YA LE em in nn Para -e Fer anemer teams en anal PUR EWR TTN 3 Een nn nenn Bomann ee z - m ö | | = | SELISTIc rider 5 HEreh BE =. up“ eis tete ar HAEREN it Beate see —. AG PRO SCIENTIZ TEN ” ES GT CDS 'Ü| ASHTON ALLIS ı9 a HIS BOOK I ENCYKLOPAEDIE DER NATURWISSENSCHAFTEN HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. W. FÖRSTER, PROF. DR. A. KENNGOTT, PROF. DE. LADENBURG, Dr .ANT. REICHENOWME PROF. DR. SCHENK, GEH. SCHULRATH DR. SCHLÖMILCH, PROF. DR:G. C. WITTSTEIN, PROR DR: Von ZECH I. ABTHEILUNG. I. THEIL: HANDBUCH DER BOTANIK HERAUSGEGEBEN VON Prorsssor Dr. A. SCHENK. BRESLAU, VERLAG VON EDUARD TREWENDT. 1884. MANDDUCH POTANIK HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR DR. A. SCHENK. UNTER MITWIRKUNG VON Pror. Dr. DETMER zu JEnA, Pror. Dr. DRUDE zu DRESDEN, Dr. FALKENBERG zu GÖTTINGEN, PROF. DR. A. B. FRANK zu BerLin, Pror. Dr. GOEBEL zu Rostock, ProF. Dr. HABERLANDT zu Graz, Dr. HERMANN MÜLLER (f), Pror. Dr. PFITZER zu HEIDELBERG, PROF. Dr. SADEBECK zu HamgBurG, Dr. W. ZOPF zu HALLE. MIT-160° HOLZSEHNITTEN: DRITTER BAND ERSTE HÄLFTE. BRESLAU, VERTAGSVON EDUARD TREWENDIT. 1884. LIBRARY NEW YORK BOTANICAL GARDEN E S 2 2 er = &n 8 Das Recht der ; a a R « Inhaltsverzeichniss, I. Die Spaltpilze von Dr. W. ZoPF. Einleitung. Stellung im Pflanzensystem. — Vorkommen I. Vegetative Zustände. Abschnitt I. Morphologie. A. Formenkreis & B. Theilung und hing. C. Bestandtheile der Spaltpilzzelle. 1. Membran . 2. Inhalt. D. Bewegungsorgane U. Sporenbildung II. Zoogloeenbildung. A. Vorkommen und äussere Erscheinung B. Entstehung der Zoogloeen Abschnitt II. Physiologie. I. Ernährung der Spaltpilze. ı. Ernährung durch organische Verbindungen . 2. Ernährung durch Mineralstoffe EM ? 3. Einfluss der Ernährungsweise auf die Formausbildung : x 4. Einfluss der Ernährungsweise auf die physiologischen Eigenschaften I. Wirkungen der Spaltpilze auf das Substrat . Fäulnisswirkungen Gährwirkungen F Ill. Verhalten gegen Temperaturen IV. Verhalten gegen Gase . V. Verhalten zum Licht VI. Verhalten gegen Electricität . VI. Verhalten gegen chemische Stoffe. ı. Verhalten gegen Säuren und Alkalien s \ 2. Verhalten gegen andere giftig wirkende Stoffe . Abschnitt III. Methoden der Untersuchung. 3 I. Fragestellung . - RI es 3, MERC ee = ) I. Methode der Sterilisirung II. Methoden zur Gewinnung reinen Aussaatmaterials. ı. Krep’s Methode der fractionirten Cultur . 2. NÄGELTs Verdünnungsmethode 3. BREFELD’s Methode der Gelatinecultur IV. Methoden der Präparation und der direkten mikroskopischen Beobpchitagg ILIEDIIIUA Seite Nah Inhaltsverzeichniss. Abschnitt IV. Entwicklungsgeschichte und Systematik. Seite I. Coccaceen . 48 Leuconostoc 48 II. Bacteriaceen. Gattung ı. Bacterium. ı. Bacterium aceti 51 2. B. Pastorianum 52 3. B. Fitzianum 52 4. B. cyanogenum Er 5. B. merismopedioides 56 6. B. subtile und Anthracis 56 7. B. acidi lactici 65 8. B. Ulna . 66 9. B. tumescens 66 10. B. Tuberculosis 67 ı1. B. ianthinum le a NE 5 12. Bi Zophl N ER EZ U IREP IRRE ENE PEST U Ge Gattung 2. Clostridium. 1:9. Dulyreum nn. u a Re 2.20 Bolymyxa I. ar ne ee en ae ee He Fre A Er III. Leptotricheen. Genus I. Crenothrix. Cr. -Kühnlana a Nee HT Br ERTL Genus Il. » Beggiatoa, 7 u... u m a u Te 22 DR Are 21 1. B.aalba - u... 0 Ra N en Fanart Du Ne 2. B..10Se0-persieina" . "nl a en Re E ee 3. B. mitabilis.... 40.0.0 ln A ee Genus III. Phragmidiothrix. Ph. »multiseptata „ren ne 2 Re re Mr Genus IV. Leptothrix. L+buecalis Ara ra a ISSN ET AR Er re IV. Cladotricheen. Genus: Cladothrix. ı. Cladothriz dichotomg. , "-... na 00 me en N Pe 2. Cl; Hörsterie ee. Er er Se 3. Sphaerotilus natans . . . - Re 2 2 Unvollständig bekannte Spaltpilre.e Nur in Schraubenform bekannt. Vibrio Rugula. Spirochaete plicatilis. Sp. Obermeieri. Myconostoc gregarium. Spirillum amyliferum 4... U. Na ea ae Des ed SC Nur in Coccenform bekannt. Micrococcus pyocyaneus. Ascococcus Billrothii. Pilz der Hühnercholera. Sarcina ventriculi. Micrococcus Vaccinae. M. bombycis. M. diphtheriticus. M. Erysipelati.. M. ureae. M. prodigiosus. M. aurantiacus. M. chlorinus. M: violateus... .M. Iuteus.. as a Rn Se ns, 1 Nur in Stäbchenform bekannt. Bacterium synxanthum. Bacillus ruber. B. erythrosporus. B. Leprae. Pan- histophyton .oyatum , 2.5, 2" .K a Sa ee tn ee 2 I. Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane von Prof. Dr. K. GOEBEL. A. Allgemeiner Theil. 1. Zur Geschichte . +... en nn res euer 7 era Bee ae ee 2. Die. Metamorphosenlehre u.a, #2... 0 22a ee a 5 2 E 5 ee Inhaltsverzeichniss. . Entwicklungsgeschichte und Teratologie . Die morphologische Dignität - 2 . Entwicklungsgeschichte und huge Mor tolocid c . Organbildung und Zellanordnung Ss own 2 > . Symmetrieverhältnisse B. Specieller Theil. 5 I. Entwicklungsgeschichte des Sprosses. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses $ ı. Embryologie a $ 2. Der Vegetationspunkt : ı. Charakteristik des RE . Form und Lage des Vegetationspunktes . Art der Organanlage am Vegetationspunkt . - . Entstehungsfolge der Organanlage am Vegetationspunkt . Verzweigungsmodus au» uw DM . Verkümmerung. Ruhende Knospen . $ 3. Blattentwicklung RL ı. Blattwachsthum im Allgemeinen 2. Formentwicklung des Blattes . 3. Abgeleitete Blattformen { Heterophyllie der We S $ 4. Metamorphe Sprossformen NE N ER A ERTE N SE ES er RE NE N 2. Cacteenform FR 3. Dornsprosse und Ranken . 4. Wurzelähnliche Sprossen II. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). $ ı. Blüthenbildung im Allgemeinen; Blüthenentwicklung der Gymnospermen $ 2. Blüthenentwicklung der Angiospermen I. Entwicklung des Kelches \ U. Entwicklungsgeschichte der Blntnenkföne x II. Entwicklung des Androeceums . IV. Entwicklung des Gynaeceums . A. Oberständiges Gynaeceum B. Unterständiges Gynaeceum . III. Entwicklung der Anhangsgebilde II. Abtheilung. Entwicklungsgeschichte der Wurzel . $ ı. Charakteristik der Wurzeln. Wachsthum derselben . $ 2. Anlegung der Wurzeln $ 3. Metamorphe Wurzeln . Anhang: Die Parasiten $ ı. Rückbildung der Vegetationsorgane von Parasiten und Saprophyten I. Vegetationsorgane i n 2. Blüthen- und Pe yehilädes Saprophyten . vu Seite 114 125 133 135 I41 157 157 176 176 177 181 185 188 200 206 209 214 233 262 268 268 270 271 271 272 277 285 288 294 307 309 324 335 340 341 348 355 361 365 365 366 367 Parasiten A... Wars ee RN RE Er Rhivanthaceen vn ee Br OR NanE RE Drobanekena af ln ade banzse Bere se Santalacgen an 3 ie er En Een REES > | f Torautlageen erde An) Se ia Fe Na ey, Ban Fies WESER Pest a Bah Balansphoreenr ara ae ER a Bafllesiaceen:).n 4. 0 DEN ee he Tr ey 2 ee HIyanoreen EN ee Pan et £ & 2. Die Organentwicklung der Parasiten ). iı “m 2 uN 0. Rhinanthaceeny.r. 1.2.0.2 7 al ne ee ee Hess EEE Ne: FR RL: Cuseul se a ERTL NE Va “ x > Orobanchen. Hr u Eee nee a ARE VISCHME ren De a Re Na Ye MEN RE N ER Rafflesiaceen Ur ee er VE RP % Bälanophoreen, er ale ee nn als Area Ra Bee III. Abtheilung. Entwicklungsgeschichte der Fortpflanzungsorgane. a5 Kapitel: Entwicklungsgeschichte der) Sporangien. ) Sa ve ER 8:1. Bau. der-Sporansien u. 10 De ee EN 0, 8; 2.!Eorm) der Spotangien@. 37 RI N BE we 8 3. Entwicklung. der Sporangien s- nein 00. 0 ee "GR Mierospotangien ‚der Gymnospermen“. ve zu, u 2 % RR Angiospermen . . . BAR EU ee 2 Entwicklungsgeschichte der en RN N der Samenpfanzen. FÜR Cycadeenss se eh VE ART ae Vonlfetens ga LE Er I a Na ANTIOSBETIIEN TER Mr RE re 2. Kapitel: Entwicklung der Sexualorgane . . x»... BErIcHHenngeN: u er SE ee ne 1 Ee Die Spaltpilze. Dr. W. Zopf, Privatdocenten der Botanik an der Universität und der landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin. > Einleitung. Stellung im Pflanzensystem — Vorkommen. T): neuesten Untersuchungen an Spaltpilzen und Spaltalgen haben zu dem wichtigen Resultat geführt, dass beide Thallophytengruppen in ihrem gesamm- ten Entwicklungsgange sowohl, als in der Morphologie der einzelnen Entwicklungs- stadien eine ausserordentlich nahe Verwandtschaft zeigen, die eine Ver- einigung beider Gruppen zu einer einzigen grossen Familie, der Familie der Spaltpflanzen, nicht bloss ermöglicht, sondern sogar als unabweissliche For- derung hinstellt.!) Gegenüber dieser morphologischen Einheitlichkeit aber macht sich eine durchgreifende Verschiedenheit beider Gruppen in physio- logischer Beziehung bemerkbar: und diese liegtim Chlorophyllgehalt auf der einen, im Chlorophyllimangel auf der anderen Seite. Die Spaltalgen besitzen vermöge ihres Chlorophyligehalts die Fähigkeit Kohlensäure zu assimiliren und sich auf diesem Wege das Material zum Aufbau der Zellen selbst zu bereiten. Den Spaltpilzen mangelt diese Fähigkeit; sie sind daher, wie die echten Pilze und die Thiere auf bereits vorgebildete organische Substanz, auf höhere Kohlenstoffverbindungen und Stickstoftverbindungen angewiesen, die sie in eigenthümlicher Weise zersetzen, in der Regel Gährungs- und Fäulnisser- scheinungen hervorrufend.?2) Solche Kohlenstoff- und Stickstoffverbindungen bieten sich nun den Spaltpilzen überall dar und zwar unter zweifacher Form; einmal in Gestalt von organisirten Körpern, von todten und lebenden thierischen und pflanzlichen Leibern und das andere Mal in unorganisirter Form, in Gestalt von Lösungen oder Infusionen. Gewisse Spaltpilze sind vorzugsweise oder aus- schliesslich auf todte Organismen oder auf Lösungen angewiesen. Men pflegt sie als Saprophyten zu bezeichnen. Andere ziehen lebende Thier- und 1 Pflanzenkörper vor: man pflegt sie Parasiten zu nennen. N Vergl. W. Zopr, Zur Morphologie der Spaltpflanzen. (Leipzig bei Veit u. Comp. 1882), wo man die wesentlichsten Züge der Affinität beider Gruppen gezeichnet findet. Vergl. ferner CoHun, Beitr. z. Biol. Band I. Heft II, Untersuchungen über Bacterien, pag. 184, Ver- wandtschaftsbeziehungen der Bacterien. 2) Es ist noch nicht lange her, dass man die Spaltpilze mit EHRENBERG und DUJARDIN für Thiere ansah und sie als Gruppe der Viörionia zu den Infusorien stellte. Das Verdienst sie als Pflanzen erkannt zu haben gebührt Coun (1853), der sie den Algen zureihte, bis NÄGELI sie als »Spaltpilze« den Pilzen zuwies. SCHENK, Handbuch der Botanik. II. 2 Die Spaltpilze. Als Saprophyten treten sie auf in stehenden oder auch fliessenden Ge- wässern, die einen gewissen Reichthum an organischen Substanzen aufweisen und daher als »Infusionen im Grossen« anzusprechen sind, wie z. B. Abwässer der Zuckerfabriken, wo sie auf dem Schlamm oft ausgedehnte weissliche Ueber- züge bilden; in Misttümpeln, an deren Oberfläche sie Kahmhäute bilden, in Cloaken, Brunnen, in Reservoiren und Röhren der Wasserleitungen, Drainir- röhren etc., wo sie bei einem gewissen Eisengehalt des Wassers ochergelbe bis braune, in grösseren Massen Schlamm bildende Verunreinigungen darstellen. Bisweilen sieht man das Wasser von Teichen und Tümpeln, in denen Algen oder andere Pflanzen, Thiere etc. faulen, sich mehr oder minder intensiv blutroth färben, eine Erscheinung, die auch im Brackwasser der Küsten oft auf weite Strecken hin verfolgbar auftritt und die gleichfalls von Spaltpilzvegetationen herrührt. Aber auch in »Infusionen im Kleinen« treten sie auf, mögen diese nun mit vegetabilischen oder animalischen Theilen künstlich hergestellt sein, so in Heuaufguss, Kartoffelinfusion, Fleischaufgüssen, desgleichen in Infusionen fleischiger Wurzeln, stickstoffreicher Samen (Bohnen, Erbsen) etc. Sie siedeln sich in unseren Getränken (Milch, Bier, Wein) an, wenn diese einige Zeit der Luft ausgesetzt werden und rufen in ihnen Trübungen hervor. Unsere Speisen (Gemüse, Fleisch, Eier, Conserven) müssen besonders geschützt werden, wenn sie nicht bald durch Spaltpilze verdorben werden sollen. Besonders reich sind auch die Excremente der Thiere an Spaltpilzen. In animalischen und vegetabilischen Leichen ent- wickeln sich diese Organismen in grösster Massenhaftigkeit. Auch in den organische Reste enthaltenden Bodenschichten, sobald sich diese in hinreichend befeuchtetem Zustande befinden oder überfluthet werden, siedeln sich Spaltpilze an, und zwar um so reichlicher, je mehr der Boden durch organische Stoffe verunreinigi erscheint. So lange alle die genannten festen und flüssigen Substrate befeuchtet oder vor dem Austrocknen geschützt sind, bleiben die Spaltpilze ihnen anhaftend. Sobald jedoch eine Austrocknung der Unterlage eintritt, werden die Zellen durch die Luftströmungen in die Atmosphäre geführt, von wo aus sie sich bei Windstille wieder herabsenken oder durch atmosphärische Niederschläge hernieder geführt werden. Die Spaltpilze gelangen bei der Athmung und mit Speisen und Getränken in das menschliche und thierische Athmungs- und Verdaungssystem, oft in grossen Mengen, wie z. B. beim Genuss von altem Käse, saurer Milch, Sauer- kraut etc. Im gesunden Magen kommen sie jedoch infolge des Säuregehalts des- selben gar nicht oder nur schwach zur Entwicklung und werden mit den Excre- menten endlich ausgestossen. Viele Spaltpilze gewinnen parasitische Angriffskraft, die sie sowohl am mensch- lichen und tbierischen, als auch am pflanzlichen Körper geltend machen. In den Organen von Thieren und Menschen, rufen sie meist schnelle Zersetzungen und damit die gefährlichsten Infections-Krankheiten (Milzbrand, Diphtheritis, Pocken, Rückfallstyphus, Blutvergiftung, Tuberculose, Hautkrankheiten, Geschlechtskrank- heiten etc.) hervor. Sie werden von Körper zu Körper übertragen, besitzen also den Character von Contagien (Contagienpilzen).!) Aber auch in vollkommen !) Die schädliche Wirkung der Spaltpilze innerhalb des Körpers besteht darin, dass sie dem- selben die besten Nährstoffe und den Blutkörperchen den Sauerstoff entziehen, dass sie Zucker und die leichter zersetzbaren Verbindungen durch Gährwirkung zerstören und giftige Fäulniss- producte bilden (NÄGELT). 5 Po Br Einleitung. 5, gesunden Organen fand man Spaltpilze vor, so z. B nach TiIeGEL, BURDON SANDERSON und NENcKI in Muskeln, Leber, Pankreas, Milz, Speicheldrüsen, Hoden etc. Wahrscheinlich gelangen sie vom Darme aus in diese Körpertheile hinein. Es wird in den Organen keine Fäulniss hervorgerufen, so lange die normalen chemischen und physikalischen Vorgänge in den Zellen sich abspielen und damit das Aufkommen der Entwicklung der Spaltpilze verhindern. Nur da, wo die Concurrenz der thierischen Zellen zu schwach wird, tritt Vermehrung der Spaltpilze und damit Zersetzung ein. ‘Für Pilz-Wucherungen im menschlichen (und thierischen) Körper gebraucht man in der medicinischen Wissenschaft den Ausdruck »Mycosen« für Spalt- pilz-Vegetationen die Bezeichnung »bacteritische Mycosenc«. Man darf mit NÄGELı annehmen, dass alle parasitisch im thierischen und pflanzlichen Körper auftretenden Spaltpilze aus gewöhnlichen unschädlichen, saprophytischen Spaltpilzen entstehen. Für einen Schizomyceten ist diese Annahme bereits wissenschaftlich sicher gestellt, nämlich für den Milzbrandpilz, der wie BUCHNER nachwies, von dem im Heuaufguss etc. lebenden Heupilz abstammt. Die etwaige aus der höchst einfachen Organisation abzuleitende Ver- muthung, es möchten die Spaltpilze erst in einer der jüngsten Erdepochen ent- standen sein, erweist sich einer neuerdings gefundenen Thatsache gegenüber als nicht zutreffend. Es wurde nämlich vor einiger Zeit eine Entdeckung gemacht, zufolge deren Spaltpilze bereits zur Zeit der Steinkohlenperiode existirt haben müssen. Wie van TIEGTHEM an Dünnschliffen verkieselter Coniferenwurzeln constatirte, kommen dort nämlich in der Rinde und dem die Gefässbündelelemente trennenden Zwischengewebe bisweilen Massen eines mit C/ostridium butyricum der Form nach identischen Spaltpilzes vor, von dem noch alle characteristi- schen Entwicklungsstadien (isolirte Stäbchen, zu Fäden verbundene Stäbchen, die sporenbildenden spindeligen Zellen) erhalten sind. Das umgebende Gewebe zeigt deutliche Spuren von Zerstörung, wie sie noch heute in Coniferenwurzeln von jenem Spaltpilz hervorgerufen werden.!) Wie ich in Gemeinschaft mit Zahnarzt Dr. W. MILLER constatirt habe, kommen im Weinstein der Zähne ägyptischer Mumien durch die Kalkmasse geschützt, wohlerhaltene Spaltpilze vor, die mit unserer heutigen Zeptothrix buccalis voll- kommen identisch sind, sowohl nach der Form als nach den Dimensionen der Entwicklungszustände. Im Laufe von mehreren Jahrtausenden hat dieser Spalt- pilz also keine merkliche Wandlung in seinen Formen erfahren. Die Spaltpilze entstehen überall nur da, wo ihre Keime, seien es vegetative, seien es Dauerzustände (Sporen) vorhanden sind. Früher war man anderer An- sicht; man nahm an, dass gerade die Schizomyceten wegen ihrer Kleinheit und ihrer einfachen Organisation unmittelbar aus unorganisirter, also lebloser Materie entstehen könnten (durch die sogen. Urzeugung, spontane Entstehung, Archi- genesis, Generatio spontanea, G. aequivoca). Man stützte sich hierbei vorzugsweise auf die Thatsache, dass sich in vollständig ausgekochten Nährflüssig- keiten, in die kein Keim aus der Luft gelangen konnte, dennoch häufig Spalt- x I) van TIEGHEM, Sur le ferment butyrique & l’&poque de la houille.. (Compt. rend. 29. Dec. 1879.) Nach CoHn (Beiträge zur Physiologie der Phycochromaceen, MAX SCHULTZE’S Archiv. Bd. II.) kommen als Einschlüsse des Carnalits von Stassfurt Fäden vor, welche mit Leptothrixartigen Spaltpilzen die grösste Aehnlichkeit haben. Doch ward ihre organische Natur noch nicht wissenschaftlich sicher gestellt. ı* 4 Die Spaltpilze. pilzvegetationen einstellten. Durch die Siedehitze werden, so sagte man sich, alle Pflanzenkeime, also auch die Spaltpilzzellen getödtet, ergo können die sich in ausgekochten Flüssigkeiten entwickelnden Spaltpilze nicht aus Keimen ent- standen sein; sie müssen sich unmittelbar aus den Substanzen der Nähr- flüssıgkeit spontan entwickelt haben. Die Praemisse, dass alle Spaltpilzkeime durch Siedehitze zu Grunde gehen, hat sich nun aber nach Coun’s Untersuchungen in so fern als unhaltbar erwiesen, als nachweislich Dauersporen bei Siedetemperatur ihre Keimfähigkeit nicht einbüssen. Damit ist der Lehre von der Urzeugung ein wesentliches Argument entzogen, und die Möglichkeit der Lösung dieser Frage, welche von der modernen Naturanschauung nicht ohne Weiteres geleugnet werden kann, ins Unbestimmte hinaus geschoben. Abschnitt 1. Morphologie. 1. Vegetatire, Zustände, A. Formenkreis. Die vegetativen Zustände der Spaltpilze treten in verschiedenenFormen auf, denen die bisherigen Spaltpilzsystematiker, namentlich Connt) besondere Namen verliehen.?) Im Allgemeinen lassen sich diese Formen in vier Gruppen bringen: ı. Coc- cenformen, 2. Stäbchenformen, 3. Fadenformen, 4. Schraubenformen. Die Coccen (Fig. 1, a b) besitzen kugelige oder ellipsoidische Gestalt und sehr verschiedene, etwa zwischen o,5 und ı2 Mikr. schwankende Grösse. Die kleineren Coccenformen werden als Micrococcen, die grösseren als Macro- coccen oder Monasformen bezeichnet. Die Stäbchenformen (Fig. ı, cd e f) stellen cylindrische Zellen von gleich- falls sehr schwankenden Dimensionen dar. Kürzere dieser Formen pflegt man als Kurzstäbchen (Bacterien) (Fig. ı. c), längere als Bacillen oder Lang- stäbchen (Fig. ı, d) zu bezeichnen.?) (Mehr spindelige Stäbchen nennt man theils Clostridium (Fig. ı, e), theils Rhabdomonas). Die Fadenformen sind entweder einfach (Fig. ı, g) und werden dan als Leptothrix unterschieden, zumal wenn sie dünnfädig erscheinen; oder mit 7oJy- pothrix- oder Scytonema-artiger Pseudoverzweigung versehen (Fig. ı, o und Fig. 3), und solche Formen pflegt man Cladofhrix zu nennen. Unter der Bezeichnung Schraubenformen (Spirobacterien) versteht man theils Stäbchen-, theils Fadenformen, welche bald mehr, bald weniger kork- zieherartig gewunden sind. Schrauben, mit relativ bedeutendem Durchmesser und grösserer Fadendicke heissen Spirillen (Fig. ı, k), oder, wenn sie Schwefel- lt) Vergl. CoHn, Beitr. z. Biologie. Bd. I. Heft II.: Untersuchungen über Bacterien. 2) Diese Namen sind zum Theil überflüssiger Ballast, aber sie werden noch einige Zeit mit- geschleppt werden müssen, da sie in zahlreichen Schriften immer und immer wiederkehren und ihre Kenntniss für das Verständniss derselben nöthig ist. 3) In den Spaltpilzschriften Conn’s u. A. werden bisweilen auch längere (bacillenartige) Stäbchen als » Zacterium« bezeichnet. er Ani AL 4 ann za RE @, RAN Fa" RN: Us 2 y er . . A »! a Abschnitt I. Morphologie. I. Vegetative Zustände. 5 körner führen, Ophidomonaden. Schrauben mit ausgezogenen Windungen Vibrionen (Fig. ı, hi); sehr dünne Schrauben mit geringem Querdurchmesser und geringer Höhe der Windungen Spirochaeten (Fig. ı, n); bandartige, zuge- spitzte Schrauben (Fig. ı, m) Spiromonaden; flexile Schrauben mit haarflechten- artig umeinander sich flechtenden Windungen (Fig. ı, ]) Spirulinen. Nach der von Conun begründeten Theorie von der Constanz der Spalt- pilzformen hat man anzunehmen, „ ‚2 dass die oben bezeichneten Formen oo i f morphologisch volle Selbstständigkeit EU Ü besitzen, d.h. unter den verschiedensten Ernährungsbedingungen nur immer ihresgleichen erzeugen, also zu ein- ander nicht in genetische Beziehungen treten. So vermag z. B. irgend eine Micrococcusform nach CoHn nur immer wieder Micrococcen zu erzeugen, nicht aber Stäbchen- oder Schraubenformen; so sollen ferner Spirillenformen nur immer wieder Spirillen, nicht etwa auch Stäbchen und Coccen bilden u. s. f. Diese Theorie hat nur noch historischen Werth. Sie ist in neuester Zeit verdrängt worden durch die von BILLROTH (Coccobacteria septica. Berlin 1874) und NÄceLı (Die niederen Pilze in ihren Beziehungen zu den Infections- krankheiten. München 1876) aufgestellte Lehre vom genetischen Zusam- menhang der Spaltpilzformen. Diese Lehre besagt, dass die Spalt- pilze, vielleicht mit wenigen Aus- Fig. ı. (B. 288) nahmen, befähigt sind, verschiedene a) Micrococce; b) Macrococcemit Schwefelkörnchen ; den oben charakterisirten Vegetations- Monasform; c) Bacteriumform; d) Bacillusform ; : _ e) Clostridiumform; f) Monasform (Monas Okenii) formen entsprechende Entwicklungs mitSchwefelkörnern; g)Leptothrixform; hi) Vibrio- Stadien zu durchlaufen. Nachdem form; k) Spirillumformen; ]) Spirulinenform (von durch CIENKOWSKTS Studien an ge- Beggialoa alba, mit Schwefelkörnchen); m) Spiro- ; f 1 : monasform; n) Spirochaeteform; o) Cladothrixform wissen Spaltpilzen !) (sowie durch (m nach WARrMInG, alle übrigen nach der Natur). NEELSEN’s Untersuchung an dem Pilz der blauen Milch?) der genetische Zusammenhang von Coccen-, Stäbchen- und Leptothrixformen nachgewiesen war, wurde von mir selbst (l. c.) gezeigt, dass die höchst -entwickelten Spaltpilze (Cladothrix, Beggiatoa) nicht bloss jene Entwicklungsformen, sondern auch Schraubenformen in allen Modificationen (Spirillen, Spirochaeten, Vibrionen, Ophidomonaden zu bilden vermögen.?) ‚Neuerdings wurde von BUCHNER®) auch für den Heupilz, Milzbrandpilz und die ) Zur Morphologie der Bacterien. Petersburg 1876. 2) Studien über die blaue Milch in Cohn, Beitr. zur Biologie. Bd. II. 3) Ueber den genetischen Zusammenhang von Spaltpilzformen. Sitzungsber. der Berliner Akademie. März 1881. und: Zur Morphologie der Spaltpflanzen. Leipzig 1882. #) In NÄceLI’s Untersuchungen über niedere Pilze. 6 Die Pilze. Glycerinäthylbacterie ausser der Stäbchen- und Fadenform die Coccenform con- statirt. Für die Zepfothrix buccalis wies MırLer!) gleichfalls Coccen, Stäbchen und Schrauben nach. Die Umwandlung der einen Spaltpilzform in die andere ist, wie NÄGELI2) zuerst betonte, im Allgemeinen abhängig von den Nährverhältnissen. Den Spaltpilzen durchaus analog verhalten sich, wie neuerdings vom Verfasser?) gezeigt wurde, in diesem Punkte die Spaltalgen. Ihre den Spaltpilzformen ent- sprechenden Entwicklungsstadien (Coccen-, Stäbchen-, Faden- und Schrauben- formen) sind gleichfalls ein Product veränderter Ernährungsbedingungen. Zum Zweck der Auffindung der verschiedenen Entwicklungsformen eines Spaltpilzes hat man den letzteren unter möglichst verschiedenen Er- nährungsbedingungen (verschiedenen Nährmedien, verschiedenen Bi; turen etc.) zu cultiviren. Der Entwicklungsgang der einfacher organisirten Spaltpilze, wie z. B. des Essigpilzes (Dacterium aceti) ist im Allgemeinen der, dass aus der Coccen- form Kurzstäbchen, aus die- sen Langstäbchen sich ent- wickeln. Bleiben letztere SSABFDLDDDHDEB bei fortgesetzter Theilung Re, an einander gereiht, so ent- stehen Fäden (Lepothrix- OIOBIGBGDSDOOBIGB S9939 0V,OIL099529889 form) (Fig. 2, ı). Die Lang- 4 stäbchen derselben (Fig. 2, 2) theilen sich später wieder in Kurzstäbchen (Fig. 2, 3.) und diese in Coccen (Fig. 2, 4). (B. 289.) Fig. 2. Letztere erscheinen als End- 700:1. Fadenzustände eines in Schlammaufgüssen lebenden „roducte fortsesetzter Zwei- Spaltpilzes (Dacterium Merismopedioides ZOPF) auf verschiedenen p A 5 Stufen der Gliederung. ı. Scheinbar ungegliedert, 2. in Lang- theilung und werden da- stäbchen (Bacillen), 3. in Kurzstäbchen (Bacteriumform), 4. in her auch als Gonidien. Coccen, 5. inLangstäbchen, Kurzstäbchen und Coccen gegliedert. EBOOE:WSSSSO TE THE bezeichnet. Bemerkenswerth ist, dass die Fadenzustände häufig und meistens grade im Zustande kräftigster Vegetation, keine Spur von Gliederung (in Stäbchen resp. Coccen) zeigen, also scheinbar einzellig sind (Fig. ı, g—o.) (Fig. 2, 1). Doch wird in solchen Fällen die Structur nur undeutlich in Folge der Zartheit, sowie des geringen Lichtbrechungsvermögens und der gallertartigen Beschaffenheit der Scheidewände und überdies oft verdeckt durch eine zarte, weiter unten erwähnte Gallerthülle der Zellen. Anwendung von schwachen Säuren, Fuchsinlösung, Jod- tincetur, Alkohol etc. macht indessen die Stäbchen- resp. Coccen-Gliederung der Fäden meist leicht sichtbar; ein- bis mehrtägige Cultur in Wasser führt gewöhnlich zu demselben Resultat. Häufig lassen sich an ein und demselben Faden Coccen,. Kurzstäbchen und Langstäbchen nachweisen (Fig. 2, 5); gewöhnlich weisen die Fäden aber nur ) Der Einfluss der Microorganismen auf die Caries der menschlichen Zähne. (Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. XVI. 1882). 2) Niedere Pilze. München 1877. 3) Zur Morphologie der Spaltpflanzen, Abschnitt I: Zur Morphologie der Spaltalgen. e\ 4 j “ ; “ nahm man bis in die neueste Zeit an, dass Abschnitt I. Morphologie. I. Vegetative Zustände. 7 die eine Entwicklungsform auf. Die Coccen bleiben mehr oder minder lange Zeit paarweis gelagert, sodass man ihren Ursprung aus je einem Kurzstäbchen erkennt (Fig. 2, 4), ebenso deutet die paarweise Lagerung der Kurzstäbchen meistens noch auf den Ursprung aus je einem Langstäbchen hin (Fig. 2, 3). Aechte Verzweigung scheint bei Spaltpilzen niemals vorzukommen. Da- gegen wurde Pseudoverzweigung im Charakter der ScyZonema-artigen Spaltalgen (Tolypothrix, Scytonema) tür Cladothrix dichotoma (Fig. 3) und Cl. Forsteri (CoHn) constatirt. Sie kömmt, wie bei den genannten Algen, dadurch zu Stande, dass hie und da ein Stäbchen des bis dahin leptothrix-artigen einfachen Fadens sich seitlich etwas ausbiegt (Fig. 3, a bc) und nun neben dem Nachbarstäbchen vor- bei durch fortgesetzte Zweitheilung weiter wächst (Fig. 3). — Eine Differenzirung der Zellen der Spaltpilzfäden in vegetative einerseits und steril werdende (Hetero- eysten) andererseits, wie sie bei den meisten Spaltalgen zu finden ist, kommt unter den bisher bekannten Spaltpilzen nicht vor. Bei. einer grossen Anzahl von Spaltpilzen, vielleicht gar bei allen, spricht sich an den Stäbchenformen sowohl, wie an den Fadenformen, selbst an den verzweigten, die Tendenz zu mehr 5 2 E \ lZ oder minder starker spiraliger . N Krümmung aus. So entstehen die N BR »Schraubenzustände« (Fig. 4). Be- \ merkenswerth ist, dass solche Zustände \ unter gewissen Verhältnissen sich wieder- FR um zu strecken vermögen. Bisweilen Ra lässt sich diese Streckung künstlich hervorrufen, so durch Eintrocknen, durch Anwendung von Reagentien x (wie Picrinschwefelsäure, Fuchsinlösung) N \ durch Cultur in blossem Wasser etc.!) Die Entwicklungsgeschichte lehrt, x dass die Krümmung gewöhnlicher Fäden N zur Schraubenform ganz allmählich vor \ | sich geht. Man kann dies z. B. beob- % SL | achten, wenn man die fädigen Ein- it N: | schlüsse der sogen. Zoogloea ramigera — \ \ längere Zeit continuirlich im Auge behält. U \ Die Schraubenformen zeigen, wie BR | . die geraden Stäbchen und Fäden, aus N \/ | u ———— u an Bit + _. .—— \ \ denen sie entstanden sind, häufig keine \ Spur von Gliederung (Fig.4, BC). Daher \ die Schraubenformen einzellig seien. Fig. 3. ) Allei Ei Blhen lasst sich „SPOrE Mehrfach verzweigte Cladothrix-Pflanze 3 Be TURERSE SIE TALDEN a Dan in Stäbchen gegliedert. Bei aa b und c ent- mit den oben angegebenen Mitteln die stehen durch seitliche Ausbiegung eines Stäbchens Gliederung in Stäbchen oder Coccen neue Seitenzweige. bestimmt nachweisen (Fig. 4, CE F). Nur die kurzen, durch-Krümmung einzelliger Stäbchen entstehenden Schrauben sind natürlich einzellig. l) Auch NÄcELI (Untersuchungen über niedere Pilze) hat gesehen, dass sich Schrauben zu mehr oder minder geraden Fäden streckten. 8 Die Spaltpilze. Die Krümmung zur Schraubenform erscheint an den Fäden bald als eine totale, bald als eine partielle Im ersteren Fall kann die Intensität der Krümmung an verschiedenen Stellen desselben Fadens verschieden sein. So trägt sie unter Umständen an dem einen Fadenende Spirillumartigen, am anderen Vibrionenartigen;, oder an dem einen Ende Spirochaeteartigen, am anderen Spirillumartigen Charakter u. s. w. Dazwischen können alle Uebergänge in der Krümmung vorhanden sein. RL ka BT I Se) ne Namur u. (B. 291.) Fig. 4. Cladothrix dichotoma. A Verzweigte Pflanze, Zweige z. Th. vibrionenartig (a), z. Th. spirillenartig (b), schwach vergrössert. B Eine Schraube, deren eines Ende (a) spirillenartig, deren anderes (b) vibrionenartig erscheint. C Sehr langer, spiro- chaetenartiger Zweig. D Zweigstück, an einem Ende spirillen-, am andern vibrionenartig. E Schrauben mit Gliederung in Stäbchen (b) und Coccen (c); a ungegliedert. F Spirochaeten- form, bei a ungegliedert, bei b in Langstäbchen, bei c in Kurz- stäbchen, bei d in Coccen gegliedert. An den Fäden der höchstentwickelten Spaltpilze (Crenothrix, Beg- giatoa, Cladothrix) lässt sich, wie ich in der obengenann- ten Abhandlung nachwies, bereits ein deutlicher Ge- gensatz von Basis und Spitze nachweisen, am leichtesten an festsitzenden älteren Fäden. Er prägt sich bei den beiden erst- genannten Gattungen vor- zugsweise in acropetaler Er- weiterung der Fäden, bei letzterer in acropetaler Zweigbildung aus. Bei jedem Spaltpilz tre- ten Variationen bezüglich des Querdurchmessers und der Länge seiner Fäden auf. Sie bewegen sich aber nicht bei allen Schizomyceten in gleichen Grenzen. Am auf- fälligsten fand ich die Schwankungen in derFaden- dicke bei Crenothrix, und Beggiatoen, wo sie zwischen ı und 10—ı5 mikr. liegen können. Man hat solche Di- mensionsunterschiede früher nicht gehörig beachtet und so geschah es z. B., dass man verschieden dicke und lange Fäden von Deggiatoa alba als besondere Arten unterschied. Manche Spaltpilze, wie Crenothrix und Beggiatoen, lassen die Dicken- und Längen-- Schwankungen in jeder Cultur erkennen, wäh- ie Abschnitt I. Morphologie. I. Vegetative Zustände. 9 rend bei anderen Spaltpilzen diese Momente erst dann deutlich hervortreten, wenn man die Pflanzen unter verschiedene Ernährungsbedingungen versetzt (so z. B. beim Heupilz). Ausser den gewöhnlichen vegetativen Entwicklungszuständen von regel- mässiger Form treten in den Spaltpilzculturen, bald spärlich, bald in grösster Massenhaftigkeit, abnorme, krankhafte Zustände von Coccen-, Stäbchen-, Leptothrix- und Schraubenformen auf. (Fig. 5.) Sie unterscheiden sich von normalen Entwicklungsstadien entweder nur durch auffällige Dimensionen oder durch eigenthümliche Gestaltveränderungen, die unter der Form von bauchigen, nicht selten eckig werdenden Anschwellungen erscheinen, oder durch beide Momente zugleich. Ueberdies besitzen sie einen mattglänzenden, oft etwas dunkeln plasmatischen In- halt. Die Fähigkeit sich zu theilen oder Sporen zu bilden scheint ihnen vollständig abzugehen. Sie bezeich- nen offenbar einen durch schlechte Ernährung bedingten Rück- schritt resp. Stillstand in der Entwicklung und werden daher von NÄcELI Involutionsformen genannt. ö In ausserordentlich grossen Men- gen findet man diese Zustände, wie schon Hansen beobachtete, beim Essigpilz (Bacterium aceti und 2. Fastorianum), wo sie fast auf jeder mit Bier angestellten Cultur auftreten, wenn deren Nährmaterialien sich zu erschöpfen beginnen. Die Stäbchen schwellen hier bald regelmässig, bald unregelmässig auf, so dass sie flaschenförmig, spindelig, bisquitför- mig, knorrig etc. erscheinen; die Coccen schwellen gleichfalls stark auf (Fig. 5, 4). Auch bei anderen Fig. 5. (B. 292.) Spaltpilzen hat man sie beobachtet. Abnorme Entwicklungszustände (Involutionsformen) So wies sie CIENKOWSKI nach für (die nicht schraffirtten sind normale Formen. I. 540:1, Fadenstück von Crenothrix, mit grosser Cladothrix dichotoma, der Verfasser für Crenothrix polyspora (Fig. 5, 1), WARMING für eine Vibrioform (Vibdrio serpens und V. rugula) (Fig. 5, 2. 3), NEELSEN für DBacterium cyanogenum (Fuchs), PRAZMOwskI für Clostridium hypertrophirter Endzelle. 2. 660:1, Vibrio serpens (nach Warming). 3. 660:1 Vidrio Rugula (nach WARMING). 4. ca. 1000:I Dacterium aceti mit de- formirten Stäbchen und Coccen (theils nach der Natur, theils nach Hansen). 5. 1020:1 Clostri- dium Polymyxa (nach PRAZMOWSKI) a Coccen-, b Stäbchen-Deformationen. Polymyxa (Fig. 5, 5), BUCHNER für den Heupilz (Bacterium subtile und den Milz- brandpilz.!) Aller Wahrscheinlichkeit nach ist jeder Spaltpilz für Bildung solcher gestaltlich auffallenden Involutionsformen befähigt. ") Für die letzteren beiden Pilze werden die in Rede stehenden Formen am sichersten erlangt in Nährlösungen, deren Zuckergehalt im Verhältniss zu den N-haltigen Nährstoffen zu gross ist (BUCHNER). 10 Die Spaltpilze. von B. Theilung und Fragmentbildung.!) | - R Die vegetative Ver Ä RER ae mehrung der Spaltpilzzelen 8 © erfolgt durch Zweitheilung. = e Vor Eintritt dieses Processes © 6® streckt sich die Coccen- oder / Stäbchenförmige Zelle etwas und inserirt eine Querwand, die sich in 2 Lamellen spal- tet. Letztere runden sich früher oder später gegen ein- ander mehr oder minder ab, und auf diesem Wege kommt eine Trennung der beiden F; Tochterzellen zu Stande. Da- her der Name Spaltpilze u & ke! 9008 6) — ge Bo EemmLRLU TE sa ® S 88 IIITTIIII SOD Schizomyceten). In Zwei- [i theilung begriffene Coccen (j an ihrer Semmelform leicht # kenntlich, pflegt man häufig als Diplococcen zu be- J zeichnen. W), Theilen sich die Coccen resp. Stäbchen fortgesetzt in demselben Sinne, und blei- ben sie dabei vereinigt, so kommen Zellfäden (Lepto- thrix) zu Stande. Durch fort- gesetzte Coccentheilung ent- standene Fadenverbände fin- det man ihres rosenkranz- förmigen Aussehens halber in den Spaltpilzschriften noch mit den überflüssigen Namen: (B. 293) Fig. 6, Torula, Streptococcus, Strepto- Crenothrix Kühniana (RABENH.); a—e 600:1. Coccen in ver- bacteria, Mycothrix bezeich- schiedenen Stadien der Theilung; f 600:1 kleine rundliche net. Sie ähneln, namentlich (leider zu scharf contourirte) Coccen-Zoogloea; g nat. Gr., \yenn sie stark gekrümmt und Zoogloeen von verschiedener Form; h 600:1 Colonie von it Gallerthüll h kurzen, aus stäbchenförmigen Zellen bestehenden Fäden, mit a a ullen versehen durch Auskeimung eines Coccenhäufchens entstanden; erscheinen, in hohem Grade i—r Fadenformen, z. Th. gerade, z, „Eh. spiralig gekrümmt den unter der Bezeichnung (l m) von sehr wechselnder Dicke, mehr oder minder ausge- sprochenem Gegensatz von Basis und Spitze, verschiedenen » Nostoc« bekannten Spalt- Theilungsstadien ihrer Glieder und Scheidenbildung. Der algenformen. bescheidete Faden r zeigt am Grunde Kurzstäbchen, die : : weiter nach oben in niedrige Cylinderstücke getheilt sind. Bei manchen SP altp ilzen An der Spitze sieht man die durch Längstheilungen der Cy- finden die Theilungen ın linderscheiben entstandenen Coccen. ®: In S S ganz aan® ERLIUANDE h ai | a W SIR EIIEIT] 4 Q . use den Zellen, wenigstens in manchen Zuständen, nach 2 oder selbst nach 3 Richtungen des Raumes I) Vergl. Zorr, Zur Morphologie der Spaltpflanzen, besonders den Abschnitt über Cladothrix und Deggiatoa alba. ' Tendenz der Spaltpilzfäden, mögen sie nun dem schraubigen oa Kal ieh ET Lee N a hr 2 ER x Abschnitt I. Morphologie. I. Vegetative Zustände. 11 statt. Im ersteren Falle entstehen flächenförmige, im letzteren körperliche Colonieen. So bilden die Coccen des an der Oberfläche von Schlamminfusionen auftretenden Bacterium Merismopedioides Merismopediumartige Täfelchen, die im Magen lebenden, als Sarcina ventriculi bekannten Coccen zierliche Packete von Würfelform.!) In den bereits zu Fäden gereihten Zellen finden Theilungen nach 2 und 3 Richtungen im Allgemeinen selten, d. h. nur bei den höchstent- wickelsten Formen Beggiatoa, Crenothrix und Cladothrix statt, weil grade diese Spaltpilze durch relativ dicke Fäden ausgezeichnet sind. Am schönsten und klarsten sind die Verhältnisse bei Crenothrix (Fig. 9.). Dort treten in den stäbchen- förmigen Zellen der älteren Fäden zunächst weitgehende Quertheilungen auf, durch welche die gestreckt-cylindrischen Glieder in immer kürzere, zuletzt ganz niedrig - cylindrische Scheiben zerlegt werden. (Fig. 6, pnomr). In diesen Scheiben wird nun je eine mediane Längswand inserirt, welche den Discus in 2 Halbdiscen zerlegt, die sich ihrerseits durch eine auf der vorigen senkrecht stehende Wand theilen (Fig. 6, r). So wird jeder Discus in 4 Coccen zerlegt. Alle Coccen, welche durch Theilung cylindrischer Zellen nach ı, 2 oder 3 Richtungen entstanden sind, zeigen anfänglich naturgemäss eckige Formen. Später erfahren sie eine starke Abrundung, die zur Kugel- oder Ellipsoidform führt und trennen sich schliesslich. Charakteristisch erscheint die use LI S NIELS ER oder dem gewöhnlichen Typus an- gehören, sich zu fragmentiren, d. h. in mehırzellige bis einzellige Stücke zu zerknicken. So können riesige Mutterschrauben mit 50 und mehr Umgängen in ganz kurze, nur ı, 4 oder selbst nur 4 Umgang hal- tende Tochterschrauben zerfallen ein Vorgang, den man, oft innerhalb Fig. 7. (B. 294.) kürzester Frist, direkt beobachten ı. Beggiatoenfaden, a vor, b während der Fragmen- kann. Die abgeknickten Stab- oder tirung. 2. Vibrioartige Schraube, a vor, be während x : der Fragmentirung. 3. Eine an dem einen Ende Schraubenstücke bleiben entweder Spirillum- am anderen mehr Vibrioartige Schraube in ruhend oder sie gehen unmittelbar verschiedenen Stadien der Fragmentirung. nach der Ablösung in den Schwärmzustand über. Auch innerhalb der Scheide bescheideter Spaltalgen vollzieht sich diese Fragmentirung, und die Fragmente treten früher oder später aus der Scheide aus. (Die entsprechenden Zustände der Spaltalgen pflegt man Hormogonien zu nennen). Die Fragmentirung erfolgt gewöhnlich in der Weise, dass der gerade | IN IN ,_ ANY I) Man vergleiche die für Dacterium Merismopedioides und für Sarcina ventriculi im speciellen Theile gegebenen Figuren. Ya warn SPAN SET > aa ae ae hi 12 Die Spaltpilze. oder schraubige Faden genau in der Mitte (infolge Abrundung der sich hier berührenden Zellen) abgeknickt (Fig. 7, 2b, 3a), die beiden Theilstücke wiederum genau in der Mitte einknicken u. s. f. Selten ist die Einknickung unregelmässiger auftretend. Der eigentliche Grund für die Fragmentirung freier Fäden dürfte wohl darin zu suchen sein, dass die Fäden flexil sind, und ihre Enden Be- wegungen in verschiedenem Sinne machen, während die Mitte passiv bleibt. An längeren, festsitzenden Fäden knickt daher das Endstück gewöhnlich erst in der Mitte ab. Die Fragmentirung darf als eine Art von Vermehrung angesehen werden; die frei gewordenen Stücke wachsen unter Umständen wiederum zu längeren Fäden heran. C. Bestandtheile der Spaltpilzzelle. ı. Membran. Die Spaltpilzzellen treten nie in Form von hautlosen Primordialzellen auf, auch nicht im Schwärmerzustande. Sie sind vielmehr stets mit Membran umkleidet. a) Chemische und physikalische Beschaffenheit. Die Membran der Spaltpilze besteht nicht, wie man vielleicht erwarten sollte, durchweg aus einem Kohlehydrat (Cellulose), sondern, wie NENcKI und SCHAFFER zeigten, bei gewissen Arten, nämlich den Fäulniss-Spaltpilzen, aus einer eigenthümlichen Eiweisssubstanz, welche auch den Plasmaleib der Schizomy- ceten constituirt und den Namen Mycoprotein führt. Dagegen wurde von NäÄGeLı, Löw und Bunce für nicht fäulnisserregende Spaltpilze (z. B. den Essig- pilz, Mycoderma aceti und Froschleichpilz Zeuconostoc mesenterioides) nachgewiesen, dass hier die Membran aus Cellulose besteht.!) In gewissen Entwicklungsstadien kann die Membran Flexilität erlangen, in anderen erscheint 'sie starr. Ein ausgezeichnetes Beispiel hierfür bieten die Spirillen- und Spirochaeten-artigen Formen, namentlich die Spirochaeten des Sumpfwassers. Worauf jene Eigenschaften beruhen, ist noch nicht festgestellt. b) Wachsthum. Die Membran kann sich bei manchen Spaltpilzen verdicken und in La- mellen von verschiedener Dichtigkeit (verschiedenem Wassergehalt) differenziren. Bei fortgesetzter, zur Fadenbildung führender Theilung der Zellen betheiligt sich nur die innere Lamelle, die äussere wächst aber durch tangentiale Einlagerung neuer Micellen noch kürzere oder längere Zeit mit, bis sie schliesslich der Streckung der umschlossenen Zellen nicht mehr folgen kann, am Ende durch- brochen wird und nunmehr die gerade oder spiralig gekrümmte Zellreihe als lose Scheide umgiebt (Fig. 6, nopgqr). Infolge fortgesetzter Streckung und Theilung werden dann die oberen Zellen mechanisch aus der Scheide herausge- schoben (Fig. 6, no pg), oder sie verlassen dieselbe sämmtlich in Folge einer gewissen Eigenbewegung, und so wird unter Umständen eine vollständige Ent- leerung der Scheide bewerkstelligt. Am ausgezeichnetsten lässt sich die Scheiden- bildung bei den höchstentwickelten Spaltpilzen (C/adothrix und Crenothrix, Fig. 6, r) !) NEnckı, Beiträge zur Biologie der Spaltpilze. . (Journ. für pract. Chemie. Neue Folge Bd. XIX und XX: Ueber die chemische Zusammensetzung der Fäulnissbacterien.) Nach SCHÜTZENBERGER und DESTREM (Compt. rend. 88, pag. 384) ist auch die Membran der Hefe- zellen eiweisshaltig. Abschnitt I. Morphologie. F: Vegetative Zustände. 13 beobachten, wo sie eben so ausgeprägt erscheint, wie bei gewissen Phyco- chromaceen (Öscillarieen, Scytonemeen). Die Verdickungsweise der Membran der Spaltpilzzellen ist immer eine all- seitige, niemals eine ausgesprochen localisirte. Eine Cuticularisirung kommt an der Membran vegetativer Zustände nicht vor, wahrscheinlich auch nicht bei den Sporen. Die Spaltpilzmembranen zeigen im Allgemeinen starke Neigung zur Vergallertung, und zwar in allen Entwicklungsstadien. Hierauf beruht zu einem wesentiichen Theile die wichtige, später zu besprechende Zoo- loeabildung. r ; > c) Färbung. Nach NäceLı hat die gelbe, rothe, grüne, blaue etc. Färbung gewisser Spalt- pilzzellen ihren Sitz in den Zellmembranen.!) Bekanntlich zeigen die Zellhäute vieler Spaltalgen eine ähnliche Erscheinung (Sirosiphon, Gloeothece, Gloeo- capsa etc... Die olivengrüne oder rostrothe bis schwarzbraune Färbung der Scheiden von Crenothrix und Cladothrix beruht auf der Einlagerung von Eisen- oxydhydrat. Es ist dies meiner Auffassung nach ein rein mechanischer Process und nicht, wie CoHn annimmt, durch die Lebensthätigkeit der Zellen bedingt; wie schon aus dem Umstande hervorgeht, dass bereits gänzlich entleert& Scheiden die Eisenfärbung nachträglich annehmen. 2. Inhalt. a) Wesentliche Inhaltsbestandtheile. Der Inhalt der Spaltpilzzellen ist homogenes Plasma, das bei den meisten Repräsentanten der Gruppe das Licht nur wenig stärker bricht, als Wasser, bei einigen aber (den Beggiatoen) ein grösseres Lichtbrechungsvermögen besitzt. Es besteht zum wesentlichen Theile aus dem vorhin genannten Mycoprotein. Mit Jod färbt es sich gelb. Dem Plasma sind meistens feinere oder gröbere Körnchen eingebettet, die wahrscheinlich aus Fett bestehen und von EHRENBERG, der die Spaltpilze bekanntlich zu den Thieren stellt, für Eier und Magenbläschen gehalten wurden. Vacuolenbildung ist in den Spaltpilzzellen selten und tritt, wie es scheint; nur bei den grösseren Formen (z. B. Monasformen, Monas Okenii) auf. Nach Kernen hat man in den Spaltpilzzellen bisher vergebens gesucht. b) Accessorische Inhaltsbestandtheile. I. Schwefel. Im Inhalt der Zellen aller Beggiatoen-artigen Spaltpilze finden sich be- kanntlich sehr stark lichtbrechende, daher glänzende und mit breitem schwarzen Contour versehene, rundliche Körner, die je nach der Grösse der Zellen zu ı bis mehreren vorhanden sind und je nach dem Alter derselben geringere oder beträchtlichere Dimensionen aufweisen (Fig. ı, bfl und Fig. 3, 3. 8. 9. 10). Wie CRAMER zeigte und Conn bestätigte, bestehen diese so charakteristischen Ein- schlüsse aus reinem Schwefel. Sie lösen sich in einem Ueberschuss von ab- solutem Alkohol, in Kali und schwefligsaurem Natron in der Wärme, in Salpeter- säure und chlorsaurem Kali bei gewöhnlicher Temperatur. Behandelt man Beggiatoenformen nach vorherigem Eintrocknen am Deckglas mit Schwefel- kohlenstoff, so werden die Körnchen gleichfalls aufgelöst, wobei ein dünnes Häutchen zurückbleibt. Da sich die Einschlüsse gegen polarisirtes Licht doppelt- brechend verhalten, so müssen sie krystallinischer Natur sein.) 1) NÄGELI, Untersuchungen über niedere Pilze: Ernährung der Spaltpilze, pag. 20. 2) Sehr junge und dünne Beggiatoenfäden erscheinen meistens ganz schwefelfrei. N a WATER IM BE ER 2 = ABA NE el ET NE ae a Tr “ AN: 4 Hrn re: aller m a N; nt v BE IDEEN " ei: Au Ba A m - j* . Y 14 Die Spaltpilze. 2. Stärkeartiger Stoff. Im Zellinhalt einiger Spaltpilze hat man einen durch Jod sich bläuenden in gelöster Form vorhandenen Stoff aufgefunden, der vermuthlich eine stärkeähn- liche Substanz darstellt. Zunächst von TRECUL für gewisse Entwicklungsstadien des Buttersäurepilzes (Clostridium butyricum) nachgewiesen, wurde er für Sarcına ventriculi von SURINGAR, für eine Form des Essigpilzes (Dacterium Pastorianum HAn- SEN) von HANSEnN, für eine Spirillenform von van TIEGHEM angezeigt. Er findet sich übrigens auch bei der im Zahnschleim und cariösen Zähnen vorkommenden Leptothrix buccalıs. 'Träte dıe Blaufärbung nur immer dann auf, wenn die Pilze in stärkeführenden Substraten lebten, so könnte man annehmen, dass die Stärke des Substrats in gelöster Form in die Zellen hineindiffundirt wäre, so aber kann die Reaction auch dann erfolgen, wenn das Substrat völlig stärkefrei ist. Die Pilze dürften also die Fähigkeit besitzen, aus gewissen Kohlehydraten sich selbst jenen stärkeartigen Stoff zu bereiten. Doch geschieht dies nicht an allen Individuen derselben Cultur gleichzeitig; ja man findet Fäden, deren eines Ende sich deutlich bläut, während die Zellen des anderen, auch nach wiederholtem Jodzusatz, völlig farblos bleiben (so namentlich bei Zepzothrix buccalis). Wie Prazmowskı für den Buttersäurepilz fand, kann das Auftreten des stärkeartigen Körpers in verschiedenen Entwicklungsstadien der Pflanze erfolgen. In schwach gährenden stärkereichen Substraten zeigt sich die Reaction schon sehr frühzeitig, an noch wachsenden uud sich theilenden Stäbchen: in stark gährenden stärkereichen Nährmedien aber in einer verhältnissmässig späten Entwicklungsperiode, erst kurz vor der Sporenbildung. Sie kann aber auch unter den nämlichen Verhältnissen ganz unterbleiben, und dann wird die Gährflüssig- keit selbst durch Jod blau gefärbt. Lässt dann die Gährung nach, so nimmt der Spaltpilz den stärkeartigen Stoff aus der Flüssigkeit wieder auf, und zeigt nun auch wieder die Jodreaction. 3. Farbstoffe. Einige Spaltpilze enthalten in ihrem Plasma gelöste Pigmente. Hierher gehört z. B. die bald rosenrothe, bald pfirsichrothe, bald intensiv violette Beggza- toa roseo-persicina, deren mannichfaltige Entwicklungsformen einen von LANKASTER!) entdeckten purpurrothen Farbstoff enthalten, das Bacteriopurpurin. In Wasser, Alkohol, Chloroform, Ammoniak, Essigsäure und Schwefelsäure unlöslich wird er durch heissen Alkohol in eine braune, durch Chloroform in eine orangebraune Substanz umgewandelt. Auch spectroscopisch zeigt er charakteristische Merkmale (eine totale Absorption in Gelb zu beiden Seiten der Linie D; zwei schwächere Absorptionsstreifen in Grün in der Umgebung von b und E, sowie in Blau bei F; ausserdem eine gegen G stetig steigende Verdunkelung der stärker brechbaren Hälfte des Spectrums). Beim Absterben der Beggiatoenzellen färbt sich das Bac- teriopurpurin gleichfalls in Braun um. Obschon man mit CoHN und SCHRÖTER annehmen muss, dass auch bei andern Pigment-Spaltpilzen der Inhalt tingirt sei, so ist doch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die Färbungen bei manchen dieser Pilze de-Membran an- gehören und erst neuerdings hat sich NAGEL1, wie bereits erwähnt, in diesem Sinne _ ausgesprochen. I) On a peach coloured Bacterium. Quart. Journ. of micr. sc. Bd. XII. pag. 408. 1873. E. Krein, Note on a pink coloured Spirillum. Quart. Journ. of mier. sc. Bd. XV. 1875. Ban KR FaRN LCD en 5 N IN &r Abschnitt ._ Morphologie. I. Vegetative Zustände, 15 D. Bewegungsorgane.!) Alle Spaltpilzformen, die langfädigen ausgenommen, sind unter gewissen Er- nährungsbedingungen mit Cilien oder Geisseln ausgerüstet, welche als Loco- motionsorgane fungiren und stets ter- minale oder polare, nie laterale Stellung einnehmen. Nach der Entdeckung dieser Organe durch EHRENBERG, der sie zunächst bei einer Bacillus-artigen Form nachwies, wurden dieselben von CoHN, DALLINGER, DRYSDALE, WARMING, KOCH, BREFELD, PRAZ- MOwskI, dem Verfasser u. A. in ihrem all- gemeineren Vorkommen, nämlich für ‚Spz- rillen-, Ophidomonaden-, Spirochaeten-, Vi- brio-, Monas-, sowie für grössere und kleinere Stäbchen-, und Coccen -Formen nachge- wiesen, theils auf gewöhnlichem Wege, theils unter Zuhilfenahme von Färbungs- methoden und der Mikrophotographie.?) Die Geisselzahl beträgt im Mini- mum ı, im Maximum 4—6. Coccenformen (Fig. 8) besitzen nur ı Cilie, erhalten aber im Stadium der Zweitheilung (Fig. 8, 2) (Diplo- coccen) an jedem Pole eine; die Stäbchen- und Schraubenformen ın der Regel 1ı—.2. (Fig. 8, 4, 5, 6, 8, ı0, ı2). Nach WARMING und Koch sind gewisse, relativ grosse Spirillen-, Vibrionen- und Bacillen -artige Spaltpilzzustände sonderbarer Weise an dem einen oder beiden Polen mit je einem Geisselpaar ausgerüstet (Fig. 8, Lı, 13, 15); ja Warning bildet für eine Spiral- form der Beggiatoa roseo-persicina (Ophi- domonas sanguinea) sogar 3 Geisseln an einem Pole ab! Sind beide Pole begeisselt, so kann also auch die Zahl 6 herauskommen. - Obwohl sich die Existenz der Geisseln durch Strudel verräth, hat doch der Nachweis EHRENBERG, Die Infusionsthierchen. of Flagella in Bacterium Termo. MING, Om nogle ved Danmarks Kyster levende Bacterier. Heft IV, Bacillus subtilis. — KocH, Verfahren zur Untersuchung, zum Conserviren und Bas Bd. II. Heft 2. — van TIEGHEM, Sur les prötendus cils pilze. Photographiren der Bacterien, die blaue Milch, in Beitr. z. Biol. in Beitr. z. Biol. The monthly microscopical journal. Fig. 8. Schwärmerbildung. (B. 295.) 1. Mierococcenschwär- mer mit ı Cilie. 2. ein ebensolcher in Theilung, mit 2 Cilien. 3. Colonie schwär- mender Macrococcen von Deggiatoa roseo-per- sicina. 4. Kurzstäbchenschwärmer derselben Beggiatoa. 5. 6. Bacillenartige Schwärmer nach KocH. 7. Schwärmende Bacillus-Kette vom Heupilz, dıe Endstäbchen mit je I Geissel (nach BREFELD). 8. Kurzstäbchenschwärmer von Bege. roseo-pers., schwefelreich, mit ı Cilie. 9. Langstäbchenschwärmer dersel- ben Art in Theilung begriffen. 10. Schr langer Stab, von Degg. roseo-pers. (nach WAR- MING) an beiden Polen begeisselt. ı1. An jedem Pole mit einem Geisselpaar versehener, vibrioartiger Schwärmer (nach WARMING). ı2. Spirillum-Form, an jedem Pole mit ı Geissel. 13. dicker spirillumartiger Schwär- mer an jedem Pole mit ı Geisselpaar. 14. Schwefelreicher schraubiger Schwärmer Oßhidomonas-Form) von Degg. roseo-pers. mit 3 Geisseln am Pole (nach WARMING). 15. Ebensolcher Schwärmer an beiden Polen mit ı Geisselpaar, in Theilung begriffen (nach WARMING). I) Literatur: COHN, Untersuchungen über Bacterien in Beitr. z. Biol. Bd. I. Heft I. — 1838, pag. 76. — DALLINGER u. DRYSDALE, On the existence 1875, pag. 105. — WAR- 1876. Resume. — BREFELD, Schimmel- Heft 3. — NEELSEN, Studien über des Bacteries. Bull. de la Soc. bot. de France 1880. — ZoPF, Zur Morphologie d. Spaltpflanzen. unrichtig. - 2) Die van TiecukM’sche Annahme, dass Coccen nicht schwärmfähig werden könnten, ist ‚ g ‚ RT 16 Die Spaltpilze. derselben, wenigstens bei den kleineren Spaltpilzformen, grosse Schwierigkeiten. Letztere liegen einmal in der ausserordentlichen Feinheit dieser Organe, sodann in der Schnelligkeit ihres Spiels und endlich in dem Umstande, dass sie mit der Substratsflüssigkeit gleiches oder selbst geringeres Lichtbrechungsvermögen be- sitzen. Alle diese Hindernisse lassen sich zwar durch Abtödtung mittelst Ein- trocknen oder fixirender Reagentien und durch nachträgliche Färbung überwinden, indessen doch nur in den Fällen, wo während dieser Manipulationen die Cilie nicht eingezogen wird, was bei manchen Formen (gewissen Monasformen, Spi- rillen- und Vibrionenformen) regelmässig geschieht. Da wo die Fixirung gelingt, ist auch meist die Färbung mit concentrirter wässriger Lösung von Campeche- holzextrakt möglich, durch welche die Cilien braun werden. Da die photogra- phische Platte lichtempfindlicher ist, als die Netzhaut unseres Auges, so lassen sich fixirte Cilien auch schon im ungefärbten Zustande auf photographischem Wege nachweisen. Gewöhnlich sind die Schwärmer isolirt oder zu kürzeren oder längeren, bald geraden, bald gebrochenen Reihen vereinigt (Fig. 8, 7). Doch kommen auch Volvox-artige Schwärmercolonieen vor (z. B. bei Deggiatoa roseo-persi- cina) (Fig. 8, 3). Manche Spaltpilze bilden überhaupt keine Schwärmerformen. So diejenige Varietät des Heupilzes, die man als Milzbrandpilz bezeichnet. Manche Spaltpilze scheinen nur eine einzige Schwärmerform zu erzeugen; 2. B. CrenothrixKühniana; -sie bildet nur Coccenschwärmer. Andere bilden zwei: Coccen- und Stäbchenschwärmer, noch andere nicht bloss diese beiden, sondern auch noch Spiralschwärmer. Dahin gehört z. B. Deggiatoa alba, B. roseo-persicina und Cladothrix dichotoma. Was die morphologische Bedeutung der Cilie anlangt, so stellt dieselbe nach meiner Auffassung wahrscheinlich einen contractilen Plasmafaden dar, welcher von dem Plasmakörper der Zelle aus durch eine anzunehmende polare Oeffnung in der Membran hervorgetrieben wird und wiederum in den Plasma- körper eingezogen werden kann.!) Es würde demnach die Cilie das morpholo- gische Homologon der Cilie der Flagellaten und Algenschwärmer sein. Eine wesentlich andere, von vAN TIEGHEM geäusserte Ansicht geht dahin, dass die Cilien gallertige Membran-Verlängerungen sind, die keine contrac- tile, sondern nur passive Bewegung besitzen. Die Schwärmbewegung soll nach ihm einer Contraction des plasmatischen Körpers der Zelle zuzuschreiben sein. V, T. stützt die erstere Ansicht auf die Beobachtung, dass die Cilien von C/o- stridium butyricum wit Kupferoxydammoniak Cellulosereaction zeigten. Die Geisselbildung und Schwärmfähigkeit treten nur unter ge- wissen Bedingungen ein, dann nämlich, wenn es für die Zellen nöthig wird, aus tieferen Schichten des Nährmediums an die reichlicher Sauerstoff bietende Oberfläche zu gelangen. Hier angekommen, geben sie den Geisselzustand wieder auf. Derselbe Spaltpilz, der unter gewissen Nährbedingungen schwärmfähig wird, bildet unter anderen niemals Geisselzustände. So gelangen die Zustände des doch sonst bekanntlich schwärmfähigen Heupilzes nach BucCHNER niemals zur Schwärmerstufe, wenn sie in einer ı@, mit Mineralsalzen versehenen Asparagin- lösung bei 25°C kultivirt werden. I) Gründe für diese Ansicht findet man in meiner Arbeit über Spaltpflanzen (pag. 7) ange- geben. Ka N a a “ ? BE, N LE N ö ee: N BER E Er Abschnitt I. Morphologie. II. Sporenbildung‘ {7 Äusser der durch Cilien vermittelten Eigenbewegung giebt es bei Spaltpilzen noch eine andere, nicht an besondere Bewegungsorgane gebundene.!) Sie gleicht im Wesentlichen der der Öscillarien und anderer Spaltalgen und kann sich bei den verschiedensten Entwicklungsformen: Stäbchen, Coccen-, Spirillen- und Faden- formen finden. Sitzen die Fäden noch fest, so beschreiben sie einen Kegel- mantel oder machen pendelartige Bewegungen. Freie Fadenstücke und Stäbchen kriechen auf dem Substrat hin und her oder gleiten auf und an einander hin. Die Schraubenformen schrauben sich an anderen Gegenständen entlang; kommen 2 oder mehrere Schraubenfäden nebeneinander zu liegen, so schrauben sie sich an einander auf und ab oder zu Bündeln zusammen. Gewöhnlich besitzen die mit in Rede stehender Bewegung versehenen Zustände mehr oder minder auf- fallende Flexilität. Aus den Scheiden der Crenothrix Kühniana und der Cla- dothrix dichotoma treten die Coccen und Stäbchen, gleichfalls vermöge ihrer Gleitbewegung, aus, oft zu Reihen verbunden (und dann den Hormogonien der Spaltalgen entsprechend.) Das Auftreten der oscillarienartigen Bewegung ist, wie die Schwärmfähigkeit, an ganz bestimmte Substratsbeschaffenheit ge- bunden. Der Grad der Intensität dieser Bewegung scheint ebenfalls von den Ernährungsverhältnissen abhängig zu sein. Längere Stab- oder Schraubenformen im Geissel tragenden Zustand nehmen in Momenten der Ruhe die Gleitbewegung an, um dann wieder zu schwärmen Kleinere in Flüssigkeiten suspendirte Spaltpilzzellen zeigen unter dem Mi- kroscop eine durch Molekularkräfte verursachte Tanzbewegung?) (Brown’sche Molekularbewegung), die der Anfänger nicht mit der Schwärmbewegung ver- wechseln darf. II. Sporenbildung.’) Die neuere Spaltpilzforschung hat zu dem zuerst von Conn festgestellten wichti- gen Resultate geführt, dass die Spaltpilze ausser der rein vegetativen Vermehrung durch Theilung noch eine Fortpflanzung durch besondere Organe (Dauerzellen, Sporen, Dauersporen) besitzen, welche den Dauersporen der übrigen niederen Thallophyten, der Algen und Pilze, morphologisch und physiologisch im Wesent- lichen aequivalent sind. Dieser Entdeckung darf insofern eine gewisse Bedeutung beigemessen werden, als durch sie die frühere Unsicherheit in der Stellung der in Rede stehenden Organismen aufgehoben, insbesondere die Streitfrage erledigt wurde, ob die Spaltpilznatur mehr dem thierischen oder mehr dem pflanzlichen Charakter entspreche. Das Wesen der Sporenbildung, soweit diese bis jetzt näher untersucht wurde, besteht darin, dass zunächst eine Contraction des Inhaltes der Spaltpilzzelle auf I) Literatur: CoHNn, Beiträge zur Physiologie der Phycochromaceen und Florideen (MAX ScHULTZE’s Archiv II). NÄGELI, Beitr. z. wissenschaftlichen Botanik. Heft II. (1860) pag. 88. Ortsbewegung frei schwimmender Zellen und Pflanzen. — Koch, Die Aetiologie der Milzbrand- Krankheit, in Beitr. z. Biol. Bd. II. Heft II. — BREFELD, Ueber Bacillus subtilis, Schimmelpilze, Heft IV. — PrAazmowskı, Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte und Fermentwirkung einiger Bacterien-Arten. — VAN TIEGHEM, Leuconostoc mesenterioides, in Ann. des sc. Ser. 6. tom. 7. — BUCHNER, in NÄGELI’s Untersuchungen über niedere Pilze, pag. 220. 27I. — NEELSEN, Studien über die blaue Milch in Beitr. z. Biol. Bd. III. Heft 2. 2) NÄGELI, Untersuchungen über niedere Pilze: Ueber die Bewegungen kleinster Körperchen. 3) CoHN, Untersuchungen über Bacterien in Beitr. z. Biol. Bd. II. Heft II. SCHEnk, Handbuch der Botanik. Bd. III. 2 18 Die Spaltpilze. einen möglichst kleinen Raum erfolgt, sodann die Masse sich verdichtet und abrundet, und endlich eine derbe, warscheinlich zweischichtige, stets glatt und farblos bleibende Membran abgeschieden wird. Die Sporenbildung trägt hiernach endogenen Charakter, ist also wesentlich verschieden von der der so nahe verwandten Spaltalgen, wo nach den bisherigen Untersuchungen stets nicht bloss der Inhalt, sondern auch die Membran der Mutterzelle bei der Sporenbildung betheiligt ist. BeugrehHet man indessen die bereits erwähnte ausserordentliche Aehnlichkeit der Spaltpilze und Spaltalgen muthung nahe, dass man auch Spaltpilze mit spaltalgenartiger Dauersporenbildung antreffen wird, zumal die Zahl der bisher auf den Sporenbildungs-Prozess hin unter suchten Spaltpilze nur eine höchst ge- ringe ist.!) Auf die Frage, ob die Dauersporen- bildung bei allen Spaltpilzen an ein und die- selbe Entwicklungsform (etwa die Stäbchen- form) gebunden sei, hat man mit nein zu antworten; denn bei dem einen Schizo- myceten sind es Coccen (Zeuconostoc me- senterioides (Fig. 9, C) bei anderen (z. B. Bacterium subtile) Stäbchen (B), bei noch anderen (Vibrio Rugula) Vibrionen (Fig. 9, E c, G) oder selbst Spirillenformen (Fig. 9, Eabd; Ia). Doch erscheint die Sporen- bildung vorherrschend an die Stäbchen- (B. 296.) Fig. 9. form gebunden. Sporenbildung. A Stäbchen eines auf Diato- ; ’ R meen lebenden Cl/oszridium-artigen Spaltpilzes, Die Frage, ob bei demselben Spalt- in verschiedenen Zuständen der Sporenbildung pilz mehrere Entwicklungsformen die Fähig- (Entwicklung nach den Buchstaben). BSporen- keit zur Sporenbildung erlangen, darf be- bildende Stäbchen des Heupilzes. C Coccen- . So bild f en kette von Zezuconostoc mesenterioides mit 2 Dauer- jaht werden. o bildet das au gekochten sporen (nach V. TIEGHEM). D Sporentragendes Mohrrüben häufige Daciersum tumescens Stäbchen, noch mit Geisselversehen. ESporen- x - bildung in Viörio- (ce) und Spirillum-artigen Be den Untersu haneen der Ver (abd) Formen eines Spaltpilzes. F Langer SEINE Dauersporen sowohl in Stäbchen, sporentragender Stab (sogen. Köpfchen- als auch in Coccen. bacterie),. G Viörio-Form mit Spore (nach & j 6 PRAZMOWSKI). H Clostridium-förmige Stäb- Bei manchen Spaltpilzen werden die chen, das eine mit 2 Sporen (nach PrAz- für die Sporenbildung bestimmten Zellen MOWSKI). I Spirillum mit vielen Dauersporen, . . er: . Die in Zerall Pegnen E Kane gestaltlich so weit modificirt, dass sie der Spore des Heupilzes; Entwicklung nach zu den noch in vegetativer Vermehrung den Buchstaben. Das Keimstäbchen senk- begriffenen in einen gewissen Gegensatz recht zur Sporenachse. L Keimung der HE 18 8 ER: Spore von Clostridium butyricum (Entwicklung treten un 0 als porenmutterzelien nach den Buchstaben). Keimstäbchen in leicht kenntlich werden. Ein Beispiel hier- u für bietet der Buttersäurepilz (Clostri- !) Man kennt die Sporenbildung nur bei folgenden Pilzen: Zacterium subtile (Heupilz u. Anthraxpilz) 3. cyanogenum, Clostridium butyricum und Polymyxa, Lewconostoc mesenterioides, Bac- terium tumescens, ferner für die Glycerinaethylbacterie, für Vidrio Rugula, Bacillus Leprae, Bacterium Tuberculosis Mir selbst sind noch andere Formen mit Sporenbildung bekannt. in vegetativer Beziehung, so liegt die Ver-. Abschnitt I. Morphologie II. Sporenbildung. 19 dium butyricum), dessen Zellen schon lange vor Beginn der Sporenbildung sich strecken und, entweder im Aequator oder an einem Pole, relativ be- deutend aufschwellen, um im ersteren Falle spindelige oder citronenförmige (Fig. 9, H), im letzteren kaulquappenartige Gestalt (Fig. 9, Ac d) anzunehmen. Bei anderen Spaltpilzen tritt eine locale Ausweitung der Zelle erst mit der die Sporenbildung einleitenden Plasmacontraction ein, bei noch anderen fehlt sie gänzlich. Längere oder kürzere Stäbchenzellen, welche ihre Spore in einer stark ausgeprägten Enderweiterung führen und daher stecknadelförmige Gestalt zeigen, findet man, namentlich in der medicinischen Spaltpilzliteratur, häufig als »Köpfchenbacterien« bezeichnet (Fig. 9, F). Merkwürdigerweise thut die Anlage und Ausbildung der Spore der Schwärm- fähigkeit der betreffenden Zelle in manchen Fällen keinerlei Eintrag. Gewöhnlich bilden die Spaltpilzzellen nur je eine (Fig. 9, A e B—G) selten 2 (Fig. 9, H) oder gar mehrere Dauersporen. Das Plasma wird bei der Sporen- bildung in kleineren Zellen bis auf 4, in grösseren wie z. B. (Fig. 9, G) bis auf J, (und noch mehr) des ursprünglichen Volumens verdichtet (wobei wahrscheinlich eine Wasserabscheidung eintritt). Hieraus erklärt sich das auffallende Licht- brechungsvermögen der Dauersporen, das man früher fälschlich auf einen Fett- gehalt zurückführen wollte, sowie der charakteristische dunkle Contour (der über die geringe Dicke der eigentlichen Membran täuschen kann), beides wichtige äussere Erkennungszeichen für die Dauersporen. In Freiheit gelangen diese Organe dadurch, dass die Membran der Mutterzelle sich allmählich auflöst. Die Fähigkeit aller Spaltpilzzellen, ihre Membran zu vergallerten, geht auch den Dauersporen nicht ab. Der zarte »Lichthof«, der sie im isolirten Zustande um- giebt, ist nicht eine blos optische Erscheinung, sondern eine durch Quellung der äussersten Membranlamelle entstandene Gallerthülle, also substantieller Natur. Das Hauptargument für die functionelle Bedeutung der in Rede stehenden Ge- bilde als »Sporen« liegt in der jetzt wissenschaftlich gesicherten Thatsache be- gründet, dass diese Gebilde keimen und zwar nach einem der Sporenkeimung anderer Kryptogamen durchaus analogen Modus. Es wurde dieses wichtige Factum zuerst durch BREFELD für den Heupilz (Dacterium subtile) klar gelegt und später von PrRAazmowskI für den Buttersäurepilz (Clostridium butyricum) und von BucHNER für den Milzbrandpilz bestätigt. Die Keimung wird eingeleitet da- durch, dass der Lichtglanz der Spore schwindet, und eine Aufschwellung der- selben stattfindet, auf welche ein Zerreissen der Membran, entweder (wie bei dem letzteren Pilze und dem Milzbrandpilze) am Pole (Fig. 9, L), oder (wie bei ersterem) an einer im Aequator gelegenen Stelle erfolgt (Fig. 9 K). Durch die so gebildete Oeffnung tritt der Inhalt zunächst in Form einer kurzen Ausstülpung hervor, um bald darauf sich zum Stäbchen zu formen, das später der Sporenhaut gänzlich entschlüpft. Bei der Keimung einer von VAN TIEGHEM gefundenen Spirillenform (Sp. amyliferum) entsteht ein zunächst gerades Stäbchen, das aber später, indem es sich allmählich mehr und mehr krümmt und wächst, Spirillenform annimmt. Nach desselben Beobachters Angaben ist das Produkt der Sporenkeimung des Froschleichpilzes nicht ein Stäbchen, sondern eine Coccenzelle. Die Keimfähigkeit ist unmittelbar nach der Reife der Sporen vorhanden.- Was die physiologische Ursache für den Eintritt des Sporenbildungs- Processes anlangt, so dürfte dieselbe in dem schliesslich eintretenden Mangel an Ernährungsmaterial zu suchen sein. 2* 20 Die Spaltpilze. Die Sporen der Spaltpilze besitzen ein sehr geringes Volumen. So beträgt beispielsweise für den Heupilz ihre Länge etwa 0,0012, ihre Breite etwa 0,0006 Millim. Ihre Form ist entweder kugelig oder ellipsoidisch. II. Zoogloeenbildung. A. Vorkommen und äussere Erscheinung.!) Wenn man Scheiben gekochter fleischiger Wurzeln (Zuckerrüben, Kohlrüben, Mohrrüben) gekochter Kartoffeln, Eier u. s. w. im feuchten Raume hält, so wird man nach einiger Zeit an den der Luft zugekehrten Flächen dieser Substrate farb- lose oder gefärbte Massen von Spaltpilzen auftreten sehen, welche Klümpchen, Häute oder Polster darstellen und gelatinöse Consistenz zei- gen. Bereitet man sich ferner Infusionen mit gekochten Samen (Erbsen, Bohnen) fleischigen Wurzeln, Fleisch, Käse, stinkendem Schlamm, Excrementen u. s. w. oder 7 lässt man Bier einige Zeit bei etwa 33° stehen, so werden sich an der Oberfläche der (B. 297.) Fig. 10. Flüssigkeiten gleichfalls sehr Grosse Zoogloea von Clostridium Polymyxa auf einer Kohl- bald Spaltpilzmassen bemerk rübenscheibe, eine dicke gelappte und gekräuselte Gallert- har machen, die dünne iri- masse darstellend. (Nat. Grösse.) 1 sırende Häutchen oder lappenartige Formen oder allmählich dicker werdende Decken repräsentiren und ebenfalls gelatinöser Natur sind. Alle solche von Spaltpilzen hervorgerufenen Gallertbildungen, mögen sie nun Klümpchen, Polster oder lappige Formen, Häute etc. darstellen, pflegt man als »Zoogloeen-Zustände« zu bezeichnen.) !) Literatur: W. Zopr, Zur Morphologie der Spaltpflanzen; wo die Zoogloeenbildung von Cla- dothrix dichotoma,.von Beggiatoa alba und insbesondere auch von B. roseo-persicina charakterisirt wird. Derselbe, Entwicklungsgeschichtliche Untersuchung über Crenothrix poly- spora, die Ursache der Berliner Wassercalamität, wo man auf pag. 6 ff. die Entwicklungsgeschichte der Zoogloeaform dieses Spaltpilzes findet. Von älteren Arbeiten vergleiche: CoHn, Untersuchungen über Bacterien, in Beitr. z. Biol. Bd.I, Heft II, pag. 141 und Nova Acta Ac. Car. Leop. XXIV. I, pag. 123. — Derselbe, Untersuchungen über Bacterien, II. Beitr. z. Biol. Bd. I, Heft IH. (Ueber Ascococcus und Clathrocystis roseo-persicina). — RAY LANKASTER, On a peach-coloured Bacterium, Quart. Journ. of Microscop. Sc. vol. XIIH, Ser. II, pag. 408. — WARMING, Observa- tions sur quelques Bacteries, qui se rencontrent sur les cötes du Danemark. — PRAZMOWSKI, Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte und Fermentwirkung einiger Bacterien-Arten, pag. 44. — Koch, Untersuchungen über Bacterien, in Beitr. z. Biol. Bd. II, Heft III. pag. 414. — CIENKOWSKI, Zur Morphologie der Bacterien. — Derselbe, Ueber die Gallertbildungen des Zucker- rübensaftes, Charkow 1878. — VAN TIEGHEM, Leuconostoc mesenterioides. Ann. des sc. Ser. 6. tome 7. 2) Minder gebräuchlich ist der von CIENKOWSKI eingeführte Ausdruck »Palmellen-Zustande. Abschnitt I. Morphologie. III. Zoogloeenbildung. 21 Für besonders massige Ausbildung der Zoogloea-Form führe ich als Beispiel ein Clostridium an, dessen Cultur auf Kohlrüben grosse, oft mehrere Centim. im Durchmesser haltende, dicke gekräuselte und gelappte Gallertmassen liefert. In Fig. ıo ist eine solche Zoogloea dargestellt. In Bezug auf Massigkeit der Zoogloeen unübertroffen steht wohl der im Rübensaft der Zuckerfabriken nicht selten auftretende Nostoc-artige Spaltpilz (Zeuconostoc mesenterioides) da, der mehr als fussgrosse Froschlaich-artig configu- rirte Gallerthaufen zu bilden vermag, die in der Zuckertechnik geradezu als »Froschlaich« bezeichnet werden. B. Entstehung der Zoogloeen. Die Genesis der Zoogloeenstöcke beruht in allen Fällen auf zwei wichtigen Momenten, von denen das eine in der Anhäufung von ruhenden Spalt- pilzzellen liegt, das andere in der Tendenz derselben, ihre Membranen relativ stark zu vergallerten. Was zunächst die Anhäufung betrifft, so kann dieselbe auf zwiefachem Wege erreicht werden. Einmal dadurch, dass eine einzige Zelle durch fort- gesetzte Zweitheilung Generationen neuer Zellen erzeugt, welche nach dem Faden- typus, dem Flächentypus oder dem körperlichen Typus geordnet bleiben; anderseits aber in dem Wege, dass eine beliebige Zusammenlagerung von mehreren bis zahllosen Zellen stattfindet, die von ganz verschiedenen Mutterzellen abstammen können. Die erste Form der Anhäufung lässt sich als Anhäufung durch Theilung die letztere als Anhäufung durch Apposition bezeichnen. Letztere Form der Anhäufung kann auf verschiedenen Ursachen basiren. Sie wird häufig dadurch hervorgerufen, dass schwärmende Zellen, wenn sie im Begriff sind, in den Ruhezustand überzugehen, sich in dichten Schaaren zusammen- setzen, was namentlich an festen Gegenständen, oder an der Oberfläche der Substrate geschieht, bald dadurch, dass Spaltpilzzellchen in gährenden oder faulenden Flüssigkeiten in Folge des Auftriebes von Gasblasen zusammenge- schwemmt werden; bald sind es Erschütterungen durch Bewegungen der Luft oder durch kleine Thiere (Infusorien, Amoeben) verursacht, welche die Zellchen an der Oberfläche der Flüssigkeit oder im Innern derselben mit einander in nähere Berührung bringen. Die Ursachen der Anhäufung durch Apposition sind mithin meistens rein zufälliger, z. Th. mechanischer Art. Lagern sich, wie das nur in absolut reinen Culturen geschehen kann, gleich- namige Spaltpilzformen zur Zoogloeenhaut neben einander, und entwickeln sich diese zu Specialzoogloeen, so resultirt eine aus gleichartigen Zoogloeen be- stehende zusammengesetzte Zoogloea. Treten aber, wie man das in fast jedem der gewöhnlichen Aufgüsse beobachten kann, Formen ganz heterogener Spalt- pilze zur Hautbildung zusammen, und entwickeln sich diese Formen später je nach ihrer eigenartigen Weise zu Special-Zoogloeen, so muss natürlich eine allgemeine Zoogloea resultiren, die aus ganz heterogenen Special-Zoogloeen zusammengesetzt erscheint, einem Gewand vergleichbar, das aus vielen ungleich- artigen Flicken zusammengeflickt ward (Fig. ıı, Aabcd). Beobachtet man eine Nährflüssigkeit, in die Spaltpilze eingebracht wurden, so wird man gewöhnlich nach Verlauf von 24 Stunden, mitunter noch früher, mitunter auch später an der Oberfläche zahlreiche winzige Schüppchen bemerken, die noch völlig isolirt erscheinen. Dies sind kleine Zoogloeen. In dem Masse, 22 Die Spaltpilze. als sie in die Fläche wachsen, nähern sie sich einander und treten schliesslich in Be- rührung, ein continuirliches dünnes und glattes Häutchen bildend, das häufig opalisirt. Wenn später eine so reiche Vermehrung der Zellchen und ihrer Gallert stattfindet, dass eine Vergrösserung der Haut in der Richtung des Flüssigkeits-Niveaus nicht a mehr möglich ist, tritt eine Nie Kräuselung der Häute ein. Diejenigen Zoogloeen, welche nach dem ersteren Anhäufungstypus entstehen, ‚sind meist durch bestimmte, individualisirte Gestalt cha- rakterisirt!: Sie zeigen näm- lich Kugel- (Fig. ıı, E), Ei- (Fig. ıı, B), Semmel- (Fig. ıı, D), Netz- (Fig. ıı, C), Schlauch-, Band-, Faden-, Strauch- (Fig. ıı, F), Trauben- Form u. s. w. Die nach dem zweiten Typus entstandenen besitzen in der Regel die Form von Kahmhäuten (Fig. ıı, A), wie sie an der Oberfläche von Infusionen aller Art so häufig anzutreffen sind, von unregelmässigen Klumpen, Lappenetc., können aber unter Umständen gleich- falls regelmässigere Formen (z.B. die Kugelform, Trauben- form etc.) annehmen. Eine durchaus scharfe Trennung beider Typen ist übrigens nicht möglich. ir Fer 1 nun ryı'ıı lass! / In, H Die Gallerthüllen der Zel- EN len und Zellverbände sind anfangs getrennt, fliessen aber in manchen Fällen später a vollständig zusammen, so dass (B. 298.) Fig. I. die Einschlüsse in ein gemein- sames Gallertbett eingehüllt erscheinen (Fig. ıı, GH). Liegen die Zellen eines Verbandes sehr dicht zusammen, so vergallerten nur die peripherischen Zellen merklich und zwar gewöhnlich nur an der Seite der freien Membran (Fig. ıı B.)!) Wo die Zoogloeenbildung von einer Mutterzelle ausgeht, werden die Enkel- zellen bisweilen mit ihren Specialhüllen in die Gallerthülle der Tochterzellen, und diese ihrerseits in die der Mutterzelle eingeschachtelt, in ähnlicher Weise wie es bei den Zoogloeencolonieen der Chroococcaceenartigen Spaltalgenformen, z. B. Gloeothece, Gloeocapsa geschieht. Indessen ist die Einschachtelung wegen der 1) Solche Formen finden sich z, B. bei Beggiatoa rosea-persicina und anderen Spaltpilzen. Man hat sie z. Th. unter dem Formgenus Ascococcus beschrieben. Pen Abschnitt I. Morphologie. II. Zoogloeenbildung. 23 Zartheit der Hüllencontouren meist nicht so deutlich, wie hier und kann später durch Zusammenfliessen der succedanen Hüllen sogar gänzlich verwischt werden. Da die Membran, wie wir sehen, bei manchen Spaltpilzen (den Fäulniss- erregern) aus Mycoprotein, bei anderen dagegen (den Gährungserregern) aus Cellulose besteht, so muss natürlich auch die Gallert bei jenen Spalt- pilzen Mycoprotein-, bei letzteren Cellulosehaltig sein. In beiderlei Fällen aber besitzt sie grossen Wasserreichthum. Für die Fälle, in denen die Gallertbildung in so intensiver Weise erfolgt, dass der Querdurch- messer der Hüllen den Querdurchmesser der Ein- schlüsse ums Vielfache (beim Froschlaichpilz ums 10 bis zofache) übertriftt, und die Gallerte Knorpel- consistenz zeigt, dürfte wohl mit Sicherheit anzu- nehmen sein, dass die Spaltpilzzelle fort und fort neue quellende Membranlamellen ab- sondert. : Enthält das Nährmedium, in welchem sich Zoogloeen entwickeln, Eisen in Lösung, so lagert sich dasselbe in Form von Eisenoxydhydrat in die Gallertmasse ein, oder schlägt sich auf derselben nieder, olivengrüne oder rostrothe bis dunkelbraune Färbung bewirkend, die in stark schwefelwasserstoft- haltigen Flüssigkeiten durch Bildung von Schwefel- eisen ins Schwarze übergehen kann. Die Einschlüsse der Zocgloeen können allen möglichen Spaltpilzformen angehören. So giebt es eine Coccen-, eine Stäbchen-, Vidrio-, Spirillum-, Ophidomonas-, Monas-Zoogloea etc. Aus- nahmsweise finden sich auch leptothrixartige Formen in zoogloeenartigen Vereinigungen, wie es z. B. beim Heupilz, bei Crenothrix und Cladothrix dichotoma der Fall. Unter gewissen Ernährungsbedingungen sch wär- men die kürzern Zoogloeen-Einschlüsse, mögen sie nun der Coccen-, Stäbchen- oder Schraubenform angehören, aus der Gallerte aus, oft so vollständig, dass letztere ganz leer zurückbleibt. Diesem Prozess geht eine starke Quellung der Gallerte voraus, die man meist auch künstlich hervorrufen kann, wenn man die Zoogloeen in Wasser bringt und sie mit Fig. 12. (B. 299.) A Ast einer baumförmigen Zoo- gloea von Cladothrix dichotoma mit Einschlüssen der verschieden- sten Grösse und Form: a Kurz- stäbchen, b Langstäbchen, c Lep- tothrixformen, d Vibrionenartige Stäbchen, e Spirillenartig ge- krümmte Fäden; 540:1. Ast derselben Zoogloea-Form, bei a mehr Coccenartige, bei b Kurz- stäbchen- bei c Langstäbchen- förmige Einschlüsse zeigend. 540: I. dem Deckglas bedeckt. So z. B. zerfliessen unter diesen Bedingungen die Gallertcolonieen der Beggiatoa roseo-persicina ziemlich schnell. Von der Thatsache, dass die verschiedensten Spaltpilzformen sich aus ein- ander entwickeln, kann man sich namentlich auch an den Zoogloeeneinschlüssen überzeugen. Ihre Coccen entwickeln sich zu Kurzstäbchen, diese zu Langstäbchen und endlich durch Aneinanderreihung zu Fäden. Stäbchen- und Fadenzustände der Zoogloeen lassen unter Umständen die Ten- 24 Die Spaltpilze. denz erkennen, sich allmählich zu krümmen und so Formen des Spiraltypus (Vibrionen, Spirillen) zu bilden. In dieser Beziehung sind namentlich die Zoo- gloeen von Cladothrix (die sogen. Zoogloea ramigera) (Fig. ı2) und von Beggiatoa roseo-persicina instructiv. Die Stäbchen der Zoogloeen, mögen sie nun einzeln oder zu geraden oder gekrümmten Fäden verbunden sein, gehen schliesslich durch fortgesetzte Theilung in immer kleiner werdende Stücke zur Coccenbildung zurück. Ausser den in dem vorstehenden morphologischen Abschnitt charakterisirten vegetativen und fructificativen Zuständen weisen die Spaltpilze keine weiteren Entwicklungsphasen auf. Die frühere Behauptung, dass Spaltpilze sich zu höheren, fadenbildenden Pilzen entwickeln könnten (HALLıEr's polymorphistische Hypo- these), ist längst als unhaltbar widerlegt worden. Abschnitt IL Physiologie. I. Ernährung der Spaltpilze.') ı. Ernährung durch organische Verbindungen. Wie bereits früher hervorgehoben, geht den Spaltpilzen wegen Mangel an Chlo- rophyll die Fähigkeit ab, sich das Baumaterial für ihre Zellen selbst zu produciren. Sie sind daher auf bereits vorgebildete organische Substanz angewiesen, und zwar theils auf Stickstoffverbindungen theils auf Kohlenstoffverbindungen. Was zunächst die Quellen des Kohlenstoffs betrifft, so kann derselbe aus einer grossen Menge von organischen Verbindungen aufgenommen werden. Es ernähren bei Zutritt von Luft fast alle Kohlenstoffverbindungen, mögen sie sauer, neutral oder alkaliısch sein. Nur müssen sie sich in Wasser lösen und dürfen nicht allzu giftige Eigenschaften besitzen. Verbindungen die an Kohlenstoff und Wasser reich, an Sauerstoff aber arm sind, ernähren nicht, weil sie ganz unlös-. lich oder doch schwer löslich sind. Die allzu sauren oder alkalischen Eigen- schaften der Nährlösungen stumpft man durch (unorganische) Basen oder Säuren ab. Doch dürfen die Lösungen von nährenden Kohlenstoffverbindungen ziemlich alkalisch sein. Die Spaltpilze entnehmen auch aus denjenigen Kohlenstoffver- bindungen, welche in concentrirterem Zustande giftig wirken, wie Alkohol, Essig- säuf®, Carbolsäure, Salicylsäure etc. nach hinreichender Verdünnung ihren Kohlen- stoffbedarf. — Trotz ihrer nahen chemischen Verwandtschaft mit nährenden Sub- stanzen können Kohlensäure, Cyan, Harnstoff, Ameisensäure, Oxalsäure und Oxa- mid nicht als Kohlenstoffquellen für Spaltpilze dienen. Die verschiedenen Kohlenstoffverbindungen sind nicht alle gleich ernährungs- tüchtig, vielmehr zeigt sich in diesem Punkte eine grosse Verschiedenheit. Nach dem Grade ihres Nährwerthes ordnet NÄceELı die Kohlenstoffquellen in folgende (nur bedingte Gültigkeit beanspruchende) Reihe: !) Vergl. NÄGELI, Untersuchungen über niedere Pilze: Ernährung der niederen Pilze durch Kohlenstoff- und Stickstoffverbindungen. CoHn, Beiträge zur Biologie, Bd. I. Heft II, pag. 191; Ernährung der Bacterien. PASTEUR, Abhandlung über die Alkoholgährung (Ann. de Chim. et Phys. LVII (1858), Deutsch von VICTOR GRIESMAYER. Augsburg 1871. Abschnitt II. Physiologie. I. Ernährung der Spaltpilze. 25 1. Die Zuckerarten. 2. Mannit; Glycerin, die Kohlenstoffgruppe im Leucin. 3. Weinsäure; Citronensäure; Bernsteinsäure; die Kohlenstoffgruppe im As- paragin. 4. Essigsäure; Aethylalkohol; Chinasäure. 5. Benzo&säure; Salicylsäure; die Kohlenstoffgruppe im Propylamin. 6. Die Kohlenstoffgruppe im Methylamin; Phenol (die günstigen Wirkungen der Gährthätigkeit der Zellen und die ungünstigen der Giftigkeit der Verbindungen sind hierbei ausgeschlossen gedacht). Was ferner den Stickstoff betrifft, so kann derselbe aus allen Verbindungen angeeignet werden, die man als Amide oder Amine bezeichnet (Acetamid, Methylamin, Aethylamin, Propylamin, Asparagin, Leucin, Oxamid, Harnstoff); ferner die Ammoniaksalze (weinsaures, milchsaures, essigsaures, bernsteinsaures, salicylsaures, phosphorsaures Ammoniak etc.) und z. Th. auch salpetersaure Salze (z. B. salpetersaures Kali). Freier Stickstoff aber kann als solcher nicht assimilirt werden, ebenso wenig der Stickstoff des Cyans und anderer Verbindungen, in denen er als Cyan ent- halten ist. Am leichtesten wird der Stickstoff assimilirt, wenn er als NH, vor- handen ist. Besonders gut ernähren die Albuminate (Eiweissstoffe) doch müssen dieselben erst in eine diosmirende Form, in Peptone umgewandelt werden, was durch ein von den Spaltpilzzellen ausgeschiedenes Ferment (peptonisirendes Ferment) bewirkt wird. Die Spaltpilze vermögen (im Vergleich zu Schimmel- und Sprosspilzen) sehr energisch zu peptonisiren, doch müssen die Lösungen neutral oder alkalisch sein. So wie die Kohlenstoff- und Stickstoffquellen für sich assimilationsfähig sind, so sind sie es auch, wenn man sie combinirt verwendet. Auch hier lässt sich etwa folgende von besser zu schlechter nährenden Substanzen fortschreitende Reihe aufstellen.t) ı. Eiweiss (Pepton) und Zucker, . Leucin und Zucker, weinsaures Ammoniak oder Salmiak und Zucker, Eiweiss (Pepton), Leucin, weinsaures Ammoniak, bernsteinsaures Ammoniak, Asparagin, essigsaures Ammoniak. Combinirte Stickstoff- und Kohlenstoffquellen sind aber nicht für jeden Spalt- pilz assimilationsfähig. So kann nach Buchner der Milzbrandpilz nur durok. Ei- weiss und Eiweisspeptone ernährt werden, während die als Heupilz bekannte Varietät desselben auch in Lösungen von Asparagin und Leucin etc. gedeiht. anzu» SI 2. Ernährung durch Mineralstoffe.) Ausser den organischen Substanzen bedürfen die Spaltpilze wie die übrigen Pflanzen zu ihrer Ernährung anorganischer Verbindungen (Mineralsubstanzen) indessen in nur geringen Mengen. Sie können mit 4 Elementen auskommen: 1) Es sind hier wieder nur diejenigen Stoffe berücksichtigt, welche in grösserer Menge löslich sind, ohne giftig zu wirken, und ferner die Assimilation ohne Gährthätigkeit. 2) NÄGELI, Untersuchungen über niedere Pilze, pag. 52. — CoHNn, Untersuchungen über Bacterien in Beitr. z. Biol. Bd. I. Heft II: Ueber die Ernährung der Bacterien, pag. 191. 26 Die Spaltpilze. ı. Schwefel, 2. Phosphor, 3. einem der Elemente: Kalium, Rubidium oder Caesium, 4. einem der Elemente: Calcium, Magnesium, Baryum oder Strontium (während die höheren Pflanzen Calcium und Magnesium zugleich und ausserdem noch Chlor, Eisen und Silicium bedürfen). Was den Schwefel anbetrifft, so ist er nach NäÄcerı als Bestandtheil der Eiweissstoffe den Spaltpilzzellen unentbehrlich. Entnommen wird er aus den Verbindungen der Schwefelsäure, der schwefligen und unterschwefligen Säure. Manche Spaltpilze (Beggiatoen) speichern, wie bereits erwähnt, Schwefel in grossen Massen, in Form von kleineren oder grösseren Körnchen in den Zellen auf. Man wendet die Mineralsubstanzen in zweierlei Form an, entweder als Asche (von Hafer, Erbsen, Weizenkörnern, Tabak, Holz etc.) oder als Salzlösungen. Da aber die Asche sich oft langsam löst, so sind die Mineralsalze für die Be- reitung der Nährflüssigkeit vorzuziehen. Am zweckmässigsten bedient man sich nach NäÄceuı für Spaltpilzculturen folgender Mischung von Mineralsalzen: Dikaliumphosphat (K,HPO,) 0,1035 Grm. Magnesiumsulfat (MgSO,) OL Kaliumsulfat (K,SO,) 801 I. Chlorcaleium (CaCl,) 0,0055 , auf 100 Ccm. Wasser und ı Grm. weinsaures Ammoniak.!) oder Dikaliumphosphat (K,HPO,) o,ı Grm. Magnesiumsulfat (MgSO,) 9,024 Chlorcalcium (CaCl2) 90T}; auf 100 Ccm. Wasser und ı Grm. weinsaures Ammoniak. Ist saure Reaction zulässig, so kann man statt Dikaliumphosphat das saure Phosphat (KH,PO,) verwenden. Ist die Nährflüssigkeit Fleischextrakt, so brauchen Mineralstoffe nicht be- sonders zugesetzt werden, da sie bereits darin enthalten sind.) Bei Anwendung von besseren kohlenstoff- und stickstoffhaltigen Nährsub- stanzen erscheint es zweckmässig, die Mineralstoffe zu vermehren. Darum sind nach NÄGELI noch folgende Normalnährflüssigkeiten zu empfehlen: K,HPO, 0,2 Grm. MgSO, 0,04 , CaCl, 0,02 4 auf 100 Cem. Wasser und ı Grm. Eiweisspepton (oder lösliches Eiweiss). oder auf ıoo Ccm. Wasser, 3 Grm. Rohrzucker und ı Grm. weinsaures Ammoniak.?) 7 Für manche Spaltpilze werden die beiden letztgenannten Normallösungen mit Vortheil in ihrer Concentration noch erhöht, für andere dagegen, besonders solche, die den lebenden Thierkörper bewohnen, empfiehlt es sich, die Lösung noch verdünnter zu halten (die in 100 Wasser enthaltenen Gewichtsmengen auf !) Das weinsaure Ammoniak kann durch gleiche Mengen von essigsaurem oder milchsaurem, citronensaurem, bernsteinsaurem Ammoniak etc. oder von Asparagin, Leucin u. s. w. ersetzt werden. g ?2) ı Grm. Fleischextrakt enthält im Mittel 0,2 Grm. Aschenbestandtheile. 3) Statt 1 Grm. weinsaurem Ammoniak kann die gleiche Menge eines anderen Ammoniak- salzes oder 0,5 Grm. salpetersaures Ammoniak oder 0,7 Asparagin oder 0,4 Harnstoff verwendet werden. Be ur Zu) m £ E a - Abschnitt II. Physiologie. I. Ernährung der Spaltpilze. 29 3 oder 4 herabzusetzen. Die letztgenannten Nährflüssigkeiten sind nämlich äqui- valent der Normallösung von 19 Lizsıc’schem Fleischextrakt, diese aber erweist sich für die in Rede stehenden Spaltpilze weniger günstig als eine 0,59 Lösung. Die Conn’sche »normale Bacterienflüssigkeit« Saures phosphorsaures Kali (KH,PO,) o,1ı Grm. Dreibasisch phosphorsaurer Kalk (Ca,P,O,;) 0,01 „, Schwefelsaure Magnesia (MgSO,) 0 auf 100 Ccm. Wasser und ı Grm. weinsaures Ammoniak (aus der Maver’schen Lösung durch Weglassung der ı5 Grm. Zucker entstanden), ist für Spaltpilzculturen nach NÄGELI wenig zu empfehlen. Für manche Spaltpilze ist die Auswahl von Nährstoffen eine grössere, für andere eine geringere. Zu solchen wählerischen Spaltpilzen gehört nach BuUCHNER der Heupilz. Während Fleischextraktlösung oder Heuaufguss immer ein sehr rasches Wachsthum dieser Pilze ermöglichen, wirken einfachere Verbindungen, z. B. weinsaures Ammoniak, nicht oder nur in äusserst geringem Grade ernährend. Solche wählerische Spaltpilze werden natürlich in der Concurrenz mit minder wählerischen eine Benachtheiligung erfahren. 3. Einfluss der Ernährungsweise auf die Formausbildung.!) Eines der Hauptergebnisse der neueren Spaltpilzforschung ist dies, dass verschiedene Ernährungsbedingungen im Allgemeinen modificirend auf Form und Dimensionen der Spaltpilze einwirken. So bildet nach BucHNner?) der Heupilz (Bacterium subtile), wenn er in 58, schwach alkalischem Fleischextrakt cultivirt wird, dünne, nur 0,5 p im Durch- messer haltende Fäden mit längeren 6—ıo p. messenden Stäbchen; in einer neu- tralen Lösung von 0,1% Fleischextrakt mit 59 Zucker etwas dickere, 0,8 „u im Durchmesser haltende Fäden mit kürzeren, 4—6 p messenden Stäbchen; in Heu- aufguss (Heu mit vorwiegend holzigen Stengeltheilen) viel dickere, 1,0 p im Durchmesser haltende Fäden mit längeren, im Minimum ı2 p. messenden Stäb- chen u. s. w. Selbst die Sporenform kann durch Veränderung des Nährsub- strates modificirt werden. Wie BUCHNER für den Milzbrandpilz zeigte, kommen bei Cultur desselben in Eigelb- und Fleischextraktlösungen mit Alkalizusatz ausser- ordentlich lange, stäbchenförmige Sporen zur Production, während die in Fleisch- extraktlösungen erzeugten ellipsoidisch erscheinen. Viel auffallender sind die Formwandlungen nach den Nährbedingungen bei den höchst entwickelten Spalt- pilzen (Beggiatoen, Cladothrix.) Nach meinen eigenen Beobachtungen?) bildet Beggiatoa roseo-persicina lang- fädige Zustände nur in an organischen Stoffen sehr reichen Medien. In solchen dagegen, die arm an organischer Substanz sind, werden in grossen Mengen Coccen- resp. Stäbchen- als Zoogloeenform erzeugt. Aehnliches gilt für 2. alda. In Schlammaufgüssen erhält man gewöhnlich nur gewöhnliche Fäden, in Algen- infusionen dagegen treten Ophidomonasartige Schrauben auf. Aus der Einsicht, dass die Spaltpilze nach dem Substrat wandelbar in ihren Formen sind, folgt natürlich, dass man, um den Formenkreis eines Spaltpilzes I) NÄGELI, Niedere Pilze. Derselbe, Untersuchungen über niedere Pilze. Vergl. auch die Buchner’schen Abhandlungen daselbst. 2) Beiträge z. Morphologie d. Spaltpilze, in NÄGekLı: Untersuch. üb. nied. Pilze. pag. 21o, 3) Zur Morphologie der Spaltpflanzen; Beggiatoa alba. 283 Die Spaltpilze. a ge oosssonnnnomcaam b PER Onosaoaonooonon j (B. 300.) Fig. 13. 4000:1. Der Heupilz unter verschiedenen Ernährungsbe- dingungen. ı. In 59 schwach alkalischem Fleischextrakt. Fäden dünn, langgliederig. a) frisch, b) mit Jod behandelt. 2. In einer neutralen Lösung von 0,1% Fleischextrakt mit 5% Zucker. Fäden dicker, Glieder kürzer als bei I; a) frisch, b) mit Jod behandelt, Kurzstäbchen und Coccen zeigend; 3. In Heuaufguss, Fäden sehr dick und langgliederig, a) frisch, b) mit Jod behandelt (nach BUCHNER). festzustellen, denselben un- ter möglichst verschiedenen Bedingungen zu kultiviren hat, eine Aufgabe, die eben nicht leicht zu lösen ist. Auch auf die Ausbil- dung der Cilien scheint die Ernährungsart von Ein- fluss zu sein. Der Heupilz z. B. schreitet nach BUCHNER niemals zur Schwärmerstufe vor, wenn er in mit Mineral- salzen versehener ı$ Aspa- raginlösung bei 25° C. cul- tivirt wird, während er, im Heuaufguss bei derselben Temperatur gezüchtet, im- mer diebekanntenStäbchen- schwärmer hervorbringt. 4. Einfluss der Ernäh- rungsweise auf die physiologischen Eigen- schaften. Auch auf die physio- logischen Eigenschaften ist die Ernährungsweise bei allen Spaltpilzen von einem gewissen, meistens bedeut- samen Einfluss. Das aus- gezeichnetste Beispiel bietet der Milzbrandpilz, dessen infectiöse Eigenschaftenman nach BUCHNER durch Zücht- ung in gewissen Nähr- lösungen völlig verschwin- den machen kann und der Heupilz, dem sich in -be- sonderen Nährlösungen in- fectiöse Eigenschaften an- züchten lassen. Manche der chromogenen Spaltpilze bilden nur unter gewissen Nährverhält- nissen Farbstoffe, unter anderen nicht: Il. Wirkungen der Spaltpilze auf das Substrat. Die Wirkungen der Spaltpilze auf ihre Nährböden bestehen im Allgemeinen darin, dass mehr oder minder complicirte chemische Verbindungen, insbesondere organische, eine Zerlegung erfahren in einfachere Verbindungen. Je nach der Natur der Spaltpilze und je nach der Beschaffenheit des Sub- Abschnitt II. Physiologie. II. Wirkungen der Spaltpilze auf das Substrat. 29 strates erleidet jener Prozess gewisse Modificationen und zeigt daher eine gewisse Mannigfaltigkeit. Vor allen Dingen wohnt den Spaltpilzen die Fähigkeit inne, den hochwichtigen Prozess zu erregen den man als Fäulniss im eigentlichen Sinne bezeichnet (Fäulnisspilze, saprogene Spaltpilze). Letztere besteht darin, dass die im todten oder lebenden Thier- und Pflanzenkörper sich findenden complicirten stickstoffhaltigen Verbindungen (Proteinkörper) zersetzt werden.!) Sie macht sich fast immer durch höchst widerliche Gerüche (Leichen, faule Eier etc.) be- merkbar; doch giebt es der Fäulniss analoge Zersetzungsformen, bei denen kein besonders eigenthümlicher, widriger, sondern nur ein rein ammoniakalischer Geruch hervortritt. Dahin gehört diejenige Fäulnissart, welche durch Heu- oder Milzbrand- bacterien hervorgerufen wird. Sowohl bei der eigentlichen Fäulniss als bei der letzterwähnten Fäulnissform bilden sich Stoffe, die auf den Thier- und Menschenkörper als chemische Gifte wirken, in ähnlicher Weise wie das putride Gift. Die durch die Fäulniss gebildeten Fettsäuren, sowie gewisse Amidosäuren werden schliesslich durch bestimmte andere Formen von Spaltpilzen zu Kohlen- säure, Wasser und Ammoniak verbrannt, und so die complicirten Verbindungen der Eiweissstoffe schliesslich in die einfachsten umgewandelt. Eine andere bemerkenswerthe Fähigkeit gewisser Spaltpilze liegt darin, dass sie als Erreger s&hr versehiedener Gährungformen fungiren: 1. Sie bewirken Milchsäuregährung, indem sie die Zuckerarten (wie Traubenzucker, Milchzucker) überführen in Milchsäure.?) (Milchsäure- pilz). Hierauf beruht ı. das den Hausfrauen nur zu wohl bekannte Sauerwerden der Gemüse, Compots etc., überhaupt aller der Speisen, welche, wenn auch nur in äusserst minimalen Quantitäten, Zucker enthalten, was, wie bekannt, bei allen vegetabilischen Nahrungsmitteln der Fall ist. 2. das Sauerwerden der Milch, die bekanntlich 3—6$% Milchzucker enthält. 3. die Bildung von Sauerteig. 4. das Sauerwerden des Bieres (sofern es nicht durch Essiggährung hervorgerufen wird.) 5. das Sauerwerden der Gurken etc. Auch im menschlichen Körper kann aus dem von vegetabilischer Nahrung her stammenden Zucker durch Spaltpilze Milchsäure erzeugt werden, so z. B. im Magen, namentlich wenn sein Inhalt in Folge krankhafter Affection nuf wenig sauer oder neutral reagirt und so die Vegetation jener Organismen begünstigt. 2. Sie rufen Buttersäuregährung hervor, indem sie aus Glycerin, Mannit, Dextrin, Milchzucker, Stärke etc. Buttersäure bilden.?) (Buttersäure- pilz = Clostridium butyricum). Ein derartiger Process vollzieht sich z. B. in der sauren Milch, wobei diese ranzigen Geschmack annimmt, sowie bei dem Reifen des Käses, des Sauerkohls und der sauren Gurken. Diese Nahrungsmittel, I) Literatur: CoHN, Untersuchungen über Bacterien in Beitr. z. Biol. Bd. I. Heft II., pag. 202: Ueber die Fermentwirkungen der Bacterien. — NENCKI, Ueber den chemischen Mechanismus der Fäulniss; Journ. f. pract. Chemie. Neue Folge, Bd. 17, 124. — Beiträge z. Biologie der Spaltpilze; ebenda, Bd. ı9 und 20. — NÄGELI, Die niederen Pilze. — BUCHNER, Ueber die experimentelle Erzeugung des Milzbrandcontagiums aus den Heupilzen; in NÄGELI, Untersuchungen über niedere Pilze, pag. 141. 2) Doch wird hierbei nicht aller Zucker in Milchsäure umgesetzt; ein geringes Quantum erfährt eine andere Zersetzung, wie die Entwicklung von Kohlensäure beweist. 3) Nach NENncKI findet auch bei der Fäulniss der Proteinsubstanzen bei Luftabschluss Buttersäurebildung statt. 30 Die Spaltpilze. anfangs durch Milchsäure rein sauer, gewinnen in Folge der Buttersäurebildung den bekannten eigenthümlichen Beigeschmack. 3. Sie sind fähig Essiggährung hervorzurufen und zwar dadurch, dass sie Alkohol zu Essigsäure oxydiren (Essigpilz, Dacterium (Mycoderma) aceti). Es geschieht dies an der Oberfläche alkoholischer Flüssigkeiten (Bier, Wein, ge- gohrenen Fruchtsäften) wo sie eine Kahmhaut (Essigmutter) bilden. Auf diesen Gährungsprocess gründet sich die Schnellessigfabrikation, wie sie in Frankreich betrieben wird. (Den kahmhautbildenden Sprosspilzen wird von manchen Seiten irrthümlicher Weise gleichfalls Essiggährung zugeschrieben. Sie kommen häufig in Gemeinschaft mit dem Essiggährungs-Spaltpilze vor.) Nach NEnckI entsteht Essigsäure auch als Nebenprodukt bei der Fäulniss der Proteinsubstanzen bei Luftabschluss. 4. Sie erregen die schleimige Gährung (Gummi- oder Mannit- Gährung) indem sie Zucker in Gummi oder Mannit überführen (Pilz der schleimigen Gährung). Dieser Process spielt sich sowohl in ungegohrenen als in gegohrenen Getränken (Zuckerwasser, Zuckerrübensaft, Wein, Bier etc.) ab und bewirkt, dass die Flüssigkeiten schleimig, fadenziehend werden. Daher auch der Name »langer« Wein, »langes« Bier. Bisweilen tritt die Gummibildung so intensiv auf, dass die Flüssigkeit selbst aus der umgekehrten Flasche nicht herausfliesst. Wein- und Bierfabrikanten können durch den Process der Mannit- gährung unter Umständen empfindliche Verluste zugefügt werden. 5. Gewisse Formen bewirken nach PAsTEuUR und van TIEGHEM die Ammoniakgährung, wobei der Harnstoff des Urins in kohlensaures Ammoniak umgewandelt wird!) (Ascococcus Billrothü). Auch die dem Harnstoff verwandte Hippursäure kann nach van TIEGHEM durch Spaltpilze eine Zerlegung erfahren in Benzo&säure und Glycocoll. 6. Eine Reihe von Spaltpilzen (chromogene Spaltpilze oder Pigmentbac- terien) bewirkt die sogenannten Farbstoffgährungen (Pigmentgährungen).?) Hierbei entstehen nämlich meist intensiv roth, gelb, grün, blau, violett, braun etc. erscheinende Pigmente. Nach NÄGELI gehören einige der Membran an, andere aber ohne Zweifel dem Inhalte, noch andere sind, wie es scheint, nicht an die Zellen gebunden. Ob die ersteren intracellulär entstehen und nachher durch die Membran durchgeschwitzt werden, oder ob sie ausserhalb der Spaltpilzzellen, durch deren Wirkung auf das Substrat entstehen, und dann erst den Zellen eingelagert werden, wurde bisher noch nicht sicher entschieden. Solche farbstofferzeugenden (chro- mogenen) Spaltpilzformen treten namentlich auf gekochten stärkemehlhaltigen Substraten (Kartoffelscheiben, Weissbrod, Hostien, Reis, Rüben), wenn diese feucht gehalten werden, auf eiweisshaltigen Körpern (gekochten Eiern) auf Ex- crementen der Säugethiere (Kaninchenkoth), auf Schlamm, sowie in der Milch blaue, rothe, gelbe Milch) in Nährlösungen, die mit Ammoniak-Salzen, mit Asparagin oder mit Harnstoff angestellt werden, u. s. w. auf. Interessant ist die Thatsache, dass die Pigment-Spaltpilze in den einen Substraten Farb- I) CoHn, Beiträge z. Biol. Bd. I., Heft III, pag. 145. 2) Literatur: SCHRÖTER, Ueber einige von Bacterien gebildete Pigmente, in Comm, Beitr. z. Biol. Bd. I., Heft II., — CoHn, Untersuchungen über Bacterien, Beitr. z. Biol. Bd. I., Heft IL, pag. 206 ff. — Näceuı, Die niederen Pilze in ihren Beziehungen zu den Infectionskrankheiten, pag. 9. Derselbe, Untersuchungen über niedere Pilze, pag. 20. — NEELSEn, Studien über die blaue Milch. Beitr. z. Biol. Bd. 1I., Heft I. — GEssArRD, De la pyocyanine et son microbe (Miecrococcus pyoeyaneus). EN Abschnitt II. Physiologie. II. Wirkungen der Spaltpilze auf das Substrat. 31 stoffe bilden, in anderen dagegen nicht, auch wenn sie sich hier reichlich vermehren. Ein Beispiel bietet der Pilz der blauen Milch, der in Glycerin, Gummilösung, Zuckerlösung etc. niemals Blaufärbung bewirkt, trotzdem er da- selbst üppig gedeiht. In ihrem chemischen und spectroscopischen Verhalten zeigen einige dieser Farbstoffe eine gewisse Verwandschaft mit Anilinfarben. Wie Fırz!) zuerst fand und BuCHNER?) bestätigte, vermag die im Heuaufguss vorkommende Glycerin-Aethylbacterie das Glycerin zu Aethyl-Alkohol zu vergähren; eine andere, gleichfalls im Heuaufguss sich findende Bacterie vergährt das Glycerin zu Butylalkohol. Nach neueren Beobachtungen soll es ferner feststehen, dass gewisse Spaltpilze, ähnlich den Sprosspilzen, gewöhnlichen Alkohol bilden können. Bei den Spaltpilzgährungen (Mannit-, Milchsäure-, Buttersäuregährung) wird übrigens in grösseren Mengen Kohlensäure entwickelt. Bei Anwendung von Weinsäure als Nährgut wird nach PAsTEUR von den Spaltpilzen (wie auch von den Spross- und Schimmelpilzen) die rechts drehende Modification aufgenommen, während die links drehende in der Flüssigkeit zurück- bleibt. Die so bedeutsame Frage, ob ein und derselbe Spaltpilz im Stande sei, unter verschiedenen Ernährungsbedingungen als Erreger so ganz heterogener Zersetzungsformen wie Gährung und Fäulniss zu fungiren, harrt zur Zeit noch ihrer vollen Lösung. Indessen wird sie voraussichtlich für manche Spaltpilze im negativen Sinne gelöst werden. Wenigstens steht für den Heupilz (Bacterium subtile) fest, dass er zwar Eiweisssubstanzen zersetzen, nicht aber auch Gährung bewirken kann. Gährung und Fäulniss pflegt man auch hin und wieder unter dem gemeinsamen Begriff »Hefenwirkungen« zusammenzufassen und die diese Processe hervorrufenden Spaltpilze dann als »Spalthefe« zu bezeichnen. Früher hegte man mit 'TRAUBE und HopPpE-SEILER die Ansicht, die Gähr- und Fäulniss-Wirkungen der Spaltpilze wie der Sprosspilze seien zurückzuführen auf einen besonderen in den Spaltpilzzellen vorhandenen Stoff (ein »Ferment«), der auf das Gähr- und Fäulnissmaterial zersetzend wirke. So sprach man von einem Milch- säure-, einem Buttersäure-, einem Harngährungs-, einem Essig-Ferment etc. (Ferment- theorie). Nach NÄGELIs Untersuchungen und kritischen Betrachtungen aber verhält sich die Sache durchaus anders. In seiner wichtigen Theorie der Gährung führt jener Forscher aus, dass die Gährung (im weitesten Sinne) bewirkt wird, indem die Bewegungszustände (Schwingungen) der Moleküle, Atom- gruppen und Atome der verschiedenen, das Plasma zusammensetzen- den Verbindungen übertragen werden auf das Gährmaterial, wodurch das Gleichgewicht in dessen Molekülen gestört und dieselben zum Zerfallen gebracht werden. (Molekularphysiologische Theorie.) Von Seiten der Fäulnissspaltpilze gelangen zwar wirklich Fermente (Enzyme) zur Aus- scheidung, welche coagulirtes Albumin lösen, und für den im Rübensaft der Zuckerfabriken sich entwickelnden Froschlaichpilz (Zeuconostoc mesenterioides) wurde ‘gleichfalls festgestellt, dass er ein Ferment (Invertin) abscheidet, welches den Rohrzucker in Traubenzucker umwandelt (invertirt). Manche Spaltpilze scheiden ein Ferment ab, welche Cellulose löst; manche 1) Fırz, Ueber Schizomyceten-Gährungen II. Bericht der deutschen chem. Gesellschaft. Bd. 9 (1878), pag. 49. — BUCHNER, Zur Morphologie der Spaltpilze in NÄGELI’s Untersuchungen über niedere Pilze, pag. 220. ?) NÄGELI, Theorie der Gährung. Ein Beitrag zur Molecularphysiologie. München 1879, 32 Die Spaltpilze. ein Ferment, welches Stärke löst (z. B. der Buttersäurepilz).!) Allein diese Fermentbildung hat mit der Zersetzung des Nährmaterials, wie sie bei der Gährung und Fäulniss bewirkt wird, nichts zu thun. Sie hat bloss die Auf- gabe, das Nährmaterial zu einem wirklichen, d. h. diosmirfähigen Nährmaterial zu machen, also für den Zersetzungsprocess durch die Spaltpilzzellen vorzubereiten. Gährung und Fäulniss gehen nach NÄGeri theils innerhalb der Spaltpilz- zellen, theils ausserhalb derselben vor sich, in deren nächster Umgebung. Die Frage, an welche Entwicklungsformen die Fäulniss- und Gährungserscheinungen der Spaltpilze geknüpft sind, lässt sich wenigstens allgemein dahin beantworten, dass fast ausnahmslos die Schwärm- zustände, sei es der Micrococcen, sei es der Stäbchen-, Vibrio- oder Spirillen- form die fermentativ wirksamsten sind. Daher wird man überall da, wo Gährungs- oder Fäulnissprocesse sich im Stadium besonderer Intensität befinden, fast stets die eine oder die andere jener Formen in Menge schwärmend antreffen. Eine Ausnahme von dieser Regel bildet vielleicht die Essiggährung, bei der, wie es scheint, meist ruhende Formen (Micrococcen, Stäbchen- und Fadenformen) wirk- sam sind. Der Milzbrandpilz bildet, auch im Stadium intensivster Zersetzungs- wirkung, niemals Schwärmzustände. Wie PFLÜGER?) nachwies, rufen gewisse Spaltpilze im Fleische der Seefische Zersetzungserscheinungen hervor, welche insofern von besonderem Interesse sind, als sie Phosphorescenz-Erscheinungen bedingen. Das Phänomen ist bekanntlich an faulenden Seefischen, namentlich an Schellfischen häufig zu beobachten, wo die leuchtenden Flecke meist an der Bauchseite und am Auge auftreten. Auch am Fleisch unserer Schlachtthiere rufen, wie NÜESCH zeigte, Micrococcen (»nebst hefeartig ver- grösserten Zellen«)dienämliche Erscheinung hervor. Dass sie wirklich aufder Wirkung von Spaltpilzen beruht, lehrten die Uebertragungsversuche auf frisches Fleisch.?) (Vielleicht ist die »Oscillaria«, die MEvENn?) im atlantischen Ocean in grosser Menge phosphorescirend fand, auch ein Spaltpilz und zwar eine Beggiatoa.) Die Zersetzung organischer Verbindungen ist jedoch nicht die einzige Wirkung der Spaltpilze: Man hat nachgewiesen, dass sie selbst anorganische Verbindungen zu zersetzen im Stande sind. Eine derartige Fähigkeit kommt z. B. den Beggiatoen zu. Bei ihrer Vegetation in schwefelhaltigen Wässern (besonders Fabrikwässern und Schwefelthermen) zerlegen sie anorganische Schwefel- Verbindungen, insbesondere schwefelsaures Natron, und bedingen dadurch die Entwicklung von Schwefelwasserstoff.°) Bei allen den genannten Zersetzungsprocessen erfolgt früher oder später die Bildung von Stoffen, welche die Zersetzungstüchtigkeit und Ver- mehrungsfähigkeit der betreffenden Spaltpilze zuerst vermindern und dann gänzlich aufheben, also wie Gifte wirken. Dieser Satz gilt so- I) Vergl. auch ADOLF MAVvER, Die Lehre von den chemischen Fermenten oder Enzymo- logie. Heidelberg 1832. 2?) Archiv 1875. 3) Man vergl. auch Lupwiıc, Pilzwirkung (Programm des Gymnasiums zu Greiz 1882.) Nach Mittheilungen Lupwig’s können die bei Fischen Phosphorescenz hervorbringenden Spaltpilze auch Phosphorescenz des Fleisches anderer Thiere bewirken. 4) Reise um die Erde. I, pag. 55. 5) Vergl. CoHn, Untersuchungen über Bacterien (Beiträge zur Biologie. Bd. I. Heft II. pag. 173.) 2 da 7 Zu Abschnitt II. Pissrolpeie: II. Verhalten gegen Temperaturen. 33 wohl für die Fäulniss, wie für die Gährung und die Zerlegung anorganischer Ver bindungen. So erzeugen z. B. die Fäulniss erregenden Formen Phenol, Indol, Scatol, Kresol, Phenylessigsäure, Phenylpropionsäure etc.; alle diese Körper ver- hindern schliesslich auch die Weiterentwicklung jener Formen. Ebenso wird die Vegetation des Essig-, Milchsäure-, Buttersäurepilzes etc. schliesslich durch Bildung von Essigsäure, resp. Milchsäure, Buttersäure u. s. w. gehemmt.!) Es ist daher von Wichtigkeit, der Anhäufung von Zersetzungsproducten in den Culturen vorzubeugen. In der Regel hat die Spaltpilzvegetation Säurebildung zur Folge. Aus- nahmen hiervon wurden von PASTEUR für den Harnpilz (Micrococceus ureae) von SCHRÖTER, CoHN und Näceni für Ascococcus Billrothii sowie für Pilze der Pigment- gährungen constatirt, welche die ursprünglich saure Reaction des Substrats in eine alkalische umwandeln infolge der Entwicklung von Ammoniak. Mit der Säurebildung durch Spaitpilze einerseits und der Abneigung gegen Säure andererseits steht in causalem Zusammenhang ein gewisses Successions- verhältniss in der Spaltpilz-, Sprosspilz und Schimmelpilzvegetation. In neutraler oder sehr schwach alkalischer, Kohlehydrate oder Eiweiss enthaltender Nährlösung werden in der Regel zunächst die Spaltpilze zur Herrschaft gelangen. Erst später kommen die Sprosspilze und schliesslich die Schimmelpilze zur Geltung. In säurehaltiger Nährflüssigkeit aber ist die Folge gewöhnlich eine andere. In Fruchtsäften, wie Most, verdünntem Pflaumendecoct etc., treten in der Regel zunächst Sprosspilze auf, welche Weingeist bilden, dann kahmhautbildende Spaltpilze, welche den Alkohol zu Essigsäure oxydiren, dann Sprosspilze der Kahmhaut, welche die Säure aufzehren und endlich Schimmelpilze. Es folgen hier also 4 Stadien der Pilzbildung aufeinander. | Ist das Nährsubstrat besonders säurereich, oder zu concentrirt, als dass sich Spross- oder Spaltpilze entwickeln könnten, so gelangen zunächst nur Schimmelpilze zur Entwicklung und erst später treten Sprosspilze und schliesslich Spaltpilze auf. II. Verhalten gegen Temperaturen.”) Wie bei den übrigen Pflanzen wirkt auch bei Spaltpilzen eine Erhöhung der Temperatur im Allgemeinen begünstigend, ein Sinken derselben retar- dirend auf die Lebensprocesse. Im Ganzen und Grossen darf man sagen, dass sich die Temperatur des menschlichen Körpers für die Spaltpilzentwickrung nahe- zu am günstigsten erweist. Wachsthum und Vermehrung schreiten vor, bis ein Maximum der Tempera- I) WERNICH, Die aromatischen Fäulnissproducte in ihrer Einwirkung auf Spalt- und Spross- pilze. VircHow’s Archiv. Bd. 78 (1879), pag. 51. — 2) CoHN, Untersuchungen über Bacterien in Beitr. z. Biol. Bd. I., Heft II., pag. 213: Verhalten der Bacterien zu extremen Temperaturen. — Eıpam, Einwirkung verschiedener Temperaturen und des Eintrocknens auf die Entwicklung von Bacterium Termo, in CoHn, Beiträge z. Biol. Bd. I, Heft II. Frisch, Ueber den Einfluss niederer Temperaturen auf die Lebensfähigkeit der Bacterien. Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wissensch. in Wien. Bd. 75 u. Bd. 80 (auch in den medicin. Jahrbüchern. 1879. II. u. IV.). NÄGELI, die niederen Pilze, pag. 30. DELBRÜCK, Säuerung des Hefenguts (Zeitschrift für Spiritusindustrie 1881). BREFELD, Bacillus subtilis (Schimmelpilze, Heft IV.) BucHNEr, Desinfection von Kleidern und Effecten, an denen Milzbrandcontagium haftet (in NÄGELI, Untersuchungen über niedere Pilze, pag. 225). ScHENK, Handbuch der Botanik. Bd. III. 3 34 Die Spaltpilze. tur erreicht ist und werden schon bei geringer Ueberschreitung desselben sistirt. Dieses Maximum liegt, wie auch NÄGELI besonders betont, für jeden Spalt pilz und für jede Function (bei übrigens gleichen Bedingungen) bei einem anderen Temperaturgrad.!) Sie schwankt ferner bei demselben Pilz und derselben Function je nach der chemischen Zusammensetzung, der Consistenz und sonstigen Be- schaffenheit des Substrats, nach dem Mangel oder der Anwesenheit von Sauer- stoff etc.2) Geht die Temperatur weiter und weiter über das Maximum hinaus, so werden die Lebensvorgänge schwächer und schwächer und erlöschen sodann (Wärmestarre); endlich werden die vegetativen Zellen gänzlich abgetödtet, und zwar im feuchten Zustande schneller als im trocknen. Aus dem Zustande der Wärmestarre unter günstige Ernährungsbedingungen versetzt, erwachen sie wieder zu neuem Leben, und die vegetativen Zustände des Milzbrandpilzes behalten nach Buchner in neutralen oder schwach alkalischen Lösungen von 0,5$ Fleischextrakt selbst bei 75—80° C. in der Dauer von ı$ St. gehalten noch immer ihre infectiösen Eigenschaften. Bei 90° C. wurden sie je- doch nach kurzer Einwirkung getödtet. Mit dem Sinken der Temperatur werden die Lebensvorgänge gleichfalls all- mählich schwächer und hören zuletzt auf (Kältestarre).”) Bei Dart. Termo tritt nach Eıpam die Kältestarre bei gewisser Ernährung von + 5° C. abwärts ein Nach HorvarnH kann die genannte Spaltpilzform bis — ı8°C. ertragen. Einge- frorene Spirillen begannen bei allmählicher Steigerung der Temperatur wieder ihre charakteristische Bewegungen anzunehmen. Nach eigenen Versuchen ver- tragen mit Gallertscheiden versehene Crenothrix-Fäden eine mehrwöchentliche Temperatur von — 8°R. gleichfalls ohne Schaden. Aehnliches gilt für den Pilz der blauen Milch (Dacierium cyanogenum) "nach Fuchs und HAUBNER. Ja nach Frisch halten manche Spaltpilze selbst eine kurz dauernde Abkühlung bis auf — ıro°C. aus! Veränderungen der Temperatur können bei manchen Spaltpilzen wesentliche Veränderungen in den physiologischen Eigenschaften bewirken. Als Beispiel möge der Milzbrandpilz dienen. Cultivirt man ihn nach BUCHNER in Fleischextrakt bei 25° C., so bleibt bei beliebig lange fortgesetzter Cultur die infec- tiöse Wirksamkeit die nämliche, die sie anfangs war. Züchtet man ihn aber in Fleisch- extrakt bei 36°C. (und gleichzeitig im Schüttelapparat), so wird eine allmähliche Abnahme der Infectionskraft herbeigeführt, die mit jeder Generation wächst. (Wenn auch hierbei jedenfalls die durch Schütteln bewirkte Sauerstoffzufuhr mit wirksam ist, so hängt doch ohne Zweifel jene Wirkung wesentlich von der Tem- peratur ab.) Veränderungen in der Temperatur bedingen auch vielfach Aenderungen in der Gestaltung der Zellen. So weiss man durch Buchner, dass die Er- niedrigung der Temperatur bei gewissen Milzbrandculturen von 36° C. auf Zimmer- 1) So gedeiht z. B. der Pilz der blauen Milch in Milch am besten bei ca. 150 C.; der Essigpilz auf böhmischem Bier dagegen am besten bei ca. 33° C.; die Glycerinäthylbacterie in 29 Fleischextrakt mit 5% Glycerin am besten bei 36°C. u. s. w. Ueberlässt man nach Der- BRÜCK eine Maische von 200 Grm. Trockenmalz auf 1000 Centim. Wasser einer Temperatur von 40° C., so entwickelt sich üppig der Buttersäurepilz; überlässt man sie einer Temperatur von 50°, der Milchsäurepilz. ?) Bei den meisten Temperaturangaben der Literatur sind diese Momente nicht berück- sichtigt und die Angaben daher werthlos. 3) Man kann sich diese Eigenschaft zu Nutze machen, wenn es darauf ankommt, die Spalt- pilze in Culturen anderer Pflanzen (z. B. Algen) in Nährlösungen oder Aufgüssen niederzuhalten. Abschnitt II. Physiologie. III. Verhalten gegen Temperaturen. 35 temperatur die Production von krankhaften Zuständen (gewisse Involutionsformen, die durch sonderbare Form ausgezeichnet sind) zur Folge hat. Weitere Er- mittelungen der Art und Weise wie die T’emperaturveränderungen auf die Form- bildung der Zellen der verschiedensten Spaltpilze einwirken, fehlen zur Zeit noch. Nach PrazmowsKkts Angabe für den Heupilz, dass bei einer Erhöhung der Temperatur auf 40°C. sämmtliche Stäbchen in lebhafte Bewegungen übergiugen, hat es den Anschein, als ob eine T'emperaturerhöhung auch auf die Ausbildung der Cilien von Einwirkung sein könne. Dass die Dauer des Kreislaufes der Ent- wicklung von der Spore wiederum zu Spore nach der Höhe der Temperatur ge- wissen Schwankungen unterliegen muss, folgt schon aus dem Eingangs dieses Ab- schnittes Gesagten. So vollzieht sich nach BREFELD der Entwicklungs -Cyclus vom Heupilz im Heuaufguss bei 24°C. in 24-30, bei 20° in 48 Stunden, bei 15° erst in 4—5 Tagen. Dass auch der Eintritt der Sporenbildung von der Temperatur abhängig ist, geht z. B. aus den Versuchen Kocn’s am Milzbrandpilz hervor. Es stellte sich dabei heraus, dass der Pilz in Zumor agueus cultivirt bei 35° C. seine Sporen schon innerhalb 20, bei 30° innerhalb 30, bei 18—2o° erst innerhalb 24—3 Tagen bildet. Bei 15°C. scheint diesem Pilz die Fähigkeit der Sporenbildung gänzlich abhanden zu kommen!.) Die Keimung der Dauersporen steht, wenigstens bei manchen Spaltpilzen, gleichfalls in Abhängigkeit von einem gewissen Wärmegrade. So z. B. hat man die Milzbrandsporen, um sie zur Keimung zu bringen, bei 35—37°C. zu halten, bei herabgesetzter Cultur keimen sie gar nicht. Sporen anderer Spaltpilze sind auch in dieser Richtung minder empfindlich. Was sehr hohe Temperaturen betrifft, vermögen die vegetativen Spaltpilz- zellen 100° C. wohl auch in dem Stadium nicht zu überstehen, wo sie mit dichten, derben Gallerthüllen überkleidet sind. b Dagegen besitzen eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegen Siedhitze die Dauersporen. Für den Heupilz wenigstens ist diese wichtige Thatsache durch die Untersuchungen CoHn’s, BREFELD’S, PRAZMOWSKTs und BucHner’s vollkommen sicher gestellt. Wahrscheinlich verhalten sich die Sporen mancher anderen Spaltpilze eben- so. Den Grund für solche Resistenz wird man ohne Zweifel zu suchen haben in der derben Consistenz der Sporenhaut. Doch ist zu beachten, dass die Milz- brandsporen, wie BUCHNER zeigte, bereits bei Siedetemperatur getödtet werden, wenn man dieselbe 4 Stunden hindurch erhält. Zur Abtödtung der Sporen des Heupilzes ist ein mindestens einstündiges Kochen bei ı10°C. erforderlich. Da man nie wissen kann, ob nicht in einer zur Reincultur zu verwendenden Nähr- lösung Spaltpilzsporen fehlen, so hat man jede Nährlösung unter jener Bedingung spaltpilzfrei zu machen (zu sterilisiren), ein Verfahren, das sich natürlich auch auf die Glasgefässe und sonstigen Geräthschaften bezieht, die man übrigens im trockenen Zustande einer Temperatur von 120° C. aussetzt oder ausglüht, in Rücksicht auf den Umstand, dass im trockenen Zustande die Sporen eine noch höhere Temperatur aushalten, als im benetzten. Für die Tödtung der Milzbrand- !) Andere Spaltpilze sind weniger empfindlich. So ein Closzridium, welches Diatomeen, be- sonders grosse Synedren bewohnt, also im Wasser lebt. Man findet die Sporenbildung noch immer im vollen Gange begriffen, wenn die seichten Tümpel, in denen der Pilz lebt, sich be- reits mit Eis bedecken. 36 Die Spaltpilze. sporen im trockenen Zustande genügt nach BUCHNER übrigens schon eine 24 stündige Erhitzung auf ıro°C. Die Temperatur ist ferner von Einfluss auf die Bildung und Wirksamkeit der Fermente (Zncymen) der Spaltpilze!), wie sich das schon a priori erwarten lässt. Bei gewissen, noch unter dem Siedepunkt liegenden Temperaturen verlieren sie ihre Wirksamkeit, bei gewissen Wärmegraden werden sie am reichlichsten gebildet und sind am wirksamsten (encymotisches Wirkungs- optimum). IV. Verhalten gegen Gase. Es kommt vor Allem das Verhalten zum Sauerstoff in Betracht.?) Was den Process der eigentlichen Fäulniss betrifft, so ist es, wie NÄGELI und NEnckı zeigten, vollkommen gleichgültig, ob Sauerstoff-Zutritt oder Abschluss vorhanden. (Der Fäulnissprocess der Spaltpilze verhält sich also in dieser Beziehung analog der Alkoholgährung. Auch für die Gährthätigkeit der Hefe ist bekanntlich Sauerstoff-Zutritt oder Abschluss ein durchaus gleichgültiges Moment.) Anders liegt die Sache für die bereits oben erwähnte Fäulnissform, die vom Heu-Milzbrandpilz hervorgerufen wird. Sie steht durchaus in einem Abbhängigkeitsverhältniss zum Sauerstoff. Was sodann die Gährungsprocesse anlangt, so verlangen die Harnsäure- gährung, die Gährung des Asparagins, die sogenannten Oxydationsgährungen (wie Essiggährung, Pigmentgährungen) entschieden Luftzutritt; wogegen gewisse andere Gährwirkungen, wie die Buttersäuregährung, die Mannitgährung, die Glyceringährung etc. bei einer gewissen Intensität auch ohne Gegenwart von freiem Sauerstoff vor sich gehen können. Doch begünstigt die letztere die Gährthätigkeit. | Man pflegt solche Spaltpilze und Spaltpilzformen, welche bei genügender Ernährung ohne freien Sauerstoff zu leben und Zersetzungsprocesse hervorzurufen befähigt sind, als ana@robie oder anaärophyte zu bezeichnen, im Gegensatz zu den des Sauerstoffs bedürftigen aärobien oder aärophyten Formen. Nach ENGELMANN?®) weisen die Schwärmzustände gewöhnlicher Fäulniss- bacterien, namentlich kleinerer Formen, und vor allen Dingen gewisse Schrauben- formen ein ausserordentlich grosses Sauerstoffbedürfniss auf. Es lässt sich dies schon constatiren, wenn man einen solche Schwärmzustände enthaltenden Tropfen mit dem Deckglas bedeckt. Die Schwärmer drängen sich dann in dichtem Gewimmel an dem Rande des Tropfens oder um zufällig einge- schlossene Luftblasen zusammen. Bringt man grüne, also Sauerstoff abscheidende Algen in den Tropfen, so sammeln sie sich gleichfalls um dieselben an und zwar im Miscrospectrum besonders da, wo die Maxima der Sauerstoffausscheidung liegen, d. h. zwischen den Spectrallinien B und C (im Roth) und bei F. (Fig. 14.) Bei Abschluss von Sauerstoff, wie er z. B. unter den gewöhnlichen Verhältnissen unter Deckglas hervorgerufen wird, geben sie ihre Bewegung auf. I) Vergl. ADOLF MAYER, Die Lehre von den chemischen Fermenten oder Encymen, Heidel- berg 1882, pag. 20: Ueber den Einfluss höherer Temperaturen auf die Encyme, und pag. 43, Resume. 2) NÄGELI, ‚Untersuchungen über niedere Pilze. — Derselbe, Theorie der Gährung. — NeEncKI, Beiträge zur Biologie der Spaltpilze. Journ. f. pract. Chemie. Bd. 19 u. 20. 3) Zur Biologie der Schizomyceten. Untersuchungen aus dem physiologischen Laboratorium zu Utrecht 1881. Botanische Zeit. 1882. Derselbe, Ueber Sauerstoffausscheidung von Pflanzen- zellen im Microspectrum. Ebenda 1882, pag. 191 ft. Abschnitt II. Physiologie. IV. Verhalten gegen Gase. 37 Man kann daher die Schwärmzustände der Spaltpilze als ein empfindliches Reagens auf Sauerstoff benutzen. Manche Spaltpilzformen (z. B. Spirillen) scheinen nach EnGELMANN’s Unter- suchungen nur eine gewisse Sauerstoffspannung zu ertragen, nämlich eine solche, welche geringer ist, als die des Sauerstofls der atmosphärischen Luft. So lagern sich gewisse Spirillen unter Deck- glas stets in einem gewissen Ab- stand vom Tropfenrande und ebenso in einem gewissen Abstand von Sauerstoff ausscheidenden grünen Zellen. Verringert man nun die Sauerstoffspannung (z. B. mittelst Durchleiten von Wasserstoff), so ver- ringert sich der Abstand vom Tropfen- rande; vergrössert man sie dagegen (mittelst Durchleiten von Sauerstoff), so vergrössert sich auch der Abstand der Spirillenzone vom Tropfenrande. Manche Spaltpilze vermögen Fig. 14. (B. 301.) nach NÄGELI ihrem Substrat Sauer- Stück einer Cladophora mit schwärmenden Bacterien ; : N v : im Microspectrum von Sonnenlicht. Die Chloro- ng entziehen.) Wenn man eine phylikörner, welche die Zellen sehr gleichmässig Nährflüssigkeit, in welcher gährtüch- erfüllen, sind weggelassen, dagegen das Absorptions- tige Spaltpilze leben, mit Lakmus band zwischen B und C und die zwischen b und färbt, so wird dieselbe entfärbt (gelb- F a Ren des olalen Endes an- gedeutet. 200:1. (Nach ENGELMANN.) lich) und zwar um so schneller, je mehr der Luftzutritt gehemmt ist. Dass dies auf Entziehung von Sauerstoff beruht, lässt sich damit beweisen, dass durch Schütteln mit Luft die ursprüng- liche Färbung wieder hergestellt wird. Der Desoxydationsprozess verläuft nun aber nicht etwa in der Weise, dass die Zellen den Farbstoff aufnehmen, ihm in ihrem Innern den Sauerstoff entziehen und dann als entfärbte Verbindung wieder ausscheiden (denn der Farbstoff kann zwar durch die lebende Membran, nicht aber durch den lebenden Plasmaschlauch hindurchdringen), sondern die Lakmus- moleküle werden ausserhalb der Spaltpilzzelle (und in deren Membran) reducirt. Auch aus dem Blut vermögen die Spaltpilze Sauerstoff zu entnehmen, aber nicht direkt aus den Blutzellen erhalten sie ihn, sondern nach NÄGELI aus dem Blutplasma, aus welchem er durch Diffusion in die Spaltpilze hineingeht. (Erst wenn der Sauerstoff im Blutplasma sich verändert hat, tritt auch der Sauerstoff aus der lockeren Verbindung, in der er sich in den Blutkörperchen befindet, in die Flüssigkeit heraus.) Die Formen des Essigpilzes (Mycoderma aceti) besitzen die Fähigkeit, Sauer- stoff auf den Alkohol ihres Substrats zu übertragen (Oxydations-Gährung), während andere weingeistige Flüssigkeiten bewohnende Spaltpilze dies nicht vermögen.?) Während also die oben erwähnten Spaltpilze reducirend auf ihr Substrat wirken, übt der Essigpilz eine oxydirende Wirkung aus. | Dass erhöhte Zufuhr von Sauerstoff zu den Culturen unter Umständen die physiologischen Eigenschaften eines Spaltpilzes gänzlich verändern kann, lehren die Versuche BuUCHNERS mit dem Milzbrandpilz, der bei solcher grösseren Sauer- a En PAR a = !) Theorie der Gährung, pag. 40, 2) NÄGELI, ]. c. pag. 49, 38 Die Spaltpilze. stoffzufuhr (durch Schütteln im Schüttelapparate), wenn er gleichzeitig bei 36 gezüchtet wird, bezüglich seiner infectiösen Wirksamkeit in den successiven Generationen eine allmähliche Abnahme erfährt. V. Verhalten zum Licht. Die bisherige Annahme, dass gegenüber dem bedeutsamen Einfluss, den die Wärme auf das Wachsthum und die Zersetzungsprozesse der Spaltpilze ausübt, das Licht für diese Organismen, infolge des Chlorophylimangels, völlig be- deutungslos sei, und nur gewisse Spaltpilzprodukte, soweit sie Pigmente darstellen, im Licht gewisse chemische und physikalische Veränderungeu erführen,!) ist neuerdings von ENGELMANN?) als unhaltbar erwiesen worden. Er führte nämlich den Nachweis, dass bei einem gewissen Spaltpilz die Schwärmbewegungen durchaus vom Licht abhängig sind und im Dunkeln wieder erlöschen. Der belebende Einfluss des Lichtes beruht dabei nicht, wie bei grünen Zellen, auf Sauerstoffentwicklung. Er äussert sich ferner nicht momentan, sondern erst nach einer gewissen Zeit (Photokinetische Induction), die um so kürzer ist, je intensiver das Licht einwirkt aber auch im günstigsten Falle immer noch Sekunden dauert. Ebenso zeigte sich eine Nachwirkung des Lichts, die darin sich äussert, dass die Spaltpilzzellen im Dunkeln erst nach einiger Zeit ihre Bewegungen einstellen. Bei lange andauernder Einwirkung sehr gleichmässigen starken Lichtes kommen die meisten Spaltpilzzellen zur Ruhe oder suchen weniger helle Orte auf. Plötz- liche Helligkeitsschwankungen (plötzliche Verdunkelung) haben zur Folge, dass die Zellen fast im nämlichen Moment eine Strecke weit zurückschiessen (Schreck- bewegung), stillstehen und dann erst wieder die gewöhnliche Bewegung aufnehmen. Im Sonnenspectrum ist die Ansammlung der Zellen am stärksten im Ultraroth (das sichtbare Roth wird gemieden), nicht ganz so intensiv im Gelb; im Grün ist die Ansammlung schwach und nimmt durch’s Gelbgrün und Blau nach dem Violett hin immer mehr ab.?) — Ich selbst habe wiederholt bestimmt beobachtet, dass in meinen Culturen der Beggiatoa roseo-persicina, der Belag, den die Coccen- und Stäbchenmassen an der Wandung der Glasgefässe bildeten, sich an der dem Licht zugewandten Seite merklich stärker entwickelte, als an den übrigen Stellen. VI. Verhalten gegen Electricität.‘) Nachdem bereits ScHiEL die Frage nach dem Verhalten der Spaltpilze gegen den electrischen Strom angeregt hatte, und zu dem Ergebniss gekommen war, »dass ein schwacher Strom genügt, um die Entwicklung der Bacterien zu hemmen, « nahmen CoHn und MENDELSOHN die Frage neuerdings wieder auf und erhielten bei ausgedehnteren Untersuchungen andere Resultate. ) So z. B. der rothe Farbstoff des Wunderblutes (Micrococcus prodigiosus), der im Lichte Zersetzung erfährt. 2) Bacterium photometricum. Ein Beitrag zur vergleichenden Physiologie des Licht- und Farbensinnes. Untersuchungen aus dem physiol. Laborat. zu Utrecht. 1882, pag. 252 ff. 3) In Ermangelung eines Microspectralobjectivs kann man sich von der verschiedenen Empfindlichkeit der Bacterien in verschiedenen Farben des Spectrums durch gefärbte Gläser oder Flüssigkeiten überzeugen. #) Literatur: SCHIEL, Elektrotherapeutische Studien. Deutsches Archiv für klinische Medi- cin. 1875. Bd. 15. pag. 190-—-194. COHN u. MENDELSOHN, Ueber Einwirkung des elektrischen Stromes auf die Vermehrung von Bacterien. (Beitr. z. Biol. Bd. III. Heft I. pag. 141— 162.) Abschnitt II. Physiologie. Verhalten gegen Electricität. 39 Letztere betreffen erstens die Einwirkung des galvanischen Stromes auf die Vermehrung der Bacterien in mineralischer Nährlösung, und wurden in folgenden Sätzen mitgetheilt. ı. Ein Element lässt, je nach der Stromstärke gar keine oder nur eine re- tardirende Einwirkung erkennen. 2. Eine Batterie von 2 kräftigen Elementen sterilisirt innerhalb 12— 24 Stunden am + Pol die Nährlösung vollständig, so dass sich in ihr weder die der Strom- wirkung ausgesetzten, noch auch nachträglich zugefügte Bacterien vermehren. 3. Am — Pol wird die Nährflüssigkeit nicht vollständig sterilisirt, aber sie wird nur in beschränktem Maasse für Ernährung und Vermehrung der Bacterien geeignet; die Schwärmbewegungen derselben werden nicht aufgehoben. 4. Weder am + Pol noch am — Pol werden die Bacterien durch die Strom- wirkung zweier Elemente getödtet, denn in frische Nährlösung übertragen, ver- mehren sie sich in derselben völlig normal. 5. Die für Bacterien sterilisirte Nährflüssigkeit am + Pol gestattet noch reich- liche Vermehrung von Kahm- und Mycelpilzen. 6. Eine Batterie von 5 kräftigen Elementen tödtet die in der Nährflüssigkeit vertheilten Bacterien innerhalb 24 Stunden vollständig, ein Tropfen dieser Flüssig- keit in frische Nährlösung übertragen, ruft deshalb keine Trübung in dieser hervor. 7. Die Nährflüssigkeit wird durch einen solchen Strom an beiden Polen steri- lisirt, aufs Neue zugesetzte Bacterien vermehren sich daher nicht in derselben. 8. Die Einwirkung des constanten Stromes auf die Bacterien lässt sich durch die electrolytische Zersetzung der Nährflüssigkeit ausreichend erklären, welche um so vollständiger ist, je kräftiger und je länger der Strom auf die Flüssigkeit ein- gewirkt hat. 9. Bei möglichst vollständiger Zersetzung wird die Flüssigkeit am + Pol stark sauer, am — Pol stark alkalısch, bei schwächeren Strömen an letzterem nur schwach sauer oder neutral. Die alkalische Reaktion verschwindet nach einiger Zeit, da sie von einer flüchtigen Base (Ammoniak) herrührt. ı0. Am — Pol findet reichliche Gasentwicklung statt, am —+ Pol wird solche nur bei sehr kräftigen Strömen bemerklich. ıı. Am — Pol wird phosphorsaure Ammoniak-Magnesia ausgeschieden; in Folge dessen enthält die Flüssigkeit nach längerer Einwirkung sehr kräftiger Ströme am — Pol keine Phosphorsäure, am + Pol kein Ammoniak in Lösung, besitzt also nicht mehr die zur Ernährung und Vermehrung von Bacterien unentbehr- lichen Nährstoffe vollständig; ausserdem scheint die freie Säure am + Pol un- mittelbar tödtlich auf die Bacterien einzuwirken. ı2. Eine specifische physiologische Einwirkung des constanten galvanischen Stromes ist bei relativ schwächeren Strömen nicht vorhanden, bei stärkeren wenigstens nicht nachweisbar. Die physiologisch so wirksamen Inductionsströme lassen auf die Vermehrung der Bacterien in mineralischer Nährlösung keine Ein- wirkung erkennen. Die übrigen Resultate betrafen die Einwirkung des constanten galva- nischen Stromes auf die Entwicklung von Mcrococcus prodigiosus an der Oberfläche gekochter Kartoffeln. 13. Die Wirkungen werden bedingt einerseits durch die Stärke des Stromes, andererseits durch die Leitungswiderstände in der Kartoffel, welche mit der Ent- fernung der Elektroden wachsen. 14. Die Flüssigkeiten in der Kartoffel vertheilen sich so, dass durch die 40 Die Spaltpilze, ganze Tiefe derselben die eine Hälfte am + Pol stark sauer, die andere Hälfte am — Pol stark alkalisch wird, letzteres durch fixes Alkali. Die beiden, gleich — oder ungleich grossen Hälften stossen in der Mittellinie der Kartoffel mit scharfer Grenzlinie aneinander, die Grenzlinie ist neutral. 15. Beide Hälften unterscheiden sich durch ihre Färbung, sowie dadurch, dass die saure Hälfte an Flüssigkeit verarmt, die alkalische gallertartig quillt, durchscheinend bräunlich und feucht erscheint. 16. Sowohl die +, als die — Electrode verhindern die Vermehrung des Micro- coccus prodigiosus in ihrer Umgebung und zwar an beiden Seiten, jedoch die + in bei weitem stärkeren Maasse. Bei schwächerer Stromwirkung erscheint daher zu beiden Seiten der + Elec- trode ein mehr oder minder breiter, scharf begrenzter, farbloser Streifen, während zu beiden Seiten der — Electrode die Entwicklung des Micrococcus nur in einer ganz schmalen Zone unterbleibt, die übrige Fläche der alkalischen Hälfte aber sich mit dem rothen Ueberzuge bedeckt. 17. Je kräftiger die Stromwirkung, desto breiter wird an beiden Elektroden die Zone, wo sich der Micrococcus nicht vermehren kann; bei sehr kräftigen Strömen entwickelt sich der Micrococcus gar nicht, die zugeführten Keime werden ge- tödtet und beide Kartoffelhälften mit Ausnahme der neutralen Grenzlinie für Micrococcus sterilisirt. ı8. Die Einwirkungen des galvanischen Stromes auf die Vermehrung des. Micrococcus prodigiosus lassen sich auf die electrolytischen Wirkungen des Stromes zurückführen. VII. Verhalten gegen chemische Stoffe. ı. Verhalten gegen Säuren und Alkalien.!) Die Vegetationszustände der Spaltpilze lassen im Allgemeinen eine grosse Empfindlichkeit gegen Säuren erkennen. Manche Spaltpilze (wie z. B. der Milzbrandpilz) sind gänzlich unfähig selbst in sehr schwach sauren Lösungen zu wachsen, andere (wie der Heupilz) ertragen wenigstens eine bestimmte schwache Säuerung ohne Behinderung ihrer Wachsthums- und Zersetzungsthätigkeit. Sobald aber dieser Säuregrad überschritten wird, erfolgt auch hier eine Sistirung der Vegetation und der Zersetzungswirkungen, ja zu- letzt völlige Abtödtung. Am allerempfindlichsten zeigen sich die Vegetations- zustände gegen mineralische Säuren (Schwefel-, Salz-, Salpetersäure) und gegen die sogenannten Pflanzensäuren (Wein-, Citronensäure etc.) etwas minder sensibel sind sie gegen die Pilzsäuren (Butter-, Essig-, Milchsäure), die sie bei ihrer Vegetation selbst produciren. Doch darf auch hier eine bestimmte Grenze in der Concentration nicht überschritten werden, und darum ist es nöthig, der Anhäufung von Säuren in den Culturen frühzeitig vorzubeugen durch Zusatz kohlensaurer Alkalien (kohlens. Natron, kohlens. Kali, basisch phosphors. Natron) oder kohlensaurer alkalischer Erden (kohlens. Kalk). Die Thatsache, dass die Spaltpilze den Säuren gegenüber Abneigung zeigen, lässt sich praktisch verwerthen, wenn es darauf ankommt, jene Pilze von Culturen anderer (z. B. der Hefe, der Schimmelpilze etc.) auszuschliessen (man braucht in diesem Falle nur eine natürlichsaure oder eine angesäuerte Nährlösung zu ) Literatur: BREFELD, Ueber Bacillus subtilis; Schimmelpilze, Heft IV. NÄGELI, Niedere Pilze; Theorie der Gährung; Untersuchungen über niedere Pilze; an verschiedenen Orten. BUCHNER, ebenda, Erzeugung des Milzbrandcontagiums aus den Heupilzen. Abschnitt III. Methoden der Untersuchung. 41 verwenden, um des Ausschlusses der Spaltpilze ganz sicher zu sein);!) sie lässt sich ferner verwerthen für die Bekämpfung von Spaltpilzen, welche im mensch- lichen und thierischen Körper Gährwirkungen oder pathogene Wirkungen ausüben und endlich für die Conservirung gewisser Speisen und Getränke. Auf der Abneigung gegen Säuren beruht auch die geringe Vermehrung der mit saurer Milch, Käse, sauren Gurken, Sauerkraut etc. oft massenhaft in den Körper eingeführten Spaltpilze im Magen, dessen Flüssigkeit bekanntlich !/,0/, Salzsäure enthält. Bei weitem widerstandsfähiger gegenüber den Säuren erweisen sich die fructificativen Organe. Selbst ziemlich starke Concentrationsgrade üben auf die Sporen keinen schädigenden Einfluss aus, während doch Sporen höherer Pilze, z. B. der Schimmelpilze, unter solchen Umständen baldige Abtödtung er- fahren. Gegen Alkalien zeigen sich die Spaltpilze minder empfindlich, ja Alkalinität des Substrats begünstigt in vielen Fällen ihre Entwickelung, und manche Spalt- pilze, wie nach Buchner der Heupilz, können eine stark alkalische Reaction der Nährlösung noch ohne Behinderung des Wachsthums ertragen. 2. Verhalten gegen andere giftig wirkende Stoffe. Die Frage, welche von den Stoffen, die auf den Thier- und Pflanzenkörper schädlich wirken, auch auf die Spaltpilze schädliche Wirkungen ausüben, ist in- sofern eine sehr wichtige, als es darauf ankommt die schädlichen Spaltpilze an ihren Brutstätten zu vernichten (Desinfection). Doch sind unsere Kenntnisse in dieser Beziehung noch mangelhaft. Auffallend ist die Widerstandsfähigkeit der Sporen gegen starke Gifte, namentlich der Heupilzsporen. Sie werden nach BREFELD durch ziemlich starke Lösungen von schwefelsaurem Kupfer, welche man so erfolgreich gegen die Sporen der Brandpilze des Getreides anwendet, so wie von concentrirten Lösungen von Sublimat u. s. w. wenig angegriffen, dass sie nach Abtrennung dieser Gifte noch vollkommen keimfähig erscheinen. Nur wenn diese Gifte mit Siedehitze vereint zur Anwendung gelangen, erfahren die Sporen Abtödtung. Wie bei den eigentlichen Pilzen und den höheren Pflanzen wirkt auch bei den Spaltpilzen eine über das Nährmaass hinausgehende Concentration der Nähr- stoffe als Gift. Da die Schimmelpilze eine viel höhere Concentration der Nähr- stoftlösungen vertragen, als die Spaltpilze, so lässt sich auf diesem Wege gleich- falls eine Abhaltung der Spaltpilze von Schimmelculturen erreichen. Um Concen- tration der Spaltpilz-Nährlösungen durch Verdunstung zu verhüten, sind die Cultur- gefässe bedeckt zu halten. Abschnitt II. Methoden der Untersuchung. I. Fragestellung. Bei jeder genaueren Untersuchung irgend eines Spaltpilzes kommen etwa folgende morphologische und physiologische Fragen in Betracht. ı. In welchen Nährlösungen gedeiht der Pilz? (Welche sind für seine Ernährung am geeignetsten, welche am wenigsten geeignet. _Gedeiht er in sauren T,ösungen? etc.). I) Vergleiche: BREFELD, Untersuchungen über Spaltpilze, in Sitz. d. Ges. nat. Fr. zu Berlin ‘1878. — Derselbe, Methoden zur Untersuchung d. Pilze (Schimmelpilze. Heft IV). "42 Die Spaltpilze. 2. Welche Entwicklungsstadien durchläuft er in den verschiedenen Nährlösungen? Unter welchen Ernährungsbedingungen kommt die eine Entwicklungsform zur Ausbildung, unter welchen die andere? Bildet er Zoogloeen? Bildet er Sporen? In welchen Formen entstehen sie, in Stäbchen oder in Coccen oder beiden zugleich. Unter welchen Nährbe- dingungen werden sie gebildet. Welches ist der Modus der Auskeimung? Besitzt er Schwärmzustände; unter welchen Ernährungsbedingungen treten sie auf, welchen Formen gehören die Schwärmer an. Besitzt der Pilz ab- norme Entwicklungsformen, und unter welchen Nährbedingungen? 3. Ruft er Gährung hervor oder nicht, bewirkt er Fäulniss? 4. Welches sind die Zersetzungsprodukte, die er in den verschiede- nen Nährsubstraten bildet? Welche flüchtigen Stoffe werden bei der Zersetzung frei? 5. Wird ein Ferment von den Zellen ausgeschieden? Wie wirkt das- selbe auf geronnenes Eiweiss, Cellulose, Stärke, Rohrzucker? 6. Wie verhält sich der Pilz zum Sauerstoff der Luft? 7. Wie verhält er sich in den verschiedenen Nährsubstraten zur Temperatur? Bei welchem Wärmegrade gedeiht er in dieser oder jener Lösung am besten? Bei welcher Temperatur bildet er Sporen?! Hat die Temperatur Einfluss auf die Keimung? Bei welcher Temperatur (nach oben oder nach unten hin) hört sein Wachsthum, seine Gährthätigkeit, Schwärm- fähigkeit, Sporenbildung etc. auf? 8: Wie verhält er sich ‘gegen Gifte? 9. Wie verhält er sich gegen Licht und Elektricität?!) I) Zur Lösung dieser Fragen wird die Anwendung besonderer Methoden nöthig, welche sich aus den in den früheren Kapiteln dargelegten morphologischen, phy- siologischen und biologischen Eigenschaften der Spaltpilze ergeben. Wir haben gesehen, dass sich Keime von allen möglichen Spaltpilzen, sei es im vegetativen, sei es im Sporenzustande überall in der Luft befinden, dass sie namentlich allen festen Gegenständen anhaften und aus der Luft in Flüssigkeiten hineinfallen. Es müssen daher die Cultur-Gefässe und Nährlösungen zunächst von allen Spaltpilzkeimen sicher befreit (sterilisirt) werden. Es muss ferner der zu cultivirende Spaltpilz von anderen Spaltpilzen desselben Substrats sicher abge- trennt werden, sodass man vollkommen reines Aussaatmaterial erhält. II. Methode der Sterilisirung der Züchtungsgefässe, der Nährlösung und der bei der Aussaat zu verwendenden Utensilien. Zu Züchtungsgefässen eignen sich mit nicht zu weiter Mündung versehene Glasgefässe: Kolben, Probirröhrchen, kleine ERLENMEYER’sche Fläschchen, nach BUCHNER auch die sogen. Saftfläschchen.?2) Man beschickt diese Gefässe mit der Nährlösung, verschliesst sie mit einem Wattepfropf und überbindet denselben noch mit doppeltem Fliesspapier oder einem Stück Leinwand. Sodann erhitzt man !\ Vergl. auch BuUCHNER in NÄGELI’s Untersuchungen über niedere Pilze. pag. 265. ?2) Diese haben im erweitertem Theile 5 Centim. im Durchmesser. Sie sind aus dickem, schwer schmelzbarem Glase gefertigt und können so das oftmalige Erhitzen zum Zweck der Sterilisirung ohne Schaden ertragen. mn ind 1 2 cz u Abschnitt III. Methoden der Untersuchung. 43 das Ganze zur Befreiung von allen Pilzkeimen ı Stunde auf 120° C.!) Die Uten- siliien, welche man zum Einbringen der Aussaat verwendet, werden am Besten durch Glühen sterilisirt. Das Einbringen muss schnell geschehen, damit nicht während desselben Keime aus der Luft in die Nährlösung gerathen. UI. Methoden zur Gewinnung reinen Aussaatmaterials. ı. Kress’ Methode der fractionirten Cultur.?) Sie beruht auf der Einsicht, dass von zwei oder mehreren Spaltpilzen, die sich in einer Nährlösung befinden, schliesslich gewöhnlich einer den oder die anderen überwuchert oder gar vollständig aus der Cultur verdrängt, und besteht darin, dass man einen kleinen Theil (/raczio) einer spaltpilzhaltigen Flüssigkeit über- trägt in pilzfreie Nährlösung (A), von der geernteten Spaltpilzmasse wieder einen kleinen Theil in neue Nährlösung(B) bringt, u. s. f. Man erhält so in den meisten Fällen schliesslich einen oder den anderen der in der Ursprungsflüssigkeit ent- haltenen Spaltpilze in vollkommener Reinheit, oft schon in der Cultur A, oft erst i1°B, oder &, D, E, F u. Ss. w. Daher ist diese fractionirte Cultur überall zu empfehlen, wo es nicht darauf ankommt, einen ganz bestimmten Spaltpilz, sondern einen beliebigen aus der Urflüssigkeit zu isoliren. 2. NäcEeLfs Verdünnungsmethode.?) Wenn man aus einem, zwei oder mehrere Spaltpitze enthaltenden Substrat eine ganz bestimmte Art rein erhalten will, so kann man mit Vortheil diese zweite, neuerdings auch von BUCHNER angewandte Methode in Anwendung bringen. Sie setzt allerdings voraus, dass die rein zu züchtende Art oder Form in über- wiegender Menge vorhanden ist, und besteht darin, dass man die spaltpilzhaltige Flüssigkeit soweit verdünnt, dass auf je ein Tropfen etwa eine einzige der ge- wünschten Formen (Stäbchen, Coccen, Sehrauben etc.) koramt. Bringt man nun in eine grössere Anzahl mit Nährlösung beschickter Gefässe je einen Tropfen, so kann man fast immer sicher sein, dass man in einigen der Gefässe die eine ge- wünschte Form erhält. Beispiel nach NÄGELI: Aus faulem Harn, in welchem sich ausser Coccen noch Stäbchen befanden, sollten erstere rein erhalten werden. Ein Tropfen, welcher etwa 0,03 ccm fasste und nach Schätzung etwa 500,000 Pilze enthielt, wurde in 30 ccm pilzfreies Wasser gegeben. Aus dieser tausendfach verdünnten Flüssigkeit wurde, nachdem sie durch Schütteln wohlgemischt war, abermals ein Tropfen in 30 ccm Wasser eingetragen, und somit eine millionenfache Verdünnung hergestellt, in welcher je der 2. Tropfen (von 0,03 ccm durchschnittlich einen Pilz enthalten musste. Von Io pilzfreien Gläsern, von denen jedes mit einem Tropfen inficirt wurde, blieben 4 ohne Vegetation, in ı bildeten sich Stäbchen, und in 5 die gewünschten Coccen. Will man von Spaltpilzen reines Aussaatmaterial gewinnen, die in thierischen oder pflanzlichen Organen vegetiren, so zerreibt man dieselben (z. B. durch den !) Die Anwärmungszeit nicht angerechnet. Die Erhitzung geschieht im Dampfkessel. Für viele Culturen genügt es übrigens, die Glasgefässe bei 120° ı Stunde im Trockenapparat oder auf dem Salzbade zu halten und dann die durch längere Zeit gekochte Nährlösung einzugiessen. ?) KreBs, Archiv f. experimentelle Pathologie. Bd. I., pag. 46. 3) NÄGELI, Untersuchungen über niedere Pilze, Ernährung der niederen Pilze durch Kohlen- stoff- und Stickstoffverbindungen, pag. 13. — BUCHNER ebenda; Ueber die experimentelle Er- zeugung des Milzbrandcontagiums, pag. 144. 44 Die Spaltpilze. Buttersäurepilz faule Kartoffeln, Milzbrand-haltige Milz) in Wasser und verdünnt das Gemisch entsprechend, um in je ı Tropfen etwa ı Keim zu haben. 3. BREEELD's Methode der Gelatinecultur.!) Sie besteht darin, dass man je einen Tropfen Nährgelatine (d. ı. Gelatine mit einer passenden Nährlösung gemischt) auf eine Anzahl ausgeglühter Objekt- träger bringt, sodann mittelst einer Nadel (z. B. einer Staarnadel) deren Spitze man vorher in spaltpilzhaltige Flüssigkeit getaucht hat, die Gelatine an einer Stelle ritzt und endlich das Präparat unter der Culturglocke sich selbst überlässt. War die Nadel mit einer hinreichend geringen Menge von Spaltpilzflüssigkeit benetzt, so kommt in jedem Impfstrich etwa eine Zelle zur Aussaat, die sich fortgesetzt vermehrend reines Aussaatmaterial für andere Culturen (Massenculturen) giebt. Zur Erforschung gewisser entwicklungsgeschichtlicher Momente sind die neuerdings auch von KocH?) angewandten Gelatineculturen gleichfalls in vielen Fällen von Werth, zumal sie bis zu einem gewissen Grade die direkte Beobachtung der Entwicklung gestatten. Statt der Gelatine mit Nährlösung lässt sich in manchen Fällen (für Pilze z. B., die im thierischen Körper gedeihen) ein anderes erhärtendes durchsichtiges Substrat verwenden, nämlich das von Kocn?) zuerst angewandte Serum von Rinder- oder Schafblut. Nach- dem es möglichst rein gewonnen ist, füllt man es in Reagensgläschen, die, mit Wattepfropf verschlossen, etwa 6 Tage hindurch täglich ı Stunde auf 58° C erwärmt werden zum Zweck der Sterilisirung; dann folgt noch eine mehrstündige Erwärmung auf 65°C., die so lange dauert, bis es eben erstarrt ist. Es er- scheint nunmehr als eine bernsteingelbe, vollkommen durchscheinende oder nur schwach opalescirende Masse.) Dieses Substrat hat vor der Gelatine den Vor- zug, dass es bei Brüttemperatur gehalten werden kann.) Man impft es mit einer geringen Pilzmenge in gewöhnlicher Weise. Für direkte mikroskopische Beobachtung eignen sich am besten in flachen Glasschälchen oder hohl ge- schliffenen Glasklötzchen angestellte Culturen. Ob man eine reine Snstieiläenitin erzielt hat, lässt sich in den allermeisten Fällen schon makroskopisch feststellen. Die gewonnene Spaltpilzmasse, wenn sie rein ist, zeigt in ihrer ganzen Ausdehnung volle Gleichmässigkeit: gleichmässige Trübung der Flüssigkeit oder gleichmässige Deckenbildung an derOberfläche, gleich- mässige Wolkenbildung am Boden des Gefässes, gleichmässige Färbung bei Pig- mente bildenden Spaltpilzen, gleichmässige Gallertmassenbildung u. s. w. Für eine Cultur, in der stürmische Gährung oder intensive Fäulniss vor sich geht, darf man gleichfalls bestimmt hoffen, vollkommen reines Material zu erhalten. In Fällen, wo man die Reinheit nach den genannten und ähnlichen Merkmalen nicht sicher beurtheilen kann, ist das Mikroscop zur Controle zu verwenden. !) BREFELD, Methoden zur Untersuchung der Pilze. Abhandlung der med. phys. Gesellsch. Würzburg 1874. Derselbe, Methoden zur Untersuchung der Pilze. Landwirth. Jahrbücher IV: Heft I. — Derselbe, Culturmethoden zur Untersuchung der Pilze; Schimmelpilze Heft IV. pag. 15. 2) KocH, Zur Untersuchung von pathogenen Organismen. Mittheil. aus dem kaiserl. Ge- sundheitsamte 1881, pag. 18. Reincultur. 3) Die Aetiologie der Tuberculose. Berliner klinische Wochenschrift. April 1882. %) Geht die Erhitzung über 75°C. hinaus oder dauert sie zu lange, so wird das Serum undurchsichtig. 5) Statt Blutserum lässt sich nach KocH auch Agar-Agar verwenden. Pi} Abschnitt IH. Methoden der Untersuchung. 45 IV. Methoden der Präparation und der directen mikroskopischen Beobachtung. Hat man durch die Züchtung reines Material erhalten, so kommt es darauf an, dasselbe mikroscopisch zu untersuchen. Solchen Untersuchungen stellen sich nur bei einigen höchst entwickelten grossen Spaltpilzen (z. B. Crenothrix) meist keine besonderen Schwierigkeiten entgegen; bei den minder hoch entwickelten sind sie jedoch oft ziemlich erheblich. Sie liegen nicht sowohl in der geringen Grösse der Formen, als auch ganz besonders in der Zartheit und dem schwachen Lichtbrechungsvermögen aller Zustände, in der damit verbundenen Undeutlichkeit der Zell-Contouren und der Structur der Fäden und endlich in der Beweglichkeit (Molecularbewegung, Gleitbewegung, Schwärmbewegung) der verschiedenen Sta- dien. Zur theilweisen Beseitigung dieser Hindernisse bedient man sich mit Erfolg zweier Methoden die man als Abtödtungs- oder Fixirungs-Methode und als Färbungs-Methode unterscheiden kann, und bald für sich, bald combinirt zur Anwendung bringt.) Die Abtödtungs-Methode verfolgt als vorzugsweisen Zweck die Auf- hebung der Beweglichkeit der Zustände. Sie kann in zweifacher Form zur Ver- wendung gelangen: als Eintrocknungs-Methode und als Abtödtung durch Reagentien. Die von Koch!) eingeführte Eintrocknungs-Methode besteht darin, dass man etwas Spaltpilzmasse in einem Tropfen auf das Deckglas bringt, den Tropfen zu einer möglichst dünnen Schicht ausbreitet und dann mehr oder minder aus- trocknen lässt. Man erreicht hierbei ausser der Fixirung zugleich eine l,agerung der Elemente in derselben Ebene. Die Abtödtung auf chemischem Wege kann man bewerkstelligen mit ı0 Ueberosmiumsäure, mit Pikrinschwefelsäure, sowie mit andern verdünnten Säuren (Salzsäure, Salpetersäure etc.) mit Jod, mit wässrigen oder alkoholischen Lösungen von Anilin-Farben (Fuchsin, Methylviolett etc.), mit Alkohol, erhitztem Glycerin u, s. w. (Nur wird bei dieser Methode die Molecularbewegung nicht aufgehoben.) Durch das Eintrocknen wird die Form und Grösse mancher Spaltpilzformen nur wenig verändert, weil dieselben stets von einer zarten Gallerthülle umkleidet erscheinen. Ueberdies ruft Aufweichen mit Wasser oder verdünntem essigsaurem Kali in vielen Fällen annähernd die ursprüngliche Gestalt hervor. (Ausgenommen die Schraubenformen.) Um zu verhüten, dass die gegenseitige Lagerung der Spaltpilzelemente (z. B. in Zoogloeen) eine Veränderung erleidet und sich Schrauben- formen modificiren, trocknet man entweder nicht zu stark ein, oder man wählt die Abtödtung auf chemischem Wege. Die Färbungs-Methode, von WEIGERT?) eingeführt und von Koch und EHRLICH noch verbessert, hat insbesondere den Zweck die Membranen und Quer- wände, die sonst zu zart erscheinen, deutlicher zu machen und damit zugleich die Structur (Gliederung in Stäbchen resp. Coccen) hervortreten zu lassen. AlsFärbungsmittel verwendet man fast durchweg Anilinfarben (Fuchsin !) Vergl. KocH, Verfahren zur Untersuchung, zum Photographiren und Conserviren der Baterien. Beiträge z. Biol. Bd. li. 2) Zur Technik der mikroscopischen Bacterien-Untersuchungen. VIRCH. Arch. Bd. 84. Heft UI. 46 Die Spaltpilze. Methylviolett, Anilinbraun, Magdala, Vesuvin etc. insbesondere die ersten beiden Farben) aber auch Jod und Pikrinschwefelsäure. Die Anilinfarben werden bald in wässriger, bald in alkoholischer l,ösung gebraucht. Man tingirt die Objecte entweder im lebenden Zustande, oder in der flachen Trockenschicht des Deckglases nach vorhergegangener Aufweichung. Stark ver- dünnte Anilinfarbenlösungen, unter Umständen mehreremale hinter einander an- gewandt, wirken am Besten).!) Zur Färbung der Gallerthülle der Spaltpilze, auf die Anilinfarben nicht tingirend wirken, kommt eine concentrirte wässrige Lösung von Campeche- holzextrakt zur Verwendung. Zum Zweck der Conservirung legt man mit Fuchsin oder Methylviolet ge- färbte Präparate am Besten in concentrirtes essigsaures Kali oder in Canada- balsam (nicht in Glycerin, weil dieses den Farbstoff auszieht), mit Anilinbraun gefärbte in Glycerin, und stellt den Verschluss in der gewöhnlichen Weise her.?) Ein wichtiges Mittel zum Studium mancher Einzelheiten ist die Mikro- Photographie.) Sie leistet namentlich für den Nachweis von Geisseln und wo es auf absolut genaue Lagerungsverhältnisse der Zellchen, feine Gliederung, absolut genaue Wiedergabe der Form und Dimensionen der Zellen, Vertheilung der Spaltpilze in thierischen Geweben etc. ankommt, mitunter gute Dienste, hat aber im Allgemeinen einen beschränkten Anwendungskreis, weil bekanntlich die zu photographirenden Theile alle genau in derselben Ebene liegen müssen, was meistens gar nicht zu erreichen ist und weil die Objecte vorher abgetödtet werden müssen, wodurch ihre feinere Structur mehr oder minder verändert wird. Eine mit Verständniss und Geschick ausgeführte Zeichnung wird der Photographie immer vorzuziehen sein, da sie mit Genauigkeit auch Vollständigkeit verbinden kann. Zur continuirlichen Beobachtung der Entwickelung verschiedener Spaltpilzzu- stände: der Sporenkeimung, Theilung der vegetativen Zellen, Entwickelung der- selben zu Fäden, Sporenbildung u. s. w. hat man mancherlei einfachere oder com- plicirtere Apparate empfohlen, die für manche Fälle sehr passend, für andere wieder unbrauchbar sind. So empfiehlt BREFELD®) die sogenannte GEISSLER’sche feuchte Kammer, ein Glasgefäss mit sehr dünnen, die Annäherung stärkster Systeme gestattenden planen Wänden, das nach beiden Seiten hin in Röhren ausgezogen ist.d) Man saugt die Sporen oder Stäbchen etc. enthaltende Nährflüssigkeit in den erweiterten Raum, überspült die planen Wände und lässt dann die Flüssigkeit ablaufen. Jene Wände werden in Folge dieser Manipulation mit einer Schicht von Nährlösung überzogen, die so dünn ist, dass die mit eingesogenen Spaltpilz- !) Um Spaltpilze in thierischen Geweben nachzuweisen, härtet man zunächst das Material in Alcohol und färbt dann die mit dem Rasirmesser oder besser noch mit dem Microtom herge- stellten Schnitte nach der eben besprochenen Weise. Genaueres über dieses Verfahren und über die Aufbewahrung der Schnitte findet man bei Koch: Untersuchungen über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten, Leipzig 1878, wo auch auf den Nutzen des AppE’schen Beleuchtungs- apparates für die Auffindung der Spaltpilzformen hingewiesen wird. 2) Näheres bei Koch, |. c. 3) Neuerdings von KOCH, DALLINGER und DRYSDAL u. A. angewandt. #) Schimmelpilze. Heft IV. Methoden zur Cultur der Pilze. 5) Wird nach Angabe von RECKLINGHAUSEN u. KrEBs (Archiv f. exp. Pathol. Bd.I. 1873. pag. 43) vom Glaskünstler GEISSLER in Berlin angefertigt. Te PER ER Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 47 zustände ohne ihre Lage zu verrücken der Wandung angeschmiegt bleiben und längere Zeit continuirlich beobachtet werden können. Mit Hülfe dieser Kammer haben BREFELD und ich z. B. die Sporenkeimung und die Entwickelung der Keimstäbchen zu leptothrixartigen Fäden beobachtet (wie sie von uns auf Taf. I des 4. Heftes der Schimmelpilze abgebildet sind), und der Apparat würde sich auch für Beobachtung an gewissen anderen Spaltpilzen eignen, allerdings nur für solche, die zu ihrer Entwickelung des Luftzutritts bedürfen. Für Spaltpilze, die Luftabschluss ertragen oder nöthig haben, genügt es dieselben im Nährtropfen unter dem dem Öbjectträger dicht aufliegenden, an den Rändern mit Wachs ver- schlossenen Deckglasse zu beobachten.!) Zur Beobachtung der Entwickelung bei verschiedenen Temperaturen bedient man sich des ScHULTZE'schen oder des STRICKER'schen heizbaren Objecttisches.”) An grösseren Zoogloeen lässt sich die Entwickelung der Einschüsse, vorausgesetzt, dass diese bei Luftzutritt vor sich geht, im hängenden Nährtropfen verfolgen. Für manche Spaltpilze eignet sich zur direkten Beobachtung auch die BREFELD-KochH’'sche Gelatinecultur auf dem OÖbjectträger. Ueber die Methoden zum Nachweis von Spaltpilzen in der Luft s. CoH#n, Beitr. z. Biol. Bd. III. Heft I: Untersuchungen über die in der Luft sus- pendirten Bacterien. Vergl. ferner: PASTEUR, Mem. sur les corpuscules orga- nises, qui existent dans l’atmosphere. Journ. de Chim et de Phys. 1862. ser. III. tom. 64. — CUNNINGHAM-DOUGLAS, Microscopice examination of air. Calcutta. — CoHn, Unsichtbare Feinde in der Luft. Versammlung deutscher Naturforscher u. Aerzte zu Breslau 1874. — MiıQuEL, les poussieres orgänisdes tenues en sus- pension dans l’atmosphere. Compt. rend. 1878. tom. 86. pag. 1552. — NÄGELI, Die niederen Pilze in ihren Beziehungen zu den Infectionskrankheiten. Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. Eine Systematik im Sinne der anderen Pflanzengruppen ist für die Spaltpilze zur Zeit insofern nicht möglich, als es an einer entwickelungsgeschichtlichen Durcharbeitung des Gebietes noch gänzlich fehlt. Das bisher existirende System (das EHRENBERG-CoHnN’sche)?) konnte und wollte nur als eine willkürliche, lose Aneinanderreihung unvollständig bekannter Spaltpilze, also blosser Entwicklungs- zustände gelten. Es ist jetzt ein überwundener Standpunkt, denn die in neuerer Zeit entwickelungsgeschichtlich genauer untersuchten Spaltpilze lassen sich unter den Conn’schen Gattungen: Micrococcus, Bacterium, Bacillus, Spirillum, Spiro- chaete, Vibrio, Leptothrix etc. nicht unterbringen, insofern jeder von ihnen alle oder wenigstens einige der den Conn’schen Gattungsbegriffen entsprechenden Formen aufweist. Da nun aber, namentlich für Diejenigen, welche sich eine Formenkenntniss der Spaltpilze erst erwerben wollen, eine Gruppirung des vorhandenen Materials zur leichteren Orientirung wünschenswerth oder gar nöthig erscheint, so möge hier I) Vergl. über die feuchten Kammern auch GSCHEIDLEN, Physiologische Methodik, pag. 246. 2) Vergl. GSCHEIDLEN, 1. c. pag. 249: Von den heizbaren Objecttischen. 3) Beiträge zur Biologie. Bd. I. Heft II. pag. 127 ff.: Untersuchungen über Bacterien. 48 Die Spaltpilze. eine der neueren Morphologie sich anschliessende Gruppirung versucht werden, die nach den obigen Bemerkungen selbstverständlich gleichfalls einen nur pro- visorischen Charakter beanspruchen kann. Es kann nach den neuesten Untersuchungen an Spaltalgen und Spaltpilzen keinem Zweifel unterliegen, dass zwischen gewissen Repräsentanten beider Gruppen eine vollständige morphologische Homologie besteht. Diese Homologie könnte leicht darauf führen, schon jetzt die Spaltpilze als chlorophylllose Formen in das System der Spaltalgen einzureihen, wie es früher bereits von CoHn, KIRCHNER |) und van TIEGHEM?) auf Grund einer viel geringeren Kenntniss der morpholo- gischen Verwandtschaft geschehen ist. Allein so unabweislich auch eine solche Vereinigung erscheinen mag, so würde sie doch vorläufig verfrüht sein, da, wie die neueren Untersuchungen?) lehren, unsere Kenntniss von der Entwickelung der Spaltalgen noch mangelhaft ist und, im Zusammenhang hiermit, das bisherige Spaltalgensystem wahrscheinlich bei der Durcharbeitung seiner Repräsentanten nach den neueren Gesichtspunkten noch hier und da mehr oder minder erheb- liche Modificationen erleiden dürfte. Ich trenne im Folgenden die ungenauer bekannten Spaltpilze von den ge- nauer untersuchten vollständig ab und bringe die letzteren in vier Gruppen: ı. Coccaceen. Sie besitzten nur die Coccen- und die durch Aneinander- reihung von Coccen entstehende Fadenform. Genus: Zeuconostoc. . Bacteriaceen. Sie weisen 4 Entwickelungsformen auf: Coccen, Kurz- stäbchen (Bacterien), L,angstäbchen (Bacillen) und Fäden (Leptothrixform). Letztere besitzen keinen Gegensatz von Basis u. Spitze. Typische Schrauben- formen fehlen. Genera: Bacterium, Clostridium. 3. Leptothricheen. Sie besitzen Coccen-, Stäbchen-, Fadenformen (welche einen Gegensatz von Basis und Spitze zeigen) und Schraubenformen. Genera: Zeptothrix, Beggiatoa, Crenothrix, Phragmidiothrix. 4. Cladothricheen. Sie zeigen Coccen-, Stäbchen-, Faden- und Schrauben- formen. Die Fadenform ist mit Pseudoverzweigungen versehen. Genus: Cladothrix. w I. Coccaceen. Genus I. Leuconostoc. V.T. Leuconostoc mesenterioides (CiENK.) — Froschlaichpilz — Pilz der Dextran- gährung.*) Seine Entwickelung findet sowohl auf festen, als in flüssigen Nährsubstraten statt. Unter ersteren sind zu erwähnen rohe und gekochte Mohrrüben und ) Kryptogamenflora von Schlesien, Algen. 2) Sur la gomme de sucrerie (Ann. sc. nat. ser. 6 t. 7. pag. 199). 3) Zorr, Zur Morphologie der Spaltpflanzen. Leipzig 1882. 4) Literatur: CIENKOWSKI, Ueber die Gallertbildungen des Zuckerrüben aftes. Deutsches Re- sume. — VAN TIEGHEM, Sur Ja gomme de sucrerie. Ann. des sc. nat. 6. serie. tom. 7. pag. 180. — SCHEIBLER, Ueber die Natur der »Froschlaich« genannten Ablagerungen, ausgeschieden unter der Form von Gallert aus dem Safte der Rüben. (Vereinszeitschrift für Rübenzuckerindustrie. 1874.) — JUBERT, Sur les gommes de sucrerie (Journ. de fabricants de sucre. 1874.) — BoRscow, Zur Frage über den gallertartigen Niederschlag der Rübenzuckerlösungen. (JusT’s. Jahres- bericht 1876. pag. 788.) — Dwurın, Sur la transformation du sucre cristallisable en produits „ Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 49 Zuckerrübenscheiben, an deren Oberfläche der Pilz Gallertkuchen erzeugt, die mehrere Centimeter im Durchmesser und mehrere Millimeter Dicke erreichen können, dabei eine unregelmässig warzig configurirte Oberfläche und knorpelige Consistenz aufweisen.!) Von flüssigen Substraten, in denen der Organismus spontan auftritt, sind ausser den Infusionen, die mit Zuckerrüben und Mohrrüben angestellt werden, vor allen Dingen zu nennen der Rübensaft und die Melasse der Zuckerfabriken. Hier bildet er viel grössere, nicht kuchenförmige, sondern sich allseitig entwickelnde Gallertklumpen von froschlaichartigem Ansehen, die nicht selten grössere Bottiche gänzlich auszufüllen vermögen und den Zucker- technikern als »Froschlaich« bekannt sind. Aber auch in künstlichen Zuckerlösungen entwickelt er sich, in Traubenzucker- sowohl als in Rohrzuckerlösungen, wenn man ihm Stickstoff in Form von salpeter- sauren Alkalien und die mineralischen Elemente in Form von Phosphaten dar- bietet (und, wenn die Cultur längere Zeit erhalten werden soll, dem Nährmedium zur Neutralisirung der durch die Vegetation hervorgerufenen Säure etwas kohlen- sauren Kalk zusetzt). Traubenzucker dient der Pflanze direkt zur Nahrung. Rohrzucker dagegen nicht. Allein der Spaltpilz besitzt nach van TIEGHEM die Fähigkeit, sich auch den Rohrzucker mundgerecht zu machen, indem er ihn durch ein Ferment zu Traubenzucker umwandelt (invertirt), ein Prozess, der sich mit rapider Schnelligkeit vollzieht, wenn die Pflanze in grösserer Menge ausgesäet wurde. Die Entwickelung des Pilzes geht unter Umständen äusserst schnell vor sich. So beobachtete Durın, dass in einem Holzbottich, in dem Rübensaft gewesen, und an dessen Wänden trotz des Auswaschens eine dünne Lage von Spaltpilz- schleim zurückgeblieben war, eine ohngefähr 5o Hectoliter betragende neutrale Lösung von Melasse mit 10% Zucker innerhalb ı2 Stunden nach der Einbringung sich ihrer ganzen Ausdehnung nach in eine compacte Gallertmasse umgewandelt hatte, welche aus den Schleimklümpchen des Pilzes zusammengesetzt war. Die Zuckermengen, die bei solch üppiger Vegetation von dem Pilz verbraucht werden, sind beträchtlich. Nach van TIEGHEM’s Angaben werden bei Bildung von 40—45 Pfund Spaltpilzmasse 100 Pfund Zucker verbraucht. Die Zuckertechniker haben also allen Grund, den Froschlaichpilz zu fürchten. Die von CiEnkowskI verfolgte und von vAn TIEGHEM vervollständigte Ent- wickelungsgeschichte stellt sich, wenn wir die Spore zum Ausgangspunkt nehmen folgendermaassen dar: Die winzige, 1,8—2 „u im Durchmesser haltende Spore zeigt Kugel oder Ellipsoidform, eine derbe Membran und glänzenden Inhalt (Fig. 15, 1.). Bei der Keimung soll nach van TIEGHEM die äussere Membran- schicht unregelmässig aufreissen und eine Mittellamelle zu einer dicken Gallert- hülle aufquellen, während die Innenlamelle dem Plasma anliegend bleibt. Die Sporenkeimung führt also zur Bildung einer gallertumhüllten Coccenzelle (Fig. 15, 2). Letztere verlängert sich alsdann zur kurzen Stäbchenform, ihre Gallerthülle zum Ellipsoid, und hierauf tritt eine Theilung des Stäbchens in 2 Coccen ein (Fig. 15, 3), die sich dann ihrerseits verlängern und theilen. (Fig. 15, 4.) Durch Fortsetzung dieses Prozesses kommt eine Coccenkette zu Stande mit cylindrischer cellulosiques et sur le röle probable du sucre dans la veg£tation. (Ann. des sc. 6 ser. t. II. pag. 266.) I) Mit diesen Gallertstöcken dürfen nicht verwechselt werden ähnliche, von Clostridium poly- myxa, von Ascococcus Billrothüi und von Bacterium tımescons ZopF auf demselben Substrat ge- bildete und bisweilen in Gesellschaft von Zewconostoc auftretende Gallertmassen. SCHENK, Handbuch der Botanik. II. 4 50 Die Spaltpilze. oder ellipsoidischer Hülle (Fig. ı5, 4 5). Später, wenn Theilung und Vergallertung noch weiter gehen, krümmt sich die Coccenkette mehrfach und zerfällt in kürzere oder längere Stücke (Fig. ı5, 6). Ob die Coccen aus den Hüllen ausschwärmen, ist noch nicht ermittelt. In der Nährflüssigkeit werden eine so grosse Anzahl der oben beschriebenen kleinen Zoogloeen gebildet, dass sie sich schliesslich berühren und mit einander verkleben. Auf die- sem Wege entstehen kleine Zoo- gloea-Ballen von etwa parenchy- matischer Structur. (Fig. ı5, 7.) Auch diese können später zu- sammentreten und grössere Klum- pen bilden. Die Zusammen- lagerung der kleinen und grösseren Klumpen erfährt besondere Be- schleunigung, wenn auf das Nähr- material Erschütterungen einwir- ken. Denn dadurch stossen die Zoogloeen aufeinander um so- gleich aneinander zu adhäriren. Die irrthümliche Meinung, dass der Froschlaichpilz binnen sehr kurzer Zeit, z. B. innerhalb (B. 302.) 4 Stunde, entstehen und sich zu Froschlaichpilz. (Nach van TIEGHEM und Cıenkowskı.) grossen die Rübensaftbehälter ı Sporen. 2 Sporen nach der Auskeimung, mit stark erfüllenden Gallertmassen ent- vergallerteter Membran. 3 4 5 6 Successive Stadien _: , a BI der Coccentheilung und Vergallertung bis zu gekrümm- wickeln könne, beruht einzig und ten Formen. 7 Ein Glomerulus von kleinen Zoo- allein auf dem Umstande, dass gloeen. 8 Durchschnitt durch ein älteres Stadium einer dje kleinen, im isolirten Zustande zusammengesetzten Zoogloea mit ziemlich langen torula- j A artigen Fäden. 9 Coccenketten von einzelnen Sporen dem blossen Auge völlig entgehen- unterbrochen, die sich vor den Coccen durch ihre den Zoogloeen beim Schütteln, RO SERRIENNER. bei Stössen u. s. w. durch schnelle Vereinigung zu Klümpchen und zu grösseren compacten Massen fast augen- blicklich in die Erscheinung treten. Die Zoogloeamassen besitzen eine derartige knorpelähnliche Consistenz, dass man mittelst des Rasirmessers Querschnitte machen kann. Die Gallerte ist an sich vollkommen hyalın, wird aber in Rübensaft häufig durch oberflächliche Ab- lagerung fremder Substanzen grau bis schwärzlich. Behandlung mit einer wässrigen Lösung von Campecheholzextrakt hat Braunfärbung, Anwendung von Kupfer- oxydammoniak blaue Tinction zur Folge. Die chemische Formel der Substanz (die SCHEIBLER Dextran nannte) ist C12H10010. Nach längerer Zeit zerfliesst die Gallert und die Coccen werden frei. In geeignete Nährlösung gebracht, produciren sie wieder neue Colonien. Ausser diesen vegetativen Zuständen, die übrigens zu ihrer Entwicklung des Luftzutritts bedürfen, kennt man noch die von van TIEGHEM gefundene Dauer- sporenbildung. Sie tritt ein in einem erschöpften oder für die Weiterentwicklung der Zoogloeen ungeeigneten Substrat, und zwar in der Weise, dass während die er Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 51 Gallert sich erweicht, hie und da eine Zelle der Kette sich zunächst vergrössert, (Fig. 15, 9.) ihre Form beibehaltend. In dieser entsteht nun die Spore, welche ‚jene ganz ausfüllt. Die Sporenmembran verschmilzt sodann mit der Membran der Mutterzelle und verdickt und cuticularisirt sich später, während ihr Inhalt starkes Lichtbrechungsvermögen annimmt. Nach der Auflösung der Gallerthülle werden die Sporen frei. Il. Bacteriaceen. Gattung I. Bacterium. 1. Bacterium aceti (Kütz.) -- Essigpilz — Essigferment.!) Sein Entwicklungskreis umfasst nach Hansen’s und eigenen Beobachtungen: 1. die Micrococcusform, 2. die Kurzstäbchenform, 3. die Langstäb- chenform, 4. die Leptothrixform, welche sämmtlich Zoogloeabildung in Form der Kahmhaut eingehen können. Die beiden erstgenannten Formen lassen sich an demselben Faden nachweisen (Fig. Aa) und bilden überdies einen Schwärmzustand. Eingehendere Untersuchungen dürften aller Wahrscheinlichkeit nach zur Auffhdung noch anderer Entwicklungsstadien führen, wenigstens einer Dauersporenbildung. Bemerkenswerth und für den Essigpilz fast geradezu charakteristisch erscheint der Umstand, dass die längeren Stäbchen sowohl, als die Fadenzustände häufig abnorme Gestalt annehmen, indem die cylindrische Form einer mehr oder minder bauchigen Aufschwellung weicht. Dabei verdickt sich die Membran meistens etwas, und der Inhalt erhält einen grauen Ton und matten Glanz. Solche Formen machen den Eindruck, als seien sie zu weiterer Entwicklung unfähig.?) Ihr genetischer Zusammenhang mit den normalen Stäbchen- und Micro- coccen-Zuständen lässt sich oft, wie auch HANnsEN zeigte, schon an demselben Faden nachweisen. (Fig. 16, B.) In physiologischer Beziehung spielt der Essigpilz insofern eine bedeut- same Rolle, als er, wie PAsTEUR entdeckte, den Alkohol in gegohrenen Getränken (unter- und obergährigen Bieren, Wein und anderen Fruchtsäften) zu Essıgsäure zu oxydiren vermag, eine Fähigkeit, die man sonst bei keinem der niederen Pilze wieder antrifft.?) Der für diesen Oxydationsprozess nöthige Sauerstoff der Luft wird von den an der Oberfläche des Substrats vegetirenden Zellen auf letzteres übertragen. (Oxydations-Gährung.) Auf allen jenen Nährsubstraten bildet das Essigferment eine continuirliche Zoogloea von der Form einer Membran (Essig- kahmhaut, Essighäutchen, Essigmutter), die bei längerer Cultur eine Dicke von 50 selbst 100 Millim. erreichen kann (und nicht zu verwechseln ist mit der Kahmhaut des Sprosspilzes Saccharomyces mycoderma). Auf die Fähigkeit des Pilzes Essigsäure zu bilden gründet sich die namentlich in Frankreich übliche Schnellessigfabrikation: Man lässt über grosse zu- sammengerollte und über einander geschichtete Holzspähne, die der Luft viele !) Literatur: E. Chr. Hansen, Meddelser fra Carlsberg — Laboratoriet; 2. Heft, 1879, u. das hierauf bezügliche Resume: Contributions ä la connaissance des organismes qui peuvent se trouver dans la biere et le moüt de biere et y vivre. — PASTEUR, Etudes sur les vins; Comptes rends. 18. Jan. 1864. — CoHn, Untersuchungen über Bacterien in Beiträge z. Biologie. Band I. Heft I, pag. 172. — NÄGELI, Theorie d. Gährung. pag. 49. 2) Man vergl. auch Bacterium cyanogenum in Bezug auf diese abnormen Zustände. ®) Die frühere Annahme, dass auch kahmhautbildende Sprosspilze den Weingeist zu Essig- säure verbrennen könnten, ist nach NÄGELI unhaltbar. 4? 52 Die Spaltpilze. Berührungspunkte bieten, und mit der Essigmutter überzogen sind, eine mit etwas Zucker versetzte, verdünnte gegohrene Flüssigkeit (das sogen. Essiggut: Trauben- wein, Obstwein, gegohrener Malzauszug, Bier, Branntwein) sickern. Der Zucker dient dazu, die Spaltpilze zu ernähren. [N Zur Fortsetzung des Prozesses ist als EÄRR. % Nahrung nur etwas Essig nöthig. Im ee % A Allgemeinen wirkt nach HAnsEn eine En, N erhöhte Temperatur von 30— 35°C. am u... R günstigsten auf die Entwicklung des e e * Pilzes. In untergährigen Bieren lässt er 9 B i & sich bei dieser Temperatur meist in go %® 8 4 R vollkommener Reinheit erziehen und 08? & u schon nach 2—3 Tagen ist in unbe- ar? R H E deckten Gefässen eine schöne Kahm- % 09 haut gebildet. 2 F r ö Dem Essigpilz mangelt nach NÄGFLI ° : auch das Vermögen nicht, die Essigsäure RN en schliesslich zu Kohlensäure und Wasser zu verbrennen, aber es macht sich das- (B. 303.) Fig. 16. selbe nur in geringem Maasse geltend, Essigpilz. 900:1. A normale Fadenzustände, da in der Kahmhaut nur die unmittelbar bei ain Langstäbchen, Kurzstäbchen und Coccen, A Oberfläc 1 ] : bei b in Kurzstäbchen, die in Zweitheilung be- g: h ETHACHE EE3EBENCHL Er griffen sind, bei c in Coccen gegliedert. BFäden der Luft in Berührung stehenden Zellen mit abnormen, stark bauchigen Gliedern (In- dies thun können. Daher nimmt selbst Volutionsformen).. C Coccenhaufen, D Stäb- 3 > : henhaufen. (N. d. Nat.) während eines Jahres der Essiggehalt einer Essigpilz-Cultur nicht wesentlich ab. Bemerkenswerth ist das Verhältniss in welchem Essigpilz und Spross-Kahm- pilz bezüglich ihres Auftretens stehen. Während nämlich auf neutralen oder schwach sauren Flüssigkeiten (z. B. Bier) Essigpilz und Kahmpilz gleichzeitig sich einstellen, oder der Essigpilz dem Kahmpilz in der Entwicklung vorangeht, er- scheint auf stärker sauren Flüssigkeiten (auf den meisten alkoholarmen Weinen) zunächst der Kahmpilz, und später erst, nachdem letzterer die Säure verzehrt hat, tritt Bacterium aceti auf, um Essigsäure zu bilden. Der Kahmpilz hat in diesem Falle die Function, dem Essigpilz den Boden zu bereiten. 2. Bacterium Pastorianum HaANSEN. Morphologisch mit der vorigen Art in allen Punkten völlige Uebereinstimmung darbietend verhält sich diese Species nach Hansen (l. c.) in physiologischer Be- ziehung insofern durchaus anders, als sie in ihren Zellen eine stärkeartige, mit Jod sich bläuende Substanz aufspeichert. Der Pilz gedeiht sowohl in Bierwürze, wie in ober- und untergährigen Bieren, entwickelt sich aber in dem ersteren Substrat, sowie in Bieren, die relativ reich an Extrakt und arm an Alkohol sind, (Weissbier, süsses Doppelbier), leichter als 2. acef. In alkoholreichen unter- gährigen Bieren und im Weinessig, wo letzterer häufig auftritt, hat Hansen das B. Fast. sich nie spontan entwickeln sehen. 3. Bacterium Fitzianum ZoPrF = Glycerinaethylbacterie.!) Sie kommt auf Pflanzentheilen, namentlich dem Heu vor, in Gesellschaft vom Heupilz, Buttersäurepilz u. a. Zu ihrer Gewinnung lässt man nach BUCHNER I) Fırz, Ueber Schizomycetengährungen III. Berichte der deutschen chemischen Gesells ch aft, Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 53 Heuaufguss ungekocht im Zimmer stehen. Von der sich nach einigen Tagen bilden- den Decke, welche neben jenen Formen auch die Fırz’sche Bacterie enthält, trägt man eine kleine Menge in sterilisirte Lösung von 2% N 0 Fleischextrakt und 5# Glycerin unter Zusatz von etwa 109 kohlensaurem Kalk (zur Neu- TED DEN. 3. tralisirung der bei der Gährung entstehenden Säuren) über. Bei STERIEEED, a Kar an RETTET. 36°C. stelltsich lebhafteGährung BE # 3 ein, bei welcher Aethylalkohol SS EDER RIED gebildet wird. Mehrfach fortge- d setzte Uebertragung in dieselbe Nährlösung führt zur Reinkultur. Der Gährungsprozess verläuft so lebhaft, dass er bei 36° seinen Höhepunkt schon in 24 Stunden erreicht. Von Entwicklungsformen sind durch BuUCHnER aufgefunden Coccen, Kurzstäbchen, Langstäb- chen (a bc) und Fadenformen e. Zwischen den ersteren Formen finden sich allmähliche Ueber- Glycerinaethylbacterie. (Nach BUCHNER.) 4000 ::1. X ß Y a, b Coccenform mit allen Uebergängen zur Kurz- und gänge (ab). Die Stäbchen lassen Langstäbchenform. c Langstäbchen mit z. Th. etwas die streng cylindrische Gestalt verbogenen Enden. e Langstäbchen zu Fäden ver- der Stäbchen anderer Bacterja- bunden. f, g kugelige und ellipsoidische Coccen. d F dauersporentragende Stäbchen; a—b und e—f aus einer ceen vermissen. Der (uerdurch- jebhaft gährenden Lösung von 2% Fleischextrakt und messer der Formen beträgt etwa 54 Glycerin mit Zusatz von kohlensaurem Kalk, d Spo- > renbildung in 0,52 Fleischextraktlösung. Fig. 17. (B. 304.) ı mikr. In den Stäbchen ent- stehen bei Cultur in 0,5% Fleischextrakt Sporen von ellipsoidischer Gestalt. 4. Bacterium cyanogenum (Fuchs) — Pilz der blauen Milch.!) Am bekanntesten und auffälligsten ist sein spontanes Auftreten in der Kuh- milch, wo er eine zur »Bläuung« dieses Nährmediums führende Gährung her- Bd. 9. (1878.) pag. 49. BUCHNER, Beiträge zur Morphologie der Spaltpilze in NÄGEL1’s Unter- suchungen über niedere Pilze. pag. 220. I) Literatur: PARMENTIER und DEYEUx, Untersuchungen und Bemerkungen über die ver- schiedenen Arten der Milch. Aus dem Franz. von Dr. SCHERER. Jena 1800. — CHABERT et FROMAGE, D’une alteration du lait de vache, designee sous le nom du lait bleu. Paris 1850. — HERMBSTAEDT, Ueber die rothe und blaue Milch. Leipzig 13833, in ERDMANN’s Journ. für tech- nische und oeconomische Chemie. Bd. 18. — STEINHOF, Ueber das Blauwerden der Milch, Neue Annalen der Mecklenb, landwirthsch. Gesellschaft. 1838. — Fuchs, Beiträge zur näheren Kenntniss der gesunden und fehlerhaften Milch der Hausthiere. — GURLT’s u. HERWIG’s Magazin für die gesammte Thierheilkunde. Bd. VI. 2. — GiIELENn, Kur der blauen Milch der Kühe. Mag. f. ges. Thierheilk. Bd. 8. 2. — HAUBNER, Wissenschaftliche u. praktische Mittheilungen. Mag. f. d. ges. Thierheilk. Bd. ı8. 1852. — MOosLErR, Ueber blaue Milch und durch deren Genuss herbeigeführte Krankheiten, VIRCHOW’s Archiv. Bd. 43. 1868. Die Hauptschrift über den Gegenstand ist: NEELSEN, Studien über die blaue Milch (in Conn, Beitr. z. Biolog. Bd. II. Heft II.) Man vergl. noch: SCHROETER, Ueber einige durch Bacterien gebildete Pigmente (Beitr. 54 Die Spaltpilze. vorruft. Häufiger denn anderwärts scheint nach NEELSEN dieses Phänomen in der norddeutschen Tiefebene, speciell im Küstengebiet der Ostsee aufzutreten. Es hält sich unter den gewöhnlichen wirthschaftlichen Verhältnissen, d. h. bei Aufbewahrung der Milch in Milchkammern, nur in der warmen Jahreszeit, um in den kälteren Monaten zu verschwinden. In kleinen Wirthschaften aber, wo die Aufbewahrung in warmen Räumen (Wohn- und Schlafstuben) erfolgt, kann die Erscheinung auch im Winter bestehen, und man kennt Fälle von vieljähriger ununterbrochener Dauer in derselben Wirthschaft. Die alte Ansicht, dass die Ursache der Bläuung in einer Erkrankung der Kühe zu suchen, oder auf den Genuss von gewissen Weidepflanzen zurückzuführen sei, die einen dem Indigo ähnlichen blauen Farbstoff enthalten, wurde zuerst von Fuchs wider- legt, durch den Nachweis, dass ein Organismus in der blauen Milch lebe und durch Impfung mit einem Tröpfchen solcher Milch in grossen Mengen frischer Milch der Bläuungsprozess künstlich hervorgerufen werden könne. HAUBNER, ERDMANN und NEELSEN bestätigten dieses Ergebniss und lehrten überdies andere Substrate kennen, auf denen sich der Pilz eben so gut entwickelt und gleich- falls Bläuung hervorruft. Dahin gehören: Kartoffeln, Reissbrei, Stärke, aus Bohnen dargestelltes Pflanzenkasein, Mandelmilch u. a. Sie zeigten andererseits, dass sich der Pilz auch auf Glycerin, Zuckerlösung, Gummilösung, Altheeschleim, Quittenschleim etc. überimpfen lässt, wo er gut gedeiht, indessen ohne Bläuung zu bewirken. Von hier aus auf Milch übergeimpft, ruft er widerum intensive Blaufärbung hervor. Aus den Untersuchungen ERDMANN’S und NEELSEN’s ergibt sich, dass das Pigment in verwandtschaftlichen Beziehungen steht zu blauen Anilinfarben, sowohl hinsichtlich seines chemischen als auch seines spektroscopischen Verhaltens. Gegenüber von Licht, Luft und der Entwickelung fremder Organismen (wie z. B. Oidium lactis) in dem schliesslich sauer werdenden Substrat zeigt er sich unbeständig. Eine giftige Wirkung scheint der Genuss blauer Milch nicht zu äussern. Das eigentliche Material zur Bildung des Farbstoffes ist nach ERD- MANN das Eiweiss, nach NEELSEN die Milchsäure, der Käsestoff ist nach ihm nur insofern bei der Farbenbildung betheiligt, als er bei seiner Zersetzung das nöthige Ammoniak liefert. Der Farbstoff ist nicht an die Bacterien gebunden, sondern in dem Serum der Milch gelöst. Bedingung für seine Bildung ist Gegenwart von Sauerstoff, denn wenn man geimpfte Milch mit Oel bedeckt, erfolgt keine Bläuung. Die Entwickelungsgeschichte bietet nach NEELSEN folgende Momente dar. Untersucht man geimpfte Milch kurz vor dem Blauwerden oder wenn eben erst ein bläulicher Schein entsteht, aber noch keine Gerinnung stattfindet, und die Reaction nur erst schwache Säurebildung anzeigt, so finden sich in der Milch constant kurze, 2,5—3,5 p. lange gerade oder gekrümmte Stäbchen, und zwar in grosser Anzahl. (Fig. 18, A.) Sie gehen ein Schwärmstadium ein und besitzen, nach ihrer Bewegungsart und den Strudeln zu schliessen, an jedem Pole eine Cilie. Die gekrümmten bewegen sich in Richtung einer Schraubenlinie und vermehren sich sammt den geraden reichlich durch Streckung und Theilung, zunächst immer wieder Stäbchen bildend. Später, wenn die Säuerung der Milch und gleichzeitig die Bläuung intensiver geworden, tritt die Schwärmfähigkeit z. Biolog. Bd. I. Heft II.) und ErpMmann, Bildung von Anilinfarben aus Proteinkörpern (Journ. f. prakt. Chemie. Bd. 99. Heft 7 und 8.) Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 55 der Stäbchen zurück und die Tochterstäbchen bleiben in der Regel zu Fäden verbunden (Fig. 18, C.) Schliesslich theilen sich die Stäbchen in Micro- coccen und stellen nunmehr die Torula-Form dar. (Fig. ı8, D.) Mit ee, der Bildung der Coccen ist der Ent- E wickelungscyclus der Pflanze in der be- treffenden Cultur zum Abschluss ge- kommen. Setzt man die Coccen in frische Milch, so wachsen sie wieder zu Stäbchen heran. Die Reihe der Generationen bis zur Coccenbildung wird etwa innerhalb 4—5 Tagen durch- laufen. Nach dieser Zeit findet man wenigstens die grosse Mehrzahl der Stäbchen in Micrococcen getheilt, und zugleich hat die Blaufärbung den höch- sten Grad erreicht. Versetzt man die Stäbchenschwärme unter ungünstige Nährverhältnisse, 0 ., ni SFR .. eh FRRRER Fig. 18. (B. 305.) BL RR RN. Bacterium cyanogenum. A Schwärmende Br geben sie ihren Schwärmzustand Stäbchen aus der blauen Milch. B Ruhende auf und gehen eine verfrühte Coccen- Stäbchen mit Gallerthülle, Zoogloeen bildend bildung ein. Man stellt solche un- (aus blauer Milch). C Verbände von Kurz- stäbchen aus blauer Milch. D Verbände von günstigen Bedingungen s B. durch Coccen aus blauer Milch. E Schwärmende Luftabschluss (Uebergiessen der Coccen aus blauer Nährlösung. F Stäbchen mit blauen Milch mit Oel) oder durch beginnender Sporenbildung aus CoHn’scher Nähr- lösung. G Stäbchen mit vollendeter Sporen- Einbringen in eiweisslose Nähr- bildung aus demselben Substrat. H Involutions- lösungen (z. B. Zuckerlösung, Gummi- formen aus CoHn’scher Lösung und Aa@ä nitricum. lösung, Glycerin) her. Diese Coccen ee a zeigen übrigens in Milch gebracht, normale Entwickelung. Es wurde auch ein Zoogloea-Zustand beobachtet, wenn auch zunächst nur für die Stäbchenform.!) Er entsteht durch Zusammenlagerung der Stäbchen und Bildung einer dicken Gallerthülle an letzteren (Fig. ı8, B), innerhalb deren sie sich theilen. Ein Zusammenfliessen der Membranen findet nicht statt. Nach starker Quellung der Gallert, wie man sie auch künstlich durch Wasserzusatz hervorrufen kann, gehen die Stäbchen in den Schwärmzustand über. In der gewöhnlichen Milch kommt es nur zur Bildung der vegetativen Zustände. Die Fructification inDauersporen erfolgt nach NEELSEN in stark ver- dünnter blauer Milch und in anderen Nährmedien, in denen der Pilz zwar entwickelungsfähig ist, aber niemals das blaue Pigment bildet. Zu solchen Nähr- substraten gehören die CoHn’ sche Lösung, Altheeschleim, Quittenschleim etc. Man erhält die Sporenbildung, sowohl wenn man diese Substrate mit Stäbchen, als auch wenn man sie mit Coccen impft. Schon nach ı2 Stunden entsteht an dem Niveau der Medien eine dicke weisse Schicht, welche aus Stäbchen be- steht, die ı4 bis 2 mal so lang sind, wie die der blauen Milch und Schwärm- fähigkeit und Theilung zeigen. Nach 24 Stunden etwa sind die schwärmenden Stäbchen in Sporenbildung begriffen. Sie wird nach NEELSEN’s nicht ganz klarer Darstellung eingeleitet dadurch, dass die Zellen am Ende etwas aufschwellen und W) Jedenfalls giebt es bei diesem Pilz auch eine Cocenzoogloea. 56 Die Spaltpilze. das Plasma sich nach Bildung einer Vacuole z. Th. an der Spitze des Stäbchens sammelt und mit Membran umgiebt. Die Spore soll bei der Keimung sich zum Stäbchen verlängern, doch ist der Prozess noch genauer zu studiren. 5. Bacterium merismopedioides ZoPF.!) Dieser Pilz wurde im Aufguss von stinkenden Schlammmassen (aus der Panke zu Berlin) erhalten. Er bildet Fäden, deren Dicke nicht constant ist, sondern zwischen ı und ı,5 mikr. schwankt. Sie zeigen Gliederung in Langstäbchen, dann in Kurzstäbchen und endlich ın Coccen. Es ist klar, dass, da die Fäden verschiedenen Durchmesser zeigen, auch die Coccen entsprechend in der Grösse variiren müssen. Letztere werden durch gegenseitige Abrundung frei und gehen einen lebhaften Schwärmzustand ein. Zur Ruhe gelangt bilden sie an der Oberfläche des Wassers durch fort- gesetzte Theilung nach einer Richtung es: os des Raumes Haufen, welche ein ober- see flächliches Häutchen bilden, später 2 H durch Theilung nach 2 Richtungen des Raumes die höchst charakteristischen Tafel-Colonien, welche den Täfel- chen eines Merismopedia-artigen Phyco- chromaceen - Zustandes morphologisch vollkommen ähnlich sehen. Diese Co- lonien, deren Entwicklung Fig. ı8 D—] darstellt, bestehen mitunter aus 64x64 Zellen und darüber. Ihre Membranen vergallerten mit der Zeit. Bei dichter Lagerung der Colonien verschmelzen ihre Gallerthüllen mit einander und so entsteht eine continuirliche Tafel- zoogloea, die stets an der Oberfläche des Wassers auftretend eine dünne Kahmhaut darstellt. Ich erhielt die- selbe meist in absoluter Reinheit. HLOONDDEDODOSDDHODEHEOO !&ı > AIIIIBIIDIIIEIEITDIEHIEN N 0800 & 20%o0990008 809 3 Fig. 19. Bacterium merismopedioides. Faden, welcher Langstäbchen, Kurzstäbchen und (B. 306.) 900:1. A Ein Coccen gleichzeitig zeig. B Ein Faden, der bereits überall in Coccen getheilt erscheint. B! Ein Faden, dessen Coccen sich bereits ver- schieben und isoliren. C Isolirte Coccen eines solchen Fadens, zu einem unregelmässigen Häuf- chen vereinigt. D-—-H successive Zustände der Bildung von Tafel-Colonien. I Mittelgrosse Colonie, aus 32 Tetraden (Gruppen von je 4 Zellen) bestehend. Stäbchen und Fäden. Die Coccen schwärmen unter ge- eigneten Nährverhältnissen (in frischem Schlammaufguss) ausden Tafelzoogloeen aus, und entwickeln sich wiederum zu Sporenbildung noch nicht bekannt.?) 6. Bacterium subtile (EHRB.)’) Heupilz — Heubacterium. A. Heupilz i. e. S. Der Heupilz hat in der Natur eine grosse Verbreitung, da er überall auf den oberirdischen Theilen lebender und todter Pflanzen anzutreffen ist, nament- I) Ueber Bacterium merismopedioides — Sitzungsberichte des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg. Juni 1882, mit 2 Mikrophotographieen (des Separatabzuges). ?) Die Coccenform ist ohne Zweifel identisch mit Merismopedia hyalina KützınsG (Tab. phyc. V. Taf. 38. Fig. 1). .3) Literatur: CoHN, Untersuchungen über Bacterien; Beiträge zur Biologie Bd. I. Heft 2. 1876. — BREFELD, Untersuchungen über Spaltpilze; Sitzungsber. d. Gesellsch. naturf. Freunde Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 57 lich auch auf dem Heu verkommt. Er wird von den herbivoren Thieren mit der Nahrung aufgenommen und findet sich daher reichlich auch in den Excre- menten derselben. In Infusionen der genannten Substrate (Heu, Excremente) entwickelt er sich sehr üppig und bildet an der Oberfläche derselben eine Kahm- haut. Um den Pilz sicher und rein zu erhalten bedient man sich am besten folgender von ROBERTS und BuUCHNnER empfohlener Methode: I. 4stündiges Verweilen des mit möglichst wenig Wasser übergossenen Heues bei 360 C. 2. Abgiessen des Extraktes (nicht Filtriren) und Verdünnung bis zum spec. Gewicht 1,004. 3. Einstündiges Kochen im mit Watte verschlossenen Kolben bei geringer Dampfentwicklung. 4. Stehenlassen des Aufgusses (500 ccm., nicht weniger) bei 36°. Nach 28 Stunden wird meistens schon die Kahmhaut gebildet. Ist der Aufguss zu To l stark sauer, so muss er vor dem Kochen mit A en l kohlensaurem Natron neutralisirt werden. Z ) Von vegetativenEntwicklungs- 7 | zuständen kennt man die Coccen- | Stäbchen und Fadenform. Ueber- 1 dies erzeugt der Heupilz Dauersporen. N Die Sporen (Fig. 20, F, a) sind M ellipsoidisch; ı,2 mikr. lang, 0,6 mikr. N breit und wie alle Spaltpilzsporen stark l lichtbrechend und mit einem zarten Gallerthofe versehen,- der wie bei den vegetativen Formen eine gequollene ! Membranschicht repräsentirt. Bei der u en von BREFELD genau verfolgten Keimung Yu schwellen sie unter Verlust ihres Licht- IR H RL NR, glanzes etwas an und zeigen zunächst I, a 2 an den beiden Polen eine schwache | A NN Wo Dunkelung (F, b). Dann zerreisst die ER £;; Un in Dt: . äussere Schicht der Haut (Exosporium) GG BEINE: Fa ss und die zarte Innenhaut stülpt sich er- FD BI füllt vom Sporeninhalt etwas heraus, um sich bald zum Kurzstäbchen zu formen (F, cd). Da die Zerreissung an einer äquatorialen Stelle der Sporenhaut erfolgt, so steht die Achse des Keim- 3 B x y : g Bacterium subtile. A Stäbchenschwärmer mit stäbchens senkrecht auf der Sporen- ihren Cilien. B Fadenzustände, in Langstäbchen achse. Das Keimstäbchen, nach seiner gegliedert. C Fäden in Langstäbchen, Kurz- Bildung noch in der Sporenhaut stecken ‘ibchen und Coccen gegliedert. D Faden, i 3 dessen Stäbchen Sporenbildung zeigen. E Sporen bleibend oder dieselbe verlassend, streckt mit der vergallertenden Stäbchenmembran (zu sich und theilt sich alsbald durch eine stark schraffirt). F, a Sporen vor der Keimung, Querwand in 2 Tochterstäbchen, die b, c, d Keimungsstadien. G Stück der kahm- 5 } i j hautartigen Zoogloea. (A—F nach d. Nat. 600:1; sich trennen oder in Verbindung bleiben G nach BREFELD, 200:T). zu Berlin. 1878. Bot. Zeitung 1878. Derselbe. Bacillus subtilis. Schimmelpilze. Heft IV. — PRAZMOWsKI, Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte und Fermentwirkung einiger (B. 307.) Bacteriumarten. Leipzig 1830. — BUCHNER, Ueber die experimentelle Erzeugung des Milzbrandes aus den Heupilzen. Beiträge zur Morphologie der Spaltpilze, in NÄGELI, Untersuchungen über niedere Pilze. München 1882. 58 Die Spaltpilze. und ihrerseits Zweitheilung eingehen u. s. f. Bald bleiben die Theilungsprodukte vereinigt zu kürzeren oder längeren Fäden (B, C), bald trennen sie sich theilweise, zickzackartig gebrochene Ketten darstellend, bald finden vollständige Trennungen statt. Man sieht den Fäden und gebrochenen Ketten oft noch lange die leere Haut der Spore anhängen, aus der sie hervorgingen. In dem Zustande, wo der Pilz intensive Zersetzungswirkungen im Substrat äussert, kommt es theils gar nicht, theils vorübergehend zur Bildung langer Fäden. Möglichste Fragmentirung in längere mehrzellige Stücke oder gar ein- zellige Glieder ist hier die Regel. Es hängt dies zu einem wesentlichen Theile mit dem Umstande zusammen, dass die Stäbchenreihen und einzelnen Stäbchen den Schwärmzustand eingehen, der sich morphologisch in der Bildung von Cilien ausspricht. An kürzeren, gebrochenen oder nicht gebrochenen Zellreihen besitzen die Endstäbchen am freien Pole je eine Cilie (A); freie Stäbchen sind an jedem Pole mit einer Cilie ausgerüstet (A). Ob die schwärmenden Zustände nur bei der Stäbchenform auftreten, oder auch der Coccenform zukommen, ist noch nicht festgestellt. Die Gegenwart von Schwärmstadien ist schon makroscopisch und zwar an der Trübung der Nährlösung zu erkennen. Die darauf folgende Klärung ist ein Anzeichen, dass die Stäbchen sich an der Oberfläche der Flüssigkeit ansammeln. Hier unmittelbar mit der Luft in Berührung kommen sie zur Ruhe und bilden durch fortgesetzte Theilung Fäden, welche sich in einer Ebene neben einander lagern, vergallerten und so eine kahmhautartige Zoogloea dar- stellen (G). Die längern stäbchenförmigen Glieder gliedern sich in der Kahmhaut in kürzere Stäbchen und sodann, wie BUCHNER zeigte und ich selbst sah, in Coccen (Fig. 20, Bu. C). Um letztere recht deutlich zu machen hat man sich der Rea- gentien (alkoholische Fuchsinlösung, Jodlösung etc.) zu bedienen. In der Zoogloeahaut tritt bald die Bildung von Dauersporen auf, und zwar, soweit die bisherigen Untersuchungen reichen, nur in den längeren Stäbchen (D). Sie schreitet von den oberen Schichten der Haut nach den unteren hin vor. Der Modus der Sporenbildung ist der bekannte (siehe das Kapitel über Sporen- bildung), Nach der Ausbildung der Sporen schrumpft die Haut der Mutter- stäbchen, um zuletzt allmählich zu vergallerten (E). Die Kahmhaut sinkt jetzt in ihrer ganzen Ausdehnung oder in Fetzen zerreissend zu Boden. Unter gewissen Bedingungen (s. weiter unten) erfolgt das Auftreten von ab- norm gestalteten Zellen. Sie zeichnen sich entweder durch stärkere Rundung der Pole aus oder durch unregelmässige Ausbauchungen; bald erscheinen sie kurz- bald lang-ellipsoidisch, bald kugelig, bald im Aequator stark eingeschnürt oder besitzen ganz regellose Contouren. Dabei verdickt sich ihre Membran und ihr Inhalt nimmt einen fettartigen Glanz an. Unter den Nährstoffen ist nach BUCHNER in erster Linie Eiweiss resp. Pepton zu nennen. Der Pilz producirt ein Ferment, welches coagulirtes Eiweiss zu lösen und in Pepton überzuführen im Stande ist. Wirft man Stücke gekochten Hühner-Eiweisses in eine Heupilzcultur, so werden die- selben nach einiger Zeit durchsichtig und zerfallen schliesslich vollständig. Die Zersetzung von Eiweiss durch Bacierium subtile hat Aehnlichkeit mit der eigentlichen Fäulniss, ist jedoch nicht mit ihr identisch, wie schon daraus hervorgeht, dass keine eigenthümlich-widrigen, sondern nur rein ammoniakalische Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 59 Gerüche bei diesem Prozess erzeugt werden. Für die Culturen verwendet man das Eiweiss am Besten in Form von Fleischextrakt. (1—54.) Auch gewisse einfachere krystallisirende Verbindungen vermag der Pilz nach BuUcHNneEr noch zu assimiliren, wie Leucin, Asparagin, bernsteinsaures Ammoniak etc. Doch sagen diese Nährmittel dem Pilze wenig zu. Zuckerzusatz zu diesen, wie zum Fleischextrakt begünstigt das Wachsthum erheblich.!) Nach vielseitigen Versuchen BREFELD’s, PRAZMOWSKTs und BUCHNER’s darf es als sichergestellte Thatsache gelten, dass der Heupilz in Lösungen der ver- schiedensten Kohlehydrate keinerlei Gährung zu bewirken im Stande ist.?) Damit stimmt auch das von jenen Experimentatoren gefundene Ergebniss, dass der Heupilz zu seinem Wachsthum entschieden des Sauerstoffes bedarf (denn nur Gährungserreger können denselben, sobald sie ihre Gährwirkungen ausüben, entbehren). Bei Sauerstoffmangel geht der Pilz zu Grunde. Der Einfluss der Ernährung auf die Formgestaltung tritt auch bei vorliegendem Pilze zu Tage. So schwankt nach BucHnEeR schon der makroscopische Charakter der Decke nach der Art des Aufgusses oder der künstlichen Nährlösung. Je nach- dem die Bereitung eines Heuaufgusses mit heissem oder kaltem Wasser oder mit Wasser von einer mittleren Temperatur geschieht, ferner je nachdem man vor- wiegend junge, grasartige, oder ältere, mehr holzige Stengeltheile verwendet, fällt die Kahmhaut verschieden aus, weil die Menge der gelösten Stoffe, nach diesen Zubereitungsarten differirt. Bald erscheint die Oberfläche der Haut völlig trocken, stark gerunzelt und mit dicht stehenden, tiefen Falten; bald ist sie schleimig, nass und vollständig glatt. Bald zeigt die Haut eine gewisse Consistenz, bald wird sie schon durch leise Erschütterung in Flocken aufgelöst. Auch die Farbe wechselt nach dem Substrat; sie ist hier mattweiss, dort grau oder gelblich, oliven- grün, ja selbst braun bis schwarz. In wenig zusagenden Nährlösungen (Asparagin, Leucin etc.) erfolgt überhaupt keine Kahmhautbildung. Aber auch der mikroscopische Charakter der Elemente des Pilzes wechselt nach der Art der Nährlösung und der Reaction desselben. Es erfahren nämlich nicht bloss die Dimensionen, sondern auch die Gestaltungsweise Aen- derungen. Hier einige Beispiele nach Buchner: ı. 52 Fleischextract, alkalisch. Die Glieder der Fäden in der Kahmhaut dünn und lang, o,5 mikr. breit, 6—ıo mikr. lang. (Bei Jodzusatz kürzeste Glieder ı,5 mikr., längste 4,0 mikr. lang. 2. Heuaufguss (Heu mit vorwiegend holzigen Stengeltheilen 4 Stunden bei 36° C. extrahirt).. Spec. Gew. des Extrakts 1,004. 24 Stunden bei 22°C. eultivirt. Die Glieder der Fäden doppelt so dick, wie bei ı, nämlich 1,0 mikr., ız mikr. und darüber lang. (Bei Jodzusatz kürzer.) 3. Heuaufguss (Heu mit vorwiegend grasigen Theilen, 4 Stunden bei 36° C. extrahirt). Spec. Gew. 1,006. 24 Stunden bei 36° C. cultivirt. Breite der Glieder 0,9—ı1,0o mikr. Länge 2,0—5,o mikr. Die Ellipsoidform der Stäbchen sehr häufig. (Bei Jodzusatz Zerfall in Glieder von 1,2—1,5 u Länge. I) So kann man z. B. verwenden 0,19 Fleischextrakt mit 5% Zucker oder 0,1% Asparagin mit 5% Zucker (und natürlich den nöthigen Mineralsalzen). 2) Die Conn’sche Behauptung, er könne Buttersäure hervorrufen, sowie die von FITz, dass er Glycerin zu Alkohol vergähren könne, müssen demnach fallen gelassen werden. 60 Die Spaltpilze. 4. Fleischextrakt, 0,1% mit 59% Zucker, neutral. Glieder 0,8 mikr. breit, 4 bis 6 mikr. lang. (Bei Jodzusatz kürzeste Glieder nur 0,8 px lang, ebenso breit. 5. 18 Fleischextrakt, schwach sauer. Breite der Glieder 0,7 mikr. Länge im Minimum 2,0, im Maximum 5,0 mikr. (Bei Jodzusatz kürzeste Glieder 1,6 mikr., längste 2,5 mikr. lang. Auch auf die Bildung derjenigen unregelmässigen Formen, die man Invo- lutionsformen nennt, und die beim allmählichen Absterben der Fäden entstehen, ist die Zusammensetzung der Nährlösung von Einfluss. Sie treten, wie bereits früher bemerkt, am frühzeitigsten auf, wenn der Zuckergehalt der stickstoffhaltigen Nährsubstanz gegenüber zu sehr überwiegt, so z. B. in einer Lösung von 0,1$ Fleischextrakt mit 10% Zucker oder in einer Lösung von 0,1% Asparagin mit 10% Zucker. Dass die Art der Nährlösung selbst auf die Cilienbildung von Einfluss sein kann, beweist der Umstand, dass dieselbe nach BuCHNEr in 19 Asparagin- lösung bei: 25°C. gänzlich unterbleibt, während sie in Heuaufgüssen etc. bei der- selben Temperatur regelmässig auftritt. Von sonstigen physiologischen Eigenthümlichkeiten des Heupilzes ist zunächst hervorzuheben die Widerstandsfähigkeit der Sporen gegen äussere Ein- flüsse. Wie schon Conn zeigte, und BREFELD, PRAZMOWsKI und BUCHNER bestätigten, werden die Heupilz-Sporen durch die Siedehitze nicht getödtet, und können die- selbe selbst mehrere Stunden ertragen, ohne ihre Keimkraft zu verlieren. Man benutzt diese Eigenschaft, um den im Heuaufguss sich findenden Pilz von anderen Spaltpilzen, welche nicht so widerstandsfähige Sporen bilden, zu isoliren. Gegen Gifte, wie starke l,ösungen von schwefelsaurem Kupfer, concentrirte Lösungen von Sublimat, von Carbolsäure sind nach BREFELD die Sporen, auch bei mehrtägiger Einwirkung dieser Reagentien, gleichfalls wenig empfindlich. B. Milzbrandpilz.!) Bacterium Anthracis (CoHN). Unter den Krankheit erregenden Spaltpilzformen nimmt seit einigen Jahren wohl keiner ein grösseres Interesse in Anspruch, als der von POLLENDER ent- deckte, von BRANELL, DAVAINE, BOLLINGER untersuchte und insbesondere von KocH und BucHnER morphologisch und physiologisch erforschte Milzbrandpilz ein. Er ruft die höchst ansteckende Milzbrandkrankheit (Anihrax) hervor, der vorzugsweise Wiederkäuer (namentlich Rinder, Schafe, Hirsche und Rennthiere) sowie Nager (Mäuse, Kaninchen, Hasen etc., namentlich weisse Formen) leicht I) Literatur: POLLENDER, Miscroscopische und microchemische Unters. des Milzbrandblutes. Casper’s Vierteljahrschrift f. gerichtl. Medicin. XIIL. pag. 103. — DAvAmE, Comptes rendus LVII. LIX. etc. —- BRANELL in VırcHow’s Archiv XI. XIV. XXXVI. — BOLLINGER im Central- blatt f. d. medic. Wissenschaften von ROSENTHAL u. SENATOR. 1872. pag. 417. — Koch, Die Aetiologie der Milzbrand-Krankheit, begründet auf die Entwickelungsgeschichte des Bacillus Anthracis, in Cohn, Beiträge z. Biol. II. pag. 277. — Derselbe, Zur Aetiologie des Milzbrandes. Mittheilungen aus dem Gesundheitsamte. Berlin 1881. pag. 49. — PASTEUR et JOUBERT, Etude sur la maladie charbonneuse (Compt. rend. 1877. Bd. 84. pag. 900 ff.) C. Davamık, Obser- vations sur la maladie charbonneuse (Compt. rend. 1877. Bd. 84. pag. 1322.) — TOUSSAINT, Sur les bacteridies charbonneuses. Daselbst. pag. 415. — BUCHNER, Ueber die experimentelle Erzeugung des Milzbrandcöntagiums in NÄGELI, Untersuchungen über niedere Pilze. pag. 140. Vergl. auch die übrigen Buchner’schen Abhandlungen daselbst. — KocH, Ueber die Milzbrand- impfung. Kassel 1882. Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 61 zum Opfer fallen, die aber auch auf andere Thiere, sowie auf den Menschen übertragen werden kann und hier die als Puszwla maligna bekannte Krankheit hervorruft.!) Doch scheinen manche Thiere, wie z. B. Hunde und Vögel im Allgemeinen weniger, kaltblütige, wie z. B. Frösche, Fische fast ganz unempfänglich für Milz- brandinfection zu sein.?) Die Milzbrandkrankheit ist in erster Linie dadurch charakterisirt, dass die Milz von den Zuständen des Pilzes meist in auffallendem Maasse durchwuchert wird und dabei mehr oder minder stark aufschwillt. Ausserdem findet er sich reichlich im Blute, wo er sich üppig vermehrt, auch in der Lunge, Leber, Nieren und den Lymphdrüsen kommt er vor, nicht aber in den Muskeln und anderen sauerstoffarmen Geweben. Seine eigentliche Heimath hat nach Koch der Milzbrandpilz nicht im Thier- körper, sondern ausserhalb desselben, wahrscheinlich auf und in faulenden pflanz- lichen Theilen. Von hier aus gelangen seine Keime (besonders Sporen) auf lebende Pflanzen (Gräser etc.) und werden mit diesen von den Thieren verzehrt. Besonders reichlich scheint sich der Pilz an Orten zu entwickeln, welche öfter überschwemmt werden. Um Reinculturen des Milzbrandpilzes zu erhalten, zerreisst man nach Buchner Anthrax-kranke Milz und verdünnt sie mit pilzfreiem Wasser soweit, dass auf einen nicht zu kleinen Raumtheil (z. B. 10 cmm) durchschnittlich ein Stäbchen kommt. Mit je einer solchen Menge inficirt man eine Anzahl von mit 0,5% Fleischextrakt beschickten Kolben und hält sie bei Körpertemperatur. In einzelnen oder allen Gefässen stellt sich nach etwa 24 Stunden am Boden eine zarte leicht bewegliche Wolke von Fäden ein, während der übrige Theil der Flüssigkeit klar bleibt, als ein Zeichen, dass kein fremder Spaltpilz mit in die Lösung übertragen wurde. Bezüglich der Morphologie der vegetativen Zustände ‘stimmt der Milz- brandpilz mit dem Heupilz vollkommen überein, selbst bis auf die Involutions- formen. Er bildet nicht bloss Stäbchen, sondern auch Coccen.?) Ueberdies er- folgt die Dauersporenbildung in genau der gleichen Weise. Nur bezüglich der von BUCHNER verfolgten Keimung sowie in dem Mangel der Cilien macht sich ein Unterschied bemerkbar. Die Spore schwillt bei der Keimung stark auf, wo- bei ihre äussere Haut gallertig und dadurch undeutlich wird. Letztere reisst dann nicht im aequatorialen Theile, sondern am Pole, und der von der zarten Innenmembran umhüllte ellipsoidische Inhalt streckt sich zum Stäbchen. Die !) Es geschieht dies meist beim Schlachten milzbrandkranker Thiere, und beim späteren Bearbeiten von deren Häuten, Haaren etc., wenn frische Stäbchen oder Sporen in eine Wunde oder durch Einathmung in die Lunge gelangen. ?) Raubthiere und Vögel (Elstern, Krähen, Habichte etc.) holen sich den Azihrax, wenn sie von Milzbrandcadavern fressen. Ziemlich empfänglich für Milzbrand sind übrigens nach ÖOEMLER Sperlinge. SPINOLA hat auch an Gänsen, Enten und anderem Hausgeflügel die Krank- heit beobachtet. ®) Wie besonders FOKKER (Zur Bacterienfrage in VIRCHOW’s Archiv, Bd. 88, [1882] pag. 49) hervorhebt, finden sich in der Milz an regulärem Milzbrand zu Grunde gegangener Thiere ausser Lang- und Kurzstäbchen fast immer auch Coccen. In manchen typischen Milzbrandfällen ist nach FOKKER das quantitative Verhältniss von Coccen und Stäbchen sehr schwankend. Bald enthält die Milz nur wenige Stäbchen oder gar keine, während in Leber und Blut reichliche Coccenbildung zu constatiren ist; bald sind im Blut und in der Milz massenhaft Stäbchen vor- handen, während Coccenbildung fehlt. 62 Die Spaltpilze. Achse desselben steht also nicht auf der Achse der Spore senkrecht, sondern fällt mit ihr zusammen (wie beim Buttersäurepilz). Was die Ernährung des Milzbrandpilzes angeht, so scheint ihm fast nur Eiweiss und Pepton zu taugen, das man ihm am besten in Form von Liebig- schem Fleischextrakt (0,5%) bietet. Coagulirtes Eiweiss löst er zunächst durch ein Ferment, um es dann zu zersetzen und dieselbe Fäulnisstorm zu bewirken, die für den Heupilz bekannt und durch Abwesenheit widriger Gerüche charakterisirt ist. Zucker und andere Kohlehydrate bleiben nach BucHnErR auf das Wachsthum ohne wahrnehmbaren Einfluss. In sauren Lösungen vermag der Pilz nicht zu gedeihen. Wie der Heupilz bedarf er zu seinem Wachsthum des Sauerstoffes, da- her vermehrt er sich nach Buchner im Körper nur innerhalb des Gefässsystems, im sauerstoffhaltigen Blute, nicht in den Muskeln und anderen sauerstoff- armen Geweben. Damit hängt auch der Umstand zusammen, dass bei der Milz- brandkrankheit entzündliche Prozesse in den Geweben fehlen.*) Auch bei dem Milzbrandpilze macht sich, wie BUCHNER zeigte, der Einfluss der Lebensbedingungen auf die Formgestaltung geltend. EB (ED Namentlich wird der Breite- a IRRE durchmesser fast bei jeder A a er ea künstlichen Kultur grösser, als bei der Vegetation im a EN ag Fe Erd 2 Thierkörper. Zur Veran- schaulichung des Gesagten B diene Fig. 21; A stellt Ma- N terial aus der Milz einer Maus, RE) Be LI D) Bin 2$ alkalischem Fleisch- e Fr extrakt gezüchtetes Material dar. Dort beträgt die Dicke EEE der Glieder 0,8 mikr., hier 1,2—1,4 mikr.?) 7 (0) Dr [3 CR il Ben Eines der bedeutsamsten Resultate, die das Spaltpilz- Fig. 21. (B. 308.) studium der allerneuesten Zeit Milzbrandpilz. A aus ‚der Milz einer Maus. 4000:1. aim zu Tage gefördert hat, liegt frischen Zustand; b bei Zusatz von Jodtinctur; B aus 24 . © B fihr schwach alkalischem Fleischextrakt 4000:1. a frisch, b bei N dem Bon I bp ya Jodzusatz. (Nach BUCHNER). ten Nachweis, dass der Milz- A !) Namentlich ausgeprägt ist dieser Mangel nach BuUCHNER beim Milzbrand kleinerer Thiere, (Mäuse, Kaninchen), wo meist kein anderer pathologischer Befund angetroffen wird, als die Schwellung der Milz. Aber auch die Haemorrhagien und serösen Transsudate, welche bei grösseren Thieren als charakteristisch gelten, sind nicht als Folgen entzündlicher Prozesse auf- zufassen, sondern als Anzeichen einer bestimmten Veränderung der Gefässwände. Eine Aus- nahme scheint der Milzbrandcarbunkel zu machen, bei dem entzündliche, ja sogar brandige Er- scheinungen die Regel sind. Doch dürften hier nach BUCHNER andere Spaltpilze mitwirken. 2) Ob der Milzbrandpilz im Stande ist unter gewissen Ernährungsbedingungen vorwiegend Coccen zu bilden, weiss man nicht. Nach den Experimenten und Untersuchungen FOKKERS aber, der in mit typischem Milzbrandpilze erzeugten typischen Milzbrandfällen massenhafte Coccen- bildung unter Zurücktreten der Stäbchenform beobachtete, dürfte die Frage im bejahenden Sinne entschieden werden. Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 63 brandpilz in den Heupilz umgezüchtet werden kann, und umgekehrt der unschäd- liche Heupilz in den infectiösen Milzbrandpilz. Da diese Umzüchtungen mit durchaus fehlerfreien Methoden gewonnen sind, so darf man dem Ergebniss Vertrauen entgegenbringen. Die Umwandlung des Milzbrandpilzes in den Heupilz vollzieht sich auf dem kürzesten Wege, wenn man ihn bei 36 °C züchtet. ı. in Eiweissflüssigkeit mit Fleischextraktlösung (r ccm. Eigelb mit zo ccm. ı% Fleischextraktl.), der man etwas Alkali zusetzt.!) Die Pilze, die sonst am Grunde des Gefässes Wolken von Fäden bilden, sammeln sich dann merkwürdiger Weise an der Oberfläche und nehmen Eigenbewegungen an, die sie unter gewöhnlichen Culturverhältnissen nicht zeigen. Dabei nehmen die sich schliesslich bildenden Sporen eigenthümliche Gestalt an, indem sie meist eine ganz ausserordentliche Länge im Verhältniss zum Querdurchmesser erhalten, so dass sie wie Stäbchen aussehen. (Ihr Längsdurch- messer geht nämlich bis zum Fünffachen des Querdurchmessers). — Ueber- impfung: 2. in Eiweisslösung (Eigelb) ohne Zusatz von Alkali. Auch hier vermehren sie sich stark an der Oberfläche. Das Wachsthum ist dabei ein ungemein rasches und schon nach 24 Stunden jedesmal auf dem Höhepunkt, die Sporenform dieselbe, wie bei 1. — Ueberimpfung: 3. in ı8 Fleischextraktlösung. Die Nährlösung trübt sich durch Flocken. Es bildet sich eine lockere, schleimig aussehende Decke, die bei der leichtesten Erschütterung zu Boden sinkt. Die Sporen sind nicht mehr so lang gestreckt, wie in der Eiweiss-Cultur, sondern haben die gewöhnlichen Dimensionen des Heu-Milzbrandpilzes. — Ueberimpfung: 4. in Heuaufguss (nach der oben erwähnten Methode dargestellt), schwach sauer. Verhalten wie bei 3. Spärliches Wachsthum mit Randbildung. — Ueber- impfung: 5. auf weisse (für Milzbrand sehr empfindliche) Mäuse. Die Thiere zeigten sich niemals krank und blieben am Leben. Aus diesen Experimenten folgt: ı. dass die Milzbrandbacterien in eine decken- bildende, mit Eigenbewegung begabte, also mit dem Heupilz morpho- logisch identische Bacterienform umgewandelt werden können. 2. dass diese Form gar keine oder doch stark geschwächte infectiöse Wirksamkeit zeigt, also auch physiologisch mit dem Heupilz übereinstimmt. Auch die Züchtung des Milzbrandpilzes in Fleischextrakt bei erhöhter Sauer- stoffzufuhr?) und bei 36° führte zu einer allmählichen Abnahme der infectiösen Wirksamkeit, die um so geringer wurde, je höher die Zahl der aufeinander folgenden Züchtungsgenerationen stieg, während der Pilz in Fleischextrakt ohne Schütteln bei 25° cultivirt auch bei beliebig lange fortgesetzter Züchtung seine infectiöse Wirksamkeit beibehielt. Auch bei der eben erwähnten, Hunderte von Generationen hindurch fort- gesetzten Cultur des Milzbrandpilzes in Fleischextrakt bei 36° im Schüttel- apparate zeigte sich bereits die Tendenz zu der für den Heupilz charakte- ristischen Deckenbildung, und zwar darin, dass die Pilze an den höheren Theilen der Züchtungsgefässe einen Ueberzug bildeten. Die weiteren Züchtungen, die I) Die Menge des Alkali ist 2 ccm. „4; Normal-Natron-Lösung auf 20 ccm. der Fleisch- extrakt-Eigelbmischung. 2) Sie wird durch den Schüttelapparat bewerkstelligt. 64 Die Spaltpilze. bei Ruhe des Nährmediums vorgenommen wurden, ergaben nun sogar eine starke weissliche Deckenbildung; allein die Decken hatten noch nicht den Charakter der trocknen, meist gerunzelten, ziemlich festen Decke des Heupilzes, sondern zeigten noch ein glattes, schleimiges Ansehen und lockeres Gefüge, so dass bei geringer Erschütterung die Decken theilweis oder gänzlich in Flocken sich auflösten. Bei weiterer Cultur aber in schwach saurem Heuaufguss, welche wiederum durch Hunderte von Generationen (bis zur 1500. Gen.) hindurch aus- geführt wurde, schritt der Pilz ganz allmählich auch zu der charakteristi- schen Deckenbildung des Heupilzes vor. Ausserdem stellte sich während der letzten Züchtungsreihen auch die Schwärmbewegung ein, wie sie den Heupilzzuständen bei gewisser Ernährung zukommt. Einen weiteren wichtigen Beweis dafür, dass der Milzbrandpilz eine blosse infectiöse Form (Varietät) des Heupilzes darstellt, hat Buchner dadurch geliefert, dass es ihm mittelst exacter Methode gelang, den Heupilz in denMilzbrand- pilz umzuzüchten. Er erreichte dies durch Cultur des Heupilzes in thierischen Flüssigkeiten ausserhalb des Körpers zunächst im Eiereiweiss mit etwas Fleischextraktlösung, dann in Kaninchenblut (im Schüttelapparate bei Körpertemperatur.) Die Bildung der charakteristischen Heupilzdecke unterblieb hierbei schon von der ersten Blutcultur an, ein Zeichen, dass sich die Heupilznatur bereits ‚geändert hatte. Mit dem gewonnenen Material wurden nun weisse Mäuse und Kaninchen inficirt, indem man in sporenhaltige Flüssigkeit getauchte und getrocknete Lein- wandbändchen unter die Rückenhaut der Impfthiere brachte. Das Resultat war schliesslich in jedem einzelnen Falle ausgesprochener Milzbrand. Das von PAsTEUR und BUCHNER erhaltene Resultat, dass der Milzbrandpilz durch fortgesetzte künstliche Cultur allmählich in seiner Fähigkeit der infectiösen Wirkung eine Abschwächung erfährt, darf — und in diesem Sinne spricht sich auch Koch auf Grund seiner Untersuchungen aus — als eine feststehende Thatsache betrachtet werden. Toussaımt und PASTEUR impften nun mit solchem geschwächtem Milzbrand-Material für Milzbrand empfängliche Thiere (Schafe, Rinder etc.), und es stellte sich dabei das Ergebniss heraus, dass diese Thiere geschützt (immun) wurden gegen Infectionen, die man mit nicht abgeschwächtem Milzbrande vornahm. Die Schwächung des Milzbrandes erreichte PAsTEUR in der Weise, dass er den Pilz in neutralisirter Bouillon bei 42—43° C. ungefähr zo Tage lang züchtete. Er erhielt so ein stark geschwächtes Material, das erals erste, schwächste Lymphe (Premier vaccin) verwandte. Sodann stellte er einen zweiten etwas weniger abgeschwächten Impfstoff (unter denselben Bedingungen nur mit kürzerer Zeitdauer der Cultur) her /(deuxieme vaccin), mit der die bereits mit der ersten Lymphe geimpften Thiere zu grösserer Sicherheit der Immunität noch ein zweites Mal geimpft werden müssen. Dass solche Impfungen mit abgeschwächtem Milzbrand thatsächlich Schutz gegen die Milzbrandkrankheit verleihen, ist zwar wahrscheinlich, aber durch die, wie Koch# (l. c.) zeigte, unzuverlässigen Versuche PAsTEur’'s nicht erwiesen. Die Abschwächung der Milzbrandbacillen beruht nach ToussamTt und CHA- vEAU auf der Wirkung der höheren Temperatur und nach KocH wohl auch auf der Wirkung der Zersetzungsprodukte der Spaltpilzvegetation. Wie beide fanden, wird die Abschwächung von Milzbrandblut bei 50°C. in 20, bei 52° ın 15, bei Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 65 55° in ıo Minuten erreicht. Ebenso wirkt Zusatz von Carbolsäure abschwächend auf die Virulenz. j Die spontane Infection durch Milzbrand kann ausser von Wunden der Körperoberfläche auch vom Darmkanal und von der Lunge aus erfolgen. Nach den Buchner’schen Einathmungs- und Fütterungsversuchen geht die Infection von der Lunge aus leichter vor sich, als vom Darmkanal. 7. Dacterium acidi lactici Zopr = Milchsäurepilz, Milchsäureferment. Am bekanntesten ist sein Vorkommen in der sauren Milch, im Sauerkraut, in sauren Gurken, in sauer gewordenen Gemüsen, in Branntweinmaischen, Bier- maischen, überhaupt in Aufgüssen von Pflanzentheilen, welche in kleineren oder grösseren Mengen Zucker enthalten, in sauer gewordenen gegohrenen Flüssig- keiten z. B. Bierl), in altem Käse, in Zuckerlösungen etc. Man gewinnt ihn nach DELBRÜCK sicher und rein, wenn man sich eine Maische von 200 Grm. Trockenmalz und 1000 Grm. Wasser herstellt und diese bei 50°C. einige Zeit hält. Auch durch Zusatz von etwas altem Käse zu einer etwa 5° Zuckerlösung (mit den nöthigen Nährsalzen) und Cultur derselben bei 50°C. kann man ihn erhalten. Er bildet nicht bloss Stäbchen- und Fadenformen, sondern auch Coccen. Sporenbildung blieb bisher unbekannt. Physiologisch ıst er dadurch interessant, dass er, wie PASTEUR entdeckte, die Milchsäuregährung hervorruft, indem er den Zucker der oben genannten Substrate in Milchsäure überführt, ein Process, für welchen Zutritt von freiem Sauerstoff nöthig ist und der am günstigsten bei etwa 50° C. ver- läuft. Im menschlichen Magen, namentlich bei kleinen Kindern, tritt dieser Prozess nach unmässigem Genuss von zuckerhaltigen Speisen oft ziemlich intensiv auf. Von den Gährungstechnikern wird der Pilz bis zu einem gewissen Grade gehegt, weil die durch ihn bewirkte Säuerung des Hefengutes günstig auf das Wachsthum und die Gährthätigkeit der Hefe wirkt. Um Milch vor dem Spaltpilz sicher zu schützen, hat man sie einige Zeit über den Kochpunkt hinaus zu erhitzen. Doch wird schon bei 100° C. gekochte Milch in der Fig. 22. (B. 309,) Regel nicht sauer, wenn die oberflächliche Bacterium Ulna Com. A Kette aus Gerinnungshaut, welche die Milch vom Sauer- rn Besen n ss Stäbchen, GE j - . ER occen bestehend. etten von in der stoff ‚der Luft abschliesst und gleichzeitig das rorenbildung erriffenen Kuss ni Hineinfallen der Spaltpilzkeime verhindert, Langstäbchen. E Scheinbar ungegliederte nicht Zerreissung erfährt. Zur Vernichtung Fäden mit fertigen Sporen. Vergr. 1020. . % : : # 3 (Nach PRAZMOWSKI.) des Milchsäurepilzes im Magen dürfte sich Zu- führung von Säure (Salzsäure) am Besten empfehlen. 1) Sofern es nicht durch Essigbildung von Seiten des Essigpilzes sauer geworden. ScHENk, Handbuch der Botanik. II, 5 66 Die Spaltpilze. 8. Bacterium Ulna Conn.!) Kommt in faulenden Eiern vor und lässt sich im Aufgusse von gekochtem Hühnereiweiss züchten. Der Entwickelungsgang umfasst nach PRAZMOWSKTS Abbildungen Coccen (Fig. 22, C), Kurzstäbchen (B), Langstäbchen (A) und Faden- formen, von denen die ersteren jedenfalls schwärmfähig sind. Ihr Durchmesser beträgt ı,5— 2,2 mikr. Ausserdem kennt man die Sporenbildung, die sowohl in den Kurzstäbchen (D) als in Langstäbchen D vor sich geht. Zur Zeit seiner in- tensivsten Zersetzungswirkungen, die mit der eigentlichen Fäulniss wegen des Mangels an widrigen Gerüchen nichts zu thun zu haben scheinen, durchsetzt er die Flüssigkeit gleichmässig, dieselbe trübend, dann ziehen sich die Entwickelungs- zustände in Form wolkiger Massen nach der Oberfläche des Infuses und bilden zuletzt eine dicke, aus langen ineinander gefilzten Bündeln von Fäden (E) be- stehende Kahmhaut. In dieser erfolgt nach dem bekannten Modus die Bildung der 2,5— 2,8 mikr. langen und über ı mikr. breiten ellipsoidischen Sporen, deren Keimung noch unbekannt ist. Physiologisch scheint sich 3. Ulna dem 2. sudtile ähnlich zu verhalten, d. h. er vermag wahrscheinlich keine Gährwirkungen auszuüben und ohne Sauerstoff nicht lebensfähig zu sein. Eiweisshaltige Nahrung sagt ihm offen- bar besonders zu. Ueber sein sonstiges 28 physiologisches Verhalten ist nichts ©, ) ® bekannt. N e& 3 (®) 9) ekann 0 un 2 °s so 0; < 9. Bacterium tumescens ZOPF. E Ö Man erhält den Pilz mit Sicherheit, wenn man gekochte Mohrrübenscheiben S bei gewöhnlicher Temperatur nicht all- Bacterium tumescens Zopr. A ein Stück ge- = RE n kochter Mohrrübe mit 3 Zoogloeen in nat. Grösse. zufeucht hält. Nach Ve Tagen B vegetative Zustände aus einer jüngeren Zoo- erscheint er an der Oberfläche in Form gloea. a in Langstäbchen gegliederter Faden. kleiner, 4 bis ı Centimeter im Durch- b In Isolirung begriffene Langstäbchen. c Kette e re “on Kurzstäbchen. C Fadenstücke, bei a in Messer haltenden, scheibenförmigen Coccen, bei b in Kurzstäbchen gegliedert, un- Gallertmassen, die eine ziemlich zähe, mittelbar vor der Sporenbildung stehend, daher „efaltete Haut darstellen von weisslicher im Vergleich zu den vegetativen Zuständen stark aufgeschwollen und körnig. D Sporenbildung; Färbung. Entwickelung nach den Buchstaben. E Haufe Untersucht man diese Haut, so lange u sie noch fest ist, so bemerkt man, dass sie aus dicht gelagerten Stäbchenreihen (Fig. 23, B, a) besteht, die ausserordentlich stark vergallertet sind. Ein oder zwei Tage später zeigt die nämliche Zoogloea, von der man die erste Probe nahm, dass die Langstäbchen sich in Kurzstäbchen (B, c u. C, b) und in Coccen (C, a) gegliedert haben, überdies etwas aufge- schwollen sind (C). Die Aufschwellung nimmt später zu, so dass oft das Doppelte des ursprünglichen Durchmessers erreicht wird (D, ab). Dabei wird der ur- (B. 310.) Fig. 23. I) Literatur: CoHn, Untersuchungen über Bacterien, in Beitr. z. Biol. Bd. I. Heft 2. pag. 177. — PrazMowskı, Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte und Fermentwirkung einiger Bacterien-Arten. Leipzig, 1880. pag. 20. Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 67 sprüngliche ganz homogene Inhalt deutlich körnig. Jetzt beginnt die Sporen- bildung und zwar nicht bloss in den Coccen, sondern auch in den Kurz- stäbchen, so dass hier ein Fall vorliegt, wo die Sporenbildung in zweien der Entwickelungsstadien vor sich geht (D, c). Sie kommt in der Weise zu Stande, dass die Körnchen durch Zusammen- fliessen grösser werden und schliesslich zu einem einzigen, stark lichtbrechenden sich vereinigen. Ihre Keimung wurde noch nicht beobachtet. Zur Zeit der Sporenbildung verflüssigt sich die Gallert etwas. 10. Bacterium Tuberculosis Koch. Tuberkelpilz.!) Ruft nach Koch’s neuesten Untersuchungen die Tuberkelkrankheit (Tuber- culose) von Menschen und Thieren (Rindern [hier Perlsucht genannt], Affen, Schweinen, Schafen, Kaninchen etc.) hervor, wobei meist kleinere oder grössere Knötchen (Zubercula) auftreten und zwar in den verschiedensten Organen (Lunge, Darm, Gehirn, Milz, Leber, Nieren, Bronchialdrüsen etc.) Von Entwicklungsstadien wurden von Koch nur Stäbchenformen (Ba- cillen) und Dauersporen aufgefunden; doch bildet der Pilz ausser Lang- und Kurzstäbchen nach meinen Beobachtungen auch Coccen. Jene sind an allen Punkten, wo der tuberculöse Process in frischem Entstehen und in schnellem Fortschreiten begriffen ist, in reicher Anzahl vorhanden und bilden oft dicht zu- sammengedrängte Gruppen, welche im Innern der Zellen des befallenen Organs oder ausserhalb derselben liegen. Sobald der Höhepunkt der Tuberkelbildung überschritten ist, treten sie an Anzahl zurück. Die Wucherung der Stäbchen in den Zellen giebt oft Veran- lassung zur Bildung stark hypertrophirter Zellen des Gewebes, der sogen. Riesen- zellen. Die Auffindung der Stäbchen im Sputum und in den Organen macht bei ihrer Feinheit einige Schwierigkeit. Ueberwunden wird dieselbe durch ein von Koch angewandtes Färbungsverfahren. Man breitet ein wenig von Sputum auf das Deckglas aus und trocknet und erhitzt sodann dasselbe, hierauf legt man das Deckgläschen in eine Farblösung von folgender Zusammensetzung: 200 Ccm. destillirtes Wasser werden mit I Ccm. einer concentrirten alkoholischen Methylenblau- Lösung vermischt, umgeschüttelt und erhalten dann unter wiederholtem Schütteln noch einen Zu- satz von 0,2 Ccm. einer 105 Kalilauge. Die Mischung darf selbst nach tagelangem Stehen keinen Niederschlag geben. Die zu färbenden Objecte bleiben in derselben 20—24 Stunden. Durch Erwärmen der Lösung auf 40°C. im Wasserbade kann diese Zeit auf 4 bis ı Stunde abgekürzt werden. Die Deckgläschen werden hierauf mit einer concentrirten wässrigen Lösung von Vesuvin, welche vor jedesmaligem Gebrauch zu filtriren ist, übergossen und nach ı bis 2 Minuten mit destillirttem Wasser abgespült. In Alkohol gehärtete Schnitte werden in ähnlicher Weise behandelt. Es zeigen sich dann alle Bestandtheile der Gewebe braun gefärbt, die Tuberkel- stäbchen aber blau geblieben. Auch Bildung von Sporen ist von Koc#H constatirt worden, und zwar sollen sich in je einem Stäbchen meist 2—4 Sporen in gleichmässigen Abständen bilden. Krees kultivirte die Tuberkelstäbchen auf Hühnereiweiss, KocH auf Serum von Rinderblut (s. oben: Methoden der Reinkultur), und letzterer impfte mit ganz. reinem Material verschiedene Thiere (Meerschweinchen, Mäuse, Ratten, Kaninchen, Katzen, Hunde). Der Erfolg war: Typische Tuberkulose. 1) Kress, Tuberculose (Prager med. Wochenschr. 1877. No. 29, 42, 43). — KocH, Die Aetiologie der Tuberculose. (Berliner klinische Wochenschrift. April, 1882.) 5. 68 Die Spaltpilze. 11. Bacterium ianthinum ZOPF. Ich erzog diesen Spaltpilz auf Stücken von Schweinsblase, die ich in stark spaltpilzhaltiges Wasser (aus der Panke in Berlin) legte, so zwar dass sie auf der Oberfläche schwammen. Es bildeten sich 1—ıo Millim. im Durchmesser haltende Flecken von intensiv violetter Färbung. Sie bestanden aus längeren und kürzeren schwärmfähigen Stäbchen, die schliesslich in Coccen zerfielen. Das Pigment, ein schön violetter in Alkohol löslicher Farbstoff entsteht nur an der unbenetzten, mit der Luft in direkter Verbindung stehenden Oberfläche der Schweinsblase, nie an der von der Luft abgewandten Seite und nie an untergetauchten Schweins- blasenstücken. Bezüglich seines Sauerstoffbedürfnisses für die Pigmentbildung verhält sich A. zanthinum also wie alle anderen Pigmentpilze. ı2. Bacterium Zopfü KURTH.!) Es wurde von KurtH im Darm von Hühnern und zwar im Inhalt der Wurmfortsätze aufgefunden. Von Entwicklungszuständen wurden beobachtet: Coccen-, Stäbchen- und Fadenformen. In festem Substrat, d. h. 258, ı2 Fleischextrakt enthaltender Gelatine auf dem Objectträger bei 20° gezüchtet bilden die Stäbchen von der Impfstelle aus radiär verlaufende Fäden, die sich an vielen Stellen spiralig krümmen können, und zwar bald in regelmässigster, bald in minder regelmässiger Weise. Schliesslich werden gewöhnlich die spira- ligen Windungen so zahlreich uud so dicht, dass förmliche Schraubenknäuel von rundlicher Form entstehen. In flüssigem Nährsubstrat bei 20° lösen sich die Stäbchen aus dem Ver- bande der Fäden, indem sie, ähnlich wie es von mir zuerst bei Cladothrix ge- sehen wurde, abknicken, um dann zu schwärmen. Bei Temperaturen über 35° hört die Schwärmbewegung allmählich auf, es wachsen sodann die Stäbchen zu kurzen, in der Flüssigkeit schwebenden Fäden aus. Ist das Nährmaterial der Erschöpfung nahe, so wird der Zusammenhang der Stäbchen in den graden oder spiraligen Fäden gelöst, und nun erscheinen letztere deutlich gegliedert. Mit der vollständigen Ausnutzung des Nährbodens tritt der Zerfall in Coccen ein. Jedes Stäbchen theilt sich in zwei Coccen, die meist verbunden bleiben. Bei ihrem Zerfall in Coccen bilden die nach Knäuelart mehr oder minder dicht zusammengedrängten Spiralumgänge des Fadens je nach der Grösse des Knäuels mehr oder minder voluminöse Coccen-Klumpen (Zoogloeen) von rund- licher Form, die häufig perlschnurartig aufgereiht erscheinen. In frische Nähr- lösung gebracht, wachsen die Coccen direkt wieder zu Stäbchen aus und können dabei Schwärmbewegung annehmen. Als bester Nährboden für den Pilz erwies sich 1—32 Fleischextraktlösung, mit oder ohne Gelatinezusatz. In Rinderblut — Serum und in der von NÄGeELı angegebenen Normal-Nährsalzlösung fand kein Wachsthum statt. In der Fleischextraktlösung erregt der Pilz eine Zersetzungs- form, welche weder der Gährung noch der typischen Fäulniss entspricht, was mit dem Umstande zusammenhängt, dass er ohne Luftzutritt nicht zu wachsen ver- mag. Gegen äussere Eiuflüsse ist der Coccen-Zustand viel weniger empfindlich, als der Stäbchenzustand; Stäbchen bleiben im eingetrockneten Zustande nur 2—4 Tage lebensfähig, die Coccen dagegen ı7—26 Tage. In erschöpfter Nähr- lösung aufbewahrt, hatten sie noch nach 82 Tagen ihre Keimfähigkelt behalten. 2) Berichte der deutschen botanischen Gesellschaft. Februar, 1883. Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 69 Versuche über etwaige infectiöse Wirkungen führten, an Kaninchen angestellt, zu negativen Resultaten. Die Entwicklung des Pilzes geht in Gelatine - Culturen relativ schnell vor sich. Spätestens 24 Stunden nach der Impfung tritt die vom Impfstrich aus- gehende Fadenbildung auf, nach weite- ren 24 Stunden sind die Windungen in den Fäden ausgebildet; 6 Tage nach der Impfung ist überall an den Fäden Zerfall in Coccen eingetreten. Gattung 2. Clostridium. Das morphologische Characteristi- kum dieser Gattung besteht darin, dass die Stäbchenformen in dem Stadium, wo sie zur Sporenbildung vorschreiten, ihre cylindrische Gestalt aufgeben und Spindel- Ellipsoid-, oder Kaulquappen- form annehmen. Man kennt bisher zwei Arten: ı. Clostridium butyricum PRAZMOWSK1!) Buttersäurepilz. Auftreten: Der Pilz hat eine weite Verbreitung in der Natur; er tritt besonders häufig auf in fleischigen Wurzeln, in den Knollen der Kartoffeln, wo er die bekannte »Nassfäule« hervor- ruft, ım Sauerkraut, in den sauren Gurken, in Aufgüssen stickstoffreicher Samen (z. B. der Erbsen, Lupinen, Sonnenrose), in Malzmaischen, in Zuckerlösungen (beispielsweise auch im Rübensaft der Zuckerfabriken), in Dex- trinlösungen, in Lösungen von milch- saurem Kalk, in altem Käse, in der Labflüssigkeit etc. Nach van TIEGHEM findet sich der | ® 2 29 CD DH So S Fig. 24. Clostridium butyricum PRAZM. Zustände; c Kurzstäbchen, d Langstäbchen, bei a u. b vibrionenartig gekrümmte Stäbchen und (B. 311.) A vegetative Fäden. B Dauersporenbildung; b, d Stäbchen vor, c, e während, f, g, h nach der Dauer- sporenbildung; c von ellipsoidisch, d u. h. von citronenförmiger, e, g von spindeliger, f von kaulquappenartiger Form. Bei a Stäbchen, die noch im vegetativen Zustande befindlich sind. C Keimung der Dauersporen; die Spore a schwillt an, b zeigt dann die Differenzirung der Membran in Exo- u. Endosporium c. Aus dem polaren Riss der Spore tritt der vom Endospor umgebene Inhalt in Form eines Kurzstäbchens heraus, d, das sich bei e bereits verlängert hat (nach PRAZMOMSKTI). Pilz auch in fossilen Coniferen der Steinkohlenperiode. 1) = Viörion butyrigue PASTEUR — Amylobacter Clostridium TRECUL — Bacillus Amylobacter VAN TIEGHEM — Dacterium Navicula REINKE und BERTHOLD. Literatur: TRECUL, Compt. rend. 1865. tom. LXI. u. 1867. tom. LXV; Ann. des sc. ser. V. tom. VII. 1867. vAN TIEGHEM, Sur le Bacillus Amylobacter et son röle dans la putrefaction des tissus vegetaux. Bull. de la Soc. bot. de France t. 24. 1877. — Ders. Sur la fermentation de Ja cellulose. Compt. rend. 1879. tom. LXXXVII. — Ders. Identitt du Bacillus Amylobacter et du Vibrion butyrique de Pas- TEUR. Compt. rend. t. LXXXIX. 1879. — PASTEUR, Compt. rend. LI. 1861, und Animalcules infusoires etc. Compt. rend. LU. 1861. — Etudes sur la biere. — PRAZMOWSKI, Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte und Fermentbildung einiger Bacterium-Arten. Leipzig, 1880. — 70 Die Spaltpilze. Was die Morphologie des Buttersäurepilzes anlangt, so kennt man bisher nur die Kurzstäbchen, Langstäbchen und die Fadenform (Fig. 24, A). Coccen sind bisher nicht beobachtet, aber ohne Zweifel vorhanden. Bisweilen sind Stäbchen und Fäden schwach vibrionenartig gekrümmt (A, b). (Involutionsformen der vegetativen Zustände kennt man noch nicht, obwohl sie auch bei diesem Pilze vorhanden sein werden.) Zum Zweck der Sporenbildung, die sowohl in den kürzeren als in den längeren Stäbchen erfolgt, schwellen die Zellen in Folge reicher Ansammlung von Plasma mehr oder minder auffallend an (B, cd). Erfolgt diese Anschwellung mehr im äquatorialen Theile, was bei den kürzeren Stäbchen in der Regel der Fall, so entstehen spindelige, citronenartige oder ellipsoidische Formen, liegt sie mehr polar, so kommen keulenförmige oder kaulquappenartige Formen (B, f) zu Stande, die sehr auffallend sind. Die Zahl der Sporen beträgt gewöhnlich. ı, selten 2 (B, g). Im letzteren Falle entspricht ihre Lage den beiden Polen, im ersteren ist dieselbe bald polar, bald äquatorial. Ihre Form ist die ellipsoidische. Bei der Keimung (Fig. 24, C), der eine Aufschwellung der Spore vorangeht, wird, wie bei der Gattung Bacterium, das derbe Exosporium am Pole gesprengt und der Inhalt tritt umgeben vom Endosporium als kurzes Stäbchen hervor, das sich verlängert und dann theilt. Die Achse des Keimstäbchens fällt also mit der Längsachse der Spore zusammen. Von physiologischen Eigenthümlichkeiten ist zunächst die hervorzuheben, dass der Spaltpilz Gährung zu erregen die Fähigkeit besitzt und zwar, wie PASTEUR entdeckte, Fırz und Prazmowskı bestätigten, Buttersäure-Gährung. Es werden hierbei Buttersäure und von flüchtigen Produkten Kohlensäure und Wasserstoff gebildet. Ferner scheiden die Zellen ein Ferment ab, welches Cel- lulose und Stärke löst. Ein weiteres biologisches Charkteristicum liegt darin, dass, wie PASTEUR u. A. zeigten, die Pflanze ohne freien Sauerstoff der Luft existiren kann, ja der freie atmosphärische Sauerstoff auf dieselbe (wenigstens auf gewisse Stadien), gradezu als Gift wirkt. Auch Sporenbildung und Sporenkeimung gehen bei Luftabschluss vor sich und für den Keimungsprocess ist letzterer wahr- scheinlich sogar Bedingung. Eine weitere beachtenswerthe Eigenschaft ist die, dass die Zellen die von dem ausgeschiedenen Ferment gelöste Stärke des Substrats in ihren Inhalt auf- nehmen können und sich dann mit Jod blau färben. Nach van TIEGHEM tritt die Stärkereaktion auch an in anderen, stärkefreien Nährsubstraten (wie Glycerin, Mannit, milchsaurem Kaik, Zuckerlösungen, cellulosehaltigen Stoffen etc.) ge- zogenem Material auf, wie auch Fırz und Prazmowskt bestätigen. Das Stadium der Jodfärbung stellt sich nach Prazmowskı früher oder später ein, je nach der Energie, mit welcher die Gährung vor sich geht. In schwach gährenden, aber stärkereichen Substraten erscheint sie schon in einem sehr frühen Stadium, an noch wachsenden Stäbchen. Bei starker Gährung dagegen tritt sie, auch wenn das Substrat stärkereich ist, ziemlich spät, nämlich erst unmittelbar vor der Sporenbildung ein. Die Temperatur ist auch bei diesem Spaltpilz auf die Entwicklung und Gährthätigkeit von Einfluss. Er wächst und gährt am üppigsten bei 35—40° C., bei 30° schon weniger gut. Auch die Sporenbildung geht bei höherer Tempe- Fırz, Ueber Spaltpilzgährung. Berichte der Deutsch. chemischen Gesellschaft. Bd. XI. — REINKE u. BERTHOLD, Die Zersetzung der Kartoffel durch Pilze. Berlin, 1879. !) Die sogen. Käsegährung schrieb man früher mit CoHn fälschlich dem Heupilz zu. Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 71 ratur sehr schnell vor sich (in Dextrinlösung bei 30— 35° z. B. in 10— 18 Stunden, vom Beginn der Anschwellung der Stäbchen bis zur Ausbildung der Sporen ge- rechnet); für die Keimung erweist sich gleichfalls eine Wärme von 35—40° am günstigsten. Gegen höhere Temperaturen zeigen die Sporen weniger Resistenz, als Bacterium subtile. Der Buttersäurepilz kommt in zuckerhaltigen Pflanzentheilen, Gurken, Kohl, Gemüse etc. sowie im Käse spontan gewöhnlich erst dann zur Entwicklung, wenn der Zucker des Substrats von dem Milchsäurepilz, der wahr- scheinlich nur eine Varietät des C7. butyricum ist, zuvor in Milchsäure umge- wandelt wurde. CZ. butyricum wandelt dann die Milchsäure in Buttersäure um. Das sogen. Reifen des Käses, wobei die weisse, fade und süsslich schmeckende Käsemasse ihren pikanten Geschmack und Geruch, ihr durchscheinendes An- sehen und gelbliche Färbung erhält, beruht auf diesem Prozess, ebenso die Bildung des Sauerkrauts und der sauren Gurken. Da die Menge der Buttersäure, welche der Pilz erzeugt, schliesslich Wachs- thum und Gährthätigkeit desselben bald hemmt, so fügt man der Cultur gleich beim Ansetzen etwas kohlensauren Kalk (in Form von Kreide) zu, um die Bildung von buttersaurem Kalk zu bewirken und so die Säure zu binden. 2. Clostridium Polymyxa PRAZMOWSK(.!) Auf gekochten Zuckerrüben und Kohlrüben bildet dieser Spaltpilz Gallert- stöcke, welche knorpelige krause Massen von oft mehreren Centim. Durchmesser darstellen (Fig. 25), die eine gewisse Aehnlichkeit mit dem gleichfalls auf Zuckerrüben wachsenden Zewconostoc me- senterioides CiENK. und As- cococcus Billrothii CoHn dar- bieten, sodass sie makrosko- pisch leicht mit letzteren zu verwechseln sind. In dieser Gallert sieht man Fäden liegen, welche aus längeren oder kürzeren Stäb- chen bestehen. Wenn sie schliesslich zur Sporenbildung schreiten, so nehmen sie be- züglich der Form und der Art der Sporenbildung den Charakter von CZ. butvricuman. Fig. 25. (B. 312.) In zuckerhaltiger Nährlösung Ein Rübenstück mit einer grossen Zoogloea von Clostridium Polymyxa (nat. Grösse). cultivirt, werden die Stäbchen schwärmfähig. Unter gewissen Ernährungsverhältnissen treten nach PRAZMOWSKI Involutionsformen in Form aufgeblähter Fäden, Stäbchen oder aufgeblähter Coccen (Fig. 5, 5a b) auf. Letztere scheinen darauf hinzudeuten, dass der Pilz auch eine Coccenform besitzt. An der Oberfläche von Nährflüssigkeiten bildet der Pilz Zoogloeen in Form einer dicken Kahmhaut. Seine physiologischen Eigenschaften betreffend, ist zunächst hervorzu- 1) Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte uud Fermentbildung einiger Bacterien- Arten. Leipzig, 1880. pag. 37. y2 Die Spaltpilze. heben, dass er Gährwirkungen ausübt; doch kennt man die Gährprodukte zur Zeit noch nicht; Man weiss nur, dass von flüchtigen Stoffen nur Kohlensäure und kein Wasserstoff entbunden wird. Zu seiner vegetativen Vermehrung und zur Sporenbildung bedarf er des atmosphärischen Sauerstoffes, doch kann er wie andere Gährungspilze nach eingetretener Vermehrung auch bei Luftabschluss seine Gährwirkungen äussern. Auch die ührigens genau wie bei C/. butyricum erfolgende Keimung der Sporen erfordert Zutritt atmosphärischen Sauerstoffs. In Dextrinlösung verläuft die Gährung ziemlich schwach, lebhafter in Aufgüssen von gekochten Kartoffeln oder Lupinensamen. Offenbar scheidet der Spaltpilz ein Ferment ab, welches wie das von CZ. butyricum Cellulose und Stärke zu lösen vermag. In Kartoffelaufguss cultivirt, lassen die Zellen bisweilen die gelöste Stärke andeutende Jodreaction erkennen, doch tritt sie nur schwach auf und stets nur in den bereits angeschwollenen Zellen vor der Fructification. Setzt man der Kartoffelcultur gelöste Stärke oder Amylodextrin zu, so tritt die Färbung stets auf. In stärkefreien Substraten dagegen bleibt sie stets aus. IHEeprotricheen. Genus I. Crenothrix. Crenothrix Kühniana (RABENHORST)!) — Brunnenfaden. Vorkommen: Der von Künn entdeckte und von CoHn und mir unter- suchte Brunnenfaden ist, als einer der häufigsten Wasserpilze, in allen kleineren oder grösseren stehenden oder fliessenden Gewässern zu finden, welche einen gewissen Reichthum an organischen Substanzen besitzen, wenn er auch im All- gemeinen nicht so gemein und massenhaft auftritt, wie die Beggiatoa alba. Er wurde beobachtet in den Quellen mancher Bäder, in Brunnen, Fabrikabflüssen, Reservoiren und Röhren der Wasserleitungen, wo er bisweilen sich so massig entwickelt, dass das Wasser zum Trinken und für manche Industriezweige gänz- lich unbrauchbar wird,?) in Drainirröhren u. s. w. Auch in Teichen, See’n und Flüssen wurde er von mir aufgefunden. Künstlich lässt er sich erziehen in Aufgüssen todter Algen und in Aufgüssen, die mit thierischen Substanzen (z. B. Schweinsblase) hergestellt sind. Der Pilz weist von Entwickelungszuständen die Coccen-, Stäbchen- und Faden- form auf. Die Coccen (a—f) stellen kleine Kügelchen von 1—6 mikr. Durchmesser dar. Sie vergallerten ihre Haut und vermehren sich durch fortgesetzte Zwei- theilung, wobei die Gallerthüllen der Tochterzellen zunächst in die Gallerthüllen der Mutterzellen eingeschachtelt bleiben, bis später diese Structur durch Ver- schmelzung der gallertigen Hüllen verwischt wird. Die durch Zweitheilung und Vergallertung entstehenden Zoogloen sind meistens unregelmässig, von Kugel-, Läppchen-, Fadenform u. s. w., bald mikroskopisch winzig, bald his ı Centim. und darüber im grössten Durchmesser haltend (Fig. 26, g). In den grossen Reservoiren Berlins wurden sie in so ungeheuren Massen erzeugt, dass sie über mehr als die Hälfte der daselbst abgelagerten, mehrere Fuss tiefen Schlammmassen ausmachten. Anfangs vollkommen farblos, nehmen die Colonien durch Einlagerung von Eisen- I) CoHn, Ueber den Brunnenfaden (Crenothrix polvspora). Beitr. zur Biol. Bd. I. Heft. pag. 108. — ZoPF, Entwickelungsgeschichte über Crezothrix polyspora, die Ursache der Berliner Wassercalamität. Berlin, 1879. — Derselbe, Zur Morphologie der Spaltpflanzen. Leipzig, 1882. ?) In den Leitungen Berlins, Lille’s und denen russischer Städte wurden dadurch schon grosse Calamitäten hervorgerufen. Die Pflanze ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Kosmopolit. Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 73 oxydhydrat ziegelrothe, olivengrüne oder dunkelbraune bis braunschwarze Färbung an, wodurch ihre Structur oft bis zur gänzlichen Unkenntlichkeit verdeckt wird. In Sumpfwasser cultivirt wachsen die Coccen der Colonien zu Stäbchen aus, welche durch fortgesetzte Zweitheilung Fäden (Fig. 26, g) bilden, die nach allen Seiten hin von der Zoogloea ausstrahlen. In einem ge- wissen Altersstadium zeigen sie deutliche Scheidenbil- dung (Fig. 26, o0—r), wo- durch sie sich von denFäden der Deggiatoa wesentlich unterscheiden. Auch in diese Scheiden lagert sich Eisenoxydhydrat ein, wel- ches dieselben rostroth bis dunkelbraun färbt und auch hier die Structur der Fäden unkenntlich macht. Be: handlung mit Salzsäure lässt die Gliederung aber leicht wieder hervortreten. Die ‚braunen Flocken, durch welche Crenothrix in den Wasserleitungen so starke Verunreinigungen hervor- ruft, bestehen zumeist aus solchen mit eisenhaltiger Scheide versehenen Fäden. Lagern sich Eisenflöckchen in dichter unregelmässiger Weise auf, so erhalten die Fäden knorriges Ansehen und sind diesem Zu- stande spröde und zerbrech- lich. Innerhalb der Scheide gehen die Stäbchen durch fortgesetzte Quertheilung in etwa isodiametrische Stücke über, die sich abrunden und nun Coccen darstellen, die meist relativ gross sind (Macrococcen) (Fig. 26, q). An weitlumigen Fäden aber in ER CRS > oO oO 3 g°0 2 8 o30} 3 re we ug: \ es H =: ea Ss ı A (4 a He 5 “ak * | m’ = Fi = LU Hook Pa BES JH ga En7A IR BB H ® cr) I £ Q\ \ PH U a = f a WW F 1 0% 5 ı R zB 4 \ u SH Fig. 26. (B. 313.) Crenothrix Kühniana (RABENH.); a—e 600:1. Coccen in verschiedenen Stadien der Theilung; f 600:1 kleine rundliche (leider zu scharf contourirte) Coccen-Zoogloea; g nat. Gr., Zoogloeen von verschiedener Form; h 600:1 Colonie von kurzen, aus stäbchenförmigen Zellen bestehenden Fäden, durch Auskeimung eines Coccenhäufchens entstanden; i—r Faden- formen, z. Th. gerade, z. Th. spiralig gekrümmt (] m) von sehr wechselnder Dicke, mehr oder minder ausgesprochenem Gegensatz von Basis und Spitze, verschiedenen Theilungsstadien ihrer Glieder und Scheidenbildung. Der bescheidete Faden r zeigt am Grunde Kurzstäbchen, die weiter nach oben in niedrige Cylinderstücke getheilt sind. An der Spitze sieht man die durch Längstheilungen der Cylinderscheiben entstandenen Coccen. können die Quertheilungen noch weiter/vorschreiten, so dass die isodiametrischen Glieder in ganz niedrige Cylinderscheiben zerlegt werden (Fig. 26, r). In letzteren 74 Die Spaltpilze. treten dann gewöhnlich noch parallel zur Achse des Fadens inserirte Längswände auf, wodurch jede cylindrische Scheibe in 2 resp. 4 kleine Coccen zerlegt wird (r). Es erfolgt also in solchen Crenothrix-Fäden eine Theilung der Glieder nach zwei resp. drei Richtungen des Raumes. Die Coccenbildung schreitet im Allgemeinen in basipetaler Richtung vor, kann aber auch alle Theile des Fadens gleichzeitig ergreifen. Durch die fortgesetzte Streckung und Theilung der Glieder innerhalb der Scheide wird ein solcher Druck gegen die Spitze der Scheide ausgeübt, dass die- selbe sich öffnet. Nun treten die Stäbchen resp. Coccen aus (n—r), z. T. mechanisch durch die weitere Streckung der im Faden zurückliegenden Zellen herausge- schoben, theils in Folge von Gleitbewegung, der die Wandung der Scheide als Stütze dient.!) Bisweilen kommt es vor, dass die Scheide frühzeitig vergallertet und die Coccen und Stäbchen in ihr liegen bleiben. Sie keimen dann, die ver- gallerte Scheide durchbrechend zu Stäbchen und Fäden aus und der ursprüng- liche Faden erscheint nun in Folge der zahlreichen von ihm ausstrahlenden secundären Fäden wie ein Pinsel oder eine Bürste. Auch an diesen secundären Fäden lässt sich wie an den aus den Zoogloeen hervorgewachsenen der Gegen- satz von Basis und Spitze, sofern er sich in der Erweiterung der Fäden nach dem freien Ende hin documentirt, deutlich erkennen. Ausser den gewöhnlichen Fäden kommen auch spiralig gekrümmte (m) und spirulinenartige vor. Die geraden sowohl als die spiraligen Fadenformen fragmentiren sich leicht, sowohl im bescheideten, als im unbescheideten Zustande. Die Spiralfragmente gehen aber, soweit die Beobachtungen reichen, niemals in den Schwärmzustand über. Ein solcher ist bisher nur für die Coccenform constatirt. Was die physiologischen Eigenschaften und Wirkungen der Crenothrix betrifft, so sind unsere Kenntnisse darüber noch sehr mangelhaft. Es liegt dies an der Schwierigkeit, den Pilz in künstlichen Nährlösungen zu züchten. Doch steht es fest, dass er zu seiner Entwickelung durchaus des Sauerstoffs der Luft bedarf. Unter ungünstigen Ernährungsverhältnissen producirt er durch auffällige Anschwellung charakterisirte Involutionsformen (Fig. 5, ı), die von CoHn früher als Sporen angesprochen wurden. Eine eigentliche Sporenform ist bis jetzt nicht aufgefunden, wahrscheinlich auch gar nicht vorhanden, da der Spaltpilz in den mit sehr dicker Gallertscheide versehenen Fäden ein den Sporen aequivalentes Schutz- mittel gegen starke Temperaturschwankungen besitzt. Es ist erwiesen, dass solche stark bescheideten Fäden das Einfrieren bei — 10° R. sehr wohl ertragen können.) Genus II. Beggiatoa (TREVISAn).?). Die Repräsentanten dieser Gattung dürfen als. typische Hydrophyten an- gesprochen werden, denn sie werden überall in süssen sowohl, als salzigen Ge- I) Die mit Coccen erfüllten Scheiden als »Sporangien« zu bezeichnen, wie es früher geschah, ist nach dem jetzigen Stande der Spaltpilzkenntniss nicht mehr angängig. 2) Nachträglich sei erwähnt, dass die von GIARD (Compt. rend. 1882) gemachten Be- merkungen über die Entwickelungsgeschichte der Pflanze, sofern sie von dem Vorstehenden ab- weichen, unrichtig sind. 3) Literatur: TREVISAN, Prospetto della Flora Euganea. CH. MORREN, Recherches sur la rubefaction des eaux. Acad. roy. de Bruxelles. Tome 14, 1841. ÖERSTED, De regionibus marinis. 1844. — CoHn, Hedwigia, 1863. No. ı2, pag. 80 und 1865, no 6, pag. 81. Derselbe, Ueber die Entstehung des Travertins in den Wasserfällen von Tivoli (LEONHARD’s Jahrbücher für Mineralogie, 1864. pag. 607. — Jahresbericht der schlesischen Gesellschaft für vaterl. Cultur. N Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 75 wässern angetroffen, an Stellen, wo organische Körper, Thier- oder Pflanzen- theile in Fäulniss übergehen. Besonders üppig entwickeln sie sich in fliessenden oder stehenden Gewässern, welche Kloakenwasser oder Abfälle der Fabriken aufnehmen, sowie in Schwefelthermen, und bilden daselbst auf Schlamm oder auf thierischen und pflanzlichen Körpern bald milchweisse oder graue, bald rosenrothe, purpurrothe bis violette Ueberzüge. Der sogen. weisse oder todte Grund des Meeres (z. B. der Kieler Bucht) ist nach EnGLER mit einem dichten weissen Filz von Beggiatoen überwebt und dehnt sich oft auf weite Strecken hin aus, auch an bis 3 Meter tiefen Stellen. Teiche und kleine Buchten des Meeres sieht man oft in ihrer ganzen Ausdehnung roth gefärbt. Zum Zwecke der Gewinnung von Untersuchungsmaterial stellt man sich In- fusionen von thbierischen Theilen, z. B. Mehlwürmern, Schweinsblasenstückchen, faulenden Fischeiern (Froschlaich, Fleisch) oder von pflanzlichen wie abge: storbenen Algen (Spirogyren, Vaucherien, Cladophoren) mit Sumpfwasser oder gewöhnlichem Flusswasser her. In ihren festsitzenden, bezüglich der Dicke sehr variablen und stets scheiden- losen Fäden lassen die Beggiatoen wie der Verfasser zeigte, deutlich einen (segen- satz von Basis und Spitze erkennen, indem sie sich nach oben allmählich etwas erweitern und am Grunde eine deutlichere Gliederung zeigen. Ausser geraden Fäden werden unter gewissen Nährverhältnissen spiralige gebildet: beiderlei Fäden zeigen starke Tendenz zur Fragmentirung. Spiralige Fragmente gehen, wie Ver- fasser darlegte, unter Umständen in den Schwärmzustand über und wurden früher als Ophidomonas beschrieben. In die Zellen der Beggiatoen wird wie CRAMER zeigte, Schwefel eingelagert in Form stark lichtbrechender, daher dunkel con- tourirter Körnchen. Durch dieses Moment sind die Beggiatoenzustände von den Zuständen anderer Spaltpilze leicht zu unterscheiden.!) Wie schon CoHun vermuthete, können die Beggiatoen Schwefelverbindungen, vor allem schwefelsaures Natron, die besonders in Fabrikabwässern und Schwefel- thermen reichlich vorhanden sind, zerlegen und so die reiche Entwicklung von Schwefelwasserstoff bedingen, ein Factum was LOTHAR MEYER zuerst experimentell sicher stellte. Das mit Schwefelwasserstoff geschwängerte Wasser der Fabrik- abflüsse scheint, in die Flüsse geleitet, die Fische zu belästigen, resp. zu tödten; und der »todte« Grund des Meeres hat seinen Namen von den Fischern daher erhalten, weil solche Stellen von den Fischen gemieden werden. Die Gleitbewegung und Flexilität der Fadenfragmente, der wir auch bei anderen Spaltpilzen begegnen, ist bei den Beggiatoen besonders auffallend. In 1874. — Beiträge zur Biologie I. Heft 3, pag. 172 ff. — Beiträge zur Physiologie der Phyco- chromaceen und Florideen in MAx SCHULTZE’s Archiv, III. — CRAMER in CHR. MüLLEr’s Che- misch-physikalische Beschreibung der Thermen von Baden in der Schweiz. Baden, 1870. — LANKASTER, On a Peach-coloured Bacterium. Bacterium rubescens. Quarterly Journal of mi- croscop. science. New series vol. 13. 1873. Further Observations on a Peach-coloured Bac- terium, ebenda vol. XVI. 1876. — WAarMmınG, Om nogle ved Danmarks kyster levende Bacterier, in Videnskabl. Medd. fra d. naturh. Forening i Kjöbenhavn, 1875. (Französisches Resume.) — ZoPr, Zur Morphologie der Spaltpflanzen. Leipzig, 1882. pag. 2ı ff. — Vergl. auch LOTHAR MEYER, Chemische Untersuchung der Thermen zu Landeck in der Grafschaft Glatz. Journ. f. prakt. Chemie, XCI. u. WINTER, Die Pilze (in RABENH. Kryptog. Flora. pag. 57. ENGLER, Pilz- vegetation des weissen oder todten Grundes in der Kieler Bucht (Bericht der Commission zur Erforschung deutscher Meere, 1881). I) Genaueres über die Schwefelkörnchen s. pag. 13. 76 Die Spaltpilze. heissen Quellen findet man sie noch bei einer Temperatur von 55° C. und darüber in üppiger Entwicklung,!) ein Gleiches kann man beobachten an seichten stinkenden Fabrikabflüssen, wenn diese bereits mit einer Eisdecke überzogen sind. Hiernach besitzen die Pilze offenbar die Fähigkeit sich ziemlich extremen Temperaturen noch anzupassen. 1. Beggiatoa alba (N auc#.).?) Sie repräsentirt den nächst C/adothrix gemeinsten Wasserspaltpilz. In auffälligen Mengen kann man sie beobachten in den Abflüssen der Fabriken, namentlich in den Abwässern der Zuckerfabriken, der Gerbereien etc. und in den Schwefel- thermen. In oscillarienartiger Geselligkeit vorkommend überspinnen ihre Fäden unter ruhigen Verhältnissen die Schlammmassen oft auf weite Strecken hin mit einer mehr oder minder continuirlichen, milchweissen, weissgrauen oder schmutzig gelblich-weissen Decke (Baregine oder Glairine genannt und einen wesentlichen Theil des Badeschleims bildend). Im angewachsenen Zustande findet man ihre Fäden an faulenden Algen und höheren Wasserpflanzen, an todten Insekten und ähnlichen Substraten. Solche angewachsene Fäden allein eignen sich für das Studium des Fadencharakters; die freien Fäden stellen blosse Fragmente vollständiger Fäden dar. Beachtenswerth ist die Variabilität der Fäden bezüglich des Dickendurch- messers. Zwischen haarfeinen, jüngeren (höchstens ı mikr. messenden) und sehr dicken älteren (von 5 mikr. Diameter und darüber), finden sich alle Mittelstufen, ein Factum, das man früher nicht beachtete und darum je nach der Fadendicke besondere Species unterschied.?) Auch der Schwefelgehalt der Fäden ist kein constanter. Junge dünne Fäden besitzen oft nur wenige (Fig. 27, d 4) oder nur ein einziges Schwefelkorn, ja sie können vollständig schwefelfrei sein; ältere dagegen sind meist schwefel- reich, bald mit gröberen, bald mit feineren Körnchen dieser Substanz versehen (ra 2). Doch vermisst man bisweilen auch an älteren Fäden und zwar an der Basis jede Schwefeleinlagerung. Was die Struktur der Fäden betrifft, so lässt sich an festsitzenden Individuen eine Gliederung in Langstäbchen resp. Kurzstäbchen oder Coccen in der Regel schon ohne Eingreifen mit Reagentien constatiren, jedoch meistens nur am schmäleren basalen Theile der Fäden, zumal bei mangelndem Schwefelgehalt. (1 —d). In dem reichlicher Schwefel einlagernden Endtheile der Fäden fehlt fast durchweg jede Andeutung von Querwänden. Um auch hier den Nachweis der Gliederung führen zu können greift man am besten zu alkoholischen Anilinfarben- I) Von dieser Beobachtung aus hat sich CoHn zur Aufstellung der Hypothese veranlasst gesehen, dass die Beggiatoen (nebst den Öscillarien, die unter denselben Bedingungen noch sehr vermehrungsfähig sind) als die ersten pflanzlichen Bewohner des auf etwa 60° C. abgekühlten Urmeeres anzusprechen seien. Natürlicher erscheint dem Verfasser die Annahme, dass den Beggiatoen die Fähigkeit in heissem Wasser zu wachsen, nicht ursprünglich eigen war, sondern dass sie dieselbe allmählich durch Adaptation erlangt haben, indem sie von den unteren abge- kühlten Stellen der Abflüsse heisser Gewässer aus nach der Quelle zuwanderten. 2) Vergl. ausser der angegebenen Literatur noch ENGLER, Pilzvegetation des weissen oder todten Grundes. 3) Solche nunmehr endlich fallen zu lassende Arten sind: Deggiatoa nivea RABENH., D. leptomitiformis MENEGH., D. tigrina RABENH., 3. marina CoHNn. Vergl. WINTER: Die Pilze (RABENH. Kryptog. Flora, pag. 58.) Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 77 lösungen (Methylviolett, Fuchsin, Vesuvin), oder, wie ENGLER angiebt, zu erhitztem Glycerin, nach CRAMER auch zu schwefligsaurem Natron. Bei der Theilung in iso- diametrische Stücke (Coc- cen) bleiben nur die dünne- ren Fäden stehen (7). Die Coccen runden sich später soweit gegeneinaderab, dass sie sich trennen. In dicke- ren Fäden aber gehen die Theilungen noch einen Schritt weiter, was sich nur mittelst jener Reagentien feststellen lässt; die isodia- metrischen Zellen theilen sich nämlich durch Quer- wände weiter in niedrige Scheibenstücke (Fig. 27, 8), und in diesen treten schliess- lich unter Umständen noch- mals Wände auf, aber dies- mal senkrecht zu der vori- gen Theilungsrichtung, aber parallel zur Längsachse des Fadens. So wird jede Scheibe in 2 Halbscheiben und schliesslich in 4 Qua- dranten zerlegt, die sich später zu kugeligen oder ellipsoidischen Coccen ab- runden. Zur Zeit. dieser Coccenbildung sind die Zell- chen meist schwefelreich. Sie enthalten ein oder we- nige grössere Schwefel- körnchen. Nach ihrer Ausbildung und Abrundung bleiben die Coccen noch längere oder kürzere Zeit bei einander liegen (9), bis sie sich schliesslich trennen. Unter gewissen Ernährungsverhält- nissen gehen sie in den Schwärmzustand über, der sehr lebhaft ist, und (0 ER Y .£ N cos RE ® 80° eg seeted pr ECT E) On _0gn1os80, 2 nd, 06% ‚[,>e ler EB EDEDO 9 AI TER TR (on 390050958 (B. 314.) Beggiatoa alba ı. (540:1). Gruppe festsitzender Fäden. a u. b mit deutlichem Gegensatz von Basis und Spitze, am Grunde deutliche Quertheilung in längere a und kürzere b Glieder zeigend und hier schwefelfrei. c Basales Fragment, Schwefelkörnchen spärlich. 2—5. (900:1). Fadenfragmente von verschiedener Dicke und verschiedenem Schwefelgehalt; 5 in lebhafter Fragmentirung begriffen. 6—8. (900:1), mit Methylviolettlösung behandelte Fäden, deutliche Gliederung in Längsstäbchen und Kurzstäbchen (6) in Coccen (7) in niedrige Scheiben und Coccen (8) zeigend. 9. (900:1), in Isolirung begriffene Coccen. 10. (900:1). Schwärmende Zustände (a Coccen, b c Stäbchen). (Nach der Natur). setzen sich dann, zur Ruhe kommend in Gruppen an Algenfäden oder sonstige Gegenstände im Wasser fest, dieselben oft ganz überziehend und schwärzlich färbend. Sie vermehren sich durch fortgesetzte Zweitheilung, die auch schon 78 Die Spaltpilze. beim Schwärmen zu constatiren ist und bilden kleinere oder grössere Zoo- gloeenhäufchen yon unregelmässiger Form. Unter gewissen Verhältnissen wachsen sie zu Stäbchen (ıob), theils geraden, theils vibrionenartig ge- krümmten aus, die gleichfalls ein Schwärmstadium eingehen können. Zur Ruhe gelangt wachsen sie zu Fäden aus. Ausser allen diesen Entwicklungsverhältnissen wurde von mir der Umstand beobachtet, dass sich die Fäden entweder am terminalen Theile oder intercalar oder in ihrem ganzen Verlauf zur Spiralform krümmen können (Fig. 28, A—G). Die durch Abknickung frei ge- wordenen Spiralstücke erlangen unter besonderen Verhältnissen Schwärmfähig- keit. Ihre Schwärmbewegung wird durch Cilien vermittelt, die einzeln an jedem Pole auftreten und schon ohne Rea- gentien nachweisbar sind (E). Man hat die Schwärmschrauben früher unter dem Genus Ophidomonas beschrieben. Ihre Fadendicke wechselt wie die Fadendicke der Mutterfäden, von denen sie ihren Ursprung herleiten; eben so variabel ist ihr Schwefelgehalt und Durchmesser wie Höhe ihrer Win- dungen (B—G). Durch Fragmentirung (D) bilden sie Schraubenstücke, welche für sich weiter schwärmen können. Ihrem Ursprunge von gegliederten Beggiatoa - Fäden gemäss zeigen die Schraubenzustände die nämliche Glie- derung in Stäbchen und Coccen (H), wie jene, doch ist dieselbe meistens schwierig und meistens nur mittelst Reagentien oder nach Cultur in Wasser nachweisbar, und so geschah es, dass man die Schrauben früher für ein- zellig hielt. Die gewöhnlichen geraden Fig. 28. (B. 315.) Beggiatoa alba (540:1). A Gruppe festsitzen- der, partiell gewundener, an der Basis deutlich gegliederter Fäden. B Ein in seiner ganzen Ausdehnung spiralig gewundener Faden. CD fiden Schraubenstücke, die sich von Fäden abgegliedert haben, unbeweglich und in der Fragmentirung begriffen. E Schrauben-Schwärmer von Spirillen- form, an beiden Polen mit je einer Geissel ver- sehen. F G dünnere und kleinere Schrauben- formen. H eine Schraube, welche Gliederung zeigt. zeigen gleichfalls eine starke Tendenz zur Fragmentirung in längere oder kürzere Stücke (Fig. 27, 5), die je nach dem Schwefelgehalt der verschiede- nen Stellen des Mutterfadens bald schwefelreich, bald schwefelarm, bald ganz schwefelfrei erscheinen (Fig. 27, 5) und in letzterem Falle vom Unkundigen für nicht zu Begg. alba gehörige Zustände gehalten werden können. Sie gehen, wie es scheint, niemals in den Schwärmzustand über. Die geraden, wie die schraubigen (nicht im Schwärmzustande begriffenen) Fragmente zeigen grosse Flexilität und kriechende Bewegungen. Die flexilen Fäden machen sehr energische oft vielfach verschlungene Biegungen und erscheinen oft zierlich haarflechtenförmig (Spirulinenform Fig. ı, ]). Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 79 Nächträglich sei hinzugefügt, dass ich an Material einer von Begg. alba nicht zu unterscheidenden Deggiatoa die mir von WARMING von der dänischen Küste gesandt wurde, beobachtete, wie schon die stäbchenförmigen Glieder der Fäden nach gegenseitiger Abrundung sich isoliren und in den Schwärm- zustand übergehen können. | 2. Beggiatoa roseo-persicina ZOPF.!\) Sie tritt auf im süssen und salzigen Wasser an Stellen, wo vegetabilische oder thierische Theile im Faulen begriffen sind und versieht beiderlei Substrate mit rosenrothen, bluthrothen, violetten oder violettbraunen Ueberzügen. In schwimmenden Algenwatten (z. B. von Vaucheria) bildet sie oft ausgedehnte Nester. Wenn auch nicht so verbreitet wie Deggiatoa alba kommt sie doch häufig in grosser Massenhaftigkeit vor, so dass sie ganze Gräben, Sümpfe und grössere Teiche erfüllen kann, dieselben bluthroth färbend. An den Meeres- küsten (z. B. von Dänemark) entwickelt sie sich zwischen den ausgeworfenen Zosteren-Massen gleichfalls in auffallender Menge. Was die Morphologie der rothen Beggiatoa anlangt, so erzeugt sie dieselben Entwicklungsformen wie BD. alba, nämlich: Coccen-, Stäbchen-, Faden- und Schraubenformen. Die Fadenform stimmt in ihrem Bau so vollständig mit der von 2. alba überein, dass sie sich im Grunde nur durch die rothe bis violette Färbung unter- scheidet. Dagegen entwickeln sich die in den Fäden gebildeten, durch Abrundung frei werdenden Coccen durch fortgesetzte Zweitheilung zu charakteristischen, eine grosse Mannigfaltigkeit in der Configuration zeigenden Zoogloeen. Die bekannteste dieser Formen ist die früher als besondere Algenart (Cla- throcystis roseo-persicina) von COHN beschriebene Netzform. Daneben kommen regelmässig kugelige, eiförmige, sowie unregelmässige Colonien von gelappter, verzweigter etc. Form vor. Dabei erscheinen die Colonien bald wenig, bald stark vergallertet. Die Coccen-Einschlüsse, anfangs klein, vergrössern sich später zu Macrococcen und werden schwefelreicher. - Aus den Coccen entwickeln sich in den Colonien unter gewissen Be- dingungen Stäbchen, welche nicht selten vibrioartige Krümmung annehmen. Besondere Ernährungsverhältnisse vorausgesetzt, schwärmen sowohl die Coccen als die Stäbchen nach dem Zerfliessen der Gallerthülle aus.) Die kürzeren Stäbchen wachsen zu längeren aus und bilden durch Aneinanderreihung Fäden. !) Literatur: LANCASTER, On a Peach-coloured Bacterium — Bacterium rubescens. Quart. Journ. of microscop. science. New series, vol. 13 (1873). pag. 408. — Further Observations on a Peach- or Red-coloured Bacterium, ebenda vol. XVI. 1876. — WARMInG, Om nogle ved Danmarks kyster levende Bacterier, in Vidensk. Medd. fra d. nat. Forening i Kjöbenhavn, 1875. (Resume). — MORREN, Recherches sur la rubefaction des eaux. Nouv. m&m. de l’acad. roy. de Bruxelles. Tom. XIV. (1841). — WeEıIsE, Monas Okenii. Bull. phys.-mathem. de St. Peters- bourg III. 1845. — Conn, Beiträge I., Heft III. — GIARD, Etude sur une bacterie chromogene des eaux de rouissage du lin, Revue de sc. nat. Tome V. 1877. — W. Zorpr, Zur Morphologie der Spaltpflanzen. Leipzig, 1882. pag. 30. — WINTER, in RABH. Kryptogamen-Flora. pag. 48. unter Cohnia. Vergl. auch ENGLER |. c. 2) Die Coccen-, Stäbchen-, Vibrionen- sowie kürzere Fadenformen unterschied man früher als besondere Arten: Dacterium sulfuratum, Merismopedia littoralis u. Reitenbachii, Monas vinosa, M. Warmingi, Monas erubescens, Bacterium rubescens, Monas Okenü, Spirillum violaceum, Monas gracilis, Rhabdomonas rosea etc. 80 Die Spaltpilze. Wie bei Beggiatoa alba können auch bei vorliegender Species unter gewissen Ernährungsbedingungen die Fäden partielle oder totale Schraubenbildung zeigen, sowie die Schrauben sich abgliedern und schwärmfähig werden. Sie stellen in diesem Zustande die Ophidomonas sanguinea EHRENBERG'S dar. Physiologisch ist 2. rosea-persicina durch die Bildung ihres rothen, im Inhalt befindlichen Farbstoffes, des Bacteriopurpurins bekannt.!) 3. Beggiatoa mirabilis CoHn.?) Sie lebt im Meerwasser wo ihre hyalinen Fäden den Schlamm sowohl als faulende Algen, Seegras und faulende Thierkörper mit einem weissen Ueberzuge versehen. An den dänischen und norwegischen Küsten ist sie nach WARMING eine ganz gemeine Erscheinung. Ueber ihren Entwicklungsgang herrscht noch vollständige Unkenntniss. Von allen anderen Beggiatoen durch den bedeutenden Querdurchmesser bis etwa 30 mikr.) unterschieden zeigen die Fäden zunächst Gliederung in nahezu isodia- metrische Stücke, dann in niedrige Cylinderscheiben. Da, wo Scheidewände nicht deutlich wahrzunehmen sind, deutet schon die Gruppirung der Schwefel- körnchen solche an. Wie Coun und WArMmInG wohl ganz richtig vermuthen, dürften die kugeligen rundlichen, oft in Zweitheilung begriffenen Zellen, welche man zwischen den Beggiatoenfäden umherrollen sieht und die genau denselben Inhalt haben, wie letztere, anzusprechen seien als isolirte Glieder der Deggiatoa, als Macrococcen (Monas Mülleri Warm). Ob Spiralschwärmer vorkommen ist noch nicht festgestellt. Genus II. Phragmidiothrix. ENGLER.?) ı. Phragmidiothrix multiseptata ENGLER. Dieser Meeres-Spaltpilz, von ENGLER in der Kieler Bucht entdeckt, siedelt sich auf Gammarus Locusta an. Seine 3—6 mikr. dicken Fäden erscheinen durch Querwände in sehr niedrige Cylinderscheiben gegliedert, deren Höhe 4—6 mal geringer ist, als der Querdurchmesser. In diesen Scheiben können nun Längs- theilungen nach 2 und mehreren Richtungen auftreten, durch welche sie zunächst in Halbscheiben, dann in Scheiben-Quadranten und endlich in noch kleinere Stücke verlegt werden, die sich schliesslich abrunden, Coccen darstellend, deren wahrscheinliche Isolirung noch nicht beobachtet wurde. Offenbar gehen aus diesen Coccen wieder zunächst sehr dünne, dann immer breiter werdende Fäden hervor. Ausser durch die weitgehenden Theilungen charakterisirt sich Phragmidio- thrix den Beggiatoen gegenüber durch den Schwefelmangel, Crenothrix gegen- über durch den Mangel einer Scheide. Jedenfalls hat man es mit einem höchst eigenartigen Spaltpilze zu thun, dessen Entwicklung eingehend studirt zu werden verdiente. Genus IV. Leptothrix. 1. Leptothrix buccalis Ropın = Pilz der Zahncaries.?) Bewohnt die Mundhöhle des Menschen und carnivorer, seltener phytophager Säugethiere, woselbst er als Saprophyt auf der Schleimhaut und im Zahnbelag !) Vergl. das auf pag. 14 nnter »Farbstoffe« Gesagte. 2) Hedwigia, 1865, pag. 81. — Beiträge zur Physiologie Phycochromaceen und Florideen (Max SCHULTZE’s Archiv, III. — WARMING, Om nogle ved Danmarks Kyster levende Bacterier. Resume, pag. I5. 3) Ueber die Pilzvegetation des weissen oder todten Grundes in der Kieler Bucht. 4) Literatur: Rosın, Histoire nat. des veget. parasit. pag. 345. — LEBER u. ROTTENSTEIN, Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 81 vegetirt, auch im Zahnstein zu finden ist. Unter gewissen Voraussetzungen in- dessen gewinnt er parasitische Angriffskraft auf die Zahngewebe und ruft in ihnen eine eigenthümliche Krankheit hervor, welche in einem Morsch- und Hohl- werden des Zahns ihren Ausdruck findet und als Zahnfäule oder Zahncaries (Caries dentium) allgemein bekannt ist. Wie Dr. W. MıLLER mit mir nachwies, findet sich der Pilz auch im Weinstein der Zähne ägyptischer Mumien, wo er sich nach Auflösung des Kalkes durch Säuren leicht nachweisen lässt. Er bildet in seinen Fäden Langstäbchen, Kurzstäbchen und endlich Coccen. Oft sind diese Formen gleichzeitig am selbigen Faden nachweisbar. Durch fort- gesetzte Zweitheilung sich vermehrend und durch ihre gallertige Membran ver- bunden bleibend, formiren die Coccen Zoogloeen, welche unregelmässige Haufen darstellen. Wachsen solche Haufen wiederum zu Fäden aus, so bilden letztere ein strahliges Büschel. Ein Gegensatz von Basis und Spitze lässt sich an solchen festsitzenden Fäden, die übrigens sehr verschiedene Durchmesser haben, leicht nach- weisen. Fragmentirung. der Fäden in längere und kürzere Stücke erfolgt natürlich auch hier. In manchen Fällen nehmen die Fäden, entweder an loca- lisirten Stellen oder in ihrem ganzen Verlauf spiralige Krümmung an, und die Fragmente solcher Fäden stellen Spirillen-, Vibrionen- oder Spirochaeten-artige Formen dar. Letztere, bekanntlich im Munde sehr häufig und durch fortgesetzte Verlängerung und Fragmentirung ihre Zahl vermehrend, wurden bisher als Spzirochaete buccalis bezeichnet. Wie MILLER zeigte, geht der Pilz auch in die Zahngewebe hinein. Der Zahn besteht bekanntlich aus vier, einander concentrisch umgebenden Schichten: ı. dem Zahnbein (Dentine) (Fig. 29, I, D), welches den überwiegendsten Theil der Zahn- masse darstellt und dem Zahne die bekannte Form verleiht. Sein Gewebe wird durchzogen von Kanälchen (Dentinkanälchen), welche radiale Stellung zum Cen- trum des Zahnes zeigen und reich verzweigt sind. Dieses Gewebe ist ausserdem incrustirt mit Kalksalzen. 2. aus der vom Zahnbein umschlossenen Pulpa (I, P), welche aus Bindegewebe besteht, mit Nerven und Gefässen. An ihrem peripheri- schen Theile liegen die als Odontoblasten bezeichneten Zellen, deren Zweige (Fi- brillen) in die Dentinkanälchen hineingesandt werden. 3. aus dem Schmelz (1, E), der das Zahnbein, soweit es aus der Alveole herausragt, mit einer dünnen Schicht überkleidet und durch Einlagerung von Fluorcalcium in seine prismati- schen Zellen besondere Härte erlangt, und 4. aus der Cementschicht (I, c), welche den im Kiefer steckenden Theil des Zahnbeins (die Wurzeln) überzieht und aus Knochenkörperchen besteht. Nach den Untersuchungen MiLrer’s liegt die Hauptbedingung für das Eindringen des Pilzes in der vorausgehenden Entkalkung des Schmelzes und Zahnbeins. Diese Entkalkung wird bewerkstelligt durch Säuren, welche sich bilden, wenn Speichel mit Speiseresten (Brod, Fleisch) in Berührung kommt, oder wenn im Mundbelag befindliche Spaltpilze Gährthätigkeit entwickeln. Da sich die Speisereste in den Interstitien der Zähne und (namentlich bei Back- zähnen) auch an der Kaufläche, und zwar in Fissuren des Schmelzes festsetzen, so werden die Zähne zuerst an diesen Stellen entkalkt, und von hier aus erfolgt auch das Eindringen des Pilzes.. Er wuchert in den Dentinekanälchen entlang, Untersuchungen über Caries der Zähne. Berlin, 1867. — BAuMmE, Odontologische Forschungen, U. pag. 120—ı91. — W. MirrEr, Der Einfluss von Microorganismen auf die Caries der menschlichen Zähne. (Archiv für experimentelle Pathologie. Bd. XVI. 1882). ScHenk, Handbuch der Botanik. Bd. III. 6 . N IN); ae Re FE wur Sr === = ne eu rate a N zoom. m ee He N r ee 3 ı urn N (B. 316.) I Zahn im Längsschnitt, schwach vergrössert. E Elfenbein- schicht, D Zahnbein (Dentine), P Pulpa, C Cementschicht. II Verzweigtes Zahnkanälchen (normal). II Stück eines ver- zweigten Zahnkanälchens mit Kurzstäbchen erfüllt; in den Seiten- zweigen Kurzstäbchen und Coccen (z. B. bei a). IV Kanälchen, welches am Ende a Kurzstäbchen, weiter zurück Langstäbchen (b) enthält. V Kanälchen, das oben (a) mit Coccen, unten (b) mit Kurzstäbchen versehen. VI Kanälchen (dessen Wandung nicht gezeichnet), unten mit leptothrixartigen Fäden, oben mit Langstäbchen und schraubig gekrümmten Fäden. VI Spirillen- artiger Faden, z. Th. unregelmässig und den Raumverhältnissen des Kanälchens sich accomodirend. VIII Querschnitt durch einen cariösen Zahn, die Kanälchen auf dem Durchschnitt zeigend. Sie sind bereits durch die Pilzwucherung erweitert, an einzelnen Stellen (a) schon verschmolzen. IX Längsschnitt durch krankes Zahnbein. a Stellen, wo sich grosse Massen des Spaltpilzes gebildet haben. Fig. 29. brechen. 1 Ihr ee u | VL D | ie MN ’\ FOUR N) >‘ il >>SNR HN ı\ SS hl a Ne ii u ; > Mus, aM N AN) IN NN Se I A \l S zerstört die Fibrillen und gelangt schliesslich bis in die Pulpa hinein, auch diese zerstörend. In den Dentine- kanälchen, wie in der Pulpa bildet er Langstäbchen (IV, b), Kurzstäbchen (IVa, Vb, III) und Coccen (Va), die Leptothrix-Form und Schrau- ben-Formen (VI, VII), also dieselben Zustände, wie im Zahnschleim. In der Höhl- ung des Zahnes und an den peripherischen Theilen des- selben herrscht die Zepzo- Hhrix-Form nebst Coccen vor, in den Kanälchen da- gegen überwiegt die Coccen- und Stäbchenform. Oft sind die Stäbchen in der ganzen Ausdehnung der Dentinekanälchen nenartig gebogen. Häufig treten die Coccen-, Stäb- chen- und Fadenformen in zonenartiger Reihenfolge in den Kanälchen auf (IV, V) VD. Die Stäbchen schie- ben sich selbst in die fein- sten Verzweigungen der letzteren hinein III a), um auch hier schliesslich Coccen zu zerfallen (II). In den Dentinekanäl- chen und ihren Seitenzwei- gen erfolgt die Vermehrung der Stäbchen und nament- lich der Coccentorm durch fortgesetzte Zweitheilung bis zu dem Grade, dass die Kanälchen zunächst allseitig stark erweitert werden, spä- ter aber tritt eine mehr localisirttre Wucherung der Pilzelemente derartig inten- siv auf, dass grosse Klum- pen derselben entstehen, welche das Gewebe unter- vibrio- in Man kann sich hiervon sowohl auf Längs- (IX) als auf Querschnitten BR Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 83 (VIII) des Zahnes überzeugen. Endlich werden die Wucherungen so gross, dass sie mit anderen sich berühren und verschmelzen (VIII a). Auf diesem Wege werden immer grössere Lücken im Zahnbein gebildet, und dasselbe erscheint nunmehr morsch, cariös. Die Fibrillen der Dentinekanälchen sowie die Pulpa werden in starke Fäulniss versetzt, die sich in den bekannten üblen Gerüchen kundgiebt. Die oben für Bacterium Pastorianum (Hansen), Clostridium butyricum und Polymyxa angegebene Blaufärbung durch Jod kommt auch bei vorliegendem Pilze der Regel nach, wenn auch nicht immer vor.!) Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, dass der ursprüngliche Vegetations- heerd des Pilzes ausserhalb der Mundhöhle zu suchen ist. Vielleicht führen wir ihn mit dem Wasser und mit den thierischen oder pflanzlichen Nahrungs- mitteln ein. IV. Cladothricheen. Genus I. Cladothrix. 1. Cladothrix dichotoma Conn.?) Zweighaar. Dieser gemeinste aller Wasserspaltpilze lebt in allen stehenden und fliessenden Gewässern, welche mehr oder minder reich an organischen Substanzen sind, und findet sich fast stets in Gesellschaft von Beggiatoen. In den Abwässern von Fabriken (besonders Zuckerfabriken), Gerbereien kommt er oft zu massenhafter Entwickelung, verunreinigt auch nicht selten die Wasserleitungen (namentlich in Russland) und füllt Bäche an stagnirenden Stellen oft total aus. Besonders auf- fallend für das Auge wird seine Vegetation, wenn die fädigen Zustände durch Eisenoxydhydrat Rostfarbe annehmen. Künstlich erzieht man ihn in Aufgüssen von faulenden Algen und anderen Pflanzen, stinkenden Schlammmassen, Fischeiern, Fleisch, Insekten etc., die mit Fluss- oder Sumpfwasser angestellt werden. Der Spaltpilz tritt an Algen und thierischen Substraten in Form kleiner ı—3 Millimeter hoher Räschen, sonst auch in schwimmenden Flöckchen auf. Seine Entwickelung führt von der Coccenform aus zur Stäbchenform, ‚von dieser zu feinen Fäden. Letztere sind anfangs einfach und wurden früher als besondere Art (Zeptothrix parasitica Kürzıng oder (wenn sie durch Eisenoxyd- hydrat gefärbt sind) als Zeplothrix ochracea Kützıng) beschrieben. Später gehen sie nach Art gewisser Spaltalgen (Zolypothrix) Pseudoverzweigungen ein (Fig. 3), indem einzelne Stäbchen seitwärts ausbiegen (Fig. 3, ab c) und durch fortgesetzte Theilung sich zu Fäden verlängern. Bei ungestörter Vegetation erlangen die Zweigsysteme, die weder bei der Gruppe der Bacteriaceen, noch bei den Leptothricheen zu finden sind, ziemlich bedeutende Ausdehnung. Zunächst erscheinen die Fäden in Langstäbchen, später in Kurzstäbchen und endlich in Coccen gegliedert; doch hat man bisweilen zur Sichtbarmachung dieser Structur zu den früher erwähnten Abtödtungsmitteln zu greifen, besonders dann, wenn die in bekannter Weise sich bildende Scheide ziemliche Dicke erreicht und dabei I) Bisweilen bahnt nach MiıLLer dem Zahnpilze ein Saccharomyces Mycoderma-artiger Spross- pilz den Weg, indem er, sich in das Zahngewebe einbohrend dasselbe entkalkt und durchlöchert. 2) CoHn, Untersuchungen über Bacterien, in Beitr. z. Biol. Bd. I. Heft III. pag. 135. CIENKOWSKI, Zur Morphologie der Bacterien. Petersburg 1876. W. Zopr, Zur Morphologie der Spaltpflanzen. I. Zur Morphologie der Spaltpilze. pag. ı u. ff. 6* 84 Die Spaltpilze. durch Eisenoxydhydrat gelbe, rostrothe, olivengrüne oder selbst dunkelbraune Färbung annimmt. Die Glieder der Fäden wandern in der Regel aus der Scheide aus, entweder f « [ 2, Vi Rn B). / Ita ) Re mE na TIER Ara d‘ RE a \ i Ä Ir ( { f 3 3 Q I) A (B. 317) Fig. 30. Cladothrix dichotoma. A Verzweigte Pflanze, Zweige z. Th. vibrionenartig (a), z. Th. spirillenartig (b), schwach vergrössert. B Eine Schraube, deren eines Ende (a) spirillenartig, deren anderes (b) vibrionenartig erscheint. C Sehr langer, spiro- chaetenartiger Zweig. D Zweigstück, an einem Ende spirillen-, am andern vibrionenartig. E Schrauben mit Gliederung in Stäbchen (b) und Coccen (c); a ungegliedert. F Spirochaeten- form, bei a ungegliedert, bei b in Langstäbchen, bei c in Kurzstäbchen, bei d in Coccen gegliedert. (Gliederung bei E nicht gut wiedergegeben.) in Folge der Streckung und Theilung der weiter zurück- liegenden Glieder herausge- drängt, oder in Folge ihrer Eigenbewegung. Sie treten entweder isolirt aus oder zu Reihen (Hormogonien) ver- bunden. Bisweilen keimen die Coccen noch in der Scheide liegend zu Stäbchen und sodann zu Zeptothrix-Fäden aus, ähnlich wie bei Creno- thrix. Unter gewissen Ver- hältnissen lösen sich Zweig- stücke der Pflanze ab und nehmen eigenthümliche Gleitbewegungen an. Unter gewissen anderen Bedingungen werden die abgeknickten Zweigstücke schwärmfähig!!) Sie zei- gen unmittelbar nach der Abknickung Cilien und schwärmen mittelst dersel- ben äusserst lebhaft. Solche längere Stäbe zerknicken dann in kürzere, gleichfalls Schwärmbewegung anneh- mende. Ausser den mit gewöhn- lichen geraden Zweigen ver- sehenen Individuen werden von dem Pilze solche Pflan- zen gebildet, deren Zweige regelmässig spiralig gewun- dene Formen annehmen (Fig. 30, A). Solche Schrau- ben entsprechen theils der Spirillum- (Fig. 30, A b), theils der Vzdrio- (A a), theils der Spirochaete-Form (C). Uebergänge von der einen zur andern finden sich oft an demselben Zweig (B, D). Wie die Stücke gerader Zweige, können nun auch Stücke der Spiralzweige !) Aehnliches von KURTH für Bacterium Zopfi beobachtet. Seck Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 85 sich unter gewissen Verhältnissen abgliedern, um entweder blosse Gleitbewegungen oder aber durch Cilien vermittelte Schwärmbewegungen anzunehmen. Ihrem Charakter als Zweigstücke entsprechend weisen die abgelösten Schwärmschrauben Gliederung in Längstäbchen beziehungsweise Kurzstäbchen auf (E b) und gliedern sich schliesslich in Coccen (E c). Die Annahme der Einzelligkeit der Schrauben- formen ist also auch für die Cadothrix-Schrauben hinfällig. Man gelangte zu dieser Annahme auf Grund des Umstandes, dass die Gliederung auf dem blossen opti- schen Wege schwierig oder gar nicht möglich ist, allein wenn man zu den früher dargelegten Methoden des Nachweises der Gliederung greift, insbesondere zu den Färbungsmitteln, macht dieser Nachweis keine besonderen Schwierigkeiten. In den Entwickelungsgang von Cladothrix dichotoma gehört eine durch mehr oder minder regelmässig baumförmige Gestalt ausgezeichnete Zoogloeenform, die Zoogloea ramigera der Autoren (Fig. ı1, F). Die Verzweigungsform ist eine bald regelmässig-, bald unregelmässig-dichotome. Bisweilen werden die Zweige nach dem Ende zu lappenförmig breit, bald erhält das Ganze mehr traubenartiges Ansehen. Die Einschlüsse sind zunächst Coccen, später Kurzstäbchen, dann L.ang- stäbchen, welche oft vibrionenartig gekrümmt erscheinen, dann leptothrixartige Fäden, welche theilweise spiralig gewunden sind, und endlich entsteht durch Ver- zweigung derselben wieder die typische Cladothrixform. Somit zeigt die Ent- wickelung der Zoogloeen-Einschlüsse dieselbe Formen-Mannigfaltigkeit, wie wir sie sonst bei Cladothrix dichotoma finden. Die Entwickelung von Coccen zu Stäbchen, von Stäbchen zu Fadenformen etc. vollzieht sich unter bestimmten Ernährungsverhältnissen an allen Theilen der Zoogloea gleichzeitig, so dass die Colonie in ihrer ganzen Ausdehnung nur Coccen, nur Stäbchen, nur Fadenformen enthalten kann. Unter anderen Bedingungen findet man alle diese Zustände in derselben Colonie bei einander und zwar an den Enden der Zweige Coccen oder Kurzstäbchen, weiter zurück Langstäbchen und Vibrionen, dann Fadenformen und Schrauben (Fig. 12). Bestimmte Substratsverhältnisse ermöglichen eine Quellung der Zoogloea-Gallert und ein Ausschwärmen der kürzeren Entwickelungsformen, resp. ein Auskriechen der längeren. In eisenhaltigem Wasser wird in die Membran der Zoogloeen Eisenoxydhydrat eingelagert, oft in so grosser Menge, dass die Bäumchen dunkel- braun erscheinen und ihre Einschlüsse gänzlich verdeckt werden. 2. Cladothrix Foersteri = Streptothrix F. CoHn.!) Bildet nach CoHn die eng verfilzten Pilzmassen (Concremente), welche GRAEFE 1855 in den Thränenkanälchen des menschlichen Auges auffand und die seitdem mehrfach, jedoch nicht häufig beobachtet wurden. Nach Conn's Ab- bildung stellt der Spaltpilz eine typische Cladorhrix dar, zeigt auch die Fähigkeit der Schraubenbildung an den Zweigen. Die Coccenmassen, Stäbchen und leptothrixartigen Fäden, welche GRAEFE, WALDEVER, FÖRSTER und Conn auffanden, und die einige der Beobachter zu Zeptothrix buccalis gehörig betrachten, gehören ohne Zweifel in den Entwickelungsgang der Cladothrix Försteri, wenn auch !) Literatur: CoHN, Untersuchungen über Bacterien in Beitr. z. Biol. Bd. I. Heft II. pag. 186. Taf. 5. Fig. 7. Vergl. auch: GRAEFE, Archiv für Ophthalmologie. Bd. I, 284; Bd. I, 224. Derselbe, Ueber Zepzothrix in den Thränenröhrchen, Archiv für Ophthalmologie. Bd. XV. I. pag. 324. — FOERSTER, Pilzmasse im unteren Thränenkanälchen, Archiv für Ophth. XV. I. pag. 318—23. Taf. II. Fig. ı. 86 Die Spaltpilze. der Nachweis erst noch zu erbringen ist. Es lässt sich erwarten, dass eine ge- naue Untersuchung und Züchtung des Pilzes grosse Aehnlichkeit mit Cladothrix dichotoma aufdecken wird. 3. Sphaerotilus natans (KÜTZING!). Sie lebt im stehenden und fliessenden, durch organische Stoffe verunreinigten Gewässern, namentlich auch Fabrikabflüssen und tritt daselbst oft massenhaft und zwar meist in schwimmenden Flocken von weisser, gelblicher oder rostrother bis gelbbrauner Färbung auf. Ihre Entwicklung ist nur unzureichend bekannt. ’ Nach Eıpam bildet der Pilz Fäden, welche sich mit einer Gallertscheide um- hüllen. Die Zellen, aus denen die Fäden bestehen, sind zunächst stäbchenförmig und theilen sich später in Coccen, welche aus der Scheide austreten. Sie wachsen widerum zu Stäbchen und diese durch Aneinanderreihung zu Fäden heran. Wie es scheint, findet an letzteren eine Pseudozweigbildung ähnlich der C/adothrix dichotoma statt. Hiernach dürfte die Pflanze zu Cladothrix zu stellen sein. Das Plasma der Zellen soll nach Eıpam schliesslich in eine grosse Anzahl kugelrunder kleiner Partien zerfallen, deren jede stark lichtbrechend wird und sich zur Spore abrundet, die rothe, später braune Färbung annimmt. Eıpam sah sie zu Fäden auswachsen. Unvollständig bekannte Spaltpilze.’) A. Solche, die man nur in der Schraubenform kennt. 1. Vibrio Rugula MÜLLER®). In Aufgüssen von pflanzlichen Theilen tritt der Pilz zunächst unter der Form ausserst dünner, schwach schraubig (vibrionenartig) gekrümmter Stäbchen auf (Fig. 31, B), welche zur Zeit ihrer Zersetzungsthätigkeit Schwärmfähigkeit besitzen und während oder nach Aufgeben dieses Zustandes zu gleichfalls vibrionenartige Krümmung besitzenden Fäden (A) auswachsen. Im nächstfolgenden Stadium der Entwickelung schwellen die zur Ruhe ge- kommenen Stäbchen gleichmässig auf, und ihr Inhalt wird reicher, meist mit feiner Granulation (C). Darauf macht sich an je einem Pole eine kugelige An- schwellung bemerkbar (D), die den Stäbchen das Ansehen von Stecknadeln giebt und zugleich den Ort andeutet für den Eintritt der Sporenbildung. Letztere er- folgt durch Contraction des Plasmas in der kopfigen Ausbauchung der Zelle (E). Die Sporen zeigen Kugelform. Was die physiologische Seite betrifft, so scheint der Spaltpilz in Aufgüssen von pflanzlichen Geweben (Kartoffelstücken, Wurzeltheilen) Gährwirkungen hervorzurufen und ein Ferment abzuscheiden, welches Cellulose löst. Weitere sichere Daten über sein physiologisches Verhalten fehlen noch. f) Literatur: Kürtzıng, in Linnaea VIII. 1833. pag. 385. Taf. 9. —- Eıpam, Ueber die Ent wicklung von Sphaerotilus natans Kürtz. (Jahresbericht d. schles. Gesellschaft für vater- ländische Cultur. 1876. pag. 133.) — WINTER, Die Pilze. (RABENH. Kryptog.-Flora. pag. 66.) ?) Eine Anzahl hierher gehöriger Formen, die nicht sicher auffindbar und nicht definirbar sind (wie Bac/. Termo, Monas crepusculum, Micrococcus septicus, Spirillum volutans etc.) habe ich absichtlich unberücksichtigt gelassen. ®) PRAZMOWSKI, Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte und Fermentwirkung einiger Bacterienarten. pag. 42. ER Fakt 5 Be TEN — 0 had 2 BE s u nd Y ae E - 2 “ Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 87 2. ‚Spirochaete plicatilis EHRENBERG.!) Sumpf-Spirochaete. Sie lebt im Sumpfwasser des Binnenlandes wie der Meeresküsten und ist eine der gemeinsten Spaltpilzformen, die in Süsswasser fast stets in Gesellschaft von Cladothrix dichotoma auftritt, in deren Entwickelungsgang sie aller Wahrscheinlich- keit nach gehört. Man gewinnt die Form sicher und reichlich, wenn man Algen (Spiro- gyren, Vaucherien etc.) in Wasser faulen lässt. Sie stellt sehr dünne, zierliche und enge Spiral-Windungen zeigende Fäden dar (Fig. 32, C, D), welche einen Geisselzustand eingehen können, in welchem sie äusserst lebhafte Schwärmbewegungen ausführen. Die Cilien sind äusserst fein und ihre Gegenwart nur nach den Strudeln zu schliessen. Im Schwärmstadium erscheint die Schraube starr, zur Ruhe gekommen flexil, oft spiru- linenartige Form annehmend. Nach den bisherigen Auffassungen soll- ten die Schrauben einzellig sein; allein die Cultur lehrt, dass sie gegliedert erscheinen ’ j R E u Fig. 31. (B. 318.) in gekrümmte Langstäbchen (32, E), diesich _. . 5 ah = 3 RR ’ k Vibrio Rugula. A Fäden. B Stäbchen, später in Kurzstäbchen (32, G) und schliess- ‚chwach gekrümmt. C Angeschwollene lich in Coccen (32, H) theilen. Anilin- Stäbchen, zur Sporenbildung sich vorbe- 2 -.._ reitend. D An einem Pole kopfförmig aus- Arbungen en ea: BE DENE 0 geweitete Stäbchen vor der Sporenbildung chaeten iassen die Gliederung nur um SO stehend. E Verschiedene Zustände der deutlicher hervortreten. Die Eckigkeit der Sporenbildung. Vergr.: 1020 mal. (Nach 2 R . PRAZMOWSKT.) Krümmungen deutet häufig auch bei noch vorhandener Bewegung die Gliederung bereits an. Schliesslich isoliren sich die Coccen. Ihre Weiterentwickelung ist noch unbekannt. 3. Spirochaete Obermeieri Coun2) Pilz des Rückfallstyphus. Der einzige bisher bekannte Entwickelungszustand stellt äusserst feine Fäden dar, welche in Bezug auf ihre engschraubige Form lebhaft an die Sumpfspirochaeten 1) Literatur: EHRENBERG, Die Infusionsthierchen als vollkommene Organismen. Leipzig, 1338. pag. 83. Tab. V. Fig. 10. — Conn, Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte der mikroskopischen Algen und Pilze. Nova Acta Ac. Leop. Carol. Vol. XXIV. 1853. pag. 125. — WARMING, Om nogle ved. Danmarks Kyster levende Bacteries. Vidensk. Meddels. Kjöbenhavn 1875. Franz. Resum£. pag. 21. Ueber ihren Bau vergl. ZopF, Zur Morphologie der Spalt- pflanzen. pag. 40, Tab. IIl., Fig. 31. 32. ?) Literatur: ÖBERMEIER, Vorkommen feinster, eigene Bewegung zeigender Fäden im Blut von Recurrenskranken. Med. Centr. Bl. XI. 10. 1873 (auch in Sitzung der Berliner Med. Ges. 26. März 1873; Berliner Klinische Wochenschrift 1873, pag. 152 und 391). — BIRCH HIRSCHFELD, Med. Jahrb. Bd. 166. Heft 2. pag. 2ı1. — ENGEL, Ueber die OBERMEIER’schen Recurrens- Spirillen. Berl. Klin. Wochenschrift 1873. pag. 409. — BURDON SANDERSON, Report on recent researches on the Pathology of the Infective Processes: Report of the Med. Officer of the Privy Council and Local Government Board, New Series No. II. London, 1874. pag. 41. — CoHn, Beiträge z. Biol. I, Heft III. pag. 196. — Vergl. auch Koch’s Photogramme in CoHNn, Beitr. z. Biologie II, Heft II; und Mittheilungen aus dem Reichsgesundheitsamt. 1881. Taf. IV. Ar N 88 Die Spaltpilze. erinnern (Fig. 32, A, B). Sie gehen einen äusserst lebhaften Schwärmzustand ein und erscheinen in diesem Stadium starr, an beiden Enden mit Geisseln versehen, die sich aber bisher nur durch die polaren Strudel nachweisen liessen. In der Ruhe zeigen sie oscillarienartige Gleitbewegungen, bilden spirulinenartige Schlingen und nehmen die verschiedensten Krümmungsformen an. Es kann nach der Ana- logie mit den Sumpfspirochaeten keinem Zweifel unterliegen, dass diese Spiralen Gliederung in Stäbchen besitzen, die schliesslich in Coccengliederung übergeht. Es kann ferner nicht zweifelhaft sein, dass sie zu gewöhnlichen Fadenformen in genetischen Beziehungen D 2 4 = stehen. Man hat diese Vi nn . Si a Formen bisher nur deshalb Fr $ { de & ” = f \ REN nicht gesehen, weil man f \run Ri 2 R Ce ne mit der Idee von der Con- z De BR) stanz der Arten an den ; Bar 4 Spaltpilz herantrat. a s B Biologisch ist dieser ; Ä } $ e Organismus insofern von } L N ‘ a höchstem Interesse, als er ? ; 10 L ws nach ÜÖBERMEIER's Ent- F y { deckung beim Rückfalls- x 3 ( 2 Non A typhus (Hebris recurrens) in grösster Menge auftritt (B. 319.) Fig. 32. und zwar im Blut. Er ist. A Spirochaete Obermeieri lebend, 900:1. B Dieselbe nach Ab- ars : : tödtung durch Eintrocknen und Färbung. a Blutkörperchen ur Warzaad der Fieberzeit (nach Koc#); C—H Spirochaete plicatilis 540:1. CD lebend, zu finden, nicht in den C starr, D flexil. E F nach Behandlung mit Methylviolett, Glie- fieberlosen Zwischenzeiten derung in (gekrümmte) Stäbchen zeigend; G H nach Behandlung mit Fuchsin, bereits in Coccengliederung begriffen. oder kurz vor und nach der Krise. In der Leiche sind die Schraubenfäden gleichfalls nicht aufzufinden, offenbar, weil sie hier in Stäbchen resp. Coccen zerfallen sind oder Sporen gebildet haben. Die Rolle, welche der Pilz bei der Krankheit spielt, ist noch in Dunkel ge- hüllt. Doch lässt sich mit Sicherheit annehmen, dass eine seiner Wirkungen in der Entziehung von Sauerstoff aus: dem Blute besteht. Wie CARTER und KocH nachwiesen, lässt sich die Krankheit vom Menschen auch auf Affen übertragen; bei Mäusen, Kaninchen, Schafen, Schweinen waren die Impfungen CArTER's erfolglos. Koch fand die Schrauben im Gehirn, der Lunge, Leber, den Nieren, der Milz, der Haut auf. 4. Myconostoc gregarium COHN.!) Diese von LAnkASTER entdeckte Spaltpilzform ist oftenbar nur der schraubig gekrümmte, also spirillen- oder spirochaetenartige, stark vergallertende Zustand Photogr. 20. 21. 22. 23. 24. — MHEYDENREICH, Klinische und mikroskopische Untersuchungen über den Parasiten des Rückfallstyphus. Berlin 1877. — WEIGERT, Bemerkungen über die OBERMEYRR’schen Recurrensfäden. (Deutsche med. Wochenschrift 1876.) — CoHn, Zur weiteren Kenntniss des Fedris recurrens und der Spirochaeten. (Deutsche med. Wochenschrift. April 1879.) I) Literatur: LANKASTER, On a peach-coloured Bacterium in Quart. Journ. of Microsc. Science vol. 13. Ser. II. Taf. 22. Fig. 8 u.9. — Conn, Beiträge z. Biologie. Bd. I. Heft II. Untersuchungen über Bacterien. II. pag. 183. Taf. 5. Fig. 6. — ZoPrr, Zur Morphologie der Spaltpflanzen. pag. 57. Fig. 1ı8—27. Tab. II. BT ee aa Te ER ET Fe BT ® a a A De BE R AA y „. ” PR Iy8 Le . a= Pa » ® - ht ” P [4 3 Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 89 eines fädigen Spaltpilzes und zwar, wie ich vermuthe, der Fadenstücke von Cladothrix dichotoma, in deren Gesellschaft sie sich stets in gewissen Aufgüssen (von Schlamm oder Algen) entwickelt. Sie dürfte sich zu C/adothrix verhalten, wie unter den Spalt- algen /Vostoc zu Tolypothrix. Die Schraube krümmt sich zusammen und vergallertet stark, schliesslich fliessen die sich berührenden Grenzen der Hülle der einzelnen Windungen zusammen, nunmehr ein rundliches Gallertklümpchen darstellend, in das die Schraube eingebettet liegt. Wenn sich, wie es fast durchgängige Regel ist, die Schraube innerhalb der Gallert in 2 Hälften oder selbst 4 Stücke fragmentirt und diese Fragmente ihrerseits stark vergallerten, so gehen Doppelklümpchen (Fig. ı1, D) oder Tetradenklümpchen hervor. Da wo die Gallerthüllen der Frag- mente zusammenstossen, platten sie sich ab und so kommt zugleich eine Art von Einschnürung zu Stande. Wenn sich viele, oft hunderte solcher Zoogloeen zu- sammenlagern, so verkleben ihre Gallerthüllen und man findet eine zusammen- gesetzte Zoogloea vor. Anfangs scheinbar ungegliedert oder nur mit Färbungs- mitteln die Gliederung zeigend, erscheinen die Schrauben später deutlich in längere gekrümmte Stäbchen gegliedert (Fig. ıı, E), die sich dann in kurze gekrümmte Stäb- chen (Fig. ıı, H) und schliesslich in noch kürzere; coccenartige Stücke theilen. Die Lagerung der längeren oder kürzeren Theilzellen bleibt längere oder kürzere Zeit der spiraligen Form entsprechend, verwischt sich aber endlich gänzlich. Ueberdies lassen die gekrümmten Theilzellen häufig die Tendenz erkennen, sich gerade zu strecken. Die Gallert der Colonien quillt im Laufe der Cultur der- art auf, dass sich die Colonien relativ bedeutend vergrössern und ihre bereits isolirten stäbchen- oder coccenförmigen Einschlüsse mehr und mehr auseinander rücken. Sie verlassen schliesslich die quellende Gallert, einen Schwärmzustand eingehend. Es lässt sich dies schon ohne direkte Beobachtung constatiren, da man nach einiger Zeit der Cultur die Zoogloenstöcke immer ärmer an Einschlüssen werden sieht. Spirillum amyliferum VAN TIEGHEM.!) Lebt im Zukerrübensaft und bildet in seinen Gliedern je eine Spore. Un- mittelbar vor der Sporenbildung färbt sich der Inhalt mit Jod blau, was auf An- wesenheit von Stärke hindeutet. Aus den Sporen sah van TIEGHEM gerade Stäbchen hervorkeimen, welche später zur Spirillenform heranwuchsen. Das Spirillum ruft im Zuckerrübensaft energische Gährung hervor. B. Solche, von denen nur Coccen bekannt sind. 1. Micrococcus pyocyaneus GESSARD.?2) Pilz des blauen Eiters. Es ist bekannt, dass der Eiter mancher Wunden und die mit ihnen in Be- rührung gekommene Verbandwäsche eine blaue Färbung annehmen. Als Ur- sache dieser Erscheinung wurde von GESSARD neuerdings ein Spaltpilz ermittelt, der sich in einer Coccenform in jenem Substrat befindet. In sterilisirter Nähr- lösung cultivirt, färbt er diese schön blau, namentlich an der Oberfläche, der untere Theil der Flüssigkeit wird von dem Spaltpilz selbst wieder entfärbt (gelb gefärbt), nimmt aber durch Schütteln mit Luft die frühere Farbe an. Das von den Coccen gebildete Pigment stellt einen chemisch wohl charak- I) Developpement du Spirillum amyliferum in Bull. de la soc. bot. de France. 1879. pag. 65. 2) Literatur: GESSARD, De la pyocyanine et de son microbe, These inaugurale de la Fa- eult& de medecine de Paris 1882. (Ref. im Biol. Centralbl. Dec. 1882). — GIRARD, Unter- suchungen über den sogen. blauen Eiter (Chir. Centralbl. IL, 50, 1875.) 90 Die Spaltpilze. terisirten Körper dar, das von ForDos gefundene Pyocyanin. Aus Eiter und Ver- bandwäsche mit Chloroform extrahirt, lösst es sich in angesäuertem Wasser, dieses roth färbend. In neutraler Lösung erscheint es prachtvoll blau. Es krystallisirt in Chloroform in langen Nadeln, die sich bisweilen in Lamellen und Prismen auflösen. Unter Wirkung reducirender Stoffe färbt es sich gelb, röthet sich durch Säuren und bläut sich durch Basen, verhält sich also dem Lacmus analog. Aehn- lich den Alkaloiden wird es gefällt durch Gold-, Platin- und Quecksilber-Chlorid, durch Phosphormolybdänsäure sowie Tannin und reducirt das Ferri- in Ferro- Cyankalium. Toxische Eigenschaften fehlen. (Neben dem Pyocyanın enthält der blaue Eiter noch eine andere färbende Substanz, das Pyoxanthor, ein Oxydationsprodukt des Pyocyanins). Ob der 7. pyocyaneus etwa identisch ist mit M. cyaneus (SCHRÖT), oder auch mit dem Pilz der blauen Milch, bleibt noch zu ermitteln. Mit ersterem findet sich im Eiter vergesellschaftet M. chlorinus. 2. Ascococcus Billrothii CoHn.!) Man erhält den Pilz in schöner Vegetation, wenn man Scheiben gekochter fleischiger Wurzeln, wie Rüben, Zuckerrüben, Mohrrüben, Kohlrüben, einige Zeit wenig feucht hält. Er bil- det daselbst Centimeter- grosse gerunzelte Zoo- gloeen von weisslicher oder grünlicher Färbung, welche mit denen von Leuconostoc mesenterioides und Cbostridium polymyxa grosse habituelle Aehnlich- keit besitzen und leicht mit ihnen zu verwechseln sind. Bei der Bereitung des Zuckerrübensaftes ge- langt der Pilz mit in die- 2.) Fig. 33. sen hinein und ruft hier Ascococcus Billrothii. I Eine grössere, zusammengesetzte Co- eine schleimige Gährung lonie der Coccen aus einer Lösung von weinsaurem Ammoniak, ehe Ic] E mit sehr dicker Gallerthülle, deren Einschnürungsstellen den Ein- hervor, durch we . kön: zelcolonien entsprechen. II Einfache Colonien, a kleinere, beine Theil des Zuckers in gum- grössere, aus der gleichen Nährlösung. (Nach Conn.) miartige (?) Substanzen übergeführt und wahrscheinlich Buttersäure erzeugt wird. In ı@ einer Lösung von saurem weinsaurem Ammoniak nebst den erforderlichen Nährsalzen gedeiht er gleichfalls sehr üppig und bildet hier an der Oberfläche eine dicke weisse Kahm- haut. Nach Conn soll er aus dem weinsauren Ammoniak gleichfalls Buttersäure erzeugen. Dabei verwandelt er die ursprünglich saure Reaction des Substrats in eine intensiv alkalische. Ueber die Entwicklung des Spaltpilzes fehlen noch ge- naue Untersuchungen. Man kennt nur einen vegetativen Zustand, die Coccen- form, die durch Vergallertung Schleimklümpchen bildet, welche zu grösseren Ballen vereinigt sind (Fig. 33). Eine dicke Gallerthülle umgiebt das Ganze. Bei I) Beiträge zur Biologie I. Heft III. pag. 145. — CIENKOWwsKI, Ueber die Gallertbildungen des Zuckerrübensaftes. Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 91 der auf weinsaurem Ammoniak wachsenden Form ist die Gallerthülle meist noch mächtiger entwickelt, als bei der Rübenform (Fig. 33). 3. Pilz. der Hühnercholera.!) Er ruft bei Hausgefligel (Hühnern, Puten, Gänsen, Enten) eine der gefähr- lichsten Krankheiten hervor, die als Typhoid oder Cholera bezeichnet wird und sich besonders durch starke Diarrhoee charakterisirt. Von Entwicklungs- formen fand SEMMER Coccen und Stäbchen. Gesunde Hühner, mit dem Darminhalt an Cholera gestorbener geimpft, gingen bei SEMMER’s Versuchen in 8—2ı Tagen zu Grunde. Nach Impfungen mit Blut an Cholera zu Grunde gegangener Hühner auf gesunde sah PERRONcIıTo den Tod sehr schnell, meist innerhalb 21—34 Stunden erfolgen. PASTEUR erzog den Pilz in sterilisirter, mit Pottasche neutralisirter Hühner- bouillon und liess mit dem gewonnenen Material bestrichene Nahrungsmittel von Hühnern fressen. Die Thiere starben sämmtlich an der Cholera. Den gleichen Effect erzielten Impfungen gesunder Hühner mit je einem Tropfen des in Hühner- bouillon gezüchteten Materials. Die infectiöse Wirkung des Pilzes darf demnach als feststehend betrachtet werden. Bei einer länger dauernden Cultur des Pilzes in Hühnerbouillon wird nach PAsTEUR deren Virulenz gemindert, was auf den Zutritt von Sauerstoff zurückzuführen sein soll. Impft man daher Hühner mit diesem Material, so sterben sie nicht, sondern bekommen die Krankheit in milderer (mitigirter) Form. Dadurch aber werden sie zugleich unempfänglich (immun) für fernere Infectionen mit dem gewöhnlichen Cholerapilze. 4. Sarcina ventriculi Goopsır?) Packet-Spaltpilz. Sie lebt auf festen pflanzlichen und thierischen Substraten, namentlich auf stärkehaltigen und eiweisshaltigen Nahrungsmitteln (z. B. gekochten Kartoffeln, Schinken, gekochten Eiern), kommt aber auch in Aufgüssen pflanzlicher und thierischer Theile vor, wo sie continuirliche gelbliche Kahmhäute bildet, während sie auf fester Unterlage in Form chromgelber trockener Häufchen auftritt. PASTEUR erhielt den Pilz in Hefewasser, Conn in einer Lösung von 1% wein- saurem und ı% essigsaurem Ammoniak. Mit den Nahrungsmitteln in den menschlichen und thierischen Verdauungs- kanal eingeführt, vermehrt sie sich auf der Mund-, Rachen- und Schlundkopf- I) Literatur: SEMMER, Hühnerpest (Deutsche Zeitschrift für Thiermedicin u. vergl. Patholo- gie, 1878). — PERRONCITO, Ueber das epizootische Typhoid der Hühner (Archiv für wissen- schaftliche und praktische Thierheilkunde, 1879, pag. 22). — PASTEUR, Archives veterinaires Jahrg. V. No. 4. — Zürn, Die Krankheiten des Hausgeflügels. Weimar. 1882. 2) SURINGAR, De sarcina ventriculi. — Ders., La Sarcine, Archiv Nerl. 1866. — Ders- Ein Wort über den Zellenbau der Sarcina. Bot. Zeit. 1866. pag. 269. — PASTEUR, Ann. de Chem. et de Phys. LXIV. 1862. tab. II. fig. k. — LOSDORFER, Medicinische Jahrbücher. 1871. Heft 3. — VIRCHOW und COoHNHEIM, in Virch Archiv. Bd. Io u. 33. — SCHRÖTER, Ueber einige durch Bacterien gebildete Fermente u. CoHn, Beitr. z. Biol. Bd. I. Heft II. pag. 139. — ConH, Untersuchungen über Bacterien, ebenda. Heft II. pag. 139. — Vergl. auch RoBIn, Histoire des vegetaux parasites. pag. 331. — EBERTH, in VIRCHoW’s Archiv 1858. Bd. XII. pag. 522. — ZüÜrn, Parasiten in und auf dem Körper der Haussäugethiere. 1874. pag. 222. — Ders., Die Krankheiten des Hausgeflügels. Weimar 1882. pag. 128. — M. HEIMER, Ueber Pneumonomycosis sarcinica (Deutsches Archiv f. klinische Medicin. 1877. Bd. 19. pag. 144. — WELCKER in HENLE u. PFEUFFER, Zeitschr. f. rationelle Medicin: Ser. EE Bd. V. — RABEN« HORST, Flora europaea algarum. II. pag. 59. (Merismopedia Urinae WELCKER.) 92 Die Spaltpilze. Schleimhaut, namentlich aber im krankhaft affıcirten Magen (bei Krebs- und anderen Krankheiten, wie Magenerweiterung und chronischem Katarrh), daher im Erbrochenen oft in relativ grosser Menge, desgleichen im Darm von Menschen und Saäugethieren, von wo sie aus mit den Excrementen ins Freie gelangt. VIRCHOw, COHNHEIM und HEIMER fanden sie ferner in der Lunge bei crou- pöser Pneumonie, wohin sie jedenfalls beim Athmungsprocess gelangt. In den “ Gehirnventrikeln, selbst im Blut, anch in der Harnblase etc. kommt sie vor. Doch bleibt noch der Erweis zu bringen, dass die in en diesen Organen gefundenen Formen auch wirklich mit = der Magen-Sarcina identisch sind. Von Entwicklungsstadien kennt man bisher nur 12 die Coccenform, andere Formen sind noch aufzufinden. Durch fortgesetzte Zweitheilung nach allen drei Richt- ® oO Oo ü ungen des Raumes geht aus der Cocce eine sehr cha- rakteristische Colonie von Würfel- oder Waarenballen- (®.321) Fig: 34. Form hervor (Fig. 34, d). Daher der Name Sarcina —. Sarcina ventriculi. Aus dem Päckchen. Die einfachsten Packete enthalten 8, Mageninhalt eines magenkran- grössere 64>64 Zellen und darüber. Im isolirten ee Zustande erscheinen die Coccen kugelig bis ellip- lung den Buchstaben ent- soidisch, im Verbande in Folge gegenseitigen Druckes sprechend (nach der Natur). eckig. Schwärmzustände sind unbekannt. Durch dichte Aufeinanderhäufung der packetförmigen Colonien entstehen die oben erwähnten Klümpchen aut festen Substraten und durch eben so dichte Aneinanderlagerung in einer Ebene die Kahmhäute, die der Pilz an der Ober- fläche von Pflanzeninfusionen entwickelt. Sein Auftreten an der Oberfläche von festen und flüssigen Substraten kenn- zeichnet ihn als einen Pilz, der entschiedenes Sauerstoffbedürfniss besitzt. In den Zellen wird ein schwaches gelbliches Pigment gebildet. Bisweilen soll der Inhalt mit Jod die Stärke-Reaction andeuten, die auf eine Aufnahme von Stärke in die Zellen hindeuten würde.!) Eine der Magen-Sarcina ähnliche Form wurde von mir in Sumpf-Wasser beobachtet. Die im Darm des Hausgeflügels (Hühner, Puten), besonders im Blind- darm häufige Sarcinaform dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach einem anderen Spaltpilz zugehören als die Saccina ventriculi. Ihre Colonien sind Täfelchen von meist äusserst regelmässiger quadratischer oder rechteckiger Form und entweder einschichtig /Merismopedia-Form), wie die Coccenform von Bacte- rium Merismopedioides ZoPpr oder aus 8 zelligen Würfeln zusammengesetzt, also zweischichtig und bilden niemals Packete von der Form der Sarcina des Magens, 5. Micrococcus Vaccinae CoHuNn ?) Pilz der Pockenlymphe und der Pockenkrankheit. Man findet ihn in reiner und frischer Vaccine in grosser Menge in Form winziger (ca. 0,5 mikr. diam.), kugeliger, zu Rosenkranzfäden verbundener Zellchen sowie in den Kanälchen der Pockenhaut. Die Flöckchen, welche sich in der in Glascapillaren aufbewahrten Lymphe bilden, bestehen aus den durch fortgesetzte Zweitheilung der Coccen hervorgegangenen Zellreihen und Zellhaufen; andere Entwicklungszustände kennt man noch nicht. Durch die Impfung werden die Zellchen in den mensch- ) Die Angabe, dass die Zellen Kerne besässen, beruht auf einem Irrthum. ?) VIRCHOW’s Archiv 1872. Br Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 93 lichen Körper gebracht, wo sie sich stark vermehren und wie man sich vorzu- stellen hat, einen Virus absondern, der dem Körper gegen die Pockenkrankheit Immunität verleiht. 6. Micrococcus bombycis BECHAMP.!) Nach den Untersuchungen PASTEUR’S ruft dieser Spaltpilz im südlichen Frankreich eine verderbliche, epidemischen Charakter tragende Krankheit der Seidenraupen (Schlaffsucht, AZaccidezza) hervor, (die übrigens nichts mit der von einem andern Spaltpilze (Vosema bombycis) verursachten Gattinekrankheit zu thun hat). Die ovalen, höchstens 0,5 mikr. messenden Micrococcen entwickeln sich namentlich im Darmkanal der Thiere in grossen Massen in Kettenform und werden von anderen Spaltpilzformen, wie Stäbchen- und Vibrionenformen be- gleitet (die möglicherweise zu jenen in genetischen Beziehungen stehen). 7. Micrococcus diphtheriticus COHN.?) Man kennt bisher nur einen Entwicklungszustand, nämlich die häufig in rosenkranzartigen Verbänden auftretende, schwärmfähige Micrococcusform, welche winzige 0,35—1,1 Microm. messende ellipsoidische Zellchen repräsentirt. Der Pilz spielt in pathologischer Beziehung insofern eine bedeutsame Rolle, als er nach der Entdeckung OERTELS als Erzeuger der Diphtheritis fungirt. Diese Krankheit tritt zunächst in der Regel in den Schleimhäuten der Trachea auf, weil die mit dem Athmungsprocesse aus der Luft eingeführten Keime zunächst auf diese gelangen müssen. Von dem Infektionsherde aus aber verbreitet er sich vermöge der raschen und massenhaften Vermehrung seiner Zellchen sowie der Schwärmfähigkeit derselben mit grosser Schnelligkeit radienartig über den ganzen Körper, indem er in ‚den Lymphgefässen, zwischen den Maschen des Bindegewebes und der Fettzellen, in dem Muskelgewebe, in den Harnkanälchen und MarpıcHr schen Kanälen der Nieren etc. weiter wuchert und namentlich auch im Biute unter steter Vermehrung weiter wandert. In den Gewebsinterstitien der erkrankten Organe wie an der Oberfläche derselben bildet er massige, nester- förmige Zellanhäufungen von Streifen-, Ballen- oder Cylinderform, in den Blut- capillaren Verstopfungen, welche Blutstauungen zur Folge haben. Wie die wichtigen OERTEL’schen Untersuchungen nachwiesen, erfahren alle Gewebs- theile, welche von den Colonien des Parasiten Idurchwuchert und übersponnen werden, die Muskelfasern nicht ausgenommen, zuerst Degeneration, dann vollständige Zerstörung ihrer Zellen. Durch reiche Ausscheidung der Microco- ccuszellen mit dem Harn wird ein allmählicher Heilungsprocess bewirkt. Wo der natürliche Standort des Pilzes in der freien Natur zu suchen sei, darüber fehlen noch Anhaltspunkte. 8. Micrococcus Erysipelatis. Pilz der sogen. »Rose« (Erysipelas) des Menschen. Die Rose stellt be- kanntlich eine Hautkrankheit dar, welche sich äusserlich durch Röthung und An- schwellung der Haut dokumentirt. Sie kann an den verschiedensten Stellen des Körpers auftreten, im Gesicht (Kopfrose) an den Extremitäten etc., namentlich auch um Wunden (Wunderysipel), und unter Umständen tödtlichen Verlauf nehmen. I) BECHAMP in Compt. rend. tom. 64. 1867. — CoHn, Beitr. z. Biol. I. Heft 3. pag. 201. 2) Literatnr: OERTEL, Experimentelle Untersuchungen über Diphtherie, im Deutschen Archiv für klinische Medicin. VII. 1871. — EBERTH, Die Diphtherie, in »Zur Kenntniss der bacteri- tischen Mykosen. Leipzig, 1872. 94 Die Spaltpilze. Die früheren Untersuchungen von RECKLINGHAUSEN und LANKOWSKY), BILLROTH und EHRLICH?), TILLMANNS®), Max WoLr®), KocH#°) stimmen darin überein, dass sich, wenn auch nicht constant, ein Spaltpilz in den kranken Stellen vorfindet, und zwar inderCoccenform. Er tritt besonders in den Lymphgefässen auf, wo er namentlich in den Randpartien des Erysipels durch fortgesetzte Zweitheilung An- häufungen bildet. M. Worr fand in Blutproben, die aus dem Erysipelrande entnommen waren, neben Coccen auch noch Stäbchenformen, und dieser Befund weist auf die schon a priori naheliegende Vermuthung, dass der Pilz ausser der Coccenform auch noch andere Entwicklungstadien producire, nur noch bestimmter hin. Nachdem es vor Kurzem FEHLEISEN gelungen ist, die Coccen aus excidirten Hautstücken von Erysipelkranken rein zu züchten und durch Verimpfung solches reinen Materials am Menschen ein typisches Erysipel zu erzeugen, darf man den Pilz bestimmt als die Ursache der Rose ansprechen. 9. M. ureae CoHn. Harnpilz, Harnferment, Ferment der Ammoniakgährung. Er lebt im Harn und bildet aus kugeligen oder ellipsoidischen etwa 1,25—2 p messenden Zellchen bestehende Ketten, deren Elemente sich später verschieben und unregelmässige Häufchen bilden. Wie schon PAsTEUR, sein Entdecker, vermuthete, und später VAN TIEGHEM zeigte, ruft er daselbst die sogen. Harngährung hervor, bei welcher Zersetzung des Harnstoffs und damit Bildung von kohlensaurem Ammoniak be- wirkt wird, welches den Harn, der bekanntlich im frischen normalen Zustande schwach sauer reagirt, alkalisch macht. Auch in Culturen, die mit in Hefewasser gelöstem Harnstoff angestellt sind, wird nach van TIEGHEM binnen kurzer Zeit der gesammte Harnstoff durch den Pilz in kohlensaures Ammoniak umgewandelt. Ein mit M. urcae vielleicht identischer Micrococcus vermag, wie VAN TIEGHEM darlegte, Hippursäure in Benzoesäure und Glycocoll zu zerlegen. Zu den zymogenen Micrococcen gehört auch eine Spaltpilzform, die in Wein, Bier, Rübensaft, Zuckerlösung etc. die schon oben erwähnte Gummigährung (schleimige Gährung oder Mannitgährung) hervorruft, und die nach PASTEUR’s Ver- muthung identisch sein soll mit dem Harnpilz. Sie bewirkt eine Umwandlung des Zuckers jener Flüssigkeiten in Gummi und macht dieselben »lang« (d. h. fadenziehend) und fade schmeckend. (Eine schleimige Gährung durch Spaltpilze verursacht, kommt auch in der Milch vor). 10. Micrococcus prodigiosus (EHRENBERG®). (Wunderblut, Hostienblut, Pilz der rothen Milch.) Er stellt eine der bekanntesten und auffälligsten Spaltpilzformen dar. Am häufigsten ist sein Vorkommen auf stärkehaltigen Substraten, Weissbrod, Hos- 1) VırcHow’s Archiv. Bd. 60. pag. 418. 2) LANGENBECK’s Archiv. Bd. 20. pag. 418. 3) Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie 1878. pag. 2I1. #) VIRCHOW’s Archiv. Bd. 81. pag. 193. — BAADER, Z. Aetiologie des Erysipels. (Schweiz. Naturf. Gesellsch. in Basel. 1875. pag. 314.) 2 5) Mittheilungen aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte. 1881. pag. 38. Mit ıo Photo- grammen auf Tafel I. und II. 6) Literatur: EHRENBERG, Berliner Akademie. Bericht 1839. — HERMBSTAEDT, Ueber die blaue und rothe Milch. Leipzig, 1833 (aus ERDMANN’s Journ. für technische und’ ökonomische Chemie. Bd. ı8. — SCHRÖTER, Ueber einige durch Bacterien gebildete Pigmente in CoHn, Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 95 tien, gekochten Kartoffelscheiben, Mehlbrei, Reissbrei, Stärkekleister etc. wo er rosen- bis blutrothe tröpfchenförmige Zoogloeen bildet, die später zu einem con- tinuirlichen Ueberzuge verschmelzen. Minder häufig erfolgt sein spontanes Auf- treten auf gekochtem Hühnereiweiss und Fleisch. Auch die Milch dient bisweilen als Substrat und wird dann gleichfalls blutroth gefärbt (die sogen. rothe Milch), eine Erscheinung, die man früher theils auf Krankheitszustände der Kühe, theils auf den Genuss gewisser, einen rothen Farbstoff enthaltenden Pflanzen zurückführte. Physiologisch gewinnt der Pilz insofern an Interesse, als seine winzigen Coccen einen blutrothen Farbstoff produciren. In Wasser unlöslich wird derselbe in Alkohol und Aether mit brennend rother Farbe gelöst. Durch Zusatz von Säuren geht der Ton in lebhaftes Carminroth, dann in Violett, durch Zusatz von Alkali in Gelb über. Mittelst der alkoholischen Tinktur lassen sich Wolle- und Seidenfäden intensiv färben, doch erfährt der Farbstoff im Licht baldige Zer- setzung. Er hat, wie ERDMANN und SCHRÖTER zeigten, mit Anilinfarben, spe- ciell mit Fuchsin, sowohl bezüglich seines chemischen, wie seines spectrosco- pischen Verhaltens, eine entfernte Aehnlichkeit.!) Die Coccen selbst sind farblos, und es scheint als ob das Pigment ausserhalb der Zellen im Substrat durch die Einwirkung des Pilzes entstehe. Die Pig- mentbildung ist abhängig vom Luftzutritt, sie wird daher zuerst stets an der Ober- fläche der Substrate beobachtet. Letzteres erlangt durch die Vegetation des Pilzes zunächst schwach saure, dann alkalische Eigenschaften; dabei zeigt sich ein unverkennbarer Trimethylamin-Geruch. ı1. Micrococcus aurantiacus SCHRÖTER.?) Entwickelt sich, wie SCHRÖTER zeigte auf gekochten Kartoffelscheiben und gekochtem Hühner-Eiweiss in Form kleiner orangefarbener, später zusammen- fliessender Tröpfchen. In Lösungen von Ammoniaksalzen, z. B. essigsaurem und weinsaurem Ammoniak cultivirt bilden die Coccen an der Oberfläche eine 2 bis 3 Millim. dicke goldgelbe Kahmhaut. Identisch mit dieser Form ist wahr- scheinlich diejenige, welche CoHn in Aufgüssen von gekocktem Hühnereiweiss erhielt und den Infuss in seiner ganzen Ausdehnung orangegelb färbte. Das Pigment ist in Wasser löslich. 12. Micrococcus chlorinus COHN.3) Man erhält den Pilz mitunter, wenn man gekochte Kartoffelscheiben oder gekochtes Hühnereiweiss auslegt. Hier werden von ihm gelbgrüne oder saftgrüne Schleimmassen erzeugt. In Aufgüssen von demselben Substrat sah Coun an der Oberfläche eine saftgrüne Kahmhaut sich bilden, von der aus die ganze Flüssig- keit sich schön gelbgrün färbte. Nachdem die gelbgrünen Micrococcenmassen sich auf dem Boden abgelagert hatten, behielt die Flüssigkeit ihre gelbgrüne Farbe. Durch Behandlung mit Säuren erfolgt Entfärbung. Das Pigment ist gleichfalls in Wasser löslich. Beitr. z. Biol. Bd. I. Heft HI. — CoHn, Untersuchungen über Bacterien, daselbst. pag. 153. — WERNICH, Ueber Micrococcus prodigiosus in CoHn, Beitr. II. Heft . — ERDMANN, Bildung von Anilinfarben aus Proteinkörpern. (Journ. für pract. Chemie. Leipzig 1866.) ) Der metallische, goldgrüne Glanz, den manche üppigen Culturen zeigen, erinnert gleich- falls an aufgetrocknetes Fuchsin. } 2) SCHRÖTER, Ueber einige durch Bacterien gebildete Pigmente, in CoHn, Beitr. z. Biol. Bd. I. Heft II. pag. 119. — CoHn, l. c. pag. 154. Bjalreh) (Bag. 155: 96 Die Spaltpilze. 13. Micrococcus violaceus SCHRÖTER.!) Findet sich bisweilen auf gekochten Kartoffelscheiben, wo er Schleim- klümpchen von violetter Färbung hervorruft, die schliesslich zusammenfliessen. 14. Micrococcus luteus SCHRÖTER.?) Lebt gleichfalls auf gekochten Kartoffelstücken und tritt hier in Form hell- gelber Tröpfchen auf. Der gelbe Farbstoff ist in Wasser unlöslich. Schwefel- säure und Alkalien verändern die Farbe nicht. (Vielleicht stellt dieser Spaltpilz die Coccenform von Bacterium synxanthum dar.) C. Spaltpilze, von denen man nur die Stäbchenform kennt. 1. Bacterium synxanthum EHRENBERG.®) Pilz der gelben Milch. Bewirkt das Gelbwerden gekochter Milch, findet sich aber auch auf festen Pflanzentheilen, z. B. gekochten Kartoffel-, Mohrrüben-, Kohlrübenscheiben etc., wo er kleine citronengelbe Zoogloeen bildet. Von Entwickelungsstadien kennt man bisher nur die Stäbchenform. Die anfangs neutrale Milch zeigt bald nach dem Einbringen des Pilzes schwach saure, später bei eintretender Gelbfärbung alkalische Reaction. Der gelbe Farbstoff findet sich ausserhalb der Spaltpilzzellen und wird durch Säuren entfärbt, durch Alkalien nicht, letztere rufen wieder eine Gelbfärbung des ent- färbten Materials hervor. Eingetrocknet lässt sich das Pigment nicht in Alkohol und Aether, wohl aber in Wasser lösen. Nach SCHRÖTER dürfte der Farbstoff Aehnlichkeit mit gewissen gelben Anilinfarben besitzen, sowohl nach seinen spectroscopischen, als seinen gewöhnlichen Reactionen. 2. Bacillus ruber FRANK.) Wurde auf gekochtem Reis beobachtet in Stäbchenform. Die Form bildet auf jenem Substrat ein ziegelrothes Pigment. 3. Bacillus erythrosporus COHN.’) Wurde in Fleischextrakt-Lösung, in faulender Eiweiss-Flüssigkeit und faulendem Fleischwasser aufgefunden, wo an der Oberfläche vom Pilze eine aus Stäbchen bestehende Kahmhaut gebildet wird. In den Stäbchen entstehen Sporen, die durch schmutzig rothe Färbung ausgezeichnet sind. 4. Bacillus Leprae HansEn.‘) Dieser Pilz wird, und gewiss mit Recht, als das Contagium des Aussatzes angesehen. Er tritt in den Zellen der Aussatzknoten auf, und sind daselbst nach Hansen Coccen, Stäbchen und Fadenzustände vorhanden, die wahrscheinlich in genetischem Zusammenhang stehen. In den Stäbchen werden Sporen gebildet. N) Ueber einige von Bacterien gebildete Pigmente. Beitr. z. Biol. Bd.I. HeftII. pag. 124. 2). re. 7.Ppag:- IT: 3) Literatur: EHRENBERG in Bericht über die Verhandlungen der Berliner Akademie. 1840. pag. 202. — Fuchs, Magazin für die gesammte Thierheilkunde. Bd. VI. pag. 194. — SCHRÖTER, Ueber einige durch Bacterien gebildete Pigmente. Beiträge zur Biologie. Bd. I. Heft II. pag. 120 und 126. 4) CoHn, Beitr. z. Biol. Bd. I. Heft 3. pag. 181. 5)l. c. Bd. IH. Heft I. pag. 128. 6) Bacillus Leprae, in VIRCHOw’s Archiv. Bd. 79. Abschnitt IV. Entwickelungsgeschichte und Systematik. 97 5. Zanhistophyton ovatum LEBERT.!) Ruft gleichfalls eine Krankheit der Seidenraupen hervor, die unter dem Namen »Gattine« bekannt ist und namentlich in Frankreich und Italien epi- demisch auftritt, grosse Verheerungen anrichtend. Der Pilz durchsetzt alle Organe der Raupe sowohl, wie der Puppe und des Schmetterlings, ja er tritt oft schon in den Eiern auf. Von Entwickelungsformen kennt man nur die im Mittel 2,5 mikr. dicken, etwa doppelt so langen Kurzstäbchen, die sich lebhaft durch Zweitheilung vermehren.?) Sie werden mit den Excrementen ins Freie befördert und verbreiten sich beim Austrocknen derselben in den Zuchträumen leicht weiter, auf noch gesunde Thiere übergehend.”) D) Literatur: LEBERT, Ueber die gegenwärtig herrschende Krankheit des Insekts der Seide (Jahresber. üb. die Wirksamkeit d. Vereins zur Beförderung des Seidenbaues der Prov. Branden- burg. 1856—57. pag. 28. — NÄGELI, Ueber Nosema bombycis. Botan. Zeit. 1857. pag. 760 u. Flora. 1857. pag. 684. Ueber die neue Krankheit der Seidenraupe und verwandte Orga- nismen. 2) Diese Zellen wurden zuerst von CORNALIA beobachtet, der sie für eine Modification der Blutkörperchen oder für Psorospermien hielt. ®) Nicht zu verwechseln mit der Gattine ist die durch einen Schimmelpilz (Bozrytis Bassiana) hervorgerufene unter dem Namen Muscardine bekannte Seidenraupenkrankheit. SCHENK, Handbuch der Botanik. II, 7 Te RR 4 Air Ys. ER k H KAP Br DER Y Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane von K. Goebel. A 1): neueste Zeit brachte uns mehr als einen Versuch, den Werth der Ent- wicklungsgeschichte als wissenschaftliche Methode herunterzusetzen; Ver- suche, die an die Feindseligkeit der Rheinschiffer gegen die Dampfboote erinnern. Auf jene Aeusserungen nach den beredten und schlagenden Darstellungen SCHLEIDEN’s noch Weiteres zu erwidern, hiesse Wasser in's Meer tragen. Die Thatsachen mögen reden. Es sind- etwa 2o Jahre, seit Phytotomen die durch ROBERT BRowN gebrochene Bahn in grösserer Anzahl zu betreten begonnen haben. Die Leistungen dieser 20 Jahre übertreffen intensiv wie extensiv die einer gleich langen beliebigen anderen Periode der Botanik in einem Verhältniss, für welches kaum ein Vergleich sich findet.«1) — Mehr als zwanzig Jahre sind seit dieser Aeusserung eines Forschers verflossen, dessen entwicklungsgeschichtliche Unter- suchungen auf immer einen Markstein in der Geschichte der Botanik bilden werden, und noch immer sind die Meinungen über die Entwicklungsgeschichte und ihre Bedeutung für die Morphologie getheilt. Während sie von den einen so ausschliesslich betrieben wurde, dass eine entschiedene Vernachlässigung der Untersuchung der fertigen Zustände und eine Ueberschätzung des auf mikro- skopischem Wege Ermittelten eintrat, ist sie andern, wenn entwicklungsgeschicht- liche Thatsachen in ihr System nicht passen, auch heute noch »unklar und trügerisch.« — Eine Darstellung, wie sie im Folgenden versucht wird, hat deshalb vor Allem die Aufgabe, sich über den Standpunkt zu äussern, von dem sie aus- geht; ist es doch gerade die Aufgabe eines Handbuches im Gegensatz zu der mehr oder weniger dogmatischen Darstellung, wie sie in einem Lehrbuch in den Vordergrund zu treten hat, dem Leser die Wissenschaft gewissermaassen bei der Arbeit selbst zu zeigen, und auf die Verschiedenheit der Auffassungen hinzu- weisen, was des Raumes wegen hier freilich nur in äusserster Kürze geschehen kann. Auch die rein thatsächliche Darstellung der Entwicklungsgeschichte aber (mit Ausschluss der Zellenlehre) stösst auf Schwierigkeiten. Sie setzt vor Allem eine Kenntniss der fertigen Formen in ihren wichtigsten Zügen voraus, und so- dann kann sie niemals Selbstzweck, sondern nur ein Hülfsmittel morphologischer Forschung sein, das aber nur in Verbindung mit den anderen Methoden der- I) HOFMEISTER, Botan. Zeit. 1857. pag. 174. 77 100 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. selben, vor Allem der, welche man als »vergleichende Morphologie« zu bezeichnen pflegt, zu einem einigermaassen befriedigenden Ziele führen kann. Von diesem Ziele, tiefer in die Bedingungen der Pflanzengestaltung einzudringen, sind wir aber noch sehr weit entfernt. Was wir kennen ist eine Fülle von Formen, deren Mannigfaltigkeit wir zuweilen auf bestimmte Regeln zurückführen können, die sich aber nur auf die äusseren Gestaltungsverhältnisse zu beziehen pflegen. Daraus ergiebt sich, dass eine derartige Darstellung nicht in grossen Zügen eine Uebersicht über das Zustandekommen der Gestaltungsverhältnisse des Pflanzen- körpers geben kann. Diese Gestaltungsverhältnisse sind von einer Mannigfaltig- keit und Bildsamkeit, die uns nöthigt, uns auf die Beschäftigung mit den wichtigsten Vorgängen zu beschränken und das ihnen etwa Gemeinsame hervorzuheben. Die Heranziehung zahlreicher Einzeldaten ist dabei ebenso wenig zu vermeiden, wie in jeder anderen geschichtlichen Darstellung. Wenn ich trotz der erwähnten Bedenken der freundlichen Aufforderung des Herrn Herausgebers dieses Handbuches gefolgt bin, so geschah dies, weil ich glaubte, dass im gegenwärtigen Zeitpunkt, in welchem in der Morphologie die, Principienfragen an der Tlagesordnung sind, ein Versuch wie der folgende vielleicht nicht ganz nutzlos sein werde. Auf irgend welche Vollständigkeit habe ich dabei nicht Bedacht genommen, mich dagegen dem Programme dieses Handbuches gemäss vielfach, auch wo dies nicht besonders hervorgehoben ist, auf eigene Untersuchungen gestützt. Ein Versuch, die so ungemein interessanten Er- scheinungen der Sprossfolge mit hereinzuziehen, wurde bald aufgegeben. Die hierher gehörigen Thatsachen, deren Kenntniss wir namentlich IrmıscH’s vorzüg- lichen Arbeiten verdanken, variiren selbst bei nahe verwandten Pflanzen in einem Grade, dass nur die Hervorhebung einer Anzahl interessanter Einzelfälle mög- lich gewesen wäre, dazu gehört aber, um anschaulich zu werden, eine Anzahl Abbildungen, welche die Grenzen der für das vorliegende Handbuch gewährten Zahl weit überschritten hätte, ebenso blieb, wie schon aus der Ueberschrift her- vorgeht, die Zellenlehre ausgeschlossen, und wurden histiologische Daten nur in- soweit herangezogen, als sie in Beziehung zur Organbildung stehen. A. Allgemeiner Theil. 8 1. Zur Geschichte. Die Entwicklungsgeschichte ist, wie die wissen- schaftliche Botanik überhaupt, jungen Datum’s. Doch verdanken wir schon MarpıcHı, dem Vater der Pflanzenanatomie Untersuchungen über die Entwicklung des Samens,!) welche für ihre Zeit vortrefflich waren, auch finden sich einige Andeutungen über die Entwicklung der Blätter, die er aber nicht am Vegetations- punkt, welchen erst C. Fr. WoLrr auffand, untersuchte, sondern an den successiv sich entfaltenden Blättern der Knospen. Dass er wie CAzsaLPpını die Blätter aus der Rinde des Stengels entstehen liess (vergl. z. B. a. a. O. pag. 30 »cortex ad- ditur a guo copiosa foliola erumpentia in gemmae corpusculum conglobantur) zeigt eben, dass ihm die ersten Entwicklungsstadien von Blatt und Knospe überhaupt nicht bekannt waren, was er verfolgte, war wesentlich nur das Wachsthum schon angelegter Theile. Diese Thatsache war wesentlich mit eine der Entstehungs- ursachen, oder, wenn man will, der Gründe, für das Wiederaufleben der Evolutions- theorie, einer Theorie die auf botanischem Gebiete allerdings insofern wenig Schaden angerichtet hat, als die botanische Forschung zwischen MALPIGHI und 1) S. die Abhandlung de Seminum generatione in: Opera omnia, Londini. 1686, pag. 57. A. Allgemeiner Theil, IoI WOoLrF ohnehin eine sehr kümmerliche war,!) und sich anderen Aufgaben zuge- wendet hatte. Wir können diese Theorie aber hier schon deshalb nicht über- gehen, weil die Principien, aus denen sie hervorging, auch heute noch keineswegs aus der botanischen Literatur verschwunden sind. Wenn BoNnNET?) sagt: »Sie haben nämlich die Zeit, wo die Theile eines Thieres zu existiren angefangen nach derjenigen beurtheilt, wo selbige sichtbar zu werden angefangen haben, gleich wenn Alles, was sie nicht sehen, nicht vorhanden wäre« so glaubt man einen der Sätze zu hören, die noch in unserer Zeit den »Genetikern« von Seiten mancher vergleichender Morphologen entgegengehalten werden. Wenn die Ent- wicklungsgeschichte nicht übereinstimmt mit bestimmten theoretischen Sätzen so können ja schon vor dem Sichtbarwerden der Organe bestimmte Veränderungen mit ihnen vor sich gegangen sein, der Augenschein selbst aber trügerisch sein.?) Das ist auch die Stütze der Evolutionstheorie. Nur geht sie noch weiter, und behauptet die Präexistenz des organischen Ganzen. Im Keime sind schon alle Organe vollständig vorhanden, eine Neubildung der letzteren findet also nicht statt, sondern nur Entfaltung und Wachsthum, wozu der Anstoss durch die Be- fruchtung gegeben wird. Jedes Samenkoın enthält, wie BONNET sagt, eine Pflanze im Kleinen, also auch die Anlagen der Blüthen, die an einer Tanne z. B. nor- mal erst etwa im fünfzigsten Lebensjahre erscheinen. Da nämlich der Keim alle Theile des künftigen Gewächses enthält, so bekommt dasselbe keine Organe, die es zuvor nicht schon hatte, sondern die vorher unsichtbaren Organe fangen an, sichtbar zu werden (BoNnNET a. a. OÖ. pag. 156). »Es kann sein, dass alle Keime einerlei Art ursprünglich in einander eingeschlossen gewesen und dass sie sich nur von Geschlecht zu Geschlecht in einer Progression entwickeln, welche die Geometrie zu bestimmen sucht. — Diese Hypothese der Einschliessung ist der schönste Sieg, den der Verstand über den Sinn erhalten hat, a. a. O. pag. 157. — Es ist lehrreich zu sehen, wie hartnäckig diese Theorie selbst den Er- scheinungen der Bastardirung gegenüber, die zu ihrer Beseitigung allein schon hingereicht hätte, festgehalten wurde. Ihr thatsächlicher Ausgangspunkt auf bo- tanıschem Gebiete ist ein höchst einfacher. Untersucht man eine Knospe im Herbst, so findet man die Blätter, welche sie im nächsten Jahre entfalten wird, schon angelegt, bei unseren Holzgewächsen meist auch die Blüthen. Gegen das Innere der Knospe hin werden die Blattanlagen immer kleiner. Die Anwendung von Vergrösserungsgläsern zeigt aber noch solche, die dem blossen Auge nicht mehr deutlich wahrnehmbar sind, also, schloss man mit einem logischen Sprunge weiter, wird die Knospe auch alle in späteren Jahren noch aus ihr hervorgehen- den Blätter in der Anlage erhalten, nur eben so klein, dass sie auch dem be- waffneten Auge nicht mehr wahrnehmbar sind, es giebt also keine Neubildung sondern nur Entfaltung. Wie aber alle, selbst die falschen Theorien das Gute haben, dass sie solche, I) Vergl. Sachs, Geschichte der Botanik. pag. 262. ?) BONNET, Betrachtungen über die Natur, übersetzt von Tırıus. Leipzig 1772. 3) Ein Beispiel genüge. Um die unbequeme Thatsache, dass der Vegetationspunkt der In- florescenzen von Urzica, Boragineen etc. monopodial (nicht wie die Theorie es verlangt, sym- podial) weiter wächst, nimmt ein neuerer Schriftsteller an »dass der Vegetationspunkt bereits mehrere consecutive Sprossanlagen in sich enthalte, deren Anlegung noch mehr beschleunigt worden, so dass eine Art Prolepsis der Sprossanlagen im Vegetationspunkte stattfindete — ein Satz, den der auf dem Boden der Einschachtelungslehre stehende BONNET eben so gut hätte schreiben können. 102 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. die durch Schulmeinungen sich nicht imponiren lassen, zu erneuter Untersuchung der Thatsachen führen, so war es auch mit der Evolutionstheorie. Denn ihr verdanken wir die ersten, wirklich eingehenden und einschneidenden, in der Botanik aber erst zu einer späten Berühmtheit gelangten entwicklungsgeschicht- lichen Untersuchungen von CAsPAR FRIEDRICH WOLFF.!) Das Interesse, welches ihn bei seinen Untersuchungen leitete, ist, wie auf jeder Seite derselben hervor- tritt ein theoretisches, die Frage nach dem Wesen der »generatio« und der Nachweis der Unrichtigkeit der Evolutionstheorie, welche eine »Generatio« eine Neubildung, nicht kennt (pag. XII. »gwz igitur systemata praedelineationis tradunt, generalionem non explicant, sed eam non dare affırmant«). An die Stelle dieser Theorie tritt die der »Epigenesis« eine Bezeichnung, die ausdrückt, dass bei der Entwicklung eine wirkliche Neubildung von Theilen stattfindet, eine Neuanlage von Organen an dem ursprünglich ungegliederten Keime.) Dies Resultat ergab sich schon aus seinen Untersuchungen über die Entwicklung des Blattes, welche er an der Bohne verfolgte, und der Blüthe. Er erkennt, dass das Vorhanden- sein ‘von Blattanlagen in der Knospe, auf weiches die Evolutionslehre sich stützte, denn doch nur ein eng begrenztes ist. Untersucht man nämlich eine Knospe genauer: »donec tandem hoc modo introrsum et deorsum simul penetrando ad substantiam plantae interiorem pervenias, humidam, succis gravidam et nulla amplius folia tenentem«, so gelangt man damit an die »ex/remitas axeos trunci« in der noch keine Gewebedifferenzirung vorhanden ist. Diese Endigung der Stamm- oder Zweigachse nennt er Vegetationspunkt, und an ihm entspringen Blattanlagen und Zellenzweige als »propulsiones trunci.« Damit war eine der fundamentalen Thatsachen in der Entwicklung der Pflanze klargelegt, und der auf unvollständigen Beobachtungen und angeblich philosophischen Betrachtungen be- ruhenden Evolutionstheorie der Boden unter den Füssen weggezogen. Das auch bei WoLrr sich findende, und oft in unleidlichster Weise sich geltend machende speculative Element,?) welches namentlich in dem Bestreben hervortritt die that- sächlichen Beobachtungen als Resultat allgemeiner (aber nur auf Spekulation gegründeter) Organisationsverhältnisse erscheinen zu lassen, kann der Bedeutung der durch ihn klar gelegten Thatsachen keinen Eintrag thun. Der Weg, welchen WoLrr eingeschlagen hatte, blieb aber zunächst unbe- treten, das Interesse wandte sich vor Allem der durch Lins£ in neue Bahnen geleiteten Systematik zu, während auch die auf der Betrachtung der fertigen I) Die Citate im Folgenden beziehen sich auf folgende Ausgabe: Theoria generationis, auctore D. CASPARO FRIDERICO WOLFF, editio nova Halae ad Salam, 1774. Die erste Ausgabe der »Theorie« ist WOLFF’s berühmte Inauguraldissertation, welche am 28. Nov. 1759 ver- theidigt wurde. 2) Man vergleiche damit was BOoNNET unter Epigenesis verstand (a. a. ©. pag. 160) »Epigenesis: eine Lehrmeinung derjenigen, welche keine vorher gebildeten Keime annehmen sondern behaupten, das Thier werde in der That Stück vor Stück geboren und aneinanderge- setzet und dies zwar mittelst der Vereinigung unterschiedlicher Partikelchen, die unter gewissen Verhältnissen zusammenkommen. « (!) 3) Speciell gilt das vom swecus nutritivus, welcher vermöge der vis essentialis in der Pflanze sich bewegt. Oft ist es aber auch nur die Ausdrucksform die einen spekulativen Charakter hat. und jedenfalls geht WıGAnD (Kritik und Geschichte der Lehre von der Metamorphose der Pflanzen 1846) viel zu weit, wenn er bei ihm fast »lauter Theoriensucht und Vorurtheil« findet (a. a. O. pag. 47). Das Bestreben, die Entwicklung der Pflanze aus physiologischen Gesichtspunkten zu verfolgen, welches bei WOLFF überall hervortritt, gereicht ihm meiner Ansicht nach nur zur Ehre, so unvollkommen auch die spekulative Grundlage dieser Bestrebungen war. Ä ! « A. Allgemeiner Theil. 103 Organe beruhende Morphologie kaum über die schon vor Linn& errungene Stufe hinausging. Entwicklungsgeschichtlicher Voraussetzungen konnte man sich eben so wenig enthalten, wie später die vergleichende Morphologie, allein sie gingen über die Spekulation nicht hinaus, und diese war z. B. in der Linn#’schen Pro- lepsistheoriel) unglücklich genug. Dieselbe soll hier mit einigen Worten berührt werden, schon der Behauptung halber, die öfters aufgestellt wurde, dass sie der GOoETHE’schen Metamorphosenlehre analog sei. Wir sehen dabei ganz ab von der Linn#’schen auf Carsarpıntschen Anschauungen beruhenden Metamorphosen- lehre, wonach die Rinde des Stammes sich in den Kelch, der Bast in die Corolle, das Holz in die Staubfäden, das Mark in das Pistill verwandeln soll und fassen nur die Prolepsistheorie selbst ins Auge. — Es ist eine bekannte Thatsache, dass der Kelch mancher abnormer Blüthen die Form von Stengel- blättern annimmt, auch Blumenkrone und Staubfäden sind wie die Analogie der Blüthen mit Knospen schliessen lässt, Blätter, und ebenso ist der Fruchtknoten aus solchen zusammengesetzt, wie gefüllte Blumen vermuthen lassen. »Die Blüthe ist nun nach Linne’s Prolepsistheorie nichts, als das gleichzeitige Er- scheinen von Blättern, die eigentlich den Knospenbildungen von sechs aufein- anderfolgenden Jahren angehören, so zwar, dass die Blätter der fürs zweite Jahr der Pflanze zur Entwicklung bestimmten Knospe zu Brakteen, die Blätter des dritten Jahres zum Kelch, die des vierten zur Corolle, die des fünften zu Staub- fäden, die des sechsten Jahres zum Pistill werden (WıGanD a. a. O. pag. 29). Es würde uns zu weit führen, auf die Hülfshypothesen, welche nöthig sind, um diese Vorstellung den Thatsachen einigermaassen anzupassen, einzugehen, nur so viel sei betont, dass sie vollständig auf dem Boden der Einschachtelungslehre steht, und gerade das Bedürfniss, diese mit der Wahrnehmung zu vereinigen, dass ein Baum, der bei reichlicher Nahrung nur Blätter und Zweige trieb, in ein enges Gefäss eingesetzt, nun sofort zur Blüthe gelangte, scheint mir der Aus- gangspunkt der Prolepsistheorie zu sein. Denn die Evolutionstheorie kann natürlich nur eine Einwirkung auf schon vorhandene Anlagen, nicht eine Ver- anlassung zur Neubildung von Organen in den oben erwähnten Fall annehmen.?) Auf der Evolutionstheorie beruht auch der Satz, der Same stelle die ganze Pflanze zusammengedrängt dar. Wir können somit in der Prolepsistheorie nicht den mindesten Fortschritt, sondern nur einen wunderlichen Auswuchs der Evolu- tionstheorie erkennen. Was uns an derselben am meisten wundert, ist nicht ihre Künstlichkeit und innere Unklarheit, sondern die Thatsache, dass eine Verfolgung der Blüthenbildung einer Gartenbohne, wie WOLFF sie unternommen hat, genügt hätte, die Unnatürlichkeit der ganzen Anschauung darzuthun. Es sind aber von jeher nicht falsch beobachtete Thatsachen gewesen, die den Fort- schritt aufgehalten haben, sondern theoretische Vorstellungen. S 2. Die Metamorphosenlehre. Wir haben vorhin den Namen Metamor- N) Eine ausführliche Darstellung derselben findet sich in WıIGAnn’s oben genannter Ab- handlung. 2) Was die Terminologie betrifft, so sagt schon MALPIGHI (a. a. O. pag. 41) »eadem calycıs natura quasi geminis contexta foliolis observatur in silarea et horminio«, von den Blumenblättern sagt er (pag. 42) »supra calycem a dilatata caule vel petiolo erumpunt floris praecifua ornamenta, folia scilicet.« Er kennt auch die Mittelbildungen zwischen Staubfäden und Blumenblättern bei gefüllten Rosen »freguenter prope staminum petiolos fit mixtura staminis et foli (pag. 46). Es ist klar, dass die Bezeichnung des Kelches und der Blumenblätter auf der äusseren Aehnlichkeit beruht, welche sie mit den Blättern, zu denen M. auch die Schuppen zählt, haben. Din 104 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. phosenlehre genannt, und zu ihr führt auch der Weg von Worrr aus, auf den wir aber bei derselben noch einmal zurückzukommen haben. Es ist ein wahrer Irrgarten, in welchen wir uns begeben, wenn wir uns mit ihr befassen. Mit Recht sagt WIGAND (a. a. OÖ. pag. 129). »Da sehen wir vor Allem keinen bestimmten Aus- gangspunkt der Bestrebungen, so oft der Gegenstand ergriffen worden, fast ebenso oft ist er von den verschiedenartigsten Seiten aufgefasst.« Und nicht nur der Gegen- stand, auch die Behandlung desselben von Seiten früherer Schriftsteller ist auf die verschiedenste Weise behandelt worden. Soll ja doch selbst GoETHE’s Metamor- phosenlehre zu den Vorläufern der Descendenztheorie gehören! Ueberall handelt es sich bei der Metamorphosenlehre um Entwicklungsvorgänge und schon des- halb gehört dieselbe hierher, aber meist hat man es vorgezogen, die Entwicklung zu construiren, statt sie zu beobachten. Dabei handelte es sich ausschliesslich um die auffälligsten Pflanzenorgane, die Blätter, Wurzeln und Stengel blieben aus dem Spiele!) Nun sehen wir an den Sprossachsen höherer Gewächse ausser den ge- wöhnlichen Laubblättern eine Anzahl seitlicher Bildungen, welche nicht Zweige sind, sondern theils als Schuppen die Knospen umhüllen, theils in der Blüthe in Form von Kelch, Blumenkrone und Fruchtknoten auftreten oder als »Deckblätter« die Blüthen schützen. Es gehört keine grosse Abstraktionskraft dazu, um auch die Schuppen und Blumenkronblätter als Blätter, wie die Laubblätter zu be- zeichnen: sie haben eine ähnliche Stellung wie die Blätter, sind platt und fallen nach kurzer Zeit vom Stengel ab. Eine weitere Einsicht in ihre Natur ist damit nicht gewonnen, sondern eben nur ein genereller Namen, den, wie erwähnt, schon MALPIGHT und gewiss mancher vor ihm gebraucht haben. Es fragte sich nun, worin besteht das Gemeinsame aller dieser Gebilde und was sind ihre gegen- seitigen Beziehungen? Diese Frage ist das Problem der Metamorphosenlehre. Ihr Begründer ist ohne Zweifel WoLrr, denn er hat den eısten Versuch zu ihrer Lösung gemacht, während wir die Subsumtion von Bracteen, Kelch und Corolle unter den Begriff »Blatt« eben nur als eine Namenserweiterung betrachten, wie schon die Thatsache zeigt, dass MALPIGHI auch die »gamopetale» Corolle als folium" unicum« auffasst, d. h. ein Gebilde, das Aehnlichkeit mit einem Blatte hat. Worrr's Metarmorphosenlehre (er gebraucht den Ausdruck Metamorphose übrigens nicht) hängt zusammen mit seiner Vorstellung über die » Vegezatio lan- guescens«. Das Biühen der Pflanze ist eine Folge verminderten Nahrungszu- flusses, die Blattbildung hört in Folge dessen auf, und an ihre Stelle tritt die Fruktification.?) (Vergl. a. a.O. $ 95, pag. 55.) Die Folge dieser verminderten Nahrungszufuhr ist, dass die vorhandenen Anlagen (»guwaecumgue excreta jam sunt paucius nutriuntur)« schwächer ernährt werden. Man wird auf diesem Sta- dium der Pflanze Blätter finden, die mit weniger Verzweigungen als die Laub- blätter versehen sind, andere bei denen die Ausbildung der Blattscheibe d. h. des an den Mittelnerven ansetzenden Theiles der Blattlamina, (den Worrr durch Ausscheidung entstehen liess) unterbleibt, oder die des Blattstieles, einiger Blatt- rippen etc., und der Vegetationspunkt selbst wird an der Bildung neuer »propul- ') E. M£yEr hat es sogar versucht, auch die Wurzeln als Blattbildungen nachzuweisen! ?) Sicher liegt dieser Anschauung der Erfahrungssatz zu Grunde, dass Blüthen- und Laub- blattbildung miteinander in Correlation stehen, indem bei allzu üppiger Laubbildung die Blüthen- bildung unterdrückt erscheint (z. B. bei den Kugelakazien,) und andererseits eine Unterdrückung der Blüthenbildung eine stärkere Entwicklung der vegetativen Theile zur Folge hat (z. B. bei den baumförmig gezogenen Reseden.) A. Allgemeiner Theil. 105 siones« gehindert. Mit anderen Worten es treten Hemmungsbildungen auf, die gradweise gegen die Spitze der Achse hin abgestuft sind (pag. 61). Ein wie man sieht, durchaus klarer und anschaulicher Gedanke. Den theoretischen Aus- einandersetzungen folgt die »historia floris« die Entwicklungsgeschichte der Blüthe, welche Worrr an Vicia Faba sorgfältig untersucht, auch mit Abbildungen erläutert hat, die freilich sehr rudimentär sind, namentlich MarrıcHts klaren Zeichnungen gegenüber. Das Objekt der Untersuchung war kein günstiges, doch gelang es ihm zu constatiren, dass die in der fertigen Blüthe mit einander »verwachsenen« Kelchzipfel und Staubblätter als isolirte Organe angelegt und erst durch scheiden- förmige Verlängerung ihrer Insertionszone mit einander vereinigt werden (vergl. z. B. pag. 65). Die Staubfäden hielt er allerdings zunächst für Axillarknospen der Kelchblätter, weil er die Anlagen der anfangs in der Entwicklung zurückbleibenden Blumenblätter übersah, ein Irrthum, den er aber später selbst berichtigte. Nach einem Citat bei KIRCHHOFF!) nennt er in einer späteren Arbeit?) die Antheren Blattmodificationen. Von den Kronenblättern hebt er die Blattnatur ausdrücklich hervor, ihre Färbung geht leichter und mehr als bei anderen Theilen vom Grünen ins Weisse, Gelbe etc. über, weil sie im Verhältniss zu ihrem Volumen eine grosse Oberfläche besitzen und so den Einwirkungen der Luft (d.h. wohl haupt- sächlich des Lichts) und der Wärme /(aeris et caloris effectibus) am meisten aus- gesetzt sind (pag. 68). Der Grundgedanke der ganzen Anschauung ist, wenn man sie des theoreti- sirenden Beiwerks entkleidet, klar genug.) Die Pflanze producirt überhaupt nur Laubblattanlagen, deren Ausbildung aber unter bestimmten Umständen (beim Ein- treten der vegeiatio languescens) Hemmungen erfährt, die zu verschiedenen Mo- dificationen führen. Lehrreich ist namentlich die Bemerkung über das Zustande- kommen der Blumenblattfarben, welche zeigt, dass WoLrr als Organ, welche umge- bildet wird, eben das Laubblatt betrachtet, und den Grund dieser Umbildung findet er nicht in einer »Kraft,« die er Metamorphose nennt®), sondern in ge- änderten Ernährungsverhältnissen. Dass Laubblätter, Kelchblätter und Blumen- blätter dieselbe Entwicklung zeigen, ist leicht verständlich, wenn letztere modifi- ceirte, gehemmte Laubblätter sind. Das Pistill fasste er in seiner ersten Arbeit noch als ein »ad modum vulgarem trunci< ausgewachsenes Punctum vegetationis auf (pag. 45). Später sagt er:°) »In der ganzen Pflanze, deren Theile wir auf den ersten Blick als so ausserordentlich mannigfaltig bewundern, sehe ich nach gründ- licher Betrachtung zuletzt nichts als Blätter und Stengel (die Wurzel zum Stengel gerechnet). Alle Theile der Pflanze ausser dem Stengel sind folglich nur modi- ficirte Blätter. Bei der Aufstellung einer Generationstheorie der Pflanzen handelt es sich also zunächst darum, durch Versuche zu finden, auf welche Weise sich die gewöhnlichen Blätter bilden, d. h. wie die gewöhnliche Vegetation geschieht, durch welche Ursachen und Kräfte, — alsdann die Ursachen, Umstände und Be- dingungen zu erforschen, welche in den oberen Theilen der Pflanze, wo die I) KIRCHHOFF, Die Idee der Pflanzenmetamorphose bei WOLFF und GOETHE. Berlin. 1867. 2) Novi comm. acad. Petrop. XII. pag. 406. 3) Es wird derselbe indess z. B. bei KIRCHHOFF nicht hervorgehoben; wohl weil der Verf. (ebenso wie WIGAND u. A.) eine ganz andere Ansicht von der »Metamorphose« hat; auch ich fasste anfangs WoLLr’s Darstellung in anderer Weise auf. #), Er gebraucht die Bezeichnung überhaupt nicht. 5) Novi comment. Acad. Petropol. XII. 1766—1767. pag. 403. Die Stelle ist citirt bei WIGAND. pag. 38. 106 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. scheinbar neuen Erscheinungen und die scheinbar verschiedenen Organe auftreten, zu der bisherigen Vegetation hinzukommen, und dieselbe so bestimmen, dass statt der gewöhnlichen solche modificirte Blätter hervorgehen. So bin ich früher (theoria generationis) zu Werke gegangen; ich fand, dass, während je länger die Vegetation fortdauert, um so mehr Blätter erzeugt werden, dagegen von der all mählichen Abnabme und dem endlichen Verschwinden derselben alle jene Ab- änderungen abhängen, dass also die letzteren eigentlich nur in einem Mangel an Ausbildung beruhen.«!) SCHLEIDEN sagt einmal, es sei ein Unglück für die Botanik gewesen, dass nicht die Worrr'sche Metamorphosenlehre statt der GoETHE’schen in die Wissen- schaft eingeführt worden sei. Ich kann dem nur aus vollster Ueberzeugung bei- stimmen. GOoETHE’s Verdienst wird dadurch nicht geschmälert, dass seine Lehre auf die Entwicklung der botanischen Morphologie vielfach einen so trübenden Einfluss geübt hat, immerhin aber ist sie die Quelle der Begriffsdichtung, welche in dichterischem Schwunge über den Wogengang und Wellenschlag der (als per- sönlich gedachten) Metamorphose sprach. Unabhängig von ihr hat sich dann erst wieder die von WOorrr eingeleitete entwicklungsgeschichtliche Methode er- hoben, im Gegensatz namentlich zu der Beschäftigung mit Missbildungen, welche für die Metamorphosenlehre von jeher eine Hauptstütze waren. WOorLrr's Arbeiten waren GOETHE, wie wir aus seinen anziehenden Schilderungen über die Geschichte seines botanischen Studiums wissen, unbekannt. Der Aus- gangspunkt ist auch bei beiden ein ganz verschiedener, bei WoLFF die Ent- wicklungsgeschichte, bei GOETHE die Betrachtung der fertigen Pflanze. ö GOETHE?) hat in seinem berühmten Essai seine Maximen deutlich genug ausgesprochen. »Das nun das, was der Idee nach gleich ist, in der Erfahrung entweder als gleich oder als ähnlich, ja sogar als völlig ungleich erscheinen kann, darin besteht eigentlich das bewegliche Leben der Natur, das wir in unsern Blättern zu entwerfen denken.« (a. a. O. pag. 4), Blätter (i. e. Laubblätter) Kelch, Krone, Staubfäden sind in geheimer Verwandtschaft zu einander. Sie entwickeln sich nach einander und »gleichsam auseinander.« Die Metamorphose steigt »gleichsam auf einer geistigen Leiter, zum Gipfel der Natur, der Fortpflanzung durch zwei Geschlechter empor.« (Satz 6.) Es leuchtet in den angeführten Sätzen schon ein, dass es sich bei dieser Metamorphosenlehre um einen ganz andern Vorgang handelt, als bei der Worrrschen. Die Metamorphose ist auf das Gebiet des Begriffes der Idee verlegt, nur auf diesem kann ja von einer »geistigen Leiter« die Rede sein. Nur so ist es verständlich, wenn wir lesen, dass im Verlauf der Blattbildung die Stengelblätter von ihrer Peripherie herein anfangen sich zusammenzuziehen. Ein einmal gebildetes Blatt kann sich ja natür- I) WIGAND meint a. a. O. pag. 60 »ein wissenschaftliches Princip der Identität der Blatt- organe sei bei WOLFF noch nicht durchgedrungen; ich denke die obigen kurzen Auseinander- setzungen und die Vergleichung mit der GOETHE-BRAun’schen Metamorphosenlehre wird. das Gegentheil deutlich erweisen. — Dass es sich bei der ganzen Discussion ausschliesslich um die Samenpflanzen, speciell die Angiospermen handelt, braucht bei dem damaligen Stand der Botanik wohl kaum betont zu werden. 2) Morphologie, 36. Bd. der CoTTa’schen Gesammtausgabe von 1869. — Die Frage ob GOETHE später eine realere Auffassung der Metamorphose gewonnen habe, gehört nicht hierher. Jedenfalls sprechen übrigens die nachträglichen Bemerkungen zur Morphologie nicht dafür, wie z. B. die aus dem Jahre ı831 stammenden Bemerkungen über die Spiraltendenz in der Vege- tation zeigen. A. Allgemeiner Theil. 107 lich nicht zusammenziehen. Man kann aber eine Braktee begrifflich auf ein Laubblatt reduciren, wenn man von dem wirklichen Vorgange der Entwicklungs- geschichte absehend, sich dieselbe durch Zusammenziehung zu Stande gekommen denkt, Kelch und Krone bestehen ebenfalls aus Blättern, die häufig wie das Vorhandensein von freien Spitzen lehrt, mit einander verwachsen sind. (WOLFF hatte nach dem Obigen den Vorgang schon richtiger erkannt). Die »Verwandt- schaft« der Kron- mit den Stengelblättern zeigt sich namentlich auch dadurch, dass auch Stengelblätter (wie bei der Gartentulpe), ganz oder theilweise den Charakter von Kronblättern annehmen können. Ein Staubwerkzeug aber ent- steht, wie dies namentlich aus den Erscheinungen an gefüllten Blüthen gefolgert wird »wenn die Organe die wir bisher als Kronblätter sich ausbreiten gesehen, wieder in einem höchst zusammengezogenen und zugleich in einem höchst ver- feinerten Zustand erscheinen. Die Zusammenziehung aber geschieht, wie in Satz 67 ausgeführt wird, durch Zusammenziehung der elastischen Spiralfasern, dadurch werden die Gefässbündel auf deren Ausbreitung nach GoETHE die Blatt- gestalt beruht, verkürzt und das Blatt wird schmäler- Auch die Früchte entstehen aus blattähnlichen Bildungen. Eine Hülse z. B. ist ein einfaches, zusammen- geschlagenes an seinen Rändern verwachsenes Blatt.« Wir sind überzeugt, dass mit einiger Uebung es nicht schwer sei, sich auf diesem Wege die mannigfaltigen Gestaltungen der Blumen und Früchte zu erklären; nur wird freilich dazu erfor- dert, dass man mit jenen oben festgestellten Begriffen der Ausdehnung und Zu- sammenziehung, der Zusammendrängung und Anastomose wie mitalgebraischen Formeln bequem zu operiren und sie da, wo sie hingehören, anzuwenden wisse (Satz ıo2). — Während Worrr als Ursache der Blüthenbildung eine vegezatio . Janguescens aufstellt, nimmt GOETHE bei der Bildung der Blüthenblattgebilde eine Verfeinerung der Säfte an. Als Zusammenfassung seiner Anschauung hebt er hervor (Satz 119), dass er versucht habe, die verschieden scheinenden Organe der sprossenden und blühenden Pflanze alle aus einem einzigen, dem Blatte zu erklären. Zur Verhütung eines Missverständnisses hebt er aber in dem folgenden Satze hervor, dass die Bezeichnung »Blatt« eigentlich eine mangelhafte sei, da man ein allgemeines Wort haben müsste, »wodurch wir dieses in so verschiedene Gestalten metamorphosirte Organe bezeichnen, und alle Erscheinungen seiner Gestalt damit vergleichen könnte. .... denn wir können eben so gut sagen, ein Staubwerkzeug sei ein zusammengezogenes Blumenblatt, als wir vom Blumen- blatte sagen können, es sei ein Staubblatt im Zustand der Ausdehnung; ein Kelchblatt sei ein zusammengezogenes, einem gewissen Grade der Verfeinerung sich näherndes Stengelblatt als wir von einem Stengelblatt sagen können, es sei ein durch Zudringen roherer Säfte ausgedehntes Kelchblatt.« Diese Sätze zeigen doch wohl, dass es sich um eine Metamorphose, eine Umbildung dabei gar nicht handelt, sondern nur um eine Verallgemeinerung des Begriffes Blatt, der aber eben dadurch auch zu einem ziemlich unbestimmten wird. Gerade diese Auf- fassung aber war es, die in der Botanik weiter wirkte. A. Braunt) charakterisirt 1851 seinen und GOoETHE’s Standpunkt, indem er sagt: »die geistige Leiter, welche GoETHE in der Metamorphose der Pflanzen erblickt, ist ein sprechender Beweis seiner tieferen Auffassung derselben, denn dass, was den Bildungsprozess der Pflanze von einer Stufe zur andern leitet, was die Stufen zur Leiter vereinigt, was jede Stufe obgleich getrennt von der vorausgehenden, decl ais Umwandlungs- I) Verjüngung. pag. 64. 108 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. stufe derselben erkennen lässt, kann eben nur ein Inneres und Geistiges sein.« und nicht minder deutlich charakterisirt er zwanzig Jahre!) später den Standpunkt der Metamorphosenlehre, die nach ihm der Schlüssel zur Morphologie ist. Was dieselbe lehrt, ist »die stufenweise Umgestaltung der wesentlich gleichen Organe nach den verschiedenen Höhen der Entwicklung und den ihnen zuge- theilten Aufgaben des Lebens (pag. 294). Wie aber die Wesensgleichheit zu verstehen ist, das erläutert Braun, indem er ausdrücklich erklärt, es sei eine verkehrte Auffassung der Metamorphosenlehre, wenn man das Laubblatt als den eigentlichen Typus des Blattes, die andern Blattformationen als »metamorphosirte« Blattgebilde betrachte (a. a. O.). Die Laubblätter sind vielmehr wie die aller andern Stufen Blätter, denen eine bestimmte Funktion zugetheilt ist. Das »Ur- blatt« ist eben so wenig ein sichtbares Ding, wie die Urpflanze, welche GOETHE sich zu gestalten suchte, man müsste denn darunter das erste Blatt der Pflanze verstehen etc.« Ich habe diesen Standpunkt früher bereits zu charakterisirer versucht.”) »Das Blatt ist für die Metamorphosenlehre eben ein Begriff, der nicht in einer einzelnen Form seinen Ausdruck und seine Realisirung findet, sondern eine ganze Anzahl von Formen umfasst, von deren Besonderheit ab- strahirt worden ist, um zu dem allgemeinen Begriffe »Blatt« zu kommen. Eben so wenig wie man ein beliebiges Haus als das »Urhaus« bezeichnen kann, kann man auch nach (GoOETHE’s und) Braun’s Auffassung eine beliebige Blattformation als das »Urblatt« bezeichnen.« Damit ist auch zugleich der principielle Irrthum der ganzen Anschauung, der mehr als jemand, der sich mit der Geschichte der Pflanzenmorphologie nicht beschäftigt hat, glauben würde hemmend auf deren Entwicklung wirkte, angedeutet. Erst abstrahirt man den Begriff Blatt, indem man die Function und Färbung etc. der Laubblätter, Kelchblätter, Staubfäden etc. als unwesentlich, ihre Stellung zum Stamm, ihr begrenztes Wachsthum als wesent- lich und als Bestätigung dieser Wesensgleichheit das gelegentliche Auftreten von Blumenblättern an Stelle von Staubfäden von Laubblättern an Stelle von Kelch- blättern etc. betrachtet; dann betrachtet man die Thatsache, dass der Allgemein- begriff Blatt auf solche verschieden gestaltete Bildungen Anwendung findet als »Metamorphose« dieses als real gedachten Begriffs, der doch eben nichts ist als ein Wort, ein Namen, der aber als etwas Uebersinnliches aufgefasst wird, während alle Versuche, zu einem allgemein giltigen »Begriffe« des Blattes zu kommen tehlschlagen, wie unten auch näher darzulegen sein wird. Neben dieser ıdealistischen Metamorphosenlehre hat sich eine andere Auf- fassung entwickelt, die je nach dem Standpunkte ihrer Vertreter mehr oder weniger Verwandtschaft mit derselben hat, ich will sie als Differenzirungstheorie bezeichnen. Sie kannte eine reale Umbildung, eine Metamorphose ım Grunde ebensowenig wie die idealistische Metamorphosenlehre, und sucht nur den Be- griff der Wesensgleichheit anders, namentlich entwicklungsgeschichtlich zu fassen. HANSTEIN steht noch auf dem Boden der ersteren Lehre wenn er sagt?) »Der Umstand ferner, dass alle diese (Blatt-) Formen an einem Sprosskörper von unten nach oben in der Entwicklung auf einander folgen, und dabei durch Formüber- gänge vielfach mit einander verknüpft sind, so dass die ursprüngliche Ueberein- stimmung dieser morphologischen Natur um so heller in’s Licht tritt, hat sie als Wandelformen eines und desselben organischen Typus erkennen lassen, welcher I) A. BRAUN, Ueber die Gymnospermie der Cycadeen, Monatsber. der Berl. Akad. 1872. 2) Botan. Zeit. 1879, pag. 418. 3) Beiträge zur allgemeinen Morphologie der Pflanzen. 1882. pag. 30. A. Allgemeiner Theil. 109 der Reihe nach sich in alle die einzelnen Formationen umgestaltet. Man be- zeichnet diesen mehr theoretischen als thatsächlichen Vorgang als Blatt- wandlung oder Metamorphose des Blattes.« Also auch hier wieder etwas Unsicht- bares, ein »Typus« der sich »verwandelt. £ einschichtiger Blätter, bei sp eine Spross- ment bildet. Es ist also die Scheitelzelle anlage, die sich aus dem Blattgrunde eigentlich nach jeder Theilung eine andere, da entwickelt. sie aber ihre Form dabei stetig beibehält, so spricht man von der Scheitelzelle als ob es immer ein und dieselbe wäre. Auf ihre verschiedene Form und Segmentirung kann hier nicht eingegangen werden, es genüge, auf einige Beispiele I) Vgl. HoFMEISTER, Lehre von der Pflanzenzelle, pag. ı28 ff. und besonders die grund- legenden Abhandlungen von SAcHs, über die Anordnung der Zellen in jüngsten Pflanzentheilen, und Ueber Zellenanordnung und Wachsthum, in Arbeiten des bot. Instituts in Würzburg, II. Bd. 138 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. hinzuweisen, wobei wir uns ausschliesslich an die Sprossvegetationspunkte halten, da die Zellenanordnung der Wurzelvegetationspunkte am zweckmässigsten bei Besprechung der Wurzelentwicklung erörtert wird. Eine sehr einfache Zelltheilungsfolge findet z. B. statt im Vegetationspunkt der Floridee Zolyzonia jungermannoides. Das Ende desselben wird eingenommen von der Scheitelzelle, von welcher durch Querwände Segmente abgeschnitten werden, welche annähernd die Form von Cylinderscheiben besitzen, und deren weitere Differenzirung nur darin besteht, dass sie durch einige Längswände getheilt werden und noch bedeutend in die Länge wachsen, aus diesen Segmenten nehmen, wie aus der Figur 9 ersichtlich ist, die Blätter (und auch die Hatt- wurzeln) ihren Ursprung. Complicirter ist die Form und Theilungsweise der Scheitelzelle bei Musci- neen und Gefässkryptogamen, bei welchen aus der Scheitelzelle der vielzellige Komplex des Vegetationspunktes hervorgeht. Als Beispiele diene hier Zguisetum, von welcher Pflanze die Fig. 10 einen axilen Längsschnitt des Vegetationspunktes zeigt. Die Spitze desselben ist eingenommen von der grossen, dreiseitig pyra- midalen Scheitelzelle, welche nach drei Seiten hin Segmente bildet; die Art. und Weise, in welcher dies geschieht, erhellt aus der Vergleichung der Horizontalpro- jektion (Fig. 10 B) mit dem Längsschnitt (Fig. 10 A). In dem aus den Segmenten der Scheitelzelle hervorgegangenen Gewebe des Vegetationspunktes lassen sich zweierlei Wandrichtungen unterscheiden: solche, welche dem Umfang gleich- sinnig verlaufen, perikline Wände (nach SacHs), und solche, die diese und deren Umfang (entweder verlängert gedacht oder direkt) annähernd rechtwinklig schneiden: antikline Wände. Diejenige peripherische Zellschicht, welche sich später zur Epidermis gestaltet, ist am Vegetationspunkt oberhalb der jüngsten Blattanlagen noch nicht vorhanden, es finden hier noch Theilungen durch perikline Wände statt. Auch sonst findet in den noch nicht in einzelne Gewebe- arten differenzirten Zellen des Vegetationspunktes keine Sonderung in bestimmte Schichten und Zonen statt, es lässt sich nur im Allgemeinen aussagen, dass aus den centralen Zellkomplexen das früh zerstörte Mark des Stengels, aus den peripherischen die Epidermis und das darunter liegende Gewebe, welchem die Gefässbündel eingebettet sind, hervorgehen. Anders im Vegetationspunkt der Angiospermen. Nachdem man auch hier vielfach nach Scheitelzellen gesucht hatte, und zwar mit Ausnahme von verein- zelten widersprechenden Angaben, ohne Erfolg, wies HANnSTEIN,!) in Ueberein- stimmung mit den Angaben einiger früherer Autoren (namentlich Sanıo) darauf hin, dass die Annahme einer Scheitelzelle am Vegetationspunkt der Angiospermen durch die ganze Configuration der Zellenanordnung ausgeschlossen sei. Wie die Figur ır (von ZHippuris) zeigt, verlaufen die Periklinen hier sehr regelmässig, sie erscheinen deutlich als Curven, der Vegetationspunkt erscheint geschichtet, auch die Antiklinen treten deutlich hervor, nur sind dieselben nicht so zu dem Auge auf den ersten Blick auffallenden Curven angeordnet, wie die Periklinen. Die periklinen Curven endigen aber am Scheitel nicht in eine Scheitelzelle, sondern in eine Zellgruppe. Als Unterschied von der Zellenanordnung bei Vegetationspunkten mit Scheitelzelle tritt vor Allem hervor, dass der ganze Vegetationspunkt, auch an seinem Scheitel überzogen ist von einer Zellschicht, deren Zellen sich nur durch Antiklinen, dagegen (einige Ausnahmefälle abgerechnet) nie durch Peri- klinen theilen. Verfolgt man diese Zellenschicht weiter nach unten, in die älteren I) HANSTEIN, Die Scheitelzellgruppe im Vegetationspunkt der Phanerogamen. Bonn. 1868. FR A. Allgemeiner Theil. 139 Sprosstheile, so findet man, dass sie übergeht in die Epidermis. Diese, aus lauter einander ähnlichen, in lebhafter Theilung begriffenen Zellen bestehende, den Vegetationspunkt überziehende Zellschicht hat HansTteEı, weil aus ihr die Epidermis hervorgeht als »Dermatogen« bezeichnet, sie stellt also nichts anderes vor, als die junge Epidermis, die aber hier den Scheitel überzieht, im Gegensatz zu den Vegetationspunkten der Gefässpflanzen mit Scheitelzelle, bei denen sie erst unterhalb des Scheitels sich differenzirt. Am Gipfel des Dermatogens be- findet sich nach HansTEın eine Zelle, oder eine Zellgruppe, welche die Ver- Fig. 10. (B. 331.) A Längsschnitt des Stammendes einer unterirdischen Knospe von Zgzisetum Telma- Zeja (nach SACHS) S Scheitelzelle, y erste Andeutung der Blattbildung, bb ein eben angelegter Blattringwall, rr Anlage des Rindengewebes der Internodien, gg Zellen, aus denen das Blattgewebe und dessen Gefässbündel hervorgeht. B Horizontal- projektion der Scheitelansicht eines Stammes von Zguisetum Telmateja, 5 Scheitel- zelle, I—-V die auf einander folgenden Segmente, die älteren weiter getheilt. mehrung der Dermatogenzellen einleitet. HAnSTEIN bezeichnet sie als Initial- gruppe, oder wo eine einzelne Zelle vorhanden ist, als Initiale. Mir scheint das Vorhandensein von solchen Dermatogen-Initialen übrigens keineswegs erwiesen zu sein, es wäre ja ebensogut möglich, dass die sämmtlichen Zellen des Dermatogens gewissermaassen passiv dem Wachsthum der unter ihnen befindlichen Vegeta- tionspunktsubstanz folgen, und in dem Maasse, als sie wachsen sich theilen, wobei natürlich die Theilungsfähigkeit von oben nach unten abnimmt, ohne dass aber eine am Gipfel befindliche Initialgruppe sich von den weiter unten befind- lichen Dermatogenzellen unterschiede. Konstruiren lässt sich eine solche Initiale ganz gut, wir dürfen uns nur z. B. den Vegetationspunkt eines Zgwisefum-Sprosses 140 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. mitsammt der Scheitelzelle überzogen denken von einer Dermatogenschicht, diese endige in einer die Scheitelzelle überdeckenden, flachen dreikantigen Zelle, ähn- lich wie sie als Segment in den Wurzelhauben der Equisetenwurzeln vorkommt (vgl. pag. 246 des I. Bds.) und sie werde durch Antiklinen, die jeweils einer ihrer drei Seitenwände parallel sind, getheilt. Dann ist das ganze Dermatogen allerdings auf eine solche Initiale zurückführbar, allein in Wirklichkeit ist eine derartige Zelle mit bestimmt charakterisirtem Theilungsmo- dus nirgends nachgewiesen, und die bei den Embryonen statt- findenden Bildungsvorgänge des Dermatogens sprechen, wie mir scheint, auch nicht für die An- nahme einer Dermatogen-Initiale oder Initialeruppe am Scheitel. Wie dem nun auch sei, je- denfalls ist die ganze Epidermis Längsschnitt durch den Vegetationspunkt von ##Puris früher am Scheitel der Angio- vulgaris (nach WARMING), d Dermatogen, per Periblem, pl Plerom; i Plerominitiale bei bb!, b?, b® Blattanlagen. (B. 332.) Fig. I1. spermen vorhanden, als irgend ein Organ, das am Vegetations- punkt gebildet wird. Das Innere des Vegetationspunktes finden wir erfüllt von einem - Theilungsgewebe, aus dessen äusseren Zellschichten späterhin die Gefässbündel- anlagen hervorgehen, diese mittlere, mit ihren Erzeugnissen das ganze Spross- innere erfüllende und aufbauende »Meristemmasse« bezeichnet HAnsTEIN als Plerom. Es endet, nahe dem Scheitel in eine Zellgruppe, oder auch nur in einige Zellen, welche die Bedeutung von »Kryptogamenscheitelzellen« haben, und die Hauptmasse des Sprossinnern erzeugen, sie werden von HAnsSTEIn, da sie ihrer örtlichen Lage wegen nicht die Benennung Scheitelzellen führen können, als »Initialen« bezeichnet. Zwischen Plerom und Dermatogen finden sich nun noch einige (1—7), das Plerom überwölbende mantelförmige Zellschichten, welche nach unten in die parenchymatische Rinde übergehen, das »Periblem,« dessen Meristemlagen durch Antiklinen getheilt werden (hier und da treten auch Periklinen auf), und welche ebenfalls in eine Initialgruppe endigen. Das »Periblem« ist es, in welchem die Seitenorgane, Blätter und Zweige angelegt werden; diese Anlagen derselben sind also von Anfang an vonder Epidermis des Vegetationspunktes des Hauptsprosses überzogen, welche bei der Anlage einer Seitensprossung ent- sprechend mitwächst. Bei Zgwisetum ist dies, wie die Fig. ıo z. B. bei bs zeigt, nicht der Fall, und ebensowenig bei den Vegetationspunkten der Coniferen, bei welchen am Scheitel das Dermatogen ebenfalls nicht vorhanden ist. Die eben erwähnte Sonderung der Theilungsgewebe im Vegetationspunkt ist aber, wie iibrigens schon HansTEin hervorgehoben hat, keineswegs eine durch- greifende. Vor Allem sind Periblem und Plerom häufig genug nicht scharf von einander geschieden, z. B. in den Vegetationspunkten von Digizalis (nach WARMING), es findet sich hier unterhalb des Dermatogens ein unregelmässig angeordnetes Theilungsgewebe, in welchem Periblem und Plerom nicht zu unterscheiden sind. Auch wo das letztere weiter unten am’ Vegetationspunkt 'möglich’ wird, speciell A. Allgemeiner Theil. 141 dann, wenn man von dem Satze ausgeht, dass die äussersten Pleromschichten oder die äusserste Pleromschicht es sind, wo die Anlegung der Gefässbündel stattfindet), wird die Unterscheidung besonderer »Initialen« für beide Theilungs- gewebe am Scheitel zweifelhaft oder unmöglich, es erscheinen dann die Periblem- lagen, wie auch Warning hervorhebt, einfach als die äussersten Pleromlagen. Das Wichtigste für uns aber ist die Thatsache, dass beim Auftreten von Blättern und Seitensprossen das »Plerom« der letzteren nicht eine Ausstülpung des Pleroms der Hauptachse ist, sondern sich erst nachträglich in der im Periblem des Vege- tationspunktes der Hauptachse angelegten Blatt- oder Sprossanlage differenzirt, und es gilt dies, wie bei Besprechung der Embryoentwicklung gezeigt werden soll, auch für dıe erste Anlegung der Meristemschichten der Cotyledonen (vergl. z. B. Capsella bursa pastoris). Uebrigens tritt die Sonderung von Dermatogen, Periblem und Plerom in manchen Embryonen schon sehr früh, in anderen dagegen erst relativ spät auf, und oft findet, wie oben erwähnt, eine scharfe Sonderung der beiden letzteren überhaupt nicht statt. Es ist ferner zu bemerken, dass aus dem Dermatogen nicht nur die Epidermis, sondern in manchen Fällen auch andere Gewebearten hervorgehen, so bei den Luftwurzeln der Orchideen eine zusammen- hängende Schicht von luftfüihrenden Tracheiden!), in den Blättern mancher Cyperaceen Bastfaserstränge, im Blüthenschafte von Allium ursinum Collenchym (vergl. HABERLANDT pag. 631 und 632 des II. Bandes dieses Handbuches). Nach diesen Daten können wir die Hanstein’sche Lehre, wonach im Theilungsgewebe des angiospermen Vegetationspunkts von Anfang an drei ver- schiedene Gewebesysteme mit selbstständigem Wachsthum, deren jedes sich aus besonderen Initialen regenerirt, als eine durchgreifende nicht betrachten. Von Wichtigkeit für die Untersuchung der Organbildung am Vegetationspunkt der Angiospermen ist aber jedenfalls der Nachweis, dass die junge Epidermis vor dem Auftreten der Seitensprossungen am Vegetationspunkt vorhanden ist. Es ist hier nicht der Ort, die Beziehungen der Zellanordnung im Vegetationspunkt zur Vertheilung des Wachsthums in demselben zu erörtern.?) Es genüge zu be- merken, dass ein principieller Unterschied zwischen dem Wachsthum eines Vege- tationspunktes mit und ohne Scheitelzelle nicht existirt. Eine grössere Anzahl von Fällen ist bekannt, in welchen der Vegetationspunkt Anfangs eine Scheitel- zelle besitzt, während dieselbe in späteren Stadien durch eine Zellgruppe ersetzt wird, so z. B. bei manchen Farnblättern. Nach Sachs’ Auffassung kommt eine Scheitelzelle dann zu Stande, wenn die Periklinen nicht bis in den Scheitel selbst hinaufreichen, so dass hier eine Lücke im Construktionssysteme der Zellwände entsteht, d. h. eine Zelle den Scheitel einnimmt, von welcher (wenn wir sie als persistirend denken) durch in regelmässiger Reihenfolge und Stellung auftretende Antiklinen Segmente abgeschnitten werden. Durch die weiteren Theilungen dieser Segmente aber wird dann gewöhnlich eine Zellenanordnung hergestellt, welche der von Vegetationspunkten ohne Scheitelzelle entspricht. S 7. Symmetrieverhältnisse.?) Die Kenntniss der Symmetrieverhältnisse ) Vergl. DE Bary, Vergl. Anatomie pag. 237. 2) Es ist hierüber zu verweisen auf Sachs, Ueber die Anordnung der Zellen in jüngsten Pflanzentheilen, Arb. des botan. Instituts Würzburg, II. Bd. 3) MoHL, Ueber die Symmetrie der Pflanzen, verm. Schriften pag. 12; SacHs, Ueber ortho- trope und plagiotrope Pflanzentheile, Arb. des Bot. Inst. in Würzburg, Bd. II. Derselbe, Vor- lesungen über Pflanzenphysiologie, pag. 584 ff., GOEBEL, Ueber die Verzweigung dorsiventraler 142 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. der Pflanzenkörper ist bei der Verfolgung der Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane von grosser Bedeutung. War es doch wesentlich die irrige Ver- allgemeinerung des bei den Samenpflanzen häufigsten (aber durchaus nicht . allgemeinen) Symmetrieverhältnisses, welche zu irrigen Voraussetzungen über den Entwicklungsgang der Sprosse überhaupt (der sogen. »Spiraltheorie«) geführt hat. Die ganze Pflanze sowohl, als jedes einzelne Organ kann entweder radiäre, symmetrische (»bilaterale«) oder dorsiventrale Ausbildung zeigen, und diese Bezeichnungen können sich beziehen sowohl auf den anatomischen Bau, als auf die Produktion seitlicher Organe. Auch hier fehlt es nicht an Ueber- gängen zwischen den einzelnen Symmetrieformen. Unter radiären Organen, Sprossen, Wurzeln etc. verstehen wir solche, an denen keine vordere und hintere, keine rechte und linke Seite zu unterscheiden ist, sondern welche nach allen Richtungen hin im Wesentlichen gleich gebaut sind, resp. solche, welche auf allen Seiten gleichmässig und gleichartige Sprossungen tragen. Beispiele für radıäre Pflanzen bieten uns die Sprosse höherer Pflanzen, d. h. der Samenpflanzen in grosser Ausdehnung. Es ist hier der radiäre Typus vorherrschend, so sehr, dass die Vorstellung: neue Organe am Pflanzenkörper bilden sich in der Reihenfolge, dass eine die auf einander folgenden Sprossungen verbindende Linie den Stamm in einer Schraubenlinie umkreist (eine Lehre, welche den Inhalt der sogen. Spiraltheorie bildet, deren Einfluss auf allge- meinere morphologische Anschauungen hier nicht weiter erörtert werden soll) für allgemein gültig gehalten wurde. Radiär verzweigt sind ausser den Sprossen der Samenpflanzen mit »spiralig« stehenden Blättern auch diejenigen, deren Blätter in zwei oder mehrzähligen Quirlen stehen. Es tritt die radiäre Anordnung dann am Deutlichsten hervor, wenn man ein Diagramm der Stellungsverhältnisse entwirft, d. h. dieselben auf eine zur Längsachse des Sprosses etc. rechtwinklige Ebene projicirt. Man erkennt dann, dass sich ein solches Diagramm durch drei vier oder mehr Schnitte in Hälften theilen lässt, die einander spiegelbildlich unge- fähr gleich sind, ohne dass aber in den meisten Fällen eine wirkliche Gleich- heit stattfände, bei einem Spross mit »spiralig« gestellten Blättern schon deshalb nicht, weil die Blätter am Spross auf verschiedener Höhe stehen. Radiär ausge- bildet sind mit wenigen Ausnahmen die aufrecht wachsenden (nach SacHs ortho- tropen) Sprosse, die Hauptwurzeln u. a. Auch einige Blätter, wie die Laubblätter von Juncus, welche ebenfalls orthotrop sind. Unter symmetrischen, oder bilateralen Organen dagegen verstehen wir solche, welche eine vordere und hintere, eine rechte und eine linke unter sich jeweils gleiche Seiten haben. Symmetrisch ist also z. B. ein zweizeilig beblätterter Spross: er besitzt, rechtwinklig auf die Insertionsebene der Blätter gesehen eine rechte und eine linke unter sich gleiche, d. h. Blätter producirende Seite, und eine vordere und hintere, ebenfalls unter sich gleiche, nicht blattbildende Seite. Dorsiventral dagegen ist ein Spross, wenn er eine Bauchseite und eine Rücken- seite besitzt, welche von einander verschieden sind, resp. verschiedenartige Or- gane produciren, während die rechte und die linke Seite solcher Sprosse, die Flanken, meist einander gleich sind. Bilaterale und dorsiventrale Organe dürfen also nicht mit einander verwechselt werden, ein zweizeilig beblätterter Spross, oder ein zweizeilig verzweigtes Blatt von Dryopsis (einer Alge aus der Sprosse, Arb. des Bot. Inst. in Würzburg. Bd. II. pag. 553 ff., id. Beitr. zur Entwicklungsgesch. einiger Inflorescenzen, PRINGSHEIM’s Jahrb. für wiss. Bot. Bd. XIV. A. Allgemeiner Theil. 143 Abtheilung der Siphoneen) besitzen nicht zwei sich different verhaltende, sondern je zwei gleiche, einander gegenüberliegende Seiten. Allerdings zeigen die bilateralen und dorsiventralen Sprosse in vielen Fällen mit einander eine Verwandtschaft derart, dass wenn man sich die Rückenseite und die Bauchseite eines dorsiventralen Sprosses gleich ausgebildet denkt, ein bilateraler resultirt; allein auch aus radiären Sprossen können dorsiventrale hervorgehen: wir dürfen uns einen Spross mit schraubig gestellten Sprossungen nur halbirt denken, so erhalten wir eine mit Sprossungen (Blättern etc.) besetzte und eine nicht mit Sprossungen ver- sehene Seite, das ganze Gebilde aber ist nicht durch einen Schnitt symmetrisch theilbar. Dass dies keine blosse Construktion ist, zeigen die Inflorescenzen mancher Papilionaceen, z. B. die von Vicia Cracca, welche eine blüthentragende Seite, auf welcher die Blüthen in Schrägzeilen (Parastichen) und eine blüthen- leere Seite besitzen. Es ist ferner zu bemerken, dass aus lauter dorsiventralen Sprossen ein in seiner Gesammtheit radiäres Verzweigungssystem zusammengesetzt sein kann. So sind die Sprosse der Ulme sämmtlich, wenn auch nur schwach dorsiventral, wie das aus der Insertion der Blätter hervorgeht, die zweizeilig, aber nicht auf den Flanken der Sprosse, sondern der Oberseite derselben ge- nähert stehen. Ein Ulmenstamm ist ein Sympodium, zusammengesetzt aus lauter solchen dorsiventralen oder wenn man will, bilateralen Sprossen, die aber da die Verzweigungsebenen der successiven Sprosse nicht zusammenfallen in ihrer Gesammtheit doch ein radiäres System darstellen. Dasselbe ist der Fall bei manchen Inflorescenzen, z. B. den walzenförmigen Blüthenständen von Alopecurus und Phleum, die man sich aus »spiraliger« Verzweigung hervorge- gangen dachte. In Wirklichkeit aber sind sie gebildet von lauter dorsiventral- zweizeilig verzweigten Sprosssystemen, deren Verzweigungsebenen sich aber mit einander kreuzen, und so in ihrer Gesammtheit eine radiäre Inflorescenz hervor- bringen, deren eigenthümlicher Habitus dadurch zu Stande kommt, dass sämmt- liche Internodien kurz bleiben.!) Fassen wir nun speciell die dorsiventral verzweigten Sprosse ins Auge, so kann sich die Verschiedenheit von Rückenseite und Bauchseite der Sprosse ent- weder darin äussern, dass sie verschiedenartige Sprossungen produciren z. B. die Bauchseite Wurzeln, die Rückenseite Blätter, oder aber darin, dass überhaupt nur eine von beiden mit Sprossungen ausgestattet ist. Als Rückenseite bezeichnen wir dabei bei kriechenden, kletternden und schwimmenden Sprossen die Ober- seite, die Unterseite als Bauchseite, während bei Inflorescenzen etc. die der Hauptachse zugewendete Seite den letzteren Namen führen mag. Dorsiventrale Sprosse finden sich nun in merkwürdiger Uebereinstimmung der Organisation bei den einfachsten wie den höchst organisirten Formen. Einige Beispiele mögen genügen. Der kriechende Stamm der Siphonee Cawlerpa bildet auf seiner Unterseite Wurzeln, auf seinen Flanken Zweige, auf seiner Rückenseite Blätter. Aehnlich verhält sich die Floridee Zerposiphonia, bei welcher auf der Rückenseite zwei Reihen Blätter, auf den Flanken Seitensprosse, auf der Bauch- seite Wurzeln stehen, Stellungsverhältnisse die wie ich a. a. OÖ. gezeigt habe, ge- nau übereinstimmen mit denjenigen, welche sich bei den Farnen Marsilia und Pilularia (auch einigen Hymenophylleen) finden. Es giebt unter den Farn- kräutern nach PRANTL und KrEeın sogar Formen, welche nur eine einzige Blatt- I) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte einiger Inflorescenzen, PRINGSH. Jahrb. für wiss. Bot., XIV. Bd., pag. 6, Fig. ı. Taf I. 144 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. zeile auf der Rückenseite ihres kriechenden Stammes haben, so Zygodium pal- matum, Polypodium Heracleum und quercifolium. Es geht schon aus dem Gesagten hervor, dass bei den genannten Pflanzen die Beziehungen von Blättern und Sprossen nicht die sind, dass die Sprosse in den Achseln der Blätter stehen, sondern »die Beziehungen von Blatt und Spross sind gewöhnlich der Gesammt- symmetrie des Sprosssystemes untergeordnet.« Bei Zemna und Urricularia spricht sich dies darin aus, dass die Seitensprosse auf der Rückenseite der Haupt- achse, die Blätter bei Ufricwlaria (Lemna ist blattlos) auf den Flanken stehen, und zwar bei Ufricularia ohne bestimmte Beziehung zu den Blättern, nur selten trifft man solche, welche Sprosse in ihren Achseln haben. Wie verschieden übrigens die Stellungsverhältnisse sein können, geht daraus hervor, dass die dorsiventralen Sprosse der thallosen Jungermannieen die Geschlechtsorgane auf ihrer Rücken-, die Farnprothallien dagegen auf ihrer Bauchseite tragen, bei beiden aber ist es ausschliesslich die letztere Seite, welche die aus einfachen Zellen bestehenden Wurzeln producitt. In all den bisher genannten Fällen steht die Dorsiventralität in Beziehung zu dem Substrate, welchem die Bauchseite der betreffenden Sprosse zugekehrt ist. Bei manchen Inflorescenzen dagegen steht dieselbe in Beziehung zu dem Mutterorgan, es sind diese Inflorescenzen fast ausschliesslich Seitensprosse, bei manchen Gräsern aber z. B. bei Nardus ist auch die Hauptachse selbst dorsi- ventral verzweigt; Andeutungen von einer Differenz von Rücken- und Bauchseite findet man auch bei den vegetativen Sprossen der Gräser, deren zweizeilig ge- stellte Blattanlagen einander auf der einen Seite mehr genähert sind, als auf der andern. Auch hier mag es genügen auf einige Beispiele hinzuweisen, und zu betonen, dass derartige Fälle früher unter dem Einflusse der Spiraltheorie durch Annahme von Verwachsungen, Verschiebungen etc. unhaltbaren Deutungen unter- zogen wurden. Es wurde z. B. als ein Unterscheidungsmerkmal von Stamm- und Blattorganen aufgestellt, dass letztere zwei sich different ausbildende Seiten besitzen. Jene Annahmen von Verschiebungen etc. aber widerlegen sich dadurch, dass die Dorsiventralität der betreffenden Sprosse schon am Vegetationspunkt der- selben, noch vor Auftreten von Seitensprossungen ausgeprägt zu sein pflegt. Merkwürdige dorsiventrale Inflorescenzen bieten namentlich die Urticaceen: bei Urtica dioica entstehen zwei Reihen von Inflorescenzzweigen auf der Rücken- seite der Inflorescenzhauptachse, es kommt dadurch ein verzweigtes Inflorescenz- achsengerüst zu Stande, das auf seiner Rückenseite Blüthenknäuel trägt, während die Blüthen von Dorstenia auf einer dichotom verzweigten kuchenförmigen ge- stielten Platte stehen. — In besonderer Ausdehnung finden sich dorsiventrale Inflorescenzen auch bei den Papilionaceen, bei welchen sie vielfach irrthümlicher- weise mit den, hier ebenfalls vorkommenden einseitswendigen (in Wirklichkeit aber radiär ausgebildeten) verwechselt werden. Namentlich deutlich ist das Ver- hältniss bei Vicia, Lathyrus, Orobus zu sehen, wo die Blüthen auf der Bauchseite der Inflorescenzachse sich entwickeln, während dies Verhältniss in andern Fällen (z. B. Anthyllis, Lotus, Hippocrepis u. a.) mehr verdeckt ist. — Dorsiventrale In- florescenzen sind ‘auch die der entwicklungsgeschichtlich untersuchten Boragineen, die Blüthen stehen auf dem Rücken, die Blätter auf den Flanken, und ähnlich ist es bei manchen Solaneen, wie z. B. bei Zyoscyamus.!) ) Es sind die letztgenannten Inflorescenzen bekanntlich solche, welche gewönlich für Wickel, also cymöse, sympodiale Blüthenstände erklärt werden. Die Entwicklungsgeschichte steht dem aber, wie ich a. a. O. nachgewiesen habe, entgegen. Zugegeben, dass diese Inflorescenzen N en FR ul RE a ETF BR TR Be ZI et En. Aneru a KA >
Fur: a Ha) Er A. Allgemeiner Theil. 145 Besonderes Interesse beanspruchen für uns nun noch die Fälle, wo im Ver- laufe der Entwicklung die Symmetrieverhältnisse sich ändern, radiäre Sprosse also zu bilateralen oder dorsiventralen, bilaterale zu radiären oder dorsiventralen, dorsiventrale zu bilateralen oder radıären werden. Der Fall, dass radiäre Sprosse zu bilateralen werden ist bei den Seiten- zweigen unserer Holzpflanzen ein sehr verbreiteter, er wird zu Stande gebracht durch Drehungen, speciell der Blätter. Die Seitenzweige von Deutzia scabra u. a. bringen ihre in gekreuzten Paaren stehenden Blätter durch Internodiendrehung in zweizeilige Stellung und ebenso ist es bei Sprossen, welche spiralig stehende Blätter besitzen, z. B. Spiraea-Arten,!) ferner Vaccinium Myrtillus, wo die Blätter bei den im Boden kriechenden Sprossen nach 2 oder $ stehen, wenn die Sprosse aber ans Licht treten sich nach 4 ordnen (auch hier wohl durch Internodien- drehung). Es ist hier nicht näher zu erörtern, in welcher Beziehung zum Lichte diese Veränderungen stehen, bei den genannten Holzpflanzen treten die Torsionen durch welche die Medianebenen der Blätter in eine Ebene gestellt werden nach FRANK auch bei Lichtabschluss ein. Aber in andern Fällen werden sie auch direkt durch die Stellung des Sprosses zu den einfallenden Lichtstrahlen hervor- gerufen. So bei Urzica dioica.?) Steht dieselbe dicht an einer Mauer, empfängt sie also nur von einer Seite Licht, so stellt sie durch Torsion der Internodien die Medianebenen ihrer in gekreuzten Paaren stehenden Blättern parallel der Mauerfläche, und junge Hauptsprosse von Zonzcera Xylosteum, welche in dichtem Walde, also bei schwacher, von oben einfallender Beleuchtung wachsen, ver- halten sich wie Seitensprosse von Exemplaren dieser Pflanze, d. h. sie wachsen schief aufsteigend und bringen durch Torsion ihrer Internodien die Flächen ihrer Blätter in eine Ebene. Interessant sind besonders noch die Symmetrieverhältnisse einiger Moose, namentlich die von Schistostega osmundacea. Dieses kleine Laubmoos besitzt zweierlei Sprosse, welche verschiedene Ausbildung zeigen. Die sterilen, in ihrem äusseren Umriss einem Farnblatt gleichend, haben zweizeilige Blattstellung, sie sind also bilateral-symmetrisch, die Blätter der fertilen Sprosse dagegen sind spiralig gestellt, die Sprosse also radiär. Wie LEITGEB gezeigt hat, kommt auch bei den sterilen Sprossen die zweizeilige Blattstellung durch Verschiebung (Internodien- drehung) aus ursprünglich spiraliger zu Stande. Bei Züssidens dagegen ist die Blattstellung am Stämmchen schon am Scheitel selbst eine zweizeilige, allein die im Boden verborgenen Sprosse wachsen nach HOFMEISTER mit dreiseitiger Scheitel- zelle (und besitzen dem entsprechend radiär gestellte Blattanlagen), auch die am Stamme entspringenden Aeste stimmen in dieser Beziehung mit den unterirdischen Sprossen überein, erst allmählich geht dann die Scheitelzelle in die Form einer phylogenetisch aus Wickeln hervorgegangen sind, allein zunächst fragt es sich: was sind sie jetzt. Dass sie dorsiventral sind, wird sogar von den Vertheidigern der Wickeltheorie nicht mehr geleugnet, und zugegeben, dass die Stellungsverhältnisse früher unrichtig aufgefasst wurden. Es fragt sich also nur noch: sind sie Monopodien oder Sympodien?! Darüber muss und kann allein die Entwicklungsgeschichte erklären, so gut wie überall, auch z. B. bei einer Ulme oder Linde, nur dass man nicht überall das Mikroskop dazu nöthig hat. Wer also an der Sympodien- bildung festhalten will, weise diese nach — ich meinerseits würde mich freuen, dann eines Besseren belehrt zu werden. I) Vergl. FRANK, über die natürliche wagrechte Richtung von Pflanzentheilen, Leipzig 1870, und HOFMEISTER, Allg. Morphol., pag. 629. 2) GOEBEL, Botan. Zeit. 1880, pag. 843. SCHEnK, Handbuch der Botanik. Bd. III. ie 146 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. zweischneidigen über, und die zweizeilige Stellung der Blätter tritt etwa vom fünften an hervor — nur die Aeste von Züsszdens bryoides haben von Anfang an eine zweischneidige Scheitelzelle und zweizeilig gestellte Blätter. Bei Zzsszdens wird also in den Sprossen der einmal inducirte Uebergang von der radiären Blatt- stellung in die zweizeilige (bilaterale) ein inhärenter, es verändert sich die Symmetrie des Vegetationspunktes selbst, bei Schistostega dagegen bleibt der Vegetationspunkt radiär — der Uebergang in die bilaterale Symmetrie vollzieht sich erst in den unterhalb des Vegetationspunkts gelegenen Partieen — eine Difterenz, die sich auch sonst noch findet. Es ıst übrigens klar, dass der Ueber- gang aus der radiären in die bilaterale Blattstellung bei den genannten Moosen in bestimmter Beziehung zum Lichte steht, die aber experimentell noch genauer zu präcisiren ist, sie gehören zu den von Sachs als plagiotrop bezeichneten Sprossen. Andere, dem Substrate angeschmiegt wachsende Moose behalten zwar die radiäre Blattstellung bei, verzweigen sich aber nur in einer Ebene, also bilateral, so Neckera, Hypnum- und Thuidium-Arten. Uebergang von radiären in dorsiventrale Symmetrie findet ebenfalls nicht selten statt. So bei den Rhizomen von Nuphar und Nymphaea, welche im Schlamme horizontal oder schief aufsteigend wachsen. Die Blätter sind hier spiralig gestellt, die Endknospe aufrecht. Wurzeln entspringen nur aus der Unterseite des Rhizoms, und zwar aus den Blattbasen, die Blüthen aber stehen normal nur auf der Oberseite, selten auch auf der Unterseite. Die Differenz von Rücken- und Bauchseite zeigt sich bei MupAhar auch darin, dass auf der Unter- seite die Blattnarben weit auseinändergerückt erscheinen, so dass dieselben von Blattnarben fast entblösst ist; bei einem mir vorliegenden dicken Rhizome von Nymphaea alba dagegen finde ich in dieser Beziehung Bauch- und Rückenseite kaum verschieden. Auch die Seitenzweige der Coniferen sind der Anlage nach radiär, werden aber im Verlauf der Ausbildung bei manchen Formen, namentlich Adzes- und Thuja-Arten dorsiventral. Es zeigt sich dies sowohl in der Stellung, als in der Ausbildung der Nadeln. Die erstere ist bei Abdies pectinata eine verschiedene, je nach den Beleuchtungsverhältnissen. Bei den unteren Zweigen im Schluss stehender Bäume, oder bei jüngeren Exemplaren, die im Schatten älterer wachsen, sind die sämmtlichen Nadeln »gescheitelt«, d. h. sie sind durch Drehung an der Blattbasis so gestellt. dass sie ihre grüne (Ober-) Seite nach oben, dem Licht- einfalle zu, ihre weisse Unterseite nach unten kehren. Ein solcher Spross ver- hält sich dann wie ein Marchantia-Thallus: er besitzt eine von der Unterseite verschieden gebaute Oberseite. Dies zeigt sich auch in den Grössenverhältnissen der Blätter, die auf der Oberseite stehenden Blätter sind bedeutend kürzer, als die auf der Unterseite stehenden. Einige Messungen der Blattlänge mögen dies zeigen. ı. Blatt auf der Zweigunterseite, das seine Oberseite ohne Drehung der Blatt- basis nach oben kehrt: 16 Millim. 2. Darauf folgendes Blatt auf der Flanke der Rückenseite genähert: 10,5 Millim. 3. Nächstes ganz auf der Oberseite inserirtes: 8 Millim. 4. Nächstes ganz auf der Unterseite inserirtes: ı8 Millim. Die Differenz beträgt also zuweilen mehr als das Doppelte, die kleinsten Blätter sind die am weitesten auf der Oberseite stehenden, die grössten die auf der Schattenseite stehenden, die aber in Wirklichkeit am Spross seitliche Stellung einnehmen. Die Blätter am aufrecht wachsenden Hauptspross dagegen sind A. Allgemeiner Theil. 147 ‘alle gleich gross, mit ihnen verglichen haben die auf der Lichtseite stehenden Blätter an den Zweigen eine Hemmung in ihrer Ausbildung erlitten. Was hier erst im Verlaufe der Entwicklung zu Stande kommt, ist bei Selaginella- sprossen von Anfang an vorhanden: wir finden an den vierzeilig beblätterten Sprossen zwei Reihen von grösseren »Unterblättern« und zwei auf der Lichtseite stehende Reihen kleinerer Oberblätter, nur trifft die Dorsiventralität hier das ganze plagiotrope Sprosssystem mit Ausnahme der sporangientragenden Sprosse, welche aufrecht wachsen, und deren vier Blattreihen aus Blättern gleicher Grösse gebildet werden, es sind diese fertilen Sprosse die Enden gewöhnlicher, vege- tativer Sprosse, und man kann an ihnen z. B. bei S. helvetica den Uebergang von Anisophyllie in Isophyllie verfolgen. Auch bei Phanerogamen kommt solche habituelle Anisophyllie!) vor, auf welche hier nur hingewiesen sein mag, so bei Goldfussia anisophylla, Centradenia rosea und andern. Kehren wir zu Adzes pectinata zurück, so ist noch zu bemerken, dass bei freistehenden, kräftiger Beleuchtung ausgetzten Zweigen die Nadeln nicht gescheitelt, ihre Fläche also nicht recht- winklig zur Richtung der einfallenden Lichtstrahlen gestellt sind, sondern die Nadeln sind alle miteinander mehr oder minder steil gegen die Rückseite des Sprosses hin aufgerichtet, und die rückenständigen Nadeln zeigen dabei auch nicht selten auf ihrer Oberseite Wachsstreifen, welche aber nicht so stark ent- wickelt sind wie die auf der Unterseite. Die Anisophyllie tritt auch hier hervor, aber doch nicht so auffallend wie in dem obengenannten Falle, sie ist ohne Messung kaum wahrnehmbar. Einige Beispiele beliebig herausgegriffener rücken- ständiger (a) und bauchständiger (b) Nadeln mögen dies zeigen. a b ı9 Millim. 22 Millim. 16 Millim. 2ı Millim. Zuweilen sind die Differenzen grösser, zuweilen auch kleiner. Die Beziehungen der Dorsiventralität zur Beleuchtung sind auch hier einleuchtend; das Kleinbleiben der rückenständigen Nadeln ist für den Spross vielleicht insofern vortheilhaft, als da- durch eine Verdeckung der seitenständigen Nadeln vermieden wird.?) In ähnlicher Weise findet sich mit Anisophyllie verbunden, aus radıiärer Anordnung hervorge- gangene Anisophyllie auch bei anderen Adies-Arten, z. B. Adies canadensis, und in dem Wesen nach ganz übereinstimmender Weise auch bei 7%ja-Arten.?) An den Keimpflanzen derselben stehen die Blätter des Hauptstammes in viergliedrigen, alternirenden Quirlen, weiter aufwärts dagegen in dreigliedrigen Quirlen, und zwar stehen die ersten Blätter vom Stamme ab, wie die Nadeln anderer Coniferen z. B. die von Juniperus dies bei der herangewachsenen Pflanze thun. Die Seitensprosse t) Vergl. darüber Kny, Bot. Zeit. 1873 pag. 435; WIESNER, Sitzungsb. d. K. Akad. d. Wissen- schaften in Wien. 1868; GOEBEL, Ueber einige Fälle von habitueller Anisophyllie. Bot. Zeit. 1880, pag. 839- 2) Die Dorsiventralität der Seitentriebe wird nach FRANK im Momente des Austreibens durch die Lage zur Schwerkraft (und wie wir hinzufügen können, zum Mutterspross) inducirt, wenn die Aeste vor dem Oeffnen der Knospen so fixirt werden, dass letztere umgekehrt sind, so wird die nun oben liegende Unterseite des neuen Sprosses zur morphologischen Oberseite, und zwar auch bei Ausschluss des Lichtes. — Dass es nicht, wie FRANK sagt, allein die Schwerkraft ist, welche die Dorsiventralität inducirt, geht schon daraus hervor, dass, wenn man den Gipfel des Hauptstammes entfernt, der nächststehende Seitentrieb sich aufrichtet und seine austreibende Knospe dann radiär ausbildet. 3) Vergl. Sachs, Lehrbuch. IV. Aufl., pag. 213. £ sur pe ’ es EN, r r) i An 148 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. aber zeigen eine andere Anordnung, sie besitzen zweigliedrige alternirende Blatt- quirle, und zwar sind die Blätter bei den Seitensprossen der herangewachsenen Pflanze dem Zweige dicht angedrückt, und meist so gestellt, das die Ausbreitungs- ebene horizontal steht. Nur in den Achseln der seitenständigen Blätter dieser Sprosse treten Seitenzweige auf, es bilden sich also die ursprünglich radıär an- gelegten Sprosse bilateral aus, so dass sie bei oberflächlicher Betrachtung ge- fiederten Blättern nicht unähnlich erscheinen. In Wirklichkeit aber stimmen sie mit den Blättern auch darin überein, dass ihre Oberseite von der Unterseite different ausgebildet ist, die Sprosssysteme also dorsiventral sind. Wie bei den Blättern finden sich nämlich an den genannten Zweigsystemen von 7huja occidentalis Spaltöffnungen auf der Unterseite, chlorophyllreicheres Blattgewebe auf der Ober- seite, die sich auch durch ihre stärkere, glänzende Cuticula von der mit dünnerer, matter Cuticula versehenen Unterseite unterscheidet. Hier ist es, wie FRANK gezeigt hat, das Licht, welches aus den, aus radiären zu bilateralen gewordenen Organen die Dorsiventralität inducirt: sobald man solche Zweige in umgewendete Lage bringt, oder die Oberseite mit undurchsichtigem Stoff bedeckt, kehrt sich an den neu gebildeten Sprosstheilen die Dorsiventralität um. Wir haben dem Gesagten zu Folge bei 7%uja zugleich einen Fall vor uns, in welchem die bilaterale Sym- metrie -in die dorsiventrale übergeht. Der- artige Fälle fin- den sich nicht selten. Die jun- gen Brutknos- pen von Mar- chantıa polymor- pha und Zunu- laria 2. B. sind bilateral, gelan- gen sie aber zur W eiterentwick- lung, so werden sie dorsiventral, und zwar ist es die Lage zum Licht, - welche bestimmt, wel- 3 | Fig. 12. . en 3 x che Seite zu I Längsschnitt durch einen Vegetationspunkt von Zegatella conica, L, Lamellen ; - der, eigenartig der Unterseite, K Luftkammern , Sp Spaltöffnungen, V Scheitel, II junges Thallusstick von oben gesehen. TI—V NMarchantia polymorpha, Anlage gebauten Ober- der Luftkammern und Spaltöffnungen an einem jungen »Hute.« II nach ind welche zur LEITGEB, die andern nach der Natur. Unterseite wird, die Differenz beider Seiten geht aus einem Blicke auf Fig. ı2 hervor: die Ober- seite besitzt Spaltöffnungen und Luftkammern (Fig. ı2 K) die Unterseite trägt schuppige Lamellen, welche den Vegetationspunkt bedecken (L, Fig. ı2 I) und Wurzelschläuche. Die dem Lichte zugekehrte Seite der austreibenden Brutknospe SER Bu MIR A Mahal re: Ray S ae A. Allgemeiner Theil. 149 (und ebenso der Keimpflanze) ist es, die zur Spaltöffnungs-Seite wird, auch wenn man auf Wasser schwimmend Brutknospen von unten beleuchtet.!) Die einmal inducirte Dorsiventralität scheint aber hier im Vegetationspunkt inhärent, also durch äussere Einflüsse nicht mehr umkehrbar zu sein. Anders ist es bei den Farnprothallien, deren Dorsiventralität sich darin äussert, dass Geschlechtsorgane und Wurzelschläuche auf der Unterseite, resp. auf der dem Lichte abgewendeten Seite entspringen, denn auch hier wird die Dorsiventralität bestimmt durch das Licht, ist aber auch an älteren Farnprothallien noch umkehrbar. Auf andere Weise kommt bei manchen ursprünglich bilateral verzweigten Pflanzen eine dorsiventale Anordnung der Seitenorgane zu Stande. So werden bei manchen zweizeilig beblätterten Monstera-Arten die Blätter so verschoben, dass sie oft scheinbar nur eine Zeile auf der Rückseite des Stammes bilden, eine Verschiebung, bei welcher Torsionen der Stamminternodien hauptsächlich mitwirken. Aehnlich ist es bei den kriechenden Stämmen von Acorus und Butomus. Der von Butomus umbellatus z. B. hat eine aufrechte Endknospe, in welcher die Blätter zweizeilig stehen. Am niederliegenden Theile des Rhizoms aber stehen die Blätter auf der Rückenseite in zwei einander sehr genäherten Reihen, ähnlich wie z. B. bei Zerposiphonia und Plularia, die Bauchseite dagegen erscheint von Blattinsertionen ganz entblösst, sie trägt nur Wurzeln. Die Blätter haben hier also eine Verschiebung erfahren, welche die Seitenknospen nicht mit- betrifft, sie sind ursprünglich vor der Blattmitte inserirt, später stehen sie am unteren Rand des Blattes. Dass bilaterale Sprosse auch in radiäre übergehen, ist bei der nahen Ver- wandtschaft, welche zwischen beiden Symmetrieverhältnissen besteht von vorn- herein zu erwarten. Es tritt dieser Vorgang ein, wenn ein Spross mit zweizeiliger Blattstellung in einen mit schraubiger Blattstellung übergeht, so z. B. bei Aloe- arten (Sachs, Lehrb., IV. Aufl. pag. 197). Auch dorsiventrale Sprosse können in radiäre übergehen. So gehen die blattartig ausgebildeten, mit rudimentären Blättern besetzten Sprosse (Cladodien) von Phyllocladus trichomanoides bei kräftiger Ausbildung nicht selten an ihrer Spitze in mit radiär angeordneten Blättern besetzte Sprosse über,?) die schwach dorsiventral oder bilateral ausgebildeten Laubsprosse mancher Gräser (Sefaria Zea 2% etc.) bilden ihre Enden ebenfalls zu radiären Inflorescenzen aus. In anderer Weise?) vollzieht sich der Uebergang eines dorsiventralen Sprosses in einen radıären bei manchen thallosen Lebermoosen und Flechten. Denkt man sich einen dorsiventralen Thallus eines Lebermooses z. B. einer Marchantia der Längsachse parallel zusammengerollt, so entsteht dadurch eine hohle, radiär gebaute Röhre, eine Construktion wie sie in ähnlicher Weise in der That bei den Stielen der Fruchtträger von Marchantia polymorpha sich findet, welche dann auch, nicht wie die dorsiventralen meist dem Substrat angeschmiegten vegetativen Sprosse plagiotrop, sondern orthotrop sind. Dasselbe Resultat muss man offen- bar erhalten, wenn man einen Marchantia. oder Metzgeria-Thallus sich am einen Ende befestigt, am andern so gedreht denkt, dass der Thallus eine wendel- treppenartige Gestalt erhält: muzatis mutandis finden wir eine solche merk- I) Vergl. ZIMMERMANN, Arb. d. bot. Inst. in Würzburg II, pag. 665. 2) Askenasy, Botan.-morphol. Studien, 1872, pag. 17; GEYLER, Einige Bemerkungen über Phyllocladus, Abhandl. der SENCKENBERG’schen Gesellsch. zu Frankfurt a. M., XI. Bd., pag. 209. 3) Vergl. Sachs a. a. O. (Arbeiten, II. Bd., pag. 247.) 150 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. würdige Bildung denn in der That auch bei dem Lebermoose Kiella heliophylla Fig. 13. Um eine Achse windet sich ein Flügel, der mit derselben eine Art von Wendeltreppe bildet. Die Pflanze wächst aufrecht, und ist an ihrem Grunde bewurzelt, der vorhin mit Marchantia gezogene Vergleich hinkt allerdings inso- fern sehr bedeutend, als die Achse nicht der Mittelrippe eines Marchantia- Thallus (dessen andere Hälfte fehlen würde) entspricht, sondern der Flügel ist eine Wucherung des Stämmchens (vergl. pag. 324 des II. Bdes. dieses Handb.). Es mögen die wenigen hier angeführten Beispiele für die Symmetrieverhältnisse der Pflanzenorgane genügen, zahlreiche andere liessen sich ihnen anreihen, allein die genannten werden hinreichen um zu zeigen, dass auch für die Ent- wicklungsgeschichte die Frage nach dem Zustandekommen der Symmetrieverhältnisse von grosser Bedeutung ist. _ Nicht geringer ist diejenige, welche das gegenseitige Abhängigkeitsverhältniss der Organe unter einander, die »Correlation« derselben auf ihre Ausbildung hat. Wir stehen aber kaum am Anfang der Erkenntniss solcher Beziehungen, die wenigen Fälle, in welchen wir sie näher kennen, sollen im Verlaufe der Darstellung berührt werden, soweit sie zur Organbildung in Beziehung stehen. $8. Formverhältnisse der Vegetationskörper. — Die einfachste Form des Vegetationskörpers ist, wenn wir uns hier zunächst ausschliesslich an die mit Chlorophyll versehenen Pflanzen halten, die einer einzigen Zelle, wie wir sie bei vielen »einzelligen« Algen antreffen. Von dieser Grundform aus wird eine höhere Gliederung des Vegetations- körpers in verschiedenen Richtungen hin auf verschiedene Weise erreicht. Bei den grünen Algen,!) den Chlorophyceen können wir in Bezug auf die Gliederung des Vegetations- körpers die Reihe der Fadenalgen, der Protococcaceen, Volvocineen und Siphoneen unterscheiden. Der einfachste Fortschritt von der einzelligen Form des (B. 334.) Fig. 13. Vegetationskörpers ist der, dass die durch Theilung ent- ee standenen Zellen sich nicht isoliren, sondern mit einander im enitkqusdel’Algerle); Zusammenhang bleiben. Dies geschieht z. B. bei den Conju- gaten. Neben einzelligen Formen finden wir hier sowohl bei Desmidieen als Zygnemeen solche, bei denen die einzelnen Zellen zu Fäden anein- ander gereiht sind. Jede Zelle ist aber der anderen gleichwerthig, es ist keine Differenzirung der einzelnen Zellen eingetreten, und diese können sich auch ohne irgendwie zu leiden von einander trennen. Desto interessanter ist die Thatsache, dass die Zellen der Spirogyrafäden z. B. unter bestimmten Umständen die Fähig- keit haben Haftorgane zu bilden.?) Es geschieht dies, wenn man Spirogyren auf feuchtem Substrate kultivirt, ein Fall, der insofern von grossem Interesse ist, als er uns ein Beispiel für die Entstehung eines Organs direkt in Folge eines äusseren Reizes giebt, wofür als weiteres Beispiel die Haustorien von Cuscuta sich an- U) Vergl. auch FALKENBERG’s Darstellung der Algen im II. Bd. dieses Handbuchs. 2) DE BAary, Conjugaten, pag. 8. - a Be a a EA re a ST Da N Ze EZ er Ar BEN” EP ln er 2 { a} A. Allgemeiner Theil. 151 führen lassen, die ebenfalls nur an den Stellen entstehen, wo der Parasit mit seiner Wirthpflanze in Berührung tritt. Derartige Haftorgane treten bei den Confervaceen (im engern Sinne) in grosser Verbreitung auf, da dieselben meist nicht frei flottiren wie die Conjugaten, sondern an Steinen etc. festsitzen. So z. B. bei Ulothrix, einer in Brunnentrögen, Bächen etc., sehr gemeinen Form. Der Basaltheil jedes Fadens ist hier als Haftorgan entwickelt, die hier gelegenen Zellen sind chlorophylllos und wie es scheint für Berührung reizbar, da sie sich dem Substrate dicht an- schmiegen. Schon bei der Keimung der Sporen tritt die Scheidung in Basal- 'theil (Wurzeltheil) und Sprosstheil auf. Am höchsten gegliedert in der ganzen Confervaceenreihe aber sind die Charen. Sie besitzen einen aufrecht wachsenden in Knoten und Internodien gegliederten Spross, der an den Knoten wirtelig ge- stellte Sprossungen begrenzten Wachsthums, Blätter trägt, die sich von denen höherer Gewächse im Grunde nur durch äussere Formverhältnisse unterscheiden. Aus den unteren Knoten der Sprosse aber entspringen die Wurzeln, welche den Spross im Substrate befestigen, sie bestehen aus langen hyalinen, schief abwärts wachsenden, durch Querwände gegliederten Schläuchen. Auch hier findet gleich bei der Keimung die Sonderung von Wurzeltheil und Sprosstheil statt, im Scheiteltheil der keimenden Oosporet) wird nämlich eine kleine linsenförmige Zelle abgegrenzt, die sich durch eine Längswand in zwei Zellen theilt, von denen die eine zur Hauptwurzel, die andere zum primären Spross auswächst. Später entstehen dann, wie erwähnt aus den basalen Knoten der Sprosse neue Wurzeln, ganz ebenso wie man dies z. B. bei einer Maispflanze und andern Gräsern be- obachten kann, welche sich aus den basalen Stengelknoten neu bewurzeln. Auch die Gliederung des Vegetationskörpers der Siphoneen hat Wege ein- geschlagen, die schliesslich zur Herstellung eines Pflanzenkörpers führen, dessen Gliederung mit dem höherer Pflanzen im Wesentlichen übereinstimmt, nur dass der ganze Vegetationskörper nur aus einem einzigen Schlauche besteht. Der oberirdische Theil ist im einfachsten Falle wie bei Bofrydium granulatum eine kleine, grüne Blase, während der unterirdische Theil ein verzweigtes Wurzel- system darstellt. Bei Vaucheria finden wir statt der grünen Blase lange, ver- zweigte Schläuche, während der Wurzeltheil verhältnissmässig viel weniger ent- wickelt ist, als bei Bofrydium, und bei der höchst differenzirten Form endlich, bei Cawlerpa, treffen wir einen cylindrischen, im Schlamme kriechenden Stamm, der auf seiner Unterseite Wurzeln, auf seiner Rückenseite blattartige Gebilde, auf seinen Flanken Seitensprossen trägt. Ganz anders ist die Richtung, in welcher die Differenzirung des Vegetations- körpers bei Protococcaceen und Volvocineen vor sich gegangen ist. Auch hier finden wir einzellige Formen, unter den Protococcaceen die »Eremobien«, unter den Volvocineen z. B. Chlamydomonas. Bei anderen Formen derselben Reihen zeigt der Vegetationskörper eine Complicirung dadurch, dass er aus Zellkolonien oder Zellfamilien zu Stande kommt: bei den Protococcaceen durch Aneinander- legen von ursprünglich getrennten Zellen, bei den Volvocineen durch Zelltheilung und eigenthümliche, hier nicht näher zu schildernde Wachsthumsvorgänge. Er- wähnt seien nur für die Protococcaceen die zierlichen runden, aus einer Vielzahl von Zellen bestehenden Scheiben von Zediastrum, die sackartigen Netze von 1) Vergl. Fig. VII. auf pag. 241 des 2. Bandes dieses Handbuches, die Wurzel ist dort mit p bezeichnet. 152 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Aydrodictyon, für die Volvocineen die viereckigen Zellscheiben von Gonium, die “im Wasser frei beweglichen Hohlkugeln von Vowox. Es lässt sich zeigen, dass auch innerhalb jeder dieser Reihen, welche offenbar nahe verwandt sind, ein Fortschritt vom Einfachen zum Complicirteren stattfindet, so dass z. B. bei Volvox globator die einzelnen Zellen eines Coenobiums einander nicht mehr gleichwerthig sind (was noch bei den ganz ähnlich gebauten Coenobien von Zudorina der Fall ist), wie die Erscheinungen bei der Fortpflanzung zeigen. Ftwas Aehnliches, wie die Bildung eines Coenobiums kommt übrigens auch bei den Confervaceen vor, z. B. bei Coleochaete scutata. Hier hat der Vegetationskörper die Form einer rund- lichen Scheibe, welche aus einzelnen, dicht mit einander verbundenen Zellfäden besteht, welche bei anderen Formen derselben Gattung deutlich von einander getrennt sind. Unter den Phaeophyceen findet sich eine ganz ähnliche Form des Vegetationskörpers bei der Gattung Myrionema. Im Uebrigen ist hier die Gliederung des Vegetationskörpers eine noch viel reichere und mannigfaltigere, als bei den grünen Algen, den Chlorophyceen. Als Ausgangspunkt können wir einfache Fadenalgen, wie sie die Gattung Zriocarpus bilden, nehmen. Der Vege- tationspunkt ist hier meist ein interkalarer, bei kriechenden Fäden ein apikaler. Von hier aus ist nach zwei, resp. drei Richtungen hin eine Differenzirung des Vegetationskörpers eingetreten bei den Mesogloeaceen, den Cutlerien und Sphacelarien. Als Beispiel für die erste Abtheilung mag Ziebmannia Leveillei gelten. Die Pflanze besteht aus verzweigten, cylindrischen Gliedern von ı bis 3 Millim. Durchmesser. Ein Querschnitt durch den Vegetationskörper zeigt, dass derselbe nicht aus einem Zellgewebe, sondern aus einer Verflechtung von Zell- fäden besteht. An dünneren Sprossen gelingt es, dieselben sämmtlich auf die Verzweigungen eines axilen Zellfadens, der an seinem oberen Ende ganz so be- schaffen ist, wie ein Zriocarpus-Faden, zurückzuführen, der Vegetationspunkt ist auch hier nicht apıkal, sondern überragt von einer Reihe von Zellen, welche ihr Wachsthum eingestellt haben, und von oben her absterben. Unterhalb des Vege- tationspunktes entstehen entweder »Langtriebe« oder »Kurztriebe.« Jene erstge- nannten, die Langtriebe, verzweigen sich wie die Hauptachse, nur sind alle Ver- zweigungen gegen die Peripherie hin gerichtet. Die Kurztriebe erreichen nur eine geringe Länge und stellen dann ihr Wachsthum ein. Ihre Zellen schwellen dabei kugelig an und sind hauptsächlich die Träger der Phycophaeinkörper, also Assi- milationsorgane. Sie bilden dicht gedrängt das peripherische Gewebe der Sprosse und verzweigen sich aus ihren Basalzellen weiter, und zwar entstehen hier, soweit meine Beobachtungen reichen, nur wieder Kurztriebe, oder statt dieser Sporangien; andere Aeste, die an nicht näher bestimmten Stellen entstehen, wachsen abwärts und legen sich den Zellen der Haupt- und Nebenachsen an, umschlingen dieselben und dienen so dem Ganzen zur Festigung, ähnlich den »Berindungsfäden«, wie sie bei manchen Zrfocarpus-Arten vorkommen, Zweige, welche mit den als Haft- organe ausgebildeten in Parallele zu setzen sind. Es ist hier also, Zefocarpus gegenüber eine bedeutende Differenzirung der Sprosse eingetreten, die dort alle gleichwerthig waren: ein centrales Achsensystem ist bei Ziedmannia in Wachsthum und Funktion verschieden von einem peripherischen. In anderer Weise ist bei Cutleria der Vegetationskörper Zetocarpus gegenüber ein complicirterer. Der Thallus hat hier die Form von flachen verzweigten Bändern, die aus gewöhn- lichem Zellgewebe bestehen. Die Betrachtung des Vegetationspunktes zeigt aber, dass hier eine Anzahl freier, von einander getrennter Zellfäden sich finden, A. Allgemeiner Theil. 153 welche ganz wie bei Zrfocarpus gebaut sind, die aber.weiter nach hinten mit einander zu einem Gewebe verwachsen.!) Aehnliches liesse sich auch noch von anderen Phaeosporeen anführen, hier mag nur noch auf eine andere Reihe derselben, die Fucaceenreihe aufmerksam gemacht sein, bei welcher in der Gattung Sargassum Formen sich finden, welche Blätter besitzen, die ganz wie die mancher höheren Pflanzen gestaltet sind. Hier genügt es, darauf hingewiesen zu haben, dass auch innerhalb der Verwandtschafts- gruppe der Phaeophyceen die Diffe- renzirung des Vegetationskörpers nach verschiedenen Richtungen hin er- folgt ıst. Und ebenso ist es bei der dritten Algengruppe, der der Florideen. Es finden sich hier Formen wie z. B. Callithamnion, welche aus verzweigten Zellreihen bestehen, solche deren Thallus zu Stande kommt durch Ver- flechtung (resp. Verschleimung der Zellwände) ursprünglich getrennter Zellfaden und solche, deren Vege- tationskörper aus echtem, durch Zell- theilung entstandenem Gewebe besteht und die mannigfaltigsten Formen an- nimmt. Eine der merkwürdigsten ist die der Zolyzonia jungermannoides (vergl. Fig. 9), welche ganz aussieht wie eine kleine Jungermannia. Sie besitzt zwei Reihen schief gestellter Blätter und auf der Bauchseite des kriechenden Stämmchens Wurzeln, die Fig. 14. (B. 335.) wie dies auch bei einzelnen Haft- locamium coccineum. Oberer Theil eines Sprosses. * d Florid _ An den zwei unteren Zweigen links haben sich a Fi Spitzen zu Haftscheiben (H,, H,, H,) ausge- schehen pflegt, durch Auswachsen bildet, welche einer flachen anderen Alge (L), einer Anzahl von Rindenzellen ent- von der nur ein Stück gezeichnet ist, dicht ange- . 2 : sresst sind. stehen. Auf die Abbildung (Fig. 14) Done von Plocamium wmag hingewiesen werden, weil sie zeigt, wie Sprosse hier zu Haftorganen umgebildet werden können, welche sehr viel Aehnlichkeit haben mit denen von Ampelopsis und mancher Cisszs-Arten. Wie dort der Gipfel der I) Eine andere Reihe führt von Zeocarpus aus zu den Sphacelarien (vergl. PRINGSHEIM, Ueber den Gang der morphologischen Differenzirung in der Sphacelarienreihe. Abhandl. der Berliner Akad. 1871). Während bei Zeocarpus alle Zweige gleichartig sind, hat Cladostephus wirtelig gestellte Blätter (oder Kurztriebe) und Haare. Die Früchte (Sporangien) erscheinen auf be- sonders modifieirten »Fruchtblättern«, welche von den vegetativen Blättern in Zeit und Ort ihrer Anlage differiren, auch einfacher gebaut sind. Während also bei Zetocarpus-Arten Früchte und Haare nur modificirte Zweig-Theile sind, erscheinen sie bei Sphacelarienformen als selbständige Zweigformen, die Haare sind schon ganze für sich bestehende modificirte Zweige und die Früchte erscheinen auf besonderen Fruchtästen. Bei den niederen Formen der Reihe (Zelopteris, Stypo- caulon etc.) nehmen Kurz- und Langtriebe noch denselben Ursprung, und zeigen Uebergänge. Bei C/adostephus ist die Endverzweigung des Stammes, Blatt- und Haarbildung scharf getrennt, schon durch den verschiedenen Ursprungsort dieser Organe, die ganz unabhängig von einander erscheinen. 5 154 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Ranken, so hat sich hier der Gipfel der Sprosse H,, H,, H, zur Haftscheibe!) verbreitet, mittelst welcher die Alge sich an einer andern flächenförmigen Alge festhält. Verfolgt man die einzelnen Verwandtschaftsreihen, so lassen sich oft die allmählichsten Uebergänge von einfachen zu complicirter organisirten Formen nachweisen. Dasselbe wiederholt sich bei den Muscineen. Der Ausgangspunkt ist hier in der Lebermoosreihe?) ein bandförmiger, gabelig verzweigter Thallus, welcher mit einzelligen Wurzelschläuchen an dem Boden befestigt ist. Eine Differenzirung der Sprosse eines solchen Thallus tritt insofern ein, als bei manchen Formen diejenigen Zweige, welche Sexualorgane produciren, damit ihr Wachsthum ab- schliessen, bei Aneura sich ausserdem auch noch charakteristisch ausbilden. Bei Blasia, einer ebenfalls thallosen Form sehen wir zuerst Blätter auftreten. Sie liegen aber noch in der Ebene des platten Sprosses, so dass man sie früher auch einfach als Abschnitte desselben bezeichnet hat. Sie sind aber distinkte, im Vegetationspunkt gesondert angelegte Sprossungen begrenzten Wachsthums, die unbedenklich als Blätter bezeichnet werden können. ZFossombronia bildet dann, wie früher geschildert, den Uebergang zu den »beblätterten Lebermoosen.« Blatt und Stengel sind hier schon scharf von einander geschieden, allein die Ausbildung der Sprosse selbst ist noch eine sehr einfache, diejenigen, welche weibliche Geschlechts- organe tragen, schliessen damit ihr Wachsthum ab. Bei den Laubmoosen sind die Gestaltungsverhältnisse des Vegetationskörpers fast eben so einfach, die Arbeitstheilung der verschiedenen Sprosse sogar noch einfacher als bei den thallosen I,ebermoosen. Wir finden, dass ein Spross, der Geschlechtsorgane trägt, mit dem Auftreten derselben gewöhnlich sein Wachs- thum abschliesst,?) ohne aber charakteristische Umbildungen zu erleiden (wie bei thallosen Lebermoosen, z. B. Marchantia und Aneura), der Schutz der Geschlechts- organe, um welchen es sich dabei handelt, wird von den Blattorganen übernommen, die dann auch zu diesem Zwecke in den Antheridien und Archegonienständen besonders ausgebildet sind. Von den Muscineen an aufwärts bei Gefäss- kryptogamen und Samenpflaänzen bleibt die Gliederung des Vegetationskörpers im Wesentlichen dieselbe, nur ist die Zahl der Um- und Rückbildungen®) hier noch eine viel mannigfaltigere. Wir finden Muscineen und Thallophyten gegen- über hier vor Allem die Wurzel in höherer Weise ausgebildet, hat sie hier doch, bei Pflanzen, deren Grösse die der Muscineen oft ein Vielfaches übertrifft und die meist Landbewohner sind, ganz andere Aufgaben zu erfüllen, als bei Thallo- phyten und Muscineen. Was die Gliederung der Sprosse in Stamm und Blatt betriff, so mag hier nur noch einmal darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Erreichung einer höheren Gliederung in verschiedenen Verwandtschaftskreisen unabhängig, aber in analoger Weise vor sich gegangen ist. Wir sehen z. B. den aus einem quer- wandlosen Schlauche bestehenden Vegetationskörper der Caulerpen in Stamm, I) Vergl. auch MAcnus, Die botan. Ergebnisse der Nordseefahrt. Berlin 1874, pag. 69, wo der Vorgang des Näheren beschrieben ist. 2) Von der Seitenreihe der Marchantien wird hier abgesehen, vergl. betreffs derselben Bd. II. des Handb., pag. 326. 3) Ein solcher Spross verhält sich also ebenso wie eine einjährige phanerogame Pflanze. 4) Die letztere kann so weit gehen, dass der Vegetationskörper wieder die Form eines Thallus annimmt, wie bei den Lemnaceen, namentlich Wolfia arrhiza, wo weder Blätter noch Wurzeln, auch keine Gefässbündel in dem sehr kleinen Vegetationskörper vorhanden sind. A. Allgemeiner Theil. 155 Wurzel und Blatt gegliedert, ebenso den von Cladostephus, mancher Phaeophyceen und Florideen, den der Lebermoose, der Farne, Phanerogamen etc. In keinem dieser Fälle aber können wir sagen, dass die Gliederung eine homologe sei. Lebermoose und Farne z. B. sind unzweifelhaft nahe verwandt, allein der Vege- tationskörper eines beblätterten Lebermooses ist, wie wir wissen, nicht dem eines Farnkrauts, sondern dem eines thallosenFarnprothalliums homolog, die Erwerbung einer Gliederung in Stamm und Blatt kann also an der ungeschlechtlichen Gene- ration der Farnkräuter ganz ebenso selbstständig, d. h. von einfachen, ungegliederten Formen aus fortschreitend vor sich gegangen sein, wie wir dies bei dem Vege- tationskörper der ungeschlechtlichen Generation der Lebermoose schon deshalb annehmen können, weil wir hier eine ganze Anzahl von Uebergangsstufen zwischen thallosen und foliosen Formen kennen. Die Untersuchung darüber, wie eine höhere Gliederung im Pflanzenreich zu Stande gekommen ist, darf also ebenso wenig, wie man dies betreffs der Anordnung des natürlichen Systemes thun kann, in linearer Weise vor sich gehen, d. h. derart, dass man aus den verschiedenen Abtheilungen die Formen in eine annähernd continuirliche Reihe zusammenstellt, sondern sie muss für jede einzelne Abtheilung zunächst besonders geführt werden.!) — Was hier ganz im Allgemeinen für die Gliederung des Vegetations- körpers überhaupt, vor Allem für das Auftreten beblätterter Sprosse gesagt ist, das ist für besonders abweichende Formen des Vegetationskörpers seit lange be- merkt worden. Es sollen aber zunächst diese analogen Bildungen hier soweit sie bekannt sind, näher besprochen werden, wobei es sich natürlich nur um Hervorhebung einiger prägnanten Erscheinungen handeln kann, denn bei genauerer Beobachtung wird man fast in jedem Verwandtschaftskreise eine Anzahl analoger Bildungen auffinden können. Was das Zustandekommen derselben betrifft, so können sie einerseits dadurch entstehen, dass Pflanzen verschiedener Verwandt- schaft sich denselben äusseren Lebensbedingungen in derselben Weise anpassen, andererseits aber treten sie auch in Fällen auf, wo wir eine direkte Beziehung zu äusseren Bedingungen nicht kennen. Für die erste Kategorie ein auftallendes Beispiel liefern die Succulenten, von denen hier nur die Cactus-Form hervorgehoben sein mag, welche bekanntlich dadurch entsteht, dass die Blätter verkümmern, der Stamm aber eine fleischige Textur annimmt, durch diese Oberflächenverringerung wird die Verdunstung heruntergesetzt, eine Eigenschaft welche durch bestimmte anatomische Charaktere der Epidermis noch erhöht wird. Ausser den Cacteen können nun aber Pflanzen von ganz verschiedener Verwandtschaft dieselbe Form des Vegetationskörpers annehmen: so bestimmte Zuphorbia- und Mesembryanthemum- Arten. Es würden diese, der Natur der Sache nach langsam wachsenden Pflanzen die von Thieren ihres Wassergehalts wegen begierig aufgesucht werden, längst ausgerottet sein, wenn sie nicht durch Stacheln geschützt wären. Zur Bildung der Stacheln, welche in kleinen Büscheln beisammenzustehen pflegen, sind aber bei der Cacteen-Form der drei genannten Familien ganz verschiedene Theile verwendet worden: bei den Cacteen sind die Stacheln umgewandelte Blatt- anlagen, bei den Euphorbien z. B. Z. frigona umgewandelte Nebenblätter, bei den cacteenartigen Mesembryanthemum-Arten z. B. M. stelligerum, radiatum, wo die I) Aus dem eben angeführten Gesichtspunkt erklärt es sich auch theilweise, warum eine allgemeine Definition des Blattes, die für alle Abtheilungen gelten soll, auf so grosse Schwierig- keiten stösst, denn das Blatt der Lebermoose z. B. ist dem der Farne analog nicht homolog, 156 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Stacheln wie bei den Cacteen in Büscheln auf einem Polster stehen, sind die- selben einfache Haare, die aus einer Epidermiszelle hervorgehen!) Merkwürdige Parallelbildungen sind ferner wie schon Darwın hervarhebt?) die »Pollinarien«, vieler Orchideen und Asclepiadeen: in beiden weit aus- einanderstehenden Familien bleiben die Pollenmassen einer Anthere mit einander vereinigt und sitzen einem Stiele, dem Klebstöckchen, auf, sie sind dazu be- stimmt, von Insekten auf die Narben anderer Blühen transportirt zu werden. Wir können hier ferner auf die Strukturübereinstimmung der Wasserpflanzen aus den verschiedensten Familien hinweisen, sie zeichnen sich alle aus durch Reduktion der Gefässbündel die bis zum völligen Verschwinden derselben geht, durch grosse Intercellularräume und viele durch fein zertheilte Blätter (Wasser- ranunkeln, #otfonia, Myriophyllum etc.) Die genannten Fälle sind solche, in welche nicht nahe mit einander verwandte Pflanzen unter dem Einflusse gleicher Lebensbedingungen analoge Gestalt- oder Strukturverhältnisse zeigen. Dahin dürfen wir auch die Thatsache rechnen dass bei zwei einander keineswegs nahe verwandten Moossarten Zeucodbryum und Sphagnum eine im Wesentlichen über- einstimmende Blattstruktur auftritt: eine Anzahl von Zellen verliert ihren Inhalt, erhält Löcher in der Wand und dient nun als Capillarapparat zur Wasser- aufsaugung (vergl. Bd. II., pag 366 u. 393). Ferner finden wir in der Abtheilung der Glumifloren mehrmals unabhängig von einander die Erscheinung auftreten, dass ein Deckblatt sich zu einem harten krugförmigen Gebilde um die weibliche Blüthe zusammenschliesst. So bei dem » Ufrieulus« von Carex, dem »/nvolucrum« von Coix, während physiologisch gleichwerthige Bildungen in derselben Reihe auch auf ganz andere Weise zu Stande kommen können.?) Es giebt aber eine Anzahl von analogen oder Parallelbildungen, die wenigstens nach unseren jetzigen Kenntnissen rein morphologische, d. h. zu den äusseren Lebensbedingungen nicht in Beziehung stehende sind. Hierher rechne ich z. B. die Thatsache, dass die Heterosporie d. h. die Bildung von nur Antheridien erzeugenden Mikrosporen und von nur Archegonien producirenden Makrosporen in den verschiedenen Verwandschaftskreisen der »Gefässkryptogamen« unabhängig von einander vor sich gegangen ist. Wir sehen heterospore Formen bei den Farnen (im engern Sinn), bei den Equisetinen, und den Lycopodinen, bei letzteren ist sogar (wie ich glaube), die Heterosporie zwei- mal aufgetreten, nämlich in der Unterabtheilung der Lycopodiaceen und in der der Ligulaten. Ob auch die Samenpflanzen von (ausgestorbenen) homosporen Formen oder von heterosporen abstammen, dafür haben wir keinen Anhaltspunkt und Spekulationen darüber würden in Folge dessen zwecklos sein. Ferner sehen wir die Erscheinung, dass die Geschlechtsorgane durch Aus- höhlung der Blüthenachse in eine becherförmige Bildung versenkt worden, unab- hängig von einander bei den Lebermoosen, welche man als Jungermanniae geocalyceae bezeichnet (vergl. Bd. II., pag. 351 ds. Handbuchs) und bei Inflores- cenzen und Blüthen der Samenpflanzen auftreten. Bezüglich der letzteren ist hier z. B. zu erinnern an die Inflorescenzen der Feige, welche aus einer becher- förmigen Achse bestehen an deren Innenwand zahlreiche Blüthen sitzen, oder an die Bildung des unterständigen Fruchtknotens, der ebenfalls durch Hohlwerden I) Vergl. DELBROUCK, Die Pflanzenstacheln, pag. 27 (HAnsTEm, Bot. Abhandl. 3. Band). ?) Entstehung der Arten. 6. Aufl., pag. 217. 3) Vergl. Zur Entwicklungsgesch. einiger Inflorescenzen. PRINGSH. Jahrb. XIV. Bd. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 157 der Blüthenachse zu Stande kommt, Wachsthumsvorgänge, die denen bei der Bildung des »Fruchtsackes« der Geocalyceen, Jungermannieen analog sind. Als wichtigste Parallelbildung aber betrachten wir die oben hervorgehobene, dass die Gliederung des Vegetationskörpers in Stamm und Blatt in verschiedenen Ver- wandtschaftskreisen offenbar unabhängig von einander vor sich gegangen ist. Berspecieller ILheil. I. Abtheilung: Entwicklungsgeschichte des Sprosses. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. S$S ı. Embryologie. — Die Aufgabe der Embryologie ganz im Allgemeinen gefasst, ist die Verfolgung derjenigen Vorgänge, durch welche aus der Keimzelle, sei dieselbe nun eine geschlechtlich oder ungeschlechtlich erzeugte Spore oder die befruchtete Eizelle der Samenpflanzen, der Vegetationskörper die Form ge- winnt, die er bei der erwachsenen Pflanze hat. Bei den Samenpflanzen speciell bezeichnet man aber — wie ich glaube nicht mit Recht — die aus der Eizelle hervorgegangene junge Pflanze, resp. die Anlage derselben nur so lange als Embryo, als sie noch im Samen eingeschlossen ist, obwohl auch bei der Keimung häufig noch Embryonalstadien durchlaufen werden, wie dies z. B. auffallend hervortritt, wenn man die Keimung der Orchideen mit der anderer Monokotylen vergleicht. Die Entwicklung der Keimzelle zum Vegetationskörper kann nun auf zweier- lei Art vor sich gehen, entweder direkt, oder indirekt, es kann, wenn man einen besonderen Ausdruck dafür haben will, die Keimung eine homoblastische oder heteroblastische sein, beide Entwicklungsarten sind auch hier durch Uebergänge verbunden. Eine direkte oder homoblastische Keimung ist es z. B. wenn die Schwärmspore einer Vaucheria z. B. Vaucheria secsilis in einen grünen mit einem wurzelähnlichen Haftorgan versehenen Schlauch auswächst, also direkt die Form annimmt, welche der Vegetationskörper Zeitlebens hat. Eine direkte Keimung ist es ferner, wenn aus der befruchteten Eizeile eines Farnkrauts ein Embryo hervorgeht, dessen Organisation mit der der erwachsenen Pflanze im Wesentlichen übereinstimmt. Für die indirekte Keimung das auffallendste Beispiel bieten uns die Laubmoose aus deren Spore sich ein zunächst meist confervenähnlicher Vorkeim entwickelt, das Protonema (Fig. 15), an welchem dann erst als Seiten- knospen die beblätterten Moosstämmchen entspringen, während bei dem Leber- moose Radula aus der keimenden Spore eine kuchenförmige Zellfläche hervor- geht, und erst aus einer Randzelle derselben das beblätterte Stämmchen. Die Thallophyten endlich bieten uns zahlreiche Beispiele indirekter oder hetero- blastischer Keimung. So gehen aus der Keimung der Carposporen von Zemanea zunächst einfache Zellfäden, oder einschichtige kriechende Zellplatten hervor, an welchen sich dann als Seitenäste erst die komplicirt gebauten Thallusäste ent- wickeln, welche den Vegetationskörper der erwachsenen Pflanze bilden, und die Geschlechtsorgane tragen. Und noch auffallender ist die Keimung der be- fruchteten Eizellen (Oosporen) von Cuferia (vergl. Bd. II., pag. 215 des Hand- 158 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. buches). Die keimende Spore entwickelt sich hier zunächst zu einem keulen- förmigen Zellkörper, (FALKENBERG, a. a. OÖ. Fig. 8, VII), an welchem später seitliche flache Aeste entstehen, welche ein ganz anderes Wachsthum zeigen, (B. 336.) Fig. 15. Funaria hygromelrica, aus Sporenkeimung hervorgegangenes Protonema (nach MÜLLER- THURGAU A, B, C junges, D älteres Stadium, ab Bodenoberfläche. Kn sind zwei Anlagen beblätterter Moossstämmchen, welche sich am Protonema gebildet haben. (kriechende Flachsprosse sind) als der die Geschlechtsorgane tragende Thallus, dessen Entwicklung aus den Flachsprossen hier noch nicht bekannt ist. Ueber- gangsformen zwischen direkter und indirekter Keimung werden vor Allem dann auftreten, wenn aus der keimenden Fortpflanzungszelle ein Gebilde hervorgeht, das zwar anders organisirt ist, als der definitive Vegetationskörper, aber allmäh- lich in denselben übergeht. Dies findet z. B. statt bei den beblätterten (foliosen) Lebermoosen, deren Spore zunächst zu einem gegliederten Zellfaden auswächst, in dessen Endzelle die Anlage des beblätterten Sprosses’ gebildet wird, der aber zunächst nur zwei seitliche Blattreihen, und auch diese nur von sehr einfachem Baue besitzt, erst allmählich gewinnt er seine definitive Form (vergl. Bd. II, pag. 359). Und in noch einfacherer Weise findet derselbe Vorgang statt bei einigen thallosen Formen z. B. Aneura, wo aus der Sporenkeimung zunächst ein Schlauch hervorgeht, der sich durch Querwände fächert, nach einiger Zeit tritt in der Endzelle der Zellreihe eine zur Längsachse derselben geneigte Wand aut, der sich eine zweite, entgegengesetzt geneigte aufsetzt, und damit ist die Scheitel- ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 159 zelle, welche der erwachsenen Aneura-Pflanze eigen ist, gebildet. Vorkeim und Vegetationskörper der Pflanze sind also in diesen Fällen nicht scharf getrennt, sondern gehen in einander über. Die Aufgabe der folgenden Darstellung ist die Embryologie der Samen- pflanzen, ausgehend von der befruchteten Eizelle, während die Bildung der Ei- zelle selbst erst in einem späteren, die Entwicklung der Fortpflanzungszellen überhaupt besprechenden Abschnitt gegeben werden soll. Für sämmtliche »Gefässpflanzen« von den Gefässkryptogamen aufwärts gilt der Satz, dass die Entwicklung des Embryo aus der befruchteten Eizelle eine in den wesentlichen Zügen gleich verlaufende ist. Ueberall sehen wir die be- fruchtete, mit einer Membran umgebene Eizelle zunächst durch Fächerung sich in einen kleinen Zellkörper, den Embryo, verwandeln und an diesem unabhängig von einander eine Stammknospe, eine Wurzel und ein, zwei oder mehr Blätter (die Cotyledonen) angelegt werden. Im Einzelnen kommen freilich bei den einzelnen Abtheilungen, ja auch innerhalb einer und derselben Abtheilung mehr oder minder weitgehende Differenzen vor. Die Embryobildung der Gefässkryptogamen ist schon pag. 208 ff. I. Bd. dieses Fig. 16. (B. 337.) Adiantum Capillus Veneris: E Embryo (junge Pflanze) welcher den Archegonienbauch, in welchem er entstanden ist, durchbrochen hat. Er hängt mit dem Prothallium nur noch durch das Saugorgan, den Fuss zusammen; w erste Wurzel, im Begriff in den Boden einzudringen, b Cotyledon p Prothallium mit unbefruchteten Archegonien (a) und Wurzeln h (nach Sachs). Handbuches ausführlich dargestellt. Es genügt also hier hervorzuheben, dass der Entwicklungsgang der ist, dass an dem wenigzelligen Embryo schon die Anlage der verschiedenen Organe wahrnehmbar ist, es theilt sich der annähernd kugelige Embryo in acht Octanten (wie viele an- Fig. 17! (B. 338.) Längsschnitt durch eine mit Prothalliumgewebe ders ähnlich geformte Zellen) einer dieser Octanten wird verwendet zur Bildung der Stammknospe, zwei andere (resp. drei) zu der eines oder zweier Blätter, welche als Cotyledonen bezeichnet werden, weil sie unabhängig von der Stammknospe erfüllte Makrospore von Selaginella Martenssii. Es haben sich zwei Embryonen entwickelt, die beide durch Streckung des Embryoträgers (e an dem Embryo rechts) aus dem Archegonien- bauch in das Prothallium hinabgeschoben werden. a unbefruchtet gebliebenes Arche- gonium. — Nach PFEFFER. angelegt werden, ein weiterer liefert die erste Wurzel und aus dem Rest geht das umfangreiche Saugorgan, der Fuss hervor, mittelst dessen der Embryo aus dem Prothallium Nährstoffe an sich zieht. Die Fig. 16 mag dazu dienen an diese Verhältnisse hier kurz zu erinnern. Die meisten Anknüpfungspunkte an die Embryobildung der folgenden Ab- 1 Et a un. 160 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. theilung, die der Gymnospermen, bietet ‚Selaginella. Der Embryo theilt sich durch die erste auftretende Wand in zwei Hälften, von denen die eine, obere den Embryoträger (E Fig. ı7 in dem Embryo rechts) liefert, mittelst dessen der Embryo in das sekundäre Prothallium, welches die Makrospore erfüllt, hinab- geschoben wird, die andere den Embryo selbst bildet. Der letztere besitzt zwei Cotyledonen, welche denen mancher Dikotylen nicht unähnlich sind. Die Bildung eines Embryoträgers wiederholt sich bei den Gymnospermen und vielen Angio- spermen. Merkwürdige Differenzen für die Embryobildung finden sich bei den Gymnospermen, von denen die Coniferen, welche am genauesten bekannt sind, hier angeführt sein mögen, und zwar zunächst bei der Hauptabtheilung derselben, den Araäucariaceen, welche die Abietineen, Cupressineen u. a. als Unterabtheilungen umfassen. Die Befruchtung der grossen Eizelle der Archegonien, die in den wesent- lichen Zügen ihres Baues durchaus mit den Eizellen der Archegonien der Gefäss- kryptogamen übereinstimmen, findet hier nach STRASBURGER in der Weise statt, dass aus dem Pollenschlauch ein sphaerischer, zellenartiger Ballen in die Eizelle übertritt, und mit dem Kerne derselben verschmilzt. Der aus dieser Ver- schmelzung hervorgegangene Kern (»Keimkern«) wandert nun in den dem Hals- theil des Archegoniums gegenüberliegenden Theil der grossen Eizelle und hier beginnt die Bildung des »Vorkeims«. Mit diesem vieldeutigen Namen, bezeichnet man hier wie bei den Angiospermen die Entwicklungsstufe des Embryos auf welcher es noch nicht zur deutlichen Abgrenzung von Embryoträger und Embryo- anlage selbst gekommen ist. Es grenzt sich nun der zum Vorkeim werdende, den Keimkern enthaltende kleine untere Theil der Eizeile entweder sofort gegen den oberen grösseren Theil durch eine Wand ab (so bei den Cupressineen), oder es geschieht dies erst, nachdem der Kern sich einigemale getheilt hat, und um die Tochterkerne sich Zellen gebildet haben. Bei den Cupressineen (vergl. Fig. 18.) zerfällt das untere Drittel der Eizelle in drei über einander liegende Zellen, von denen bei 7Auja occidentalis nur die beiden oberen (dem Archegonienhals zugekehrten) in je vier Zellen zerfallen, während die untere sich zur Scheitelzelle der Embryoanlage constituirt. Durch die Streckung der oberen, den Embryoträger bildenden Zellen wird die Embryo- anlage aus dem Archegonium heraus in das Prothallium geschoben. Hier bildet also jedes Archegonium nur einen Embryo, der anfangs mit zweischneidiger Scheitelzelle wächst, die sich aber bald verliert. — Bei Juniperus dagegen theilt sich auch die unterste der drei übereinander liegenden Zellen durch gekreuzte Längswände in vier Zellen, welche durch die Streckung der obern hervor- geschoben werden, die vier Zellen aber runden sich ab, trennen sich von einander und jede trägt an ihrem Ende eine Embryoanlage; hier gehen also aus einem Archegonium vier solche hervor, von denen jedoch nur eine zum Keim sich aus- bildet. — Anders ist schon die erste Entstehung des Embryos der Abietineen: Der (aus Verschmelzung des Spermakerns mit dem Eikern hervorgegangene) Keim- kern wandert auf den Grund der Eizelle, durch Theilung desselben entstehen zwei, dann vier Kerne, durch Plasmaanhäufung um dieselben bilden sich hier neben einander in einer Querebene liegend vier Zellen; diese theilen sich durch Querwände in drei über einanderliegende Etagen: die Zellen der zweiten Etage wachsen zu sehr langen, vielfach gebogenen Schläuchen aus, während die der oberen als Rosette im Archegonium stecken bleiben,!) die vier Zellen der untersten I) Sie sind in Fig. 19, ı, nicht mehr wahrnehmbar. Tr Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 161 Etage, welche durch jene Streckung in das Endosperm hinausgeschoben werden, theilen sich noch wiederholt und tragen so zur Verlängerung des Vorkeimfadens bei; dann trennen sich die vier Zellreihen des Vorkeims von einander, jede trägt Fig. 19. (B. 340.) ı Embryoanlage von Zinus Strobus (nach HOoFMEISTER) am 30. Juni. Sie ist in vier Zellreihen zerfallen, an der Spitze jeder derselben bildet sich eine Embryoanlage. (Vergr. 100). 2 Fast reifer Embryo von Pinus Pu- milio im Längsschnitt (nach STRAS- BURGER) Vergr. 27. v Vegetationspunkt ° der Stammknospe, cot Cotyledonen; W Wurzel, Et Embryoträger. (B. 339.) Fig. 18. (Nach STRASBURGER) I Längsschnitt durch den Scheitel einer Makrospore (Embryosacks) von Calläris guadri- vabvis, es sind fünf befruchtungsfähige Archegonien ge- troffen (C, C), welche einen kurzen Halstheil besitzen, E das Prothallium (Endosperm). II Embryosackscheitel von Juniperus virginiana wit 6 durch den Pollenschlauch (Tp) befruchteten Archegonien, aus dem unteren Theile der Eizelle ist in jedem Archegonium eine Embryo- anlage entstanden, die ursprünglich aus drei überein- ander gelegenen Zellen besteht, die Zellen theilen sich später noch durch Längswände und die oberste Etage eine Gipfelreihe, welche die Keim- anlage so erzeugt, dass von vorn- herein die Existenz einer Schei- streckt sich zum Embryoträger (PE, Fig. II), welche telzelle ausgeschlossen scheint einen weiter Eee derselben Pflanze (Fig. 19, 1). Es entstehen also auch bei den Abietineen aus einem Archegonium vier Keimanlagen; jedoch verhält sich Zicea vulgaris in dieser Beziehung ähnlich wie Juniperus, indem die untere der drei pri- mären Vorkeimzellen sich nicht spaltet und nur eine Keimanlage bildet. — Bei Taxus baccata besteht die Embryoanlage aus zwei oder drei Etagen, deren obere sich streckt und die Vorkeimschläuche bildet; die untere Etage besteht aus vier bis sechs Zellen, von denen jedoch schliesslich nur eine die Keimanlage erzeugt; ein Auseinanderweichen der Schläuche findet nicht statt. — Bei Gingko, wo die Keimentwicklung erst nach dem Abfallen der Samenknospe vom Baume beginnt, theilt sich zunächst der Kern der Eizelle, und durch wiederholte Theilung des Tochterkerns entsteht eine grössere Anzahl von SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. III. 11 162 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. frei im Protoplasma des Eies vertheilten Zellkernen. Wenn die definitive Anzahl derselben gebildet ist, umgeben sie sich mit Plasmastrahlen, es werden zwischen ihnen Zellwände gebildet, und das ganze Ei ist nun angefüllt von einem Gewebe- körper, welcher den Embryo darstellt. In jedem Archegonium wird hier also nur ein Embryo gebildet, der Unterschied der Embryobildung von Gingko und der eines Farn ist der, dass bei den letzteren die Kerntheilung immer auch be- gleitet ist von Zelltheilung, d. h., dass eine Fächerung der befruchteten Eizelle erfolgt, während bei Ging%ko zunächst wie bei Zinus u. a. eine freie, nicht von Scheidewandbildung gefolgte Kerntheilung im Ei eintritt, und die so entstandenen Zellen erst später zu Zellbildungscentren werden. Ein eigentlicher Embryoträger kommt bei Gingko nicht zur Ausbildung, er wird dadurch angedeutet, dass die dem Archegonienhals zugekehrten Zellen zu kurzen Schläuchen auswachsen. Aehnlich wie bei Gingko beginnt die Embryobildung auch bei der Gnezacee Ephedra. Der Kern der befruchteten Eizelle theilt sich hier zunächst in zwei freie Tochterkerne, durch fortgesetzte Zweitheilung entstehen vier, dann acht Zell- kerne. Nun erst findet Zellbildung um diese freien Kerne statt; sie umgeben sich mit Plasma, das strahlig um sie angeordnet ist, und sich mit einer Zell- membran umkleidet. Die einzelnen so gebildeten Zellen schliessen aber nicht wie bei Gingko zu einem Gewebe zusammen, sondern liegen frei in dem unver- brauchten Protoplasma der Eizelle. Jede der freien Keimzellen wächst dann zu einem Schlauche aus, der die Seitenwand des Archegoniums durchbricht, und an seiner Spitze eine kleine, plasmareiche Zelle abgrenzt, aus der der Embryo her- vorgeht; von den in Mehrzahl angelegten Embryonen bringt es aber gewöhnlich nur einer zur vollständigen Entwicklung. Wir finden also bei den Coniferen häufig die eigenthümliche Erscheinung, dass aus einer Eizelle mehrere Embryoanlagen hervorgehen können, indem die nach der Befruchtung im Ei gebildeten Zellen sich isoliren. Es lässt sich dieser Vorgang in allen Fällen als eine Theilung der ursprünglichen Embryonalanlage auffassen, eine Theilung die bei ZpAedra schon vor sich geht, ehe die im Ei entstandenen Zellen zu einem Zellkörper sich zusammengeschlossen haben, bei den Abietineen auf einem etwas späteren Stadium, während sie in andern Fällen auch ganz unterbleibt. Es ist diese Theilung!) der Embryonalanlagen um so auffälliger, als sie zur Bildung mehrerer Embryonen trotzdem nicht führt, indem es in den normalen Fällen immer nur eine einzige Embryonalanlage ist, welche die andern verdrängend zur Weiterentwicklung gelangt. Und dies gilt auch für die Fälle, in denen eine weitere Ursache zur Polyembryonie darin gegeben ist, dass mehrere Archegonien eines Prothalliums befruchtet werden. Von den in das Prothallium (»Endosperm«) hinabwachsenden Embryonen bringt es nur einer zur: Weiterent- wicklung. Viel weniger different als die Anlage des Embryo ist die Ausbildung des- selben. Dieselbe findet überall (mit Ausnahme von Gingko) im Prothallium (= Endosperm) statt, in welches die Embryoanlagen durch die Verlängerung der Embryoträger (Suspensoren) hinabgedrängt werden, indem sie gleichzeitig das Gewebe des Prothallium resorbiren. Die junge, noch ungegliederte Keim- anlage ist ein Zellkörper, in welchem sich der untere plasmareiche Theil, die Embryoanlage, auffällig von dem obern, dem Embryoträger unterscheidet. Bei ) Vergleichen liesse sich dieselbe etwa mit dem bei vielen Thallophyten z. B. Oedogonium stattfindenden Verhältnisse, dass die Oospore (befruchtete Eizelle) sich in eine Anzahl Schwärm- sporen theilt, aus deren jeder eine neue Pflanze hervorgeht. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 163 Fhuja beginnt die Differenzirung der Wurzel, wenn der inhaltreiche Theil der Keimanlage annähernd eine Länge von 0,4 Millim. erreicht hat. Sie erfolgt tief im Gewebe des Embryo’s, etwa 0,15 Millim. unter dem Scheitel desselben. Die Bildung der Wur- zel wird durch perikline Theil- ungen in einer Lage halbkugel- förmig angeord- neter Zellen ein- geleitet, die all- seitig vom Ge- webe desEmbryo umschlossensind. Die Wurzel ist demgemäss gleichvon Anfang an gegen den Embryoträgerhin von zahlreichen Zellschichten be- deckt (Fig. 19, 2 W). Uebrigens sind die Vor- gänge, welchedie Zellenanordnung bei der Wurzel- bildung bedingen noch nicht genau bekannt, auch lässt sich aus den Zeichnungen, die namentlich STRASRURGER dar- über veröffent- Iicht hat, "Ge- naueres nichtent- Fig. 20. (B. 341.) I Embryosack aus der Samenknospe von Triglochin palustre (Vergr. 750), vor der Befruchtung. S Synergiden am Mikropyle-Ende des Embryosacks. O die unterhalb derselben inserirte Eizelle, A die drei Gegenfüsslerzellen nehmen, es geht ausdenselbennur hervor, dass auch im Samen die charakteristische Struktur der Co- niferenwurzel zu Stande kommt: (Antipoden) am andern Ende des Embryosacks, in der Mitte des Embryosacks zwei später zum Embryosackkern verschmelzende Zellkerne. II Befruchtung von Funkia ovata (Mikropyletheil des Embryosackes) Tp Pollenschlauch, O Eizelle. II. Optischer Längsschnitt durch die Samenknospe vom Oro- banche Hederae, Se Embryosack in welchem von den je drei Zellen des Eiapparates und der Gegenfüsslerzellen nur zwei zu sehen sind. IVa bis IV d Embryoentwicklung von Orodanche Hederae, P Embryoträger, H Hy- pophyse, E erste Embryozelle, deren Theilungen mit Eaı, Ebı u. s. w. bezeichnet sind. I nach FISCHER, II nach STRASRBUGER, II und IV nach Koch. ein »Plerome«cylinder umgeben von einem »Periblem«mantel, dessen äusserste Schichten die Wurzelhaube bilden. Als interessanter Specialfall möge hier noch die Thatsache erwähnt sein, dass, wie STRASBURGER nachgewiesen hat, bei Cephalotaxus Fortunei und Araucaria IE» 164 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. brasiliensis der Scheitel der Embryoanlage nicht zum Vegetationspunkte des Embryo wird, der letztere bildet sich vielmehr im Innern der Keimanlage, während der nur als Bohr- und Schutzorgan dienende ursprüngliche Scheitel abgeworfen wird. Ein eigenthümliches, dem »Fuss« der Farnembryonen vergleichbares Saug- organ besitzen die Embryonen von Gnetum Gnemon\) und Welwitschia mirabilis. Es entwickelt sich während der Keimung als Auswuchs des hypokotylen Gliedes, und bleibt mit dem Endosperm in Berührung, während der grösste Theil des Embryo’s aus demselben hervortritt, es erfüllt dieses Saugorgan schliesslich die ganze Endospermhöhle. Lässt sich nach dem eben Gesagten für die Gymnospermen ein ein- heitlicher Typus für die Embryoentwicklung nicht nachweisen, so ist dies noch viel weniger für die Angiospermen der Fall. Es liegt hier bekanntlich die Eizelle nebst den beiden »Gehilfinnen« im vorderen, der Mikropyle zu- gekehrten Ende des Embryosackes (vergl. Fig. 20 I u. III), in welchem erst nach der Befruchtung die Endöspermbildung beginnt. Was die Ausbildung des Embryo’s betrifft, so war bis zu Hanstein’s Untersuchung über »Die Ent- wicklung?) des Keimes der Monokotylen und Dikotylen« nur den ersten Stadien desselben das Interesse zugewandt. Vor Allem war es HoFMEISTER, welcher an einer grossen Anzahl von Pflanzen den Befruchtungsvorgang untersuchte, und die Unrichtigkeit der SCHLEIDEN-SCHACHT'schen Befruchtungstheorie, wonach der Em- bryo von dem in den Embryosack eingedrungenen Pollenschlauche gebildet werden sollte, nachwies. Die späteren Stadien der Embryoentwicklung, die Zell- theilungsfolge in demselben und ihre Beziehungen zu den Organanlagen wurden dabei höchstens gelegentlich, und dann meist nicht sehr exakt in Betracht gezogen. Dies geschah durch die erwähnte Hanstein’sche Arbeit die vor Allem das Ziel verfolgte, die Theorie vom Vorhandensein dreier gesonderter Meristem- schichten im Vegetationspunkte der Samenpflanzen, des Dermatogens, Periblems, Pleroms auch an der Embryoentwicklung zu konstatiren, zu prüfen, wann eine Sonderung dieser Meristeme eintrete, und den vollständigen Zellenaufbau zunächst für die dikotylen und monokotylen Embryonen von der Theilung der Embryo- mutterzelle an Schritt für Schritt bis zur Fertigstellung ihrer Gliederung zu ver- folgen (a. a. O. pag. 2). Die Untersuchung ergab einen Entwicklungsgang, der für Monokotylen und Dikotylen nicht ganz gleich, innerhalb jeder dieser beiden Abtheilungen aber doch im Wesentlichen constant erschien. Es bildet sich aus der befruchteten Eizelle zunächst ein »Vorkeim«.?) Eine oder zwei Endzellen desselben sind die Mutterzellen des Embryo, ihnen schliesst sich noch eine unter ihnen gelegene Zelle des Vorkeim’s an, welche in der Hansrem’schen Embryologie eine grosse Rolle spielt, die Hypophyse. Der Embryo gestaltet sich zunächst zu einer Zellkugel, scheidet ein geschlossenes Hautgewebe ab und differenzirt dann in seinem Innern die verschiedenen Meristeme. Im oberen Theil des Embryo entstehen die Kotyledonen und die Stammknospe, im untern (der Mikropyle zugewandten) die Wurzelanlage. »Alles dies wird bei den 1) BOWER, the germination and embryology of Gnetum Gnemon. Quart. Journal mier. soc. Vol. XXII, 1882; Derselbe, on the germination and histology of the seedling of Welwitschia mirabilis. Quarterly journal ete., Vol. XXI 1882. 2) HAnsTEIN, botan. Abhandl., I Bd. 3) Soll dieser Ausdruck einen bestimmten Sinn haben, so kann er nur für den noch nicht in Embryokörper und Embryoträger gegliederten Embryo gebraucht werden; einige Schriftsteller wenden den Ausdruck auch auf den Embryoträger an. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 165 Dikotylen durch planmässig aufeinanderfolgende Zelltheilungen ausgeführt, welche ohne jeden Umweg, Zug für Zug scharf auf die innere und äussere Ausgestaltung loszielen. Bei den Monokotylen dagegen finden sich die Sonderschichten erst nach und nach aus grösseren nicht planmässig angelegten Zellhaufen durch wiederholte Theilungen zusammen, welche unregelmässig und allmählich aus indifferenten Richtungen in solche übergehen, die zum Ziele führen (a. a. O. pag. 69). Es mag hier gleich bemerkt sein, dass die dieser Aeusserung zu Grunde liegende Anschauung sich nicht bestätigt hat: auch das im Embryo auftretende Zellgerüste ist stets in bestimmter Beziehung zur äusseren Form, d. h. zum Gesammtwachsthum des Embryo und varirt also mit dem letzteren sehr bedeutend, so sehr, dass, wie unten näher darzulegen sein wird, eine be- stimmte Regel für den Zellenaufbau des Embryo’s überhaupt nicht gegeben werden kann. Ehe wir dazu übergehen, sind aber zunächst die beiden, viel- erörten HAnsTEin’ schen Typen: Capsella bursa pastoris für die Dikotylen, Alisma Plantago für die Monokotylen in ihrer Entwicklung näher darzustellen, da an sie als Vergleichsobjekte die embryologischen Untersuchungen wohl noch länger anknüpfen werden. Die befruchtete Eizelle von Capsellat) streckt sich zunächst zu einem ziemlich langen Schlauche, der in seinem oberen, der Mikropyle abgekehrten Ende durch eine Anzahl von Querwänden abgetheilt wird. Aus der Endzelle dieser Zellreihe (des Vorkeims) geht der Embryo der Hauptsache nach her- vor. HANnSTEIN unterscheidet drei Stadien der Embryoentwicklung. Im ersten Stadium bildet sich der Embryo zur Kugelform um, ohne äussere Gliederung, während innen die verschiedenen Meristemschichten (Dermatogen, Periblem, Plerom) sich schon von einander gesondert haben. Im zweiten Stadium gliedert der Embryo sich in Wurzel, Stammtheil und Cotyledonen und im dritten wächst er in allen Theilen zur Keimreife heran. — Die Annahme der Kugelform seitens der Endzelle des Vorkeims ist nun mit der bei dieser Umfangsform gewöhnlichen Zelltheilung verknüpft, d. h. die Endzelle zerfällt in acht Kugeloctanten. Durch perikline Wände wird nun schon auf diesem Stadium die Anlage der Epidermis (»Dermatogen«) abgegrenzt, d. h. diejenigen Zellen, die sich von jetzt ab nur noch durch Antiklinen theilen, also von nun an eine einfache die Embryoanlage umgebende und ihrem Wachsthum folgende Zellschicht bilden. Durch die erste, in der Embryoanlage auftretende Querwand wird derselbe nach Hansrteın, FAMINTZIN u. A. in zwei Theile, einen »kotylischen«, aus dem die Stammknospe und die Kotyledonen und einen hypokotylischen, aus dem das hypokotyle Glied und die Wurzel hervorgehen. Einen zwingenden Grund zu dieser Annahme, welche auch dem Schema Fig. 20, IV a, zu Grunde gelegt ist, vermag ich weder in HANSTEIN’s noch in FammTzin’s Zeichnungen aufzufinden, doch ist ja die That- sache an und für sich durchaus nicht unwahrscheinlich. Jedenfalls ist sie aber auch nicht von grosser Bedeutung, denn bei vielen andern Embryonen findet eine solche Sonderung in deräThat nicht statt. Es hätte keinenZweck, den Leser mit der Schilderung der weiterhin eintretenden Zelltheilungsfolgen (soweit sie bekannt sind) zu langweilen. Denn in der That bieten diese Zelltheilungen nichts dar, was man an ähnlich geformten anderen Organen nicht auch finden könnte. Der Querschnitt Fig. 2ı, 4, gilt z. B. auch vollständig für das Zellnetz, welches ein Querschnitt durch ein Sphacelarienstämmchen oder ein !) Vergl. HAnsTEIN a. a. O. pag. 5; WESTERMAIER, Flora, 1876, No. 31—33; FAMINTZIN, Embryologische Studien (M&m. de l’Acad. imp. des sc. de St. Petersb. VIIe ser. T. XXVI, No. 60). 166 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Moossporogonium liefert. Die Reihenfolge der Wände ist aus dem optischen Querschnitt Fig. 21, 4, zu ersehen: die stärker ausgezogenen sind die älteren; die schwächeren treten später auf. Es existiren um diese Zeit also dreierlei Zell- (B. 342.) Fig. 21. Embryoentwicklung von Capsella bursa pastoris in schematischer Darstellung (mit Zugrunde- legung von Zeichnungen HANnsSTEIN’s und FAMINTZIN’s).. I Embryo mit langem Embryo- träger, die Endzelle bildet den Haupttheil der Embryoanlage, sie hat sich in acht Kugeloctanten getheilt, aa, b b, die beiden sichtbaren Octantenwände. Durch Periklinen ist die Anlage des Dermatogen’s gebildet. Die Zelle b giebt später die »Hypophyse« ab. Fig. 2 etwas ältere Embryoanlage (hier wie in den folgenden Figuren ist der Embryo- träger nicht mehr gezeichnet), h die Hypophyse, cc zwei Antiklinien. 3 Weiteres Stadium, ° die »Hypophyse« hat sich in die Zelle h, und h, getheilt. Fig. 4 opt. Querschnitt durch die untere Hälfte eines etwa auf dem Entwicklungsstadium wie der in Fig. 3 abgebildet stehenden Embryo’s. Dermatogen und Plerom sind schraffirt. Ebenso in Fig. 5, Längs- schnitt durch einen Embryo, aus welchem die Kotyledonen und die Hauptwurzel angelegt sinda Pl das Plerom der Kotyledonen. Die Bezifferung der Wände ist in allen Figuren dieselbe, um die Veränderungen derselben zu zeigen; ihre Lage ist in der Natur durch Brechungen verdeckt. komplexe: ein innerer, aus dem die Anlagen der Gefässbündel sich später differenziren, das »Plerom« ein mittlerer, das »Periblem« und eine äussere Zell- schicht, das »Dermatogen.« Diese drei »Meristeme« sind auch im optischen Längsschnitt (Fig. 21, 5) deutlich erkennbar und nach den vorliegenden Angaben, ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 167 % namentlich denen FammTzın’s von Antang an deutlich von einander gesondert. Wir legen aber auf diesen Umstand kein grosses Gewicht, einmal desshalb, weil nach dem oben (pag. 140) Mitgetheilten eine solche Sonderung in anderen Fällen im Sprossvegetationspunkt sich nicht findet, und zweitens darum, weil das »Plerom« der Kotyledonen wie die Fig. 21, 5, zeigt, nicht abstammt von dem des hypokotylen Gliedes, sondern ein sekundäres Differenzirungsprodukt innerhalb der Kotyledonenanlagen ist, es spalten sich die unter dem »Dermatogen« liegenden Zellen der Kolyledonenanlagen in »Periblem« und Pleromzellen, welche sich natürlich an die entsprechenden Meristeme des hypokotylen Gliedes ansetzen. Es wird diese Spaltung in der schematischen Figur 21, 5, durch die punktirten Linien angedeutet. Es zeigt diese Entstehung, dass zwischen Periblem und Plerom keineswegs von Anfang an eine scharfe Differenz vorhanden ist. Die äusseren Veränderungen, welche der Embryo bis zur Anlage der Koty- ledonen erfährt sind einfache. Sein anfangs halbkugelig gewölbter Scheitel flacht sich ab, später sprossen seitlich von der Mittellinie die beiden Kotyledonen hervor, wodurch der Embryo dann eine herzförmige Gestalt annimmt. Der Scheitel des Embryo's selbst, also der Stammvegetationspunkt tritt als gesonderter Hügel zwischen den Kotyledonen nicht hervor, es geschieht dies erst später bei der Keimung. Unterdessen sind aber auch am unteren, dem Embryoträger angrenzenden Ende des Embryo’s charakteristische Veränderungen vor sich gegangen. Kehren wir zu der durch Fig. 21, ı, repräsentirten Stufe zurück, so grenzt dem Embryo eine mit b bezeichnete Zelle an, die in den Aufbau desselben später mit eintritt. Sie theilt sich durch eine Querwand, die obere der beiden so entstandenen Zellen (b, Fig. 2ı, 2) wird von HansTEin als Hypophyse bezeichnet. Sie erscheint als Abschluss des Embryo’s nach unten hin, dadurch, dass beim weiteren Wachsthum desselben die unterste Querwand des Embryo uhrglas- förmig gewölbt wird: eine Erscheinung, welche, wie SacHs gezeigt hat, bei zahl- reichen kugeligen Organen z. B. den Antheridien der Characeen, vielen Haaren etc. sich findet, und die daraus resultirt, dass der rechtwinkelige Ansatz an die Aussen- wand .des Embryo’s auch bei der stärkeren Wölbung der ersteren beibehalten wird. Die »Hypophyse« (eine wie die weitere Forschung gezeigt hat, mit Unrecht als ein charakteristischer Bestandtheil angesehene und benannte Zelle) zerfällt durch eine Antikline (Fig. 2ı, 3) in zwei übereinanderliegende Zellen (h u. hr) die beide zu- nächst durch Längswände gespalten werden. Die obere der beiden Zellen bildet den »Periblemabschluss« des Wurzelkörpers, die untere die Anlage der Wurzel- haube, welche sich an das Dermatogen anschliesst. Die weiteren Schichten der Wurzelhaube gehen aus der Spaltung der in Fig. 21, 5 schattirten Zellschicht her- vor, so dass die Wurzelhaube hier als eine »Wucherung des Dermatogens« be- zeichnet werden kann. Es bleibt der Vegetationspunkt der Wurzel überzogen von einer Zellschicht, die wie eine Korkcambiumschicht sich wiederholt in zwei Schichten spaltet: eine äussere, Wurzelhaubenschicht und eine innere, dem Wurzel- körper angrenzende, die denselben Vorgang wiederholt. Vergleichen wir mit diesem für die Embryoentwicklung der Dikotylen ge- gebenen Beispiel das für die Monokotylen aufzustellende, AZsma Plantago ent- nommene, so ergeben sich nicht unwichtige Differenzen. Vor Allem in der Organanlage. Der Kotyledon der Monokotylen ist (mit Ausnahme der unten zu er- wähnenden Fälle) keine seitliche Bildung am Embryo, sondern wird gebildet durch dessen Endstück, ist also apikal, der Stammvegetationspunkt dagegen wird 168 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. seitlich angelegt. Die Zelltheilungsfolgen sind ebenfalls etwas anders, namentlich findet die Abscheidung des »Dermatogens« erst ‚später statt. Es betheiligen sich am Aufbau des Embryo’s wenn wir von dem dreizelligen Stadium (Fig. 22, ı) ausgehen, die Zellen 1 und r, aus 1 geht der Cotyledon, aus r Theile des Embryo’s und Embryoträgers hervor, wie eine Vergleichung der Figuren zeigen (B. 343.) Fig. 22. Embryoentwicklung von Adsma Plantago schematisirtt nach HANSTEIN und FAMINTZIN. ı Ein dreizelliger Embryo, bestehend aus den Zellen q, r, 1. Die beiden oberen be- theiligen sich am Aufbau des Embryo’s, r auch an dem des Embryoträgers. 2 Aelterer Embryo, Dermatogen noch nicht abgeschieden, co Stück aus welchem der Kotyledon, m dasjenige, aus welchem die Stammknospe hervorgeht. Die unteren Zellen des Embryo- trägers sind sehr angeschwollen. 3 Längsschnitt eines Embryos, an welchem Kotyledon (Cot) und Stammknospe (v) angelegt sind. Fig. 4 reifer Embryo, der Kotyledon ist terminal, cs die Kotyledonarscheide, die Stammknospe v liegt in der seitlichen Ein- buchtung. w Hauptwurzel. mag. In Fig. 21, 2, besteht der Embryo aus einer Anzahl theilweise durch Längswände getheilter Querscheiben, das Dermatogen wird erst später gebildet. Die weiteren Theilungen, die sich theilweise wenigstens ebenfalls aus den Figuren ergeben, mögen hier nicht berührt werden. FAmInTzın findet auch hier von An- fang an eine scharfe Sonderung der drei Meristeme. Auf einem mittleren Ent- wicklungsstadium, wie das in Fig. 2ı, 3 repräsentirte, besteht der Embryo aus einem ovoiden Körper. Das obere Stück desselben wächst zum Cotyledon aus, an dem mittleren Stück befindet sich seitlich rechts eine kleine Einbuchtung, welche die Lage des Stammvegetationspunktes bezeichnet, das untere Stück liefert das hypokotyle Glied und die Wurzel. Die dem Embryo angrenzende Hypophysenzelle liefert nach HansTeın in ähnlicher Weise wie bei Capsella den Wurzelabschluss,.t) 1) Nach HEGELMAIER (Bot. Zeit. 1874) sollen bei verschiedenen Monokotylen (Sparganium, Triticum, Pistia etc.) auch die dem Kotyledon folgenden Blätter »relativ terminal« sein, d. h. .: Ba En DE a a a hr zur ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses, 169 Die beiden hier geschilderten Beispiele wurden hervorgehoben, weil sie zu den übersichtlichen und bestuntersuchten gehören, und das für sie Festgestellte der Hauptsache nach auch in der That noch für eine grössere Anzahl anderer Pflanzen gilt. Sie sind aber weit davon entfernt, als allgemein gültige Schemata für die Embryoentwicklung der Mono- und Dikotyledonen gelten zu können, wo- für sie zu halten man wenigstens eine Zeit lang geneigt war. Vielmehr haben ausgedehntere Untersuchungen, namentlich die HEGELMAIER’s ergeben, dass in fast allen der oben kurz geschilderten Differenzirungsvorgänge bei andern Formen Abweichungen vorkommen. Was zunächst die uns hier vorzugsweise interessirende Art der Organanlegung betrifft, so wurde als Unterschied zwischen Mono- und Dikotylen hervorgehoben, dass bei ersteren der Kotyledon scheitelständig-terminal ist, während die beiden Kotyledonen der letzteren seitlich am oberen Ende des Embryo’s hervorsprossen, wenn sie auch oft, wie bei Capsella den oberen Theil des Embryo’s so sehr in Anspruch nehmen, dass die Stammknospe zwischen ihnen als gesonderter Höcker nicht erkennbar ist. Allein, wie SOLMS-LAUBACH!) gezeigt hat, giebt es auch monokotyle Embryonen, bei welchen der Kotyledon nicht terminal, sondern als seitliche Bildung am Embryo auftritt. Dies ist der Fall bei den Dioscoreaceen und einigen (vielleicht allen) Commelyneen. Der Stammvegetationspunkt nimmt wie bei den Dikotylen hier ursprünglich das Ende des Embryos ein, und wird erst später durch die Entwicklung des unter- halb resp. seitlich vom Stammvegetationspunkt entstehenden Cotyledon in seiten- ständige Lage gerückt. Es giebt übrigens auch Dikotylen, deren Embryo nur einen einzigen Kotyledon besitzt. So Carum Bulbocastanum, Ranunculus Ficaria u. a. Eine Annäherung an die Kotyledonarbildung der Monokotylen findet hier indess nicht statt, denn wie HEGELMAIER?) nachwies, kommt die »pseudomono- kotyle« Form des Embryo’s der erstgenannten Pflanze durch (nicht ganz voll- ständige) Verkümmerung des einen Keimblattes bei gewöhnlicher seitlicher An- lage des andern zu Stande. Der eine Kotyledon wird seitlich angelegt, rückt aber allmählich mehr und mehr in anscheinend terminale Stellung ein. Das Rudiment des zweiten Kotyledon tritt viel später auf und bleibt sehr klein, ein- mal aber fand HEGELMAIER auch einen mit zwei Keimblättern versehenen Embryo. Einen ähnlichen Vorgang dürfen wir wohl auch für Ranunculus Ficaria annehmen, umsomehr als man zahlreiche Fälle kennt, in welchen zwar zwei Kotyledonen vorhanden sind, aber der eine bedeutend kleiner ist als der andere. So bei Trapa natans,?) wo der eine Kotyledon klein und kaum sichtbar, der andere ein gesonderter Stengelvegetationspunkt aus dem sie entspringen, noch nicht vorhanden sein, der letztere vielmehr bei 7rizieum (pag. 662 a. a. OÖ.) an dem ersten Knospenblatt als Protuberanz aus dem dem Kotyledon zugekehrten Theile entstehen. Ich sehe eine Nöthigung zu einer solchen Annahme um so weniger ein, als auch bei Dikotylen der Vegetationspunkt zwischen den Koty- ledonen anfangs nicht gesondert hervortritt, obwohl er der Anlage nach unzweifelhaft vorhanden ist, indem eine bestimmte Zellgruppe (oder auch eine einzige Zelle) Vegetationspunktcharakter besitzt. Dasselbe nehme ich für eine analoge Angabe KIENITZ-GERLOFF’s für Zsotes lacustris an. Bei Pistia ergiebt sich aus Kusın’s Untersuchungen das Vorhandensein des Stengelvegetations- punktes ohnedies, die Figuren desselben (Taf. 3 Fig. 8, 9, ro d. HansTein, Bot. Abhandl., I. Bd.) sind übrigens nicht gerade sehr klar, was- übrigens für die Darstellung der meisten Zellnetze älterer, Durchschnitte erfordernder, Embryonen gilt. ) H. Graf zu SOLMS-LAUBACH über monokotyle Embryonen mit scheitelbürtigem Vege- tationspunkt. Bot. Zeit. 1878. pag. 65 ff. ?) Vergleichende Untersuchungen. pag. 138 ff. 3) DECANDOLLE, physiologie vegetale. T. II. pag. 838. 179 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. gross und mit Reservestoffen angefüllt, bei Cye/amen persicum, Citrus Aurantium, Abronia umbellata u. a.\) Darwın macht darauf aufmerksam, dass eine solche Ungleichheit der Kotyledonen sich da zu finden pflege, wo das hypokotyle Glied oder die Wurzel des Embryo’s knollenförmig verdickt sind, dass also mit andern Worten hier eine Correlation zwischen dem Kleinbleiben des Kotyledon und dem Anschwellen der genannten Organe stattfnde. Wenn aber DArwın vermuthet, der Vorgang sei der gewesen, dass das hypokotyle Glied (oder die Wurzel), »fersz became from some cause thickened — in several instances apparenily in correlation with the fleshy nature of the mature plant — so as lo contain a store of nutriment sufficient for the seedling, and then that one or both cotyledons from being super- fluous, decreased in size« — (a. a. OÖ. pag. 97 u. 98), so findet diese Ansicht wenigstens für Carum Bulbocastanum, dem einzigen genauer untersuchten Falle, in der Entwicklungsgeschichte, keine Stütze, sondern Widerlegung, denn die Ver- kümmerung des einen Kotyledons, der nach dem obigen sogar (wie viele ver- kümmernde Organe) verspätet auftritt, erfolgt zu einer Zeit, wo weder hypokotyles Glied noch Wurzel irgend welche nennenswerthe Ausbildung erfahren haben, also auch nicht hemmend auf die Entwicklung des einen Kotyledon einwirken können, Will man an dem Vorhandensein der genannten Correlation festhalten, so ist dieselbe also so zu fassen, dass die Verkümmerung des Kotyledon als Ursache der knolligen Verdickung der Wurzel anzusehen ist.?) Dass, bezüglich der an- genommenen Wechselverhältnisse bei nahe verwandten Pflanzen keine Ueberein- stimmung herrscht (was bei Correlationsverhältnissen übrigens häufig der Fall ist), das zeigt z. B. Chaerophyllum bulbosum, das seine Wurzel ebenfalls knollig verdickt, aber zwei wohlausgebildete Kotyledonen besitzt. Auch die Wurzelbildung verläuft nicht immer in der geschilderten Weise mittelst der Bildung einer »Hypophyse.« Schon desshalb, weil in nicht seltenen Fällen ein Embryoträger und somit eine Hypophyse überhaupt gar nicht existirt, sondern die Eizelle in ihrer Totalität, wie bei den Farnen zur Embryobildung verwendet wird. So unter den Monokotylen hei Zistia Stratiotes?), Listera ovata, Epipactis palustris, Cypripedium spectabile*), Tinnantia und Heterachtia°), unter den Dikotylen Corydalis cava°). Die Thatsache, dass eine der oben erwähnten Species nahestehende andere Art derselben Gattung (Coryd. ochroleuca) einen Embryoträger besitzt, zeigt, wie wenig constant der Besitz eines solchen innerhalb ein und derselben Gattung ist. Und dass auch innerhalb einer grösseren Familie \) Betreffs der letztgenannten Pflanzen s. DArwINn, the power of movements in plants pag. 78 und 95. Ueber Cyclamen: GRESSNER, Zur Keimungsgeschichte von Cyclamen, Botan. Zeit. 1874, pag. 837. — Der zweite Kotyledon ist hier im Samen nur der Anlage nach vorhanden, bei der Keimung erst entwickelt er sich zum zweiten grünen Blatt der Pflanze. — Dasselbe ist auch bei Abronia umbellata der Fall (IrmiscH, Flora 1856, pag. 692). Es liegt also bei diesen Pflanzen nur eine interessante zeitweilige Hemmung des einen Kotyledon vor. 2) Die Keimung von Carum Bulbocastanum hat IRMISCH geschildert; Beiträge zur vergl. Morphol. der Pflanzen I. Carum Bulbocastanum und Chaerophyllum bulbosum nach ihrer Keimung. — Uebrigens wird noch für eine Anzahl anderer Pflanzen »monokotyle Keimung« an- gegeben, ohne dass der Vorgang näher untersucht wäre, so z. B. Berardia subacaulis, Centaurea Kerneriana, Synclesis aconitifolia. \Vergl. Bot. Zeit. 1878, pag. 367. 3) HEGELMAIER, Bot. Zeitung 1874, pag. 631. Kusın, die Entwicklung von Pistia Stratiotes in HanstEin, Botan. Abhandl., 3. Bd. #4) 'TREUB, Notes sur ’embryogenie de quelques Orchidees, 1879. 5) SoLMS, a. a. O. 6) HEGELMAIER, a. a. O. pag. 113 ff. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 17X Schwankungen vorkommen, zeigen z. B. die Leguminosen, über deren Embryo- entwicklung neuerdings ausführliche Daten vorliegen.!) Die befruchtete Eizelle theilt sich, wie dies die Regel ist, zunächst durch eine Querwand. Die untere (dem Embryosack angeheftete) der beiden Zellen wird entweder zum Embryo- träger oder zur Embryobildung mit verwendet. Letzteres ist der Fall bei den Mimoseen und einigen Hedysareen, die sich also den oben genannten Bei- spielen anschliessen. Auch bei denjenigen, die einen Embryoträger besitzen, ist er sehr verschieden ausgebildet. Bei einigen Gattungen besteht er nur aus drei oder vier über einander stehenden Zellen!) (z. B. Soja, Trifolium), bei den Vicieen aus zwei Paaren gekreuzter Zellen, von denen die am Scheitel gelegenen eine beträchtliche Länge erreichen und vielkernig werden;?) Ononis besitzt als Embryoträger eine Zellreihe von variabler Zahl, also ähnlich wie Capsella; Lupinus und Cicer Zellpaare in grösserer oder geringerer Zahl, wo- bei einige Zupinus-Arten die Eigenthümlichkeit zeigen, dass sich die Zellen des Embryoträgers schon frühe von einander trennen, so dass der Embryo dann frei an einem von der Mikropyle entfernten Ort im Embryosacke liegt?); bei Medi- cago, Trigonella, Phaseolus u. a. ist der Embryoträger ein vom Embryo entweder scharf abgesetzter oder in ihn übergehender Zellkörper (ZPhaseolus), der bei Cercis, Anthyllis, Cytisus u. a. eine ovoide oder abgerundete Form besitzt. Die Form eines vom Embryo nicht scharf abgesetzten Zellkörpers besitzt der Embryo- träger z. B. auch bei Geranium (HEGELMAIER, Vergl. Unters.). Die Differenzirung der Wurzel geht hier also in einem vielzelligen Gewebekomplex, nicht einer ur- sprünglich einzelligen »Hypophyse« vor sich, und es ist klar, dass dieser Vorgang dabei einen anderen Habitus bieten wird. Auch der Ursprung des Embryo's aus zwei (Embryomutterzelle und Hypophyse) oder mehr (meist drei) Zellen ist für die Dikotyledonen nicht constant. Die untersuchten Cruciferen®) folgen zwar dem Schema von Cafsella, allein in andern Familien z. B. den Papaveraceen finden Differenzen statt. Ebensolche Differenzen finden statt in Bezug auf den Zeitpunkt der Abscheidung des Dermatogens und der Zellenanordnung. Diese letztere richtet sich nach dem Gesammtwachsthum und dies ist, wie ein Ueberblick über die untersuchten Fälle zeigt, ein recht verschiedenes, und das auch innerhalb ein und derselben Familie. Wir wissen im Grunde nicht viel mehr, als vor dem Beginn der mühsamen Untersuchungs- reihen, nämlich dass ein Stück des Embryo, welches der Mikropyle zugekehrt ist, zur Wurzel wird, die Kotyledonen bei den Dikotylen seitliche Sprossungen des Embryo sind, während bei den Monokotylen der Kotyledon (aber nicht immer), apikal ist. ’ Einige der bis jetzt bekannten Abweichungen mögen auch hier erwähnt werden, namentlich insoweit sie in Beziehung zu biologischen Verhältnissen stehen. Es sind I) GUIGNARD, recherches d’embryogenie vegetale compar&e ser. m&me Legumineuses. Ann. d. scienc. nat. Botan. VIe ser. t. 12. 1882. 2) Vergl. HEGELMAIER, Ueber aus mehrkernigen Zellen aufgebaute Dikotyledonen-Keim- träger. Bot. Zeit. 1830, pag. 497 ff. ?) STRASBURGER, Bemerkungen über vielkernige Zellen und die Embryogenie von Zupinus, Botan. Zeit. 1880; HEGELMAIER, zur Embryogenie und Endospermentwicklung von Zufinus. Ibid., pag. 68 ff. #) Vergl. Knv, Bot. Wandtafeln (Brassica); PRAZMOWSKI (Camelina sativa) in LÜRSSEN, medicin. pharmaceut. Bot. — Die dort gegebenen Zeichnungen sind durch die starken Brechungen äusserst uninstruktiv. 172 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. namentlich einige Wasserpflanzen und die Parasiten resp. manche Humusbewohner welche Abweichungen zeigen. Unter den ersteren zeichnet Ufricwlaria,!) eine in erwachsenem Zustand gänzlich wurzellose, im Wasser schwimmende Pflanze sich dadurch aus, dass auch im Embryo eine Wurzel nicht angelegt wird. Diese dikotyle Gattung verhält sich also in dieser Beziehung ebenso wie die schwimmende Farngattung Salvinia, deren Embryo eine Wurzelanlage ebenfalls nicht besitzt. Dagegen besitzt der Embryo eine grössere Anzahl (11—ı3) spiralig angeordnete Blattanlagen an seinem Vegetationspunkt, von denen eine sich zu einer Blase (vergl. deren Entwicklung in dem Abschnitt über Blattentwicklung) gestaltet, die andern in die meist einfach (unverzweigt bleibenden) primären Blätter aus- wachsen. Als Kotyledonen kann man dieselben aber nicht bezeichnen — solche sind am Ufricwlaria-Embryo überhaupt nicht vorhanden.?) Auch der Embryo einer monokotylen, im fertigen Zustand wurzelnden Pflanze der Ruppia rostellata?) legt eine Hauptwurzel nicht an, frühzeitig dagegen eine Nebenwurzel und zwar entsteht diese nach WiLLE exogen, am Grunde der Kotyledonarscheide. Die Hauptwurzel wird nur durch einige Zelltheilungen an- gedeutet. Einige andere Embryonen weichen durch die Entwicklung ihres Embryo- trägers ab. Bei den Coniferen und Selaginellen hat der Embryoträger jedenfalls vor Allem die Aufgabe durch seine Verlängerung den Embryo in das mit Reservestoffen erfüllte Prothalliumgewebe zu bringen,*) das vom heranwachsenden Embryo grösstentheils resorbirt wird. Bei Monokotylen und Dikotylen hat die beträchtliche Verlängerung des Embryoträgers wahrscheinlich vielfach denselben Zweck, ausserdem aber geschieht, wie es scheint, die Aufnahme gelöster Stoffe oft gerade durch die Zellen des Embryoträgers, während die des Embryo selbst früh schon eine Cuticula besitzen, welche die Aufnahme gelöster Stoffe durch die Oberfläche des Embryos selbst erschwert. Man findet den jungen Embryo denn auch stets umgeben von einem, oft recht dichten Protoplasmaballen, von I) WARMING, Bidrag til Kundsskben om Lentibulariaceae, Videnskab. Meddels. 1874; KAMIENSKI, Vergl. Unters. über die Entwicklungsgesch. der Utricul. Bot. Zeit. 1877, pag. 761. ?) Der Vegetationspunkt des Embryo’s stellt nach KAMIENnsKı sein Wachsthum früh ein, und der Hauptspross geht aus einer Anlage hervor, die nach dem genannten, mir etwas un- klaren Aufsatz denselben »morphologischen Werth« wie die primären Blätter haben soll. Das ist aber eine contradictio in adjecto, es ist einfach widersinnig einen Ufricwlaria-Spross als ein Blatt zu bezeichnen, wenn der letztere Ausdruck irgend welchen festen Sinn haben soll. Zudem ist nach Fig. 13 a. a. O. gar nicht ausgeschlossen, dass die Sprossanlage ein Axillarspross eines der primären Blätter ist. Die interessante Keimentwicklung der Utricularien verdient jedenfalls noch eine genauere Verfolgung. 3) WILLE, om Kimens udviklingshistorie hos Auppia rostellata og Zanichellia palustris. Vidensk. Meddel. fra den naturh. Foren.) Kjobenhavn 1832. #) Eigenthümliche Verhältnisse finden sich bei Zoranthus sphaerocarpus (TREUB, Observ. sur les Loranthacees. Ann. du jard. bot. de Buitenzoorg. vol. II.). Der »Vorkeim« verlängert sich hier sehr bedeutend, so dass seine Spitze in das untere (Gegenfüssler) Ende des Embryosacks gelangt, wo das Endosperm lokalisirt ist. Dasselbe wird durchbrochen, und der Gipfel des Vorkeims gelangt in eine unterhalb des Embryosackes befindliche Gruppe von Collenchymzellen, in welcher die Endzellen des Vorkeims (Proembryo) die Embryoanlage bilden; diese wird aber später von dem Endosperm wieder umwachsen. Eine solche Umwachsung des Embryos durch das Endosperm kommt auch bei Zoranth. europaeus vor (HOFMEISTER, Neue Beitr. in Abh. sächs. Ges. d. Wiss., 1859, pag. 544) allein eine Durchbrechung des Embryosackes scheint hier nicht stattzufinden, obwohl HOFMEISTER’s Fig. 3, Taf. IV, a. a. O. vielleicht darauf hindeutet. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 173 dem aus die Ernährung des Embryos erfolgt, während der Embryosack selbst durch Resorption des Nucellusgewebes sich das in demselben vorhandene Nähr- material aneignet. Diese noch genauer zu untersuchende Funktion des Embryo- trägers wird unterstützt durch möglichst grosse Oberflächenentwicklung desselben. Eine solche finden wir schon in der riesig angeschwollenen Embryoträgerzelle von Alisma Plantago, auffallend ferner bei Galum-Arten,!) wo die Zellen des Embryoträgers anschwellen und derselbe in Folge davon ein traubiges Ansehn erhält. Bekannt ist ferner das eigenthümliche Verhalten von Tropaeolum?). Endosperm wird hier im Embryosacke nicht, oder höchstens andeutungsweise gebildet, man findet den jungen Embryo auf einem langen Embryoträger frei in der Höhle des Embryosacks. Der Embryoträger bildet an seinem oberen Ende zwei Auswüchse, welche beide den Embryosack und die Mikropyle durch- brechen. _ Der eine steigt seitlich dicht an der Aussenfläche der Samenknospe zwischen dieser und der Fruchtknotenwand herab, und erreicht eine beträchtliche Länge, der andere aber bohrt sich in das Gewebe der Placenta ein und nimmt aus derselben zweifelsohne Nährmaterial auf, das dem Embryo zugeführt wird. Der andere lange Schenkel aber dient wohl, wie HEGELMAIER vermuthet, dazu, den Embryo in der Embryosackhöhle zu fixiren, bildet also gewissermaassen eine Verankerung des Embryos, wozu die beträchtliche Länge dieses Schenkels freilich nicht nöthig wäre. Wenn der Embryo eine gewisse Grösse erreicht hat sterben beide Schenkel ab. Auch für manche Orchideen ist es längst bekannt, dass der Embryoträger sich stark verlängert und den Embryosackscheitel durchbrechend in die Mikropyle hineinwächst. TRrEUB hat diesen Vorgang in seiner oben citirten Schrift des Näheren verfolgt. Die einzelnen Gattungen verhalten sich bezüglich der Embryo- trägerbildung wesentlich verschieden. Einige besitzen, wie oben er- wähnt, einen Embryoträger überhaupt nicht, so Zistera ovata, Epi- pactis (palustris, latifolia), Cypripedium spectabile. Bei anderen dagegen gewinnt der Embryoträger eine eigenartige Entwicklung. Bei Orchis u. a. z. B. Orchis latifoha wächst er als gegliederter Zellfaden zur Mikropyle heraus, und in den Fruchtknoten hinein, wo er sich an den Funiculus und die Placenta anlegt, und den Zellen derselben Stoffe entzieht, die er dem Embryo zuführt. Der letztere selbst zeigt frühe eine dicke Cuticula auf seinen Aussenzellwänden, welche den Durch- tritt gelöster Stoffe erschwert, die Zellen des Embryoträgers dagegen sind nicht oder nur wenig cuticularisirt. Wenn es somit auch nicht j ausgeschlossen ist, dass der Embryo namentlich während der ersten Fig. 23. (B.344.) Zeit seiner Entwicklung durch seine Oberfläche Stoffe, die aus den Embryo von Zhalaenopsis grandifiora (nach TREUB) 3 x ö e a mit hyphenähnlich ausge- Orchideen nicht gebildet) aufnimmt, so wird das Hauptmaterial ee Trägerzellen. doch jedenfalls durch den Embryoträger herbeigeschafft. Bei umgebenden Samenknospenzellen stammen (Endosperm wird bei allen Phajyus Wallichi und Goodyera discolor tritt der- Embryoträger aus dem Exostom nicht heraus, bei Zpidendron ciliare dagegen durchbohrt er seitlich das innere Integument. Be- sonders eigenthümlich gestaltet sich der Embryoträger bei Phalaenopsis grandifiora u. a. Die !) Vergl. HOFMEISTER, Neuere Beobachtungen über die Embryobildung der Phanerogamen. PrInGsH. Jahrb. I, pag. 121. ?) Dasselbe ist vielfach beschrieben. Ich nenne hier nur: Schacht, Ueber die Entstehung des Keimes von Tropaeolum majus. Bot. Zeit. 1855, pag. 641 (Im Register des betr. Jahrganges übersehen.) HEGELMAIER, Vergl. Unters. pag. 156. 174 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Zelle aus der der Embryoträger hervorgeht, theilt sich durch Längswände in mehrere neben- einanderliegende Zellen. Jede derselben wächst zu einem zweiarmigen Schlauche aus (vergl. Fig. 23.) der eine, längere Schlaucharm wächst am Embryo hinab, der andere geht ins Exostom. Der Embryo ist in Folge dessen von hyphenähnlichen Schläuchen umwickelt. Dieselben führen ihm auch hier Nährmaterialien aus den Samenknospenzellen zu. Im reifen Samen sind die Schläuche, die aus dem Embryoträger hervorgingen, nicht mehr vorhanden, was mit dem letzteren allgemein der Fall zu sein pflegt. — Noch sonderbarer verhält sich Stawhopea oculata. Man findet hier zunächst einen Zellkörper, der durch Theilung der Eizelle entstanden ist. Von den Zellen derselben wachsen alle bis auf eine, aus der der Embryo hervorgeht, zu langen Schläuchen aus, von denen die einen ins Exostom eintreten, andere sich zwischen die Zellen der Samen- knospe eindrängen.!) N Die Samen der Orchideen sind sehr klein, und dementsprechend auch der Embryo. Er ist bei unseren einheimischen Formen ein eiförmiger Zellkörper, an welchem keine Gliederung in Kotyledon, Stammknospe und Wurzel einge- treten ist, auch die »Meristeme« nur insofern vorhanden sind, als eine (wie es scheint nicht immer scharf abgegrenzte) Dermatogenlage den Embryo überzieht. Dagegen hat TREUB in Sobralia macrantha eine Orchidee aufgefunden, bei welcher Kotyledon und Stammknospe im Embryo wenigstens andeutungsweise vorhanden sind. Die Anlage einer Hauptwurzel dagegen findet sich am Embryo nicht, und auch bei der Keimung?) tritt: sie nicht auf, es schwillt der untere Theil des Embryos (der nicht in hypokotyles Glied und Wurzel differenzirt ist) knollig an, und befestigt sich in der Erde durch eine Vielzahl von Wurzelhaaren, während aus dem apikalen Theil der Kotyledon hervorgeht. So verhalten sich wenigstens die von PFITZER untersuchten epiphytischen Orchideen z. B. Dendrochilum gluma- ceum, und abweichende Angaben über Erdorchideenkeimung scheinen mir insofern nicht beweisend, als, wenn der apikale Kotyledon relativ klein, das untere Ende des Embryo dagegen gross und angeschwollen ist, leicht der Anschein entstehen kann, als entstände die Stammknospe terminal, wie das auch mehrfach ange- geben ist. So wenig die Möglichkeit dieser Bildung namentlich im Hinblick auf das von den Dioscoreen etc. oben Erwähnte zu leugnen ist, so scheint es vorerst doch berechtigt, den Orchideenembryo als eine einfache Hemmungsbildung des gewöhnlichen monokotylen Embryo zu betrachten, dessen apikaler Theil sich weiterhin zum Kotyledon entwickelt. Die Orchideen gehören zu den »Humusbewohnern.« Andere Pflanzen mit ähnlicher Lebensweise, vor Allem die Parasiten, zeigen eine ähnliche unvoll- ständige Ausbildung des Embryo. Es kommt hier nicht darauf an, umfangreiche mit einer grossen Quantität aufgespeicherten Nährmateriales versehene Samen zu bilden, sondern möglichst zahlreiche, aber meist sehr kleine Samen, von denen allerdings nur wenige in günstige Keimungsbedingungen, bei Parasiten in die un- !) Aehnliche Saugfortsätze scheinen sich nach einer Notiz HOFEMEISTER’s (PRINGSH. Jahrb. Bd. I., pag. 108) auch beim Embryo der Ribesiaceen zu finden. — Physiologisch ähnliche Organe sind z. B. die dünnen Hyphenäste welche aus den ascogenen Hyphen in den Ascus- früchten von Pericillium entspringen und das Hüllgewebe zum Besten der ascusbildenden Hyphen- äste verzehren (cfr. BREFELD, Schimmelpilze, 2. Heft). 2) Dieselbe tritt bekanntlich nur selten ein, und ist deshalb auch das Objekt sehr vieler Beschreibungen gewesen. Vergl. z. B. Irmisch in Beitr. zur Biologie und Morphologie der Orchideen. FABRE, de la germination des Ophrydees (Ophrys apifera) Ann. d. science. nat. IV. Ser., T. V. 1856. PFITZER, Verhandlungen des naturh. med. Vereins zu Heidelberg, N. F. II. Bd., pag. 27 ff. — Die neuerdings erschienene Abhandlung desselben Verf. ist mir hier nicht zugänglich. (»Grundzüge einer vergleich. Morphologie der Orchideen. Heidelberg 1881.) ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 175 mittelbare Nähe einer Nährpflanze, gelangen. Es ist mit dem Parasitismus eine Unvollständigkeit in der Ausbildung des Embryo übrigens nicht nothwendig verbunden, denn die parasitisch lebende, aber chlorophyllreiche Mistel entwickelt einen grossen und wohl ausgebildeten Embryo. — Auch bei der schmarotzenden Cuscuta!) ist der Embryo noch ziemlich gross und lang, allein die Hauptwurzel ist unvollständig ausgebildet, es fehlt gewissermaassen ein Stück der Wurzelspitze sammt der Wurzelhaube, die Wurzel erscheint nach unten hin nicht abgeschlossen. Sie bedarf einer höheren Ausbildung nicht, da sie bei der Keimung nur kurze Zeit in Funktion ist, so lange nämlich, bis es der Keimpflanze gelungen ist, eine Pflanze zu erreichen, auf welcher sie mittelst ihrer Saugorgane (Haustorien) sich befestigt, dann stirbt die Wurzel und der ganze untere Theil der Keimpflanze ab und dieselbe lebt auf ihrem Wirthe, ohne mit dem Boden in Berührung zu stehen. Noch weniger ausgebildet ist der Embryo von Orobanche?) (Fig. 24). Der Embryo wird ganz wie ein gewöhnlicher diko- tyler Keimling angelegt, bleibt aber auf einer frühen Stufe stehen und repräsentirt im reifen Samen nur einen ungegliederten Zellkörper. Aehnlich bei anderen Parasiten, Balanophoren und Rafflesiaceen.?). Der von Monotropa ist sogar nur neunzellig®), wie sich die Embryonen der letzgenannten Arten bei der Keimung ver- halten, ist nicht bekannt, es ist dieser rudi- mentäre Zustand des Embryo aber nichts an- deres als ein Stehenbleiben auf einem Stadium, das die normal weiter entwickelnden Em- bryonen vieler anderen dikotyler Pflanzen ebenfalls passiren, das nämlich, auf welchem der Embryo besteht aus acht Kugeloctanten Fi ig. 24. (B. 345.) und der »Hypophyse.« 3 e i F - 5 Optischer Längsschnitt durch den reifen Es wird, wie.oben erwähnt, die Bezeichnung) ‚s„men -von: Orobanche: Bederas; - die Embryonalstudium beschränkt auf die Entwick- Mikropyle nach unten gewendet. Se lung, welche der Embryo innerhalb des Samens A R { ! alle übrigen Zellen des Nucellus ver- durchmacht. Es ist dazu aber eigentlich auch drängt hat, er umschliesst das Endo- der Abschnitt zu rechnen, der zwischen.der sperm, in diesem liegt der Embryo Entwicklung im Samen und dem Zeitpunkt en ee er der Keimung eintritt, bei welchem die Keim- pflanze die Gestaltung der erwachsenen Pflanze, namentlich die für dieselbe charakteristische Blattform angenommen hat. Dass das Embryonalstadium hier- bei nicht scharf abgegrenzt werden kann, ist klar, und in der Natur der Sache begründet. Hier ist nur noch darauf hinzuweisen, dass der Embryo im Samen bei verschiedenen (nicht parasitischen) Pflanzen einen sehr verschiedenen Ent- wicklungsgrad erlangt. Während er in vielen Fällen nur aus den Kotyledonen, 1) KocH, Unters. über d. Entw. d. Cuscuteen in HANSTEIN, botan. Abhandl. II. Bd. pag. 3. 2) KocH, über die Entwicklung d. Samens von Orobanche. Jahrb. f. wiss. Botan. Bd. XI. 3) SOLMS-LAUBACH, über den Bau der Samen in den Familien der Rafflesiaceen und Hydno- raceen. Bot. Zeit. 1874. pag. 337. #) KocH, Die Entwicklung des Samens von Monotropa Hypopitys. PRINGSHEIM’s Jahrb. Bd. XIII. . 176 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. dem Vegetationspunkt des Stammes, dem hypokotylen Glied und der Wurzel be- steht, erreichen in anderen Fällen Stammknospe und Wurzel schon innerhalb des Samens eine Weiterentwicklung, erstere producirt (z. B. bei Phaseolus, Cerato- phyllum, eine Anzahl Blätter, letztere (bei Gräsern wie Coix, Triticum, ferner Cu- curbita u. a. eine Anzahl von Nebenwurzeln, bilden also schon innerhalb des Samens Organe, die bei anderen erst bei der Keimung auftreten. Ebenso braucht hier nur im Vorübergehen daran erinnert zu werden, dass die einen Embryonen das Endosperm schon während ihrer Entwicklung im Samen, andere erst bei der Keimung aufzehren; und Analoges gilt für die Gewebedifferenzirung. Stets aber bleibt die embryonale Beschaffenheit nur an zwei Stellen für längere Zeit erhalten, am Vegetationspunkte des Stammes und an dem der Wurzel. Die Hauptwurzel geht bei den Monokotylen bekanntlich früh zu Grunde — bei einigen Formen wird sie, wie oben erwähnt, überhaupt nicht gebildet und wahr- scheinlich ist dies auch noch bei anderen (Zemna nach HEGELMAIER) der Fall, bei anderen Pflanzen, wie z. B. den Coniferen dagegen bleibt der Vegetations- punkt der Hauptwurzel zeitlebens erhalten, und er ist dann vom Vegetationspunkt des Sprosses, von dem er im Samen nur durch das hypokotyle Glied getrennt war, wie die ganze Länge der Wurzel und des Hauptstammes entfernt. Die Vegetationspunkte sind diejenigen Regionen des Pflanzenkörpers, an welchem das Gewebe die embryonale Beschaffenheit beibehalten hat!), und an denen die Neubildungen von Organen, von Blättern und Zweigen am Sprossvegetations- - punkt, Nebenwurzeln am Wurzelvegetationspunkt entstehen. Es leuchtet daraus ein, dass die Untersuchung der Vorgänge am Vegetationspunkt für die Ent- wicklungsgeschichte von der grössten Wichtigkeit ist — im Folgenden soll eine Darstellung derselben gegeben werden. — Ehe auf dieselbe eingegangen wird, sei hier nur noch bemerkt, dass nicht überall die Embryonen der Samen be- fruchteten Eizellen entstammen. Wie STRASBURGER gezeigt hat, findet in einigen Fällen die Bildung von Adventivembryonen statt, d. h. von solchen, die sich aus Zellen des dem Embryo angrenzenden Samenknospengewebes entwickeln, eine Thatsache, auf welche unten zurückzukommen sein wird. S 2. Der Vegetationspunkt. ı. Charakteristik der Vegetationspunkte. Untersucht man die Sprosse einer höheren Pflanze in der Periode ihrer kräftigsten Entwicklung, so zeigt auch eine wenig eingehende Betrachtung eine wichtige Differenz von den höheren und den meisten niederen Thieren darin, dass an der Pflanze eine stetige Neubildung von Organen, Blättern, Zweigen etc. stattfindet. Die anatomische Untersuchung würde ergeben, dass ganz dasselbe auch für die Gewebeelemente gilt, dass auch sie durch Hinzufügung neuer Theile vermehrt werden, ohne dass ältere Gewebeelemente äusserlich zu Grunde gehen. Diese Neubildung von Organen und Gewebeelementen findet aber nicht an beliebigen Theilen der Pflanze, sondern in einer ganz bestimmten Region derselben statt, im Vegetationspunkt!), welcher gewöhnlich das Ende des Sprosses einnimmt. l) Vergl. die Charakteristik bei Sachs, über die Anordnung der Zellen in jüngsten Pflanzen- theilen. Arb. des botan. Instituts in Würzburg. II. Bd. pag. 103. I) Warning (Forgreningsforshold etc. Resume, pag. I), hat den Begriff Vegetationspunkt viel enger gefasst. »Je ne comprends dans le point vegetatif, que la ou les cellules dont la fonction sp&ciale est de fournir A la plante ou aux organes de la plante de nouvelles cellules, c’est A dire de travailler Ä sa croissance.« Diese Definition weicht aber wesentlich ab von dem seit WOoLFF unter dem Ausdruck Vegetationspunkt Verstandenen. Sie hat den Vortheil einer scharfen Umgrenzung, denn danach wäre der Vegetationspunkt nur von der Scheitelzelle, wo eine ER 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses . 177 Der Vegetationspunkt ist charakterisirt dadurch, dass er besteht aus embryonalem Gewebe, d. h. aus solchem, in welchem eine Differenzirung in verschiedenartige Gewebeelemente noch nicht eingetreten ist, die Zellen klein und dicht mit Proto- plasma erfüllt sind und den Charakter eines Theilungsgewebes besitzen, sich also häufig theilen, aber langsam wachsen, und dass er die Stelle ist, wo die normale Neubildung von Organen am Pflanzenkörper erfolgt. Durch beide Charaktere ist der Vegetationspunkt scharf unterschieden von den Theilen des Sprosses, welche in den Dauerzustand übergegangen sind, deren Gewebeelemente sich nicht mehr theilen, nachdem sie eine bedeutende Streckung erfahren haben, und an denen eine normale Neubildung von Organen nicht stattfindet. Wie der Spross besitzt auch die Wurzel einen Vegetationspunkt und ebenso die Blätter, nur dass er an letzteren nur kurze Zeit thätig ist, und das ganze Blatt gewöhnlich bald aus dem embryonalen Stadium heraustritt. 2. Form und Lage des Vegetationspunktes. Bei den vegetativen Sprossen der Samenpflanzen nimmt der Vegetationspunkt wie erwähnt, gewöhn- lich das Ende des Stengels ein, er liegt apikal an der äusserst kleinen, meist mit blossem Auge gar nicht wahrnehmbaren Stengelspitze. Die Form des- selben variirt sehr; es ist bei den meisten Wasserpflanzen (Zlodea, Hippuris etc.) der Vegetationspunkt ein schlanker Kegel, oder vielmehr ein parabaloidähnlicher Körper (Fig. ı1), bei den meisten Landpflanzen erhebt er sich zwischen den jüngsten Blattanlagen in Form einer sanft gewölbten Kuppe, bei einigen wie Lycopodium Selago ıst die Wölbung so flach, dass der Vegetationspunkt zwischen den jüngsten Blattanlagen kaum mehr hervortritt, sondern das fast ebene Stengel- ende einnimmt. Aehnliche Differenzen finden sich auch bei niederen Pflanzen, von denen hier speciell die hervorgehoben sein mögen, welche ein sogenanntes Randwachsthum besitzen, d. h. solche, bei denen der Vegetationspunkt den Rand einer Scheibe oder eines bandförmigen Körpers einnimmt, wofür die runden Scheiben von Coleochaete scutata und die flachen, aber am Rande eingerollten Sprosse von Padina Pavonia als Beispiele dienen können. Ein Durchschnitt durch einen Thallus der letzteren Pflanze zeigt uns den Thallusrand schneckenförmig eingerollt, seine Spitze eingenommen von einer Zelle, in Wirklichkeit findet sich hier also eine Reihe nebeneinander liegender Zellen, welche den Thallusrand einnehmen. Eine derartige Einrollung oder Krümmung des Vegetationspuuktes ist auch sonst verbreitet, und zwar, wie ich früher gezeigt habe, namentlich bei dorsiventralen Sprossen. So bei den Algen Herposiphonia und Polyzonia jungermannoides, bei den Laubsprossen der Wasserpflanze Ufricwlaria und den dorsiventalen Inflorescenzen der Boragineen. Die Einkrümmung beruht natürlich überall darauf, dass die convexen Partien rascher wachsen, als die concaven, und sie gleicht sich in den älteren Theilen, welche sich gerade strecken, wieder aus. Auch in anderer Beziehung pflegen sich Organisationsver- hältnisse des Sprosses schon in den Formverhältnissen des Vegetationspunktes auszuprägen, eine Thatsache, die von Wichtigkeit ist, weil sie uns zeigt, das jene Organisationsverhältnisse in Eigenthümlichkeiten begründet sind, welche solche vorhanden ist, oder von den HAnsTEin’schen »Initialen« gebildet (vergl. oben pag. 138 ff). Allein abgesehen davon, dass die Bestimmung dieser Initialen in vielen Fällen eine zweifelhafte ist, vermag ich die Zweckmässigkeit einer solchen Begrenzung nicht einzusehen, Scheitelzelle und Initialen haben ja schon ihre bestimmten Namen, während das Bedürfniss für den Vegeta- tionspunkt (im WOorrr’schen Sinne) eine Bezeichnung zu haben, bestehen bleibt, obwohl wir wissen, dass eine scharfe Abgrenzung gegen die älteren Theile nicht möglich ist. — SCcHEnk, Handbuch der Botanik. III, 12 178 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. schon auf die Substanz des Vegetationspunktes selbst einwirken, resp. in derselben ihren Sitz haben. So, zeigt schon der Vegetationspunkt der dorsiventralen Inflorescenzen der Papilionaceen und Boragineen eine differente Ausbildung von Bauch- und Rückenseite, welche an der fertigen Inflorescenz auffallend hervortritt durch die Verschiedenheit in der Production von Blüthensprossen auf beiden Seiten!); ferner sind die Vegetationspunkte der Blüthen, die sich durch die ein- seitig fortschreitende Anlage ihrer Blattorgane auszeichnen, (Resedaceen, Pa- pilionaceen, Begonia-Species, genaueres darüber in dem Abschnitt über Blüthen- entwicklung), schon vor dem Auftreten von Seitensprossung abweichend von den Blüthen mit allseitig nach dem Vegetationspunkte hin fortschreitender Organanlegung gestaltet, sie sind nämlich nicht radiär, sondern symmetrisch geformt. Dass nicht überall die Symmetrieverhältnisse des fertigen Sprosses schon im Vegetationspunkt sichtbar sind, braucht nicht betont zu werden, denn es ist eine bekannte Thatsache, dass im Laufe der Entwicklung Form und Stellung der Organanlagen Veränderungen erleiden können, welche ein vom Anlage-Stadium differentes fertiges Stadium zur Folge haben. Beispiele für diesen Satz wird man namentlich auf dem Gebiete der Blüthenentwicklung mehrfach finden. | Hier findet sich auch häufig der in der vegetativen Region seltene Fall, dass der Vegetationspunkt becher- oder schüsselförmig vertieft ist, und aus der Innen- fläche der Vertiefung die Blüthenblätter hervorsprossen, so z. B. bei den Blüthen der Compositen. Aehnliches findet sich auch bei Inflorescenzen, z. B. denen der Feigen, in welchen die Blüthen auf der Innenwand des becherförmigen Inflorescenzachsengebildes entstehen, in geringerem Maasse der Fall ist dasselbe bei Digitalis parviflora, wo der Inflorescenzvegetationspunkt nur eine seichte Einsenkung zeigt (WARMING, forgrenings forhold Tab. IV. Fig. 21.) Auch bei den Muscineen und Thallophyten kommt eine ähnliche Aushöhlung (wenn wir diesen bildlichen Ausdruck gebrauchen wollen) vor, auf ihr beruht z. B. die Bildung der »Fruchtsäcke« der geocalyceen Jungermannien (vergl. Bd. II. pag. 351), welche aus den archegonientragenden Sprossen hervorgehen, und sehr häufig geschieht es, dass der Vegetationspunkt in einer Vertiefung liegt, deren Ränder von älteren Gewebepartieen gebildet werden, die ihn schützen. So bei den meisten Farnprothallien, den Aucus-Arten, Pteris aguilina, den Winterknospen der Tannen (bei welchen die Knospenschuppen auf einer becherförmigen, die Knospe umgebenden Wucherung des Stengels stehen) und in vielen anderen Fällen, Der Uebergang des embryonalen, aus dem »Urmeristem« des Vegetations- punktes hervorgegangenen Gewebes in Dauergewebe erfolgt nicht immer in der Weise, dass dieser Uebergang in den Dauerzustand vom Vegetationspunkt aus der Entfernung umgekehrt proportional fortschreitet, vielmehr finden wir vielfach vom Vegetationspunkt entferntes Gewebe noch in embryonalem Zustand, während demselben näher gelegenes schon in den Dauerzustand übergegangen ist. So namentlich bei Sprossen, welche eine Gliederung in Knoten und Internodien zeigen, z. B. den Gräsern.?) In den Internodien derselben behält die über den Knoten gelegene Querzone den embryonalen Charakter sehr lange bei. Die !) Aehnliches zeigen auch die Grasinflorescensen: die radiären von Zea und Sefaria besitzen einen dicken, annähernd drehrunden Vegetationskegel, die dorsiventralen Inflorescenzvegetations- punkte zeigen meist eine flache Rücken- und eine gewölbte Bauchseite. So sehr auffallend bei Nardus stricta u. a. Vgl. Beitr. zur Entw. ein. Inf. PRINGSHEIM, Jahrb. für wiss. Bot. XIV. Bd. 2) Vergl. die von HoFMEISTER, Allg. Morph. pag. 420 angeführten Beispiele und Literatur- angaben. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 179 Zellen bleiben klein und erweisen sich als Theilungsgewebe, während die oberen Theile des Internodiums schon lange in den Dauerzustand übergegangen sind. Es findet sich hier also eine interkalare Vegetationszone, an welcher jedoch eine Neubildung von Organen nicht stattfindet. In grösster Ausdehnung findet sich dies Verhältniss bei den Blättern der Samenpflanzen. Mit wenigen Aus- nahmen (z. B. Gxarea) geht hier der apikale Vegetationspunkt in Dauergewebe über, während der basale Theil des Blattes embryonalen Charakter behält, sich hier also ein »interkalarer Vegetationspunkt« befindet, Die Blattscheide von /soetess und den Gräsern z. B. wird angelegt als eine Querzone, die aus einer oder wenigen Zellanlagen besteht: aus dieser Querzone geht die ganze Blatt- scheide durch interkalares Wachsthum hervor. (Vergl. darüber den Abschnitt über Blattentwicklung.) Während die interkalaren Vegetationszonen der oben genannten Sprossachsen solche sind, bei denen das Gewebe den Charakter eines embryonalen Theilungs- gewebes behält, die Organanlage aber ausschliesslich an dem apikalen (primären) Vegetationspunkt stattfindet, kennen wir auch eine ganze Reihe von Sprossen, bei welchen der Vegetationspunkt dauernd interkalar liegt. So namentlich bei vielen Algen aus der Abtheilung der Phaeophyceen, sowohl bei einfachen, conferven- ähnlichen Formen derselben, wie den Ectocarpeen, als bei massıg entwickelten wie den Laminarien. Bei den Ectocarpeen z. B. ist der Vegetationspunkt der Zellfäden überragt von Zellen, welche schon in den Dauerzustand übergegangen sind, und ihren Protoplasmainhalt grösstentheils verloren haben, während der Vegetationspunkt selbst gebildet wird von einer Anzahl (an den Hauptachsen etwa 1o—ı2) niederer, scheibenförmiger dicht mit Protoplasma erfüllter Zellen, die als Theilungsgewebe funktioniren. Unterhalb des Vegetationspunktes werden auch hier neue Organanlagen, Seitenzweige, Sporangien etc. gebildet. Ein instruktives Beispiel für die interkalare Lage des Vegetationspunktes und das Zustandekommen derselben bildet eine andere mit den Ectocarpeen verwandte Alge die Giraudia sphacelarioides. Die Zweige derselben bestehen hier im Jugendstadium aus einer Zellreihe, deren unterste Zellen in den Dauerzustand übergehen, während die oberen Vegetationspunkt-Charakter behalten. Der Vegetationspunkt liegt hier also anfangs apikal. Nach einiger Zeit aber gehen die apikalen Zellen in den Dauerzustand über, was sich hier darin äussert, dass die sich durch Längswände in einen Gewebekomplex theilenden Zellen ausser einer Streckung weiter keine Veränderungen mehr erfahren. Dieser Process erstreckt sich allmählich auf den grössten Theil des Sprosses. Diese basale Region desselben aber behält ihren embryonalen Charakter, die Zellen der- selben vermehren sich durch Zweitheilung und unterhalb derselben treten auch die Anlagen der Seitensprosse und der Wurzeln auf (vergl. Bot. Zeit. 1878 Taf.VII, Fig. 16). Schliesslich geht auch diese Region in den Dauerzustand über, indem die Zellen aufhören durch Quertheilung sich zu vermehren, sich strecken und dann durch Längswände theilen, so dass ein solcher Spross dann vollständig ausgewachsen ist. Auch grüne Algen, die sich ähnlich wie Zeiocarpus verhalten sind bekannt, z. B. Chaetophora und bei den Samenpflanzen ist das Auftreten interkalarer organbildender Vegetationszonen ebenfalls nichts Seltenes, alleın wie es scheint ausschliessiich auf die zum Zwecke der geschlechtlichen Fortpflanzung umge- bildeten Sprosse oder Sprosssysteme, auf Blüthen und Inflorescenzen beschränkt. "Von ersteren mögen hier die bekannten Blüthenbecher der Feigen genannt sein, welche ausgehöhlte Sprosse darstellen, deren Innenwand zahlreiche Blüthen ent- ı2* 180 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. springen, während die Mündung des Bechers verschlossen wird durch eine Anzahl Hüllblätter. Die junge Feigen-Inflorescenz besitzt einen schwach gewölbten Vegetationspunkt, der eine Anzahl von Blättern bildet. Dann verliert die apikale Partie den Vegetationspunkt-Charakter und wird flach, während an der Insertions- stelle der Blätter ein neuer interkalarer Vegetationspunkt auftritt (resp. die hier zelegene Partie Vegetationspunkt-Charakter erhält). Dadurch wird die Bildung des Blüthenbechers eingeleitet, es bildet sich eine, den ursprünglichen Vegetations- punkt umgebende Röhre, auf welcher die erst gebildeten Blätter sitzen. Die Blüthen treten zuerst auf dem Grunde des Bechers auf, dann auf der Innen- fläche der Röhre in gegen den interkalaren Vegetationspunkt hin fortschreitender Reihenfolge. Ganz ähnliche Vorgänge treffen wir bei der Entwicklung mancher Blüthen ». B. der der Rosaceen, bei welchen ebenfalls durch die Thätigkeit eines inter- kalaren Vegetationsgürtels eine becherförmige Achsenbildung zu Stande kommt (vergl. den Abschnitt über Blüthenentwicklung), hier wie in dem vorhin erwähnten Beispiele geht der Vegetationspunkt schliesslich in Dauergewebe über. So verschiedenartig auch die Lage und Form der Vegetationspunkte ist, so übereinstimmend ist doch im Allgemeinen ihr Bau und ihre Bedeutung für die Gliederung des Pflanzen- körpers. Allein nicht alle Pflanzen besitzen einen Ve- getationspunkt. Bei solchen einzelligen Algen, die sich durch Zweitheilung ver- mehren, leuchtet dies von SS selbst ein, und dasselbe ist _ 08 der Fall bei manchen Zell- RSS| Ye 9 IE reihen, z. B. denen der Con- aa (® % EB | jugaten. Dieselben stellen \ dA nur Aneinanderreihungen einzelliger Formen vor, die Zellen verhalten sich alle gleich und vermehren sich durch Zweitheilung, eine Differenz zwischen Vege- tationspunkt und Dauerge- (B. 346.) Fig. 25. webe findet an einem sol- Nostocaceen (aus FALKENBERG, die Algen, Bd. II. diesesHand- chen Faden nicht statt. buches). I Scheinastbildung von Scylonema. u Eine Nostoca- Ebensowenig ist dies der cee mit Vegetationspunkt und »echter« Verzweigung (Stichonema E 3 ocellatum). \II Schematische Darstellung der Scheinastbildung Fall bei den Zellreihen der einer Rivulariee, g hier wie in den anderen Figuren die Hete- Gattung /Voszoc, eine Diffe- rocysten (Figurenerkl. vergl. a. a. OÖ. pag. 308. renzirung findet sich hier nur insofern, als zwischen die theilungsfähigen Zellen anscheinend regellos solche eingestreut sind, welche ihre Theilungsfähigkeit verloren haben und auch sonst charakteristischen Veränderungen unterliegen, die Grenzzellen oder Heterocysten (vergl. Bd. II., pag. 307 ff. dieses Handbuches). Demgemässs ist hier die Ver- zweigung, wo eine solche überhaupt stattfindet, wie z. B. bei der Gattung Scy- ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 181 Zonema auch nicht lokalisirt: es wächst einfach eine Zelle, sich zur Zellreihe unter Theilungen verlängernd an der über ihr stehenden Fadenzelle (häufig einer Hete- rocyste) vorbei. Bei einigen anderen Nostocaceen z. B. Stigonema (Fig. 25, I) dagegen findet sich ein Vegetationspunkt, der in gewöhnlicher Weise Aus- zweigungen bildet. Auch bei den, grosse Gewebeplatten oder Säcke mit ein- schichtiger Wandung bildenden Ulva- und Znteromorpha-Arten scheinen sich alle Zellen gleich zu verhalten!), und ähnlich ist es wohl bei dem Wachsthum vieler Früchte, z. B. der Kürbisse, auch hier scheint ein »Vegetationspunkt« nicht zu existiren, sondern ein gleichmässiges Wachsthum der ganzen Frucht stattzu- finden. Von analogen Fällen mögen noch die Placenten genannt sein, die aus gleichmässig embryonalem Gewebe bestehen, während an dem Vegetationskegel eines Sprosses oder einer Wurzel von der Spitze gegen die älteren Partien hin ein stetiges Abnehmen des embryonalen Charakters stattfindet. 3. Art der Organanlage am Vegetationspunkt. Zu den wichtigsten Merkmalen des Vegetationspunktes gehört nach dem Obigen das, dass er die Stelle ist, wo neue Glieder des Pflanzenkörpers angelegt werden. Der Vegeta- tionspunkt des Sprosses ist die Stelle, wo neue Blätter und Seitensprossen ange- legt werden und ebenso entstehen an der Wurzel Nebenwurzeln vom Vegetations- punkt aus. Man bezeichnet die Bildung von Seitensprossen am Sprossvegetations- punkt, die von Wurzeln am Wurzelvegetationspunkt, die von Blattfiedern als am Blattvegetationspunkt, also im Allgemeinen die Erzeugung gleichartiger Glieder als Verzweigung, wogegen man die von Ungleichartigen also z. B. die von Blättern, am Stammvegetationspunkt unter den Begriff der Neubildung zusammenfassen kann. Bei niederen Pflanzen, bei denen die Differenz der Glieder keine so scharfe ist, gehen beide Begriffe natürlich ineinander über. Der »normalen,« d. h. am Vege- tationspunkt vor sich gehenden Gliederbildung steht die adventive gegenüber, d. h. die Entstehung von Sprossen und Wurzein (denn Blätter entstehen stets nur an Vegetationspunkten), aus Pflanzentheilen, die nicht mehr im Zustand des Vegetationspunktes befindlich sind. Diese adventiven Bildungen sollen unten ausführlicher besprochen werden, hier sei nur hervorgehoben, dass es ein ganz vergebliches Bemühen wäre, zwischen normaler und adventiver Verzweigung scharfe, in eine Definition fassbare Grenzen ziehen zu wollen, es kommt bei der Unter- scheidung beider wesentlich auch noch der Gesichtspunkt in Betracht, dass man meist die adventiven Sprosse als etwas für den Gesammthabitus des betreffenden Pflanzenkörpers Unwesentliches betrachtet. Die Organanlage am Vegetationspunkt kann entweder eine »exogene« oder »endogene« sein. Im ersteren Falle betheiligt sich die äusserste Zellschicht an der Organbildung, sei es allein, oder zugleich mit tieferen ‚Zelllagen. Im zweiten Falle geht die Organbildung, ohne Betheiligung der äussersten Zellschicht oder der äussersten Zellschichten vielmehr unter Durchbrechung derselben vor sich. Am Vegetationspunkt des Sprosses überwiegt bei Weitem die exogene Organbildung, an dem der Wurzel findet sie ausschliesslich endogen statt, und zwar in einer Gewebeschicht, welche von der ganzen Wurzelrinde bedeckt ist. Wir sehen an der Wurzel, deren Vegetationspunkt nicht wie der des Sprosses von Blattgebilden umhüllt und geschützt ist, das embryonale Gewebe einerseits ge- schützt durch die Wurzelhaube, andererseits dadurch, dass die peripherischen und centralen Gewebepartien früher schon in den Dauerzustand übergehen, noch ehe M) Auch im Auftreten der Seitenzweige bei Zuteromorpha scheint keinerlei bestimmte Reihen - folge zu bestehen. 182 Vergleichende Entwi cklungsgeschichte der Pflanzenorgane. die Bildung von Seitenorganen in der embryonal bleibenden Gewebeschicht be- gonnen hat. Wenden wir uns zum Vegetationspunkt des Sprosses, so ist zunächst zu be- tonen, dass wir endogen angelegte Blätter nicht kennen, sondern nur endogen angelegte Seitensprosse. Solche finden sich bei einigen Algen und Lebermoosen. So bei Vidalia volubilis, Rıhytiphloea pinastroides und tinctoria, Amansia glomerata, multifida, Polyzonia elegans und FPolyzonia incisa!), ferner entstehen die Frucht- sprosse endogen (während die vegetativen Seitensprosse exogen entstehen) bei Follexfenia und: Jeannerettia. Es sind die genannten Gattungen Florideen, bei welchen eine Gewebedifferenzirung in der Weise stattfindet, dass jedes der durch Querwände von der Scheitelzelle abgeschnittenen Segmente sich in eine centrale und einige peripherische Zellen theilt, die erstere ist es nun in den genannten Fällen, von der die Seitensprossbildung ausgeht, die Seitensprossanlage muss sich dann also zwischen den peripherischen Zellen hindurchdrängen. Bei anderen nahe verwandten und ganz ähnlich gebauten Formen wie Zolyzonia jJungerman- noides und den Zolysiphonia-Arten?) dagegen ist die Sprossbildung eine exogene. Ferner finden wir endogene Sprossbildung angegeben für einige beblätterte Leber- moose (vergl. pag. 333 des II. Bandes dieses Handbuches, auch die Angabe über endogene Entstehung mancher Adventivsprosse von Metsgeria). Nach LEITGEB entstehen nämlich aus Zellen, die unmittelbar unter der äussersten Zellschicht des Vegetationskegels liegen, die Flagellenäste von Mastigobryum, die Frucht- äste derselben Pflanze sowie die von Zepzidozia und Calypogeia, ferner die Aeste von Jungermannia bicuspidata, während sonst die Zweigbildung in der gewöhn- lichen exogenen Weise geschieht. Auch bei den Equiseten hat man früher endogene Sprossbildung ange- nommen, womit diese unter den Gefässpflanzen isolirt gestanden wären. Es hat sich aber herausgestellt, dass die endogene Sprossbildung nur eine scheinbare ist, und auf einer frühzeitigen Umwallung der exogen angelegten Sprossmutter- zelle beruht, der junge Spross durchbricht dann allerdings das ihn umgebende Gewebe, analoge Beispiele kennen wir auch von Samenpflanzen (Phanerogamen) so bei Gleditschia sinensis?), triacanthos, Symphoricarpus vulgaris. Die Sprosse werden (und zwar hier in Mehrzahl) normal in den Blattachseln angelegt, dann aber vom Rindengewebe ganz umwachsen, so dass sie dasselbe, wenn sie zur Entfaltung kommen, durchbrechen müssen. Und ähnlich ist es jedenfalls bei vielen der Ruheknospen unserer Holzpflanzen, die man als »schlafende« Augen bezeichnet. Der Ursprungsort exogener Organanlagen am Vegetationspunkt ist ein sehr verschiedener Bald ist es eine Zelle der äussersten Zellschicht wie bei Moosen und Farnen, bald ein Complex von Aussenzellen, oder es entsteht eine aus dem Wachsthum von inneren, unter dem Dermatogen gelegenen Zellen hervorgehende Hervorwölbung, welche von der mitwachsenden äussersten Zellschicht, dem Der- I) Vergl. FALKENBERG, Ueber endogene Entstehung normaler Seitensprosse bei den Gattungen Vidalia und Amansia, Nachrichten der k. Gesellsch. der Wissensch. in Göttingen 1879, ders. ibid. Jahrg. 1879, No. 20, Ueber congenitale Verwachsung im Thallus der Pollexfenieen; AMBRONN, Ueber die Art und Weise der Sprossbildung bei den Rhodomeleengattungen Vidalia, Amansia und Polyzonia. Sitz.-Ber. des bot. Ver. der Provinz Brandenburg; XXII. Jahrgang, 1880, und über einige Fälle von Bilateralität bei Florideen. Bot. Zeit. 1880. 2) NäceLi's Angaben über endogene Sprossbildung bei Polvsiphonia haben sich nicht be- stätigt (vergl. Zeitschr. f. wiss. Bot. IV. pag. 211.) 3) Vergl. Hansen, Vergl. Unters. über Adventivbildungen bei den Pflanzen; Abh. der Senkenberg. Ges. XII. Bd. pag. 147 fi. - ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 183 matogen überzogen ist. Dies ist die Regel für alle Vegetationspunkte der Samen- pflanzen, bei welchen ein »Dermatogen« deutlich zu unterscheiden ist, Sprosse und Blätter entstehen an ıhnen fast ausnahmslos auf die angegebene Weise, d.h. durch Höckerbildung, welche beruht auf dem gesteigerten Wachsthum eines unter dem Dermatogen liegenden Zellencomplexes, dessen Wachsthum das Derma- togen folgt. Dieser Zellcomplex besteht bei manchen Blättern, z. B. denen von Aıppuris (Fig. ı1), Fotamogeton u. a. aus Zellen der unmittelbar unter der Epidermis liegenden Schicht, bei anderen Blättern sind auch tiefer liegende Zell- complexe beim Entstehen der Blattanlage betheiligt, Regel aber ist, dass zur Bildung von Blattanlagen weniger Zellschichten in Mitwirkung gezogen werden, als zu der von Seitenzweiganlagen. Organanlagen können am Vegetationspunkt nicht nur lateral, sondern auch terminal angelegt werden. Derartige Fälle finden sich namentlich bei Sprossen, welche sexuelle Fertpflanzungsorgane produciren. So geht aus der Scheitelzelle eines Thalluszweiges von Coleochaete scutata und anderen Arten derselben Gattung ein Oogonium hervor, und dasselbe ist der Fall bei den archegonientragenden Sprossen der Laubmoose. Das erste Archegonium einer Archegoniengruppe geht aus der Scheitelzelle hervor; wie Fig. 26 zeigt, wölbt sich dieselbe über die jüngsten Blattanlagen hervor, und theilt sich durch eine Querwand ın eine obere und eine untere Zelle, aus welch letzterer nun die Archegonienanlage sich entwickelt. Ebenso geht in den Antheridienständen von #Fontinalis u. a. Laubmoosen, wie LEITGEB nachgewiesen hat, das erste An- theridium aus der Scheitelzelle hervor: sıe hört auf blattbildende Segmente zu pro- duciren, wölbt sich hervor, und wird zur Mutterzelle des Antheridiums. Auch das Fig. 26. (B. 347.) Makrosporangium von Zaxus ist terminal A Stammspitze mit jungen Blattanlagen (be) an einem kleinen, mit zwei Vorhlättern Jun „hrs Zur, nach Km. A und einer Anzahl Schüppchen besetzten anlage gebildet, die durch eine Querwand Sprosse, und in den Blüthen der Angio- (mm) zunächst in eine untere und eine obere E 3 : Zelle getheilt wird. Fig. B bringt die Weiter- spermen ist es ein durchaus nicht seltenes entwicklung des Archegoniums schematisirt. Vorkommniss, dass die Makrosporangien ’ (Samenknospen) aus dem Scheitel der Blüthenachse selbst hervorgehen, so z. B. bei Polygoneen, Piperaceen u. a. Es ist nur eine Differenz in der Ausdrucksweise, ob man in diesen Fällen sagt: der Scheitel der Blüthenachse verwandle sich in eine Samenknospe, oder es sei dieselbe eine Neubildung auf dem Blüthenachsenscheitel: das Wesentliche in beiden Fällen ist eben, dass der Blüthenvegetationspunkt als solcher zu existiren aufhört und in seiner Totalität zur Organbildung verwendet wird, ein Vorgang, der sich entweder allmählich, oder, wie bei den obenge- nannten Muscineen, in durch die Veränderung der Zellenanordnung charakte- risirtter Weise vollziehen kann. Auch solche Fälle sind bekannt, in welchem der Blüthenvegetationspunkt zur Bildung eines Staubgefässes verwendet wird, so bei Caswarina, Najas u. a. bei Besprechung der Blüthenentwicklung zu diskutirenden Fällen. Man bezeichnet Staubgefässe, welche terminal am Blüthenvegetationspunkt entstehen je nach dem morphologischen Standpunkt, von welchem man ausgeht, als »pollenbildende 184 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Caulome« oder als terminale Blätter. Terminale Blätter in der vegetativen Region kennt man nicht, es ist dies aber eben nur ein Erfahrungssatz, der durch die erste sicher konstatirte Ausnahme umgestossen würde, und sicher würde ein Laub- blatt ein Laubblatt bleiben, auch wenn es terminal an einem Vegetationspunkt entstände, nur hört damit das letzte von der Entwicklungsgeschichte hergenommene Unterscheidungsmerkmal zwischen Blatt und Stamm auf. In der Blüthe aber wird, wie unten ausführlicher darzulegen sein wird, die Differenz von Blatt und Achse über- haupt vielfach verwischt, und andererseits wissen wir, dass die Sporangien (denn dies sind die Pollensäcke) bezüglich ihres Auftretens nicht an Blattorgane gebunden sind. Es werden zur Stütze der Annahme terminaler Blätter auch Fälle angeführt, in denen ein Uebergang von seitlicher zu terminaler Organbildung stattfindet. Derartige Fälle finden sich in nicht seltenen Beispielen. In instruktiver Weise z. B. bei den Blüthen der Gräser. Ein Schema wird diesen Uebergang am besten erläutern. In Fig. 27 mögen A, A, A, einen Vegetations- punkt vorstellen, wobei es sich im Wesentlichen gleichbleibt, ob man sich darunter die grosse Scheitelzelle einer Sphacelaria, welcher die Figuren etwa ent- sprechen, denkt, oder den, von den Contouren umgrenzten Raum von einem Gerüste von Zell- wänden ausgefüllt Sein lässt, wie R- beim Vegetationspunkt der An- (B. 348.) Fig. 27. . i En E R giospermen. Die Anlage eines Schema für den Uebergang von seitlicher in terminale . ö Organanlage. V Vegetationspunkt. Seitenastes werde dadurch einge- leitet, dass von der Scheitelzelle (wenn wir der Einfachheit halber diese zum Ausgangspunkt wählen), durch eine ge- bogene Wand ein Stück abgeschnitten wird, das nun zur Astanlage auswächst. Bei A ist diese Astanlage deutlich lateral, und es tritt dies um so deutlicher hervor, als, wenn dieselbe die durch die gestrichelte Contour angedeutete Grösse er- reicht hat, auch die Sprossspitze selbst schon weiter gewachsen ist. In Fig. 27 A, greift die die Astanlage herausschneidende Wand dagegen bis an den Scheitel selbst hinauf. Hier kann unter Umständen die Ast- (oder Blatt-) etc. Anlage ter- minal erscheinen, dann nämlich, wenn sie sich kräftig entwickelt, während der nicht zur Astbildnng verwendete Theil sein Wachsthum einstellt, oder sehr ver- langsamt, er wird dann von dem Aste zur Seite gedrängt. Wächst dieser Theil der Scheitelzelle dagegen nach der Astanlage kräftig weiter, so erscheint dieselbe ebenso wie bei A lateral, nur dass sie von Anfang an ein grösseres Areal des Vegetationspunktes beansprucht. In Fig. A, endlich ist die Anlage wirklich ter- minal, wobei es gleichgiltig erscheint, ob man sich die Wand, welche die Organ- bildung einleitet schief, wie dies in der Figur geschehen ist, oder quergestellt denkt. Selbstverständlich kann auch die lateral angelegte Astanlage von A den Scheitel zur Seite drängen. Alle diese Fälle, zwischen denen man sich leicht noch weitere Zwischenstufen construiren kann, finden sich realisirt in den Aehrchen der Gräser.!). Die Blüthen sind lateral in den meisten Fällen, und die Endblüthe ) Vergl. Zur Entwicklungsgeschichte einiger Inflorescenzen. PRINGSHEIM’s Jahrb. f. wiss. Botan. Bd. XIV. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 185 drängt den Aehrchenachselscheitel zur Seite, z. B. bei Hordeum, Setaria; die Blüthe von ZPhalaris arundincaea dagegen tritt unmittelbar am Scheitel selbst auf, sie ist von Anfang an am Ende der Aehrchen inserirt derart, dass der Scheitel der letzteren verflacht erscheint. Sie ist aber trotzdem nicht vollständig terminal, da nicht der ganze Scheitel zu ihrer Bildung verwendet wird, ein kleines Stück derselben bleibt übrig, und ist dann später, nachdem es noch etwas herangewachsen ist, als zur Seite gedrängtes Rudiment der Aehrchenachsenspitze kenntlich. Dieser Fall würde also mit Fig. 27 A, unseres Schemas übereinstimmen, bei anderen Gräsern wie Anthoxanthum, Zea, Coix sınd die Blüthen wirklich ter- minal an der Aehrchenachse. Es dürften diese Beispiele genügen, um zu zeigen, dass es Uebergänge von der normal seitlichen Organanlage zur terminalen am Vegetationspunkt giebt, und dass, wenn das nicht zur Organbildung verwendete Stück des Vegetations- punktes nach der ÖOrgananlegung sich langsam und wenig weiter entwickelt, es dann von Anfang an seitlich, die Organanlage aber terminal erscheinen wird; ob man die letztere dann terminal oder pseudoterminal nennen will, ist im Grunde ganz gleichgiltig, wenn man nur die Art und Weise der Organanlage selbst kennt, es giebt, wie oben gezeigt wurde, gewisse Fälle, die man unter die Kategorien terminal und lateral nicht ohne Weiteres subsumiren kann. 4. Entstehungsfolge der ÖOrgananlagen am Vegetationspunkt. Verfolgt man die Entstehungsfolge der Organanlagen z. B. der Blätter an dem Vegetationskegel einer dikotylen oder monokotylen Pflanze, so ergiebt sich, dass die jüngsten Organanlagen immer diejenigen sind, welche dem Vegetationspunkt zu- nächststehen. Die Entstehungsfolge ist also eine gegen den Scheitel hin gerichtete, eine Thatsache, welche man mit dem von NÄckrı und LeitGEg!) vorgeschlagenen Ausdruck »akropetal« bezeichnet. Diese Bezeichnung geht aus von dem bei den meisten Sprossen sich findenden Verhältniss, dass der Vegetationspunkt an der Spitze des Sprosses »apikal« liegt. Es ist dies zwar das häufigste, aber durch- aus nicht allgemeine Vorkommen, es wurde oben ja eine ganze Reihe von Fällen angeführt, in denen der Vegetationspunkt interkalar, resp. basal liegt. Auch in diesen Fällen findet aber dieselbe Entstehungsfolge der Seitenorgane statt, auch hier stehen die jüngsten Organanlagen dem Vegetationspunkt am nächsten, bei interkalaren Vegetationspunkten können sie sogar nach zwei Richtungen hin ent- stehen, ähnlich wie vom Cambium der Dikotylen und Gymnospermen nach zwei Richtungen hin Zellen abgeschieden werden. Für solche Fälle passt der Aus- druck akropetal nicht, und ich habe deshalb die ganz allgemeine Bezeichnung der progressiven?) Entstehungsfolge vorgeschlagen, womit also ausgedrückt sein soll, dass neue Organanlagen gewöhnlich in gegen den Vegetationspunkt hin fortschreitender Reihenfolge entstehen, mag derselbe nun liegen, wo er will. Der progressiven Entstehungsfolge gegenüber steht die Bildung eingeschalteter, zwischen den vorhandenen auftretender Organanlagen, die interkalare Bildung von solchen. Für beide Begriffe mögen einige Beispiele zur Erläuterung angeführt sein. Die progressive Entstehungsfolge bei apikalem Vegetationspunkt bedarf einer solchen nicht, wohl aber die bei interkalarem, resp. basalem Vegetationspunkt. Es wurden !) Entstehung und Wachsthum der Wurzeln von C. NÄGELIı und H. LeEiTGEB in Beitr. zur wissenschaftl. Botanik, IV. Heft, pag. 77, Anm. »akropetal (si verzia verbo) und basipetal, nach dem Scheitel oder nach der Basis hin sich bewegend.« 2) Arbeit. d. botan. Instituts zu Würzburg. I. Bd. pag. 390. 186 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der. Pflanzenorgane. als hierhergehörig u. a. auch die Inflorescenzen von Ficus genannt. Der inter- kalare Vegetationspunkt, aus welchem der Blüthenbecher hervorgeht, hat die Ge- stalt eines Ringes. Oben auf dem Blüthenbecher sind die vor dem Auftreten des interkalaren Vegetationspunktes gebildeten Hüllblätter inserirt. Ausser diesen Blättern Fig. 28. (B. 349.) Vegetationspunkte von Phaeophyceen (nach FALKENBERG) I. u. II. Sphacelariaceen (Chaetopteris plumosa und St£ypo- caulon scoparium) mit terminalem, von einer Scheitelzelle (S) eingenommenem Vegetationspunkt. Die Organanlage ge- schieht bei Chaetoßteris in den Segmenten, bei Sphacelaria in der Scheitelzelle selbst. IV, V, VI Phaeosporen mit inter- kalarem Vegetationspunkt (v), welcher kenntlich ist an den schmalen, in lebhafter Theilung begriffenen Zellen. IV Sporangientragender Ast von Zeocarpus elegans: Die Sporangien entstehen in »akropetaler« Reihenfolge, einzelne werden aber interkalirt. V Längsschnitt durch eine Thallus- spitze von Desmarestia ligulata, der Zellenfaden u o wird von einer (nur im Umriss wiedergegebenen) aus Verwachsung dünner Zellfäden entstandenen Rinde umgeben. Fig. VI Langtriebstück (uo) von Arthrociadia villosa mit zwei seit- lichen Kurztrieben, nur von dem rechts stehenden ist ein grösscres Stück gezeichnet. v Vegetationspunkt derselben. Die Auszweigungen entstehen in »basipetaler« Reihenfolge. kalarer Vegetationszonen zurückzuführen ist. . abweichende Auch bei werden in der Röhre neuegebil- det und zwar in gegen den Grund des Bechers fortschrei- tender Reihenfolge. In umge- kehrter Richtung, aber eben- falls gegen den interkalaren Vegetationspunkt hin fortschrei- tend, treten Blüthenanlagen auf, die ersten auf dem Grunde der becherförmigen Inflores- cenzachse, die folgenden auf der Innenfläche derselben. In beiden Fällen ıst die Ent- stehungsfolge dieselbe, nämlich eine progressive. Und ähn- liches liesse sich auch von an- deren Pflanzen mit interkalarem Vegetationspunkt anführen. So von den oben erwähnten Ecto- carpeen (Fig. 28). An den Seitenzweigen von Zelocarpus liegt der Vegetationspunkt öf- ters basal: dann ist auch die Entstehungsfolge der Aus- zweigungen höheren Grades eine »basipetale«, die Haupt: achsen dagegen haben einen interkalaren Vegetationspunkt, hier ist die Entstehungsfolge dann eine »akropetale.« Das Wesentliche in beiden Fällen. wird aber durch die genannten Bezeichnungen offenbar nicht zum Ausdruck gebracht. Ana- loge Fälle liessen sich von manchen Blüthen anführen, wo die von der gewöhnlichen »akropetalen« Entstehungsfolge Anlegung der Blüthenblattgebilde ebenfalls auf das Vorhandensein inter- den Blättern kommt bald »akropetale,« bald basipetale Reihenfolge der Auszweigungen vor, auch sind solche Fälle bekannt, in denen die Bildung der Seitenblättchen an einem Punkte des Blattes anhebt und von hier aus nach oben und unten fortschreitet. Gleiches 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 187 gilt für die Entstehungsfolge der Samenknospen auf den Piacenten. Es kommt bei diesen Sprossungen begrenzten Wachsthums offenbar darauf an, welche Partie den embryonalen Charakter zuerst verliert. Die jüngsten Organanlagen finden sich an den Theilen, welche den embryonalen Charakter am längsten behalten. Ist so die Entwicklungsfolge gewöhnlich eine progressive, so ist sie doch nicht immer an allen Partien eines Sprossvegetationspunktes eine gleichmässige. Sehen wir ab von den eigentlich dorsiventralen Sprossen, so sind hier zu nennen einige Inflorescenzen und Blüthen, bei welchen die Entwicklungsfolge auf ver- schiedenen Seiten des Vegetationspunktes eine ungleichmässige ist. Indem be- züglich der Blüthen auf den Abschnitt über Blüthenentwicklung verwiesen wird, seien hier nur für den ersteren Fall, für die Inflorescenzen!) Beispiele genannt. Ein sehr auffallendes bieten die Inflorescenzen von Trifolium pratense, dem Wiesen- klee. Die Anlegungsfolge der Blüthen prägt sich hier schon in der Aufblühfolge derselben aus. Die dem Tragblatte der Inflorescenz zunächst stehenden Blüthen blühen zuerst auf, sie werden auch zuerst angelegt. Die Inflorescenzachse ist auf der dem Tragblatt gegenüberliegenden Seite, der Bauchseite, schon ganz mit Blüthenanlagen bedeckt, während die gegenüberliegende Seite, die Rückenseite noch ganz blüthenleer ist. Erst allmählich bedeckt auch sie sich mit Blüthenan- lagen. Die Differenz beider Seiten ist auch hier schon vor dem Auftreten von Blüthen am Inflorescenzvegetationspunkt ausgeprägt, indem beide eine verschiedene Gestalt haben. (Genaueres a. a. OÖ.) Schon derartige Fälle zeigen, dass die früher herrschende Annahme: neue Organe am Pflanzenkörper (resp. am Stamm der Cormophyten, um den es sich fast ausschliesslich handelte), bilden sich in der Reihenfolge, dass eine die successiven Sprossungen verbindende Linie die Hauptachse in einer Schraubenlinie umkreist (—es ist diese Annahme die SCHIMPER-BRAUN’sche Spiraltheorie) der Begründung entbehrt?), wie dies auch schon aus dem Vorhandensein zahlreicher dorsiventral verzweigter Pflanzen her- vorgeht. Interkalirte Organanlagen sind bei den Thallophyten häufiger als bei den höheren Pflanzen. Bei zahlreichen Algen, z. B. den erwähnten Zr/ocarpus-Arten treten zwischen den progressiv entstandenen Auszweigungen neue, interkalirte auf (Fig. 28), je differenzirter aber der Pflanzenkörper wird, desto mehr wird auch die Regel der progressiven Organanlage festgehalten. Doch finden wir interka- lirte Sprossanlagen z. B. bei den Samenpflanzen nicht selten bei den zu Repro- duktionszwecken umgebildeten Sprossen, bei welchen das Auftreten der Organ- anlagen überhaupt vielfach ein anderes ist, als bei den vegetativen Sprossen. Interkalirung von Blüthenanlagen findet sich z. B. bei den höchst eigenthümlich ausgebildeten Inflorescenzen von Dorstenia?), welche platte »Kuchen« bilden auf deren Oberseite die Blüthen stehen. Zwischen den progressiv eingelegten Blüthen werden hier neue eingeschaltet ohne Regelmässiskeit, je nachdem durch das Wachsthum der Inflorescenzachse Raum geschafft wird. Und in eigenthümlicher Weise tritt ein analoger Vorgang bei den Inflorescenzen von Zypha auf. Die Intlorescenz hat hier einen oberen Theil, welcher männliche, und einen unteren, welcher weibliche Blüthen trägt. Den letzteren findet man öfters, nachdem er schon mehrere Centim. lang geworden ist, und die männlichen Blüthen schon 1) Ueber die Verzweigung etc. pag. 405. 2) Ein Eingehen auf die Anordnung und das Zustandekommen der Stellungsverhältnisse im Einzelnen liegt ausserhalb des Planes dieser Arbeit. 3) Ueber die Verzweigung etc. pag. 381. 138 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. die Anlagen der einzelnen Staubblätter erkennen lassen, völlig frei von seitlichen Organen. Treten dann die letzteren auf, so entstehen sie von oben nach unten, also »basipetal«, ähnlich wie die Auszweigungen vieler Blätter. Der Unterschied den vegetativen Sprossen gegenüber besteht hier, wie in anderen Fällen darin, dass bei den ersteren der Vegetationspunkt in einer stetigen Vor- wärtsbewegung begriffen ist, die Verhältnisse am Spross bleiben sich von den älteren Theilen gegen den Vegetationspunkt hin im Wesentlichen gleich, während Blüthen, Blätter, Inflorescenzen etc. Gebilde begrenzten Wachsthums sind, be- stimmt nach kurzer Zeit in den Dauerzustand überzugehen, was nicht immer in gegen den Vegetationspunkt hin fortschreitender Reihenfolge geschieht. Weitere Beispiele für die Interkalirung werden bei Besprechung der Blüthenentwicklung angeführt werden. Ehe auf die Art der Verzweigung näher eingegangen wird, ist hier noch hervorzuheben, dass nicht alle Verzweigung auf der Anlage von Seitensprossungen an einem Vegetationspunkt beruht. Wir sehen z. B. bei den Palmen grosse, »zusammengesetzte« Blätter der mannigfaltigsten Form, gefiederte, handförmig. ge- theilte etc. auftreten, wir finden bei Ma- crocystis-Arten (Fig. 29) an einer strick- artigen Achse zahl- reiche charakterist- isch geformte »Blät- ter« sitzen.." Die Seitenblättchen eines gefiederten Palmblattes, ebenso die Blätter von Ma- crocystis werden aber nicht als gesonderte (B. 350.) Fig. 29. Sprossungen am Ve- I junges Exemplar, IT älteres von 'Zaminaria Cloustoni. Der flache obere getationspunkt des Theil des Thallus ist ursprünglich eine einfache, zusammenhängende Hauptblattes oder Zellfläche, welche sich später in einzelne Lappen spaltet. III Ungetheilte destigf Ki Thallusspitze von Macrocystis pyrifera. Durch successive auftretende ER TSEUFSEEZE Spalten bildet sie Stengel (s) und blattartige (b) Bildungen, die letzteren T'hallus angelegt, sind am Rande gezähnt und "haben unten eine »Blase.« (I und I sondern entstehen nach Harvey, III nach HOoOoKER.) ß durch Zertheilung einer ursprünglich einheitlichen Fläche, eine Zertheilung, die nicht wie dies manchmal geschieht als eine Zerreissung betrachtet werden darf, sondern, wenig- stens bei den Palmblättern auf einem — nicht grobmechanischen — Trennungs- prozess, der oft mit dem Absterben bestimmter Partien verbunden ist, beruht. 5. Verzweigungsmodus. Es wurde oben als Eigenthümlichkeit des Vegetationspunktes hervorgehoben, dass von ihm die normale Organbildung ausgeht, die entweder eine Verzweigung, d. h. die Bildung gleichartiger Seiten- organe, also von Theilblättern an Blättern, von Seitenzweigen an Sprossen von Nebenwurzeln oder Wurzeln oder eine Neubildung, d. h. Produktion ungleichnamiger Organe, also z. B. von Blättern an Sprossvegetationspunkten ist. Hier haben wir es nur mit der ersten Kategorie, mit der Verzweigung zu thun, die hierbei stattfindenden Vorgänge lassen sich ganz allgemein behandeln, 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 189 gleichgiltig ob es sich um die Verzweigung thalloser Sprosse oder die von be- blätterten Sprossen, Blättern oder Wurzeln handelt. So mannigfaltig auch die weitere Ausbildung der Organsysteme ist, welche durch Verzweigung am Vegetationspunkt angelegt werden, so lässt sich die Art und Weise der letzteren doch auf zwei Kategorien zurückführen, welche, wie wohl kaum ausdrücklich betont zu werden braucht, durch Uebergänge mit einander verbunden sind, so dass eine scharfe Abgrenzung nicht möglich ist: die Verzweigung ist entweder eine dichotome oder eine seitliche. Bei der dicho- tomen (oder gabeligen) Verzweigung hört das Wachsthum des Scheitels in der bisherigen Richtung auf und wird übernommen von zwei in divergenten Richtungen weiterwachsenden Seitensprossen, zu deren Bildung meist der ganze bisherige Scheitel aufgebraucht wird;!) bei der seitlichen Verzweigung dagegen treten die Auszweigungen unterhalb des in seiner bisherigen Richtung zunächst weiter wachsenden Scheitels auf. a) Dichotome Verzweigung. Am übersichtlichsten ıst die dichotome Ver- zweigung in dem Scheitel der seit NAEGELIS Untersuchungen | zu einem klassischen Beispiel gewordenen Diefyota dichotoma, einer Meeresalge, mit band- förmigem, gabelig verzweigtem Thallus, dessen Scheitel einge- nommen wird von einer, durch zwei flach gewölbte Wände be- grenzten Scheitelzelle, von wel- cher durch Antiklinen (Quer- wände)Segmente abgeschnitten werden (vergl. Fig. 30 A). Die Gabelung wird dadurch einge- leitet, dass in dieser Scheitel- zelle eine sie halbırende, den gewölbten Wändenrechtwinklig aufgesetzte Theilungswand auf- ;) tritt; jede der beiden so ent- 1: i di Fig. 30. (B. 351.) Pa en I EARTENR REN A—C Schema für verschiedene Arten der Dichotomie Scheitelzelle eines Gabelspros- . (z. B. A. Dictyota, B, € Cladostephus, D Halopteris filicina, ses, an welcher sich nach Sprossscheitel. Die Aeste werden in der Scheitelzelle selbst angelegt, die die Astanlage herausscheidende Wand reicht bis zum Scheitel selbst (B und D nach PRINGSHEIM.) einiger Zeit derselbe Vorgang wiederholt. In etwas anderer Weise wird dasselbe Resultat erzielt bei C/adostephus, dessen ziemlich hoch differen- zirte cylindrische Sprosse in einer grossen Scheitelzelle endigen. Die Dichotomie erfolgt-hier nicht durch eine symmetrisch halbirende Theilungswand der Scheitel- !) Es kann sich dabei auch der bisherige Scheitel selbst wie ein Seitenspross verhalten, ohne dass er von dem Seitensprosse zur Seite gedrängt würde. So bei den thallosen Leber- moosen. Ebenso wie eine Dichotomie kann natürlich auch eine Polytomie entstehen. Was die Definition von Dichotomie betrifft, so scheint es mir ziemlichg leichgiltig, ob man diese oder jene Verzweigungsart unter diesem Begriff subsumiren will, oder nicht — die Hauptsache ist, dass man das Zustandekommen der Verzweigung und die Beziehungen derselben zum Gesammt- aufbau des betreffenden Pflanzenkörpers kennt. 190 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. zelle, sondern durch Auftreten einer uhrglasförmig gebogenen Wand an der Spitze derselben (Fig. 30 B), der sich eine zweite entgegengesetzt gerichtete aufsetzt, die beiden so angelegten Zellen sind die Scheitelzellen je eines Gabelsprosses. Wäre die erstauftretende Wand etwas weiter nach unten gerückt, wie dies bei manchen Sphacelarieen (zu denen C/adostephus gehört) geschieht und würde die Scheitel- zelle des Hauptsprosses in ihrer bisherigen Richtung weiter wachsen, so würde statt der gabeligen eine seitliche Verzweigung eintreten, wie in Fig. 30 D. Eine dichotome Verzweigung findet sich noch bei einer Anzahl anderer Thallophyten, SE Er Ser m] HR FR & an S et = I I = | IN Igs ; ; SE Na) DE \ Se IE | S= SS If am u, E ER RB Pr Fig. 32. (B. 353.) SH \ Thallus von Merzgeria furcata (nach SACHS) etwa I ıomal vergr. Rechts von der Öber- (Rückseite) ö # PE_T 7) links von der Unter- (Bauch-) Seite aus gesehen. (B. 352.) m Mittelnerv, s, s’, s’' Scheitelregionen der 3 4 Ä : ; Sprosse, f einschichtiger Theil des Thallus; f’, Medianer Längsschnitt einer in Gabelung £'", £''" Mittellappen der Gabelsprosse. begriffenen Wurzel von Zyoopodium inun- j ? datum in der Dichotomieebene. wh Wurzel- „ B, Aucus, bei höheren Pflanzen ist sie sel- haube, kl Kalyptrogen, pl Plerom, pb Pe- t 8 ER : riblem. Vgr. 165. (Nach Bruchmann.) tener. Ein exquisites Beispiel liefern die Wur- zeln der Iso@ten und Lycopodien; Fig. 31 zeigt einen medianen Längsschnitt einer in Gabelung begriffenen Wurzel von Zycopodium inundatum (vergl. Bd. I. pag. 250). Bezüglich der Einzelheiten derselben sei hier auf die Darstellung im ı. Bande dieses Handbuches verwiesen. Bei den Sprossen von Lycopodium ist die Verzweigung theils eine monopodiale, theils eine dichotomische, es finden sich hier Grenzfälle, die mehrfach die Anwendung der beiden Kategorien zweifelhaft machen, namentlich dann, wenn ein unterhalb des Scheitels, also seitlich angelegter Spross den Hauptspross zur Seite drängt, und eben so kräftig wie dieser sich entwickelt, ein bei den Selaginellen sehr häufiger Fall. Mono- podial ist die Verzweigung z. B. bei den vegetativen Sprossen von Z. cavatum, annotinum und inundatum: bei Z. clavatum z. B. erscheint unterhalb des fort- wachsenden Scheitels der Hauptachse die Zweiganlage als Protuberanz, welche bedeutend kleiner ist, als die Sprossspitze der Hauptachse. Am Aehrenstiel von Lycopodium alpinum dagegen tritt eine Gabelung auf; der Vegetationskegel wird durch zwei, rechts und links von ihm entstehende neue Vegetationspunkte ver- breitert, und hört dann zu wachsen auf; es wird, während die beiden Seiten- sprosse gabelig fortwachsen, der Scheitel des Muttersprosses ganz unterdrückt, ein Fall also, der unserem Schema Fig. 30C entspricht. Auch von hier aus lassen sich natürlich alle Uebergänge denken bis zu dem Falle, wo der Vegetationspunkt 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 191 der Hautachse nach Anlegung zweier Seitenzweige verkümmert, und diese, obwohl seitlich angelegt, sich nun als Gabelzweige entwickeln, die aber dem Gesagten zu Folge nicht aus einer »echten« Gabelung hervorgegangen sind. Bei den Samenpflanzen scheint Dichotomie in der vegetativen Region nur sehr selten vorzukommen,!) wohl aber bei der Inflorescenz- und Blüthenentwicklung, eine wiederholte Dichotomie findet z. B. wie WARMING gezeigt hat, bei der Entwicklung der verzweigten Staubblätter von Azcinus communis statt, auch die Entwicklung der Inflorescenz von Valeriana dürfte auf Gabelung beruhen. Eine eigenthümliche Form der Dichotomie, welche zum Schlusse hier noch erwähnt sein mag, findet sich bei den thallosen Lebermoosen, deren Vegetations- körper in manchen Fällen eine so ausgesprochen gabelige Verzweigung zeigt, _ dass darnach sogar Speciesbenennungen gebildet worden sind (Meizgeria furcata Fig. 32). Der nähere Vorgang wird durch die der Jungermanniee Aneura multıfıda entnommene Fig. 33 veranschaulicht. Der Vegetationspunkt derselben besitzt eine »zweischneidige« Scheitelzelle (v, v,, v3). Wenn sich der Scheitel zur Ver- Fig. 33. (B. 354.) Scheitel eines in Theilung resp. Verzweigung begriffenen Thallus von Azeura multifida. (Einstellung auf die Mittelebene) v, v,, v; Scheitelzellen der betreffenden Sprosse. M, und M, Mittellappen. zweigung anschickt, so verbreitert er sich zunächst, und dann bildet sich eine neue Scheitelzelle in der Nähe der alten, womit der Vegetationspunkt eines neuen Sprosses constituirt ist. Nun sprosst aus der Mitte des verbreiterten Vege- tationspunktes, zwischen den beiden Scheitelzellen eine Gewebepartie hervor, der sogenannte Mittellappen (M,, M, Fig. 33; f, f,, f, Fig. 32), der nun die beiden neuen Scheitel von einander trennt. In Fig. 33 sind sogar drei Vegetationspunkte zu sehen, da der Spross sich kurz hinter einander zweimal gegabelt hat, der Mittellappen M, ist eben in der Bildung begriften. Dieser Mittellappen vereinigt in sich die Anfänge der einander zugekehrten Seitenränder der beiden Tochter- sprosse, welche bei weiterem Wachsthum sich von einander trennen. Wenn die Gabelsprosse länger werden, so erscheint der untere Theil des Mittellappens als einspringender Rand der Gabelungsstelle (vergl. Metzgeria Fig. 32), da die Gabel- sprosse hier ihrer Entstehung nach zusammenhängen; ähnliche, nur etwas anders gestaltete Mittelstücke, durch welche die Gabelsprosse zusammenhängen, kommen übrigens auch in andern Fällen vor. Die thallosen Lebermoose?) bieten auch 1) Ein Beispiel bieten nach WARMING z. B. die Ranken von Fiäfis vulpina, ein Fall, der aber deutlich seine Beziehungen zur seitlichen, axillaren Verzweigung verräth, da einer der Ranken- zweige ein Stützblatt hat. 2) Es ist klar, dass man die Dichotomie derselben auch als eine »unechte« auffassen könnte, insofern als nicht wie bei Dicyota u. a. die Scheitelzelle selbst sich in zwei gleichmässige, den 192 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenor gane. instruktive Beispiele dafür, in wie verschiedener Weise ein dichotom angelegtes Verzweigungssystem sich ausbilden kann. Bei Metzgeria furcata verhalten sich die beiden Gabelsprosse auch in ihrer weiteren Ausbildung annähernd gleich, Metzgeria pubescens besitzt eine Hauptachse mit Seitensprossen, die sich weniger entwickeln, als der Hauptspross, obwohl sie am Scheitel ganz ähnlich angelegt sind, wie die von Metzgeria fur cata. b) Die seitliche Verzweigung ist, wie oben hervorgehoben, durch viel- fache Uebergänge mit der gabeligen verknüpft. Das Wesentliche derselben be- steht darin, dass unterhalb des fortwachsenden Scheitels neue Auszweigungen hervortreten, deren Wachsthumsrichtung selbstverständlich mit der des primären Vegetationspunktes einen Winkel macht. Die von PRINGSHEIM und HOFMEISTER!) vertretene Anschauung, dass jede in der Region des Vegetationspunktes erfolgte Anlegung seitlicher Achsen als eine Theilung der nackten, die jüngsten Blatt- anlagen überragenden Stengelspitze aufgefasst werden könne, ist in dieser Allge- meinheit durchaus unhaltbar, wie der Vorgang der axillären Verzweigung in .der vegetativen Region der Sprosse der Samenpflanzen zeigt, sie ist nur insofern richtig, als es, wie oben wiederholt hervorgehoben wurde, allerdings Uebergänge von der Gabelung des Vegetationspunkts zur seitlichen Verzweigung derselben giebt. — Behält nun der Vegetationspunkt des Hauptsprosses (dasselbe gilt aber auch für die Verzweigung der Blätter, Wurzeln etc.) seine Wachsthumsrichtung bei, so erscheint er als Fussstück (Podium), auf welchem die Seitensprosse inserirt sind, oder als Monopodium, die Verzweigung heisst eine monopodiale im Gegensatz zur sympodialen. Diese kommt zu Stande, wenn der Gipfel des Hauptsprosses sein Wachsthum einstellt, und durch stärkeres Wachsthum eines Seitensprosses, der sich nun in die Verlängerung des unter dem Gipfel des Hauptsprosses liegenden Stückes derselben stellt, zur Seite gedrängt wird. Dieser Vorgang kann sich mehrmals wiederholen, man erhält dann einen scheinbar ein- heitlichen Hauptspross, an dem Seitensprosse entspringen, der Hauptspross ist aber in Wirklichkeit zusammengesetzt aus verschiedenen, ungleichwerthigen Stücken, er ist ein Sympodium. Sehr klare Beispiele dafür liefern einige Thallo- phyten, von welchen Plocamium coccineum (Fig. 14) als Beispiel hervorgehoben sein mag. Die scheinbar einheitliche Hauptachse Ax ist ein Sympodium. A, be- zeichnet den Gipfel des ursprünglichen Haupttriebes, der aber seım Wachsthum eingestellt hat, und durch den Seitentrieb A, zur Seite gedrängt ist. Der oberste (der in einer Reihe stehenden) Aeste von Ax, A, drängt A, zur Seite, ebenso A, Ay, A, A, und A,, welches jetzt noch den Abschluss des Sprosssystemes bildet, wird durch A, ersetzt werden. Die unteren Stücke aller dieser verschiedenen Sprosse ‚setzen die sympodiale Achse Ax zusammen. Warum der jeweilige Hauptspross hier sein Wachsthum einstellt, dafür ist nicht der mindeste Grund bekannt. Einen ganz ähnlichen Vorgang finden wir bei manchen Holzgewächsen, welche die Eigenthümlichkeit zeigen, dass der Gipfel des Hauptsprosses in jedem Jahre verkümmert. Der der Gipfelknospe nächststehende Seitentrieb übernimmt Ausgangspunkt von zwei Gabelsprossen bildende Zellen theilt, sondern ein neuer Scheitel neben dem alten entsteht. Allein die alte Scheitelzelle selbst repräsentirt bei. der Gabelung den Scheitel einer neuen Wachstumsrichtung und in Wirklichkeit sind also auch hier aus dem alten Scheitel zwei/neue mit divergirenden Wachstumsrichtungen hervorgegangen, worin ich mit SACHS (Lehrbuch, IV. Aufl., Pag. 181. Anm.) das für die Dichotomie Wesentliches sehe. b) Allg. Morphol. pag. 414, wo auch der betr. Passus aus PRINGSHEIM eitirt ist. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 193 nun im nächsten Jahre die Eigenschaften einer Hauptachse: er stellt sich in die Verlängerung derselben und bildet sich eben so kräftig aus, wie sie. So ist es z. B. bei der Linde, deren Hauptstamm ein Sympodium darstellt, ferner bei Weiden, Hainbuchen, Kastanien u. a.!) Es wird in diesen Fällen die Sympodien- bildung dadurch hervorgerufen, dass die Gipfelknospe ihr Wachsthum ein- stellt und verkümmert. Sie kann aber auch künstlich veranlasst werden. Zer- stört man bei der Kiefer den Gipfel- trieb, so wird einer der obersten Wirtel- äste zum Gipfeltrieb, der sich in die Verlängerung der bisherigen Haupt- achse stellt. In anderen Fällen findet das Wachsthum der Hauptachse ihren Abschluss durch Blüthen- oder In- florescenzbildung, und der dem Gipfel nächststehende Seitentrieb übernimmt nun die Fortsetzung der Hauptachse. So sind z. B. die unterirdisch kriechen- den Stämme (Rhizome) von Convallaria multifiora und polygonatum zusammen- gesetzt aus Sprossketten verschiedenen Alters, welche die aneinandergereihten hinteren Stücke von Sprossen vor- Fig. 34. Eee stellen, deren oberer Theil über die Oberer Theil eines sympodialen Sprossensystems 2 . von Plocamium coccineum. Erde getreten war, Blüthen producirte und nun abstarb, während ein Seitentrieb sich in die Verlängerung der Rhizom- achse stellte, um im nächsten Jahre ebenfalls zu blühen und einen das Rhizom fortsetzenden Seitentrieb zu produciren. Man findet kräftige Rhizome, die aus mehr als zehn an einander gereihten, successiven Jahrgängen angehörigen Spross- stücken bestehen.?) Für den’ Gesammthabitus der Pflanzen ist die Differenz von monopodialer und sympodialer Verzweigung gewöhnlich ganz gleichgiltig, es tritt meist erst bei eingehenderer Untersuchung hervor, mit welcher Verzweigungsart man es zu thun hat. Es ist übrigens klar, dass Sympodien auch aus dichotomer Verzweigung hervorgehen können, dann nämlich, wenn bei jeder Gabelung sich ein Ast stärker entwickelt, als der andere, es kommt dann eine sympodiale Achse zu Stande, an der die schwächeren Gabeläste als Seitensprosse erscheinen. Auf die Besprechung der verschiedenen Ausbildungsformen der monopodial angelegten Verzweigungssysteme, Ausbildungsformen, die in zwei Kategorien, die der racemösen und cymösen Verzweigungen zerfallen, mag hier nicht näher eingegangen werden, da dieselben in jedem Lehrbuche ausführlich besprochen zu werden pflegen. Dagegen erheischen die Beziehungen der Verzweigung der Sprosse zur Blatt- bildung hier noch eine Erwähnung. I) Vgl. darüber: WIGAnD, der Baum. pag. 136 fl. 2) Vgl. IrmiscH, Knollen und Zwiebelgewächse. pag. 179. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. III. 13 194 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Bei radiär gebauten Sprossen höherer Pflanzen ist die Verzweigung meistens eine axilläre, d. h. die Seitensprosse stehen in den Achseln der Blätter. Die Beziehungen der Blätter zu ihren Achselsprossen sind namentlich durch WArMmıng’s eingehende Untersuchungen klargelegt worden.!) In der vegetativen Region ent- steht das Blatt in der Regel viel früher als seine Achselknospe. Es tritt dies be- sonders deutlich hervor bei Sprossen mit dekussirten Blättern, wie Aesculus, Syringa, Lonicera etc., man findet hier 1ı—4 Blattpaare oberhalb der Blätter, in deren Achsel die ersten Entwicklungstadien eines Achselsprosses sichtbar sind. Auch bei manchen Inflorescenzen (z. B. bei Amorpha, Salix) findet man die dem Vegetationspunkt nächsten Blätter noch ohne Achselknospen, allein häufiger ist in der Blüthenregion der Fail, dass die Achselknospen so früh nach Bildung ihrer Stützblätter sich entwickeln, dass sie die dem Vegetationspunkt am nächsten stehenden Seitensprossungen sind, also keine Blattanlagen über ihnen stehen, sei es nun, dass die Achselknospe unmittelbar nach ihrem Stützblatt (ZZantago, Orchis, Epipactis) oder gleichzeitig mit diesem (Gramineen, Cyisus Laburnum, Trifolium, Orchis mascula, Plantago) oder vor ihm (Brassica oleracea var. botrytis und andere Cruciferen, Umbelliferen etc.) entstehen. Endlich kommt es auch vor, dass Seitenknospen gebildet werden, ohne dass von einem Stützblatte der- selben auch nur eine Spur aufträte, so bei vielen Cruciferen, Compositen (wie /nula), Gramineen wie Secale cereale (im oberen Theil der Inflorescenz) u. a. Es findet also in der Blüthenregion eine Beschleunigung in der Seitenspross- bildung statt, welche vielfach verknüpft ist mit einer Reduktion in der Bildung der Stützblätter, welche bis zum völligen Verschwinden derselben geht. Diese Reduktion lässt sich oft an einer und derselben Inflorescenz von unten nach oben verfolgen, so bei den Gramineen. Die Stützblätter der Inflorescenzzweige sind hier im unteren Theile der Inflorescenz noch am meisten entwickelt, wenn sie auch über die Form von kurzen, scheidenartigen Primordialblättern oder Wülsten nicht hinausgehen, während sie im oberen Theile nur noch beı der ersten An- iegung der Seitenzweige wahrnehmbar sind, eine weitere Entwicklung aber nicht erreichen, oder, wie bei ‚Secale cereale sogar ganz fehlen. Aehnliches gilt für Sisymbrium, wo ebenfalls die an der Basis der Inflorescenz noch stattfindende Stützblattbildung weiter hinauf vollständig erlischt. Ebenso haben die äusseren Blätter in den Dolden mancher Umbelliferen noch Stützblätter, die inneren nicht. Hier wie in anderen Fällen wird der Schutz der Blüthenknospen auf andere Weise erreicht, bei den Umbelliferen z. B. durch die dicht gedrängte Stellung derselben. Die Seitensprosse, welchen die Stützblätter fehlen, haben aber keine andere Entstehung als die, bei welchen jene vorhanden sind, sie entstehen nicht, wie dies früher theilweise angenommen wurde, durch Theilung des Vegetations- punktes der Hauptachse. Der Ausdruck, ein Seitenspross stehe in der »Achsel« des Stützblattes giebt das Verhältniss beider nur in ganz allgemeiner Bezeichnung. Die genetischen Beziehungen dieser Organe sind ebenfalls von WarminG (a. a. O. pag. XIV ff.) genauer präcisirt worden. Es finden sich hier zwei Extreme. Die Achselsprosse können sich entweder ganz oder zum grössten Theil aus der Basis der Stütz- blätter entwickeln. (Amorpha, Salix nigricans, Sedum Fabaria, Hippuris), oder das Stützblatt entsteht nach seiner Achselknospe und auf dieser, so jedenfalls !) WARMING, forgreningsforhold hos Fanerogamerne (Vidensk. Selsk. Skr. 1872), pag. VIH des franz. R&esumes. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 195 in vielen Inflorescenzen, z. B. bei Anthemis, Sisymbrium, den Umbelliferen. In anderen Fällen (Inflorescenzen mehrerer Cruciferen, Gramineen, Papilionaceen etc.) geht das Stützblatt wenigstens grösstentheils aus der Basis der Achselknospe, die vor dem Stützblatt auftritt, hervor, es hat darin den Anschein, als theile sich eine am Vegetationspunkt der Hauptachse entstandene Organanlage in zwei Or- gane: Achselknospe und Stützblatt, in Wirklichkeit aber liegt hier weder eine »congenitale Verwachsung« von Achselknospe und Stützblatt, noch eine Theilung vor, sondern das Stützblatt entwickelt sich eben erst nach der Achseiknospe, und aus derselben, wobei aber, da die Achselknospe selbstverständlich continuir- lich in das Gewebe des Stammvegetationspunktes übergeht, auch Zellgruppen des letzteren (unterhalb der Achselknospe) sich noch an der Bildung des Stütz- blattes betheiligen können. Achselknospe und Stützblatt hängen also an ihrer Basis, anfänglich wenigstens, mehr oder weniger innig zusammen. Dieser Zu- sammenhang wird ein relativ unbedeutender sein, wenn die Achselknospe ober- halb des Stützblattes hauptsächlich aus dem Gewebe des Stengelvegetations- punktes allein entspringt, ein ausgedehnterer, wenn sich Gewebe des Stützblattes in grösserer Ausdehnung an der Bildung der Achselknospen betheiligt, oder das Stützblatt erst aus jener hervorsprosst. Ersteres ist z. B. der Fall bei der Seiten- sprossbildung von Zhaseolus multiflorus (vergl. die Fig. 113 pag. 150 in SAcHs, Lehrbuch der Botanik, IV. Aufl.) wo eine, unmi'teibar über der Stützblattbasis gelegene Zellgruppe des Stammvegetationspunktes es ist, aus der der Seitenspross hervorgeht, Es zeigt sich die Thatsache, dass zwischen Achselspross und Stütz- blatt ein direkter Zusammenhang nicht nothwendig stattfinden muss, ferner auch darin, dass beide im fertigen Zustand oft durch ein bedeutendes Stengelstück der Hauptachse von einander getrennt sind, so dass es den Anschein gewinnt, als entspringe der betreffende Seitenspross ohne Stützblatt aus dem Hauptstengel. Es kommt diese sogenannte »Verschiebung« der Achselknospen dadurch zu Stande, dass die Geweberegion zwischen Stützblatt und Achselknospe nachträg- lich noch eine mehr oder weniger bedeutende Verlängerung erfährt. So ist es z. B. in den Inflorescenzen von Sparganium ramosum: die Inflorescenzzweige stehen im Jugendzustand der Inflorescenz dicht über ihren Stützblättern, im unteren Theile der fertigen Inflorescenz mehrere Centimeter weit oberhalb der- selben. Dagegen wird ein »Hinaufwachsen des Deckblattes auf seinen Achsel- spross« stattfinden, wenn die dem Deckblatt und Achselspross gemeinsame Ge- weberegion an der Basis beider sich stark verlängert, und so Deckblatt und Achselspross emporhebt, wobei dann das Deckblatt natürlich ein Stück weit auf den Achselspross hinaufgerückt erscheint. Es werden durch diesen Vorgang scheinbar abweichende Insertionsverhältnisse der Seitensprosse erklärt, so z. B. bei Thesium ebracteatum und namentlich den Solaneen, bezüglich welcher hier nur auf die ausführliche Erörterung bei EiCHLER, Blüthendiagramme, I. Bd. pag. 199, verwiesen werden kann, wo auch die entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen, namentlich die WArMmIng’s, angeführt sind; auch auf die bekannte eigenthümliche Combination der Inflorescenzen von 7%ia mit dem einen ihrer Vorblätter kann hier, da es an Raum mangelt, um diese Verhältnisse eingehender zu besprechen, nur hingewiesen sein. Andere Fälle von extraaxillärer Verzweigung, erklären sich durch das Zurseitedrängen des Gipfelsprosses durch einen axillären Seitenspross. Ein sehr leicht zu beobachtendes Beispiel dieser Art bieten die blühenden Phytolaccasprosse. Die älteren Inflorescenzen entspringen scheinbar extraaxillär, einem Blatte gegenüber aus dem Hauptspross, allein man überzeugt sich durch By 196 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Betrachtung des Sprossgipfels leicht, dass die Inflorescenzen terminal sind, und durch einen axillaren, dann scheinbar die Fortsetzung der Hauptachse bildenden Seitenspross zur Seite gedrängt werden, und ähnliche Beispiele liessen sich noch ın Mehrzahl aufführen. Gelingt es so, viele scheinbar abweichende Fälle von anscheinend extra- axillärer Verzweigung auf axilläre zurückzuführen, so sind wir doch nicht be- rechtigt, die axilläre Verzweigung als die einzig gesetzmässige zu betrachten, und alle von ihr abweichenden Verzweigungsarten durch Annahme von Ver- schiebungen etc. auf sie zurückzuführen. Schon bei radiären Sprossen existiren extraaxilläre Zweige, von denen aber nur einige Beispiele angeführt werden sollen. Mit zu den berühmtesten gehören die Ranken von Vifs und Ampelopsis, von denen es keinem Zweifel unterliegen kann, dass sie metamorphe Sprosse darstellen, wie dies schon aus dem Auftreten von Blättern und (zuweilen) Blüthen an ihnen hervorgeht. Die Ranken sind stets blattgegenständig, und zeigen eine ganz regelmässige Stellung in der Art, dass je auf zwei rankentragende Knoten ein rankenloser folgt. Um auch dies Verzweigungsverhältniss auf die axilläre Verzweigung zurückzuführen, wird vielfach angenommen, dass hier ein ähnliches Verhältniss vorliege, wie es oben für ZAhyifolacca erwähnt wurde, dass nämlich die Ranken eigentlich die Sprossspitzen darstellen, welche durch einen kräftig sich entwickelnden axillären Seitenspross zur Seite gedrängt werden, in der Weise also, dass die ganze rankentragende Rebe ein Sympodium darstellt, bei welchem die jeweiligen zur Seite gedrängten Spitzen der relativen Hauptachsen zu Ranken umgebildet sind, ein Verhältniss, das wir direkt parallelisiren können mit dem oben für Plocamium coccineum geschilderten, wo die zur Seite gedrängten Hauptsprosse sich ebenfalls theilweise zu Haftorganen ausbilden (vergl. Fig. 34). Allein die Entwicklungsgeschichte die von zahlreichen Forschern untersucht ist!) führt zu einem andern Resultate. Sie zeigt, dass die Ranke nicht (wie es nach der eben angeführten Theorie zu erwarten stünde), bei ihrem Sichtbarwerden die Fortsetzung des darunter befindlichen Internodiums bildet, und erst nachträglich durch kräftigere Ausbildung des obersten Axillarsprosses (durch Uebergipfelung) zur Seite geworfen wird, sondern dass sie entweder gleich Anfangs die blatt- gegenständige Stellung des fertigen Zustandes hat (NÄGELI und SCHWENDENER, auch WARMING für Ampelopsis) oder aber aus dem Achsenscheitel selbst durch ungleiche Theilung derselben hervorgeht, wobei der andere Theil die Rebe fort- bildet (PRILLIEUX, WARMING für Vitis vulpina). Darnach sind also die Ranken extraaxilläre Zweige, die Rebe ein Monopodium?), wobei im Auge zu behalten I) Vergl. NÄGELI und SCHWENDENER, Mikroskop, II. Aufl., pag. 617 und 618, WARMING a. a O., weitere Literatur bei EICHLER, Blü thendiagramme, II. pag. 375- 2) EICHLER u. ä. betrachten die Weinreben trotzdem als Sympodien, EICHLER indem er annimmt, die Uebergipfelung sei »mehr oder minder« schon vollzogen, wenn die Theile äusserlich als Höcker sichtbar werden, und gestützt auf die Thatsache, dass alle Uebergänge von rein seitlicher Stellung der Seitenknospen am Vegetationspunkt der Hauptachse bis zu der Stellung sich finden, dass die Seitenknospen gleich bei ihrem Auftreten den Vegetationspunkt der Hauptachse zur Seite drängen. Derartige Fälle finden sich, wie oben erwähnt, instruktiv in den Aehrchen der Gräser, bei welchen Uebergänge von der seitlichen zur Terminalstellung der Blüthen sich finden, letztere ist z. B. rein ausgeprägt bei Ar/hoxanthum, wo der Aehrchenvegetationspunkt selbst zum Blüthenvegetationspunkt wird, während er in andern Fällen als zur Seite gedrängtes Spitzchen noch vorhanden ist. Wenn nun aber eine Theilung des ursprünglichen Vegetationspunktes in der Weise stattfindet, dass der grössere, kräftiger sich entwickelnde und die Verlängerung der Bent ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 197 ist, dass geringfügige Wachsthumsänderungen dazu genügen, um aus dem ursprüng- lich sympodialen Wuchs einer Pflanze einen monopodialen hervorgehen zu lassen, eine Veränderung, die sich im Verlaufe der phylogenetischen Entwicklung auch bei Vifis vollzogen haben kann, nur dürfen wir auch hier nicht einen solchen phylogenetisch möglichen und wahrscheinlichen Vorgang uns als bei der Ontogenie jedesmal vollzogen denken. Zumal es an extraaxillären Knospen ja auch sonst nicht fehlt, von denen hier noch die aus dem hypocotylen Stengelgliede von Euphorbia, Thesium und Linaria hervortretenden genannt sein mögen. Dieselben wurden bei Zuphorbia zuerst von ROEPER beschrieben, eine Zusammenstellung findet sich bei Braun, bot. Zeit. 1870, pag. 438 fl. Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen darüber sind mir nicht bekannt geworden, es fragt sich, ob diese Knospen, wie es scheint, als Adventivknospen zu betrachten sind, oder ob sie aus dem hypocotylen Gliede entspringen so lange es noch embryonale Beschaffen- heit hat, auch an die gleich zu erwähnende Knospenbildung von Arzstolochia Sipho u. a. könnte man dabei denken; Fragen, welche sich bei der Untersuchung keimender Euphorbiasamen unschwer werden entscheiden lassen. Eigenthümlich und von dem gewöhnlichen Schema abweichend ist auch die Entstehung mehrerer Knospen in, resp. über einer Blattachsel. Hiermit sind natürlich nicht diejenigen gemeint, welche durch Verzweigung der ursprünglich einzigen Achselknospe entstanden sind. Das letztere ist z. B. der Fall bei Cuscuta (nach Koch, Unters. über die Entw. der Cuscuteen in HansTein’s botan. Abhandl., Taf. 3 Fig. 22—24) und ein ähnlicher Vorgang ist von der einseitigen Theorie axillärer Verzweigung auch für andere Fälle angenommen worden. So stehen z. B. in den Biattachseln von Aristolochia Clematitis eine Anzahl von Blüthen in zickzackförmiger Anordnung in zwei Reihen, die ältesten am weitesten von der Blattachsel entfernt, bei Arzszolochia Sipho, Menispermum canadense, ober- halb der Cotyledonen von Juglans regia und in anderen Fällen stehen dagegen die Seitenknospen in einer einfachen Reihe oberhalb eines Blattes. Die ent- wicklungsgeschichtliche Untersuchung!) von Arisztolochia Sipho und Clematitis sowie von Menispermum canadense hat ergeben, dass diese Knospenreihen unab- hängig von einander aus dem Stengelgewebe entspringen. »Die Thatsache ist einfach die, dass in der Blattachsel, wo sonst ein Spross sich befindet, das Ge- webe des Stammvegetationspunktes eine Zeit lang im Zustand des Vegetations- punktes verharrt, und eine Anzahl von Knospen in progressiver Reihenfolge bildet.« Es entspringen die betreffenden Sprosse dann aus einem Gewebepolster, welches hervorgegangen ist, aus dem über der Blattbasis gelegenen interkalaren Stengelvegetationspunkt. Sehen wir ab von Aristolochia Clematitis, bei welcher die oberen der in Mehrzahl über einer Blattachsel vorhandenen Achselsprosse sich zu Blüthen, die unteren zu Laubsprossen ausbilden, so ist zu bemerken, dass bisherigen Achse bildende Theil zur Blüthe wird, so ist diese eben terminal, bleibt ein Stück des Vegetationspunktes noch übrig, so ist es seitlich. Aehnliches gilt auch für die Weinreben; gewiss berechtigen uns Gründe der vergleichenden Morphologie sie für abgeleitet von einem ursprüng- lich sympodialen Wuchs zu erklären, ihr jetziges Wachsthum aber, an das wir uns zunächst zu halten haben, ist ein monopodiales. Fälle, bei denen die Ranken stark entwickelt und an- scheinend terminal sind, sind für die vorliegende Frage nicht von Belang: sie zeigen zunächst nur, dass unter Umständen auch die Ranken, d. h. die Seitenzweige sich stärker entwickeln können, ein Verhalten, das dann mit dem von %hytolacca übereinstimmt. I) Ueber die Verzweigung dorsiventraler Sprosse, Arb. des Bot. Inst. in Würzburg, Bd. I. pag. 391. \ 198 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. die meisten der in Mehrzahl angelegten Achselsprosse sich gewöhnlich nicht ent- falten, sondern (bei den genannten Beispielen) nur der oberste, während die anderen zu Ruheknospen werden, und nur bei Verletzung der Hauptknospe aus- treiben. Bei Juglans regia!) z. B. findet man oberhalb der Blattachseln der Cotyledonen eine Anzahl (bis zu acht) Sprossanlagen übereinander, von welchen auch hier die oberste die kräftigste ist. Von allen diesen Sprossanlagen wächst aber gewöhnlich keine aus, sondern sie vertrocknen allmählich, und nach Ver- lauf weniger Jahre (nachdem die Achse etwas dicker geworden und die äusserste Rindenschicht abgestorben und oft zerspalten ist) findet sich keine Spur mehr von ihnen. Wenn aber der Endtrieb im ersten oder zweiten Jahre zerstört wird, dann pflegen eine oder einige der Sprossanlagen auszuwachsen. Ganz ähnlich verhält sich Gymnocladus canadensis, während die ebenfalls in Mehrzahl in den Blattachseln übereinanderstehenden Sprossanlagen von Gleditschia sinensis sich so verhalten, dass die oberste zu einem Dorne, die darauf folgende zum Laub- spross wird, während die weiter unten stehenden Knospen entweder zu Laub- knospen, oder (wenn sie erst an älteren Stammtheilen austreiben) ebenfalls zu Dornen werden?). Bei einigen Monokotylen finden sich Fälle, in denen Sprossanlagen in Mehr- zahl in einer Blattachsel nebeneinander stehen — sie entspringen wohl auch hier unabhängig von einander. Als Beispiel seien genannt Allium nigrum L. (IRMISCH, a. a. OÖ.) und die Inflorescenzen der Musa-Arten, bei ersterer Pflanze finden sich über der Insertion eines der Zwiebelblätter 10—20 (und mehr) zwiebelförmige Seitensprosse, bei letzteren stehen in den Achse!n der Brakteen Reihen von oft über 4o Blüthen. Nach einer Notiz von IRMISCH über Musa Cavendishii (a. a. O. pag. ı0) hat es aber den Anschein, als ob hier die Knospen nicht unabhängig von einander in der Blattachsel (collateral) entstünden; Irmisch fand nämlich in der Achsel einer Braktee einen Ast, auf dessen oberem Ende 8 weibliche Blüthen standen — eine entwicklungsgeschichtliche Untersuchung würde wohl diese Frage zum Austrag bringen. Es zeigen uns die genannten Beispiele, dass es eine unbe- rechtigte Verallgemeinerung wäre, wenn wir Blatt und Achselspross, wie dies öfter geschehen ist, gewissermassen als ein Ganzes betrachten wollten, von welchem in der Entwicklung bald der eine, bald der andere Theil vorauseilt. Dass zwischen Stützblatt und Achselspross nicht nothwendig immer die Be- ziehungen obwalten müssen, welche bei den radiären Samenpflanzen meist vor- handen sind, das zeigt einerseits die Verzweigung dorsiventraler Sprosse, anderer- seits die der radiären Moose und Gefässkryptogamen. Die letztere mag zunächst erwähnt werden. Von Blättern der Lebermoose ist nur eine radiäre Form be- kannt: /Zaplomitrium Hookeri?). Die Stämmchen desselben sind immer reich verzweigt, die Zweige sind rings um den Stengel inserirt, und nach LEITGEB ohne bestimmte Beziehung zu den Blättern. Auch bei den Laubmoosen ist eine solche in dem Sinne wie bei den oben beschriebenen Samenpflanzen nicht vor- handen. Es entsteht hier bekanntlich aus jedem Segmente der dreiseitig-pyra- midalen Scheitelzelle des Stämmchens ein Blatt; entwickelt sich ein Seitenzweig, so I) Vergl. über dieselbe und andere hierhergehörige Pflanzen: IrMmIscH, über einige Pflanzen, bei denen in der Achsel bestimmter Blätter eine ungewöhnlich grosse Anzahl von Sprossanlagen sich bildet, Abhandl. des naturw. Vereins zu Bremen, V. Bd. 2) Vergl. A. Hansen in Abh. der Senckenb. naturf. Gesellsch. Bd. XII, pag. 169. 3) Vergl. Bd. II, pag. 337. Habitusbild bei GoTTSCHE, nova acta Vol. XX. pag. I. Tab. XII. Fig. 1. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 199 entsteht er aus dem untern Theil des Segmentes, dessen obere Partie zur Blatt- bildung verwendet worden ist. In Fig. 35 entspringt eine Astanlage bei r: die dort, unterhalb eines Blattes gelegene Aussenzelle des Stämmchens wird zur Ast- Fig. 35. (B. 356.) A Längsschnitt durch eine Sprossspitze von Zontinalis antipyretica (nach LEITGEB). Der Scheitel wird eingenommen von einer »dreiseitig pyramidalen« Scheitelzelle, welche nach drei Richtungen hin Segmente bildet (vergl. den Querschnitt bei B). Aus jedem Segment geht ein Blatt hervor, bei r hat sich eine Astanlage gebildet. t Haar. scheitelzelle. Die Astanlage steht bei /onzinalis, wo wie der Querschnitt Fig. 35 B zeigt, die Blattstellung eine dreizeilige ist, oberhalb des in derselben Reihe nach unten folgenden Blattes, bei andern Moosen dagegen pflegen die Aeste zwischen zwei Blättern zu stehen. Uebrigens producirt durchaus nicht jedes Segment einen Seitenast. Bei Sphagnum ı. B. kommt auf je vier Blüthen immer ein Ast; bei Neckera, Thuidium, Hypnum u. a. finden sich zahlreiche Arten mit regelmässig zweizeiligen Aesten, während die Blätter nach 2 oder $# geordnet sind, ein Verhalten welches an das der 7%zja-Arten erinnert, deren Aeste vierzeilig beblättert sind, allein nur die auf den Flanken stehenden Blätter, und auch diese nicht alle, produciren Achselsprosse. Bei den radiären Farnen!) ist die Sprossanlage am Stammscheitel überhaupt selten. Sie fehlt ganz bei Ceratopteris, wo sie ersetzt ist durch reichliche Bildung blattbürtiger Knospen, ferner bei Ophioglossum?) und den Marattiaceen (mit Ausnahme von Danaea). Zu den genannten Fällen gesellen sich die der Verzweigung dorsiventraler Sprosse, welche bereits früher (pag. 143) kurz erwähnt wurden. Die Verzweigung I) Vergl. Bd. I, pag. 264 dieses Handb. 2) Bei Botrychium sind von ROEPER und HoLLE Seitenknospen am Stamme beobachtet worden, sie sind indess, wie es scheint, Adventivknospen. 200 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. ist bei ihnen meist keine axilläre, die Sprosse stehen zwar in der Nähe von Blättern, aber nicht in den Achseln derselben. So, um einige Beispiele »höherer« Pflanzen anzuführen, bei den heterosporen Filicineen. Die Seitensprosse stehen bei Salvinia, Azolla, Pilwlaria und Marsilia auf den Flanken der Stämmchen, die Blätter auf der Rückenseite derselben (mit Ausnahme der die Wurzel ver- tretenden Wasserblätter von Salvinia). Die Sprosse stehen am unteren Rande je eines Blattes, ganz ebenso wie bei der Floridee Zerposiphonia. Umgekehrt stehen bei Ufricularia und den Inflorescenzen der Boragineen die Sprosse ober- halb der Blätter, welche auf den Flanken inserirt sind, während die Seitensprosse auf der Rückenseite des Hauptsprosses stehen. Auch bei den dorsiventralen a, 172 AL u.” N \ V/R v7 (B.357.) Fig. 36. Scheitelansicht eines Spros- ses von Zepidozia reptans (nach LeitGesB). Im äl- testen Segment (T) ist in der unteren Hälfte eine Sprossanlage sichtbar (Sp), während sonst die untere Hälfte (x in Segment V) den unteren Blattlappen bildet. v Scheitelzelle. Sprossen, welche wie Se/aginella!) sich in einer Ebene verzweigen, sind die Seitensprosse nicht axillär, sie stehen auf den Flanken des Stammes, wo keine Blätter sich be- finden, da die zwei Reihen der Öberblätter höher, die der Unterblätter tiefer stehen. Nur nimmt der Seiten- spross gleich bei seiner Entstehung ein so grosses Areal der Seitenfläche des Hauptstämmchens in Anspruch, dass er in der Achsel des ihm nächststehenden Unterblattes zu stehen scheint. Ebensowenig sind die Zweige der dorsiventralen foliosen Jungermannieen axillär: sie stehen vielmehr unter den Blättern auf den Flanken des Stammes oft an Stelle des unteren Blattlappens?) (Fig. 36). Ueberblicken wir die angeführten Thatsachen, so zeigt sich, dass »das Gesetz« der axillären Verzweigung nur eine relativ beschränkte Giltigkeit hat, nämlich nur für die radiär verzweigten Samenpflanzen, und auch hier nicht ausnahmslos. Denn ausser den extraaxillär auftretenden Sprossen sind hier auch die zahlreichen Fälle zu nennen, in welchen in den Achseln der Blätter keine Axillarsprosse an- gelegt werden, wie ganz allgemein bei den Blattgebilden der Blüthen, den Knospenschuppen, den unteren Blättern des Jahrestriebes der Abietineen und Taxineen, den Hüllblättern mancher Inflorescenzen etc. HoFMEISTER hat den Beziehungen von Blatt- und Seitenspross einen treffenden Ausdruck gegeben, wenn er sagt (a. a. O. pag. 433) »Jene Versuche — (nicht axilläre Sprosse durch An- nahme von Verschiebung und Verwachsung auf das axilläre Schema zurückzu- führen) — werden ein Ende nehmen, wenn es allgemein erkannt ist, dass die beiden Wachsthumserscheinungen, deren eine zur Anlegung eines Zweiges, deren andere zur Anlegung eines Blattes führt, zwar häufig vergesellschaftet, nicht selten aber auch völlig getrennt auftreten«. 6. Verkümmerung. Ruhende Knospen. Es ist eine sehr verbreitete Erscheinung, dass am Vegstationspunkt mehr Zweiganlagen entstehen, als später . zur Entfaltung kommen. Dieselben verkümmern entweder sofort, oder sie bleiben in einem entwicklungsfähigen Zustand auf früher Stufe der Entwicklung stehen. Den erstgenannten Vorgang treffen wir besonders bei den Inflorescenzen: einiger- maassen reichblüthige Inflorescenzen wie z. B. die der Boragineen, vieler Labiaten, die von Oenothera biennis und viele andere zeigen ganz regelmässig, dass die !) Vergl. Bot. Zeit. 1881, pag. 700. ?) Für »die morphologische Natur« des Seitensprosses ist diese Stellung natürlich ganz irrelevant, er hat desshalb, weil er an Stelle eine$ Blattlappens auftritt, doch keinerlei Verwandt- Schaft mit einem solchen. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 201 letztgebildeten Blüthen nicht mehr zur Entfaltung gelangen, sondern verkümmern. Es ist dies bei den Inflorescenzen der Solaneen und Boragineen oft mit Blüthen der Fall, in welchen Kelch, Blumenkrone, Staub- und Fruchtblätter schon ange- legt sind. In ausgedehntestem Maasstabe findet sich dieselbe Erscheinung konstant in den Inflorescenzen vieler Gräser.!) In den Aehrchen der Poaceen z. B. pflegen stets mehr Blüthen angelegt zu werden, als zur Entfaltung kommen, in den Inflorescenzen von Coix ZLacrymae verkümmert regelmässig der Endtheil der männlichen Inflorescenz, bei den weiblichen Inflorescenzen aber, wie ich nachgewiesen habe, sämmtliche Aehrchen, bis auf das weibliche, und auch in diesem gelangt nur die Endblüthe zur Entfaltung, in der aber die Staubblätter obwohl, wie es scheint, vollständig angelegt, doch regelmässig verkümmern. Und eine ähnliche Reduktion kann auch die männliche Inflorescenz erfahren. Die Aehrchen von sSezaria, Pennisetum u. a. sind umgeben von einer aus Borsten bestebenden Hülle. Zweifelsohne sind, wie die Entwicklungsgeschichte zeigt, diese Borsten Inflorescenzzweige, an denen man auch zuweilen Blüthenrudimente wahrnimmt. Allein in den meisten der zahlreichen von mir untersuchten Borsten war keine Spur von Aehrenbildung an diesen Borsten wahrzunehmen?), und es zeigt dieser Umstand, dass ein scharfer Unterschied zwischen dem Fehlschlagen (der Verkümmerung) und dem gänzlichen Unterbleiben der Entwicklung von Sprossungen nicht zu machen ist. Wenn an einer Sefaria-Borste im einen Falle ein fast vollständiges Aehrchen, im andern nur eine Andeutung der G/umae, im dritten gar kein Aehrchenrudiment angelegt wird, so sind diese drei Stadien doch offenbar nur dem Grade nach von einander verschieden. Und ähnliche Fälle lassen sich auch von Blattbildungen anführen. So giebt Schmitz?) an, dass sich bei Artanthe Jamaicensis, einer Piperacee, nur das median nach hinten stehende Staubblatt des zweiten Staubblattwirtels ausbildet, aber schmächtiger ist als die drei Staubblätter des äusseren Kreises. In einzelnen Blüthen war aber das ge- nannte Staubblatt zwar als Höcker angelegt, kam aber nicht zur Ausbildung, schlug also fehl. Bisweilen aber unterblieb sogar die erste Anlegung eines solchen Höckers, ja sogar die ersten Zelltheilungen, wodurch die Bildung des- selben sonst eingeleitet zu werden pflegte. Schmitz hat das völlige Unterbleiben der Anlegung eines Organs als Ablast gegenüber dem Verkümmern, dem Abortus bezeichnet, aber wie EICHLER (Blüthendiagramme I, 52) gewiss mit Recht hervor- gehoben hat, ist eine wesentliche Differenz zwischen beiden Vorgängen nicht zu statuiren, die Annahme des Fehlschlagens eines Organs, seı dasselbe nun noch im rudimentären Zustand vorhanden oder nicht, wird immer durch Vergleichung gestützt werden müssen. Der Umstand, dass mit solchen Vergleichungen zu- weilen der schnödeste Missbrauch getrieben worden ist, hindert daran nichts. Nur wird man sich hüten müssen, alle verkümmernden Organe etwa als solche zu betrachten, die bei den Vorfahren der betreffenden Form entwickelt gewesen wären. Eine solche Anschauung wäre für die regelmässig verkümmernden Blüthen vieler Inflorescenzen rein in der Luft stehend. Wie ich an den Inflo- rescenzen der Gräser nachzuweisen gesucht habe, liegt hier vielmehr die Annalıme nahe, dass die in einer Inflorescenz vorhandenen plastischen Materialien zwar I) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte einiger Inflorescenzen. PRINGSHEIM’s Jahrbücher. Bd. XIV. pag. ı. ?) Man vergl. die entgegenstehenden Angaben in HOFMEISTER’s allg. Morphologie, pag- 547- 3) ScHMITZ, Die Blüthenentwicklung der Piperaceen in HAnsTEINn, Botan. Abhandl. II. Bd. ı. Heft. pag. 46. 202 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. zur Anlegung, nicht aber zur Entfaltung einer grösseren Anzahl von ÖOrganan- lagen ausreichen, und das kann bei den betreffenden Formen von jeher der Fall gewesen sein, denn es ist ja eine ganz allgemeine Regel, dass viel mehr Organ- anlagen gebildet werden als zur Funktion gelangen, sei dies nun wie in den ge- nannten Fällen durch frühzeitige Unterdrückung der Örgananlagen selbst‘ oder durch Zugrundegehen der tertig ausgebildeten Organanlagen. Allein auch vegetative Sprossanlagen giebt es, die regelmässig fehlschlagen, sogar die gipfelständige Sprossknospe selbst unterliegt diesem Vorgang bei manchen Gewächsen regelmässie. So bei manchen Algen, wie //ocamium, bei welchem, wie aus der Figur 34 hervorgeht, ein sympodialer Wuchs zu Stande kommt, und ebenso bei manchen unserer Holzgewächse, wie der Linde und der Syringe. Bei letzterer schlägt die Gipfelknospe jedes Laubzweiges fehl (sofern sie nicht eine Inflorescenz bildet) und die Achselknospen des unter ihr stehenden Blattpaares wachsen im nächsten Jahre zu Sprossen aus. Kein Zweifel, dass hier ein Correlationsverhältniss zwischen der Gipfelknospe und den beiden Seiten- knospen stattfindet; entfernt man frühzeitig genug die Seitenknospen, so ent- wickelt sich die sonst fehlschlagende Gipfelknospe und ähnlich mag es auch in anderen Fällen sein. Es ist das Stattfinden dieser Correlation aber ein weiterer Beleg für die oben ausgesprochene Ansicht über das Zustandekommen mancher Fehlschlagungen, denn es zeigt, dass die Gipfelknospe nicht eo i#so zum Fehl- schlagen prädisponirt ist, sondern dass dasselbe offenbar erst durch verminderte Zufuhr plastischer Substanz (welche in die Seitenknospen , wandert) veran- lasst wird. Anders verhält es sich mit den ruhenden Knospen. Sie büssen ihre Ent- wicklungsfähigkeit nicht ein, wenigstens zunächst nicht. Eine Grenze zwischen fehlschlagenden und ruhenden Knospen lässt sich aber auch hier nicht mit Schärfe ziehen. Der Vegetationspunkt der Kurztriebe der Kiefer (Pinus silvestris) sistirt seine Entwicklung nachdem er zwei Laubblätter producirt hat. Wird aber die Endknospe eines Kieternzweiges entfernt oder beschädigt, so wird der Vege- tationspunkt der obersten Kurztriebe zu neuer T'hätigkeit angeregt, ihnen strömen die plastischen Substanzen nun zu und einer oder mehrere bilden nun unter günstigen Umständen einen Langtrieb. Während der Kurztrieb also normal ver- kümmert, verhält er sich unter bestimmten Umständen wie eine Ruheknospe. Wie lang der Vegetationspunkt des Kurztriebes diese Fähigkeit behält (wohl kaum länger als ein Jahr), ist mir nicht bekannt. Normale Ruheknospen finden sich schon bei den Muscineen, sowohl bei thallosen als foliosen Formen. Unter ersteren sind hier Symphyogyna und Um- braculum zu nennen; Sprosse, die normal am Vegetationspunkt angelegt werden, können längere Zeit in einem Ruhezustand verharren, um sich dann entfernt vom Sprossscheitel weiter zu entwickeln. Unter den foliosen Lebermoosen besitzt Lejeunia solche Ruheknospen: die drei ersten Blätter eines Seitensprosses schliessen hier zu einer Hülle zusammen, welche den auf unbestimmte Zeit ruhenden Spross umgiebt, und erst bei dessen Weiterentwicklung durchbrochen wird. Bei Gefäss- kryptogamen kommen sie ebenfalls in Vielzahl vor, z. B. bei den Equiseten. An den unterirdischen Knoten bleiben die Zweiganlagen zum allergrössten Theile unentwickelt, es brechen aus ihnen aber Knospen hervor, wenn die unterirdischen Knoten aufstrebender Stämme dem Lichte ausgesetzt werden. Auch die Knospen an den oberirdischen Zweigen von Zguisetum hiemale x. B. bilden sich gewöhn- lich nur dann aus, wenn die Endknospe des Halmes beschädigt wird, es sprosst 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 203 dann der nächst untere Knoten aus. In weitester Verbreitung finden sich die Ruheknospen endlich bei dikotylen Holzgewächsen, wo sie ebenfalls durch Ver- letzung der Endknospen zum Austreiben veranlasst werden können, auch unter bestimmten (ungünstigen) Ernährungsverhältnissen tritt ein Austreiben der zu »Wasserreisern« sich gestaltenden Ruheknospen ein. Ruheknospen sind es auch vielfach, aus deren Austrieben der »Stockausschlag« gefällter Bäume beruht, sie sind mehrfach verwechselt worden mit den unten zu besprechenden Adventiv- knospen, die sich auf Baumstümpfen ebenfalls häufig bilden, und dann aus dem Cambium (resp. aus dem von demselben erzeugten Callus) hervorgehen, wie man dies z. B. bei Aesculus Hippocastanum leicht beobachten kann. Erwähnt sein mag hier nur noch, dass die Ruheknospen häufig von der Rinde des Baumes umwallt werden (wie bei Gleditschia sinensis) und dann bei ihrem Austreiben die- selbe durchbrechen. Bei Zagus silvatica, Sorbus Aucuparıa u. a. gehen aus diesen Ruheknospen eigenthümliche rundliche, unter der Rinde liegende Körper hervor, kleine, rundliche, vollständig von der Rinde des Hauptstammes um- schlossene und mit dem Holzkörper desselben nicht mehr in Verbindung stehende Holzknöllchen. Uebrigens lässt sich, wie oben schon angedeutet worden, zwischen Ruhe- knospen und Kurztrieben keine scharfe Grenze ziehen, die Kurztriebe bleiben nur auf einem späteren Stadium in ihrer Entwicklung stehen, als die Ruheknospen, können aber wie diese unter günstigen Umständen ebenfalls auswachsen. Die Kurztriebe!) (Brachyblasten Harrıig’s) unterscheiden sich von den anderen Laubzweigen dadurch, dass sie viel kürzer sind als diese, meist unentwickelte Internodien besitzen und in der Regel keine Seitensprosse produciren, wohl aber sind sie es vorzugsweise bei manchen Bäumen, (z. B. Pomaceen), auf denen die Blüthen auftreten. Die bekanntesten derselben sind die Nadelbüschel der Finus- Arten, deren Entwicklung auf ein Jahr beschränkt ist, während die Kurztriebe der Lärche /(Zarix europaea DC.) 4—6 Jahre hintereinander neue Blätter bilden, dann aber absterben, wenn sie nicht zu Langtrieben auswachsen, bei denjenigen Kurztrieben, die eine weibliche oder männliche Blüthe produciren, wird dadurch ihr Tod herbeigeführt. Es bleiben aber die durch Auswachsen der Kurztriebe entstandenen Langtriebe nach den Angaben von ARESCHOUG (a. a. O. pag. 71) kümmerlich, weniger dauerhaft und verzweigt als die normalen Langtriebe, ihre Aufgabe besteht wesentlich darin, männliche Blüthenkätzchen zu produciren. Immerhin aber geht aus dem Gesagten hervor, dass die Kurztriebe der Lärche nebenbei auch den Charakter von Ruheknospen haben — die Umstände, welche sie zum Auswachsen veranlassen, sind unbekannt. 7. Adventivknospen.?) Vielfach sind die aus der Rinde älterer Bäume her- vorbrechenden Knospen, von denen wir Grund haben, sıe als Ruheknospen zu betrachten, mit Adventivknospen verwechselt worden. Unter Adventivknospen verstehen wir hier im Gegensatz zu den »normalen« Knospen solche, die nicht am Vegetationspunkt, sondern direkt oder indirekt (durch Vermittlung eines Callus) aus schon in den Dauerzustand übergegangenen Gewebepartieen hervor- gehen. Es ist nicht zu erwarten, dass diese Definition uns eine scharfe Grenz- linie zwischen normaler und adventiver Verzweigung ziehe. Adventivknospen I) Vergl. über dieselben z. B. Wıcann, Der Baum, pag. 66 ff.; ArEsCHoUG, Beitr. z. Biol. d. Holzgewächse, pag. 371. 2) Hansen, vergl. Untersuchungen über Adventivbildungen bei den Pflanzen. Abhandl. der Senckenberg. naturf. Ges. Bd. XH. 204 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. sind z. B. auch solche, die aus Baumstümpfen an dem aus dem Cambium hervor- gegangenen »Callus« entstehen, das Cambium aber ist kein Dauergewebe. Trotz- dem werden wir diese Knospen als Adventivknospen betrachten, denn, wie schon im Worte liegt, liest im Begriffe des Adventiven auch das dem normalen Auibau überhaupt Fremde, neu hinzugekommene. Das Auftreten von Knospen auf Wurzeln wird ebenfalls als Bildung von Adventivknospen bezeichnet — bei den Podostemoneen aber ist es die normale Sprossbildung überhaupt. Kurz, hier wie in anderen Fällen ist es ein vergebliches Bemühen, die Mannigfaltigkeit der Ent- wicklung in Begriffe und Definitionen abgrenzen zu wollen. Bildung von Adventivknospen findet bei Thallophyten, Muscineen und Ge- fässpflanzen in reichlichster Weise statt, theils als Regenerationserscheinung bei Verletzung des Vegetationspunktes oder auf abgeschnittenen Pflanzentheilen, theils ohne bestimmbare äussere Ursache. Sie entstehen aus Oberflächenzellen des Randes oder der Mittelrippe bei der Floridee Desesseria, aus den Achseln der jüngeren Quirlblätter von iüberwinterten oder abgeschnittenen Charasprossen, aus den hyphenartig ausgewachsenen Zellen im Gewebe der /ucus-Arten (also hier endogen) etc. Bei manchen thallosen Lebermoosen, wie namentlich Mezz- geria furcata sind sie ungemein häufig, sie entspringen hier gewöhnlich aus einzelnen Zellen des Randes, seltener aus der Mittelrippe. Gewöhnlich entstehen sie auch hier aus Oberflächenzellen, nach LEITGEB finden sich aber auch endogen ange- legte Sprossungen, die sich auf eine, unmittelbar unter der oberflächlichen Zell- schicht gelegene Innenzelle zurückführen lassen ; der aus derselben hervorgehende Spross durchbricht dann seine Hülle. Auch bei foliosen Lebermoosen finden sich auf der Bauchseite des Stämmchens exogen und endogen angelegte, bei ZopAoco- lea bidentata bilden sich auf den Blättern Adventivsprosse. Bei den Laubmoosen ist die Adventivsprossbildung aus Stämmchen und Blättern eine indirekte, indem sie stets durch Protonema vermittelt wird. Bei vielen Farnen finden sie sich auf der Blattfläche, oder wie bei Aspzdium filix mas auf dem Blattstiele (vergl. Bd I. pag. 267 dieses Handbuches) bei manchen derselben kann man zweifelhait sein, ob man die Bezeichnung »adventiv« noch auf sie anwenden kann, da sie schon sehr frühzeitig auf dem Blatte entstehen — sie sind sämmtlich exogener Ent- stehung. Bei Op/uvoglossum finden sich Adventivknospen auch auf den Wurzeln, sie sind es nach HOFMEISTER, durch welche OpAioglossum peduncwlosum perennitt, während der gesammte Spross nachdem er die fertilen Blätter producirt hat, ab- stirbt, ähnlich wie dies bei manchen Phanerogamen der Fall ist. Von den Ad- ventiv-Bildungen der letzteren sollen hier nur einige als Beispiele genannt werden, deren Entwicklung näher untersucht ist. Sie finden sich hier normal nament- lich auf Blättern und Wurzeln. Das bekannteste Vorkommen ist das von Dryo- phyllum calycinum, bei welchem die Adventivsprosse in den Kerben des Blatt- randes angelegt werden, hier wie bei allen Adventivsprosse bildenden Blättern entstehen sie exogen, sie entwickeln sich aber, solange das Blatt an der Pflanze sitzt, nicht weiter. Bei Cardamine pratensis (vergl. Hansen a. a. O.) finden sich die Adventiv- sprosse auf der Blattfläche an der Gabelung der Nerven. Sie entstehen als exo-, gen angeleste Höcker, an denen auch bald Wurzeln auftreten, die aber ab- weichend von dem sonstigen Verhalten ebenfalls exogen angelegt werden (eben- so auch die Adventivwurzeln, die hier, wie bei Maszurtium officinale und syWwestre in den Blattachseln der Pflanzen entspringen, während die entsprechenden Wurzeln anderer Wasser- und Sumpfpflanzen die gewöhnliche endogene Entstehung zeigen, 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte. des Laubsprosses., 205 so z. B. Veronica Beccabunga, Polygonum amphibium u. a.) Auch bei der Aroidee Atherurus ternatus bilden sich normal auf den Blättern je zwei knollenförmige Adventivsprosse, der eine auf dem Blattstiele, der andere an dem Vereinigungs- punkt der drei Theilblättchen auf der Blattfläche.!) Die erwähnten Adventivsprosse von Phanerogamen werden angelegt, so lange die Blätter noch im Zusammenhang mit der Mutterpflanze sind. Sehr viele Pflanzen aber sind dadurch ausgezeichnet, dass an ihren Blättern Adventivsprosse sich erst bilden, wenn sie von der Mutterpflanze abgelöst und unter günstigen Umständen kultivirt werden, eine Eigenthümlichkeit, deren sich die gärtnerische Praxis vielfach zur Vermehrung der Pflanzen bedient. Es bildet sich bei abge- schnittenen, feucht gehaltenen Blättern oder Sprossen an der Schnittfläche zunächst, ehe adventive Sprosse und Wurzeln auftreten eine Gewebewucherung, welche als Callus bezeichnet wird. Es betheiligen sich an der Bildung desselben die sämmt- lichen wachsthumsfähigen?) Gewebeelemente der Schnittfläche, auch wenn sie schon in den Dauerzustand übergegangen waren, es wird durch den Callus die Wundfläche mit bildungsfähigem Gewebe überzogen, das entweder nur zur Gewebe- regeneration dient, oder auch der Ausgangspunkt von Spross- und Wurzelbildung, nicht selten auch nur der letzteren allein, ist. Aus dem Callus des Blattstecklings von Achimenes z. B. gehen exogen ange- legte Sprossanlagen hervor, auch Wurzeln, diese aber entstehen endogen. Auch bei Degonia- Blattstecklingen?) entstehen zahlreiche Adventivsprosse aus dem Callus, ausserdem aber treten sie auch auf der Blattläche auf, und zwar ent- stehen sie hier merkwürdigerweise ausschliesslich aus der Epidermis, aus einer oder wenigen Zellen. Der Ort der Adventivsprossbildung ist dabei insofern ein bestimmter, als am unverletzten, abgeschnittenen Blatt die Adventivsprosse an der Vereinigunsstelle der Hauptnerven des Blattes an der Grenze zwischen Blattbasis und Stiel auftreten, dagegen kann man auch an andern Stellen des Blattes Sprossbildung hervorrufen, wenn man die Blattnerven durchschneidet; dann entstehen theils in der Nähe des Schnittes, theils entfernter von demselben auf der ganzen Länge der Blattnerven zahlreiche Adventivsprosse. Die Wurzeln treten hier zunächst unabhängig von den Sprossen auf, erst später entwickeln diese selbst auch Adventivwurzeln. Auch auf den Wurzeln treten Adventivsprosse in zahlreichen Fällen auf, so z. B. bei Anemone silvestris. Man findet hier auf den Wurzeln oft lange Reihen endogen angelegter Adventivsprosse verschiedener Entwicklung und es beruht auf dieser Eigenthümlichkeit vorzugsweise der gesellige Wuchs dieser Pflanze®). WARMING hat eine Liste gegeben’) aus der hervorgeht, dass Adventivsprossbildung auf Wurzeln bei einer ganzen Reihe von Holzpflanzen und Kräutern vorkommt. Am auffallendsten ist dieselbe wıe schon erwähnt bei den Podostemoneen, bei welchen in progressiver Reihenfolge auf den Wurzeln Sprosse auftreten (vergl. die Entwicklungsgeschichte der Wurzeln). !) Analoge Vorkommnisse (Bildung von Adventivsprossen auf Blättern) mögen hier noch von Malaxis paludosa und Drosera erwähnt sein. ?) Bastfasern, Gefässe, Tracheiden und andere Gewebeelemente, deren Protoplasmakörper verschwunden ist, sind natürlich davon ausgeschlossen, die Epidermis aber nicht (nach Hansen). 3) Vergl. REGEL, Die Vermehrung der Begoniaceen aus ihren Blättern. Jen. Zeitschr. für Naturw. 1876. #), Ueber die Sprossverhältnisse derselben vergl. IRMIscH, Ueber einige Ranunculaceen, Bot. Zeit. 1857, pag. I. 5) WARMING, smaa biologiske og morfologiske Bidrag in Botanisk tidskrift, 1877. 206 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. $ 3. Blattentwicklung. Zur Geschichte. Schon bei MArricHt!) finden sich, wie oben kurz erwähnt wurde, Angaben über die Entwicklungsgeschichte des Blattes. Nachdem er in ausgezeichneter Weise die successiven Formveränderungen geschildert hat, welche die auf- einanderfolgenden Knospenschuppen der austreibenden Knospen die »/ola cadıca« darbieten, untersucht er auch die Entwicklung der »folia stabilia«, der Laubblätter. Den Vegetationspunkt unterscheidet er noch nicht von den jüngsten Blattanlagen. Er fasst seine Untersuchungen dahin zusammen (a. a. O. pag. 30) Naturae pariter methodus in producendis stabilibus folis mirabilis est. Primo enim costula seu petiolus, carinae instar humore turgidus cum appensis fibrulis manifestatur e quibus probabiliter sacculorum seu utrieulorum transversalium membranulae pendent (d. h. die Nebenrippen mit der Blattlamina) #7 in animalum fprimaeva delineatione observatur. Patent autem deduclo novo alimento, gwa complicata sacculorum moles, subintrante succo, turget et ita folii latitudinem et laxitatem conciliat.« Tiefer eindringend waren die Untersuchungen von C. F. WOoLFF?). Er erkannte, dass die Blätter entspringen an der über die jüngsten Blattanlagen hervorragenden Spitze des Stengels, in welcher noch keine Gewebegliederung wahrnehmbar ist. Hier, am Vegetationspunkt (»ze omni momento opus sit, largamı descriplionem instituere, liceat vocare hacc loca generatim puncta vegetationis vel superjicies vegelationis) entstehen die Blätter durch Ausscheidung des »szwcus nutritivus«, dessen Austreten hier nicht durch Epidermis oder Rinde gehemmt wird. Er erkennt die »akropetale« Anordnung der Blätter, unterscheidet zwischen Anlegungs- und Ausbildungsstadium, und weist nach, dass getheilte Blätter durch Verzweigung ursprünglich einfacher Anlagen entstehen. Die Mittelrippe lässt er zuerst entstehen, an ihr entsteht durch Ausscheidung ein heller Rand, die Blattlamina, an welcher nun durch neue Ausscheidung die foliola entspringen. Die nun folgenden, einem viel späteren Zeitraum angehörigen Untersuchungen beschäftigen sich vor Allem mit der Frage, ob das Wachsthum des Blattes von oben nach unten (basipetal) oder von unten nach oben (akropetal) erfolge. Hierher gehören abgesehen von Spekulationen ohne eigene Untersuchungen, wie sie bei DE CANDOLLE (Organographie, I. pag. 354) u. a. sich finden, die Arbeiten von STEINHEIL, MERCKLIN, SCHLEIDEN, NÄGELI, TRECUL u. a. STEINHEIL?) findet das Blatt wachse von oben nach unten, die Spitze sei also der älteste Theil, bei den zu- sammengesetzten Blättern aber (a. a. O., pag. 288) seien die obersten Blättchen die jüngsten. SCHLEIDEN’s Behauptung*), dass sich das Blatt gleichsam aus der Achse hervorschiebe, die Spitze sein ältester, die Basis sein jüngster Theil sei, regte zu lebhafter Discussion an. Während MERCKLIN®) SCHLEIDEN’s unglückliche Theorie durch eine Reihe von Untersuchungen zu stützen suchte, trat NÄGELI®) derselben entgegen. SCHLEIDEN’s Forderung (a. a. O., pag. 167) den Bildungsprocess des Blattes in die Bildungsgeschichte seiner einzelnen Zellen aufzulösen, reali- sirend, wendete er sich an die niederen Gewächse, Algen und Moose, deren einfachere Organi- sation eine Untersuchung der Zellfolge gestattete. Dass das Blatt hier nicht aus der Achse hervorgeschoben wird, sondern aus einer einzigen Oberflächenzelle entsteht, lässt SCHLEIDEN’S Theorie, wenigstens für die untersuchten Fälle als unhaltbar erscheinen. NÄGELI zeigte, dass >1. die »peripherische Zellenbildung« (d. h. die an der Spitze und am Rande) von oben nach unten fortschreite, dass also die Basis des Blattes zuerst, die Spitze desselben zuletzt angelegt werde; 2. dass die auf die peripherische Zellbildung folgende allseitige (interkalare) Zellenbildung bald zuerst am Grunde, bald zuerst am Scheitel, bald gleichzeitig am ganzen Blatte aufhöre; 1) Marcelli Malpighii opera omnia Londini 1686. 2) Theoria generationis in der oben angeführten Ausgabe. 3) Observations sur le mode d’accroissement des feuilles. Ann. des scienc. nat. Ser.2. t. VII. 1837. #4) Grundzüge der wiss. Bot. II. pag. 167. In sonderbarer Form findet sich derselbe Ge- danke auch bei NAUDIn, Ann. des scienc. nat. Ser. 2. 1842, t. XVII. (resume de quelques ob- servations sur les döveloppement des organes appendiculaires). 5) C. E. v. MERCKLIN, Zur Entwicklungsgeschichte der Blattgestalten. Jena 1846. 6) NÄGELI, Ueber Wachstum und Begriff des Blattes. Zeitschr. für wissensch. Botan. 3. u. 4. Heft (1846). pag. 153. BR > IS \ , ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 207 3. dass die Zellenausdehnung ebenfalls entweder von oben nach unten oder von unten nach oben fortschreite, oder überall gleichzeitig eintrete.« Von Phanerogamenblättern wurden Utrieu- laria, Astragalus, Myriophyllum untersucht und gezeigt, dass bei letzterer Pflanze die Seitenblättchen in basipetaler Reihenfolge angelegt werden. Es besitzt das Blatt hiernach also ursprünglich einen apikalen Vegetationspunkt, er kann aber längst in Dauergewebe übergegangen sein, während am basalen Theil noch Zellbilduug reichlich stattfindet, indem das Gewebe hier embryonalen (Vegetationspunkt-) Charakter behält. Kingehend wird das Blattwachsthum der Phanerogamen in einer späteren Arbeit an Aralia spinosa erörtert.!) TrREcUL’s?) ausgedehnte Untersuchungen, die sich aber nicht mit der Zellbildung befassen, brachten eine reiche Menge werthvoller Thatsachen, aus denen zunächst hervorgeht, dass der Vorgang der Blattgestaltung bei verschiedenen Pflanzen, sogar derselben Gattung, ein sehr ver- schiedener sein kann, die Entwicklung der Seitenglieder z. B. bald in akro- bald in basipetaler Reihenfolge stattfindet, oder sogar von einem Punkte aus nach beiden Seiten hin fortschreitet. Sein Irrthum, dass die Blattscheide zuerst entstehe, ist später durch EICHLER berichtigt worden, unzweifelhaft ist die Basis des Blattes sein ältester Theil?), allein aus der Blattanlage gestaltet sich die Blattscheide erst viel später hervor, wie man z. B. an jedem Grasblatt sehen kann. Die Basis des Blattes gewinnt nämlich nicht sofort den Charakter der Blattscheide, sondern erst durch interkalares Wachsthum wird die letztere aus dem Basaltheil des Blattes aufgebaut. — Eine Klarlegung dieser Verhältnisse und Berichtigungen und Erweiterung der Angaben TRECcuL’s findet sich in EICHLER’s werthvoller Dissertation »Zur Entwicklung des Blattes mit besonderer Berücksichtigung der Nebenblattbildungen«, Marburg 1861. — In HorumEIsTer’s Morphologie wird namentlich die Vertheilung des Wachsthums im Blatte ausführlich erörtert, auch über die Entwicklung ein (freilich nicht gerade sehr eingehender) Ueberblick gegeben. — Seither sind einige Einzelheiten, die soweit sie von Interesse sind, unten erwähnt werden, hinzugekommen. Eine Verwendung der entwickelungsgeschichtlichen Thatsachen zur allgemeinen Morphologie des Blattes, und speciell zu einer Klarlegung der Metamorphosenlehre habe ich in dem Aufsatze »Beitr. zur Morphologie und Physiologie des Blattes«*) zu geben versucht. Wie in der Uebersicht über die aligemeinen Gestaltungsverhältnisse des Vegetationskörpers der Pflanzen gezeigt wurde, finden sich schon bei den Thallo- phyten zahlreiche Fälle, die wir unter dem Begrift der Blattbildung subsumiren können. Es entstehen nämlich an den Sprossachsen seitliche Auswüchse be- grenzten Wachsthums, deren Existenz meist auch eine kürzere als die der Sprossachse ist, und deren Hauptaufgabe in der Assimilation des Kohlenstoffs be- steht, ohne dass ihnen dieselbe ausschliesslich übertragen wäre. Dahin gehören z. B. die fiederig gestellten Ausstülpungen an den Sprossachsen der Siphonee Bryopsis, welche nach Abschluss ihrer Entwicklung von der Hauptachse abfallen, nachdem sie durch einen Gallertpfropf von dem Lumen derselben abgetrennt sind. Man findet an der Hauptachse dann später die Stellen, wo die Blättchen gewesen sind, in Form von Blattnarben. Zahlreiche andere Beispiele lassen sich von andern Chlorophyceen und Florideen anfügen, erwähnt sein mag von den letzteren die früher geschilderte Folyzonia (Fig. 9), von den ersteren die bekannten Verhältnisse bei den Charen, wo die Blätter in wirteliger Stellung auf den Stammknoten sitzen, sie erfahren eine anatomische Gliederung, welche der der Sprossachse gleicht, und tragen auch (wenngleich nicht alle) in ihren Achseln !) Wachsthumsgesch. des Blattes von Aralia spinosa (Pflanzenphysiol. Unters., pag. 88). 2) TRECUL, m&moire sur la formation des feuilles. Ann. d. sc. nat. Ser. II. t. 2o. pag. 235 ft. 3) Es genügt, sich der von NÄGELI gegebenen Entwicklungsgeschichte des Moosblattes zu erinnern: die ältesten Segmente der Blattscheitelzelle bilden die Blattbasis, die jüngsten die Blattspitze. 4) Bot. Zeit. 1880. 208 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Sprosse. Es sind die Blätter der Charen mit ihrer Gliederung in Knoten und (berindete) Internodialzellen jedenfalls complicirter gebaut, als die der beblätterten Lebermoose, die nur aus einer einfachen Zell- platte bestehen, die nicht einmal durch einen Mittelnerv abgetheilt ist. Aehnliche einfache Blattformen finden wir auch bei manchen Laubmoosen, oder wenigstens in bestimmten Alterstadien derselben. Was den Blättern an Grösse abgeht, wird hier wie in anderen Fällen, z. B. den 7huja-Arten durch die Menge der- selben ersetzt. Ein Fortschritt in dem Blatt- bau den Lebermoosen gegenüber liegt in dem Auftreten eines gewöhnlich mehrschichtigen Mittelnerven, der einerseits vermöge seiner verdickten, mechanisch wirksamen Zellen als wirkliche Blattrippe, welche das Blatt aus- steift, dient, andererseits in seinen nicht ver- dickten Zellen wohl die Funktion hat, die im Blatte gewonnenen assimilirten Stoffe dem Stamme zuzuleiten. Wie relativ complicirt das Blatt hier werden kann, zeigt z. B. Polytrichum (Fig. 37), hier nimmt der Mittel- nerv (wie aus vergleichenden Untersuchungen hervorgeht) fast die ganze Blattfläche ein, die eigentliche, einschichtige Blattlamina ist am Grunde des Blattes zwar als ziemlich umfang- reiche Blattscheide entwickelt, im oberen Theil aber, aus welchem der Querschnitt Fig. 37 entnommen ist, dagegen nur durch einen schmalen, in der Figur (oben) nur drei Zellreihen breiten Saum repräsentrirt. Dafür hat aber der Mittelnerv auf seiner Oberfläche eine Anzahl von auf dem Blatte rechtwinklig stehender, dasselbe der Länge nach durchziehender Lamellen entwickelt, welche in ihren Zellen reichlich Chloropyll enthalten, und so die Funktion übernehmen, die sonst der Blattiamina zukommt. — Wenden wir uns zu den Gefässkryptogamen, so finden wir bei den Lycopodien Blätter, die nicht -<\ viel grösser sind als die der Laubmoose und — ebenfalls den Stamm bedecken, doch aber schon eine höhere anatomische Ausbildung besitzen, |sie sind mehrschichtig, von einem Gefässbündel durchzogen, und besitzen Spalt- öftnungen, die denen der Muscineen noch ganz abgehen, während dieselben z. B. an den Sporogonien dieser Abtheilung vor- kommen. — Bei den Farnkräutern dagegen erscheint das Blatt schon in seiner höchsten Vollendung, in oft riesigen Dimensionen in mannigfaltiger Verzweigung (B. 358.) Fig. 37- Querschnitt durch den oberen Theil eines Blattes von Polytrichum commune. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 209 und seine Spreite durchzogen von vielfach verästelten Gefässbündeln. In mannig- facher Variation bleibt diese Blattform von nun an durch die Gymnospermen hin- durch bis zu den Samenpflanzen die herrschende: wir finden das Blatt gewöhnlich gegliedert in einen (kürzeren oder längeren, zuweilen auch ganz fehlenden) Blatt- stiel und eine Blattspreite, die einfach oder verzweigt und von einem Netze von Gefässbündeln, deren letzte Aeste im Blattgewebe blind endigen, durchzogen ist. Fassen wir nun die Blattentwicklung näher ins Auge, so werden wir uns Fig. 38. (B. 359.) A Längsschnitt durch den Gipfel einer unterirdischen Knospe von Zguisetum Telmateja (nach SAcHs), S Scheitelzelle. Die Blattanlagen gehen aus Oberflächen- zellen des Vegetationspunktes hervor, die sich aber noch durch perikline Wände theilen. Bei x und y erste Andeutung der Blattanlagen, welche am Vegetations- punkt als Ringwall erscheinen. Nicht alle Zellen, die sich zur Blattanlage hervor- wölben, werden bei deren weiterer Entwicklung verwendet, sondern nur die beiden obersten Zelllagen: aus dem unteren (rr) geht ein Theil der Stammrinde hervor. zunächst mit dem Blattwachsthum im Allgemeinen, seinem Verhältniss zur Spross- achse, und endlich mit der Formentwicklung des einzelnen Blattes, und mit der Um- und Rückbildung, welcher die Blätter bei bestimmten Pflanzenformen unter- liegen, zu befassen haben. ı. DasBlattwachsthum im Allgemeinen. Hier ist zunächsthervorzuheben, dass die Blätter immer als seitliche Protuberanzen am Vegetationspunkt der Spross- achse (pag. 176 ff.) entstehen.t) Niemals geht ein Blatt aus einem nicht mehr im Zustand des Vegetationspunktes befindlichen, also nicht mehr aus embryonalem I) Bezüglich »terminaler« Blätter vergl. die Entwicklungsgeschichte der Blüthen. ScHen&k, Handbuch der Botanik. Bd. III. 14 210 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Gewebe bestehenden Stengeltheil hervor. Der Satz, dass die Blattanlage immer eine seitliche Bildung an einem Stengelvegetationspunkt sei, gilt aber nur für das postembryonale Wachsthum. Die ersten Blätter, die an dem Embryo der Gefässpflanzen (Gefässkryptogamen und Samenpflanzen) angelegt werden (in Ein- oder Mehrzahl), die Cotyledonen, entstehen unabhängig von dem Stammvegetations- punkt, der gleichzeitig mit ihnen an der vorher ungegliederten Embryonalanlage angelegt wird. (Vergl. den Abschnitt über Embryonalentwicklung). Während die Wurzeln in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle dadurch ausge- zeichnet sind, dass sie endogen entstehen, also immer äussere Gewebeschichten durchbrechen müssen, ist das Blatt immer exogener Entstehung, die Oberfläche des Vegetationspunktes geht direkt in die Blattanlage über. Die letztere entsteht bei den Moosen und Farnen aus einer einzigen’Öberflächenzelle des Stengelvege- tationspunktes, die sich zur Mutter- und Scheitelzelle des Blattes gestaltet, bei Ophioglosseen, Schachtelhalmen, Lycopodien dagegen ist es eine Gruppe von Oberflächenzellen, welche der Blattanlage ihren Ursprung giebt (Fig. 38 A). Es sind dies indess Pflanzen, bei welchen eine junge Epidermis (Dermatogen) am Stengelvegetationspunkt von dem darunterliegenden Gewebe noch nicht gesondert ist. Bei den Samenpflanzen, bei welchen dies der Fall ist, tritt die Blattanlage, wenigstens in den bis jetzt bekannten Fällen immer als Höcker auf, der von der Hautschicht überzogen ist, an dessen Bildung sich aber auch tiefer gelegene Zell- schichten des Stammvegetationspunktes (des Periblem’s) betheiligen. Der einzige als Ausnahme hierherzuziehende Fall wäre etwa das Perianth von Zphedra. Es entsteht nach STRASBURGER (Coniferen, pag. 133) aus Epidermiszellen. Dass dies bei den Laubblättern nicht geschieht, beruht darauf, dass zur Bildung von grösseren, dem Stengel mit breiter Basis aufsitzenden Organen immer auch eine grössere Anzahl von Gewebeschichten des Stammvegetationspunktes verwendet werden. Bei manchen Wasserpflanzen (Zippuris, Potamogeton u. a.) ist es nur die äusserste Periblemschicht, die sich bei der Anlegung des Blattes betheiligt, in anderen Fällen treten dazu noch die dritte und vierte. Bei Zlodea ist das Periblem nur in der Mittellinie der Blattanlage bei der Bildung derselben be- theiligt, die Hauptmasse des Blattes wird vom Dermatogen allein gebildet (die in der Literatur sich findende Angabe, dass die Zlodea-Blätter ausschliesslich Der- matogenerzeugnisse seien, beruht auf einem Irrthum, entsprungen aus der Betrachtung nicht durch die Mittellinie des Blattes geführter Schnitte). Aehnlich bildet sich auch die Spatha von Vallisneria nach WARMING grössten- theils aus dem Dermatogen (Forgreningsforhold etc. pag. VII. d. französ. Re- sume’s). Wir können also, wenn wir zunächst die Cormophyten ins Auge fassen, die Blätter bezeichnen als hervorgegangen aus der Rindensubstanz des Stamm- vegetationspunktes. Die Richtigkeit dieser Bezeichnung wird dadurch ferner er- wiesen, dass in der That der untere Theil von Blattanlagen sehr häufig mit in den Aufbau der Stengelrinde eingeht, wie dies die verschiedensten Beispiele zeigen. Sehr auffallend z.B. die Laubmoose. Dieselben besitzen einen Vegetationspunkt, der mit einer dreiseitig-pyramidalen Scheitelzelle endigt. Diese liefert drei Reihen von Segmenten, aus jedem Segment geht eine Blattanlage hervor, welche die ganze freie Oberfläche des Segmentes in Anspruch nımmt (a a Fig. 39.) Der Vege- tationspunkt ist also ganz bedeckt mit Blattanlagen, zwischen denen eine freie Stengeloberfläche nicht zu sehen ist. Diese kommt erst dadurch zu Stande, dass von der papillenförmigen Blattanlage durch die »Blattwand« b unten ein Stück abgeschnitten wird, das nun zum Aufbau der Stammrinde dient. Ganz ähnlich ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 2II ist es bei den Equiseten, wo indes die Blattanlage schon eine vielzellige Protu- beranz, aus Oberflächenzellen des Stengels hervorgegangen, darstellt. Die jüngste Fig. 39. (B. 360.) A Längsschnitt durch eine Sprossspitze von Fontinalis antipyretica (nach LEITGEB). Aus jedem Segmente geht ein Blatt hervor, das Segment wird zunächst durch eine Perikline (»die Blattwand«) a in eine innere und eine äussere Zelle zerlegt, aus ersterem geht die Hauptmasse des Stengelgewebes, aus letzterem Blatt und Stammrinde hervor. Die letztere wird von der Basis der Blattanlage abgetrennt ‘ durch die Antikline b, die »Basilarwand« (vergl. Bd. II. pag. 372 ff. Blattanlage in Fig. 40 ist b'. Sie stellt einen gewölbten Höcker dar. Allein nur die eine Hälfte derselben, nur die zwei obersten Zellreihen desselben (im medianen Längsschnitt) werden zur Bildung eines Scheidenblattes verwendet, der ganze untere, mit rs bezeichnete Theil dagegen geht in der Bildung der Stammrinde auf. Die Vergleichung mit den weiter unten stehenden Blattanlagen b'' und b'"' zeigt dies aufs deutlichste, der obere Theil derselben ist schon zu einer schmalen Lamelle ausgewachsen, während die unteren Theile o'' und v’" schon deutlich als Theile der Stammrinde erscheinen. Anders, wenn aus der Blattanlage ein Sporangienträger (Sporophyll) wird. Dann wird die ganze Blattanlage zur Bildung des Sporopbylis verwendet, eine asymmetrische Entwicklung derselben wie bei der vegetativen Region findet also nicht statt. Ein ganz ähnlicher Vor- gang, wie der eben für Zguwisetum geschilderte, liesse sich noch für eine ganze Anzahl von Pflanzen anführen. Sehr auffallend tritt er z. B. hervor bei den Zinus- Arten. Der Hauptstamm trägt hier in erwachsenem Zustand normal nur Schuppen- (Nieder-) Blätter. Unterhalb jedes dieser Blätter verläuft auf der Stammoberfläche ein Längswulst von Rindengewebe, das sogen. Blattkissen, dessen Ursprung auf die Blattbasis zurückzuführen ist, ganz ähnlich wie bei Zgwisefum, nur dass die Differenzirung bei /inus erst später eintritt. Principiell die nämlichen Vorgänge finden wir, wie schon HoFMEISTER hervorgehoben hat), auch bei manchen Thallo- D) Morphol. pag. 520. 14” 212, Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. phyten, von denen wieder Chiara das prägnanteste Beispiel liefert. Auch hier nämlich findet eine »Berindung« der Stengeloberfläche von den Blattbasen aus statt, und zwar in der Weise, dass aus dem Basilarknoten jedes Blattes ein »Rindenlappen« nach oben und einer nach unten, über die Internodialzelle des Stammes hinwächst, so dass das Stämmchen von einer aus den dicht sich berührenden Rindenlappen gebil- deten Rinde überzogen wird. Diese anatomischenThatsachen be- stätigen also die aus den Beobachtungen der am Vegetationspunktstattfindenden Vorgänge gewonnene Anschauung, dass die Blätter Auswüchse der Rindensub- stanz des Stammvegetationspunktes sind. Nicht selten sehen wir diese Rindensubstanz auch Auswüchsebilden, die zu wenig individualisirt sind, um als Blätter bezeichnet werden zu können. So besitzt z. B. Ammobium alatum an der Stengelbasis eine Rosette wohl- entwickelter einfacher Blätter, am blühenden Stengel aber erscheinen dieselben sehr reducirt, ihre Funktion wird ersetzt durch breite Lamellen, welche als »Flügel« an den Kanten des Stengels sitzen. Bei SympAytum, Carduus-Arten u. a. sind ebenfalls solche Answüchse des Stengels vor- handen, die sich aber hier direkt an Equisetum Telmateja, linke Hälfte eines radialen ' Längsschnittes unterhalb des Scheitels einer unter- die Blätter ansetzen (»folia decurrentias) irdischen Knospe (im September); vK unterer ein Ausdruck, der den hierbei statt- MT MÜHLEN Tue ds Versionen DVB Den Andenden, übrigens entwicklungsge der entsprechenden Internodien; m, m Mark; schichtlich noch näher zu untersuchen- gg Zellschicht, aus welcher das Gefässbündel des den Vorgang nicht präcis bezeichnet. en RN a re). Und in zahlreichen anderen Fällen, wie bei den Cacteen und anderen »Fettpflanzen« findet Blattbildung überhaupt nicht statt, sondern die Rindensubstanz des Stengels ist als assimilirendes Gewebe ausgebildet. Es erhellt aus dem Gesagten, dass die Gewebeschichten des Blattes in die des Stammes direkt übergehen. Von der Epidermis leuchtet es ohne Weiteres ein, dass die der Blattanlage die direkte Fortsetzung der Stengelepidermis ist. Wo, wie bei den Angiospermen schon am Vegetationspunkt die Epidermis differenzirt ist, baucht sich dieselbe beim Hervortreten eines Blatthöckers ent- sprechend aus, indem sie mitwachsend die Blattanlage überzieht. Ebenso ist das (oder die) in das Blatt eintretende Gefässbündel immer in Communication mit dem Stammgefässbündel, in einer Weise, deren Darstellung Aufgabe der Anatomie ist. Dies sind die örtlichen Beziehungen des Blattes zur Sprossachse. Was die (B. 361.) Fig. 40. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 213 allgemeinen Wachsthumsverhältnisse des Blattes betrifft, so unterscheidet es sich von den Stammorganen bekanntlich vor Allem meistens dadurch, dass das Wachs- thum ein frühe begrenztes ist. Dafür ist das Wachsthum ein rascheres als das des Stengeltheils, welcher das betreffende Blatt trägt, die Blätter wachsen über die Stengelspitze hinaus, und bilden dieselbe einhüllend eine Knospe. Durch Streckung der Internodien werden successiv die älteren Blätter von der Knospe entfernt, nachdem sie sich meist schon vorher entfaltet haben. Zur Zeit der Entfaltung ist das Gewebe des Blattes bei den Samenpflanzen (Gymnospermen und Angiospermen) meist schon in den Dauerzustand übergegangen, Theilungen finden in den Zellen nicht mehr statt, wohl aber noch bedeutende Volumver- grösserung. An Ausnahmen fehlt es auch hier nicht. So besitzten Guarea!) und andere Meliaceen gefiederte Blätter, die nach ihrer Entfaltung noch fort- wachsen, der gemeinsame Blattstiel erscheint dann mit einer Knospe beschlossen, aus welcher noch längere Zeit hindurch in akropetaler Folge neue Fiederblättchen hervorgehen. Was hier Ausnahme ist, das ist bei den Farnen Regel. Hier wächst das Blatt auch, nachdem es in seinem unteren Theile entfaltet ist, an seiner Spitze weiter, und bildet hier eventuell neue Fiederblättchen. In excessiver Weise findet dieses Weiterwachsen bei einigen (ob allen?) Gleichenien?) statt, da es hier mehrere Vegetationsperioden hindurch andauert. Die eingerollte Blatt- spitze bildet dabei zur Ruhezeit scheinbar eine Knospe in einer Gabeltheilung des Blattes, um sich dann später weiter zu entwickeln. Die am Ende einer Vegetationsperiode gebildeten Seitenblättchen sollen sogar kleiner sein, als die andern, also ganz ähnlich wie auch die Sprosse der Holzpflanzen gegen das Ende der Vegetationsperiode hin verkümmerte Blattformen zu erzeugen pflegen. Es giebt also Blätter?) die in ihrer Entwicklungsfähigkeit den Sprossachsen wenig nachgeben. Der gewöhnliche Fall ist aber der oben erwähnte. Anfangs allerdings findet überall die lebhafteste Neubildung an der Spitze der Blattanlage statt, der Vegetationspunkt derselben ist ein apikaler. Bei Chara z. B. entsteht die Blattanlage, indem sich eine Aussenzelle des Stammknotens hervorwölbt, und zur Blattscheitelzelle wird. Anfangs eine Papille darstellend wächst sie zu einem annähend cylindrischen Schlauche heran, der sich nun durch, in der Richtung von unten nach oben auftretende Querwände gliedert. Auch die Bildung der Blattknoten findet in akropetaler Richtung statt, der Vegetationspunkt behält hier dauernd, wie bei den Farnen seine apikale Lage bei, und nach dem Aufhören der Segmentbildung findet nur .noch eine Volumvergrösserung aller angelegten Theile statt. Aehnlich ist es bei manchen Moosen. Die Blattanlage (vergl. Fig. 39) ist auch hier eine Zelle, die sich zur Blattscheitelzelle gestaltet. Diese bildet zwei in der Blattebene gelegene Segmentreihen, aus denen das Gewebe des (mit Ausnahme der Mittelrippe einschichtigen) Blattes hervorgeht. Bei Mnium punctatum®) Hedw. schreitet auch die weitere Ausbildung des Blattes von unten nach oben vor, in andern Fällen, wie bei Sphagnum findet das Umgekehrte statt: nach Beendigung des Spitzenwachsthums schreitet der Differenzirungsprocess, durch welchen die eigenthümliche Struktur des Sphagnumblattes eingeleitet wird’), I) Vergl. SCHACHT, Beiträge zur Anat. und Phys. der Gew., pag. 23. — SCHACHT hält das Guareablatt irrthümlicherweise für einen Zweig. 2?) Vergl. BRAUN, Verjüngung, pag. 125. 3) Dass die früher gemachten Einwendungen gegen die Blattnatur der Farnblätter heut vollständig antiquirt erscheinen, braucht wohl kaum betont zu werden. #) NÄGELI, Pflanzenphysiolog. Untersuchungen I, pag. 84. 5) Vergl. II. Bd. dieses Handbuches, pag. 393. 214 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. von oben nach unten vor (vergl. NÄGELL, a. a. O.) es treten also zuerst an der Blattspitze die Theilungen auf, durch welche die Sonderung der Blattzellen in rhombische, ihren Inhalt verlierende und in langgestreckte, chlorophyllführende Zellen vollzogen wird. Bei Zolytrichum, Catharinea, Fissidens u. a. findet sich dicht über der Blattbasis ein interkalarer Vegetationspunkt, aus dessen Thätigkeit der grösste Theil des Blattes hervorgeht!). Nur wenig von dem oben erwähnten verschieden ist die Wachsthumsver- theilung in den jungen Blättern der Samenpflanzen (mit den oben erwähnten Ausnahmen). Auch hier bildet sich, nachdem der primäre, an der Spitze gelegene Vegetationspunkt seine Thätigkeit eingestellt hat, an der Blattbasis ein neuer Vegetationspunkt, oder mit andern Worten, während ursprünglich die ganze Blattanlage aus embryonalem Gewebe besteht, und an der Spitze (bei der Mehr- zahl der Blätter) die Anlage der Verzweigungen des Blattes stattfindet, verliert späterhin das Gewebe der Blattspitze am frühesten seinen embryonalen Charakter, während die Blattbasis ihn beibehält. Beispiele für diesen Satz werden unten bei der Besprechung der Formentwicklung des Blattes anzuführen sein. Hier mag hervorgehoben werden, dass bei den mit einem Blattstiel versehenen Dicotylen- blättern der Blattstiel sich immer erst nach der Blattlamina bildet, er verdankt seine Entstehung eben der Thätigkeit des an der Blattbasis gelegenen Vegetations- punktes. Dass auch bei vielen Sprossachsen interkalare Vegetationspunkte vor- kommen, wurde oben schon hervorgehoben. Als Beispiel für dies interkalare Wachsthum der Blattbasis mögen z. B. die Blattscheiden der Gräser genannt werden, deren Wachsthum ausschliesslich auf der Thätigkeit eines interkalaren Vegetationspunktes beruht. An einem jungen Blatte von Glyceria spectabilis betrug die Länge der Blattlamina 4 Millim., die der Blattscheide o,ı Millim. Am erwachsenen Blatte dagegen erreicht die Blattscheide eine Länge von ca. 30 Centim. 2. Formentwicklung des Blattes. Die Form, unter welcher die Blatt- anlagen am Vegetationspunkte der Sprossachsen zuerst sichtbar werden, ist ent- weder die eines Höckers oder die eines Wulstes. Beide Fälle sind natürlich nur graduell verschieden, und im ersteren findet späterhin auch noch ein Breiten- wachsthum der Blattbasis statt, so dass die Blattanlage wie im letzteren Falle mit breiter Basis dem Stengelvegetationspunkte aufsitzt. Allein auch der Fall kommt, wie es scheint, vor, dass zur Bildung einer Blattanlage, oder zur Bildung der gemeinschaftlichen Basis, auf welcher mehrere Blätter auftreten, sich das Aussen- gewebe des Stengelvegetationspunktes in Form eines ringförmigen Walles erhebt. So (nachEicHLer) bei der Blattbildung der Platane. Sehr häufig ist diese Entstehungs- art bei wirtelig gestellten Blättern: es treten dann nicht die einzelnen Blattanlagen ge- sondert auf, sondern es bildet sich zuerst ein Ringwulst, aus dem dann die Spitzen der einzelnen Blattanlagen erst hervortreten. So bei den Blattscheiden der Equiseten, den zweigliedrigen, mit eigenthümlichen Stipularbildungen versehenen Blattwirteln von Galum, manchen Blumenkronen etc. Gewöhnlich bleiben die zwischen den einzelnen Blattanlagen gelegenen Partieen des gemeinsamen Ring- walls so früh in der Entwicklung zurück, dass sie beim fertigen Blattwirtel nicht zu sehen sind; bei Zguwisetum dagegen gestaltet sich die Blattbasis zur »Scheides der die, einzelnen Blattanlagen entsprechenden, Zähne aufsitzen, und auf der blatt- artigen Entwicklung der zwischen den zwei Blattanlagen gelegenen Theile des I) HOFMEISTER, Vergl. Unters. pag. 64; LORENTZ, Moosstudien pag. 10. v- a ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laaubsprosses. 215 Blattringwalls beruht offenbar die Form der »folia connata« z. B. bei Zoni- cera Caprifolium u. a. In vielen Fällen, wo später die einzelne Blattanlage den Stengelvegetationspunkt ringförmig umfasst, ist dies indess nicht schon bei der ersten Anlage des Blattes der Fall. So z. B. bei den Gräsern mit geschlossener Scheide, als deren Beispiel G/yreria spectabilis unten näher behandelt werden soll. Hier entsteht die Blattanlage zuerst als halbseitiger Wulst am Stengelvegetationspunkt, bald aber greift sie auf die andere Seite über, so dass sie nun also ringförmig den Vegetationspunkt umfasst. Aus der anfangs nur in Form eines niedrigen Wulstes den Vegetationspunkt umfassenden Partie der Blattanlage geht später die Blattscheide durch interkalares Wachsthum hervor, während die Blattspreite aus dem zuerst angelegten Theile, der stets auch über die Blattbasis einseitig hervorragt, sich entwickelt. Die Scheidung der Blattanlage in einen Spreitentheil und einen Basaltheil ist indess nicht überall schon mit der ersten Anlegung des Blattes gegeben. Vielmehr finden wir in allen untersuchten Fällen die Blattanlage zuerst in Form eines aus embryonalem Gewebe bestehenden ungegliederten Zäpfchens oder Blättchens. Wir bezeichnen es in diesem Zustand mit EICHLER (a. a. O. pag. 7) als Primordialblatt, womit zugleich die Unrichtigkeit des Tr£cur' schen Satzes »la gaine precede la lamesx gegeben ist — die Blattscheide wird vor der Blattlamina angelegt, — ein Satz, dessen Nichtzutreffen aus der ganzen folgenden Darstellung hervorgehen wird. Das Primordialblatt gliedert sich fernerhin in zwei Theile, die aber nicht etwa scharf von einander markirt sind, sondern sich nur durch den Antheil unterscheiden, den sie am ferneren Wachsthum der Blattanlage nehmen. Der dem Stengelvegetationspunkt aufsitzende Theil der Blattanlage, der Blatt- grund, nimmt nämlich an der weiteren Differenzirung der Blattanlage keinen Antheil, oder doch nur insofern, als auch hier bei vielen Pflanzen zu beiden Seiten der Blattanlage je ein Auswuchs hervorgeht, diese Leiden Sprossungen des Blatt- grundes werden als Nebenblätter oder Stipulae bezeichnet. In vielen Fällen gewinnt der Blattgrund eine scheidenförmige Ausbildung, so namentlich bei den Gräsern. Der über dem Blattgrund gelegene Theil der Blattanlage, das »Ober- blatt« ist derjenige, aus welchem die Blattspreite hervorgeht, ist dieselbe im fertigen Zustand gegliedert (also z. B. gefiedert) oder getheilt, so kommt dies durch Verzweigung des Oberblattes zu Stande. Der Blattstiel ist überall erst späterer Entstehung, er wird zwischen Oberblatt und Blattgrund eingeschoben, d. h. er entsteht aus der zwischen beiden gelegenen Partie der Blattanlage, welche die Eigenschaften eines interkalaren Vegetationspunktes erhält. Dass in vielen Fällen Blattstiele überhaupt nicht gebildet werden, braucht wohl kaum betont zu werden. Bei stiellosen ungegliederten Blättern wie denen der Laubmoose, der Lyco- podiaceen und der meisten Coniferen ist die Entwicklung des Blattes natürlich eine sehr einfache und besteht im Wesentlichen nur in unbedeutenden Form- und Grössenveränderungen der Blattanlage, auf die hier nicht eingegangen zu werden braucht. Da, wo bei den Coniferen, wie z. B. bei Gingko biloba, Blätter vorkommen, die deutlich in Blattspreite und Blattstiel gegliedert sind, schliesst auch der Entwicklungsgang sich dem oben kurz skizzirten an. An der Blattan- lage von Gingko!) zeigt sich früher schon die symmetrische Theilung der Blatt- spreite, ähnlich wie dies z. B. auch bei den Blättern von Ufricularia der Fall ist. Der Stiel tritt auch hier erst nach der Blattlamina auf, von welch letzterer I) Vergl, TRECUL, a. a. O, pag. 178— 183. 216 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. noch die eigenthümliche schneckenförmige Einrollung jeder ihrer beiden Hälften zu erwähnen ist. Besonderes Interesse unter den Coniferenblättern bieten die eigenthümlichen »Doppelnadeln« von Sciadopitys.!) Sie stehen in den Achseln kleiner Schuppen am Stamme, nehmen also die- selbe Stellung ein, wie die Kurztriebe von P/izus. Auf die Thatsache gestützt, dass die Nadeln von zwei vollkommen von einander getrennten Gefässbündeln durchzogen sind, welche von dem für die Coniferenblätter eigenthümlichen »Transfusionsgewebe« umschlossen sind, sprach MOHL die Ansicht aus, es seien diese Nadeln aus der Verwachsung der beiden ersten Blätter eines im Uebrigen verkümmernden Achselsprosses der Schuppe entstanden. Die von STRASBURGER mitge- theilte Entwicklungsgeschichte dieser Gebilde ist sehr eigenthümlich, bedarf aber, wie ich glaube, noch erneuter, namentlich histiologischer Prüfung. Es entsteht in der Achsel der Schuppen eine Achselknospenanlage, welche früh schon einen deutlichen medianen Einschnitt am Scheitel zeigt, der auch an der fertigen »Doppelnadel« noch erkennbar ist. Nach STRASBURGER’s Darstellung ist ‚dieses ganze Gebilde als Anlage der Doppelnadel zu betrachten: es wächst, nachdem das Scheitelwachsthum frühe aufgehört hat, wie andere Nadeln an seiner Basis. Es ginge also der Scheitel des Achselsprosses hier in die Bildung der Nadeln auf, die letzteren aber wachsen nicht gesondert, sondern durch interkalares Wachsthum ihrer gemeinsamen Basis. Kein Zweifel, dass das Gebilde einer Kurztriebanlage von Pizxs entspricht, an der nur zwei Blattanlagen angelegt werden. Allein die Deutung der Doppelnadel als aus zwei verwachsenen »Blättern« gebildet, erscheint mir keineswegs zweifellos, obwohl STRASBURGER auch bei Pizus sylvestris und P. Pu- milio Doppelnadeln gefunden hat. Wir kennen deren Zustandekommen nicht, sie können recht gut durch wirkliche Verwachsung zweier Nadeln, wobei aber der Vegetationspunkt des Kurztriebes an der Basis zurückbleibt, die Nadeln mit einer zugewendeten Seitenkante verschmelzen, entstanden sein. Bei Sciadopitys geht aber der Haupttheil der Nadel aus dem unter- halb des Vegetationspunktes der Achselknospe befindlichen Theile der letzteren selbst hervor. Dies ist ein in der vegetativen Region sonst ohne Beispiel dastehender Fall, und nach der ge- wöhnlichen Terminologie haben wir also die Doppelnadel von Sciadopitys vielmehr als einen blatt- ähnlichen Zweig, ein Cladodium, aufzufassen, das an seiner Anlage die Spitzen zweier Nadeln als kleine Spitzen trägt, trotz der anatomischen Thatsachen, welche insofern nicht sehr schwer ins Gewicht fallen, als wir Cladodien, die in ihrem Baue mit den Blättern übereinstimmen, auch sonst kennen. An der Bezeichnung liegt aber im Grunde nicht viel, denn Thatsache bleibt in beiden Fällen, dass aus dem Achselspross ein Gebilde hervorgeht, dass in seinem Baue über- einstimmt mit zwei an einer Seitenkante miteinander vereinigten Blättern. Von den Gnetaceen seien hier noch die eigenthümlichen Blätter von Wel- wilschia mirabilis erwähnt. Die erwachsene Pflanze besitzt überhaupt nur zwei Laubblätter. Es sind dies die ersten auf die Kotyledonen folgenden und mit ihnen gekreuzten, sie werden aber sehr lang, indem sie an ihrer Basis ständig nachwachsen. Die Blätter der Cycadeen, welche in einigen Beziehungen (z. B. Fiederung, eingerollte Knospenlage der Fiederblättchen) mit denen der Farne übereinstimmen, entwickeln sich anders als die Farnblätter. Während diese durch ihr dauerndes Spitzenwachsthum ausgezeichnet sind, und demgemäss auch die Fiederblättchen (wo solche vorhanden sind, manche Farnblätter sind bekanntlich ungegliedert, andere wie es scheint dichotom verzweigt) in streng akropetaler Reihenfolge auf- treten, ist dies bei den untersuchten Cycadeen ?) nicht der Fall, vielmehr stimmen dieselben mit der Blattentwicklung der Angiospermen überein. Die erste An- lage der Blätter erfolgt wie bei den letzteren unter der Epidermis, die Fieder- blättchen aber entstehen bei Ceratozamia in basipetaler Richtung, bei Cycas, wie !) MoHL, Morphol. Betrachtungen des Blattes von Scadopitys, Botan. Zeit. 1871, pag. 101; STRASBURGER, Die Coniferen und die Gnetaceen. pag. 382 ff. ?) WARMING, röcherches et remarques sur les Cycadees, pag. 7 d. Sep.-Abdr. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 217 es scheint von der Blattmitte aus nach oben und unten fortschreitend, im letzteren Falle also ebenso, wie dies unten z. B. von Achillea Millefolium u. a. zu er- wähnen sein wird. Die Monokotyledonen besitzen meist einfache Blätter mit ungegliederter Blattspreite und entbehren sehr häufig einen Blattstiell), der dann ersetzt wird durch eine Blattscheide, so z. B. bei den Gräsern, von denen die oben erwähnte Glyceria spectabilis als Beispiel für die Blattentwicklung dienen mag. Das ausgebildete Blatt besteht aus einer Blattscheide, die allseitig geschlossen ist, und (in einem Einzelfall) eine Länge von 30 Ctm. v; l F : N 5 besitzt und aus einer % { 0, R 704 Blattlamina. Ent- K erster etETB Tr fernt man die er- wachsenen Blätter, so zeigt sich, dass bei den noch nicht ausgewachsenen das Verhältniss von Scheide und Spreite ein ganz anderes ist, se _2z. B. -Spreite: 30 Millim., Scheide: 0,5 Millim.; Spreite 4Millim. Scheide — (approximativ) — o,ı Millim. © Die Scheide erreicht ihre beträchtliche Grösse Fig. 41. (B. 362.) also erst durch die Glveeria spectabilis. A Vegetationspunkt mit sechs Blattanlagen b1—b® mit ihr:n Scheidentheilen v])—v,, B ältere Blattanlage, die Scheide ist noch sehr kurz. Thätigkeit eines in- terkalaren Vegeta- tionspunktes. Die jüngste Blattanlage an dem massigen Vegetationskegel hat die Form eines Wulstes, der aber noch nicht ganz um den Vegetationspunkt herumgreift?), erst bei dem zweitjüngsten Blatte gewinnt die Blattanlage die Form eines kreisförmigen Walles, dessen eine Seite, die, an der die Lamina entsteht, von Anfang an etwas höher ist als die gegenüberliegende. Diese Seite wächst stärker während der stengel- umfassende Blattgrund sich durch interkalares Wachsthum zur Blattscheide aus- N) Es ist klar, und wird auch aus dem Folgenden hervorgehen, dass zwischen Blattstiel und Blattscheide irgend welche scharfe Grenze nicht zu ziehen ist. Bei vielen Pflanzen mit gestielten Blättern z. B. Ranunculaceen geht der Blattstiel allmählich in die Blattscheide über, oder der Stiel ist »scheidenförmig« wie bei manchen Umbelliferen. Wenn statt der Stielbildung Scheiden- bildung eintritt, beruht dies darauf, dass die betreffende Zone über dem Blattgrunde sich nicht so sehr verschmälert, d. h. in ihrem Breitenwachsthum nicht so sehr zurückgeblieben ist, wie dies bei der Entwicklung von Blättern mit deutlich abgesetztem Stiel der Fall ist. 2) Die entgegenstehenden Angaben TRECUL’s: »z2 bourrelet non interromfu entoure aussi Zaxe au debut de la feuille« a. a. OÖ. pag. 287 und EICHLER’s sind also nicht zutreffend, und schon aus diesem Grunde kann die Blattscheide nicht früher angelegt sein als die Blattspreite. 218 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. bildet. Der Blattgrund ist aber anfangs sehr klein und gewinnt, wie erwähnt, erst durch interkalares Wachsthum seine Ausbildung zur Blattscheide. Von der- selben scharf abgesetzt erscheint er erst nach dem Auftreten der Ligula, jenes hyalinen, hier mehrschichtigen Häutchens, das an der Grenze von Blattspreite und Blattscheide bei den Gräsern inserirt ist und wie mir scheint, wenigstens bei Glyceria eine Wucherung der Epidermis darstellt. Dass die eben geschilderte Blattentwicklung nicht so aufgefasst werden kann, wie TRECUL wollte, dass näm- lich zuerst die Blattscheide sich bilde, ist klar. Die Blattanlage besitzt vielmehr anfangs weder Spreiten- noch Scheidentheil, der erstere wächst nicht aus dem letzteren hervor, sondern beide differenziren sich erst im weiteren Verlaufe der Entwicklung. Was die Blattscheide betrifft, die später eine Röhre darstellt, so mag hier noch darauf hingewiesen sein, dass dieselbe nicht etwa als durch Ver- wachsung der Ränder einer ursprünglich offenen Scheideanlage zu Stande ge- kommen zu denken ist, wie dies conform früheren Anschauungen auch SCHLEIDEN, der derartigen »Fiktionen« sonst so abhold war, wollte!) Vielmehr kommt die geschlossene Blattscheide dadurch zu Stande, das das Achsengewebe in Form eines Ringwalles sich über die Oberfläche des Vegetationspunktes erhebt, und. dieser Ringwall dann später zu der Blattscheidenröhre auswächst, während bei Gräsern mit »offener« Blaitscheide das Wachsthum der letzteren ein ähnliches ist wie das der Lamina von GÜyceria, nur dass die Scheide später sich nicht aus- breitet, sondern dem Internodium dicht anliegt. Aehnliche Blattformen (wobei nur die Blattscheide nicht ganz übereinstimmt) wie die Gräser, besitzen eine ganze Anzahl anderer Monokotylen, und wir dürfen annehmen, dass denselben auch eine, mit der geschilderten übereinstimmende Blattentwicklung zukommt. Auch Monokotylenblätter, die im fertigen Zustand von denen der Gräser oder Liliaceen auffallend abweichen, wie z. B. die der Alfum-Arten, kommen durch relativ geringfügige Modificationen des oben geschilderten Entwicklungs- ganges zu Stande. Vor Allem ist hervorzuheben, dass die Höhlungen, welche sich im Innern der Blätter mancher Allium-Arten (z. B. Allium fistulosum) finden, sekundärer Natur sind, erst später durch Vertrocknen und Auseinanderzerren des inneren Gewebes der Lamina entstehen (also »rhexigene« Hohlräume darstellen), ganz auf dieselbe Weise also, wie die centralen Hohlräume in manchen Stengeln, z. B. denen der Umbelliferen. Das Blatt von Allium Schoenoprasum wird, wie das der Gräser als ein den Vegetationspunkt früh umfassender Ringwall ange- legt, dessen basaler Theil sich dann später zu der (unten) geschlossenen Blatt- scheide gestaltet. Das Oberblatt aber erfährt schon früh ein im Querschnitt all- seitig annähernd gleichmässiges Wachsthum und gewinnt so annähernd kegel- förmige Gestalt. B in Fig. 42 zeigt ein weiter vorgeschrittenes Stadium. Hier hat sich die kegelförmige Blattlamina aufgerichtet, und die Blattscheide umfasst den Vegetationspunkt mit den nächst jüngeren Blattanlagen. Sie ist aber nur an einer kleinen Stelle offen, und dies ist die einzige Communikation des Vegetations- punktes mit der Atmosphäre, resp. mit den ebenfalls nach aussen geöffneten Zwischenräumen zwischen den andern, älteren Blättern. Wie die Form des Blattes in B aus den in A zu Stande kommt, ist ohne weitere Beschreibung leicht er- sichtlich, ebenso, dass die Blattlamina oben geschlossen sein muss. Andere Allium-Arten haben an Stelle der rundlichen Scheidenöffnung einen Längsspalt. I) Grundzüge II. pag. 185. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 219 Ganz ähnlich wie die geschilderten Allium-Blätter entwickeln sich offenbar auch die eigenthümlichen, radiär gebauten und ganz wie »sterile Halme« aussehenden Blätter mancher Jw2cws-Arten, deren Blattnatur man bei sorgfältiger Betrachtung ihrer Basis, wodiekleine Blattscheide sich befindet, erkennt. Etwas abwei- chender ist die Blattentwicklung von. 7945) -. Die Iris-Arten besitzen bekanntlich »schwertförmige« Blätter, d. h. die Blätter sind nicht dorsiventral ge- baut, derart dass B sie eine der Licht- seite zugekehrte er (B. 362.) : Allum Schoenoprasum. Blattentwicklung. A Vegetationspunkt mit Blatt- Ober- und einevon anlage (b) die Blattspreite derselben hat sich schon bedeutend verdickt ihr verschieden ge- (sie erhält später annähernd kreisförmigen Querschnitt). Die Blattscheide baute Unterseite (Y) ist noch kurz, rechts ist der vom Blatt umfasste Spross-Vegetationspunkt. e B älteres Blatt von vorn gesehen: Die Blattscheide ist unten geschlossen besitzen, sondern und umfasst den Vegetationspunkt mit den nächst jüngeren Blattanlagen die Blattspreite ist (von denen eine angedeutet ist), so dass nur eine rundliche Oeffnung nach vertikal gestellt, As und besitzt, wie dies auch bei andern ebenso orientirten Blättern (z. B. den Blättern erwachsener Pflanzen von Zucalyptus globulus etc.) der Fall ist, zwei gleich gebaute Seiten. Die Blattanlage hat auch hier dieselbe Form wie dieoben beschriebenen, undist auch hier bei ihrem Sichtbarwerden noch nicht stengelumfassend (Fig. 43 A b,), was sie indess bald darauf wird (Fig. 43 A b,). Das Primor- dialblatt wächst nun heran wie eine gewöhnliche Blattanlage. Ihr Schei- tel, in der Fig. mit a bezeichnet, wird sonst zur Spitze der Blatt- i lamina. Am /ris-Blatte aber liegt ,,; = n . Er 5° Jris variegata, Blattentwicklung. v Stengelvegetations- er später (vergl. Fig. 43 B) an der punkt b,—b, Blätter, S Scheitel der Blattlamina, Stelle, wo die Blattspreite in die a. Ende der Blattscheide. Blattscheide übergeht. Diese »Verschiebung« erklärt sich aus der Entwicklungsge- schichte. Die Blattanlage erfährt bald (b, in Fig. 43 A) ein starkes Flächenwachs- thum, und erhält in Folge davon eine kahn- oder kapuzenförmige Gestalt. Auf ihrem Rücken ist das Flächenwachsthum am stärksten. Hier behält eine Stelle den Charakter des Vegetationspunktes (s in b, Fig. 43 A), es bildet sich eine Hervor- stülpung, die Anlage der »schwertförmigen« Lamina. Dieselbe ist aber nur da hohl, wo sie in die Scheide übergeht, in ihrem übrigen Haupttheile von Anfang an eine N) Vergl. TRECUL, a. a. O. pag. 286. Comptes rendus T. XI. pag. 1047; GOEBEL, Botan, Zeit. 1881. pag. 96. 220 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. solide Gewebeplatte. Es sind an der Blattanlage jetzt also zwei Scheitel, der ur- sprüngliche a und der neue s. Bald erhält die Laminaranlage aber wirklich ter- minale Stellung. Den Uebergang dazu veranschaulicht das grössere Blatt in Fig. 43 B; wo der Blattgrund (der sich später zur Blattscheide entwickelt) von der Laminaranlage durch eine gestrichelte Linie abgegrenzt ist. Die Spreitenan- lage hat zwar noch seitliche Stellung, ihre Mittellinie ist aber schon um ca 45° gehoben, der ursprüngliche Scheitel a dagegen nimmt seitliche Stellung ein.!) Eine Verzweigung der Blattlamina, wie sie bei den Dikotylen so häufig ist, kommt bei den Monokotylen, wie es scheint nur gewissen Aroideen (Arum, Sauromatum u. a., welche eine genauere Untersuchung verdienen) zu. So bei Arten von Anthurium, wo nach ENGLER eine dichotome Ver- zweigung der Blattlamina vorliegen soll. Nähere Angaben darüber existiren nicht. Die gegliederten Blätter vieler Palmen, der Monstera- und Zothos-Arten dagegen entstehen auf ganz andere Weise, als die gegliederten Blätter der Diko- tylen. Es handelt sich hier nämlich nicht um eine Verzweigung der Blattlamina, sondern um eigenthümliche, näher zu schildernde Vorgänge. Monstera- und Phr- lodendron-Arten haben Blätter?), die einen gebuchteten Rand besitzen und ausser- dem auf der Blattfläche zwischen den Hauptnerven an verschieden grossen Stellen scharf umschriebene Löcher zeigen. Die Einbuchtungen sowohl als die Löcher entstehen auf dieselbe Weise, nämlich durch Absterben bestimmter Gewebepartien der jungen, einfachen, d. h. nicht gegliederten Blattlamina. Dies-Absterben ge- schieht bei Philodendron pertusum sehr frühe?), bei Blättern, die etwa eine Länge von 8 Millim., eine Breite von ı Millim. erreicht haben. Das an nicht näher be- stimmten Stellen gelegene aus gleichartigen Zellen bestehende Gewebe in Form scharf abgegrenzter Flecke bräunt sich, während die angrenzenden Zellen sich tangential zum Rande der absterbenden Schuppen theilen, so dass das Gewebe hier ein peridermartiges Aussehen erhält. Bei weiterem Breitenwachsthum des Blattes trennt sich die Schuppe glatt von dem übrigen Blattgewebe. Die äussersten Zellen des Randes der nach der Entfernung des abgestorbenen Gewebes ent- standenen Loches entwickeln sich dann zu einer sekundären Epidermis*), die aber in allen Eigenschaften vollständig mit der primären Epidermis übereinstimmt, ein Vorgang, der auch insofern von Interesse ist, als er ein Beispiel für die Regene- ration der Epidermis aus einem nicht dem Dermatogen angehörigen Gewebe liefert. Bei Verletzungen der Oberfläche von Blättern dagegen findet nicht Regene- ration der Epidermis, sondern Verschluss der Wunde durch Korkbildung statt. Ein ähnlicher Vorgang wie bei Monstera, nur in grösserem Maasstabe findet sich bei Ouvirandra fenestralis. Am fertigen Blatte ist das Gewebe zwischen den gitterförmig angeordneten Blattnerven fast vollständig verschwunden, auch hier in Folge eines allmählich eintretenden, aber nicht mit Bräunung verbundenen Ab- 1) Es erhellt aus der angeführten Entwicklungsgeschichte die Haltlosigkeit der früher zur »Erklärung« des /ris-Blattes aufgestellten Hypothese, wonach dasselbe gefaltet und mit seinen Rändern verwachsen sein sollte. 2) TRECUL, ann. des sciences nat. 4. Ser. t. I. pag. 39; F. SCHWARZ, über die Entstehung der Löcher und Einbuchtungen an dem Blatte von Philodendron pertusum SCHOTT, Sitz. Ber. d. Wien. Akad. d. Wiss. LXXVII. Bd. ı. Abth. 1878. 3) Bei Pothos repens erfolgt die Durchlöchernng nach TRECUL erst am entfalteten Blatte und beginnt an jeder Durchlöcherungsstelle mit dem Auftreten einer Luftlücke im Blattparenchym, worauf das dieselbe nach beiden Blattseiten begrenzende Gewebe zerreisst. 4) Vergl. auch HABERLANDT, Bd. II. dieses Handbuches, pag. 592. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 221 sterbens des betreffenden Gewebes. Es geschieht dies hier jedoch erst, nachdem das Blatt aus dem Knospenzustand hervorgetreten ist. Die biologische Bedeutung des geschilderten Vorganges ist in beiden Fällen noch ganz dunkel. Die Palmen besitzen theils gefiederte, theils zusammenhängende, nur am Rande fächerförmig eingeschnittene Blätter. Die Gliederung der Blattspreite beruht hier indess nicht auf einer Verzweigung derselben, sondern erfolgt durch Theilung der Spreite in bestimmte Abschnitte, eine Theilung, welche verbunden ist mit dem Absterben der die einzelnen Blattabschnitte ursprünglich verbindenden Streifen!), ein Vorgang, welcher in Parallele gesetzt werden kann, mit dem oben für Monstera Geschilderten. Die Entwicklungsgeschichte ist selbst für die wenigen Arten, bei denen sie untersucht ist, nur lückenhaft bekannt, wie die Vergleichung der folgenden, auf Untersuchung von Chamaerops humilis (»macrocarpa«) und Phoenix reclinata beruhenden Angaben mit denen Monr’s und Tre£cur’s zeigen werden. Junge Blätter der erwähnten Chamaerops-Art zeigen auf beiden Seiten der Blattfläche eine Anzahl pa- ralleler Längswülste; die Längswülste der einen Blattfläche alterniren mit denen der andern. Dies ist die erste Andeutung der Längsfaltung des Blattes, | dieanetwasälteren Blättern (Fig. 44) im Querschnitt deutlich hervortritt. Das . 7), ; a. ee sich are WM 7; 2 Mh UN SD seiner Spitze in so viele Lappen als Falten vor- handen sind: jeder der Wülste auf der Unterseite des Blattes bezeichnet die Stelle eines Mittelnerven der Blattabschnitte, die oo | mm) % sich von einander trennen, 7 Ä : G b fi ER: indem ein Gewebestreifen 207 IR 2‘ der auf der Blattoberseite gelegenen Falten abstirbt. Eig. 44. (B. 365.) Die Falten gingen übrigens Chamaerops macrocarfa. Oben Ansicht eines jungen Blattes von SR a = unten, die Blattfläche ist gefaltet, zwei Schuppen (h h) bedecken in den von mir untersuch- einen Theil derselben. Unten Querschnitt durch ein junges Blatt. ten Blättern nicht bis zum Die Blattoberseite ist bedeckt von der Schuppe ], welche rechts oberen Blattrande, und ich (bei g) theilweise mit der Blattlamina verwachsen ist. ’ vermuthe desshalb, dass auch der Blattrand und die Blattspitze absterben, wie dies bei Phoenix z. B. mit dem Blattrande sicher der Fall ist. Das Eigen- thümlichste an den Blattanlagen ist, dass die Blattflächen beiderseits nicht !) Vergl. DE CANDOLLE, organographie veget., pag. 304 (wo aber der Vorgang als ein Zer- reissen aufgefasst wird, was erst secundär geschieht). MoHL, de palmarum structura (1831) pag. XXIV., die dort gemachten Angaben sind berichtigt in den vermischten Schriften, pag. 177. TREcUL a. a. O., pag. 280 (MoHr’s Angaben gegenüber nichts wesentlich Neues). HOFMEISTER, Allgem. Morphol., pag. 532 (Caryota urens). . 222 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. frei, sondern von einer, aus einer ganzen Anzahl von Zellschichten be- stehenden, Hülle bedeckt sind, welche abpräparirt werden kann, aber nament- lich im untern Theile der Blattfläche auch mit derselben verwachsen kann (vergl. die punktirten Linien in Fig. 46 unten). Diese Hülle des jungen Blattes be- steht aus einer Schuppe, welche sich auf der Grenze zwischen Blattstiel und Blattfläche bildet und über die Vorderseite des jungen Blattes hinaufwächst, und aus zwei aus der Hinterfläche der Blattanlage sich entwickelnden Schuppen die an ihrer Basis zusammenhängen), sie lassen, wie der Querschnitt Fig. 44 zeigt, die Mittellinie des Blattes frei. Die vordere dieser Schuppen ist die sogenannte »Ligula« die ebenso wie die Hülle der hinteren Blattfläche später vertrocknet und abfällt. Die Spuren dieser sonderbaren Gebilde erkennt man auch am fertigen Blatte leicht an einem gebräunten Saume, der sich beiderseits am Grunde der Blattlamina findet, Eine solche merkwürdige Umhüllung des Blattes in seinen Jugendstadien kommt nicht allen Palmen zu, findet sich aber in eigenthümlicher Weise auch bei Phoenix. Nach TREcCUL sollen sich hier die Blättchen in einer durchsichtigen Substanz von gelatinösem Aussehen bilden, welche zu der Haut wird, welche die Blattoberfläche, wie schon MoHL festgestellt hatte, überzieht — was durchaus unrichtig ist. Ein Querschnitt durch den oberen Theil eines jungen Blattes von Phoenix (Fig. 45, 2) giebt ein ganz ähnliches Bild wie der von Chamaerops, nur hat man sich die untere Blatthülle wegzudenken, während die obere so vollständig mit dem gefalteten Blatte verschmolzen ist, dass hier keine gesonderte Endigung der Falten mehr erkennbar sind, vielmehr eine kontinuir- liche, oder doch nur an wenigen Stellen unterbrochene Haut die obere Blatt- fläche bildet, in welche sich die Falten direkt fortsetzen. Indem die gemein- same, die Fiedern oben verbindende Haut sich späterhin ablöst, werden die einzelnen Fiedern frei. Es verlaufen hier, im Unterschiede von Chamaerops in der sich ablösenden Haut Gefässbündel. Die Ablösung ist hier übrigens kein rein mechanischer Prozess, wie ihn DE CANDOLLE z. B. sich vorstellte, sondern es ist eine Trennung von lebendem Gewebe durch Auseinanderweichen von Zellen, die überall, wo nicht gerade ein Bastbündel an der Trennungsstelle liegt, glatt vor sich geht (wahrscheinlich durch Spaltung der Zellhäute), und allmählich erfolgt, derart, dass die Blattfiedern mit der sich ablösenden Gewebemasse schliesslich nur noch durch einen engen Isthmus zusammenhängen. Das sich ablösende Gewebe ist früh schon kenntlich, namentlich durch seine zahlreichen luftführenden Intercellularräume, welche es von dem übrigen Blattgewebe unter- scheiden. Es mag bemerkt werden, dass hier wie bei Chamaerops die durch Trennung frei gewordenen Ränder der Theilblättchen von einer Epidermis über- zogen sind, die sich von der andern Blattepidermis nicht unterscheidet, Spalt- öffnungen habe ich hier indess nicht angetroffen. Untersucht man nun ganz junge Blätter von Phoenix, so erkennt man, dass die Fiedern keineswegs von Anfang an oben miteinander zusammenhängen, sondern als freie Falten der Lamina angelegt werden?) (Fig. 45, 3). Die letztere erscheint als flossenähnlicher Anhang der breiten, massigen Anlage der Blattrhachis. Die Falten sind hier, wie wohl bei allen Palmen mit gefiederten Blättern nicht Längs- sondern Quer- falten, nur am Ende finden sich einige Längsfalten. Sie verlaufen nicht bis zum Blattrande: derselbe stirbt später ab. Die Haut, welche die Falten auf der Ober- ») TRECUL hat die Laminaranlage p seiner Fig. 24 für die Anlage der hintern Hüllhäute angesehen, wesshalb seine Darstellung unrichtig ist. 2) MoHr’s Anschauung, dass eine Spaltung der Blattfläche stattfinde ist nicht zutreffend, 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 223 seite des Blattes später verbindet, ist auf diesem Stadium also noch nicht vorhanden, die früheren Beobachter hatten nur ältere Zustände vor sich. Woher nun diese »Haut« stammt, habe ich, wegen Mangels an Material nicht feststellen können, sie kann durch innige Ver- wachsung der obe- ren Theile der Blattfalten, oder durch Verwachs- ung derselben mit dem eingeschlage- } nen Blattrande resp. einer Wucher- ungdesselben,oder 3 durch Verwachs- ung mit einer von der Blattbasis her sich entwickelnden Schuppe entstehen (B. 366.) Phoenix reclinata. ı Junges Blatt von unten seitlich gesehen. Die Blätter- etc. — Es kommt rippe ist sehr dick, an sie setzt sich flossenähnlich die Blattspreite an, darauf am Ende welche eine Anzahl von schief zur Mittelrippe verlaufender Falten zeigt. ER di Diese sind aber wie der Längsschnitt durch die Lamina, Fig. 3 zeigt, frei BE ARAE na IE von einander, während sie in dem Querschnitt Fig. 2 durch die schraffirte Hauptsacheist, der Gewebemasse, die sich später loslöst und die an einzelnen Stellen getrennt im Obigen geführte ist, bedeckt sind. Nachweis, dass die Haut jedenfalls ein sekundäres Produkt, die Gliederung der Blatt- lamina aber ursprünglich eine mit den anderen Palmen übereinstimmende ist. Die ver- trocknete Haut löst sich in einzelnen braunen Längsstreifen ab. — Die Jugendblätter auch derjenigen Palmen, welche gefiederte Blätter besitzen, sind übrigens ungetheilt, wie das ja auch jedes der späteren Blätter in seinem Jugendstadium ist, und man findet alle Uebergangsstadien von den ungetheilten zu den getheilten Blättern. Bei einer jungen mir vorliegenden Keimpflanze einer (unbestimmten) Phoenixart sind die drei untersten Blätter (denen wohl noch einige andere vorhergingen) ungetheilt, der Blattstiel setzt sich als Mittelrippe ein kurzes Stück in die Blatt- lamina hinein fort, die letztere ist gefaltet, und die Falten setzen sich in schiefem Winkel an die Mittelrippe an. Am vierten Blatt hat sich unten eine Blattfieder vom Blattgewebe abgetrennt, am fünften sechs, zugleich ist die Mittelrippe grösser, die Faltungen des Blattes schärfer geworden. Noch am achten Blatte, welches zwölf Fiederblättchen besitzt, bildet das ungetheilte Stück der Blattlamina das grosse Endstück des Blattes. In dem Winkel, welchen die Fiederblättchen nach oben mit der Mittelrippe des Blattes machen, befindet sich ein Gewebewulst, der hier offenbar eine ähn- liche Rolle spielt, wie das Gewebepolster an der Basis der Inflorescenzäste vieler Gräser, er wirkt als Schwellgewebe, welches den Fiederblättchen eine solche Richtung giebt, dass der vorher sehr spitze Winkel, welchen sie mit der Blatt- mittelrippe machten, sich nun einem rechten annähert. Eine viel reichere Formenmannigfaltigkeit der Blätter findet sich bei den Di- kotylen. Speciell ist es die Gliederung der Blattspreite, mit welcher wir uns hier zu beschäftigen haben. Dieselbe ist wie bekannt, von ungemeiner Ver- schiedenheit: bald beschränkt sie sich auf Einschnitte im Blattrande, bald gehen 224 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. diese Einschnitte tiefer gegen die Blattmitte, bald endlich entstehen wirkliche, an einer gemeinsamen Mittelrippe oder an dem Blattstiel befestigte Theilblättchen. Die Entwicklungsgeschichte zeigt nun, dass alle diese Verhältnisse zu Stande kommen durch Verzweigung der ursprünglich einfachen, ungegliederten Blattspreite und sie zeigt ferner, dass aus wesentlich gleicher Anlage durch verschiedene Wachs- thumsprocesse im fertigen Zustand sehr von einander abweichende Blattformen re- sultiren können.!) Ein auf- fallendes Beispiel für diesen Satz wird unten in der Blatt- (B. 367.) Fig. 46. entwicklung von ZZydrocotyle Anthriscus silvestris, Blattentwicklung. v Blattgrund, in der zu schildern sein, aus der Fig. oben links der Stengelvegetationspunkt. Der Blattstiel _- } icheiyd das Mi entwickelt sich aus der in Fig. rechts mit st bezeichneten s10R ) EIBIEDL, |ORSEACSE an Zone. im Embryonalstadium relativ viel reicher gegliedertist, alsim fertigen Zustand, und dass diese Embryonal-Gliederung übereinstimmt mit der, welche andere Umbelliferenblätter auch im fertigen Zustand besitzen. — Hier mag nur auf einige minder auffallende Beispiele hingewiesen sein. Ob die Auszweigungen einer Blattlamina als Blattzähne, Blattzipfel oder Theilblättchen des Blattes erscheinen, das hängt lediglich ab von dem relativen Wachsthum der Auszweigungen einerseits und der Blattlamina andererseits. Sind sie beide nicht sehr verschieden, so wird ein Blatt mit tiefen Einschnitten zu Stande kommen. Ist das Wachsthum der Lamina ein das der Auszweigungen weit überwiegendes, so werden die letzteren nur als Zähne?), Kerben etc. am Rande erscheinen, im um- gekehrten Falle aber erscheint die Hauptachse des Blattes, die ursprüngliche Blattlamina, nur als Träger der Theilblättchen und ist dann der Hauptsache nach nur eingenommen von einer stark ausgebildeten Blattrippe; sie erscheint dann als »Spindel« des Blattes, wie z. B. bei den gefiederten Blättern der Legumi- nosen.) Dabei kann dann ihre Spitze selbst in Form eines Blättchens ausge- bildet sein, dann bezeichnet die beschreibende Botanik das Blatt als unpaarig gehiedert, oder sie endigt in Form eines unscheinbaren Spitzchens zwischen dem letzten Fiederpaare, dann ist das Blatt paarig gefiedert. Untersuchen wir aber die Jugendstadien beider, so findet sich, dass sie bei paarig- wie bei unpaarig gefiederten Blättern dieselben sind: In beiden Fällen sehen wir das letzte Fieder- !) Dasselbe Verhältniss trifft auch für manche Verzweigungssysteme von Sprossen zu, auf ihm beruht z. B. der Hauptsache nach die grosse Mannigfaltigkeit in der Formausbildung der Grasinflorescenzen (vergl. GOEBEL, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte einiger Inflorescenzen, in PRINGSHEIM’s Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XIV). 2) Sehr häufig sind die Blattzähne im Knospenstadium als Harz- oder schleimabsondernde Organe ausgebildet (auch die Blattspitze selbst, so bei Prurus-Arten, Cydonia, Pinus u. a. Bei anderen Pflanzen (Zex, Carduus etc.) sind sie zu Stacheln ausgebildet. Ob die Nektardrüsen am Blattstiele von Prunus avium als umgebildete Blattzähne aufzufassen sind, scheint mir noch frag- ich. Vergl. REINKE in PRINGSH. Jahrb. X. pag. 119 ff. 3) Ursprünglich aber sind die Seitenglieder eines Blattes einander dicht genähert und werden erst durch Streckung und stielartige Verlängerung der zwischen ihnen gelegenen Abschnitte der Blattlamina voneinander entfernt. Es findet hier also ein ähnliches Verhältniss statt, wie bei der Bildung des Blattstieles, der auch erst nachträglich zwischen Blattgrund und Oberblatt durch Streckung der betreffenden Partie eingeschaltet wird. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 225 paar überragt von der Blattspitze, die grösser ist als das unter ihr stehende Paar von Seitenblättchen. In einem Falle aber bleibt die Blattspitze im frühen Stadium ihrer Entwicklung stehen, sie verkümmert zu einem kleinen Spitzchen und das Blatt wird dann ein »paarig gefiedertes«, im anderen aber entwickelt sie sich kräftig weiter und erscheint dann im fertigen Zustand als Endblättchen des »un- paarig gefiederten« Blattes.!) — Ein »gefiedertes« und ein fingerförmiges Blatt sind ferner in erwachsenem Zustand von auffallend verschiedenem Habitus: im letzteren Falle finden wir eine Anzahl von Theilblättchen, die von einem gemeinsamen, Fig. 47. (B. 368.) I Potentilla reptans, gefingertes Blatt, bei IA und IB jüngere Entwicklungs- stadien desselben. Ain Ober-, B in Seitenansicht, st Stipula. II Polextilla anserina, gefiedertes Blatt, eine Anzahl von Fiederblättchen sind bedeutend kleiner als die andern (a); II A Junges Blatt, die Fiedern entstehen in »basipetaler« Reihenfolge. Auf der Innenfläche des Blattes hat sich ein Querwall erhoben (»Axillarstipula«). dicht über dem Blattstiel gelegenen Insertionspunkte ausstrahlen (Fig. 47 D), im ersten aber sitzen die Theilblättchen einander paarweise gegenüber auf einer verlängerten Spindel (Fig. 47 ID), deren mehr oder minder lange Zwischenstücke die einzelnen Fiederpaare von einander trennen. Aber die Jugendstadien beider Blattformen sind im Wesentlichen doch auch dieselben, Fiederblättchen wie Theil- blättchen des fingerförmigen Blattes erscheinen als Auszweigungen der Lamina von ganz ähnlicher Form und Stellung (vergl. Fig. 47 I und ID. Allein beim gefiederten Blatte streckt sich die Hauptachse des Blattes (die Blattlamina), an den Stellen zwischen den Insertionen der Theilblätter und in Folge dessen rücken die letzteren auseinander, im anderen Falle unterbleibt die Streckung, und die herangewachsenen Theilblätter strahlen scheinbar vom gemeinsamen 1) Gelegentlich aber kann sich die sonst verkümmernde Blattspitze ausbilden, so in einem Falle bei Vicia Faba, wo die Fiederblättchen nicht zur Entwicklung gelangt waren, das Blattende aber sich zu einem grossen breiten Blatte ausgebildet hatte. Gewöhnlich sind bei den unteren Blättern von Vicia Faba nur zwei Fiederblättchen vorhanden, nicht selten tritt ein drittes und viertes auf. Schenk, Handbuch der Botanik. III. 15 226 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Mittelpunkt aus, z. B. beim Blatt von Aesculus Hippocastanum. Wir werden uns aber nach Kenntniss des erwähnten Entwicklungsganges nicht wundern, wenn an Pflanzen mit gewöhnlich fingerförmig verzweigten Blättern gelegentlich auch ge- fiederte auftreten: es genügt dazu eine einfache Streckung der Blattspindel, und in der That ist ein derartiges Vorkommen auch bei Aesculus Hippocastanum beobachtet worden. Ebenso leuchtet aus dem Gesagten ein, dass sehr geringe Wachsthumsdifferenzen dahin führen können, aus der Anlage eines gefiederten Blattes ein »fingerförmiges« zu machen. Die letztere Blattform kommt z. B. der Potentilla reptans u. u. zu, wahrend viele andere Potentillen gefiederte Blätter besitzen, die Differenz ist aber, wie erwähnt, eben nur in einem bestimmten Entwicklungszustand, in dem fertigen, vorhanden. Schon oben wurde bei Besprechung der paarig und unpaarig gefiederten Blätter darauf hingewiesen, dass durch Zurückbleiben bestimmter Blatttheile im Verlaufe der Entwicklung bestimmte Differenzen in der Blattform herbeigeführt werden. Derartige Fälle sind keineswegs selten, zwei Beispiele mögen als Illustration des- selben genügen. So die unterbrochen gefiederten Blätter,. bei denen kleinere Blättchen mit grösseren abwechseln, wie z. B. bei der Kartoffel, Agrimonia-Arten, Potentilla anserina (Fig. 47 11 a a) u. a. Diese Differenz ist erst eine im Ver- laufe der Entwicklung entstandene; ursprünglich sind die Blättchen wie beim ge- wöhnlichen gefiederten Blatte von gleicher oder doch annähernd gleicher Grösse, die Differenz tritt erst im Verlaufe der Entwicklung ein. Ebenso ist es z. B. bei dem durch seine Blattbewegungen bekannten Desmodium gyrans. Das Blatt hat hier die Form eines Kleeblattes, besteht also aus einem End- und zwei Seiten- blättchen. Diese Seitenblättchen aber sind gewöhnlich im fertigen Zustand rudi- mentär ausgebildet, während für das Embryonalstadium wohl ein ähnliches Ver- halten wie das oben erwähnte angenommen werden darf.!) Indem wir nun auf die Formentwicklung des Dikotylenblattes näher eingehen, soll im Folgenden zuerst die Entwicklung des Blattes, dann die der Anhangsge- bilde, wie sie sich bei vielen Dikotylenblättern aus dem Blattgrunde entwickeln, und schliesslich die Entwicklung derabgeleiteten Blattformen geschildert werden. Der Entwicklungsgang der Blattanlage ist auch hier der, dass das Primor- dialblatt sich in Blattgrund und Blattspreite differenzirt, zwischen beiden wird so- dann der Blattstiel eingeschoben, oft nachdem die Blattspreite in allen ihren Theilen schon vollständig angelegt ist, zuweilen aber auch früher, immer aber erst, nachdem die Blattspreite selbst schon deutlich erkennbar ist. : Die Anlage der Blattspreite selbst ist bei verschiedenen Pflanzen von verschiedener Form, entweder erscheint sie dick und auf der Bauchseite gewölbt, und die dünne Blatt- lamina erscheint dann auch bei weiterem Flächenwachsthum als hyaliner Rand (Ziriodendron, Ficus etce.), während sich in der mittleren dicken Partie der Mittel- nerv differenzirt oder die Blattlamina ist gleich anfangs eine relativ dünne Platte, welche durch Dickenwachsthum bestimmter Partien dann die hervorspringenden Rippen bilden, in welchen die Gefässbündel verlaufen. Und zwar entsteht zuerst der Mittelnerv, an den sich dann die Seitennerven ansetzen. Auf die Lage, welche die junge Blattspreite einnimmt, soll hier nicht näher eingegangen werden. Erwähnt sei nur, dass dieselbe, wenigstens in den mir bekannten Fällen nie eine ebene Platte darstellt, sondern entweder dem Vegetationspunkt sich dicht anlegt oder in mannigfacher Weise eingeschlagen und gefaltet ist. 1) Vergl. über die Blattformen von Desmodium auch DArwIn’s power of movements, pag. 362— 364. 4 tn a RBNR, 7 Ra Ba TR NA . N ee 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 227 Es wurde oben schon erwähnt, dass die Gliederung der Blattspreite, wo- runter wir sowohl die Bildung zusammengesetzter (z. B. gefiederter) getheilter oder am Rande eingeschnittener Blätter verstehen, zu Stande kommt durch Ver- zweigung der Blattanlage. Diese Verzweigung ist, in den untersuchten Fällen immer eine monopodiale, selten eine gabelige!) wie bei Uficwaria. Die Aus- zweigungen erster Ordnung können ihrerseits wieder verzweigt sein u. s. w. Die Entstehungsfolge der Verzweigungen der Lamina ist nun eine sehr verschiedene, eine Thatsache, die bei andern Vegetationsflächen mit begrenztem Wachsthum, wie z. B. den Placenten wiederkehrt. Fassen wir zunächst nur die Verzweigungen erster Ordnung in’s Auge, so ist dieselbe entweder eine akropetale, von unten nach oben aufsteigende, wobei also die obersten Auszweigungen der Lamina die jüngsten sind, so z. B. bei sehr vielen Umbelliferen mit zusammengesetzten Blättern (Fig. 46), wahrscheinlich allen Papilionaceen mit echt gefiederten Blättern, ferner bei Avlanthus glanduwlosa, Spiraea Lindleyana, sorbifolia etc.) Oder die Ent- stehungsfolge ist eine basipetale: Myriophydlum, Ceratophyllum, Rosa canina, Potentilla reptans, anserina (Fig. 47) und wahrscheinlich alle Potentillen mit zusammen- gesetzten und getheilten Blättern, Spziraea lobata, Helleborus foetidus etc. Die Anlegungsfolge ist also wie die citirten Spzraea-Arten zeigen, nicht einmal inner- halb ein- und derselben Gattung eine constante. Die basipetal entstandenen Verzweigungen erster Ordnung sind, wenn überhaupt, bei den genannten Pflanzen auch basipetal verzweigt, können aber auch akropetal weiter verzweigt sein, wie dies bei den untersuchten Acer-Arten (A. platanoides und Pseudoplatanus) der Fall ist. Ein merkwürdiger Verzweigungsmodus ist endlich der, wo an einer Stelle des Blattes die Verzweigung auftritt, und von hier aus nach oben und unten fortschreitet (divergent nach EICHLER). So bei manchen Compositen, an dem Blatte von Achillea Millefolium z. B. ıst es leicht, sich mit aller Evidenz von dem Vorhandensein dieser Verzweigungsart zu überzeugen. Man sieht zuerst etwas über der Hälfte der Spreitenanlage zwei einander annähernd gegenüber- stehende Auszweigungen auftreten, und von hier aus dann nach oben und unten neue Auszweigungen folgen. Auch für diesen Modus finden sich Analogieen bei den Placenten?). I) Bezüglich der Blattentwicklung der Farne, deren Verzweigung nach HOFMEISTER durch oft wiederholte Dichotomie zu Stande kommen sollte vergl. Bd. I. pag. 269 ff. Die von Sachs als sym- podial verzweigt betrachteten Blätter von Zelledorus und Aubus sind monopodial verzweigt, wie es sich mit den sonderbaren dort angeführten Blattformen einiger Aroideen (Amorphophallus, Sauromatum) verhält, ist näher festzustellen. — Eine Dichotomie im strengen Sinne des Wortes findet auch bei Ufricularia nicht statt: der obere Blattlappen entsteht etwas vor dem untern. 2) Vergl. die Zusammenstellung bei EICHLER |]. c. pag. 18. 3) EICHLER unterscheidet noch weitere Verzweigungsarten: eine simultane, wo die Glieder sich zwischen Basis und Spitze gleichzeitig entwickeln: hier werden aber nur Palmen auf- geführt, bei denen eine Verzweigung der Lamina überhaupt nicht stattfindet. Ferner die ternirende: wobei nur zwei einander gegenüberstehende Seitenglieder gebildet werden, was natürlich sowohl bei basipetaler als bei akropetaler Anlage der Fall sein kann, wesshalb EICHLER diesen Fall zu einer besonderen Kategorie macht, was mir aber nicht nothwendig zu sein scheint. Endlich die cyklische Verzweigung, wie sie bei schildförmigen Blättern sich findet (s. unten). Diese ist aber nur eine Modifikation der basipetalen. Die parallele Verzweigung EICHLER’s, wobei die Innenfläche des Oberblattes an der Gliederbildung theilnehmen soll, in der Weise, dass auf beiden Seiten der Medianlinie Vertikalreihen von Blattreihen entstehen (Ferwla Ferulago, Libanotis, Foeniculum) existirt, soweit meine Untersuchungen reichen, nicht. Die »Vertikalreihen« die auf 157 228 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Die sämmtlichen Verzweigungen, deren Entstehungsfolge eben besprochen wurde, entstehen aus dem Rande des Blattes, eine Ausnahme bilden nur die unten zu besprechenden schildförmigen Blätter. Es hat zwar, wenn man ein junges Blatt in der Rückenseite betrachtet, nicht selten den Anschein, als ob aus der Blattoberseite Auszweigungen entsprängen, allein man überzeugt sich in diesen Fällen, dass dieser Anschein dadurch zu Stande kommt, dass die be- treffenden, Auszweigungen producirenden Blattheile concav vertieft sind, so dass also die Ränder, aus denen die Auszweigungen entspringen nach oben sehen (vergl. die Anm. und Fig. 46). Die letzteren sind dabei allerdings nicht selten der Blattoberseite genähert, allein eine wirkliche Betheiligung der letzteren bei der Bildung seitlicher Organe habe ich, im Gegensatz zu EIcHLEr’s Angaben nirgends konstatiren können. Es würde der Nachweis eines derartigen Vorganges nicht unerwünscht sein, um ihn zur Vergleichung mit Vorgängen heranziehen zu können, wie sie im Androeceum mancher Blüthen sich abspielen. Dass die Ver- zweigung derBlattlamina keine für die einzelne Pflanze konstante ist, braucht kaum be- tont zu werden. Sehr viele Pflanzen bringen in derJugend unverzweigte Blätter hervor, die mit zunehmendem Alter eine immer reichere Gliederung gewinnen. Anderer- seits produciren auch Pflanzen mit gewöhnlich unverzweigten Blättern gelegent- liche Varietäten oder nur einzelne Aeste mit gegliederten Blättern (z. B. Zagus silvatica) oder an einfach gefiederten Blättern treten statt einfacher Fiederblättchen gefiederte Theilblättchen auf (gelegentlich bei Gledifschia u. a.) Inwiefern die Verzweigung (bei den Wasserpflanzen) durch äussere Verhältnisse bestimmt sind, darauf wird anderwärts einzugehen sein. Nicht nur das »Oberblatt« d. h. die Anlage der Blattspreite ist zur Produktion von seitlichen Organen befähigt, sondern auch der Blattgrund. Die Sprossungen desselben erscheinen im fertigen Zustand als Anhängsel der Blattbasis, die oft von den untersten Sprossungen der Blattspreite sich nur wenig unterscheiden, und als »Nebenblätter« oder Stipulae bezeichnet werden. Diese Nebenblätter fehlen den Monokotylen!), und finden sich auch bei den Dikotylen nur an gestielten Blättern. Es sind die Stipeln Schutzorgane einerseits für die Blatt- spreite des betreffenden Blattes selbst, die langsamer heranwachsend als die Stipeln oft zwischen den letzteren verborgen ist, andererseits für die Stammknospe. Demgemäss ist ihre Lebensdauer oft eine viel kürzere als die des Blattes an dem sie stehen: sie fallen bei vielen Bäumen z. B. /agus, Quercus nach der Ent- faltung des Blattes ab, bei andern Pflanzen, wie bei den Leguminosen (sehr gross und blattähnlich sind sie z. B. bei der Erbse, auch bei den Viola-Arten) dagegen sind sie wie die übrigen Theile des Blattes grün und unterstützen die- selben in der Assimilationsthätigkeit, und bleiben dem entsprechend auch so lange frisch als das übrige Blatt. Dasselbe geschieht da, wo die Stipeln Anhängsel an dem verlängerten Blattgrunde darstellen, wie z. B. den Rosen. Bei Zaihyrus der Blattfläche stehen, sind nämlich nichts anderes als die nach der Rückenseite des Blattes zu eingefalteten Blattränder. I) Wenigstens sind mir keine derartige Fällen bekannt. Die Ranken von Swilax sind wohl theilweise als ungebildete Stipulae betrachtet worden (MOHL, MIRBEL, TRECUL, A. BRAUN u. a.) während andere, z. B. DE CANDOLLE, sie für umgebildete Seitenblättchen halten. Für beide Meinungen lassen sich schlagende Gründe nicht anführen, ebenso berechtigt erscheint es, sie als automorphe d. h. als Neubildungen, nicht als Umbildungen früherer Organe zu betrachten. Uebrigens verweise ich auf die eingehende Discussion dieser Frage bei DELPINO, Contribuzioni alla Storia dello sviluppo del regno vegetale I Smilacee, Genova 1880. pag. 19 fl. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 229 Aphaca, wo die Blattspreite selbst verkümmert, resp. sich zu einer fadenförmigen Ranke ausbildet, sind die Stipeln sogar die einzigen Assimilationsorgane. Sie sind auch hier mächtiger entwickelt, als bei den ersten von der Keimpflanze producirten Blättern, bei welchen die Blattspreite noch nicht verkümmert ist. Wie ich nachgewiesen habe!) ist diese Vergrösserung der Stipeln als eine direkte Folge der Verkümmerung der Spreite aufzufassen, gemäss einem weit verbreiteten gegenseitigen Abhängigkeitsverhältniss (Correlation) der einzelnen Organe einer Pflanze, wobei das Zurückbleiben oder die Verkümmerung eines Organs mit einer ausgiebigeren Entwicklung eines anderen verbunden ist. Denselben Effekt kann man künstich z. B. bei Vicia Faba hervorrufen. Entfernt man möglichst frühzeitig die Blattspreiten, so findet eine relativ sehr bedeutende Vergrösserung der zu diesem Blatte gehörigen Nebenblätter statt, einige Zahlen mögen als Beispiele dienen. Von zwei in einem Topfe aus gleichschweren Samen erwachsenen Pflanzen wurden der einen die Blätter gelassen, bei der andern die Blattspreiten möglichst bald exstirpirt. Gemessen wurde, da die Stipulae eines Blattes gewöhn- lich von derselben Grösse sind, je eine Stipula. Die Fläche der Stipulae betrug bei der ersten Pflanze bei der zweiten ı. Blatt ı41 DMillim. 239 DO Millim. 2. Blatt 1 FAN FARIEN SE lg 3. Blatt TORE 4 DE Ein derartiges Abhängigkeitsverhältniss findet aber nicht bei allen Pflanzen, z. B. nicht bei Phaseolus multiflorus statt. Es ist aber offenbar auf dasselbe Princip der Correlation zurückzuführen, dass, wie ich dies an dem oben erwähnten Blatte von Vicia Faba beobachtete, der sonst verkümmernde Endtheil des Blattes (der als kleines Spitzchen zwischen den zwei grossen Fiederblättchen steht) sich zu einer grossen Blattfläche gestaltet, wenn die beiden Fiederblättchen — aus unbekannten Ursachen — fehlschlagen. . Es kann kaum einem Zweifel unter- liegen, dass man dasselbe Resultat auch erhielte, wenn man früh genug die An- lagen der Fiederblättchen entfernen würde, ebenso wie man die normal ver- kümmernde Endknospe der Sprosse von Syringa zur Entwicklung veranlassen kann, wenn man die obersten Seitenknospen entfernt. Die sämmtlichen Laubblätter derjenigen Pflanzen, welche mit Neben- blättern versehen sind, pflegen solche zu besitzen, mit Ausnahme der Kotyledonen?). Indess gilt auch dieser Satz nicht ausnahmslos: 7ropaeolum majus?) besitzt Stipeln nur an den beiden ersten, anf die Kotyledonen folgenden Blättern, die folgenden entbehren dieselben, eine Thatsache, die ich als ein Beispiel für die unten zu besprechende Erscheinung betrachte, dass die Primärblätter oft Eigenschaften besitzen, die einst denen der ganzen Pflanze zukamen. Zropaeolum stammt meiner Ansicht nach von einer früher mit Nebenblättern versehenen Form ab, die verwandten Geraniaceen besitzen ja solche auch in der That an sämmt- lichen Blättern. Was die Stellung der Stipulae betrifft, so unterscheidet die beschreibende Botanik zwischen »stipulae axillares« und »stipulae laterales«. Letztere, die ge- wöhnlichste Form, sind seitlich am Grunde des Blattstiels inserirt, erstere stehen !) Beiträge zur Morphologie und Physiologie des Blattes, Bot. Zeit. 1880. 2) Dass die im Wesentlichen als Schutzorgane funktionirenden Stipeln an den Kotyledonen, die von der Samenschale umschlossen sind, überflüssig sind, ist klar, jedoch scheinen einige Pflanzen auch an den Kotyledonen Nebenblätter zu besitzen. So 7ihelygonum Cynocrambe. 3) IRMISCH, Flora 1856, pag. 691. N Re TEN SV RE RER SE STRTDE RN ET N CHUR BR j S% uk c el Ve di ! 2 230 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. in der Blattachsel als eine einheitliche Gewebeplatte. Die Entwicklungsgeschichte zeigt indess, dass die unten näher zu besprechenden Axillarstipeln nur eine sekundäre Modifikation der Lateralstipeln darstellen. Während nämlich die seiten- ständigen Stipulae dadurch entstehen, dass der Rand des Blattgrundes zu beiden Seiten der Insertion des Oberblattes blattartig auswächst, betheiligt sich bei den Axillarstipeln auch die an der Grenze zwischen Blattgrund und Oberblatt gelegene Zone, welche auswachsend die beiden seitlichen Sprossungen mit einander ver- einigt. Zeigt der Blattgrund nach Anlegung von Lateralstipeln noch ein beträcht- liches Wachsthum, so verlaufen die Lateral-Stipulae in den scheidenförmig er- weiterten Blattgrund, wie z. B. bei den Blättern von Äosa, ein Verhalten, das die beschreibende Botanik früher mit dem (auf irriger Voraussetzung beruhenden) Namen der »Stipulae adnatae« bezeichnete. Die zeitliche Entstehung!) der Stipulae ist keine fest bestimmte, sie erfolgt aber immer erst nach der Differenzirung des Primordialblattes in Blattgrund und Oberblatt, entweder vor oder nach Anlegung der Glieder erster Ordnung an der Spreitenanlage. Dieser Satz ist für das Verständniss mancher Knospenschuppen (Quercus etc.) wichtig, weil aus ihm hervorgeht, dass überall, da wo Stipulae vorhanden sind, auch eine Spreitenanlage vorhanden sein muss, die aber bei den genannten Knospenschuppen auf sehr frihem Stadium schon verkümmern kann. Auch bei den Stipulen ist Verkümmerung nicht selten. Ein wahrscheinlich hier- her gehöriger Fall totaler Verkümmerung (bei 7ropaeolum) wurde oben schon angeführt. In andern Fällen sind die Stipulen noch als kleine Zähnchen vor- handen, z. B. Coronilla varia, in noch andern erleiden sie unten zu besprechende Umbildungen. Hier sind zunächst einige Fälle zu erwähnen, bei denen keine Umbildung der Nebenblätter, sondern nur Modifikationen in ihrem Entwicklungs- gange stattfinden. Eine der häufigst vorkommenden ist die der Verwachsung der Stipulae, wie man sie an gegenständigen Blättern z. B. bei Zumulus Lupulus und in geringerem Grade auch bei andern verwandten Pflanzen wie Urtica dioica zu beobachten Gelegenheit hat. Hier sind die beiden einander nahestehenden tipulae der einander gegenüberstehenden Blätter eines Blattpaares bald voll- ständig frei, bald findet man sie an ihrer Basis mehr oder weniger weit hinauf vereinigt, so dass sie selbst ein scheinbar einheitliches Blättchen darstellen können, dessen Natur aber aus den beiden Zipfeln am Ende leicht erhellt. Die Anlagen der Stipulae erscheinen hier jedenfalls getrennt, es liegt aber keine wirkliche Verwachsung vor, bei der sich die ursprünglich freien, benachbarten Ränder mit einander vereinigen, sondern es beruht, wie so häufig in derartigen Fällen, die Vereinigung auf einem gesteigerten Wachsthum der gemeinschaft- lichen Insertionszone der beiden Stipularanlagen. Eine ähnliche Verwachsung findet sich auch bei manchen Geraniaceen etc. und, in auffallender und bedeutend modificirter Form auch bei vielen Rubiaceen. Bei verschiedenen ausländischen Rubiaceen sind die Nebenblätter vollständig miteinander »verwachsen«, aber doch von den grossen Laubblättern, zu denen sie gehören, auffallend verschieden. Bei der einheimischen Abtheilung der Stellaten dagegen sind äusserlich die Blätter und Nebenblätter einander vollständig gleich, und bilden scheinbar zusammen einen vier- bis achtgliedrigen Winkel, in dem man die eigentlichen Blätter nur daran erkennt, dass sie Knospen in ihren Achseln haben?). Die I) Vergl. EICHLER, a. a. O., pag. 26. 2) Dies erkannte schon DE CANDOLLE, Organographie, pag. 349. — Was hier als Regel vorkommt (Uebereinstimmung der Stipula mit Laubblättern) findet sich bei den unteren Blättern “a . SD ENT RE Pa ae En Er ER. ER, ek dh 5% BETEN De Reh Me « ‚ Ar n IB: Sk TR ; \ L X e } ; 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 231 Richtigkeit dieser, schon durch den Vergleich mit verwandten Formen nahe- gelegten Anschauung ergiebt sich auch aus der Entwicklungsgeschichte!) (vergl. Fig. 48). Betrachtet man einen Vegetationspunkt von oben, so sieht man die Anlage des »Blattwirtels« in Form eines Ringwalles über die Ober- fläche desselben hervortreten. Die Blattanlagen treten an zwei ein- ander opponirten Stellen des Ringwalles bald durch stärkeres Wachsthum hervor, und es zeigt eine solche Scheitelansicht leicht, dass die Blattstellung eine zwei- gliedrig decussirte ist. Die Weiter- entwicklung ist bei den einzelnen Arten verschieden, am einfachsten bei denjenigen mit sechsblättrigen Find, he Buuielmanpie: sie bei Galium Mor A Oberansicht des Vegetationspunktes eines Sprosses von /Zugo (wo gewöhnlich 8 Blätter in Gaium uliginosum mit »sechsgliedrigen« d.h. aus zwei (mit einem Wirtel vorhanden sind) und Achselsprossen versehenen) Blättern und vier Neben- Bi . : ee blättern bestehenden Blattquirlen. B Oberansicht eines häufiger bei Galum uliginosum_ ‘ . Vegetationspunktes von G. falustre mit »vierzähligen« vorkommen. Die Stipulae er- Blattquirlen b,, b,, b, die Blätter, st), st, etc. die scheinen hier nach Anlage der Nebenblätter. Blätter, indem sie aus dem Rande der ringförmigen Anlage zwischen den Laubblättern entspringen (Fig. 48, A) und nun allmählich zu gleicher Form und Grösse wie die eigentlichen Blattanlagen heranwachsen. Zuweilen (regelmässig bei bestimmten Arten) entstehen zwischen zwei Blattanlagen auch mehr als zwei Nebenblätter, so dass der »Wirtel« dann also mehr als sechsgliedrig wird. — Andrerseits kommen Minderzahlen vor. Bei Galum palustre z.B. finden sich in den Scheinquirlen vier gleichgestaltete, einnervige Blättchen, die sich nur dadurch von einander unterscheiden, dass nur zwei, einander opponirte, Axillarsprosse haben. Nach EICHLER soll hier eine echte Verwachsung ursprünglich getrennter Glieder vor- liegen, jedes der beiden Nebenblätter also aus zwei ursprünglich getrennten An- lagen entstanden sein. Ich finde indess, dass dies bei Galium palustre nicht oder doch nur sehr selten der Fall ist, man findet allerdings zuweilen den Rand der Nebenblattanlage ausgebuchtet oder wenigstens verbreitet, resp. schräg abgestutzt, (Fig. 48 B st,a bei a) und ist gewiss berechtigt, dies als Andeutung für die Anlage zweier Stipulae zu betrachten, allein öfter sah ich eine solche Andeutung nicht, sondern die Nebenblattanlage erscheint gleich einheitlich. Wir haben es also hier mit einem, der namentlich bei Blüthen so häufigen Fälle von »Fälschung« der Entwicklungsgeschichte zu thun, welche in der Einleitung erwähnt wurden. Es ist in der That an die Stelle der beiden Stipularanlagen hier eine Neu- bildung, das Auftreten eines einzigen Blättchens getreten. Die vergleichende Morphologie würde hier wohl von einer »congenitalen Verwachsung« sprechen, was eine unnöthige Umschreibung der Thatsache wäre, dass, wo andere Galum- Arten zwei Stipulae haben, hier von Anfang an nur eine einzige vorhanden ist. H st2a bu von Tropaeolum minus zuweilen als Monstrosität: sie können sich alle oder theilweise als schild- förmige Blättchen ausbilden (IrmiscH, Flora 1856, pag. 692). I) Wie zuerst EICHLER nachwies a. a. O., pag. 31, mit dessen Angaben meine Resultate aber nicht überall übereinstimmen. 232 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Bei zerstreut stehenden Blättern können die Stipulae eines Blattes auch auf der dem Blatte entgegengesetzten Seite mit einander verwachsen, so z. B. bei Trifolium montanum, Astragalus Cicer u. a. Auch die »Axillarstipeln« sind wie erwähnt nur eine sekundäre Modification der seitenständigen, wobei es überdies nicht an Uebergangsformen zwischen den beiden Arten fehlt, wie denn auch beide Arten linnerhalb ein- und derselben Familie an ein und derselben Pflanze vorkommen. Zu den Axillarstipeln gehören z. B. die »Tuten« der Polygonum-Blätter, welche eine, am Grunde des Blattes stehende häutige Röhre darstellen. So auch bei den Zheum-Arten. Bei den oberen Blättern von Aheum undulatum gegen die Blüthenstandsregion hin aber findet man an den Blättern freie, seitenständige Stipulae. Schon diese That- sache lässt auf die oben erwähnte genetische Beziehung zwischen den beiden Arten von Nebenblättern schliessen. Die Axillarstipel von Melianthus etc. ent- steht auf die Weise, dass an der oberen Grenze der Blattzone sich ein Transversal- wulst bildet, welcher nun die beiden seitlichen Ausbreitungen des Blattgrundes vereinigt und mit denselben heranwächst (vergl. auch Fig. 47 II A von Zotentilla anserina). Ganz derselbe Vorgang findet vielfach da statt, wo keine eigentlichen Stipulae, sondern nur ein scheidiger, den Vegetationspunkt ganz umhüllender Blattgrund gebildet worden. Die Jugendstadien eines Blattes von Melianthus major und von Zotentilla anserina z. B. stimmen vollständig überein, nur dass bei ersteren das Oberblatt seine Seitenglieder in akropetaler, bei letzteren in basipe- taler Richtung entwickelt. Später aber finden wir bei der ersteren Pflanze eine mächtig entwickelte Axillarstipel, bei letzteren nur einen scheidigen, oben durch den Querwulst verbundenen Blattgrund. Bei Melianthus findet sich am fertigen Blatte eine freie Axillarstipel, bei andern Pflanzen z. B. Zicus elastica etc. ver- wachsen die Ränder derselben miteinander zu einer »Tute«, die dann von dem sich entfaltenden nächst jüngeren Blatte gesprengt werden muss. Diese ge- sprengte Tute bleibt bei den Polygoneen in Form einer den Stengel rings um- fassenden Scheide erhalten. In der Knospe ist sie vollständig geschlossen und bedeckt den Vegetationspunkt, da die oberen Ränder der durch Betheiligung der Vorderseite des Blattgrundes ringförmigen Stipularbildung mit einander verwachsen. EICHLER bezeichnet die besprochenen Stipularbildungen, weil hier nicht nur die seitlichen Partieen des Blattgrundes, sondern die ganze Peripherie derselben an der Nebenblattbildung Antheil nehmen als »totale Stipularbildung), auf die enge Verknüpfung derselben mit der Lateralstipularbildung, die oben hervorgehoben wurde, mag hier noch einmal hingewiesen sein, | Bildungen, die mit den Axillarstipeln vollständig übereinstimmen finden sich auch bei Monokotyledonen. So bei den ZoZamogeton-Arten. Das Blatt besitzt zuerst nur eine den Stengel beinahe ganz umfassende gegen die Lamina scharf abgegliederte Scheide. Später tritt dann auf der Innenfläche des Blattes, da wo die Ränder der Blattscheide sich ansetzen, eine Wucherung auf, von den beiden Seiten nach innen fortschreitend, welche die beiden Seitentheile der Blattscheide miteinander verbindet. Von der Tute der Polygoneen unterscheidet sich die der Potamogeton-Arten, welche bei ?. matans z. B. sehr lang wird, und die Endknospe umschliesst dadurch, dass sie auf einer Seite offen ist. Bei ungestielt bleibenden Blättern, wie denen von ?. perfoliatum, steht die Axillarstipel in der Blattachsel. Nicht damit zu verwechseln sind die Schuppen, die in den Achseln der Blätter von Zlodea, Stratiotes, Acorus, Hydrocharis etc. (auch über der Axillarstipel bei P. perfoliatum) auftreten. Dieseligulaähnlichen (»sguamulaeintravaginaless) Bildungen 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 233 gehören in den von mir untersuchten Fällen überhaupt nicht dem Blatt an, sondern entspringen aus der Stammoberfläche unmittelbar oberhalb der Blattinser- tion. Es sind also Emergenzen resp. »Trichome« des Stammes. In besonders merk- würdigen Ausbildungen treten sie bei Gunnera scabra!) auf. Die »Stipulae« stehen hier in grosser Anzahl in den Blattachseln, sie erreichen eine Grösse von 6—7 Centim. und besitzen einen breiten Mittelnerv, von dem aus Seitennerven in die Seitenlacinien abgehen. Diese »Stipulae« dienen zugleich als Knospenschuppen, im Herbste, wenn die Pflanze ihre Blätter verliert, bilden sie, dachziegelartig zusammenschliessend und durch ausgesonderten Schleim verklebt die Hülle der Winterknospe. Während die Bildung von Nebenblättern eine sehr verbreitete ist, sind die als »Stipellen« bezeichneten Gebilde nur auf wenige Formen beschränkt, die Entwicklungsgeschichte derselben ist aber nicht ohne Interesse. Es sind darunter blattartige Ausbreitungen am Grunde von Theilblättchen eines zusammengesetzten Blattes zu verstehen, sie finden sich z. B. bei Rodinia- und Thalictrum-Arten. Am bekanntesten sind sie wohl bei der Gartenbohne, wo sie als spitze Zähne an der Mitte oder am Grunde jedes der drei Theilblätter stehen. Vielleicht können sie hier als rudimentäre Fiederblättchen betrachtet werden, denn sie entstehen am Grunde eines jeden Theilblattes, relativ spät, nachdem dessen Ausbildung schon ziemlich weit vorgeschritten ist. Anders bei Thalictrum, das übrigens auch nicht in allen Arten die erwähnten Bildungen besitzt (vergl. die Liste bei EICHLER a. a. O. pag. 49). Bei 7%. aquilegifolium stehen sie in Vierzahl am Grunde aller Ver- ästelungen des Blattstieles je zwei auf dem Rücken und zwei auf der Vorder- seite, häufig finden zwischen denselben Verwachsungen statt. Das Blatt ist aus dreizählig verzweigten Theilblättchen zusammengesetzt, die Stipellen entstehen paarweise, je eine Anlage auf dem Rücken, die andere auf der Bauchseite des Blattes, da, wo die Seitenblättchen erster Ordnung von der Rhachis abgehen. Die vier (da die Theilblätter einander gegenüber stehen und jedes zwei Stipellen hat) an den Verzweigungsstellen des Blattes stehenden Stipellen verwachsen nicht selten miteinander. Was die »morphologische Natur« der Stipellen betrifft, so ist darüber nur das zu bemerken, dass ihr Vorhandensein zeigt, dass auch andere Stellen der Blattanlage als der Rand zur Hervorbringung von blattartigen Sprossungen be- fähigt sind. Diese entspringen meist dem Blattgrund als Stipulae, zuweilen sind aber auch bestimmte Stellen der Blattfläche befähigt, Aussprossungen, die Stipellen zu bilder, wie bei Zhalictrum, während sie bei PAaseolus, wie erwähnt, vielleicht als rudimentäre Seitenblättchen betrachtet werden können, und noch mehr gilt dies für die Rodinia-Arten (z. B. Pseud-Acacia, hispida, viscosa u. a., wo sich Sti- pellen in Gestalt kleiner Zähnchen, je eines unterhalb des kurzen Stieles eines Fiederblättchens oder an der Rhachis zerstreut finden, sie sind gelegentlich zu Blättchen entwickelt. Sie entstehen nach den Fiederblättchen aus der Rhachis des Blattes selbst, wie ja rudimentäre Organe häufig auch verspätet angelegt werden. 5. Abgeleitete Blattformen. Der oben geschilderte Entwicklungsgang ist derjenige, wie er der Mehrzahl der Blätter zukommt. Bei vielen treten aber im Verlauf der Entwicklung Modificationen ein, von denen einige der wichtigsten hier noch hervorgehoben sein mögen. Eine relativ unbedeutende Modification der gewöhnlichen Blattentwicklung ist diejenige, welche zur Bildung der »schildförmigen« Blätter führt, Blattformen {) Vergl. REink&, Morphol. Abhndl. pag. 78 ff. a N ER FE 7 a a De N RER naht y AFS % TR, NER 234 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. also die wie z. B. diejenigen von Tropaeolum, Nelumbium, Umbilicus; Hydrocotyle, Lupinus, Ricinus dadurch ‚ausgezeichnet sind, dass die Blattfläche sich nicht direkt in den Blattstiel fortsetzt, sondern der letztere auf der Unterseite der La- mina sich ansetzt (vergl. Fig. 49). Es tritt hier genau dieselbe Erscheinung auf, wie bei der »totalen Stipularbildung«, die nämlich, dass auch hier eine Zone auf der Rückenseite des Blattes, hier natürlich des Oberblattes, dicht an der Stielinsertion sich an der Spreitenhildung betheiligt, so dass die Spreite über den Stiel hinauswächst.!) Anfangs aber zeigen die schildförmigen Blätter durchaus die gewöhnliche Entwicklung, erst später tritt die erwähnte Aenderung ein. Dass hier also kein neuer Entwicklungsmodus, sondern nur eine sekundäre Modification des gewöhnlichen Entwicklungsganges vorliegt, das geht auch daraus hervor, dass ein und dieselbe Pflanze schildförmige und nicht schildförmige Blätter produciren kann. So z. B. Umbilicus pendulinus, bei welchen ich nicht selten beobachtet habe, dass bei den untersten Blättern die Lamina sich direkt an den Blattstiel ansetzt, was bei den Primärblättern von Pflanzen mit derartigen Blättern über- haupt wohl die Regel ist. Es ist auch die »Schildform« der Blätter auf die ver- schiedensten Verwandtschaftskreise in gelegentlichem Vorkommen vertheilt. Als Beispiel für die Entwick- lungsgeschichte der in Rede stehenden Blät- ter diene die des Blattes der Umbellifere Zy- drocotyle vulga- ris, einer Pflan- ze, deren Haupt- stamm auf feuchtem Bo- den kriecht, während die Blattstiele ne- gativ geotro- pisch sind und die Blattflächen (B. 370.) Fig. 49. annähernd HÄydrocotyle vulgaris, Blattentwicklung. ı ein fertiges, »schildförmiges« Blatt. rechtwinklig zu st Blattstiel. 2 junges Blatt vergrössert. 3—6 successiv jüngere Entwick- - £ 1 4 “ ihnen, also hori- lungsstadien. 3, 4, 6 von der Seite, 5 von der Vorderfläche. zontal, stehen. Die ersten Entwicklungsstadien stimmen mit denen anderer Umbelliferen- Blätter überein. Das Oberblatt setzt sich also auch hier in den Blattgrund direkt fort, die Entwicklung der Seitenglieder erster Ordnung erfolgt in ab- steigender Folge (Fig. 49 3—6), wofür mir bei den Umbelliferen kein weiteres Beispiel bekannt ist; indess wird auf diesen Umstand auch kein Gewicht zu legen sein, da die Entwicklungsfolge anderwärts (Spziraea) ja nicht einmal innerhalb 1) Auf demselben Wachsthumsvorgang beruht die Bildung von Staubblättern mit »versa- tilen« Antheren, wie sie z. B. viele Monokotylen besitzen. y IE ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 235 ein und derselben Gattung constant ist (pag. 227). In dem in Fig. 49, 3, repro- ducirten Stadium ist das Blatt noch nicht schildförmig, wohl aber macht die Blattfläche (die in der Fig. gefaltet ist) mit dem massig erscheinenden Blattstiel einen schiefen Winkel. Nun wächst die zwischen den untersten Blattlappen ge- legene, dicht an den Stiel angrenzende Partie des Oberblattes, der jungen Biatt- spreite, ebenfalls flächenförmig aus, dadurch sind die untersten Blattlappen mit einander vereinigt und die Schildform des Blattes eingeleitet. Der untere, dem Blattstiel nähere Theil der Blattfläche ist aber anfangs viel kleiner als der obere, der Stiel also unsymmetrisch inserirt. Erst später gleicht sich dies durch stärkeres Wachsthum der unteren Partie wieder aus, so dass beim fertigen Blatt (Fig. 49, I) der Stiel annähernd in der Mitte der Blattspreite inserirt ist, und von hier aus strahlen auch die Blattnerven. Die Glieder erster Ordnung des Blattes ver- zweigen sich noch weiter, indem sie an ihrer Basis je ein Seitenblättchen bilden (Fig. 49 2). Am fertigen Blatte aber ist davon kaum noch etwas zu erkennen: Die Gliederung des Blattes spricht sich nur durch seichte Kerben am Blattrande aus, deren gegenseitiges Verhältniss (in der Fig. durch die Bezifferung angedeutet) indess an den meisten Blättern ohne Kenntniss der Entwicklungsgeschichte nicht mehr erkennbar ist. Vergleicht man Fig. 49, ı mit Fig. 49, 2, so erhellt ohne Weiteres, dass das Blatt in seinem früheren Entwicklungsstadium eine relativ reichere Gliederung besass, als im fertigen Zustand, also in dieser Beziehung überein- stimmt mit anderen verwandten Formen, deren Blatt auch im fertigen Zustand eine meist reiche Gliederung zeigt. Bei Aydrocotyle wird dieselbe verwischt, indem die Seitenblättchen nach ihrer Anlegung nur noch sehr wenig wachsen, während die Blattfläche selbst sich noch beträchtlich vergrössert. Mit dem eben Geschilderten stimmen der Hauptsache nach wohl sämmtliche schildförmige Blätter überein. So Nelumbium luteum und Umbilicus pendulinus, Tropaeolum!) etc. Ueberall finden wir anfangs Uebereinstimmung mit der ge- wöhnlichen Blattform, und bei gegliederten Blättern basipetale Anlegung der Glieder, sodann Auftreten der Wucherung aus der Rückenseite des Blattes; auch der Umstand, dass das Blatt in der Jugend reicher gegliedert ist als später, wiederholt sich z. B. bei 7ropaeolum und Umbilicus, ein Umstand, der meiner Meinung neben anderen Momenten durchaus dafür spricht, dass die Schildform der Blätter der betreffenden Gewächse erst eine relativ spät erworbene ist, während die Vorfahren derselben noch die gewöhnliche Blattform besassen. Dass bei Podophyllum peltatum wie Tr£cuL angiebt (ich hatte leider keine Ge- legenheit diese Pflanze zu untersuchen), die Seitenblätter nicht basipetal, sondern simultan entstehen, ist von keinem grossen Belang. — Bleibt die primäre Blatt- fläche sehr klein, so strahlen scheinbar vom Blattstiele aus eine Anzahl kreis- förmig gestellter Seitenblättchen wie bei Lupinus, die Entwicklung ist hier aber dieselbe basipetale Anlage der Seitenglieder, Auftreten eines Querwulstes auf der unteren Grenze der Lamina etc. Bei den vierblätterigen Oxals-Arten bilden sich zuerst drei Blättchen, wie z. B. bei den dreiblätterigen 7rifolium-Arten, das vierte entsteht zwischen den beiden unteren Seitenblättchen, entspringt also eben- falls aus der Rückenseite der Blattfläche, während bei Oxals lasiandra (nach TreEcur) sich hier wie bei Zupinus ein transversaler Wulst bildet, aus dem eine grössere Anzahl neuer Theilblättchen hervorgehen. Im Allgemeinen wieder- holt sich hier also überall derselbe Vorgang bei dem eben nur die Betheiligung eines Stückes Rückenfläche der Blattlamina dem gewöhnlichen Verhalten gegen- l) TRECUL, a. a. O. pag. 261. 236 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. über das neue ist. — Wie auf der Oberseite des Blattes, so können übrigens auch auf der Unterseite desselben eine Neubildung auftreten, welche eine schildförmige Gestalt des Blattes veranlasst. So bei den Staubblättern der meisten Cupressineen!) den Deckblättern mancher Piperaceen?), z. B. Zeßeromia u. a. Ein ähnlicher Vorgang, wie bei der Bildung schildförmiger Blätter liegt der Entwicklung der sonderbaren Blattbildungen zu Grunde, welche sich bei einigen Mazda (B. 371.) Fig. 50. Längsschnitt durch eine »Blase« von Uftricularia vulgaris. Links der Eingang in dieselbe, welche durch die Klappe v verschlossen ist. a Theil der Blasenwand, welcher aus dem Querwulste a Fig. 5I hervorgegangen ist. Die Blasenwand ist ursprünglich dreischichtig, die Mittelschicht wird aber später resorbirt. insektivoren Pflanzen finden.?) Von einigen Formen soll dieselbe im Folgenden geschildert werden. ı. Utricularia. An den fiederförmig verzweigten Blättern (nicht Zweigen, wie DRUDE a. a. O. pag. 134 schreibt) sitzen zahlreiche plattgedrückte Schläuche (Fig. 50), welche an einer Seite offen, hier aber mit einer Klappe (v Fig. 50), ver- schlossen sind, welche mit ihrem freien Ende unter einem vorspringenden Wulste des unteren Randes der Oeffnung aufliegt, sodass kleineren Insekten zwar ein Eindringen in den Schlauch, nicht aber ein Herauskommen aus demselben mög- lich ist. Die Entwicklungsgeschichte zeigt, dass diese Schläuche, von denen die Pflanze ihren Namen hat, umgewandelte Blattfiedern, zuweilen, wie bei den Keim- pflanzen, auch umgewandelte ganze Blätter sind. Es ergiebt sich dies schon aus ihrer Stellung (Fig. 5ı, ı) sowie daraus, dass die Umwandlung nicht selten unter- 1) GOEBEL, Beiträge etc. Bot. Zeit. 1881. pag. 702. 2) Schmitz, Die Blüthentwicklung der Piperaceen in HAnsTEın’s botan. Abhandl. II. Bd. zurleft 3) Ueber die fertigen Verhältnisse vergl. Drupe’s Abhandl. über insektenfressende Pflanzen im ı. Bd. dieses Handbuches. RER SR ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 237 bleibt, und man dann an ihrer Stelle ein einfaches, kleines Fiederblättchen findet. Und dasselbe Resultat ergiebt die Entwicklungsgeschichte. Es erscheint die Schlauchanlage in Form eines kleinen Zäpfchens, das gewöhnlich die Stelle des untersten Fiederblättchens eines Blattstiels erster Ordnung einnimmt. Auf der Rückenfläche des Blättchens erscheint nun zu- nächst ein Querwulst, welcher später den unteren Theil (a Fig. 50) der Schlauchwandung bildet. Hinter demselben entsteht (durch gesteigertes Flächenwachsthum) eine Vertiefung, die sich vergrössert, indem gleichzeitig der Querwulst in die Höhe wächst. Der oberhalb des letzteren gelegene Theil des Blättchens wächst auf seiner Hinterseite stärker als auf seiner Vorderseite und krümmt seine Spitze in Folge dessen dem Querwulst zu (Fig. 5ı 3). Dadurch wird die ursprüngliche offene Mündung der hinter diesem liegenden Gewebe verengert, sie erscheint in Fig. 50, 5, noch als breitgezogenerSpalt. Schliess- Fig. 51. (B. 372.) Utricularia vulgaris. ı Theil des ge- fiederten Blattes, an jeder Seitenfieder lich aber wird die Mündung ganz verschlossen, indem der obere Blättchentheil über die Innen- seite des Querwulstes hinauswächst, und sich später dann zur Klappe gestaltet, welche den Eingang zur Blase, deren weitere Gestaltver- änderungen hier nicht in Berracht kommen, verschliesst. Das Auftreten dieses Querwulstes stimmt ganz überein mit den Vorgängen bei der Bildung schildförmiger Blätter, nur kommt bei Utricularia noch die eigenthümliche Einkrümm- ung des oberen Blatttheiles hinzu. Die hier mitgetheilten Untersuchungsresultate stehen im Widerspruch zu denen PRINGSHEIM’s (Monatsber. d. Berl. Akad. 1869 pag. 104). Nach ihm soll der Schlauch ein metamorphositer Spross sein, und dies sowohl aus der Entwicklungsgeschichte als den Stellungsver- an der Basis statt eines Fiederblättchens ein junger Utriculus, etwas mehr der Bauchseite des Blattes genähert. 2 Ein junger Utriculus von der Oberseite, auf derselben hat sich die wulstige Er- höhung, a gebildet, hinter welcher die Blattfläche schon eine Vertiefung zeigt. 3 Optischer Durchschnitt eines jungen Utriculus. a die wallartige Erhebung, die bedeutend herangewachsen ist, ] die Blattlamina, die sich .convex gegen a krümmt, 5 eine 3 entsprechende Flächen- ansicht. Die Mündung des Utriculus ist noch nicht verschlossen, sondern durch einen breiten Spalt gebildet. 4 Etwas älteres Stadium halbirt, der obere Blatttheil hat sich über a herein- geschlagen, und bildet so die Verschluss- klappe. 6 ein wenig jüngeres Stadium in Flächenansicht. hältnissen hervorgehen. Was die erstere betrifft, so ist deren Deutung bei PRINGSHEIM begründet auf der habituellen Aehnlichkeit mit den Anlagen schmächtiger Sprosse, die allerdings den Blasenanlagen ziemlich gleichen. Sie besitzen, wie alle Ufrieularia-Sprosse einen eingekrümmten Vegetations- punkt, und PRINGSHEIM fasst demgemäss auch das eingekrümmte Blattende als Vegetationspunkt eines Sprosses auf, an welchem Blattanlagen entstehen sollen. Diese sind aber nicht vorhanden, es sind vielmehr die, die Vertiefung begrenzenden Seitenränder des Blattes. Die Wucherung fasst PRINGSHEM als Vegetationskegel eines Tochtersprosses auf, der später mit dem primären Vegetationskegel zur Bildung des Ventils verwachsen soll. Eine solche Verwachsung findet nicht In PrınGs- HEIM’s Fig. 6 aa fehlt die untere Contour derselben, deshalb sieht es so aus, als ob statt einer statt, sondern das Ventil wird von dem eingekrümmten oberen Blatttheil gebildet. Klappe ein Trichter vorhanden sei. Dass sekundäre Schläuche an einem Schlauch entstehen können, beweist die Sprossnatur derselben ebenfalls nicht, es sind diese sekundären Schläuche dann eben sekundäre Blattfiedern, wie sie an den nicht metamorphosirteu vegetativen Blatt- strahlen regelmässig auftreten. ebenfalls kein Beweis. Seltenheit, sie stehen aber nicht genau an der Stelle eines Fiederblättchens (resp. Schlauches). Dasselbe gilt für die von PRINGSHEIM als weitere Stütze seiner Ansicht aufgestellten blattachsel- Dass statt des Schlauches auch ein Spross auftreten kann, ist Denn blattbürtige Sprosse sind bei den Utricularien überhaupt keine 238 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. ständigen Schläuche. Auch ich habe dieselben nicht selten beobachtet, aber wo ich sie unter- suchte, stets einen Vegetationskegel (eine Sprossanlage) gefunden, an dem die Schläuche als Blattanlagen entstehen, sie stellen hier also ganze, umgewandelte Blätter vor (wie bei der Keim- pflanze) die in Einzahl oder Mehrzahl direkt in der Blattachsel zu stehen scheinen, weil der Vegetationspunkt des sie erzeugenden Achselsprosses nach ihrer Bildung verkümmert. Zudem stimmen, wie im Folgenden gezeigt werden soll, die Entwicklungsvorgänge der Urricularia- Schläuche ganz mit denen überein, die an anderen insektivoren Pflanzen sich an unzweifelhaften Blättern vollziehen. Ganz ähnliche Vorgänge sind es, durch welche die sonderbaren Kannen und Schläuche anderer insektivorer Pflanzen zu Stande kommen. Bei Cephalotus folli- cularis!) finden sich in der grundständigen Blattrosette zweierlei Blätter; die einen flach, länglich elliptisch fast nervenlos, die anderen stellen Schläuche dar, die aus einer Kanne und einem einseitig an der Mündung derselben befestigten Deckel bestehen. Die Entwicklung ist die, dass unter dem Gipfel der Blattanlage eine Vertiefung auftritt, deren Ränder gebildet werden einerseits durch einen auf der Biatt-Rückenseite auftretenden Querwall (wie bei Ufricularia), andererseits durch den etwas concav gegen denselben gekrümmten oberen Blatttheil. Der Querwall wächst also hier zum Deckel aus, während die Kanne aus dem concav gekrümmten oberen Blatttheil hervorgeht, der Schlauch biegt sich dann später auf dem Blattstiel zurück. Der Schlauch bildet sich also hier durch Einstülpung der Blattoberseite, während der Deckel an der Grenze des Schlauches und Stieles aus der Blattoberseite hervorwächst, ganz wıe der untere Rand der Schlauch- öffnung von Ufricularia. Ganz ähnlich entwickelt sich auch die Kanne von Nepenthes.) Die mit einem Deckel versehenen Kannen stehen hier bekanntlich auf einem langen Stiele, welcher die Fortsetzung der Mittelrippe des Blattes bildet. Ich halte indes das, was man hier als »Blattspreites bezeichnet für einen verbreiterten, blattartigen Blattstiel, wie wir ihn gerade ebenso auch bei Dionaea und in vielen anderen Fällen finden (jedenfalls ist es unrichtig, wenn DrupE den Deckel als die Blatt- lamina auffasst a. a. OÖ. pag. 137). Der Deckel ist nur das obere Ende der Blatt- lamina, die Kanne stellt aber ebenfalls einen Theil derselben dar, der eine Rand derselben wird aber von der wallartigen Wucherung der Blattspreite gebildet wie bei Ufricularia. Denken wir uns die Schläuche der letzteren beträchtlich ver- grössert, die Klappe nicht über die Innenseite der Mündung eingeschlagen, sondern die breite Oefinung als Deckel verschliessend, so erhalten wir die Kanne von Nepenthes. Der Stiel, auf dem dieselbe steht, ist zur Zeit, wo die Kanne in allen ihren Theilen der Hauptsache nach angelegt ist, kaum angedeutet, er wird zwischen die Kanne und den blattartig ausgebildeten Blattstiel eingeschoben, ganz ähnlich wie allgemein der Blattstiel zwischen Blattgrund und Blattspreite und entsteht also durch interkalares Wachsthum des oberen Theiles des Blatt- stieles. Wir kommen sonach zu der Folgerung, dass die Entwicklung der eigenthüm- lichen Blattformen der genannten Insektivoren im Grunde überall dieselbe ist, dass es eigenthümliche Parallelbildungen sind, und dass die dabei auftretenden Vorgänge sich an die bei der Entwicklung schildförmiger Blätter anschliessen. Es handelt sich meiner Ansicht nach überall um Modificationen von Blattspreiten. Bei Nepenthes kann man darüber zweifelhaft sein, vielleicht würde die Unter- suchung der Primärblätter an Keimpflanzen instructive Aufschlüsse ergeben. I) Vergl. EICHLER, Jahrb. d. botan. Gartens in Berlin. Bd. I. 2) Vergl. HoöKer, transactions of the Linnean society. XXI. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 239 Statt einer auf einer rankenförmigen Verlängerung stehenden Kanne findet man an den Nepenthes-Blättern häufig auch nur eine Ranke, mittelst deren die Pflanze klettern kann!), übrigens auch dann, wenn an der Spitze der Ranke (des ver- längerten Blattstieles) eine Kanne sich befindet. JVepenthes leitet dadurch über zur Besprechung derjenigen Blattmodificationen, die sich bei Schling- und Kletter- pflanzen finden, Modificationen übrigens, deren Entwicklungsgeschichte (in onto- genetischem Sinne) eine sehr einfache ist. Sie bestehen meist darin, dass die Blattlamina selbst oder ihre Seitenglieder statt sich blattartig, also zu Flächen zu entwickeln zu dünnen fadenförmigen mit Reizbarkeit für Berührung ausge- statteten Organen, welche Stützen umschlingen, zu Ranken sich umbilden. Am bekanntesten sind sie wohl von vielen Leguminosen z. B. der Erbse, wo das Ende der Blattlamina und die obersten Fiederblättchen sich zu Ranken umbilden. Nicht selten findet man, dass von den obersten Blattfiedern das eine als Blättchen, das ihm gegenüberstehende als Ranke ausgebildet ist. Als besonders interessant mag hier der Fall von Corydalis claviculata, den Darwın?) näher beschrieben hat, angeführt sein, weil diese Pflanze im Verlaufe ihrer Entwicklung eine allmähliche Umbildung der Blatt- in Rankenorgane zeigt. Im Jugendstadium trägt dıe Pflanze gewöhnliche Blätter, deren sämmtliche Theilblättchen also auch wirklich als Blättchen ausgebildet sind?) (das Blatt ist doppelt gefiedert). Bei den auf diese Blätter weiter nach oben folgenden ist die obere Partie des Blattes, resp. der Blattspindel dünner und länger als der untere Theil. Die Fiedern der Theil- blättchen, welche an diesem rankenartig verlängerten Theile sitzen, sind an Grösse sehr reducirt, oft fast bis zur Unkenntlichkeit verkümmert, wobei übrigens alle Zwischenstufen bis zu den normalen Blättchen sich finden. Nicht selten ist auch an allen endständigen Theilblättchen des Blattes jede Spur von Fiederblättchen verschwunden, und die ersteren erscheinen dann als vollkommene Ranken. Aehn- liche Fälle werden unten bei Besprechung der Primärblätter zu erwähnen sein. Auch die »Ranken«e der Cucurbitaceen®) gehören in die Kategorie der metamorphosirten Blätter, wie aus der Entwicklungsgeschichte sowohl, als den bei Czuurdita maxima von mir beobach- teten Wachsthumsverhältnissen hervorgeht. Die »Ranken« des Gartenkürbisses bestehen aus einem Stiele und einer Anzahl vom Gipfel desselben ausstrahlender Arme. Letztere stehen am Stiele spiralig, nicht selten tritt diese Spiralstellung durch Streckung der Internodien des Stieles hervor, und man findet dann einzelne Ranken an der Basis des Stieles. Jeder »Rankenarm« ist ein um- gewandeltes Blatt®), der Rankenträger aber die Sprossachse, welche die Ranken trägt. An den von mir beobachteten Rankenträgern, wie ich die zusammengesetzte Ranke nennen will, hatte jeder Rankenarm eine Axillarknospe, die sich auch nicht selten zur Blüthe entwickelte, und in einzelnen Fällen waren die Rankenträger zu Sprossen geworden, an welchen die Ranken nach oben hin in Blätter übergingen, oft in der Art, dass nur die eine Hälfte der Blattlamina aus- I) Vergl. Darwın, Kletterpflanzen (Uebersetzung). pag. 62. ?) Kletterpflanzen. pag. 94. %) Auch bei Pisum sativum und wohl allen analog sich verhaltenden Papilionaceen sind die Spitzen der jüngsten Blätter noch nicht zu Ranken umgebildet, dies geschieht erst bei den weiter oben stehenden. #) Bezüglich der umfangreichen Literatur verweise ich auf EICHLER, Blüthendiagramme 1. pag. 303 ff., besonders aber auf WARMInG forgreningsforhold hos fanerogamerne. (Die von EICHLER acceptirte Vorblatttheorie ist nach dem Folgenden nicht haltbar). Von neuerer Literatur nenne ich: DUTAILLy, recherches anat. et organogeniques sur les Cucwbitacees et les Passi- florees. (Assoc. franc. pour l’av. des scienc. congres de Montpellier 1879). — °) Es wird an demselben zuweilen im Jugendzustand noch eine Lamina angedeutet, die aber so schmal bleibt, dass sie an der fertigen Ranke meist nicht mehr zu sehen ist. 240 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. gebildet war, während die andere fehlte und der Mitteltheil des Blattes sich über die Blattlamina hinaus in Form einer kleinen Ranke verlängerte. Gewöhnlich aber bleibt der Vegetationspunkt der Sprossachse, an der die Ranken inserirt sind, nach Anlegung derselben stehen und die- selben strahlen dann scheinbar von einem Punkte aus. Dass der Rankenträger sammt Ranke nicht als »Vorblatt« aufgefasst werden kann, ist klar. Spiralig stehende, Sprossungen an einem Blatte kennen wir nicht, und ausserdem lässt sich damit auch der Aufbau der fertigen Ranke in Fällen wie der oben beschriebene, absolut nicht in Einklang bringen. — Die eigenartige Stellung des Rankenträgers ist hier nicht näher zu erörtern, hervorgehoben sei nur dass sie ein (stütz- blattloser) Seitenspross des Blattaxillarsprosses zu sein scheint. Wo wie z. B. bei Dryozia nicht Rankenträger, sondern einfache Ranken vorkommen, da stellt die Ranke das umgewandelte Blatt eines Sprosses dar, der gewöhnlich nicht zur Entwicklung gelangt, der Anlage nach aber wohl immer vorhanden ist,!) und wenn er wirklich zur Entwicklung gelangt, für den Axillarspross der Ranke gehalten wurde. An einer im Topfe kultivirten, kümmerlich entwickelten Pflanze von Cucurbila maxima, welche demselben Samen entstammte wie die sehr kräftig entwickelten Gartenexemplare, denen die oben beschriebenen blüthentragenden Rankenträger entnommen waren, traten statt der Ranken- träger einfache Ranken wie bei Dryonia auf: das einzige zur Ranke umgewandelte Blatt des sonst verkümmernden Rankenträgers. Uebrigens bin ich durchaus nicht der Ansicht, dass die Ranken der Cucurbitaceen überall analoge Gebilde (aus Umwandlung desselben Organs, also nach dem Obigen eines Blattes) sein müssen. DARWIN a. a. OÖ. pag. 98 theilt den bemerkenswerthen von HOLLAND beobachteten Fall mit, wo auf einer Gurke einer »der kurzen Stacheln auf der Frucht« in eine lange gerollte Ranke ausgewachsen war also eine Emergenze ohne Blattcharakter sich in eine Ranke ver- wandelt hatte. Es genügt aber das oben Mitgetheilte jedenfalls, um zu zeigen, dass bei den von mir unter- suchten Exemplaren der Rankenträger ein Spross war. NAupin's bei Cucurbita Pepo beobachtete Missbildungen stehen damit nur scheinbar im Widerspruch. Sie sind nämlich, wie ich glaube — soweit das nach den Abbildnngen zu beurtheilen möglich ist, — anders aufzufassen, als NAuDIN es gethan hat. Er fasst die von ihm beschriebenen Fälle als Umbildung eines Rankenträgers in ein Blatt auf, dessen Hauptnerven den Ranken entsprechen sollen. Nach den Abbildungen Fig. ı bis 5 a. a. O. Pl. ı hat er aber nur gesehen, dass einzelne Rankenarme entweder halb- seitig oder ganz als Blättchen sich entwickelt haben, welche dem Rankenträger (dessen Spitze bei Fig. 1a abortirt), theilweise angewachsen sind. Meiner Ansicht nach hat er also im Grunde denselben Fall vor sich gehabt, wie ich; nur dass keine Achselknospen der Rankenarme entwickelt waren und seine Deutung der Stellung der Rankenarme widerspricht. Dass übrigens durchaus nicht alle Ranken Blattgebilde sind, braucht wohl kaum hervor- gehoben zu werden; es genügt an die oben erwähnten Ranken des Weinstocks zu erinnern, welchen Sprossnatur zukommt. Bei den insektivoren Pflanzen wurden oben schon Fälle angeführt (Dionaea, Aldrovanda, Nepenthes) in welchen der Blattstiel Form und Funktion einer Blattspreite in geringerem oder grösserem Maasse annimmt (auffallend z. B. bei Nepenthes), während die Blattlamina als Insekten-Fangorgan ausgebildet ist. Die Thatsache, dass der Blattstiel als Blattlamina ausgebildet ist, findet sich nun auch in Fällen wo die Blattspreite ganz verkümmert also auf andere Weise ihren nor- malen Funktionen entzogen wird, als bei Dionaea, Nepenthes etc. Derartige I) Derartige Fälle, dass eine Sprossachse ganz oder beinahe spurlos verkümmert, während ihre Seitenorgane mehr oder minder mächtig entwickelt und dann scheinbar allein vorhanden sind, sind nicht selten. So z. B. bei den oben erwähnten »axillären« Schläuchen von Uhrzieularia, bei den Stachelbüscheln der Cacteen, welche aus einer total verkümmernden Sprossanlage in der Achsel eines oft nur durch eine kleine Anschwellung des Stengels angedeuteten Blattes ent- springen. In weniger auffallendem Maasse ist dasselbe der Fall bei den Kurztrieben der Coni- feren. — Bezüglich der Entwicklung der Cucurbitaceenranken sind namentlich WARMING’s An- gaben zu vergleichen (Forgreningsforhold, pag. XIX.) ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 241 Blätter wurden als Phyllodien bezeichnet. Ihre bekanntesten Vertreter sind die der neuholländischen Acacien, bei welchen der Blattstiel in der Vertikalebene flächenförmig entwickelt, die Spreite ganz verkümmert, resp. auf einem so frühen Stadium ihrer Entwicklung stehen geblieben ist, dass sie nur noch als kleines, ungegliedertes Spitzchen am Ende des Phyllodium’s erscheint. Die Entwicklungs- geschichte des letzteren würde aus dem angegebenen Grunde über seine Natur keinen Aufschluss gegeben haben, wenn nicht die Blattformen, die an der Keim- pflanze auftreten, uns über das Zustandekommen der Phyliodien Auskunft geben würden. Es treten nämlich an der Keimpflanze zuerst doppeltgefiederte mit cylindrischem Blattstiel versehene Blätter auf, wie sie andere Acacien zeitlebens besitzen, bei den weiter folgenden Blättern verbreitert sich allmählich der Blatt- stiel rechtwinklig zur Blattfläche, während die Fiederblättchen an Zahl abnehmen, bis sie bei den oberen Blättern ganz verschwunden sind, und nur der verbreiterte Blattstiel als Phyllodium noch übrig ist. Einige Acacienarten z.B. Acacia hetero- phylla tragen übrigens beide Blattarten unter einander. — Aehnliche Phyllodien kommen auch sonst vor z. B. bei Oxals bupleurifolia,'!) wo man übrigens die verkümmerte Lamina auf dem Phyllodium noch nachweisen kann. Die Blätter von Bupleurum selbst dagegen, die man ebenfalls als Phyllodien bezeichnet hat, rechne ich, wenigstens in ontogenetischem Sinne nicht hierher, wenn auch nach DE CAnDOLLE’s Angaben bei Dupleurum di fforme ähnliche Verschiedenheiten vor- kommen sollen, wie bei den mit Phyllodien versehenen Acacien, indem die Pflanze in ihrer Jugend Blätter mit gegliederten Blattspreiten trägt wie andere Umbelliferen, in späterem Alter die für die Dupleurum-Arten bekannte einfache Blattform. Denn es ist nicht einzusehen, warum nicht eine solche Blattform auch dadurch zu Stande kommen sollte, dass die Bildung eines Blattstieles überhaupt unter- bleibt und das (vom Blattgrund in Folge dessen nicht scharf abgetrennte) Ober- blatt von Anfang an die erwähnte, einfache Form annimmt, die ja übereinstimmen kann mit Formverhältnissen des Blattstieles resp. der Blattscheide verwandter Pflanzen.?) !) Vergl. DE CANDOLLE, Organogr. veget. pag. 283 des I. Bandes. Als Abbildung wird daselbst citirt: ST. HILAIRE, Fl. bras. pl. 23. Man findet an ein und demselben Exemplare dieser Pflanze Phyllodien, welchen die drei Theilblättchen der Blattlamina noch aufsitzen, und solche bei denen sie (schon sehr frühzeitig) abgefallen sind — angelegt werden sie wohl überall. Und Aehnliches gilt wohl für » Oxals rusciformis« — (deren Verhältniss zu O. bupleurifolia mir unbe- kannt ist). Nach HıLDEBrAnD (Flora 1875, pag. 325) finden sich hier ebenfalls Uebergänge von Blättern an deren phyllodienartig ausgebildetem Blattstiel die dreitheilige Blattlamina (deren Theilblättchen aber früh abfallen), vollständig vorhanden ist bis zu ihrer »vollständigen Abwesen- heit.« (Leider fehlen entwicklungsgeschichtliche Angaben; unrichtig ist jedenfalls, dass zuweilen nur die Stielchen der Theilblättchen angelegt werden, denn wenn diese da sind, muss auch die Spreite derselben vorhanden sein.) 2) So hat man irrigerweise auch die Blätter von Ranunculus Lingua, Flammula etc. als Phyllodien bezeichnet, weil sie nicht wie die der übrigen Ranunculaceen gegliederte, sondern langgestreckte . Platten sind. Sie stellen aber sicherlich keine Phyllodien dar, wie schon die Keimungsgeschichte zeigt. Die Primärblätter stimmen, wenigstens bei X. AZammzla mit denen anderer Ranunculaceen z. B. R. arvensis nach IrmiscH’s Abbildungen überein (Bot. Zeit. 1857, Taf. II.). Sie sind oval und zeigen Andeutungen einer Gliederung, wie sie andern Ranunculaceen zukommt, während die erwachsenen Blätter lanzettlich, lineal und gewöhnlich ganzrandig sind, die weiter oben stehenden Blätter aber zeigen, dass die Gliederung der Blattlamina allmählich verschwindet, während dieselbe schmäler wird. Dasselbe Resultat ergab mir auch die Unter- suchung der Blattentwicklung von A. Zingua, es existirt keine verkümmernde Spreitenanlage. — Ebenso unbegründet wie die Annahme das Blatt der genannten Aanunculus-Arten sei ein SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. III. 16 242 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Man hat überhaupt alles Mögliche früher für Phyllodien gehalten, so eine Anzahl der unten zu erwähnenden Primärblätter, ferner die Knospenschuppen (die im Folgenden besprochen werden sollen) eine Anzahl von Hochblättern etc.; wir begrenzen die Bezeichnung, damit sie keine verwaschene wird, auf Grund der Entwicklungsgeschichte aber auf Fälle wie die oben genannten. Auf die Hochblätter komme ich unten zurück. Ein einfaches, aber instruktives Beispiel für den oben besprochenen Satz mag hier indess gleich hervorgehoben sein. Die oberen Laubblätter von Doronicum Pardalianches!) haben in der, Fig. 52, ı, dar- gestellten Form eine ovale Lamina und einen Blattstiel, der in einen breiten Blatt- grund übergeht. Weiter nach oben stehende Blätter zeigen successive die in den Figuren 2, 3, 4, 5 wiedergegebenen Umrisse und Nervatur, bis man zu den schmalen Involucralblättern gelangt. Die Erklärung dafür folgt sehr einfach aus der Entwicklungsgeschichte. RossMAnN meint in dem Endfalle haben Stiel und Spreite zur Bildung des Involucral- ae Br PD, N 2 7 blattes »gleichförmig beigetragen« sie N) sind für ihn implicite auch noch im Blatt 6 u. 7 vorhanden. Die Sache ist aber die, dass die Blattanlage auf einer immer früheren Stufe ihrer Ent- wicklung stehen bleibt. In Fig. 52, 2, ist dies aufdem Stadium geschehen, wo Blattspreite und Blattgrund schon deutlich von einander gesondert sind, die zwischen ihnen gelegene Region aber wächst nicht mehr zum Blattstiel aus, Blatt- spreite und Blattgrund müssen deshalb am fertigen Blatte in einander über- Pas gehen. In Fig. 52, 3, haben wir ein 4 Blatt vor uns, das sich eben in Blatt- (B. 373.) Fig. 52. spreite und Blattgrund zu sondern be- Doronicum Pardalianches nach Rossmann. Blatt- ginnt, in Fig. 52, 4, ist diese Differen- formen (verkl.) welche den Uebergang von der „; ad: - Laubblatt- in die Hochblattregion darstellen, der zirung schon nicht mehr Ense Reihenfolge nach beziffert. 6 und 7 gehören dem nur sehr schwach angedeutet, in den Involucrum der Inflorescenz an. folgenden Figuren endlich gar nicht mehr vorhanden. Das Primordialblatt entwickelt sich ohne Gliederung in Blatt- spreite und Blattstiel zu einem kleinen Blättchen. Nehmen wir die Reihenfolge der Figuren rückwärts und denken uns die Nervatur weg, so erhalten wir annähernd die Entwicklungsgeschichte des Blattes Fig. 52, 1. Es erhellt daraus, dass die auf dem Boden der idealistischen Metamorphosenlehre stehende RossmAnn’sche Auf- fassung unrichtig ist. Analoges gilt auch für andere Fälle wie z. B. die oft citirten ZZelleborus (Foetidus, niger und andere Arten), bei welchem ebenfalls ein Uebergang von den Laubblättern zu den »Hochblättern« stattfindet. Es folgen hier am blühenden Spross auf das letzte Laublatt resp. Niederblatt (es wechseln Phyllodium ist natürlich RossmAnn’s (Ueber die Spreitenformen einiger Ranunculaceen, Giessen 1858, pag. 14) Anschauung »auch bei diesen einfachen Spreiten müsse man einen Mediantheil und zwei Lateraltheile unterscheiden, aber letztere seien ihrer ganzen Länge nach mit dem Mediantheil verwachsen. « !) Vergl. Rossmann, Beiträge zur Kenntniss der Phyllomorphose. I. pag. 47 ft. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses, 243 am nicht blühenden Sprosse Laub- und Niederblätter regelmässig mit einander ab, vergl. z. B. die schematische Figur 2, Taf. I. bei für Hell. niger, bei BRAUN, Individuum)!) eine Anzahl von Uebergangsstufen zwischen Laub- und Hochblättern, die untersten derselben unterscheiden sich von den Laubblättern nur dadurch, dass kein Blattstiel vorhanden ist, sondern die in bekannter Weise verzweigte Blattspreite dem sehr entwickelten Blattgrund aufsitzt (es besass der letztere bei dem untersten derartigen Blatte von Zelledorus foetidus eine Länge von 6, eine Breite von 3 Centim.). An den weiter oben stehenden Blättern nimmt die Gliederung der Spreite immer mehr ab, man findet statt 7 Theilblättchen fünf, dann drei, wobei die beiden seitlichen scheinbar wie Stipulae dem sehr erweiterten Blattgrund aufsitzen (ein solches Blatt gleicht, von den Grössendimensionen ab- gesehen, sehr einem Primärblatte von Vicia Faba oder den oberen Knospen- schuppen von Aesculus, Fraxinus etc., von denen unten nachgewiesen werden soll, dass sie mit Sicherheit als umgebildete Blattanlagen betrachtet werden können.) Schwinden auch noch die beiden letzten Theilblättchen, so erhält man die eigentlichen, ovalen Hochblätter, bei denen eine Grenze zwischen Blattspreite und Blattgrund nicht mehr zu ziehen ist. Auch hier fasse ich diese Blattbildungen als (ontogenetische) Umbildungen von Laubblattanlagen auf, und führe die ver- schiedenen Formen derselben aut den verschiedenen Zeitpunkt zurück, in welchem die Laubblattanlagen den Antrieb zur Umbildung zum Hochblatt erhalten haben. Es ist, wie aus dem Gesagten hervorgeht, damit eine Hemmung der Spreiten- entwicklung, das Unterbleiben der Blattstielbildung und eine gesteigerte Ent- wicklung des Blattgrundes verbunden, bis endlich die Umbildung auf so früher Entwicklungsstufe erfolgt, dass zwischen Oberblatt und Blattgrund nicht mehr zu unterscheiden ist. Parallel mit der äusseren Gestaltsveränderung der genannten »Hochblätter« geht auch eine allmähliche Umänderung der grünen Färbung in eine gelblichgrüne. Die in Rede stehenden Blätter von Zelleborus wurden als »Hochblätter« bezeichnet, eine von K. SCHIMPER in die Morphologie eingeführte Benennung, welche uns zu den übrigen hier zu berücksichtigenden Blattbildungen überführt, welche die wichtigsten, weil am häufigsten vorkommenden metamorphen Blatt- bildungen überhaupt darstellen. Ausser den gewöhnlichen Blättern, den Laubblättern wurden noch die Nieder- blätter?), die Hochblätter und die Blattbildungen in der Blüthe (Kelch-, Kronen-, Staub- und Fruchtblätter) unterschieden. Genetische Beziehungen zwischen diesen Blattbildungen wurden aber keineswegs statuirt, sondern die Verknüpfung war eine rein begriffliche, alle diese Blattformationen fallen unter den Allgemein- begriff Blatt der »im regelmässigen Wechsel und Fallen der Metamorphose in successiven Aufschwüngen« derselben seine Realisirung findet. Die Anfänge einer naturgemässeren Auffassung, wie sie sich bei DE CANDOLLE finden, wurde durch diese Begriffsdichtung verdrängt, die sich unmittelbar an GOETHE’s Meta- morphosenlehre anschloss (vergl. die Einleitung $ 2). Was nun zunächst die Niederblätter betrifft, so versteht man darunter die Schuppen und Scheidenblätter von Knospen aller Art, die auch als Knospen- schuppen, Tegmente etc. bezeichnet werden, ferner die Blattbildungen an unter- t) Von Uebergangsblättern zwischen Laub- und Hochblättern ist dort nur ein einziges (U) gezeichnet; an einem mir vorliegendem Exemplar von Zelleborus foetidus zähle ich deren neun. 2) C. SCHIMPER, Beschreibung des Symphytum Zeyheri S. 44 fl. BRAUN, Verjüngung, pag. 69. ı6* 244 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. irdischen Ausläufern, Zwiebeln und Knollen. Sie haben meist die Gestalt von Schuppen, die mit breiter Basis dem Stengel ansitzen, und sind vielfach als Schutzorgane ausgebildet, und als solche namentlich bei den Winterknospen unserer Holzgewächse von zäher, lederiger Consistenz. Es mag gleich bemerkt werden, dass zwischen »Niederblättern«e und »Hochblättern«, d. h. den in der Blüthenstandsregion stehenden Blätter, die meist als Brakteen, Hüllblätter etc. ausgebildet sind, eine scharfe Grenze höchstens bezüglich der Stellung gezogen werden kann, die äusseren Gestaltungsverhältnisse beider aber stimmen meist überein, auch in den Stellungsverhältnissen findet übrigens oft ein direkter Ueber- gang von »Niederblättern« in Hochblätter statt. Die Blüthentrauben von Prunus Padus z. B. entstehen aus überwinternden Knospen. Das unterste Stützblatt dieser Inflorescenzen!) ist entweder ein Laubblatt, oder ein Blatt, das im Wesentlichen die Gestalt der obersten Knospenschuppen dieser Pflanze hat, d. h. (wie unten noch näher dargethan werden soll) auf einem sehr entwickelten Blattgrund eine verkümmerte Laminaranlage trägt. Die weiter nach oben folgenden Brakteen sind dann einfache, häutige Schuppen. Eine Grenze zwischen Hochblättern und Niederblättern existirt in dem angezogenen Falle also nicht und ähnliches kommt _ auch anderwärts vor. Gewöhnlich aber sind Hochblatt- und Niederblattregion der Sprossachse getrennt durch die Laubblattregion. Die Niederblätter sind nun?), in den meisten Fällen nichts Anderes als modi- ficirte Laubblätter, und zwar entstehen sie aus den Laubblattanlagen entweder derart, dass die Blattspreite auf einem früheren oder späteren Stadium ihrer Ent- wicklung verkümmert, der Blattgrund dagegen sich zu der häutigen Schuppe ent- wickelt, oder es wird zur Bildung des Niederblattes die ganze Blattanlage, also das Primordialblatt vor seiner Sonderung in Blattspreite und Blattstiel ver- wandt. Eine andere Kategorie von Niederblättern und zwar ausschliesslich von Knospenschuppen wird von Nebenblättern gebildet?), deren zugehörige Blattspreite aber gewöhnlich schon auf einem frühen Entwicklungsstadium ver- kümmert. Vorhanden sein aber muss sie der Anlage nach immer, wie das aus den oben mitgetheilten entwicklungsgeschichtlichen Verhältnissen hervorgeht, und es ist demgemäss auch gelungen sie z. B. bei der Eiche nachzuweisen. Die (von der beschreibenden Botanik übersehenen) Laminaranlagen stehen als kleines, ungestieltes Spitzchen zwischen den zwei zu jeder Laminaranlage gehörigen Nebenblättern. Bei andern Pflanzen dagegen findet eine Verkümmerung von Laminaranlagen, deren Stipulae sich als Knospenschuppen ausbilden, nicht oder doch nur in viel geringerem Grade statt. So bei verschiedenen A/nus-Arten (glutinosa, incana, pubescens TauscH). Die Stipulae des untersten Laubblattes der Knospe sind hier nur wenig verändert und unterscheiden sich von denen der folgenden Blätter (die nicht als Knospenschuppen ausgebildet sind), nur durch ihre derbere Konsistenz und ihre längere Dauer, die zugehörige Laminar- anlage aber ist völlig ausgebildet und gelangt auch meist zur Entfaltung: es fehlt !) Gelegentlich kommen Laubblätter als Stützblätter auch weiter oben in der Inflorescenz, als Stützblätter der 3., 4. etc. Blüthe vor, während die weiter unten stehenden Brakteen Hoch- blätter sind. Auch Uebergangsformen zwischen beiden finden sich. (Vergl. auch ROSSMANN, Phyllomorphose, pag. 29. Was dort als Verwachsung der Stipulae mit dem Blattgrund bezeichnet wird, beruht auf Förderung des Blattgrundes.) 2) GOEBEL, Beiträge zur Morphologie des Blattes, Bot. Zeit. 1880. 3) Vergl. auch Dörr, Zur Erklärung der Laubknospen der Amentaceen, Beigabe zur rheinischen Flora 1848. 2 ” > u - ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. - 245 somit nicht an Uebergangsstufen zu dem vorhin besprochenen Falle. — Durch- aus nicht alle Pflanzen übrigens, deren Blätter mit Nebenblättern ausgerüstet sind, benützen dieselben zu Knospenschuppen. Die letzteren entstehen bei den Prunus-Arten z. B. aus dem Blattgrund, bei Sax sind die Knospen von einer Hülle umgeben, welche aus Verwachsung der Vorblätter der Knospe enstanden ist!). — Einige, ebenfalls nordische Winter ertragende Pflanzen wie Juniperus?), Viburnum Opulus, Rhamnus Frangula endlich benutzen überhaupt keine eigens zu diesem Zwecke umgebildete Organe, sondern schützen ihre Knospen auf andere Weise, bei den erwähnten Laubbäumen hauptsächlich durch einen dichten, die Knospen überziehenden Filz. Dieser fehlt übrigens auch Knospen nicht, die ausserdem von Knospenschuppen geschützt sind. Aesculus Hippocastanum z. B. besitzt derbe, dazu noch mit einem klebrigen Stoffe überzogene (lackirte) Knospen- schuppen. Die von ihnen umschlossenen Laubblätter, Inflorescenzen etc., sind aber zudem noch mit einem dichten Haarpelz überzogen, mit dem alle Zwischen- räume in der Knospe ausgefüllt sind, und dessen Hauptnutzen wie bei den Haar- bekleidungen der Thiere auch hier jedenfalls darin besteht, ein schlechter Wärme- leiter zu sein. — Wir finden bezüglich des Vorhandenseins oder Nichtvorhanden- seins von Knospenschuppen übrigens innerhalb ein und derselben Gattung Differenzen, z. B. bei Zodocarpus, eine Thatsache, die dadurch verständlich wird, dass die Knospenschuppen secundäre, erst im Verlauf der Entwicklung aus Um- bildung von Laubblattorganen entstandene Gebilde sind. Vielleicht ist in dieser Beziehung bei manchen Bäumen, die aus europäischem Klima in ein wärmeres versetzt wurden, ein Rückschlag eingetreten, welcher dahin führt, dass die Bildung von Knospenschuppen unterbleibt. Unser europäischer Kirschbaum ist in Ceylon, wie A. DE CANDOLLE?) anführt, ein immergrüner Baum geworden. Da immer- grüne Gewächse keine Knospenschuppen zu besitzen pflegen®), so wäre es interessant zu erfahren, wie sich die immergrünen Kirschbäume in dieser Be- ziehung verhalten. 1) Der Vorgang ist näher zu untersuchen. Vergl. HoFMEISTER, Allg. Morphol., pag. 507. 2) Bei Funiperus und einigen andern Coniferen sind die im Herbste gebildeten Blätter nur durch ihre geringere Grösse von den im Sommer gebildeten unterschieden, ebenso bei Zycopodium: Lye. clavatum zeigt dabei die Eigenthümlichkeit, dass Sprosse begrenzten Wachsthums besondere Winterknospen bilden, indem die kleinbleibenden Blätter auf einem besonderen Ringwulst empor- gehoben werden, der als Scheide die Endknospe umgiebt. (HEGELMAIER, Zur Morphol. der Gatt. Lycopod. Botan. Zeit. 1872.) Ganz ähnliche Knospenbildung, wobei die Knospenschuppen auf einer becherförmigen Wucherung der Achse stehend die Endknospe mit den Blattanlagen für das nächste Jahr umgiebt, findet sich übrigens bei Adies exce/sa (vergl. SCHACHT, Beiträge zur Anatomie und Physiol. pag. 135 ff.) 3) Geographie botanique raisonn&e. %) Es kommen aber auch hier Differenzen innerhalb ein und derselben Gattung vor. Pyrola secunda z. B. besitzt Knospenschuppen, /?. chlorantha nicht. Auch von den immergrünen Coniferen besitzen viele Knospenschuppen (Adies, Pinus-Arten). — Auf das Verhalten einiger Wasserpflanzen resp. Sumpfpflanzen mag hier noch hingewiesen werden. Es sind dies die, welche sog. »hibernacula« bilden, d. h. dicht von Blättern umhüllte Knospen, welche nach Ab- sterben der übrigen Pflanze übrig bleiben und bei Ufricwlaria, Myriophyllum etc. auf den Grund des Wassers sinken, bei Drosera von Torfmoos, in welchem die Pflanze zu wachsen pflegt, umwachsen werden. Diese Blätter sind gewöhnliche Laubblätter, die aber auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung stehen bleiben und dicht zusammenschliessen. Sie unterscheiden sich aber von analogen Bildungen von Junziperus, Lycopodium etc. dadurch, dass sie sich im nächsten Jahre weiter entwickeln. 246 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Die aus Umbildung von Laubblattanlagen entstandenen Knospenschuppen sind, wie erwähnt, entweder aus dem Primordialblatte, der Blattspreite oder dem Blattgrunde hervorgegangen. Ersteres ist vielfach der Fall bei den Monokoty- ledonen. Die Seitenknospen von Göyceria spectabilis z. B., deren Laubblattent- wickelung oben besprochen wurde, sind umhüllt von einem, scheinbar ganz geschlossenen, oben aber mit einer engen Mündung versehenen Blattgebilde, das bei der Streckung der Knospe (die zu einem Ausläufer wird) dann später durchbrochen wird. Diese Niederblattbildung kam dadurch zu Stande, dass das ringförmige Primordialblatt statt sich in Stiel und Blattgrund zu gliedern, in seinem ganzen Umfang (es umfasst, wie erwähnt, ringförmig die Achse), gleichförmig auswuchs, und nun dachförmig die Knospe umhüllt. Es fehlt nicht an Ueber- gangsstufen von diesem Niederblatt zu den Laubblättern, die später sich entwickeln, Uebergangsstufen, die mit einer wenig entwickelten Blattspreite versehen sind. Bei manchen anderen Monokotyledonen stimmen die Niederblätter mit den Blattscheiden der Laubblätter in ihrem Aussehen überein, z. B. Galanthus, sie für spreitenlose Blattscheiden zu erklären, wäre aber nach dem Obigen ein un- genauer Ausdruck. Nicht damit zu verwechseln sind natürlich die Fälle, in denen die Schuppenblätter nichts anderes sind, als die Basaltheile von Laubblättern, deren Blattlamina abgefallen ist, was z. B. für die äusseren Schuppenblätter der Zwiebel von Zilium bulbiferum gilt!). Bei den dikotylen Holzgewächsen beginnt die Umbildung zum Niederblatt erst auf einer späteren Entwickelungsstufe der Laubblattanlage, und dann wird entweder die Laminaranlage oder der Blattgrund zum Niederblatte ausgebildet, immer aber geschieht dies zu einer Zeit, wo der, nach dem Obigen erst später auftretende Blattstiel der Laubblattanlage noch nicht vorhanden ist. Aus der Umbildung der Blattlamina gehen z. B. die Knospenschuppen von Syringa vulgaris hervor, ebenso bei einigen anderen Oleaceen (z. B. Zigustrum und Forsythia), während /raxinus zu den Pflanzen gehört, welche die Knospen- schuppen aus dem Blattgrund unter Verkümmerung der Blattspreite entwickeln. Dieser Fall mag an einigen Beispielen. erläutert werden. Betrachtet man im Frühjahr eine austreibende Knospe von Acer Pseudo- platanus, so findet man als unterste Knospenschuppen kleine, von breitem Grunde nach oben verschmälerte und mit einem kleinen schwarzen Spitzchen (L Fig. 53 7A) endigende Gebilde. Die derb-lederartigen Schuppen werden von sehr schwach entwickelten Gefässbündeln durchzogen. Die weiter nach oben stehenden Knospenschuppen sind grösser, saftig und an ihrer Spitze findet man zuweilen eine kleine Blattlamina. Auch das schwarze Spitzchen der untersten Knospen- schuppen erweist sich bei näherer Untersuchung (Fig. 53 7B) als eine verkümmerte Blattlamina, die der Knospenschuppe aufsitzt. Vergleicht man die in der Fi- gur 53 7) abgebildete Knospenschuppe mit einer jungen Laubblattanlage zur Zeit vor der Stielbildung, so springt die Uebereinstimmung der beiden Gebilde in die Augen. Die Knospenschuppe stellt den Blattgrund dar, der hier nur beträchtlich stärker entwickelt ist, als am Laubblatt, die Blattspreite verkümmert, sie hat schon zwei Seitenglieder angelegt, (deren Entwicklung am Laubblatt in basipetaler Folge vor sich geht); würde die Laubblattanlage sich zu einem Laubblatt weiter entwickeln, so ginge die Anlegung der Seitenglieder der Blattlamina noch weiter und zwischen Spreite und Blattgrund würde durch Verlängerung der oberen Partie des letzteren der Blattstiel eingeschoben. Der Uebergang von den 1) Vergl. IrmiscH, Knollen- und Zwiebelgewächse pag. 82 ff. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 247 Schuppenblättern zu den auf dieselben folgenden Laubblättern ist übrigens ein plötzlicher: auf das letzte grosse Schuppenblatt folgt direkt das erste Laubblatt. Prunus Padus besitzt Blätter, die, wie dies in dem Verwandtschaftskreise der Rosaceen allgemein der Fall ist, mit Nebenblättern versehen sind. Diese sind hier aber nicht, wie irriger Weise behauptet wurde, an den Knospen zu Knospen- schuppen ausgebildet, sondern die Knospenschuppen gehen auch hier aus dem Blattgrunde hervor. Interessant ist hier der allmähliche Uebergang von den äusseren kleinen Knospenschuppen (den Seitenknospen) zu den inneren, grösseren. Die Mittellinie der Schuppen ist durchzogen von einem Strange gestreckter, cambiformähnlicher Zel- len, der aber weder Ge- fäisse noch Tracheiden enthält. Solche finden sich erst in den weiter oben stehenden Schuppen (z. B. Fig. 53 3) zuers sehr klein und in geringer Anzahl, später mehr entwickelt. Und zwar sind es jetzt drei Stränge, ein medianer undzwei seitliche (Fig.53 2) welche die Schuppe durch- ziehen. Dieselbe endet wie die von Acer in ein Spitzchen (L), welches die verkümmerte Laminar- anlage darstellt. BeiSchup- pen, wie die in Fig. 53, 2, abgebildete, findet man rechts und links von die- ser verkümmerten Sprei- tenanlage eine Einkerbung (s. Fig. 53 2) die erste An- B Fig. 53. (B. 374.) 1—6 Prunus Padus. ı und 2 Knospenschuppen, 2 schwach vergrössert, L verkümmernde Anlage der Blattspreite. st Anlagen der Stipulae, die auf dem erweiterten, zur Schuppe entwickelten Blattgrunde sitzen. 3 Eine der obersten Schuppen einer sich entfaltenden Knospe, die drei Gefässbündel, welche den Blatt- grund durchziehen, haben sich verzweigt. st Stipulae. 4 junges Laubblatt, 5, 6 Mittelstufen zwischen Laubblättern und Knospen- schuppen (betr. der Entstehung derselben s. den Text). 7 Knospenschuppe von Acer Pseudoplatanus. L die verküm- mernde Spreitenanlage bei A in nat. Grösse, deutung der Stipulae. Diese finden sich bei den untersten Knospenschuppen noch nicht: diese sind hervorgegangen aus der Umbildung von Laubblattanlagen, deren Blattgrund noch keine Nebenblätter angelegt hatte. Die weiter oben stehenden Blatt- anlagen dagegen erleiden die Umbildung erst auf einem späteren Stadium, wo die Stipulae schon angelegt, und mehr oder weniger weit entwickelt sind. Die Fig. 53, 3, stellt eine Knospenschuppe dar, bei welcher dies der Fall ist. Der Blattgrund, welcher die Knospenschuppe bildet, ist hier sehr entwickelt, von den drei ihn durchziehenden Gefässbündeln gehen Aeste in den erweiterten Blattgrund ab. Diese Aeste finden sich in dem sehr wenig entwickelten Blattgrund des Laub- blattes nicht, eine Thatsache, die insofern von principiellem Interesse ist, als sie uns zeigt, dass das Auftreten von Gefässbündeln in morphologischen Fragen immer ein sekundäres Moment ist. Wo ein Organ sich etwas umfangreicher entwickelt, da treten auch die entsprechenden Gefässbündel in dasselbe ein, es wäre aber verfehlt von der Gefässbündelvertheilung aus, wie dies vielfach geschehen ist, Rückschlüsse auf die Natur des betreffenden Organs machen zu 248 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. wollen. In der Fig. 53, 4, ist zum Vergleich mit den Knospenschuppen ein junges Laubblatt abgebildet, dessen Stiel noch kurz ist. Auch hier treten vom Stamm in den Blattgrund drei Gefässbündel ein, von denen jedes der beiden seitlichen einen Ast in die betreffende Stipula abgibt, durch den Querstrich ist die betreffende Stelle in der Knospenschupe angedeutet. Bei solchen Holzgewächsen, welche Endknospen besitzen, ist der Uebergang von den Laubblättern zu den Niederblättern (den Knospenschuppen) gewöhnlich kein unvermittelter. Bei der Rosskastanie z. B. ist die Lamina des letzten, der beschuppten Knospe vorausgehenden Blattes oft auf ein Theilblättchen und die Rudimente von zwei anderen reducirt, ähnlich bei Juglans regial), den Acer- Arten etc. Auch bei Prunus Padus sind bei den ersten Knospenschuppen die Laminaranlagen grösser, der Blattgrund kleiner als bei den folgenden. Ich er- wähne hier den Umstand, weil er in gleicher Weise auch bei solchen Pflanzen vorkommt, die keine Knospenschuppen bilden, z. B. Zycopodium-Arten, Juniperus, Araucaria?). Auch hier sind die gegen das Ende der Vegetationsperiode hin gebildeten Blätter kleiner, und stimmen also insofern mit den Mittelformen zwischen Laubblättern und Knospenschuppen an den erwähnten Bäumen überein. Wir können uns vorstellen, dass ursprünglich alle Gewächse keine Knospen- schuppen besassen, sondern nur verkümmerte oder kümmerliche Laubblätter bei abnehmender Vegetationskraft hervorbrachten, und dass durch sehr einfache Wachsthumsvorgänge aus diesen Verkümmerungsformen dann die Knospenschuppen entstanden. Dass die Knospenschuppen aus’ Laubblattanlagen hervorgegangen sind, lässt sich nicht nur auf vergleichend-entwicklungsgeschichtlichem Wege, wie das oben geschehen ist, nachweisen, sondern auch experimentell. Man kann nämlich die sonst im gewöhnlichen Verlaufe der Entwicklung zu Knospenschuppen werdenden Laubblattanlagen veranlassen, wirklich zu Laubblättern zu werden. Es geschieht dies, wenn man die für das nächste Jahr nach ihrer Bildung zum Austreiben bestimmten Knospen nöthigt, schon in demselben Jahre auszutreiben und zwar zu einer Zeit, wo die Knospenschuppen noch in der Anlegung begriffen sind. Dieser Effekt wird erreicht, indem man einen jungen Spross entweder entgipfelt oder entlaubt. In beiden Fällen (betreffs der Einzelheiten vergl. a. a. O.) werden dadurch die Seitenknospen zum Austreiben veranlasst und entwickeln nun keine Schuppenblätter, sondern Laubblätter mit vollständig entwickelter, wohl ausgebildeter Blattspreite, Blattstiel und einem Blattgrunde, der ebenfalls voll- ständig mit dem der gewöhnlichen Laubblätter übereinstimmt. Es fehlt aber auch nicht an Mittelstufen zwischen Laub- und Niederblättern. Solche Mittelstufen sind in der Fig 53, 5 und 6, dargestellt. Fig. 6 zeichnet sich dadurch aus, dass es einen erweiterten Blattgrund mit klein gebliebenen Nebenblättern (st), keinen Blattstiel und eine zwar nicht sehr grosse, aber doch ganz normal ausgebildete Blattspreite trägt. Fig. 53, 5, dagegen nähert sich, wie ohne weitere Beschreibung erhellt, schon viel mehr einem normalen Laubblatt, von dem es nur durch die stärkere Entwicklung des Blattgrundes differirt. Diese beiden Blattbildungen wären bei ungestörter Vegetation zu kleinen Knospenschuppen, wie die in t) Vergl. das Nähere a. a. O. pag. 775. 2) So auch bei Jsoötes lacustris. Bei den terrestrischen Zsoötes-Arten (F. hystrix, Duriaei finden sich echte Knospenschuppen, die gebildet werden aus dem verhärteten Scheidenteil (Blatt- grund), während die Lamina verkümmert. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 249 Fig. 53, ı, abgebildete, oben beschriebene, geworden. Sie sind veranlasst worden, sich zu Laubblättern zu entwickeln, zu einer Zeit, wo die Laubblattanlage schon begonnen hatte, sich zur Knospenschuppe durch Erweiterung des Blattgrundes auszubilden, ein Verhältniss, das, wenn einmal vorhanden, nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, sondern durch die verstärkte Stoffzufuhr, welche das Aus- treiben der Knospe veranlasst, zunächst noch gesteigert wird. So ist es bei dem in Fig. 53, 6, abgebildeten Blatte, wo der Blattgrund ganz übereinstimmt mit der Knospenschuppe Fig. 53, 3, obwohl letztere eine der obersten Knospenschuppen einer normal austreibenden Knospe, letztere aber das unterste Blatt einer künstlich zum Austreiben veranlassten Knospe ist. Die Gestaltungsursachen dürfen wir wohl in beiden Fällen als dieselben betrachten. Die ersten Knospen- schuppen werden schon sehr frühe angelegt, zu einer Zeit (Anfang April), wo die Reservestoffe der Hauptsache nach wohl als Material für die Wachsthums- vorgänge, welche beim Austreiben der im vorigen Jahre schon vollständig angelegten Knospen stattfinden, aufgebraucht sind. Die später entstandenen Knospenschuppen und die von ihnen umhüllten Laubblätter werden zu einer Zeit angelegt, wo die entfalteten Laubblätter des betreffenden Sprosses schon in Assimilationsthätigkeit gewesen sind. Selbstverständlich ist dieser Umstand nur ein Moment, der bei Untersuchung der hier stattfindenden Gestaltungsverhältnisse zu berücksichtigen ist, nicht aber eine Erklärung für dieselben. Was hier für Prunus Padus geschildert wurde, gilt auch für andere untersuchte Pflanzen, z. B. Aescwlus, Acer, auch für die, deren Knospenschuppen aus Stipulis verkümmerter Laubblätter gebildet werden, wie Quercus, Fagus, u. a. Es finden übrigens betreffs der Zeit der Bildung der Knospenschuppen und der Laubblätter Differenzen bei den einzelnen Bäumen statt, welche noch eine genauere Untersuchung verdienen. Bei den meisten Bäumen, z. B. unseren Coniferen, Prunus Padus u. a. sind die im Laufe einer Vegetationsperiode entfalteten Blätter ausschliesslich solche, deren ‘Anlagen in der Knospe schon vorhanden waren. Bei der Tanne z. B. bilden sich die Knospenschuppen noch während der Verlängerung des heurigen Triebes (Ende Mai oder Anfang Juni), die Bildung der Laubblätter dagegen beginnt erst dann, wenn das Längenwachsthum des Triebes beendigt ist. Es findet somit hier eine strenge Periodicität statt, die übrigens keineswegs bei allen Bäumen sich findet; manche nähern sich dem Verhalten der Kräuter, d. h. es werden Blätter noch in derselben Vegetationsperiode entfaltet, in der sie gebildet werden‘). Sind es bei den Knospenschuppen »innere« Ursachen, welche die Entstehung derselben aus Laubblattanlagen bewirken, so sind bei manchen Rhizomnieder- blättchen äussere Verhältnisse für die erwähnte Umwandlung massgebend. So z. B. bei den in die Erde eindringenden Stolonen von Circaea, die, wenn sie genöthigt werden, am Lichte zu wachsen, statt Niederblättern kleine Laubblätter bilden. In anderen Fällen dagegen bilden sich auch hier die Niederblätter aus »innerens Ursachen aus, wenigstens entstehen sie, gleichviel ob der betreffende Spross am Lichte oder im Boden wächst, z. B. bei Adoxa. Eine besondere Erwähnung verdienen hier noch diejenigen Coniferen, bei welchen der Hauptstamm nicht Niederblätter im Wechsel mit Laubblättern, sondern nur Niederblätter bildet. So ist es bei den /inzs-Arten. Nur in der ersten Jugend trägt die Hauptachse der Keimpflanze Laubblätter (»Nadeln«) 1) Vergl. über die Nadelhölzer, SCHACHT, Beitr. zur Anatomie u. Physiologie der Gewächse pag. 182. 250 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. später nur noch die häutigen Schuppen, in deren Achseln dann die blättertragenden Kurztriebe (Nadelbüschel) stehen. Dass die Schuppen auch hier umgewandelte Laubblätter sind, lässt sich schon aus anatomischen Daten folgern (s. a. a. O.) aber auch experimentell lässt sich zeigen, dass hier eine »reelle Metamorphose« vorliegt, und auch hier kann man durch geeignete Eingriffe Mittelformen zwischen Laub- und Schuppenblättern erhalten). Als Hochblätter werden die Brakteen und Vorblätter, die Involucral- Blätter von Blüthen und Blüthenständen, die Spelzen und Spreublätter, welche die Blüthen begleiten bezeichnet.?) Es wurde oben schon darauf hingewiesen, dass sie vielfach ganz mit den Niederblättern übereinstimmen, und wie diese be- trachten wir sie als umgebildete Laubblattanlagen. Was die Bracteen betrifft, so sind dieselben häufig von den Laubblättern überhaupt nicht unterschieden, oder nur durch ihre einfachere Gliederung. Sie stimmen in letzterer Beziehung dann häufig überein mit den auf die Kotyledonen folgenden ersten Laubblättern, die ebenfalls von den folgenden Blättern sich durch ihre einfachere Gliederung unter- scheiden. Wie bei den Niederblättern können wir auch bei den Hochblättern solche unterscheiden, die aus den Nebenblättern, deren Blattspreite verkümmert ist, bestehen (also analog den Knospenschuppen von Cupuliferen), solche die aus Umbildung der Blattlamina oder des Blattgrundes unter Verkümmerung der Blatt- lamina hervorgegangen sind und endlich solche, bei welchen die Umbildung der Laubblattanlage auf einem Stadium erfolgte, wo Blattgrund und Blattspreite noch nicht von einander difterenzirt waren. Nicht selten finden sich Hochblätter der beiden letztgenannten Kategorieen an ein und derselben Pflanze von unten nach oben aufeinander folgend. Hochblätter, welche von Nebenblättern, deren Blattspreite verkümmert ist, gebildet werden, finden sich z. B. an den Inflorescenzen von Zumulus Lupulus. Die Blätter, in deren Achseln die weiblichen Blüthenkätzchen stehen, zeigen von oben nach unten eine allmähliche Abnahme der Blattspreite, bis dieselbe im oberen Inflorescenztheil so früh verkümmert, dass sie scheinbar gar nicht mehr vorhanden ist. Gelegentlich gelangt sie übrigens zur Entwicklung, und ihre An- lage ist stets zwischen den Nebenblättern nachzuweisen. Als Beispiel für aus Spreitenbildung hervorgegapgene Hochblätter seien die Myriophyllum-Aıten genannt. Die Deckblätter unterscheiden sich hier von den Laubblättern im Grunde nur durch geringere Grösse; sie sind Hemmungsbildungen der ersteren. Hochblätter der dritten Kategorie sind sehr häufig. Es wurden oben schon die unteren Deckblätter der Blüthentrauben von Z/runus Padus genannt (an welchen man oft dieselben Uebergänge zu den Laubblättern wie bei den Knospenschuppen findet) ebenso die unteren Hochblätter von ZZelleborus u. a. Hierher gehören auch die Stützblätter in der Blüthenstandsregion vieler Umbelliferen z. B. Zaserpitium latifolium. Der Blattgrund ist hier sehr stark ent- wickelt und trägt auf seinem Scheitel die verkümmerte Lamina meist in Form eines kleinen, schwarzen Spitzchens, ähnlich wie bei vielen Niederblättern. Aehn- lich verhalten sich z. B. die Hüllblätter der Maiskolben, ferner die Sporophylle von Zycopodium: Bei einigen Zycopodium-Arten sind sie wirkliche Laubblätter I) Bei Pinus silvestris und Pinus Strobus nachgewiesen. Man findet derartige Bildungen auch im Freien bei Bäumen, deren Gipfelknospen durch Insekten oder Frühlingsfröste beschädigt werden. 2) Vergl. die Definition bei A. Braun, Verjüngung. pag. 67. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 25I (L. Selago) bei anderen (z. B. Z. clavatum) unterscheiden sie sich von diesen durch ıhre gelbliche Färbung und ihren scheidig erweiterten Blattgrund, ebenso wie dies bei den Deckschuppen der Coniferenzapfen der Fall ist. Es ist bei Zarix europaea z.B. sehr leicht zu verfolgen wie von oben nach unten am Zapfen der Blattgrund scheidig erweitert, die Blattspreite aber reducirt wird, bis sie bei den obersten Deckschuppen nur noch als kleines Spitzchen erscheint. — In sehr vielen Fällen aber ist an den Hochblättern Blattgrund und Blattspreite nicht mehr auf die homologen Theile der vorhergehenden Laubblätter zurückzuführen. Die Um- bildung ist vielmehr zu einer Zeit erfolgt, an welcher die betreffende Differen- zirung am Primordialblatt noch nicht eingetreten war. So bei den oberen Hüll- blättern von Zelleborus, die oben erwähnt wurden (pag. 242), Hochblätter, die man irriger Weise 'als »Phyllodien« bezeichnet hat; ferner an denen von Doronicum Pardalianches (Fig. 52) und in vielen anderen Fällen. Auch von ihnen aber stellen wir den Satz auf, dass sie umgebildete Laubblattanlagen seien. Dass dieselbe Anschauung auch auf die Blattgebilde der Blüthe anzuwenden sei, wurde schon in der Einleitung nachzuweisen versucht. Die Kelchblätter unterscheiden sich in sehr vielen Fällen von den ihnen vorangehenden Hoch- blättern nur in untergeordneten Punkten. Was die Kronblätter betrifft, so mag hier nur darauf aufmerksam gemacht sein, dass Blattorgane verschiedenster Art blumenblattähnliche Färbung und Form annehmen können. So bei der Garten- tulpe die der Blüthe nächststehenden, von ihr aber oft durch Internodien von mehreren Centim. Länge getrennten Laubblätter. Bei den Marantaceen sind es Staubblätter, die unter Verkümmerung der Pollensäcke sich in Blumenblätter um- wandeln, und denselben Vorgang kennen wir noch von anderen Fällen, z. B. manchen Clematideen, während er in gefüllten Blüthen sehr häufig ist. Bei manchen Labiaten (Sala splendens, Lavandula Stoechas) haben Brakteen, bei manchen Aroideen andere als »Spatha« bezeichnete Hochblätter Blumenblattfärbung (z. B. Richardia aethiopica) sehr häufig trifft dieselbe die Kelchblätter z. B. (von den Monokotylen ganz abgesehen) bei den Clematideen. Kurz, es geht daraus hervor, dass uns die abweichende Färbung der Blumenkronenblätter ebensowenig wie ihre Form davon abhalten kann, auch sie als umgebildete Laubblattanlagen !) zu betrachten. Was die Sporophylle (Staub- und Fruchtblätter) betrifft, so genügt es auf das in der Einleitung über dieselben Gesagte zu verweisen. Eine aus- führliche Darstellung wird im nächsten Abschnitte gegeben werden. Kehren wir zu Nieder- und Hochblättern zurück, so sind dieselben also einerseits Hemmungsbildungen von Laubblättern, allein sie kommen nicht auf die Weise zu Stande, dass eine Laubblattanlage auf einem bestimmten Ent- wicklungsstadium einfach stehen bleibt, sondern auf dieses Stehenbleiben folgt nun gewöhnlich eine, von der gewöhnlichen Entwicklung abweichende Weiter- entwicklung, sei es des Blattgrundes, des Ober- oder des Primordialblattes. Diese beiden Faktoren sind wohl auseinander zu halten, einerseits die Identität mit der Laubblattanlage bis zu einem gewissen Entwicklungsstadium, und dann die Divergenz der Entwicklung von hier aus. Besonders deutlich tritt die letztere auch hervor bei den Mittelstufen zwischen Knospenschuppen und Laubblättern, die sich bei den oben erwähnten Versuchen ergeben haben. Primärblätter. — Solche Hemmungsbildungen, deren von der normalen Ent- wicklung der Laubblätter divergente Weiterentwicklung aber oft einfach nur in einer N) In phylogenetischem Sinne trifft dies dem Obigen zufolge nicht allgemein direkt zu (z. B. Marantaceen), wohl aber im ontogenetischen. 252 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Vergrösserung der auf einer bestimmten Entwicklungsstufe stehen gebliebenen Blatt- anlage besteht, finden sich nun nach meiner Auffassung namentlich auch unter den Primärblättern, die in Folgendem besprochen werden sollen. Es ist eine weitverbreitete, aber durchaus nicht allgemeine Erscheinung, dass die Keimpflanzen andere, und zwar meist einfachere Gestaltungsverhältnisse zeigen als die herangewachsene Pflanze. Es spricht sich dies namentlich in der Form der ersten Blätter (Primärblätter) aus: An solchen Pflanzen, deren Blätter verkümmern oder umgebildet sind, sehen wir bei den Keimpflanzen viel- fach reicher gegliederte und vollständiger entwickelte Blattformen auftreten. Bei nicht wenigen Formen aber sind schon die ersten, auf die Koty- ledonen folgenden Blätter metamorphe, speciell Niederblätter. So z. B. bei Adoxa moschatellina, Arum maculatum u. a. Bei letzterer Pflanze ist gewöhnlich erst das sechste Blatt der Keimpflanze ein Laubblatt, und es tritt im ersten Jahre der Keimung die Pflanze überhaupt nicht über den Boden.!) Von den Kotyle- donen können wir zunächst ganz absehen; bekanntlich unterscheiden sie sich von den folgenden Blättern meist dadurch, dass sie einfach, nicht gegliedert, und häufig nur als Reservestoffbehälter ausgebildet sind, während sie in anderen Fällen (z. B. Zilia) eine ähnliche Gliederung wie die Laubblätter zeigen. — Die auf die Kotyledonen folgenden Blätter bezeichnen wir, wenn sie von denen der er- wachsenen Pflanzen abweichen im Gegensatz zu den letzteren, den »Folge- blättern« als »Primärblätter«.2) Ich schildere im Folgenden eine Anzahl der wichtigsteu hierhergehörigen Erscheinungen?) aus den verschiedenen Klassen, um dann die Frage zu unter- suchen, inwieweit gemeinsame Erscheinungen hier sich nachweisen lassen und speciell inwieweit dieselben etwa phylogenetisch verwerthbar sind. ı. Von besonderem Interesse sind die Keimungserscheinungen der Leber- moose.?) Der Marchantieen-Thallus unterscheidet sich von dem der thallosen Lebermoose einerseits durch seinen complicirteren anatomischen Bau, vor allem seine eigenthümliche von Athemöffnungen durchbohrte Epidermis und durch die breiten Schuppen, die in zwei Reihen auf der Thallusunterseite stehen. Statt ihrer finden wir bei den thallosen Jungermannien Keulenpapillen, welche Schleim absondern. Geradeso verhält sich auch die Marchantia-Keimpflanze. Sie be- sitzt keine Epidermis auf der Oberseite, keine Schuppen auf der Unterseite, sondern statt der letzteren keulenartige, ein- oder mehızellige Papillen. Auch die foliosen Lebermoose gewinnen erst allmählich ihre definitive Form (vergl. a. a. O. pag. 359). Es treten an der Keimpflanze zunächst nur die beiden seit- lichen Blattreihen auf, auch diese zuerst sehr einfach als kurze Zellreihen, erst später gewinnen die Seitenblätter die definitive Form, ohne übrigens Anfangs die charakteristische Zweitheilung zu zeigen, welche den Blättern dieser Pflanzen, wenigstens der Anlage nach zukommt. Die ventrale Blattreihe, die der Amphi- gastrien tritt erst nach der seitlichen auf. Da wir nun Uebergangsformen von thallosen zu foliosen Jungermannieen kennen, wie Blasia und Fossombronia die I) Ueber die Keimung von Arum maculatum vergl. IrmiscH, Morphol. Beobachtungen an einigen Gewächsen aus den nat. Familien der Melanthaceen, Irideen und Aroideen (Sep.-Abdr. aus dem ı. Bd. d. Abhdl. der nat. Ver. für Sachsen u. Thüringen in Halle. pag. 15. 2) Theilweise (auch oben, pag. 124 und 125) als Primordialblätter bezeichnet, was aber zu Verwechslungen mit dem »Primordialblatt« bei der Einzelentwickluug des Blattes führen könnte. 3) Und zwar ohne Beschränkung auf die Besprechung der Blattbildung allein. #4) Vergl. dieDarstellung derselben in meiner Bearbeitung der Muscineen, Bd... dies. Handbuchs. Pt ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 253 nur seitliche Blattreihen haben (über deren Insertion s. a. a. O.) statt der Amphi- gastrien aber auf ihrer Ventralseite Keulenpapillen wie die thallosen Lebermoose oder kleine Schüppchen, so sind wir, wie ich glaube, berechtigt zu sagen, dass hier in der That der Keimungsprozess die Phylogenie dieser Pflanzen wieder- holt, d. h. dass die seitlichen Blattreihen (was schon LEITGEB betont hat), phylo- genetisch älter sind, als die Amphigastrien, wie sie denn auch bei der Keimung zuerst auftreten; ferner, dass die einfachen Blattformen der Keimpflanzen dieser foliosen Lebermoose in ihrer Organisation denen nahestehen, welche einfachere Formen wie Fossombronia zeitlebens besitzen. Für die Marchantieen ergiebt sich eine analoge Schlussfolgerung von selbst. Dass si& von Formen abstammen, welche thallosen Jungermannien sehr ähnlich waren, ist mir kaum zweifelhaft. 2. Aehnliche Erscheinungen treffen wir auch bei Laubmoosen. Die erst- gebildeten Blätter sind hier einfacher gebaut, als die folgenden, kleiner und ohne Mittelnerv, auch wo ein solcher in relativ hoher Ausbildung hei den folgenden Blättern vorhanden ist. Besonders auffallend aber ist diese Erscheinung, auf die ich bereits früher hingewiesen habe (a. a. O. pag. 388) bei solchen Moosen, deren Blätter »abgeleitet« d. h. im Laufe der Entwicklung verändert, anders geformt als die der übrigen sind. Solche Blattformen besitzen z. B. Fissidens, FPolytrichum, Leucobryum, Sphagnum. Die beiden letzteren sind an feuchte Lokalitäten angepasst und besitzen eine merkwürdige Blattstructur, vor Allem inhaltslose, mit durchlöcherten Membranen versehene Zellen, die als Capillarapparate wirken, wie die Poren eines Schwammes. Züssidens zeichnet sich aus durch einen sonderbaren, flügelförmigen Auswuchs des Blattnerven, der scheinbar das ganze Blatt darstellt, Zolyzrichum durch die mächtige Entwicklung des Mittelnerven, welcher mit Lamellen von chlorophyllhaltigem Gewebe besetzt ist (vergl. Fig. 37). Alle diese Moose nun haben das Gemeinsame, dass die ersten Blätter der Keimpflanze diese Differenzirungserscheinungen noch nicht zeigen, vielmehr übereinstimmen mit dem Baue gewöhnlicher Moosblätter, deren Blattzellen (abgesehen vom Rande und dem Mittelnerven mancher Formen) aus- schliesslich der Assimilation dienen. Dass jene Moosformen mit eigenartiger Blattausbildung abstammen von solchen mit gewöhnlichen Blättern ist aber auch hier eine wohl kaum zu umgehende Annahme. 3. Beiden Gefässkryptogamen, speciell den Farnen, tritt die besprochene Erscheinung sehr regelmässig, und in grosser Mannigfaltigkeit auf. Am über- sichtlichsten und für unsere Darstellung am klarsten findet sie sich bei Marsilia, deren Primärblätter Hansteın und A. Braun geschildert haben, ohne übrigens auf deren Verhältniss zu den Folgeblättern einzugehen. Die Fig. 54, 1—6, stellt die an einer Keimpflanze von Marsilia Ernesti successive aufgetretenen Blätter dar. In Fig. 54, ı, ist das erste Blatt (der Kotyledon), von pfriementörmiger Gestalt, nur von einem Nerven durchzogen. Die folgenden Blätter erweitern sich all- mählich in ihrem apikalen Theil zu einer ovalen Lamina, welche in Fig. 54, 5, zweigetheilt erscheint, während in Fig. 54, 6, zwischen den zwei seitlichen Zipfeln noch zwei mittlere hervortreten. Die Folgeblätter unterscheiden sich von Fig. 54, 6, nur dadurch, dass die vier Theilblättchen in ihrer Insertionsstelle einander mehr genähert sind und scheinbar von einem Punkte ausstrahlen. Die Entwicklungsgeschichte eines solchen Folgeblattes zeigt, dass dasselbe anfänglich kegelförmige Gestalt hat. Dann wird die Spitze des Blattes durch das Wachsthum der Randzellen dreieckig, dann dreilappig: es sprossen unter- halb des Endtheiles des Blattes die Anlagen zweier Theilblättchen hervor, und \ 254 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. derselbe Vorgang wiederholt sich an dem ersteren, so dass die vier Theilblätt- chen des Blattes in ähnlicher Weise angelegt werden, wie die der anderen Farne (Polypodiaceen etc.) Die Entwicklungsgeschichte der Primärblätter ist nicht bekannt, HAnsSTEIN giebt von denselben nur an, dass im Unterschied von den Folgeblättern hier die Spreite zuerst angelegt werde, der Stiel erst nachfolge, eine nicht sehr schwerwiegende Differenz. Die Formentwicklung der Primärblattspreite aber erfolgt, wie ich ver- muthe, in derselben Weise, wie bei den Folge- blättern. Fig. 54, ı, würde dem ersten Stadium der Blattanlage, 2—3 dem entsprechen, auf wel- chem sich die Spreite zu verbreitern beginnt. Fig. 54, 5, wäre eine Folgeblatt-Anlage nach Anlage zweier Seitenblättchen, wobei aber der Endtheil des Blattes nicht mehr zu erkennen ist; gelegentlich kommen dreitheilige Primordial- blätter vor, hier wäre dann der Mitteltheil des Blattes entwickeit, in Fig. 6 aber wären alle Theilblättchen angelegt, nur anders gestellt als bei den Folgeblättern. Eine derartige Auffassung, welche durch die Verfolgung der Entwicklungs- geschichte der Primordialblätter ihre Bestätigung oder Widerlegung finden muss, scheint mir wahr- scheinlicher, als die A. Braun’s, welcher sich (B. 375.) Fig. 54. das Marsilia-Blatt als durch doppelte Zwei- Primärblätter von Marsiia Ernesti, theilung zu Stande gekommen denkt (a. a. O. ae ae Altersfolge a. 688), eine Auffassung, die wie ich glaube in der Entwicklungsgeschichte keine Stütze findet. Die Zahl der »Primärblätter«e hängt, wie A. BRAUN in seiner zweiten Mittheilung!) angiebt, mit der Tiefe des Wassers, in welcher die Keimung stattfindet, zusammen; in tiefem Wasser bilden sich mehr Primärblätter, also ein Fall ähn- lich wie der unten zu schildernde von Sagiftaria, wo ich ebenfalls nachgewiesen habe, dass die Primärblätter als Hemmungsbildungen der Laubblätter be- trachtet werden können und als solche betrachte ich auch die Marsilia-Primor- dialblätter. Auch bei den homosporen Farnen findet gewöhnlich ein ganz allmählicher Uebergang von den kleinen, ungegliederten Primärblättern zu den Folge- blättern statt. So z. B. bei Ceratopteris thalictroides?). Das erste Blatt (Kotyle- don) ist nur wenige Millim. lang, spatelförmig und in den kurzen Stiel allmählich verschmälert; es wird nur von einem ungetheilten Gefässbündel durchzogen. Das zweite Blatt ist etwas grösser und besitzt einen gegabelten Nerven, sonst stimmt es mit dem ersten überein. Die folgenden Blätter nehmen immer mehr an Um- fang zu, erhalten gerundet rhombische Form, reicher verzweigte Blattnerven und 1) Nachträgliche Mittheilungen über die Gattungen Marsilia und Pilularia. Monatsber. der Berl. Akad. Aug. 1872. 2) An mehreren Marsilia-Arten (z. B. M. elata) habe ich übrigens gabelige Verzweigung der Theilblättchen gelegentlich gefunden. 3) L. Kny, Die Entwicklung der Parkeriaceen, dargestellt an Ceratopteris thalictroides. Nova acta Acad. Leop. Carol. Bd. 37, pag. 42. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 255 eine schärfere Trennung von Stiel und Spreite. Beim fünften Biatte treten die ersten Andeutungen von Fiederung auf in Form seichter Einbuchtungen am oberen Theil des Blattes. Diese Einbuchtungen werden bei den folgenden Blättern rasch tiefer und nehmen von unten nach oben an Zahl zu, bis dann allmählich . die definitive Blattform erreicht ist, bei welcher die primäre Blatt- spreite nur noch als stielartige »Spindel« der Seitenblättchen erscheint. 4. Auch die Coniferen bieten interessante Beispiele für das besprochene Verhalten. So ist von den Zinus-Arten bekannt, und auch oben schon er- wähnt, dass der Hauptstamm und seine Aeste nur Schuppenblätter besitzen, in deren Achsel dann die beblätterten Kurztriebe sitzen. Die Keimpflanze da- gegen besitzt gewöhnliche, in Nadelform ausgebildete Laubblätter, und zwar bei Pinus silvestris‘), im ersten Jahre nur solche. Im zweiten Jahre stehen an der Basis der austreibenden Knospe noch Laubblätter, die aber weiter gegen oben hin allmählich in Schuppen übergehen, die dann in ihrer Achsel die bekannten zweiblättrigen Kurztriebe tragen. Dass die Kiefer von Formen abstammt, welche an ihrem Hauptstamm durchgehends (mit Ausnahme der letzten, die Winterknospen einhüllenden Blattbildungen) Laubblätter besass, wie z. B. die Adzes-Arten, scheint mir unzweifelhaft, um so mehr als man künstlich statt der Schuppen Laubblätter auch an älteren Stammtheilen produciren kann, was sowohl bei 2. silvestris, als bei P. Strobus (den einzigen von mir darauf untersuchten Arten) gelang. Dass die Achselknospen der verkümmerten Laubblätter (der Schuppen) schon in dem- selben Jahre, in dem sie angelegt werden, auch ihre Blätter enfalten, das ist eine direkte Folge der Verkümmerung der Laubblätter des Hauptstammes. Eine solche Verkümmerung wirkt ähnlich wie ein Abschneiden der Laubblätter, was, wie oben erwähnt wurde, ein Austreiben der Achselknospen zur Folge hat. Aehnlich finden wir z. B. bei Berderis in der Achsel der zu Dornen werdenden Laubblätter in demselben Jahre einen beblätterten Trieb auftreten. Ganz ähnlich wie Zinus verhält sich bei der Keimung auch Sciadopitys, welche später statt der Kurztriebe die eigenthümlichen Doppelnadeln trägt, (vergl. pag. 216 und die dort angeführte Literatur). An der Keimpflanze folgen auf die beiden lineal-lanzettförmigen Kotyledonen die dem ersten (sehr verkürzten) Jahrestriebe angehörenden Laub- blätter. Diese aber sind einfach, mit ungetheilter Spitze und einfachem Gefäss- bündel. Schon der nächste Jahrestrieb lässt seine Blätter (wie Zinus) zu Schuppen verkümmern und entwickelt in deren Achseln (in seinem oberen Theile) die Doppelnadeln mit ausgerandeter Spitze und zwei Gefässbündeln. Von den übrigen Coniferen mit abstehenden Nadeln weichen die 7hzuja-, Biota- und manche Juniperus-Arten auffallend ab dadurch, dass sie kleine, aber desto zahlreichere der Astoberfläche dicht anliegende, schuppenförmige, flache Blätter besitzen. Diese treten aber auch erst im Verlaufe der Entwicklung auf. Die Keimpflanzen besitzen abstehende Nadeln, ganz ähnlich wie z. B. Juniperus communis sie zeitlebens hat. Wenn man von der Keimpflanze in diesem Stadium Ableger macht, so behalten dieselben die Jugend-Blattform bei, und wachsen zu Bäumen heran, denen man die Zusammengehörigkeit mit T/iuja- und Cupressus- Arten nicht mehr ansehen würde. Sie werden in den Gärten unter dem Namen !) Vergl. z. B. HARTIG, Naturgeschichte der forstlichen Kulturpflanzen, pag. 55. — Die Pinus-Arten verhalten sich übrigens in dieser Beziehung verschieden. Bei der Pinie z. B. trägt die Hauptachse an den fünf oder mehr als fünf ersten Jahrgängen einfache Nadeln und ebenso wie die Hauptachse verhalten sich auch die den betreffenden Jahrestrieben entspringenden Seitensprosse. 256 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Retinispora cultivirt. Dass auch hier die Jugendblattform übereinstimmt mit der definitiven Blattform der muthmasslichen Vorfahren, braucht wohl kaum betont zu werden, um so mehr, als bei Juniperus manche Arten, z. B. Jun. communis zeitlebens nadelförmige, abstehende Nadeln besitzen, und auch bei den später mit anliegenden, schuppenförmigen Blättern versehenen nicht selten einzelne Zweige die Jugendblattform produeiren, also in die ursprünglichen Blattform zurückschlagen. Auch finden sich Mittelformen zwischen den beiden Blattarten, welche man namentlich an den Keimpflanzen verfolgen kann. Die Phyllocladus-Arten!) zeichnen sich aus durch blattähnlich ausgebildete Zweige (Cladodien‘, welche in den Achseln schuppenförmiger, kleiner, bald ver- trocknender und braun werdender Blätter stehen, die aber ursprünglich noch grün sind (eine Mittelstufe zwischen dem gewöhnlichen Verhalten und dem von Zinus, wo die Blätter am Hauptstamm gleich anfangs als braune Schuppen auftreten), also auch nichts anderes als umgebildete Laubblattanlagen sind. Die ersten Blätter der ersten Jahrestriebe der Keimpflanze und dann auch wieder ein Theil der im zweiten Jahre entwickelten dagegen sind flache, grüne Nadeln. Am Ende der Triebe sind sie viel kürzer, schon am dritten Jahrestrieb aber den schuppen- artigen Blättern älterer Exemplare viel ähnlicher, gehen also allmählich in diese über. Auch die Ciadodien gewinnen erst allmählich ihre auffallend blattähnliche Gestalt, gehen übrigens an ihrer Spitze gelegentlich wieder in cylindrische, mit spiralig gestellten Blättern besetzte Zweige über. 5. Bei vielen Angiospermen liegt die Frage nach der Bedeutung der Jugend- form der Blätter weniger einfach. Bei einer Anzahl von Pflanzen, die im fertigen Zustande von ihren Verwandten sehr abweichen, in ihrer Jugendform dagegen mit denselben übereinstimmen, werden wir allerdings geneigt sein, bei den Keimungs- erscheinungen eine Wiederholung der Ontogenie in der Phylogenie anzunehmen. Einige Beispiele mögen das erläutern. Eines der auffallendsten wurde oben schon erwähnt, das der neuholländischen Acacien, welche als definitive Blattform Phyllodien besitzen, während die Keimpflanze zuerst doppelt gefiederte Blätter mit rundlichem Blattstiel besitzt, der dann allmählich Phyllodienform annimmt, während die Spreite verkümmert. Auf andere Weise wird derselbe Zweck, die Bildung auf beiden Seiten gleichgebauter Blattgebilde erreicht bei einer andern australischen Pflanze, bei welcher die Differenz zwischen den Jugendblättern und den späterhin auftretenden deshalb eine sehr auffallende ist, weil die Folgeblätter erst spät auftreten. Es sind dies die Zucalypfus-Arten, speciell der uns am besten bekannte, in Siüd-Europa vielfach kultivierte und eine Zeitlang als Uni- versal-Panacee gepriesene Zucalypfus Globulus. Die junge Pflanze trägt auf ihren vierkantigen Zweigen ovale, dekussirt stehende, sitzende Blätter, die wie gewöhnlich dorsiventral gebaut sind. Erst wenn die Pflanze eine Höhe von 5—6 Meter erreicht hat (was natürlich sehr varliren kann), entwickelt sie an rundlichen Zweigen zerstreut stehende, messerförmige, hängende und sich in die Vertikalebene stellende Blätter, deren beide Seiten gleich gebaut sind, wie sie ja auch dieselbe Stellung am Lichte haben. Zwischenformen zwischen beiden Blatt- formen sind übrigens in der Uebergangsregion nicht selten. Die Rankenpflanzen deren Keimung mir bekannt ist, entwickeln Primär- blätter, welche keine Ranken besitzen. Das Ende der Blattlamina von Codaea scandens, welches bei älteren Pflanzen zu der ausserordentlich schönen Ranke entwickelt ist, ist bei den Primärblättern in Form eines breiten Endblättchens !) H.TH. GeyLe£r, einige Bemerkungen üb. /yZlocladus, Abh. erSenckenb. Gesellschaft. Bd. XII. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 257 entwickelt.) Besonders bemerkenswerth ist bei den Ranken von Codbaea ihre Verzweigung, die sich an dem vegetativen Blatttheile, aus dem sie entstanden sind, nicht findet. Es ist dies ein Beispiel für die Weiterbildung eines abgeleiteten Organes, die einzelnen Rankenzweige können also nicht als metamorphosirte Blatttheile bezeichnet werden, sondern sind Neubildungen. Es mag auf diesen Gesichtspunkt hier aufmerksam gemacht sein, da er auch aut analoge Organe Anwendung findet. Auch die rankentragenden Papilionaceen sind in der Jugend rankenlos. Als ein auch sonst merkwürdiges Beispiel sei Zafhyrus Aphaca erwähnt, dessen eigenthümliche Stipularausbildung oben schon berührt wurde. Die ganze Blatt- lamina hat sich hier zur Ranke umgebildet. An den Keimpflanzen erscheinen nach den (hypogaeischen) Cotyledonen zuerst einige der einfachen Primär- blätter, wie sie bei Papilionaceen sehr verbreitet sind: zuerst gewöhnlich eine nicht, oder nur andeutungsweise gegliederte, dann mehrere dreispitzige grüne Schuppen, die mittlere Spitze entspricht der Blattlamina, die beiden seitlichen den Nebenblättern. Darauf folgen Laubblätter mit je zwei Fiederblättchen und unsymmetrischen Nebenblättern. Die folgenden Blätter lassen die Blattlamina verkümmern, sie erscheint als kleines Spitzchen zwischen den bedeutend ver- grösserten und symmetrisch gewordenen Nebenblättern. Dann erst folgen Blätter, deren Lamina zur Ranke umgebildet ist. Sind nun jene rudimentären Gebilde nach den Laubblättern rudimentäre Laubblätter oder rudimentäre Ranken? Dass Zaihyrus Aphaca ursprünglich gefiederte Laubblätter, wie die meisten anderen Lathyrusarten besessen hat, ist mit grosser Wahrschein- lichkeit anzunehmen, besonders da solche Laubblätter bei der Keimung noch auftreten. Die auf diese Primärblätter folgenden rudimentären, nicht als Ranken ausgebildeten Blätter bieten einige Schwierigkeit. Ich glaube aber, das Vorkommen derselben wird verständlich durch die Annahme, dass das Rudi- mentärwerden der Blätter (welches die Vergrösserung der Nebenblätter zur direkten Folge hatte) erst eintrat, nachdem Zafhyrus Aphaca schon eine Ranken- pflanze geworden war. Jene auf die Primärblätter folgenden verkümmerten Blätter wären dann also die Rudimente nicht rankentragender Blätter, ähnlich, wie sie an den Keimpflanzen anderer rankentragender Papilionaceen auftreten. Denken wir uns z. B. bei der Erbse die Fiederblättchen verkümmert, die Blatt- spindel reducirt, so werden statt der oberen Blätter einfache Ranken, statt der auf die Primärblätter folgenden nicht rankentragenden nur Rudimente (wie bei Lathyrus Aphaca) vorhanden sein. Die Keimpflanze von Zathyrus Nissolia, einer mit rankenlosen, einfachen, ungegliederten Blättern versehenen Art, zeigt nicht, wie Zaihyrus Aphaca auch nach den ersten schuppenförmigen Primärblättern gefiederte Laubblätter, son- dern die ersten derselben sind schon lineallanzettlich und ungefiedert, mit rudi- mentären Nebenblättern versehen?). Für Darwın's Hypothese (Kletterpflanzen I) Vergl. DE CANDOLLE, Organographie, pl. 54, fig. 2. 2) IRMIscH, Bemerkungen über einige Pflanzen der deutschen Flora. Flora 1855, pag. 628 ff. Vergl. dort auch die eigenthümlichen Verhältnisse von Zathkyrus Ochrus, die ich aber anders auf- fasse, als Irmisch. Die ersten Laubblätter sind ungetheilt, lanzettlich, dann treten welche mit Einschnitten an der Spitze (Andeutung von Verzweigung) auf. Die Folgenden haben an der Spitze eine kurze Ranke, dann solche mit drei Ranken, die seitlichen (aus Umwandlung von Fiederblättchen hervorgegangen) werden bei höher stehenden Blättern wieder durch Fieder- blättchen ersetzt. Die breite Fläche kann aber, vielleicht auch nicht, als Blattstiel, sondern als SCHENK, Handbuch der Botanik, IH. 17 258 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. pag. 154), wonach diese Art von einer ursprünglich windenden Pflanze abstammen soll, welche dann zum Blattkletterer wurde, dann die Verzweigung der Ranken einbüsste, schliesslich auch deren Rotationsvermögen und Reizbarkeit, worauf die Ranke wieder blattartig wurde, scheinen mir derzeit keinerlei positive Anhalts- punkte vorzuliegen (DARwIn nimmt sogar noch eine zweimalige Veränderung in der Ausbildung der Nebenblätter an). Die Gattung Orobus (zu welcher Zathyrus Nissolia und ZL. Aphaca mehrfach gestellt werden) besitzt eine ganze Anzahl nicht mit Ranken versehener Pflanzen, z. B. Orobus vernus, tuberosus u. a., von welchen Lathyrus (xesp. Orobus) Nissolia in derselben Weise abweicht, wie Aanunculus Lingua von anderen Ranunculusarten mit gegliederten Blättern. Es scheint daher nicht geboten, den Z. Nissolia von einer Rankenpflanze abzuleiten. Dagegen erscheint es wahrscheinlich, dass die letzteren von Pflanzen ab- stammen, deren Blätter zwar zum Klettern benützt wurden, aber ihre Funktion und Form als Assimilationsorgane noch nicht eingebüsst hatten. Derartige Pflanzen, welche mit nicht modificirten Blättern klettern, kennen wir ja eine ganze Anzahl. So z. B. Clematis Viticella, Tropaeolum-Arten mit für Berührung empfindlichen und zum Klettern benützten Blattstielen. Das Beispiel von Cory- dalis claviculata (vergl. DArwın a. a. O. pag. 93) wurde oben schon berührt: der Uebergang von einem Blattkletterer zu einem Rankenkletterer wird hier im Verlauf der Entwicklung ein und derselben Pflanze vollzogen. Dasselbe wie für die mit Phyllodien und die mit Blattranken versehenen Pflanzen gilt auch für diejenigen, deren Sprosse blattähnlich verbreitert, als »Phyllocladien« ausgebildet sind!). Einige Beispiele mögen dies darthun. Carmichaela australis ist in der Jugend eine typische Leguminose, mit zwei elliptischen Cotyledonen und bis zu fünf zusammengesetzten, dreizähligen, resp. gefiederten Laubblättern. An den ganz flach werdenden Stengeln dagegen erscheinen dann »an Stelle der Laubblätter« (d.h. nach meiner Auffassung als Umwandlungs- resp. Hemmungsprodukte derselben) nur kleine Schuppen; die Funktion der Blätter wird übernommen von den blattähnlich gewordenen Sprossachsen. Aehnlich Dossiaea rufa. Die Hauptachse der Keimpflanze besitzt eine Anzahl gestielter, ovaler Blätter und ist nicht verbreitert, sie verkümmert später, während aus den Achseln der Cotyledonen und unterhalb derselben Zweige hervortreten, welche allmählich zu Phyllocladien sich ausbilden. An diesen flachen Sprossen sind von den Blättern nur die kleinen, spitzen Stipulae übrig, deren Spreitenanlage verkümmert ist (die Angabe HILDEBRAND’s »von den Blatt- spreiten ist nichts vorhandene, ist sicher irrig). Andere Dossiaea-Arten besitzen übrigens flache Zweige mit wohlausgebildeten Blättern (D. Aeterophylla) oder, wie 2. microphylla, cylindrische Zweige mit zahlreichen Laubblättern (AskEnAsy a. a. O. pag. 4) es finden sich also in einer Gattung alle Uebergangsstufen. Auch Coletia spinosa, deren Dornsprosse späterhin nur hinfällige Blätter tragen, besitzt an der Keimpflanze Laubblätter, ebenso Wex europaeus, wo sie im erwachsenen Zustand in Dornen verwandelt sind. Die Keimpflanze besitzt (von den ersten Primärblättern abgesehen) dreizählige Laubblätter wie andere Genisteen. An den höher stehenden Blättern werden die seitlichen Theilblättchen immer schmäler und kommen zuletzt gar nicht mehr zur Ausbildung. Das ein- fach lineal gewordene Blatt aber gestaltet sich allmählich zum Dorne um; auch aus den Zweigen entwickeln sich Dorne. Andere hierhergehörige Pflanzen, wie z. B. die Polygonee Mühlenbeckia platyclada dürften sich bei der Keimung ähnlich verhalten: wenigstens treten an den Stecklingen Zweige auf, deren Blattspreite aufgefasst werden. Es fehlt hier wie in anderen Fällen an vergleichenden Unter- suchungen über die Formentwicklung bei der Keimung eines grösseren Verwandtschaftskreises. I) AskEnasv, Botan. morphol. Studien. 1872. pag. 5. — HILDEBRAND, Ueber die Jugend- zustände solcher Pflanzen, welche im Alter von ihren Verwandten abweichen. Flora. 1875. Nr. 20 u. 21. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 259 Stengel nur wenig verbreitert ist und pfeilförmige Blätter trägt. Von diesen Sprossen aus finden sich dann alle Uebergänge zu den verbreiterten Stengeln mit rudimentären Blättern. Auch die »schildförmigen« Blätter wurden oben als abgeleitete bezeichnet und darauf hingewiesen, dass bei der Keimung, wie es scheint, häufig die gewöhnliche, nicht schildförmige Blattform auftritt, z. B. bei Zydrocotyle vulgaris. Allgemein gilt dies freilich durchaus nicht: bei Tropaeolum majus sind schon die ersten, auf die Kotyledonen folgenden Blätter schildförmig, wenngleich nicht so stark wie die folgenden, und bei Umbilicus (Cotyledon) horizontalis Guss. sind sogar schon die Cotyledonen schildförmig?). Auch die abgeleiteten (metamorphen) Blätter der insektivoren Pflanzen pflegen nicht gleich bei der Keimung aufzutreten. An den Jugendblättern von Drosera rotundifolia?) z. B. fehlen ganz die auf der Blattoberseite stehenden gestielten Drüsen (Tentakeln), nur die randständigen sind vorhanden, sie können als umgewandelte Blattzähne oder Theilblättchen aufgefasst werden, wie sie so häufig vorkommen. Auf dem zweiten Blatte erscheint auch auf der Oberseite eine Anzahl (2—4) Tentakeln, bis sie dann allmählich, unter gleichzeitiger Ver- mehrung der Zahl der randständigen bei den folgenden Blättern die ganze Blatt- oberseite bedecken. — Es stimmen also die Primärblätter von Drosera z. B. mit denen von Dionaea darin überein, dass sie nur randständige (bei Drosera zu Tentakeln umgewandelte) Blattzähne besitzen, in welchen wir vielleicht eine An- näherung an die ursprüngliche Blattform sehen dürfen, ebenso wie bei Drosera capensis?), deren erste Blätter mit denen von Dr. rolundifolia übereinstimmen, während die folgenden von ihnen abweichen. Es liessen sich leicht noch andere Beispiele analoger Keimungsvorgänge anderer Pflanzen mit abgeleiteten Blättern anführen, hier sei nur noch eines genannt, welches zeigt, dass die Uebereinstimmung der Jugendstadien mit ver- wandten Formen bei solchen Pflanzen, die im fertigen Zustand von den letzteren abweichen, nicht auf die Blattformen beschränkt ist. Es ist dies der merkwürdige Keimungsvorgang von Aaipsalis Cassytha.A) Die Rhipsalideen unterscheiden sich bekanntlich von den meisten übrigen Cacteen durch ihre langen, dünnen, cylindrischen Stämme, die hinfällige Schuppenblätter tragen. Sie wachsen epiphytisch auf Bäumen. Die Keimpflanzen von AA. Cassytha entwickeln ihre epikotyle Achse zu einem Sprosse, welcher durchaus übereinstimmt mit einem vierkantigen, auf den Kanten Stachelbüschel tragenden Cereusspross. Man hat auch aus anderen Gründen Ursache, die Rhipsalideen von den Cereiden phylogenetisch abzuleiten, eine Annahme, die in den besprochenen Keimungserscheinungen ihre Stütze findet. Die charakteristischen Rhipsalissprosse entstehen als Seitenzweige an der Keimachse. VOECHTING®) fand an einem alten Exemplare der AA. paradoxa einen Spross, der vier grade Zeilen hatte, auf denen Stachelbüschel sitzen, eine Erscheinung, die man mit dem genannten Autor als Rückschlagsbildung aufzufassen berechtigt ist, ebenso wie die oben von Juniperus, Phyllocladus etc. angeführten Erscheinungen. N) IrMiscH, Bot. Zeit. 1860. pag. 89. 2) NITSCHCKE, Wachsthumsverhältnisse des rundblätterigen Sonnenthaus. Bot. Zeit. 1860. pag. 57 ff. Taf. II, Fig. ı, daselbst weitere Lit. 3) DARWIN, power of movements. pag. 414. %, Th. IrmiscH, Ueber die Keimpflanzen von Aahipsalis Cassytha und deren Weiterbildung. Bot. Zeit. 1876. 5) Beiträge zur Morphologie und Anatomie der Rhipsalideen. PRINGSH. Jahrb. Bd. IX. S. 421. Te 260 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Andrerseits aber sind die Fälle auch nicht selten, wo abgeleitete Blattformen gleich bei der Keimung auftreten. So sind die Blätter der Cacteen auch an den Keimpflanzen, soweit mir bekannt, rudimentäre Schuppen, während wir allen Grund zu der Annahme haben, dass die Cacteen früher normale, grüne, assimi- lirende Laubblätter besassen, wie sie ja der Gattung Zeireskia jetzt noch zukommen. Auch Auscus, das später seine Zweige blattähnlich (zu Cladodien) entwickelt, producirt bei der Keimung keine Laubblätter, sondern nur Schuppen. (Vergl. DE CANDOLLE, organogr. veget. tab. 49. Fig. 1.) Es bilden sich zunächst einige Scheidenblätter; dann die Schuppen, in deren Achseln die Cladodien stehen. Und schon der Keimspross von Caswarina equisetifolia hat seine sonderbare, equisetenähnliche Gestalt (vergl. a. a. O. tab. 53. fig. 2). Bei der merkwürdigen Keimung von Ufricularia tritt ausser einer Anzahl (6—ız2) einfacher primärer Blätter an die Stelle eines derselben ein Schlauch auf, der als aus Umwandlung eines der Blätter hervorgegangen zu betrachten ist. Eine Wiederholung der Phylogenie in der Ontogenie findet in den eben erwähnten Fällen also nicht statt. Was die Pflanzen mit gewöhnlichen, nicht abgeleiteten Blattformen betrifft, so beginnt die Keimpflanze entweder sogleich mit der definitiven Blattform, oder sie producirt zuerst einfachere Blätter. Ersteres ist der Fall z. B. bei manchen Leguminosen, wie der Zimmeracacie (Acacia Lophantha), Cassia-Arten und noch einer ganzen Anzahl anderer Pflanzen. — Eine sehr häufige Erscheinung ist es indess, dass die Primärblätter einfacher geformt sind als die folgenden, wobei häufig ein stufenweiser Uebergang von den ersteren zu den letzteren stattfindet. Für diese einfachen Primärblätter gilt, soweit ich die Erscheinung kenne, ausnahmslos der Satz, dass sie nichts anderes sind als Formen, welche auch die später auftretenden Blätter in ihrer Entwicklung durchlaufen, also gewissermassen Hemmungsstadien der Laubblätter, die aber oft mächtig entwickelt sind. Die Primärblätter stellen also Laubblätter dar, die auf einer bestimmten Ent- wicklungsstufe stehen geblieben sind, von hier aus aber ebenso nicht selten dann eine eigenartige Entwicklung erfahren haben, wie wir dies oben bei den Knospen- schuppen sahen, bei welchen der Blattgrund der stehengebliebenen Laubblattan- lage ebenfalls zu einer Entwicklung gelangt, die er beim Laubblatt nicht hat. In manchen Fällen sind die Differenzen zwischen Primär- und Folge- blättern sehr einfache. Bei der Keimung von Zanunculus arvensis sehen wir!) als erstes Blatt auf den Cotyledon ein an der Spitze dreispaltiges Blättchen erscheinen, die Blattlamina hat also rechts und links je ein Seitenglied erzeugt. Das folgende Blatt ist schon etwas complicirter, es ist fünftheilig, d. h. die Ver- zweigung ist (wohl in basipetaler Richtung) weiter gegangen. Die weiter nach oben folgenden Blätter unterscheiden sich im Grunde nur dadurch von den ersten, dass sie tiefer eingeschnitten sind. Dass auch das fünftheilige Blatt drei- theilig war, ehe es sich weiter verzweigte, ist klar, und ausserdem kann bei kräftig entwickelten Keimpflanzen auch gleich das erste Blatt fünftheilig sein. Bei den dreiblättrigen Zrzfolum-Arten ist das Primärblatt unverzweigt, also einblättrig, eine Form, welche die Blätter von Ononis Natrix sehr lange bei- behalten, bis schliesslich dreizählige auftreten. Grössere Differenzen zeigen z. B. die Primärblätter anderer Papilionaceen, wie Vicia Faba, Lathyrus-Arten etc. Das erste auf die Cotyledonen folgende Blatt ist von sehr einfacher Form: es sitzt mit breiter Basis dem Stengel auf und endigt oben in drei Lappen, von denen der mittlere der Blattlamina entspricht, die beiden seitlichen den Neben- I) Vergl. z. B. die Abbildungen bei Rossmann, Phyllomorphose, Taf. 1. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 261 blättern. Es ist dies eine Laubblattanlage, stehen geblieben zur Zeit, wo die Stipulae angelegt waren, die Blattspreite aber noch keine Gliederung erfahren hatte). Dasselbe beobachtet man auch in anderen Fällen. An den Sprossen z. B., welche auf abgeschnittenen Wurzelstücken von Adlanthus glandulosa entstehen (aus dem Cambium resp. Callus), ist die Blattentwicklung eine ähnliche, wie bei den Keimpflanzen: zuerst bilden sich bleiche, ungegliederte Schuppen, die nach oben allmählich in das reicher gegliederte Blatt übergehen und ebenso ist es bei vielen Ad- ventivsprossen. Derartige Erscheinungen phy- logenetisch aufzufassen, dazu liegt glaube ich, kein Grund vor, ich sehe in jenen einfachen Primärblättern nur Hemmungsbildungen, de- ren Ursachen in Eigenthümlichkeiten des Wachsthums oder der Zusammensetzung em- bryonaler Sprosse liegt. Eigenartige Formen nehmen die Primär- blätter bei manchen Wasserpflanzen an. So bei Sagittaria sagittaefolia?). Die Primär- blätter der aus den überwinternden Knollen entspringenden Pflanzen haben die Gestalt eines breiten Bandes (Fig. 55, ı), das sich | oft (in tiefem Wasser) zu bedeutender Länge (über 4 M.) entwickelt, und im Wasser fliessend einem Vallisneria-Blatt zuweilen täuschend ähn- Fig. 55. (B. 376.) lich sieht (s. Sag. vallisnerifolia Cosson et Ger- Sagittaria sagittacfolia. Blattformen an main in Grenier et Godron Flore de France einer, aus einer austreibenden Knolle ZIT. p. 167, bei Rostock sehr häufig). DE nn ae in, CANDOLLE hatte diese Blätter irrigerweise für ein Phyllodium, wie bei den neuholländischen Acacien gehalten. Dass dem nicht so ist, sieht man, wenn man die Reihenfolge der Blätter in nicht zu seichtem Wasser wachsender Pflanzen beobachtet. (Vergl. Fig. 55, ı—5). Es treten nach den bandförmigen Blättern solche auf, die an dem apikalen Ende eine geringe Verbreiterung zeigen (Fig. 55, 2). Diese Verbreiterung vergrössert sich bei den nun folgenden Blättern, sie erscheint eiförmig (Fig. 55, 3). Endlich erscheint der breite Endtheil schärfer gegen den unteren, schmäleren, abgesetzt, er erscheint deutlich als Blattlamina, der letztere als Stiel. Die Blattlamina hat aber zunächst noch stumpfe Enden (Fig. 55,4), erst später erhält sie die bekannte Pfeilform (Fig. 55, 5). Bei Pflanzen, die in tieferem (auch in ganz ruhig fliessendem) oder in rasch strömendem Wasser wachsen, unterbleibt aber das Auftreten von Blättern mit pfeilförmiger La- mina, die über das Wasser treten, nicht selten vollständig. Die sämmtlichen Blätter Ba LT TT7 I) Die Richtigkeit meiner Auffassung findet auch daran eine Stütze, dass diejenigen Vicien, welche unterirdische Ausläufer besitzen, wie z. B. Zaihyrus tuberosus, an denselben ganz ähnliche Niederblätter (die sicher Hemmungsbildungen von Laubblättern sind,) hervorbringen, wie die . Primordialblätter von Vicia Faba etc. Dass man derartige Primordialblätter (an Seitensprossen der Cotyledonen und der untersten Blätter) veranlassen kann, sich zu Laubblättern zu entwickeln, dann nämlich, wenn man den Hauptspross früh genug entfernt, wurde in der Einleitung mit- getheilt (pag. 125). Es ist dies, wie ich glaube, ein experimenteller Beweis für die Richtigkeit meiner Auffassung der Primordialblätter als Hemmungsbildungen. 2) Beitr. zur Morphol. und Physiol. des Blattes. Bot. Zeit. 1880 pag. 833 ff. 262 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. der Pflanze bleiben fluthend, Valiisneria ähnlich (was, wie oben angedeutet, zur Aufstellung einer besonderen Art S. vallisnerifolia geführt, auch zu Verwechslungen mit Vallisneria Anlass gegeben hat). In diesem Zustand kann die Pflanze sogar zum Blühen gelangen, aber jedenfalls nur selten, gewöhnlich bleibt sie steril, wie dies ja auch bei anderen, in zu tiefem Wasser wachsenden Wasserpflanzen (Hippuris, Limosella etc.) der Fall zu sein pflegt; eine Erscheinung, die ich als bedingt durch die in diesem Fall eintretende Massenproduktion von Blatt- substanz betrachten möchte. — Untersucht man nun die Entwicklurgsgeschichte eines der pfeilförmigen Laubblätter, so ergiebt sich, dass die in den Fig. 55, 1I—4 dargestellten Blattformen zugleich denjenigen Entwicklungsstadien entsprechen, welche das einzelne, mit pfeilförmiger Lamina und Blattstiel versehene Blatt durchläuft. Sieht man von dem, in beiden Fällen gleichbleibenden scheiden- förmigen Blattgrund ab, so ist das Oberblatt zunächst ebenfalls bandförmig, im Kleinen den Umriss der Fig. 55, ı, nachahmend. Dann schwillt das obere Ende desselben eiförmig an, die schmale Zone zwischen der Laminaranlage und dem Blattgrund entwickelt sich dann später zum Blattstiel. Später nimmt die Blattlamina dann successive die Formen an, welche in den Fig. 55, 2—5, dargestellt sind. Zu jeder Primärblattform giebt es also eine entsprechende Entwicklungsstufe in der Entwicklung des Laubblattes, die ersten bandförmigen Blätter sind also diejenigen, wo das Oberblatt noch bandförmig, der Blattstiel noch nicht angelegt war. Auf dieser Formstufe ist die Blattanlage stehen geblieben und hat sich nun zu beträchtlicher Grösse entwickelt. Es kann keine Frage sein, dass bei Pflanzen, die nur bandförmige Blätter besitzen, solche Blätter, die normal zu pfeilförmigen geworden wären, sich bandförmig entwickelt haben. Machen wir, davon ausgehend, einen Analogieschluss auf die erst auf- tretenden Blätter, so erscheinen auch sie als eigenartig entwickelte Hemmungs- bildungen, deren Auftreten, wie sich aus dem Gesagten ergiebt, mit äusseren Ver- hältnissen, vor allem mit der Wassertiefe in direktem Zusammenhange steht. Dass die Pflanze früher überhaupt nur einfache, Vallisneria ähnliche Blätter besessen habe, das ist zwar möglich, aber positive Anhaltspunkte dafür haben wir auch nicht. Aehnliche Erscheinungen habe ich übrigens auch bei der Keimung von Alisma Plantago beobachtet. Heterophyllie der Wasserpflanzen. Es führt uns die Betrachtung der Blattformen dieser Wasserpflanzen zur Erwähnung der merkwürdigen heteromorphen Blattbildung, wie wir sie bei anderen Wasserpflanzen treffen, nur dass es sich hier meist nicht um die Verschiedenheit von Primär- und Folgeblättern handelt, sondern um Verschiedenheiten, wie sie in Folge verschiedener äusserer Wachs- thumsbedingungen auftreten. ‚Sagiftaria macht zu diesen Fällen den Uebergang dadurch, dass, wie erwähnt wurde, unter bestimmten Bedingungen die Primär- blätter dauernd beibehalten werden. Zunächst ist hier eine Anzahl von Pflanzen zu nennen, die die Fähigkeit haben, Schwimmblätter zu entwickeln. Unter Schwimmblättern versteht man meist ziemlich langgestielte Blätter, deren Lamina auf der Wasseroberfläche schwimmt, wie dies bei vielen Wasserpflanzen, z. B. Hydrocharis, Cabomba, Nymphaea der Fall ist. Bei festgewurzelten Pflanzen richtet sich die Länge des Stieles meist nach der Höhe des Wasserniveaus, steigt das- selbe, so verlängert sich der (noch wachsthumsfähige) Stiel, bis er die Lamina wieder auf die Wasseroberfläche gebracht hat. Bei Nymphaea und NMuphar wächst er in seichtem Wasser übrigens nicht selten auch über den Wasserspiegel hervor. Die Blattlamina der Schwimmblätter ist dadurch ausgezeichnet, dass nur auf der ER Fe ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 263 Blattoberseite Spaltöffnungen entwickelt sind. Solche Schwimmblätter besitzt auch Sagittaria: es sind das die auf die ersten Blätter folgenden mit ovalen Spreiten versehenen Blätter. Der allmähliche Uebergang der Primärblätter dieser Pflanze in die Folgeblätter ist auch im anatomischen Baue ausgesprochen). Die ersten schwimmenden Blätter, die nach den untergetauchten erscheinen, haben auf ihrer Unterseite keine Spaltöffnungen, auf der Oberseite aber sogar bedeutend mehr, als die Oberseite der Luftblätter. Die nächstfolgenden schwimmenden Blätter besitzen auch auf der Blattunterseite Spaltöffnungen, auf der Oberseite entsprechend weniger, bis sich dann das normale Verhältniss bei den pfeilförmigen, durch den Blattstiel über die Wasserfläche emporgehobenen Blättern einstellt. — Dass Schwimmblättern Spaltöffnungen auf der Unterseite des Blattes, welches dem Wasser aufliegt, von keinem Nutzen sein würden, ist klar. Es ist aber bis jetzt ein äusserer Faktor nicht zu erkennen, der bewirkt, dass in Fällen, wie die folgenden, die Spaltöffnungen, welche doch entstehen, ehe das Blatt auf den Wasserspiegel gelangt, bewirken könnten, auch an »Vererbung« ist in diesen Fällen ja nicht zu denken. Zu diesen Pflanzen gehört Marsilia quadrifolia?), ein Farn, der an feuchten zeitweise überschwemmten Lokalitäten am Rande von Teichen etc. lebt. Nach den Primärblättern treten Schwimmblätter auf, deren Spreite sich auf das Wasser legt. Auf die Schwimmblätter folgen normal, d. h. wenn das Wasser nicht zu tief ist, Luftblätter, welche aber schon hervortreten, wenn die Pflanze noch in seichtem Wasser steht. Geräth die Pflanze aber in tieferes Wasser, so entwickelt sie Schwimmblätter, die Stiele verlängern sich, bis die Spreite die Wasseroberfläche erreicht. Während nun die Luftblätter®) auf der Blattober- wie Unterseite Spaltöffnungen besitzen, haben die Schwimmblätter dieselben nur auf der Oberseite, dafür aber hier desto zahlreicher. Erwähnt sein mag, dass ein Blatt, das einmal als Luftblatt angelegt ist, sich nicht zum Schwimmblatt auszu- bilden vermag, sondern, wenn man die Pflanze ins Wasser versenkt, zu Grunde geht. Die Pflanze gedeiht übrigens auch in tiefem Wasser ganz gut, bildet aber keine Fortpflanzungsorgane, wohl weil sie alle Baustoffe zur Erhaltung des Vegetationskörpers braucht. Aehnlich ist es bei anderen Marsilien - Arten. Polygonum amphibium kommt in einer Wasser- und einer Landform vor. Von einer Stelle, wo sie lange als Landform vegetirt hatten, wurden Sprosse ins Wasser gesetzt: die beblätterten Sprosse gingen zu Grunde, es entwickelten sich aber neue, welche Schwimmblätter trugen, deren Spaltöffnungen vertheilt sind wie die auf dem Marsiliablatt. Solche Pflanzen, welche eine Land- und Wasserform besitzen, giebt es nun !) Vergl. HILDEBRANDT, Schwimmblätter von Marsilia. Bot. Zeit. 1870. REINHARDT, bot. Jahresber. 1879 pag. 30. 2) A. Braun, Monatsber. der Berl. Akad. ıı. Aug. 1870. — Wie Braun a. a. O. ausführt, waren die Schwimmblätter schon sehr lange bekannt. Vergl. auch HILDEBRANDT a. a. O. 3) Spaltöffnungen kommen übrigens nach BRAUN und HAnSTEIN auch auf dem ganz unter- getauchten Cotyledon vor, ähnlich wie bei Ranunculus aquatilis. Es liegt auch bei Marsilia, die jetzt periodisch austrocknenden Lokalitäten angepasst ist, der Schluss nahe, dass sie von einer Landform abstammt, was bei Ranunculus ja kaum zweifelhaft sein kann. Andere Marsilien, wie z. B. Marsilia trichopus bringen keine echten Schwimmblätter hervor, und auch Arten, welche, in der Jugend Schwimmblätter besitzen, haben nicht immer wie M. quadrifolia die Fähigkeit bei Versetzung in tieferes Wasser echte Schwimmblätter, die auf der Unterseite keine Spalt- öffnungen haben, zu erzeugen. (Vergl. Braun, Monatsber. 1872. pag. 647.) 264 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. eine ganze Anzahl, aus der einige Beispiele angeführt sein mögen. Die Land- formen zeichnen sich den Wasserformen gegenüber meist durch gedrungeneren Wuchs, kleinere Intercellularräume und stärkere Entwicklung der mechanisch wirkenden Zellformen aus. Die Blätter der Wasserformen haben das Bestreben, einen möglichst grossen Theil ihrer Oberfläche in Contact einerseits mit dem Wasser, welches Gase, namentlich Kohlensäure absorbirt hat, andererseits mit den lufthaltigen Intercellularräumen zu bringen. Die Blätter sind desshalb meist fein vertheilt oder besitzen grosse Intercellularräume. Land- und Wasserformen besitzen z. B. Hottonia und Hippuris. Spaltöffnungen finden sich auch an den Wasserblättern von Zotlonia, ein Anzeichen dafür, dass diese Pflanze, wie jeden- falls manche andere, ursprünglich eine Landpflanze war, und erst später dem Wasserstandort, der ja in vielen Beziehungen vortheilhaft ist (z. B. Schutz gegen manche Thiere, geringere Anzahl von Concurrenten) angepasst hat. Uebrigens vermögen wohl alle Wasserpflanzen an der Luft, wenn dieselbe nur gehörig feucht ist, zu wachsen, anderenfalle gehen sie durch Transpiration, welche durch eine wenig entwickelte Cuticula kaum gehemmt wird, bald zu Grunde. Zlodea cana- densis z. B. habe ich in Erde unter Glasglocke mit gut entwickelten Sprossen gezogen, ebenso Aydrocharis. Ein besonderes Interesse durch die Vielgestaltigkeit ihrer Blattformen bean- spruchen die Wasserranunkeln!) (Ranunculus, Section Batrachium DE CANDOLLE'S). Nur wenige Wasserhahnenfüsse (Ranunculus caenosus Guss., hederaceus L., R. di- varicatus Lam., R. longirostris Gopr., haben an der ganzen Achse gleichge- staltete Blätter. Bei den meisten treten sie in zwei Modificationen auf: Schwimmblätter mit flacher, am Rande etwas gelappter Lamina und in feine Zipfel zertheilte Wasserblätter, zwischen beiden fehlt es übrigens nicht an Uebergangs- formen, auch kommen die Schwimmblätter nicht an allen Exemplaren vor, sondern pflegen zu fehlen, wenn die Pflanze fluthet. Selten sind sie bei &. /lui- Zans. Ausserdem besitzen die erwähnten Ranunkeln und ebenso die mit nur einerlei Blättern versehenen (A. hederaceus etc.) auch Landformen, die Blätter der- selben sind bei A. aguatilis z. B. den zerschlitzten Wasserblättern ähnlich, nur die Zipfel etwas breiter. Spaltöffnungen finden sich auch auf den Wasserblättern?), sie sind aber auf den Landblättern viel häufiger, besonders auf der Blattoberseite, auch die Cotyledonen von Samen, die man im Wasser keimen lässt, besitzen Spaltöffnungen. Die Entwicklungsgeschichte vom Wasser- und Landblatt ist eine zeitlang ganz übereinstimmend, erst später bleibt das Wasserblatt auf einer ge- wissen Stufe der Gewebedifferenzirung stehen, es bildet keine Spaltöffnungen und gleicht in seinem Baue einem jungen Laubblatte. Ob eine Blattanlage sich zum Wasser- oder Landblatt entwickeln soll, das hängt nur von äusseren Einflüssen ab, hat sie sich aber einmal zu der einen Funktion ausgebildet, so ist das Blatt der andern nicht mehr fähig, ein Landblatt geht also im Wasser zu Grunde und umgekehrt. Dass sich in den Epidermiszellen der Wasserblätter, wie das bei Wasserpflanzen ganz allgemein ist, Chlorophyllfarbstoff bildet, möchte ich dem geminderten Lichtzutritt zuschreiben. — Was die Schwimmblätter von &. aguattlis betrifft, so weichen sie in ihrer Gestalt nach dem oben Erwähnten von der der 1) Vergl. Rossmann, Beiträge zur Kenntniss der Wasserhahnenfüsse, Giessen 1854; ASKE- nAsv, Ueber den Einfluss des Wachsthumsmediums auf die Form der Pflanzen. Bot. Zeit. 1870. 2) AsKENASY, a. a. O. pag. 255. Sie finden sich in geringer Zahl an der Spitze der Blatt- zipfel, das Gewebe stirbt hier aber bald ab, sodass die Spaltöffnungen, die wir hier wohl als ru- dimentäre Organe zu betrachten haben, der Beobachtung wieder entschwinden. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 265 Wasser- und Luftblätter beträchtlich ab. Sie sind den (terminalen) Blüthen op- ponirt, die Knospen, welche aus ihrer Achsel entspringen, setzen den Stamm fort. Diese Blätter, die wir mit AskEenasv kurz als Gegenblätter bezeichnen wollen, sind von nierenförmigem Umriss und dreilappig. Die ersten Entwicklungsstadien stimmen vollständig mit denen der gewöhnlichen Blätter überein und unter Um- ständen kann eine Schwimmblattanlage auch zu einem gewöhnlichen Blatte werden. Der Unterschied in der Weiterentwicklung besteht vor allem in dem viel grösseren Flächenwachsthum der Gegenblätter und dem Unterbleiben der reichen Ver- zweigung, so dass die Gliederung des Blattes eine viel geringere ist. Wie schon oben erwähnt, kommt A. aguatilis auch ganz ohne Schwimmblätter vor, die »Gegenblätter«e haben in diesem Falle die Form gewöhnlicher Land-, resp. Wasserblätter, und bei blühenden Landpflanzen ist dies immer der Fall. Zwischenformen treten dann ein, wenn Pflanzen, welche bereits typische Gegen- (Schwimm -)blätter zu bilden begonnen hatten, entweder in zu tiefes Wasser zu stehen kommen oder genöthigt werden, im Trockenen zu wachsen, aber auch unter anderen, nicht immer genau präcisirbaren Bedingungen. Die Uebergangs- formen sind solche nicht nur in Bezug auf die äussere Gestaltung, sondern auch auf den anatomischen Bau. Vergleichen wir nun die Wasserranunkeln mit anderen Ranunculaceen, so kann, wie auch AskEnasy annimmt, es kaum einem Zweifel unterliegen, dass dieselben abstammen von terrestrischen Arten. Keimt z. B. Ranunculus sceleratus, eine terrestrische, aber feuchte Lokalitäten liebende Form, in seichtem Wasser, so bildet er Schwimmblätter von der Form wie unter den Wasserranunkeln, z. B. A. hederaefolius sie zeitlebens besitzt. Später aber erhebt sich der blüthentragende Spross aus dem Wasser und bildet gewöhnliche Blätter, die an nicht im Wasser keimenden Pflanzen sofort auftreten. Die »Gegen- blättere von AR. aquatilis haben die, auch bei dieser Art als ursprünglich anzu- sehende Form behalten, und diese Form ist besonders dazu geeignet, die Blüthe auf dem Wasserspiegel, über den sie emporwächst, einigermaassen zu fixiren und vor dem Umfallen zu schützen. Die anderen Blätter aber sind für das Leben im Wasser angepasst, und wie erwähnt, haben auch die Wasserblätter die Fähig- keit, unter Umständen diese Form anzunehmen. Sie ist bei den gewöhnlichen Blättern so constant geworden, dass sie auch bei Cultur im Trockenen beibe- halten wird, wie wir denn bei vielen »amphibischen« Pflanzen sehen, dass sie auch in ihrer Landform die Eigenschaften (grosse Intercellularräume etc.), die sie be- fähigen als Wasserpflanzen zu wachsen, theilweise beibehalten. Landformen von Wasserpflanzen sind ausser den oben erwähnten noch be- kannt für Callitriche-Arten!), Hippuris etc. Wasserformen für Landpflanzen für Veronica Anagallis, Sagittaria (s. 0.) etc. Von einer ganzen Anzahl anderer Wasserpflanzen aber kennt man keine Landformen. So für Pofamogeton-Arten, Najas, Zanichellia etc., die meisten dieser Pflanzen können, wie oben erwähnt, wenn sie hinreichend gegen Verdunstung geschützt sind, wohl auch ausserhalb des Wassers wachsen. Zsoötes lacustris z. B. ziehe ich auf diese Weise seit $ Jahren als Landpflanze. 1) Callitriche autumnalis besitzt an der Blattspitze des jungen Blattes eine Gruppe von 3 bis 8 Spaltöffnungen, die bald zu Grunde gehen und am ausgewachsenen Blatte nicht mehr vorhanden sind (Boropın, Ueber den Bau d. Blattspitze einiger Wasserpflanzen. Bot. Zeit. 1870, pag. 841). Am Wasserblatt von Zotlonia finde ich Spaltöffnungen in gar nicht seltener Zahl, REINHARDT (Bot. Jahresber. 1879, pag. 31), giebt nur eine einzige an, die Exemplare verhalten sich also wie es scheint, verschieden. 266 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Eine ähnliche Differenz zwischen Schwimm- und Wasserblättern wie bei R. aquatilis findet sich auch bei anderen Pflanzen. Sehr auffällig z. B. bei Ca- bomba (vergl. z. B. die Abbildung von Cabomba caroliniana bei LE Maour et DECAISNE, trait€ general de botanique descriptive, pag. 414 der 2. Aufl.). Die Schwimmblätter sind hier schildförmig, ungegliedert, die untergetauchten sind ähnlich wie bei den Wasserranunkeln in zahlreich feine Zipfel zertheilt. Es wäre interessant zu erfahren, inwieweit die beiden Blattformen in den ersten Stadien ihrer Entwicklung miteinander übereinstimmen. Bei Salvinia natans, dem be- kannten schwimmenden Farnkraut findet sich eine ähnliche Differenz in der Aus- bildung der Blätter. Die Schwimmblätter sind oval, ungestielt, die Wasserblätter in viele Zipfel zerspalten. Die Entwicklung von Schwimm- und Wasserblatt stimmt hier in den ersten Stadien überein, während aber die ersteren unverzweigt bleiben, tritt bei den letzteren eine reichliche Verzweigung ein.!) Ausser den genannten Umbildungsformen der Laubblätter ist namentlich noch die Ver- dornung derselben nicht selten; ihr successives Auftreten wurde oben von Ülex europaeus er- wähnt, ebenso sanft abgestufte Uebergänge finden sich auch bei Derberis vulgaris, bei welchen aus den Laubblättern schliesslich verzweigte, meist dreitheilige Dornen hervorgehen. Man kann an den successiven Blättern eines Sprosses beobachten, wie die Fläche der Blattspreite immer mehr reducirt wird, während die Blattzipfel verdornen. Dass an den Keimpflanzen gewöhnliche Laubblätter auftreten, braucht kaum bemerkt zu werden. Auch bei den Cacteen z. B sind die Blätter in Dornen umgewandelt, ihre Entwicklung soll unten besprochen werden. Aehnliche Umbildungen wie die Laubblätter treffen oft auch die Nebenblätter. Sie werden zu Dornen bei Capparis spinosa, Robinia-, Euphorbia-. (z. B. E. splendens) und Acacia-Arten. DELBROUCK (die Pflanzenstacheln in HAnsTEın’s’ botan. Abhandl. Bd. II., Heft 4) will für einige Acacia-Arten, z. B. A. armata die Nebenblatt-Natur der Dornen zugeben, für andere (A. horrida und acanthocarpa) nicht; und zwar deshalb, weil die — ebenso wie bei anderen Arten gestellten — Dornen, resp. Stacheln, hier »Trichome« seien, welche erst entstehen, nachdem das Blatt im Wesentlichen schon seine definitive Gestalt erreicht hat. — Es scheint mir dies aber kein triftiger Grund zu sein, denn rudimentäre Organe, wie sie die verdornten Stipulae der Acacia-Arten ja sind, treten häufig verspätet auf, und es scheint mir zudem nicht zweifelhaft, dass diese Organe bei allen Acacia-Arten homologer Natur sind. Grössenverhältnisse und Vertheilung. Es erübrigt noch, dem oben über die Blattentwicklung mitgetheilten einige Angaben einmal über die Grössenver- hältnisse der während einer Vegetationsperiode gebildeten Blätter und sodann über die Vertheilung derselben am Sprosse beizufügen. In Bezug auf die Grössendimensionen der Laubblätter lässt sich im Allge- meinen sagen, dass die im Anfang der Vegetationsperiode gebildeten oder (bei Bäumen) entfalteten die kleinsten sind, dass darauf eine Zunahme der Grössen- entwicklung bis zu einem Maximum erfolgt, von wo an die Blattgrösse wieder sinkt, bis die Blattbildung, sei es durch Blüthen oder durch Winterknospenbildung beschlossen wird. Bei Pflanzen, welche Wurzelrosetten bilden, kann das Maxi- mum der Grössenentwicklung des Blattes natürlich innerhalb dieser Wurzelrosetten liegen.?2) Uebrigens findet ein solch regelmässiger Gang durchaus nicht in allen I) Auch die Blätter einiger Landpflanzen werden, wenn sie im Wasser wachsen, tief einge- schnitten. So die von Zycopus europaeus (IrMISCH, die Keimung etc. der Labiaten in Abhdl. der Nat. Ges. zu Halle, 3. Bd. pag. 66). Die im Wasser wachsenden Blätter sind gefiedert (resp. tief fiederspaltig), während die sonstigen Blätter nur gezähnt, die unteren am Grunde fiederspaltig sind Hier liegt also eine direkte Beeinflussung der Blattausbildung durch das Wachs- thumsmedium vor. 2) Vergl. A. Braun, Verjüngung. pag. 75. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses, 267 Fällen statt. Namentlich bei manchen Kurztrieben findet nicht eine allmähliche Abnahme in der Grössenentwicklung des Blattes statt, sondern ein plötzliches Aufhören derselben, nachdem der Höhepunkt erreicht ist. Ein instructives Bei- spiel liefern z. B. die Sprosse von Juncus'), welches zugleich zeigt, wie verschieden der Grad der Ausbildung der einzelnen Theile des Blattes, Scheide und Spreite an einem und demselben Sprosse sein kann (ein Blattstiel findet sich hier nicht). An der Basis des Stengels der Triebe findet man bei Juncus conglomeratus z. B. sechs Schuppenblätter in zunehmender Grösse, die im wesentlichen wie bei allen Monokotylen, Blattscheiden mit verkümmerter Lamina, resp. Primärblättern, an denen die Lamina noch nicht ausgebildet ist, entsprechen. Die verkümmerte ‚Lamina ist übrigens an dem innersten (oft auch dem vorhergehenden) Schuppen- blatte in Form einer pfriemlichen Spitze, auf der das Schuppenblatt fast aus- schliesslich bildenden, mehrere Centim. langen Blattscheide kenntlich. Auf dieses Schuppenblatt folgt plötzlich das grosse stielrunde Laubblatt, das ganz aussieht wie ein blattloser Stengel, es besitzt einen äusserst kurzen, mit blossem Auge gar nicht wahrnehmbaren Scheidentheil, in welchem der nach Bildung des einzigen Laubblattes verkümmernde Vegetationspunkt sitzt, an welchem ich bei J. conglo- meratus stets auch noch die Andeutung zu einem weiteren, nie zur Ausbildung gelangenden Blatte fand. Ein solcher Jwncus-Spross, der in der Achsel seines zweiten (häufig auch des dritten) Schuppenblattes einen sich ebenso verhaltenden neuen Spross erzeugt, verhält sich also gerade so wie eine sich entfaltende Winterknospe eines Laub- baumes, z. B. Prunus avium, wenn man sich bei der letzteren alle Laubblätter bis auf das unterste mitsammt dem Vegetationspunkte verkümmert denkt. Es ergiebt sich aus dem Gesagten, wie verschieden bei den einzelnen Sprossen auch die aufeinanderfolgenden Blattmodificationen sind. Die blühenden Juncus-Sprosse z. B. besitzen ebenfalls nur ein, aber auf langem Internodium stehendes Laub- blatt, dessen Basis die Inflorescenz scheidenförmig umfasst. Es sind dies also Sprosse, die alle Blattformationen (Niederblätter, Laub- blätter, Hochblätter) besitzen, mit Ausnahme der Blüthenblätter, die sie ebenfalls besitzen würden, wenn eine Terminalblüthe vorhanden wäre. Eine solche findet sich z. B. bei dem, vielfach als instruktives Beispiel für die Ausbildung der Blattformation benützten Zelleborus niger?). Auf die Cotyledonen folgen hier die primären Laubblätter. Dann in regelmässigem Wechsel Niederblätter und Laubblätter, bis der Spross nach einigen Jahren (bei Braun, a. a. O., sind 7 an- genommen) soweit erstarkt ist, dass er zur Blüthe gelangt. Dabei treten Hoch- blätter auf als Brakteen der Seitenblüthen, und auch Uebergangsbildungen zwischen Laub- und Hochblättern (vergl. pag. 242.) und nach ihnen die Blüthen- blätter. Je nachdem in einem Sprosssystem also die Funktionen vertheilt sind, sind auch die Blattbildungen an den Sprossen modificirt. Sie finden sich ent- weder wie in dem oben genannten Falle alle an einem Spross, der also zuerst rein vegetativ ist und dann zum Blüthenspross sich gestaltet, oder die vegetative Ausbildung und die Blüthenbildung sind auf besondere Sprosse vertheilt. Der Hauptspross vieler Bäume z. B. wächst unbegrenzt weiter und bildet abwechselnd Laub- und Niederblätter (Knospenschuppen), während Seitensprosse zu Blüthen oder Inflorescenzen sich umgestalten. ; 1) Irmisch, Botan. Zeit. 1855. pag. 57. 2) Vergl. Braun, Individuum (Abhandl. der Berl. Akad. 1853, pag. 98 ff.; Taf. I. Fig. 2, 268 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Der unter der Erde kriechende Hauptspross von Paris dagegen bildet über- haupt nur Niederblätter, und die Laubblätter und Blüthen erscheinen auf Seiten- sprossen begrenzten Wachsthums, ähnlich wie dies bei den Kiefern in späteren Jahren der Fall ist. Es würde zu weit führen, die grosse Mannigfaltigkeit, die hier sich findet, an einer grösseren Anzahl von Beispielen auszuführen, nur das mag hier noch betont sein, dass auch die Vertheilung der Blattformen auf die Sprosse keine ganz constante ist, es sei hier nur erinnert an das oben über die Inflorescenzen von Prunus Padus, Petasites etc. Gesagte. Die Blattbildung der Parasiten endlich, bei welchen bekanntlich häufig grüne Laubblätter ganz fehlen, wie z. B. bei Orobanche, soll in einem besonderen, den Parasitismus behandelnden Abschnitt besprochen werden. S 4. Metamorphe Sprossformen. — Schon im Verlaufe der Darstellung der Blattentwicklung wurde darauf hingewiesen, dass metamorphe, abgeleitete Blätter sich gewöhnlich nicht isolirt an den Sprossen finden, sondern dass mit der Umbildung der Blätter eine Umbildung des ganzen Sprosses gewöhnlich ver- knüpft ist. Wir erhalten z. B. Niederblattsprosse, welche mit Niederblättern besetzt sind, und entweder als unterirdische Stämme (Zaris quadrifolia), oder Ausläufer (Circaea und viele andere) im Boden kriechen oder zu Reservestoff- behältern anschwellen wie bei der Kartoffel, Zelianthus tuberosus u. a. Die Formentwicklung derartiger Sprosse ist eine so einfache, dass sie hier keine Be- sprechung erheischt. Von grösserem Interesse sind diejenigen Sprossformen, bei welchen der Spross meist unter Verkümmerung oder Reduction der Laubblätter deren Function, oft auch deren Form übernimmt, diejenigen, welche sich eben- falls unter Verkümmerung der Blätter in Dornen resp. Stacheln umbilden, die Sprosse, welche Wurzelfunction übernehmen und endlich als die wichtigsten die- jenigen, welche als Träger der Fortpflanzungsorgane bestimmten, bei den ver- schiedenen Abtheilungen, wechselnden Umbildungen unterliegen. Sprosse der letzteren Art, d. h. solche, die als Träger der geschlechtlichen Fortpflanzungs- organe in den vegetativen Sprossen gegenüber differenter Weise ausgebildet sind, bezeichnen wir ganz allgemein als Blüthen; die Entwicklung derselben wird den Gegenstand des folgenden Abschnittes bilden. ı. Phyllocladien. Eine zahlreiche Reihe von Mittelstufen führt von den gewöhnlichen vegetativen Sprossen zu denjenigen, welche unter Verkümmerung oder Reduction der Blätter die Function derselben übernommen haben. Es wurde oben schon hervorgehoben, dass in manchen Fällen (Symphyfum, Carduus u. a.) blattähnliche, aber nicht vom Stengel abgegliederte Auswüchse desselben die Function der Blätter unterstützen. Eine Reduction der letzteren findet in den genannten Fällen nicht statt. Bei Genistza sagittalis L. z. B. ist dies schon der Fall: hier übertrifft die grüne, häutige Fläche, welche durch die Verbreiterung der Stengelinternodien gebildet wird, jedenfalls bei weitem die Gesammtfläche der kleinen, ungegliederten Blätter. Die Stengel sind hier aber noch scharf in Internodien gegliedert, die Knoten, an welchen die Blätter entspringen, sind nicht »geflügelt«, unterhalb jedes Blattes aber ist das Internodium durch zwei, der Blattfläche gleichsinnig verlaufende »Flügel« verbreitert. Von hier aus ist nur ein kleiner Schritt zu solchen Formen, deren Blätter verkümmern, während der Stengel flach und oft blattähnlich ausgebildet ist. Derartige Formen finden sich in verschiedenen Verwandtschaftskreisen so unter den Leguminosen bei Dosszaea- Arten, Carmichaelia australis, unter den Smilaceen bei Auscus, den Polygoneen bei Mühlenbeckia, den Euphorbiaceen bei /hyllanthus, den Coniferen bei ZAyllo- 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 269 cladus etc. Die interessanten Keimungserscheinungen von einigen dieser Formen sind oben schon besprochen worden, es erübrigt also nur noch, die im Allgemeinen sehr einfache Entwicklungsgeschichte dieser blattartigen Sprosse (»Phyllocladien«) hier anzuführen, soweit sie derzeit bekannt ist.!) 1. Phyllodadus. Die Phyllocadus-Arten sind Bäume geringer Höhe oder Sträucher, welche in Neuseeland, Tasmanien etc. einheimisch sind. Sie besitzen cylindrische Hauptachsen mit spiralig gestellten Blättern, die klein und schuppenartig sind, bald vertrocknen und abfallen. In den Achseln derselben entwickeln sich flache, blattartige in ihrem Umrisse an Farnblätter erinnernde Zweige, die ihrerseits wieder verzweigt sind, aber in einer Ebene, einzelne dieser Verzweigungen bilden sich zu Blüthen aus. Es lassen die blattartigen Zweige eine Differenz im Baue der Ober- und Unterseite (wie die meisten Blätter) erkennen, letztere besitzt weit mehr Spaltöffnungen als erstere, auch hat die Oberseite unter der Epidermis ein Pallisadengewebe, welches der Unterseite fehlt. (Ganz mit diesen Phyllocladien übereinstimmend im Habitus wie im Bau verhalten sich die, ebenfalls gefiederten Blättern ähnlichen Zweigsysteme von 7’%zyja, bei welchen aber die Blätter noch vorhanden, dem Zweige angedrückt sind.) Es ist indess die Phyllocladien-Natur dieser Zweige hier noch nicht fixirt, denn die kräftigeren derselben gehen an ihrer Spitze wieder in radiäre, cylindrische Triebe über, während diejenigen, bei welchen dies nicht der Fall ist, ohne Zweifel bald vom Stamme abfallen, ebenso wie die Kurztriebe von Pinus und diejenigen Kurztriebe von Zarix etc., welche nicht in Langtriebe übergehen. 2. Ruscus. Die Ruscus-Arten mit blattartig ausgebildeten Zweigen (X. aculeatus, hypoglossum, hypophyllum u. a.) besitzen einen unterirdischen Wurzelstock, aus dem alljährlich im Frühjahr spargelähnliche Sprosse über den Boden treten. Diese Sprosse besitzen zu unterst eine Anzahl scheidenförmiger, relativ ansehnlicher, an der Spitze gewöhnlich grün gefärbter Blätter. AsKENAsY (a. a. O., pag. 22) hat bei X. racemosus die interessante Anomalie beobachtet, dass auf diese scheidenförmigen 'Niederblätter zuweilen einige Blätter mit langem Stiele und eiförmiger, grüner Spreite folgten, die etwa wie Cozvallaria-Blätter aussehen: eine Erscheinung, welche wir wohl als Rückschlag auf die Blattform, welche Azscxs ursprünglich, vor dem Auftreten der Phyllocladien- bildung besass, betrachten dürfen. Gewöhnlich aber streckt sich der Stengel oberhalb der Scheidenblätter und producirt dann eine Anzahl kleiner, dünnhäutiger, bald abfallender Schuppen, in deren Achseln die blattähnlichen Zweige stehen.) Auch die Sprossspitze selbst bildet sich gewöhnlich blattartig aus. Die sämmtlichen Theile eines Azscus-Sprosses sind schon angelegt, wenn er sich im Frühjahr über den Boden erhebt. Auf diesen flachen Zweigen stehen auch ge- wöhnlich die Blüthen, resp. die wenigblüthigen Inflorescenzen. Bei A. androgynus an den Kanten, bei den übrigen auf einer der Flächen, und zwar bei £. aculeatus und Ahypoglossum auf der Ober- seite, bei A. kypophyllum auf der Unterseite. Sie stehen in der Achsel eines Blattes, des einzigen, welches die flachen Zweige überhaupt besitzen, es sprosst schon früh aus dem blattartigen Zweige hervor, der ähnlich wie andere Zweige angelegt wird. Dieses Stützblatt vertrocknet bei R. aculeatus u. a. früh, während es bei £. kypoglossum grösser und lederartig ist, und in seinem Bau mit dem flachen Zweige übereinstimmt, was erwähnt sein mag, weil diese Thatsache zu unrichtigen Deutungen Veranlassung gegeben hat. Die flachen Zweige von X. aculeatus und R. racemosus stellen sich übrigens nicht so, dass sie eine Fläche nach oben, eine nach unten kehren, sondern sie machen eine Drehung von 90° und kehren dem Sprosse, an dem sie stehen, die scharfe Kante zu, also ähnlich wie die Phyllodien der neuholländischen Acacien. Doch dürfte dies nach Beleuchtungsverhältnissen wechseln. 3. Asparagus. Während die Auscus-Zweige wenigstens noch ein Blatt produciren, ist dies bei den kleinen, nadelförmigen Asfparagus-Zweigen nicht mehr der Fall. Hier stehen in den Achseln der Niederblätter der Sprosse Büschel von nadelförmigen Zweigen (in Doppelwickeln, vergl. das Diagramm bei EICHLER, Blüthendiagramme I, pag. 149 und die dort angeführte Literatur). Der mittlere Zweig vermag in einen beblätterten Ast auszuwachsen, rechts und links I) Vergl. SCHACHT, Beitrag zur Entwicklungsgeschichte flächenartiger Stammorgane. Flora 1853. pag. 457 fl. Askenasy, Botan. morpholog. Studien. Frankfurt 1872. pag. 3 ff. GEYLER a. a. OÖ. STRASBURGER, Die Coniferen und Gnetaceen (Phyllocadus). pag. 391 ff. 2) Bei Auscus acwleatus und racemosus stehen dieselben erst an Nebenachsen, 270 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. von demselben steht gewöhnlich eine Blüthe. Auch Deckblätter treten bei diesen metamorphen nadelförmigen blattlosen Sprossen nicht auf, nur an den Blüthen sind sie zuweilen in rudimen- tärer Entwicklung vorhanden. 4. Papilionaceen. Bei den Papilionaceen sind platte, bandartige Stengel, bekannt in der Gattung Bossiaea und Carmichaelia. Bei Bossiaca finden wir innerhalb ein und derselben Gattung alle Uebergänge von den normalen bis zu der in Rede stehenden metamorphen Sprossform ; Bossiaea microphylla hat cylindrische Zweige und zahlreiche flache Blätter, also die gewöhnliche Sprossform; 2. heterophylla besitzt flache Zweige aber mit wohlausgebildeten Blättern, während Bossiaca ensata R. Br. flache Sprosse mit verkümmernden Blättern zeigt. Der Hauptstamm und die stärkeren Zweige sind hier wie bei Carmichaelia australis cylindrisch; die flache Gestalt der Zweige geht durch secundäres Dickenwachsthum allmählich in die cylindrische über; bei Carmi- chaelia aber fallen die sehr flachen Zweige gewöhnlich ohne sich zu verdicken ab. Der Vegetations- punkt der flachen Zweige hat übrigens die gewöhnliche Form, also annähernd kreisförmigen Querschnitt, erst unterhalb desselben beginnt die Abflachung. 5. Mühlenbeckia platyclada. (Ganz ähnlich wie die genannten Papilionaceen verhält sich eine Polygonee, Mühlenbeckia, sie besitzt flache Stengel, welche bei einer Breite von ca. 4 Centim. oft nur 2 Millim. dick sind. Neben diesen flachen Zweigen finden sich solche von mehr kreis- förmigem Querschnitt, welche das dauernde Sprossgerüste bilden, während die flachen Zweige eine kürzere Lebensdauer haben. Neben Blättern mit vollkommen entwickelter Spreite finden sich solche, die sehr reducirt sind, und im fertigen Zustand oft kaum mehr erkannt werden können. 6. Phyllanthus. Als letztes Beispiel diene eine Euphorbiacee. Zhyllanthus besitzt einen cylindrischen Stamm und cylindrische Aeste mit spiralig gestellten, schuppenförmigen Blättern, in deren Achseln die blattähnlichen Zweige stehen. Nach SCHACHT (a. a. OÖ. pag. 461) finden sich solche bei ?%. cerzua nicht, und hier sind auch die Laubblätter entwickelt. An den blatt- ähnlichen Sprossen stehen am Rande häutige Blättchen, in deren Achseln die Blüthensprosse stehen. Es nehmen die blattähnlichen Sprosse eine annähernd horizontale Stellung ein, und werden später abgeworfen. 2. Cacteenform. Andere Euphorbiaceen (z.B. Zuphorbia trigona) lassen ihre Blätter zwar ebenfalls verkümmern, und werfen dieselben frühzeitig ab, bilden aber keine blattähnlichen, sondern cactusähnliche, fleischige Sprosse. Die Blätter bei E. trigona sind verkümmert, ihre Nebenblätter zu Stacheln ausgebildet). Die genannte Zuphorbia hat den »Cacteenhabitus«e. Auch bei den Cacteen (mit Aus- nahme von Zeireskia) verkümmern die Blätter, während die Sprossachsen entweder eine kugelige, säulen- oder blattförmige Ausbildung erfahren. Die Blattanlagen sind noch in Form von bald abfallenden Schuppen vorhanden. Die in der Achsel derselben stehende Sprossanlage aber entwickelt sich in weitaus den meisten Fällen nicht, sondern producirt eine Anzahl von Stacheln?). Diese sind, wie schon das von KAUFFMAnN beobachtete Vorkommen von Mittelformen zwischen Stacheln und Laubblättern andeutet, umgewandelte Laubblätter, mit welchen sie auch in ihrer Anlage ganz übereinstimmen. Sie treten zuerst auf der, der Haupt- achse abgewendeten Seite des Achselknospenvegetationspunktes und stehen hier auch immer in grösserer Zahl als auf der entgegengesetzten Seite. Bei Opuntia, Cereus und verwandten Formen entwickelt sich die Knospe, welche die Stacheln trägt, im nächsten Jahre weiter, bildet zuerst Stacheln und dann Laubblätter. Bei Mammillaria u. a. ist dies nicht der Fall, die stacheltragende Achselknospe stellt hier ihr Wachsthum für immer ein. Aus dem unteren Theile derselben I) Ueber die Entwicklung derselben vergl. DELBROUCK, Die Pflanzenstacheln in HANSTEIN, bot. Abh. Bd. 2. Heft IV. pag. 78. 2) DELBROUCK a. a. O. pag. 78. Die dort citirte Abhandlung von KAUFFMANN über die Entwicklung der Cacteenstacheln ist mir nicht zugänglich. — Gelegentliche Untersuchungen an Phyllocactus haben mich zu denselben Resultaten geführt wie DELBROUCK. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Laubsprosses. 271 aber entwickelt sich ein umfangreicher Höcker, der ein sternförmiges Stachel- büschel trägt. Dies Stachelbüschel hat an seiner Basis ein resistentes Gewebe, durch welches die einzelnen Stacheln fest mit einander verkittet werden. 3. Dornsprosse und Ranken. Mit den genannten Sprossen stimmen diejenigen, welche zu Dornen sich umgestalten, insofern überein, als auch sie ihre Blätter verkümmern lassen. Ohnehin fehlt es nicht an Mittelstufen zwischen solchen Sprossen, welche die Funktion der Laubblätter übernehmen, und solchen, die sich zu Dornen ausbilden: Bei manchen ist dies gleichzeitig der Fall. So enden die blattartigen Sprossen von Auscus aculeatus in einen Dorn, und dasselbe ist bei den sonderbaren flachen Sprossen von Colletia der Fall. Es fehlt auch hier nicht an Uebergangsformen von normalen Laubsprossen zu Stacheln. Diese finden sich z. B. bei den Pomaceen und Amygdaleen!). Die Dornzweige von Crataegus Oxyacantha z. B. bilden, ehe sie ihr Wachsthum durch Verdornung ihrer Spitze abschliessen, zuerst einige rudimentäre Laubblätter, die aber bald abfallen, und besitzen an ihrer Basis ein paar Knospen, die im nächsten Jahre zu Kurz- trieben auswachsen. Auch andere Zweige (ArEscHoug’s »falsche Kurzzweige«) verdornen, nachdem sie einige Laubblätter producirt haben, deren Achselknospen im nächsten Jahre auswachsen. Schneidet man den Spross, an dem ein normal zum Dorne werdender Crataegustrieb als Seitenzweig steht, rechtzeitig ab, so kann man dadurch den letzteren nöthigen, sich zum Laubtriebe statt zum Dorne aus- zubilden, und denselben Effekt hat bekanntlich die Kultur hei Zyrus Malus und anderen Pomaceen. Wie an den Phyllocladien, wird also auch an den zu Dornen umgewandelten Sprossen die Laubblattbildung rudimentär, bei manchen zu Dornen umgewandelten Sprossen fehlt sogar die Blattbildung vollständig, ähnlich wie bei den nadelförmigen Zweigen von Asparagus. Dasselbe gilt für die zu Ranken umgewandelten Sprosse. Bei manchen, wie bei denen von ViZs treten noch sehr reducirte Blattgebilde (bei Vifis nicht selten auch ein Laubblatt) auf, andere wie die von Passiflora entbehren der Blattbildung vollständig. 4. Wurzelähnliche Sprosse. Sprosse, die anscheinend die Funktion von Wurzeln übernommen haben, finden sich in verschiedenen Verwandtschaftskreisen. Selbstverständlich meinen wir darunter nicht die im Boden kriechenden Rhizome, welche entweder selbst mit ihrem Ende nach einiger Zeit über den Boden treten, oder Achselsprosse bilden, welche sich so verhalten. Die Anführung von Beispielen wird am besten diese wurzelähnlichen Sprosse charakterisiren, welche durch Uebergänge mit gewöhnlichen Rhizomsprossen verbunden sind. Haplomitrium Hookeri, das einzige, beblätterte, aufrecht wachsende Leber- moos besitzt im Unterschiede von den anderen Angehörigen dieser Abtheilung keine Wurzeln (Rhizoiden) ihre Funktionen werden aber (wahrscheinlich) über- nommen von den wurzelähnlichen Zweigen, an welchen die Blattbildung kaum angedeutet ist. Neben diesen kommen andere anfangs ebenfalls im Boden wachsende Zweige vor, an deren Spitze sich aber kurze Blättchen befinden, und die später über den Boden treten. Aehnliche wurzelartige Sprosse besitzen auch andere beblätterte Lebermoose?), z. B. Sendtnera Sauteriana. An denselben sind die Blätter häufig so verkümmert, dass eine Blattfläche gar nicht mehr gebildet wird und nur eine wulstige Hervorragung von Zellen, die sämmtlich zu Wurzeln (Rhizoiden) auswachsen, die Stellen ihrer Anlegung andeutet. 1) Vergl. z. B. DELBROUCK a. a. O. pag. 97. ARESCHOUG, Beiträge zur Biologie der Holz- gewächse. Lund, 1871 (Lunds Universitets Arsskrift, T. XI). 2) LEITGEB, Unters. über die Lebermoose. III. Heft. 272 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Dieselben Verhältnisse wie bei Zaplomitrium treffen wir auch bei der sonder- baren Zycopodiacee Psilotum. Wie Haplomitrium ist Psilotum wurzellos, die Funktionen der Wurzeln sind auf unterirdische Sprosse übergegangen. Diese kommen hier auch in ganz ähnlichen Modifikationen vor; die einen meist ober- flächlich liegenden besitzen an der Spitze eine Anzahl kleiner, chlorophylloser Blattanlagen, und treten später über die Erde. Die anderen, schmächtiger aus- gebildet, liegen tiefer in der Erde, von Blättern ist an ihnen mit blossem Auge nichts zu sehen, die Blattanlagen bestehen nämlich nur aus wenigen Zellen. Sprosse der letzteren Art können aber (wie dies wohl auch bei Zaplomitrium der Fall ist) in die der ersteren übergehen. — Auch für manche Hymenophylleen werden solche wurzelartige Sprosse angegeben, die aber noch genauer zu unter- suchen sind. Wurzellose Samenpflanzen sind zwar ebenfalls einige bekannt (Wolffia arrhiza, Utricularia etc.) allein diese sind ausschliesslich schwimmende Wasserpflanzen, bei welchen wurzelähnliche Sprosse demgemäss nicht vorkommen. Wir übergehen die vielfachen, weniger wichtigen, mehr oder weniger meta- morphosirten, sonst noch vorkommenden Sprosse, und wenden uns zu den häufig- sten und wichtigsten derselben, den Blüthen. II. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). $ ı. Blüthenbildung im Allgemeinen, Blüthenentwicklung der Gymnospermen. Als »Blüthe« im weitesten Sinne haben wir oben einen Sexualorgane tragenden und in Verbindung damit mehr oder weniger umge- stalteten Spross bezeichnet. Ein solcher Sexualspross kann in seinen Formver- hältnissen mit einem vegetativen Spross entweder ganz übereinstimmen, oder von demselben in verschiedenem Grade abweichen. Beispiele dafür liessen sich schon von den Thallophyten in Mehrzahl anführen, es lässt sich zeigen, wie in den einzelnen Reihen ganz allmählich eine Differenzirung in Bau und Ausbildung der Sexualsprosse gegenüber den vegetativen eintritt (vergl. z. B. das auf pag. 153 über die Sphacelarien-Reihe Angeführte). Dasselbe gilt für die Muscineen. Bei den Lebermoosen z. B. stehen die Sexualorgane auf gewöhnlichen, später vege- tativ weiter wachsenden Sprossen, bei Kiceia; auf wenig modificirten Thalluszweigen, welche aber ausschliesslich Sexualsprosse sind, bei Anewra, während bei Mar- chantia Sprosssysteme als Träger der Geschlechtsorgane auftreten und dabei einen sehr eigenartigen Charakter annehmen. Es ist aber auch bei den gestielten Scheiben dieser Pflanzen unschwer zu erkennen, dass sie nur modificirte Vege- tationsorgane sind, deren Bau sie der Hauptsache nach noch vollständig zeigen. Bei den heterosporen Gefässkryptogamen greift die Sexualdifferenz schon auf die Sporen und Sporangien zurück, und wir können dementsprechend auch die Sporangienstände dieser Pflanzen als »Blüthen« bezeichnen, um so mehr, als sie in der That das Prototyp der Blüthen der Samenpflanzen sind. Es sind auch hier deutlich umgebildete Laubsprosse, die sich zu »Blüthen« gestalten. So sitzen bei Zsoöfes die Sporangien auf der Basis gewöhnlicher Laubblätter. Der Spross, der sie trägt, ist aber nicht ein Sexualspross, sondern wächst später ve- getativ weiter, ein Fall, der sich bei den weiblichen Blüthen von Cycas wieder- 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 273 holt, nur dass hier die Sexualorgane (die sporangientragenden Blätter, welche wir ganz allgemein als Sporophylle bezeichnen wollen) den Laubblättern gegen- über tiefgreifende Veränderungen erlitten haben. Meist sind es Blätter der Sexualsprosse, welche, wie in dem eben erwähnten Falle als Träger der Sporangien auftreten, doch können die letzteren wie Selagr- nella zeigt, auch aus der Sprossachse entspringen. Bei den Samenpflanzen werden die den Sporangien homologen Organe als »Pollensäcke« und »Samenknospen« bezeichnet, eine Terminologie, welche in der historischen Entwicklung unserer Kenntnisse begründet ist. Aus demselben Grunde haben auch die Ursprungsstellen der Sporangien und Samenknospen eine verschiedene Nomenklatur erhalten. Die Ursprungsstellen der Samenknospen werden als Placenten bezeichnet. Viele Farnsporangien z. B. sitzen einem Gewebepolster auf, dieses führt den Namen »Receptaculum,« bei den Hymenophylleen aber, wo die Sporangien an dem verlängerten Blattnerven sitzen, heisst derselbe »Columellax und ebenso wurde auch die Verlängerung des Blattzipfels genannt, an welchem die Sporangien von Salvinia sitzen. »Recepta- culum,« »Columella« und Placenta der Samenkrospen sind aber offenbar analoge Bildungen und es ist eine ganz unnöthige, nur die Uebersicht erschwerende Com- plication der Terminologie, wenn man die verschiedenen Benennungen beibehält. Im Folgenden soll daher die Ursprungsstätte sämmtlicher Sporangien überhaupt als Placenta bezeichnet werden, wobei bemerkt sein mag, dass meiner Ansicht nach für die Anwendung einer solchen Bezeichnung nur da ein Bedürfniss vor- handen ist, wo die Sporangien auf einer besonders abgegliederten, in Form eines Trägers hervortretenden Ursprungsstätte sitzen. Vielfach nämlich entspringen die Sporangien auch direkt aus dem Stamm- oder Blattgewebe. Direkt aus dem Sporophyll entspringen z. B. die Sporangien des Farnkrautes Ceratopteris, die Makrosporangien (Samenknospen) von Automus, während die von Taxus, Polygonum, Pepero- mia etc. das Ende einer Sprossachse einnehmen. In all den genannten Fällen ist nach unserer Terminologie eine Placenta nicht vorhanden. Mit Ausnahme von Pszlotum und Selaginella stellen die Placenten der Gefässkryptogamen, soweit bekannt, Wucherungen der Oberflächenzellen !) des Blattes vor, sie bilden bei Marattia und Angiopteris Längswülste, denen die Sporangien aufsitzen, bei vielen Polypodiaceen sind es rund- liche Höcker. Bei den Hymenophyllen dagegen wird die Placenta gebildet von der- Ver- längerung eines Blattnerven, der über das Blatt hinauswächst. Die Sporangien sind hier um die Placenta herum allseitig vertheilt, und ebenso ist es bei Salviria, wo der Blattzipfel eines Wasser- blattes zur Placenta auswächst, aus welcher die Sporangien ebenfalls allseitig vertheilt hervor- sprossen. Schon bei den Farnen finden sich also in der Placentenentwicklung bedeutende Differenzen: in den gewöhnlichen Fällen einfache Wucherungen der Oberfläche, in der letztge- nannten Neubildungen von anderem Charakter. Bei den übrigen »Gefässkryptogamen« findet sich eine Placenta in dem oben gebrauchten Sinne nicht. Sie fehlt auch den Samenknospen (Makrosporangien) tragenden Fruchtblättern der Cycadeen, bei welchen die Samenknospen frei am Rande, an Stelle von Fiederblättchen sitzen. Während hei Cycas, wie oben er- wähnt, die Fruchtblätter im Wechsel mit Laubblättern und Knospenschuppen am 1) Dies gilt auch für die scheinbar so abweichend gebauten »Sporenfrüchte« der Marsi- liaceen. Die Placenten befinden sich hier in Einsenkungen der Oberfläche des fertilen Blatt- theiles, deren Mündung aber später verwächst, so dass die Sporangien im Innern von Höhlungen zu entspringen scheinen. Vergl. meinen Aufsatz »Ueber die Frucht von Z’lularia,« DBotan. Zeit. 1882, pag. 771, und die Angaben Russow’s in dessen vergl. Untersuchungen. ScHEnK, Handbuch der Botanik. Bd. III. 18 274 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Hauptstamme auftreten, sind sie bei den anderen Cycadeengattungen auf einer, ihr Wachsthum damit abschliessenden Sprossachse zu einer zapfenförmigen Blüthe vereinigt, deren Fruchtblätter eine viel weiter gehende Umbildung als die von Cycas erlitten haben, sie zeigen nicht mehr die Anlage von Fiederblättchen, sondern sind schildförmige gestielte Bildungen. Ihnen ähnlich sind die Sporo- phylle (Staubblätter) der männlichen Blüthen‘), hier finden wir aber noch Pla- centarbildungen ganz ähnlich denjenigen, welche bei manchen Farnen auftreten. An dem jungen Staubblatte von Zamzia muricata z. B. bildet sich zunächst rechts und links an seinem Grunde je ein Lappen, welchen man vielleicht als ein ru- dimentäres Fiederblättchen betrachten kann, und auf diesen seitlichen Aus- breitungen entstehen die Placenten als halbkugelige Höcker, deren jeder zwei Mikrosporangien (Pollensäcke) trägt, auf deren Entwicklung bei Besprechung der Sporangienentwicklung zurückzukommen ist. Die männlichen Blüthen der Coniferen?) besitzen solche Placentarbildungen nicht, es sitzen hier die Mikrosporangien der Unterseite des Staubblattes als kleine Kapseln, wie bei den Cupressineen, lange, herabhängende Wülste wie bei den Araucarien auf, oder sie sind in das Gewebe des Staubblattes eingesenkt, wie bei den Abietineen. Die männliche Blüthe besteht hier also aus einer mit Sporophyllen besetzten Sprossachse. Die Sporophylle selbst tragen die Mikrospo- rangien (2, 3, 4 oder mehr) meist auf der Unterseite stimmen in ihrer Anlage ganz mit Laubblättern überein, weichen aber im fertigen Zustand von denselben oft beträchtlich ab, ähnlich wie dies ja auch bei denen der Farne häufig der Fall ist. So ist bei Gingko der Spreitentheil des Staubblattes sehr reducirt, am fertigen Staubblatt nur in Form eines kleinen Knötchens noch wahrnehmbar; bei den Cupressineen pflegt das Staubblatt auf seiner Unterseite eine, dem In- dusium der Farne vergleichbare, die Mikrosporangien in ihrer Jugend bedeckende Wucherung zu bilden und wird dadurch schildförmig, während bei Zaxus die Sporangien wie bei Zgwisetum rings um das Sporophyll vertheilt sind, das Assi- milationsparenchym aber überall ganz oder grösstentheils fehlt. Die kleinen Formverschiedenheiten fallen indess wenig ins Gewicht dem merkwürdigen Verhalten der weiblichen Blüthen gegenüber. Einfache Ausbildung derselben treffen wir noch bei den Araucarien: die Samenknospen sind in Ein- oder Mehrzahl auf der Oberseite der Sporophylle inserirt, welche an einer Spindel stehen und mit derselben die weiblichen Blüthenzapfen zusammensetzen. Eine weibliche Blüthe von Dammara z. B. construirt man im Wesentlichen richtig, wenn man sich die Sporangien einer Zycopodium-Sporangiumähre durch Samen- knospen ersetzt denkt. Eine Complication tritt bei anderen Formen insofern ein als auf dem Sporophyll oberhalb der Samenknospen ein Auswuchs entsteht, der bald nur als häutiger Saum (wie bei Cunninghamia), bald als massive, aber von dem Sporophyli (der »Samenschuppe«) nicht abgegliederte Wucherung wie bei den Cupressineen, bald als schuppenförmige Bildung auftritt, wie z. B. bei Cry?- tomeria japonica. Die Samenknospen stehen in dem erwähnten Falle entweder auf der Zapfenschuppe oder wie bei den Cupressineen auf einer kleinen placen- I) Ueber die Blüthenentwicklung der Cycadeen ist zu vergleichen: WARMING, bidrag til Cycadernes naturhistoire. Overs. over de Kgl. d. Vidensk. Selsk. For. 1879; TREUB, Röcherches sur les Cycad&es. ann. du jard. bot. de Buitenzoorg. 1881. II. Bd. 2) STRASBURGER, Die Coniferen und Gnetaceen. Jena, 1872. Ders., Die Angiospermen und die Gymnospermen. Jena, 1879. Vergl. die Darstellung und weitere Literaturangaben in GOEBEL, Grundzüge der Systematik etc. pag. 357 ff. 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüten). 275 taren Wucherung in der Achsel derselben. Am eigenthümlichsten aber ausge- bildet ist die Placenta bei den Abietineen, wo sie in Form einer, die eigentlichen Zapfenschuppen verdeckenden und überragenden Bildung auftritt. Die Zapfen, welche als weibliche Blüthen zu betrachten sind, werden also gebildet von einer Spindel, an welcher rings zahlreiche, grosse Schuppen sitzen, welche auf ihrer Oberseite je zwei Samen tragen. Diese Schuppen, die Samenschuppen, entsprechen aber nicht den samentragenden Schuppen z. B. von Damara. Untersucht man nämlich die Zapfen z. B. der Kiefer oder der Fichte genauer, so findet man unterhalb jeder Samenschuppe eine kleine Schuppe, die Deck: schuppe, aus deren Achsel, resp. deren Basis die Samenschuppe entspringt. Ueber das Verhält- niss beider klärt die Entwick- lungsgeschichte auf (Fig. 56). Sie mag an der Tanne geschil- dert werden!). Die Knospe, aus der ein weiblicher Blüthenzapfen hervorgeht, unterscheidet sich anfangs nur wenig von einer Laubknospe. Sie steht in der Achsel eines Laubblattes (einer »Nadel«) auf der Oberseite eines Zweiges und ist, wie dieKnospen, die sich im nächsten Frühjahr zu neuen Trieben entfalten, mit Knospenschuppen bedeckt. Wie die Laubknospe erzeugt der von den Knospenschuppen umschlos- sene dicke Vegetationskegel eine Anzahl von Blattanlagen. Diese Blattanlagen, deren Jugendsta- dien ganz mit denen der Laub- Fig. 56. (B. 377.) Längsschnitt durch eine junge weibliche Blüthe von Adies ‚pectinata (nach SCHACHT) am 6. Nvbr. In der Achsel der blätter (»Nadeln») übereinstim- men, bilden sich aber nicht zu Laubblättern, sondern zu den oben erwähnten Deckschuppen (d Fig. 56) aus, die ziemlich Deckschuppen (d) haben sich die Anlagen der Samen- schuppen (=Placenten) p gebildet. s Knospendeck- schuppen, unter deren Schutz die Blüthenanlage über- wintert, sie stehen auf einer becherförmigen Achsen- wucherung (Cupularbildung), wie sie auch an den Laub- knospen der Tanne regelmässig auftritt. x das Gewebe, welches im Marke die Grenze zwischen dem Stengelglied kleim Bleikant:Näch einiger Zeit des vorigen Jahres und dem Blüthenzapfen bildet. (Anfang Oktober) findet man auf der Basis jeder Schuppe eine halbkugelige Anschwellung (p Fig. 56). Dies ist die Anlage der Samenschuppe auf welcher später die Samenknospen entspringen. Würde die Samenschuppe auf diesem Zustande verharren, so würde ohne Weiteres in die Augen springen, dass sie nichts anderes ist als eine Placentarbildung, die ganz übereinstimmen würde mit den Placentarhöckern mancher Farnkräuter oder denjenigen, auf welchen die Mikrosporangien der Cycadeen entspringen. Statt dessen aber bildet sich die Placenta hier, wenn die Weiterentwicklung im Mai des nächsten Jahres beginnt 1) Man vergl. die freilich nicht ganz zutreffendc Schilderung bei SCHACHT, Beiträge zur Anat. und Physiol. der Gew. pag. 182. ff. ı8* 276 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. zu der schuppenförmigen Bildung aus, welche viel grösser wird, als die Deck- schuppe, und die letztere ganz verdeckt. Auf der Basis der Samenschuppe ent- springen die Samenknospen, welche anfangs aufrecht stehen, später so umgelegt werden, dass ihre Mikropyle nach unten, gegen die Zapfenspindel hin gerichtet ist. Die eigenthümliche Ausbildung steht hier in Beziehung zur Bestäubung!), die aber bei den verschiedenen Arten schon deshalb eine verschiedene ist, weil die Samenschuppen zur Bestäubungszeit nicht überall das gleiche Verhältniss zur Deckschuppe zeigen. Bei den Zinus-Arten sind die Samenschuppen üm diese Zeit schon viel grösser als die Deckschuppen; sie leiten die Pollenkörner an ihren Bestimmungsort, die letzteren gleiten nämlich an den aufgerichteten Samen- schuppen zu beiden Seiten ihres mittleren Kieles hinab und gelangen so an die Mikropyle der Samenknospe, während bei Adves excelsa, Larix etc., wo die Samenschuppen zur Bestäubungszeit noch kleiner sind als die Deckschuppen, die letzteren die Leitungswege für die Pollenkörner bilden, während die Samen- schuppen nur eine sekundäre Rolle dabei spielen: auf dem letzten Theil des Weges die Pollenkörner veranlassen zu den Samenknospen hinabzugleiten. Nach der Befruchtung aber vergrössern sich die Samenschuppen sehr bedeutend und schliessen die Samen dicht ein: erfüllen also hier denselben Zweck, den die erst nach der Befruchtung auftretende Wucherung der Cupressineendeckschuppe hat. In den beiden Funktionen: einerseits die Samenknospen zu schützen und anderer- seits die Leitung der Pollenschläuche zu den ersteren zu sichern stimmen die Samenschuppen mit den Fruchtknoten der Angiospermen überein, mit denen sie aber morphologisch nichts zu thun haben. Uebrigens ist zu bemerken, dass die Samenschuppen mit den Deckschuppen zwar überall an ihrer Basis zusammenhängen, dass sie aber nicht überall als Excrescenzen der Deckschuppen aufgefasst werden können. Wenigstens für Pinus Pumilio zeigen STRASBURGERS Angaben und Zeichnungen (Coniferen, Tafel V. Fig. 4 u. 5, pag. 50), dass die Samenschuppen in der Achsel der Deckschuppen ent- springen, also auch das Gewebe der Blüthenachse an ihrer Bildung theilnimmt, worüber wir uns um so weniger verwundern können, als bei den Cupressineen die Placentar-Wucherung ja ebenfalls in den Achseln der Deckschuppen steht. Zu demselben Resultate gelangte auch ich bei Untersuchung von Zapfen von Pinus Pumilio im Mai. Ohne Zweifel betheiligen sich, diesen älteren Stadien nach zu urtheilen, neben dem Gewebe der Deckschuppenbasis auch Zellen der Blüthenachse, die über der Blattinsertion liegen. Es ist die Stellung .der Placenten hier eine ganz ähnliche, wie die der Achselsprosse, die ja bald aus- schliesslich auf der Blattbasıs, bald in dem Winkel zwischen Deckblatt und Stengelvegetationspunkt entspringen.”) Diese Thatsache, sowie diejenige, dass im Verwandtschaftskreis der Lycopodinen bei Zycopodium die Sporangien an der Blattbasis, bei Se/aginella oberhalb derselben aus der Sprossachse entspringen, zeigt uns, dass wir derartigen kleinen Ursprungsdifferenzen kein Gewicht beilegen dürfen. Es hat die Samenschuppe bei Zi»us anfangs die Form eines abgerundeten und abgeflachten queren Walles, dessen Vegetationspunkt in der Mitte als kleine Erhöhung sichtbar ist. Die Spitze der Samenschuppe wird aber später durch das überwiegende Wachsthum der der Deck- schuppe zugekehrten Seite auf die Innenseite (Oberseite) der Samenschuppe verschoben. Sie I) Vergl. STRASBURGER, Coniferen. pag. 268 ff. 2) Von einigen Morphologen wird die Samenschuppe in der That auch für einen metamorphen Achselspross gehalten. 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 277 bildet schliesslich einen gestreckten, der Oberseite der Samenschuppe aufsitzenden Kiel. Frühe schon tritt seitlich von demselben je eine Samenknospe auf. Allmählich gewinnt dann die Samenschuppe ihre bedeutende, diejenige der Deckschuppe weit übertreffende Grösse. Sie erhält auch ein besonderes, von dem der Deckschuppe getrenntes Gefässbündelsystem, während jene kleineren Auswüchse z. B. auf der Deckschuppe von Araucaria nur einen Ast von dem in die Schuppe eintretenden Bündel erhalten. — Vergleichen wir also die männlichen und weiblichen Blüthen der Abietineen, so entsprechen den Staubblättern der männlichen Blüthen die Deckschuppen der weiblichen Blüthenzapfen, während die Samenschuppen der letzteren eigenartig entwickelte Placentarbildungen sind. Es ist hier nicht der Ort, die Blüthenbildung der Coniferen ausführlich zu besprechen, es sei hier nur noch erwähnt, dass bei den Taxineen die weiblichen Blüthen meist nicht die Zapfenform der oben besprochenen Beispiele besitzen, in der Gattung Zaxus selbst wird die weibliche Blüthe gebildet aus einem einzigen Makrosporangium (Samenknospe), das den Abschluss eines kleinen Sprosses bildet, welcher unterhalb der Samenknospe mit einer Anzahl Schüppchen besetzt ist. Es ist das eine Blüthenform, welche von den Sporangienständen der Gefäss- kryptogamen viel mehr abweicht, als die oben erwähnten Formen. $ 2. Blüthenentwicklung der Angiospermen. So verschieden nach dem im vorigen Paragraphen Mitgetheilten die Blüthengestaltung der Gymnospermen ist, so wenig tritt uns doch in derselben eine wesentliche Differenz den Sporangien- ständen der Gefässkryptogamen gegenüber entgegen. Anders bei den Angio- spermen, bei welchen die Blüthen eine viel mannigfaltigere, eigenartigere und bei den einzelnen Formenkreisen viel grössere Differenzen bietende Ausbildung erfahren. Die Untersuchung derselben hat auch hier auszugehen von den »typischen« Fällen, d. h. denjenigen, in welchen die Blüthenbildung in ihrer grössten Vollkommenheit auftritt. Daran schliessen sich dann vereinfachte Gebilde an, auf welche die den vollkommneren entnommene Definition nicht mehr passt. Halten wir uns aber zunächst an die letzteren, so finden wir den zur Blüthe umgestaiteten Spross ausgestattet mit »Sporophyllen«, d. h. den Trägern der Mikrosporangien oder Pollensäcke, den Staubblättern, und denen, welche die Makrosporangien oder Samenknospen einschliessen, den Fruchtblättern oder Carpellen. Die letzteren bilden durch »Verwachsung der Ränder einer oder mehrerer Fruchtblattanlagen« im Gegensatz zu den Gymnospermen, ein Gehäuse (den Fruchtknoten), welches die Samenknospen einschliesst, dessen Besitz die Angiospermen (»Bedecktsamigen«) am augenfalligsten von den Gymnospermen (den »Nacktsamigen«) unterscheidet. In einer typischen Blüthe finden sich ausser den Sporophyllen unterhalb derselben noch Blattgebilde, welche ganz allgemein als »Perigon« bezeichnet werden können. Es ist dasselbe bei einer normalen Dikotylen-Blüthe, zusammengesetzt aus einem äusseren, aus grün gefärbten Blättern bestehenden Blattwirtel, dem Kelch, dessen hauptsächliche Funktion der Schutz der jungen Blüthenknospe ist, und einem inneren, der Blumenkrone, deren lebhafte nicht grüne (gelbe, rothe, blaue etc.) Färbung die Blüthen für die die Bestäubung vermittelnden Insekten auffällig macht. Bei vielen Blüthen fehlt aber das Perigon ganz und sind nur Staub- und Fruchtblätter oder nur eine dieser Formationen vorhanden, und auch von diesen oft nur ein einziges Blattgebilde; so z. B. bei den weiblichen Blüthen von Arum maculatum nur ein Fruchtblatt, bei den männlichen von Calltriche nur ein Staubblatt (Fig. 57). Indem wir die eben kurz angedeuteten allgemeinen Bauverhältnisse der Blüthen als bekannt voraussetzen, gehen wir über zu der Entwicklung derselben. 278 ‘Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Die Eigenthümlichkeiten der Blüthenentwicklung sind darauf zurückzuführen, dass die Blüthe ein Spross ist, der in normalen Fällen sein Wachsthum abschliesst. In Folge davon spielt hier der Vegetationspunkt selbst eine ganz andere Rolle, als bei der vegetativen Sprossbildung, er ist häufig nicht nur wie dort als Erzeuger und Träger der Seitenorgane von Bedeutung, sondern wird mit in die Blüthen- gestaltung selbst hereingezogen. Er vertieft sich z. B. in vielen Fällen schüssel- förmig, oder höhlt sich aus und bildet die Wand unterständiger Fruchtknoten etc. Oder falls eine solche Gestaltveränderung nicht eintritt, so kommt es doch sehr häufig vor, dass der Vegetationspunkt zur Bildung der Sporophylle so verbraucht wird, dass er in der Mitte der Blüthe nicht mehr gesondert hervortritt, sondern die Lage desselben nur noch geometrisch bezeichnet werden kann. In einigen Fällen ist selbst dies nicht mehr möglich, dann nämlich, wenn zur Bildung eines einzelnen Staub- oder Fruchtblattes der ganze Vegetationspunkt verbraucht wird, also eine sogenannte terminale Anthere resp. Fruchtblatt zur Entwicklung gelangt, die nichts anderes ist als die Fortsetzung der Blüthenachse selbst (vgl. Fig. 57). So ist esnach MAGnus bei Vajas und Zanichellia, deren männliche Blüthen ein einziges, genau die Verlängerung der Blüthenachse bildendes Staubblatt besitzen, und ähnlich verhält sich nach KAUFFMANN Casuarina. Wenn EICHLER hier sich gegen die axile Natur der Anthere ausspricht, »um so mehr als schon die auf Rücken- und Bauchseite differente Ausbildung der Anthere deutlich auf die Blattnatur hinweist«, so ist dies kein stichhaltiger Grund, da wie aus meinen Unter- suchungen hervorgeht, zahlreiche Achsenorgane eine differente Ausbildung von Rücken- und Bauchseite zeigen, oder mit anderen Worten dorsiventral sind. Man hat auch sonst vielfach derartig entstehende Antheren als Stengelorgane betrachtet, und wenn man will, kann man dies ja auch thun, da auf den Namen am Ende sehr wenig an- kommt. Die Terminalstellung allein berechtigt uns dazu aber noch nicht. Denn der Satz, dass Blattgebilde stets seitlich am Vegetationspunkt entstehen, ist nichts weiter als ein Erfahrungssatz, der in der vegetativen Region allerdings überall zutrifft, soweit man bis jetzt darüber unterrichtet ist. Irgend welche aus einer tieferen Einsicht in die Natur der Blattbildung begründete Erklärung dieses Erfahrungssatzes besitzen wir nicht, und seine Allgemeinheit hört desshalb in dem Augen- blicke auf, wo mit Sicherheit eine entgegenstehende Beobachtung gemacht wird. Solche finden wir nun bei den Blüthen, zumal mit allen Uebergangsbildungen von seitlicher zu terminaler Stellung. Z. B. bei den Centrolepideen. Nach HIERoNYMUS besitzt Drizzıda männliche Blüthen mit nur je einem terminalen Staubblatt. Cextrolepis dagegen besitzt Zwitterblüthen, die aus einem Staubblatt und einem Carpell bestehen, das eine Staubblatt beansprucht aber zu seiner Bildung soviel Areal des Vegetationspunktes, dass dieser auf die Seite des Staubblattes gerückt erscheint. Von hier aus ist nur noch ein kleiner Schritt zu der völligen Inanspruchnahme des Vegetations- punktes durch die Staubblattbildung. Es ist dabei auf die pag. 183 und 184 gegebenen Aus- führungen zu verweisen, und daran zu erinnern, dass ja auch in anderen Fällen der Vegetations- punkt selbst zur Bildung von Organen verwendet wird. Das erste Antheridium in einem Antheridienstande von Zonzinalis ist terminal, die anderen entstehen unterhalb desselben, also seitlich, unterscheiden sich aber in nichts von dem ersten. Bei der Blüthenbildung aber tritt, wie namentlich die Entwicklungsgeschichte des Fruchtknotens zeigt, die Differenzirung von Spross- achse und Blatt überhaupt vielfach zurück, die plastische Masse des Vegetationspunktes selbst erfährt bestimmte Formveränderungen, die sonst von Ausgliederungen des Vegetationspunktes übernommen werden. Die Differenz in der Auffassung dieser Verhältnisse rührt’ meist von einer Differenz der Fragestellung her. In phylogenetischem Sinne kann man — obwohl Sporangien wie bei Psdlotum und Selaginella ja auch auf Sprossachsen auftreten können — auch die terminalen Antheren als »Blätter« bezeichnen, in ontogenetischem Sinne wird die Frage gegen- standslos, wenn man zugiebt, dass soweit unsere gegenwärtigen Hilfsmittel reichen, die Differen- zirung von Stengel und Blatt in der Blüthe vielfach unkenntlich wird. Von Interesse ist uns in diesem Sinne eben das »Wie« des Vorgangs, der Name aber von untergeordneter Bedeutung, Sache der Zweckmässigkeit und Convention. Je nach dem Gesichtspunkt, den man in letzterer 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 279 Beziehung in den Vordergrund stellt, mag man also die terminalen Antheren »Phyllome« oder »Caulome« nennen). Derartige Fälle bilden indess bei weitem nur die Minderzahl, gewöhnlich sehen wir die Blüthenblätter (Perigon und Sporophylle) wie beim vegetativen Spross als Seitensprossungen am Vegetationspunkt auftreten. Eine andere Schwierigkeit für die Abgrenzung des Begriffes Blüthe liegt darin, dass es vielfach Blüthenstände giebt, welche Einzelblüthen in ihrem Habitus oder ihrer ganzen Ausbildung gleichen. So werden z. B. die Blüthenköpfe der Com- positen im gewöhnlichen Leben als Blüthen bezeichnet, und sie sind dies auch im biologischen Sinn, was am deutlichsten bei den Formen hervortritt, deren Randblüthen strahlenförmig ausgebildet sind, und soBlumenblättern gleichen, während die unscheinbaren »röhrenförmigen« Blumenkro- nen der Scheibenblüthen nur wenig hervortreten. Ist es hier nur die oberflächliche Be- trachtung, welche einen sol- chen Blüthenstand für eine Blüthe halten kann, so geht in andern Fällen die Ueberein- stimmung beider Bildungen < - EBEN ® Callitriche verna. A männliche Blüthe (nur aus einem Staubblatt Be Men. Pt .. bestehend) mit ihrem Deckblatt von innen (der Inflorescenz- wenn die Einzelblüthen einer achse aus) v Vorblätter derselben. B Längsschnitt durch solchen Inflorescenz sehr redu- eine Inflorescenz rechts unten eine weibliche Blüthe, die Achselsprosse der Inflorescenz werden zu einem »Staubblatt«, Fig. 57: (B. 378. cirt sind. So stehen auf dem flachen, dorsiventralen Blüthenkolben von Zosiera auf einer Seite abwechselnd eine Anzahl von Staubblättern und Fruchtblättern, und wenn man nur diese Form selbst ins Auge fasst, so wäre sie, trotz der eigenthümlichen Stellung der Staub- und Fruchtblätter als »Blüthe« zu bezeichnen. Der Vergleich mit verwandten Formen zeigt uns aber, dass die »Blüthenkolben« von Zoszera vielmehr als In- florescenzen zu betrachten sind, deren männliche Blüthen je auf ein Staubblatt, die weiblichen je auf ein Fruchtblatt reducirt sind. Noch blüthenähnlicher sind die Theilinflorescenzen von Zuphorbia, welche man als »Cya- thium« bezeichnet, sie wurden früher (und theilweise noch jetzt) für Blüthen gehalten, mit denen sie auch im Habitus ganz übereinstimmen. Denn man findet im Innern einer aus fünf nach Art einer gamopetalen Corolle »verwachsenen« Blättern gebildeten perigonähnlichen Hülle zahl- reiche, in fünf, den freien Blattspitzen des »Perigons« opponirte Bündel angeordnete Staubblätter und einen oberständigen gestielten aus drei Fruchtblättern gebildeten Fruchtknoten. Entwicklungs- 1) Dass der hier vertretene Standpunkt sehr wesentlich abweicht von dem HANSTEIN’S (Beiträge zur allgemeinen Morphologie der Pflanzen, pag. 90 ff.) geht schon aus dem im all- gemeinen Theile über die Metamorphosenlehre Gesagten hervor, obwohl ich mich dem Satze »das Bestreben jedes Organ der Blüthe (oder der Pflanze überhaupt) einem dieser Begriffe (Thallom, Phyllom etc.) unterzuordnen, kann sich nur auf die irrige Voraussetzung stützen, dass die Pflanzennatur ihre Organe nur nach begriffliich trennbaren und bestimmbaren Kategorieen schaffe und schaffen könne« (a. a. O. pag. 91) von anderen Erwägungen ausgehend anschliesse, 280 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. geschichte !) wie Vergleich mit andern Pflanzen dieser Familie ergeben, dass dies Gebilde als eine Inflorescenz zu bezeichnen ist. Die erstere zeigt, dass die das Involucrum der Inflorescenz zusammensetzenden Blattanlagen succedan entstehen, und gleichzeitig mit jedem eine Staubblatt- anlage, ganz ähnlich wie in vielen andern Fällen Deckblatt und Achselspross als einheitliche Bildung angelegt werden (vergl. pag. 194 ff.), aus welcher dann erst später die beiden, an ihrer Basis zusammenhängenden Anlagen gesondert hervortreten. Die Staubblattanlagen innerhalb jeder Gruppe stehen in zickzackförmiger Anordnung, indem je eine am Grunde der nächst älteren entspringt.?) Demgemäss erscheint es am Natürlichsten, jedes einzelne Zuphorbia-Staub- blatt als reducirte männliche Blüthe aufzufassen, den »oberständigen« Fruchtknoten als weibliche Blüthe und das »Perigon« als Involucrum der Inflorescenz.?) Den oben erwähnten Beispielen von abweichender oder zweifelhafter Blüthen- bildung liessen sich leicht noch weitere anreihen, sie bilden aber immerhin bei weitem die Minderzahl gegenüber den »normalen« Fällen. In diesen erscheint der Blüthenvegetationspunkt meist als flach gewölbter Hügel, dessen unterer Theil sich zum Blüthenstiele streckt. Auf dem oberen, breiteren Theile der Blüthenanlage treten die Blattgebilde derselben hervor. Die Reihenfolge derselben soll zunächst erörtert werden. Vielfach, z. B. bei den Blüthen der meisten Monokotyledonen, den acyklischen Blüthen und vielen andern ist dieselbe die gewöhnliche »progressive« oder »akro- petale«. Es treten zuerst die Kelch-, dann die Kronen-, Staub- und Fruchtblätter auf, die Blüthenachse selbst bleibt dabei verkürzt,*) es bilden sich keine Inter- nodien zwischen den einzelnen Blattwirteln (resp. bei acyklischen Blüthen, Blättern); in Folge davon treten die Niveau-Differenzen in der Insertion der Blüthen-Blattgebilde wenig hervor, die jüngsten derselben erscheinen gewöhnlich als die innersten, nicht wie am Laubspross als die höchsten. Anders natürlich, wenn sich die Blüthenachse schlank kegelförmig erhebt, wie bei vielen Ranun- culaceen (sehr auffallend z. B. bei Myosurus). Mit dieser Anlegungsfolge stimmt die Ausbildungsfolge der angelegten Organe meist nicht überein. Namentlich ist es ein sehr gewöhnliches Vorkommen, dass die Blumenblätter in ihrem Wachs- thum hinter den Staubblättern anfangs zurückbleiben, so dass es bei ungenauer Betrachtung den Anschein hat, als wären jene noch gar nicht vorhanden. Bei Erodium cicutarium z. B. sind die Blumenblätter, wenn die Staubblattanlagen schon ziemliche Entwicklung erreicht haben, noch kaum wahrnehmbare Höcker. Kurz vor dem Aufblühen zeigen die Blumenblattanlagen dann ein rasches Wachsthum, das sie ihrer definitiven Grösse entgegenführt. Erfolgt dies Zurückbleiben auf einem sehr frühen Stadium, so werden die Anlagen noch gar nicht als Höcker wahrnehmbar, wohl aber durch Untersuchung der Zellenanordnung nach- weisbar sein. Es ist möglich, dass hierauf Störungen in der »akropetalen« Anlegungsfolge zurückzuführen sind, wie sie z. B. Könne für Cuphea®) beschrieben hat. Es entstehen hier zuerst 1) Dieselbe ist besonders eingehend von WARMING untersucht worden, vergl. die Abhandlung desselben über Pollen bildende Phyllome und Caulome, pag. 34 ff. und die dort citirte Literatur (HANSTEIN, bot. Abh. I, 2). 2) Hier, wie in manchen andern Fällen ist dies freilich, namentlich bei den später auf- tretenden Staubblattanlagen kaum mit Sicherheit festzustellen, und die Möglichkeit, dass die Staubblätter auf einem gemeinsamen Podium entstehen, ist nicht ausgeschlossen (wie dies z. B. bei den Arzszolochia-Blüthen der Fall ist, die in Mehrzahl in einer Blattachsel stehen.) 3) Die zwischen den Gruppen männlicher Blüthen stehenden häutigen Schuppen lassen wir hier unberücksichtigt. #) Bei einigen Capparideen u. a. ist das Gynaeceum lang gestielt, hier hat sich die Region der Blüthenachse zwischen Gynaeceum und Androeceum zu einem Internodium gestreckt. °) KÖHnE, Bemerkungen über die Gattung Cuphea. Bot. Zeit. 1873. 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 281 die Kelchblätter (— in absteigender Richtung, umgekehrt wie bei den gleich zu erwähnenden Papilionaceen —) dann die beiden Fruchtblätter, der innere, der äussere Staubblattkreis und dann erst die Blumenblätter. — Andererseits zeigen uns aber auch zahlreiche Beispiele, dass die akropetale Organanlage durchaus nicht immer. festgehalten wird, so bei den unten zu erwähnen- den Cistineen und Cacteen und es ist schon @ frzori wahrscheinlich, dass von dem Zurückbleiben der Blumenblattanlagen bis zu der Thatsache, dass sie wirklich später angelegt werden, als die Staubblätter, alle Uebergangsstufen sich finden werden. Eine Modifikation der progressiven Entwicklung findet sich in solchen Fällen, in denen die Anlegung der Blüthenblattgebilde nicht nach allen Seiten hin gleich- mässig fortschreitet, sondern von einer Kante der Blüthenachse hin gegen die entgegengesetzte, ein Verhalten, das sich auch bei manchen Inflorescenzen (z. B. Trifolium pratense) findet. In den Blüthen kann dies entweder bei sämmtlichen oder nur bei einzelnen Blattkreisen der Fall sein.!) Beispiele für das erstgenannte Verhalten sind nur für Seitenblüthen bekannt. In den genauer untersuchten Fällen macht sich diese symmetrische, nicht radiäre Entwicklungsfolge schon in der Gestalt des Blüthenvegetationspunktes geltend, so z. B. bei AReseda. Während bei Blüthen mit allseitig gegen die Spitze hin fortschreitender Organanlage der Vegetationspunkt auch schon vor der Anlage der Blattgebilde nach allen Seiten hin gleichgeformt, d. h. radıär ist, hat er bei Reseda und in andern Fällen symmetrische Gestalt, er ist auf der der Inflorescenz- achse zugewendeten Seite höher als auf der ihr abgewendeten. Diesem Bau entspricht auch die Entwicklungsfolge der Kelch- und Kronenblätter.?) Die ersten Kelchblätter treten auf der der Inflorescenzachse zugewendeten Seite auf, ihnen folgen nach vorne hin fortschreitend die weiteren Kelchblattanlagen und ebenso ist es mit den Kronen- und Staubblättern (und zwar tritt das erste Staubblatt schon auf, noch ehe die sämmtlichen Kronenblätter gebildet sind), auf die An- ordnung der letzteren wird unten noch zurückzukommen sein. Eine ähnliche ungleichseitige Entwicklungsfolge finden wir bei den Papiliona- ceenblüthen,?) nur dass hier umgekehrt die Entwicklung von vorn nach hinten, gegen die Inflorescenzachse hin fortschreitet. Es liegt hier aber wie es scheint, nur eine ungleichseitige Entwicklung vor, wobei aber die tiefer stehenden Blattkreise doch immer früher entstehen, als die höher stehenden, indess dürften von letzt- terem Verhalten wohl auch hier schon Ausnahmen sich finden; jedenfalls kennen wir derartige Vorkommnisse, von dem oben erwähnten bei Aeseda abgesehen, noch bei andern Pflanzen, wie den Lentibularieen.*) Wir finden auch hier schon vor dem Auftreten der Blattgebilde eine Förderung der einen Seite des Blüthen- vegetationspunktes auftreten, und auf dieser Seite treten auch Kelchblätter, Kronen- blätter und Staubblätter von Zinguicula vulgaris zuerst auf, während auf der andern Seite die Kelchblattanlagen noch nicht sichtbar sind. Auch bei Ufricularia \) Letzteres gilt z. B. für die Entwicklung des Kelches von Symphoricarpus. Nach PAYER’s Figuren ist (entgegen den Angaben im Text) die Reihenfolge die, dass zuerst das dem Tragblatt gegenüberstehende Kelchblatt, dann von hier aus fortschreitend die seitlichen entstehen (Taf. 128, Fig. 3, 4, 5); ähnlich ist es nach BUCHENAU bei dem Hüllkelch von Zagascea. Ferner erscheinen nach PAvER u. HOFMEISTER bei Begonia-Arten, z. B. Begonia xanthina Hoox. (vergl. die Fig. 87 in HOFMEISTER, Allg. Morphologie) die Staubblattanlagen viel früher auf einer Seite der Blüthen- achse als auf der andern. 2) Vergl. PAvER a. a. OÖ. pag. 193. Taf. 39; GOEBEL, Botan. Zeit. 1882. pag. 3883 ff. 3) Vergl. PAvER a. a. O. pag. 517. HOFMEISTER, Allg. Morphol. pag. 464. FRANK, Ueber Entwicklung einiger Blüthen in PRINGSHEIM’s Jahrbüchern X. pag. 205 ff. #) BUCHENAU, Morphol. Studien an deutschen Lentibularieen. Bot. Zeit. 1865. 282 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. entsteht der obere Theil der Blumenkrone erst nach der Anlegung der (in Zweizahl auf der geförderten Seite gebildeten) Staubblätter. Eine andere sehr häufige Formänderung des Vegetationspunktes ist die, dass er ganz oder theilweise becherförmig wird. Letzteres ist der Fall z. B. bei vielen Rosaceen. Nach Anlage der Kelchblätter erhebt sich die Insertionszone derselben wallartig, es bildet sich um die Mitte des Blüthenbodens ein Ringwall, dessen Basis Vegetationspunkt-Charakter trägt, auf dem nun Kron- und Staubblätter entstehen, während die Fruchtblätter auf einer centralen Erhebung des Blüthen- vegetationspunktes hervorsprossen. Die Entwicklungsfolge schreitet also in einer Blüthe von ARudus z. B. in zwei differenten Richtungen vor: einerseits entstehen neue Staubblattanlagen in gegen den Grund des peripherischen Ringwalles fort- schreitender Rei- henfolge, anderer- seits neue Frucht- blattanlagen gegen den Scheitel der Blüthenachse hin. Wir haben hieralso zwei Zonen der Blüthenachse, wel- che Vegetations- punkt- Charakter 39) Fig. 58. tragen, und da- Blüthenentwicklung von Ciszus populifolius (nach PAvErR). Bei I eine durch t he Blüthenknospe, welche die absteigende Entwicklungsfolge der Staubblätter u Ä Un ” zeigt, die ersten entstehen unmittelbar unterhalb des, die höchste Stelle ein- det sich eine der- nehmenden Fruchtknotens. 2 Halbirter Fruchtknotenbecher. 3 Fruchtknoten. artige Blüthe z. B. von der einer Composite, bei welcher sich der Blüthenvegetationspunkt eben- falls becherartig vertieft, die Entwicklungsfolge der Blattorgane aber die ge- wöhnliche ist, obwohl der Ausdruck »acropetal« auch hier eigentlich nicht zutreffend ist, da der Blüthenvegetationspunkt hier die tiefste Stelle des Bechers einnimmt. — War es bei den Rosaceen ein intercalarer Vegetationspunkt unterhalb der Kelch- und Kronenblätter, auf dessen Auftreten die scheinbar geänderte Reihenfolge im Auftreten des Blüthenblattgebildes beruht, so ist es in andern Fällen ein oberhalb der Kelch- (und Kronenblätter) liegender intercalarer Vegetationsgürtel, der in die Erscheinung tritt. So bei Cistineen und Cacteen. Bei ersteren (vergl. Fig. 58, ı) sind die erst auftretenden Staubblattanlagen von den Kelch- und Blumenblattanlagen durch einen ziemlich breiten Gürtel des Blüthenvegetationspunktes getrennt, der sich nun in nach unten absteigender Reihenfolge mit Staubblattanlagen bedeckt, und ähnlich verhalten sich die Cacteen }) (Fig. 59), während es bei andern Pflanzen nur bestimmte, oft besonders indivi- dualisirte Zonen des Blüthenbodens sind, welche Staubblattanlagen produciren, eine Thatsache, auf welche unten, bei Besprechung der »zusammengesetzten Staubblätter« noch zurückzukommen sein wird. Hier, wo wir es nur mit den allgemeinsten Entwicklungsvorgängen der Blüthenanlagen zu thun haben, sind noch die Veränderungen, welche in den Symmetrieverhältnissen derselben auftreten, zu erwähnen. I) Es bildet sich bei Zpiphyllum truncatum unterhalb der Fruchtblattanlagen zunächst ein (aus zahlreichen Staubblättern bestehender Staubblattkreis, dem sich in absteigender Folge weitere anschliessen. 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 283 Wir finden bei den Blüthen dieselben Symmetrieverhältnisse, wie sie oben (pag. 142) für die Pflanzen ganz allgemein geschildert wurden, können also auch hier zwischen radiärer, symmetrischer (bilateraler) und dorsiventraler Ausbildung unterscheiden. Besonderheiten treten bei der Blüthe nur insofern auf, als die Blüthen-Blattgebilde häufig alle auf annähernd gleicher Höhe stehen, und so bei dorsiventralen Blüthen, wie z. B. denen der Labiaten, die Differenz von Rücken- und Bauchseite weni- ger hervortritt, als an Sprossen mit gestreck- _ ten Internodien. Dor- siventrale, aber durch einen Schnitt in zwei spiegelbildlich ähn- liche Hälften theilbare Blüthen bezeichnet man ebenso wie die symmetrischen, viel- fach auch als »zygo- morphe« (A. BRAUN). Hier kommen die Symmetrieverhältnis- se nur insofern in Be- Fig. 59. (B. 380.) tracht, als sieim Laufe Zpiphyllum truncatum, Blüthenlängsschnitte. ı Junge, 2 fast fertige Blüthe, der Entwicklung sich” SP Fruchtblätter, pl Placenta, st Staubblätter, sie entstehen in ab- : steigender Reihenfolge. ändern, ein Fall, der ungemein häufig ist. Nur wenige Blüthen sind nämlich von Anfang an zygomorph, wenn wir diesen Ausdruck der Kürze halber hier adoptiren wollen, angelegt. So die der oben erwähnten Resedaceen und Papilionaceen, bei welchen, wie wir sahen, schon der Vegetationspunkt eine zygomorphe (dorsiventrale) Ausbildung zeigt. Bei sehr vielen andern geht die radiäre Symmetrie im Verlaufe der Ent- wicklung in die dorsiventrale über. Es kann dies geschehen dadurch, dass an Blüthen, deren sämmtliche Organe radiär angeordnet sind, eine verschiedene Ausbildung derselben eintritt, oder dadurch, dass die inneren Blütentheile in anderer Anzahl angelegt oder ausgebildet werden, als die äusseren, oft genug finden wir auch beide Vorgänge combinirt, dann aber gewöhnlich in der Weise, dass daraus eine zygomorphe Blüthe resultirt, oder mit andern Worten, die Symmetrieverhältnisse der einzelnen Blüthenkreise ändern sich nicht unabhängig von einander. Es tritt dies klar hervor, wenn man eine grössere Anzahl von Blüthendiagrammen vergleicht, wie sie z. B. in EıcnLer’s bekanntem Werke sich finden; die Blüthe einer Zabiate z. B. zeigt, dass die den Kelch und die zwei- lippige Blumenkrone symmetrisch theilende Ebene auch das Androeceum sym- metrisch schneidet, obwohl ein Glied derselben abortirt ist, es ist gerade das in die Symmetrieebene fallende Staubblatt. Einige Beispiele für das oben Angeführte mögen zur Erläuterung genügen. Die Blüthen von Commelina bestehen wie die der meisten Monocotylen aus fünf dreizähligen Quirlen, eine radiäre Anordnung, welche eine symmetrische Theilung durch drei verschiedene Schnittrichtungen gestattet. Es bilden sich aber bei Commelina (vergl. das Diagramm bei Eicher, a. a. O. I. pag. 141, Fig. 70B) von den sechs Staubblättern nur die drei schräg vorderen wirklich aus, die drei 2 284 . Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. hinteren sind steril und weichen auch durch ihre kreuzförmig-vierlappigen Antheren von den vorderen fruchtbaren ab. In Folge dessen ist nur eine symmetrisch theilende Ebene möglich, die radıär angelegte Blüthe hat sich (dorsiventral)- zygomorph ausgebildet, und in Verbindung damit zeigt das in die Symmetrie- ebene fallende innere Staubblatt, also das mittlere der beiden fruchtbaren, eine andere Ausbildung, als die beiden andern, namentlich besitzt es ein breites Connectivv. Von dem Sterilwerden bis zu gänzlicher Verkümmerung führen natürlich auch hier alle Stufen, und wenn in einer sonst radıär gebauten Orchis- Blüthe nur ein einziges Staubblatt angelegt wird, so sind wir berechtigt, dies als letztes Glied eines 6zähligen Androeceums der Stammform zu betrachten. Bei weitem das häufigste Vorkommniss ist aber das, dass in einer sonst radiären Blüthe die Anzahl der Fruchtblätter geringer ist als die der übrigen Blattwirtel. Sie beträgt in fünfzähligen Blüthen z. B. häufig zwei und ändert dadurch in je nach den Einzelfällen verschiedener Weise die Gesammtsymmetrie der Blüthen. Ihren augenfälligsten Ausdruck aber findet die letztere in der Ausbildung der Blüthenhülle, speciell der Blumenkrone. Es geht aus der radiär fünfzählig ange- legten Blumenkrone z. B. der Labiaten eine zweilippige,!) der mancher Com- positenblüthen eine zungenförmig-»aufgeschlitzte«, der von Viola eine solche hervor, bei welcher ein Blüthenblatt einen Sporn besitzt, und derartige Fälle finden sich in Vielzahl, sie stehen stets in ganz bestimmter Beziehung zu der Blüthenbestäubung durch Insekten (vergl. die Abhandlung von H. MÜLLER im I. Band dieses Handb.) Nicht selten findet man bei Pflanzen mit sonst zygomorphen Blüthen einzelne oder alle der letzteren radiär ausgebildet (als »Pelorien«), so namentlich wenn an einem Blüthenstande der sonst nur seitliche, zygomorphe Blüthen produeirt, Endblüthen zur Ausbildung kommen. Allein auch Seitenblüthen können pelorische Ausbildung erfahren. Am längsten bekannt sind dieselben von Linaria: die fünf Kronenblätter sind bei den Pelorien alle gleich ausgebildet, meist alle fünf mit einem Sporne versehen, die Staubblätter, von denen sonst eines verkümmert, die vier andern didynam ausgebildet sind, sind alle fünf von gleicher Grösse. Es darf diese Pelorienbildung, wie schon DArwın bemerkt (das Variiren der Thiere und Pflanzen II. pag. 66, 2. Aufl. der deutschen Uebersetzung) nicht als eine Rückschlagsbildung angesehen werden. Die Stammform der Linarien besass, wie wir annehmen dürfen fünf ungespornte Petala, ähnlich wie Verdascum. Die radiäre Ausbildung der Blüthen aber wird uns durch die Entwicklungsgeschichte verständlich: sie ist zu Stande gekommen durch das Verharren auf dem Symmetrieverhältniss der (radiären) Blüthenanlage.. Man kennt übrigens auch »Pelorien«e mit weniger als fünf Spornen. Andere Pelorien mögen als Rückschlagsbildungen betrachtet werden: so das von DARWIN erwähnte Galeobdolon luteum wit fünf gleichen Kronenblättern und fünf gleichen Staubblättern; übrigens sind bei den Labiaten auch vier und sechszählige Pelorien keine Seltenheit.?) Wir haben bei Besprechung der einzelnen Blattgebilde der Blüthe auf ana- loge Fragen specieller noch zurückzukommen und wenden uns nun zu den einzelnen Blattkreisen der Blüthe selbst. 1) Es ist eine interessante Erscheinung, dass ganz allmähliche Uebergangsstufen von radiären zu zygomorphen Blüthen führen. Letztere sind bei den Scrophularineen bekanntlich sehr ver- breitet. Für Verbascum werden radiäre angegeben, ich finde aber bei V. zigrum deutlich eine wenn auch schwache Zygomorphie darin ausgeprägt, dass der untere Blumenkronenzipfel breiter und länger ist als die beiden oberen, worin sich eine »Tendenz« zur Zweilippigkeit, wie wir sie bei andern Scrophularineen treffen, kundgiebt. — Derartige Thatsachen sind bei der Frage nach dem phylogenetischen Zustandekommen ausgeprägt zygomorpher Blüthen zu berücksichtigen. 2) Vergl. PEvRITScH, Die Pelorien der Labiaten, Sitzungsber. d. Wien. Akad. 1869 u. 1872. Weitere Fälle z. B bei MoQuIn-TAnDon, teratolog. veget. pag. 183 ff. 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 285 I. Entwicklung des Kelches. Die Kelchblätter sind diejenigen Blattgebilde der Blüthe, welche zuerst auf- treten und in Folge dessen vom Blüthenscheitel am weitesten entfernt sind. Ihre Anlagen entstehen wie gewöhnliche Blattanlagen am Vegetationspunkt, am Auffallendsten tritt dies da hervor, wo dieselben in spiraliger Anordnung stehen, wie z. B. bei den Cacteen, wo ein ganz allmählicher Uebergang von den Kelch- zu den Kronenblättern stattfindet. Allein auch wo die Kelchblätter wie bei sehr vielen Blüthen in einem fünf- zähligen Wirtel stehen, entstehen sie gewöhnlich nicht gleichzeitig, sondern die Reihenfolge ihrer Entstehung ist so, als ob sie in einer Spirale mit der Diver- genz 2/5 stünden. Wir legen auf diesen Umstand übrigens kein grosses Ge- wicht,!) zumal bei ein und derselben Pflanze vierzählige und fünfzählige Blüthen vorkommen, so z. B. bei /runus spinosa und andern Rosaceen, bei Zozentilla Tormentilla, wo vierzählige Blüthen die Regel sind, findet man dagegen häufig fünfzählige Blüthen. Die vierzähligen Kelche aber entstehen, soweit dies bekannt ist, in der Weise, dass je zwei sich kreuzende Paare von Kelchblättern gleich- zeitig gebildet werden, diesen vier Kelchblättern alterniren dann die Kronen- blätter z. B. bei der erwähnten Zofentilla Tormentilla, wir betrachten auch hier einen solchen viergliedrigen Wirtel als ein Ganzes, dessen Glieder nur ungleich- zeitig entstehen. Bei den Cruciferen dagegen nimmt man einen aus zwei gekreuzten Blattpaaren bestehenden Kelch an.”) Die Kelchblätter wachsen nach ihrer An- lage rasch, und hüllen die junge Blüthenknospe ein. Bei vielen Pflanzen sind die einzelnen Kelchblätter nicht frei, sondern der Kelch bildet eine Röhre an welcher die Zusammensetzung aus verschiedenen Blattanlagen noch an der Zahl der freien Zipfel, welche sich am obern Rande der Kelchröhre finden, erkennbar ist. Der Vorgang ist aber hier nicht der, dass, wie man früher annahm, eine Verwachsung ursprünglich freier Kelchblätter stattfindet, sondern wie schon C. Fr. WoLrr vor mehr als ıo0 Jahren richtig erkannte, dass die ursprünglich als getrennte Blattanlagen vorhandenen Kelchblätter auf gemeinsamer Basis emporgehoben werden, ein Vorgang, der sich in der Blüthenentwicklung noch vielfach wiederholt. Modificationen in der Kelchentwicklung finden sich da, wo der Kelch rudi- mentär ist, wie bei vielen Umbelliferen. Er wird dann nämlich nach den An- gaben von SIELER?) verspätet, erst nach den Blumenblättern oder nach den !) Auf die Erörterung der hier sich anknüpfenden Fragen einzugehen, ist, da dieselbe eine weitläufige sein müsste, unthunlich, umsomehr, als sie nur specielles Interesse bieten. Man vergl. die Einleitung zu EICHLER’s Blüthendiagrammen. Hier mag nur bemerkt sein, dass die ungleich- zeitige Entstehung der Glieder eines Wirtels eine weitverbreitete Erscheinung ist, so z. B. bei den »Blättchen« der Characeen (vergl. Bd. II. pag. 242) und in vielen andern Fällen wo un- zweifelhafte Wirtel vorliegen. Die Frage, ob die Wirtel »niedergedrückte Spiralen« seien, ist für mich übrigens eine gegenstandslose, da ich die Spiraltheorie überhaupt für beseitigt halte. 2) Die Blumenkrone alternirt mit demselben bekanntlich in »Diagonalstellung«e. Dasselbe Verhalten treffen wir auch sonst, so folgt auf die zwei Cotyledonen von Cupressus Lawsomiana ein zweigliedriger Blattwirtel, auf diesen ein viergliedriger mit den vorhergehenden Blattpaaren diagonal gekreuzter. 3) TH. SIELER, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Blüthenstands und der Blüthe bei den Umbelliferen. Bot. Zeit. 1870. — Bei Aryngium maritimum, das einen gut entwickelten Kelch besitzt, treten die Kelchblattanlagen vor den Blumenblättern auf (ob alle?); eine bestimmte Reihen- folge konnte ich nicht ermitteln. 286 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Staubblättern angelegt. Es ist eine allgemeine Regel, dass Organe, welche im Verkümmern begriffen sind, auch verspätet angelegt werden, resp. zu der Zeit, wo die andern kräftig heranwachsenden Organe sichtbar werden, in der Ent- wicklung noch so zurück sind, dass sie nicht über den Blüthenboden deutlich hervortreten. Aehnliches findet sich auch in anderen Fällen z. B. bei den Stellaten, wo nach PAvEr die Kelchblätter erst nach den Staubblättern zunächst als Ringwulst angelegt werden, ferner bei den Valerianeen, Dipsaceen etc. In letzterem Falle können wir die Verspätung in der Anlage des Kelches und die kümmerliche Ausbildung desselben als eine Correlationserscheinung auf- fassen,!) hervorgerufen dadurch, dass jede Blüthe noch von einer besondern Hülle, einem Involucrum umschlossen ist, welches die Funktionen des Kelches über- nimmt. Auf ein ähnliches Verhältniss ist wohl die Verkümmerung des Kelches bei den meisten Compositen zurückzuführen. Die Blüthen bedürfen hier eines besondern Schutzes durch den Kelch nicht, da sie auf dem Blüthenboden dicht gedrängt stehen?) und die ganze Inflorescenz von einem aus Hochblättern ge- bildeten Involucrum umhüllt ist. An Stelle des Kelches finden wir nun aber bei vielen Compositen einen Kranz von haarförmigen, schuppen- oder borstenförmigen Gebilden, welcher als Pappus bezeichnet wird. Ueber die Bedeutung dieser Pappuskörper hat sich nun ein Streit erhoben, darüber nämlich ob dieser Pappus selbst als Kelch zu beträchten sei oder nicht. Dass die Vorfahren der Compo- siten einen Kelch besessen haben, kann nicht zweifelhaft sein, zumal wenn man die nahe verwandten Calyceraceen berücksichtigt, unter welchen z. B. die genauer untersuchte Acicarpha®) fünf regelmässig gestellte mit den Kronenblättern alternirende Kelchblätter besitzt, welche bei der einen der untersuchten Arten später (A. Zribwloides), bei den andern früher als die Kronenblätter entstehen. Nach WARMInG’s gründlichen Untersuchungen?) verhält sich bei den Compositen die Sache so, dass (etwa mit Ausnahme von Aazthium und Ambrosinia) der Kelch bei den Compositen repräsentirt wird durch einen unterhalb der Krone auftretenden Ringwulst, was ja auch das erste Stadium eines Stellatenkelches ist. Würde die Entwicklung normal weitergehen, so ent- stünden an den fünf Ecken des Ringwulstes die fünf Kelchblattanlagen.®) Dies ist aber bei vielen Gattungen nicht der Fall. Bei Zampsana, Bellis, Matricaria-Arten u. a. finden wir nur das Kelchrudiment in Form eines Ringwulstes, bei andern entwickeln sich auf letzterem Haare, welche bei der Samenverbreitung als Flugapparat dienen (Sezecio, Zactuca, Tragopogon), während D) Die Kelchblätter sind hier meist in Form von Borsten noch vorhanden, z. B. bei Scabiosa. Bei Scab. australis geht dıe Verkümmerung noch weiter: die vier Kelchblätter werden hier zwar angelegt, gelangen aber nicht zur Weiterentwicklung, und sind im fertigen Zustand nicht mehr wahrnehmbar. Die schützende Funktion des Kelches wird hier von dem oben er- wähnten Involucrum übernommen, dessen Bedeutung mir noch nicht definitiv aufgeklärt er- scheint: es entsteht in Form von vier gesonderten, später durch Wachsthum der Insertionszone vereinigten Anlagen (vergl. BUCHENAU, Ueber Blüthenentw. einiger Dipsaceen etc. Abh. der Senckenb. Ges. I. pag. 106 ff). — Eine ähnliche Correlation findet sich auch bei den geocalyceen Jungermannien (vergl. Bd. I. pag. 351). Das sonst zum Schutze der Archegonien dienende »Perianthium« ist bei diesen, ein »Pseudoperianthium« besitzenden Formen rudimentär. 2) Man hat das Verkümmern des Kelches hier wohl auch mit dem »Drucke« in Verbindung gebracht, welchem die Blüthenanlagen ausgesetzt sein sollen — eine Ansicht, welche einer näheren Begründung durchaus entbehrt. 3) BUCHENAU, Ueber Blüthenentwicklung bei den Compositen. Botan. Zeit. 1872. #) WARMING, Die Blüthe der Compositen. 1876 (HANSTEIN, botan. Abhandl. III. Bd. 2. Heft). Daselbst weitere Literatur. 5) Auf dasselbe kommt es heraus, wenn sie zuerst isolirt entstehen, dann durch einen Ringwulst vereinigt werden. 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 287 bei Tanacetum, Pyrethrum, Ammobium etc. der Kelchsaum nur in einen trichomatischen Rand ausläuft. Bei Zappa trägt der Kelchsaum zahlreiche ohne erkennbare Ordnung auf dem Rande der Vorder- und Rückenseite stehende Borsten. Dagegen finden sich auch Gattungen wie Gaillardia, Xeranthemum, wo fünf mit den Kronenblättern alternirende Kelchzipfel ausgebildet sind. Zwischen ihnen finden sich aber auch hier schon zuweilen andere Zipfel, und solche treten nur bei einer Anzahl von Gattungen in grosser Zahl auf, da wo sie Platz finden. So bei Hlieracium, Cirsium u. a. Dabei findet die regelmässige Stellung der den Kelchblättern als homolog zu betrachtenden Zipfel zuweilen statt, zuweilen auch nicht, und man könnte hier auch die sämmtlichen Pappuszipfel als Neubildungen auf dem Kelchsaum betrachten, ähnlich wie die Haare von TZaraxacum etc. Indess kann die Rückbildung des Kelches und sein Ersatz durch Pappuskörper !) ja auch in verschiedener Weise bei verschiedenen Gattungen vor sich gegangen sein. Zwischen den Pappuskörpern aber, welche als »Trichome« und denen die als »Emergenzen« angelegt werden, finden sich alle Uebergänge. Aehnliches wie für die Compositen gilt für die Valerianeen.?) Bei Centranthus Calcitrapa z. B. entsteht die Anlage des Kelches als niedriger Wulst erst, wenn in der Blüthenknospe der Griffel angelegt wird. Es bilden sich hier auf diesem Kelchwulst eine grössere Anzahl (15— 18) von auf gleicher Höhe stehenden Anlagen, die auch dadurch interessant sind, dass ihr weiteres Wachsthum erst nach dem Abfallen der Blumenkrone erfolgt, sie bilden die Strahlen der Feder- krone, welche der Fruchtverbreitung dient. Ueber die Auffassung derselben gilt dasselbe für die Pappuskörper der Compositen. Diesen Fällen von Reduktion des Kelches stehen andere gegenüber, wo der Kelch verstärkt ist durch einen Aussenkelch. Ein solcher findet sich z. B. bei den Potentilleen in der Form, dass mit fünf grossen Kelchblättern fünf kleinere etwas tiefer stehende alterniren, die auch später als die ersteren entstehen. Man hat an Gartenerdbeeren Gelegenheit, alle Uebergangsstufen von den einfachen Blättchen des Aussenkelches zu je einem Paare zu beobachten, und schliesst daraus, dass jedes Blättchen des Aussenkelches an der Stelle zweier Stipular- blättchen steht, ähnlich wie dies bei manchen Galiumarten der Fall ist. Die Aussenkelchblättchen der Potentilleen entstehen, soweit die Untersuchung reicht, in Form einfacher Anlagen?); nur zweimal habe ich bei Pozentilla Tormentilla eine zweispaltige Aussenkelchblattanlage gefunden, die also einer »Verwachsung« zweier Stipulae entspricht. Auch die Malvaceen haben einen, bei der Gattung Malva aus drei Blättern gebildeten »Aussenkelch«e. Nach PAveEr soll derselbe von einem Blatte und dessen beiden Nebenblättern gebildet werden; dies trifft aber nach meinen Wahrnehmungen an Malva silvestris und M. rotundıfolia nicht zu: zwei der,Blätter hängen an der Basis zuweilen zusammen, allein die Entwicklungsgeschichte zeigt, dass sie unabhängig von einander entstehen, man hat es also hier, wie schon EICHLER vermuthete, mit einem aus Hochblättern gebildeten Involucrum zu thun. Es mag an diesen Beispielen für Hüll- und Aussenkelche genügen, und zunächst noch darauf hingewiesen werden, dass der Besitz eines Kelches zuweilen nicht allen Angehörigen einer Familie zukommt, ohne dass man bei denen, welchen er fehlt, von einer Verkümmerung sprechen !) Der Ansicht Warming’s (a. a. O. pag. 128) einige der Blätter (resp. Pappuskörper) ent- sprechen den Blättern selbst oder den Endtheilen derselben, andere entsprechen Seitentheilen, Stipeln oder Lacinien der Blätter, kann ich mich, was den zweiten Theil dieses Satzes betrifft nicht anschliessen, sondern halte die Pappuskörper ebenso wie die Pappushaare von Taraxacum für Neubildungen auf dem Kelchwulst, von denen diejenigen, welche die Stelle der Kelchblätter einnehmen als Umbildungen der ersteren betrachtet werden können. — Beispiele, dass ein Blatt durch zahlreichere kleinere Blattanlagen ersetzt wird, werden unten noch anzuführen sein. 2) BUCHENAU, über die Blüthenentwicklung einiger Dipsaceen, Valerianeen und Compositen. Abh. der Senckenb. Ges. I. 106 ff. 288 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. könnte. So bei einigen Ranunculaceen. Die Gattung Ranunculus selbst besitzt einen fünfzähligen Kelch und eine damit alternirende Blumenkrone bei der Mehrzahl der Species; Aanunculıs Ficaria ist dreizählig, gelegentlich beobachtet man indess auch einen vier und fünfzähligen Kelch. Anemone Hepatica besitzt ebenfalls einen »Kelch«, der aus drei mit den ersten Blumenblättern alternirenden Blättern besteht !). Vergleicht man damit die andern Anemone-Arten, so zeigt sich, dass der »Kelch« von A. Hepatica homolog ist dem aus drei Blättern gebildeten, durch ein mehr oder weniger langes Internodium von der einfachen Blüthenhülle getrennten »Involucrum«e. Dasselbe wird bei Anemone nemorosa, ranunculoides u. a. gebildet durch drei vollständig ausgebildete Laubblätter, deren Stiel nur etwas verkürzt ist. Von hier aus findet sich dann eine Reihe, wenn man eine grössere Anzahl Formen vergleicht, fast lückenlos verbundener Uebergangsstufen bis zu den ein- fachen, ungegliederten »Kelch-« (richtiger »Involucral-«) Blättchen von A. Zepatica. Nur ein Fall, der von A. szellata sei hervorgehoben, weil die Ausbildung der Involucralblätter hier keine con- stante ist. Zahlreiche Exemplare der (wild wachsenden) Pflanze zeigen das Involucrum aus ein- fachen ovalen Hochblättern (Fig. 60, 4) zusammengesetzt, das Involucrum unterscheidet sich also von dem der A. Hepatica nur dadurch, dass es nicht direkt unterhalb der Blüthe steht. Bei N anderen Exemplaren findet man / \ an der Spitze der Involucral- blätter Andeutungen einer Glie- | derung, welche bei manchen II} Exemplaren bis zu dem in \\// Fig.60, ı, 2 und3 dargestellten Grade geht, wobei man deut- 4 lich erkennt, dass der obere, . gegliederte Theil des Invo- 2 J lucralblattes dem Spreitentheil eines Laubblattes entspricht, (B. 381.) Fig. 60. Anemone stellata. Involucral-Blätter verschiedener Ausbildung. dass also nach dem oben über die Blattentwicklung Mitgetheil- ten, diese Hochblätter Umbildungsformen von Laubblättern vorstellen. Die Umbildung, welche mit einer scheidenförmigen Erweiterung des Blattgrundes verknüpft ist, erfolgt auf verschiedenen Ent- wicklungsstadien der Blattanlage, nicht selten so früh, dass noch keine Gliederung des »Ober- blattes« eingetreten ist, im letzteren Falle erhält man dann die ZZepatica-Form der Involucral- blätter. Anemone Hepatica (zu deren dreigliedrigem Kelche nicht selten wie bei $. Ficaria ı—2 Blätter hinzutreten) ist also ein Beispiel für die Entstehung eines Kelches aus einem Involucrum. Aehnliche Uebergangsformen findet man übrigens gelegentlich (aber selten) auch bei den Kelchblättern von Aanunculus Ficaria, ferner sehr elegant bei Trollius europaeus, wo der Uebergang von Laubblatt- und Blumenkronen-(resp. Kelch-)blatt sich, abgesehen davon, dass man häufig an den unteren Blumen- blättern Andeutungen der den Laubblättern eigenen Gliederung findet, auch da- durch manifestirt, dass die Färbung theilweise noch grün bleibt. I. Entwicklung der Blumenkrone. Kelch und Blumenkrone sind, wie aus dem oben für die Ranunculaceen Erwähnten hervorgeht, correlative Begriffe. Von einer Blumenkrone kann man eben nur dann sprechen, wenn ein Kelch vorhanden ist. Nicht die von der der Laubblätter abweichende Färbung bildet also das charakteristische Kennzeichen I) So nach der z. B. von EICHLER vertretenen Auffassung, deren Richtigkeit mir hier wie bei anderen Ranunculaceen, vorerst zweifelhaft ist; ich vermuthe eine acyklische Anordnung bei den genannten Formen (R. Ficaria, Anemone u. a.) 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 289 der Blumenkrone, sondern die Stellung innerhalb der Blüthe. Bei einer ganzen Anzahl von Pflanzen kennen wir Blattgebilde, welche die Blüthe begleiten und die Färbung oft auch die Form von Blumenblättern haben, allein nicht als solche zu bezeichnen sind, weil sie nicht zur Blüthe gehören. So sind die Deckblätter der Blüthen von Aponogeton distachyus, einer blumenblattlosen resp. mit einer sehr reducirten (zweiblättrigen) Blumenkrone versehenen Monokotyle rein weiss gefärbt, bei unseren ebenfalls blumenblattlosen Chrysospleniumarten aber sind die der Blüthe benachbarten Laubblätter gelb, oft in ihrer ganzen Ausdehnung, die Funktion, die unscheinbaren Blüthen (resp. Blüthenstände) für die blüthenbesuchenden In- sekten auffällig zu machen, wird hier von den blumenblattähnlichen Laubblättern übernommen. Dafür, dass auch Staubblattanlagen regelmässig oder nur in Form monströser Umbildung sich zu Blumenblättern ausbilden, wurden oben schon Beispiele angeführt, und auch daran sei hier erinnert, dass bei acyklisch gebauten Blüthen die Abgrenzung von Blumenkrone und Kelch oft unmöglich ist, weil beide eben ganz allmählich in einander übergehen, die äusseren Blüthenhüllblätter grün, die inneren blumenblattartig gefärbt sind, wie bei vielen Cacteen. II. Entwicklung der Blumenkrone (Corolle). Für die Schilderung der Entwicklungsfolge der Blumenkronenblätter kommen hier nur die cyklischen Blüthen, bei welchen die Blumenkronenblätter einen mit den Kelchblättern alternirenden Wirtel bilden, in Betracht, denn für diejenigen Blüthen, bei welchen Kelch- und Blumenblätter schraubig angeordnet sind, ver- steht sich die Entwicklungsfolge der letzteren von selbst. Bei cyklischen Blüthen stellen sich die Kronenblätter (Pezala) genau in die Zwischenräume der Kelch- blätter. Im Gegensatz zu der successiven Entstehung der Kelchblätter pflegen aber die Anlagen der Petala gleichzeitig sichtbar zu werden — ein Umstand, der von PAYER sogar als ein allgemeines Unterscheidungsmerkmal von Kelch und Blumenkrone benutzt wurde. Es trifft indess durchaus nicht überall zu. Bei den meisten Umbelliferen z. B. ist die Anlegung der Blumenkronenblätter eine ungleichzeitige und ähnlich ist-es auch in anderen Fällen, wenn gleich das oben erwähnte Verhalten das häufigste ist. Selten besteht die Blumenkrone aus mehr als einem Blattwirtel, bei den Fumariaceen z. B. wird sie durch zwei miteinander gekreuzte zweizählige Wirtel gebildet, bei Zoranthus durch zwei alternirende drei- zählige. Die mannigfaltigen Formverschiedenheiten, in welchen die Blumenkronen- blätter auftreten, können hier nicht erörtert werden. Es genügt auf eigenthüm- liche Fälle wie Aconitum hinzuweisen, wo die lebhaft gefärbten scheinbar die Blumenkrone bildenden Blattgebilde wie der Vergleich mit verwandten Formen zeigt, vielmehr den Kelch darstellen, während die Blumenkrone gewöhnlich nur in Form zweier sehr eigenthümlich ausgebildeter Nektarien auftritt. Die auffallendsten Formen der Blumenkronen finden sich da, wo die Blumen- blätter nicht isolirt sind, sondern nur noch als Spitzen einer röhren-, glocken-, krug- etc. förmigen einheitlichen Blumenkrone erscheinen. Diese gamopetalen Blumenkronen entstehen ebenso wie die entsprechenden Kelchgebilde dadurch, dass die ursprünglich isolirt angelegten Petala auf einer ringförmigen Sprossung empor- gehoben werden, oder aber es entsteht (wie dies ja auch bei wirtelig gestellten Laubblättern der Fall ist) zuerst eine ringförmige Gewebezone, auf welcher dann erst dıe einzelnen Blumenblattanlagen auftreten. So bei Cueurdita!) u. a. Welch I) REUTER, Beitrag zur Entwicklgesch. der Bl. Bot. Zeit. 1876. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II, 19 290 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. wunderbare Formen dabei entstehen können, das zeigt z. B. die Blüthe von Cero- pegeia elegans. Hier hat die Blumenkrone die Form eines oben geschlossenen, nach unten hin in eine Röhre verschmälerten Trichters, der entstanden ist, indem die fünf ursprünglich freien Blumenblattanlagen an der Spitze vollständig ver- wachsen sind.!) Ein Insektenbesuch wäre hier unmöglich, wenn nicht an der Seitenwand des Trichters fünf Stücke der Blumenkrone sich von dem Gewebe- verband trennten und wie eine Jalousiedecke nach oben schlügen, dadurch werden fünf über ı Centim. breite Eingänge in die Blumenkrone hergestellt, in die aber, da über jeden ein Dach hergespannt ist, kein Regen eindringen kann: wohl eine der merkwürdigsten der gerade hier so zahlreichen Anpassungen. Denn überall steht die Form der Blumenkrone in engster Beziehung zu der Insektenthätigkeit bei den Blüthen?), die Entwicklungsgeschichte aber zeigt, wie Blumenkronen, welche im fertigen Zustand auffallend von einander unterschieden sind, doch aus einer und derselben Anlage durch im Grunde unbedeutende Wachsthums- differenzen hervorgehen können. Die zungenförmigen und röhrenförmigen Blüthen der Compositen z. B. sind im fertigen Zustand sehr verschieden. Ihre Anlagen aber stimmen vollständig überein: fünf freie Blattanlagen, die später auf einer röhrenförmigen Basis emporgehoben werden. Bei den zungenförmig werdenden Blüthen aber stellt ein Punkt der Blumenkronenröhre zwischen zwei Petalis sein Wachsthum sehr früh ein. Indem die anderen Partien weiter wachsen, entsteht eine Blumenkronenröhre, welche auf einer Seite, eben von dem erwähnten Punkte aus, aufgeschlitzt ist. Indem sie sich später flach ausbreitet, erhält man die be- kannte Zungenform. Solche Zungenblüthen mit fünf Zacken, welche den fünf Blumenblattanlagen entsprechen, finden sich z. B. bei Taraxacum officinale. Bei Calendula und in anderen Fällen sind die Strahlenblüthen dreizackig: hier bleibt nämlich die Partie der Blumenkronenröhre unterhalb zwei Zipfeln derselben sehr im Wachsthum zurück, nur die andere Hälfte entwickelt sich, in Folge davon ist die Fläche der Strahlblüthen nur von der Partie der Blumenkronenröhre gebildet, die unterhalb dreier Petalaanlagen liegt.?) Von hier aus ist nur ein kleiner Schritt zur Bildung zweilippiger Corollen, wie sie sich in ünvollkommener Form z. B. bei den Randblüthen von Ceniaurea Cyanus, in vollkommenerer bei der Unterab- theilung der Labiatifloren z. B bei Nassavıa finden. Derselbe Vorgang, der zur Bildung der Zungenblüthen von Calendula führt, ist auch hier eingetreten, nur später, nachdem die Corollenröhre schon eine ziemliche Länge erreicht hat. Dann ist die Partie derselben unter zwei benachbarten Zipfeln im Wachsthum zurück- geblieben, während die unter den drei anderen weiterwuchs, so dass eine breite dreispaltige Oberlippe und eine aus zwei Zipfeln bestehende Unterlippe resultiren. In Fällen wie der von Calendula erkennt man die zwei im Wachsthum zurückge- bliebenen Zipfel dagegen im fertigen Zustand kaum mehr, sie sind durch das Wachsthum der anderen Corollenpartien verzogen. Es braucht kaum bemerkt zu werden, dass es ein ähnlicher Vorgang ist, auf dem die Bildung anderer I) Die Verwachsung geht an der Spitze soweit, dass die letztere von einem Gewebekörper gebildet wird, in welchem die Verwachsungsstellen nicht mehr erkennbar sind. 2) Vergl. die Abhandl. von H. MÜLLER im ı. Bd. dieses Handbuches. 3) Uebergangsformen zwischen Zungen- und Röhrenblüthen finden sich bei der Gartenform von Dahlia variabilis und in anderen Fällen vor, vergl. z. B. die Abbildungen von H. MÜLLER, Alpenblumen, pag. 44, für Senecio carniolicus. Als die phylogenetisch älteren dürfen wir wohl die Röhrenblüthen betrachten, aus denen sich ja, wie die »gefüllten« Gartenformen vieler Compo- siten (z. B. der erwähnten Dahlia) zeigen, auch durch Kultur Zungenblüthen erzielen lassen. 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 291 Lippenblumen, wie der der Labiaten beruht. Nur ist das Wachsthum der einzelnen Blumenkronenpartien noch ein ungleichmässigeres. Die zwei Blumenblattanlagen, welche die Oberlippe liefern (resp. deren Ende einnehmen), wachsen nämlich hier sehr früh schon so vereint, als ob sie ein einziges Blatt wären, man findet an dem Ende der Oberlippe nur noch eine z. B. bei Zamium seichte Aus- randung. Dem entspricht wie beiläufig bemerkt sein mag, auch die Stellung der Staubblattanlagen. Es treten deren hier nur vier auf. Diese sind aber nach den Figuren von PavEr bei SZachys recta, von SACHS bei Zamium album und meinen eigenen Wahrnehmungen nicht so gestellt, dass für das, zwischen den beiden die Oberlippe bildenden Blumenblattanlagen ein leerer Platz übrig bliebe, sondern sie stehen in einem vierzähligen Wirtel, mit annähernd gleichen Abständen. Die beiden früh gemeinsam wachsenden Petalaanlagen werden hier, wenn der Aus- druck erlaubt ist, für ein Blatt gerechnet, es ist ein ähnlicher Vorgang der Er- setzung zweier Blattanlagen durch eine einzige, wie er oben für die Stipulae von Galium palustre, für den Kelch von Zagascea (vergl. pag. 135) etc.!) geschildert wurde. Nur ist bei den Labiaten das Auftreten zweier geordneter Blattanlagen noch wahrnehmbar (— ob auch in Fällen wie z. B. Mentha?), während dies bei Galium nur selten der Fall ist, und ebenso bei den Plantagineen, wo man aus Gründen der Vergleichung Ursache zu der Annahme einer Fünfzähligkeit der Blüthen hat (das hintere Kelchblatt wäre dabei unterdrückt, die zwei hinteren Corollenblätter durch eines ersetzt), Ebenso ist es bei Veronica, wo die be- deutendere Grösse des einen der fünf Blumenkronenblätter darauf hindeutet, dass dasselbe als Ersatz für zwei Blumenblätter zu betrachten ist. In anderen Fällen wie bei manchen Rosaceen dagegen findet, wie oben erwähnt, ein Wechsel zwischen vier- und fünfzähligen Blüthen statt, ohne dass man zur Erklärung des- selben Gründe wie die eben erwähnten herbeiziehen dürfte, man findet bei Prunus spinosa z. B. auch 6, 7 und 8zählige Blüthen, was zeigt, dass hier eine einfache Schwankung in den Zahlenverhältnissen vorliegt. 7 Die gamopetale Corolle, deren Entwicklung im Vorstehenden kurz geschildert wurde, kam zu Stande durch Emporheben der Blattanlagen eines Blumenblatt- wirtels auf röhrenförmiger Zone. Bei manchen Monokotylen wie z.B. der Hya- cinthe werden zwei mit einander alternirende dreigliederige Blattkreise ebenso auf gemeinschaftlicher röhrenförmiger Basis emporgehoben. Dieser Fall kehrt wieder, da, wo die Staubblätter »mit der Blumenkronenröhre verwachsen« und dann scheinbar aus der Innenfläche der Blumenkrone entspringen, so z. B. bei den Primulaceen, Boragineen u. a. Auch hier aber liegt der Fall so, dass Staub- blattanlagen und Blumenblattanlagen ursprünglich getrennt, frei von einander an- gelegt wurden, und dann die ringförmige Insertionszone des Blüthenbodens, auf welcher die beiden Blattkreise stehen röhrenförmig emporwachsend sie beide zu- sammen in die Höhe hob. Die Stellungsverhältnisse der Corolle zum Androeceum sollen bei der Besprechung der Entwicklung des letzteren erwähnt werden, hier möge noch kurz auf die »ligularen Auswüchse« auf der Innenseite der Corollen- blätter hingewiesen werden, wie sie z. B. bei Zychnis u. a. sich finden, wo sie auch mit einem besonderen Namen als »Nebenkrone« bezeichnet werden. Die D) Die Oberlippe des Kelches von Uiricularia wird nach BUCHENAU (morphol. Studien an deutschen Lentibularien. Botan. Zeit. 1865, pag. 94), niemals dreitheilig angelegt, obwohl dies schon nach der Analogie mit Zirgwicula zu erwarten wäre. Hier sind also drei Blattanlagen durch eine einzige ersetzt. Die Unterlippe des Kelches dagegen entsteht aus zwei Sa später an ihrer basalen Insertionszone gemeinsam wachsenden Blattanlagen. 19* 292 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. eigenthümliche Ausbildungsform mancher Blumenblätter, wie z. B. die Sporn- bildung an denselben bedarf kaum der Erwähnung, es kommt diese Bildung durch gesteigertes Flächenwachsthum einer Partie des Blumenblattes zu Stande, die der zu röhrenförmigen Nektarien umgebildeten Petala von Zeleborus aber erfolgt auf ganz ähnliche Weise wie die Bildung »schildförmiger« Blätter. Vergl. oben pag. 233 ff. und PAyveEr, a. a. O. Taf. 57, Fig. 5155. Zahlreiche Pflanzen sind aber auch apetal, d. h. besitzen keine Blumenkrone. In manchen Fällen ist dies auf eine Verarmung, also eine Unterdrückung der Blumenkrone zurückzuführen, wie z. B. in dem Verwandtschaftskreise der Caryo- phylleen, wo selbst Formen, die gewöhnlich eine Blumenkrone besitzen, gelegent- lich apetal vorkommen, wie z. B. Alsine, Spergularia. In anderen Fällen aber betrachte ich mit EICHLER!) dies Verhältniss als ein ursprüngliches, und zwar sowohl bei Mono- als bei Dikotylen. Einen für die Frage nach der Entstehung der Blüthenhüllblätter interessanten Fall, welcher zeigt, dass die Bildung derselben bei verschiedenen Formen auf verschiedene Weise vor sich gegangen sein kann, bieten die Potameen. Die Gattung PoZamo- geton selbst besitzt ein Perigon, das aus vier breiten kelchblattähnlichen, den vier Staubblättern gegenüberstehenden Schuppen gebildet wird. Die Entwicklungs- geschichte?) zeigt auch, dass dieselben vor den Antheren in zwei zweigliederigen Wirteln entstehen. In derselben Folge erscheint dann hinter jeder Perigonblatt- anlage eine Staubblattanlage. HEGELMAIER, der die Entwicklungsgeschichte dieser Blüthen zuerst mitgetheilt hat, zieht daraus, meiner Ansicht nach mit allem Recht, den Schluss, dass hier ein Perigon vorliegt, dessen Blätter mit den vor ihnen stehenden Staubblättern zusammenhängen. Untersucht man die nun verwandte Gattung Ruppia®), die nur zwei Antheren in der Blüthe besitzt, so zeigtsich, dass hier die Perigonblätter erst nach den Antheren angelegt werden und zwar aus dem Connectiv derselben hervorsprossen, sie erscheinen als kleine Schüppchen. Bei Z/otamogeton sehe ich nun eine Weiterentwicklung®) des bei Auppia ange- bahnten Verhältnisses. Wie ein Organ, das zum Verkümmern neigt, verspätet angelegt wird, so kann auch ein kräftig entwickeltes Organ früher in die Er- scheinung treten, bei Zo/amogeton also ehe die betreffende Anthere deutlich vom Blüthenvegetationspunkt gesondert ist. Es liegt also bei Zofamogeton ein Fall vor, wo Connectivschuppen sich zum Perigon entwickelt haben. Andere Blüthen des- selben Verwandtschaftskreises z. B. die von Zoszera besitzen kein Perigon, ich finde aber hier das Connectiv der Antheren auffallend blattartig verbreitert. Perigonlose Blüthen finden sich zumeist bei solchen Pflanzen, bei welchen die Inflorescenzen durch besondere Hüllen, bei vielen Monokotylen z. B. durch eine Spatha geschützt sind.’). Es erfordert hier bei jedem einzelnen Verwandt- schaftskreis die Frage, ob die Apetalie ursprünglich oder durch Verkümmerung entstanden sei, eine gesonderte auf sorgfältiger Vergleichung aller Formen be- 1) Blüthendiagramme. I. Th. pag. 1. 2) HEGELMAIER, Ueber die Entwicklung der Blüthentheile von Potamogeton. Bot. Zeit. 1870. pag. 282 ff. Meine eigenen Untersuchung. führten zu demselben Resultate wie die HEGELMAIER’s. 3) Zur Untersuchung diente Auppia rostellata. %) Ruppia Potamogeton gegenüber als rückgebildete Form aufzufassen, ist schon deshalb nicht thunlich, weil es dann schwer erklärbar wäre, dass die verspätet auftretende Perigonblatt- anlage aus dem Connectiv des Staubblattes statt aus seinem Grunde hervorsprosse. 5) Bei manchen Araceen z. B. der bekannten Zimmerpflanze Archardia aethiopica nimmt die Spatha Blumenblattfärbung an. 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 293 ruhende Untersuchung, denn a priori kann man in einem Verwandtschaftskreise, wo wie z. B. bei den Araceen perigonlose und perigonbesitzende Formen vor- kommen, jede der beiden Kategorien als die phylogenetisch ältere betrachten. Eine ähnliche Entstehung der Petala wie bei Pofamogeton findet sich nun auch bei den dikotylen Familien, so bei den Primulaceen.!) Die Staubblätter sind hier den Kronenblättern superponirt. Staubblatt und Blumenkrone stehen in genetischem Zusammenhang, allein wie ich glaube, doch nicht in der Weise, wie bei Potamogeton. Nach Anlage der Kelchblätter entsteht nach PFEFFER am ganzen Umfang der Blüthenachse ein Ringwall, dessen zwischen je zwei Kelchblättern liegende Partien im Wachsthum ein wenig gefördert sind, und bald zu fünf mit den Kelchblättern alternirenden Höckern werden. Diese Höcker sind Blattpri- mordien, deren apikaler Theil ohne Aenderung der Wachsthumsrichtung zum Staubgefässe wird, während sich die Blumenblätter am Grunde der Aussenseite der Höcker als Auszweigung bilden, und zwar erst dann, wenn die Primordien beträchtliche Grösse erreichen (PFEFFER a. a. O.).. Man könnte hier übrigens den selbstständigen Ursprung der Blumenkronenblätter ganz gut dadurch retten, dass man annimmt, die basale Partie, aus der die Blumenblätter (welche ver- spätet angelegt werden), entspringen, sei nichts anderes als der Ringwall von Blüthenachsengewebe, auf dem die Primordien ja jedenfalls stehen. Die Blumen- blattanlagen entspringen dann also nicht den Staubblattanlagen, sondern einer Blumenblatt- und Staubblattanlagen gemeinsamen Zone des Blüthenbodens. Ver- schiedene Figuren PFEFFER’'s scheinen mir eine solche Auffassung nahezulegen, z. B. Fig. ı, Taf. XIX., auch entspringen die Fruchtblätter, resp. die ringförmige Fruchtknotenanlage ganz nahe am Grunde der Innenseite des von den Staubblatt- anlagen gekrönten Ringwalls (vergl. PrErrEr, Taf. XX. Fig. 2, 3, 4). Ich meine also, wenn die Staubblätter auf einem gemeinsamen Ringwall emporgehoben?), die ihnen gegenüberstehenden Petala verspätet angelegt werden, so müssen Längs schnitte solche Bilder geben, wie sie PFEFFER’s eingehende Untersuchung dar- bietet. Eine »congenitale Verwachsung« von Staub- und Kronenblattanlagen aber existirt hier wie überall, für mich nicht, da ich diesen ganzen Begriff für einen verfehlten halte, denn er ist nichts weiter als eine Umschreibung des Thatbe- standes, dass Staub- und Kronenblattanlagen (nach der PrEFFER’schen Annahme) als einheitliche Primordien von Anfang erscheinen. Uebrigens soll die Auf- fassung, dass die Blumenblätter hier Sprossungen der Laubblätter seien — wenn man nur die Entwicklungsgeschichte ins Auge fasst — gar nicht als unthunlich hingestellt werden, wir haben ja den Fall von Pozamogeton und Auppia, ferner bei den Gefässkryptogamen den von OpAhioglossum, wo eine Blattanlage sich eben- falls in einer fertilen, sporangientragenden und einem sterilen Theil (hier ein Laub- blatt) theilt. Aehnliche Angaben wie die von PFEFFER sind von anderen Autoren auch für andere Pflanzen gemacht worden?), welche den Primulaceen oder nahestehenden Familien angehören. Umgekehrt I) Vergl. PFEFFER, Zur Blüthenentwicklung der Primulaceen und Ampelideen. PRINGSHEIM’s Jahrb. für wiss. Bot. XIII. Bd. pag. 194 ff. Daselbst weitere Literatur. 2) Man denke z. B. die Staubblätter der Compositen seien den Blumenblattanlagen oppo- nir. Die Blüthenachse wird hier bekanntlich hohl, und auf dem Rande entstehen die Blumen- blattanlagen. Treten diese Staubblattanlagen nun am Grunde der Blumenblattanlagen auf, nach- dem die ersteren schon eine ziemliche Höhe erreicht haben, so werden sie im Längsschnitt aus der Basis der Blumenblattanlagen zu entspringen scheinen. In Wirklichkeit aber entstehen sie doch unterhalb der Blumenblätter aus der ausgehöhlten Blüthenachse. 3) So für die Primulacee Cyclamen von GRESSNER, Zur Keimungsgeschichte von Cyeamen, 294 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. 2 soll dagegen bei den Onagrarieen nach BARCIANU 1) der eine Staubblattkreis z. B. bei Zpilobium aus den Blumenblattanlagen hervorsprossen. Für mich unterliegt es aber nach BARCIANU’s Figuren und Schilderungen gar keinem Zweifel, dass die Staubblattanlagen des inneren Kreises nicht aus den Blumenblattanlagen, sondern dicht unterhalb derselben aus der Innenfläche der hohlgewordenen Blüthenachse hervorsprossen, da die Petala, wie sonst auch häufig genug im Wachsthum zurück- bleiben, so sieht es dann später aus, als seien Petalum und unter ihm stehendes Staubblatt aus einem Primordium hervorgegangen — ein Fall, der um so auffallender wäre, als die äusseren Staubblätter ganz wie gewöhnlich als gesonderte Höcker entstehen. Dasselbe nehmen wir also auf Grund der Entwicklungsgeschichte auch für die inneren an, und wenn wir dieselben im fertigen Zustand mit den Blumenkronenblättern verwachsen sehen, so geschieht das wie gewöhn- lich in derartigen Fällen durch interkalares Wachsthum der gemeinsamen Insertionszone. Ein gemeinsames Primordium für Staub- und Perigonblätter findet sich da- gegen bei Viscum album. Ein Längsschnitt durch die fertigen Blüthen zeigt uns hier in die Perigonblätter eingesenkt eine Anzahl von Mikrosporangien (Pollen- säcken). Freie Antheren kommen hier gar nicht zur Entwicklung, und auch in jüngeren Stadien ist von denselben nichts zu sehen. Wenigstens giebt HOFMEISTER an?) »es differenziren sich unter der oberen Fläche der Perigonblätter einzelne Zellgruppen zu Pollenmutterzellen; neue Blattorgane werden fortan nicht mehr in der männlichen Blüthenknospe angelegt.”) Wie EicHLER bemerkt (a. a. O. II. pag. 554) individualisiren sich bei verschiedenen Arten von Viscum selbst, und in nächstverwandten Gattungen wie Zremolepis, Phoradendron etc. Staub- blätter und Perigonblätter so vollkommen, dass sie oft nur an der Basis einen schwachen Zusammenhang zeigen, wobei zugleich das Staubblatt die gewöhnliche Form dieses Organs zeigt. Ich nehme aber nach den bis jetzt bekannten, weiterer Prüfung bedürftigen, entwicklungsgeschichtlichen Daten bei Viscum album nicht eine sehr innige Verwachsung der beiden Blattgebilde an, denn dies ist eine rein auf Vergleichung beruhende Ausdrucksweise, sondern ein Fertilwerden der Peri- gonblätter. Wie wir z. B. bei Dofrychium Lunaria nicht selten sehen, dass auch an dem sonst sterilen Blattheil Sporangien auftreten, so meine ich, ist es auch bei Viscum album. Das Staubblatt ist hier gar nicht gebildet worden (vielleicht wenn man die Zellanordnung untersucht noch in Spuren erkennbar), dagegen sind die Sporangien auf den Perigonblättern selbst aufgetreten. Gestützt wird diese Auffassung, welche jedenfalls den Vorzug hat, sich den bis jetzt bekannten That- sachen eng anzuschmiegen, durch die Erscheinungen, die unten von dem Frucht- knoten der Loranthaceen zu berichten sein werden, wobei nicht zu vergessen ist, dass wir es bei dem parasitisch lebenden Viscum album mit Rückbildungen zu thun haben, wie sie bei Parasiten so häufig auftreten. III. Entwicklungsgeschichte des Androeceums. Im Androeceum haben wir es mit Blattgebilden zu thun, welche die Träger der Mikrosporangien, also Sporophylle sind.. Hier haben wir nur die Entwicklungs- geschichte dieser Sporophylle selbst, nicht aber die der Sporangien zu verfolgen, Bot. Zeit. 1874. pag. 837; für Plumbagineen von REUTHER, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Blüthen. Bot. Zeit. 1876. pag. 420. ) Untersuchungen über die Blüthenentwicklung der Onagraceen, in SCHENK und LüÜRSSEN, Mittheilungen. II. pag. 81. ?) HOFMEISTER, Neue Beiträge. zur Kenntniss der Embryobildung der Phanerogamen. Ab- handl. der K. Sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1859, Mathemat.-physikal. Klasse. 4. Bd. pag. 555. ®) Diese Zellgruppen gehen, wie ich vermuthe, hervor aus Theilung je einer einzigen Arche- sporzelle. 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 295 die letztere ist bei der vergleichenden Entwicklungsgeschichte der Sporangien zu besprechen. Die Entwicklungsgeschichte des Androeceums ist eine sehr einfache in den Fällen, in welchen das Androeceum aus einem mit den Kronblättern alternirenden Wirtel besteht (den »Haplostemonen« EıcHLEr’s, z.B. Labiatifloren, Compositen u. a.) oder spiralig angeordnet ist, wie bei den Ranunculaceen etc. Im ersteren Fall treten normal nach den fünf Kronenblättern fünf mit ihnen alternirende Staubblatt- anlagen auf, von denen aber einzelne verkümmern oder ganz fehlen können. Ein in die letzte Kategorie gehöriger Fall wurde oben schon für die Labiaten aufgeführt, und noch weiter geht die Verkümmerung (im phylogenetischen Sinne) bei den Scrophularineen, bei welchen interessante Uebergangsstufen sich finden. Während z. B. bei Verbascum nigrum alle fünf Staubblätter vorhanden sind, ist das hintere Staubblatt unfruchtbar bei Zentstemon, es fehlt ganz bei andern, und durch ähnliche Uebergänge gelangt man zu dem Vorhandensein von nur zwei Staubblättern bei Veronica, Anticharis u. a. (Man vergl. die Zusammenstellung bei. EICHLER, a. a. O. I. pag. 211 u. 212.) Bei spiralig-angeordnetem Androeceum versteht sich die Reihenfolge der Aus- bildung ebenfalls von selbst. — Keiner weiteren Erwähnung bedarf auch der Fall, dass mit dem mit den Kronblättern alternirenden Staubblattwirtel ein weiterer, gleichzähliger Staubblattwirtel alternirt wie bei Sztyrax officinalis (PAVER, Taf. ı52, Fig. 1—19) und manchen Caryophylleen. Nennen wir die über den Kronenblättern stehenden Staubblätter die Kronstamina, die über den Kelch- blättern stehenden die Kelchstamina, so bilden also in dem eben erwähnten Falle die Kelchstamina den äusseren, die Kronstamina den inneren Staubblatt- kreis. In einer grösseren Anzahl von Fällen ist das Verhalten aber umgekehrt, es liegt eine regelrechte Alternation der einzelnen Blüthenquirle wie im ersten Fall nicht vor, sondern die Kronstamina bilden den äussern, die Kelchstamina den innern Staubblattkreis. So sich verhaltende Blüthen werden mit dem nicht gerade sehr schönen Namen der »Obdiplostemonen« bezeichnet (vergl. EICHLER, I. pag. 335). Die entwicklungsgeschichtlichen Angaben über diesen Fall, mit denen wir es hier allein zu thun haben, sind widersprechend, und die ganze Frage ver- dient daher eine nochmalige umfassende Untersuchung. PAvER, HOFMEISTER, Sachs u. a. finden, dass bei Geraniaceen, Oxalideen und anderen hierhergehörigen Pflanzen die Kelchstamina zuerst entstehen, und dann der mit ihnen alternirende aber tiefer stehende Wirtel der Kronstamina auftritt. Nach Frank!) dagegen würden die Kronstamina bei Geranium sanguwineum und Oxalis stricta zuerst ent- stehen, dann die Kelchstamina. Die gewöhnliche Regel der Alternation wäre also hier gestört, allein wir wissen auch in andern Fällen, dass diese Staubblätter vor den Kronenblättern auftreten, so z. B. bei den oben erwähnten Primulaceen und Plumbagineen, ferner den Ampelideen und Rhamneen. In vielen Fällen aber stehen Kelch- und Kronstaubfäden auch auf gleicher Höhe; nehmen wir nach den vorliegenden Angaben Paver's u. a. an, die Kelchstamina entstehen zuerst, so würden also dann die Kronstamina zwischen die Kelchstamina einge- schaltet, interponirt. Eine solche Einschaltung kommt zweifelsohne vor. So z. B. D) Ueber die Entwicklung einiger Blüthen. PrinGsH. Jahrb. Bd. X. pag. 204 ff. Für die ebenfalls obdiplostemonen Sterculiaceen (c. 1.) hat schon PAyER die frühere Entstehung der Kronstamina angegeben (a. a. O. Taf. 9, Fig. 1—ı5) für Zasiopetalum corylifoium. Die Kelch- stamina sind hier allerdings reducirt, und man kann dies mit EICHLER mit ihrem späteren Auf- treten in Verbindung setzen. 296 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. bei den Sapindaceen (incl. Acer). Die Blüthen sind hier fünfzählig und bei manchen Acer-Arten, z. B. A. rubrum ist dies auch mit dem Androeceum der Fall. Bei andern Acer-Arten aber z. B. Acer Pseudoplatanus hat es dabei nicht sein Bewenden. Wir finden hier in der Endblüthe der Blüthentraube zehn, in den Seitenblüthen gewöhnlich acht Staubblätter. Die vergleichende Morphologie (s. EICHLER, II. pag. 350 u. 361) erklärt dies Verhalten daraus, dass hier zwei mit einander alternirende fünfgliedrige Staubblattkreise vorliegen, von dem innern derselben, welcher vollständig nur in den Endblüthen auftritt, sollen in den Seitenblüthen immer zwei Staubblätter verkümmern. Dagegen spricht aber schon die Thatsache, dass man in den Seitenblüthen an den Stellen, wo die nicht an- gelegten Staubblätter stehen sollten, von Anfang an keine Lücken findet, sondern dass die Staubblätter sofort dicht zusammenschliessen. Die entwicklungsge- schichtlichen Angaben über das Zustandekommen dieser Stellung sind wider- sprechend, und zwar wie ich glaube mit Recht, indem der Vorgang nicht immer derselbe ist. Nach PAvEr (Taf. 27, Fig. 1—3) entstehen nämlich bei Acer tar- Zaricum zuerst fünf Staubblätter, die aber mit den Kronblättern nicht genau alterniren, so dass zwischen dreien grössere Lücken vorhanden sind. Diese Lücken werden ausgefüllt durch die jetzt auftretenden drei weiteren Staubblätter. Nach BucHEnAU!) dagegen treten bei Acer Pseudoplatanus die acht Staubblätter gleichzeitig auf und theilen sich in die Peripherie des Blüthenbodens. Ich finde bei Acer Pseudoplatanus, dass beides stattfmden kann, dass also entweder zuerst fünf Staubblätter auftreten, die andern drei aber in den grösseren Lücken sehr frühe schon eingeschaltet werden, aber als Höcker, die bedeutend kleiner sind als die ersten fünf Staubblattanlagen, so dass also eine wirkliche Interponirung hier stattfindet; in andern Fällen dagegen erscheinen die acht Staubblattanlagen anscheinend gleichzeitig und in gleicher Grösse, womit natürlich nicht, ausge- schlossen ist, dass eine genauere histiologische Untersuchung auch hier das frühere Auftreten der fünf Staubblätter ergeben könnte. Die beiden Vorkomm- nisse würden sich dann dadurch unterscheiden, dass im letzteren Fall die Inter- ponirung noch früher erfolgt als im ersten. Jedenfalls scheint es naturgemässer, kein Fehlschlagen hier anzunehmen,?) zumal bei andern Sapindaceen wie z. B. Aesculus eine vollständige Interponirung überhaupt sich nicht findet (Gipfelblüthen fehlen hier), sondern in allen Blüthen nur sechs oder sieben Staubblätter vor- handen sind, wobei nach PAvEr’s Angaben über Zaria macrostachya das inter- ponirte Staubblatt deutlich später auftritt, als die ersten fünf Staubblätter, und zwar an einem Platze, wo zwei der letzteren durch Wachsthum des Blüthenbodens etwas auseinandergerückt sind. Sehr deutliche Beispiele für Interponirung von Staubblättern liefern nach DuCHARTRE?) manche Nyctagineen. Während einige Gattungen dieser Familie fünf Staubblätter besitzen wie Mirabilis, Abronia etc. hat Dougainvillea deren acht. Es entstehen zuerst fünf grössere Staubblattanlagen, welche mit den Kronenblättern alterniren. Bald aber schieben sich zwei oder drei andere Staubblattanlagen zwischen sie ein, drei von den grösseren Staubblatt- I) BUCHENAU, Morpholog. Bemerkungen über einige Acerineen. Bot. Zeit. 1861. pag. 37 ft. ?2) Der Fall von Acer, und ganz analog der von Tropaeolum, auf den hier nicht einge- gangen werden kann, liesse sich auch so auffassen: Je zwei Staubblattpaare entstehen wie z. B. bei Potentilla im Anschluss an ein Petalum, das fünfte zwischen zwei Petalis. Dadurch sind drei grössere Lücken geschaffen, in welche drei weitere Staubblattanlagen interponirt werden. 3) DUCHARTRE, Observations sur l’organog£nie florale et sur l’embryog&nie des Nyctaginees. Ann. d, scienc, nat. serie 3 t. 91848. pag. 163 ff. ar u; 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 297 anlagen alterniren dann noch mit den Kronenblättern, die andern nicht, sie sind durch das Wachsthum des zwischen ihnen gelegenen Blüthenbodenstückes von einander entfernt worden, und hier treten dann die neuen Staubblattanlagen auf. Es ist klar, dass die eben besprochene Interponirung von Staubblättern ein von der Bildung alternirender Quirle nur graduell verschiedener Vorgang ist, bei der gewöhnlichen Alternation rücken aber die erstgebildeten Staubblätter nicht so weit auseinander wie im zweiten Fall: die neu entstehenden Staubblatt- anlagen stellen sich vor die Lücke zwischen je zwei der älteren, nicht in dieselbe. Weitere Beispiele für Interposition werden unten bei Besprechung der Blüthen- entwicklung der Rosaceen aufzuführen sein. Hier ist zunächst noch eine Annahme zu erörtern, die in vielen Fällen zur Erklärung der Thatsache, dass das Androe- ceum aus mehr Gliedern gebildet wird als das Perianthium, zu erörtern — die Theorie des Dedoublements. Der Urheber der Dedoublementstheorie ist MoQUIN-TANnDoN, oder vielmehr, wie derselbe in seinem. »essai sur les Dedoublements ou multiplication des veg&taux«, Paris et Montpellier 1826, hervorhebt, DunAaL. Später wurde derselbe Begriff als Chorise bezeichnet, ein Name, der eben- falls von DunaL herrührt, welcher auch der Autor des Ausdrucks Carpell ist (vergl. über diese Terminologie: Moquin-TAnDon, &l&ments de teratologie vegetale. Paris 1841. pag. 335 ff.). Die deutschen Autoren unterscheiden zwischen »Spaltung« (im engeren Sinne) und eigentlichem Dedoublement oder Chorise: wenn die aus einem gemeinsamen Primordium hervorgegangenen Theile als Hälften eines Ganzen erscheinen, so spricht man von Spaltung, hat jedes derselben die Beschaffenheit eines ganzen Blattorganes, von Dedoublement oder Chorise.!) — Die ur- sprüngliche Definition Moquin-TAnnon’s lautete (a. a. O. pag. 8): »ainsi lorsgu’ a la place d’une etamine, qui existe ordinairement dans une symmetrie organique,?) on trouve plusieurs tamines celles ci sont plusieurs par d£doublement ou par multiplication«. Haben wir nun ein Recht zu einer solchen Annahme? — Sie beruht zunächst rein auf einer Vergleichung. Man kann ebenso gut sagen, wenn eine Frau Zwillinge gebiert, so ist das ein Dedoublement, weil man dann an Stelle eines Kindes zwei vorfindet, Es fragt sich aber, wenn der Ausdruck einen greifbaren Sinn haben soll: sind die Zwillinge entstanden durch Spaltung einer Embryonalanlage oder durch Befruchtung und Weiterentwicklung zweier unabhängig von einander entstandener Eier? Es ist klar, dass nur die Entwicklungsgeschichte darüber Auskunft geh‘ welches der wirkliche Vorgang ist. Unter Dedoublement versteht MOQUIN-TANDON auch die Fälle, in denen man heut- zutage von verzweigten Staubblättern spricht, z. B. Zypericum, übrigens zählt er zu den Fällen, in welchen Dedoublement stattfinde, auch die Ranunculaceen, Anonaceen, überhaupt alle Pflanzen mit vielen Staubblättern. Dasjenige Dedoublement, welches dem heutzutage mit diesem Worte verbundenen Sinne entspricht, ist das »dedoublement complet mais simple«, die durch Dedouble- ment entstandenen Organe stehen dabei entweder auf einer Linie nebeneinander oder stehen in mehreren Phalangen um das Gynaeceum wie bei Zypericum. Ersteres ist z. B. der Fall bei Alisma Plantago »six etamines opposces deux a deux & chacun des trois petales et produites par le dedoublement de trois etamines chacun & deux«. Untersuchen wir nun aber diesen Fall genauer, so zeigt die Entwicklungsgeschichte?) keineswegs, dass zwei Staubblattanlagen aus Spaltung einer ursprünglich einfachen hervorgegangen sind, sondern im Gegentheil, dass die beiden angeblichen Spaltstücke vollständig von einander getrennt, und zwar durch eine Ecke des Blüthenbodens von einander gesondert entstehen. Ja sagt man, dann ist das Dedoublement eben »congenital«. Mit andern Worten, wir beruhigen uns über die Thatsache, dass an Stelle einer Organanlage zwei vollständig unabhängige entstehen, damit, dass wir diese Thatsache mit zwei Worten um- schreiben, die auch nichts weiter besagen, als dass von einer Spaltung resp. Verzweigung von 1) Vergl. z. B. EICHLER, Blüthendiagramme I. pag. 5. 2) Darunter versteht er mit DE CANDOLLE das, was man jetzt mit den Ausdrücken »Bauplan, Typus« etc. bezeichnet. 3) Vergl. BUCHENAU, Ueber die Blüthenentwicklung von Alisma und Butomus. Flora 1857. pag. 241. — GOEBEL, Beiträge etc. Bot. Zeit. 1882, 298 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Anfang an nichts zu sehen ist, aber von manchen für eine »Erklärung« angesehen werden. Wer consequenter ist, erklärt, dass das »congenitale Dedoublement« denn doch ein wirkliches sein könne, da unsere Untersuchungsmethoden, was ja gewiss richtig ist, unvollkommen seien, und die Spaltung sehr früh stattfinde. In vielen Fällen ist aber, wie sich aus der ganzen Con- figuration der betreffenden Blüthen, auch z. B. der von Alsma ergiebt, dieser Einwand ganz unstichhaltig, und zudem ist die allgemeine Anschauung, aus der er geflossen ist, keine solche, die uns veranlassen könnte, sie um allen Preis festzuhalten. Es lässt sich nämlich für eine An- zahl von Fällen zeigen, dass der Ersatz eines Staubblatts durch zwei oder mehr durchaus nicht auf Spaltung beruht, sondern zusammenhängt mit Wachsthumsverhältnissen des Blüthenbodens und Schwankungen in der Grösse der Organanlagen. So bei den Rosaceen, wie unten näher ausgeführt werden soll. Eine »Erklärung« ist auch hiermit nicht geliefert, sondern nur eine der Bedingungen oder begleitenden Umstände klargelegt, unter denen die betreffende Erscheinung auftritt, eine Erklärung besitzen wir über die Ursachen derartiger Wachsthumsverhältnisse über- haupt nicht, auch die Thatsache, dass gewöhnlich Alternation stattfindet, ist nur eine Erfahrungs- thatsache, über deren Grund wir nichts wissen. Damit soll das Vorkommen von Verdopplung gar nicht geleugnet werden, warum sollten Staubblattanlagen sich nicht ebenso gut dichotomiren oder sonst verzweigen können wie andere Organanlagen? Nur ein »congenitales Dedoublement« existirt für mich nicht, sondern wo man Verdopplung annimmt, muss sie auch nachgewiesen werden, so gut das eben bei unseren gegen- wärtigen Hilfsmitteln geht. Es findet sich solche Verdopplung in der That auch z. B. bei Phytolacca, wahrscheinlich auch den Cruciferen. Das Vorkommen von Staubblättern, die in ihrem unteren Theile einfach, oben in zwei Filamente gespalten sind, beweist für eine Verdopplung zunächst gar nichts. MoQumn-TAnDoNn und andere nach ihm haben darin in manchen Fällen allerdings ein »dedoublement incomplet« gesehen, wobei die gemeinsame Basis den Theil des Organs repräsentirt, der sich nicht gespalten hat. Allein der Vorgang kann ebenso gut auf einer Verwachsung beruhen, wie ich dies für gelegentliche Vorkommnisse bei Crafaegus Oxyacantha nachgewiesen habe. Staubblätter, welche nicht einmal demselben Wirtel angehören, verwachsen hier so, dass sie ein gemeinsames Basalstück haben (vergl. Fig. 13, Taf. V. Bot. Zeit. 1882). Ein elegantes Beispiel für Verzweigung gewöhnlich einfacher Staubblattanlagen hat dagegen EicHLEr!) für die gefüllten Blüthen von Zeiunia aufgefunden. Die wie bei der normalen Blüthe als einfache Höcker auftretenden Staubblattanlagen verzweigen sich hier in verschiedener Weise bei der Füllung in zwei oder mehrere besondere Höcker, welche zu den bei der Füllung auftretenden Blatt- gebilden werden. Was hier in abnormer Weise vorkommt, das kann sicher in andern Fällen normal sein. Nur erfordert eben jeder einzelne Fall auch sorg- fältige Prüfung, denn es kann auf ganz verschiedenen Vorgängen beruhen, wenn bei einer Blüthe an Stelle einer Staubblattanlage deren zwei oder mehr auftreten, und es heisst von vornherein den Weg zu weiterer Forschung abschneiden, wenn man sich überall mit der Annahme einer Verdopplung beruhigt. Auch an andern Blattgebilden treten Erscheinungen auf, die hier im An- schlusse besprochen sein mögen, nämlich der Ersatz einer einfachen Blattanlage durch deren mehrere. Ein sehr anschauliches Beispiel habe ich für die Hüll- blätter, welche an den kolbigen Inflorescenzen unserer ZypAa-Arten stehen, be- schrieben. Diese Hüllblätter sind zweizeilig gestellt. Gegen das Ende der Inflorescenzachse hin treten Hüllblätter auf, die tief gespalten sind. So z.B. das in Fig. 61 mit 3 bezeichnete Hüllblatt. Das rechts stehende Theilstück desselben steht schon vollständig isolirt, noch weiter oben bei 5 sind drei vollständig iso- lirte Blattanlagen aufgetreten. Diese Blattanlagen bleiben auch weiterhin so klein, dass sie im fertigen Zustand nicht mehr hervortreten, resp. unter den Blüthen versteckt sind. Hier liegt also ein Uebergang vom einheitlichen Organ I) Einige Bemerkungen über den Bau der Cruciferenblüthe und das D&doublement. Flora 1869. & 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 299 ‘7, zum gespaltenen bis zum Ersatz durch mehrere getrennte Organe vor. Es wäre nur eine Wortumschreibung, wenn man sagen wollte, das die letzteren tragende gemeinsame Basalstück sei nicht zur Ausbildung gelangt. Der Vorgang ist viel- mehr offenbar der, dass gegen das Ende der Inflorescenzachse hin eine, wenn wir uns mit C. Fr. WoLr ausdrücken wollen, »vege/atio languescens« stattfindet, eine Schwächung in der Anlage der Vegetationsorgane.!) Folge derselben ist Isolirtwachsen einzelner Partieen der Blattanlage, dass die Zone des Inflorescenz-Vegetationspunkts, welche sonst in ihrer Totalität zur Blattanlage auswuchs, nur an einzelnen Stellen noch einige Höcker hervortreibt, während in den Zwischenpartieen das Auswachsen unterbleibt. Es ist mir nicht wahrscheinlich, dass »Dedoublements«-Erscheinungen in Blüthen auf einen analogen Vorgang zurückgeführt werden können. Wohl aber findet er sich, wie WARMING?) in seiner ausgezeichneten Abhandlung über die Blüthen- entwicklung der Compositen gezeigt hat, auch bei andern Hochblättern, und zwar bei den Stützblättern (Brakteen) in den Compositeninflorescenzen. So z. B. bei Xeranthe- mum macrophyllum (a. a. O. pag. 10). Die Blätter des In- volucrums gehen hier wie in andern Fällen ganz allmäh- Fig. 61. (B. 382.) lich in die Stützblätter der Blüthen über. Die äusseren Oberes Ende einer jungen, > Ä : : : noch blüthenleeren Inflores- der letzteren sind ungetheilt, die weiter nach innen 5 , Junge Blüthe, an der Basis um- Von andern analogen Fällen seien hier nur die geben von einem Borstenkranze, Laurineen und Thymeleen genannt (PaveEr, Taf. 96) der BI ea 2; und als besonders deutliches Beispiel ZypAa (Fig. 68). DIE DEE Die weibliche Blüthe besteht nur aus einem Carpell, das an seiner Basis mit einer Anzahl von Borsten besetzt ist (vergl. Fig. 67, 1). Die weibliche Blüthe hat zu- nächst die Gestalt eines annähernd cylindrischen oben mit einer halbkugligen Wölbung abschliessenden Zapfens. Das Carpell wird angelegt, indem die Spitze der Blüthenanlage sich kraterförmig vertieft, 'die eine Seite des Randes wächst stärker und bildet später die lange Narbe, der untere geschlossene Theil des Fruchtknotens producirt eine wandständige Samenknospe (sk Fig. 68, 2). Wenn oben mehrfach (z. B. bei Papilionaceen und Rosaceen) von einer »Aushöhlung« der ursprünglich als halbkugeliger Höcker auftretenden Carpell- anlage gesprochen wurde, so ist dies natürlich nur eine Bezeichnung für den äusseren Vorgang der Gestaltänderung, welche durch die verschiedene Wachsthums- vertheilung in den einzelnen Partien der Fruchtblattanlage zu Stande kommt. In andern Fällen, wie bei den Papilionaceen hat die Fruchtblattanlage anfangs 314 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. nicht annähernd halbkugelige, sondern abgeflachte, meist hufeisenförmige Gestalt, eine Differenz, die auch bei der vegetativen Blattentwicklung auftritt, und der wir eine weitergehende Bedeutung durchaus nicht beilegen. Ueberblicken wir speciell die Placentation bei den apokarpen Gynaeceen, so finden wir Samenknospen a) randständig — bei den Papilionaceen, b) nahe dem Rande aus der Carpellfläche entspringend bei Zelleborus, Delphi- nium u. a., ie ce) flächenbürtig bei Automus, Astrocarpus, d) aus der Carpellsohle entspringend: Aanunculus. Uebergänge zu diesem Modus von b resp. c aus bei den Rosaceen, d) in der Achsel des Carpells aus der Blüthenachse: Beispiel Corzaria, e) terminal aus dem Blüthenvegetationspunkt: Gräser. In verschiedenen Familien finden sich neben Formen mit apokarpen Gynae- ceen solche mit synkarpen, oder mit Uebergängen zwischen beiden. Es lassen sich zunächst zwei Kategorien synkarper Gynaeceum-Entwicklung unterscheiden: solche, die mit, und solche, die ohne Betheiligung der Blüthenachsenspitze zu Stande kommen. Dass beide Kategorien auch hier nicht scharf trennbar sind, zeigt sich schon in der Thatsache, dass in ein und demselben Fruchtknoten die untere Partie nach dem zweiten, die obere nach dem ersten Modus zu Stande kommen kann. Im Folgenden handelt es sich bei der grossen Mannigfaltigkeit der bier stattfindenden Vorgänge nur um Hervorhebung einiger Beispiele. 2. Synkarpe Fruchtknotenbildung. a) Ohne Betheiligung der Blüthenachsenspitze. a) Mit parietaler Placentation. Einen sehr einfachen Fall zeigt die Ranunculacee Garidella nigellastrum (vergl. PAvER, a. a. O. und unsere Fig. 69). Wie Fig. 69 zeigt, sind die Carpelle nur in ihrem unteren Theile mit ein- ander vereinigt, im oberen aber frei. Sie wurden als distinkte hufeisenförmige Wülste angelegt, nach einiger Zeit aber auf ge- meinsamer becherförmiger Basis emporgehoben, so (B. 390.) Fig. 69. dass also das Gynaeceum Fruchtknotenentwicklung von Garidella nigellastrum nach PAYER. jetzt die Form eines die I in Oberansicht, die beiden Fruchtblattanlagen sind hufeisen- Blüthenachse umgebenden jungen Fiuchtkooten: 3 Ankenansicht cines etwas älteren, die Dechers besitzt, dEnEiE beiden Fruchtblätter sind an ihrer Basis »verwachsen«e. 4 Längs- nach oben hin in die bei- schnitt eines 3 entsprechenden Stadiums, pl Placenta. 5 Längs- den Carpelle theilt. Die schnitt durch einen älteren Fruchtknoten. li ' Ei Mi ja HE 67 Placenten werden auch hier durch die angeschwollenen Ränder der Fruchtblätter gebildet, und diese Ränder verlaufen selbst über den becherförmigen Theil (Fig. 69, 5) als getrennte Wülste. ER ET u Ey Se SE Me le FR FR el aa HR a Ri ae rs - j 3 £ x k Sr oe € ER A” z 4 4 ” 2 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). BUS In analoger Weise findet sich derselbe Vorgang nun in einer Vielzahl von Fällen, nur dass häufig in der Placentenbildung eine Vereinfachung in der Weise auftritt, dass statt der beiden, den Carpellrändern entsprechenden Placentenwülste auf der Innenseite des Fruchtknotenbechers nur je ein einziger Placentarwulst an der betreffenden Stelle auftritt. Auf diesen Placentarwülsten stehen dann häufig die Samenknospen in Vielzahl, so dass es ganz unmöglich ist, dieselben als aus den Randtheilen eines Fruchtblattes entsprossen zu betrachten. Die Placentar- wülste wachsen nicht selten so sehr als Leisten gegen das Centrum des Frucht- knotens hin, dass der letztere dadurch mehrfächerig wird. Einige Beispiele, bei welchen wir also ausschliesslich von der erwähnten Art der Placentation ausgehen, mögen das Gesagte erläu- tern. Die Carpelle von Cistus populi- Jolius (Fig. 70), wer- den angelegt in Form von Quer- wülsten, die einan- der zwar ziemlich genähert sind, aber anfangs doch nicht Fig. 70. (B. 391.) unter sich zusam- stus populifolius (nach PAveEr), ı. Blüthe seitlich von oben; der Frucht- 2 knotenbecher mit 5 Placentawülsten ist angelegt, unterhalb derselben zahl- menhängen. reiche Staubblätter. 2 Halbirter Fruchtknotenbecher mit Placentawülsten In Fig. 70, I, vor Anlage der Samenknospen. 3 Fruchtknoten zur Zeit der Samen- sehen wir den Nmospenanlegung, der obere Theil desselben wird später zum Griffel. Fruchtknoten schon in Becherform mit fünf ausspringenden Kanten, deren Spitzen der Mitte der Fruchtblattanlagen entsprechen, welche schon auf ge- meinschaftlicher ringförmiger Basis emporgehoben worden sind. An der- jenigen Stelle des offenen Fruchtknotenbechers, welcher der Trennungs- linie zwischen je zwei Carpellanlagen entspricht, sehen wir je einen auf der Innenwand des Fruchtknotenbechers verlaufenden dicken Längswulst auftreten: die Placenten.!) Die freien, die Ecken des Fruchtknotenbechers oben abschliessen- den Carpellränder wachsen nun in manchen Fällen z. B. Reseda, Hypericum- Arten zu eben so vielen Griffeln aus, indem sich die Ränder aneinanderlegen und so die Griffelröhre bilden. Wir haben dann also eine Fruchtknotenhöhlung, auf welche mehrere distinkte Griffel zuführen. Bei Cis/us ist dies nicht der Fall, bier wird die Griffelröhre gebildet durch starke Verlängerung des oberen Theiles des Fruchtknotenbechers. Dass derselbe seinen Anfang genommen hat mit der Bildung von fünf distinkten Fruchtblättern lässt sich äusserlich nur noch an dem Vorhandensein von fünf Narben erkennen (Fig. 70, 3). Die Placenten dringen als Leisten bis in die Mitte des Fruchtknotens hin vor und tragen jeder- seits -zwei Reihen von Samenknospen, der Fruchtknoten wird dadurch unvoll- kommen fünffächerig. Eine andere Lage der Placentenwülste, als die angegebene d. h. an der I) Dieselben brauchen in derartigen Fällen nicht nothwendig als Sprossungen der Innen- seite des Fruchtknotenbechers betrachtet zu werden, sondern können gleich anfangs mit dem- selben emporwachsen; ohne Zweifel kommen beide Fälle vor, bei Cis/us aber setzen sich nach den PAver’schen Abbildungen die Placenten nicht auf den Grund des Fruchtknotenbechers fort, 316 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Stelle, welche der Verwachsungsstelle der Fruchtblätter entsprechen würde, wenn der Fruchtknotenbecher aus Verwachsung ursprünglicher freier Fruchtblätter zu Stande käme, ist für Fruchtknoten dieser Art nicht bekannt. A friori wäre es ja auch ganz gut denkbar, dass die Placenten z. B. auf der Mittellinie der Frucht- blätter entstünden, wie wir ja wissen, dass Samenknospen in einigen Fällen auf der Mittellinie der Fruchtblätter auftreten. Derartige Angaben existiren auch für die Placenten, allein sie beruhen, wie wir mit Sicherheit annehmen dürfen, auf Irrthum, ebenso wie die Anschauung, dass die Placenten »vollständige unab- hängige aber mit den Fruchtknoten verwachsene Gebilde« sein sollen, wie HuvisGen!) dies für Aeseda luteola und die Cruciferen angiebt. In der That ge- nügen successive Querschnitte durch den Fruchtknoten von Zeseda luteola um den Irrthum zu beseitigen oder schon ein einziger Schnitt, wie der in Fig. 71, A, abgebildete, welcher an der Stelle geführt ist, wo sich von dem Fruchtknotenbecher die freien Theile der einzelnen Fruchtblätter trennen. An der mit A bezeichneten Stelle sieht man die Ränder zweier be- nachbarter Fruchtblätter frei ausgebildet (ein weiter oben geführter Schnitt- zeigt drei iso- lirte Fruchtblätter der Quer- schnitt eines jeden ist wie in Fig. 71, B). Die beiden freien Ränder gehen nach unten con- Reseda luteola, Fruchtknotenquerschnitte. A an der Grenze . ... 2 f ; zwischen Fruchtknotenbecher und den freien Theilen der tinuirlich über in die Placenta Fruchtblätter; bei A sieht man die Ränder zweier an- und wir sehen, dass dieselbe einander grenzender Fruchtblätter oben frei, unten durch : re - s das schraffirte Gewebe a vereinigt. pl Placenten, r Rand I ER eigentlich Zee der Fruchtblätter, sk Samenknospen. B Querschnitt durch gesetzt ıst aus Gewebetheilen, den freien Theil eines Fruchtblattes. Dasselbe trägt auf welche den beiden Carpell- seiner Innenfläche (Oberseite) zwei junge Samenknospen (stärker vergr. als A). N N 3% (B. 392.) Fig. 71. rändern entsprechen, und die Vorsprünge ır bilden und einem Mittelstück, welches ausdem Achsengewebe?)zwischen den Carpellen hervorgegangen ist (a Fig. 71). Die freien Carpelltheile selbst können in ihrem unteren Theile ebenfalls noch Samenknospen tragen, wie die beiden Querschnitte, namentlich Fig. 71, B, zeigen. Es stimmt also das Bild, welches ein fertiger oder nahezu fertiger Fruchtknoten von Reseda Zuteola oder auch von Cistws giebt, vollständig überein mit der Entwicklungsgeschichte, welche uns zeigt, dass der becher- förmige Theil des Fruchtknotens durch interkalares Wachsthum der Insertions- zone der Carpelle zu Stande gekommen ist. Die Placenten entstehen an dem Theile des Fruchtknotenbechers, welcher der Verbindungszone zwischen je zwei Carpellen entspricht, es hat sich das Vegetationspunktgewebe hier aber nicht in freie Blattränder und ein zwischen ihnen gelegenes Achsenstück differenzirt, son- dern die Placenta erscheint als einheitliche Bildung. Unrichtig aber wäre es zu sagen, sie entstehe durch Verwachsung der Blattränder, oder sie wie HUISGEN 1) HuIsGEn, Untersuchungen über die Entwicklung der Placenten. Bonn 1873 (Dissertation.) 2) Dass damit nicht etwa statuirt werden soll, dass die Placenten »axiler Natur« seien braucht nach’ dem oben Gesagten wohl kaum betont zu werden. 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 317 als selbständige mit den Carpellen gleichwerthige »Blasteme« zu betrachten. Ebensowenig Berechtigung hat dies bei den Cruciferen, wo sie von HuIsGEn!) ebenfalls als ein innerer mit den Carpellen alternirender Blattkreis aufgefasst werden, während sie der gewöhnlichen Auffassung zu Folge als aus je zwei ein- geschlagenen Rändern der Fruchtblätter verwachsen betrachtet werden. Ein Querschnitt durch einen Cruciferenfruchtknoten, z. B. den von Sinapis arvensis (Fig. 72), zeigt den Fruchtknoten ahgetheilt durch eine Scheidewand, an der aber unschwer zu erkennen ist, dass sie hervorgegangen ist aus der Ver- wachsung zweier in der Mitte des Fruchtknotens einander berührenden Sprossungen, nämlich &ben der Placenten (Fig. 72, 4). Der Fruchtknoten vor Anlegung der Samenknospen hat einen —.. elliptischen Querschnitt, die Placenten treten als breite Wülstehervor, auch hier an der Vereinigungs- stelle der beiden Frucht- blätter, ein freier Rand der letzteren wird aber weder jetzt noch später ausgebildet. Treten doch die Fruchtblattanlagen selbst, hier, wenn über- haupt so jedenfalls nur sehr kurze Zeit als freie, 2a Fig. 72. (B. 393.) Ä 1—4 Fruchtknotenquerschnitte verschiedener Entwicklung von gesonderte Bildungen Sinapis arvensis. sk Samenknospen, die Placenten in der Mitte hervor, denn sie werden mit einander zu einer Scheidewand verwachsen. 5 Querschnitt > d i j i "icolor. 2 sehr. früh schon auf ge- urch einen jungen Fruchtknoten von Viola tricolor. pl Placenta. meinschaftlicher Basis emporgehoben. Hier wie bei Reseda stehen die Samen- knospen übrigens nicht am Rande der Placenten, sondern an deren Grund. Ursprünglich ist allerdings das erstere der Fall, dann aber findet eine Ver- längerung des mittleren Theiles der Placenten statt, welche im Centrum des Fruchtknotens zusammenstossend und hier mit einander verwachsend die Scheide- wand desselben darstellen,’) wie dies aus der Vergleichung der Figuren 1, 2, 3, 4 in Fig. 72, hervorgeht. Ebensowenig können wir der Meinung beipflichten, dass die Placentarleisten bei Viola auf der Mitte der Carpelle verlaufen — es liegt gar kein Grund vor, ihnen hier eine andere Stellung zu vindiciren, als in den oben betrachteten Fällen (vergl. den Querschnitt Fig. 72, 5). Nur als eine geringe Modification des besprochenen Typus der Frucht- knotenentwicklung können wir es betrachten, wenn die Fruchtblätter bei dem Sichtbarwerden der Fruchtknotenanlage nicht als gesonderte Sprossungen sicht- bar sind, sondern der Fruchtknoten gleich in Form eines einheitlichen Ringwalles auftritt. Wir wissen ja auch von der vegetativen Blattentwicklung, ferner der Blumen- I) a. a. O., pag. I4. — Vergl. ausser der Darstellung PAver’s (Taf. 44) besonders EICHLER, Ueber den Blüthenbau der Fumariaceen, Cruciferen und einiger Capparideen, Flora 1865. Meine Beobachtungen über die Carpellentwicklung stimmen mit denen EICHLER’s ganz überein. 2) Nicht bei allen Cruciferen findet sich eine solche Abtheilung des Fruchtknotens, bei Selenia bleibt die Scheidewand in der Mitte unterbrochen, bei den Isatideen unterbleibt die Scheidewandbildung überhaupt. 318 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. krone von Cucurbita etc., dass als erste Anlage eines Blattwirtels vielfach zuerst eine ringförmige Erhebung des Stengelvegetationspunktes auftritt, auf der dann erst die einzelnen Blattanlagen hervortreten. Eine solche einheitliche Anlage des Fruchtknotens findet sich z. B. bei Viola, manchen Papaveraceen etc. ß) Mit basaler Placentation. Es wird unten bei Besprechung der Griffelentwicklung noch darauf hinzu- weisen sein, dass vielfach die Placenten nicht in ihrer ganzen Ausdehnung Samen- knospen tragen. Bei den Geraniaceen z. B. entsteht ein Fruchtknotenbecher, an dessen Bildung sich fünf Fruchtblätter betheiligen ganz in der gewöhnlichen Weise mit fünf Parietalplacenten. Jede derselben trägt nur an ihrem unteren Theil zwei samenknospen (Fig. 73, C), im Griffeltheile des Fruchtknotens dagegen verwachsen c (B. 394.) Fig. 73. Erodium cicutarium, A Querschnitt durch den Griffelkanal, B durch den unteren, samen- knospen tragenden Theil des Fruchtknotens, C Längsschnitt eines jungen Fruchtknotens. die fünf Placenten mit einander (Fig. 73, A). Endlich finden wir auch beim syn- karpen Fruchtknoten ebenso wie beim apokarpen den Fall, dass auf jedes Frucht- blatt nur eine Samenknospe kommt.!) Als Beispiel diene Malva. Bei Malva syl- vestris (Fig. 74) entstehen die Carpelle nach Anlage der Staubblattröhre als kleine Protuberanzen am Rande des flach gewölbten Blüthenvegetationspunktes. Vor der Mitte jedes Carpells bildet sich eine Vertiefung (Fig. 74, E), und der Car- pellmitte gegenüber entspringt aus dem Blüthenvegetationspunkt die Samen- knospe (Fig. 74, B). Bei der derselben Familie angehörigen Arfaibelia dagegen ist der Vorgang ein ähnlicher wie bei Adlanthus (Paver, Taf. 8, Fig. 19): es er- hebt sich das Blüthenachsengewebe vor jedem Carpell zur »Sohle« und trägt die Sameriknospe. Die Differenzen von Adlanthus und Coriaria bestehen eben nur in der synkarpen Ausbildung des Malvaceen-Gynaeceums. Bei anderen Malva- ceen wie Hibiscus ist die Placentation parietal, ebenso bei Zavonia. Die Diffe- renz der Placentation erscheint aber nicht sehr gross, wenn man Malva als eine Form betrachtet, bei welcher eine Carpellarsohle nicht zur Ausbildung kam, bei Kitaibelia ist dies andeutungsweise noch der Fall, und zwischen Carpellen mit sohlenbürtigen Samenknospen zu solchen, bei denen die letzteren aus Parietalpla- centen entspringen, besteht ohnehin keine wesentliche Differenz, oft genug kommt in einem und demselben Carpell beides vor. I) Bei Zumaria, wo EICHLER für den aus zwei Fruchtblättern gebildeten Fruchtknoten nur eine Samenknospe angiebt, ist dies nur scheinbar der Fall (Blütendiagr. I. p. 196): drei andere verkümmern regelmässig. Fa AN A Pe Se a x .Yy as 3 » Br u y 4, 5 “ : > y u 7 . 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 319 Wäre der Blüthenvegetationspunkt von Malva, an welchem die Samenknospen entspringen, in Form einer Placenta ausgebildet, so würde dieser Fall in die nun folgende Kategorie gehören, so aber schliesst sich das besprochene Verhalten doch noch den andern eben geschilderten Fällen an, in denen der Blüthenboden nur insofern in die Fruchtknotenbildung eintritt, als eine ringförmige Zone des- selben die Carpellanlagen emporhebt. b) Synkarpe Fruchtknotenbildung unter Betheiligung der Blüthenachsenspitze. Es finden sich zunächst Fälle, die dem vorigen sich noch anschliessen. So z. B. bei den Pyrolaceen. Die Anlage des Fruchtknotenbechers geschieht con- form den oben beschriebe- nen Fällen: die Placenten erscheinen als Anschwellun- gen der Innenwand dessel- ben, der Vereinigungsstelle zweier Fruchtblätter entspre- chend. Dann aber bildet sich vor der Mitte jedes Fruchtblattes eineVertiefung d. h. der Theil des Blüthen- vegetationspunktes, an wel- chem sich die Placenten an- setzen, wächst nun mit dem interkalar in die Höhe wach- sendenFruchtknoten gemein- samt), und die Placenten- anschwellungen setzen sich auch über diesen Theil der Blüthenachse fort. Sokommt es, dassder Querschnitteines solchen Fruchtknotens ganz verschiedene Bilder gewährt, ) h Fig. 74- (B. 395.) je nach der Höhe, in wel- : : Malva silvestris. A Fruchtknotenlängsschnitt mit Embryo- (E cher ‚man . AD 1: haltiger Samenknospe. B junge Blüthe, an welcher die = nach der Höhenregion des pelle noch nicht angelegt sind, im Längsschnitt; die den Fruchtknotens, durch wel- Blüthenvegetationspunkt umgebende Röhre trägt die Staub- chen man den Querschnitt blätter. C ältere Blüthen mit Carpellanlagen (cp) v Blüthen- 3 ; vegetationspunkt. D in den Achseln der Carpelle sind Samen- legt, erhält man ein Bild, knospen aufgetreten. E Gynaeceum mit Blüthenvegetations- das fünf Parietalplacenten punkt halbirt. zeigt, oder eins bei welchen die Placenten durch eine Mittelsäule vereinigt sind — an- derer kleiner Differenzen nicht zu gedenken. Auch in sehr vielen anderen Fällen kommt es vor, dass die Placenten im oberen Theil desFruchtknotens wandständig, im unteren mit der Blüthenachse vereinigt sind (z. B. Solaneen). Oben wo die Placenten frei, nicht mit dem Gewebe der Blüthenachse vereinigt sind, erscheint der Frucht- knoten einfächerig, unten aber in vier Fächer abgetheilt dadurch, dass die Placenten hier im Zusammenhang mit dem Gewebe des Blüthenvegetationspunktes blieben. Was hier erst im Verlaufe der Entwicklung geschieht, d. h. das Vereint- 1) So hat natürlich auch PAYER es gemeint, wenn er bei Beschreibung der Fruchtknoten- entwicklung von Zrica von Aushöhlungen spricht. HuisGEn’s Correctur (a. a. O. pag. 20) ist deshalb ebenso überflüssig als unpassend. 320 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. wachsen von Blüthenvegetationspunkt und Placenten, das tritt in andern Blüthen von Anfang auf. Ein Querschnitt durch den Fruchtknoten einer Solanee, z. B. Ayoscyamus oder Micotiana (Fig. 75) zeigt uns einen zweifächerigen Fruchtknoten, die Placenten sind breite Wülste, welche beiderseits an der Scheidewand, welche den Frucht- knoten in zwei Fächer abtheilt, entspringen. Eine derartige Placentation kann zu Stande gekommen sein dadurch, dass zwei wandständige Placentarleisten bis in die Mitte des Fruchtknotens vor- N gedrungen sind und dort mit ein- & ander verwachsen, wie dies in der Fig. 75, A, durch die gestrichelte Con- tour angedeutetist. DerUmstand, dass die Placenten in ihrem oberen Theil A B von Micotiana (dies Verhalten ist auch sonst häufig, es findet sich z. B. auch bei Papaver) zweitheilig sind, scheint die erwähnte Deutung zu unterstützen. Verfolgt man aber die Entwicklung so zeigt sich, dass ein anderer Vorgang stattfindet. Die beiden Carpelle entstehen als hufeisenförmige Sprossungen (anderwärts als Ringwall), welche die Achsenspitze umgeben, und welche später durch interkalares Wachsthum ihrer Insertionszone emporgehoben werden. Ein Längsschnitt durch einen jungen Fruchtknoten zeigt, dass der Blüthenvegetationspunkt zwischen den Carpellen flach ist. Dann aber entsteht vor der Mitte eines jeden Carpelles eine grubenförmige Vertiefung, dadurch, dass die Mittelregion des Blüthenvegetationspunktes ein gesteigertes Wachsthum zeigt. Durch zwei Leisten hängt er mit den Carpellen zusammen; je nach der Richtung, in welcher man einen Längsschnitt führt, sieht man die Blüthenachse frei in die Fruchtknotenhöhle vorspringen oder mit dem Carpellgewebe ver- bunden. Die Placenten entstehen als Anschwellungen der Fruchtknotenscheide- wand. Anders ausgedrückt ist der Sachverhalt also der, dass die Stellen der Fruchtknotenanlage, an welchen in den oben beschriebenen Fällen die wand- ständigen Placentarleisten sich befanden, sich hier nicht von dem Blüthenvege- tationspunkt trennen, sondern dass das Gewebe desselben gemeinschaftlich mit jenen, den Verwachsungsstellen der Fruchtblätter entsprechenden Theilen des Fruchtknotenbechers emporwachsen. Der Griffel wird hier wie gewöhnlich von dem oberen Theile des Fruchtknotenbechers allein gebildet. Es ist klar, dass die Blüthenachse an der Placentenbildung direkt Antheil nimmt, und zwar ein- fach dadurch, dass sie mit dem Fruchtknotenbecher und an zwei Stellen in Ver- bindung mit demselben emporwächst. Analoge Verhältnisse, den Placenten ver- wandt, zeigen uns die Boragineen, manche Scrophularieen!) u. a. Bei einer Mehrzahl von Fruchtblättern ist der Vorgang ein ganz ähnlicher, wie der von Ayoscyamus und Micotiana geschilderte. Ein Beispiel, welches eine Ueber- gangsform zu dem Typus liefert, bei welchem die Placenten wandständig an einem Fruchtknotenbecher sind, der durch Emporheben ursprünglich getrennt entstandener Fruchtblattanlagen entstand liefert z. B. Oxalis.?2) Die fünf Fruchtblätter entstehen (B. 396.) Fig. 75. Micotiana watissima. A Querschnitt durch den oberen, B durch den unteren Theil eines Fruchtknotens. I) Als günstiges Untersuchungsobjekt seien hier namentlich die Pedieularis-Arten genannt. 2) Für Oxalis lasiandra giebt HOFMEISTER (Flora 1861, pag. 409) eine wesentlich andere Fruchtknotenstruktur an, nämlich Uebereinstimmung mit dem oben erwähnten Fruchtknotenbau von Geranium, Erodium etc. Bei Oxalis stricla, der einzigen mir zu Gebote stehenden Form, 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 321 hier in einem Wirtel, die breite abgeflachte Achsenspitze umgebend. Jedes Frucht- blatt ıst von dem anderen ursprünglich durch eine relativ breite Blüthenachsenzone getrennt. Die Fruchtblätter gewinnen zunächst Hufeiseniorm, statt dass sie aber auf einer becherförmig werdenden Insertionszone emporgehoben werden, ist der Vorgang vielmehr der, dass vor jedem Fruchtblatt in der Blüthenachse eine Aus- höhlung entsteht, resp. dass der mittlere Theil des Blüthenvegetationspunktes mit emporwächst. Es entsteht so ein fünffächeriger Fruchtknoten, bei welchem die oberen freien Theile der Fruchtblätter die Griffel bilden. Ein Querschnitt durch den unteren Theil, den eigentlichen Fruchtknoten, zeigt also eine mittlere Partie, an welche die Ränder- der Carpelle sich an- setzen, sie bleiben aber mit dieser mittleren Partie vereinigt und an den Stellen der Mittel- säule, wo die Carpell- ränder sich ansetzen, verlaufen in jedem Fache zwei Längsleis- Fig. 76. (B. 397.) ten: die Placenten. Querschnitte durch den Fruchtknoten von Oxalis stricta. A junger Ohne Zweifel entspre- Fruchtknoten vor Anlage der Samenknospen. B älterer Fruchtknoten, - . in dessen Fächern je zwei Reihen Samenknospen sich befinden. chen diese letzteren je C Querschnitt durch den oberen Theil eines Fruchtknotens etwas einem Randtheile eines älter als A, die Ränder der Fruchtblätter setzen sich dem Blüthen- Fruchtblattes, das sich vegetationspunkt (Ax) an, mit welchem sie weiter unten ganz ver- einigt bleiben. nur eben von dem Ge- webe des Blüthenvegetationspunkt nicht getrennt hat. Ganz ähnlich ist der Vor- gang bei /mpatiens und in anderen Fällen. | Eine weitere Vereinfachung ist die, dass die Carpelle nicht mehr als freie Blattanlagen angelegt werden, und die einzelnen Fächer eines mehrfächerigen Fruchtknoten, wie es z. B. der von Oxaäs ist, nicht mehr durch die beiden, von einander getrennten Seitenwandungen der Carpelle (vergl. Fig. 76, B) getrennt werden, sondern dass diese Scheidewände von Anfang an einfach sind, wie die von Micotiana. Es geschieht dies dadurch, dass vor jedem Carpell eine Grube entsteht — die Anlage eines der späterhin auftretenden Fruchtknotenfächer — Diese Gruben vertiefen sich und sind von einander getrennt durch eine einfache Scheidewand: Gewebe des Blüthenvegetationspunktes, das sich nicht in zwei Carpellwände gesondert hat. Es ist klar, dass auch dieser Fall vom vorigen nicht scharf zu trennen ist, man braucht sich nur zu denken, dass die Aussenwand jedes Fruchtknotenfaches ein sehr gesteigertes Flächenwachsthum erfahre, während das zwischen zwei Fruchtknotenfächern liegende Gewebe des Vegetationspunktes sehr wenig wächst, so erhält man ein mit dem vorher geschilderten analoges Verhalten der Fruchtknotenbildung. Besonders klar wird dies hervortreten, wenn man die Fruchtknotenbildung der Caryophylleen mit der von Oxalis vergleicht. Als Beispiel diene Malachium aquaticum. (Fig. 77, 1—5.) Die Carpelle werden hier ursprünglich als kleine, unter sich freie Höcker angelegt, die aber später nur durch ein schmales Stück Blüthenachse von einander getrennt sind. Vor jedem Carpell entsteht nun eine Vertiefung in dem Blüthenvegetationspunkt, welche lässt sich die Abwesenheit des von HOFMEISTER angegebenen axilen bis zum Niveau des unteren Endes der Fruchtknotenfächer reichenden Kanales unschwer constatiren. ScHEnK, Handbuch der Botanik, IU. 21 322 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. zum Fruchtknotenfach wird. Das zwischen zwei Fächern liegende, ursprünglich sehr schmale Stück der Blüthenachse wächst auch bei der Vergrösserung des Fruchtknotens mit und bildet so die Scheidewand zwischen je zwei Fächern. Das centrale Stück der Blüthenachse, an welches sich die Scheidewände des Frucht- knotens ansetzen, wächst anfangs stärker, als die Fruchtblätter seibst, und ragt in Folge dessen über dieselben hervor. (Fig. 77, 1.) Erst später überwächst die Fruchtknotenwand die Blüthen- achse, zu einem Zeitpunkt, wo die oberen Samenknospen schon angelegt sind (Fig. 77, 4), die Scheidewände setzen sich als Leisten auf die Wand dieses kurzen Fruchtknotenbechers fort, der aber keinen Griffel bildet, sondern seine fünf Vor- sprünge (N Fig. 77, 5) sofort zu Narben auswachsen lässt. (Vgl. den Längsschnitt von Melan- dryum Fig. 77, 6.) Die Samen- |»l knospen stehen in jedem Fach in zwei Reihen: an den Stellen, wo die Blattränder der Car- pelle sich an die Blüthenachse ansetzen würden, wenn freie Carpellrändervorhanden wären. Rıe,77. (B. 398.) 1—5 Malachium aquaticum. ı Blüthenlängsschnitt, st, Staub- blatt des ersten, st, des zweiten Kreises, der Fruchtknoten ist noch überragt von dem Blüthenvegetationspunkt. 2 Quer- schnitt durch einen Fruchtknoten, derselbe ist fünffächerig, wird aber, wie Fig. 3 (der Querschnitt eines älteren Frucht- knotens) mit scheinbar freier Placentation einfächerig; die Scheidewände sind auseinandergezogen worden, und bis auf kleine Reste verschwunden. Fig. 4 Querschnitt durch einen jungen Fruchtknoten, die Samenknospen werden eben erst angelegt. 5 Oberansicht eines jungen Fruchtknotens, N Stelle eines Fruchtblattes, die sich zur Narbe entwickeln wird. 6 Längsschnitt durch eine weibliche Blüthe von Melandryum album. Die Placenten setzen sich im Fruchtknotenbecher noch eine Strecke weit auf die Innenwand hinauf fort. st verkümmerte Staubblätter. Die Samenknospen stehen hier also an der Blüthenachse selbst, trotzdem werden wir darin keinen irgendwie wesentlichen Unterschied gegenüber anderen Placentations - Arten constati- ren. Später schwinden die Scheidewände, die Zellen der- selben werden gelockert, beim weiteren Breitenwachsthum aus- einandergezogen, der Rest der Trennungswandvertrocknetund man erkennt an der Innenwand des fertigen Fruchtknotens nur noch die Stellen, wo sich die Scheidewände ansetzten)). “ 1) Es ist also das Vorkommen einer »freien« Centralplacenta hier wie bei anderen Caryo- phylleen (AMelandryum album z. B. verhält sich im Wesentlichen ebenso wie Malachium) nur ein sekundäres, durch Schwinden der Scheidewände veranlasstes. Die Angaben ROHRBACH’s (Morpho- logie der Gattung Silene. Inauguraldissertation, Berlin. 1868) über die Entwicklung des Fruchtknotens von Silene (pag. 33. a. a. O.), wonach das Mittelsäulchen von Sieze durch Verwachsung von 6 Blatträndern entstehen soll, kann ich, wenigstens für Sileze pendula (und andere Arten werden sich wohl ähnlich verhalten) nicht bestätigen. Die Fruchtblätter entstehen zu dreien dicht unter der Spitze des ziemlich hoch gewölbten Blüthenvegetationspunktes. Vor jedem Fruchtblatte sieht man nun eine Grube auftreten, die Oberfläche des Blüthenvegetationspunktes, also abgetheilt durch drei Leisten: die Anlagen der von Anfang an einfachen (nicht wie ROHRBACH angiebt, 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 323 War die mit den Carpellen gleichzeitig emporwachsende Blüthenachse in den vorhin beschriebenen Fällen mit den Carpellen im Zusammenhang, so fehlt ein solcher vollständig in anderen Fällen, wo sich vielmehr die Blüthenachse frei im Innern des Fruchtknotenbechers erhebt, wie bei den Primulaceen und Lentibularieen. Die Samenknospen stehen bei diesen auf der Verlängerung der Blüthenachse, welche desshalb als freie Centralplacenta bezeichnet wird. Denken wir uns in dem Fruchtknoten von Malachium aguaticum die Scheidewände weg, die in der That ja später auch verschwinden, so erhält man ebenfalls eine freie Centralplacenta. Die der Primulaceen unterscheidet sich aber von der im reifen Fruchtknoten von Malachium stehenden, auch abgesehen von den Scheidewänden, dadurch, dass an ihr die Samenknospen in spiraliger Anordnung, nicht wie bei Malachium in je zwei Längsreihen, welche den Carpellrändern entsprechen, stehen. Endlich kennt man eine Anzahl von Fällen, in denen die in den Frucht- knoten hineinragende Achsenspitze statt zu einer freien Centralplacenta, zur Bildung einer terminalen Samenknospe verwendet wird, ähnlich, wie dies auch bei Fruchtknoten, welche aus einem Carpell gebildet werden, geschieht. Solche terminale Samenknospen finden sich z. B. bei den Polygoneen, Amarantaceen Chenopodiaceen. Man hat in diesen Fällen den Vorgang auch so auszudrücken gesucht, die Samenknospe sei eine Neubildung f»une creation nouvelle« WARMING a. a. OÖ. pag. 188) auf der Achsenspitze, denn selbstverständlich muss die An- ordnung der Zellen theilweise eine andere werden, wenn aus der Achsenspitze eine Samenknospe wird. Es scheint mir aber von keinem Belang und nur eine Differenz im Ausdruck zu sein, ob man sagt, die Achsenspitze wandle sich in eine Samenknospe um, oder es entstehe auf ihr als terminale Neubildung eine Samenknospe. Denn beides besagt doch nur soviel, dass die Achsenspitze voll- ständig zur Samenknospenbildung verbraucht wird; dass dabei die charakteristischen Veränderungen vor sich gehen müssen, welche eine Samenknospe von einem vegetativen Organ unterscheiden, ist klar, und ebenso ist zu erwarten, dass diese Veränderungen oft mit charakteristischen Aenderungen in der Zellenanordnung verknüpft sein werden. Es geht aus dem ganzen Gange der obigen Darstellung hervor, dass sie die Meinung, die Samenknospen seien überall Dependenzen der Fruchtblätter, nicht theilt, wohl aber die nahen Beziehungen der verschiedenen Placentations-Arten anerkennt. Wenn man aber die freie Central- placenta der Primulaceen, Lentibularieen u. a. als aus dem Blüthenvegetationspunkte und den mit demselben verschmolzenen (oder an denselben »hinauflaufenden«) Ventraltheilen der Carpelle zusammengesetzt betrachtet, so können wir darin zunächst nur eine Abstraktion sehen, nicht aber eine Bezeichnung für den wirklich stattfindenden Vorgang. Als solche würde sie, wie in den oben erwähnten Fällen (Mala, Coriaria) nur dann gelten können, wenn der Nachweis geführt würde, dass die »verschmolzenen Ventraltheile der Carpelle« sich von der Substanz des Blüthen- durch Verschmelzung der eingebogenen Fruchtblattränder entstandenen) Scheidewände des Frucht- knotens. Auf Querschnitten älterer Blüthen sieht man scheinbar die Verwachsungsstellen der Placenten, wovon aber hier nicht die Rede sein kann, es ist die Zone, in der sich auch die Gefässbündel differenziren. Häufig laufen die Placenten (resp. die einfachen Scheidewände) noch ein Stück weit auf die Innenfläche des freien, oberen, becherförmigen Theiles des Fruchtknotens hinauf, wie bei Melandryum (Fig. 76, 6); ein Querschnitt durch diese Partie zeigt dann natürlich freie, nicht verwachsene, samenknospentragende Placenten. Es finden sich demnach, falls das für Silene pendula Angegebene auch für andere Szleze-Arten gelten sollte, keineswegs solche Differenzen in der Fruchtknotenbildung der Caryophylleen, wie man bisher annahm. Die Zerstörung der Fruchtknotenscheidewände ist übrigens sehr verbreitet, nur erfolgt sie gewöhnlich erst in einem späteren Stadium, z. B. bei Digitalis purpurea. 2ı1* 324 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. vegetationspunktes, wenn auch nicht formal — durch gesonderte Ausbildung — doch materiell, durch die Beschaffenheit dieses Gewebes unterscheiden. Dieselbe Erwägung gilt für den unter- ständigen Fruchtknoten, B. Unterständiges Gynaecum. Im unterständigen Fruchtknoten wiederholen sich, was die Placentation und Fächerung des Fruchtknotens betrifft, die bei dem oberständigen Fruchtknoten geschilderten Verhältnisse. Es ist vor Allem die Entstehung der Fruchtknoten- höhlung, welche hier von Interesse ist. Dieselbe wird durchgehends gebildet durch die Aushöhlung der Blüthenachse selbst, von welcher sich der untere Theil der Fruchtblätter nicht abgliedert. In sehr auffallendem Grade tritt dies hervor bei den Cacteen z. B. Zpiphyllum truncalum. Die Hüllblätter (Kelch und Blumenkrone) der Blüthe entstehen hier in schraubiger Anordnung an dem Blüthen- vegetationspunkt. Noch ehe dieselben alle angelegt sind, bemerkt man auf dem vorher flach gewölb- Q ten DBlüthenvegeta- NIS tionspunkteine krater- förmige Vertiefung). Dem Rande dieses ) Kraters entsprossen N die Carpelle, welche N nachher zu den Grif- feln auswachsen, wäh- rend die Fruchtkno- [ tenhöhle dadurch ge- bildet wird, dass die 5 Vertiefung der Blü- { 2 thenachseimmer mehr fortschreitet. Die Pla- “; ; Bey A REEL, centen entstehen als "piphyllum truncatum (hort. üthenlängsschnitte ı durch eine Jüngere, IR N 2 eine ältere Blüthe, bei der sämmtliche Blüthenteile im Wesentlichen Wülste an den Stellen angelegt sind. cp Carpelle, pl Placenta, bei 2 stehen Samenknospen des Fruchtknotenbe- (in Form kleiner Höcker) auf den Placenten, chers, welcherdie Ver- u; / / / N längerung der Vereinigungsstellen zweier Carpelle bilden. Im Grunde ist dieser Fall also derselbe wie der, wo diese Carpellanlagen auf einer ringförmigen Zone empor- gehoben werden, nur trennt sich hier an dem unterständigen Fruchtknoten die äussere Wand des Fruchtknotenbechers nicht von dem tibrigen Achsengewebe?). Derselbe Vorgang wiederholt sich nun im Grunde bei allen unterständigen ruchtknoten. So z. B. bei denen der Umbelliferen. Die Carpelle entstehen hier als zwei halbkreisförmige Anlagen an der Mündung der ausgehöhlten Blüthenachse. Die Samenknospen stehen nahe der Basıs des Fruchtknotenbechers, aber deutlich auf der Wand derselben, und zwar so, dass jedes Fruchtblatt zwei trägt. Die beiden Samenknospen entspringen, wie Oberansichten zeigen, den Carpellrändern, die aber von dem Gewebe des Blüthenvegetationspunktes sich nicht trennen. !) Die Staubblätter entstehen in vielgliedrigen Wirteln in absteigender Reihenfolge. 2) Anders ausgedrückt ist der Vorgang der: bei Bildung der oberständigen, becherförmigen Fruchtknotenanlage erhebt sich nur das Gewebe des Blüthenvegetationspunktes, dem die Carpell- anlagen inserirt sind, bei Bildung des unterständigen Fruchtknotens das gesammte peripherische Gewebe des Blüthenvegetationspunktes. Hier wie beim oberständigen Fruchtknoten kommt eine becherförmige Bildung, in welche die Samenknospen eingeschlossen sind, zu Stande, Eine wesentliche Differenz zwischen beiden Vorgängen existirt nicht. 1. Kapitel. ‚Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 325 Indem vor jedem Fruchtblatte eine Vertiefung entsteht, werden die beiden Samenknospen jedes Carpells in die Höhe gehoben, es wird so der Fruchtknoten ähnlich wie der der Solaneen etc. durch eine Mittelsäule in zwei Fächer ab- getheilt. In jedem Fache verkümmert eine Samenknospe, die nach oben gerichtet ist, während die nach unten gekehrte sich kräftig entwickelt. Fast dasselbe Bild wird man (— von der Ver- schiedenheit in der Zahl der Samenknospen abgesehen —) erhalten, wenn man sich zwei Ranunculus-Pistille mit ihren »Sohlen« dicht ver- wachsen denkt (nur dass dann die in Fig. 79, 2, mit A be- zeichnete Aussenwand des Fruchtknotens von einem Stück der Carpellwandung und nicht yon der hohlge- Fig: yo: | Ga wordenen Blüthenachse ge- y 2% A i > : ” 2 ı Längsschnitt durch eine junge Blüthe von Zryagium mariti- bildet wäre). Es ist aber mun, st Staubblätter, cp Carpelle, 2 und 3 Angelica silvestris, meiner Ansicht nach eine 2 Längsschnitt, in jedem Fache befinden sich zwei Samen- ganz müssige Frage, ob die. Kipen ron Weichen ie sc, aufwärts gericht Ckı Scheidewand eine Sprossung eines jungen Fruchtknoten; die Samenknospen sind wand- der Blüthenachse oder der Eur: Sn IERRESN an En Se Ei Er »Ver- wachsenen« Rändern entsprechen würden. Sie werden später Carpelle (Sohlen derselben) emporgehoben. ist. Denn da die Blüthen- achse in dem Fruchtknotenfach überhaupt kein besonderes Carpellblatt bildet, sondern direkt zu der Fruchtknotenhöhle sich gestaltet, so ist klar, dass Sprossungen irgend welcher Art eben auch nur an diesem, nicht in Achse und Blatt differenzirten Gebilde auftreten können. Die freien Theile der Fruchtblätter bilden hier nur die Griffel. Einen ganz ähnlichen Fall finden wir bei den Oenothereen. Auch hier ent- steht der unterständige Fruchtknoten durch Aushöhlung der Blüthenachse. Wir haben bei Oenothera im unterständigen Fruchtknoten denselben Process vor uns, wie bei Monotropa im oberständigen. Es treten alternirend mit den Carpellen im Grunde des Fruchtknotenbechers vier Höcker auf, oder mit andern Worten, es bildet sich vor jedem Fruchtblatt eine Aushöhlung. Sowohl der über dem Blüthenvegetationspunkt gelegene Theil des Fruchtknotenbechers als der unter- halb desselben gelegene wachsen nun in die Höhe. Die Folge davon ist, dass im unteren Theil der Fruchtknoten vierfächerig, im oberen einfächerig ist, dass in letzterem die Placenten von den Vereinigungsstellen der Fruchtblätter aus ins Innere hervorragen, in ersterem die Winkel der Scheidewände, welche durch das mit emporgewachsene Gewebe des Vegetationspunktes vereinigt sind, bekleiden. Instructiv sind die Verhältnisse bei der ebenfalls zu den Oenothereen ge- hörigen 7rapa natans. Hier findet sich keine Parietal-Placenta, sondern die Blüthenachse erhebt sich im Grunde des Fruchtknotenbechers zur Centralplacenta, an der zwei, den stärkeren der vier Carpellanlagen (die zwei andern mit diesen gekreuzten verkümmern), gegenüberstehenden Samenknospen entstehen. Später aber entsteht vor jedem dieser zwei Carpelle eine Grube, in welche die Samen- knospe hineinwächst und der Fruchtknoten wird so in seinem untern Theile 326 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. zweifächerig — freilich ist es mir nicht unwahrscheinlich, dass eine Nachunter- suchung ergeben wird, dass diese Trennungswände des unteren Fruchtknotentheils schon von Anfang an vorhanden sind. Endlich kann sich auch im unterständigen Fruchtknoten die Blüthenachse zu einer freien, nicht durch Gewebelamellen mit dem Fruchtknotenbecher ver- bundenen Centralplacenta erheben, wie bei der Primulacee Samolus. Oder es bildet sich im Fruchtknotenbecher nur eine Samenknospe aus, welche grundständig bleibt und neben dem Blüthenvegetationspunkte entsteht, so die der Compositen, oder welche wie bei den Dipsaceen und Valerianeen wandständig gebildet wird und dann bei weiterem Wachsthum des Fruchtknotenbechers in dessen obere Region zu stehen kommt. Es müssen die hier kurz angeführten Beispiele genügen, da eine ausführliche Erörterung viel zu weit führen würde. Die Erscheinungen der Placentation sind also im unterständigen Fruchtknoten ganz übereinstimmend mit denen im oberständigen, an Uebergängen zwischen beiden fehlt es ja auch ohnehin nicht. Einen Uebergang von perigynischen zu epigynischen Blüthen bietet z. B. die Gattung Zirus. Fassen wir speciell das über die Placentation Gesagte zusammen, so ist nochmals vor Allem hervorzuheben, dass wir der Streitfrage, ob die Placenten carpell- oder achsenbürtig seien, irgend welche Bedeutung nicht beilegen können, und zwar aus dem Grunde, weil in der Blüthe sehr häufig das Achsengewebe vom Carpellgewebe sich nicht sondert, und es nur ein Wortstreit wäre, ob man eine solche als eine nicht in Carpell (Blatt-) und Achse gesonderte Sprossung, als ein Achsengebilde (was sie für die direkte Beobachtung ohne Zweifel ist), oder als ein Verwachsungsprodukt von Blatt und Achse auffassen will. Was sich nicht von einander gesondert hat als verwachsen zu bezeichnen, das ist eine Begriffs- bestimmung, welche in vielen Fällen den Vergleich mit verwandten Formen, bei welchen eine solche Trennung stattfindet, erleichtert, von der man aber nie ver- gessen sollte, dass sie nur eine Hilfsvorstellung unseres Verstandes ist, die sich mit den realen Vorgängen vielfach durchaus nicht deckt. Ein Blüthenvegetations- punkt ist, wie die Verfolgung der Entwicklungsgeschichte zeigt, ein ausserordent- lich plastisches Gebilde. Bei der Fruchtknotenbildung kommt es vor allem darauf an, Höhlungen zu schaffen, in welchen die Samenknospen geborgen sind und die nöthigen Leitungswege für die Pollenschläuche. Dieses Ziel wird selbst bei verwandten Formen auf verschiedene Weise erreicht. Bei den Malvaceen z. B. sind die Placenten deutlich Parietalleisten des Fruchtknotenbechers, bei Zbiscus, bei Malva entspringen die Samenknospen ebenso deutlich aus dem Blüthen- vegetationspunkt, wir haben Zwischenformen, wie Sphaeralcea, welche zeigen, dass der letztere Fall als eine Vereinfachung des ersteren betrachtet werden kann, dass die einzige Samenknospe eines Fruchtknotenfaches bei Malva aus einer reicher mit Samenknospen ausgestatteten Form, die auf parietalen Placenten eines mit »Sohlenbildung« versehenen Carpelles inserirt waren, dadurch entstanden sein kann, dass nur eine einzige Samenknospe übrig blieb und die Sohle des Carpells von der Achse sich nicht trennte oder mit andern Worten überhaupt nicht ausgebildet wurde. Wir sehen nämlich, dass die bei Zbiscus in zwei, den Carpellrändern entsprechende Wülste getrennten Placentarleisten bei Adelmoschus an ihrer Basis verbunden sind, so dass sie Hufeisenform haben, dass bei SpAhaeralcea statt der bei Abdelmoschus noch zahlreichen Samenknospen nur drei, eine mittlere und zwei seitliche sich entwickeln und zugleich vor jedem Carpell eine kleine Ein- senkung auftritt. Bleibt nun nur noch die mittlere dieser Samenknospen übrig, VE Bus, 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 327 und sondert sich der Placentartheil von der Blüthenachse nicht mehr ab, so er- halten wir eine ganz ähnliche Stellung wie die von Malva.!) All diese phylo- genetischen Erwägungen hindern aber nicht, dass de facto heutzutage die Samen- knospen von Maliva aus der Blüthenachse selbst in der Achsel der Carpelle entspringen, da die Entwicklung eine abgekürzte ist. Für die morphologische Natur der Samenknospe ergiebt sich aus alledem, dass ihr Ursprungsort ein irrelevanter ist. Hier mögen noch einige Fälle abgeleiteter Fruchtknotenbildungen erwähnt werden. Eine nur geringe Abweichung bilden diejenigen Fruchtknoten, welche ganz oder theilweise durch secundäre Wände abgetheilt werden, d. h. solche, welche weder von den Carpellrändern noch von den Placenten oder dem Achsengewebe gebildet werden, sondern secundäre Wucherungen vorstellen, welche den Innen- flächen der Carpelle entspringen. Das bekannteste Beispiel dafür bieten die Fruchtknoten der Labiaten und Boragineen,?) welche ursprünglich zweifächerig, später durch zwei, den Mittellinien der Carpelle entspringende Wucherungen in vier Abtheilungen (Clausen) getheilt werden, deren jede einen Samen umschliesst. Aehnliche, aber nicht ganz zum Fruchtknotencentrum vordringende Leisten finden sich bei Zinum, wo durch dieselben also eine nicht ganz vollständige Trennung des Fruchtknotens in ıo Fächer bewerkstelligt wird. Eine andere Abweichung von der gewöhnlichen Form besteht in Ver- schiebungen, welche die Placenten nachträglich erleiden, ein Fall, der sich bei einigen Mesembryanthemum- und Melastomaceen-Arten und Punica Granatum findet und von den ersteren kurz beschrieben sein mag. Die Placenten scheinen hier im fertigen Zustand auf den Wandungen der Fruchtknoten und zwar speciell auf den Mittelnerven der Fruchtblätter zu stehen. Dies ist indess nur eine secundäre Erscheinung: ursprünglich stehen die Placenten den Fruchtblättern gegenüber (sie sind mit der Blüthenachse vereinigt). Dann aber findet gewisser- maassen eine Umstülpung derselben statt, sie werden zuerst horizontal gestellt und dann auf die Aussenseite des Fruchtknotens gerückt. Viel tiefer greifender sind die Abänderungen, welche im Fruchtknoten von Schmarotzer- pflanzen aufgetreten sind. Als Beispiel für dieselben mögen hier nur die Loranthaceen genannt sein, deren lange verkannter Fruchtknotenbau durch TREUB’s?) schöne Untersuchungen neuerdings aufgeklärt worden ist. Bei Zoranthus sphaerocarpus erhebt sich am Grunde der Fruchtknoten- höhle eine freie Centralplacenta,*) die einige sehr rudimentäre, integumentlose Samenknospen hervorbringt und später vollständig mit der Innenfläche des Fruchtknotens verwächst, so dass die Embryosäcke dann scheinbar einem, den Fruchtknoten erfüllenden Gewebe eingebettet sind. Viel weiter geht die Reduction bei Viscum articulatum und Loranthus fentandrus: es werden hier eine Centralplacenta und — wenn auch noch so rudimentäre — Samenknospen an derselben gar nicht mehr ausgebildet. Viscum articulatum besitzt einen Fruchtknoten, gebildet aus zwei Fruchtblättern, welche so enge aneinander schliessen, dass nur eine enge Spalte zwischen ihnen I) Vergl. die Fig. auf Taf. 6 u. 7 in PAvEr’s Organogog£nie de la fleur. 2) Auch der Fruchtknoten von Dafura ist bekanntlich vier- (zuweilen auch 6)-fächerig, obwohl er nur von zwei Fruchtblättern gebildet wird. Ich kann aber nicht finden, dass von den Carpellmitten aus je eine falsche Scheidewand entspränge, sondern finde, dass die Placenten frühzeitig mit der Carpellwand verwachsen. Die Scheidewand gehört also den Placenten zu. 3) TREUB, Observations sur les Loranthacees. Annales du jardin botanique de Buitenzorg. vol. II. pag. 54. vol. II. pag. ı ff. — Die älteren Angaben HoFMEISTER’s (Abh. d. kön. sächs. Ges. d. Wiss. Bd. VI) werden dadurch ergänzt und berichtigt. #4) Das Verhältniss ist also analog dem der Santalaceen, wo an einer Centralplacenta eben- falls rudimentäre- Samenknospen sich finden. 328 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. bleibt. Da wo diese Spalte aufhört, also am Grunde des Fruchtknotens, gehen aus einigen plasmareichen Zellen, die nebeneinander liegen, oder durch Parenchymzellen getrennt sind, mehrere Embryosäcke hervor, von denen aber nur einer zur Weiterentwicklung gelangt. Ver- gleicht man dies (in ähnlicher Weise bei Zoranthus pentandrus vorkommende) Verhalten mit dem von Lor. sphaerocarpus, so werden wir kaum zweifelhaft darüber sein können, dass es durch Reduction aus jenem entstanden ist. Placenta und Samenknospen sind dann aber nicht »con- genitale mit dem Fruchtknotengewebe verwachsen, sondern eben überhaupt nicht zur Ausbildung gekommen, wie die Pollenmutterzellen von Cycanthera (vergl. pag. 134) sich nicht in besonders ausgestalteten Pollensäcken, sondern in einer ringförmigen Anschwellung der Blüthenachse diffe- renziren, so auch die Embryosackmutterzellen der genannten Loranthaceen nicht in Samenknospen, sondern im Blüthengewebe unterhalb des Fruchtknotens. (Vergl. den Abschnitt über Parasiten.) Wie es bei den Staubblättern ein häufiges Vorkommniss ist, dass einzelne derselben verkümmern, und dann in der fertigen Blüthe gar nicht mehr oder als »Staminodiene wahrnehmbar sind, so ist auch das Fehlschlagen von Frucht- blättern eine nicht seltene, in verschiedenen Abstufungen vorkommende Er- scheinung. So bei den Caprifoliaceen. Bei ‚Symphoricarpus racemosa ist der Fruchtknoten aus vier Fruchtblättern zusammengesetzt; davon verkümmern ganz regelmässig zwei einander gegenüberstehende Fruchtknotenfächer, in denen zahl- reiche Samenknospen angelegt werden, während die beiden andern, welche je nur eine Samenknospe enthalten, sich entwickeln. In dem dreifächerig an- gelegten Fruchtknoten von Viburnum verkümmern zwei Fächer so vollständig, dass auch Samenknospen in ihnen nicht angelegt werden, sie erscheinen am fertigen Fruchtknoten nur noch als Striemen auf dessen Aussenseite. — Der Fall von Rhus wurde oben schon erwähnt. Von den drei angelegten Fruchtblättern entwickelt sich nur eines vollständig und umschliesst eine Samenknospe, die beiden andern bleiben steril. Analoge Beispiele finden sich auch bei den Valerianeen. A Der unterständige Fruchtknoten wird bei Valeriana, Valerianella u. a. mit drei Fruchtblättern angelegt, welche bei Valerianella!) drei Parietalplacenten bilden. Allein nur an zweien derselben werden Samenknospen angelegt und zwar an einer Placenta zwei, an der andern nur eine, so dass also in jedem der drei durch die Placenten gebildeten Fächer eine Samenknospe liegt. Von diesen entwickelt sich nur eine der zu zweien an einer Placenta stehenden, die beiden andern verkümmern. Es werden dann die Fruchtknotenfächer durch das oben mehrfach beschriebene interkalare Wachsthum vertieft und so die fertile Samen- knospe, die anfangs auf dem Grunde des Fruchtknotenbechers stand, empor- gehoben. Der Fruchtknoten von Valerianella zeigt also zwei sterile, sehr ver- kümmerte Samenknospen einschliessende Fächer und ein fertiles Fach. Der von Valeriana ist scheinbar einfächerig. Man könnte zwar an fertigen Blüthen zu der Ansicht gelangen, es seien noch zwei Fruchtknotenfächer vorhanden, die aber bei weitem weniger tief sind als der fertile, allein diese scheinbaren Fächer (für solche wurden sie z. B. von HormEISTER erklärt) entstehen durch Auflösung einer Zellgruppe, sind also ursprünglich gar nicht hohl, sondern stellen lysigene Drüsen dar. Dasselbe Schicksal, welches die Fruchtknotenfächer von Valerianella vor der Fertigstellung des Fruchtknotens trifft, haben in manchen andern Fällen voll- kommen angelegte, mit, wie es scheint befruchtungsfähigen, Samenknospen aus- gestattete Fruchtknotenfächer dadurch, dass nur in einem Fruchtknotenfach sich eine Samenknospe in Folge der Befruchtung entwickelt, während die andern mit sammt den Fächern, in denen sie sitzen, verkümmern. Es genüge das Beispiel N) Untersucht an V. sphaerocarpa und hamalta. 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 329 der Eiche;!) der Fruchtknoten der in seinem obern Theile einfächerig (mit drei Parietal-Placenten), in seinem untern dreifächerig ist, erscheint bei der Reife von dem einen grossen Samen vollständig ausgefüllt, der allein zur Entwicklung ge- langt ist. Entwicklung von Griffel und Narbe. Das Gehäuse, in welches die Samenknospen eingeschlossen sind, dient nicht nur zur Umhüllung und zum Schutze derselben, es bildet auch die Leitungswege für die Pollenschläuche und das Empfängnissorgan für die Pollenkörner. Ersteres ist die Funktion des Griffels, letzteres die der Narbe. Die Entwicklungsgeschichte dieser Gebilde ist im Allgemeinen eine sehr einfache. Der Griffel ist bisweilen kaum angedeutet. Beim monomeren Fruchtknoten bildet der obere, samen- \ Pe) lose Theil des Fruchtknotens den Griffel, dessen Ende als Narbe ausge O) ) bildet ist. Es ist der erstere eine so- 5 AR R N lide Gewebemasse z. B. bei Ranunculus R ) \ N | / auricomus, während man bei Zellebo- Eu v rus auf dem Querschnitt leicht die beiden zusammengefalteten (aber nicht an ihren Rändern verwachsenen) Hälf- ten des Fruchtblattes erkennt, zwischen denen eine enge, mit Leitgewebe aus- gekleidete Falte verläuft. Beim poly- meren Fruchtknoten kommt der Griffel durch Verlängerung des oberen, nicht mit Samenknospen versehenen Theiles des Fruchtknotenbechers zu Stande, in welchem also die Placenten noch als i : Mn RK fi endede Successive Querschnitte durch den Fruchtknoten Längswülste verlaufen, währen le von Aritillaria imperialis. Links oben Querschnitt freien Theile der Fruchtblätter häufig, durch den obersten Theil der Griffelröhre, resp. wie z.B. bei Fritillaria imperialis und durch die Narben, von denen eine ganz frei, die EN ; 2 andern hier noch mit ihren Rändern vereinigt anderen Liliaceen die Narben bilden. sind. Rechts Querschnitt durch die Griffelröhre Ein Blick auf die Fig. 80, welche suc- (Pl sterile Placenten) unten Querschnitt durch cessive Querschnitte durch den Frucht- den die Samenknospen (sk) tragenden Theil des 5 £ Fruchtknotens. knoten dieser Pflanze darstellt, zeigt das ohne Weiteres. Nur eine kleine Modification dieser Bildung ist es, wenn die Pla- centen im Griffel der Geraniaceen?) so mit einander verwachsen, dass dadurch der Fruchtknoten in 6 Kanäle (einen mittleren und fünf seitliche) abgetheilt wird (Fig. 81). Im Jugendzustand des Fruchtknotens sieht man deutlich, dass die Placenten sich bilden wie gewöhnliche Parietalplacenten. Sie verwachsen mit einander erst später, aber so innig dass Verwachsungsstellen bei Zrodium z. B. im fertigen Zustand nicht mehr wahrnehmbar sind, während sie im untern Theile des Fruchtknotens frei bleiben (Fig. 81 A u. B). Die Narben werden auch hier Fig. 80. (B. 401.) I) Vergl. SCHACHT, Beiträge zur Anat. und Physiol. der Gew., pag. 33 ff. 2) Meine Untersuchungen über die Entwicklung des Pistilles von Zrodisem cieutarium stimmen ganz überein mit den Angaben HoFMEISTER’s (Ueber den Bau des Pistills der Geraniaceen, Flora 1864, pag. 401 ff.), welcher die Unrichtigkeit der auch von PAvER getheilten Auffassung nachwies, dass fünf geschlossene, der Länge nach verwachsene Griffel vorhanden seien und die Samenknospen aus der Blüthenachse entspringen, 330 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. von den freien Spitzen der Fruchtblätter gebildet. Zur Griffel- und Narben- bildung können selbst solche Fruchtblätter beitragen, deren Fruchtknotentheil verktimmert. So ist es z. B. bei AAus (PAavEr, a. a.O., Taf. 19), wo drei Frucht- blätter angelegt werden, aber nur eines derselben eine Samenknospe umschliesst, die beiden andern bilden aber ihre oberen Theile ebenfalls zu Griffeln und Narben aus, obwohl dieselben häufig kleiner bleiben als die entsprechenden Theile des bevorzugten Fruchtblattes. (B. 402.) Fig. 81. Erodium cicutarium. A Querschnitt durch den Griffel, B durch den unteren samenknospen- tragenden Theil des Fruchtknotens, C Längsschnitt eines jungen Fruchtknotens. In den genannten und zahlreichen andern Fällen werden die Narben ge- bildet von den apikalen, freien Theilen der Fruchtblätter. In nicht seltenen Fällen aber findet die Bildung der Narben auch durch Auswachsen der über den Placenten gelegenen Theile der Fruchtknotenanlage statt, es bilden sich »Commissuralnarben«.!} So bei den Cruciferen, einigen Papaveraceen u. a. ich kann es aber für keine treffiende Bezeichnung halten, wenn PAyER die Narben hier als Verlängerung der Placenten bezeichnet. Bei den Papaveraceen finden sich neben gewöhnlicher Narbenbildung auch Commissuralnarben: Zschholzia hat beides vereinigt. Sowohl die Gipfel der Fruchtblätter, als die zwischen ihnen liegenden, den Placenten superponirten Theile des Fruchtknotenbechers wachsen zu Narben aus. Eigenthümlich ist die Narbenbildung in der Gattung Zapaver selbst. Es findet sich hier bekanntlich auf dem Fruchtknoten eine vielstrahlige Scheibe, vom Habitus einer stark vergrösserten Marchantia-Antheridienscheibe. Jeder Strahj ist einer der messerförmigen Placenten superponirt und zeigt auf seiner Ober- fläche eine mit Narbenpapillen ausgekleidete Rinne. Es kommt dies Gebilde zu Stande dadurch, dass jedes der den Fruchtknoten zusammensetzenden Frucht- blätter an seiner Spitze eine dreieckige Narbenwucherung bildet. Die einander zugekehrten Seitentheile zweier benachbarter Fruchtblätter verwachsen mit ein- ander zu einer der Narbenstrahlen, deren Rinne den Rest der Verwachsungs- stelle und zugleich den eigentlichen stigmatösen Theil der Narbenscheibe darstellt. Anhang: Metamorphe Blüthen. Die Blüthen, welche metamorphe Laubsprosse sind, können ihrerseits wieder Umbildungen erfahren, welche sie ihrem ursprünglichen Zwecke, der Produktion 1) Derartige Commissuralgebilde finden sich auch sonst, z. B. an dem Kelche einiger Campanula-Arten, wie C. medium, wo aus den Kelchbuchten Blattzipfel hervorsprossen. 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 331 von Sexualorganen, entfremden. Sehen wir dabei ab von den sterilen Rand- blüthen mancher Viburnum-Arten etc., von den bei Kulturpflanzen auftretenden Monstrositäten, so können vielleicht als umgebildete Blüthenanlagen, wenigstens in phylogenetischem Sinne die Zwiebelchen betrachtet werden, welche sich in -der Inflorescenz mancher Allum-Arten finden. Dagegen sind sicher umgebildete Blüthen vorhanden bei 7yzfolium sub- terraneum.\) Der Blüthenstand dieser Pflanze dringt in den Boden ein. Um ihn gegen Losreissen aus diesem zu schützen, bilden die schon während des Blühens der normalen Blüthen vorhandenen oberen Blüthenanlagen sich zu eigenthüm- lichen hackenförmigen Organen um, die als Widerhacken den Blüthenstand im Boden festhalten. An den untersten dieser metamorphosirten Blüthen existiren noch alle fünf Kelchzipfel, während alle übrigen Blüthentheile verkümmert sind. Je weiter nach oben die Blüthen stehen, desto weniger werden auch die Kelch- zipfel ausgebildet und desto kürzer werden sie, die obersten Blüthen stellen nur kurze, dicke, kegelförmige, etwas gekrümmte Körper ohne Spur von Blättern vor. Während die normalen Blüthen fast keine Stielbildung besitzen, ist der Stiel bei den umgebildeten Blüthen 2—4 Millim. lang. Es liegt hier ein ganz ähnlicher Fall vor, wie er oben für die Blattbildung nachgewiesen wurde: Hemmung der Organanlage auf verschiedenem Entwicklungsstadium und dann Umbildung nach einer andern Richtung hin. Es zählt der Fall von Trifolium subterraneum gewiss zu den interessantesten Umbildungen, welche wir kennen. Als metamorphe Blüthen können wir auch die sogenannten »gefüllten« ?) be- trachten, die selten bei freiwachsenden, häufig bei Gartenpflanzen auftreten. Dass nicht alle als »gefüllt« von den Gärtnern bezeichnete Blüthen im botanischen Sinne dies sind, braucht kaum hervorgehoben zu werden. Als »gefüllte« bezeichnen die Gärtner z. B. auch die Inflorescenzen der Compositen (Abtheilung der Corymbiferen), bei welchen sich Röhrenblüthen unter dem Einflusse der Cultur in Strahlen - (Zungen-) blüthen verwandelt haben. Dies ist der Fall z. B. bei #e- lianthus annuus, Zinnia elegans, Bellis perennis, Calendula, Dahlia u. a. Es geschieht diese Umwandlung der Blumenkrone auch hier wie bei den normal vorhandenen Strahlblüthen auf Kosten der männlichen Sexualorgane: bei Unter- suchung »gefüllter« Inflorescenzen von Bellis perennis fand ich nicht einmal mehr Spuren von Staubblättern. Es giebt übrigens auch Compositen, bei denen die Füllung nur auf Vergrösserung der die Röhrenform beibehaltenden Scheiben- blüthen beruht; derartige Varietäten werden z. B. von Bellis perennis kultivirt. Die Vergrösserung der Corolle erfolgt auch hier auf Kosten der Staubblätter, wie wir ja umgekehrt eine Verminderung der Laubblattsubstanz beim Auftreten von Sporangien (Pollensäcken etc.) eintreten sehen. Es beruht die Füllung der Blüthen auf verschiedenen Vorgängen, von denen einige hier hervorgehoben sein mögen. ı. Umbildung der Kelchblätter zu Kronenblättern findet sich z. B. bei den Gartenbalsaminen, oft mit allen Uebergangsstufen und verbunden mit an- deren Füllungserscheinungen. 2. Ein ungemein häufiger Fall ist, dass sich die Staubblätter zu Kronen- I) WARMING, Botan. Centralblatt. Bd. XIV. pag. 157. 2) Im Folgenden gebe ich nur einen kurzen Ueberblick über die bisher von mir unter- suchten Formen und verweise im Uebrigen auf eine ausführliche mit Abbildungen versehene später erscheinende Abhandlung. 332 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. blättern umbilden. Es geschieht dies entweder in der Weise, dass eine Staubblattanlage sich in ein Blumenblatt umwandelt, ganz oder theilweise, oder dass sich die Staubblattanlage spaltet, resp. verzweigt (dedoublirt) in eine Anzahl von Theilstücken, die entweder alle zu Blumenblättern oder theilweise zu Blumenblättern, theilweise zu Staubblättern resp. zu Mittelformen- zwischen beiden werden. a) Der erstere Fall tritt namentlich ein bei Blüthen mit zahlreichen Staub- blättern, von denen eine kleinere oder grössere Zahl die genannte Um- bildung erfährt. Man findet sehr häufig in Blüthen von Phdladelphus coro- narius ein Staubblatt petaloid ausgebildet, bei anderen fast alle. Ferner zeigt die Entwicklungsgeschichte derjenigen Agzilegia- und Rosa-Arten, die ich untersucht, dass es sich bei der Füllung um solche einfache Um- bildungen handelt. Dasselbe gilt wohl auch für die gefüllten Ranunkeln; ferner für gefüllte Potentilla fruticosa, deren Entwicklungsgeschichte ich untersuchte. Bei Ran. auricomus beobachtete ich sogar Blüthen, bei welchen auf die Petala zunächst Staubblätter, dann zu Blumenblättern umgebHens Staubblätter folgten. b) In den genannten Fällen ist eine Vermehrung der Zahl der Blüthen- blattgebilde mit der Füllung nicht verbunden. Eine solche Vermehrung tritt aber sehr häufig ein entweder durch Spaltung vorhandener Anlagen oder durch Neubildung von solchen. Der erste Entwicklungsmodus findet sich bei zahlreichen gefüllten Blüthen. Ich constatirte ihn bei Zefunia Ahy- brida und Primula sinensis!), ferner bei allen darauf untersuchten Caryo- phylleen wie Dianthus Caryophyllus, D. barbatus, D. chinensis, Siulene Vis- caria, S. nutans. Es ist bekannt, welch grosse Menge von Blumenblättern bei »gut« gefüllten Gartennelken sich finden (bei einer nicht sehr stark gefüllten Blüthe zählte ich 48), diese alle sind mit Ausnahme der fünf normal vorhandenen Petala aus Spaltung der zehn Staubblattanlagen her- vorgegangen.?) Diese Spaltung erfolgt nach verschiedenen Richtungen hin und je nach der Stärke der Füllung in stärkerem oder schwächerem Grade. Bei schwach gefüllten Blüthen von Dianthus barbatus z. B. findet kein Dedoublement statt: die äusseren Staubblätter wandelten sich in Petala um, die anderen zeigten Mittelstufen zwischen Staub- und Blumen- blatt. Bei stärker gefüllten Blüthen dagegen tritt die erwähnte Spaltung I) Bei diesen Pflanzen hat schon EICHLER die Füllung auf Dedoublement der Staubblattan- lagen zurückgeführt. | 2) Der Fruchtknoten war bei den meisten von mir untersuchten Gartennelken intakt ge- blieben, bei einigen war auch er in die Missbildung hineingezogen, die Narben petaloid ausge- bildet, die Samenknospen theilweise ebenfalls in Blumenblättchen umgewandelt. In anderen Fällen dagegen waren die Samenknospen theilweise verkümmert oder gar nicht vorhanden, und es bildete der Blüthenvegetationspunkt innerhalb des Fruchtknotens neue Blattgebilde: den Ansatz einer Blüthe mit neuem Fruchtknoten. Man wird also je nach der Stärke der Füllung ver- schiedene Entwicklung bei ein und derselben Pflanze erhalten. Von anderen Caryophylleen er- wähne ich hier noch Melandryum album und Lychnis chalcedonica. Im ersteren Falle bildete sich an der Blüthenachse eine grosse Masse von Blumenblättern aus (ähnlich wie bei Ckeiranthus), die zum grössten Theil als unabhängige Anlagen am Blüthenvegetationspunkt entstanden (von einem Fruchtknotenrudiment war nichts zu sehen). Es werden übrigens auch bei ungefülltem M. album keine Fruchtblattanlagen in den männlichen Blüthen gebildet, man findet über den Staubblättern nur das borstenförmig verlängerte Blüthenachsenende. Ebenso verhält sich bei der Füllung Zychris chalcedonica. DENE N PEN 7 2. Kapitel. Entwicklungsgeschichte des Sexualsprosses (der Blüthen). 338 ein, die inneren dem Fruchtknoten benachbarten Spaltstücke sind häufig als Staubblätter ausgebildet. Bei Althaea rosea spalten sich die zwei Reihen Staubblattanlagen vor jedem Blumenblatt in zahlreiche theils zu Blumen- blättern, theils zu Staubblättern werdende Stücke, auch bei Zibisceus sy- riacus ıst der Vorgang ein ähnlicher. Bei Zetunia .hybrida kommt in den von mir untersuchten Fällen zu der Spaltung (resp. Verzweigung) der fünf Staubblattanlagen noch die Bildung neuer Blattanlagen aus dem Blüthenvegetationspunkt. Statt des Fruchtknotens findet man in den erwähnten Fällen ein Bündel Staubblätter (deren Zahl in der ganzen Blüthe eine vermehrte ist, da sehr häufig einzelne Spaltstücke der normalen Staub- blattanlagen zu vollständigen Staubblättern sich ausbilden), von denen einzelne gelegentlich ebenfalls petaloide Umbildung zeigen. Die äusseren dieser Staub- blätter, die am Grunde röhrig zusammenzuhalten pflegen, gehen hervor aus Spaltung und Umbildung der beiden Fruchtblattanlagen (betrefis der Zwischen- stufen vergl. die ausführl. Abh.), die inneren aber sind Neubildungen am weiter wachsenden Blüthenvegetationspunkt. Zahlreiche, gelegentlich dedoublirende Blatt- anlagen bilden nach Anlegung der normalen die gefüllten Blüthen von Cheiranthus, und auch die Vermehrung der Blattzahl in den Blüthen gefüllter Tulpen dürfen wir wohl auf diesen Vorgang zurückführen. Als Beispiel sei eine Blüthe ange- führt, welche 27 vollständig ausgebildete Blumenblätter, 8 Staubblätter, einen aus 4 Fruchtblättern gebildeten Fruchtknoten und 13 Mittelbildungen zwischen Staub- “und Blumenblättern besass. Bekannt ist, dass die Umwandlung hier nicht selten auch die Fruchtblätter ergreift: man findet Carpelle, die frei von einander an dem einen Rande petaloid ausgebildet sind, an dem andern DaTnEnBugEE en (zu weilen auch Pollensäcke) tragen. In eigenthümlicher Weise treten neue Blattanlagen in den Blüthen einiger gefüllter Oenotheren auf. Untersucht wurden dieselben von Zuchsia und Clar- kia puchella. Nach Anlegung der Petala und Staubblätter sprossen bei der letzteren Pflanze an der Basis der Petala, welche schon die Gestalt von lanzett- lichen Platten gewonnen haben, neue Blattanlagen hervor, die sich theils zu Blumenblättern, theils zu Staubblättern, theils zu Mittelformen zwischen beiden gestalten, während die eigentlichen Staubblätter ganz intakt bleiben. An den einzelnen so entstandenen Anlagen kann sich derselbe Prozess wiederholen, sie können sich weiter verzweigen. An stark gefüllten Blüthen treten aber auch wirklich neue, von den normalen unabhängige Blumenblattanlagen auf. Hervor- gehoben sei hier nur die auch in einigen anderen Fällen zu beobachtende That- sache, dass Mittelformen zwischen Blumen- und Staubblättern an Gebilden auf- treten, welche in der normalen Blüthe gar nicht vorhanden sind. Es mögen die oben angeführten Beispiele für das Zustandekommen der Füllung genügen. Be- kanntlich tritt diese monströse Umbildung namentlich bei Gartenpflanzen, gelegent- lich auch bei Freilandpflanzen (Kan. bulbosus, Anemone hepatica u. a.) auf. Die bedingenden Ursachen kennen wir nicht. Wir wissen nur, dass die Füllung häufig verbunden ist mit einer Schwächung des Sexual-Vermögens, und finden es daher begreiflich, dass namentlich Bastardpflanzen — und das sind ja die meisten unserer Zierpflanzen (die gewöhnlich nur monströse Bildungen sind) — zur Füllung neigen. Andererseits wird in gefüllten Petunien viel mehr Pollen pro- ducirt als in ungefüliten, nur keine Samenknospen (in den untersuchten Fällen und bei den erwähnten Tulpen ist die Zahl der Staub- wie der Fruchtblätter ver- mehrt, und Samen werden hier wie bei den Nelken producirt; die Beschaffenheit 334 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. derselben im Vergleich zu denen nicht gefüllter Blüthen bedarf aber noch näherer Untersuchung). Als Zusammenfassung der Füllungserscheinung können wir, mit Anwendung eines bildlichen Ausdruckes sagen: die Füllung beruht auf einer »Tendenz« eine grössere Anzahl Blumenblätter hervorzubringen. Dieser wird bald durch ganz oder theilweise erfolgende Umwandlung vorhandener Organanlagen, durch Spaltung derselben oder durch völlige Neubildung genügt. Es wurde schon in der Einleitung zu der Besprechung der Blüthenentwicklung erwähnt, dass die Umbildung zum Zwecke der geschlechtlichen Fortpflanzung nicht nur Einzelsprosse, sondern auch Sprosssysteme trifft. Es wäre hier an die Entwicklungsgeschichte der Blüthen also die der Blüthenstände oder Inflorescenzen anzuschliessen, die in der That von der vegetativer Sprosse vielfach abweicht. Abgesehen davon, dass mit der Blüthenbildung häufig ein anderer Verzweigungs- modus als in der vegetativen Region eintritt, namentlich dann, wenn die Blüthen Terminalblüthen sind, finden wir häufig auch eine eigenartige äussere Ausbildung der Inflorescenzen. Es genüge hier zu erinnern an die becherförmig ausgehöhlten Blüthenstände der Feigen, an die sonderbaren Blüthenkuchen der Dorstenia- Arten u. a. Der Raum erlaubt indess ein näheres Eingehen auf diese Verhält- nisse nicht, nur ein Vorkommniss sei hier, weil es auch bei Einzelblüthen sich findet, erwähnt, die sogen. Cupularbildung. In typischer Form treffen wir sie bei den weiblichen Blüthen der Eichen. Die junge Frucht ist anfangs bekanntlich eingeschlossen in ein bechertörmiges Gebilde, die Cupula, die mit Schuppen dicht besetzt ist, an der reifen Frucht treffen wir sie nur noch an der Basis. Die Ent- wicklung der Cupula ist von SCHACHT!) und HOFMEISTER?) untersucht worden. Man findet am Grunde junger weiblichen Blüthen einen Ringwulst von Zellgewebe, unterhalb desselben stehen noch einige Hochblätter. Der Ringwulst entwickelt sich zu einer schüsselförmigen Krause, die auf ihrer Innenseite in absteigender Reihenfolge eine Anzahl von Schuppen producirt; späterhin aber wird die Cupula gleichsam umgestülpt, die Schuppen kommen auf ihre Aussenseite zu stehen. Aehnlich verhalten sich Zagws,?) wo die Cupula eine Inflorescenz einschliesst und Castanea,*) nur entwickeln sich die Anhangsgebilde der Cupula in diesen Fällen von vornherein auf der Aussenseite derselben. Wir können demnach die Ansicht mancher Autoren nicht theilen, dass die Cupula der genannten Pflanzen aus Vorblättern verwachsen sei,’) umsoweniger als wir auch an vegetativen Sprossen ganz ähnliche Gebilde antreffen. So sind die Winterknospen der Tanne umgeben von einer becherförmigen Achsenwucherung, auf der die Knospenschuppen stehen,®) eine Wucherung, die mit einer Cupula grosse Aehnlichkeit hat. Dass gesonderte Organanlagen mit einander zu einer Cupula vereinigt werden, kommt ebenfalls vor: so ist es bei Cenchrus‘) ein Verzweigungssystem borstenförmiger, !) Beitr. zur Anat. u. Physiol. pag. 35. 2) Allgemeine Morphologie. pag. 465. MoFMEISTER nimmt auf pag. 466 die Priorität SCHACHT gegenüber in Anspruch. 3) SCHACHT, a. a. O. pag. 89. 4) BAıLLon, nach dem Referat im bot. Jahresb. 1879. pag. 78. 5) Ob die Schuppen der Eichen-Cupula als Blättchen oder »Emergenzen«e zu betrachten sind, bleibe hier dahingestellt, wahrscheinlich das letztere. 6) Abbildungen bei SCHACHT, a. a. O. pag. ı85. Sachs, Vorlesungen über Pflanzen- physiologie. pag. 53, vergl. auch unsere Fig. 56. ?) Vergl. Beitr. zur Entwicklungsgesch. einiger Inflorescenzen. PRINGSH. Jahrb. XIV. Bd. pag. 21 fi. ve; Au 3. Kapitel. Entwicklung der Anhangsgebilde. 335 blattloser Achsen, dessen Theile mit einander so vereinigt werden, dass sie dann später aus der Aussenfläche einer Cupula (die nach hinten offen ist) ganz ähnlich entspringen wie die Stacheln aus einer Caszanea-Cupula. Und bei einem andern Grase wird die vierarmige eine Theilinfloresceenz umgebende Cupula durch »Ver- wachsung« der Glumae von vier Aehrchen gebildet (Antephora elegans), bei Coix ist es ein verwachsenes, später zu einer steinharten Bildung werdendes Deckblatt, welches die weiblichen Inflorescenzen umschliesst. Also selbst bei Pflanzen ein und derselben Familie sehen wir, wie schon oben hervorgehoben wurde, diese Umhüllungen der Inflorescenzen auf die verschiedenste Weise gebildet, auf welche, das muss eben die Entwicklungsgeschichte zeigen. Drittes Kapitel. Entwicklung der Anhangsgebilde.!) Die Entwicklungsgeschichte der Anhangsgebilde (der Haare, Stacheln etc.) mag hier im Anschluss an die des Sprosses kurz besprochen werden, obwohl dieselben keineswegs auf den Spross beschränkt sind. Wir finden sie vielmehr auch auf der Wurzel, allein doch nicht in so mannigfacher Form und Ausbildung wie auf dem Sprosse. Uebrigens ist die Einleitung betreffs der Abgrenzung des Begriffs der hier behandelten Gebilde zu vergleichen und hier nur noch zu betonen, dass von der Besprechung selbstverständlich diejenigen Dornen, Stacheln etc. ausgeschlossen sind, weiche umgebildete Sprosse, Blätter, Nebenblätter oder Blattzähne sind. Dass hier wie überall Fälle sich finden, welche zweifelhafter Natur sind, ist nicht zu verwundern. Dahin gehören z. B. die Stacheln, welche auf der Aussenseite der Receptacula der Agrimonia-Arten stehen. Die ersten fünf Stacheln alterniren mit den Kelchblättern, nehmen also die Stellung ein, welche bei verwandten Formen der »stipulare Aussenkelch« hat, d. h. die fünf mit den Kelchblättern alternirenden Blättchen, welche die vergleichende Morphologie als aus je zwei Nebenblättern verwachsen betrachtet.) Würde bei Agrimonia nur ein einziger, fünfzähliger Borstenkreis vorhanden sein, so würde derselbe sicherlich dieselbe Deutung erfahren, wie der Calyculus der Potentilleen. Da aber ausser jenen ersten fünf Borsten noch eine ganze Anzahl ihnen vollständig gleicher gegen den Grund des Receptaculums hin entstehen, so begnügt man sich, auch die ersten einfach als »Emergenzen« zu bezeichnen, welche aber trotzdem phylogenetisch einen andern Ursprung haben können (d. h. aus einem Calyculus hervorgegangen sind), als die unteren, die vielleicht erst später sich entwickelten, und jedenfalls für die Aussäung der Früchte von Nutzen sind. Die Anhangsgebilde sind nach ihrer Entwicklungsgeschichte in zwei Kate- !) Literatur: Die ältere Literatur ist in ausgedehnter Weise zusammengestellt in der Ab- handlung von Weiss, Die Pflanzenhaare in KARSTEN, botan. Untersuchungen, Berlin 1867, ebenso bei DELBROUCK, Die Pflanzenstacheln (HANnsTEIN, botan. Abhandl. II. Bd. 4. Heft). Vergl. ausserdem RAUTER, Zur Entwicklungsgeschichte einiger Trichomgebilde. Wien 1870. WARMING, sur la difference entre les trichomes et les &piblastemes d’un ordre plus &leve& (»Videnskabelige Meddelelsere No. 10—12) 1872; UHLLWORM, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Trichome. 1873; SuUCKoW, Ueber Pflanzenstacheln. 1873; DE BArY, vergl. Anatomie. 1877, pag. 58 ff. ?) Corregter wäre der Ausdruck, dass die zwei Nebenblätter durch ein, von Anfang ein- faches Organ ersetzt sind, wie bei Galum palustre s. ©. 336 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. gorien abgetheilt worden: in Trichome, d. h. solche, die aus der Epidermis hervorgehen, und in Emergenzen, d. h. solche, an deren Bildung sich auch Schichten des Periblems betheiligen. Dieser Entstehung gemäss treten in die Emergenzen dann auch nicht selten Gefässbündeläste ein, wie dies z. B. bei den Borsten auf den Blättern von Drosera, den Stacheln auf den Früchten von Datura Stramonium, Aesculus Hippocastanum u. a. der Fall ist. Dass auch die Trennung von Trichomen und Emergenzen nur eine künstliche, einen Faktor in der Organisation derselben, nämlich die Entstehung, berücksichtigende ist, braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden. Wissen wir doch, dass z. B. die Stacheln der untersuchten Aubdus-Arten (R. caesius, idaeus, Hofmeisteri) aus Epidermiszellen hervorgehen (also »Trichome«) sind, während bei der Bildung der ganz ähnlichen Stacheln der Rosen das hypodermale Gewebe sich betheiligt, diese Stacheln also unter die Emergenzen einzureihen sind. Um einen analogen Fall zu nennen, so entsteht bei manchen Samenknospen das eine Integument aus der Epidermis, das andere unter Betheiligung des darunterliegenden Gewebes. Besonders aber ist hier wieder darauf hinzuweisen,!) dass es keinen Gewinn bringt, wenn man definirt, »was aus der Epidermis hervorgeht, ist ein Trichoms, denn in diesem Falle müsste man mit diesem Namen auch die Sporangien der Farnkräuter (die, welche ich die leptosporangiaten genannt habe) bezeichnen,?) was, wenn die morphologischen Eintheilungen überhaupt noch einen greifbaren Sinn haben sollen, unthunlich ist, denn es leuchtet ein, dass ein Haar und ein Farnsporangium mit einander kein einziges Moment gemeinsam haben, als eben die Art und Weise ihrer Entstehung. Ist aber diese maassgebend, dann sind alle Blätter z. B. als Emergenzen zu bezeichnen, da zwischen Entstehungs-Ort und -Art eines Blattes und einer Emergenz irgend welcher Unterschied nicht besteht. Vielmehr kann die obige Eintheilung nur in dem Sinne gefasst werden, dass von den gewöhnlich als Schuppen,?) Stacheln, Warzen etc. bezeichneten Anhangs- gebilden die einen ihrer Entstehung nach als Trichome, die andern als Emergenzen bezeichnet werden, womit aber, da irgend ein Unterschied in Wesen und Function bei ihnen nicht besteht, nichts gewonnen ist, als ein kurzer, die Entstehung be- zeichnender Ausdruck. Den Entstehungs- resp. Anlegungs-Modus theilen die Emergenzen mit andern Organen z. B. vielen Blättern, die sich ja auch häufig in Stacheln (oder wenn man will, Dornen) umbilden. Während man nun nur solche Stacheln als Emer- genzen bezeichnet, die nicht aus der Umbildung eines Blattes, eines Theilblätt- chens oder Nebenblattes etc. hervorgegangen sind, ist man bei anderen Organen geneigt, sie allgemein aus der Umbildung anderer Organe entstanden zu denken. So bei den Ranken, die ja vielfach auch nichts anderes darstellen, als umgebildete Blätter (resp. Blatttheile) oder Sprosse. Es ist aber nicht einzusehen, warum eine I) Vergl. den allgem. Theil. pag. 129. 2) Das ist auch vielfach geschehen. So spricht z. B. RAUTER (a. a. O. pag. ı) von der Entwicklungsgeschichte »der bei vielen Kryptogamen in Fortpflanzungsorgane metamorphosirten Haargebildee. Es ist klar, dass dies phylogenetisch gar keinen Sinn hat, und ebensowenig streng genommen ontogenetisch., Denn eine »Metamorphose« findet keineswegs statt, sondern Antheridien, Sporangien etc. der Farne entwickeln sich wie die (von ihnen 2020 coelo verschiedenen Haare) aus Oberflächenzellen. Indess keineswegs immer. An einschichtigen Prothallien haben die flächenständigen Antheridien übrigens gar keine andere Wahl. 3) Genauer als Haut- oder Oberflächenschuppen zu bezeichnen, welche mit den Schuppen der Knospen etc. natürlich nicht verwechselt werden dürfen. 1 r y % 3. Kapitel. Entwicklung der Anhangsgebilde. 337 Ranke nicht eben so gut automorph (d. h. nicht als Umbildung eines anderen Organes) sollte auftreten können, wie ein Stachel, und eine derartige Annahme ist für die Ranken von Smölax z. B. vorerst noch die wahrscheinlichste. Es sind diese Ranken bei den ersten Blättern eines austreibenden Sprosses und der Keimpflanze von Smilax aspera noch nicht vorhanden, sie entwickeln sich erst bei den folgenden Blät- tern. In die Kategorie der »Emergenzen«, die aber nach dem Obigen eigentlich eine negative ist, d. h. verschiedenartige Organe umfasst, die nicht metamorphe Sprosse, Blätter und Wurzeln sind und nicht aus dem Dermatogen entspringen, gehören wahr- scheinlich auch die interessanten Hattorgane der Podostemeen, deren Entwicklung von WARMING!) untersucht worden ist. Es sind diese Haftorgane (von WARMING Hapteren genannt) je nach der Entfernung vom Substrat lang und (vor der An- heftung) kegelförmig oder (wenn sie dem Substrate sehr genähert entstehen) kurz, breit und scheibenförmig. Sie besitzen einen apikalen Vegetationspunkt, entstehen exogen und sind nur aus Parenchym gebildet. Wenn sie mit ihrer Spitze das Substrat berühren, so flachen sie sich ab, schmiegen sich demselben dicht an, und bilden an der Anhaftungsstelle Wurzelhaare. WARMInG war früher geneigt, diese »Hapteren« als stark umgebildete Wurzeln zu betrachten, ähnlich denen, mittelst deren Cuscufa sich an seiner Nährpflanze befestigt, hat aber in dem letzt- eitirten Aufsatze diese Ansicht zurückgezogen. Wie oben gezeigt wurde (pag. 133 Fig. 14) können ja sogar die Spitzen von Sprossen sich in Haftorgane umbilden, wir wissen ferner, dass dieselben sich an einzelligen, gewöhnlich frei schwimmenden Algen unter bestimmten Umständen bilden können (an Spirogyrazellen, die auf feuchter Erde, Torf etc. kultivirt werden), und es ist desshalb durchaus zulässig, auch die Haftorgane der Podostemeen als automorphe Gebilde zu betrachten. Am häufigsten und in den mannigfaltigsten Formen treten die Trichome auf, welche durch Ausstülpung einer einzigen Oberhautzelle angelegt werden. Theilt sich diese Zelle schon früh durch eine oder mehrere Längswände (vergl. Fig. 82, 3) so kann man bei diesem Stadium zweifelhaft sein, ob ein oder mehrere Zellen an der Trichombildung sich betheiligen, indess ist für den letzteren Fall ein sicheres Beispiel nicht bekannt?). Bleibt die Trichomanlage auf dieser ersten Stufe einer Epidermiszellenausstülpung stehen, so resultirt eine kleine Papille, wie sie z. B. an vielen Blumenblättern auftritt, deren sammtartiger Glanz auf dem Vorhandensein einer Vielzahl solcher Papillen beruht. In zahlreichen anderen Fällen aber zeigt die Haarpapille noch ein intensives Wachsthum, sie wird zum einzelligen Borstenhaar (mit verdickter, oft mit Kieselsäure imprägnirter Wand, vergl. Fig.82, 2) oder einem »Wollhaar« (mit dünner Wand und statt des geschwunde- nen Zellinhalts mit Luft erfüllt) oder sie erweitert sich am Ende zu einem Köpfchen, wie viele Narbenpapillen, oder endlich das Wachsthum findet nicht rechtwinklig auf die Epidermis, sondern quer zu derselben statt, woraus Formen, wie Fig.82, 6 resultiren. — In anderen Fällen ist das Wachsthum der Haaranlage von Zell- I) WARMING, Familien Podostemeeae ı. und 2. Abh. (Vidensk. Selsk. Skr. 6. Raecke 1881 u. 1882) ferner: Botanische Notizen, bot. Zeit. 1883 Nr. 12. 2) HOFMEISTER (allg. Morpholog. pag. 514) führt als Beispiel für die Bildung eines Haares aus zwei Oberhautzellen die Staubfadenhaare der Centaureen an. Wie RAUTER (a. a. O, Taf. IV. Fig. 26—27) zeigt, liegt aber nur eine frühzeitig eintretende Längstheilung der Haarmutterzelle vor. Uebrigens halte ich den ein- oder mehrzelligen Ursprung der Haare für gänzlich irrelevant, zumal die Epidermiszellen zur Zeit der Haarbildungen selbst noch in Theilungen begriffen zu sein pflegen. Auch können Gewebe-Elemente, z. B. die aus dem Cambium von Dracaena ent- stehenden Gefässbündel bald aus einer, bald aus mehreren Zellen hervorgehen. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II. 22 338 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. theilungen begleitet und bei vielen bleibt das Haar nicht einfach, sondern ver- zweigt sich. Es würde zu weit führen, derartige Formen hier genauer zu beschreiben, ihre Entwicklung ist in den oben genannten Arbeiten dargestellt. — Die Insertionsstelle des Haares zeigt häufig einen besonderen Wachsthumsmodus, es bildet sich der Theil des Haares, mit welchem es in der Epidermis befestigt ist, zum Fuss oder Fussgestell aus. Und zwar geschieht dies entweder durch die Differenzirung des basalen Theiles des Haares selbst, oder unter Mitwirkung der dem Haare benachbarten Zellen der Epidermis, oder des unter der Haarinsertion gelegenen Gewebes. In bei- den Fällen ist der Effekt offenbar derselbe, nämlich ‚ die Verstärkung des Basal- theiles des Haares, und es erscheint von keiner grossen Bedeutung, wie dieselbe zu Stande kommt. In Fig. 82, ı ist z. B. ein Haar abgebildet, das auf einer kleinen, durch die Zellen aa gebildeten Er- hebung steht. Es ist in die- sem Zustand kaum möglich zu entscheiden, ob die Zellen (B. 403.) Fig. 82. bb Epidermiszellen, dieZellen ı Unterer Theil eines Knotenhaars von Zamium album auf dem &a hervorgewölbte Periblem- Querschnitt des Stengels (nach RAUTER) 2 Junger Stachel von zellen sind, oder ob diese Gakum Aparine, 3 und 4 Stachelentwicklung von Rubus fruii- : cosus, 6 Junger Stachel von Coraus mas (2—6 nach DELBROUCK). ganze Zellgruppe durch Theil- — Die Zellen aa und bb in ı sind aus Theilung der ung der Basalzelle des Haares Basalzelle des Haares entstanden. zu Stande kam. Das letztere ist hier der Fall, in anderen Beispielen erhält man aber fast identische Bilder, wo das »Fussgestell« des Haares in der That durch eine Anschwellung des unter. der Haarinsertion liegenden Gewebes gebildet wird. Dieses Fussgestell erreicht oft eine beträchtliche Entwicklung, es kann sich zu einem Stachel ausbilden. So z. B. bei Solanum robustum (DELBROUCK, a. a.O. Taf.2., pag. 69). Hier bildet sich zuerst ein durch Querwände gegliedertes Haar und unterhalb des- selben dann ein schlanker (aus dem Periblem hervorgegangener) Stachel. Das Haar wird abgeworfen noch ehe der Stachel seine definitive Grösse erreicht hat. In minder auffallendem Grade kehrt derselbe Vorgang wieder in einer Vielzahl von Fällen z. B. den (einzelligen) Stachelborsten von Symphytum officinale. (DEL- BROUCK, Fig. 66), Urtica urens und dioica, Cajophora lateritia (DE BaRY, a. a. O. Fig. 2ı B. u. A.). Es finden sich alle Uebergänge von einer leichten, unter- halb des Haares auftretenden Protuberanz bis zur Bildung einer scharf abge- gliederten Emergenz wie in dem für Solanum robustum angeführten Falle. — Wie die Zellen unter der Haarinsertion, so betheiligen sich auch die Zellen neben derselben, also die benachbarten Epidermiszellen nicht selten an dem Aufbau des Haares, indem sie die Basis derselben umwachsen, so dass dieselbe im fertigen Zustande dann in einer Scheide steckt, wie dies z. B. bei den be- kannten Brennhaaren von Urzca und Cajophora der Fall ist. Was die Form 3. Kapitel. Entwicklung der Anhangsgebilde. 339 des Haares selbst, seine Gliederung in Zellen, seine Verzweigung und physio- logische Leistung betrifft, so ist bezüglich derselben auf die angeführten Ab- handlungen zu verweisen, besonders auf DE Bary’s eingehende Darstellung. Er- wähnt mag werden, dass nach RAUTER das Wachsthum des Haares in akropetaler oder basipetaler Richtung oder interkalar erfolgt. Diejenigen Haare, die sich zu kleinen Zellflächen entwickeln, haben häufig besondere Namen erhalten. So z. B. abgesehen von den verschiedenen Schuppen wie sie auf Blättern vorkommen, den Spreuschuppen der Farne, besonders die Ligulae der Selaginellen und Isoeten. Beide entstehen aus einer Oberhautzelle und wachsen dann zu Zell- flächen heran. Die »Ligula« der Gräser, jener häutige Saum, der die Grenze zwischen Scheide und Spreite bezeichnet, dagegen entsteht natürlich aus einer Zellreihel), und zwar, wie es mir nach einer gelegentlichen Beobachtung an Glyceria spectabilis scheint, wenigstens in einigen Fällen, aus dem Dermatogen. Derartige Ligularbildungen finden sich z. B. auch an Blüthentheilen wie z. B. die »Nebenkrone« der Narcissen und Silenen zeigt, ferner entspringen sie auch aus der Sprossachse selbst, wie bei den oben citirten Wasserpflanzen. Anhangsgebilde der besprochenen Art können auf Wurzeln, Stengeln und Blättern auftreten, die wichtigsten derselben sind ohne Zweifel die Wurzelhaare. Emergenzen scheinen auf der Wurzel höchst selten vorzukommen; es liegt für das Auftreten dieser Gebilde, die in oberirdischen Theilen meist als Schutzorgane (Stacheln etc.) entwickelt sind, auf der Wurzel kein Grund vor. Die Wurzelhaare treten ohne Zweifel im Allgemeinen in akropetaler Reihenfolge auf, obgleich Inter- kalirungen gewiss auch hier vorkommen. Bei anderen Haargebilden resp. Emer- genzen wird eine bestimmte Reihenfolge des Auftretens gewöhnlich nicht einge- halten, ihre Entstehungsfolge richtet sich eben nach dem Zustande des Pflanzen- theils, aus dem sie entspringen. So entstehen z. B. die Borstenhaare an den Spelzen von Zappago racemosa in basipetaler Reihenfolge, der Ausbildung des Blattes entsprechend. Es hängt diese Regellosigkeit in der Entwicklungsfolge damit zusammen, dass Trichome und Emergenzen wie erwähnt nur selten direkt aus dem Vegetationspunkt ihren Ursprung nehmen, sondern an älteren, nicht mehr aus embryonalem Gewebe bestehenden Theilen, seien es Blätter oder die Stengeloberfläche, entstehen. HOoEMEISTER hatte diese Thatsache mit zur Charakteristik der Haargebilde benützt (a. a. O. pag. 411) »die zeitigst auf- tretenden Haargebilde sprossen aus der Achse erst nach dem Hervorwachsen und unterhalb der Einfügungsstelle des jüngsten Blattes hervor.«< Dieser Satz ist aber schon bei Ufrzcularia, wo die jüngsten Haare sogar ziemlich weit oberhalb der jüngsten Blattanlagen stehen, unrichtig. Die Existenz der Haargebilde ist häufig eine viel kürzere als die der Organe, denen sie entspringen. Manche Blätter sind in der Knospe von einem dichten, schützenden Haarfılz überzogen, den sie nach der Entfaltung, nachdem ihre Epidermis erstarkt ist, verlieren. So z. B. die von Aesculus Hippocastanum. Wie hier, so pflegen auch sonst die Haare im Knospenstadium der betreffenden Organe vollständig ausgebildet zu sein. Indes kommen auch während oder nach der Entfaltung auf den Blättern ver- schiedener Holzpflanzen Haare zur Anlegung?) (auf der Blattunterseite, an den Seiten oder in den Winkeln der Nerven), bei einigen Pflanzen bilden die I) Ebenso nach HOFMEISTER die Ligula der Selaginellen. 2) HÖHNEL, Ueber die ‚nachträgliche Entstehung von Trichomen an Laubblättern. Bot. Zeit. 1882. pag. 145 fl. 22” 340 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Blätter in der Knospe sogar keine Haare (Prunus serotina, Pr. Padus, Rhamnus in- Fectoria): Diese treten bei Zr. serotina z. B. erst auf, wenn das Blatt eine Länge von 5—6Centim. erreicht hat. II. Abteilung. Entwicklungsgeschichte der Wurzel. Wie oben, pag. 132, ausgeführt wurde, dehnen wir den Begriff »Wurzel« weiter aus, als dies gewöhnlich geschieht, indem wir mit Sachs darunter auch die »wurzelähnlichen« Organe der Thallophyten, die »Rhizoiden, Rhizinen« der- selben und der Moose verstehen, da hiermit eine wesentliche Vereinfachung der Terminologie erzielt wird. Es beruht diese Bezeichnung wesentlich auf der gleichen physiologischen Funktion der betreffenden Gebilde, die Thatsache, dass wir bei Thallophyten und Moosen keine Organe antreffen, welche den Wurzeln der Gefässpflanzen (Gefässkryptogamen und Samenpflanzen) morphologisch ent- sprechen, wird dadurch nicht tangirt. Den »Wurzeln« der Thallophyten morpho. logisch entsprechende Organe treffen wir, wenn wir von den Wurzelhaaren, welche einen integrirenden Bestandtheil der Wurzeln der meisten Landpflanzen bilden, absehen, allerdings gelegentlich auch bei »höheren« Pflanzen. Der Embryo der Orchideen (vergl. pag. 173 und 174) ist wurzellos. Er befestigt sich bei der Keimung, indem sein unterer Theil knollig anschwillt, und eine Anzahl von »Wurzelhaaren« producirt, die den Keimling im Boden fixiren.t) Diese »Wurzel- haares« entsprechen offenbar bezüglich ihrer Entstehung und Funktion den Wurzelschläuchen, welche auf der Bauchseite eines Lebermoosthallus hervor- treten, und in analoger Weise sehen wir manche Stecklinge, ehe sie Wurzeln bilden, durch solche Wurzelhaare befestigt. In den beiden erwähnten Fällen?) bilden sich aber echte Wurzeln im ferneren Verlaufe der Entwicklung, es giebt indess unter den Gefässpflanzen auch solche, die wurzellos sind. Speciell gilt dies für schwimmende Wasserpflanzen, bei welchen die Nothwendigkeit eines Organs, das sie im Boden befestigt, und aus demselben ihnen Wasser und darin gelöste Salze zuführt, fortfällt. Und zwar tritt diese Reduction des Wurzelsystems in verschiedenem Maassstabe auf, sie geht in extremen Fällen so weit, dass zu keiner Zeit, nicht einmal am Embryo die Anlegung einer Wurzel stattfindet. So ist es z. B. bei Salvinia, Wolfia arrhiza, Utricularia, Pflanzen also aus sehr ver- schiedenen Verwandtschaftskreisen, dem der Gefässkryptogamen, Monokotylen und Dikotylen. Andere Wasserpflanzen trifft man zwar gewöhnlich wurzellos an, sie sind aber unter bestimmten Umständen festgewurzelt. So Ceratophyllum, von dem man häufig angegeben findet, es sei wurzellos. Indess giebt SCHENK an:?) I) Ganz ähnlich verhält sich die merkwürdige Podostemacee Castelmavia princps, deren Kenntniss wir WARMING’s Untersuchungen verdanken. Wurzeln fand WARMING an dem Vegetations- körper dieser dikotylen Wasserpflanze keine, und auch bei der Keimung tritt keine auf, sondern das hypokotyle Glied bedeckt sich mit Wurzelhaaren, welche den Keimling am Substrat be- festigen. 2) Bei den Orchideen unterbleibt, wie es scheint, bei einigen Formen die Wurzelbildung ganz: so bei Zpipogon und Corallorkiza. Das mit Schuppen besetzte Rhizom der letzteren trägt Büschel von Wurzelhaaren. 3) SCHENK, Flora der Umgebung von Würzburg. Regensburg, 1848, pag. 62. In Ueberein- stimmung damit giebt DuvaL JouvE (nach dem Referat im bot. Jahresber. 1878, pag. 447) an, dass sich die Winterknospen von Ceratophyllum »bisweilen« durch einige Wurzeln im Schlamm befestigen. Myriophyllum, das zuweilen auch als wurzellos bezeichnet wird, ist dies in normalem 3. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Wurzel. 341 »die Pflanze (Ceratophyllum demersum) wurzelt wie Myriophylium durch Neben- wurzeln auf dem Boden der Gewässer und ist keineswegs wurzellos.« Die wurzellosen, freischwimmenden Exemplare sind also eigentlich als losgerissene zu betrachten, sie gedeihen aber trotzdem ganz gut und wachsen weiter. Wie sich die Wurzeln der Parasiten verhalten, das wird bei der Gesammtbesprechung derselben zu erwähnen sein. 8 ı. Charakteristik der Wurzeln, Wachsthum derselben. Fassen wir ausschliesslich die Wurzeln der Gefässpflanzen ins Auge, so sind es ab- gesehen von anatomischen Verhältnissen namentlich zwei Charaktere, die sie von den Sprossen unterscheiden: der Besitz einer Wurzelhaube und der Mangel der Blattbildung. Beide Charaktere sind, wie oben (pag. 134) schon hervorgehoben wurde, allerdings keine scharfen, allgemein gültigen Trennungsmerkmale: wir kennen Sprossanlagen (wie die Embryonen von Cephalotaxus Fortunei und Arau- caria imbricata), deren Vegetationspunkt, ehe er Blätter producirt von einer Kappe von Dauergewebe bedeckt ist, und andererseits Wurzeln, die ihre Wurzelhaube abstreifen. So die älteren Wurzeln des schwimmenden heterosporen Wasser- farn’s Azolla caroliniana.!) Aehnlich verhalten sich auch einige phanerogame Wasserpflanzen. Z.B. Hydrocharis?) Die am Stämmchen gebildeten Adventiv- wurzeln besitzen anfangs eine Wurzelhaube, die aber verloren geht, wenn die Wurzel etwa 1o Centim. Länge erreicht hat. Damit ist auch das Spitzenwachsthum der Wurzel beendigt, und die Epidermis der Wurzelspitze producirt nun ebenfalls Wurzelhaare, wie bei Asolla. Das gleiche gilt auch für Pistia Stratiotes,’) und namentlich für die unten anzuführenden metamorphen Wurzeln, die sich wie die von Zicaria zu Knollen, oder wie die einiger Palmen u. a. zu Dornen umbilden, oder wie die mancher Parasiten zu Saug- organen werden, auch bei den Podostemoneen finden sich analoge Fälle. Sogar solche Wurzeln sind bekannt, die von Anfang an keine Wurzelhaube besitzen. So die kleinen Würzelchen, welche an den grösseren Wurzeln von Aesculus Hippocastanum sich finden.) Sie entstehen endogen, wie gewöhnliche Seitenwurzeln und stimmen mit solchen auch in ihrem inneren Bau überein, haben aber keine Wurzelhaube. Sie sterben entweder bald ab, oder wachsen nach KLEın weiter und bilden dann eine Haube. — Die ebenfalls nur kurze Zeit Zustand nicht, sondern wird gewöhnlich festgewurzelt getroffen und abgerissene Sprosse bewurzeln sich leicht wieder. Analoge Fälle finden wir übrigens auch bei den Moosen: die Sphagna bilden in ihrer Jugend einige Wurzeln (»Rhizoiden«) später sind sie wurzellos. Von Ceratophylium sagt SCHLEIDEN (Linnaea 1838, pag. 345) dass bei der Keimung die Pflanze sich nicht durch Wurzeln befestige. Das Radicularende schiebt sich bei der Keimung aus der Samenschale hervor und richtet sich nach unten, »die Aadicula dagegen bleibt fortwährend ein grünes Zäpf- chen und entwickelt sich gar nicht weiter.e — Eine genauere Untersuchung des Vorgangs ist mir nicht bekannt. 1) Vergl. WESTERMAIER und AMBRONN, Verh. des bot. Ver. der Prov. Brandenburg 1880, pag. 58. Die Scheitelzelle und die jüngsten Segmente derselben wachsen dabei zu Haaren aus. Die haubenlose Wurzel hat dann einen ähnlichen Habitus (und wohl auch eine ähnliche Funktion) wie die Zipfel der Wasserblätter der verwandten Salvizia, welche wurzellos ist. 2) JANCZEWSKI, recherches sur le developpement des racines dans les Phanerogames. Ann. des scienc. nat. V. Ser. t. XX. 1874, pag. 167. 3) Vergl. auch JÖRGENSEN, Ueber haubenlose Wurzeln. Bot. Centralblatt 2. Bd., pag. 635, wo angegeben wird, dass die Wurzeln der Bromeliaceen, die anfangs, so lange sie im Stengel fortwachsen, eine Wurzelhaube besitzen, dieselbe nach dem Hervortreten verlieren. #) Krein, Botan. Centralblatt. Bd. I, pag. 23. 342 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. funktionirende Hauptwurzel des Keimlings der bekannten Schmarotzerpflanze Cuscuta!) ist zeitlebens haubenlos. Sie hat nur die Aufgabe die Keimpflanze im Boden zu fixiren und ihr im ersten Entwicklungsstadium Wasser zuzuführen. Sie beginnt meist schon zwei Tage nach der Keimung abzusterben, und mit ihr natürlich die ganze Keimpflanze, falls sie bis dahin nicht eine Nährpflanze ge- funden hat, auf welcher sie schmarotzen kann. Wie andere, unter bestimmten Lebensbedingungen nutzlos gewordene Organe wird also die Wurzelhaube in einigen Fällen im Laufe der Entwicklung abgestreift, in andern gelangt sie gar nicht mehr zur Entwicklung. Uebrigens sind hierfür noch unten, bei Besprechung der metamorphen Wurzeln anzuführende Fälle zu vergleichen. Hier genügt es, darauf hingewiesen zu haben, dass der Besitz einer Wurzel- haube eben auch kein absolutes Merkmal der Wurzeln ist, sondern nur den »typisch« gebauten derselben zukommt. Die Erkenntniss, dass die typischen Wurzeln ganz allgemein eine Wurzelhaube besitzen, ist erst jüngeren Datums. Noch in DE CAnDoLLE’s physiologie vegetale (1832) herrscht die un- klare Vorstellung von den »sZorgioles« welche die Wurzelspitzen bedecken sollen. So pag. 41 a. a. O. »la succion des racines s’ex&cute par des points speciaux qu’on nomme spongioles, qui sont composes d’un tissu cellulaire tres fin et toujours nouveau, puisque les racines s’allon- gent sans cesse par leur extremite.«e Wurzelhaube und Wurzelvegetationspunkt sind hier also vollständig confundirt, und die Bedeutung der Haube ganz verkannt. Die letztere pflegte man dann als Eigenthümlichkeit der Wurzeln einiger Wasserpflanzen hervorzuheben, bei denen sie besonders leicht sichtbar ist, so Zemna nnd Pistiia (SCHLEIDEN, Grundzüge. ı. Aufl. 1843. pag. 120). | TRECUL?) ist wohl der erste gewesen, welcher das Vorkommen der Wurzelhaube bei einer grösseren, verschiedenen Verwandtschaftskreisen angehörigen Anzahl von Pflanzen nachwies, was alle nachfolgenden Untersuchungen bestätigt haben. Es giebt indess nach den oben angeführten Beispielen auch haubenlose Wurzeln und dass andererseits die Fähigkeit der Sprosse zur Blattbildung eben- sowenig eine durchgreifende ist, wurde früher an verschiedenen Beispielen dar- gethan. Es genüge hier zu erinnern an die wurzelähnlichen, mit verkümmernden Blattanlagen versehenen Sprosse von Haplomitrium, Sendinera und Psulotum (pag. 271), an die vollständig blattlosen Büschel-Zweige von Asparagus und die Stachelborsten von Seiaria, Pennisetum und Cenchrus, von denen die der erst- genannten Kategorie ja auch in ihrem Habitus mit den Wurzeln übereinstimmen. Noch wurzelähnlicher sind die sogenannten »Wurzelträger«e mancher Sela- ginella-Arten (S. Martensi, Kraussiana u. a.)?). Sie entspringen an den Stellen, wo die (scheinbaren) Gabelungen stattfinden und wachsen nach ab- wärts. Endogen an ihrer Spitze werden schon frühe einige Wurzeln ange- legt, die aber erst dann sich entwickeln, wenn der Wurzelträger in die Erde eindringt, oder in sehr feuchter Luft sich befindet. Der Vegetationspunkt des Wurzelträgers stellt dann sein Wachsthum ein. Wie PFEFFER®) beschrieben hat, 1) Vergl. Koch, Unters. über die Entwickl. der Cuscuteen, HAnsTEIN, botan. Abhandl. IL, 3. 2) TRECUL, Recherches sur l’origine des racines. Ann. des scienc. nat. 3. serie, t. 6. 1846. 3) NÄGELI und LEITGEB, Entstehung und Wachsthum der Wurzeln. pag. 124. (Beiträge zur wiss. Botanik von C. NäÄcerı. IV. Heft. 4) PFEFFER, Die Entwicklung des Keimes der Gattung Selaginella in HAnsTEIN, Bot. Abh. I. 4. 1871. pag. 67. — Bei anderen Selaginella-Arten (z. B. S. laevigata und S. cuspidata) ent- springen echte Wurzeln an den unteren Gabelungsstellen des Stammes, an den oberen Wurzel- träger, während S. denziculata, helvetica u. a. solche überhaupt nicht besitzen. Es lässt sich wohl kaum mit Sicherheit entscheiden, ob die »Wurzelträger« als metamorphe Sprosse oder hauben- 3. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Wurzel. 343 findet man diese Wurzelträger zuweilen in beblätterte Sprosse umgebildet, be- sonders dann, wenn die über den Wurzelträgern stehenden beiden Gabelsprosse weggebrochen waren. Wir haben in diesem Falle (obwohl er experimentell noch weiter zu untersuchen ist), jedenfalls Recht zu der Annahme, dass das Ab- brechen der Sprossanlagen eine erhöhte Zufuhr plastischer Substanzen (wenn man diesen allgemeinen, unsere Unkenntniss derselben bezeichnenden Ausdruck gestatten will) in die Wurzelträgeranlagen bewirkt und dieselben zum Austreiben veranlasst hat. Dass derselbe Vorgang auch an unverletzten Sprossen eintritt, ist kein Grund gegen die Annahme einer solchen Correlation: denn dieselben Vorgänge können sich ja auch am unverletzten Sprosse abspielen, die bei der Verletzung veranlasst werden. — Die Frage, ob die Wurzelträger als metamorphe, blattlose Sprosse oder als Wurzeln ohne Haube zu betrachten seien (mit denen sie im Habitus übereinstimmen), bleibt vorerst zweifelhaft. Im letzteren Fall würde eine Umwandlung von Wurzeln in Sprosse nach dem oben Angeführten nicht selten stattfinden. Derartige Fälle sind nun in der That von anderen Pflanzen bekannt. Sehen wir von zweifelhaften Angaben ab, so sind hier zwei Monoko- tylen, Neottia nidus avis!) und Anthurium longifolium zu nennen. Bei der erst- genannten Pflanze findet man nicht selten, dass einzelne Wurzeln an ihrer Spitze in Sprosse übergehen, indem sie die Wurzelhaube verlieren und neue Blätter bilden. Der Vorgang des Verschwindens der Wurzelhaube ist zwar noch nicht genauer bekannt, es kann aber dennoch keinem Zweifel unterliegen, dass wirklich sich die Wurzelspitze in eine Sprossspitze verwandelt. Und dasselbe gilt für AnzAu- rium longifolium?), nur dass die Sprossbildung hier (wenigstens bei den allein darauf untersuchten kultivirten Exemplaren) seltener auftritt als bei NVeozia. Es bildet sich aus der Wurzelspitze ein Spross, der zunächst einige Schuppen-, dann Laubblätter producirt, und später zu einer selbstständigen Pflanze wird. Es ist kaum zu bezweifeln, dass die Umwandlung von Wurzeln in Sprosse noch mehr ver- breitet ist.3) VAN TIEGHEM) giebt sie z. B. auch für Oßkioglossum vulgatum an. Auf den Wurzeln dieser Pflanze entstehen sehr häufig Adventivsprosse, es ist dies die einzig sicher nach- gewiesene Vermehrungsart dieser Pflanze, da die Sporenkeimung wenigstens bis jetzt nicht be- kannt ist. Ausser diesen Adventivsprossen kommt aber nach dem genannten Autor auch noch die Umbildung der Wurzel- in eine Sprossspitze vor: Die Wurzelspitze krümmt sich aufwärts, rundet sich halbkugelig ab, verliert ihre Haube und wird zu einer Sprossanlage, während lose Wurzeln zu betrachten sind, Analogiegründe sprechen für letzteres. Auf die Thatsache, dass der Gefässcylinder des Wurzelträgers von 5. Araussiana sich centrifugal entwickelt (NÄGELT, a. a. O. pag. 126), also von dem Entwicklungsgang der Wurzeln darin abweicht, möchte ich um so weniger Gewicht legen, als bei S. Martensii die Primordialgefässe an der Peripherie des Gefässstranges liegen. Dass die Gefässstränge der Wurzelträger sich bei der Gabelung derselben ganz ähnlich verhalten wie die der Wurzeln, hat van TIEGHEM des Näheren dargelegt (Ann. des sciences nat. 5. ser. t. XIII. pag. 96 ff. 2) Vergl. WARMING, om rödderner hos Neoitia nidus avis (wo die ältere Literatur angegeben ist), in Vidensk, Medd. fra den naturh. Foren. i Kjöbenh. 1874. No. I—2. 3) GOEBEL, Ueber Wurzelsprosse von Antherium longifolium. Bot. Zeit. 1878. pag. 645. #) VAN TIEGHEM, a. a. O. pag. Ill. 5) Nach einem Citat von PFEFFER (a. a. O. pag. 75) hat KARSTEN angegeben, dass er aus einer Wurzelspitze von Dioscorea einen beblätterten Spross aus der Spitze einer Seitenwurzel eine gefüllte Balsamine hervorgehen sah (KARSTEN, Vegetationsorgane der Palmen, pag. 113, Flora, 1861. pag. 232). Die Angaben von VAUCHER (hist. phys. vol. IV. pag. 232) über 7amus com- munis sind viel zu unbestimmt, als dass sich daraus entnehmen liesse, ob hier ein analoges Ver- halten wie bei Neoztia und Anthurium vorliegt. 344 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. eine neu entstandene Wurzel in der Richtung der alten weiterwächst. Die Angaben van TIEG- HEM’s sind aber so wenig eingehend, dass mir seine Auffassung noch einigermaassen zweifelhaft erscheint. Es genügt, hier noch auf die bekannten anatomischen Differenzen von Wurzel und Stengel hinzuweisen. Was nun die Haupteigenthümlichkeit der Wurzel, die Wurzelhaube betrifft, so haben zahlreiche mühsame Arbeiten der letzten Jahre die Entwicklung derselben klarzulegen gesucht. Das werthvolle, bierbei zu Tage geförderte Material, das übrigens in mehr als einer Beziehung noch kritischer Durcharbeitung bedarf, ist zwar für die Lehre von der Zellenan- ordnung sehr wichtig, organographisch aber von sehr geringer Bedeutung. Denn selbst bei nahe verwandten Pflanzen finden sich Differenzen in der Vertheilung der Meristeme in der Wurzelspitze. Ich begnüge mich deshalb, hier auf Grund der wichtigsten vorliegenden Abhandlungen!) kurz die gewonnenen Resultate an- zuführen. Da die Wurzelhaube ihre äusseren Zellschichten successive verbraucht (meist unter Ver- schleimung der Zellmembranen, wodurch die Wurzelspitze schlüpfrig wird, und so sich ihr Ein- dringen in den Boden erleichtert), so ist klar, dass an der Grenze von Wurzelhaube und Wurzelkörper ein Theilungsgewebe vorhanden sein muss, aus welchem die Wurzelhaube ständig regenerirt wird. In der Wurzelspitze selbst lassen sich meist wie beim Spross-Dermatogen, Peri- blem und Plerom?) unterscheiden, über deren Verhältniss pag. 140 ff. zu vergleichen ist. Es fragt sich in welchem Verhältniss das die Wurzelhaube erzeugende Meristem (das »Kalyptrogen«) zu den genannten Meristemen steht. Es lassen sich hier zunächst zweierlei Kategorien unter- scheiden: bei der ersten ist das Kalyptrogen von den Wurzelmeristemen (wie sie kurz genannt sein mögen), ganz unabhängig, bei der zweiten ist dies nicht der Fall. A) Monokotylen. ı. Die junge Epidermis (Dermatogen) überzieht, wie beim Spross der Angiospermen, die ganze Wurzelspitze und bildet die Grenze gegen das »Kalyptrogen.« Dieser Fall findet sich nur bei einigen Monokotylen mit hinfälliger Wurzelhaube und begrenztem Spitzenwachsthum, den Wasserpflanzen Pistia Stratiotes und Hydrocharis. Es ist dieser Fall principiell nicht unterschieden von dem folgenden. 2. Auch hier ist ein von der jungen Epidermis unabhängiges Kalyptrogen vorhanden, der Unterschied vom vorigen Fall liegt nur darin, dass wenn man die Epidermis von den älteren Theilen aus nach der Spitze hin verfolgt, dieselbe sich an der Wurzelspitze in einem Theilungs- gewebe verliert, aus welchem Epidermis und Periblem (Rinde) hervorgehen. Mit andern Worten, es wird die Epidermis hier also später differenzirt als im ersten Fall. Hierher gehören eine An- zahl monokotyler Familien. So die untersuchten Gramineen (vergl. Fig. 83 rechts), Cyperaceen, I) Von demselben seien, ausser den oben angeführten Abhandlungen von JANCZEWSKI und HANSTEIN’s embryologischen Untersuchungen noch genannt: REINKE, Unters. üb. Wachsthums- gesch. und Morphol. der Phanerogamenwurzel (HAnsTEIn’s Abh. Bd. I); HoLLE, Ueber den Vegetationsp. d. Angiospermenwurzel; Bot. Zeit. 1876; TREUB, Le meristeme prime de la racine des Monokot. Leyde 1876 (nicht gesehen), ERIKSSON, Ueber das Urmeristem der Dikotylen- wurzeln (PRINGSH. Jahrber. XI. pag. 380), FLAHAULT, recherches sur l’acroissement terminale de la racine chez les Phanerogames (Ann. d. scienc. nat. 6. Ser. t. VI.), SCHWENDENER, Ueber das Scheitelwachsthum der Phanerogamenwurzeln. Sitz. Ber. d. Berliner Akad. 1882. 2) Es ist hier nicht der Ort, die Frage nach der Selbständigkeit dieser »Meristeme« zu er- örtern. Namentlich SCHWENDENER (Ueber das Scheitelwachsthum der Phanerogamenwurzeln Sitzber. d. Berl. Akad. 1882), hat neuerdings die Selbsiändigkeit des »Plerom« angefochten, wozu auch die Abbildungen anderer Autoren mehrfach Anlass gaben. Es fehlt aber an Beob- achtungsreihen zur Entscheidung dieser Frage, für welche sich eine allgemein gültige Lösung wohl auch nicht ergeben wird. Für einige Fälle z. B. Zeleocharis wird eine Scheitelzelle ange- geben, hier hätten also Plerom, Periblem und Dermatogen eine gemeinsame Initiale, aus der aber nicht wie bei Filicineen und Equisetineen auch die Wurzelhaube hervorgeht. ER SR}. > A 3. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Wurzel. 345 Juncaceen, Cannaceen, Zingiberaceen, Sagzttaria, Vallisneria, Stratiotes aloides u. a. Die Wurzel- spitze hätte hier also, wenn wir der Ansicht von der Getrenntheit von Dermatogen Periblem, Plerom folgen, drei Meristeme: ı. Calyp- trogen, 2. Dermatogen-Periblem (ge- meinsam) 3. Plerom. 3. Die Initialen von Wurzelhaube und Periblem sind an der Wurzelspitze nicht gesondert, sondern gehen aus einem gemeinschaftlichen Meristem hervor. So z.B. einigeLiliaceen, einige Aroideenu.a, Die Epidermis steht aber nach FLA- HAULT auch hier in keinem genetischen Zusammenhang zur Wurzelhaube. Offen- bar sind 2 und 3 nicht immer scharf geschieden, und kann eine Wurzel, die im Embryo die Anordnung von 2 zeigt, später in die von 3 übergehen. (7 Lil er: NR, Fig. 83. (B. 404.) B. Dikotylen. Rechts Längsschnitt durch eine Nebenwurzel von Oryza A. Helianthus-Typus. Geht man sativa. Die Epidermis ist schraffirt und reicht nicht bis zum Wurzelscheitel, wo die für Epidermis und Periblem der älteren Epidermis gegen die Wurzel- gemeinsame Initiale i liegt. Die Wurzelhaube besitzt ein spitze hinnach, so findetman dieEpider-- von der Epidermis unabhängiges Meristem, das Kalyptro- mis durch perikline Wände gespalten gen (k) pl Plerom, p dessen Initiale, g Gefässe der in eine Anzahl Zellschichten, deren Mutterwurzel. äusserste der Wurzelhaube angehören, während die innerste die junge Epidermis darstellt. Auf dem Wurzelscheitel findet sich mit anderen Worten ein Bildungsgewebe, aus dem Epidermis und Wurzelhaube hervorgehen, das »Dermato- kalyptrogen«e ERrıKson’s (Fig. 84). Es kommt ganz auf dasselbe heraus, ob man die Wurzel- haube hier aus einer wiederholten Spaltung des Dermatogens hervorgehen lässt oder letzteres als die innerste Schicht der Wurzelhaube betrachtet, oder das beide erzeugende Theilungsgewebe mit einem indifferenten Namen bezeichnet. Da theil- weise schon differenzirte Epidermiszellen sich an der Wurzelhaubenbildung ebenfalls betheiligen, so ist die alte HansTtEin’sche Auffassung die Wurzelhaube sei hier ein Produkt der Epidermis, wohl die einfachste. Es gehören hierher eine grosse Anzahl Dikotylen, so z. B. Compositen (Helianthus), Cruciferen (Raphanus sat., Brassica, Sinapis), Solaneen etc. Hier finden sich also drei »Meristeme :« Dermato-Kalyptrogen (resp. Dermatogen), Peri- blem, Plerom. B. Verfolgt man die Epidermis nach oben, so findet man wie im vorigen Falle perikline Spaltungen derselben. Allein die Epidermis ist gegen das »Periblem« nicht scharf abgegrenzt. Die Wurzelhaube entspringt also nicht aus einem Dermato-Kalyptrogen, sondern am Wurzelscheitel N > I SS IIIÄIN N RS N IRQ Fig. 84. (B. 405.) Schematischer Längsschnitt durch das Wurzel- ende eines Embryos von Capsella bursa pastoris. Dermatogen und Plerom sind schraffirt. Das zwischen dem Embryoträger (T)) und dem schraf- firten Dermatogen (resp. Dermatokalyptrogen gelegene) Gewebe ist die Wurzelhaube. findet sich ein Bildungsgewebe, das dem Wurzelkörper und der Wurzelhaube gemeinsam ist. Es lassen sich zwei Fälle nach den Angaben der Autoren unterscheiden: ı. Neben dem für primäre Rinde (Periblem), Epidermis (Dermatogen) und Haube gemein« 346 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. samen Bildungsgewebe (Meristem) findet sich noch ein gesondertes Plerom (nach ERIKSON’s Auf- zählung bei einigen Malvaceen z. B. Zavatera pallescens), Proteaceen, Pomaceen etc. 2. Ein gesondertes »Plerom«e ist nicht vorhanden, die sämmtlichen Componenten der Wurzel (Haube, Epidermis, primäre Rinde und Centralcylinder), entstehen also aus einem ge- meinsamen Theilungsgewebe. Hierher gehören namentlich eine grössere Anzahl Papilionaceen (Vida sativa, Pisum sativum u. a.). Umbelliferen, Euphorbiaceen etc. Ob ı und 2 in der That verschieden sind, das bedarf meiner Ansicht XV \ ae nach noch genauerer Untersuchungen. Dass | Rn das »Plerom« von den andern Meristemen SL ” nicht so scharf gesondert ist, wie vielfach a 07 ITS behauptet wurde, geht z. B. schon aus a. a _\ .. zur Erıkson’s Zeichnungen hervor!) vergl. z. B. ” Aa a. a. O. Taf. XVII. Fig. ı., es fehlt aber Re / x £ \- EN 4 auch an dem Nachweis eines genetischen H K \ se; sei Zusammenhangs beider. ä (7 Ri VE C. Gymnospermentypus (welcher auch a 3 /} e ] eine Anzahl Angiospermen mit einschliesst, [) W B. Acacia, Mimosa, Caesalpinia, Lupinus). N 7% \\ ale Es sind hier an der Bildung der Wurzel- //M el haube entweder nur das Periblem allein | A EB 6 RN; (Acacia, Mimosa, Caesalpinia, Lußinus) be- e | h theiligt, oder Epidermis und Periblem (Gym- nospermen und nach FLAHAULT Gymnocladus "135c 03217 canadensis, Fuglans regia u. a.). Die Epi- 4 dermis zeigt hier also ähnliche perikline Zerklüftungen?) wie beim Zelianthus-Typus, allein unterhalb derselben liegt ein Meristem, das der Wurzelhaube und dem Periblem gemeinsam ist, während das Plerom nach Angabe der Autoren selbständig ist. Indem bezüglich der weiteren Ausführungen auf die genannten Abhandlungen verwiesen wird, ist noch zu bemerken, dass die oben aufgeführten »Typen« nicht etwa scharf von einander abgegrenzt sind, sondern innerhalb ein und derselben Familie und auch wohl in den verschiedenen Entwicklungsstadien ein und derselben Wurzel zwei verschiedene (B. 406.) »Typen« auftreten können. Organogra- Schema für das Scheitelwachsthum einer Farn- und phisch sind dieselben, wie schon erwähnt, Equisetenwurzel (vergl. SADEBECK, die Gefässkrypto- yon sehr geringer Wichtigkeit, das Interesse, gamen, Bd.I. p.246 diesesHandb.). A axilerLängsschn., d ich an sie knüpft ist dee B Querschnitt am unteren Ende von AI—XV dieauf “> a an sıe knüpft, 15 einander folgenden Segmente v, w, x, y, z Periklinen, anordnungsprobleme. welche die aufeinander folgenden Wurzelhauben- Zum Schlusse sei hier noch an das kappen abtrennen, ‚die jüngste derselben ist zwischen Wurzelwachsthum der Gefässkryptogamen y und z. aa Antiklinen der Wurzelhaube, ee die die : e 5 3 ? : . erinnert, wie NÄGELI und LEITGEB es nach- Epidermis, cc die das Plerom begrenzenden Peri- l 1 3 2 klinen, rr Grenze der äusseren und der inneren Rinde. gewiesen haben. Hier besitzt die Wurzel eine »dreiseitig pyramidale« Scheitelzelle (vergl. Fig. 85), welche nach drei Richtungen hin Segmente durch Antiklinen abgliedert, aus I) Es tritt dies namentlich dann hervor (auch an manchen Fignren JANCZEWESKI's), wenn man sich die dicken Contouren, durch welche Periblem und Plerom von einander abgegrenzt zu werden pflegen, hinwegdenkt. 2?) Sie sind — nach eigner Untersuchung — besonders deutlich bei Biora orientalis. 3. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Wurzel. 347 denen sich der Wurzelkörper aufbaut, nach Vollendung einer solchen Segmentbildungsperiode wird aber durch eine Perikline eine tafelförmige Zelle (z) der Wurzelhaube beigefügt, die sich nun weiter durch Anti- und Periklinen fächert. »Dermatogen«, »Periblem«, und »Plerome haben hier also eine gemeinsame Initiale, nämlich eben die Wurzelscheitelzelle. Gehen wir von der Wurzelspitze, deren Zellenanordnung in dem Obigen geschildert wurde, nach hinten, so gelangen wir an die in Streckung begriffene Region des Wurzelkörpers. Sie ist aber viel kürzer, als die entsprechende Region am Sprosse, bei kräftigen Hauptwurzeln erreicht sie nach Sachs!) eine Länge von 8—ıo, bei Seitenwurzeln oft nır von 2—3 Millim. An dem aufdiese Region folgenden, frisch ausgewachsenen Theile stehen die Wurzelhaare, einfache Aus- stülpungen der Epidermiszellen der Wurzeln, die nur wenigen Wurzeln fehlen?), namentlich einer Anzahl von Wasser- und Sumpfpflanzen (z. B. Dufomus umbellatus, Hippuris vulgaris, Lemna-Arten, Menyanthes trifoliata, Pistia Stratiotes u. a.), ausserdem bei einer Anzahl Coniferen (z. B. Abies excelsa, Pinus silvestris, Biota orientalis, Thuja occidentalis u. a.), bei einigen monokotylen Knollenpflanzen wie Crocus sativus, einigen Schmarotzern und Humusbewohnern, wie Monofropa, Neottia, Orobanche ramosa. Es sind die genannten Pflanzen solche, welche ent- weder Wasser reichlich zur Verfügung haben, wie die Wasser- und Sumpfpflanzen, oder solche, bei denen die oberirdischen Theile keine sehr intensive Wasserver- dunstung unterhalten, wie die Coniferen mit lederartigen Blättern (andere wie Taxus bilden indess zahlreiche Wurzelhaare), bei Croczs sind die oberirdischen Theile wenig umfangreich und von kurzer Dauer, und bei den Schmarotzerpflanzen und Humusbewohnern sind die Blätter, welche bei andern Pflanzen am meisten transpiriren, meist zu kleinen Schuppen verkümmert, Bei einer grösseren Anzahl von Pflanzen, die normal Wurzelhaare besitzen, unterbleibt übrigens deren Bildung, wenn man die Wurzeln in Wasser kultivirt. So bei Aläum Cepa, Zea Mays, Cucurbita Pepo, Phaseolus communis, Pisum sativum u. a. Schliesslich sei hier noch an die merkwürdige und wichtige Thatsache er- innert, dass die Wurzeln sehr vielfach in ihren ausgewachsenen Theilungen eine Verkürzung von ıo, oft 25@ der ursprünglichen Länge erfahren, welche in der parenchymatischen Rinde vor sich geht und an den Querrunzeln der äusseren Rinde leicht erkennbar ist. Es wird durch diese Verkürzung bei manchen Keim- pflanzen der hypokotyle Stengel bis zu den Cotyledonen in den Boden hinunter- gezogen, über welchen er sich vorher erhoben hatte?). Regeneration des Vegetationspunktes. Eine Eigenthümlichkeit einer Anzahl darauf untersuchter Wurzeln, die für Sprosse nicht in gleicher Weise bekannt ist, ist es, dass sie im Stande sind, unter bestimmten Umständen ihre Spitze, d. h. ihren Vegetationspunkt zu regeneriren. Es wurde zuerst von CIESIELSKI®) beobachtet, dass an Wurzeln, deren Spitze abgeschnitten wurde, nach einiger Zeit eine neue Wurzelspitze auftrat, die hierbei stattfindenden Entwicklungsvorgänge wurden von PRANTL näher untersucht). Eine vollkommene Regeneration (mit Betheiligung aller Gewebesysteme) tritt dann ein, wenn der die Wurzelspitze entfernende 1) Vorlesungen über Pflanzenphysiologie. pag. 24, s. a. a. O. 2) Vergl. die eben erschienene Abhandlung von Fr. ScHwaArz: Die Wurzelhaare der Pflanzen. (Arbeiten des bot. Inst. in Tübingen. II. Bd.). 3) Vergl. die Darstellung und die Literaturangaben bei SacHs, Vorlesungen über Pflanzen- physiologie. pag. 27 und 701. %) Unters. über die Abwärtskrümmung der Wurzel in Conn’s Beiträgen zur Biol. I. Bd. 2. Heft, Breslau, 1872. | 5) Unters. über die Regeneration des Vegetationspunktes an Angiospermenwurzeln. Arbeiten des bot. Instituts in Würzburg. I. 546 ff. 348 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Schnitt etwa da geführt wird, wo die bogige Anordnung der Zellen in die gerade übergeht, (vergl. Fig. 82, die Stelle, wo die Periklinen als — annähernd — gerade Linien verlaufen). Nach etwa 24 Stunden wachsen die der Schnittfläche angrenzenden Zellen sämmtlicher Gewebe aus, es bildet sich ein die Wundfläche bedeckender Gewebecomplex, ein Callus, der aus fast gleichartigem Gewebe besteht. Nach weiteren 24 Stunden wird eine neue Epidermis und eine neue, provisorische Wurzelhaube angelegt. Die Epidermis bildet sich in einer Zone des aus Rindengewebe hervorgegangenen Callus, indem in jeder Längsreihe des Calluszellgewebes eine Zelle ihre Aussenwand in der für Epidermiszellen charakteristischen Weise verdickt, einen dichteren Inhalt annimmt, und sich von nun an nicht mehr durch perikline, sondern nur durch antikline Wände theilt. Alles dasjenige Callusgewebe, welches ausserhalb der neugebildeten Epidermis liegt, wird zur provisorischen Wurzelhaube. Unter der Epidermis werden dann bogig angeordnete Rindenzellreihen hergestellt, die sich den vorhandenen anschliessen, und ähnlich wird der »Plerom«-Körper nach oben ergänzt. Das ausserhalb der Epidermis, deren Ausbildung gegen den Scheitel (resp. das Centrum hin) fortschreitet, liegende Gewebe wird zur Wurzelhaube, und es hat sich so schliesslich ein vollständiger Wurzelvegetationspunkt regenerirt, so vollständig, dass die Wurzel ihrem Baue nach dann ganz identisch ist mit einer ungestört weitergewachsenen. — Wird die Wurzelspitze weiter nach rückwärts abgeschnitten, so wird das Längenwachsthum der Wurzeln sistirt. Der Callus bildet sich hier nur aus dem Gewebe des Gefässbündelkörpers. Die neue Spitze bricht dann aus der Wundfläche hervor. Schneidet man noch mehr von der Wurzelspitze ab (genaue Ortsbestimmungen lassen sich natürlich kaum geben), so tritt überhaupt keine Regeneration ein, sondern es wird nur aus dem Rindengewebe ein Callus gebildet, welcher die Wunde verschliesst. Vielfach aber stellt sich bei Wurzeln, deren Wurzelspitzen verloren gegangen sind, eine Nebenwurzel in die Wachsthumsrichtung der Hauptwurzel und setzt so die- selbe »sympodial« fort, wie Analoges ja auch bei Sprossen sehr häufig geschieht. — Bei andern Samenpflanzen (Piswm, Vicia) werden ganz entsprechende Regenerationsvorgänge beobachtet, wie die eben von Zea Mays kurz geschilderten. Besonders häufig scheinen sie nach WARMING auch bei den Podostemoneen vorzukommen. Hervorzuheben ist noch, dass die Epidermis sich im Callus differenzirt, nicht etwa in dem von der alten Epidermis gelieferten Gewebe (an welche sie sich anschliesst), sondern in dem von dem Rindengewebe ausgegangenen Callus. Aehnlich zeigt auch die Anlegung der Wurzel am Embryo, dass die Wurzelepidermis zwar an die des Stämmchens sich anschliesst, aber einen andern Ursprung hat, als dieselbe. S 2. Anlegung der Wurzeln. ı. Am Embryo. Wir können hier Ent- stehung und Wachsthum der Wurzeln für das bei der Besprechung der Embryo- bildung früher (pag. 165 ff.) vorgeführte Beispiel, der Capsella bursa pastoris ziemlich lückenlos verfolgen. Es handelt sich nur darum nachzuweisen wie aus Fig. 84, Fig. 86, 5, zu Stande kommt, welche ein älteres Stadium des Wurzel- endes des Keimes im Längsschnitt darstellt. Das Wurzelende des Keimes differenzirt sich hier relativ spät, erst nachdem der obere, die Cotyledonen, den Sprossvegetationspunkt und das hypokotyle Glied liefernde Theil des Embryo’s schon ein durch zahlreiche Zellwände gefächerter Gewebekomplex geworden ist, tritt in der »Hypophyse« die Perikline auf, welche dieselbe in zwei Zellen, h, und h, theilt (Fig. 86, 3). Aus h, gehen wie die Vergleichung mit Fig. 84, und Fig. 86, 5, zeigt, die »Peribleminitialen« hervor (deren Verhältniss zu denen des Pleroms hier unerörtert bleiben mag) h, aber theilt sich wie Fig. 83, 5, zeigt durch eine zweite Perikline. Die schraffirte Zellschicht stellt das Dermatogen der Wurzel vor, der unter derselben liegende Theil von h, (der ebenso wie die andern aus der Hypophyse hervorgegangenen Zellen durch einige Antiklinen zer- klüftet ist) die erste Schicht der Wurzelhaube, sie ist in Fig. 84 mit b, b be- zeichnet, und ist also streng genommen kein Produkt des Wurzeldermatogens. Das letztere behält auf dem Scheitel der Wurzel den Charakter eines Theilungs- gewebes, das sich, wie Fig. 86 zeigt, durch perikline Wände spaltet, gelegentlich ist dies auch bei älteren Dermatogen- resp. Epidermiszellen der Fall, und wir 3. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Wurzel. 349 können also hier, wie oben erwähnt, die Wurzelhaube als ein Produkt des Der- matogens betrachten. Die Grenze zwischen Wurzel und hypokotylem Glied am Embryo können wir darin finden, das die Epidermis der Wurzel von der Wurzel- haube bedeckt ist Für Alisma hatte HAnsTEIN einen ganz dem eben von Capsella geschilderten Fig. 86. (B. 407.) Embryoentwicklung von Capsella bursa pastoris in schematischer Darstellung (vergl. pag. 348). entsprechenden Entwicklungsgang der Wurzel angegeben. Nach FLAHAULT’s Darstellung aber kommt der Wurzelspitze des fertigen Embryo’s von Alisma der oben erwähnte Bau zu, bei welchem ein von der Epidermis unabhängiges Kalyp- trogen existirt. In wieweit dies Verhältniss gleich bei der Wurzelanlage zu Stande kommt, bleibt näher zu untersuchen. Complicirter gestaltet sich die Wurzelanlage am Keim natürlich dann, wenn dieselbe auf einem noch späteren Stadium erfolgt, und im Innern eines viel- zelligen Gewebekörpers vor sich geht, wie bei den Gymnospermen, Gramineen u.a. Die hierbei auftretenden Aenderungen der Zellenanordnung sind noch keineswegs klargelegt; jedenfalls tritt hierbei vielfach der Umstand ein, dass Antiklinen des Keimes später zu Periklinen der Wurzel werden. Für die Gramineen sei hier 350 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. nur noch erwähnt, dass der unterhalb der Wurzelanlage (gegen die Mikropyle hin) liegende Theil des Embryo’s von der heranwachsenden Wurzel nicht wie sonst zerstört wird, sondern mitwachsend die Wurzel als Wurzelscheide (coleor hiza) umhüllt bis er bei der Keimung von der Wurzel durchbrochen wird. Die Wurzel- epidermis geht bei den Gräsern hervor aus inneren Gewebeschichten des Em- bryo’s. Die bei der Wurzelanlegung am Embryo stattfindenden Vorgänge stimmen offenbar der Hauptsache nach überein mit denjenigen bei der Bildung von Neben- wurzeln an einer Hauptwurzel. Die am Embryo gebildete Wurzel (»Pfahlwurzel« oder primäre Wurzel) ist ausgezeichnet nur durch ihre Stellung (sie bildet bei der Keimung die Fortsetzung des hypokotylen Gliedes) und wenigstens bei vielen Gymnospermen und Dikotylen dadurch, dass sie von allen Wurzeln sich am kräftigsten entwickelt, während sie bei den Monokotylen gewöhnlich früh zu Grunde geht. 2. Bildung von Neben- und Adventivwurzeln. Wurzeln können ab- gesehen von der normalen Wurzelverzweigung sowohl auf Sprossachsen als Blättern entstehen. Manche Pflanzen mit kriechendem Stamme wie Aspidium filıx mas und Nuphar luteum sind sogar ausschliesslich mit Wurzeln versehen, welche aus den Basaltheilen der Blätter entspringen. In allen diesen Fällen erfolgt die. Anlage der Seiten- und der Adventivwurzeln endogen, wie ja auch die Wurzel- anlage am Embryo endogen entsteht, da sie entweder (wie z. B. bei den Coni- feren) tief im Gewebe des Embryo’s oder doch unterhalb des Embryoträgers angelegt wird. Neuerdings sind einige Ausnahmen von der endogenen Ent- wicklungsweise der Wurzeln bekannt geworden. Exogen entstehen nach Warning!) die Wurzeln am Stamme von Neottia nidus avis. Sie werden angelegt in der dritten und vierten Periblemlage, während aus der ersten und zweiten, wie es scheint die Wurzelhaube hervorgeht. Die Epidermis funktionirt eine Zeitlang als äusserste Schicht derselben und stirbt dann ab.”) Exogen ent- stehen ferner nach Hansen) die Wurzeln an der Basis der Adventivsprosse und die Adventivwurzeln in den Blattachseln von Cardamine pratensis, Nasturtium officinale und silvestre, während die Adventivwurzeln anderer Wasser- und Sumpf- pflanzen (z. B. Veronica Beccabunga, Polygonum amphibium, Ranunculus fluitans) in der gewöhnlichen Weise endogen angelegt werden. Für die Keimwurzel von Ruppia rostellata giebt WıLLE (vergl. oben pag. ı72) ebenfalls exogene Anlegung an. Auch das Merkmal der endogenen Anlegung ist somit, wie aus den an- geführten Daten hervorgeht, kein durchgreifendes, wenngleich es für die grosse Mehrzahl der Fälle giltig ist. a) Der Entstehungsort der Seitenwurzeln?) an einer (relativen) Haupt- I) WARMING, om rödderne hos Neottia Nidus avis L. Vidensk. Medd. fra den naturhist. For. i Kjöbenhavn 1874, Nr. 1—2. 2) Es erfolgt dies nach WArming’s Figur 9, Taf. IV. a. a. O., so früh, zu einer Zeit, wo die Wurzel noch ein kleiner Höcker ist, dass man aus diesem Grunde hier die endogene Ent- stehung der Wurzel durch die Annahme retten könnte, die Epidermis nehme an der Wurzel- bildung keinen Antheil, sondern würde von der Wurzelanlage nur gedehnt bis sie abstirbt, also sehr allmählich durchbrochen. 3) Hansen, Vergl. Untersuchungen über Adventivbildungen bei Pflanzen. Abh. der Senckenb. Ges. XII. Bd. pag. 159. %), Vergl. NÄGELI und LEFITGEB, Ueber Entstehung und Wachsthum der Wurzeln, a. a. oO. Was die Terminologie betrifft, so bezeichne ich die durch Verzweigung einer Wurzel entstehen- den Wurzeln als Nebenwurzeln oder Seitenwurzeln, alle anderen als adventive, ‘auch wenn sie ganz constant z. B. an Stämmen auftreten und schon im Vegetationspunkt angelegt werden. TS. 3. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Wurzel. 351 wurzel ist ein fest bestimmter. Sehen wir ab von den Wurzelgabelungen, wie sie bei Lycopodinen vorkommen, so findet die Anlegung von Nebenwurzeln immer statt am Umfang des axilen Gefässbündelkörpers der Wurzel (»des Plerom’s). Derselbe ist umgeben von einer einfachen Gewebeschicht, dem Pericambium, welchem nach aussen die innerste Rinden- (Periblem-)schicht angrenzt, die ge- wöhnlich als »Schutzscheides oder Endodermis eine eigenartige Ausbildung er- fährt.) In diesem Pericambium, werden bei den Samenpflanzen die Seiten- wurzeln angelegt, bei den Gefässkryptogamen dagegen in der innersten Rinden- schicht. Und zwar geht die Wurzelanlage bei den letzteren hervor aus einer einzigen Zelle, während sich bei den Samenpflanzen stets eine Mehrzahl von Zellen an der Seitenwurzelbildung betheiligt. Diese Zellgruppe des Pericambiums liegt gewöhnlich einer der Gefässgruppen des axilen Stranges gegenüber, darauf beruht es, dass man die Seitenwurzeln gewöhnlich in so viele Längsreihen an- geordnet findet, als der Wurzelgefässstrang Gefässgruppen besitzt. Bei einigen Pflanzen stehen die Nebenwurzelanlagen auch zwischen zwei Gefässtheilen des axilen Stranges, also vor einem Siebröhrentheile desselben. So bei Umbelliferen und Araliaceen, wo das Pericambium vor den Gefässplatten durch Oelgänge unterbrochen ist, ferner bei den Gramineen, wo die äussersten Gefässe jeder Gefässgruppe direkt an das Pericambium anzugrenzen pflegen, also hier ebenfalls eine Lücke in dem Pericambium vorhanden ist. Selten geht aber der Wurzel- körper einer Nebenwurzel allein aus dem Pericambium hervor (so bei Alsma und Sagittaria)?), die innerste Rindenschicht betheiligt sich gewöhnlich an der Wurzelhaubenbildung. Nur ein Beispiel mag hier angeführt sein, das der Wurzelverzweigung von Oryza sativa®). Die Wurzelanlagen entstehen aus Pericambiumzellen, welche zwischen zwei Gefässgruppen (g, g, Fig. 88) liegen. Es sind im Längsschnitt der Wurzelanlage (Querschnitt der Hauptwurzel) gewöhnlich drei Pericambiumzellen, eine mittlere und zwei seitliche, die an der Wurzelanlage theilnehmen, es ist eine mittlere Zelle, wie der Querschnitt einer solchen Wurzelanlage zeigt, von etwa 6 peripherischen umgeben. Ausserdem aber nehmen auch noch Zellen der innersten Periblemlage (Rinde) an der Wurzelbildung theil, und zwar zwei seitliche angrenzende n, n, und zwei die Wurzelanlage bedeckende (Fig. 87). Aus dieser Anlage gehen folgende Bestandtheile der Wurzel hervor: aus der mittleren Zell- reihe (pl, Fig. 37, 88) das »Plerom«, die Peribleminitiale, das Kalyptrogen. Aus den seitlichen Zellreihen: ein Theil des Periblems (vor dem Auftreten der Initiale) und ein Stück der Epidermis; aus den Zellen m, m: die primäre Wurzelhaube und aus den Zellen nn ein Stück primäre Epidermis. Es folgt daraus, dass die einzelnen »Meristeme« hier keineswegs einen gesonderten Ursprung haben, sondern auf recht verschiedenartige Weise zu Stande kommen. Kehren wir zur Wurzelanlage zurück, so wölben sich die drei Pericambium- zellen nach aussen, sie verlaufen als am Scheitel der Wurzelanlage auseinander- gebogene Antiklinen. Später aber wird der untere Theil derselben Zellwände zu Periklinen der jungen Wurzelanlage, z. B. die beiden Wände, welche in Fig. 87 (rechts) die mittlere Zellreihe einschliessen, sind die Periklinen, welche in Fig. 88 das Plerom begrenzen. Ein solches »Periklinwerden« von Antiklinen I) Vergl. DE BArY, Vergl. Anatomie, pag. 129. 2) JANCZEWSKI, recherches sur le developpement des radicelles dans les Phanerogames. Ann. des scienc. nat. V. ser. t. 20. pag. 208—233. 3) Vergl. NÄGELI und LEITGEB, a. a. O., das Folgende auf Grund eigener Untersuchung. 352 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. kommt, wie mir eine grössere Reihe vergleichender Untersuchungen gezeigt hat, bei der Anlegung von Nebenwurzeln an Hauptwurzeln, und von Haupt- wurzeln an Embryonen sehr häufig vor und ist bei der Frage nach den hier- Rx NR (B. 408.) Fig. 87. Anlegung der Nebenwurzeln von Oryza sativa (nach NÄGELI und LEITGEB). Links junges Stadium, auf einem Quer- schnitt der Mutterwurzel. Die Neben- wurzel entspringt aus dem Pericam- bium p, in den Zellen desselben, welche Fig. 88. (B. 409.) die Wurzel anlegen sind zur Verdeut- Längsschnitte durch Nebenwurzeln von Oryza sativa. lichung die Zellkerne gezeichnet nn, Links jüngeres Stadium, rechts älteres, das aber die mm Zellen der Rinde, die an der Rinde der Mutterwurzel noch nicht durchbrochen hat. Wurzelbildung theilnehmen. Rechts wh Wurzelhaube, k Kalyptrogen. g Gefässe der Mutter- älteres Stadium der Nebenwurzel im wurzel, e Periblem, p Plerominitiale. Längsschnitt, pe, pl, pe, die drei Zell- f ji reihen, aus denen Periblem und Ple- bei stattfindenden Wachsthumsvorgängen beson- rom hervorgehen. k (in der Fig. irr- ders zu berücksichtigen. Es theilen sich die a pre ee “ Zellreihen durch Querwände und die Zellen mm und nn folgen dem Wachsthum der Wurzelanlage. Durch perikline Spaltung bilden die Zellen mm die primäre Wurzelhaube. Die mittlere Zellreihe wächst am stärksten, ihre Endzelle ist, wie Fig. 88 zeigt, verbreitert. Schon auf dem in Fig. 87 rechts dargestellten oder auf einem späteren Stadium wird von der mittleren Zellreihe eine Zelle abgegrenzt, die der Wurzelhaube hinzugefügt wird und aus der nun das »Kalyptrogen« der- selben hervorgeht. Die unter dieser Zelle liegende (Fig. 88 links) ist die Initiale des Periblems. Sie theilt sich durch Antiklinen und fügt dadurch dem »Periblem« am Scheitel neue Zellen hinzu, die sich nun namentlich durch Periklinen zer- klüften. Und zwar wird von diesem Segment der Peribleminitiale gewöhnlich schon durch die erste, perikline Theilung eine Epidermiszelle abgesondert. Eine Theilung der »Initiale« oder wenn man will, Periblem-Scheitelzelle?) durch Quer- wände konnte ich nicht beobachten, vielmehr sah ich immer unterhalb derselben eine »Plerominitiale«, deren Theilungsmodus nicht festgestellt wurde, aber häufig deutlich als durch nach entgegengesetzten Richtungen schief geneigte Wände vor sich gehend erkennbar war. Dass in längeren Zwischenräumen doch vielleicht von der Peribleminitiale eine Zelle dem Plerom hinzugefügt wird, ist natürlich ja immerhin möglich, die direkte Beobachtung aber zeigte davon, wie erwähnt, nichts. Aus den Zellen m m, die sich periklin und antiklin zerklüften, gehen die ersten Lagen der Wurzelhaube hervor, während die Zellen nn sich durch Quer- wände fächern und sich deutlich an die Wurzelepidermis anschliessen?). Ein I) In einigen Fällen schienen es zwei Initialen zu sein, wie sie auch sonst angegeben werden. Möglich, dass das mit der Dicke der Wurzel wechselt. 2) Gelegentlich spalten sie sich auch durch perikline Wände, und tragen so zur Verstärkung des Periblems bei. 1, AT A HN: Bew. > 0 3. Kapitel. Entwicklunggeschichte der Wurzel. 353 andere Parthie derselben geht durch Abspaltung entweder aus dem primären oder dem durch die Initialen erzeugten Periblem hervor. | Etwas verwickelter gestalten sich natürlich die Verhältnisse, wenn eine grössere Anzahl von Zellreihen an der Nebenwurzelbildung theilnimmt, wie z. B. bei Zea Mays!). Immerhin aber sind die Verhältnisse ganz analog, sie zeigen uns, dass den Ursprungsdifferenzen der »Meristeme« offenbar kein grosses Gewicht beizulegen ist, dass der Zusammenhang dieser Meristeme bei der jungen Wurzelanlage ein anderer sein kann, als bei der älteren (wo das »Kalyptrogen« z. B. von dem Periblem und Plerom ganz unabhängig ist) und dass endlich die Differenz von den Gefässkryptogamen, wo die Wurzelanlage aus der innersten Rindenschicht hervorgeht, insofern keine sehr grosse ist, als auch bei den Samenpflanzen, wie das geschilderte Beispiel zeigt, die innerste Rindenschicht an der Wurzelbildung sich betheiligt. Wir sehen ferner, dass an der fertigen Wurzel zwar die Initialen der Haube, des Rindenkörpers (incl. Epidermis) und des Centralcylinders (Plerom) von einander unabhängig sind, dass sie aber auf einem gewissen Stadium der Wurzel in einem genetischen Verhältniss zu einander stehen, nicht unähnlich dem, wie es in der Wurzelspitze der Gefässkryptogamen stattfindet. Alles das deutet darauf hin, dass die Differenzen der Zellanordnung in der Wurzel im Grunde recht wenig Bedeutung haben. Es durchbrechen die Seitenwurzeln die Rindenschichten der Mutterwurzel ge- wöhnlich relativ spät. Die Wurzeln von MupAar z. B. findet man auf eine Strecke von Io und mehr Centim. oberhalb der Wurzelspitze frei von Nebenwurzeln. Die erste Bildung der Wurzelanlagen findet in den von NÄGELI und LEITGEB untersuchten Fällen nahe an der Scheitelregion der Wurzel statt, zu einer Zeit, wo die für die ersten Gefässe bestimmten Zellen sich noch nicht von den übrigen unterscheiden lassen. Für Zolygonum Fagopyrum giebt JANCZEWSKI an (a. a. O. pag. 219), dass die Nebenwurzeln nahe dem Wurzelvegetationspunkt in dem noch von der Wurzelhaube bedeckten Gewebe entstehen, das noch keine verholzten Gefässe besitzt, auch bei Ziszia entstehen die Nebenwurzeln einem noch nicht verholzten Gefässe gegenüber. Jedenfalls sind zur Zeit der Nebenwurzelanlegung die Zellen des Rindengewebes der Wurzel vielfach schon in den Dauerzustand übergegangen und sind zwischen denselben Intercellularräume aufgetreten. b) Adventivwurzeln. Wurzeln werden aber nicht nur im Vegetationspunkt, sondern auch in dem des Sprosses in nicht seltenen Fällen angelegt. Namentlich gilt dies für Gefäss- kryptogamen, wie die Fig. 89 für Marattia zeigt. Die nahe der Stammspitze entstandenen Wurzeln wachsen im Innern des kurzen knollenförmigen Stammes hinab, bis sie aus demselben hervortreten, und in die Erde eindringen. In noch auffallenderer Weise findet ein solches Hinabwachsen der Wurzeln im Stammge- webe einiger Zycopodium-Arten (Z. Phlegmaria, L. Selago, L. aloifolium u. a.) statt. Von Phanerogamen, die sich bezüglich des Anlegungsortes von Wurzeln ähnlich verhalten, seien hier genannt Gunnera und Nuphar. Von ersterer giebt REINnKE?) z. B. an, dass die »Beiwurzelns schon sehr frühzeitig in der Gipfel- knospe, gar nicht weit unter dem Vegetationspunkt angelegt worden, in der Nähe von Gefässbündelanlagen. Und ebenso entstehen die aus der Basis der Blätter I) Die von JANczEwsKI (a. a. O. Taf. 18, Fig. 5 etc.) vorgenommene Abgrenzung von »Periblem« und »Plerom« halte ich nicht für richtig. 2) REINKE, Morphol. Abhandl. pag. 62. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. Ill. 23 354 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. von Nuphar hervorgehenden Wurzeln schon sehr früh, wahrscheinlich noch ehe das Blattgewebe in den Dauerzustand übergegangen ist. Auch die Haftwurzeln des Epheus!) entstehen nahe der Stammspitze an der Seite der Gefässbündel und zwar aus der Cambialregion derselben unter Betheiligung der angrenzenden Parenchymzellen. Aehnlichen Entstehungsort zeigen die Wurzeln der Blattsteck- linge von Begonia, bei den Zweigstecklingen können die Adventivwurzeln auch aus dem Interfascicular-Cambium?) ent- springen, während bei Veronica Beccabunga z. B. ihr Ursprungs- ort eine dem Pericambium der Wurzeln entsprechende, das geschlossene Gefässbündel um- gebende Zellschicht ist, bei Stecklingen von Achimenesgran- dis, Peperomia der Callus, ein aus Dauergewebe entstandenes Theilungsgewebe. Ein inter- A _,essanter hierher gehöriger Fall ist namentlich auch der der Wurzelbildung aus einem in- terkalaren Vegetationspunkt, wie DRUDE ihn für Veoitia nidus avisnachgewiesenhat(vgl. Bd.l., pag. 607) vergl. Fig. 90. Wur- zeln, die aus älteren, im Dauer- zustand befindlichen Pflanzen- theilen entspringen, sind also 2 doch vielfach in Theilungsge- (B. 410.) Fig. 89. weben, Vegetationspunkt, Cam- Senkrechter Längsschnitt des Stammes einer jungen Angio- bium, Callus etc. angelegt Pteris evecta, oben die jüngsten Blätter (b) noch ganz in worden. Auch bei den Mono- Nebenblätter nb eingewickelt; st Stiel eines entfalteten i B Blattes mit seiner Stipula nb; n überall die Blattnarben auf kotylen, bei welchen die Ad- den Fussstücken ff, von denen die Blattstiele sich abge- ventivwurzeln des Stammes be- gliedert haben, ww die ee (natürl. Grösse). Nach kanntlich eine sehr wichtige Rolle spielen, werden dieselben schon relativ früh und zwar nach ManGın in einem Theilungsgewebe angelegt, das die Fortsetzung des Pericambiums der Wurzel ist.?) Wie es »Ruheknospen« giebt, d. h. Sprossanlagen, die ohne sich zu entfalten, I) Vergl. REGEL, Jenaische Zeitschr. f. Naturw. X. 1876. pag. 468. ?) Auch sonst ist der Ursprung von Wurzeln aus Cambium offenbar nicht selten, er wird z. B. von BLOCH (Unters. über die Verzweigung fleischiger Phanerogamen-Wurzeln, Diss. 1880) für die Nebenwurzeln zweiten Grades von Dazcus Carota, Beta vulgaris etc. nachgewiesen), während die Nebenwurzeln ersten Grades wie gewöhnlich im Pericambium angelegt werden. 3) L. MAnGıIn, origine et insertion des racines adventives et modifications correlatives de la tige chez les Monocotyl&dones. Ann. des scienc. nat. VI. ser. I. I4. 1882. pag. 216. — Ein näheres Eingehen auf die in unserer Abhandlung mitgetheilten Thatsachen würde hier zu weit führen. 3. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Wurzel. 355 längere Zeit in einem entwicklungsfähigen Zustand verharren, und nur unter be- sonderen Umständen sich weiter entwickeln, so sind auch für einige Fälle latente Wurzelanlagen bekannt. Wir können hierher kaum zählen die Entwicklungs- hemmung von normal vorhandenen yi Wurzelanlagen unter ungünstigen äusse- ren Bedingungen, wie sie beim Epheu stattfindet, wenn er ohne Unterlage kultivirt wird. Dagegen findet man bei den Weiden!) z. B. unter der Rinde latente Wurzelanlagen, namentlich zu beiden Seiten der Achselknospen einzeln oder wie bei Salix vitellina, pruinosa u.a. zu mehreren. Diese Wurzelanlagen ent- wickeln sich an den Weidenstecklingen, während der normalen Vegetation jeden- falls aber nur höchst selten. Ueber die Zeit ihrer Anlegung ist nichts bekannt, wahrscheinlich aber erfolgt dieselbe schon früh, wenigstens giebt VOECHTING für 3—4 Monate alte Zweige von Sal. vinz- nalis, pruinosa u. a. dieselben an. Ohne Zweifel finden sie sich auch noch bei anderen Holzpflanzen und Aehnliches findet sich z. B. bei Zguisetum, wo jede Seitenknospe eine Adventivwurzel SEN un) anlegt, die aber an den oberirdischen ostia midus avis (nach DRUDE). Ganze Pflanze Theilen gewöhnlich nicht zur Entwick- in Winterruhe (nat. Grösse) A' Gipfelknospe der lung gelangt. Die letztere kann aber Unbiaee „N As aberbender Theil dr durch Feuchtigkeit und Dunkelheit her- welchem neue Wurzeln in progressiver Reihen- vorgerufen werden. folge hervortreten. S 3. Metamorphe Wurzeln. Wie Blätter und Sprosse, so unterliegen auch die Wurzeln der Gefässpflanzen Umbildungen oft sehr auffälliger Art. Der Wechsel in der Funktion ist aber nicht immer mit einer Gestaltveränderung ver- bunden, sondern äussert sich häufig nur in einer differenten anatomischen Aus- bildung. ı. Eine Anzahl von Wurzeln ergrünen bei Lichtzutritt (so z. B. die von Menyanthes, Mirabilis Jalappa u. a.), während dies bei andern, normal ebenfalls in der Erde wachsenden nicht der Fall ist. Die Wurzeln der epiphytischen Pflanzen enthalten in ihrem Rindenparenchym wohl immer Chlorophyll. Es sind, wie schon oben (pag. 126) erwähnt wurde, bei Angraecum globulosum diese grünen Wurzeln die einzigen Assimilationsorgane, da die Blätter zu nicht grünen Schuppen verkümmert sind. Es sei hier auch noch an die aus luftführenden Tracheiden bestehende Hülle erinnert, welche die Oberfläche der Luftwurzeln epiphytischer Orchideen und mancher Aroideen überzieht. Sie geht aus dem Dermatogen hervor,?) und dient zur Aufsaugung von Feuchtigkeit. In noch auffallenderer Form finden wir die Wurzeln als Assimilationsorgane I) TRECUL, a. a. O.; VOECHTING, Ueber Organbildung im Pflanzenreich I. pag..24. 2) S. DE Bary, Vergl. Anatomie pag. 237 und die dort angeführte weitere Literatur. 23” 356 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. ausgebildet bei manchen Podostemaceen,!) den oben schon mehrfach erwähnten höchst eigenartig organisirten dikotylen Wasserpflanzen, die an Steinen angeheftet in Flüssen wachsen. Die Wurzelausbildung ist bei den einzelnen untersuchten Gattungen eine verschiedene. ZPodostemon Ceratophyllum z. B. besitzt kriechende mit wenig Chlorophyll versehene Wurzeln, die eine, wenn auch nicht stark ent- wickelte Wurzelhaube besitzen und namentlich dadurch merkwürdig sind, dass sie normal und in grosser Anzahl kräftige (endogen angelegte) Laubsprosse er- zeugen, deren jüngste nicht weit vom Wurzelvegetationspunkt entfernt sind. Die (B. 412.) Fig. 91. Metamorphe Wurzeln von Dieraea algaeformis (nach WARMING, vergr.). A verzweigte Wurzeln, die eine Anzahl Sprosse mit einigen Blättern producirt haben (Sp) B junge Wurzel, vergr. Wh Wurzelhaube, sie hat vier endogene Sprossanlagen gebildet (Sp) von denen drei die Rinde durchbrochen haben. eigenthümlichen Haftorgane (»Hapteren«) dieser Wurzeln wurden oben bei Be- sprechung der Emergenzentwicklung schon erwähnt. Aehnlich wie die Wurzeln verhalten sich auch die von Tristicha hypnoides, die aber keine Wurzelhauben besitzen.) Die bisher erwähnten Abweichungen sind solche, die im obigen auch theilweise für Wurzeln anderer Pflanzen angegeben wurden. Sprossbildung auf Wurzeln z. B. ist eine sehr häufige Erscheinung, wenngleich sie wohl nirgends auffallender als bei den genannten Podostemaceen hervortritt. Andere Podostemaceen, namentlich die Dicraea-Arten dagegen besitzen sehr auffallend veränderte Wurzeln. Es kommen die letzteren bei Dicraea elongata und D. algaeformis in zweierlei Modificationen vor. Die einen breiten sich auf der Unterlage kriechend aus und sind dort durch Wurzelhaare und Hapteren an- geheftet, die andern dagegen wachsen aufrecht, sie flottiren frei im Wasser, I) WARMING, Familien Podostemacee forste Abh.: vidensk. selsk. Skr. 6 Raekke, Afd. II. ı, 1881; II. Afh. ibid. 6. Raekke, Afd. II. 3, 1882. 2) Carıo, Anatom. Unters. der Tristicha hypnoides, Bot. Zeit. 1881, pag. 24 fl. — CARIO bezeichnete die Wurzeln ihrer Haubenlosigkeit wegen als Thallus, es kann aber nach WARMING’s Untersuchungen kein Zweifel mehr sein, dass dieselben wirklich Wurzeln sind. 3, Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Wurzel. 357 ähnlich wie viele an ihrer Basis angeheftete Meeresalgen (Fig. 91.) Diese Wurzeln produciren auch hier in progressiver (akropetaler) Reihenfolge Laub- sprossanlagen, welche endogen, aber weit von dem centralen Wurzelcylinder (mit dem sie erst später in Gewebecommunication treten) entfernt angelegt werden. Diese Sprosse erreichen aber nur eine geringe Ausbildung und treten in ihrer Bedeutung für die Assimilation jedenfalls weit zurück gegen die reich- lich mit Chlorophyll versehenen Wurzeln. Diese haben offenbar ein begrenztes Wachsthum, im Gegensatz zu den dem Substrat angeschmiegten nicht meta- morphen Wurzeln. Sie sind bei D. elongata rund, bei D. algaeformis dagegen platt, bandförmig, im Aussehen einem Laubblatt ähnlich (Fig. gr). Die Wurzel- haube ist nur wenig entwickelt und offenbar rudimentär. Die Blattähnlichkeit dieser sonderbaren Wurzeln von D. algaeformis wird noch erhöht dadurch, dass zuweilen auf der einen Seite dieser Blatt-Wurzeln (welche ein Analogon der Phyllocladien darstellen, da wie bei den letzteren die Sprossachse, bier die Wurzelachse blattförmig gestaltet ist), ein dem Pallisaden-Parenchym ähn- liches Gewebe sich entwickelt. Die Wurzeln weichen hier also in Gestalt, Wachsthumsrichtung und Funktion vollständig von dem gewöhnlichen Verhalten ab — ihre Ausbildung ist um so auffallender, als in derselben Familie eine wahrscheinlich ganz wurzellose Pflanze, Castelnavia princeps, sich findet. Es ent- steht hier, durch eigenthümliche Verschmelzung mehrerer Sprossgenerationen ein flaches, thallusähnliches Gebilde, das mit »Hapteren« und Wurzelhaaren am Substrate befestigt ist. Betreffs Zydrodryum, das einen Thallus besitzt, der auf seiner ganzen Oberseite endogen stehende Seitensprosse producirt und mit grosser Wahrscheinlichkeit als eine metamorphe Wurzel zu betrachten ist (vergl. WAR- MING, a. a. O. II, pag. 76 des Sep.-Abd.). 2. Schwimm-Wurzeln. Die Eigenthümlichkeit aufrecht (vertikal), zu wachsen theilen mit den metaınorphen Wurzeln von Dicraea die Schwimm-Wurzeln einiger Jussiaea-Arten.!) Es umfasst diese Onagrarieengattung sowohl terrestrische als Wasser- (resp. Sumpf-)Jpflanzen. Von den letzteren sei J. repens hier erwähnt. Die Pflanze wächst meist schwimmend im Wasser, derart, dass die Blätter und Blüthen über den Wasserspiegel treten. Sie besitzt zweierlei resp. dreierlei Wurzeln. Normale fadenförmige, verzweigte?) bis 40 Centim. lange Wurzeln, die in den Boden eindringen können Von diesen zu den Schwimm-Wurzeln wird der Uebergang gemacht durch Wurzeln, die zwar ebenfalls, wie die vorigen ver- zweigt sind, deren Achse aber nicht dünn, sondern angeschwollen schwammig ist. Diese Wurzeln (aa und bb Fig. 92) flottiren oder sind festgewurzelt. Alle Wurzeln stehen an den Knoten der Sprosse, theilweise in den Blattachseln. Hier finden sich auch die Schwimmwurzeln, in zwei wenig verschiedenen Modificationen. Die auf dem Rhizom stehenden erheben sich vom Grunde des Wassers aufrecht in einer Länge von ıo—ı4 Centim.; ihre Länge wechselt nach der Tiefe des Wassers, dessen Oberfläche sie zu erreichen suchen (Fig. 92, dd). Es sind cy- lindrische, oben zugespitzte Körper, deren Rindengewebe grosse Intercellularräume enthält, so dass dies Gewebe eine schwammige Textur erhält. Die Wurzelhaube ist bei jungen Wurzeln noch vorhanden, aber wenig entwickelt, und die Ver- muthung liegt nahe, dass sie bei älteren Schwimm-Wurzeln, die ein begrenztes 1) CH. MArTIns, M&moire sur les racines aeriferes ou vessies natatoires des especes aqua- tiques du genre Jussiaca. (mem. de l’acad. des sciens. de Montpellier tom. VI. pag. 353, 1866.) 2) Die unverzweigten, welche MArTIns als besondere Kategorie aufzählt, sind doch wohl nur Jugendzustände von verzweigten. 358 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Wachsthum besitzen, verschwindet. Von diesen Schwimmwurzeln nur wenig ver- schieden sind die an den Knoten der flottirenden Zweige vorkommenden. Selten (B. 413.) Fig. 92. Habitusbild (verkleinert) von Fussiaea repens nach MARTINS, a unverzweigte, b verzweigte gewöhnliche Wurzeln, c etwas angeschwollene Wurzeln, d und v Schwimmwurzeln. sind diese Schwimmwurzeln, verzweigt und gelegentlich bilden sich auch Neben- wurzeln der gewöhnlichen Wurzeln als Schwimmwurzeln aus. Die Funktion dieser letzteren besteht offenbar wie die der Blasen von 3. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Wurzel. 359 Vtricularia,!) der schwammig angeschwollenen Blattstiele von Pontederia crassi- des u. a. darin, mittelst ihres Luftgehaltes der Pflanze als Schwimmmittel zu dienen, welche in dem besprochenen Falle wahrscheinlich auch hauptsächlich der nicht festgewurzelten Pflanze es ermöglichen, ihre Blatt- und Blüthensprosse über das Wasser zu erheben. Wächst die Jussiaea im Trocknen so werden keine Schwimmwurzeln gebildet. 3. Dorn-Wurzeln. Wie Blätter und Sprossen so können auch Wurzeln zu Dornen umgebildet werden. Beispiele dafür sind für Monokotylen und Dikotylen bekannt. k Unter ersteren seien genannt die Palmen Acanthorhiza?) und Jriartea. Die erstere besitzt in der unteren Stammregion normale, in den Boden eindringende Wurzeln, in der oberen bilden sich schwächere, deren Wurzelhaube verloren geht, während die Zellmembranen mit Ausnahme der Siebröhren verholzen und die Zellen der äusseren Rinde sklerenchymatische Struktur annehmen. Bei /riartea sind es Nebenwurzeln, die zu kleinen Stachelspitzen verdornen (vergl. Bd. I., pag. 663). Von den Dikotylen ist nur ein hierhergehöriges Beispiel bekannt: das der merkwürdigen Aubiacee Myrmecodia, welche von TREUB?) neuerdings eingehend untersucht worden ist. Die Dornen, welche auf der Aussenseite der Knolle und den schildförmigen Erhebungen des Stammes, welche die Blätter tragen, stehen, sind metamorphe Wurzeln, die ihre Wurzelhaube ebenfalls verlieren. Ebenso kommen auch Wurzeln vor, die wie manche metamorphe Sprosse und Blätter als Ranken functioniren (Cirrhus radicalis MoHL). MOoHL®) hat der- artige Wurzeln für einige Lycopodiaceen, und namentlich für Vanilla aromatica beschrieben (a. a. O. pag. 49). Bei der Vanille entspringt auf jeder Seite des Blattes aus dem Stengel eine einfache oder ästige Luftwurzel, ähnlich den Wurzeln von Cac/us, Pothos, Caladium u. a. Diese Wurzeln erreichen oft die Länge von einem Fusse und darüber, hängen gerade gegen die Erde herab, wenn der Zweig, aus dem sie entspringen, frei in die Luft hinaushängt, dringen, wenn er um einen Baumstamm geschlungen ist, in die Ritzen desselben ein und winden sich, wenn sie mit einer dünnen Stütze in Berührung kommen, als Ranke um dieselbe. TreusB°) hat diese Angaben neuerdings bestätigt, und einige Melastomaceen hinzugefügt, die sich ähnlich verhalten, so Medinilla radıcans, Dissochaeta sp. Bei der letzteren Pfianze scheinen die betreffenden Wurzeln nur als Ranken zu functioniren. Nach Frıtz MÜLLER®) winden auch die abwärts N) Dieselben sind ausserdem bekanntlich auch als Insektenfallen thätig. — Besonders auf- fallend sind auch die Schwimmorgane der Mimosee Desmanthus natans: Stamminternodien nehmen hier eine ähnliche schwammige Beschaffenheit an, wie bei Fassiaea die Wurzeln. Die letzteren sind bei Desmazthus nicht verändert, sie hängen frei ins Wasser herab. (Vergl. ROSANOFF, bot. Zeit. 1872.) — Kultivirt man Portederia als Sumpfpflanze, so sind die Blattstiele viel weniger aufgetrieben. 2) FRIEDRICH, Ueber eine Eigenthümlichkeit der Luftwurzeln von Acanthorhiza aculeata. Acta horti Petropolitani. pars VII. 1881 (nur aus Ref. bekannt). Vergl. auch Russow, über Pandanus odoratissimus in dessen vergl. Unters. pag. 53, 54. 3) Annales du jardin botanique de Buitenzorg. Vol. II. 1883. pag. 129. — Daselbst weitere Literatur. #) Mohr, Ueber den Bau und das Winden der Ranken und Schlingpflanzen 1827. pag. 48 und 49. 5) TREUB, a. a. O. pag. 177 ft. 6) Citirt bei Darwın, Kletterpflanzen. (Uebersetz.) pag. 144. 360 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. wachsenden Luftwurzeln von ZPhulodendron-Arten um dicke Bäume, und einige merkwürdige parasitische Loranthaceen!), Sirutanthus- und Phtirusa-Arten, be- sitzen hakenförmig eingekrümmte »Greifwurzeln,« die, wenn sie auf einen Zweig treffen, sich um denselben wickeln und sich mit Haustorien (s. u.) an ihm be- festigen. Eine weitere Kategorie metamorpher Wurzeln sind die zu Reservestoffbe- hältern umgestalteten, was sowohl bei Haupt- als Nebenwurzeln der Fall sein kann. Wie bei den Schwimmwurzeln findet eine eigenthümliche Ausbildung des Rindenparenchyms statt (in welchem Reservestoffe abgelagert werden) und in Verbindung mit dieser abnormen Entwicklung oft eigenthümliche Dickenwachs- thumsvorgänge eintreten. Es gehören hierher eine Anzahl »Rüben,« so die von Daucus carota, Apium graveolens, Beta vulgaris u. a., während der Rettich eine Anschwellung des hypokotylen Stengelgliedes darstellt. Von knollenförmigen Wurzeln seien genannt die von Aanunculus Ficaria, welche ihre Wurzelhaube, noch ehe sie ausgewachsen sind, verlieren und die unserer Erdorchideen. Eine normal vor sich gehende Umbildung erleiden die Wurzeln der Gymnos- permen und der dikotylen Holzpflanzen durch das sekundäre Dickenwachsthum ihrer älteren Partieen. Die charakteristische Struktur der Wurzel wird dadurch verwischt, und ihr anatomischer Bau dem des Stammes genähert, wenngleich kleinere Differenzen auch zwischen Wurzel- und Stammholz sich finden. S 4. Entwicklungsperiode der Wurzeln. — Zum Schluss der Erörterung über Wurzelentwicklung soll hier, so weit die vorliegenden Materialien?) es ge- statten, die Frage beantwortet werden, wie sich die Entwicklungsperiode der Wurzeln zu den oberirdischen Pflanzentheilen verhält. Es ist eine unschwer zu constatirende und leicht zu verstehende Thatsache, dass bei der Keimung der Samen die Entwicklung des Wurzelsystems der des Sprosses vorauseilt. Aehnlich ist es auch bei vielen Zwiebeln und Knollen- pflanzen: bei Aanunculus Ficaria werden die Wurzeln für die im nächsten Früh- jahr austreibenden Sprosse schon Ende Juni angelegt, an den Zwiebeln von Fritillaria imperialis treten sie im August zu Tage, während andere Zwiebeln ihre Wurzeln erst im Jahre des Austreibens selbst, aber vor den Blättern treiben, Analoges gilt für die Bäume. Es lassen sich hier im Allgemeinen zwei Perioden der Wurzelbildung unterscheiden: die eine im Herbst, die andere im Frühjahr, vor dem Austreiben der Blätter. Beide sind durch winterlichen Still- stand getrennt, der hier aber nicht, wie bei den Sprossen als eine Ruheperiode, sondern nur als eine durch das Sinken der Temperatur veranlasste Hemmung zu betrachten ist: bei mildem Wetter findet auch im Winter offenbar Entwicklung und Wachsthum von Wurzeln statt. Bei 7iia europaea z. B. findet im August, September und Oktober eine fortwährende Ausbildung des Wurzelsystems statt, die eintretende Kälte unterbricht dieselbe; im December waren, entsprechend dem milden Winter wieder neue Wurzeln erschienen. Die Periode stärksten Wachsthums fiel in den April, vor dem Erscheinen der Blätter und Blüthen. Selbstverständlich finden sich Differenzen bei den einzelnen Bäumen. Bei der Eiche z. B. findet im Frühjahr kein starkes Wurzelwachsthum statt, erst im Juni zeigen sich neue Wurzelfasern, und die Periode stärksten Wachsthums fällt in den Oktober. !) EICHLER, Loranthaceae, Flora brasiliensis fasc. 4. pag. 10. ?) Besonders REsA, Ueber die Periode der Wurzelentwicklung. Leipzig 1871 (Dissert.). nt CN Anhang. Die Parasiten. 361 Ein periodisches Absterben der Würzelchen (letzten Wurzelverzweigungen) ist bis jetzt nur für Aesculus Hippocastanum von Resa angegeben, findet sich aber vielleicht auch noch in andern Fällen. Anhang zur Entwicklungsgeschichte der Vegetationsorgane. Die Parasiten.!) Die Entwicklung des Vegetationskörpers sowohl, als der Blüthen der Parasiten und der mit ihnen in vieler Beziehung übereinstimmenden Humusbewohner oder Saprophyten ist in vielen Beziehungen eine so eigenthümliche, dass sie hier in ihren wichtigsten Zügen am besten gesondert zur Darstellung gelangt. Es fehlt nicht an Uebergangsstufen von Pflanzen, die in ihren chlorophyli- haltigen Organen Kohlenstoff assimiliren und aus dem Boden anorganisches Nährmaterial aufnehmen, zu solchen, welche ihr gesammtes organisches Bau- material lebenden Organismen als Schmarotzer entnehmen oder todtes organisches Material aufzunehmen im Stande sind. Es genüge, was die Parasiten betrifft, zu erinnern an die unten zu schildernden Rhinanthaceen, unter denen z. B. Ahinan- thus, Melampyrum u. a. scheinbar selbständig lebende, mit normalen grünen Blättern und einem Wurzelsystem versehene Pflanzen sind, von denen sich aber bei näherer Untersuchung herausgestellt hat, dass sie mittelst kleiner Wurzelaus- wüchse auf den Wurzeln anderer Pflanzen schmarotzen. In demselben Verwandt- schaftskreis dagegen ist eine andere Form, Zathraea, ein vollständiger Parasit, der keine Laubblätter mehr besitzt, und dessen Sprosse nur zum Zweck der Samenproduktion über die Erde treten. Ganz ähnliche Uebergangsformen finden wir auch bei den Saprophyten. Wir haben Grund zu der Annahme, die freilich zunächst nur ein Analogieschluss ist, dass unsere gewöhnlichen Erdorchideen Orchis, Ophrys etc. theilweise Humusbewohner sind, also organisches Material aus dem Boden aufzunehmen vermögen, auf welches sie aber ebensowenig wie die schmarotzenden ZRinanthus etc. ganz angewiesen sind, da sie chlorophyli- haltige Laubblätter besitzen. Andere Orchideen dagegen sind vollständige Humus- bewohner, wie Veottia, Corallorhiza, Epipogon, ihre schuppenförmigen Blätter ent- halten kein, oder wie bei /eozfa doch nur Spuren von Chlorophyll. Analoge Thatsachen liessen sich auch von anderen Verwandtschaftskreisen anführen. Hier genüge es hervorzuheben — was eine freilich selbstverständliche Folgerung ist — dass alle parasitischen und saprophytischen Pflanzen abstammen müssen von chlorophyllhaltigen, selbständig lebenden Organismen. Nur braucht die Ab- stammung natürlich keine direkte zu sein, da auch die zu Parasiten oder Sapro- phyten gewordenen Pflanzen ihrerseits den Ausgangspunkt zur Entwicklung differenter Formen bilden können. Wir treffen demgemäss auch in verschiedenen Familien Parasiten und Sapro- phyten an, ebenso wie z. B. die Schling- und Rankenpflanzen auf verschiedene Familien vertheilt sind, und oft nur eine, oder einige wenige Pflanzen einer Familie dieser Kategorie angehören. So steht z. B. Mutisia unter den Compo- siten als Rankenpflanze isolirt, ähnlich wie die parasitisch lebende Cassyzka unter 1) Wie in den früheren Abschnitten berücksichtigt die Darstellung auch hier vor Allem die Samenpflanzen und zieht die Thallophyten nur zum Vergleiche heran, eine vollständige Mit- theilung alles Bekannten ist hier so wenig wie in den früheren Abschnitten beabsichtigt. 362 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. den Laurineen. Einige Beispiele mögen die Vertheilung der Parasiten und Saprophyten unter die verschiedenen Verwandtschaftskreise erläutern. Für die Thallophyten genügt der Hinweis auf dıe grosse Abtheilung der Pilze, die ausschliesslich aus parasitischen und saprophytischen Formen gebildet wird und nicht selten kann auch ein und derselbe Pilz sowohl als Parasit wie als Saprophyt leben. Von Moosen und Gefässkryptogamen kennen wir keine Para- siten, von manchen derselben (von Moosen seien z. B. Tefraphis und Splachnum, von Gefässkryptogamen Zsölotum genannt) ist es wohl wahrscheinlich, dass sie auch organische Stoffe aus dem Boden aufnehmen, allein positive Anhaltspunkte dafür fehlen und jedenfalls sind die genannten Formen im Stande, in ihren chlorophylihaltigen Organen die Kohlensäure zu zersetzen. Auch von den Gymnospermen ist kein hierhergehöriges Faktum bekannt, denn die Thatsache, dass, wie GÖPPERT nachgewiesen hat, die Wurzeln benach- bart wachsender Tannen vielfach mit einander im Zusammenhang stehen und des- halb ein Tannenstumpf auf Kosten des ihm von benachbarten Bäumen zugeführten Nährmateriales überwallen kann, lässt sich nicht hierher ziehen. Unter den Monokotylen wurden oben schon die Orchideen als Humusbewohner genannt, ihnen entsprechen unter den Dikotylen die Pyrolaceen, unter denen auch die chlorophyllhaltigen Formen Humusbewohner zu sein scheinen, jedenfalls aber gilt dies von der chlorophylihaltigen Monotropa. Von Schmarotzern seien ge- nannt die Rhinanthaceen (s. o.), Cuscuta unter den Convolvulaceen, Orobanche unter den Gesneriaceen, Cassyfha unter den Laurineen. Eine grössere Anzahl von mit einander verwandten Schmarotzerpflanzen bilden Gruppen »izcertae sedis« so die Loranthaceen, Santalaceen, Balanophoreen, Rafflesieen, Hydnoreen. Die Differenz zwischen der gewöhnlichen selbständigen und der parasitischen Lebensweise wird weniger auffallend erscheinen, wenn wir uns erinnern, dass auch die selbständig lebenden Pflanzen im Keimstadium auf Kosten der von der Mutterpflanze gelieferten Nährmaterialien leben, seien dieselben nun in den Cotyiedonen oder im Endosperm aufgespeichert. Bıwsonders im letzteren Falle wird die Analogie mit den Parasiten in einigen Fällen dann auffallend, wenn die Keimpflanze besondere Saugorgane, Haustorien, ausbildet, mittelst deren sie die im Endosperm aufgespeicherten Stoffe an sich zieht, ebenso wie die Parasiten . mittelst solcher Saugorgane organische Baustoffe der Nährpflanze entnehmen. So ist bei den Palmen der Cotyledon als Saugorgan verwendet: er bleibt im Samen stecken und saugt, während der übrige Theil der Keimpflanze hervortritt, das Endosperm aus, er schwillt zu diesem Zwecke z. B. bei der Cocos-Nuss zu einem grossen, rübenförmigen Körper an. Wahrscheinlich ist auch die eigen- thümliche schildchenförmige Bildung des Grasembryo’s, das sogen. Scutellum, nichts anderes als der eigenthümlich ausgebildete Cotyledon. Jedenfalls ist das Scutellum ebenfalls ein Saugorgan, welches dem Embryo die Nährstoffe des Endosperm zuführt. Haustorien anderer Art haben wir oben bei der Besprechung der Embryo- entwicklung namentlich für die Embryonen der Orchideen kennen gelernt (pag. 173). Der sehr kleine Samen bildet dort kein Endosperm, der Embryo ist desshalb veranlasst, von weiterer Entfernung her Nährstoffe zu beziehen und bildet desshalb namentlich den Embryoträger zum Saugorgan um, der oft ähnlich wie ein Pilz- faden sich ausbreitet. Indem ich auf die oben gegebene Schilderung verweise, sei hier nur noch an die papillösen Haustorien des Embryoträgers der Galium- Arten erinnert. “- an Anhang. Die Parasiten. 363 Auch der Embryosack selbst bildet solche Haustorien zuweilen aus. Er ver- drängt das von den Integumenten der Samenknospe umschlossene Gewebe mehr oder weniger vollständig und bildet zu diesem Zwecke oft blinddarmähnliche Aussackungen namentlich bei den Scrophularineen, Aussackungen, die ebenfalls nichts anderes sind als im Samenknospengewebe wuchernde Haustorien. Auch die Embryonen der Archegoniaten leben entweder zeitlebens (wie bei den Moosen) oder wenigstens einige Zeit (wie bei den Gefässkryptogamen) und den Coniferen auf Kosten der geschlechtlichen Generation. Die Stoffüberführung aus derselben in den Embryo wird in manchen Fällen nicht durch besondere Organe vermittelt (z. B. Kiccia), in an- deren bohrt sich der untere Theil des Embryo’s als Saugorgan oft tief in das Gewebe des archegonientragenden Spros ses ein (z. B. Sphagnum) oder es bilden sich auch besondere Haustorien. So # wachsen aus dem Basaltheil des Embryos Fig. 93. (B. 414) der Anthoceroteen Schläuche (Haustorien) Embryo von Adiantum Capillus Veneris, welcher in das Gewebe der Mutterpflanze hinein, den Archegonienbauch durchbrochen hat, aber der gegenüber der Embryo also wie ein mittelst des Haustoriums (des »Fusses«) noch Schmarotzer sich verhält; bei den Farnen am on (p) festsitzt, w Wurzel, b erstes att der Keimpflanze. tritt das Saugorgan des Embryo’s in Form eines Gewebekörpers auf, mittelst dessen der Embryo, auch wenn er den Archegoniumscheitel schon gesprengt hat, in dem Archegoniumbauchtheil noch festsitzt, das Haustorium wird hier als »Fuss« bezeichnet (Fig. 93), es findet sich in analoger Form auch noch bei einigen Gymnospermen-Embryonen. So bei Welwitschia, wo das Saugorgan eine Anschwellung des hypokotylen Gliedes darstellt. Die parasitischen Pilze, deren Mycelium direkt das Gewebe der Nährpflanze (resp. des befallenen Thierkörpers) durchwuchert, zeigen keine besonderen Haustorien. Dieselben treten auf an Mycelien, die auf der Oberfläche der Nähr- pflanze wachsen (wie bei den Erysipheen), oder in den Intercellularräumen der- selben. Ein ausgezeichnetes Beispiel für den eben erwähnten Fall bieten die Peronosporeen!) (Fig, 94). Die denselben nahe verwandten, aber saprophytisch lebenden Saprolegnieen mögen hier desshalb genannt sein, weil sie zeigen, dass der Besitz der Haustorien nicht auf die Parasiten beschränkt ist.. Sie wachsen besonders häufig auf todten, im Wasser liegenden Insekten, die sie in dichtem Rasen bedecken. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung geschieht durch Schwärm- sporen. Die keimende auf ein geeignetes Substrat gelangte Schwärmspore treibt einen Keimschlauch, dessen eines Ende in das Substrat eindringt, und dort dünne Verzweigungen treibt, die als Wurzeln funktioniren. Das entgegengesetzte Ende des Keimschlauches wächst vom Substrat weg und verzweigt sich, an diesen Zweigen treten dann später die Fortpflanzungsorgane auf. Von den unteren der- selben aber entspringen dünne Zweige, die ebenfalls in das Substrat eindringen (»Senker«) und der Nährstoffentnahme aus demselben dienen. Das ganze Gebilde verhält sich ähnlich wie ein Baum, der ausser seinem primären Wurzelsystem noch Luftwurzeln treibt, die von den Aesten herunter in die Erde wachsen. — 1) Vergl. die Darstellung und die Literaturangaben für diesen und den folgenden Fall in GOEBEL, Grundzüge der Systematik etc. pag. IoI ff. 364 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Bei phanerogamen Saprophyten kommen derartige Haustorialgebilde nicht vor, wenn man nicht etwa die — gewöhnlich sehr spärlichen — Wurzeln derselben mit den genannten Organen in Parallele setzen will. Die vorstehende Erörterung ging aus von dem Satze, dass bei der Keimbildung vielfach Vorgänge auftreten, die den am Vegetationskörper der Parasiten stattfindenden entsprechen. Ehe auf die Untersuchung der letzteren eingegangen wird, ist hier nur das Verhältniss von Symbiose!) und Parasitismus zu er- wähnen, denn in manchen Fällen ist es unentschieden, ob das Zusammenleben zweier Pflanzen als Symbiose, oder als Parasitismus, wobei also die eine Pflanze bezüglich ihrer Nährstoffaufnahme auf die andere angewiesen ist, zu beweisen. Es ist z. B. wahrscheinlich, dass die in Hohl- räumen des Gewebes von Gunnera lebenden Nostoc- colonien dem Gewebe Nährstoffe entziehen, und dasselbe findet auch in anderen Fällen vielleicht statt. Man findet Nostoc-Colonien z. B. regelmässig in dem Thallus von Anthoceros. Die beweglichen Fadenstücke (Hormogonien) des auf feuchter Erde überall verbreiteten Nostoc dringen Fig. 94. (B. 415.) Stück eines Mycel-Fadens von Peronospora calotheca, welcher in dem Gewebe von Asperula odorataschmarotzt. (Nach DE Bary.) Das My- cel (m) wuchert in den In- tercellularräumen und sen- in die Schleimspalten, die sich auf der Thallusunterseite von Anthoceros einfinden, und siedeln sich dort an. (Vergl. Bd. II, pag. 360.) Es ist dieser Fall hier desshalb anzu- führen, weil die Einwanderung des /Voszoc hier bestimmte Entwicklungsvorgänge in der Wirthspflanze hervorruft. Die Schleimhöhle wird grösser und ihre Wandseiten det durch die Zellmembra- nen hindurch Saugfortsätze in Form verzweigter Ketten Schläuche in die Zellen hinein. wachsen zu Schläuchen aus, die in die Gallertmasse, in welche die Nostoccolonie eingebettet ist, hineinwachsen. Es muss zweifelhaft bleiben, ob /Voszoc hier nur ein »Raum- parasit« ist, d. h. einen geschützten Raum zu seiner Entwick- lung sucht oder ob er dem Anthoceros-Thallus Stoffe entzieht; auch wissen wir nicht, ob das Gewebe des letzteren nicht vielleicht der Nostoc-Gallerte Wasser entziehen kann; also von der Einwanderung der Age unter Umständen Vortheil zieht. Analoges gilt für die a. a. O. ebenfalls erwähnte Lebermoosgattung B/asia, in deren »Blattohren« man fast regelmässig Nostoccolonien trifft. Die nicht inficirten Blatt- ohren dagegen sterben früh ab — es ist also klar, dass /Vostoc hier auf seine Wirthspflanze eine ganz bestimmte Einwirkung ausüben muss, deren Natur wir aber nicht kennen. Bei einer Chlorophycee, dem PAyllosiphon Arisari, welche in den Intercellularräumen des Blattes der Aroidee Arisarum lebt, ıst dagegen der Parasitismus schon daraus zu entnehmen, dass sie die Blattzelle zum Absterben bringt. Es zeigt dies Beispiel, ebenso wie die oben angeführten Rhinanthaceen, dass auch grüne Pflanzen — die es eigentlich »nicht nöthig hätten« — schmarotzen. Es ist nicht unsere Aufgabe die Erscheinungen der Symbiose hier darzustellen, da dieselben für die Organentwicklung wenig bieten. Es sind in den beiden oben angeführten Beispielen Organe, die sonst anderweitigen Zwecken dienen, welche durch das Eindringen von JNostoc verändert werden, bei Anthoceros Schleim- spalten, bei B/asia die Blattohren, die im Wesentlichen ebenfalls Schleimorgane ID) Unter »Symbiose« wird das Zusammenleben zweier nicht derselben Art angehörigen Or- ganismen verstanden. Vergl. namentlich DE BAry, Die Erscheinung der Symbiose. Anhang. Die Parasiten. 365 sind. Ob auch die eigenthümlichen Höhlungen in den Azollablättern?), in welchen man in den bisher untersuchten Fällen stets die Nostocacee Anabaena fand, ur- sprünglich bestimmten, derzeit unbekannten Funktionen dient oder nur zum Zwecke der Aufnahme von Anabaena gebildet wird, lässt sich derzeit nicht entscheiden. $ ı. Rückbildung der Organe von Parasiten und Saprophyten. — 1. Vegetationsorgane. Bei Parasiten wie bei Humusbewohnern treten bestimmte Rückbildungs- erscheinungen auf, die sich einmal auf den Vegetationskörper und dann namentlich auf die Samenbildung beziehen. Bei einer Pflanze, die ihre Baustoffe vollständig entweder als Parasit oder als Saprophyt bezieht, fällt die wichtigste Funktion der chlorophyllhaltigen Laub- blätter, die bei den selbständig lebenden höheren Pflanzen vorzugsweise der Assimilation des Kohlenstoffs und der damit in Verbindung stehenden Trans- piration dienen weg. Es sind dann auch bei typischen Parasiten und Sapro- phyten die Blätter zu kleinen Schuppen verkümmert, die nur als Schutzorgane für die Endknospe des Sprosses oder für die Blüthen dienen und demgemäss ist auch ihre Gewebegliederung eine viel einfachere als die der typischen Laub- blätter. Die Schuppenblätter am Rhizom von Zfifogon z. B. (einer sapro- phytischen Orchidee) bestehen (nach ScHAacHT?) aus drei Zellschichten und besitzen weder Gefässbündel noch Spaltöffnungen und ebenso verhalten sich die kleinen Schuppenblätter der parasitischen Czscufa; auch hier findet sich im Blatte keine Spur von einem Gefässbündel. Andere Parasiten und Saprophyten besitzen höher differenzirte Blätter, die Schuppenblätter von Monotropa z. B. haben reducirte Gefässbündel, die grünen Laubblätter der halb-parasitischen Rhinan- thaceen aber besitzen den gewöhnlichen Bau. Der Reduction der Blätter ent- spricht natürlich auch eine Reduction in der anatomischen Ausbildung des Stammes, namentlich im Bau der Gefässbündel, die bei den meisten Parasiten und Saprophyten keine grosse Entwicklung erfahren. Bezüglich der Bewurzelung verhalten sich Parasiten und Saprophyten ver- schieden. Bei den Parasiten kommen, in den genauer untersuchten Fällen im Boden wachsende Wurzeln, z. B. bei Czscufa und Orodanche vor, bei beiden sind sie aber reducirt; sie besitzen keine Wurzelhaube; die nur kurze Zeit functioni- rende Wurzel von Cuscufa hat auch kein Gefässbündel, sondern statt desselben wird die Wurzel nur von einem Strange gestreckter Zellen durchzogen. Bei den meisten andern direkt auf ihrer Nährpflanze keimenden Parasiten, z. B. Viscum, sind die Wurzeln nur in metamorpher Form vorhanden, oft sin ddieselben so um- gebildet, dass über die Natur derselben Ungewissheit herrscht. Der Beleg dafür wird unten bei Besprechung derEinzelentwicklung einiger Parasiten gegeben werden. Von den Saprophyten sind einige ganz wurzellos wie Zpipogon®) und Corallo- rhiza*), die Funktion der Wurzeln wird ersetzt durch Wurzeihaare /(s2# venia verbol), die auf den unterirdischen Sprossen entspringen, bei Corallorhiza sind dieselben in Büschel vereinigt, bei Zpzpdogon unregelmässig vertheilt. Es ist fast mit Sicher- I) Vergl. STRASBURGER, Ueber Azolla, Jena 1873. Die Höhlungen sind Einsenkungen der Blattoberfläche, ähnlich wie die Luftkammern des Marchantia-Thallus. 2) SCHACHT, Ueber die Fortpflanzung der deutschen Orchideen durch Knospen. Beitr. zur Anat. und Physiol. der Gewächse. pag. Iı5 ff. 3) Vergl. SCHACHT, a.a.O., pag. 123 ff. IrmiscH, Beitr. zur Morphol. u. Biol. der Orchid. pag. 50, 51. *) IRMISCH, Beitr. zur Morphol. etc. pag. 58. 366 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. heit anzunehmen, dass die Pflanzen auch bei der Keimung keine Wurzeln entwickeln, also ebenso vollständig wurzellos sind, wie das oben (pag. 172) für einige Wasserpflanzen angegeben wurde. Andere saprophytische Orchideen dagegen, wie Jeottia, besitzen Wurzeln, und dasselbe gilt für diejenigen Erd- orchideen, die grüne Laubblätter besitzen. Bei Monofropa!) wird sogar der ganze Vegetationskörper durch das Wurzelsystem dargestellt, es besteht aus verzweigten, nach allen Richtungen in der Erde kriechenden Wurzeln. Endogen an den- selben entstehen die Blüthensprosse, und zwar wie die Nebenwurzeln im Peri- cambium. Die Wurzelspitzen sind mit einer rasch sich entwickelnden Wurzelhaube versehen, die Sprosse an den Wurzeln entstehen, wie es scheint, im Allgemeinen in progressiver Reihenfolge. Während die Sprosse nach der Blüthezeit absterben, perennirt das Wurzelsystem, und lässt in der nächsten Vegetationsperiode wieder neue Blüthensprosse hervortreten. Die Keimung von Monotropa ist bis jetzt unbekannt, vielleicht verläuft dieselbe aber ähnlich wie die unten zu schildernde von Orobanche, einer Schmarotzerpflanze, bei welcher ebenfalls die Blüthensprosse endogen an einem Wurzelgebilde entstehen, während ein Keimspross gewöhnlich gar nicht zur Ausbildung gelangt. Biologisch verhält sich Monofropa ganz ähn- lich wie z. B. die saprophytischen Hutpilze, bei denen der Vegetationskörper von dem, einem Wurzelsystem entsprechenden, im Substrate verborgenen Mycelium gebildet wird, an dem über den Boden tretende Fruchtkörper gebildet werden, und ganz ebenso verläuft auch die Entwicklung derjenigen Schmarotzer, deren Vegetationskörper ganz in ihrer Nährpflanze (»intramatrikal«) wuchert, wie der der Peronosporeen, Rafflesiaceen u. a. 2. Blüthen- und Embryobildung. Besonders charakteristisch für die Parasiten und Saprophyten ist ihre Samen- und Fruchtbildung. Wir finden meistens, dass kleine, aber sehr zahlreiche Samen gebildet werden, die einen sehr reducirten, auf einem frühen Entwicklungsstadium, vor der Bildung von Cotyledonen und Wurzel stehen gebliebenen Embryo ent- halten. Es wird also bei der Bildung des einzelnen Samens an Material gespart, dagegen eine desto grössere Menge derselben producirt, eine Einrichtung, die bei den Parasiten, namentlich den an gewisse Nährpflanzen gebundenen, die Wahrscheinlichkeit des Auffindens einer solchen erhöht, für die sich aber bei sapro- phytischen Pflanzen, wie Orchideen oder Monotropa, schwerlich ein Grund wird angeben lassen. Es keimen die Samen derselben wie bekannt nur selten, mög- lich ist es also, dass ganz bestimmte Bedingungen vorhanden sein müssen, um die Keimung der Samen zu ermöglichen, ähnlich wie die Orodanche-Samen nur im Contakt mit einer Nährwurzel keimen. Die von einigen früheren Autoren gemachten Angaben, dass die Keimpflanzen der Orchideen anfangs parasitisch leben, scheint mir durchaus unwahrscheinlich, sie findet in den seither bekannt gewordenen Keimungsgeschichten keinen Anhaltspunkt. — Die chlorophylibe- sitzenden Halbparasiten (Viscum, Rhinanthus), dagegen besitzen wohlausgebildete 1) SCHACHT, Zur Entwicklungsgeschichte der Momotropa Hypopitys in Beitr. zur Anat. und Phys. pag. 54—65. — Anatomische Details bei KamiEnsk1, Die Vegetationsorgane der Monotropa Hypopitys. Bot. Zeit. 1881, pag. 457. Es wird von dem letztgenannten Autor angegeben, dass die Wurzelenden von Monotropa dicht umgeben seien von der Myceliumschicht eines Pilzes, der höchst wahrscheinlich bei der Nährstoftaufnahme des Saprophyten eine Rolle spielt, aber in das Gewebe desselben nicht eindringt. Im Rindengewebe saprophytischer Orchideen findet man auch regelmässig Pilze, die vielleicht eine ähnliche Rolle spielen. ET Anhang. Die Parasiten. 367 Embryonen, in der Fruchtbildung dagegen zeigen die Loranthaceen, denen Viscum angehört, Eigenthümlichkeiten, welche bei vollständig parasitisch lebenden Pflanzen, wie den Balanophoreen, ihr Analogon finden, es werden aber bei den Loranthaceen (denen sich die Santalaceen ganz anschliessen) keine kleinen Samen, sondern relativ ansehnliche Früchte gebildet. — Die Erscheinungen der Blüthen- und Fruchtbildung der Parasiten und Saprophyten sind so merkwürdig, dass es geboten erscheint, dieselben an einigen Beispielen auszuführen. I. Saprophyten. ı. Orchideen. Auch bei den mit Laubblättern versehenen Orchideen macht sich, wie schon bei der Besprechung der Embryobildung (pag. 174) hervorgehoben wurde, eine Reduction des Embryo’s geltend, der ein ungegliederter, auf einem frühen Entwicklungsstadium stehen gebliebener Gewebe- körper ist.) Auch die Samenknospe, die im Uebrigen normal gebaut ist und zwei Integumente besitzt, zeigt insofern eine geringe Ausbildung, als sie sehr klein bleibt und der Nucellus nur aus einer axilen Zellreihe und einer dieselbe umhüllenden Zellschicht besteht. 2. Ganz ähnlich verhalten sich die Pyrolaceen, von denen die chlorophyli- lose Monotropa sicher, die mit Laubblättern versehenen Zyrola-Formen höchst wahrscheinlich Humusbewohner sind. Der Embryo von Zyrola rotundifolia bleibt nach HorMEIsTER?) acht- bis sechzehnzellig, der von Monotropa nach Koch fünf- bis neunzellig.. Die Samenknospen von /yrola und Monofropa sind gleichge- staltet, klein und mit einem Integument versehen. II. Parasiten. ı. Rhinanthaceen. Dass die chlorophyliführenden halb- schmarotzenden Rhinanthaceen durch den Parasitismus keine Veränderung ihrer Organe erleiden, wurde oben schon hervorgehoben. Dem entspricht auch die ganz normale Samenbildung aus wohl entwickeltem Embryo, auch der Embryo ‘ von Lathraea squamaria3) ist zwar klein, aber vollständig ausgebildet: er besitzt ein Wurzelende und zwei Cotyledon-Anlagen, obwohl die Schuppenwurz ein chlorophyllloser Schmarotzer ist. 2. Bei den Orobanchen‘) ist die Blüthe und Samenknospe normal gebaut, der Embryo (vergl. Fig. 24), ein ungegliederter, aber ganz nach Art anderer dikotyler Embryonen jugendlichen Entwicklungsstadiums aufgebauter Zellkörper. 3. Schon weiter geht die Reduction bei den Santalaceen.’) Es findet sich z. B. bei ZAesium in der Blüthe eine freie Centralplacenta, welche drei nackte, integumentlose Samenknospen trägt, der Embryo dagegen ist hier normal aus- gebildet, und besitzt also die Anlage einer Wurzel und zweier Cotyledonen.®) Es entwickelt sich von den drei Samenknospen nur eine weiter. Angaben über die Fruchtentwicklung sind mir nicht bekannt, sie dürfte einige Analogie mit den unten zu besprechenden Verhältnissen bei den Loranthaceen bieten. Nach dem Reifestadium zu urtheilen, verdrängt der Samen die Placenta, resp. er drängt sie I) Es ist diese Reduction des Embryo’s aus Analogiegründen mit ein Anhaltspunkt dafür, dass die Orchideen theilweise als Humusbewohner leben, wofür auch die geringe Ausbildung des Wurzelsystems spricht. 2) Neue Beiträge zur Kenntniss der Embryobildung der Phanerog. Abh. der Sächs. Ges. d. Wiss. VI. Bd. 1859, pag. 634. 3) Sorms, de Lathraeae generis positione systematica, Dissert. Berlin 1865, pag. 18. 4) KocH, Ueber die Entwicklung des Samens von Orodanche, PRINGSH. Jahrb. Bd. XI. 5) HOFMEISTER, a. a. O., pag. 563. 6) Abbildung eines Fruchtlängsschnittes z. B, LE MAoUT et DECAISNE, trait© gen. de bot. descr., pag. 485. 368 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. und die nicht zur Entwicklung gelangenden Samenknospen zur Seite, füllt die Fruchthöhle aus und verwächst wahrscheinlich mit der Innenwand des Frucht- knotens. Jedenfalls wird die Umhüllung des Samens, da eine Samenschale hier nicht vorhanden ist, von der Fruchtknotenwand übernommen. Und denselben Process sehen wir auch bei den Loranthaceen und Balanophoreen vor sich gehen. Der Embryo von T%esium ist normal ausgebildet. 4. Die Bildung der weiblichen Blüthen!) einiger Loranthaceen ist, nach den Schilderungen von TREUB oben schon besprochen worden (pag. 327). Die Verhältnisse sind ganz ähnlich wie bei den Santalaceen: eine freie Centralplacenta mit nackten, reducirten Samenknospen. So z. B. bei Zoranthus sphaerocarpus, wo die Centralplacenta aber so früh schon mit der Fruchtknoten-Innenwand ver- wächst, dass die Embryosäcke dann scheinbar einem den Fruchtknoten erfüllenden Gewebe eingebettet sind. Viel weiter noch geht die Reduction bei dem oben ebenfalls angeführten Viscum articulatum: Samenknospen werden hier gar nicht mehr ausgebildet, sondern auf dem Grunde des Fruchtknotens werden einige plasmareiche, nebeneinander liegende oder durch Parenchymzellen getrennte plasmareiche Zellen zu Embryosackmutterzellen. Wie die Vergleichung mit Loranthus sphaerocarpus nahelegt, ist das letztere Verhalten als aus dem ersten hervorgegangen zu betrachten: Placenta und Samenknospe sind aber gar nicht mehr zur Ausbildung gelangt. Der Embryo der Loranthaceen dagegen ist wie der der Santalaceen voll- ständig ausgebildet. 5. Bei den Balanophoreen’) findet sich die Reduction des Embryo’s und der Samenknospe vereinigt, der erstere ist also ein ungegliederter Zellkörper, die Samenknospe ist ohne Integumente. Ganz ähnliche Verhältnisse wie bei Loranthus sphaerocarpus treffen wir z. B. bei Scydalium fungiforme: eine Central- placenta mit zwei nackten Samenknospen verwächst mit der Innenfläche der Fruchtknotenhöhle; die Fruchtknotenwand ist dreischichtig, die mittlere Schicht bildet sich zur Fruchtschale aus. Hier wie bei den Loranthaceen fallen Frucht und Samen also eigentlich zusammen. Aehnlich verhält sich Zophophytum mirabile, wo EıcHLer (Taf. 14 a. a. OÖ.) auch die (für Scybalium fehlende, aber, wie kaum zu bezweifeln ist, ganz ähnlich verlaufende) Entwicklungsgeschichte der weiblichen Blüthen verfolgen konnte. Bei Zeosis findet sich nach den übereinstimmenden Angaben EıcHLER’s und HOFMEISTERS eine aus der Blüthenachsenspitze hervor- gehende integumentlose Samenknospe, die bei der Reife die Fruchtknotenhöhle ganz ausfüllt, und von einer durch die zweite Zellschicht (von aussen) der Frucht- knotenwand gelieferte Schale umhüllt wird. Aehnlich sind offenbar auch die Verhältnisse bei Zangsdorffia, nur dass hier, wie es scheint, die Samenknospe sehr früh schon mit der Innenfläche der Fruchtknotenwand verwächst. Bei I) Auch die männlichen Blüthen besitzen bei Viscum einen eigenthümlichen Bau. Die Pollensäcke befinden sich hier nicht auf besondern Staubblättern, sondern sind den Perigonblättern eingesenkt, da bei nahe verwandten Gattungen (Zremolepis, Phoradendron etc.) ausgebildete, nur am Grunde mit den Perigonblättern verwachsene Staubblätter vorhanden sind, so nimmt die ver- gleichende Morphologie auch bei Piscum eine innige Verwachsung von Staub- und Perigonblatt an. Vergl. EICHLER, Blüthendiagr. II. 554. 2) HOFMEISTER a. a. O., EICHLER, Balanophoreae in F lora brasiliensis fasc. XLVH. Daselbst weitere Literatur, vergl. auch Blüthendiagramme, II. pag. 543. Die Blüthen sind bei der grossen Mehrzahl diklin, die männlichen gewöhnlich mit einem dreiblättrigen Perigon und 2—3 den Ab- schnitten desselben superponirten, normal gebauten Staubblättern versehen. Balanophora ist die wenig- zellige Samenknospe nach HOoFMEISTER wandständig, sie geht aus einer Zelle hervor. Der Fruchtknoten hat hier eine auffallende habituelle Aehnlichkeit mit einem Ar- chegonium, ob er, wie bei den übrigen genauer be- kannten Balanophoreen aus zwei Fruchtblättern gebildet wird, bleibe dahingestellt. Der Embryo der genannten Balanophoreen besteht aus einem kleinen, ungeglieder- ten Zellkörper mit kurzem Embryoträger. Er ist in das Endosperm eingebettet; wie er sich bei der Keimung entwickelt, ist auch hiernicht bekannt. Bei Cynomorium hat die Samenknospe ein dickes Integument, auch der Embryo erreicht, wie es scheint, eine höhere Ausbil- dung, als in den genannten Fällen. 6. Auch bei den Raffle- siaceen!) ist die Samen- knospe mit einem, bei #- lostyles sogar mit zwei Inte- gumenten versehen. Der Embryo ist ein, meist wenig- zelliger, einem kurzen Em- bryoträger aufsitzender Zell- körper. 7. Von den Hydnoreen mag hier ebenfalls nur die GestaltungderSamenknopse kurz erwähnt sein. Bei Zyd- nora Johannis und H. afri- cana ıst die Samenknospe atrop und mit einem dicken Anhang. Die Parasiten. - 369 A 3 Fig. 95. (B. 416.) (Nach HOFMEISTER.) A Längsdurchschnitt eines jungen Frucht- knotens von Dalanophora involucrata mit wenigzelliger, wand- ständiger Samenknospe (sk) k Griffelkanal. B Reifer Frucht- knoten von Dalanophora dioica im axilen Längsschnitt e der am Embryoträger (et) hängende Embryo, er ist im Endosperm eingebettet. Der dasselbe einschliessende Embryosack hat das wenig umfangreiche Gewebe der Samenknospe verdrängt und füllt die Fruchtknotenhöhle aus; die Zellen der Fruchtknoten- wand (namentlich die inneren) gestalten sich durch Verdickung ihrer Wände — die aber keine gleichmässige ist — zur Frucht- schale ss Oben der zu Grunde gegangene Griffelkanal. !) SoLMS-LAUBACH, Ueber den Bau der Samen in den Familien der Rafflesiaceae und Hydnora- ceae. Bot. Zeit. 1874. Die Blüthenbildung der Rafflesiaceen kann hier nicht in Kürze erörtert werden. Die Angabe, dass bei Drugmansia die Samenknospen in Intercellularräumen des anfangs soliden Fruchtknotens auftreten (SorMs, Bot. Zeit. 1876, pag. 481 ff.) scheint mir noch weiterer Prüfung bedürftig. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II. 24 370 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Integumente versehen. Bei Prosopanche Burmeisteri!) dagegen sind die Samen- knospen von den Placenten nicht differenzirt. Die Placenten haben die Form von Platten, die in den Innenraum des Fruchtknotens vorspringen. Mit blossem Auge erscheinen dieselben mit etwas erhabenen weissen Punkten dicht besetzt, diese Punkte sind die Stellen, an denen sich die Samenknospen befinden. Man findet auf einem Durchschnitt durch dieselben dem Placentengewebe eingesenkt, einen Embryosack, der umgeben ist an seiner Spitze von einer einfachen, weiter unten von mehreren Zellagen, ausgezeichnet durch dichten Inhalt und grosse Zellkerne. Wie dieses ganze Gebilde aufzufassen ist, muss zunächst zweifelhaft bleiben, am wahrscheinlichsten aber erscheint es mir, dass nicht ein der Placenta eingesenkter Embryosack die Samenknospe darstellt, sondern dass frühe schon die nackte "Samenknospe vom Placentagewebe umwallt wird und innig mit demselben ver- wächst. S 2. Organentwicklung der Parasiten. — ı. Einen einfachen Fall von Parasitismus zeigen die (— ob alle? —) Rhinanthaceen, wo er von DECAISNE entdeckt wurde?). Es ist eine bekannte Erfahrung, dass Topf-Aussaaten von Fedicularis-, Euphrasia- und Rhinan- Zhus-Arten bald zu Grunde gehen, wenn nicht andere Pflanzen sich in demselben Topfe befinden. Ebenso sterben vom Freien in den Garten verpflanzte Exemplare gewöhnlich rasch ab. Untersucht man das Wurzel- system näher, so zeigt sich, dass die Wurzeln an Wurzeln anderer Pflanzen festhängen und zwar mittelst besonderer Haftorgane, der Hausto- rien. Ein und dasselbe Ahinanthus- Exemplar kann Wurzeln verschiede- (B. 417.) Fig. 96. Rhinanthus minor nach SOLMS-LAUBACH. A Quer- schnitt durch eine Dikotylenwurzel, welcher das im Längsschnitt getroffene Haustorium von Adınanthus oben aufsitzt. Das Haustorium ist schraffir, hn Holzkörper der Nährwurzel, hp Holzkörper der Wurzel des Parasiten, a Ansatzfläche des Hausto- riums, k Saugfortsatz desselben, g Gefässstrang. B Querschnitt durch eine Monokotylenwurzel mit aufsitzendem Haustorium. Der Saugfortsatz des letzteren ist tief in den Gefässstrang der Nährwurzel eingedrungen. ner Pflanzen, von Monokotylen wie von Dikotylen befallen. Macht man durch Durchschnitt, so zeigt sich, dass das Haustorium aus zwei Theilen besteht (Fig.96 Au.B): einer Anheftungsfläche, welche die Nährwurzel umfasst, und derselben dicht aufliegt, ähnlich wie der Sattel dem Pferde, und einem den Anheftungspunkt einen . Saugfortsatz, dem Haustoriälkern, der in das Gewebe der Nährwurzel eindringt. Bei Dikotylenwurzeln wächst er durch die primäre und sekundäre Rinde bis zum Holz, bei monokotylen spaltet er die Endodermis des axilen Gefässstranges und dringt in denselben ein. Die Anatomie des Haustoriums ist in der citirten Ab- !) DE Bary, Prosopanche Burmeisteri, eine neue Hydnoree aus Süd-Amerika. Abhandl. der naturforsch. Ges. zu Halle. Bd. X. 2) DECAISNE, Sur le parasitisme des Rhinanthacees (Ann. d. scienc. nat. Bot. Sec. t. VIII. — Kunze giebt an (Bot. Zeit. 1848), dass Pedicularis comosa und P. sudetica im Leipziger Garten Das beweist natürlich noch keineswegs, dass sie Man kann die insektenfressende Drosera ohne Nährpflanzen aus Samen erzogen wurden. nicht ebenfalls die Fähigkeit haben, zu schmarotzen. ja auch ohne Fleischnahrung kultiviren, trotzdem die letztere in der Natur regelmässig stattfindet. Anhang. Die Parasiten. BIN handlung von SoLms-LAUBACH mit grösster Ausführlichkeit geschildert; hier sei davon nur soviel erwähnt, dass die Mittelregion des Haustoriums (incl. des Saug- fortsatzes) durchzogen wird von einem Gefässstrang, der sich einerseits an den Gefässkörper der betreffenden Rhinanthaceenwurzel, andererseits an den der Nährwurzel anlegt. Es ist klar, dass vermittelst dieser Haustorien die Ahinanthus- Wurzeln schmarotzen, und dass sie ihren Nährpflanzen nachtheilig werden, ergiebt sich schon aus dem kümmerlichen Gedeihen derselben im Umkreis einer grösseren Anzahl Ahinanthus, Pedicularis-Arten etc. Die Entwicklung dieser Haustorien ist nur für eine chlorophylliose Rhinan- thaceenform, die Zathraea sguamaria einigermaassen bekannt). Die mit eigen- thümlich gebauten Schuppen versehenen nichtblühenden Sprosse sind hier im Boden verborgen, nur die Inflorescenzen treten hervor. Die Sprosse sind mit Wurzeln versehen‘, und an diesen bilden sich die Haustorien, welche in die Wurzeln von Waldbäumen, namentlich des Haselstrauches eindringen. Das erste Anzeichen für die Bildung eines Haustoriums ist die Produktion eines dichten Haarknäuels an einer Stelle derZa/hraea-Wurzel. Wie KRAUSE vermuthet, entstehen die Haare in Folge eines Reizes, den eine fremde Wurzel an der Berührungs- stelle mit einer Zafhraea-Wurzel auf dieselbe ausübt, und sie dienen wahrschein- lich dazu, die Zafhraea-Wurzel provisorisch an die Nährwurzel anzuheften. Das Haustorium entsteht nach dem genannten Autor exogen, als Emergenz des Rindenparenchyms, es legt sich der Nährwurzel an und durchbricht die Rinden- schichten derselben. Die Gefässe im Haustorium werden erst gebildet, nachdem dasselbe fast seine normale Grösse erreicht hat, und dann gehen auch die oben erwähnten, wahrscheinlich provisorische Anheftungsorgane vorstellenden, Haare zu Grunde. 2. Es stimmt der eben angegebene, weiterer Untersuchung noch bedürftige Entwicklungsgang des Haustoriums überein mit dem von SoLMs früher für die Thesium-Haustorien geschilderten. Die 7%esium-Arten verhalten sich ganz wie die genannten Rhinanthaceen, auch sie besitzen ein Wurzelsystem, welches theil- weise vermittelst Haustorien auf anderen Wurzeln schmarotzt. Auch hier ent- steht das Haustorium nach Art einer Emergenz, also exogen, trifft es eine Nähr- wurzel, so heftet es sich derselben an, erfolgt keine Befestigung, so wird die Anlage durch interkalares Wachsthum zu einem kurzen, hakig gekrümmten Körper mit axilem Gefässbündel, der, wenn er keine Wurzel erreicht, verkümmert. Obwohl wir nach dem in dem Abschnitt über Wurzelentwicklung Angeführten auch exogen entstehende Wurzeln kennen, sind die Haustorien der Rhinanthaceen und der genannten Santalacee (Z’%esium) doch nicht als metamorphe Wurzeln zu betrachten, da es doch auffällig wäre, dass sie so ganz anders entstehen, als die normalen Nebenwurzeln der betreffenden Pflanzen. Die Rhinanthaceen bieten ein Beispiel dafür, dass innerhalb ein und der- selben natürlichen Familie ein verschiedener Grad von Parasitismus vorkommt. Rhinanthus, Euphrasia, Pedicularis, Bartsia u. a. sind nur theilweise Schmarotzer, sie besitzen grüne Laubsprosse, die also die Fähigkeit haben, die atmosphärische Kohlensäure zu assimiliren; zu gleicher Zeit schmarotzen sie aber vermittelst der wurzelständigen Haustorien auf anderen Pflanzen. Zathraea dagegen ist chloro- phylilos, muss also ihren gesammten Bedarf an organischen Baustoffen ihren I) H. Krause, Beiträge zur Anatomie der Vegetationsorgane von Zathraca sqguamaria, L. — Dissertation, Breslau 1879. Vergl. SoLMS-LAUBACH, de Lathraeae generis positione systematica, Dissert. Berlin 1865. = 24 372 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Nährpflanzen entnehmen. Die Keimung der chlorophyllhaltigen Rhinanthaceen erfolgt offenbar (wie die von 7’hesium!) ganz wie die anderer chlorophyllhaltiger Pflanzen, nur dass an den Wurzeln bald Haustorien auftreten. Der Chlorophyli- gehalt scheint allerdings bei Rhinanthus und den Thesium-Arten vielfach ein ver- minderter zu sein, da dieselben oft ein gelbliches Aussehen haben, es wäre das eine gewisse Annäherung an das Verhalten der chlorophylllosen Zazhraea. 3. Viel weiter geht der Parasitismus einer Convolvulacee, der Cuscuta?): nur kurze Zeit ist der Keimling im Boden eingewurzelt, die ganze übrige Periode seines Lebens verbringt er auf oberirdischen Pflanzentheilen schmarotzend. Die Entwicklungsgeschichte dieser merkwürdigen und sehr eingehend untersuchten Pflanze soll im Folgenden von der Keimung ausgerend kurz dargestellt werden. Der Embryo ist, wie oben schon erwähnt wurde, dadurch merkwürdig, dass das Wurzelende desselben keine Wurzelhaube hat, es fehlt sogar der ganze Periblemabschluss des Wurzelkörpers. Auch Cotyledonen sind keine vorhanden, oder doch nur andeutungsweise. Es tritt bei der Keimung wie gewöhnlich, zu- nächst das Wurzelende des Embryos aus der Samenschale hervor, und dringt in den Boden ein. Die Wurzel lebt aber nur kurze Zeit, da sie nur den Zweck hat, den fadenförmigen Keimling vorläufig im Boden zu fixiren, und Wasser aus demselben herbeizuschaffen. Das Stämmchen nutirt, wenn es auf eine lebende Pflanze gelangt, umschlingt es dieselbe. Es findet hiebei das höchst merkwürdige schon von MOHL constatirte und von Koch# bestätigte Verhalten statt, dass Cuscwfa im Keimstadium todte Stützen (sowohl aus organischem als aus anorganischem Material) nicht umschlingt, eine Eigenthümlichkeit, die wie kaum hervorgehoben zu werden braucht, bei nicht-parasitischen Schling- und Rankenpflanzen sich nicht findet, die aber dem chlorophylllosen Cuscuzta-Keimling jedenfalls von Vortheil ist, da er beim Umschlingen einer todten Stütze eben so zu Grunde gehen würde, als wenn er eine Stütze überhaupt nicht erreicht hätte. Dagegen findet auf einem späteren Stadium, wenn Czscufa schon lebende Pflanzen befallen hat, unter Umständen auch ein Umschlingen todter Stützen statt. Die Art, wie Cuscula eine Nährpflanze umschlingt, stimmt weder mit dem Schlingen der Schling- noch mit dem der Rankenpflanzen ganz überein. Sie windet (im Gegensatz zu den Schlingpflanzen), auch um horizontale und nach abwärts geneigte Stützen, und windet um dieselbe abwechselnd in engen und losen Windungen. An den ersteren treten die Haustorien auf, mittelst deren die Czscufa auf den Nähr- pflanzen schmarotzt, und zwar giebt ein auf die Stammtheile des Parasiten aus- geübter Reiz den Anlass zur Entstehung dieser Saugorgane, wie Koch im An- schluss an MoHL näher dargelegt hat. Cuscufa-Keimlinge z. B., die keine Stütze erreichen, bilden auch nie Haustorien, und die letzteren treten immer nur auf der Innenseite der Windungen, also im Contakt mit der Nährpflanze auf?). An dem Haustorium sind, wie bei den Rhinanthaceen zu unterscheiden, der eigentliche, in die Nährpflanze eindringende Haustorialkern oder der Saugfortsatz und die Ansatzfläche. Die Entwicklung derselben ergiebt sich aus Fig. 97 A und B, welche Cuscufa Epilinum entnommen sind. Es finden sich am Stengel der Cuscutapflanze hier vier Rinden-Zellschichten. Die Ansatzfläche wird durch I) Vergl. über die Keimung von 7%esium IRMISCH, Flora 1853, pag. 521. 2) MoHL, Ueber den Bau und das Winden der Ranken und Schlingpflanzen. Tübingen 1827; KocH, die Klee- und Flachsseide. Heidelberg 1880. Daselbst weitere Lit. 3) Betreffs der »sterilen Haustorien« vergl. KocH, a. a. OÖ. pag. 54. 4 a N Anhang. Die Parasiten. 373 die Epidermis und die unter ihr liegende erste Rindenlage, deren Zellen wachsen und sich periklin theilen, gebildet. Der Haustorialkern bildet sich namentlich aus Zellen der zweiten, aber auch tieferen Rindenlagen. An seiner Spitze stehen Janggestreckte »Initialen« (g in Fig. 97), dieselben wachsen gegen die Nährpflanze hin, durchbrechen die Ansatzfläche und die Epidermis des Nährstengels und gelangen so in das Gewebe des letzteren. Dort zeigt das Haustorium ein sehr merkwürdiges Verhalten: Sobald der Haustorialkern in die Rinde der Nährpflanze eingedrungen ist, beginnen die »Initialen« desselben ein selbständiges Wachsthum, sie wachsen zu Schläuchen aus, die wie ein Pilzmycel das Gewebe der Nähr- pflanze nach allen Richtungen durchwuchern. Im Centrum des Haustorialkerns beginnt nach einiger Zeit Gefäss- oder vielmehr Tracheidenbildung, es bildet sich ein den Haustorialkern durchziehender Tracheidenstrang, der sich an das Gefäss- bündel des Cuscutastämmchens ansetzt. Was die »morphologische Bedeutung« des Cuscutahaustoriums betrifft, so ist dieselbe nicht leicht festzustellen. Es kann sich aber wohl nur um die Frage handeln, ob man die Haustorien als Organe sw generis!) oder als stark metamorphe Wurzeln betrachten soll. KocH meint (a. a. OÖ. pag. 52), ihrem Bau, wie ihrer Anlage nach stimmen sie mit den Wurzeln nicht im Fig. 97. (B. 418.) Entwicklung des Haustoriums von Cuscuta Eßilinum (nach KocH), auf Längsschnitten durch das Haustorium (Querschnitten durch die Nährpflanze — Flachs — von deren Gewebe nur bei 2 und 3 ein Stück gezeichnet ist). Von dem Gefässbündel des Cus- cutasprosses ist je nur das äusserste Gefäss (oben) gezeichnet. a Aussenfläche des Haustoriums, c und e die Rindenzellen, aus denen der Haustorialkern hervorgeht, g die Initialen desselben, welche in der Fig. 3 zu Schläuchen ausgewachsen sind. Die mit d bezeichnete Rindenschicht wird vom Haustorialkern durchbrochen. Rg in Fig. 2 Rinden- gewebe der Czscuta, R Rinde der Nährpflanze. Bei i in Fig. 2 in den Flachsstengel eingedrückte Reste der Epidermis und Rindenlage der Czsczia, 1, m, n Tracheiden des Haustorialkerns. Entferntesten überein. Dass aber bei der Haustorienbildung mehrere Zellschichten betheiligt sind, kann insofern nicht sehr schwer ins Gewicht fallen, als auch bei der Wurzelbildung nach dem Obigen (pag. 352) sich häufig zwei, gelegentlich wohl auch mehr Zellschichten betheiligen Wie die sterilen Haustorien zeigen, lassen sich die »Initialen« des Haustorialkernes auch als Plerominitialen desselben auffassen, die nur unter gewöhnlichen Umständen das Periblem etc. durchbrechen. Dass keine Wurzelhaube gebildet wird, kann ja schon aus Analogie mit der Keimwurzel nicht befremden. Ich meine also, dass das Cuscutahaustorium als eine metamorphe Nebenwurzel betrachtet werden kann, obwohl zwingende Gründe für eine solche Anschauung sich nicht anführen lassen, es sei hier aber noch an die Neottia-Adventivwurzeln erinnert, die ebenfalls nicht unter, sondern inmitten des Rindengewebes und wahrscheinlich aus mehreren Zellschichten sich bilden. — I) Wenn man sie den »Emergenzen« zurechnete, so wäre das nach dem Obigen aber nur eine Subsummirung unter eine rein entwicklungsgeschichtliche, sehr verschiedenartige Organe umfassende Kategorie, die eben deshalb nur sehr geringe Bedeutung hat. 374 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Der einzelne, selbständig wuchernde Haustorialfaden geht unter Vereinigung seiner Zellmembran mit derjenigen einer Zelle der Nährpflanze durch dieselbe hindurch, ohne sie zunächst zu tödten. Erst wenn die Entwicklung der Schmarotzerpflanze bis zu einem gewissen Grade gesteigert ist, treten pathologische Erscheinungen in der Nährpflanze auf. Stark verdickte, verholzte und lufterfüllte Zellen der letzteren werden von den Haustorialfäden übrigens gewöhnlich um- gangen, die Bastfasern z. B. werden nicht durchbohrt, sondern aus dem Gewebe- verband isolirt. Bei sehr saftreichen Pflanzen beobachtete ScHacHT knollenartige Anschwellungen an den von Parasiten befallenen Pflanzen, so bei einigen Malva- und Solanum-Arten. Erwähnt sei noch, dass aus jedem abgerissenen Cuscuta- sprossstück (wenn es nicht zu klein ist) ein neuer Infektionsheerd auf einer Nähr- pflanze sich entwickeln kann. Die Sprossbildung ist eine sehr reichliche, auch endogene Adventivsprosse finden sich bei einigen Arten, dieselben werden in der Nähe der Haustorien gebildet. — Die anatomische Gliederung ist eine sehr einfache: In den zu kleinen Schuppen verkümmerten Blättern findet man keine Andeutung von der Differen- zirung eines Gefässbündels. In der Keimwurzel (der einzigen zur Ausbildung gelangenden) entstehen, entsprechend ihrer ephemeren Existenz, weder Tracheiden noch Holzfasern, es findet sich nur ein aus gestreckten Zellen bestehender, die Wurzel durchziehender Strang. Auch Wurzelhaare besitzt sie nicht). Auf den Bau des Stammes kann hier nicht näher eingegangen werden. Bemerkt sein mag nur, dass derselbe kein sekundäres Dickenwachsthum zeigt und vereinzelte Spaltöffnungen besitzt?). 4. Orobanche besitzt, wie schon früher hervorgehoben wurde, einen un- gegliederten Embryo (Fig. 24), die Entwicklung desselben bei der Keimung ist durch CaspAarv?) und neuerdings durch Kocn®) sehr eingehend untersucht worden. Schon VAUCHER*) hatte die merkwürdige Thatsache beobachtet, dass die Oro- banche-Samen nur im Contact mit der Wurzel einer Nährpflanze keimen.?) Diese Beobachtung wurde von Koch bestätigt — die Samen können monatelang in feuchter Erde liegen, ohne ihre Keimfähigkeit einzubüssen, sie keimen wenn nachträglich eine Nährpflanze beigepflanzt wird. Aus dem ungegliederten Embryo, an welchem nur der Lage nach ein Stammende und ein Wurzelende unter- schieden werden kann, entwickelt sich ein fadenförmiger Keimling, der eine durch- schnittliche Länge von ı Millim. erreicht, und selbstverständlich aut Kosten des Endosperms wächst. Das Wurzelende entwickelt auch bei der Keimung keine Wurzelhaube, trifft es gegen die Nährwurzel, so dringt es in dieselbe ein, dringt bis zum Gefässkörper der Nährwurzeln vor und bildet so das primäre 1) Andeutungen davon scheinen aber zuweilen vorhanden zu sein. Vergl. KocH a. a. O, Taf. VIII, Fig. 5. 2) Ueber die, den Abbildungen nach im Habitus mit Czscuta übereinstimmende Laurinee Cassytha vergl. POULSEN, Ueber den morphologischen Werth des Haustoriums von Cassytha und Cuscuta. Flora, 1877 pag. 507. Das Haustorium scheint mit dem von 7%eszum übereinzustimmen. 3) CASPARY, Ueber Samen und Keimung der Orobanchen. Flora, 1854. 4) Koch, Untersuchungen über die Entwicklung der Orobanchen (vorläufige Mittheilung). Ber. der deutschen botan. Gesellsch. I. Bd. 1883. pag. 188. 5) VAUCHER, hist. physiol. II. 550. »elles naissent de graines tres-petites qui ne se de- veloppent que lorsqu’elles sont en contact avec les racines des plantes sur lesquelles elles vivent.«e — Die früheren Angaben desselben Autors (in der Monographie des Orobanches) lasse ich hier absichtlich unberücksichtigt, da die hist. phys. später erschienen ist. hr Anhang. Die Parasiten. 375 Haustorium. Es treten im Keimling nun auch Gefässbündel auf, die sich an den Gefässkörper der Nährwurzel anlegen, auch die übrigen Gewebe des Haustoriums schliessen sich eng an die gleichnamigen der Nährpflanze an, also Epidermis an Epidermis, Parenchym an Parenchym, Siebröhren an Siebröhren, so dass sich der Parasit wie ein Ast der Nährpflanze verhält. Die befallene Wurzel der letzteren bildet um die Basis der Keimpflanze eine Wucherung, in welche hinein die letztere Auswüchse treibt, die mit dem primären Haustorium übereinstimmen; Fig. 98. (B. 419.) (Nach CaAspArY.) Keimung von Orodanche ramosa. A Freier Keimling, f das von der Samenschale bedeckte Stammende. B Drei junge Pflänzchen verschiedener Entwick- Jung auf einer Nährwurzel (r). Das am weitesten rechts stehende zeigt die Anlagen von Nebenwurzeln als Protuberanzen, es ist ebenso wie das mittlere mit der Nähr- wurzel schon verwachsen, während das links stehende erst die Rinde der letzteren durch - brochen hat und sein Radicularende anschwellen lässt. C älteres Stadium einer Keim- pflanze mit Nebenwurzeln (m), sie sitzt mehreren Nährwurzeln auf, v Stammende des Keimlings. »der junge Parasit sitzt, etwa wie ein starker Zahn, mit seinen Wurzeln in der Achsenwucherung seiner Nährwurzeln. Wenden wir uns nun zu denSamen- pflanzen, so erscheint es geboten, die Entwicklung der Mikrosporangien ge- sondert von der der Makrosporangien darzustellen, schon desshalb, weil die ersteren sich an die Sporangien der \ er Tryeiopamens ganz unmittelbar De So yo anschliessen, während bei den Makro- 7 MS sporangien einige Modifikationen statt- — 5 gefunden haben. Mikrosporangien der Gymno- spermen. A) Coniferen. Die Mikrosporangien . sitzen hier der Hinterseite der Sporo- phylle auf, nur bei Zaxzs sind sie radiär Y\0/o\ um dasselbe vertheilt, wie bei Zguisetzum, Ka» sie hängen aber nicht, wie bei den letz- o) a teren, frei von dem oberen, schildförmi- a gen Theil desSporophylis herab, sondern n DB sind dem Gewebe desselben eingesenkt, Ö) Be und dasselbe ist der Fall bei den An- i A We theren von Zinus Larix und anderen, a] “ W | ® ) bei welchen die Pollensäcke längliche N Wülste auf der Unterseite die Staub- \ 0 () le blätter darstellen, während sie bei | = [A a ee = Araucaria etc. als lange Säcke herab- PR OÖ) als, hängen. So verschieden aber auch die e © n N äussere Ausbildung der Mikrosporangien | # u N sein mag, so übereinstimmend mit den MS Sporangien der Gefässkryptogamen ist Fig. 108. (B. 429.) doch der Bau und die Entwicklung der Zoötes Zacustris Längsschnitt durch ein junges Coniferenmikrosporangien. Die letztere Sporangium dessen Archespor sich bereits durch : : - : Periklinen und Antiklinen gespalten hat. Bei ist allerdings nur bei wenigen Formen w hat sich auch die Wandschicht verdoppelt. genauer verfolgt, allein wir haben Grund i unterer Theil der Zigwla, La Lippe (Labium). zu der Annahme, dass sie überall im Als Wucherung aus dem unteren Theil derselben Wesentlichen dieselbe sein werde. Zwei N Beispiele mögen dieselbe erläutern. Die Mikrosporangien der Cupressineen stehen auf der Unterseite der Staub- blätter in Form ovoider Kapseln!), welche in ihrem ersten Entwicklungsstadium bedeckt sind von einem Auswuchs der Staubblattunterseite, welchen ich dem Indusium der Farne an die Seite gestellt habe. Ein Längsschnitt durch ein I) Die Fig. 103 D stimmt mit dem Längsschnitt eines auf gleicher Entwicklungsstufe stehenden Cupressineen-Pollensackes fast ganz überein, 394 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. älteres Mikrosporangium von Biota orientalis gleicht sehr dem eines Sporangiums von Zycopodium oder Selaginella; man findet über einem kurzen dünnen Stiel die Sporangienkapsel, deren Hauptmasse gebildet wird von dem sporogenen Zell- gewebe, welches umgeben ist von flach tafelförmigen Tapetenzellen und der, in diesem Falle zweischichtigen Sporangienwand. Die Untersuchung junger Ent- wicklungsstadien zeigt auch hier, dass (wenn wir vom axilen Längsschnitt aus- L—— BR on if (B. 430.) Fig. 109. Sporangienentwicklung von Zsoözes Zacustris, T—VI Sporangienquerschnitte, Tr 7ra- beculae, das sporogene Gewebe ist schraffirt, II und III Mikrosporangien, IV—VI Makrosporangien. Ma in Fig. Makrosporen, Mutterzelle, an der vier Makrosporen hervorgehen. In V ist die Makrosporen-Mutterzelle isolirt und beginnt das um- liegende Gewebe zu zerstören. gehen) das Archespor die Endzelle einer der axilen Zellreihen eines Höckers ist, der sich über die Unterseite des Sporophylis hervorwölbt. Weiterhin theilt sich das Archespor in einen Zellcomplex, von welchem nach oben hin die Tapeten- zellen abgetrennt werden, während die den sporogenen Zellcomplex_ seitlich und unten begrenzenden Tapetenzellen von dem angrenzenden Gewebe geliefert werden. Bei Zinus silvestris sind die Sporangien in das Gewebe des Sporophylis versenkt, welch letzteres in seinen Jugendstadien wenig von einem jungen Laub- blatte abweicht. Die Entwicklung der Sporangien verläuft hier aber ganz analog wie bei Diota, nur dass die Tapetenzellen sämmtlich von dem umliegenden Gewebe gebildet werden. Auch für die Mikrosporangien der Gnetaceen dürfen wir wohl eine ähn- liche Entwicklung annehmen!), wenngleich ein Archespor hier noch nicht nach- gewiesen ist. I) Vergl. STRASBURGER, Die Coniferen, pag. 132 ff. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Sporangien. 395 2. Bei den Cycadeen!) stimmt schon die äussere Gestalt und Insertion der Mikrosporangien mit den Sporangien mancher Farne, namentlich denen der Marattiaceen überein. Die Mikrosporangien stehen wie die Sporangien der letzteren auf besonderen Gewebepolstern (Placenten), die sich auf der Unterseite eigenthümliche Sporophylle befinden. Ein Durchschnitt durch ein Sporangium (einen »Pollensack«) mittlerer Entwicklung zeigt eine mehrschichtige Sporangien- wand und einem, von einer doppelten Lage schmaler, dünnwandiger Tapeten- zellen umgebenen sporogenen Zellkomplex. Wie bei manchen Farnsporangien Fig. IIO. (B. 431.) Hyoscyamus albus. Ein Querschnitt durch eine Anthere, kurz vor Isolirung der Pollenmutter- zellen, welche in jedem Pollenfach in doppelter Lage vorhanden sind. p Placentoiden, 2 Querschnitt durch eine junge Anthere (schematisch) e Epidermis, s erste Schichtzellen- lage, a Archespor. verdicken sich die Wände der äussersten Zellschicht der Sporangienwand be- sonders stark und bilden, wie WarminG hervorgehoben hat, eine Art Ring, wie er sich in ganz analoger Weise auch bei den Marattiaceen findet. Wie dort öffnen sich auch hier die Sporangien durch einen Längsriss. Was die Ent- wicklung betrifft, so zweifle ich nicht, dass sie ebenso verläuft, wie ich sie bei den Marattiaceen gefunden habe, d. h. dass das sporogene Gewebe hervorgeht aus einem hypodermalen Archespor. Gesehen ist dasselbe bis jetzt nicht, TREUB giebt als jüngstes Stadium des sporogenen Gewebes eine Zellgruppe an, die aber, wie ich glaube, aus Theilung einer Archesporzelle hervorgegangen sind. 3. Angiospermen. Sind bei den Cycadeen noch einige Lücken in unserer Kenntniss der Mikrosporangienentwicklung vorhanden, so kennen wir um so besser durch Warmıng’s?) ausgezeichnete Untersuchungen die Entwicklung der Angiospermenmikrosporangien. Ein Querschnitt durch den oberen angeschwollenen Theil eines Staubblattes einer mit normalen Antheren versehenen dikotylen oder monokotylen Pflanze zeigt früh schon einen vierkantigen Querschnitt — den vier Stellen entsprechend, an denen die Pollensäcke (»Lokulamente«), d. h. die Mikrosporangien auftreten (vergl. Fig. ı1o, 1). Die Antherenanlage besteht zu dieser Zeit aus embryonalem 1) WARMING, Bitrag til Cycadeernes Naturhistorie (K. D. Vidensk. Selsk. Forhandl. 1879. Ceratozamia brevifrons u. robusta). TREUB, recherches sur les Cycadees (Zamia muricata) Ann. du jard. botan. de Buitenzoorg, vol. II, pag. 52. s. auch Ann. des science. nat. botanique, 1882. pag. 212 ff. 2) WARMING, Untersuchungen über Pollen bildende Phyllome und Kaulome; HANSTEIN botan. Abhandl. II. Bd. 2. Heft. 396 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Gewebe (»Urmeristem«), welches überzogen ist von der Epidermis. Wie. WARMING nachgewiesen hat, geht das Archespor sowohl als die das sporogene Gewebe später nach aussen hin umgebenden Wandschichten hervor aus einer unter der Epidermis liegenden Zeilreihe oder Zellschicht. Es theilt sich nämlich in jeder der vier Staubblattkanten eine unter der Epidermis liegende (hypodermale) 7,ellreihe oder Zellschicht durch perikline Wände (Fig. ı10, 2). Von den dadurch entstandenen Zellen stellen die nach innen hin gelegenen das Archespor, die (B. 432.) Fig. 111. Knautia arvensis. Antherenquerschnitte. ı jüngeres, 2 älteres Stadium, in welch letzterem die nur in Einzahl auf dem Querschnitt vorhandene) Pollenmutterzelle p, sich bereits in vier Tochterzellen getheilt hat. t Tapetenzellen, u und z Schichtzellen, von denen z zu- sammengedrückt wird, u die Faserschicht der Wand bildet. In 2 sind die Tapetenzellen mehrkernig. äusseren die Schichtzellen vor, die sich nun noch weiter durch perikline Wände spalten. Die innersten der aus ihnen hervorgegangenen Zellen gestalten sich später zu Tapetenzellen (t, t, Fig. 101 u. ııı), während die anderen Tapetenzellen von den dem Archespor nach innen angrenzenden Zellen geliefert werden. Es er- geben sich die geschilderten Vorgänge, welche in allen Einzelnheiten denen der oben für die Sporangien der Gefässkryptogamen geschilderten entsprechen schon aus der Vergleichung der Figuren. Bei Zyoscyamus ist, wie die Fig. ııo, 2 zeigt, das Archespor eine Zellreihe. Das sporogene Gewebe, welches aus demselben hervorgeht, ist nicht sehr um- fangreich, es besteht nur aus zwei Zelllagen und ist bogenförmig gekrümmt, so dass das Gewebe des Staubblattes in den Pollensack hineinragt. Diese Gewebe- partien sind von CHarin!) als »Placentoiden« bezeichnet worden, sie haben aber mit einer wirklichen Placenta nichts gemeinsam. Viel umfangreicher ist das sporogene Gewebe entwickelt bei Symphytum (Fig. 101), es geht auch hier aus einer Zellschicht (die im Querschnitt aus nur wenigen Zellen besteht) hervor (vergl. Warmng’s Figuren von Symphytum orientale, a. a. ©. Taf. 3 Fig. 1-8). Dagegen finden sich auch Fälle, in welchen die Archesporzellen direkt zu Pollenmutterzellen werden. So bei Anautia arvensis (Fig. ıı1). Das Archespor ' I) CHarın’s Werk »de l’anthere« habe ich nicht vergleichen können, der Name »Placen- toiden«e ist ganz überflüssig. I. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Sporangien. 397 ist hier eine Zellreihe, die Zellen derselben verdoppeln sich in einigen Pollen- säcken durch eine Längswand (selten zwei), so in Fig. ııı, ı unten, und die beiden dadurch entstandenen Zellreihen werden nun zu Pollenmutterzellen, in anderen Fällen aber (Fig. ııı, 2) unterbleibt diese Theilung und die Arche- sporzellen werden direkt zu Pollenmutterzellen. Es ist in Fig. ııı, ı, die äussere Umhüllung des Pollensacks gebildet von vier Zellschichten: den Tapetenzellen (t), zwei Lagen von Schichtzellen (u und z) und der Epidermis. Dass äussere Tapetenzellen und Schichtzellen aus Spaltung einer Zellenlage hervorgegangen sind, ist noch deutlich erkennbar. Die untere Schichtzellenlage (u) wird von den Tapetenzellen, die sich, wie Fig. ııı, 2 zeigt, sehr vergrössern, später zusammengedrückt, die äussere bildet sich hier, wie bei vielen anderen Pollensäcken zur fibrösen Zellschicht (dem Endothecium) um. Die Zellenwände derselben sind auf ihrer Innenseite mit Verdickungsfasern!) be- setzt. Es spielen diese (übrigens nicht bei allen Antheren vorhandenen) fibrösen Zellen eine Rolle bei dem Aufspringen der Staubbeutel; indem die Epidermis sich stärker beim Austrocknen zusammenzieht als die mit Verdickungsleisten ver- sehenen Endothecium-Zellen entsteht eine Spannung, welche die Antherenwand an ihrer schwächsten Stelle, und diese pflegt der Trennungswand zwischen den beiden Pollenstöcken einer Antherenhälfte gegenüberzuliegen, aufreisst. Die er- wähnte, aus mehreren Zellanlagen bestehende Trennungswand ist vorher schon entweder ganz oder nur in ihrem unteren Theile zerstört (vergl. Fig. ııı, 2). Die Tapetenzellen werden auch hier, etwa um die Zeit, wo die jungen Pollenkörner sich isoliren, aufgelöst. Vorher findet vielfach eine Vermehrung der Zellkerne in ihnen statt (Fig. ııı, 2), welche in den von STRASBURGER?®) untersuchten Fällen durch Fragmentation erfolgt. Das Protoplasma der Tapeten- zellen wird von den heranwachsenden Pollenkörnern (Mikrosporen) aufgebraucht. Die oben angeführten Beispiele werden genügen, um die Uebereinstimmung der Pollensack- entwicklung mit der Sporangienentwicklung darzuthun, die mannigfachen Einzelfälle in der Aus- bildung der Antherenwand, der Tapetenzellen etc. können wir hier um so eher ausser Betracht lassen, als sie organographisch von nur untergeordnetem Interesse sind. Dass bei einigen der von WARMING untersuchten Pflanzen, (Zannichella, Gladiolus, Orni- thogalum, Funkia ovata, Eschholtzia californica, Tropaeolum Zweifel über die erste Differenzirung des Archespors blieben, kann den vielen klaren Fällen gegenüber zunächst nicht in Betracht kommen, möglich ist es ja auch, dass zuweilen mehr als eine Zellschicht sich zum Archespor gestaltet), wenigstens giebt für 7ropaeolum WARMING ein solches Verhalten an; ich gestehe aber, dass nach seinen Figuren mir die Zurückführung dieses Falles auf das gewöhnliche Schema keineswegs ausgeschlossen erscheint, namentlich wenn man annimmt, dass im Archespor sehr unregelmässig gestellte Theilungswände auftreten. Die Stellung der Pollensäcke am Staubblatt der Angiospermen ist eine im Allgemeinen sehr übereinstimmende, obwohl sie im fertigen Zustand oft eine bei den einzelnen Formen recht differente zu sein scheint. Abgesehen von einigen Fällen, in welchen durch Verkümmerung?°) etc. die Zahl der Pollenfächer eine !) Bei einigen anderen Antheren sind die fibrösen Zellen viel zahlreicher und bilden mehrere Schichten. 2) Ihre Zellen scheinen zusammengedrückt, der Inhalt verschwunden oder unkenntlich. 3) STRASBURGER, Ueber Bau und Wachsthum der Zellhäute. Jena 1882. pag. 88. #) Aehnlich ist ja auch das Archespor in den Jurgermannia-Sporogonien nicht immer eine Zellschicht, sondern nach LEITGEB in einigen Fällen ein Zellkörper (vergl. Bd. I. pag. 354). 5) So kommen bei Ascepias nur die beiden der Vorderseite des Staubblattes angehörigen Fächer zur Anlegung. Bei einigen Orchideen (Starhopea, Trichopilia swavis) sind die Antheren 398 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. kleinere oder durch Verwachsung etc. eine grössere ist, werden an dem jungen Staubblatt, dessen oberer, zum Staubbeutel werdender Theil vierkantig anschwillt, zwei hintere und zwei vordere Pollenfächer angelegt. Diese Stellung!) wird bei (B. 433.) Fig. 112. Antherenquerschnitte I und 2 J/ris Pseudacorus. ı Sehr junge Anthere (Anfang Oktober vor der Blüthe), in welcher die Pollensäcke eben angelegt sind, 2 fast fertige Anthere im Juli. Die (nicht gezeichneten) Pollen sind ausgebildet, die Trennungswand zwischen den beiden Pollensäcken links theilweise schon zerstört. 3 Nuphar luteum, 4 U. 5 Nymphaea alba, Querschnitte derselben Anthere, 4 etwas oberhalb der Antherenmitte, 5 aus dem unteren Theil der Anthere, ı ist viel stärker vergrössert als 2; 2, 3, 4 5 sind bei derselben schwachen Vergrösserung ge- zeichnet. — Die reifen Irisantheren besitzen ein vorne aus 2, hinten aus 4—5 Schichten bestehendes Netzfasergewebe. — Die Epidermiszellen der Antherenwand bleiben da, wo dieselbe später aufreisst sehr klein und werden von den benach- barten, die papillenförmig auswachsen, überwölbt. einer Anzahl Familien auch ferner beibehalten: die Antherenfächer sind deutlich so angeordnet, dass sie den vier Kanten des Staubblattes entsprechen. So bei Sambuceen, Papaveraceen, Ranunculaceen u. a. Uebrigens findet keineswegs bei allen Angehörigen einer Familie dieselbe Stellung der Pollensäcke statt. Bei den meisten Angiospermen schneiden sich die Längstheilungsebenen der beiden Antherenhälften unter einem Winkel von 100—ı20°, so dass zwei Pollensäcke vorn, zwei seitlich stehen (Fig. ııo u. ıır). So bei Compositen, Campunulaceen, Dipsaceen, Valerianeen etc. In einer letzten nur scheinbar zweifächerig, sie sind vierfächerig angelegt, das sporogene Gewebe je zweier Fächer verdrängt aber frühzeitig die trennenden Zellschichten (vergl. ENGLER |]. i. c. 1) Vergl. über die Stellungsverhältnisse der Pollensäcke, ENGLER, Beitrag zur Kenntniss der Antherenbildung der Metaspermen, PRINGSHEIM’s Jahrb. X. — Es scheint mir von sehr wenig Belang zu sein, ob man — was am wahrscheinlichsten scheint — annimmt, dass zwei Pollensäcke des Staubblattes dem Blattrand, zwei der Blattoberseite angehören, oder ob man zwei Pollensäcke der Blattober-, zwei der Blattunterseite zuzählt, also den Blattrand zwischen je zwei Pollensäcken eine Antherenhälfte sich verlaufen denkt. Es ist auf derartige Stellungsverhältnisse im Allge- meinen sehr wenig Gewicht zu legen und bei den Staubblättern der Angiospermen treten so frühe schon Abweichungen von der Gestaltung der Laubblätter ein, dass die Entscheidung der genannten Frage mit Sicherheit kaum durchführbar erscheint. 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Sporangıen. 399 Kategorie geht die Verschiebung der Pollensäcke noch weiter, es scheinen die- selben alle vier entweder auf der Innenseite (gegen das Blüthencentrum hin) zu stehen (introrse Antheren) oder auf der Aussenseite (extrorse) Antheren. An Uebergängen zu den oben genannten Insertionsarten fehlt es natürlich auch hier nicht. Introrse Antheren finden sich z. B. bei Nymphaeaceen (Fig. ııı, 3—5), Juglandeen, Cornaceen, Orchideen, Zingiberaceen, extrorse bei Irideen (Fig. 113, ı, 2), Calycanthaceen, Tamariscineen, Aristolochieen u. a. Allein auch in diesen scheinbar so abweichenden Fällen zeigen die jugendlichen Stadien die gewöhnliche Stellung der Pollensäcke. Es geht dies aus der Vergleichung von Fig. ıı2, ı mit Fig. ıı2, 2 hervor: die ursprüngliche Stellung der Pollensäcke ist die, dass zwei auf der Hinter-, zwei auf der Vorderseite liegen, die starke Ent- wicklung der Connectiv-Innenseite hat alle vier Pollensäcke auf die Aussenseite verschoben. Ganz analog ist die Entwicklung jedenfalls bei den extrorsen An- theren, von denen die von Muphar besonders auffallend sind (Fig. ıı2, 3). Das Beispiel von Mymphaea zeigt, dass innerhalb ein und derselben Anthere die Ent- wicklung eine verschiedene sein kann (Fig. 112, 4, 5). Erwähnt sein mag noch, dass bei einigen Onagrarieen die Pollensäcke durch Querplatten von sterilem Gewebe in über einander stehende Fächer abgetheilt sind.) Bei Clarkiz z. B. sind vier bis fünf, bei Gaura biennis sechs Theilfächer vorhanden, während andere Onagrarieen wie gewöhnlich einfache Fächer haben, so Zpilobium, Oenothera, Godetia u. a. Es mag das Verhältniss hier angeführt sein, da es an das Vorkommen der »Trabeculae« in den ZsoöZes-Sporangien erinnert, nur dass diese das Sporangium nicht in Fächer abtheilen, sondern das- selbe nur als Balken durchsetzen. Auf die morphologische Deutung der Staubblätter brauchen wir hier nicht einzugehen, denn es ist klar und geht aus der ganzen obigen Darstellung hervor, dass die Staubblätter nur in relativ untergeordneten Punkten von anderen Sporo- phylien abweichen. Wir müssen es also für einen durch die einseitige Be- rücksichtigung der Missbildungen veranlassten Irrthum halten, wenn z. B. A. Braun?) sagt: »Zahlreiche Beobachtungen an in Laubblatt übergehenden Staub- blättern, sowie auch an manchen petaloidisch affıcirten Staubblättern weisen darauf hin, dass die vier Staubsäcke einer Anthere nicht einer einfachen, sondern einer durch Emergenz verdoppelten und dadurch vierflügeligen Blattspreite angehören, die zwei vorderen (der Mittellinie der Bauchseite näheren) den Emergenzflügeln, die zwei hinteren (entfernteren) den ursprünglichen Blattflügeln®).« Es wurde be- reits in dem allgemeinen Theil darauf hingewiesen, dass die erwähnten Miss- bildungen zu einem solchen Schlusse nicht berechtigen (pag. 118), der auf die Staubblätter der Cycadeen und Coniferen zudem gar nicht anwendbar ist, ob- wohl deren Analogie mit denen der Angiospermen nicht in Abrede gestellt werden kann. Wenn ein anderer Schriftsteller aus Ophioglossum die angiospermen Staub- blätter hypothetisch abzuleiten sucht: »es entstand aus einem den Ophioglosseen und zwar Ophioglossum nächst stehenden Sporenblatte einerseits durch Ver- schmelzung der einzelnen Fächer zu einem Antherenfache und durch congenitales t) DAanıeL Popovicıu BARCIANU, Unters. über die Blüthenentwicklung der Onagraceen. Dissert. Leipzig 1874. pag. 21. 2) A. Braun, Die Frage nach der Gymnospermie der Cycadeen. Monatsber. der Berliner Akad. 1875. 3) »Vierflügelige« Blätter finden sich übrigens gelegentlich auch in der vegetativen Region, ein sehr auffallendes derartiges Gebilde fand ich z. B. einmal bei Zalianthus peploides. 400 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Zusammenwachsen beider Spreiten die Anthere« — so ist das ein Beispiel für die auf pag. ı25 erwähnten »r&ves de l’imagination.« Entwicklungsgeschichte der Makrosporangien (Samenknospen) der Samenpflanzen. Dass die Pollensäcke der Samenpflanzen nichts anderes sind, als Mikro- sporangien, deren Mikrosporen statt Antheridien zu bilden die Befruchtung durch die Pollenschläuche bewerkstelligen, geht aus der obigen Darstellung zur Genüge hervor. HOoFrMEISTER’s vergleichende Untersuchungen haben nun dargethan, dass bei den Coniferen das Homologon der Makrospore der »Embryosack« ist. Wie eine Makrospore von Zsoötes füllt er sich mit Prothalliumgewebe, das typisch gebaute Archegonien!) erzeugt, deren Eizellen durch die Pollenschläuche be- fruchtet werden. Nur werden diese Makrosporen nicht, wie bei Zsoöftes aus dem Makrosporangium entlassen, sondern bleiben in demselben eingeschlossen. Das den Embryosack erzeugende Organ wurde soeben als »Makrosporangium« be- zeichnet, die Berechtigung dieser Bezeichnung ergiebt sich eben daraus, dass der Embryosack eine Makrospore ist. Der Embryosack wird erzeugt in der. Samenknospe, die sich später, nach der Befruchtung zum Samen gestaltet. Sie besteht in typischen Fällen aus einer durch ein oder zwei »Integumente« gebildeten Umhüllung, dem von diesen umschlossenen »Knospenkern« oder Nucellus und dem Stiele oder Funiculus. Die Integumente lassen an dem Scheitel der Samenknospe einen engen Gang, die Mikropyle, frei. Aus ihnen entsteht die Samenschale nach der Befruchtung. Sie haben die doppelte Auf- gabe einmal das ebengenannte schützende Gewebe des Samens zu bilden, und dann die Leitung des Pollenschlauches zum Embryosack durch Bildung der Mikropyle zu sichern. Vergleicht man nun eine Samenknospe mit einem Makrosporangium der Gefässkryptogamen, so kann die Frage nur die sein: ist die ganze Samenknospe einem Makrosporangium homolog, oder nur ein Theil derselben, der Knospenkern oder Nucellus. Die anderen, daran sich an- schliessenden Fragen sind von geringerer Bedeutung. Die Beantwortung der eben aufgestellten Frage wird sich aus der Entwicklungsgeschichte ergeben. Sie lässt sich aber mit einiger Wahrscheinlichkeit auch schon aus den fertigen Zuständen entnehmen. Fig. ıız3 stellt den Längsschnitt einer Cycadeen-Samen- knospe dar. Vergleichen wir dieselbe mit einem Sporangium, so finden wir den wichtigsten Theil eines solchen in dem sporogenen Gewebe (Sp) von welchem eine Zelle dem Embryosack den Ursprung giebt. In dem oberen Niveau dieses sporogenen Gewebes geht das Integument (Int) ab. Denken wir uns in einem Sporangium den obern Theil der Wandschicht sehr verstärkt, ‚und aus ihm eine wallartige, oben einen engen Gang, die Mikropyle, freilassende Wucherung hervorgegangen, so erhalten wir ein dem eben beschriebenen analoges Bild. Wir werden also jetzt schon mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen dürfen, dass die ganze Samenknospe einem Makrosporangium homolog ist, und dass das Integument diesem gegenüber eine Neubildung darstellt, die in dem besprochenen Falle vor allem zur Herstellung der Mikropyle wichtig ist. Die Entwickiungsgeschichte stimmt ganz damit überein. Sie soll für die Gymno- spermen und Angiospermen an einigen Beispielen erläutert werden. A) Samenknospenentwicklung der Cycadeen. Die allgemeinen Form- verhältnisse der Cycadeensamenknospen erhellen aus der Fig. 113. Die Samen !) Sie führten früher den von R. BROWN aufgestellten Namen » Corpusculums. u ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Sporangien. 40i knospen stehen bei Cycas bekanntlich in Mehrzahl am Rande eigenthümlich aus- gebildeter, aber in ihrer Gliederung im Wesentlichen mit den Laubblättern über- einstimmender Fruchtblätter (Sporophylle), während sie bei den übrigen Gattungen zu zweien (ebenfalls randständig) an eigenthümlich schuppenförmigen Frucht- blättern sich befinden. Die Seltenheit des Untersuchungsmateriales bringt es mit sich, dass wir über die Samenknospenentwicklung hier noch nicht in allen Einzelnheiten so gut unterrichtet sind, wie bei den Angiospermen, doch haben die Untersuchungen von WARMING!) und TREUB?) interessante Resultate zu Tage gefördert, deren Ergänzung wir wohl hoften dürfen, seit man begonnen hat, auch in den Tropengegenden die Pflanzen entwicklungs- geschichtlich und biolo- gisch zu untersuchen. Am weitesten zurück gehen TrEupB’s Unter- suchungen an Ceratoza- mia longifolia, die wir desshalb hier zum Aus- gangspunkt wählen, sie bestätigen und ergänzen Warming’s Angaben. Die Sporophyllie, oder Frucht- blätter resp. Carpelle sitzen der Zapfenspindel der weiblichen Blüthe anfangs mit breiter Basis auf, später verschmälert Fig. 113. (B. 484.) sich die letztere zu einem Ceratosamia longifolia (nach TRrEUB), A medianer Längsschnitt stielartigen Träger. Je durch eine junge Samenknospe Mi Mikropyle, Int Integument, i Nu Nucellus, f funiculus, Sp sporogenes Gewebe (schraffirt) eine Samenknospe ent- schwach vergr., B Embryosackmutterzelle (A) aus dem sporogenen springt dem Rand der Gewebe C Theilungen derselben (die Figur ist gegen A und B um Schuppe da, wo sie in 90° gedreht), die unterste, mit E bezeichnete Zelle wird zum . 2 " Embryosack. (B.u. C. stark vergrössert. ihre Insertionszone über- Y ( 8 ) geht. Hier zeigt das Gewebe meristematische Beschaffenheit, es bilden sich zwei Auswüchse, die wir als die Anlagen zweier Samenknospen betrachten. Ein Längsschnitt durch dieselben zeigt nun ein ganz ähnliches Bild wie ein Quer- schnitt durch ein junges Ophioglossum-Sporangium: man findet unter der Epidermis eine Gruppe sporogener Zellen, hervorgegangen, wie wir mit Sicherheit annehmen dürfen, aus der Theilung von einer, oder einigen wenigen Archesporzellen. Das Auftreten derselben ist also die erste Differenzirung in der Samenknospenanlage: dieselbe unterscheidet sich zu dieser Zeit in nichts Wesentlichem von einer Ophioglossum-Sporangiumanlage. Zwischen der Epidermis und dem sporogenen Zellkomplex liegt eine Zellschicht (oder mehrere), die später eine abweichende Ausbildung erfährt, indem sie nicht mit in die Bildung des sporogenen Zell- komplexes eintritt, es sollen die Zellen derselben als Schichtzellen bezeichnet werden. An älteren Stadien treten zwei Veränderungen ein; es bildet sich durch I) WARMING, undersogelser og betragtninger over Cycaderne (K. D. Vidensk. Selsk. Forh. Kjöbenhavn 1877, mit franz. Resume; id. Bidrag til Cycadeernes Naturhistorie. ibid. 1879. 2) vergl. pag. 395. SCHENK, Handbuch der Botanik. IH. 26 402 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Wachsthum und Spaltung der Schichtzellen eine den sporogenen Zellkomplex bedeckende Wucherung, und gleichzeitig erhebt sich um dieselbe ein Ringwall, die Anlage des Integuments. Die erwähnte Wucherung ist die Anlage des Nucellus, die nın ebenso wie das Integument heranwächst, auch die Zellenzahl des sporogenen Zellkomplexes nimmt zu, derselbe grenzt sich schärfer ab und ist umgeben von engen, in die Länge gestreckten Zellen!), von denen es aber fraglich erscheint, ob sie als den Tapetenzellen homolog betrachtet werden dürfen. Etwa in der Mitte desselben findet man eine grosse Zelle; die »Embryosackmutter- zelle« (Fig. ı13, B), sie theilt sich successive in gewöhnlich drei Zellen, Fig. ı13, C, von denen die unterste die anderen verdrängend zum Embryosack heranwächst. Ganz ebenso wie eine junge Makrospore von Zsoöfes z. B. übt der junge Em- bryosack nun eine zerstörende Einwirkung auf das umliegende Zellgewebe aus, er verdrängt den sporogenen Zellkomplex geradeso wie in einem Selaginella- Makrosporangium eine Makrosporenanlage alle übrigen verdrängt. Sogar die Membran des Embryosackes stimmt mit der einer Spore überein, sie ist in zwei Schichten differenzirt und cutikularisirt. Wenn der Embryosack (die Makrospore) herangewachsen ist, füllt er sich mit Prothallium (das ohne Zweifel ganz ähnlich wie das in einer Makrospore von /soetes vorhandene durch freie Zellbildung ent- steht) und dieses erzeugt die weiblichen Geschlechtsorgane: die Archegonien. Als Besonderheit der Cycadeensamenknospen, die sich (wenngleich nicht so auf- fallend), aber auch bei einigen Coniferen findet, sei schliesslich noch hervorge- hoben, dass sich in dem Nucellus durch Resorption unterhalb der Mikropyle frühe schon eine Aushöhlung, die Pollenkammer, bildet, deren Funktion schon in ihrem Namen angedeutet ist. B. Bei den Coniferen treffen wir in einigen Fällen Strukturverhältnisse der Samenknospen an, die den für die Cycadeen geschilderten in wichtigen Beziehungen entsprechen. Es findet sich z. B., wie ich früher beschrieben habe, in Samen- knospen mittlerer Entwicklung von Callitris quadrivalvis und Cupressus sempervirens ein »sporogener Zellcomplex« wenngleich nicht so umfangreich, wie der der Cycadeen, und eine sich vergrössernde Zelle desselben wird zum Embryosack?). Leider sind die ersten Entwicklungsstadien der Samenknospen auch hier unbe- kannt?), genauer untersucht sind dieselben nur für Formen, bei denen der sporogene Zellcomplex ein viel mehr reducirter ist. Wir dürfen wohl auch bei den Coni- feren annehmen, dass die Anlage des sporogenen Zellcomplexes (resp. des Arche- spors) der der Integumente vorhergeht. | Am Genauesten kennen wir durch STRASBURGER die Entwicklung der Samen- knospen von Zarix europaea — freilich auch hier keineswegs lückenlos. In der Fig. ı14 ist die dunkel gehaltene Zelle das Archespor, resp. die Mutterzelle des Embryosacks. Sie entstand offenbar dadurch, dass eine hypodermale Zelle sich vergrösserte, und nach oben hin eine Zelle abtrennte, die Schichtzelle (s). Die Epidermiszelle über derselben hat sich getheilt, und ebenso findet auch Wachs- thum und Spaltung in der Schichtzelle und den seitlich angrenzenden sterilen Zellen statt, so dass die Embryosackmutterzelle in das Gewebe der Samenknospe 1) Vergl. das über die Opkioglossum-Sporangien oben Angegebene. 2) Ob direkt, oder wie bei der oben beschriebenen Cycadee liess sich bei dem untersuchten Material nicht entscheiden; gesehen wurde von Theilungen der »Embryosackmutterzelle« nichts, 3) Doch glaube ich für Cupr. sempervirens, soweit das dürftige mir vorgelegene Material ein Urtheil gestattet, den sporogenen Zellkomplex seiner Abstammung nach auf ein 1—2zelliges hypodermales Archespor zurückführen zu können. y I. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Sporangien.- 403 versenkt wird. Die erstere theilt sich in eine grössere untere und eine kleinere obere Zelle, welch letztere sich noch einmal spaltet. So entsteht also ein hier nur dreizelliger sporogener Zellcomplex, dessen unterste grössere Zelle die andern verdrängend zum Embryosack wird, der sich bedeutend vergrössert und mit Prothallium füllt. Ganz ähnlich, wie bei den Cycadeen, kommt also bei Zarix (und ähnlich verhalten sich auch andere Abietineen) der Nucellus zu Stande durch Wachsthum und Spal- tung der Schichtzellen und der Epidermiszellen!) der Samenknospe, Zellcom- plexe, die in den Sporangien der Gefässkryptogamen zur Sporangienwand gehören: der freie Theil des Nucel- lus kommt also hier zu Stande durch eine mächtige Ausbildung der Sporangien- wand, während das Inte- gument dem Sporangium gegenüber eine Neubildung darstellt. Bei Taxus, Gingko, Thuja, Gnetum Gnemon fin- den sich nach STRASBURGER mehrere »Embryosackmut- terzellene.. Es muss hier, wie bei Xosa, da die aller- jüngsten Zustände nicht be- kannt sind, dahingestellt bleiben, ob diese »Embryo- sackmutterzellen« zusam- men ein wenigzelliges (aus einer Zellreihe resp. Zell- schicht bestehendes Arche- spor) darstellen, oder schon Fig. 114. (B. 435.) Ä ! Embryosack-Entwicklung von Zarix europaea, nach STRAS- einsporogenes, aus Theilung zurcer. A Längsschnitt durch eine junge Samenknospe mit eines einzelligen Archespors ee I; s, s Schichtzellen (s, aus en a : Epidermiszelle entstanden). Das Archespor (die Embryosack- hervorgegangenes Gewebe. a fällt auf ni ihre a ns Stärkegehalt Es entwickelt sich aus die- und ihren grossen Zellkern. (Anfang März) B Längsschnitt durch senEmbryosackmutterzellen eine ältere Samenknospe. Aus der Embryosackmutterzelle sind - x ; drei Zellen hervorgegangen, die zwei oberen (b) werden später (die, wıe es scheint, nur verdrängt. Die Zahl der Schichtzellen hat sich vermehrt. In noch eine Zweitheilung er- C sind die beiden oberen Zellen verdrängt, die untere wird zur fahren) abernur ein Embryo- Makrospore (Embryosack), deren Kern sich verdoppelt hat. sack, wenngleich zuweilen mehrere angelegt, aber von dem einen, stärker wachsenden verdrängt werden. Die äusseren Formveränderungen der Samenknospen und andere Entwicklungs- vorgänge, die für den Nachweis der Homologie von Sporangium und Samen- \) Ich sehe keinen Grund ein, irgend welchen Unterschied zu machen zwischen den von der »Embryosackmutterzellee abgegebenen Schichtzellen (Tapetenzellen WARMING’s und STRAS- BURGER’s) und den durch Spaltung der Epidermis entstandenen. 26* 404 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. knospe nicht wesentlich sind, können hier übergangen werden. Die Auffassung der geschilderten Entwicklungsvorgänge ist grösstentheils schon in der Beschreibung gegeben. Fraglich kann nur sein, wie die Theilungen der Embryosackmutterzelle aufzufassen sind. Entsprechen sie den Theilungen einer Sporenmutterzelle in Sporen (resp. Specialmutterzellen derselben) oder entspricht die zum Embryosack werdende Zelle, welche die andern verdrängt, einer ungetheilt bleibenden, direkt zur Spore werdenden Sporenmutterzelle? Im letzteren Falle sind die einzelnen Zellen, in welche die »Embryosackmutterzelle« zerfällt, Zellen des sporogenen Zellcom- plexes, und die Bildung der Makrosporen bei den Samenpflanzen unterscheidet sich von der der Mikrosporen (und der Sporen der »Gefässkryptogamen«) dadurch, dass die für die Sporenbildung sonst charakteristische Viertheilung der Mutterzellen hier unterbleibt. Auf Grund von Erwägungen, die bei Besprechung der Samen- knospenentwicklung der Angiospermen noch näher zu berühren sein werden, habe ich früher die letztere Ansicht aufgestellt, und finde auch nach den neueren Unter- suchungen nichts, was gegen sie sprechen würde. Eine Consequenz derselben ist die Bezeichnung der Embryosackmutterzelle als »Archespor« in Fällen wie Zarzx etc. Es kann zwar, wie die Entwicklung einiger Angiospermenpollensäcke zeigt (Fig. ıı1), die Archesporzelle auch direkt zur Sporenmutterzelle werden, bei den Makrospo- rangien der genannten Coniferen dagegen geht nach unserer Auffassung aus der- selben vielmehr ein mehr oder weniger reducirter sporogener Zellcomplex hervor, während die übrigen Zellen der Samenknospe steril bleiben, ebenso wie in einem /soetes-Makrosporangium die Mehrzahl der Zellen steril bleibt, ohne auch nur den Charakter von Sporenmutterzellen zu gewinnen, der den von den Makro- sporen verdrängten Zellen im Sporangium der heterosporen Farne noch zukommt. C. Der Ursprungsort det Angiospermensamenknospel) ist bei der oben gegebenen Schilderung der Fruchtknotenentwicklung mehrfach berührt worden, hier genüge es desshalb, darauf zu verweisen, obwohl die Mannigfaltigkeit der Fälle in der erwähnten Darstellung keineswegs erschöpft ist. Es geht aber aus derselben soviel hervor, dass der Ursprungsort der Samenknospen ein verschiedener ist, sie gehören in der Mehrzahl der Fälle den Fruchtblättern resp. den von diesen gebildeten Placenten an, in andern entspringen sie auf einer von der Blüthenachsenspitze gebildeten Centralplacenta (Primulaceen) oder entstehen einzeln als terminale Neubildung auf der Blüthenachsenspitze, ähnlich wie das erste Antheridium einer männlichen Laubmoosblüthe. Im Folgenden halten wir uns zumeist an die Fälle, in denen die Samenknospen den Fruchtblättern oder wand- ständigen Placenten entspringen. Die Samenknospen-Anlagen treten auf denselben hervor in Form kleiner Zäpfchen oder Höcker, deren Längsachse anfangs gerade ist, später, gewöhnlich kurz vor dem Auftreten der Integumente zeigen die Samenknospenanlagen vieler Pflanzen ein ungleichseitiges Wachsthum, das zu einer Krümmung der Längsachse führt und die Lagenverhältnisse einleitet, die sich bei anatropen, kampylotropen etc. Samenknospen finden?). Nur in sehr seltenen Ausnahmefällen gehen die Samen- knospenanlagen aus der äussersten Zellschicht hervor. So nach den Abbildungen HOorMEISTER’s bei Dalanophora (Fig. 95). In allen anderen genauer untersuchten Fällen wird die Samenknospenanlage zuerst kenntlich durch Theilung der unter I) Vergl. WARMING, de ovule. Ann. des scienc. nat. 1878. (Daselbst ältere Literatur.) STRASBURGER, Die Angiospermen und die Gymnospermen. Jena 1879. 2) Die äusseren Formverhältnisse der Samenknospen werden hier als bekannt vorausgesetzt, sie werden in jedem Lehrbuch erörtert. ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Sporangien. 405 der Epidermis liegenden Zellen: im einfachsten Fall, wie bei den Orchideen ist es eine einzige Zelle, die wächst, sich durch Querwände theilt und von der mit- wachsenden Epidermis umhüllt die Samenknospenanlage bildet. Dass sich in anderen Fällen auch tiefer gelegene Zelllagen betheiligen (z. B. Geum, Symphytum, Verbascum), braucht kaum hervorgehoben werden: es sind das unwichtige Differenzen, wie sie ebenso bei der Blattbildung sich finden (vergl. pag. 210.). Auch die Zellanordnungsverhältnisse in den Samenknospenanlagen können hier füglich unerörtert bleiben. Aus dem Ovularhöcker entwickeln sich die einzelnen Theile der fertigen Samenknospe. Die Integumente bilden die Grenze zwischen Knospen- stiel (/uniculus) und Knospenkern (Nucellus), und zwar wird der Endtheil des Ovularhöckers zum Nucellus, unterhalb desselben sprossen die Integumente (resp. das Integument) hervor, in Form eines Ringwalls oder Kragens, der zwei oder mehr Zellschichten dick ist, und die Spitze des sich vergrössernden Ovularhöckers allmählich überwächst. Sind zwei Integumente vorhanden, so bildet sich das obere (innere) gewöhnlich zuerst, die Entwicklungsfolge ist also eine »basipetale«. Doch finden sich einige Ausnahmen, bei Zuphorbia z. B. entsteht das äussere Integument zuerst, ebenso (nach WARMING a. a. O.) bei Cuphea, Mahernia glabrata und wahrscheinlich noch in anderen Fällen. Sehr häufig namentlich bei gekrümmten Ovularhöckern entstehen die Integumentanlagen nicht als geschlossener Ring, sondern treten zuerst auf der convexen Seite auf und diese Bevorzugung der convexen Seite spricht sich auch darin aus, dass nicht selten, namentlich auch bei anatropen Samenknospen, welche nur ein Integument besitzen, dasselbe auf der inneren Seite des Knospenkerns (/Vxcellus) schwach oder gar nicht entwickelt ist (Fig. 115,5). Es handelt sich dabei aber nicht etwa um eine »congenitale« Verwachsung von Integument und Funiculus, sondern um eine Hemmung der Ausbildung des Integuments auf der inneren Seite, die bei anderen ähnlich gebauten Samenknospen nicht stattfindet. Dass der Rand der Integumentanlage in einigen Fällen nicht gerade abge- schnitten, sondern gelappt ist, sei hier nur deshalb erwähnt, weil dies Verhältniss früher bei der Discussion darüber, ob das Integument der Gymnospermensamen- knospen nicht vielmehr als Fruchtknoten zu betrachten sei, eine Rolle spielte. Unter den Angiospermen ist der Rand des inneren Integuments z. B. in vier Lappen getheilt bei Symplocarpus foetida, von anderen Beispielen sei nur noch Juglans regia genannt (WARMING, a. a. O. Taf. 13. Fig. 11—ı3), ob die Integu- mentlappen nur durch lokal gesteigertes Wachsthum des ursprünglich geraden Integumentrandes oder gleich anfangs entstehen, ist nicht bekannt. In vielen Fällen entsteht die Integumentanlage aus der äussersten Zellschicht des Ovularhöckers, so bei Orchis, Monotropa, Centradenia floribunda, Primula chi- nensis u. a., in anderen nehmen auch unter der Epidermis liegende Zellschichten an der Integumentbildung theil, so bei den mit einem meist sehr dickem Inte- gument versehenen Samenknospen der Gamopetalen (z. B. Symphytum, Lamium album, Lobelia u. a., das Integument geht aber grösstentheils aus Theilungen der Epidermiszellen hervor, ebenso auch die inneren Integumente vieler mit zwei In- tegumenten versehenen Samenknospen; bei noch anderen endlich verdankt das Integumenrt seine Entstehung hauptsächlich den unter der Epidermis gelegenen Zellen, eine Differenz, die zeigt, dass der verschiedenen Entstehungsart sehr wenig Bedeutung beizumessen ist. Wo zwei Integumente vorhanden sind, wird die Mikropyle entweder nur von dem inneren gebildet, oder es nimmt auch das äussere daran theil, während da, wo das eine, dicke Integument auf der dem 406 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Funiculus zugekehrten Seite nicht zur Ausbildung gelangt, der letztere den Mikro- pylekanal ein Stück weit direkt begrenzt. Oft schon vor dem Auftreten der Integumentanlagen oder gleichzeitig mit demselben treten in der Spitze des Ovularhöckers diejenigen Veränderungen ein, welche zur Bildung des Embryosackes führen. Das Charakteristische derselben lässt sich mit wenig Worten schildern. Es sei dabei an die in Fig. ıı5 für (B. 436.) Fig. 115. Senecio vulgaris, Entwicklung der Samenknospe nach der Altersfolge beziffert. a Arche- spor (Embryosackmutterzelle) E in 6 und 7 Zelle, die zum Embryosack wird, i Inte- gument. In 6 ist die Embryosackmutterzelle in vier Tochterzellen getheilt, die am wei- testen von der Mikropyle abliegende (in der Figur die oberste) Zelle wird zum Embryo- sack, I—5 nach WARMING, 6—8 nach STRASBURGER. Senecio vulgaris dargestellten Entwicklungsvorgänge angeknüpft. In dem Stadium Fig. ı15, 2 hat eine unter der Epidermis gelegene Zelle an der Spitze des Ovu- larhöckers grössere Dimensionen gewonnen, sie unterscheidet sich auch durch reicheren Plasmagehalt von den benachbarten Zellen. Es hat der Ovularhöcker auf diesem Stadium, wenn wir von der schon bemerkbaren Krümmung absehen, grosse Aehnlichkeit mit einem Selaginella-Sporangium, in welchem das Archespor eben deutlich wahrnehmbar ist (vergl. Fig. 104, A). In beiden Fällen zeichnet sich eine hypodermale Zelle (gewöhnlich die Endzelle der axilen Zellreihe) von den übrigen dnrch ihre Beschaffenheit aus und wächst auch stärker als diese. Bei Selaginella geht aus der Theilung derselben das sporogene Gewebe, bei den Samenknospen der Embryosack hervor. Da wir es hier offenbar mit homologen Gebilden zu thun haben, so sei auch hier der Kürze halber die Zelle a, Fig. ıı5 als »Archespor« bezeichnet. Fig. ıı5, 4 und 5 zeigen, dass dieselbe stärker wächst als die übrigen Zellen an der Spitze des Ovularhöckers, aus ihr geht der Nucellus fast ausschliesslich hervor. Derselbe hat in Fig. ıı5, 4, eine seitliche Lage, er scheint aus der die Spitze der jungen Samenknospe einnehmenden Inte- gumentanlage hervorzugehen. Das ist aber nur scheinbar, wie die Vergleichung mit den jüngeren Entwicklungsstadien zeigt. Hier wie überall bildet der Nucellus vielmehr die Spitze des Ovularhöckers, er kann aber durch die massige Ent- wicklung des Integumentes bei anatropen Samenknospen zur Seite gedrängt 1. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Sporangien. 407 werden. In Fig. ıı5, 5, besteht der Nucellus nur aus der langgezogener mit dichtem Protoplasma und grossem Zellkern versehenen Archesporzelle und einer dieselbe umgebende Hüllschicht. Dann theilt sich das Archespor in zwei Zellen, und indem sich jede derselben noch einmal durch eine Querwand fächert, er- halten wir eine aus vier Zellen bestehende Zellreihe. Die Scheidewände der- selben haben hier wie in anderen Fällen ein eigenthümlich gequollenes Aus- sehen. Von diesen vier Zellen entwickelt sich nur die unterste weiter, sie ver- drängt die anderen, deren Reste man als stark lichtbrechende Kappe auf dem Scheitel des jungen Embryosackes noch wahrnehmen kann, und ebenso wird die äussere Zellschicht des Nucellus von dem heranwachsenden Embryosack zerstört. Auf die Weiterentwicklung desselben ist unten noch zurückzukommen, ebenso auf die Deutung des Beschriebenen. Der Vorgang der Embryosackbildung spielt sich nun, wenn auch mit einigen mehr oder weniger wesentlichen Modificationen bei allen untersuchten Angio- spermen in derselben Weise ab. Besonders häufig findet sich Sexecio (und andern Gamopetalen) gegenüber die Differenz, dass vom Archespor durch eine Perikline zunächst eine Zelle abgetrennt wird, die wir wie bei den obigen Fällen als Schichtzelle?) bezeichnen wollen (Fig. 116, Ib tt). Sie spaltet sich gewöhnlich durch antikline und perikline Wände und bildet so eine das Archespor bedeckende Gewebeschicht, die von dem heranwachsenden Embryosack später verdrängt wird. Besonders umfangreich ist diese bei den untersuchten Euphorbiaceen (Zu- phorbia, Mercurialis): die Embryosackanlage liegt hier tief im Gewebe des Nu- cellus eingebettet, ähnlich wie das bei den Coniferen der Fall ist. Diese Ueber- lagerung der Embryosackanlage, durch Gewebeschichten, welche dazu bestimmt sind, von ihm verdrängt zu werden, wird vielfach auch durch perikline Spaltungen der Epidermis an der Spitze des Nucellus verstärkt. Als Beispiele dafür nenne ich: Aristolochia Clematitis (WARMING, a. a. O., Taf. VII., Fig. 20, 21), Geum (ibid. Taf. 10, 25), Symphytum officinale, (ibid. Taf. B, 20), Rosa livida (STRASBURGER, Ara Taf. IV.,' 49). Andere Differenzen beziehen sich auf die Theilungen des Archespors.?) Un- getheilt bleibt dasselbe, wie es scheint, nur in sehr seltenen Fällen, so nach TREUB und MELLINK bei Zulpa Gesneriana und Zilium: Hier wird also die Archesporzelle direkt zum Embryosack, weniger selten scheint die Zweitheilung zu sein, sie findet sich bei Cornucopiae nocturnum, Commelyna stricta, Ornitho- galum pyrenaicum etc. (GUIGNARD a. a. O.). Bei Agraphis, wo sich das Arches- tb) Vergl. den analogen Entwicklungsvorgang in den Pollensäcken. Die Tendenz, das sporo- gene Gewebe mit anderen Gewebeschichten zu bedecken, ist sehr allgemein, die Theilungen, wo- durch dieser Vorgang herbeigeführt wird, sind dagegen in den einzelnen Fällen verschieden. Ein Grund, die von den Embryosackmutterzellen abgetrennten Zellen als »Tapetenzellen« zu be- zeichnen, wie WARMING und STRASBURGER dies thun, liegt nicht vor, da dieser Name für die charakteristisch ausgebildete Umhüllungsschicht des sporogenen Gewebes zu reserviren ist. Eine solche besitzt, wie es scheint zuweilen auch der Embryosack, z. B. bei Alisma plantago.. Wo der Embryosack wie das in den Samenknospen der Gamopetalen der Fall zu sein pflegt, den Nucellus ganz verdrängt; ist die angrenzende innerste Integumentschicht häufig epithelähnlich ausgebildet (vergl. z. B. Senecio vulgaris bei WARMING, a. a. O. Taf. ı2. Fig. Iı u. 12.) 2) TREUB et MELLINK, Archives neerlandaises, T. XV., FISCHER, Zur Kenntniss der Em- bryosackentwicklung einiger Angiospermen (Jenaische Zeitschrift für Naturw. 1880); JÖNSSON, om embryosäckens utveckling hos Angiospermerae. Lunds univers. Arsskrift, Taf. VI.; GUIGNARD, re. cherches sur le sac embryronaire des phanerogames Angiospermes (Ann. des scienc. nat. 6. ser. t X.) 408 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. por ebenfalls nur in zwei Zellen theilt, wird die obere, nicht wie sonst die untere der aus dem Archespor hervorgegangenen Zellen zum Embryosack, auch die untere Zelle vergrössert sich und enthält vier Kerne, was als Andeutung zu einer Fig. 116. Polvgonum divaricatum, Samenknospen und Embryvsackent- (B. 437.) wicklung nach STRASBURGER. Ia Längsschnitt durch einen jungen Fruchtknoten: Die Samenknospe bildet den Abschluss der Blüthenachse. ıb Längsschnitt durch eine Samenknospen- anlage (vor Anlegung der Integumente), em Embryosack- mutterzelle (Archespor), t Schichtzelle, II älteres Stadium, die Embryosackmutterzelle hat sich in zwei Zellen getheilt, in beiden ist der Kern in Theilung begriffen. Fig. II. Vierge- theilte Embryosackmutterzelle (sporogener Zellkomplex); die unterste dieser Zellen (e) wird die andern verdrängend IV zum Embryosack. pek primärer Kern desselben, in Fig. V in zwei Tochterkerne getheilt, die in Fig. VI und VII den Eiapparat und die Gegenfüsslerinnen bilden. o Eizelle, s Gehilfinnen (Synergiden), g Gegenfüsslerzellen. Fig. VIII Längsschnitt durch eine befruchtungsfähige Samenknospe mit dem inneren (ii) und äusseren (ai) Integument, dem Nucellus m und dem in den Funiculus (f) eintretenden Gefässbündel (gf). Entwicklung zum Embryosack aufgefasstwerdenkann. Aehn- liches findet sich namentlich auch bei den Gräsern, wo häufig eine Verdoppelung der Zellkerne in den vom Em- bryosack verdrängten Arche- sportochterzellen stattfindet. Ist dies nun auch kein siche- rer Anhaltspunkt, da eine Kernvermehrung (durch Frag- mentation) auch in den zum Zerfall bestimmten Tapeten- zellen vorkommt, so geht doch aus allem Bekannten soviel mit grosser Wahrschein- lichkeit hervor, dass a priori jede der Tochterzellen des Archespors im Stande ist, ein Embryosack zu werden, und dass die best situirte, gewöhn- lich die untere, die anderen verdrängt, ebenso wie in einem Makrosporangium von Selaginella eine Sporenmut- terzelle über alle anderen die Ueberhand gewinnt. Die Be- rechtigung des eben aufge- stellten Satzes ergiebt sich auch aus dem Verhalten von Rosa, welches STRASBURGER geschildert hat. Bei £. Zvida findet sich eine grössere An- zahl neben einander liegen- der Archesporzellen, die viel- leicht aus Theilung einer einzigen hervorgegangensind; sie zerfallen in eine Reihe von Zellen, meist vier, in manchen Fällen fünf, viel- leicht selbst sechs. Gewöhn- lich sind es die obersten dieser aus den Archespor- zellen hervorgegangenen Zel- len, die wachsen und sich zum Embryosack auszubilden beginnen, gelegentlich aber zeigt auch die weiter nach unten liegende Zelle dieselbe Tendenz, von all den ı. Kapitel. Entwicklungsgeschichte der Sporangien. 409 Embryosackanlagen kommt aber nur eine einzige zur Entwicklung und verdrängt die anderen, ein Fall, der zeigt, dass es von äusseren Verhältnissen abhängt, welche der Archespor-Tochterzellen zum Embryosack wird. Eine Mehrzahl von Archesporzellen findet sich auch bei andern Rosaceen und bei einer Anzahl anderer Pflanzen so z. B. bei Aesculus Zippocastanum, Paeonia arborescens, Calycanthus floridus u. a. (vergl. die Abbildungen bei Jönsson a. a. O.). Es fallen diese Differenzen ebensowenig in’s Gewicht wie bei den Pollensäcken, wo das Archespor bald eine Zellreihe bald — bei breiteren Pollensackanlagen — eine Zellschicht ist. Die Vorgänge die im Embryosack zur Anlegung des Eiapparates führen, sind ebenfalls bei allen genauer untersuchten Pflanzen im Wesentlichen dieselben, und unterscheiden sich bedeutend von den in der Makrospore der Gymnospermen stattfindenden. Während bei den letzteren den Makrosporen von Jsoetes gegen- über eine wesentliche Differenz nicht stattfindet, lassen sich die Vorgänge im Embryosack der Angiospermen bis jetzt nicht mit Sicherheit auf analoge bei den Gefässkryptogamen zurückführen. Der junge Embryosack besitzt einen Zellkern, dieser theilt sich bei weiterem Wachsthum; die beiden so entstandenen Kerne wandern in die beiden Enden des Embryosacks (Fig. 116 V) und theilen sich dort wiederholt, so dass in jedem Ende des Embryosackes nun also vier Zellkerne liegen (Fig. 116, VI). Zwei der- selben rücken gegen die Mitte des Embryosacks und verschmelzen dort mitein- ander zum Embryosackkern, um die drei andern findet Zellbildung statt, so dass nun also an jedem Ende drei nackte Zellen liegen, die am Mikropylekanal ge- legenen stellen den Eiapparat, die am andern Ende des Embryosacks die Gegen- füsslerzellen oder Antipoden dar. Die letzteren sind jedenfalls rudimentäre Organe, da sie keine weitere Entwicklung erfahren, sondern vor oder nach der Befruchtung zu Grunde gehen. Von den drei Zellen des Eiapparates ist nur eine einzige als Eizelle zu bezeichnen, sie ist gewöhnlich etwas tiefer im Embryosack inserirt, (Fig. 116, VIII, o) als die beiden andern, nach der Befruchtung zu Grunde gehenden, die Gehilfinnen oder Synergiden. Es genüge an diese durch STRAS- BURGER’S Untersuchungen aufgeklärten Verhältnisse hier kurz zu erinnern — die kleinen bis jetzt beobachteten Abweichungen besitzen für unsere Zwecke keine Bedeutung. Dagegen ist die Frage, wie die oben mitgetheilte Entwicklungsgeschichte der Samenknospen sich verhält zu der der Sporangien, hier noch etwas näher zu erörtern. Die Frage kann auch hier nur die sein: ist die ganze Samenknospe einem Makrosporangium homolog, oder nur der Nucellus, derjenige Theil also, in welchem der Embryosack entsteht. Die letztere Ansicht wird auf Grund der Entwicklungsgeschichte besonders von WARMING vertreten (von den auf terato- logische Befunde gegründeten Deduktionen schen wir hier ab vergl. pag. 119 ff.) Er stellte den Satz auf (a. a. O. pag. 224) »gwe le nucelle est une creation nouvelle sur le mamelon ovulaire, qui n’est lui-meme quun lobe du carpelle«. Von der in den letzten Worten ausgesprochenen Theorie können wir hier, unter Verweisung auf das oben über die Entwicklung des Gynaeceums Mitgetheilte abstrahiren. WARMING stützt sich dabei hauptsächlich auf die von ihm nachgewiesene Ueber- einstimmung in der Entwicklung des Pollensackes und des Nucellus, der Pollen- sack aber ist ein auf dem Staubblatt entstehendes Mikrosporangium. Die direkte entwicklungsgeschichtliche Beobachtung nöthigt indess nicht zu der Annahme, dass u 410 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. der Nucellus eine Neubildung auf dem Ovularhöker sei. Wir sehen vielmehr nur, dass eine vorher schon vorhandene 'Zelle zum Archespor wird — gerade so wie 2. B. bei Se/aginella. Der Nucellus bildet deutlich die direkte Fortsetzung des Ovularhöckers, wenn man ihn als Neubildung auf demselben betrachten wollte, so müsste man auch das Sporangium von Selaginella als eine Neubildung auf dem Sporangienstiel auffassen, was natürlich von niemand geschieht. Aus den hier nur kurz angedeuteten Gründen!) betrachte ich wie STRAs- BURGER die ganze Samenknospe als ein Makrosporangium, die Integumente aber den Gefässkryptogamen gegenüber als Neubildungen, der Funiculus entspricht dann dem Sporangienstiel. Diese Auffassung scheint mir, wenn man die be- kannten Thatsachen überblickt, derzeit bei weitem die natürlichste zu sein. 2. Kapitel. Entwicklung der Sexualorgane. Die Besprechung der Fortpflanzungsorgane kann auf die Sporangien und die Sexualorgane, als deren wichtigste Beispiele wir die Oogonien resp. Archegonien und Antheridien der Archegoniaten benützen können, beschränkt werden, denn die Art und Weise der ungeschlechtlichen Fortpflanzung, so mannigfaltig sie auch ist, schliesst sich enge an die Entwicklung der Vegetationsorgane an. Bei ein- zelligen Pflanzen, wie z. B. bei den Conjugaten — (am deutlichsten den isolirt lebenden Desmidieen) ist mit jeder Zelltheilung eine Vermehrung der Individuen- zahl verbunden, da die beiden Tochterzellen zu selbständig lebenden, der Mutter- zelle gleichenden Zellen werden. Bei vielen Nostocaceen besteht die vegetative Vermehrung in einem Zerfallen des Vegetationskörpers in einzelne Stücke, die zu neuen Vegetationskörpern werden. Ein ganz ähnlicher Vorgang ist es, wenn bei höheren Gewächsen Theile der Pflanze sich ablösen und zu einer neuen Pflanze auswachsen. Es geschieht dies bei vielen auf dem Boden kriechenden Pflanzen indem die älteren, die Zweige verbindenden Theile absterben und die letzteren nun isolirt und zu selbständigen Pflanzen werden. So bei den thallosen, meist gabelig verzweigten Lebermoosen, bei den Lycopodien u. a. Und auf das- selbe kommt es hinaus, wenn in den Boden eindringende Ausläufer gebildet werden, deren Verbindung mit der Mutterpflanze dann gelöst wird, sei es nun, dass die letztere ganz abstirbt oder weiterwächst, ersteres ist der Fall bei Circaea, letzteres bei Adoxa. In beiden Fällen bildet die blühende Pflanze in den Boden eindringende Ausläufer, bei Circaea alpina stirbt der Spross, welcher geblüht hat ab, bei Adoxa wächst seine Spitze ebenfalls als Ausläufer weiter. Biologisch genau derselbe Vor- gang findet bei einigen Wassermoosen statt (Conomitrium Julianum und Cinclidotus aquaticus) von denen SCHIMPER angiebt, dass bei ihnen Zweige vom Hauptstamm sich ablösen, und so zu neuen Individuen werden. Bei einigen phanerogamen Landpflanzen?) sind die sich ablösenden Zweige umgebildet zu kleinen Zwiebeln oder Knollen, so bei Dentaria bulbifera, Lilium bulbiferum, Polygonum viviparum, I) Es kommen dazu noch Fälle, z. B. die Cycadeensamenknospen, wo das Integument ober- halb des sporogenen Zellkomplex abgeht. 2?) Die »Absprünge« mancher Bäume, welche Zweigenden oder schmächtige Sprosse ab- werfen (am auffallendsten Zaxodium distichum) gehören natürlich nicht hierher, da die abgelösten Zweige keine weitere Entwicklung erfahren. 2. Kapitel. Entwicklung der Sexualorgane. 411 Saxifraga granulata u. a. Es werden diese Gebilde mit dem sehr verschieden- artige Organe umfassenden Namen »Brutknospen« bezeichnet. Als »Brutknospen« treten vielfach einzelne Zellen auf. In grösster Ausdehnung finden sich solche der ungeschlechtlichen Vermehrung dienende Brutzellen bekanntlich bei den Pilzen, deren ungeschlechtlich erzeugte Sporen oder Gonidien resp. Conidien hierher gehören). Wir finden sie aber auch bei den Lebermoosen (vergl. Bd. I pag. 337). So tritt bei Anewra der zweigetheilte, mit einer Membran umgebene Inhalt vieler Thalluszellen als »Brutknos- pe« aus dem Thallus hervor, bei Jungerman- nia ventricosa bilden sichBrut zellen aus den Randzellen des Blattes, bei Sca- pania nemorosa u. a. auf der Spitze der Stämmchen etc. Als eine Weiter- Fig. 117. (B. 438.) entwicklung Brutknospenentwicklung von Marchantia polvmorpha. Die Brutknospe geht aus einer Zelle der Thallusrückenseite hervor, die sich zunächst theilt in eine £ ; Stielzelle und eine obere, aus welch letzterer, wie die Figuren zeigen, der aus len können wir zahlreichen Zellen bestehende Brutknospenkörper hervorgeht. Im jüngsten die aus Zellkör- Stadium (I) ist derselbe (mit B bezeichnet) zweizellig. dieser Brutzel- pern bestehenden, aber ebenfalls ursprünglich einer einzigen Zelle hervorgehenden Brutknospen von Marchantia (Fig. 117), und B/asia betrachten, ähnlich wie dieSporen von Zellia z. B. schon innerhalb des Sporogons einen Theil der Keimung zurücklegen und als Zellkörper, statt wie andere Sporen als Einzelzellen ausgestreut werden, er- fahren auch die Brutzellen von Marchantia u. a. noch im Zusammenhange mit der sie erzeugenden Pflanze eine höhere, sonst erst bei der Keimung eintretende Differen- zirung. Sie sind aber keine metamorphen Sprosse, sondern eigenartig entwickelte, sich ablösende Gewebebestandtheile der Mutterpflanze. Es genügt an analoge Thatsachen bei den Laubmoosen zu erinnern, hinzuweisen auf die Fähigkeit fast . !) Auch die Entwicklung der Brutzellen (Gonidien) der Thallophyten lässt sich auf die Ab- lösung einzelner Theile vom Vegetationskörper zurückführen. Es entstehen die ungeschlechtlich erzeugten Sporen entweder aus gewöhnlichen vegetativen Zellen oder auf besondern Trägern. Bei manchen Vaucheria-Arten z. B. V. Zuberosa löst sich das durch eine Querwand abgegrenzte Endstück eines Schlauches als Brutknospe ab und wird zu einem neuen Thallus. Bei andern Arten derselben Gattung schlüpft der Inhalt der abgegrenzten Zelle als Schwärmspore aus. Das- selbe gilt bei Oedogonium für gewöhnliche vegetative Zellen, deren Protoplasmakörper sich von der Membran ablöst, und sie als Schwärmspore verlässt, während bei anderen z. B. Ulothrix eine Theilung des Plasmakörpers stattfindet, und jede einzelne Portion desselben zur Schwärmspore wird. Wo wie bei vielen Pilzen die Bildung besonderer Fruchtträger stattfindet, werden an, resp. in denselben die Sporen durch die als Abschnürung, freie Zellbildung etc. bezeichneten Zell- theilungsmodificationen gebildet. Man könnte die Erscheinungen der ungeschlechtlichen Ver- mehrung in zwei Kategorien: Theilung und Gemmenbildung (zu letzterer auch die Gonidien etc, gerechnet) eintheilen, allein scharfe Grenzen lassen sich auch hier nicht ziehen, 412 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. jeder Zelle des Laubmoosstämmchens unter Umständen zum Ausgangspunkt einer neuen Pflanze zu werden, nicht indem sie sich vom Gewebeverbande loslöst, sondern indem sie einen Protonemafaden treibt, an dem später als Seitenknospe die Anlage eines neuen Moosstämmchens auftreten kann. Auch die Vermehrung durch Adventivsprosse, wie sie bei manchen Pflanzen ganz normal auftritt, braucht hier nicht näher erörtert zu werden. Ein Fall dagegen, der von dem eben beschriebenen des Ablösens von Zweigen und Brutknospen zu unterscheiden ist, aber mit ihm nicht selten com- binirt vorkommt, ist der durch Ruhezellen oder Ruheknospen. Er tritt auf, um die Fortexistenz des Organismus auch unter ungünstigen Umständen zu sichern, vielfach aber stellt die Bildung solcher Ruhezustände auch eine, zu äusseren Faktoren zwar in Beziehung stehende, aber keineswegs direkt von ihnen abhängige Phase der Gesammtentwicklung dar. Hier haben wir nur die dabei auftretenden Formverhältnisse, ihrer Beziehung zur geschlechtlichen Fortpflanzung halber kurz zu berühren. Einen der denkbar einfachsten Fälle bieten die Nostocaceen. Ihre Vegetationskörper wird gebildet durch Zellfäden (vergl. oben pag. 180), die aus lauter gleichartigen, durch Zweitheilung sich vermehrenden Zellen bestehen, zwischen die einzelne, nicht theilungsfähige und auch durch ihren Inhalt unter- schiedene Grenzzellen oder Heterocysten eingestreut sind. Die Grenzzellen nehmen auch an der Fortpflanzung weiter keinen Antheil, die anderen Zellen dagegen dienen der Vermehrung entweder indem einzelne Fadenstücke als »Hormogonien« sich isoliren, sich eine Zeitlang frei bewegen und dann zum Ausgangspunkt einer nenen Nostoc-Kolonie werden oder indem sie zu Sporen werden. Bei der in Fig. 25, VII abgebildeten Gloeotrichia werden zur Sporen- bildung nur ein oder zwei einer Grenzzelle angrenzende Zellen verwendet — die zur Spore werdende Zelle wächst mächtig heran und erhält einen dichten Inhalt und eine dunkel gefärbte resistente Membran. Sie [macht einen Ruhezustand durch, um dann zu keimen. Ganz Analoges treffen wir auch bei höheren Pflanzen nur dass hier nicht mehr einzelne Zellen es sind, die den Ruhezustand durch- machen und sich entsprechend ausbilden, sondern Sprosse. So bei vielen Wasser- pflanzen, bei der Bildung der Winter-Ruheknospen oder Aibernacula. Bei Utricularia z. B. geht im Herbste alles zu Grunde bis auf die dicht mit Blättern umhüllten Endknospen, die auf den Grund des Wassers sinken. Aehnliche Knospen bilden sich bei Myriophyllum (am blühenden Sprosse sind es Seiten- knospen der unteren Partie), bei Zydrocharis verhalten sich langgestielte Seiten- knospen ebenso. Es ist aber, ebensowenig wie bei der Winterknospenbildung der Bäume die im Herbste stattfindende Temperaturverminderung, die direkte Ursache der Ruheknospenbildnng. Auch wenn man derartige Ruheknospen bei erhöhter Temperatur im Zimmer kultivirt, treiben sie zunächst nicht aus, sondern erst nach einer längeren Ruheperiode, Uiricularia etwa im Januar, wo im Freien in unseren Gegenden die Entwicklung durch die niedrige Temperatur natürlich noch zurückgehalten wird). Der Hauptsache nach aber ist es derselbe Vorgang wie bei der Bildung der Ruhesporen der Nostocaceen. Ueber die Faktoren, welche die Bildung der Ruhezustände veranlassen, sind wir ganz im Unklaren, !) Bekanntlich kann ein früheres Austreiben der Holzgewächse etc. dadurch veranlasst werden, dass man die Ruheperiode künstlich früher eintreten lässt, ein Princip, das z. B. beim »Treiben« des Flieders etc. angewendet wird. 2. Kapitel. Entwicklung der Sexualorgane. 413 denn dieselben können, wie aus den obigen, kurzen Andeutungen hervorgeht, nicht direkt in eine Linie gestellt werden mit der Bildung von Dauerzuständen, wie sie in direkter Abhängigkeit von äusseren Faktoren namentlich in Folge von Austrocknung bei einzelnen Pflanzen, besonders auffällig den Myxomyceten, sich finden. Alle Bewegungszustände derselben haben die Fähigkeit, solche Dauer- zustände bei Austrocknung durchzumachen. Die Schwärmer nehmen Kugelform an, und umgeben sich mit einer Membran, die sie unter geeigneten Bedingungen wieder verlassen. Aehnlich verhalten sich kleine Plasmodien, während die grösseren »Sklerotien“ bilden, die aus zahlreichen Zellen bestehen. Bei Aufhören des Ruhezustandes werden die Zellwände wieder aufgelöst und das Plasmodium gewinnt seine Beweglichkeit wieder. Analoge Fälle liessen sich auch sonst an- führen, z. B. von manchen Moosprotonemen, welche bei Austrocknung in einzelne Zellen zerfallen, von denen einige dickwandig werden, reichen Protoplasmainhalt zeigen und bei Wiedereintritt günstiger Bedingungen weiter wachsen. Selbstver- ständlich steht das Auftreten von Ruhezuständen auch in den zuerst angeführten Beispielen in Beziehung zu äusseren Bedingungen, aber es bildet ein integrirendes, constant auftretendes Glied in dem Entwicklungsgang der betreffenden Pflanzen. In dem einen Falle, (bei der Bildung der Dauerzustände der Schleimpilze etc.) behält das Protoplasma offenbar seine Eigenschaften während der Ruheperiode der Hauptsache nach bei, denn es ist jederzeit entwicklungsfähig, im zweiten Falle gehen während der Ruheperiode bestimmte, uns unbekannte Veränderungen vor sich, nach deren Vollendung erst, vorausgesetzt, dass günstige äussere Be- dingungen vorhanden sind, die Weiterentwicklung beginnt. Vielfach (wie z. B. bei manchen Moosen) treten auch die Brutknospen gleich in Form von Ruhezuständen!) auf, oder die Ruheknospen funktioniren zugleich als vegetative Vermehrungsorgane, (z. B. bei Sagittaria, Aydrocharis u. a.) dann sind also die beiden hier unterschiedenen Fortpflanzungs-Weisen mit einander combinirt. Sind wir über das Wesen der Ruhezustände sehr wenig unterrichtet, so gilt dies in noch höherem Grade von der sexuellen Fortpflanzung — alle Spekulationen über dieselbe kommen schliesslich über eine mehr oder minder glückliche Um- schreibung der Thatsachen nicht hinaus. Charakteristisch für den Sexualprocess ist in den meisten Fällen?), dass zwei Zellen gebildet werden, die einzeln für sich nicht entwicklungsfähig sind, aber durch Verschmelzung eine neue Zelle, den Keim erzeugen, der sich zu einer neuen Pflanze entwickelt. Die beiden Sexualzellen, von denen sich bei höherer Differenzirung die eine als weiblich, die andere als männlich bezeichnen lässt, werden in neuerer Zeit als Gameten, das Produkt ihrer Verschmelzung als »Zygote« bezeichnet. Die folgende Dar- stellung hat sich mit der Form, der Entwicklung und den Bildungsstätten der Sexualzellen zu befassen. S ı. Entwicklung der Sexualzellen bei den Thallophyten. Die Sexualzellen der Thallophyten sind in den letzten Jahren so vielfältig Gegenstand ») Das biologische Verhalten derselben, namentlieh die Frage nach der Nothwendigkeit einer Ruheperiode ist freilich meist nicht bekannt. 2) Die am wenigst differenzirten Sexualzellen können auch, ohne sich mit einander zu ver- einigen, sich weiter entwickeln. Andrerseits giebt es auch höher differenzirte Sexualzellen, welche die im Texte erwähnte Eigenschaft verloren haben: die Eizellen von Cara crinita werden zu Oosporen, ohne von Spermatozoiden befruchtet zu sein, während dies für die Eizellen der anderen Characeen, soweit wir darüber unterrichtet sind, durchaus nothwendig ist. 414 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. der Untersuchung und Darstellung gewesen, dass wir uns hier mit einer kurzen Erwähnung derselben begnügen können, um so mehr, als diejenigen der Algen, welche die instruktivsten Verhältnisse bieten, schon im zweiten Bande dieses Handbuchs ausführlich erörtert worden sind. Es sind vor Allem einige all- gemein-organographische Fragen, die hierbei in Betracht kommen, vor Allem das Verhältniss der Sexualorgane resp. Sexualzellen zum Vegetationskörper und die allmählich fortschreitende Differenzirung der Sexualzellen selbst. Was den ersteren Punkt betrifft, so ist der einfachste Fall der, dass bei einzelligen Algen der Vegetationskörper selbst zur Sexualzelle wird. So bei den Desmidieen: der Sexualprozess besteht hier einfach in der Verschmelzung der Protoplasmakörper zweier Individuen. Ob eine Desmidieenzelle, in welcher die ersten Vorbereitungen zur Copulation getroffen sind, vegetativ weiter leben kann, wenn dieselbe nicht stattfindet, ist mir nicht bekannt. Die beiden Sexualzellen treiben zum Zweck der Vereinigung ihrer Protoplasmainhalte Ausstülpungen gegen einander, die Copulationsfortsätze, die in ganz analoger Weise auch bei den Pollen- körnern der Samenpflanzen auftreten. Der Pollenschlauch ist auch nichts anderes, als ein Copulationsfortsatz, den die Mikrospore treibt. Schon bei den Conjugaten macht sich aber eine Differenzirung einerseits in dem Verhalten, andererseits in der Bildung der Sexualzellen geltend: bei Spirogyra z. B. pflegen die Zellen des einen der beiden copulirenden Fäden sich anders zu verhalten, als die des andern, die aus den Zellinhalten gebildeten Sexualzellen bleiben im Faden liegen, während die Gameten aus dem andern Faden zu ihnen herübertreten und mit ihnen verschmelzen. Die Differenz zwischen weiblichen und männlichen Gameten, die einander ganz gleichgestellt sind, ist hier aber offenbar noch keine scharf ausgeprägte. Bei Sirogonium wird schon nicht mehr die ganze vegetative Zelle zur Gametenbildung verwendet, und zugleich ist die männliche Sexualzelle hier kleiner als die weibliche (vgl. Fig. 22 pag. 288 Bd. I). Ein von dem der obengenannten offenbar nur äusserlich verschiedenes Verhalten ist es, wenn der Zelleninhalt einer einzelligen Alge sich theilt in eine Anzahl frei beweglicher Gameten: so bei verschiedenen Protococcaceen, oder wenn sämmtliche Zellen mehrzelliger Individuen zu Sexualzellen werden wie bei den Volvocineen Pandorina und Zudorina. In derselben Familie zeigt die Gattung Volox selbst eine höhere Differenzirung dadurch, dass nur einzelne Zellen zu Sexualzellen sich gestalten, während die übrigen nur vegetative Funktionen ausüben. Eine derartige Differenzirung lässt sich in verschiedenem Grade in einzelnen Verwandtschaftsreihen verfolgen, bei den höheren Formen werden die Sexualzellen in besonderen, von den vegetativen Theilen scharf abgesetzten Organen gebildet, sei es, dass nur einzelne Zellen eines Zellfadens Sexualorgane produciren, wie bei Oedogonium, oder dass besondere Aussprossungen zu diesem Zwecke gebildet werden (wie bei Vaucheria, Ectocarpus etc.). Bei solchen Formen, die einen Vegetationspunkt besitzen, entstehen (wie es scheint mit einziger Ausnahme der Antheridien der unten zu erwähnenden Coleochaete-Species) die Sexualorgane aus den Vegetationspunkten, ein Ver- hältniss, das sich bei den folgenden Abtheilungen wiederholt. Für das gegenseitige Verhältniss der beiden Sexualzellen stellte sich bei ver- schiedenem Verwandtschaftskreise bei Pilzen und Algen das Resultat heraus, dass bei den »nieder« stehenden Formen die Sexualzellen oder »Gameten« einander an Form und Grösse gleich sind, und dass von diesen ausgehend in mehr oder weniger sanfter Abstufung eine Differenzirung stattfindet, welche dahin führt, dass das männliche Sexualelement, welches in den meisten Fällen frei beweglich ist, und dann als Spermatozoid bezeichnet wird, um ein vielfaches kleiner ist als das weibliche, zur Zeit der Befruchtung bewegungslose, das Ei. Es vollzieht sich diese Difterenzirung sowohl bei solchen Formen, die aktiv sich bewegen, als bei solchen, die unbewegliche Gameten besitzen. Den ersteren schliessen sich auch die Sexualzellen der Moose und Farne an, die Zelle bleibt hier zwar unbeweg- lich in ihrer Bildungsstätte liegen, und nur die Spermatozoiden schwimmen frei im Wasser umher, allein dasselbe treffen wir auch bei einer Anzahl grüner Algen. Bei Wothrix sind die Gameten gleichgestaltete Schwärmsporen, die während der 2. Kapitel. Entwicklung der Sexualorgane. 415 Bewegung sich miteinander vereinigen, bei einer anderen Fadenalge, dem Oeado- gonium, bleiben die Eizellen in ihrer Bildungsstätte, dem Oogonium, liegen und werden von den kleinen, männlichen Schwärmsporer, den Spermatozoiden, aufge- sucht. Wir können bei einer Anzahl grüner Algen die Copulation gleichgestalteter Schwärmsporen als den Ausgangspunkt betrachten. Von hier aus geht die Weiterentwicklung dann in zwei Richtungen vor sich: einmal sehen wir die weib- (B. 439.) Fig. 118. Fig. 119. (B. 440.) Ulothrix, I Zellfaden mitungeschlechtlicher Schwärm- Beginn der Copulation einer kleineren männ- sporenbildung, II ungeschlechtliche Schwärmspore, lichen (s) und einer grösseren weiblichen II Zwei sexuelle Schwärmsporen (Gameten), IV’ Co- Schwärmspore von Phyllobium dimorphum pulation derselben, V Vereinigungsprodukt der Ga- (nach Kress), B Befruchtung von Oedogo- meten (Zygospore oder Zygote), unmittelbar nach zium diplandrum, e Eizelle, b Befruchtungs- der Copulation mitnoch getrenntenFarbstoffkörpern, fleck, s Spermatozoid, C Spermatozoid etwas VI Aeltere Zygospore im Ruhezustand, VII Keimung stärker vergrössert: es trägt unter dem farb- derselben: ihr Inhalt theilt sich in eine Anzahl losen Vorderende einen Kranz von Cilien. Schwärmsporen (aus FALKENBERG, Die Algen. Bd. I B und C nach JURANYI. des Handb. pag. 260). liche Schwärmspore an Grösse zunehmen: es kopulirt bei PAhyllobium eine weib- liche Schwärmspore mit einer kleinen männlichen und weiterhin sehen wir die weibliche Schwärmspore ihre aktive Bewegungsfähigkeit verlieren, entweder von Anfang an oder im Laufe der Entwicklung. Letzteres kommt namentlich bei den braunen Algen, den Phaeophyceen, in instructivster Weise vor: die grosse weib- liche Schwärmspore von Cuzleria verliert nach einiger Zeit ihre Cilien, rundet sich ab und wird zum ruhenden Ei, das von der kleinen, männlichen Schwärmspore, dem Spermatozoid, befruchtet wird. Das Ei von Zucus aber wird von Anfang an als bewegungslose, nackte Zelle aus dem Oogonium ausgestossen, bei den grünen Algen dagegen bleibt es in demselben liegen, und wird von den Spermatozoiden aufgesucht. Ueber den Bau der Eizellen und die Frage, in wieweit sie sich ihrer Struktur nach von den vegetativen Zellen unterscheiden, ist nur sehr wenig be- kannt. Charakteristisch für dieselben ist das Vorhandensein eines sogen. Be- fruchtungs- oder Empfängnissfleckes: die Stelle, an welcher das Spermatozoid mit der Eizelle verschmilzt, ist von Farbstoffträgern entblösst und höchst wahr- scheinlich auch sonst von der Substanz des Eies verschieden. Es entspricht dieser farblose Befruchtungsfleck (der an den Eiern von Fucus z. B. noch nicht nachgewiesen ist) dem farblosen vorderen Ende, welches bei den Schwärmsporen die Cilie trägt. Copulirende Schwärmsporen pflegen denn auch zunächst mit ihren farblosen Enden mit einander zu verschmelzen, bei Cuferia, wo das Ei an- fangs ebenfalls als Schwärmspore auftritt, gestaltet sich das farblose Vorderende zum Befruchtungsfleck. i Die männlichen Schwärmsporen unterscheiden sich von vegetativen Schwärm- sporen meist auffallend durch ihre Färbung, die von der grünen mehr oder minder abweicht oder doch nur schwach ausgeprägt ist (so z. B. bei den Sper- 416 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. matozoiden von Coleochaete, die nur einen schwachen »grünen Schimmer« (nach PRINGSHEIM) zeigen. Es scheint in einigen Fällen bei der Bildung der männlichen Schwärmsporen ein Zerfallen der Farbstoffkörper stattzufinden, jedenfalls sehr häufig eine Verfärbung derselben, falls nicht die Ausbildung des Farbstoffes überhaupt ganz unterbleibt. In den Eizellen dagegen bleiben die Farbstoffträger (Chroma- tophoren ScHMiTz’s) wohl immer erhalten, wenngleich sie namentlich nach der Befruchtung häufig durch andere Inhaltsbestandtheile des Protoplasmas verdeckt werden. Bei Oedogonium z. B. ist es eine vegetative Zelle, die zum Oogonium wird, und zwar regelmässig die bei der Zelltheilung nach oben liegende.) Sie schwillt kugelig an, ihr Inhalt contrahirt sich, löst sich dadurch von dem Mem- bran ab und bildet die kugelige Eizelle (»Oosphaere«). Der farblose Befruchtungs- fleck tritt an dem Oogonium entweder seitlich?) auf, und entspricht dann in seiner Lage dem farblosen Vorderende eines zur vegetativen Schwärmspore werdenden Plasmakörpers (denn auch dieser liegt der Mitte der Seitenwand der Schwärmsporenmutterzellle gegenüber, so dass also die Längsachse der Schwärmspore mit der des Zellfadens, in dem sie entsteht, sich kreuzt), oder es liegt der Befruchtungsfleck nahe an der oberen Querwand des Oogoniums, er bildet z. B. die Spitze der Eizelle bei Oed. rivulare (PRINGSHEIM a. a. O. Tat. II, Fig.'5). Es lässt sich bezüglich der Entwicklung der Antheridien und Oogonien der besprochenen Algen eine Homologie der Entwicklung unschwer konstatiren, die aber meist dadurch verdeckt ist, dass in den Antheridien Theilungen stattfinden, welche in den Oogonien unterbleiben. Bei Oedogonium entsteht das Antheridium sowohl wie das Oogonium aus dem oberen Abschnitt bei einer Zelltheilung, nur ist das Antheridium von Anfang an als kleine scheibenförmige Zelle angelegt. Beim Oogonium wird der ganze Inhalt der Zelle zum Ei, der Inhalt des Anthe- ridiums wird nur selten direkt zur männlichen Schwärmspore (Oed. curvum), ın der Regel findet eine Zweitheilung desselben statt.) Ganz Aehnliches gilt für die Phaeophyceen (betreffs Cufleria vergl. Bd. II. pag. 214 ff., Fig. 8), bei denen sich die mif der Differenzirung in der Gestalt der Gameten parallel gehende Differen- zirung in der Entwicklung von Oogonien und Antheridien theilweise sehr deut- lich verfolgen lässt (Zeiocarpus z. B. hat isogame Befruchtung, und die Sporangien, in denen die Gameten entstehen, stimmen mit den Oogonien und Antheridien von Cutleria der Hauptsache nach überein. Es gilt dies selbst noch für Formen wie Fucus, bei denen die Differenz zwischen Spermatozoiden nnd Eiern so un- gemein gross ist. Die Antheridien von /ucus stehen an Zellfäden, welche der Wandung der als »Conceptacula« bezeichneten Thallusgruben entspringen (vergl. Bd. IL, pag. 2ı1, Fig. 7). Die Oogonien entstehen aus der Endzelle eines solchen (nur 1) Es sind aber nicht etwa schon gebildete, vegetative Zellen, die zu Oogonien anschwellen, sondern die letzteren werden als solche gleich bei der Theilung einer Fadenzelle angelegt (vergl. PRINGSHEIM, Beitr. z. Morph. und Syst. der Algen, in dessen Jahrb. Bd. I. Die Bezeichnung Oogonium rührt von PRINGSHEIM her. 2) So bei Oedogonium tumidulum, PRINGSH., a. a. O. Taf. Il. Fig. 5. 3) Die Uebereinstimmung der Spermatozoiden mit den vegetativen Schwärmsporen giebt sich, abgesehen von der übereinstimmenden Gestalt — die Grössendifferenz kann dabei ausser Acht bleiben — auch dadurch zu erkennen, dass auch die Längsachse der Spermatozoiden, wie es scheint, dieselbe Richtung zur Fadenachse hat, wie die der vegetativen Zoosporen. Von den Androsporen mag hier ganz abgesehen sein. 2. Kapitel. Entwicklung der Sexualorgane. 417 zweizelligen) Fadens, die Antheridien stellen Zellen dar, die als Auszweigungen an verzweigten Zellfäden entspringen. Sie enthalten!) ursprünglich nur einen Zellkern, das Protoplasma ist ausgezeichnet durch den Mangel an braunen Farb- stoffkörpern. Es findet zunächst eine freie Vermehrung der Kerne durch wieder- holte Zweitheilung statt, und es bilden sich auf diese Weise zahlreiche Zellkerne. Jeder derselben umgiebt sich dann mit Plasma, das sich am vorderen Ende stärker anhäuft als am hinteren. Jede der so gebildeten nackten Zellen wird zu einer kleinen männlichen Schwärmspore, einem Spermatozoid, das zwei Cilien, und in seinem Protoplasmakörper ein kleines Farbstoffkörperchen enthält. Auch im Oogonium findet eine Theilung des Zellinhaltes statt in acht Portionen (die durch wiederholte Zweitheilung entstehen), welche später als membranlose »Eier« aus dem Oogonium und Conceptaculum entleert werden. Oedogonium und Fucus stimmen darin überein, dass der ganze Inhalt des Oogoniums zur Eibildung verwendet wird. Bei andern Algen wird vor der Befruchtung ein Theil der Plasma- substanz der Eizelle abgeschieden, ein Vorgang, den wir wohl der Bildung der »Richtungs- körper« an thierischen Eiern vergleichen dürfen (mehr noch stimmt die Bildung der Bauchkanal- zellen der Archegoniaten damit überein). Die Abscheidung eines nicht zur Eibildung verwendeten Theiles des Oogonium-Inhaltes kommt schon bei Oedogoninm-Arten vor: für Oed. diplandrum giebt Jurany1?) an, dass ein Theil des die farblose Stelle am Oogonium-Inhalte bildenden Plasmas ausgestossen wird. Bei Coleochaete?) schwillt eine Zelle behufs der Oogonium-Bildung an und verlängert ihren oberen Theil in einen engen Schlauch; dieser ist von farbloser Plasmasubstanz erfüllt, die bei der Oeffnung ausgestossen wird (ob vorher eine Kerntheilung stattfindet und einer der Kerne mit ausgestossen wird, ist nicht bekannt). Auch bei Vaucheria findet sich ein ähnlicher Vorgang. Das Oogonium entsteht als papillenförmiger Auswuchs an dem ungegliederten Schlauche. In älteren Stadien, wo das Oogonium schon durch eine Querwand nach unten ab- gegrenzt ist, wird das obere Drittel von farbloser Substanz eingenommen, welche dann durch die gequollene Oogoniummembran hindurch einen Fortsatz treibt, der sich zu einer Kugel abrundet und vom Ei ausgestossen wird®). Vom Characeen-Oo gonium werden am unteren Theil des- selben eine oder mehrere kleine Zellen abgeschnitten (BRAun’s Wendungszellen); die Bedeutung derselben scheint, wie in den eben erwähnten Fällen darin zu liegen, dass ein Theil des Oogonium-Inhaltes von der Eibildung ausgeschlossen wird. Schon bei einigen grünen Algen lässt sich die Entwicklung von Antheridien und Oogonien nicht mehr direkt parallelisiren. So bei Coleochaete. Die Oogonien entstehen hier wohl allgemein aus den Endzellen der Zellreihen, welche den Thallus zusammensetzen‘ Der Ursprung der Antheridien ist ein verschiedener, bei Coleochaete scutata bildet sich nach PRINGSHEIM eine ältere Zelle des scheiben- förmigen Thallus, welche ihre (vegetative) Theilungsfähigkeit schon längst ver- loren hat, zum Antheridium um, indem sie sich in vier Zellen theilt, deren In- -halt sich je zu einem Spermatozoid ausbildet; bei den andren Coleochaete-Arten entstehen die Antheridien als papillenförmige Sprossungen zu zwei oder drei an vegetativen Zellen, der Inhalt jeder Papille wird zum Spermatozoid. Würden die Antheridien an der Endzelle einer Zellreihe nur zu zweien auftreten, oder entstünden beim Auftreten von drei Antheridien-Papillen zwei derselben aus Theilung einer Anlage, so könnte man sie allenfalls noch als Umbildungen von Gabelästen der Endzellen betrachten, wodurch sie dann mit den Oogonien I) Das Folgende bezieht sich auf Fucus vesiculosus und serratus aus der Ostsee, 2) JuRANYI, Jahrb. für wissensch. Bot. IX. pag. ı. 3) PRINGSHEIM, Beitr. zur Morphologie und Systematik der Algen in dessen Jahrb. II. Bd. #) Vgl. V. ornithocephala. STRASBURGER, über Zellbildung und Zelltheilung. II. Aufl. pag. 90. SCHENK, Handbuch der Botanik. Bd. II. 27 ä 418 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. eleiche Entstehung zeigen würden, allein das erscheint nach den vorliegenden Daten ausgeschlossen. Dasselbe gilt für die Characeem!), welche für das Studium der morpho- Fig. 120. (B. 441.) (Aus Falkenberg, die Algen Bd II. des Handbuchs) I Spross von Chara fragilis, I Blatt von Chara mit Blättchenwirtel a Antheridium, e Eiknospe mit dem Krönchen K. III Optischer Längsschnitt durch einen Blattknoten, i Internodialzellen zwischen denselben die schmale Blattknotenzelle, a Antheridium, e Eiknospe mit den Hüllschläuchen h und dem Oogonium o, rr Rindenlappen. IV Eine Wandungszelle w des Antheridiums, m Manu- brium mit den daran sitzenden Spermatozoid-erzeugenden Fäden. V Sper- matozoid, VI Junge Eiknospe, VII Spitze der befruchtungsfähigen Ei- knospe, VIII Keimung (p Hauptwurzel, s Stengelknoten, w Wurzelknoten, a Vorkeimspitze. IX Vorkeim, h Anlage des Hauptsprosses. handen, das den Hauptstrahl über der Ursprungsstelle der Seitenstrahlen begrenzt, logischen Werthig- keit der Sexual- Organe und der Fortpflanzungs-Or- gane überhaupt in- teressante Anhalts- punkte bieten. Die Einzelentwicklung der Antheridien und der umhüllten, als Eiknospen be- zeichneten, Oogo- nien von Chara ist eine durchaus ab- weichende, es fragt sich nur, ob die Stellungsverhält- nisse übereinstim- men und ob sie durch Umbildung derselben vegetati- ven Theile entste- hen, und dadurch eine ursprünglich gleiche Entstehung erkennen lassen. »Die Antheridien finden sich bei den Charen stets an den Blättern und entstehen durch eigenthümliche EntwicklungeinerEnd- zelle des Blattes, sei es des Hauptstrahls oder eines Seitenstrahls. Bei den Nitellen mit ein- fach getheilten Blättern (N. syncarpa, flexilis) ist ein einziges, termi- nales Antheridium vor- somit der mittleren Zinke des meist dreigabeligen sterilen Blattes entspricht. Bei den Nitellen !) Vergl. A. BRAUN, Ueber die Richtungsverhältnisse der Saftströme in den Zellen der Charen. Monatsber. der Berl. Akademie 1852 u. 1853 (speciell im letzteren Jahrg. pag. 53 ff.). Eine ausführliche Schilderung des Aufbaus und der Entwicklung hat Sachs gegeben, (s. GOEBEL, Grundzüge der Systematik etc. pag. 58 ff.), eine Diskussion über die Bedeutung der Sporen- knospen (Eiknospen) CELAKOWSKY in Flora 1878. No.4u. 5. . 2 f BR an 2 2. Kapitel. Entwicklung der Sexualorgane. 419 mit wiederholter Theilung der Blätter (V. fabellata, gracilis etc.) wiederholt sich das An- theridium gewöhnlich auch auf den Seitenstrahlen des Blattes, jedoch stets mit Ausnahme der Seitenstrahlen letzten Grades, welche nie Antheridien tragen, sondern die Antheridien als Gabelspitzen umgeben. Die Antheridien erscheinen daher bei den Nitellen gabelständig. Bei den Tolypellen befinden sich die Antheridien niemals auf dem Hauptstrahl des Blattes, sondern terminal auf den kürzesten einfachen Seitenstrahlen der unteren Blattgelenke oder auch im Grunde des Quirls selbst auf kurzen Stipularstrahlen!). Bei Cara sind die Antheridien seitlich und ver- treten die Stelle der kleinen, eingliedrigen Seitenstrahlen des Blattes- (der Blättchen)- und zwar gewöhnlich die Stelle des innersten, dem Stengel zugewendeten Blättchens; seltener treten auf der einen oder auf beiden Seiten des Antheridiums noch weitere Antheridien statt Blättchen auf« (A. BRAUN a. O. pag. 53). — Die Theile des Vegetationskörpers, welche zur Bildung der Antheridien verwendet werden, sind also bald ein Seitenblättchen in toto, bald das Endglied eines Blattes bald eine Stipula; die Uebereinstimmung besteht im Grunde nur darin, das die Antheridien immer blattbürtig sind und aus Umbildungen von Blatttheilen hervorgehen. Dagegen hält Braun die Eiknospe für ein Gebilde mit dem »morphologischen Rang eines Sprossese.. »Die Lage der Sporenknöspchen ist bei den Characeen ebenso verschiedenartig, als die der Antheridien, doch erscheinen sie niemals gipfelständig auf dem Hauptstrahl des Blattes. Bei den Nitellen stehen sie bald einzeln, bald zu mehreren nebeneinander auf der Innenseite des Blattgelenks (Blatt- knotens) sei es des Hauptstrahles oder der Seitenstrahlen. Bei monöcischen Arten erhalten sie dadurch ihre Stelle unterhalb des Antheridiums. Bei manchen Tolypellen umgeben sie in grosser Zahl die auf kurzen Seitenstrahlen befindlichen Antheridien, sowohl an den Blattgelenken als am Grunde des Quirls. In der Gattung Cara stehen sie auf der Innenseite der Blattgelenke und zwar bei diöcischen Arten in der Achsel des innersten Foliolums — bei monöcischen Arten stehen sie in der Achsel des Antheridiums«e. Diese axilläre Stellung (»wie der Zweig aus dem Basilarknoten des Blattes, so entspringt die Eiknospe aus dem Basilarknoten eines Blättchens; wie dem zweigtragenden Blatt der nach oben gehende Berindungslappen fehlt, so fehlen auch dem Blättchen, welches die Eiknospe trägt, die nach oben gehenden Berindungszellen« etc. pag. 69 a. a. O.) war es hauptsächlich, die BRAUN zu der oben erwähnten Deutung bestimmte. Dazu kommt, dass aus der unter dem Oogonium liegenden Zelle fünf Schläuche entspringen, ähnlich wie ein Blattwirtel an einem Sprossknoten entsteht. Dieser Punkt fällt hier indess nicht in Betracht. Denn die Gliederung von Blatt und Stamm ist bei den Charen eine so über- einstimmende, dass der Unterschied beider hauptsächlich nur in der begrenzten Entwicklungs- fähigkeit beider besteht. Zudem fehlt der Basalzelle des Oogoniums, welche die Hüllschläuche erzeugt, ebenso wie den Blattknotenzellen die Halbirungswand, welche in den Stammknotenzellen auftritt. Vegetative Sprosse an der Stelle, wo die Eiknospen entspringen, kommen ferner nur ausnahmsweise vor (von BRAUN a. a. O. pag, 65 bei Nitella flabellata in einigen Fällen beobachtet) Es entspringt hier dann ein Spross an Stelle eines Blättchens, (denn in der That vertreten die Eiknospen der Nitellen offenbar die Stelle von Seitenblättchen) ein Vorkommniss, das indess auch sonst nicht ohne Beispiel dasteht. Jedenfalls aber zeigen die Nitellen, dass der axillären Stellung der Eiknospen bei Chara kein grosser Werth beizumessen ist, umsomehr als aus dem- selben Basilarknoten mit den Eiknospen auch zwei Blättchen entspringen?). Es liegt also keinerlei Nöthigung vor, die Eiknospen als metamorphe Sprosse zu betrachten, sondern sie können wie die Antheridien als blattbürtig angesehen werden, es sind die Oogonien Organe sui generis, die wie die Antheridien bei den einzelnen Arten verschiedene Theile des Blattes zu ihrer Bildung beanspruchen, bei den monöcischen Arten aber immer unterhalb der Antheridien stehen, woraus wie CELAKOVSKY hervorgehoben hat, die verschiedene Stellung ) Als Stipula bezeichnet BRAUN einzellige Schläuche, die aus den Basilarknoten der Blätter entspringen; vergl. die Abbildungen von SacHs, Fig. 30, 31, 32 a. a. O. pag. 60 u. 61. Sie sind offenbar nichts anders als der erste, rudimentäre Blättchenwirtel. 2) Wie wenig Gewicht auf die Stellungsverhältnisse zu legen ist, zeigt auch der Umstand, dass am »Vorkeim« die Anlage des Hauptsprosses dieselbe Stellung hat wie die Blättchen des ersten Blattwirtels, (vergl. DE BArY, Zur Keimungsgeschichte der Charen. Bot. Zeit. 1875 pag. 377 ff. Taf. VI Fig. 42—45), während die Seitensprosse der Hauptpflanze axillär stehen. DR 420 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. der Eiknospen bei JVitella und Chara sich ergiebt!). Die teratologischen Befunde habe ich hier absichtlich unberücksichtigt gelassen. Sie sind in einigen Angaben A. BrAun’s niedergelegt. Er sah bei Nitella syncarpa Eiknospen, bei welchen die Hüllschläuche sich zum freien Quirl ent- wickelt hatten, während die sonst zum Oogonium werdende Zelle als verlängerte Zelle erschien, welche die den Endgliedern der Nitellen gewöhnliche, mit auffallender Schichtung der Zellhaut verbundene Zuspitzung zeigte.«e »Hier hatte sich das aufgelöste Sporenknöspchen in einer, völlig der Blattnatur entsprechenden Weise abgeschlossen. Andererseits sah ich aber auch mehrmals. (namentlich bei Nizella flabellata) gewöhnliche vegetative Sprosse mit völlig normaler Bildung des Stengels und der Blattquirle zwischen den Seitenstrahlen des Blattes (also an der Stelle, wo sonst die Sporenknöspchen sich befinden, erscheinen; doch fehlen bis jetzt Mittelstufen), durch welche die Möglichkeit der wirklichen Umbildung des Sporenknöspchens in solche vegetative Sprosse bestimmt nachgewiesen werden könnte.e Bei der grossen Uebereinstimmung von »Blatt« und Stamm bei den Charen ist auch eine direkte Umbildung einer Eiknospenanlage in einen Spross durchaus nicht undenkbar. Auch die Sexualzellen selbst unterscheiden sich nun aber viel schärfer von den vegetativen, die Spermatozoidbildung zeigt der vegetativen Schwärmsporen- bildung (die aber bei Chara z. B. ganz fehlt) gegenüber bedeutende Differenzen. Indem wir den Aufbau des Chara-Antheridiums als bekannt voraussetzen resp. auf die Schilderung desselben im zweiten Bande dieses Handbuches verweisen, soll hier nur auf die Spermatozoidentwicklung kurz eingegangen werden. Charak- teristisch für dieselbe ist die hervorragende Rolle, welche der Zellkern beim Aufbau des Spermatozoidkörpers spielt, der seiner Hauptmasse nach aus Zell- kernsubstanz besteht, deren Uebertragung auf das Ei bei der Befruchtung von hervorragender Bedeutung erscheint. Es geht der eben erwähnte Satz sowohl aus der Entwicklungsgeschichte als aus den chemischen Reactionen des fertigen Spermatozoids?) hervor. Das faden- förmige Spermatozoid von Chara (Fig. 120, V) zeigt 3—4 Windungen und trägt an seinem vorderen, zugespitzten Ende zwei lange Cilien, das hintere Ende des Schraubenbandes hat bei Chara aspera die Gestalt eines kugeligen oder ovalen Bläschens, in welche sich einige glänzende Tröpfchen (wahrscheinlich Fett) befinden. Das Schraubenband besteht seiner Hauptmasse nach aus einer Substanz, deren Reactionen mit denen der Nucleine, welche den wich- tigsten Bestandtheil der Zellkerne ausmachen, übereinstimmt. Diese Haupt- masse des Schraubenbandes wird von einer dünnen Hülle umschlossen, welche weder von Pepsin noch von concentrirter Salzsäure, verdünnter Kochsalz- oder Sodalösung gelöst wird, auch der grösste Theil des hinteren Bläschens zeigt diese Reaction, besteht also wahrscheinlich wie die Hülle aus »Plastin«, während die Cilien ihrer Hauptmasse nach aus einer in Pepsin löslichen, in Kochsalz und concentrirter Salzsäure unlöslichen Substanz bestehen, von dem Schraubenband also ihrer chemischen Beschaffenheit nach verschieden sind. Das Schrauben- 1) Es lassen sich noch eine Anzahl von Gründen gegen die gewöhnliche Auffassung, dass die Eiknospen Sprossnatur besitzen, aufführen. So das regelmässige Vorkommen von fünf Hüllschläuchen, während die Zahl der Blätter resp. Blättchen in einem Quirl gewöhnlich eine andere ist. Ferner phylogenetische: wir müssen offenbar annehmen, dass die Oogonien ursprüng- lich nackt waren, wie bei anderen Chlorophyceen und die Umrindung erst später auftrat. Die wichtigsten Gründe aber sind die oben angeführten: die offenbare Homologie der Eiknospen von Chara und Nitella (obwohl letztere nicht axillär sind), ferner die Thatsache, dass vegetative Sprosse normal an Stelle der Eiknospen sich überhaupt nicht finden, und die von der der Stammknoten abweichende Theilung in der Basalzelle der Eiknospe. 2) Betr. derselben, vergl. ZACHARIAS, über die Spermatozoiden. Bot. Zeit. 1881, pag. 827 ft. ‚2. Kapitel. Entwicklung der Sexualorgane. 421 band also stimmt in seiner chemischen Zusammensetzung überein mit den »Köpfen« thierischer Spermatozoen, die Cilien mit den »Schwänzen« der ersteren, die ebenfalls aus Eiweisskörpern bestehen. Mit diesen mikrochemischen Ergeb- Schon SCHACHT hatte nissen stimmt auch die Entwicklungsgeschichte überein. erkannt, dass der Zellkern der Spermatozoid- Mutterzellen sich in hervor- ragender Weise bei der Sperma- tozoidbildung betheiligt. Neu- ere Angaben liegen vor von SCHMITZ und ZACHARIAS. Nach Schımitz?) bildet der Zell- kern durch di- rekte Umge- Fig. 121. (B. 442.) staltung den Chara Spermatozoidentwicklung. In A liegt das Protoplasma dem Zellkern 5 als breites Band auf einer Seite an. In C ist eine Zelle gezeichnet, in Körper des welcher die Cilienbildung bereits begonnen hat (eine Cilie läuft als feiner Spermatozoids, Faden über den Zellkern hin), das Zellplasma zur Bildung desselben (und des indem seine pe- cilientragenden Vorderendes) aber noch nicht aufgebraucht ist. Auch in B e 2 sind die Cilien gezeichnet, in den andern Figuren nicht. In H fast fertige ripherische Spermatozoiden, I (nach Sachs) ein freigewordenes Spermatozoid von Nitella Schicht sich ver- flexilis. dichtet und zu einem spiralig eingerollten Bande spaltet. Nur das vordere, cilientragende Ende geht aus dem Protoplasma der Spermatozoidmutterzelle hervor. ZACHARIAS (a. a. O. pag. 849) lässt unentschieden, ob das Vorderende mit den Cilien die von ScHMITZ angegebene Entstehung zeige, oder vielleicht aus dem Kerne hervorgestreckt werde. Im Uebrigen kommt er im Wesentlichen zu ähnlichen Resultaten wie SCHMITZ, nur soll das hintere Bläschen höchst wahr- scheinlich nicht aus dem Kernprotoplasma, sondern aus dem Zellprotoplasma hervorgehen. Meine eigenen Wahrnehmungen an zwei Charaspecies stimmen mit diesen Angaben nicht überein. Die Mutterzellen der Spermatozoiden sind in den Antheridien bekanntlich zu langen. Zellfäden angeordnet, die man in Analogie mit thierischen Verhältnissen etwa als Spermatophoren bezeichnen könnte. Aus jeder Fadenzelle geht ein Spermatozoid hervor. Die jungen Spermato- zoidmutterzellen zeigen einen relativ grossen Zellkern dem körnigen Protoplasma, von dem er sich scharf abhebt, in der Mitte eingebettet. Die folgenden Stadien wurden theils frisch, theils nach kurzer Einwirkung von Osmiumsäure und Färbung mit Essigsäure-Methylgrün oder Haema- toxylin mittelst einer ZEiss’schen Oelimmersion untersucht. Die erste wahrgenommene Veränderung ist die,-dass sich das Zellplasma in Form eines breiten Bandes an einer Seite des Zellkernes an- legt (Fig. 121, A), der dabei entweder seine centrale Lage in der Zelle beibehält oder mehr nach einer Seite derselben rückt. (ZACHARIAS dagegen giebt a. a. O. an, die Kerne rücken an eine Aussenwand der Zelle, das Plasma hingegen sammelt sich mehr an der entgegengesetzten D) Untersuchungen über die Struktur des Protoplasma’s und der Zellkerne. Sitz.-Ber. der niederrhein. Ges., 13. Juli 1880, pag. 31 des Sep.-Abdr. 422 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. Seite an). Zuerst entstehen nun die Cilien. Ehe von dem Körper des Spermatozoides irgend etwas zu sehen ist, sieht man feine Contouren über den Zellkern verlaufen. Die Cilien gehen also sicher aus dem Zellplasma hervor, das zu ihrer Bildung verbraucht wird, ohne dass ich über diesen Vorgang im Einzelnen etwas Näheres anzugeben wüsste. Die ersten Anfänge des Spermatozoidkörpers selbst erscheinen in Form eines stark lichtbrechenden Knopfes an einer Seite des Zellkerns. Untersucht man etwas ältere Stadien, so sieht man, wie der Körper des Spermatozoids in Form eines ziemlich breiten Bandes als Verlängerung jenes Knopfes aus dem Zellkern hervorwächst. Von einer »Spaltung« des peripherischen Theiles des Zellkerns habe ich hier also nichts gesehen. Würde eine solche stattfinden, so wäre zu erwarten, dass das junge Spermatozoid dem centralen Theile des Zellkerns dicht anliege. Dies ist aber, wie die Figuren zeigen nicht der Fall: das Spermatozoidband steht vielmehr vom Zellkern oft weit ab und legt sich der Zellwand an. Der Vorgang scheint nach dem Obigen vielmehr der zu sein, dass der Zellkern zuerst auf einer Seite einen bandförmigen Auswuchs bildet, der sich allmählich ver- längert, wobei die übrige Substanz des Zellkerns (mit Ausnahme des farblosen Bläschens) zum Wachsthum dieses Bandes verwendet wird; man sieht dem entsprechend auch deutlich, wie der Zellkern mit dem Fortschreiten der Spermatozoidentwicklung an Volumen abnimmt. Später findet dann noch eine Verlängerung des Spermatozoidbandes statt. Das bläschenförmige Hinter- ende aber geht, wie mir in Uebereinstimmung mit SCHMITZ kaum zweifelhaft scheint, ebenfalls aus dem Zellkern hervor. Es wird also zur Spermatozoidbildung der ganze Zellinhalt verwendet, der aber eigenthümliche Umgestaltungen erleidet. Wahrscheinlich ist auch die Spermazoident- wicklung auch anderwärts eine ähnliche. Jedenfalls entsteht, wie schon HOFMEISTER und SCHACHT betonen, der Körper des Spermatozoids überall unter hervorragender Betheiligung des Zellkerns. Es würde für die hier verfolgten Zwecke von wenig Belang sein, die Zell- theilungsfolgen, durch welche die Antheriden der Muscineen und »Gefäss- kryptogamen« zu Stande kommen, hier im Einzelnen zu schildern. Es genüge, daran zu erinnern, dass das fertige Antheridium im Wesentlichen überall denselben Bau hat: ein bei den verschiedenen Abtheilungen verschieden geformter, gestielter oder ungestielter Zellkörper, der aus einer Wandschicht und dem von derselben umschlossenen Complex von Spermatozoid-Mutterzellen besteht, zuweilen wie bei den Marattiaceen, Lycopodiaceen und Ophioglosseen auch in das Gewebe der Geschlechtsgeneration versenkt ist. In der Entwicklung der Antheridien weichen Muscineen und Gefässkryptogamen ab. Bei letzteren erfolgt in der Antheridien- anlage früh schon die Sonderung des Theiles, aus dem die Wand hervorgeht und desjenigen, der die Spermatozoid-Mutterzellen liefert. Die letzteren lassen sich ihrer Abstammung nach auf eine Zelle, die »Centralzelle« des Antheridiums zurückführen. Bei den Muscineen ist dies nicht der Fall, es erfolgt die Scheidung von Wand und Inhalt später, bei den meisten Jungermannien gehen die Spermatozoidmutterzellen aus zwei, bei den Marchantieen und Laubmoosen aus viel mehr übereinander gestellten Zellen hervor. Die Oogonien, hier Archegonien genannt, unterscheiden sich von denen der Algen hauptsächlich durch den Besitz eines ursprünglich geschlossenen, erst bei der Reife sich öffnenden Leitungsweges für die Spermatozoiden, des Oogonien-»Halses«. Charakteristisch ist auch für die ganze Archegoniatenreihe die Entwicklung der Eizelle: der Umstand, dass die im Bauchtheil des Archegonium liegende Centralzelle sich theilt in eine obere kleine, später zu Grunde gehende, die Bauchkanalzelle, und eine untere, die später sich zur Eizelle abrundet. Jenes von der Eizellanlage abgetrennte Stück lässt sich vergleichen mit den Richtungskörpern thierischer Eizellen, welche den neueren Angaben zu Folge ebenfalls Partieen der Eizelle darstellen, welche nach vorausgegangener Kerntheilung vom Ei ausgestossen werden und zu Grunde gehen. Auch bei den in Rede stehenden pflanzlichen Eizellen liegt der Modus des Be- „2. Kapitel. Entwicklung der Sexualorgane. 423 fruchtungsaktes wohl überall darin, dass die Kernsubstanz des Spermatozoids mit dem Kern der Eizelle verschmilzt und dadurch die Eizelle zur Embryobildung befähigt, während sie, wenn die Befruchtung nicht erfolgt, in normalen Fällen zu Grunde geht. Was zunächst die Beziehungen der Sexualorgane der Archegoniaten zu den vegetativen Theilen be- trifft, so werden die ersteren gewöhnlich als »metamorphosirte Tri- chome« bezeichnet, weil sie aus Oberflächen- zellen hervorgehen, auch in einigen Fällen bezüglich ihrer Stellung mit Haargebilden über- einstimmen. Es ist das aber, wie schon früher hervorgehoben wurde, eine rein äusserliche, nur die Entstehungsart ins Auge fassende Be- nennung. Auch in rein for- maler Beziehung passt diese Bezeichnung nicht auf die ins Gewebe Fig. 122. (B. 443,) versenkten Antheridien Antheridien und Spermatozoiden homosporer Farne (I—V und A—B der oben genannten el D = a u Dane Gefässkryptogamenund a hirta cz Centralzelle, gz Wan zelle (aus der die Wand ; ; geht) st Stiel, Spm Spermatozoidmutterzellen, A—B An- auf die Archegonien theridien Zu Ceratapteris haleireiikes A zwei noch nicht geöffnete von Anthoceros, die Antheridien, B ein schon geöffnetes, im Innern desselben ist eine Year. Spermatozoidmutterzelle mit schon entwickeltem Spermatozoid zurück- ebenfalls vollständig ins geblieben. C Antheridium von Gymnogramme sulfurea, D ausge- Gewebe versenkt sind. bildete Spermatozoiden, D, von /%eris aguilina, D2 und D3 von Zudem stehen die Sexu- Gymnogramme sulfurea, va körnerführende Blase. alorgane vielfach an Stellen, wo anderweitige Organe, namentlich »Trichome» gar nicht vorkommen. So bei den thallosen Lebermoosen, welche ihre Sexual- organe auf der Rückenseite des Thallus tragen, welcher bei Riccia, Marchantia etc. keinerlei Haarbildungen trägt, während bei /elia z.B. auch die Thallus-Rücken- seite schleimabsondernde, rasch vergängliche Papillen trägt. Antheridien und Archegonien der thallosen Formen stimmen, von kleinen Verschiedenheiten abgesehen, in Bezug auf den Ort und die Art ihrer Anlegung überein). Auch für die foliosen Formen hat LEITGEB?) eine solche, allerdings nicht ganz durchgreifende Uebereinstimmung nachgewiesen. Die Antheridien der beblätterten Lebermoose entstehen aus den seitenständigen Segmenten, sie stehen in den Blattachseln. Am Grunde des Blattes werden durch der Blattfläche parallele Theilungen Segmente herausgeschnitten, die sogleich nach ihrer Bildung zu den 1) Auch scheinbar abweichende Formen bilden keine Ausnahme. Bei Marchantia z. B. werden die Archegonien ebenso wie die Antheridien auf der Thallus-Oberseite angelegt, erst später erscheinen sie auf die Unterseite verschoben. 2) Untersuchungen über die Lebermoose. II, pag. 51. 424 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. papillösen Antheridienanlagen auswachsen, deren erste vor der Blattmitte steht. LEITGEB hebt: hervor, dass die Stellung der Antheridien, z. B. bei Aadula übereinstimme mit der von Haaren, wie sie bei Laubmoosen, in ähnlicher Entstehungsweise sich finden (vergl. Fig. 35, A, wo t die Anlage eines solchen Haares darstellt). Unter den foliosen Lebermoosen sind Haarpapillen bei sterilen Sprossen nur von Scapania bekannt, wo sie in ganz gleicher Weise wie die Antheridien angelegt werden, eine Thatsache, welche von LEITGEB (a. a. O. pag. 44) als besonders wich- tiger Beleg für die Bezeichnung der Antheridien als metamorphosirter Trichome hervor- gehoben wird. Ich kann aber auf die angeführte Thatsache um so weniger Gewicht legen, als sie, wie erwähnt, isolirt steht, ferner weil, wie wohl allgemein angenommen wird, die foliosen Jungermannien sich aus den thallosen herausgebildet haben, bei denen eine solche Ueberein- stimmung mit den Haaren, wie oben erwähnt, nicht zu constatiren ist; drittens endlich, weil die Archegonienbildung uns zeigt, dass die Sexualorgane in ihrer Entstehung nicht an bestimmte Theile des Vegetationskörpers gebunden sind. Die Anlage der Archegonien tritt näher am Vegetationspunkt auf, als die der Antheridien. Vielfach erfolgt aber aus den fertilen Segmenten noch die Bildung von Perianthien (vergl. Bd. II, pag. 351). LEITGEB hat gezeigt, dass die aus den fertilen Segmenten sich entwickelnden Perianthiumtheile ihrem morphologischen Werth nach Blätter sind, welche in ihren Achseln die Archegonien ganz in gleicher Weise tragen, wie dies für die Antheridien der Fall iste. (a. a. O. pag. 51.) Wo aber die Anlage des Archegoniums in noch frühere Stadien der Segmententwicklung fällt, also noch näher an die Spitze des Stämmchens rückt, wo sie in den Segmenten früher auftritt, als die Blattanlage und früher als die Halbirungswand, da bleibt für die Blattbildung kein Raum mehr, sie wird vollständig unter- drückt und auch die Stammscheitelzelle der fertilen Sprosse wird zur Archegonienbildung ver- wendet. Hier hört die Möglichkeit der Bezeichnung als »Trichome«, auch wenn man sich rein auf den formal-entwicklungsgeschichtlichen Standpunkt stellt, auf, ich finde in diesem Verhalten eine Bestätigung des früher aufgestellten Satzes, »dies Alles zeigt uns, dass wir es hier (bei den Sexualorganen) mit Organen si generis zu thun haben, zu deren Bildung verschiedene Theile des Vegetationskörpers verwendet werden.e (pag. 130.) Antheridien und Archegonien der foliosen Lebermoose, wie die Archegoniaten überhaupt aber haben unzweifelhaft dieselbe morphologische Dignität. Es erinnert übrigens das Vorrücken der Archegonien gegen den Scheitel mit Unterdrückung der Blattbildung an die früher (Bd. II, pag. 339) geschilderte Brut- knospenbildung von Scapania nemorosa. An den unteren Blättern der betreffenden Sprosse ist nur die Spitze des Blattoberlappens mit Brutkörnern besetzt, weiter oben verkümmern die Blätter immer mehr, bis schliesslich an Stelle jedes Blattes eine Brutkörner-Gruppe tritt. Auch bei den Laubmoosen finden sich den eben geschilderten analoge Ver- hältnisse. ZFontinalis ist eines der am Genauesten untersuchten Beispiele. Das erste Antheridium entsteht aus der Scheitelzelle, die folgenden, ähnlich wie am vegetativen Spross Blattanlagen, aus den Segmenten der ersteren, die weiteren regellos aus Oberflächen-Zellen, eine Thatsache, die zeigt, dass sogar an ein und derselben Pflanze der Ursprungsort der Sexualorgane ein verschiedener sein kann, dass derselbe für die »morphologische« Auffassung der Sexualorgane selbst mit- hin offenbar von untergeordneter Bedeutung ist. Archegonien und Antheridien stimmen bei den Archegoniaten insoweit bezüglich ihrer Entwicklung überein, als beiderlei Sexualorgane aus je einer Zelle hervorgehen, ferner darin, dass die tellungsverhältnisse beider analoge zu sein pflegen!), obwohl bei den Prothallien der Gefässkryptogamen die Antheridien nicht wie die Archegonien an bestimmte, hinter dem Vegetationspunkt liegende Stellen gebunden sind.: Auch darin kann man noch eine Uebereinstimmung sehen, dass bei den meisten Lebermoosen Antheridium- wie Archegonium-Anlagen sich zunächst in zwei Theile theilen, eine untere Zelle, aus der der Stiel, und eine obere, aus der der Antheridien- resp. Archegonienkörper hervorgeht. Dann aber werden die Zelltheilungen ganz 1) Eine Ausnahme bildet z. B. Sphagnum. “2. Kapitel. Entwicklung der Sexualorgane. 425 andere, was um so weniger auffallen kann, als die Antheridienbildung bei den einzelnen Formen auf keineswegs übereinstimmende Weise vor sich geht!), wo- gegen die Archegonienbildung bei allen übereinstimmend erfolgt. Bei den Laub- moosen geht die Uebereinstimmung in der Entwicklung von Antheridien und Fig. 123. (B. 444.) Entwicklung der Sexualorgane von Angiopteris pruinosa ß hypoleuca MıqQ. A Durch- schnitt durch ein Prothallium, welcher ein junges Antheridium getroffen hat. Die An- lage der Antheridien (welche sowohl auf der Ober-, als auf der Unterseite des Pro- thalliums entstehen können), erfolgt, indem eine Prothalliumzelle sich durch eine Perikline theilt, in eine obere Zelle, die Deckelzelle, w, die später noch weitere Theilungen erfährt, und eine untere, die Centralzelle, welche sich in die Spermatozoidmutterzellen theilt. Die benachbarten Prothalliumzellen bilden durch Theilung eine Schicht von »Mantelzellen« um das Antheridium. Die Prothalliumzellen enthalten Chlorophyll und Stärkekörner. Ganz ähnlich verläuft wie Fig. B zeigt, die erste Anlegung der Arche- gonien, nur wird die Deckelzelle (h) hier zum »Hals«, der aus vier Zellreihen besteht, zwischen die sich ein Fortsatz der Centralzelle (h, in C) eindrängt — die Halskanal- zelle. b Bauchkanalzelle, c Zelle, die später zur Eizelle wird. Die Abscheidung von »Mantelzellen»seitens des Prothalliumsgewebes, welchem das Archegonium eingesenkt ist, erfolgt ganz ähnlich wie bei den Antheridien. (Nach JonKMANn.) Archegonien etwas weiter: es treten in der Archegonium-, wie der Antheridium- anlage zunächst zwei schiefe, nach entgegengesetzten Richtungen geneigte Wände auf (vergl. Fig. 26 B) die weiter folgenden Zelltheilungsprocesse, dagegen weichen in beiden Sexualorganen ab. Bei vielen Gefässkryptogamen stimmen Archegonien- und Antheridien-Anlagen insoweit überein, als sie auf einem jugendlichen Ent- 1) Es hängt dies zusammen mit der Gestalt der Antheridienanlage; in gestreckten Antheridien wie bei Marchantia pflegt zunächst Bildung von Querscheiben einzutreten, während in den mehr kugeligen Antheridien (z. B. der foliosen Jungermannien) eine andere Zelltheilungsfolge statt- findet. 426 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. wicklungsstadium (von der zuweilen auch fehlenden Stielbildung sehen wir hier ab) bestehen aus einer Centralzelle (c Fig.) und einer Wandungszelle. Bei den Archegonien liefert die Centralzelle die Eizelle (+ Bauchkanalzelle) und die Halskanalzelle, die Wandungszelle den Halstheil des Archegoniums, in welchen sich die Halskanalzelle später eindrängt; in den Antheridien liefert die Central- zelle die Spermatozoid-Mutterzellen, die Wandungszelle die Wand. Der Ent- (B. 445.) Fig. 124. Keimung der Mikrosporen von Selaginella (Martensii und caulescens) nach PFEFFER. In II ist die Mikrospore getheilt in die Prothalliumzelle (ve) und das Antheridium, welches aus einem Complex von Spermatozoidmutterzellen besteht IV Entleerung des Antheridiums, V Spermatozoiden. wicklungsgang der beiderlei Sexualorgane weicht von dem der Antheridien und Archegonien der Moose beträchtlich ab). Bei den heterosporen Gefässkryptogamen ist bekanntlich die Produktion von Archegonien und Antheridien auf verschiedene Sporen vertheilt. Die Prothallien- bildung tritt bei der Keimung derselben überall zurück, am meisten bei den kleinen männlichen Sporen, den Mikrosporen. Das Prothallium wird bei den heterosporen Farnen (Marsiliaceen und Salviniaceen nur durch eine einzige Zelle vertreten, ebenso auch bei den heterosporen Lycopodinen.?) Auch die Antheridien werden, denen der homosporen Formen gegenüber rudimentär: es fehlt die Bildung einer Wandschicht, das einzige Antheridium, welches gebildet wird, ist - ein Complex von Spermatozoidmutterzellen. Die Bildung der weiblichen Sexual- organe, der Archegonien, dagegen stimmt mit der der homosporen Formen im Wesentlichen überein. Dass bei den Samenpflanzen die Pollenkörner nichts anderes sind, als Mikro- sporen, während der Embryosack der Makrospore entspricht, wurde oben bei Darstellung der Sporangienentwicklung hervorgehoben. An den Makrosporen der der Coniferen spielen sich denn auch Vorgänge ab, welche denen der hetero- sporen (sefässkryptogamen ganz entsprechen. Sie füllen sich wie z. B. eine Makro- spore von Zsoetes mit Prothalliumgewebe, einzelne Zellen, die am Scheitel des letzteren liegen, werden zu Archegonien, die sich ganz ebenso entwickeln wie die N) Wie die Fig. 123 zeigt, wird bei den ins Gewebe versenkten Archegonien wie Antheridien ein Theil der Wand von dem umgebenden Gewebe geliefert, ganz ebenso wie bei den eingesenkten Sporangien, z. B. Ophioglossum. ?) Ob die von MILLARDET angegebenen, später verdrängten zwei Zellen in der Zsoötes- Mikrospore als rudimentäre Wandschicht des Antheridiums betrachtet werden können, wird sich derzeit wohl kaum mit Sicherheit entscheiden lassen. ‘2. Kapitel. Entwicklung der Sexualorgane. 427 der anderen höheren Archegoniaten nur dass (abweichend von den Gefässkrypto- gamen) eine »Halskanalzelle« nicht gebildet wird, der Halstheil sich nicht zur Zeit der Befruchtung öffnet. Es theilt sich nämlich die Archegonium-Mutterzelle durch eine Querwand in eine untere grössere Zelle, die Centralzelle, die später die Bauchkanalzelle von sich abgliedert (vergl. Fig. 18, I). Im Aufbau des Halstheils finden sich kleine Variationen, die um so weniger in’s Gewicht fallen können, als derselbe seine ursprüngliche Funktion, den Spermatozoiden als Leitungsweg zu dienen, hier ganz verloren hat. So finden wir denn die Halszelle öfters ganz ungetheilt bei Adies canadensis, bei andern erscheint der Hals von oben gesehen als Rosette, die aus vier bis acht Zellen zusammengesetzt ist (Cupressineen, Fig. ı8, I), die ihrerseits in mehrere Etagen abgetheilt sein können, Zicea excelsa, Pinus Pinaster etc. Eine ganz ähnliche Etagentheilung zeigt z. B. der Arche- gonienhals bei Zsoötes Zacustris.!) Während bei letzterer Pflanze die die Eizelle um- gebenden Zellen von den andern Prothalliumzellen sich nicht zu unterscheiden scheinen (nach den Abbildungen Hormeıster’s), bilden die Zellen, welche die Eizellen der Coniferen-Archegonien umgeben, eine den Tapetenzellen in den Sporangien vergleichbare Hülle um dieselbe. Auch für diesen Vorgang fehlt es aber nicht an Beispielen bei den übrigen Archegoniaten: er findet sich bei Farnen (vergl. Fig. 123) und Equiseten, scheint aber den Lycopodinen zu fehlen. Die Uebereinstimmung der Pollenkörner mit den Mikrosporen zeigt sich zu- nächst darin, dass eine Theilung in zwei Zellen auftritt (Fig. 18 IV.), von denen die eine, dem Antheridium entsprechende zum Pollenschlauch auswächst, während die andere sterile die Prothalliumzelle darstellt, die sich noch weiter theilen kann. Bei Abies pectinata ist z. B. das Prothallium ein aus zwei Zellen, bei der Cycadee Ceratozomia longifolia ein aus drei Zellen bestehender Zellkörper, in anderen Fällen bleibt das Prothallium einzellig wie bei den heterosporen Gefässkrypto- gamen. Statt des Antheridiums bildet sich wie erwähnt der Pollenschlauch, und zwar in den normalen Fällen erst dann, wenn das Pollenkorn auf die Mikropyle der Samenknospen gelangt ist. Bei der Antheridienbildung der Gefässkryptogamen- Mikrosporen zerklüftet sich der Zellinhalt der Antheridienzellen in eine Anzahl Spermatozoidmutterzellen. Bei Gymnospermen-Pollenkörnern findetein Vorgangstatt, den man mit dem eben erwähnten in Parallele zu setzen berechtigt ist, obwohl er nur in rudimentärer Form auftritt?) Der Zellkern der zum Pollenschlauch werden- den Zelle wandert in die Spitze derselben und theilt sich dort, um jeden der neuen Kerne findet Zellbildung statt, und die eine dieser Zellen pflegt sich (bei Juniperus virginiana) noch weiter zu theilen, die durch Theilung entstandenen nackten Zellen nehmen, sich in einer Ebene ausbreitend, das Ende des Pollen- schlauches ein. Die Analogie dieser im Pollenschlauch gebildeten Zellen mit den Spermatozoidmutterzellen ist schon von HoFMEISTER hervorgehoben worden?), Spermatozoiden, die nur da auftreten, wo die Oeffnung der Sexualorgane im Wasser erfolgt, finden sich hier aber nicht, vielmehr tritt die befruchtende Sub- stanz — wahrscheinlich die Bestandtheile einer der im Pollenschlauchende vor. 1) HoFMEISTER, Beitr. zur Kenntniss der Gefässkryptogamen. Abh. der Sächs. Ges. IV, par! 127... Taf. 1, Fig. 2—6. 2) Vergl. neben den älteren Angaben HOFMEISTER’s namentlich STRASBURGER, Ueber Be- fruchtung und Zelltheilung. pag. 17. 3) Vergl. Untersuchungen. pag. 132. 428 Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Pflanzenorgane. handenen nackten Zellen, vor Allem der Zellkern derselben — aus dem Pollen- schlauche in die Eizelle über, um mit deren Kern zu verschmelzen. STRASBURGER- fand in den Eizellen einen sphärischen, als Zellkern zu deutenden Ballen, der mit dem Kern der Eizelle verschmilzt, und offenbar aus dem Pollenschlauche stammt. Die Struktur der Eizelle selbst ist übrigens noch keineswegs genügend er- forscht, vor Allem die Natur der von HorMEISTER für »Keimbläschen« gehaltenen, von STRASBURCER — wie ich glaube mit Unrecht — für Vacuolen erklärten Partien. Mit dem eben kurz erwähnten Bau der Archegonien stimmen auch die der Cycadeen und der Gnetacee Zphedra im Wesent- lichen überein. Bei einer anderen Gnetacee, der merkwürdigen Welwitschia!) dagegen findet eine weitere Reduktion der Archegonienbildung statt: es unterbleibt die Bildung eines Halstheiles, die Archegonien bestehen aus einer einzigen Zelle. Es wird die Membran des Embryosackes an seinem Scheitel aufgelöst, einzelne Prothalliumzellen, welche sich von den benachbarten durch ihre Grösse und ihren reicheren Protoplasma- inhalt unterscheiden, wachsen schlauchförmig in das Samenknospengewebe hinein. Diese Zellen sind die Archegonien, die also weder einen Halstheil noch eine Bauchkanalzelle bilden, der Pollenschlauch legt sich TER Hrre) Ihnen seitlich an. Das schlauchförmige einzellige ben: durch eine uhrglasföormige Archegonium besitzt eine zwiebelförmig angeschwollene Wand ist eine kleine Prothal- Basis; es erinnert durch seine schlauchförmige Ver- ee er längerung sehr an analoge Vorkommnisse im Eiapparat ollentetrade von Orchis JFusca. Eine Zelle derselben hat der Angiospermen. Sa a eg Fe Bei den Angiospermen geht die Reduktion der (der der Prothallium- und der Sexualorgane in Pollenkorn wie Embryosack noch der schlauchtreibenden Zelle) weiter. Es sind zwar, wie STRASBURGER?) gefunden eingewandert sind. Nach er hat, die Vorgänge im Pollenkorn ähnlich wie in (B. 446.) Fig. 125. dem der Gymnospermen, es wird auch hier die Pollenzelle vor der Bestäubung getheilt in zwei Zellen, von denen die kleinere die Prothalliumzelle ist, sie kann durch weitere Theilungen zu einem 2—3 zelligen Gewebekörper werden, meistens aber bleibt sie einfach. Allein die Ab- grenzung der Prothalliumzelle von dem übrigen Polleninhalt erfolgt hier nicht mehr (oder doch nur in seltenen Fällen) durch eine feste Cellulosewand, ge- wöhnlich ist es nur eine Schicht vom Hautplasma, welche die beiden Zellen von einander trennt. Diese Trennungsschicht wird bald aufgelöst, die Prothallium- zelle löst sich von der Innenwand des Pollenkornes ab, und wird dabei spindel- oder halbmondförmig, eine Erscheinung, die wohl schon als Rückbildung aufzu- fassen ist. Die frei schwimmende Prothalliumzelle kann sich noch theilen, und die so gebildeten Zellen wandern in den Pollenschlauch ein, wo sie schliesslich unsichtbar werden. Ihr weiteres Schicksal ist nicht bekannt. Von Malva, dessen I) Vergl. STRASBURGER, Die Coniferen etc. pag. 95. ?) STRASBURGER, Ueber Befruchtung und Zelltheilung, Jena 1878. — Weitere Ausführungen bei ELFVInG,„Studien über d. Pollenkörner d. Angiospermen. Jen. Zeitschr. f. Naturw. Bd. XII. Pen 5 > u 2 ne U E a a Ze NE a N DE a nr