyllis bifida 176. Rhodymenia palmata 180. Rhoicosphenia 413 421. - Rhynchonema 291. Rhytiphloea 192; 1771. Ribes rubrum 625 626. Riccia 317 328 353 354 361 364 400; R. Bischoffi 361; R. crystalllna 328 330; R. Auitans 323 328 330 361; R natans 323 328. Riccieen 361. Ricciocarpus 361. Rieinus 94; R. communis 639 640. Riella 317 318 323 324 3354 355 357 363; R. Notarisii 323; R. helicophylla 323; R. Reuteri 323. Rindenlappen, absteigender, 243; R., aufsteigender, 223. Rindenzelle 193. Ring 398. Rissoella verruculosa 171. Rivularia 305 309. Rivulariaceen 305; R., Sporen- bildung der, 310. Robinia 91 549; R. Pseudoaca- cia 550 667. Rosa glandulosa 690. Rotation des Plasma 72. Rothfärbung 15. Rubidium 41. Rubierythrinsäure 146. Rubus australis 490. Ruppia 666. x Ruscus 6 388 640. Sabal Adansoni 615 616. Saccharomyces cerevisiae 49 136 139 496. Saccharum 615. Rh. tinctoria Säulenfestigkeit 606. Namen- und Sach-Register. Säureamide 126. Sagittaria 621; S. sagittaefolia 666. Saliein 145. Salix 583; S. fragilis 100 668. Salpetersäure 34. | Salvia officinalis 629. Salvinia 336; S. natans 684. Sambucus 642; S. nigra 452 472 586 641 643 693. Sanguisorba 626; S. carnea 6253. Saponaria 630. Saprolegnieen 297. Sargassum 155 2IO 212; S. hete- rophyllum 209. Sargasso-Meer 210. Sauerstoffabscheidung, Abhängig- keit der, von der Tempera- tur 25. Sauteria. 330 345 362; S. alpı- na 346. Saxifraga 47 613 690. Scapania nemorosa 339. Scaphospora 229. Scenedesmus 275 276 285 286. Schalenansicht 411. Schema der Zelltheilung der Ba- cillariaceen 435 436. Schistostega 371 372; mundacea 386. Schizochlamys 28o. Schizonema 421 430 442. Schizomyceten 163. Schizophyceen 163 170 304 444, Sch., Thallus der, 304; Sch., Schwärmzellen, der, 306. Schizophyten 162. Sciadium 195 277 278; Sc. ar- buscula 276. Scinaia 186 190. Seirpus 604 617 674 678; Sc. caespitosus 609 610 687; Sc. Holoschoenus 628 629; Sc. lacustris 617. Schleimgänge 570. Schleudern 317. Schliesszellen 681. Schlingpflanzen 620 670. Schmiedeeisen 602. Sch. Os- | Schubfestigkeit 624. Schutzscheide 588. Schwammparenchym 636. Schwärmen 72. Schwärmbewegung 194. Schwärmsporen 194. Schwefel 40 43. Scoliopleura 421. Scotinosphaera 172. Scytonema 308. Scytonemaceen 310. Scytonemin 304. Scytosiphon I95 200 201 203 204 205 217 218 2ı9 226 227 230; S. lomentarius 218 220 226. Scytothalia 165 212. | Sorghum 624; Secale cereale 602. 195 Sedum ı5; S. acre 6809. Seirosporen I8I; S.-Cystocarp 181. Seligeria 365; S. tristicha 372. Sempervivum 15 644; S. tecto- rum 680. Serjania 671 672. Seta 397. Setaria germanica 577- Sida Napaea 518. Silene 536. | Silieium 40 44. , Silphium laciniatum 547. Sinapis alba 526 528. Siphoneen 170 234 240 263; S., Oogame, 263; S., Isogame, 267. Sirogonium 204 288 291. Sirosiphon 311. Sirosiphoneen 311. Sium latifolium 630. Skeletsystem 569. Sklerenchym 569 595. Sklerenchymfasern 598. Sklerenchymzellen 600. Solanin 146. Solieria chordalis 177. Somatotropismus 498. Sophora japonica 583. Sorastrum 275. Sorbus aucuparia 128 476. S. vulgare 577. Spaltalgen 305. Spaltöffnungen 679. Spannung, active 469; Sp., Ein- fluss des Lichtes auf die, 475; Sp., negative 469; Sp., posi- tive 469; Sp., Einfluss des Wassers auf die, 474; SP. Einfluss der Temperatur auf die, 475. Spannungsintensität, Oscillationen der, 479. Sparganium 546. Spartium 639; Sp. Jjunceum 646; Sp. monospermum 639. Speichersystem 569 634. Spermatien 179; Sp. der Dictyo- taceen 233; Sp. der Florideen 180; Sp., unbewegliche, 169. Spermatozoiden 167 169 197 198. Spermothamnion flabellatum 178; Sp. roseolum 177. Sphacelaria Bertiana 223; Sp. cirrhosa 221 223; Sp. pennata 222; Sp. tribuloides 223. Sphaerocarpus terrestris 333 344 353 355 363 Sphaerozyga 309. Sphacelarieen 220 221 222 223, Sp.,Schwärmzellen der,222 225. Sphaeroplea 194 198 236 238 249 260 287; Sp. annulina 258. Sphaeropleaceen 199 204.205 258. Sphagnum 318 365 367 372 373 374 375 377 378 379 380 382 383 386 391 395 396 398; 706 Sp. acutifolium 392; Sp. cym- bifolium 387 393; Sp. squarro- sum 377 378 392. Sphagnaceen 391. Sphenella 421. Spiraea sorbifolia 128. Spiridens 365. Spirogyra 26 27 204 208 290 291 437 539 637. Spirulina 306 307. Splachnum 364 370 399. Sporogonium Sn 319; Sp. der Laubmoose 37 Sprossfäden 211. Stämmchen der Laubmoose Stärkecellulose 55. Stärkeeinschlüsse 638. Stärkescheiden 660. Stahl, deutscher, 602. Stanhopea insignis 621. Staphylea pinnata 589. Stauroneis 421. Steinzellen 600. Stellaria 537. Stellung der Algen im System 159. Stentor 637. Stephanosphaera 235 283 284. Stereiden 542. Stereom 542. Stichidien 179 193. Stigeoclonium 194 235 Stigonema 311; St. 308. Stigonemeen 311. Stickstoff, athmosphärischer Stilophora 230. Stoffe, plastische, 121. Stoffmetamorphose 121. Stoffwechsel, Nebenprodukte des, 122. Stomata 569 679. Strelitzia 27 28. Strombus 406. Strontium 41. Stypocaulon 221 222; parium 221. Suberin 146 535. Suberinlamelle 584. Suriraya 412 413 419 421 423 424 425 432 433 437 438 443- Suriraya calcarata 414 415 431; S. Craticula 430; S. Gemma 430; S. spiralis 421. Symbiotische Erscheinungen bei Lebermoosen 360. Symphyogyna 322 332 345 385. Symploca 307. Synechococcus 312. Synedra 434; S. 445; S. Thallothrix 404; Ulna 403 412. Syringa vulgaris 124 680. Systegium 398 400; 398. System der Algen 159. 163. 367. 281 282 261 262. ocellatum 33- St. sco- kamtschatica 35) 5. erispum A | } A Namen- und Sach-Register, | Syntagmen 34. | Tabellaria 421 434; T. floccu- | losa 413. Tabellarieae 443. Tagmen 54. ı Tamus 618 620; 'T. communis N 6472. Taonia 23I 232 233. Taraxacum 37; T. offieinale 470. Targionia 330 332 347 349 363; T. Michelii 347 355. Targionieen 363. Taxus baccata 592 646. Tayloria 376. Templetonia glauca 684. | Terpsino 422; T. musica 445. | Testudinaria elephantipes 585. Bear 419 434. | Tetradontium 306. Tetraphis 386 399 400; cida 371 380. Tetraplodon urceolatus 370. Tetraspora 195 280; T. bullosum 262. Tetrasporangien 227; T. Dictyotaceen 232. Tetrasporen 169 177. Thalassiosira Nordenskioldii 445. Thallus von Acetabularia 269; T. der Dictyotaceen 231; T. der Chlorophyceen 234; T.| Wachsthum, Gliederung des, der Florideen 176; T. der Fucaceen 209; T. der Lami- narieen 227; T. der Sphace- larieen 220. Thallosse Elatereen 363. Thamnium alopecurum 367. Theophrasta imperialis 625 626; T. Jussieui 625. Thesium 51. Thlaspi alpestre 41. Thrincia hispida 453. Thuidium 373; T. abietinum 365. Thuja 15; T. occidentalis 650; T. plicata 646. Thuretia 177. Tilia 628 658; T'. europaea 680; T. parvifolia 128. Tilopterideen 169 208 229; T., Habitus der, 229; T., Schwärm- zellen der 229. Tilopteris 229. Titan 41. Todea 665; T. Tolypothrix 311. Tolypella 245. Tornelia 678. Tracheales System 569. Tracheiden 542. Tradescantia 75618; T'. erecta618. Träger 605; T., gemischte, 615; T. innere 615; T. subepider- ınale 615. Tragopogon crocifolius 599; T. orientalis 547; T. porrifolius 662. 223 T. pellu- der aspera 642. \ Transpiration, cuticulare, 680; Tr., stomatäre, 680; Tr., Ein- wirkung äusserer Verhältnisse, 103; Tr. und Organisation der Pflanzen, 100. Transpirationsgewebe 676. Transversalgeotropismus 543: , Transversalheliotropismus 543. Traubenzucker 55 56. Trennungsphelloide, active, pas- sive 591. Triaenodendron 586; T. caspium 693. Tricerattum 412 415 418 419 420; T. Favus 415 416 417. Trifoium 91 127 549 450; T. pratense 549; T. subterraneum 547- Trichogyne 169 179. Trichome 581. Trichophorapparat 181. Tripelgestein 409. Triphenylrosanilin 147. Triticum sativum 689; T. Spelta 577. Tritonia 636 645 649. Trollius europaeus 641. Tropaeolum 17; T. majus 127 518 546 639 640. Tryblionella 421. Tulipa 522 537. Tunica Saxifraga 646. Turgor 68. Turgorausdehnung 68 459. Turgorkraft 68 457. Turgorspannung 460. Typha latifolia 19 629. Tyrosin 128. Udotea 165 268. Umbelliferen 630. Umbraculum 332. Ulme 671. Ulmus effusa 128; U, suberosa 585 599. Ulota phyllantha 388. Ulotricheen 205 259. Ulothria 73 194 195 197 201 202 203 204 205 235 237 238 249 259 260 261 297 539. Ulva 194 235 249 262. Ulvaceen 259 262. Urena simuata 596. Ursachend. Etiolirungserscheinun- gen 523. Urtica dioica 597. Vaceinium 15. Vacuolen 194. Valeriana exaltata 455; V. offici- nalis 530. Vallisneria 72 651. Vanda fulva 663. Vanvoorstia 177: Variationsbewegungen, autonome, 549; V. durch Beleuchtung inducirt 549; V. durch Er- N = schütterung indueirt 550; V., spontane, 549. Vaucheria 184 237 241 263 297; V. aversa 266; V. De Baryana 266; V. geminata 264; V. ha- mata 264; V. ornithocephala 266; V. piloboloides 266; V. rostellata 266; sessilis 264; V. sericea 264; V. synandra 264. Vaucheriaceen 194 I99 204 205 263; V. Anordnung der Ge- schlechtsorgane der 266. Vaucheriae racemosae 266. Verbascum 528. Verbindungen, organische stick- | stoffhaltige 36. Vegetationspunkt der Laubmoose | 371- Vegetationsorgane d. Lebermoose 320. Verholzung 57. Verkorkung 57: Vernarbungsgewebe 589. Verschleimung 57: Verzweigung der Fucaceen 210; V. der Lebermoose 330 334. Viburnum 589; V. Opdbis 3 Namen- und Sach-Register. Volubilaria mediterranea 324. Volvox 199 236 240 280 281 | 283 284 287 297; V. glo- bator 238 281 284 285. Volvocineen 198 275 280; V., ungeschlechtliche Vermehrung der, 282. Vorhof 685. | Vortex 637. Wachsthum, Abhängigkeit von verschiedenen Temperaturen innerhalb der Grenzwerthe 501; W., Jahresperiode 502; W., Temperaturmaxima und Minima 1995500: | Wachsthumsperiode, grosse, 482. | Wachsthumsbedingungen, äussere, | . | 449; W., innere, 450. Wärmestarre 75 551. ı Wasseraufnahme der Blätter 87; W. der Früchte 39; W. der Samen 90.; W. der Stammge- bilde 89; W. der Wurzeln 84. | Wassergehalt der Stärkekörner 55. | Webera cruda 369; W. rubens 368. | was Geschlechtsorgane 212. volubilis 324. | Weichbast 661. Vinca major 596 633; V. minor | Weichbastelemente 151. Vicia 492 531 550; V. Fabaı 128 467. Vidalia 192; V. 574 690; V. rosea 682. Vineulationsathmung 120 135. Viola tricolor 41. Viscum album 51 539 583. Vitis 152 509 628; V. vinifera | 94 455 671 672. | Weissia eurvirostra 398. | Welwitschia mirabilis 574. | Wettinia 622. | Wimperhaare 194. Winden 490. | Woroninia 263. 707 Wurzeldruck 94; W., Periodicität des 96; W., Ursachen des, 95. Wurzelhaare 569. Wurzelzellen von Botrydium 274. Xanthophyli 8 9. Xanthorrhoea hastilis 687 688. Yucca 546. Yute-Bast 597. Zähne des Peristoms 394. Zanardinia 214 215 216 217. Zanichellia: 668. Zanthoxylon fraxineum 583. Zea 516 615; Z. Mays 100 502 505 528 619 622 623. Zellhaut der Bacillariaceen 410. Zink 40. Zonaria 231 232 233. Zoosporangium 195. Zoosporen 194; Z., Austritt der, 195. Zucker 54. Zuckerscheide 660. Zugfestigkeit 541 606. Zuggurtung 542. Zwergmännchen 257. Zygadenus 649. Zygnema 204 289 290 291; 7. eruciatum 637. Zygnemaceen 289; Z., unge- schlechtliche Vermehrung der 289; Z., Ruhezellen der, 290. Zygogonium 204 289 291. Zygomyceten 297. Zygote 167 196; Z., Ruheperiode der, 239. OR var z £ Breslau, Eduard Trewendt's Buchdruckerei (Setzerinnenschule), z ’ ’ N » en / ! f Y r ’ ö ‘ ’ % . New York Botanical Garden Library I > 001 QK45 .524 Bd.2 Schenk, August Tan m ir — Bm es I — In Eebr > rt AeaEa Te, Heli in zer zz Hr Iirse .- 232 ‘ 12411 ‚Pr EEERRTEAHRD f h irn dr N mm ih ie Hi RK EHRE HIER ICE Hiniih KA W 113 Non, Erepen rr3127 2 = e23 Fran Kalaisieie) Dyt EHTSEREBEIE ENT \ Aarlerıse Bi 4 VERBRENNEN u PEPARLFIFNT Bar - 17 - nn een >2 int Aa FaP) 2 “11, % AARIGEHN