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CARL B. LORCK HANDBUCH DER GESCHICHTE

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WIEDERERWACHEN UND NEUE BLÜTE DER KUNST

1751 1882.

LEIPZIG

VERLAG VON J. J. WEBER MDCCCLXXXIII.

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VORBEMERKUN G

zu dem zweiten Teil.

Indem ich den Schlussteil meines Handbuches der Geschichte der Buchdruckerkunst etwas später und nicht unwesentlich umfangreicher, als es in der ursprüng- lichen Absicht lag, der Öffentlichkeit übergebe, geschieht es, trotz der wohlwollenden Aufnahme, welche dem ersten Bande sowohl seitens der Presse als des Publikums zuteil wurde, nur mit vermehrter Zaghaftigkeit.

Seite für Seite nähert sich die Darstelhmg einer Periode, in welcher jeder dem Fach angehörende Leser nicht nur zu den Zuschauenden, sondern, durch längere oder kürzere Zeit, in mehr oder weniger hervorragender Weise zu den Mitwirkenden gehört. Von den Leistungen dieser Periode wird er sich selbst ein Bild gemacht haben und eine fertige Meinung mitbringen. Über Einzelheiten wird derselbe nicht selten genauer unterrichtet sein, als der Verfasser des Btiches, und wird deshalb leicht geneigt sein, streng über letzteren zu Gericht zu, sitzen, der genötigt war, die Leisttmgen der verschiedenen Völker attf dem typographischen Gebiete als Gesamtmasse und in

VI VORBEMERKUNG.

ihrem Verhältnis zu einander atif einem massigen Räume in gedrängter Übersicht vorzuführen und dem deshalb manches weniger bedeuteiid erscheinen konnte, was viel- leicht dem Leser von einem nationale7i, lokalen oder persön- lichen Standpunkte von grösserer Bedeutung vorkommt. So kann es leicht geschehen, dass der Betreffende sein Ideal oder seine7i Lieblings- „Meister11 nicht oder nur mit wenigen Worten erwähnt findet oder dass über einen Gegenstand, welchen die Fachjournale die Pflicht hatten, ausführlich zu erörtern, nur eine kurze Notiz gegeben ist. Diesen Lesern muss ich zu bedenken geben, ei7ierseits, dass der vorliegende Band einen Zeitraum von fast andert- halb Jahrhunderten des mächtigsten Fortschreitens der Kunst in der alten und neuen Welt umfasst, anderer- seits', dass ein geschichtliches Handbuch weder ein tech- nisches Lehrbuch noch ein geschäftliches Adressbuch oder ein empfehlender Preiscourant für Fabrikanten sein kann und darf.

In der Innehaltung der richtigen Grenze des zu Besprechenden liegt eben die Hauptschwierigkeit eines geschichtlichen Handbuches , welches bis auf den heutigen Tag heranreicht. Dass indes diese Grenze überall richtig getroffen sein sollte, darf ich nicht behaupten. Missgriffe und Fehler, sowohl hinsichtlich des Weggelassenen als des Besprochenen, können bei der grosseji Reichhaltigkeit und Vielseitigkeit des Stoffes und bei der Unmöglichkeit, überall gleichmässig orientiert zu seilt, wohl vorkommen, nur hoffe ich, dass man ein tendenziöses Hervorheben oder Weglassen mir nirgends wird nachsagen können.

Über die i?i diesem Bande befolgte Gruppeneinteilung habe ich mich bereits in dem Vorwort zum ersten Bande ausgesprochen. Wenn ich auch bestrebt gewesen bin, jedem der maassgebenden Hauptländer sein Recht werden zu lassen, so ist es doch selbstverständlich, dass Deutschland

VORBEMERKUNG. VII

den Anspruch auf eine etwas detailliertere Behandlung als England und Frankreich hatte, doch hoffe ich, das erlaubte Maass zugunsten Deutschlands nicht überschritten zu haben.

Obwohl die Bedeutung ei7ier Offizin für die Geschichte sich keineswegs immer nach Zahl der Pressen oder der beschäftigte?^ Arbeiter messen lässt die berühmte Kunst- druckerei von H. Reiss in Wien arbeitete mit „einer" Hand- presse tmd „einem" Drucker , so schien es doch geboten, zur Vervollständigung eines Gesamtbildes des grossartigen Wirkens der heutigen Presse den Umfang der grösseren Offizinen anzudeuten, obwohl bei der Aufzählung einer Reihe von Firmen Monotonie nicht ganz zu umgehen war. Dasselbe gilt von den statistischen Angaben über ganze Länder oder einzelne Städte. Sie sind hauptsächlich auf Mitteilungen aus den fahren 1880 1882 begründet, ohne sich durchzueg an ein und dasselbe fahr zu halten, was für den Zweck einer allgemeineii Übersicht ohne Bedeutung war.

Hätte ich die Gewissheit, das mir gesteckte Ziel, welches ebenfalls im Vorworte zum ersten Bande gesagt wurde 1 erreicht zu haben: „mit dem enormen auf- gespeicherten Material aufzurätcmen, das Nutzlose zu beseitigen und in das zurückbleibende Wertvolle einiger- maassen Ordnung und Übersichtlichkeit zu bringe?tu, so würde ich mit grosser Befriedigung die Feder nach voll- brachter, jahrelanger mühsamer Arbeit weglegen;, jetzt kann ich es nur mit dem Bewusstsein thun, dass ich ehrlich bemüht gewesen, nicht gar zu weit hinter der Aufgabe zurückzubleiben.

Leipzig, den 24. Oktober 1883.

Carl B. Lorck.

INHALTS-VERZEICHNIS.

EINLEITUNG.

DAS LICHT UND DIE CHEMIE ALS FÖRDERER DER TYPOGRAPHIE.

Wiederbelebung der Buchdruckerkunst. Das geistige und das physische Licht. Photographie, Lithographie, Chemigraphie. Alois Sene- felder und der chemische Druck, Musiknoten-, Landkarten-, Ölbild- und Aquarelldruck, anastatischer Druck. Die Daguerreotypie. Die Silberphotographie, die Photographie und die Druckkunst, das Woodbury -Verfahren , der Lichtdruck, die Alberttypie, der photo- graphische Lichtdruck, die Photolithographie. Verschiedene Hoch- druckversuche: die Chemitypie, die Zinkhochätzung, ihre Vorzüge und Mängel, ihre Zukunftsstellung

3— 20

ERSTES BUCH.

DIE ANGLO-AMERIKANISCHE GRUPPE.

EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH (23 28).

I. KAPITEL.

SCHRIFTGIESSEREI UND SETZMASCHINEN DER ANGLO-AMERIKANISCHEN GRUPPE. Die Schriftgiesserei : W. Caslon H., J. Jackson, D. Bruce, Mac Kellar Smiths & Jordan u. a. Die Holztypen. Der Blindendruck. Lord Stanhopes Stereotypie. Die Giessmaschine: Nicholson, Elihu White,

X INHALTS - VERZEICHNIS.

Seite D. & G. Bruce, Johnson und Atkinson, Westcotts Giessmaschine. Die Setzmaschine, frühere Versuche: T.Alden, W. Mitchell, A. Fräser u, a. Hattersley, Kastenbein, Mackie. Der Matrix compositor und ähnliche Apparate 29 48

IL KAPITEL.

DIE DRUCK- UND HÜLFSMASCHINEN DER ANGLO- AMERIKANISCHEN GRUPPE.

Die Handpresse. Lord Stanhope und seine Nachfolger: Cogger, Clymer u. a. Die Auftragmaschine. Die Glatt- und Prägmaschine: Bramah. Die Schnellpresse : Friedrich König in England, Bensley, John Walter, der 29. November 1814, Kränkungen Königs, seine Abreise von London, Walters Eintreten für ihn. Die Nachfolger Königs: Napier, Applegath & Cowper, Hoe u. a. Die Endlosen: W. Bullock, die Walter-Maschine u. a. Die Mehrfarbe-Endlose. Die Tretmaschine. Die Ausleger, die Anleger. Die Satiniermaschine. Die Feuchtapparate. Die Bronciermaschine. Die Falzmaschine. Diverse Hülfsmaschinen. Walzen und Farbe. Die Materialien- handlungen , . . : 49 72

III. KAPIPEL.

DIE TYPOGRAPHIE UND DAS BUCHGEWERBE ENGLANDS.

England. Aufblühen der Typographie : J. Baskerville, Bowyer Vater und Sohn, J. Nichols, Miller - Ritchie , W. Bulmer, Th. Bensley, Hansard Vater und Sohn. Die Xylographie : Thom. Bewick. Der Farbendruck : G. Baxter, W. Savage, W. Congreve. Oxford, Cam- bridge, Edinburgh u. a. Die Zeitungspresse: Die Times und die Familie Walter; Stempel; telegraphischer Verkehr; Inseratenwesen; Statistisches. Der AccidenzdruCk. Der Buchhandel: Die illu- strierten Blätter, Ch. Knight. Der Bibeldruck. Die Bibliophilie : Lord Spencer, T. F. Dibdin. Die Buchbinderkunst.

Asien: Indien, China, Japan, der Indische Archipel. Australien,

die Südseeinseln. Afrika 73 IT4

IV. KAPITEL.

DIE TYPOGRAPHIE UND DAS BUCHGEWERBE NORDAMERIKAS.

Wachstum der Presse. Die Zeitungen: Statistisches, der Herald, Horace Greeley und die Tribüne, G. Childs und der Ledger, die Familie Harper, Frank Leslie und die illustrierte Presse. Die Holz- schneidekunst. Die Buchdruckerei und der Buchhandel: Die Staatsdruckerei und der Accidenzdruck, Organisation des Buch- handels. Grosse Druck- und Verlagsfirmen: Appleton, Lippincott,

INHALTS - VERZEICHNIS . XI

Seite Houghton u. a., Einfluss des deutschen Elements, Nachdruck deutscher Werke, deutsche Buchhandlungen und Zeitungen. Das Papier , 115 136

ZWEITES BUCH.

DIE ROMANISCHE GRUPPE. EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH (139 144).

V. KAPITEL.

DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE MASCHINEN IN FRANKREICH.

Die Schriftgiesserei: Das Schriftsystem Didots, seine Anglaise, Mole. Orientalia. Notendruck, E. Duverger, Charles Derriey und das typo- graphische Ornament. Holzschnitt und Hochätzung. Die Stereo- typie: Daule, Gaveaux, Jannin. Die Maschinen: Marinoni, Alauzet, Dutartre u. a. Die Utensilien. Farbe. Papierfabrikation. Die Buch- bindekunst 145 162

VI. KAPITEL.

DER STAAT UND DIE PRESSE IN FRANKREICH. DIE SCHÖPFER DER NEUERN TYPOGRAPHIE.

Der Staat und die Presse unter Ludwig xvi., der Revolution, Napoleon I., der Restauration, dem Bürgerkönigtum, Napoleon III. Die älteren Buchdruckereien : Die Staatsdruckerei und die Didot in ihrem Einflüsse auf die Typographie, die Familien Panckoucke, Barbou, Lottin, Treuttel & Würtz, Berger-Levrault, Dentu, Crapelet 163—190

VII. KAPITEL.

DIE MODERNE TYPOGRAPHIE FRANKREICHS UND DAS BUCHGEWERBE.

Das Aufleben des Buchgewerbes. Die Prachtwerke. Neue Bahnen. Der Cercle de la Librairie. Die Fachliteratur. Statistisches. Die Journallitteratur. Die moderne Typographie: A. Marne & Co., H. Fournier, P. Dupont, J. Claye, N. Chaix, H. Plön u. a. Der illustrierte Verlag: Ch. Furne, J. Dubochet, J. Paulin. Die Luxus- bücher: L. Curmer, G. Silbermann, Engelmann Vater & Sohn. Die verschiedenen Richtungen des Buchhandels: Baillere, Masson, Hachette & Co. u. a. Der archaistische Druck: L. Perrin, DJouaust. Die Bibliographie: Die Buchhandlungen für das Ausland. Statistisches X91 224

XU INHALTS -VERZEICHNIS.

Seite

VIII. KAPITEL.

DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE.

Die Niederlande: Zurückgehen der Kunst. Der Nachdruck. Die neuere Typographie Hollands und Belgiens. Italien: G. Bodoni. Langsame Fortschritte. Venedig, die Mechitaristen. Panfilo Castaldi. Der Buchhandel, die Familie Pomba. Rom, die Druckerei der Propaganda. Erfreuliche Aussichten. Spanien: J. Ibarra. Madrid. Barcelona. Portugal: Die Staatsdruckerei. Südamerika: Buenos Aires, Rio de Janeiro, Lima, Cuba, Mexiko. Nordafrika: Algier, Ägypten. Türkei : Aufblühen und Verfall der Kunst. Jetzige Lage 225 252

DRITTES BUCH.

DIE GERMANISCHE GRUPPE. EINFÜHRUNG IN DAS DRITTE BUCH (253 266).

IX. KAPITEL.

ALLGEMEINER ÜBERBLICK ÜBER DAS DEUTSCHE PRESSGEWERBE.

Gedrückter Zustand des Pressgewerbes. Nachdruck und Presspolizei. Die kaiserl. Bücherkommission. Die Presse in den einzelnen Bundes- staaten. Die nationale Litteratur. Reform des Buchhandels. Der Börsenverein. Die Bücherproduktion. Der Buchdrucker -Verband und der Prinzipal -Verein. Statistisches. Die Papierfabrikation. Die Buchbinderkunst, der Masseneinband und die Handarbeit . 261 280

X. KAPITEL.

DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION IN DEUTSCHLAND- ÖSTERREICH.

Aufschwung der Schriftgiesserei. Ed. Hänel. Die deutsche Druckschrift. Walbaum Vater und Sohn. Hamburg, Berlin, Leipzig, Frankfurt a. M. Österreich. G. Haase, C. Faulmann. Die Stereotypie, die Galvano- plastik, die Dynamo-Elektrik. Die Giessmaschine. Die Illustration : Verfall im xvm. Jahrhundert, Wiedererwachen des Holzschnittes. Die Unger, Gubitz, Unzelmann, Kretzschmar u. a. Österreich: Prestel, Höfe], Knöfler u. a. Die Planotypie. Die Stigmatypie: Carl Fasol 281—304

INHALTS -VERZEICHNIS. XIII

Seite

XL KAPITEL.

DIE TYPOGRAPHISCHEN MASCHINEN IN DEUTSCHLAND.

Fr. König und die Schnellpresse. Die Bedeutung derselben. Jugend- geschichte Königs. Seine Rückkehr aus England. Etablissement König & Bauer in Oberzell. Kampf und Sieg. Die Zweifarben- maschine. Die Endlose. Die Maschinenfabrik Augsburg und andere Fabriken Deutschlands. Heibig & Müller in Wien und andere Fabri- kanten Österreichs. Die lithographische und die zinkographische Schnellpresse. Die Handpressen. Die Satinier-Schnellpresse. Die Farbenfabrikation 305 320

XII. KAPITEL.

DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE.

J. G. I. Breitkopf, seine Reformen, der Musiknotendruck vor Breitkopf und dessen Verbesserungen, Breitkopf & Härtel. G. J. Göschen. Friedr. Arnold Brockhaus und seine Nachfolger. B. G. Teubner. Karl Tauchnitz. Fr. Nies und seine Nachfolger. B. Tauchnitz. Das Jubelfest 1840. Giesecke & Devrient. Das Bibliographische Institut. Verschiedene Offizinen Leipzigs. Dresden: Meinhold & Söhne u. a. Halle: Waisenhausdruckerei, Schwetschke & Sohn. Weimar: Hof- buchdruckerei. — Gotha: Just. Perthes. Braunschweig: Vieweg & Sohn, G. Westermann, Dr. Heinrich Meyer und das Journal für Buchdruckerkunst 321 356

XIII. KAPITEL.

DER NORDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.

Berlin: Wachsende Bedeutung. Die Familie Decker, Unger Vater und Sohn, Gebr. Unger, Familie Spener, Reimer, Mittler u. a. Ed. Hänel- Gronau. Die Zeitungsdruckereien. Die Accidenzdruckereien. Die lithographischen und sonstigen Kunstanstalten. Breslau. Frank- furt a. O. Posen. Königsberg. Danzig. Stettin. Lübeck. Hamburg. Bremen. Hannover. Köln: Die Offizin der „Kölnischen Zeitung" 357 382

XIV. KAPITEL.

DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.

Emporwachsen Stuttgarts: Die Familie Cotta. J. B. Metzler. Die illu- strierte Litteratur. Ed. Hallberger, Gebr. Kröner u. a. Die Xylo- graphie. Der Buchhandel. Statistisches. Tübingen. München: Aufschwung aller graphischen Künste: Kasp. Braun, Fr. Hanfstängl, J. Albert, Fr. Bruckmann u. a. Nürnberg. Regensburg. Augsburg. Rheinische Städte. Frankfurt a. M. Mainz und das Einweihungs-

XIV INHALTS-VERZEICHNIS.

Seite fest. Freiburg i. Br. Dornach: Ad. Braun. Strassburg: Das Guten- bergdenkmal, die Bibliothek. Die Schweiz. Lokale Schwierigkeiten. Basel: Die Familie Haas. Zürich : Orell Füssli & Co., Kartographie. St. Gallen : Chr. Zollikofer. Einsiedeln: Gebr. Benziger. Bern 383 412

XV. KAPITEL.

DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.

Presszustände in Österreich. J. T. Trattner. J. G. Trassier. J. v. Kurz- beck. A. Schmid. Familie Gerold. J.V.Degen. A. Auer. Die Hof- und Staatsdruckerei. W. v. Braumüller. Das Museum und die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst. Der Buchdrucker-Verein. Neuere Buchdruckereien Wiens. Die Druckereien in den Provinzen. Ungarn. Druckereien in Budapest und an anderen Orten. Stati- stisches aus Österreich-Ungarn 413 440

XVI. KAPITEL.

DIE ZWEIGE DER GERMANISCHEN GRUPPE.

Dänemark. Fortschritte der Typographie: B. Luno, Gebr. Thiele, C. Ferslew & Co. u. a. Die Chemitypie : C. Pill. Die Giessmaschine : L. Brandt. Die Setzmaschine: C. Sörensen. Die Schreibkugel: Mailing Hansen. Island. Grönland. Norwegen. Geistiges Leben. Schweden. Norstedt & Söner, Central -Tryckeriet u. a. Finnland. Russland und Polen. Die Staatsdruckerei und andere Offizinen. Das Zeitungswesen. Die Donauländer: Serbien, Rumänien, Bulgarien. Griechenland . 441 464

REGISTER.

A. Namen- und Sachregister 465 487

B. Nachweis der angeführten Quellenschriften 488—493

EINLEITUNG.

9

DAS LICHT UND DIE CHEMIE ALS FÖRDERER DER TYPOGRAPHIE.

DAS LICHT UND DIE CHEMIE ALS FÖRDERER DER TYPOGRAPHIE.

Wiederbelebung der Buchdruckerkunst. Das geistige und das physische Licht. Photographie, Lithographie, Chemigraphie. Alois Senefelder und der chemische Druck, Musiknoten-, Landkarten-, Ölbild- und Aquarelldruck, anastatischer Druck. Die Daguerreotypie. Die Silberphotographie, die Photographie und die Druckkunst, das Woodbury -Verfahren, der Lichtdruck, die Alberttypie, der photographische Farbendruck, die Photolithographie. Verschiedene Hochdruckversuche: die Chemitypie, die Zinkhochätzung, ihre Vorzüge und Mängel, ihre Zukunfts Stellung.

LS die Grenze des allmählichen Rückganges, teilweise der Erniedrigung der Buchdruckerkunst, von welcher Wiederbelebung der Leser in dem ersten Teil der Geschichte bereits kunst. Kenntnis nahm, zugleich als der Ausgangspunkt einer neuen Entwickelung zum Besseren kann das dritte Jubeljahr der Erfindung bezeichnet werden. Nicht lange nach diesem Zeitpunkt beginnt eine, fast durch mehr als ein Jahrhundert sich erstreckende ununterbrochene Kette von Verbesserungen und neuen Erfindungen auf dem Gebiete der Druckkunst, so dass diese um die Zeit der vierten Jubelfeier, begünstigt von dem überall aufblühenden, frischeren geistigen, politischen und gewerblichen Leben, ihre zweite Glanzperiode antritt, inmitten welcher wir uns jetzt noch befinden, von der festen Zuversicht durchdrungen, dass unsere Nachkommen von einem abermaligen Herabsteigen von der erklommenen Höhe nicht zu berichten haben werden.

4 DAS LICHT UND DIE CHEMIE

In der letzten Hälfte des xvni. Jahrhunderts knüpften die Verbesserungen und Erfindungen noch behutsam an das Bestehende an; von dem Beginn unseres Jahrhunderts an ging es aber mit Sturmschritten auf neuen Bahnen unaufhaltsam vorwärts.

Meister Blutlos " hatte das Scepter in die Hand genommen

Die Maschinen, und je mehr wir uns unseren Tagen nähern, um so uneingeschränkter wurde die Herrschaft dieses Meisters, „der aus dem Gedanken des Menschen Leben trank und Nahrung zog, die seinen eisernen Gliedmassen Kräfte verlieh, welche der Mensch selbst nicht besitzt". Doch nicht genug hiermit. Der graphischen Kunst entstanden neue mächtige Bundesgenossen in der alles belebenden Sonne und in den geheimen Kräften der Natur, in deren nimmer rastende Werk- stätte die Chemie uns einen belehrenden Einblick eröffnet hatte. Indem Gutenbergs Kunst der Menschheit zu dem geistigen Das Licht. Licht der Kenntnisse verhalf, durch welche es ihr gelang, sich die Kräfte des physischen Lichts dienstbar zu machen, erreichte sie zugleich, dass das letztere nunmehr seinerseits eines der wichtigsten Mittel zur Verbreitung der geistigen Erleuchtung wurde: die Sonne selbst zeigte sich als eine direkte Förderin der Druckkunst, wenn- auch zugleich als eine gefährliche Konkurrentin, deren Macht zu weichen jedoch selbst unserm Altmeister nicht zur Unehre gereichen würde, denn in der Photographie mit den vielen in ihr wurzelnden Reproduktionsverfahren liegen Kräfte, welche denen des Hercules in der Wiege gleichen. Sie zeigen sich jetzt schon als ganz ausser- ordentliche, obwohl sie sich noch in den ersten Stadien ihrer Entwickelung befinden und erst ahnen lassen, welche Umwälzung sie der Druckkunst in der Zukunft bereiten können.

Eine junge, als Förderin der graphischen Kunst jedoch ältere

Lithographie. Kraft denn die ewige Sonne, wuchs in der LITHOGRAPHIE empor. Wennauch diese Kunst heute bereits aufgehört hat, den hervor- ragenden Platz zu behaupten , den sie eine Zeitlang als Produzentin künstlerischer Schwarzdrucke einnahm, so macht sie sich um so mehr im Farben- und Lichtdruck um Wissenschaft und Kunst, Industrie und Gewerbe verdient; hat jedoch schon eine neue, nach

' hemigraphie. mehreren Richtungen hin glückliche Mitbewerberin um die Gunst des Publikums in der Chemigraphie gefunden, welcher, wie es scheint, eine grosse Zukunft bevorsteht.

ALS FORDERER DER TYPOGRAPHIE. 5

So sehen wir heute eine Reihe von graphischen Verfahren mit der Typographie zur Herstellung der mannigfachsten Druckwerke Die typographi-

. . sehen Institute.

je nach ihrer Eigenart einträchtig zusammen wirken. Jedes dieser Verfahren kann seine eigentümlichen Vorzüge geltend machen und zugleich die Kräfte der anderen benutzen. Deshalb pflegen auch die grösseren typographischen Institute von heute gewöhnlich gleichzeitig mehrere Verfahren, wodurch sie imstande sind, Arbeiten für die verschiedensten Zwecke der Wissenschaft, der Bildung, des Handels, des bürgerlichen und des staatlichen Lebens in einer Vollendung zu liefern, wie sie durch eine einzelne dieser Künste nicht zu erreichen gewesen wäre.

Jedoch, je mächtiger die Technik vorwärts schritt, je allgemeiner der Dampf, das Licht und die Chemie das Übergewicht erlangten, zurücktreten der umso mehr musste die Biographie aufhören, als Mittelpunkt der Geschichtschreibung zu dienen, während sich in den früheren Perioden die Teilnahme vorzugsweise auf hervorragende Männer richtete, die mit dem historischen, zumteil auch mythischen Nimbus umgeben waren und deren Stellung in der Geschichte der Typo- graphie von der öffentlichen Meinung längst bestimmt war.

Heutzutage, wo die Buchdruckerei hauptsächlich, wennauch im besten Sinne, eine auf Grossbetrieb angelegte Fabrik geworden, ist die Maschine und das Fabrikat in den Vordergrund getreten. Der Besitzer einer vortrefflichen Buchdruckerei ist jetzt nicht immer ein vortrefflicher Buchdrucker, dessen Name in der Geschichte fortleben wird , sondern oft nur ein gut rechnender Kaufmann , der imstande war, das beste Material anzuschaffen, und klug genug, um durch einen tüchtigen Dirigenten und tüchtige Arbeiter das zu ersetzen, was ihm selbst fehlt. Das Individuum tritt somit gegen die Gesamtsumme der Tüchtigkeit und des Unternehmungsgeistes eines ganzen Volkes und ■■ das müssen wir allerdings hinzusetzen gegen die Summe von dessen Kapital zurück.

Doch auch ganze Völker verlieren nach und nach viele ihrer Eigentümlichkeiten und selbstverständlich sind es namentlich die Der intematio- kleineren unter denselben, oder die in der Kultur zurückgebliebenen, die sich von der Anziehungskraft der grossen Zentren beeinflusst fühlen. Wie in der Politik, der Litteratur, der Kunst und dem Handel der Kirchturmsausblick dem kosmopolitischen Fernblick

DAS LICHT UND DIE CHEMIE

Platz machte, so auch in der Typographie. Je leichter der Verkehr zwischen den Nachbarländern sich gestaltet, um so leichter und schneller eignet sich ein Volk die Vorzüge und Erfindungen des anderen an. Diese Leichtigkeit geht so weit, dass es, obgleich es sich oft um eine uns nahe liegende Vergangenheit handelt, nicht mehr zu konstatieren ist, wem oder welchem Lande diese oder jene Erfindung gehört. Der Eine wirft einen Gedanken hin; der Andere nimmt ihn auf und arbeitet ihn weiter aus; der Dritte macht einen unpraktischen Versuch damit ; dem Vierten erst gelingt die Durchführung. Oft geschieht diese Aneignung unwillkürlich, oft entsteht ein Gedanke gleichzeitig bei Mehreren; die Luft ist sozusagen mit Erfindungsstoffen geschwängert.

Unter solchen Verhältnissen wird es, je mehr wir uns der Jetzt- zeit nähern, desto schwieriger, eine streng gesonderte Behandlung der typographischen Geschichte jedes einzelnen Volkes, jeder Stadt, jeder Firma beizubehalten, denn Eigentümlichkeiten machen sich hauptsächlich nur in den grösseren Gruppen bemerkbar.

Von solchen bildeten sich im Laufe der Zeit drei : die Anglo Amerikanische, die Romanische und die Germanische. Nicht immer war die nationale und sprachliche Verwandtschaft der Völker für die Gruppierung allein massgebend; öfters wirkten auch poli- tische, merkantile und technische Verhältnisse sehr stark mit. So sehen wir, wie den germanischen nahe verwandte Länder, wie die Niederlande, mehr der romanischen Gruppe in der Typographie sich zuneigen, während die, dem Germanentum nichts weniger als freundlich gesinnten slawischen und magyarischen Völker sich in gewerblich-technischer Hinsicht der germanischen Gruppe anreihen. Der ferne Osten Asiens und Australien unterliegen der Wucht der Beherrscherin des Ozeans, während der Einfluss Frankreichs sich in den Umländern des Mittelmeeres, in den europäischen sowohl wie in den afrikanischen und asiatischen, geltend macht.

Es wird unsere Aufgabe sein, in den folgenden Abschnitten die eigentümliche Entwickelung , welche jede dieser Gruppen, trotz der Amalgamierung der Völker im allgemeinen, genommen hat, zu verfolgen. Warum wir mit der Anglo - Amerikanischen Gruppe anfangen, daran die Romanische reihen, und mit der Germanischen schliessen, ergiebt sich aus der Geschichte.

ALS FORDERER DER TYPOGRAPHIE. 7

Bevor wir jedoch an diese Gruppen herantreten, um die Leistungen der einzelnen zu überschauen, ist es nötig, auf das Entstehen und Fortschreiten der erwähnten neuen Schwesterkünste der Typographie, des STEINDRUCKS, des LICHTDRUCKS und des ZINKDRUCKS, in ihrem Zusammenhang unter einander und mit der Typographie , einen Blick zu werfen r, der sich allerdings innerhalb der engsten Grenzen zu halten haben wird. Die Reihe eröffnet dem

DIE LITHOGRAPHIE.

„Ich wünsche, dass die Steindruckerei bald auf der ganzen Erde verbreitet, der Menschheit durch viele vortreffliche Erzeugnisse Alois Senefeide vielfältigen Nutzen bringen und zu ihrer grösseren Veredlung gereiche, niemals aber zu einem bösen Zweck missbraucht werden möge. Dies gebe der Allmächtige; dann sei gesegnet die Stunde, in der ich sie erfand."

So spricht nicht unähnlich seinem grossen Vorgänger Gutenberg in der Nachschrift zu dem Katholikon (I, S. 33) der Erfinder der Lithographie Alois Senefelder in seinem berühmten Werke2, voll des Dankes gegen die Vorsehung, welche ihn als Werkzeug benutzt hatte, um die Menschheit einer grossen Wohl- that teilhaft werden zu lassen.

Sollte nun auch die Lithographie so wenig, wie die Typographie, von jedem unedlen Missbrauch verschont bleiben, so wiegen trotzdem bei beiden der „vielfältige Nutzen" und die erzielte „Veredlung der Menschheit" so schwer, dass der Erfinder wohl ohne Bedenken die Stunde der Erfindung segnen mochte. Jeder Deutsche kann aber ausserdem mit Stolz dieser Stunde gedenken, denn er zählt den Erfinder auch dieser, nach der Typographie wichtigsten der lichtbringenden Künste zu den Seinigen.

Dass Senefelder die Ehre nicht streitig gemacht werden konnte, wie es mit Gutenberg geschah, dafür hatte der letztere gesorgt, so dass ersterer selbst in der Lage war, durch sein Werk über seine

1 Die wichtigeren Erscheinungen der einschlägigen reichen Litteratur sind am Schlüsse des Bandes zu finden.

2 A. Senefelder, Vollständiges Lehrbuch der Steindruckerey. Mit einer Vorrede von Fr. v. Schlichtegroll. München 1818.

Wesen der Lithographie.

Lithographie

8 DAS LICHT UND DIE CHEMIE

Kunst uns zu teilnehmenden, Begleitern durch sein wechselvolles Leben und alle Phasen seiner Kunst zu machen. Er konnte selbst unwidersprechliches Zeugnis ablegen, dass es kein Verfahren in der Lithographie giebt, welches von ihm ungeahnt, ja unversucht geblieben wäre.

Durch diese lange Reihe von Versuchen dem Erfinder zu folgen, ist hier nicht möglich; es sei nur erwähnt, dass Alois Senefelder am 6. November 1771 zu Prag geboren wurde, sich der Jurisprudenz widmen sollte, jedoch, von unwiderstehlichem Drang geleitet, in München dem Theater als Dichter und Darsteller zugeführt wurde; dass er, zu arm, um seine Theaterstücke drucken zu lassen, nach vielen Experimenten, um eine billigere Herstellung zu finden, schliesslich durch Zufall auf die Entdeckung der Lithographie geführt wurde.

Das Gravieren in Stein, selbst das Atzen eines solchen, so dass eine Zeichnung auf demselben erhaben zurückblieb, war nichts Neues, und dass die Chinesen ein lithographisches Druckverfahren hatten, wurde bereits (I, S. 4 und 282) erwähnt. Das Charakteristische der neuen Erfindung lag in der Entdeckung, dass eine mit fetter Kreide oder fetter Tinte auf einem Stein von besonderer Art gemachte Zeichnung von über ihn gegossenem Scheidewasser nicht angegriffen wird, dass ferner die auf den Stein aufgetragene fette Farbe nur auf der Zeichnung haften bleibt, von den geätzten, gummierten und gefeuchteten Steinfiächen jedoch abgestossen wird, schliesslich, dass es möglich war, einen Abdruck mechanisch auf einen andern Stein zu übertragen und, wie in der Typographie durch die Stereotypie, durch Wiederholung hiervon neue Druckplatten in unbegrenzter Zahl herzustellen, wodurch es der Lithographie, namentlich seit Erfindung der lithographischen Schnellpresse, möglich geworden , der Typographie auf einzelnen Gebieten erfolg- reiche Konkurrenz zu machen.

Durch die neue Kunst konnte eine massenhafte Verbreitung ,von Nachbildungen älterer und neuerer Kunstwerke in einer Schnelligkeit und Billigkeit stattfinden, wie sie durch den Grabstichel nicht zu erreichen war, was ausserordentlich zur Popularisierung der Kunst beitrug. Wissenschaftliche und technische Werke Hessen sich durch Beigabc lithographischer Tafeln verständlicher machen ;

ALS FORDERER DER TYPOGRAPHIE. O,

Nachbildungen gaben die Miniaturen des Mittelalters in prachtvollem Gold- und Farbendruck wieder; die Verkauf lichkeit der Zeitschriften und der Lieferungs werke fand durch schwarze, kolorierte, später durch bunt gedruckte Bilder einen gewaltigen Vorschub.

Vor allem bemächtigte sich die Lithographie des musikalischen Notendruckes. Es war dies der erste Zweig, der von Senefelder Der Notendruck, selbst mit Erfolg betrieben wurde und ein vorteilhaftes Überein- kommen mit dem bekannten Musikalienhändler Andre in Offenbach herbeiführte, das jedoch später von Senefelder selbst, wohl ohne hinreichenden Grund, aufgehoben wurde. Der musikalische Typen- druck konnte sich von jetzt ab nur dann bewähren , wenn der Text einen überwiegenden Teil bildete, namentlich also bei theoretischen Werken, oder wenn die Auflage, was bei musikalischen Werken nur selten vorkam, eine sehr grosse war. Ausserdem Hess die Lithographie eine zum Kaufen anlockende Ausschmückung zu und jeder Walzer oder jedes sentimentale Lied erhielt ein Titelblatt mit schwungvoll verzierten Schriften, wenn nicht gar mit einer bildlichen Darstellung, als Helferin beim Absatz.

Ein Feld, welches vom Beginn ab ebenfalls der Lithographie zufiel, war die Herstellung von Landkarten und Plänen. Dieser Der Landkarten- Zweig nahm nach und nach einen ausserordentlichen Aufschwung. Die Methode, durch Anwendung verschiedener Schraffierungen und Ätzungen mit wenigen Farbensteinen eine grosse Zahl von Farben- abstufungen hervorzubringen, ist zu hoher Vollkommenheit gediehen. Die Schichtlegung ist viel methodischer geworden und es gelang, ein naturgetreues, fast plastisches Bild zu geben.

Wer es mit der Xylographie gut meinte, konnte sich nur freuen, dass sie von einem Feld abgedrängt ward, welches sie nie mit Erfolg und nur notgedrungen bebaut hatte. Als jedoch die Lithographie mit ihrer leichten Herstellungsweise Miene machte, sich des ganzen Accidenzfaches zu bemächtigen, welches die Typographie so lange mit Glück betrieben hatte, da erhob sich ein heftiger Widerstand, der Veranlassung zu ganz wesentlichen Fortschritten der Typo- graphie gab. So kämpften altes und neues Verfahren mit einander, jenes um den bis jetzt innegehabten Platz zu behaupten, dieses um dem Gegner neues Terrain abzugewinnen, bis, wie es so oft geschieht, wenn tüchtige Gegner ihre Kräfte gemessen und schätzen gelernt

IO DAS LICHT UND DIE CHEMIE

haben, zum beiderseitigen Vorteil aus den Feinden Verbündete wurden.

Eine besonders eifrig gepflegte Art des lithographischen Ver- Der Ölbild - und fahrens ist der Farbendruck in den beiden Abzweigungen ÖLBILD-

Aquarelldruck.

und Aquarelldruck.

Das Verfahren bei der Herstellung beider ist in der Hauptsache Die Technik des dasselbe. Zuerst wird eine Pauszeichnung gemacht, auf Stein über-

Bilderdrucks. _ . ..

tragen und so oft abgezogen als Farbensteine notwendig sind. Auf jedem der Steine werden nun die Partien eingezeichnet, die mit gleicher Farbe gedruckt werden. Für manche Platten genügt es, sie mit einer Asphaltlage zu überziehen, auf der man durch Schaben und Schleifen Töne in so gleichmässiger Abstufung erzielen kann, als wären sie mit dem Pinsel gemacht. Die allgemeinen , leichten Töne des Bildes werden zuerst eingedruckt, dann folgen die Steine mit den Lokalfarben und den Formendetails, schliesslich wird das Bild mit neutralen Tönen abgestimmt. Da eine neue Farbe die vorherige nicht verbirgt, sondern mit ihr Mischung eingeht, so ist es klar, einerseits, dass grosses Verständnis, grosse Erfahrung und ein feines künstlerisches Gefühl dazu gehört, die richtige Tiefe der Töne zu treffen, andererseits, dass Nüancierungen, die nach hunderten zählen, durch die Verschiedenheit der über einander gedruckten Farben und die detailliertere oder leichtere Ausführung der Zeichnungen sich erzielen lassen.

Um den Eindruck des pastosen Pinselauftrags und der rauhen Malerleinwand oder bei den Aquarellen des rauhen Papieres, dessen man sich für die Aquarell - Zeichnungen bedient, hervorzubringen, werden die Pinselstriche oder Unebenheiten in einen Stein graviert oder geätzt und das fertige Bild mit diesem Stein, selbstverständlich ohne Farbenauftrag, durch die Presse gezogen, so dass die vertieften Stellen in dem Stein nunmehr als Erhabenheiten auf dem Bilde erscheinen.

Da zu einem gut ausgeführten Bild 20 bis 30 Farbensteine gehören, so sind die Kosten sehr hoch und nur die grossen Auflagen, welche durch die Schnellpresse sehr erleichtert sind, machen Preise möglich, die wenigstens fünfundzwanzigmal geringer sind, als die für eine oft mittelmässige Kopie. Wie weit die Chromographie es gebracht hat, beweist die Thatsache, dass die artistischen

Die Torchon- platte.

ALS FORDERER DER TYPOGRAPHIE. I I

Anstalten es auf Ausstellungen wagen konnten, Original und Druck neben einander aufzuhängen, um zu beweisen, dass ein Blick des Kenners dazu gehört, das Original vom Druck zu unterscheiden, ja, dass sogar für diesen bei dem Aquarelldruck eine Täuschung möglich war. Vortreffliche Dienste leistet der lithographische Farbendruck bei Herstellung der Bilder für den, jetzt auf einer hohen Stufe stehenden Anschauungsunterricht.

Nicht ohne Wichtigkeit ist der ANASTATISCHE Druck (von dem griechischen avaoxaon;, Auferstehung), namentlich um von älteren Der anastatische Drucken vollkommene Facsimiles herzustellen.

Nachdem der alte Druck mit verdünnter Salpetersäure getränkt worden ist, presst man ihn an einen Stein oder eine Metallplatte. Die Säure ätzt die Platte mit Ausnahme der mit Schrift, die nun ein wenig erhaben dasteht, bedeckten Stellen. Hat jedoch der alte Druck nicht mehr Fettigkeit genug, um die Säure abzustossen, so kann man erstem erneuern, indem man das Blatt in Weinsteinsäure legt. Hierdurch werden alle unbedruckten Papierstellen mit kleinen Weinsteinsäure - Krystallen überzogen , welche , wenn man mit den Schwärzewalzen über das Papier fährt, die Schwärze abstossen, die nur von der alten Schrift angenommen wird. Das Experiment ist jedoch, da die Möglichkeit der Vernichtung des Originals . vorhanden ist, immer bedenklich, wenn letzteres wertvoll oder gar unersetzlich ist.

Das Verfahren wurde von einem Schlesier Rud. Appel erfunden und von Faraday nutzbar gemacht. Da eine Verfälschung von Wertpapieren durch dasselbe leicht möglich war, stellten Appel & Glyne ein Patentpapier her, dessen Zusätze die Benutzung zum Umdruck aus chemischen Gründen unmöglich machten.

Eine Kalamität für die Lithographie ist der beginnende Mangel an gutem Steinmaterial. Die Steine bester Qualität sind nur in Lithographie- den Solnhofener Brüchen in Bayern zu finden; alle anderen Steine haben sich für bessere Arbeiten bis jetzt nicht bewährt, obwohl kein Jahr vergeht, ohne dass die Nachricht durch die Blätter läuft, jetzt seien wirklich gute Steine, bald in Polen, bald in Algier, dann in Canada, dann bei Marseille, aufgefunden. Ebensowenig haben die Versuche, die Steine durch eine künstliche Masse zu ersetzen, Erfolg gehabt. Unter diesen Verhältnissen steht dem Zink, welches

12 DAS LICHT UND DIE CHEMIE

die eigentümlichen Eigenschaften des lithographischen Steines besitzt, dabei billig ist, sich leicht aufheben und auf einem Cylinder zum Druck anbringen lässt, ganz abgesehen von seiner Verwendung in der Hochätzung, eine bedeutende Zukunft in Aussicht.

DIE PHOTOGRAPHIE.

Es war sehr erklärlich, dass die Camera obscura, welche das Camera obsctcra. Bild der Umgebung im kleinen auf das getreueste wiedergiebt, den Gedanken, ein solches Bild durch Lichtwirkung zu fixieren, weckte. Bereits im Jahre 1802 hatte der bekannte englische Steingut- fabrikant Wedgwood im Verein mit dem Chemiker Davy Experi- mente zur Herstellung von Lichtbildern auf einem mit Höllenstein überstrichenen Papier gemacht und Fox Talbot verbesserte das Verfahren. In Paris hatte Nicephore Niepce die grosse Licht- empfindlichkeit des Asphalt (Judenpech) entdeckt. Dieses Erdharz hat die merkwürdige Eigenschaft, dass es, obwohl für gewöhnlich sehr leicht löslich, dem Lichte ausgesetzt unlöslich wird. Überzieht man nun eine Kupferplatte damit und belichtet sie unter einer Zeichnung auf Papier, so wird der Asphalt auf allen Schattenstellen des Bildes löslich, und zwar nur dort; wischt man nun die löslichen Stellen weg und übergiesst die Platte mit Ätzsäure, so werden nur die blossgelegten Stellen angegriffen und es entsteht somit eine druckbare Platte. Man hatte es also bereits eigentlich mit der Heliographie zu thun, die, wie aus Niepces Hinterlassenschaft hervor- geht, von ihm erkannt, jedoch nicht praktisch geübt worden war.

Louis Daguerre in Paris hatte mit Niepce langezeit Versuche 1,. Daguerre gemacht, um auf Silberplatten, die den Dämpfen des schwarzen, 1 12. juii 1851. leichtflüssigen Jods ausgesetzt wurden, durch kurze Belichtung- Bilder hervorzubringen; es wollte dies jedoch nicht recht gelingen. Da führte ein reiner Zufall zu der Entdeckung, dass die auf der Platte hervorgebrachten äusserst schwachen Bilder in dunklem Verschluss durch Quecksilberdämpfe sich kräftig entwickeln. I liermit war die Daguerreotypie erfunden und wurde dieses Wunder am 19. August 1839 in einer Sitzung der Akademie der Wissenschaften in Paris der Welt verkündet.

Daguerres Verbesserungen ermöglichten es, die Aufnahmezeit von zwanzig Minuten auf eine bis zwei zu verkürzen. Durch die

ALS FORDERER DER TYPOGRAPHIE. 13

von Professor Petzval in Wien erfundenen und von Voigtländer ausgeführten Portrait- Doppelobjektive wurde die Zeit auf einige Sekunden reduziert, damit kam die Portraitaufhahme in hohen Flor und die Erfindung machte schnell ihre Weltreise.

Ein Übelstand war der Spiegelglanz der Platten, welcher den Totaleindruck sehr beeinträchtigte. Die gar zu grosse Treue, mit welcher jede Runzel, jeder Fleck und alles Nebensächliche in voller Stärke wiedergegeben wurde, wirkte ebenfalls störend und eine Retouche war unmöglich. Auch verlangte jedes Exemplar eine neue Sitzung. Die Versuche von Talbot und Niepce de St. Victor Die papier- führten nun dazu, erst ein Negativbild auf lichtempfindlichem Papier herzustellen, welches sich leicht fixieren Hess, und dann von diesem durch Lichtwirkung wieder ein positives Bild hervorzubringen, welches in einer beliebigen Anzahl von Exemplaren wiederholt und retouchiert werden konnte. Statt des Papieres wurde für den Negativprozess später Glas genommen, welches mit einer mit Jodkalium versetzten Firnislösung überzogen war, bis diese durch Kollodium ersetzt wurde. Hiermit gelangte die Portraitphotographie zu einer enormen Verbreitung. Auch Landschaftsbilder wurden in überraschender Vorzüglichkeit geliefert.

Mit ihren immer grossartigeren Erfolgen dient die Photographie nicht allein der Kunst durch getreueste Wiedergabe ihrer Erzeug- nisse, sondern auch den meisten Wissenschaften: der Feldmess- kunst, der Astronomie, den Naturwissenschaften und der Medizin; selbst das gerichtliche Verfahren zieht von ihr Nutzen. Viele Zweige der Industrie und des Kunstgewerbes, wie z. B. die Porzellan- und die Glasmanufaktur, haben in ihr eine grosse Förderin.

Was uns jedoch hier am meisten interessiert und am nächsten liegt, ist die Ausführung des Gedankens, die Photographie in die Photographie

. und Druckkunst.

Reihe der eigentlichen vervielfältigenden Künste einzuführen. Das Verfahren: ein negatives Bild in ein positives umzuändern, nimmt Zeit in Anspruch, und die Silberkopie, deren Haltbarkeit immerhin auch zweifelhaft bleibt, ist zu teuer, wenn es sich um Massen- produktion handelt. Man suchte deswegen nach Auswegen, die in verschiedener Weise gefunden wurden.

Fox Talbot entdeckte im Jahre 1852, dass der, durch eine chromsaure Kali- Leimlösung auf einer Stahlplatte gebildete Überzug

14

DAS LTCHT UND DIE CHEMIE

Tiefdruck- platten.

Hochdruck- platten.

I'aul Pretzsch,

im trockenen Zustande eine Schicht bildet, die, vom Lichte getroffen, unlöslich, jedoch, im Dunkeln aufbewahrt, mit Wasser sich auflösen lässt. Er belichtete nun eine solche Schicht unter einer Zeichnung oder einem positiven Glasbilde. Hierdurch wurden die vom Licht getroffenen Stellen der Schicht unlöslich, die durch die dunklen Partien der übergelegten Zeichnung oder Platte geschützten Stellen behielten jedoch ihre Auflöslichkeit. Wurden nun letztere im Dunkeln abgewaschen, so blieben erstere als eine Zeichnung auf bräunlichem Grunde zurück. Diese wurde nun geätzt und so entstand ein vertieftes Bild, wie es für den Stahl- oder Kupferdruck erforderlich ist. Ein anderes Verfahren übte G. Scamoni, ein Deutscher aus Würzburg und Angestellter der Staatsdruckerei in St. Petersburg, aus. Er hatte bemerkt, dass ein photographisches Negativ ein, wennauch sehr schwaches Relief bildet, in welchem die durchsichtigen Stellen (also die Schatten) tief erscheinen, während die undurchsichtigen (die Lichter) hoch sind. Dieses Relief Hess sich mittels chemischer Einwirkung durch Niederschläge erhöhen. Hier- durch gewann man ein Relief, fast so hoch, wie eine Kupferdruck- platte tief ist. Über dieses Relief wurde galvanisch eine Tiefplatte niedergeschlagen und man hatte somit eine druckbare Kupferplatte. Durch,, die Photographie waren beliebige Vergrösserungen oder Verkleinerungen möglich und Scamoni schaffte namentlich in letzterer Weise kleine Wunderwerke, die bei der Wertpapier-Fabrikation unschätzbar sind.

Für die Typographie musste jedoch die Herstellung von Hochdruckplatten durch die Photographie noch von unendlich grösserem Werte sein. Gelang es, dieses Problem in wirklich praktischer Weise zu lösen , so war ein unendliches Feld für die Typographie erworben.

In dieser Richtung ist namentlich Paul Pretzsch, ein Öster- reicher, von hoher Bedeutung. Durch Belichtung der mit salpeter- saurem Silber , Jodkali und doppeltchromsaurem Kali überzogenen Platte wird in bereits erwähnter Weise das erhabene Bild hergestellt. Nachdem es die genügende Festigkeit erlangt hat, wird eine Guttapercha -Mater darüber gepresst und nun ist es möglich, jenachdem das Bild ein negatives oder positives war, eine Platte für Tief- oder Hochdruck zu bilden. Während indes die vertieften

ALS FÖRDERER DER TYPOGRAPHIE. I 5

Platten ihren Zweck vollständig erfüllten, waren die Resultate der Hochplatten nicht vollkommen genügend. Die Vertiefungen waren, und das ist die Klippe für alle bisher gemachten Versuche in dieser Richtung, nicht genügend, um zu verhindern, dass die Schwärze in diese drang und den Druck schädigte. Eine Hauptschwierigkeit ist namentlich das Hervorbringen der Halbtöne.

Ein vortreffliches Verfahren zur Herstellung von Tiefdruck- platten ist der nach dem Erfinder genannte WOODBURYDRUCK. Das Woodbury- Nachdem man durch Belichtung in bereits geschilderter Weise ein Gelatinerelief nach einem Negativ auf einer Stahlplatte gebildet hat, wird es mit einer Platte von einem weichen Metall bedeckt. Beide Platten werden dann in einer hydraulischen Presse einem starken Druck ausgesetzt. Hierdurch gewinnt man eine druckbare Platte wie bei dem Naturselbstdruck, Der Drucker arbeitet an einem rotierenden Tisch, auf welchem sechs kleine Pressen, in der Art der Kopierpressen, stehen. Er tröpfelt eine warmgemachte, halb durchsichtige Gelatineschwärze auf die Platte, bedeckt diese mit dem Papier und bringt sie unter die Presse. Bis er mit allen sechs Pressen durch ist, hat sich die Farbe in der ersten zu einem schwachen Relief erhärtet, das in den dünnen Lagen weniger dunkel erscheint, als in den dicken. Bei den in der Dicke abnehmenden Stellen der Platte entsteht ein Übergang vom Dunkleren zum Helleren, gleich den Halb tönen in der Photographie, und somit ein der letzteren in der Wirkung ganz ebenbürtiges, dazu vollständig unveränderliches Bild.

In London übte die Relief Printing Company das Verfahren. In Frankreich wurde es durch Goupil & Co. in Asnieres bei Paris und in Deutschland durch Fr. Bruckmann in München zu hoher Vollkommenheit gebracht. Da auch die Herstellung des Bildes auf Glas möglich ist, so lassen sich prächtige Transparentbilder schaffen ; auch ist die Verwendung für die Stereoskopie und die Leite ma magicei von Bedeutung.

Verschieden von diesem Verfahren ist der eigentliche LICHT- DRUCK. Die Leimchromatschicht hat die Eigenschaft, dass sie in Der Lichtdruck. ihren belichteten Stellen für die fette Farbe empfänglich wird. Überfährt man nun mit einem nassen Schwamm einen belichteten Leimchromatbogen, so saugt er das Wasser nur an den nicht

l6 DAS LICHT UND DIE CHEMIE

belichteten Stellen auf. Färbt man ihn dann mit fetter Schwärze ein, so bleibt diese nur an den belichteten Stellen haften, und legt man das Papier darauf, so erhält man einen Abdruck in unveränderlicher fetter Farbe. Dieses von Poitevin entdeckte Verfahren ist namentlich von

Die Aiberttypie.J. Albert in München für die Praxis zur Vollkommenheit gebracht. Albert brachte die Gelatinelösung auf Glas und setzte die Rückseite für einige Augenblicke der Belichtung aus, wodurch die Masse auf das festeste mit dem Glas verbunden wurde. Von der Vorderseite wird die Schicht mit einem Negativ bedeckt und hierdurch die Platte in schon bekannter Weise hergestellt. Zum Druck bedient man sich der Walzen, und eine gut behandelte Platte hält bis zu iooo Abdrücke aus.

Die ebenfalls von Albert geübte FARBENPHOTOGRAPHIE wird

Der photogra- durch drei Aufnahmen, die eine durch rotes, die zweite durch

phische Farben- druck, blaues, die dritte durch gelbes Glas, auf mit verschiedentlichen

Substanzen behandelten Platten erzielt. Alle übrigen Farben erhält

Albert durch Übereinanderdrucken dieser drei Platten mit drei

Lasurfarben, deren Wahl den reinen Tonen des Sonnenspektrums

genau entsprechen muss.

Nächst Albert hat sich besonders Obernetter in München um den Lichtdruck verdient gemacht. Ganz besonders eignet sich dieser für die Wiedergabe von Bleistift- und Kreidezeichnungen. Will man den Lichtdruck an Glanz der Silberphotographie ähnlich machen, so wird er mit Lack überzogen. Mit einander verglichen, hat der Woodburydruck den Vorzug in der Wiedergabe der dunk- leren Partien, der Lichtdruck in derjenigen der .helleren.

Die Photolithographie, welche ebenfalls Poitevin ihre uie Photoikho- Existenz verdankt, hat mit dem Lichtdruck manches gemeinsame,

graphie.

aber auch von diesem wesentliche Verschiedenheiten. Poitevin überzog einen Stein mit der bekannten Lösung und stellte nach dem Negativ ein Chromobild her, das nur in den vom Licht getroffenen Stellen die Farbe annahm. Anfänglich fehlte es an den Halbtönen, die beim Waschen verlorengingen. Asser und Osborne versuchten es mit einem Umdruckverfahren von auf Papier erzeugten Bildern; die Abdrücke blieben jedoch auf Grund der körnigen Beschaffenheit des Steines sehr hinter der Photographie zurück, namentlich in den Mitteltönen, und das Verfahren eignete sich

ALS FÖRDERER DER TYPOGRAPHIE. ' IJ

deshalb nicht ganz für die Wiedergabe von Kunstblättern. Die Photozinkographie bietet, da die Zinkplatte dieselben Eigen- schaften besitzt wie der lithographische Stein, nichts Eigentümliches. Für die Kartographie hat die Photolithographie eine ganz besondere Wichtigkeit auf Grund der Schnelligkeit in der Herstellung Kartographie. und der Leichtigkeit, die Originale zu vergrössern oder zu verkleinern. Eine nützliche Bereicherung der Kartographie wurde ebenfalls durch die Photolithographie möglich, indem man erst Reliefkarten in Gips herstellte und diese photographierte resp. photolithographierte. Die in dieser Weise hergestellten Karten wirkten wie Reliefs.

DIE ZINKOGRAPHIE.

So höchst wertvoll alle diese Verfahren für das Buchgewerbe waren, so war damit doch die Hauptaufgabe, Hochdruckplatten Die ersten Hoch-

t-> t> druckplatten.

zu gewinnen, die sich auf der Buchdruckpresse mit I ext zusammen leicht drucken lassen, noch nicht ganz erreicht. Es sollte dies in anderer Weise gelingen.

Wenn der lithographische Stein geätzt wird, so ist das darauf zurückbleibende Bild in gewisser Beziehung ein erhabenes, jedoch ist diese Erhabenheit nicht genügend für den Druck auf der Buchdruckerpresse und da in dieser das Feuchten des Steines ausserdem nicht thunlich, würde der Stein sich vollschmieren. Es wurden deshalb viele Versuche gemacht, durch weitere, stärkere Ätzung dem Bilde die genügende Höhe zu geben. Bereits Senefelder hatte solche angestellt. Schon vor Ablauf des xviii. Jahrhunderts brachten Duplat und Susemihl aus Darmstadt in Paris recht gelungene Hochätzungen in Stein sowohl, als in Metall zustande. Duplat gab in dieser Weise 1812 Lafontaines Fabeln und Gessners Idyllen heraus. 1826 druckte der Kupferstecher W. Erhard eine Broschüre über die Hochätzung; 1827 nahmen Didot und Motte ein Patent, ihr Verfahren kam jedoch nicht zur Ausführung. 1832 hatte Bauckeller Hochätzungen geliefert. 1834 wurde der Metallhochschnitt von A. Dembour in Metz geübt, der 1835 sein Verfahren, Ektypographie, in einer Broschüre schilderte. Das- selbe war schon in Deutschland bekannt und in einem Werke, „Das Thierreich" von Dr. J. J. Kaupp, verwendet. Lithographischen Hochdruck brachte Jul. Baumgärtner in Leipzig zur Ausführung

l8 DAS LICHT UND DIE CHEMIE

und nannte ihn seine Erfindung, worüber sich ein heftiger Federkrieg entspann, denn die Kunst war schon vor mehreren Jahren von Girardet in Paris geübt, der damit einen Preis von 2000 Franken gewann. Es scheint jedoch, als habe Baumgärtner in gutem Glauben gehandelt. Alle diese Versuche, sowie die bereits oben erwähnten von Pretzsch und anderen mit erhabenen Kupferplatten, hatten jedoch keinen rechten Erfolg und die Praxis ergab so viele Misstände, dass dem grossen Betrieb nicht mit dem Verfahren geholfen war.

Schliesslich wurden in der CHEMITYPIE und der ZiNKHOCH- ÄTZUNG zwei Verfahren erfunden, die, wenn sie auch in vielen Fällen den Holzschnitt nicht ersetzen können, in anderen wieder vor letzterem Vorzüge und neben demselben jedenfalls eine grosse Zukunft haben.

Die beiden Verfahren werden oft als identisch betrachtet, sie Die chemitypie. sind es jedoch nicht. Bei der Chemitypie, von dem Dänen C. Piil erfunden und in Leipzig zur Ausführung gebracht, wird eine Zink- platte zuerst mit Deckgrund überzogen und dann die Zeichnung mit der Nadel gemacht und tiefergeätzt. Die vertiefte Zeichnung wird mit einem leicht flüssigen Metall ausgegossen und mit der Ober- fläche der Zinkplatte, von welcher der Deckgrund entfernt wurde, gleichgeschabt oder -geschliffen. Hierauf wird die ganze Platte einer Ätzung unterworfen , welche nur den biossliegenden Zink angreift, aber nicht das hineingegossene Metall, so dass das Bild nach der Atzung erhaben dasteht und nun eine für die Buchdruckerpresse verwendbare Platte bildet. Dieses Verfahren hat namentlich für die Kartographie eine ganz ausserordentliche Bedeutung und ermög- licht, unter Zuhülfenahme der Mehrfarbenmaschine, geographische Kartenwerke zu unglaublich billigen Preisen zu liefern.

Die Zinkhochätzung eignet sich mehr für Feder- und Kreide- Die zinkhoch- Zeichnungen. Auf die Zinkplatte lässt sich, wie auf lithographischen

ätzung.

Stein, mit präparierter Kreide oder fetter Tusche leicht zeichnen oder malen. Bringt man nun eine solche Zeichnung auf eine Zinkplatte oder überträgt man den mit fetter Farbe gemachten Abzug einer bereits vorhandenen Zeichnung, eines Holzschnittes, einer Litho- graphie oder eines Kupferstiches u. dgl. und ätzt die Platte, so wird nur die biossliegende Oberfläche des Metalls angegriffen und

ALS FÖRDERER DER TYPOGRAPHIE. 19

die Zeichnung bleibt, wie bei der Lithographie, stehen und tritt bei fortgesetzter Ätzung so weit hervor, dass sie sich auf der Buchdruckerpresse drucken lässt.

Als das Hochätzungsverfahren aufkam, gab es Enthusiasten genug, welche meinten, dass es von nun ab mit dem Holzschnitt Vorzüge und

Mängel der

vorbei sei. Andererseits fehlte es nicht an warnenden Stimmen Hochätzung. prinzipieller Gegner des Verfahrens, die von demselben nichts wissen wollten, weil es weder den Kupferstich, noch die Radierung oder den Holzschnitt vollständig ersetzen könne. Wäre die Rede davon, zwischen Xylographie und Hochätzung wählen und eine davon ganz fallenlassen zu müssen , so würde die Entscheidung kaum eine schwierige sein. Jedoch eine solche Entscheidung ist ja nicht zu treffen. Fehlt auch der Hochätzung der volle, satte Ton und die weiche Modulation des Holzschnittdruckes, so bleibt doch für sie ein sehr reiches Feld der Illustration übrig, auf welches der Holz- schnitt zumteil gar nicht folgen kann. Wo es sich in erster Linie um das nützliche handelt, in Mustervorlagen aller Art, in Schrift- arbeiten, Karten, in technischen und mathematischen Figuren, selbst in solchen künstlerischen Nachbildungen, die in Umrissen oder ohne bedeutende Tonabstufungen gehalten sind, wird die Hochätzung auf Grund der Billigkeit und der Schnelligkeit sehr oft den Vorzug verdienen. Aber kein Verfahren wird der durch vier Jahrhunderte Vergleich mit

i i v i i i tt -ii i dem Holzschnitt.

bewahrten Xylographie den Vorrang im allgemeinen streitig machen können. Neben den leichten, rasch verschwindenden Arbeiten werden die Schöpfungen der xylographischen Künstler und die Prachtwerke bleiben. Kein anderes Verfahren giebt dasselbe Kolorit, die Klarheit und Mannigfaltigkeit in der Abstufung der Töne, die Milde mit Kraft gepaart, wie der Holzschnitt. Kein Verfahren ist imstande, bei guter Ausführung die Zeichnung des Meisters in seinem Charakter so treu wiederzugeben ; keins hat die Fähigkeit, den Mängeln einer weniger guten Zeichnung so geschickt abzuhelfen. So wenig die Zahl der Bücher sich durch die Zeitungen vermindert, so wenig werden die xylographischen Kunstwerke durch Zeitungsillustrationen in den Hintergrund gedrängt werden. Wenn Zeit und Kosten nicht zu scheuen sind, wird man immer zum Holzschnitt greifen.

In einer Beziehung wird aber die Hochätzung die Illustrations- methode der Zukunft werden, nämlich, sobald die Frage der

20 DAS LICHT UND DIE CHEMIE ETC.

Die Hochätzung illustrierten Tagesblätter ernstlich auf die Tagesordnung gestellt presse. wird. Da schlagen die Schnelligkeit der Hochätzung und ihre Billig- keit, wenn sie inzwischen nicht durch neue Erfindungen verdrängt wird, durch. Eine in geeigneter Weise vom Zeichner behandelte Skizze, die z. B. zeitig am Nachmittage der Offizin einer illustrierten Zeitung übergeben wird, kann noch abends umgezeichnet und in eine druckbare Platte verwandelt gegen Mitternacht in der Presse sein, um dann, mit einer Schnelligkeit von 10 12000 Exemplaren in der Stunde auf der Rotationsmaschine gedruckt, in den Früh- stunden in den Händen des Publikums zu sein. Zugegeben auch, dass augenblicklich eine Stunde oder zwei noch zugelegt werden müssten, so ist das Erwähnte im grossen und ganzen kein Phantasie- bild und die Möglichkeit vorhanden, innerhalb der kürzesten Zeit eine Illustration für ein Tageblatt herzustellen. Allerdings müssen dann die Zeichnungen auch der Reproduktionsweise angepasst sein, es muss sozusagen eine Art Stenographie der zeichnenden Kunst entstehen. Eine besondere Ausbildung wird notwendig dazu sein, Zeichner für ein Tageblatt zu werden. Die Akademiker werden vielleicht die Nase rümpfen über einen solchen „Spezial- Artisten", wie der Gelehrte über „unsern eignen Korrespondenten". Die Kunst wird für diese Richtung ein Kunstgewerbe werden. Aber es entstehen wichtige, lohnende und ehrenvolle Stellungen für talentvolle Jüng- linge, von denen viele als Akademiker verkümmern würden. Das wirkliche Genie wird jedoch durch dieses künstlerische Reportertum ebensowenig zugrunde gehen, wie z. B. Charles Dickens durch seine Reporterwirksamkeit verhindert wurde, ein Dichter ersten Ranges zu werden.

Die Reproduktionsweisen sind da, es darf den Künstlern nicht nachgesagt werden, dass die Räder der Presse ihnen zu schnell gehen, dass die Chemie und die Sonnenstrahlen sich zu zeitig zu ihrer Disposition gestellt hätten.

ERSTES BUCH.

9

DIE ANGLO-AMERIKANISCHE GRUPPE.

EINFUHRUNG IN DAS ERSTE BUCH.

ENN die Presse in dem Zeitabschnitt von der dritten bis zur vierten Jubelfeier der Buchdruckerkunst einen derartigen Aufschwung nahm, dass man ihr einen Platz unter den Grossmächten einräumte, so hat man dies ganz besonders ENGLAND zu verdanken. Nirgends hat man, nachdem schon frühzeitig der schwere, jedoch erfolgreiche Befreiungskampf der Presse gegen ihre Feinde geführt war, es in gleichem Masse verstanden, die Unab- hängigkeit derselben von aller Despotie von oben und unten zu schützen, wie dort. Nirgends ist der Einfluss der Presse auf die öffentliche Meinung ein grösserer und wohlthätigerer gewesen; nirgends ist sie in gleicher Weise von dem Vertrauen des Publikums getragen worden, und nirgends hat sie sich eines solchen Vertrauens durch ihre Festigkeit und ihr Fernhalten von unreinen Tendenzen würdiger gezeigt, als in England. Kein Volk war so, wie das englische, von dem Bewusstsein durchdrungen, welch ein Palladium es in seiner freien Presse besass, ein Bewusstsein, welchem der bekannte Staatsmann und Dichter Sheridan in den stolzen Worten Ausdruck verlieh: „Gebt mir meinetwegen einen Tyrannen zum König, ein widerhaariges Oberhaus und ein demoralisiertes Unter-

Die englische Presse.

24 EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH.

haus, lasst mir aber die Presse und ich will sie alle über den Haufen werfen".

Kein Wunder, dass die Engländer, als einmal dies Bewusstsein Verdienste der von der Wichtigkeit der Presse bei ihnen Wurzel gefasst hatte, nun auch vor allen anderen Völkern es sich angelegen sein liessen, der Buchdruckerkunst ihre Teilnahme zu bekunden und sie derartig auszubilden, dass sie die ihr zu teil gewordene grosse Aufgabe auch vollständig zu erfüllen imstande war. Während in dem XVI. Jahr- hundert druckende und zeichnende Kunst in so glänzender Weise auf dem Kontinente sich verbunden hatten, leisteten die Engländer auch nicht annähernd das, was Deutschland, Italien , Frankreich oder selbst die Niederlande schafften. Als jedoch mit dem XIX. Jahrhundert die Aufgaben der Presse für das politische und praktische Leben immer grössere Dimensionen annahmen, da waren es die Engländer, die mit dem ihnen innewohnenden praktischen Sinn, verbunden mit ihrer Energie, allen anderen voran ihr Augenmerk auf die technische Vervollkommnung der Kunst richteten, so dass von nun an der Schwerpunkt der typogra- phischen Geschichte mehr in der Geschichte der mechanischen Erfindungen als in der der ausübenden Buchdrucker liegt.

Und da werden wir sehen, wie fast alle Verbesserungen und weitgehenden Reformen in der Technik der Druckkunst, der Schrift- giesserei, der Xylographie, der Farbenfabrikation, der Stereotypie und des Pressenbaues aus England stammen. Ja, selbst die rasche Einführung der deutschen, alle anderen weit hinter sich lassenden Erfindung der Schnellpresse haben wir, nach des Erfinders eigenen Worten, nur England zu verdanken, nicht minder die Dienstbar- machung des Dampfes für die Zwecke der Typographie.

NORDAMERIKA gebührt der Ruhm, neben dem Mutterlande Nordamerika, sehr vieles zur Vervollkommnung des typographischen Apparats bei- getragen zu haben. Hinsichtlich des Pressenbaues, der Stereotypie und der Schriftgiesserei zahlte es seine typographische Schuld mit Zins vom Zins an das Mutterland redlich zurück, und nicht selten hatten die Erfindungen, welche in letzterem geschäftlich ausgebeutet wurden, ihre Heimat jenseit des Ozeans, nicht selten wurden auch wieder englische Erfindungen dort der Vollkommenheit näher- gebracht.

EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH. 25

Somit ist die typographische Geschichte Amerikas mit der- jenigen Englands so eng verknüpft, dass beide sich nicht von einander trennen lassen , und wollen wir nicht Gefahr laufen, in der Erzählung vorzugreifen und Anachronismen zu begehen, so müssen wir den neuesten Abschnitt der Geschichte mit der anglo - amerika- nischen Gruppe beginnen; lässt es sich doch nicht einmal umgehen, die Anfänge der Erfindung Fr. Königs in dem dieser Gruppe gewidmeten Kapitel zu behandeln.

Betrachten wir die Erscheinungen der Typographie der Anglo- amerikanischen Gruppe und zunächst die ENGLANDS genauer, so DieTypographie

Englands.

finden wir, dass diese denselben Charakter der Solidität an sich tragen, der überhaupt den englischen Fabrikaten eigen ist. Kein Land hat in der Typographie der Mode geringere Konzessionen gemacht, als England. Es behielt seine breiten, etwas plumpen, aber sehr leserlichen Schriften bei und war selbst im Accidenzfache mit der Verwendung aller der unzähligen Zierschriften, die man gemeiniglich in Deutschland für nötig hielt, äusserst sparsam. Kann man auch nicht behaupten , dass sich in allen englischen Arbeiten ein geläuterter Geschmack kundgiebt, so bringen doch, selbst wo dieser fehlen sollte, in der Regel die Vorzüglichkeit des Materials, die Einfachheit, die Sauberkeit und die Korrektheit einen so befrie- digenden Gesamteindruck hervor, dass man nicht zum Reflektieren über einen etwaigen Verstoss gegen den feinen Geschmack kommt.

Dass England in INDIEN, OST- ASIEN und AUSTRALIEN seinen typographischen Einfluss geltend gemacht hat, versteht sich von selbst, ebenso, dass wir nicht berechtigt sind, aus diesen Erd- teilen jetzt schon Erzeugnisse, die einen ganz besonderen typo- graphischen Wert besitzen , zu verlangen, überall zeigt sich jedoch ein sehr rüstiges Vorwärtsschreiten, an welchem selbst der äusserste Vorposten der Kultur, JAPAN, sich eifrigst beteiligt.

Die Typographie NORDAMERIKAS kann keineswegs als blosser Abklatsch von derjenigen Englands betrachtet werden; sie DieTypographie hat sich vielmehr ihre eigenen Wege gebahnt.

In der Mannigfaltigkeit der Schriften wetteifert Amerika mit Deutschland, und es findet auch ein reger Verkehr der deutschen und amerikanischen Schriftgiessereien statt, der sich hauptsächlich auf Tausch von Matrizen gründet. Überhaupt geht ein gewisser

26 EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH.

germanischer Duktus durch die amerikanische Typographie; man liebt nicht die presbyterianische Einfachheit des englischen Werk- druckes, und ein in Deutschland mit Antiquaschrift gedrucktes Buch ähnelt viel mehr einem amerikanischen, als einem englischen oder französischen Presserzeugnis.

Fassen wir auch die englische Xylographie, welche in dieser Xylographie. Periode einen enormen Aufschwung nahm, ins Auge1.

Wie das gedruckte Wort den Gedanken eines Autors nicht in allgemeinen Grundzügen, sondern Wort für Wort, Buchstabe für Buchstabe, wie er niedergeschrieben wurde, wiedergeben soll, so ist es auch die eigentliche Aufgabe des Holzschneiders, jeden Strich wiederzugeben, wie der Zeichner ihn auf dem Holze gezeichnet hat. Eine andere Aufgabe hat der Kupferstecher. Ihm liegt ein in Farben ausgeführtes Bild oder eine Zeichnung vor, die in einer ganz anderen Manier behandelt ist, als die, in welcher er seinen Stich zu geben hat. Der Stecher hat seine ganz selbständige Technik. Ist er auch nicht mit dem Autor eines Dichterwerkes zu vergleichen, so doch mit einem poetisch begabten Übersetzer, dem es nicht gelingen würde, das Gedicht im Geist des Originals wieder- zugeben, wenn er nicht selbst von dem Geiste beider Sprachen, der des Originals sowohl als der der Übersetzung, durchdrungen ist. Wenn deshalb der Stecher mit wenigen Ausnahmen auch dem Urheber des Bildes nachsteht, so steht er, wenn er ein Meister seiner Kunst ist, doch auf einer höheren Kunststufe als der Holzschneider, dessen erste Eigenschaft grösste Gewissenhaftigkeit ist.

So sollte es immer sein; iri der Praxis stellt sich jedoch die Sache Eigentümlich- nicht selten anders. Denn wie es Autoren giebt, deren Gedanken wohl

keiten der engl. ö

Schule. korrekt und verständlich sind, die aber dennoch keinen schönen Stil besitzen , so geht es oft mit dem Zeichner, der für den Holzschnitt arbeitet. Manchmal würde der Holzschneider dem Zeichner keinen Gefallen erweisen, wenn er genau so schneiden würde, wie letzterer zeichnete. Oft begnügt sich der Zeichner sogar mit einer estompierten

1 J. Jacksons und W. A. Chattos : A treatise on wood engraving enthält in der zweiten Ausgabe von 1839 ein Zusatz-Kapitel: Arlists and engravers omvood of ehe present day von Hknry G. Bohn. Dasselbe giebt eine grosse Auswahl von Proben der Kunst neuerer englischer Zeichner und Holzschneider, jedoch ohne Charakteristik derselben und ohne kritische Würdigung der Leistungen.

EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH. . 2J

Skizze, wo dann dem Holzschneider die gleiche Aufgabe obliegt, wie sie dem Kupferstecher zufällt, wenn dieser die Zeichnung in die Stichmanier zu übertragen hat. Und hiermit kommen wir auf die nationalen Eigentümlichkeiten der englischen Holzschnitte. In diesen ist der Tonschnitt ganz vorherrschend; für den englischen Holzschneider existieren kaum Konturen, viel weniger innere Linien. Nachdem er sich den Ton roh vorgeschnitten hat, verfährt er ganz selbständig. Ton wird auf Ton gelegt, ohne Scheidung durch Konturen. Er gewinnt in dem Technischen eine grosse Fertigkeit und kann unter Umständen, wenn er seine Sache versteht, aus einer schlechten Zeichnung einen anziehenden Schnitt zuwege bringen ; er kann aber auch auf das gründlichste eine schöne Zeichnung verderben, die vom Künstler darauf berechnet war, in jedem Strich ihre Geltung zu behalten. Zeichnungen nun nach einer Richtung, wie die Jos. Führichs, oder, nach einer entgegengesetzten, wie die Ad. Menzels würden, auf englische Manier behandelt, vollständig charakterlos werden.

Im Landschaftlichen, wo alles auf die Farbe und den Ton ankommt, wird der Engländer Meister sein; in Figuren, überhaupt überall, wo das Hauptgewicht auf die charakteristische Linie und den individuellen Ausdruck des Künstlers fällt, wird er in der Regel zurückbleiben. Das alles ist bei der Beurteilung der englischen xylographischen Werke ins Auge zu fassen.

Zusammenhängende Darstellungen der neueren Geschichte der Buchdruckerkunst, die als Stützpunkte für die folgende Schilderung Die Quellen. sowohl der anglo - amerikanischen Gruppe als der beiden anderen Gruppen dienen könnten, besitzen wir nicht. Selbst die Werke bekannter Autoren, als Falkenstein, Didot, Dupont u. a., die sich als Geschichten der Buchdruckerkunst im allgemeinen betiteln, begnügen sich, was die bei ihrem Erscheinen „Neue" Geschichte betrifft, hauptsächlich mit Aufzählen einer Reihe von Namen, auch ist eine lange Zeit seit ihrer Veröffentlichung verflossen. Somit waren wir hauptsächlich auf ein Zusammensuchen der, sich oft voll- ständig widersprechenden Nachrichten aus technischen und anderen Zeitschriften; auf die nicht selten sehr stark gefärbten und über-

28 EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH.

treibenden Ausstellungsberichte; auf die technischen Lehrbücher einzelner Branchen oder Memoiren über einzelne Erfindungen ; auf Nekrologe, Denkschriften u. dgl. und schliesslich auf die eigenen Wahrnehmungen angewiesen. Zwar ist die Fachzeitschriften- Litteratur eine ausnehmend reiche, sie hat jedoch mit der einzigen Ausnahme des „Journals für Buchdruckerkunst" erst seit den sieben- ziger Jahren eine eigentliche Bedeutung1. Diejenigen, welche für die Geschichtschreibung im allgemeinen die grösste Ausbeute geben, finden erst am Schluss des Bandes Erwähnung, um sie nicht bei jedem Abschnitt zu wiederholen. Dasselbe ist der Fall mit der grossen Anzahl von offiziellen Berichten, zu welchen die Welt- ausstellungen in London 1851 und 1862; in Paris 1855, l8o7, 1878; in Wien 1873, und in Philadelphia 1876 Veranlassung gaben.

Die Quellen für spezielle Fälle sind, wie im ersten Teil, jedesmal an der betreffenden Stelle angegeben.

1 L. Mohr in Strassburg , der sich um die typographische Litteratur und die Bereicherung der Bibliothek des deutschen Buchhändler -Vereins vielfach verdient gemacht hat, lieferte, unterstützt von W. Blades in London, Chr. Huber in Paris und John Faehr in Cincinnati, in den „Annalen der Typographie", IX. Bd. Nr. 432 und 433, ein Verzeichnis der Erscheinungen der periodischen Fachpresse älterer und neuerer Zeit. Ein Separat- Abdruck erschien 1879 in Strassburg.

I. KAPITEL.

SCHRIFTGIESSEREI UND SETZMASCHINEN

DER ANGLO -AMERIKANISCHEN GRUPPE.

Die Schriftgiesserei : W. Caslon iL, J. Jackson, D. Bruce, Mac Kellar, Smiths & Jordan u. a. Die Holztypen. Der Blindendruck. Lord Stanhopes Stereotypie. Die Giessmaschine : Nicholson, Elihu White, D. & G. Bruce, Johnson und Atkinson, Westcotts Giessmaschine. Die Setzmaschine, frühere Versuche: T. Alden, W. Mitchell, A. Fräser u. a. Hattersley, Kastenbein, Mackie. Der Matrix compositor und ähnliche Apparate.

ILLIAM Caslon dem altern, dem Begründer der Selbständigkeit der englischen SCHRIFTGIESSEREI, folgte in rühmlicher Weise der schon 1742 als Teil- nehmer in das väterliche Geschäft aufgenommene Sohn William Caslon ir. Dieser hinterliess als Witwe w. Caslon n. Elisabeth Cartlich und zwei Söhne William iii. und Heinrich l, welcher letztere 1788 starb, während William 1793 aus dem Geschäft trat. Die Frau Heinrichs, Elisabeth Row, führte für ihren und ihres Sohnes Heinrich ii. Anteil das Geschäft bis 1795 in Verbindung mit ihrer Schwiegermutter fort, nach deren Tode allein. Trotz ihrer schwachen Gesundheit entwickelte sie eine grosse Umsicht. Als sie jedoch merkte, dass trotz aller Anstrengungen das Renomme des Hauses etwas hinter dem jüngerer Firmen zurückblieb, Hess sie, unter Mitwirkung eines tüchtigen Künstlers, John Isaack Drury, sämtliche Schriften neu schneiden und nahm Nathanael Catherwood zum Associe, der auch allen von ihm gehegten Erwartungen entsprach.

30 DIE ANGL0- AMERIKANISCHE GRUPPE. I. KAP.

Später associierte sich Heinrich Caslon zuerst mit Jacob James

Catherwood, seit 1 82 1 mit Martin William Livermore. Sie führten

eine neue Schreibschrift ein nach dem System des Franzosen Boileau.

Bei William Caslon 11. hatte Joseph Jackson gelernt. Das

Jos. Jackson Verfahren bei der Herstellung der Stempel wurde sehr geheim-

* 4. Septbr. 1733,

f i4. jan. 1792. gehalten und Caslon verschluss letztere mit grosser Vorsicht, wenn er nicht daran arbeitete. Jackson bohrte nun, um die Arbeit Caslons zu beobachten, ein Loch durch die Wand und sein Vorhaben gelang ihm auch auf diese Weise, von deren nicht ehrenhafter Natur er wohl kaum das volle Verständnis hatte, denn mit grossem Stolz zeigte er dem Meister seine Arbeit, erhielt jedoch eine sehr strenge Zurechtweisung. Seine Mutter kaufte ihm nun das nötige Hand- werkzeug und er benutzte jeden freien Augenblick, um zuhause zu arbeiten. Nach vollendeter Lehrzeit blieb er bei Caslon, bis er, weil Teilnehmer an einer Lohnbewegung, zugleich mit seinem Freunde Thomas Cotterell den Abschied erhielt. Jackson ging zur See und arbeitete dann bei Cotterell, der ein tüchtiger Schriftgiesser geworden war, und versuchte später selbst sein Glück. 1 790 wurde seine Giesserei durch Feuer zerstört, ein Schlag, von dem er sich körperlich und geistig nicht erholen konnte. Unter seinen vielen vortrefflichen Schriften sind besonders hervorzuheben die Facsimile- Type der Schrift des DoomsdayBook, seine alexandrinisch-griechische Schrift, sowie die Schrift zu der von Th. Bensley ausgeführten berühmten Bibel von Maclin, die jedoch in einer späteren Ausgabe durch Schriften von V. Figgins ersetzt wurde.

Bei Jacksons Tode kaufte der aus dem väterlichen Geschäft aus- w. casion m. getretene William Caslon iii. dessen Schriften. Die Giesserei wurde sehr erweitert und namentlich mit schönen Ornamenten vervoll- ständigt. Das Probebuch von 1785 war das schönste aller bis jetzt erschienenen. Caslon übergab, nachdem er noch glücklich von einer längere Zeit andauernden Blindheit geheilt war, das Geschäft an seinen Sohn William iv., der es 18 19 an Blake, Garnett & Co. (jetzt Blake, Stephenson & Co.) verkaufte.

Von Bedeutung war der eben erwähnte Vincent Figgins. Er

v. Figgins. hatte bei Jackson gelernt und blieb bei ihm bis zu dessen Tode. So

gern er es gewollt, konnte er doch nicht mit Caslon beim Ankauf

des Geschäftes konkurrieren. Von Joh. Nichols kräftig unterstützt

I.KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE SETZMASCHINEN. 31

ward es ihm jedoch möglich, sich selbständig zu machen. Er schnitt manche schöne, zumteil seltene Schriften. Das Geschäft besteht noch unter der Firma V. & J. Figgins und arbeitet mit 70 durch Dampf getriebenen Giessmaschinen. Dass die Offizin imstande war, einer am Sonnabend vollständig abgebrannten Zeitungsdruckerei am folgenden Dienstag das Weiterarbeiten mit 40 Setzern möglich zu machen, mag als Probe der Leistungsfähigkeit einer modernen Schriftgiesserei dienen. Auch William Martin, der von Bulmer gestützt wurde, lieferte Vorzügliches.

Als Schöpfer der schottischen Schriftgiesserei wurde bereits Alexander Wilson erwähnt (I, S. 266). Er war in St. Andrews geboren, hatte viel Sinn für Mechanik und Astronomie, kam jedoch 1737 nach London in eine Droguenhandlung. Durch Zufall sah er eine Schriftgiesserei und fasste sofort den Gedanken, die Herstellung der Schriften in einfacherer Weise als bisher herbeizuführen. Zu diesem Zwecke verband er sich mit seinem Freunde Baine. Der Aufenthalt in London wurde ihnen jedoch zu teuer und sie zogen nach St. Andrews. Mit der Erfindung kam es nicht recht vor- wärts, deshalb schritten die Besitzer, ohne dass sie die eigentlichen Kenntnisse dazu besassen, 1 742 zur Einrichtung einer Schriftgiesserei in üblicher WTeise. Die schottischen Buchdrucker, die hauptsächlich in Edinburgh etabliert waren , sahen gern die neue Giesserei ent- stehen, und unterstützten sie, da die Verbindung mit London noch schwierig war. Als Wilson & Baine, um mit dem grossen Verkehr, namentlich mit Amerika und. Irland, leichtere Fühlung zu behalten, nach dem Dorfe Camlachie bei Glasgow gezogen waren, beschlossen sie 1747, dass einer von ihnen nach Irland gehen sollte; wer? das sollte durchs Los entschieden werden. Dieses traf Baine. Zwei Jahre später wurde die Verbindung ganz gelöst.

Wilson stand in engem Verkehr mit der Universität Glasgow und schnitt für diese in uneigennütziger Weise griechische Schriften, für welche er grosses Lob erntete. 1760 wurde er von der Univer- sität mit dem Professorat in der praktischen Astronomie beehrt und die Schriftgiesserei nun von seinen beiden ältesten Söhnen fort- gesetzt. Auf Grund der billigeren Löhne und Materialien konnten sie sogar in London mit den dortigen Giessereien konkurrieren. Ein anderer tüchtiger schottischer Giesser war Millar in Edinburgh.

A. Wilsor * 1714.

32 DIE ANGLO- AMERIKANISCHE GRUPPE. I. KAP.

Ungefähr gleichzeitig mit Lord Stanhopes Auftreten erhielt Ph. Rusher. (1802) Philipp Rusher in Banbury, Oxfordshire, ein Patent für verschiedene Veränderungen und Verbesserungen in der Form der Typen , welche die Kosten und die Arbeit beim Setzen verringern und die Schönheit und Gleichmässigkeit des Satzes vermehren sollten. Rusher druckte mit diesen Typen den Rasselas, lieferte jedoch damit alles eher, als den Beweis für die obengenannten Eigen- schaften der neuen Schrift.

Von englischen Schriftgiessern sind ferner zu erwähnen: Rob. Miliar, Besiey Besley & Co. (später Reed & Fox), Müller & Richard u. a.1. Durch orientalische Schriften sind bekannt: Edm. Fry, W. M. Watts, Gilbert & Rivington und die Giesserei der Clarendon- Press in Oxford. Grossen Beifall gewannen die von Thorowgood in London ein- geführten Schreibschriften. Sie konnten wegen der Leichtigkeit des Setzens, da jeder der 190 Charaktere wie in der Cursivschrift selbständig ist, sich neben den kunstvolleren, aber schwer zu behandelnden Schreibschriften Didots behaupten. Als die Renais- sanceschriften in Frankreich aufkamen, den Spruch bewahrheitend: // n'y a de nouveau en ce monde, que ce gut est vieux, veranstaltete der Buchdrucker Wittingham bei Caslon einen Neuschnitt der 17 16 hergestellten Elzevier - Antiqua , jedoch mit etwas breiteren und runderen Buchstaben. Diese Mediäval gefiel ganz ausserordent- lich und hiermit war der Weg für die Renaissance eröffnet, die selbstverständlich in England starke Verbreitung fand; jedoch hielt man sich von Übertreibungen, so wie auch von Ausschreitungen in den Titel- und Zierschriften ziemlich frei2.

1 J. M.Powell gab 1875: Select specimens ofthebest faces ofthe british Founders.

2 Wie würde es wohl Th. C. Hansard bei dem Anblick der heutigen Extra- vaganzen fast aller Länder zumute geworden sein, wenn er sich schon bei den damaligen zaghaften Überschreitungen zu dem folgenden Ausbruch veranlasst fühlte: „O, ihr geheiligten Schatten von Moxon und van Dyck, von Baskerville und Bodoni, was würdet ihr wohl zu den typographischen Monstruositäten heutiger Mode gesagt haben? Und die, welche uns nach ebensovielen Jahren folgen werden, als jene uns vorangegangen sind, in welches Zeitalter werden sie die Erzeugnisse, die uns hier vorliegen, versetzen? Solchen Ungeheuerlichkeiten gegenüber wird die Nachwelt sich manche sonderbare Vorstellung machen. Es ist keineswegs unmöglich, dass die jetzt in der City von London gedruckten Erzeug- nisse in späterer Zeit dem Meistbietenden als echt ägyptische Seltenheiten antediluvianischen Ursprungs zugeschlagen und den ausgesuchtesten Teil der Schätze von Sammlungen der Kenner bilden werden".

I. KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE SETZMASCHINEN. 33

In AMERIKA lagen die Verhältnisse anders als in England. Man hatte mit keiner Tradition, mit keinem bereits ausgeprägten Schriftgiesserei

in Amerika.

Geschmack oder früherer Gewohnheit zu rechnen, man nahm das Gute, wo es sich darbot, und erfand nach Herzenslust, wo etwas fehlte. In Ermangelung einer nationalen Litteratur hatte die Werk- druckerei noch keine grosse Bedeutung, man war auf billige Nachdrucke englischer Werke angewiesen. Die Anstrengungen der amerikanischen Giessereien richteten sich deshalb vornehmlich auf die Befriedigung der Bedürfnisse der Zeitungs- und Accidenz- druckereien. Um vielen Stoff in den Zeitungen zu häufen, und viele Zeilen auf die Spalte zu bringen, war es notwendig, möglichst kleine Schriftkegel zu wählen, dafür jedoch das Bild der Buch- staben so gross, wie es der Kegel nur zuliess, zu schneiden, wozu es erforderlich war, die herauf- und heruntersteigenden Buchstaben und die Versalien möglichst kurz zu halten. In solchen Schriften wurde Vorzügliches geschnitten und in vortrefflichem Metall gegossen.

In jüngster Zeit erreichte die Zahl der Accidenzschriften eine beträchtliche Höhe. Ausgezeichnet sind namentlich die Schreib- schriften. In Titelschriften wurde vieles Gute unter vielem Unnützen produziert1. Einfassungen in allen möglichen Geschmacks- oder Ungeschmacks-Richtungen, sogar in japanischem oder chinesischem Stil, vertragen sich brüderlich mit den Antik- und Renaissance- Ornamenten.

Trotz der sehr bedeutenden Produktion ist die Zahl der mass- gebenden Giessereien eine beschränkte (32). Die grossen Schrift- giessereien Hessen die kleineren mit Originalproduktionen nicht auf- kommen, gewährten ihnen dagegen einen so hohen Rabatt, dass die Kleineren ihren Vorteil dabei fanden , die Schriften der Grossen in ihre Proben aufzunehmen und als eigene Arbeit zu verkaufen. Dem typographischen Publikum entgingen zwar hierdurch die aus einer lebhaften Konkurrenz entstehenden Vorteile, es stand sich jedoch nicht schlecht dabei, indem die grossen Giessereien, um ihren Platz auszufüllen, sehr bedeutende Anstrengungen machten.

Um das Jahr 1800 existierte in den Vereinigten Staaten nur die eine Giesserei von Binney & Rolandson in Philadelphia, die durch

1 Specimen Book von: G. Bruces Son & Co.; Farmer, Little & Co.; James Conners Sons; Mac Kellar, Smiths & Jordan.

34 DIE ANGLO-AMERIKANISCHE GRUPPE. I. KAP.

Franklins Unterstützung gute Giessinstrumente aus Frankreich erhielt und diese noch verbesserte.

Eine der ältesten und bedeutendsten Giessereien ist die von David Bruce David Bruce, einem Schottländer, gegründete. Nachdem dieser 1 15. MäK 111°' in Edinburgh die Buchdruckerei gelernt hatte, siedelte er 1793 nach Amerika über und begann 1806 im Verein mit seinem jüngeren Bruder George Bruce (geb. 178 1) eine Buchdruckerei. Die Wichtigkeit der Stereotypie hatte er ganz begriffen und ging deshalb 1 8 1 2 nach London, um unter den Auspicien des Lord Stanhope die Stereotypie aus dem Fundament zu erlernen. Das Vorhaben gelang jedoch nicht ganz, so dass er noch den Weg der eigenen Erfahrungen einschlagen musste. Er lieferte die erste in Amerika stereotypierte Bibel und widmete sich nun ausschliesslich der Schriftgiesserei und der Stereotypie. Im Jahre 1822 zog er sich aus dem Geschäft zurück, welches sein Sohn David ii. sehr in die Höhe brachte. Die grosse Schriftprobe des letzteren aus dem Jahre 1869, bis auf den heutigen Tag durch achtzehn Supplemente vervollständigt, bietet eine un- ermessliche Auswahl von Schriften jeder Art1.

Als Schriftgiesser waren ebenfalls bedeutend James Conner, james Conner dessen Sohn gleichen Namens zuerst galvanische Matern lieferte, •f- 10. Mai 1861! und MAe Kellar, Smiths & Jordan. Der Teilhaber letzterer Firma, Th. Mac Keiiar. Thomas Mac Kellar, war Verfasser eines sehr guten Handbuches der Typographie: The American Printer und Herausgeber des Typographical Advertiser, ein Blatt, welches zwar zunächst den Interessen der Firma dient, jedoch manches allgemein Beachtens- werte bringt. Ähnliche Blätter werden von fast allen grossen amerikanischen Giessereien herausgegeben , sie verbreiten zugleich

* Als ein guter Einfall Bruces muss es betrachtet werden, dass er zur Vorführung seiner Schriften sich nicht sinnlos zusammengestellter Wörter bedient, sondern mit jeder neuen Schrift den Titel eines Werkes der typographischen Litteratur wiedergiebt. Um einen Buchdrucker sattelfest in der typographischen Bibliographie zu machen, giebt es kaum ein besseres mnemotechnisches Mittel. Wenn die Schriftgiesser statt des Quousque tandem etc. Sätze wählten, die für den Buchdrucker ein Interesse darbieten, so würden die Proben gewiss manchmal aufmerksamer ins Auge gefasst werden und die Schriften sich mehr dem Gedächt- nis einprägen. Schliesslich gab Bruce noch als Beilage zu seinen Proben eine Geschichte der Buchdruckerei, 164 Seiten 4, mit zahlreichen Abbildungen, mit seinen verschiedenen Werkschriften gedruckt.

I. KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE SETZMASCHINEN. 35

mit den Proben der neuen Leistungen ihrer Geschäfte mancherlei nützliche Kenntnisse1.

Eine merkwürdige Erscheinung des amerikanischen Schriften- wesens ist das Cherokee- Alphabet des Indianers Sequoyah oder George Guess. George Guess. Durch Umgang mit Weissen kam er erst auf eine Bilder-, dann auf eine Silbenschrift mit 68 Schriftzeichen, für welche er sich zumteil der Formen der lateinischen Buchstaben bediente, ohne jedoch von dem sprachlichen Wert derselben eine Vorstellung zu haben. Er vollendete seine Arbeit , für welche ihn die Cherokesen-Häuptlinge durch die Prägung einer Medaille ehrten, im Jahre 1821.

Der Plakatdruck mit seinen grossen Schriften führte auf die geschäftsmässige Fabrikation der Holztypen. In Amerika begann Die Holztypen, diese im grösseren Massstab um das Jahr 1830 durch Wanderburgh Wills & Co. und durch Edw. Allen, der sich später mit der Firma W. H. Page & Co. verband. Zur Verwendung kommt fast nur Ahorn, mitunter Mahagoni oder Buchsbaum. Die Klötze werden erst in Querschnitte gesägt, mit Dampf behandelt und zwei Jahre lang auf- gespeichert. Die Oberfläche poliert > man wiederholt mit Schellack und Sandpapier und teilt die Querschnitte in die benötigten Grössen. Die Buchstabenbilder werden vermittelst Maschinerie hergestellt2.

Der in Frankreich zuerst geübte BLINDENDRUCK wurde in England wie auch Amerika in durchgreifender Weise verbessert. Blindendruck. James Goll in Edinburgh wandte 1827 eckige Zeichen an; der Amerikaner Dr. Howe in Boston gab den gemeinen Buchstaben der Antiqua ebenfalls eckige Formen ; ein ähnliches Alphabet von Fry in London erhielt 1857 von der dortigen Society of arts einen Preis. Das in England am meisten verbreitete und unter den willkürlichen eines der zweckmässigsten Alphabete ist das von T. M. Lucas in Bristol 1845 erfundene Chiffre-Alphabet, bestehend aus einem Zirkel und einem Halbzirkel in zwei Grössen, einer grösseren und einer kleineren Linie und einem Punkt. Hiermit Hessen sich vierzig zweckmässige Zeichen kombinieren. Der, selbst blinde, Vorsteher

1 Die Firma Schelter & Giesecke in Leipzig führte diese Sitte in Deutsch- land ein (vgl. ix. Kap.).

2 History and Manufacture of tVooJ Type. Typographical 'Messenger 1 869, Nr. 4.

3*

36 DIE ANGLO-AMERIKANISCHE GRUPPE. I. KAP.

der Blinden- Anstalt in Brighton, Moon, erfand ein Chiffre-Alphabet von zehn Zeichen aus gebogenem Draht, die auf Zinkplatten gelötet wurden, ein Verfahren, das bereits 1839 von Frere geübt war. Nach Moons System wurden heilige Schriften in achtzig Sprachen gedruckt. Ausser den erwähnten bestehen jedoch noch viele Systeme.

Ausserordentlich zu bedauern bleibt es, dass man sich nicht über ein einheitliches System der Blindenschrift hat einigen können; nirgends wäre wohl eine Einheitlichkeit für den Lernenden sowohl als für den Lehrer nützlicher, und wie wäre die Bildung von Blinden- bibliotheken hiermit befördert worden ! Aus vielen Gründen dürfte eine Einigkeit, wenn sie überhaupt möglich ist, nur auf Grundlage des Antiqua- Alphabetes stattfinden können.

Die praktische Durchführung des vielfach versuchten Verfahrens Die Stereotypie, der Stereotypie hat man, wie so manche andere Verbesserungen im Druckwesen, dem edlen Charles Mahon, Lord Stanhope zu verdanken. Derselbe war erst in Eton College, später unter des bekannten Le Sages Anleitung sorgfältigst erzogen. Mit besonderer Vorliebe wendete er seine Aufmerksamkeit der Typographie und der Schfiftgiesserei zu, und fast zu gleicher Zeit traten sein Stereotyp- verfahren und seine eiserne Presse in Wirksamkeit.

W. Ged hatte seine Versuche nicht fortsetzen können (I, S. 266), Müller und van der Mey (I, S. 251) waren ganz in Vergessenheit geraten. Die Wichtigkeit der Stereotypie leuchtete aber mit der Zunahme der schwierigen Arbeiten und der grossen Auflagen immer mehr ein. Fast 50 Jahre nach Ged machte Dr. Tilloch in Glasgow, ohne dessen Erfindung zu kennen, eine ähnliche und übte diese in Verbindung mit dem Universitätsbuchdrucker Foulis. Sie brachten auch einige Bände fertig, gaben jedoch später ihre Arbeiten auf. Lord Stanhope Hess sich von Tilloch und Foulis unterrichten und brachte es in Verbindung mit einem bekannten Londoner Buch- drucker, Wilson, nach zweijähriger Arbeit zur Vollkommenheit in dem Verfahren. 1804 konnte letzterer unter Lord Stanhopes Zustimmung beantragen, die Bibeln und Gebetbücher der Universität Cambridge mittels des neuen Verfahrens herstellen zu lassen. Es fand allgemeine Anerkennung und schleunige Verbreitung, denn

I. KAP. DIE SCHR1FTGIESSEREI UND DIE SETZMASCHINEN. 7)7

Lord Stanhope litt durchaus nicht, dass diese, noch eine andere seiner Erfindungen Gegenstand eines Patentschutzes wurde ; im Gegenteil, er Hess jedesmal ein Caveat in dem Patent -Office einregistrieren, damit kein Unbefugter sich der Erfindungen bemächtigen und für sich patentieren lassen konnte.

Der Stanhopesche Prozess1 ist folgender: Feiner, möglichst frischer Gips wird mit Boluswasser zu einem flüssigen Brei angerührt stanhopes und die Schriftform oder die Holzschnittplatte, welche man stereo- typieren will, mit der Masse erst eingepinselt, dann übergössen. Nachdem der Gips fest geworden, lässt er sich leicht von der Form abtrennen und man hat nun eine genaue vertiefte Kopie (Matrize) des zu stereotypierenden Gegenstandes. Diese wird mit grosser Vor- sicht langsam in einem dazu eingerichteten Ofen getrocknet, dann, mit der Bildseite nach unten , in eine Pfanne gelegt , die in einen Kessel mit flüssigem Schriftzeug gesenkt wird. Letzterer dringt durch Öffnungen der Pfanne und füllt selbst die kleinsten Ver- tiefungen der Matrize aus. Nachdem die Pfanne aus dem Kessel herausgenommen und die Masse erkaltet ist, lässt sich die Mater von der Platte ablösen , erstere geht jedoch dabei verloren, dafür hat man das getreue Abbild des stereotypierten Gegenstandes in Schriftmasse 2.

Doch nicht alle Druckarbeiten, bei welchen das Verfahren zweckmässig gewesen wäre, konnten stereotypiert werden, nament- Das schrift- lich war dasselbe bei Zeitungen zu langsam, man musste deshalb die Aufmerksamkeit auf Verbesserung des Schriftzeuges richten. Während der drei ersten Jahrhunderte der Kunst war eine grosse Auflage eine Seltenheit gewesen und die Schriften hielten sich oft mehrere Generationen hindurch brauchbar, ausserdem nahm man es damals nicht so genau wie heute mit der Schärfe des Druckes. Als nun die vielen Abzüge die Abnutzung, also auch den Bedarf vermehrten, musste ein härteres Schriftmetall beschafft werden. Der Prozess des Schmelzens und die Mischung der Metalle

1 Thomas Hodgson, An essay ort stereotype printing. Newcastle 1820. J. F.Wilson, Stereotyping and electrotyping. London. H. MEYER, Handbuch der Stereotypie. Braunschweig 1838.

2 Über die früheren Versuche und die neueren Methoden der Franzosen vgl. Kap. v.

38 DIE ANGLO-AMERIKANISCHE GRUPPE. I. KAP.

oeschah nicht mehr nach Gutdünken, sondern nach wissenschaft- lichen Regeln, auch nicht in der Giesspfanne, sondern in grösseren Quantitäten in zweckmässigen Schmelzöfen. J. R. Johnson lieferte den Zeug so hart , dass man seine Typen als Stempel in gewöhnlichen Schriftzeug eintreiben konnte. Auch wurden Matern durch Prägung mittels hydraulischer Pressen in Stahl, anstatt durch Einschlagen in Kupfer, produziert, und Versuche gemacht, Typen aus Kupfer- stangen zu pressen oder die Schrift zu vernickeln und zu verkupfern. Zu diesem Zweck wurde die Newton Coppertype Company in New- York etabliert, welche die Schriften für etwa 18 20 Prozent des Schriftwertes verkupferte. Ausschluss wurde von Messing, Zink und Vulcanit herzustellen versucht.

Allein die Verbesserung des Stoffes genügte noch nicht, man musste auch auf Schnelligkeit und Billigkeit in der Produktion sehen, und hier konnte nur die Maschine Hülfe schaffen.

Über den ersten Ursprung der SCHRIFTGIESSMASCHINE ver- Die schriftgiess- lautet nur, dass dem Will. Nicholson in London im Jahre 1790 ein Patent auf eine solche für „konisch" gebildete Typen erteilt wurde. Eine konische Form mit einer grösseren Bild- und einer kleineren Grundfläche hielt Nicholson für nötig, weil er die Schriften um den Cylinder„einer Schnellpresse anbringen wollte, welch letztere er sich ebenfalls patentieren Hess. Er hatte das, später vonDidot in Paris versuchte, polyamatype Giessverfahren vor Augen, nach welchem viele Buchstaben auf einmal gegossen werden sollten. Es blieb, wie mit den übrigen Erfindungen Nicholsons, bei dem Patent- nehmen.

Die praktische Durchführung der Giessmaschine gehört Amerika an. Die ersten Patente dort wurden 1805 und 1807 dem Elihu White und dem William Wing in Hartford erteilt. Auch hier hatte man zuerst das polyamatype Verfahren im Auge, ja man wollte sogar ganze Alphabete auf einmal giessen. White experi- mentierte zehn Jahre lang, ohne zu einem nennenswerten Resultate zu kommen. Die Schriftgiesser Binney & Rolandson hatten ebenfalls viele Versuche gemacht und schienen dem Ziele näher als White gerückt zu sein, hielten jedoch ihre Resultate sehr geheim. White schmuggelte in wenig ehrenhafter Weise einen seiner Arbeiter bei Binney ein, damit er hinter die Geheimnisse komme, reüssierte jedoch

I. KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE SETZMASCHINEN. 39

dessenungeachtet und trotz seiner Verbindung mit dem Mechaniker Will. M. Johnson nicht.

Schleif- maschinen.

Einen wirklichen Erfolg hatte erst David Bruce 1838. Es entspann sich jedoch ein bitterer Streit darüber, ob Bruce , wie er selbst auf das bestimmteste behauptete, oder einer seiner Arbeiter, der dänische Schlossergeselle Lauritz Brandt (s. Kap. ix), der eigentliche Erfinder sei. Bruces Maschine wurde von Will. M. Johnson verbessert.

Seit 1840 sind SCHLEIFMASCHINEN im Gang, haben jedoch nicht in demselben Umfange, wie die Giessmaschinen, Eingang gefunden. Selbst in Amerika, wo man doch sicherlich etwas von Arbeitsteilung und rationeller Ausnutzung der Maschinen versteht, wird Schleifen mittels Handarbeit jetzt noch vielfach geübt. Die Arbeiter haben sich eine solche manuelle Fertigkeit erworben, dass sie fast als Maschinen betrachtet werden können. In London wurden die Schleifapparate namentlich von Figgins gebaut.

Eine der interessantesten Maschinen ist die kombinierte auto- matische Giess-, Schleif- und Fertigmach -Maschine von Johnson & Johnson und Atkinson, die ohne menschliche Beihülfe die Buchstaben gegossen, geschliffen, bestossen, gehobelt und in Reihen aufgestellt liefert1. Eine allgemeine Verbreitung hat diese Maschine, die in Deutsch- land durch Flinsch, Genzsch & Heyse und Meyer & Schleicher eingeführt wurde, jedoch nicht gefunden; es gehören verschiedene Vorbedingungen dazu, wenn ihre Arbeit genügend nutzbringend sein soll. Das Patent von 1 862 ging auf die Patent TypeFoundry über, die eine Reihe von Jahren von P. M. Shank geleitet wurde und dann in dessen Besitz überging. Sein Mitarbeiter J. M. Hepburn änderte die Maschine vollständig um, so dass sie bei vereinfachter Kon- struktion nur die Hälfte des Raumes der älteren einnimmt und die Typen direkt in die Setzkästen oder in die für die Setzmaschine bestimmten Röhren legt. In letzterer Weise erhalten die Times alltäglich die neue Schrift für die Nummer des kommenden Tages und der Satz der vorigen wandert in die Giessmaschine; denn abgelegt wird nicht.

Noch weiter ging die amerikanische kombinierte Schriftgiess-, Schleif-, Bestoss- und Setzmaschine von Westcott. Ein Setzer Westcott.

« Journ.f. B. 1872, Nr. 42.— Print.Reg. 1881, Okt. Ami. d. Typ. B.lv,Nr. 183.

40 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. I. KAP.

spielt, wie bei der Setzmaschine, von der unten die Rede sein wird, sein Manuskript auf einer Klaviatur ab; durch Berührung einer Tangente rückt die gewünschte Mater vor die Öffnung des Schrift- giessinstrumentes und die Buchstaben werden gegossen, geschliffen, bestossen und gesetzt, nicht aber abgelegt, denn die Schrift wird nach Ausführung des Druckes in die Giesspfanne geworfen. Diese Maschine arbeitete auf der Ausstellung in Philadelphia voll- kommen korrekt, aber sehr langsam und vermochte nur 2000 Buchstaben in der Stunde zu giessen und zu setzen \

Es konnte nicht anders sein, als dass die grosse Errungenschaft Die setz- der Druckmaschine die Gedanken der Techniker darauf leiten musste, ob es nicht möglich sei, die verhältnismässig langsam vorwärts- schreitende Arbeit des Setzens durch Mechanismus überflüssig zu machen oder wenigstens zu erleichtern. Einmal ausgesprochen, wird auch ein solcher Gedanke selten ad acta gelegt, und so ist es, trotz der unüberwindlich scheinenden Schwierigkeiten, gelungen, die Setzmaschine2, wennauch nicht in der ausgedehnten Weise wie die Schnellpresse, in das praktische Leben einzuführen. Wie gross der damit zu erzielende Vorteil sein wird, lässt sich noch nicht genau übersehen. Fraglich erscheint es namentlich, ob die Schnelligkeit in der Herstellung der Zeitungen wesentlich gefördert werden wird. Gerade bei dem Zeitungssatz handelt es sich um die angestrengteste Ausnutzung der Zeit von dem Augenblicke ab, wo das letzte Manu- skript in die Hände der Druckerei gelangt, und gerade da wirken viele, gleichzeitig arbeitende, tüchtige und möglichst selbständige Kräfte sicherer und rascher, als die Setzmaschine. Dass diese nichts- destoweniger eine Zukunft haben wird, kann nicht in Abrede gestellt werden, es liegt aber in der Natur der Sache, dass die Thätigkeit des denkenden Setzers nicht ohne weiteres ersetzt werden kann. Die Maschine kann ihm zwar einen Teil der leichteren Arbeit abnehmen, ihn aber nicht entbehrlich machen. Soll die Setzmaschine für das Setzen dieselbe Bedeutung erlangen, wie die Schnellpresse für das Drucken, müssten wir alle typographischen Errungenschaften von

1 Oest. B.-Ztg. 1876, Nr. 33.

8 Tu. GoEBEL, Die Setzmaschinen geschichtlich und technisch. Wiecks Mustr. Gewerbe-Ztg. 1877.

DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE SETZMASCHINEN. 41

vier Jahrhunderten über Bord werfen, die Typen müssten auf gleich grosse Körper (Gevierte oder Halbgevierte) gebracht werden und entweder die Versal- oder die gemeinen Buchstaben wegfallen, dann müsste man das Recht haben, eine Zeile ohne Rücksicht auf Silben- teilung zu brechen und selbst das würde nicht ganz genügen, denn jede Auszeichnung wäre in Wegfall zu bringen. So weit rückwärts wird sich wohl die Phantasie selbst des grössten Bewunderers der Setzmaschine kaum versteigen. Nehmen wir diese für jetzt für das, was sie ist, eine höchst beachtenswerte Hülfsmaschine , nicht aber für einen, das ganze Geschäft umgestaltenden Apparat, wie die Schnellpresse. Wenn bei der Setzmaschine zumeist weibliche Kräfte in Anspruch genommen werden, so sind allerdings die Billigkeit und die Fingerfertigkeit der Frauen mit bestimmend gewesen, Schuld tragen jedoch auch die Setzer selbst daran durch die feindliche Haltung, welche sie, wie seinerzeit die Drucker zu der Schnellpresse, der neuen Erfindung gegenüber einnahmen.

Von wem der Gedanke zuerst ausgesprochen wurde, ist schwer zu entscheiden. Friedrich König hat bereits im Jahre 1 8 1 1 oder Ältere Versuche

mit der Setz-

1812 erfahren, dass ein junger Mann in Birmingham sich mit der maschine. Absicht trug, eine Setzmaschine zu bauen. König & Bauer selbst hatten ihre Gedanken auf eine solche gerichtet, Hessen ihn jedoch fallen. Thatsache ist, dass ihn Dr. Church in Birmingham im Jahre 1822 dargelegt hat. Die Zahl der Versuche ist Legion; in England allein wurden in den Jahren 1822 1860 57 Patente erteilt. Mit dem Jahre 1840 gewinnen die Versuche zwar einen realeren Boden, doch gehören auch sie alle jetzt als Überlebtes der Geschichte an oder sind der Vergessenheit anheimgefallen. In dem erwähnten Jahre bildete sich in Pressburg eine Gesellschaft, um eine von Joseph v. Kliegel erfundene Setz- und Ablegemaschine zu erbauen, wozu der Franzose Etienne Robert Gaubert eine Ablegemaschine lieferte. In demselben Jahre erhielten der Engländer John Clay in Cottingham und der Schwede Fr. Rosenborg Patente, im Jahre 1841 *

James Hadden Young, Spinnereibesitzer, und Adrien Delcambre, Fabrikbesitzer, beide in Lille. Zu ihrer 1844 ausgestellten Maschine, welche nur auf das Setzen eingerichtet war, baute A. N. Chaix eine Ablegemaschine; beide fanden keinen Eingang. In Wien experi- mentierte, durch Auer unterstützt, L. Tschulik. Er lehnte sich

42 DIE ANGLO-AMERIKANISCHE GRUPPE. I. KAP.

zunächst an Rosenborg an, während J. X. Wurm viele Verbesserungen an seiner Maschine anbrachte. Der eigentliche Schöpfer der lebens- fähigen Setzmaschine war der Däne Chr. Sörensen im Jahre 1851 \

Unter den älteren englischen und amerikanischen Setzmaschinen Tim. Aiden war die von Timotheus Alden die bedeutendste. Von 1835 1846 f 4. bez. 1858.' arbeitete Alden als Setzer und sprach bereits in seinem neunzehnten Jahre, 1838, die Absicht aus, eine Setzmaschine zu bauen. Obwohl vielfach ausgelacht, ging er mit aller Energie daran und konnte 1856 die letzte Hand an sein Werk legen. Er hatte sich jedoch dabei geistig und körperlich aufgerieben. Bei seinem Tode 1858 hinterliess er seinem Vetter Henry W. Alden, der ihm treu geholfen hatte, sein Werk. Die Aldensche Maschine war sehr kompliziert und demnach kostspielig. Henry Alden vereinfachte sie und übergab einer Gesell- schaft die Erfindung zur Ausbeutung, sie fand jedoch keine grosse Verbreitung und die Gesellschaft löste sich 1874 auf2.

Eine Maschine von William H. Mitchell in New -York war schon 1861 in Wirksamkeit bei dem Satz von Appletons Ency- clopaedia. Alexander Fräser, Teilhaber der Firma Neill & Co. in Edinburgh, wollte erst nur eine Ablegemaschine für Hattersleys Setzmaschine konstruieren, lieferte jedoch 1862 eine brauchbare Setz- und Ablegemaschine, für fünf Schriftgrade benutzbar2. Ein anderer Apparat von Henry A. Burr3, von welchem acht Stück in der Offizin der New-York Tribime arbeiten, ähnelt Kastenbeins System *; der Ablegeapparat erfordert Typen mit vielfachen Einschnitten. Von einer von Adie in London nach dem Fraserschen System in der Behring Manufacturing Company gebauten Maschine arbeitet eine grössere Zahl in verschiedenen Offizinen. Felts' 1861 gebaute Maschine versprach vieles, ob sie es gehalten, haben wir nicht erfahren. Die von Clowes' Druckerei eingeführte und nach dem Besitzer die „Clowes -Maschine" genannte Erfindung des Setzers JohnHooker5, war 1874 in Eondon ausgestellt, sie fand jedoch keine weitere Verbreitung. Es wird bei derselben die elektro-magnetische Kraft zur Anwendung gebracht. Anstatt Tasten finden sich kleine Kupferplättchen vor, mit leitenden Drähten an deren Rückseiten, die in Verbindung mit einem Elektromagnete stehen. Lässt nun der

1 Vgl. Kap. xni. 2 Journ. f. B. 1866, Nr. 15, 17, 19, 24. 3 Print. Reg. 1880. 4 Journ. f. B. 1876, Nr. 38. 5 Print. Reg. 1877, Nov.

I. KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE SETZMASCHINEN. 43

Setzer den mit einem Holzgriff umgebenen , mit dem negativen Pol der Batterie verbundenen Leitdraht eine Kupferplatte berühren, so wird die galvanische Kette geschlossen und ein Hebel in Bewegung gesetzt, der den begehrten Buchstaben vorschiebt. Das Ablegen muss durch Handarbeit besorgt werden. Ein diesem ähnliches Prinzip lag dem 1876 in Philadelphia ausgestellten Apparat von G. P. Drummond aus Canada zugrunde.

Die in der Caxton- Ausstellung 1 877 zur Anschauung gebrachte Setzmaschine des in London lebenden Deutschen M. L. Müller1 war für viele Schriftarten bestimmt und mit 200 Tangenten in sechs Reihen über einander versehen. J. Rob. Winder2 in Bolton behauptet als Vorzüge für sein Fabrikat die gleichzeitige Beförderung mehrerer Buchstaben. Die in gewissen Verbindungen sehr oft vorkommenden Buchstaben sind demgemäss in mehreren, verschieden gelegenen Rinnen untergebracht. Wick, der Besitzer der Glasgow News, suchte nach ähnlichen Prinzipien den Vorteil in kombinierten Griffen, und seine Klaviatur hat sogar eine Anzahl von Tangenten für Logotypen der üblichsten Silben -Verbindungen der englischen Sprache3.

Eine der neuesten Setz- und Ablege-Maschinen ist die 1880 in Düsseldorf ausgestellt gewesene von A. von Langen und C. G. Fischer, die, was den Setz- Apparat betrifft, der Kastenbeinschen Maschine ähnelt, deren Ablege - Apparat jedoch den des letzt- genannten an Brauchbarkeit bedeutend übertreffen soll.

Die Doppelmaschine Westcotts für Guss und Satz wurde bereits (S. 40) erwähnt; als Halbmaschinen lassen sich die von Miliar und Porter bezeichnen. Millars 1870 ausgestellte Maschine verwendet nur die gemeinen Buchstaben, die Ausschliessungen und einige der am häufigsten vorkommenden Versalien; die anderen Schriftzeichen müssen aus einem Kasten durch die Hand des Setzers hinzugefügt werden. Wenn nicht vollkommen, ist der Apparat wenigstens sehr billig. T. J. Porters Apparat 4 führt auf mechanischem Wege dem Setzer die Typen zu, welche er sonst aus den Fächern des Setz- kastens nehmen musste, das eigentliche Setzen jedoch wird mit der Hand vollzogen.

1 Journ. f. B. 1875, Nr. 7. 2 pri„t. Reg. 1880, Dez. 3 Journ. f. B. 1880, Nr. 13. Print. Reg. 1880, März. 4 Print. Reg. 1880, Juni.

44 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. I. KAP.

Es wäre zwecklos, der obigen Reihe von Erfindern noch einige Dutzend Namen anzuhängen. Das hier bereits Angeführte mag hinreichend dafür sprechen, dass schwerwiegende Hindernisse, die oben schon angedeutet wurden, einem vollkommenen Setzapparat im Wege liegen. Es bleibt nur noch übrig, die drei Männer zu erwähnen, deren Erfindungen am meisten in die Praxis gedrungen sind: Hattersley, Mackie und Kastenbein, welch letzterer nach der augenblicklichen Sachlage die grösste Aussicht für die Zukunft zu haben scheint.

Robert Hattersley in Manchester erhielt 1857 ein Patent auf Verbesserungen an den Setz- und Ablegemaschinen. Die seinigen wurden zuerst 1859 in der Buchdruckerei von Bradbury & Evans in London verwendet. Über eine Klaviatur, deren Tasten nach dem Masse des Vorkommens der mit ihnen korrespondierenden Typen geordnet sind, befindet sich ein etwa i1^ Meter hoher Aufsatz von Eisen, an welchem sich zwei eiserne horizontale Tafeln befinden, auf welchen die Typen in Rinnen gereiht stehen. Wird eine Taste an- geschlagen, so drückt ein, je über dem letzten Buchstaben einer Rinne befindliches Stäbchen diesen heraus , worauf letzteres in die frühere Lage durch ein sich zusammenziehendes Gummischnürchen zurück- geschnellt wird. Das Nachrücken der Buchstaben in der Rinne geschieht ebenfalls durch Zusammenziehen einer Gummischnur, welche mit einem Metallstück, das von hinten auf die Reihe drückt, verbunden ist, über diese sich hinzieht und vorn nach oben fest- gemacht ist. So befindet sich stets ein Buchstabe am vordem Rande der Rinne.

Die herausgestossenen Buchstaben gleiten durch Rinnen, die sich in einem vertikalen herzförmigen Behälter befinden, dem einzigen Mundstück an der unteren Spitze des Behälters zu und stellen sich einer neben dem andern in den Winkelhaken auf. Ist eine Zeile voll , wird eine Setzlinie auf den Satz gelegt und dieser in das unter dem Winkelhaken befindliche Schiff heruntergeschoben. In letztem wird nunmehr der Satz Zeile für Zeile ausgeschlossen.

Theoretisch ist die Leistungsfähigkeit 7 8000 Buchstaben pro Stunde, in der Praxis 4 5000. Eine Zeitlang schien es , als würde die Hattersley - Maschine einen Platz behaupten. Zwei Exemplare wurden 1874 in der Offizin der „Neuen Freien Presse" in Wien

I. KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE SETZMASCHINEN. 45

aufgestellt; seitdem ist es jedoch still darüber geworden. Ein grosser Übelstand ist die Abhängigkeit von den durch die Witterung und Abnutzung beeinflussten Gummischnüren, mit denen keine bestimmte Rechnung sich machen lässt. Die Leistungsfähigkeit der Ablege- maschine ist ungefähr die Hälfte der Setzmaschine.

C. Kastenbein, wohnhaft in Brüssel, baute 1871 in Paris die erste Maschine für die 7zV//^-Druckerei in London. 1872 arbeiteten dort 5 Setzmaschinen und 8 Ablegemaschinen. Die Typen liegen in Rinnen eines hochaufsteigenden Behälters. Durch Niederdrücken einer Tangente wird ein Hebel in Bewegung gesetzt, der dem Buchstaben an der Fussfläche einen Stoss nach vorn giebt, wodurch er in horizontaler Lage aus der Rinne herausgestossen , jedoch durch den Bau der Rinne während des Heruntergleitens in vertikale Lage gebracht wird. Wie bei der Hattersley-Maschine befinden sich die Gleitrinnen in einem herz- oder birnenförmigen Behälter und endigen in einem gemeinschaftlichen Mundstück. Ein Glasverschluss gestattet dem Setzenden, jede in den Rinnen vorkommende Unregel- mässigkeit zu bemerken. Die Rinnen für die schwersten Typen mit der grössten Fallgeschwindigkeit sind so angebracht, dass diese Typen den weitesten Weg zurücklegen, wodurch die erforderliche gleiche Beförderungszeit der verschiedenen Typen erzielt wird. Die in einem langen Winkelhaken sich aufreihenden Buchstaben werden nun dem Setzschiff zugeführt, das seitwärts auf einem schrägen Pult- Gestell ruht, an welchem der mit dem Umbrechen der Zeilen Betraute, das Gesicht dem Setzenden zugewendet, sitzt, und den Satz in Empfang nimmt, davon so viel für eine Zeile notwendig ist auf das Schiff schiebt und ausschliesst. Durch Treten eines Pedals senkt sich darauf das Schiff um so viel als notwendig ist, damit eine neue Zeile hinübergeschoben werden kann. Die Leistungs- fähigkeit ist in der Praxis 3--4000 Buchstaben; in der Ausstellung zu Paris 1878 "wurde sie jedoch probeweise bis zu 10200 gesteigert. Die Maschine ist, ausser in England, in Nordamerika, Dänemark, Italien vielfach verwendet. Die Reichsdruckerei in Berlin schaffte sie 1879 an.

Seinen ersten Ablegeapparat verwarf Kastenbein selbst als zu kompliziert; bei dem zweiten werden die Buchstaben förmlich in einen mit Löchern versehenen Kasten , wie sonst in die Fächer des

4.6 DIE ANGLO-AMERIKANISCHE GRUPPE. I. KAP.

Setzkastens mit der Hand, abgelegt. Durch Treten, oder durch Drehen eines Rades, wird ein Mechanismus in Bewegung gesetzt, welcher Stösser treibt, die die Buchstaben in die für sie bestimmten Reihen der Rinnen treiben. Man sieht, dass auch dieser Apparat nicht vollkommen und nur teilweise automatisch ist. Zu zwei Setz- maschinen gehören etwa drei Ablegemaschinen.

Ein von allen anderen abweichender Weg wurde von Dr. Alexander Mackie1, einem praktischen Buchdrucker in Warrington, eingeschlagen. Das Städtchen liegt halbwegs zwischen Manchester und Liverpool, ziemlich im Zentrum eines Kreises kleinerer auf- blühender Städte. Mackie fasste den Plan, für jede derselben eine eigene Zeitung zu gründen, die den leitenden und politischen Teil mit den anderen gemeinschaftlich, dabei jedoch einen lokalen selbständigen Teil besitzen sollte. So entstand eine ganze Familie von Gitardians , sieben an der Zahl, die mit dem Manchester Guardian 1853 anfing. Um nun den gemeinschaftlichen Teil schnell für jedes der Lokalblätter herstellen zu können, kam Mackie auf eine Kombination von drei verschiedenen Maschinen, von welchen die eine, wenn man so sagen darf, die Manuskriptmaschine, die andere die Setz-, die dritte die Ablegemaschine bildete. Durch die ersten wird beim Anschlagen einer Taste ein Loch in einen Papierstreifen gebohrt. Die Löcher sind so rangiert, dass, wenn ein perforierter Streifen der Setzmaschine übergeben wird und ein Loch in diesem ein Loch in einer Walze, über welche der Streifen geführt wird, gerade deckt, ein Stift hineinfällt, der bis dahin einen Behälter, worin die benötigten Buchstaben sich befinden, zugeschlossen hielt. Aus dem nunmehr geöffneten Behälter fällt die Type auf eine schnell rotierende Gleitschiene und wird dem Winkelhaken zugeführt. Selbstverständlich beruht alles auf der richtigen Lage der, durch die mit den Tasten verbundenen Stifte in den Streifen gebohrten Löcher. Es ähnelt diese Manipulation dem Wirken der Stifte auf der Walze einer Spieldose, welche zur rechten Zeit die, den richtigen Ton an- gebende Metallfeder treffen müssen. Im Prinzip hat Mackies Maschine grosse Vorzüge. Sie ist, was die eigentliche Setzmaschine betrifft, vollständig automatisch. Das perforierte Manuskript kann gleichzeitig in mehreren Exemplaren hergestellt werden und somit behufs des

* Print Reg. 1877, Okt. Ann. d. Typ. 1, Nr. 24. m, Nr. 109.

I. KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE SETZMASCHINEN. 47

Setzens durch eine Maschine nach verschiedenen Orten gesandt werden. Von einer grossen Verbreitung des Apparates verlautet indes nichts, dagegen wird berichtet, dass Mackie sich fortwährend mit Verbesserungen an demselben, namentlich am perforierenden Teil, beschäftigt, so dass anzunehmen ist, dass ihn die Leistungen noch nicht ganz befriedigen, obwohl er jetzt schon 350000 Buch- staben pro Woche garantiert.

Dr. Mackie ist ein so eigentümlicher und bedeutender Repräsen- tant moderner Arbeitsweise, dass es wohl geboten ist, seine Wirk- samkeit etwas näher zu betrachten. Nachdem er Erfolge erzielt hatte, ging er noch weiter und errichtete im Jahre 1877 in einer kleinen Stadt Crewe, gelegen an einem Knotenpunkte der Londoner Nord- West-Bahn, mit 25 000 Einwohnern, von denen ein bedeutender Teil in den umfangreichen dortigen Werkstätten der Eisenbahn- gesellschaft beschäftigt ist, eine grossartige Druckoffizin. In gothi- schem Stile erbaut, bildet sie eine mächtige Halle von 150 Fuss Länge und 30 Fuss Breite, in welcher 14 Mackiesche Setzmaschinen mit den nötigen Hülfsmaschinen, zwei Atkinsonsche Giessmaschinen und die erforderlichen Schnellpressen arbeiten. Unter den nahe an 150 Beschäftigten sind nur etwa 30 Männer. Indem Mackie die Offizin nach Crewe legte , rechnete er darauf, dass er unter den vielen Töchtern der dortigen Arbeiter sehr leicht tüchtige Hülfskräfte finden würde. Er, oder vielmehr die Kommandit - Gesellschaft Mackie, Brewthal & Co., druckt dort verschiedene Zeitschriften und viele Werke für Buchhändler in London1.

Mit dieser Anstalt hat Mackie in jüngster Zeit auch ein Aus- bildungs- Institut für werdende Berichterstatter, Unterredakteure und Zeitungsbesitzer vereinigt. Der Betreffende erhält Unterweisung :

1) im praktischen Setzen, um später richtig disponieren, Manuskript berechnen und die für das Setzen nötige Zeit beurteilen zu können;

2) im Korrekturenlesen, unter Berücksichtigung, wie bei der Korrektur die Zeit des Arbeiters geschont werden kann; 3) im

1 Eines der frühesten umfangreicheren Bücher, deren Satz mittels der Setzmaschine fertiggestellt wurde, ist: Italy and France. An Editors Holiday by Alex. Mackie. London 1874. xviund4i5 Seiten. Der Verfasser schildert darin die Eindrücke einer im Fluge unternommenen Ferienreise. Leider hält er sich nicht so lange bei der Schilderung der typographischen Etablissements Roms und Paris auf, als dem Leser gewiss lieb gewesen wäre.

48 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. I. KAP.

Berichterstatten und der Art, das Manuskript für den Satz praktisch und korrekt abzufassen; 4) in der Buchführung für Journalunter- nehmungen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass ein solches Institut, seitdem die journalistische Thätigkeit ein wirklicher Lebens- beruf so Vieler geworden ist, einen grossen Wert hat und wohl Nachahmung verdient.

Zu diesem und seinen übrigen Instituten fügte er noch im Jahre 1880 eine neue grossartige Offizin in Warrington. Das prächtige Gebäude von 200 Fuss Länge und 100 Fuss Breite im gothischen Stil hat wie das in Crewe nur ein Stockwerk. Der grosse Arbeits- saal von 126 Fuss Länge und 96 Fuss Breite wird durch zwei Reihen von eisernen Säulen in drei Längenschiffe geteilt.

Das Prinzip der Setzmaschinen: durch eine Tastatur Buch- staben in Bewegung zu setzen, führte zu den Versuchen mit dem sogenannten Matrix comßositor (Matrizen - Setzer) des John E. Sweet & Daul (Paris 1867) und deren vielen Nachfolger als: D. Timiriazeff (London 1872), Jos. Liwtschack in Wilna (1876), Peterson in Wien, G. Hambruch in Elbing u. a. Sweets Gedanke war theoretisch ein sehr hübscher. Er wollte, indem er die Stempel durch die Tastatur in eine weiche Masse drückte, Matrizen auf dem Setzwege direkt herstellen. Dieselben Schwierigkeiten jedoch, die hinderlich waren, um einen korrekt ausgeschlossenen Satz durch die Setzmaschine zu liefern, stehen auch diesem Verfahren , und zwar in einem noch höheren Grade, entgegen. Sweets verschiedene Ausstellungsproben und über diese hinaus scheint er nicht gekommen zu sein waren äusserst wenig empfehlend.

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IL KAPITEL.

DIE DRUCK- UND HÜLFSMASCHINEN

DER ANGLO -AMERIKANISCHEN GRUPPE.

Die Handpresse. Lord Stanhope und seine Nachfolger: Cogger, Clymer u. a. Die Auftragmaschine. Die Glatt- und Prägmaschine: Bramah. Die Schnell- presse: Friedr. König in England, Bensley, John Walter, der 29. November 1814, Kränkungen Königs, seine Abreise von London, Walters Eintreten für ihn. Die Nachfolger Königs: Napier, Applegath & Cowper, Hoe u. a. Die Endlosen: W. Bullock, die Walter -Maschine u. a. Die Mehrfarbe -Endlose. Die Tretmaschinen. Die Ausleger, die Anleger. Die Satiniermaschine. Die Feuchtapparate. Die Bronciermaschine. Die Falzmaschine. Diverse hülfsmaschinen. walzen und farbe. dle materialienhandlungen.

EIT dreihundertundfünfzig Jahren hatte man sich zur Herstellung selbst der vorzüglichsten Druckwerke Druckpresse. noch immer der alten hölzernen Presse bedient. Nach den Verbesserungen an dieser in den ersten fünfzig Jahren der Kunst waren im ganzen genommen keine, das eigentliche Wesen der Presse weiter ändernden eingetreten, namentlich blieb der zweimalige Zug, einer für jede Hälfte der Druckform. Erst gegen das Ende des xviil. Jahrhunderts gelangten ernsthafte Verbesserungsversuche zur Ausführung, um den Druck grösserer Formate mit einmaligem Zuge zu bewerkstelligen. Besonders hierfür thätig waren W. Haas in Basel (Kap. Xiv) und F. Didot in Paris (Kap. v).

50 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. II. KAP.

Den eigentlichen Umschwung kennzeichnet erst die eiserne Lord stanhopes Presse Lord Stanhopes. Nach vielen kostspieligen Versuchen brachte er, mit Hülfe des tüchtigen Mechanikers Walker, diese zu- stande und das erste Exemplar wurde in der Offizin Will. Bulmers aufgestellt und beim Druck der grossen Prachtausgabe von Shake- speares Werken verwendet r.

Wände, Krone, Ober- und Unterbalken der hölzernen Presse wurden jetzt durch ein Stück Gusseisen ersetzt. An Stelle der Schraube mit dem Bengel trat ein zusammengesetzter Hebel, der es möglich machte, in dem Augenblick des Druckes eine fast unbegrenzte Kraft zu entwickeln. Die Arbeiter, die früher mit Aufgebot aller Gewalt den Bengel an sich ziehen mussten, indem sie mit zurückgebogenem Körper den Fuss an den Antritt stemmten, konnten gar nicht begreifen, dass ein gelindes Anziehen im letzten Augenblick genügend sei, um einen kräftigen Abdruck zu erzielen. Das Zurückgehen des Tiegels wurde durch ein Gegen- gewicht bewerkstelligt. Nur der Fuss blieb anfänglich noch Holz, doch auch hiervon kam man bald ab und baute auch diesen Teil aus Eisen2.

Die grossen Handpressen erforderten auch eine raschere Art Die Druckwalze, der Einfärbung. Den Gedanken, die Ballen durch Walzen zu ersetzen, hatte schön früher der französische Holzschneider Papillon gehabt. Lord Stanhope Hess viele Versuche machen, um einen zweck- mässigeren Überzug derselben fertig zu bringen, gelangte aber nicht zum Ziel. Ein geschickter Drucker in Weybridge, Forster, kam, angeregt durch die Verwendung der Leimmasse in einer Töpferei in Staffordshire, auf den Gedanken, eine Masse von Leim und Syrup auf grobes Segeltuch zu giessen und, nach der Erkaltung, die Ballen damit zu überziehen. Erst später wurden hölzerne Walzengestelle mit Masse umgössen. Hiermit war ein wesentlicher Gewinn an Arbeit und Zeit erreicht, der namentlich der Schnellpresse zugute- kommen sollte.

1 Die Sitte in England, manchmal eine Offizin als Press zu bezeichnen, hat in Deutschland öfters zu Missverständnissen Anlass gegeben. So stand in einem deutschen Fachblatt, dass Lord Stanhopes eiserne Presse unter der Bezeichnung Shakespeare -Press verbreitet sei, während- diese Bezeichnung die Firma für Bulmers Offizin war, wo die Stanhope -Presse zuerst arbeitete.

2 Journ. f. B. 1834, Nr. io; 1835, Nr- 24-

II. KAP. DIE DRUCK- UND HÜLFSMASCHINEN. 5 I

Als einmal das Feld für den Pressenbau eröffnet war, entstanden eine Menge von Pressen, von welchen jede besondere Vorzüge haben Fortwährende

Verbesserungen.

sollte. Neben manchem Unwesentlichen kamen auch wirkliche Ver- besserungen vor. Doch wie die hölzerne Presse schon jetzt ein Gegenstand ist, den mancher tüchtige Buchdrucker der Gegenwart nur von Hörensagen kennt, so wird es einst mit der eisernen Hand- presse gehen, die jetzt schon fast der Vergangenheit angehört, so dass manche grosse Druckerei nur noch zum Abziehen der Korrekturen eine invalide Presse, von einem Drucker -Invaliden bedient, besitzt.

Die CoGGERsche Presse entwickelte eine noch grössere Kraft, als die Stanhopesche. Säulen von Schmiedeeisen bildeten die Press- J. cogger. wände. Ein querarmiger zusammengesetzter Hebel gab die Kraft, die dicht unter dem Oberbalken in ausgedehnter Weise wirkte. Durch Federn wurde das Zurückgehen des Tiegels bewerkstelligt \

Einen hohen Ruf durch die ganze Welt erwarb sich die „Columbia- Presse" John Clymers. Dieser stammte aus einer j. ciymer. Schweizerfamilie, die nach Amerika ausgewandert war. Im Alter von sechzehn Jahren erfand der junge Ciymer bereits einen neuen Pflug mit so besonderen Vorzügen, dass er die Aufmerksamkeit der Männer der Wissenschaft auf sich zog. Der Zustand der Druckerpresse erweckte seine Erfinderlust und bereits im Jahre 1797 begann er seine Verbesserungen an der Holzpresse, später an der eisernen, bis er seine berühmte „Columbia -Presse" zustande brachte, die er 1818 in England einführte, wo sie allgemeine Ver- breitung fand. In den dreissiger Jahren beherrschte sie fast alle Druckoffizinen, auch die des Kontinents. In dieser Presse wurde durch eine Kombination von Hebeln bei grosser Gleichmässigkeit des Druckes eine ausserordentliche Kraft geübt, und der Abdruck erschien, bei wesentlicher Schonung der Schrift, in grösster Schärfe. Das Zurückgehen des Tiegels geschah durch ein, auf einem langen Hebel angebrachtes, schweres Gewicht, meist in der Gestalt des auffliegenden amerikanischen Adlers. Die Presse hatte etwas Imposantes und konnte für sehr grosses Format gebaut werden 2.

1 Beschrieben und abgebildet Journ. f. B. 1S34, S. 62.

2 Über die von J. Ciymer erfundene Fatent-Columbiapresse. Braunschweig 1828. —Journ. f. B. 1834, S. 95.

4*

5^

DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE.

W. Hagar.

J. Ruthven.

J. Saxton.

I >ic Auftrag - maschine.

Eine weite Verbreitung fanden ebenso diejenigen Pressen, welche bei geringer Kraftanwendung und bei elastischem Zug durch einen Kniehebel einen starken Druck ausübten. Der Tiegel wurde durch Spiralfedern getragen, das Einstellen für die ver- schiedenen Schrifthöhen geschah sehr leicht. Diese Pressen wurden zuerst von dem Amerikaner Hagar gebaut x. Das Prinzip des Knie- hebels war bereits, jedoch nicht in glücklicher Weise, in der sehr komplizierten „Strebepresse" von Hawkin2 angewendet und wurde später bei mehreren englischen Pressen benutzt. Sehr verbreitet war die „Albionpresse" von Hopkinson^ und die „Imperialpresse" von J. Cope^.

Alle die Abarten der Handpresse, die keine grosse Rolle gespielt haben, hier zu beschreiben, wäre eine unfruchtbare Arbeit ; es seien nur noch einige, die sich durch Originelles in der Konstruktion aus- zeichneten, kurz erwähnt. Bei der von John Ruthven in Edinburgh 1813 erbauten „Schottischen Presse" blieb das Fundament, welches mit Deckel, Rähmchen und Punkturen versehen ist, unbeweglich, während der Tiegel in Schienen hin und her ging und das Fundament durch einen unter demselben angebrachten Mechanismus kräftig an- gezogen wurde s. Sehr originell war die Konstruktion der 1820 in England patentierten „Tretpresse" des Amerikaners Daniel Tread- well. Das Fundament war, wie bei der Ruthven- Presse, fest. Sie arbeitete leicht, nahm aber einen grossen Raum ein und sah sehr hässlich aus, fand auch nicht Eingang6. Nicht besser ging es der „Hydrostatischen Presse" Jos. Saxtons, in welcher der Tiegel an das Fundament gedrückt wurde durch die Kraft des Wassers, das sich in einem hohlen, elastischen, in der Art der Ziehharmonika geformten und mit dem Tiegel zusammenhängenden Behälter befand, während beim Abfluss des Wassers aus demselben der Tiegel sich wieder hob.

Der Gedanke, die Farbe auf mechanischem Wege aufzutragen, lag ziemlich nahe und ist auch verschiedentlich, jedoch nie in ganz befriedigender Weise, bei der Handpresse zur Ausführung gebracht. Die ersten Versuche geschahen 1820 durch Thomas Parkin. Sein Apparat nahm jedoch einen sehr grossen Platz ein und die Drucker

1 Journ. f. B. 1836, Nr. 42. Nr. 33.— 4 Journ. f. B. 1835, Nr. 81.-

Journ. f. B. 1835, Nr. 33. 5 Journ. f. B. 1835, Nr. 4- "

- 3 Journ. f. B. 1838, 6J. f. B. 1834, Nr. 62.

II. KAP. DIE DRUCK- UND HÜLFSMASCHINEN. 53

leisteten gegen denselben passiven Widerstand, damit nicht der eine der bisher nötigen zwei Drucker ausser Brot kam.

In Amerika erfand 1833 Fairlamb in Boston, der sich mit einem erfahrenen Buchdrucker und Mechaniker Namens Gilpin vereinigte, einen solchen Apparat, von welchem viele hunderte gebaut wurden. Das Farbewerk stand mit der Kurbel in Verbindung und die Walzen gingen zweimal über die Form weg. Nach der Verbreitung der Schnellpresse verlor jedoch diese Erfindung fast ihren ganzen Wert, da Auflagen, wo Schnelligkeit notwendig war, nicht mehr auf der Handpresse gedruckt wurden.

Dem Bedürfnis nach einer guten Glätte half namentlich Bramahs „Hydraulische Presse" ab, die im Vergleich mit der Schraubenpresse Bramahs Glätte- den grossen Vorteil hat, dass die Reibung nicht mit der Zunahme des Druckes wächst, der in dem letzten Augenblick eine enorme Steigerung erreichen kann.

Weitere Verdienste erwarb sich Bramah durch seine Präg- und Numerier -Maschinen, von welchen eine der frühesten 1809 bei dem Druck der Noten der englischen Bank Verwendung fand. Vor dieser Zeit mussten die Nummern und das Datum mit der Hand eingeschrieben werden. Es dauerte nicht lange, so ver- wendete die englische Bank 40 Bramahsche Maschinen1.

So wichtig nun auch alle die erwähnten Verbesserungen und Erfindungen waren, so verschwanden sie doch gegen die grosse, Die Schnell- em 28. November 18 14 der Welt als vollzogen angekündigte That, „dass die Times auf einer durch Dampf betriebenen, ohne Beihülfe von Menschenhänden arbeitenden Schnellpresse gedruckt sei".

Mit besonderem Stolz blickt Deutschland auf dieses Ereignis, denn der Name des deutschen Erfinders Friedrich König wird Fr. König. neben dem Gutenbergs auf ewige Zeit mit Anerkennung und Dank- barkeit genannt werden. Ganz ohne Bitterkeit bleibt die Freude hierüber allerdings nicht, denn die Verhältnisse lagen damals für Deutschland so schlimm, dass es, wie König selbst sagt, nicht mög- lich gewesen wäre, ohne die Beihülfe Englands die Erfindung für das praktische Leben nutzbar zu machen. Für uns erwächst hieraus die Notwendigkeit, die Anfänge der Geschichte der deutschen

1 Joum. f. B. 1835, Nr. 55; 1836, Nr. 122.

54 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. II. KAP.

Erfindung der Schnellpresse in Verbindung mit der typographischen Geschichte Englands zu behandeln \

Nachdem Königs Hoffnungen in Deutschland, Österreich und Russland vollständig gescheitert waren, kam er 1806 nach England und fand in dem folgenden Jahre in dem tüchtigen Buchdrucker Th. Bensiey. Thomas Bensley einen Mann , der die nötigen Geldmittel zur Erlangung eines Patentes und zur gemeinschaftlichen Ausbeutung desselben herzugeben bereit war. Der neue Gutenberg war hier- durch, wie der Urvater der Typographie, ebenfalls an einen klug- berechnenden und eigensüchtigen Fust gefesselt, hatte jedoch das Andr. Fr. Bauer. Glück, in seinem Peter Schöffer Andreas Friedrich Bauer nicht nur einen technisch tüchtigen Mitarbeiter, sondern auch einen treuen Freund für das Leben zu besitzen, und in seinem Conrad john Walter. Humery John Walter nicht nur den wohlwollenden und ver- mögenden Beschützer, sondern den mächtigen direkten Förderer seiner Pläne zu finden.

Zu König und Bensley traten noch Richard Taylor und r. Taylor und G. Woodfall , bekannte Buchdrucker und rechtliche Männer. Es

G. Woodfall.

wurden nach und nach vier Patente für verschiedene Arten von Druckmaschinen in England genommen. Das erste Patent: „Für eine Methode mittels Maschinen zu drucken", wurde Fr. König Das erste Patent, am io. März 1810 erteilt; die Spezifikation ist am 27. September eingetragen. Alle Verrichtungen waren auf eine wiederkehrende Bewegung zurückgeführt, so dass Betrieb durch Dampf möglich war und die Arbeiter weiter nichts zu thun hatten, als die Bogen auf dem Deckel anzulegen und nach dem Druck abzunehmen. Deckel und Rähmchen waren ungefähr wie bei der Handpresse, nur mit dem Unterschied, dass das Rähmchen am unteren, statt am oberen Ende des Deckels angebracht war. Beide schlössen und öffneten sich durch einen einfachen Mechanismus. Die Druckfarbe wurde aus einem Behälter ausgepresst. Die Zerteilung der Farbe geschah durch rotierende, zugleich in der Längsrichtung sich

1 König & Bauer, Die ersten Druckmaschinen erbaut in London bis zu dem Jahre 1818. Mit Abbildungen. Leipzig 185 1. S. Smiles, Frederick König, Inventor of the steam printing machine. MacMillans Magazine, Dzbr. 1869. Th. GOEBEL, Fr. König und die Erfindung der Schnellpresse. Braunschweig 1875. Königs Jugendgeschichte und die spätere Geschichte des Etablissements König & Bauer in Kloster Oberzell ist in Kap. X behandelt,

II. KAP. DIE DRUCK- UND HÜLFSMASCHINEN. ' 55

bewegende Cylinder, das Auftragen durch Walzen, welche mit egalisiertem Ballenleder überzogen waren. 1 8 1 1 im April war diese ersteTiegeldruck- Schnellpresse fertig und der erste Bogen, der darauf in der Bensleyschen Druckerei gedruckt wurde, war der Bogen H des Annual Register for 1S10 in einer Auflage von 3000 Exemplaren.

Das zweite Patent „für weitere Verbesserungen der Methode mit Maschinen zu drucken" datiert vom 30. Oktober 181 1, die Zweites Patent. Spezifikation vom 29. April 18 12. In diesem Patent wird das Prinzip fast aller folgenden Schnellpressen ausgesprochen. Es enthält eine ausführliche Beschreibung und Abbildung der einfachen Cylinder- Druckmaschine, zugleich wird jedoch erwähnt, dass durch eine Kombination einer grösseren Anzahl derselben Teile oder Prinzipien die Wirkung verdoppelt und vervierfacht werden könne und dass über- haupt von einer Form eine grosse Anzahl von Abzügen in kürzester Zeit zu erhalten sei. Dies alles wurde durch Zeichnungen erläutert. Das dritte Patent, vom 23. Juli 18 13, mit der Spezifikation vom 22. Juli 18 14, bezieht sich „auf additionelle Verbesserungen der Methode mit Maschinen zu drucken, namentlich was den Farben- apparat, die endlose Bänderleitung, die Hörn- und Segmenträder und die Verbindung des Druckcy linders mit dem Karren betrifft".

Die nach dem zweiten Patent zuerst gebaute einfache Cylinder- maschine wurde im Dezember 18 12 vollendet. Die ersten Leistungen Drittes Patent. dieser ganz cylindrischen Presse waren die Bogen G und X von Clarkson, Life of W. Penn. Vol. 1 . Die Maschine druckte 800 in der Stunde. Als der Eigentümer der Times, J. Walter, die Leistung gesehen, war er in wenigen Minuten entschlossen, zwei Doppel- maschinen zu bestellen. Diese Maschinen mit doppeltem, vorwärts und rückwärts wirkendem Druckcylinder lieferten in der Stunde 1100 Abdrücke in einer weit besseren Ausführung, als man bei Zeitungen gewohnt war. Am 29. November 18 14 ging die erste Nummer der Times, mit diesen Maschinen gedruckt, aus der Offizin im Printinghouse-Squarc hervor. John Walter selbst machte dies dem Publikum in einem leitenden Artikel bekannt, an dessen Schluss es heisst :

„Über die Person des Erfinders haben wir wenig hinzuzusetzen. Sir Christophe Wrens x edelstes Denkmal ist das Gebäude, welches

« Erbauer der Paulskirche in London.

56 DIE ANGLO-AMERIKANISCHE GRUPPE. IL KAP.

er errichtete; ebenso ist die beste Lobpreisung, welche wir dem Erfinder der Druckmaschine darbringen können, diese selbst, deren Macht und Nützlichkeit wir in schwachen Worten zu schildern ver- sucht haben. Es mag genügen, zu sagen, dass der Erfinder von Geburt ein Sachse ist, dass er Friedrich König heisst und dass die Erfindung unter der Leitung seines Freundes und Landsmannes Bauer zur Ausführung gebracht wurde."

Das vierte Patent Königs „für weitere Verbesserungen an der viertes Patent. Schnellpresse" wurde am 24. Dezember 18 14, die Spezifikation am 22. Juni 18 16 registriert. Aus den Grundsätzen derselben gingen die Schön- und Widerdruckmaschine, die verbesserte einfache Druck- maschine und die verbesserte Doppelmaschine hervor. Die erste Komplettmaschine wurde im Februar 18 16 in der Druckerei von Bensley & Son aufgestellt und lieferte stündlich 900 1000 auf beiden Seiten bedruckte Bogen. Die Literary Gazette war das erste Wochenblatt, welches von 18 18 ab dort auf der Schnellpresse gedruckt wurde. In den Nummern vom 3. und 10. Januar äusserte sich Bensley selbst auf das günstigste über die Leistungen der Maschine. Eine verbesserte Doppelmaschine, welche 1500 2000 Exemplare pro Stunde lieferte, wurde in der Times- Offizin aufge- stellt und der Eigentümer sprach sich am 3. Dezember 1824 in günstigster Weise über sie aus.

Aus den Patent- Akten geht also hervor, dass schon damals alle Hauptklassen von Maschinen nicht allein von König spezifiziert, sondern mit Ausnahme der achtfachen auch ausgeführt wurden : die einfache Maschine mit Tiegeldruck, die einfache Cylindermaschine, die Doppelmaschine mit abwechselnd stillstehendem Cylinder, die vielfache Maschine, die Schön- und Widerdruckmaschine, die ver- besserte einfache Cylinderpresse , die verbesserte Doppelmaschine. Zur Ausführung der achtfachen Maschine wurde König und Bauer die Gelegenheit nicht gegeben. So lange sie in England verweilten, war die Notwendigkeit einer solchen noch nicht eingetreten, und als sie das Land verlassen hatten, war es natürlich, dass John Walter lieber mit den dortigen Mechanikern verkehrte,, so dass die acht- fache Maschine mit vertikalen Cylindern, welche man bis 1860 als ein Wunderwerk in der Tzmes-Druckerei anstaunte, nach Applegaths Konstruktion ausgeführt wurde.

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Nach diesen praktischen Resultaten und nach den Zeugnissen Walters und Bensleys wäre wohl zu erwarten gewesen, dass über Umtriebe gegen die Erfindung der Schnellpresse kein Zweifel mehr obwalten konnte, und dass dem Erfinder auch der volle materielle Lohn geworden wäre. Das war jedoch nicht der Fall. Th. Bensley zeigte sich als ein egoistischer Teilhaber, der in der Sozietät das Übergewicht geltend machte. Ihm war es mehr darum zu thun, die Erfindung zur Hebung der eigenen Offizin zu benutzen, als darum, Bestellungen von seinen Konkurrenten zu erzielen. Statt den Vertrieb zu fördern, erschwerte er denselben und leitete, wie es scheint, die Unterhand- lungen in einer der Sache wenig förderlichen Weise. Selbst die Ergebnisse der bereits abgeschlossenen Geschäfte suchte er sowohl Fr. König als auch dem anderen Teilhaber Taylor zu verkümmern. Ja sogar die Ehre der Erfindung sollte nicht unangetastet bleiben.

William Nicholson, ein heller Kopf und redlicher Mann, hatte sich früher mit der Idee einer Druckmaschine umgetragen und wm. Nicholson. bereits am 29. April 1790 ein Patent genommen „auf eine Maschine oder ein Instrument, um auf Papier, Leinwand, Kattun, Wollenzeug und andere Stoffe in einer netteren, wohlfeileren und genaueren Manier zu drucken , als durch die jetzt gebräuchlichen Instrumente möglich ist" \ Seine Zeichnungen und Erklärungen sind sehr skizzen- haft. Es wird mehr angegeben, was Nicholson will, als „wie" er es zu machen gedenkt. Nicholson hat seine Ideen nie ausgeführt; sie waren von ihm selbst längst beiseitegelegt und vergessen, als König und Bensley aus des Genannten eigenem Munde davon hörten, als sie ihn in ihrer Patentangelegenheit konsultierten; denn Nicholson übte die Vermittelung in solchen Geschäften als Erwerb. Bei dieser Gelegenheit äusserte derselbe, „er habe die Sache vor 17 Jahren versucht, sie gehe aber nicht". Auch hat er, selbst als König Öffent- lich mit seiner Erfindung auftrat, sich ganz still verhalten.

Dagegen tauchten andere auf, die es sich mit dem Fortbauen auf den gemachten Erfahrungen bequem machten. Wäre hierzu nur e. Cowper. Nicholsons geistige Hinterlassenschaft benutzt, so hätten König und Bauer keine Veranlassung sich zu beschweren gehabt; es wurden aber ihre Ideen vollständig, z. B. von E. Cowper in seiner Schön- und Widerdruckmaschine, ausgebeutet. Rcchtsgelehrte erklärten,

1 Repertory of arts vol. i, 1796. Savage, Didlonary of tfte art ofprinting. 1841.

58 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. II. KAP.

dass ein Einschreiten seitens Königs von Erfolg sein würde, aber Bensley stimmte gegen ein solches und die Klage musste demnach unterbleiben. Ja, es scheint sogar, dass Bensley in Überein- stimmung mit Cowper gehandelt habe. „Denn letzterer offerierte" so, sagt Savage, sei ihm berichtet worden „als einen Akt der Gerechtigkeit und in Betracht der grossen Kosten von mindestens 16000 Pfd. Sterl., welche für Bensley bei der Durchführung der Erfindung der Druckmaschine entstanden waren, diesem einen Anteil an seinem Patent1, was von Bensley angenommen wurde." Die Freundschaft der beiden scheint jedoch nicht von langer Dauer gewesen zu sein , denn später Hess Bensley König ersuchen , gegen Cowper einzuschreiten, was jetzt jedoch König seinerseits ablehnte. Wie es Cowper machte, so thaten es auch andere; man nahm von Nicholson und König, was passte, und fügte einiges Neue hinzu. Ermüdet von allen diesen Verdriesslichkeiten beschlossen König

König geht nach und Bauer im Jahre 18 17, England zu verlassen und in das Vater- land zurückzukehren, dem sie fortan mit Ruhm und Erfolg angehören sollten. Das Verlassen Englands unter den obwaltenden Umständen war selbstverständlich gleich einem Aufgeben der Patentrechte und der daran geknüpften Aussichten. Die englische Presse vergass schnell "Ben Namen König. Wenn von der Erfindung und Ver- besserung der Schnellpresse die Rede war, so wurden Nicholson, Cowper, Applegath und andere genannt; König existierte nicht. Nur die Times fuhr fort, eine rühmliche Ausnahme zu machen, und stellte noch am 3. Dezember 1824 König das ehrendste Zeugnis aus. Es dürfte, wenn auch König keiner Ehrenrettung bedarf, eine Pflicht gegen die deutsche Erfindung sein, die hauptsächlichsten Stellen daraus wiederzugeben :

„Bei der ersten Einführung der Druckmaschinen erregte diese

johnWaiter über Erfindung grosse Teilnahme, und ihre Originalität wurde nicht

König.

bestritten, indem niemand einen Beweis für die frühere Anwendung derselben Grundsätze anführen konnte. Schon damals waren wir bemüht, den Ansprüchen des Erfinders, Herrn König, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, der einige Jahre später in sein Vaterland Deutschland zurückkehrte, jedoch fürchten wir ohne den Lohn

1 Cowpers Maschine ist in Monthly Magazine vom I.Jan. 1819 beschrieben und abgebildet.

II. KAP. DIE DRUCK- UND HÜLFSMASCHINEN. 59

empfangen zu haben, der seinem Verdienste für seine wunderbare Erfindung und deren Ausübung in England zukam." Es wird nun der ungerechten Versuche von anderer Seite, sich die Erfindung anzueignen und die Verdienste Königs entweder ganz zu ignorieren oder auf ein Minimum zu reduzieren, gedacht und dann fortgefahren : „Es ist ein so seltener Fall, dass ein Ausländer in England eine Erfindung zur Ausführung bringt; es giebt hier so viele eingeborene Talente in den mechanischen Künsten, und England steht in dieser Beziehung so hoch, dass es wohl ausländischem Verdienste Gerech- tigkeit widerfahren lassen kann." Dies thut nun das Blatt, indem es die Ansprüche des Herrn Bensley auf null, die des Herrn Nicholson auf eine fallengelassene Idee und die der Nachfolger Königs auf das facile est inventis addere zurückführt. „Wir können zum Schluss nicht umhin, zu bezeugen, dass wir in Herrn König nicht nur einen Mann von hoher Bildung und feurigem Geiste, sondern auch von grösster Ehrenhaftigkeit und lauterster Rechtlichkeit gefunden haben. In dem kritischen und prüfungsreichen Zeitraum, wo seine Erfindung in unserer Offizin zur Ausführung gebracht wurde, standen wir in täglichem Verkehr mit ihm, so dass wir volle Kenntnis von seiner Art und Weise und von seinem Charakter erlangten ; die Folge ist gewesen, dass wir für ihn innige Freundschaft und hohe Achtung für immer hegen."

Ein Zeugnis, ehrend für König, ehrend für Walter!

Sehen wir von dem gegen König geübten Unrecht ab, so können wir den englischen Erbauern von Schnellpressen unmöglich Verbesserer der

Schnellpresse.

die Anerkennung versagen, diese so wesentlich verbessert zu haben, dass die Leistungen der ersten Schnellpressen gegen die heutigen Rotatfonsmaschinen sich fast eben so verhalten, wie die Leistungen der Handpressen zu denen der ersten Schnellpressen. Nur diese Fortschritte haben es der englischen und amerikanischen Journalistik möglich gemacht, ihren hohen Rang zu erkämpfen und zu behaupten.

Unter den Verbesserern der Schnellpresse sind besonders zu erwähnen : Edw. Cowper, Aug. Applegath, D. Napier, Isaac Adam, R. Hoe & Co. Noch viele andere könnten genannt werden. Napier Napier. führte zuerst Greifer ein und baute Maschinen mit einem sehr grossen

60 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. II. KAP.

Druckcylinder, der sich in fortwährender Bewegung befand und von

welchem nur etwa der dritte Teil als Druckcylinder benutzt wurde.

Appiegath & Bekannt sind die von Applegath & Cowper im Jahre 1827 für die

Cowper.

Times- Druckerei erbauten viercylindrischen Maschinen mit einer Leistungsfähigkeit von 4 5000 Exemplaren1. Noch renommierter wurde jedochApplegaths Rotationsmaschine mit vertikalen Satz- und Druckcylindern. Der Satz war auf einem Teil des mittleren grossen Cylinders angebracht, dessen übriger, grösserer Teil als Farbentisch zum Verreiben der Farbe diente. Acht vertikale Druckcylinder von je 40 englischen Zoll Durchmesser waren derart um den Satzcylinder gruppiert, dass alle bei einmaliger Umdrehung des letzteren mit dem Satz in Berührung kamen, so dass also acht Bogen einseitig gedruckt waren. Durch keilförmige Spaltlinien und eben solche Kolumnen- stege wurde fester Anschluss der Typen erzielt, die wie Mauersteine beim Bauen eines Bogens zusammenhielten. Jeder der Anleger führte alle vier Sekunden der Maschine einen Bogen zu, während acht Abnehmer die gedruckten Bogen in Empfang nahmen. Die Hauptschwierigkeit in der Konstruktion lag in dem Bändersystem, welches die in horizontaler Lage zugeführten Papierbogen in die für den Druck notwendige vertikale Lage zu bringen hatte. Die allergeringste Zögerung seitens eines Anlegers machte den Bogen zu Makulatur. Ein Vorzug der vertikalen Cylinder war, dass der abgehende Papierstaub nicht auf die Satzform, sondern zur Erde fiel. Die Maschine lieferte über 7000 Exemplare 2. Applegath erfand auch eine solche, um zu gleicher Zeit mit sechs Farben zu drucken. Für sein System unnachahmlicher Banknoten zahlte ihm die eng- lische Bank 1 8 000 £ Sterl. Er starb in Dartford im Jahre 1 87 1 in einem Alter von 84 Jahren.

Ein Schwede, C. A. Holm, nahm 1840 in London Patent auf

c. a. Holm, seine, „Skandinavia-Presse" genannte Tiegeldruckmaschine. Trotz

ihres schweren Ganges und ihrer geringen Leistungsfähigkeit von

5 600 Exemplaren war sie doch in England sehr verbreitet und

beliebt, namentlich zum Druck illustrierter Werke, die man damals

1 A description of A. Applegaths & Coiupers horizontal 'machine and of Applegaths vcrtical machine for priniing the Times. London 1851.

2 Wenn in dem Folgenden von Leistungen der Maschinen ohne eine Zeitbestimmung gesprochen wird, ist stets damit in einer Stunde gemeint.

II. KAP. DIE DRUCK- UND HÜLFSMASCHINEN. 6l

noch nicht in heutiger Vollkommenheit auf der Cylindermaschine lieferte1.

Die Wundermaschine Applegaths wurde durch die von Hoe übertroffen, die 1860 in der Times-Ofüz'm Aufstellung fand. Robert Rob. Hoe Hoe war der Begründer der berühmten Anstalt für die Fabrikation aller Arten von typographischen Maschinen in New- York. Er war als Sohn eines Pächters in Leicestershire in England geboren und lernte als Zimmermann. Im Jahre 1803 ging er nach Amerika und heiratete dort, erst zwanzig Jahre alt. Zwei seiner Schwäger, Matthias und Peter Smith, letzterer Erfinder einer renommierten Handpresse, hatten ein Geschäft errichtet, welches nach dem Tode der Inhaber von Hoe 1823 übernommen wurde. Es war damals noch klein, hatte aber, als Robert Hoe 1832 aus demselben trat, einen bedeutenden Hoe & Co. Umfang erreicht. Sein ältester Sohn Richard M. Hoe und dessen Vetter Matthias Smith, welche seit 1823 Teilhaber des Geschäfts gewesen waren, übernahmen es nun ganz für sich. Smith, ein Mann von ungewöhnlichen Fähigkeiten, starb 1842 und Robert Hoe jun. und Peter Smith Hoe nahmen seine Stelle ein.

Im Jahre 1 846 wurde die epochemachende Maschine mit rotie- rendem Cylinder : The type revolving printing oder Lightning Die Blitzpresse. Press (Blitzmaschine) gebaut. Die Schriftform ist auf einem grossen horizontalen Cylinder angebracht, um den sich 4 10 Druckcylinder bewegen, deren Anordnung je nach der Zahl derselben sich richtet. Bei der zehnfachen Maschine, wie sie in den Offizinen der Times und der Daily News arbeiteten, sassen die Anleger vier Etagen über einander. Die Bänderleitung war weniger kompliziert, als bei den Applegathschen Maschinen, weil die horizontal eingelegten Bogen in dieser Lage verblieben. Der grosse Cylinder hatte einen Durch- messer von 4J/2 Fuss englisch. Die Länge der Maschine war 3 5 Fuss, die Breite 12 Fuss und die Höhe 18 Fuss. Die Leistungsfähigkeit betrug gegen 25000 Exemplare. Der Anblick in der Offizin der Daily News, wo zwei solche Maschinen gleichzeitig arbeiteten, war wahrhaft sinnverwirrend, wenn die zwanzig grossen Bogen auf einmal in der Luft herumschwirrten 2.

1 In Deutschland arbeitet unseres Wissens nur ein Exemplar in der Vieweg- schen Buchdruckerei in Braunschweig.

2 Journ. f. B. 1860, Nr. 30.

02 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. II. KAP.

Der Beifall, welchen diese und andere ihrer Maschinen erhielten, spornte Hoe & Co. zu noch grösseren Anstrengungen an. Nicht zu- frieden mit den eigenen Erfindungen kauften sie auch noch von isaak Adam. Isaak Adam aus Boston dessen mehr als fünfzig Patente für Hand- und Schnellpressen. Dieser war der älteste Pressenbauer Amerikas, der 1830 die Tiegeldruck - Maschine gebaut hatte, welche in Amerika noch viele Freunde besitzt. 1861 eröffneten Hoe & Co. auch ein Etablissement in London, namentlich um dort bequemer die Reparaturen und Verbesserungen an ihren vielen in England verbreiteten Maschinen ausführen zu können. Ein zweites Etablisse- ment in New -York wurde 1870 eingerichtet und Hoes beschäftigten damals bereits 1000 Arbeiter. Ihr Katalog beweist den enormen Umfang ihrer Fabrikation, unter welchen die Billet- und Nummerier- maschinen für mehrfarbigen Druck einen hohen Rang einnahmen1. Doch auch die Wundermaschinen Hoes gehören der Ver- Die „Endlosen", gangenheit an und wurden durch die eigenen späteren Leistungen, zuerst aber durch die Rotationsmaschine für endloses Papier des Amerikaners Bullock in Schatten gestellt. Es wäre zwar anzunehmen gewesen, dass man bei der erreichten Arbeits- schnelligkeit Beruhigung gefasst habe. Jedoch weit gefehlt, denn man betrachtete das Geleistete nur als eine Abschlagszahlung. Die mit der Handhabung der grossen Schriftformen verbundene Gefahr war noch eine bedeutende und es gehörten immer noch zur Bedienung einer grossen Hoeschen Maschine 18 Personen. Die Arbeiterbewegungen hatten aber gezeigt, wie wünschenswert es sei, bei Unternehmungen, wo Viertelstunden entscheiden, von menschlicher Beihülfe oder Missgeschick der Arbeiter unabhängig zu sein. Die Aufmerksamkeit richtete sich deshalb auf möglichste Selbstthätigkeit der Maschine, die schliesslich in der „Endlosen" 2 in Verbindung mit der Segment-Papierstereotypie das Ideal erreichte. Zwanzig Minuten nach Fertigstellung der letzten Satzform einer Zeitung sind die segmentförmigen Stereotypplatten auf dem Satz- cylinder befestigt. Mit einer Schnelligkeit, welche die Lieferung

1 R. Hoe & Co., The typographical Messenger 1869.

2 Diese Bezeichnung wurde halb im Scherz von den „Annalen der Typo- graphie" gebraucht und dann von Anderen acceptiert. „Rotations-Maschine" ohne nähere Bezeichnung deckt den Begriff der „Endlosen" nicht genau.

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von 200 fertigen Nummern in der Minute ermöglicht, wird das endlose Papier von der Rolle abgewickelt, erst durch die Feucht- walzen, dann zwischen die Satz- und Druckcylinder geführt, durch den Schneideapparat von der Rolle in einzelnen Bogen abgetrennt, dem Falzapparat übergeben und zum Versenden gefalzt; that- sächlich ohne eine weitere menschliche Beihülfe als die der Burschen, welche die zum Versand fertigen Haufen wegzuschaffen haben.

Bedenkt man nun, dass eine Endlose, wie sie in der Times- Offizin gebaut wird, in einer Stunde eine Papierlänge von zwei deutschen Meilen auf zwei Seiten druckt, faktisch also 4 Meilen Gedrucktes in der Stunde liefert, man demnach mit zwei solchen Maschinen und einem doppelten Exemplare von Stereotypen in wenigen Stunden 100 000 Exemplare von einer grossen Zeitung beschaffen kann, so sollte man meinen, ein non plus ultra erreicht zu haben ; doch selbst diese Schnelligkeit ist bereits übertroffen worden.

Wer zuerst eine mehr als allgemeine Idee der Endlosen gefasst hat, ist schwer zu sagen. Den Gedanken deutet schon der Erfinder Ursprünge der der Schnellpresse selbst an. In England hat man früher die Priorität der Erfindung für die Firma Nelson & Sons in Edinburgh in Anspruch genommen, ein Modell ihrer projektierten Maschine befand sich auf der Londoner ersten Weltausstellung 185 1. Auf der Caxton- Aus- stellung 1877 waren jedoch Überreste eines Modells zu sehen, welches der berühmte englische General - Postmeister Sir Rowland Rowiand hüi Hill 1835 hatte anfertigen lassen. Seine Maschine war darauf f 27. Aug! i879! eingerichtet, dass keilförmige Typen oder gebogene Cliches auf einem Cylinder angebracht wurden und dass ein endloser Bogen zwischen den Schrift- und den Druckcylinder geführt wurde, wie bei den jetzigen Rotationsmaschinen. Die Maschine ward patentiert, in Chancery -Lerne aufgestellt und von kompetenten Richtern sehr günstig beurteilt. Die Regierung gestattete jedoch nicht den Druck des damals noch bestehenden Stempels bei dem Durchgang des Bogens mit vorzunehmen, und die Sache unterblieb ; ob allein aus diesem Grunde, wird wohl jetzt schwer zu entscheiden sein. Was die endlosen Pressen Auers betrifft, so verhielten sie sich zu den jetzigen wie chinesischer Tafeldruck zur Typographie Gutenbergs (vgl. Kap. XIV). Die Amerikaner behaupten, dass schon um das Jahr 1840 J. B. Wilkinson eine Endlose erfunden habe.

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Auch wenn dies nicht wäre, gebührt jedenfalls doch einem wiii. Buiiock Amerikaner William Bullock die Ehre, dem Gedanken zuerst eine 1 I3 7' praktische Lösung gegeben zu haben.

Derselbe war zu Greenville geboren. In Philadelphia lernte er als Eisengiesser und Maschinenbauer. 1849 gründete er dort eine Zeitung und baute 1853 für den eigenen Bedarf eine Holz- presse mit einem mechanischen Zubringer des Papiers. Schrittweise wurde er nun zu seiner Erfindung geführt, aufweiche er am 14. April 1863 Patent erhielt. Seine Maschine ist in Amerika sehr geschätzt, hat aber in England keinen besonderen Beifall gefunden und ist auf dem Kontinent gar nicht eingeführt. Er verunglückte bei Prüfung einer seiner Maschinen.

Die eigentliche Aera der Endlosen datiert von der Erbauung Tzmes-Pi-esse. der Walter-Maschine" . Es war eine Wiederholung der Scene von 18 14. Bereits lange zirkulierten mysteriöse Gerüchte von einer neuen Wundermaschine, die in der Times- Offizin gebaut werde. Aber es gelang niemand, durch den dichten Schleier zu dringen, mit welchem die Vorbereitungen bedeckt waren. Nicht einmal die ältesten Maschinenmeister oder die Vertrauensmänner im Geschäft bekamen Erlaubnis, den streng verschlossenen Raum zu betreten, in welchem das neue Wunder zusammengesetzt wurde, bis der Tag anbrach, an welchem es seine Pflicht zum erstenmal erfüllte. Der Constrücteur war der erste Ingenieur der Offizin J. C. Macdonald, im Verein mit J. Calverley. Die Presse erhielt, dem Besitzer zu Ehren, den Namen „Walter-Presse" x.

Wenn auch die Lage der Cylinder und die Reihenfolge der j •rinzip der „End- Funktionen bei den verschiedenen Systemen eine verschiedene ist, so bleibt doch das Prinzip dasselbe. Das Papier wird von der Fabrik auf eine Rolle gewickelt geliefert; die Zapfen der Rolle drehen sich leicht in den Lagern, in welche sie eingelegt werden, so dass das Papier, wenn einmal den Cylindern zugeführt, durch den Zug der sich drehenden Cylinder von der Rolle abgewickelt wird. Der Streifen passiert (wenn das Papier nicht durch eine besondere Vor- richtung im voraus gefeuchtet wurde) einen Feuchtapparat, wird

1 Eine Reihe von Artikeln, welche die englischen und amerikanischen Endlosen beschreiben und abbilden, sind separat erschienen als : J. F. Wilson Typographie Printing Machine and Machine Printing. London 1 87 1 .

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II. KAP. DIE DRUCK- UND HÜLFSMASCHINEN. 65

erst auf der einen Seite gedruckt und dann durch eine S-förmige Bewegung auf den Widerdrucks - Cylinder geführt. Während des ferneren Passierens des Papiers zwischen den Schneidewalzen hin- durch wird es derartig perforiert, dass die Löcher sich dicht an einander reihen, so dass das Stück, welches einen Bogen bildet, durch den Ruck , welchen Leitbänder, die mit ungleicher Schnellig- keit sich bewegen, hervorbringen, von der Rolle abgetrennt wird. Der fächerartige Selbstausleger legt nun die Bogen entweder einzeln oder mehrere zusammen auf einen Haufen, oder sie werden, wenn eine Falzmaschine, wie es gewöhnlich der Fall ist, zugleich mit der Druckmaschine verbunden ist, dieser zugeführt und fallen, wie Stroh aus der Dreschmaschine, fertig zum Versenden in einen Behälter. Dabei nimmt eine solche Maschine sehr wenig Raum ein ; eine Walter-Maschine erfordert 14 engl. Fuss Länge, 5 Fuss Breite. Selbstverständlich gehören zu dieser Maschine segmentförmige Cliches. Boden und Decke des hierzu erforderlichen Giessinstru- segmentförmige

. . . Cliches.

mentes liegen wie in den für flache Stereotypen bestimmten, parallel, jedoch nicht in der Ebene, sondern in einer Bogenform. Die biegsamen Papiermatern schmiegen sich an den Boden des gerundeten Giessinstrumentes an, der Deckel wird zugemacht und die Platte in üblicher Weise gegossen, voll, oder, wenn der Deckel des Giessinstrumentes darauf eingerichtet ist, nur auf Rippen ruhend. Um den nötigen Druck beim Eingiessen des flüssigen Schriftmetalls auszuüben, ist ein starker Anguss notwendig, dessen Beseitigung durch eine Kreissäge jedoch nur Sache eines Augenblicks ist. Die Justierung des Cliches geschieht ebenfalls in einer Minute oder weniger durch eine Hobelmaschine und die Platte ist zum Einsetzen in die schwalbenschwanzförmigen Halter des Schriftcylinders fertig. Ein Nachteil bei der Papier -Stereotypie ist, dass die Typen beim Trocknen der Matern heiss werden und zusammenbacken. Ryles & Son in Bradford haben nun eine Methode erfunden, die Mater, welche im feuchten Zustande von der Schrift abgehoben wird , in einem besonders konstruirten Rahmen festzuhalten und für sich ohne die Schrift zu trocknen.

Der Walterpresse folgte die „Victoriapresse" J von Duncan & Wilson in Liverpool. Diese, namentlich in der Provinz beliebte

1 Ann. d. Typ. i. Bd. Nr. 32 ; v. Bd. Nr. 235.

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DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE,

Verschiedene ..Endlose".

Endlose für Illustrations- druck.

Maschine war die erste, die mit Falzapparat arbeitete; dann kam die „Prestom'au11 der Herren Bond & Forster, welche sowohl für Platten- als für Schriftdruck eingerichtet ist; die „Northumbrian" von Donnison & Son in Newcastle u. T.; die W/züefrmrs " des Jos. Pardoe, gebaut von A. H. Payne, die sowohl für Papier in Bogen als für endloses sich benutzen lässt und namentlich für illustrierte Blätter bestimmt ist.

In Amerika folgten Hoe & Co. und überboten an Leistungs- fähigkeit ihrer Maschinen die Engländer. Die Fabrikate von Andr. Campbell sind neueren Datums und noch nicht recht in die Praxis gedrungen.

„Man möchte glauben, dass die äusserste Grenze erreicht sei, wenn die Erfahrung nicht den Menschen belehrte, nie das Wagnis zu unternehmen, der Vervollkommnung eines Menschenwerkes und den unerforschlichen Absichten der Vorsehung eine Grenze im vor- aus zu bestimmen", so schrieb Ambr. Firmin-Didot, als er 185 1 die Leistungen der Applegathschen Times -Maschine angesehen hatte. Wie sehr er Recht gehabt, zeigen die enormen Leistungen in der Druckerkunst, die wir seit jener Zeit erlebt haben. Jedoch trotz diesen, wer würde es heute wagen, zu sagen: „Nun ist die Grenze wirklich erreicht".

Die Verwendung der Endlosen für Illustrationsdruck gelang bis jetzt in England nicht so gut wie in Deutschland. Die von Thomas Middleton & Co. 1874 für die Offizin der Illustrated London News gebaute, und dem Gründer des Blattes zu Ehren genannte „Ingram-Maschine" wird zum Druck eines kleinen Blattes The Penny Paper benutzt. Die Konstruktion der Cylinder ist eine eigentüm- liche. Der vordere, für die Bilderform bestimmte hat einen grossen Umfang und nimmt drei Exemplare der Platten auf, man hat damit erzielen wollen , dass die Cliches nur wenig gebogen werden, damit nicht Verzerrungen in den Bildern entstehen. Der kleinere Cylinder für die Schriftform ist nur mit zwei Exemplaren des Textes belegt, infolge dessen muss sich dieser Cylinder mit ein Drittel grösserer Schnelligkeit bewegen, als der grosse. Diese Maschine lieferte 7000 Exemplare und ist, da die Zurichtung von fünf Formen selbst- verständlich viel Zeit kostet, nur bei sehr grossen Auflagen zweck- entsprechend.

II. KAP. DIE DRUCK- UND HÜLFSMASCHINEN. 6?

Für Farbendruck bauten Conisbee & Son in London eine Endlose, die dreifarbigen Druck in 3000 Exemplaren liefert, ebenso D. F. Powell. In Chicago fabrizierten Suitterlin Claussen & Co., in Philadelphia T. O. Ferree Vielfarbemaschinen x.

Wie die Extreme sich so oft berühren, so geschah es auch in dem Druckpressenbau, denn neben den ganz grossen Zeitungs- DieTretpre maschinen waren es namentlich die ganz kleinen, welche durch Treten in Bewegung gesetzt werden können und nur einen Arbeiter, in der Regel einen Burschen, zur Bedienung verlangen, welche die Aufmerksamkeit der Maschinenbauer in Anspruch nahmen.

Es war ganz natürlich, dass man besonders in den Ländern, wo der Spruch „Zeit ist Geld" seine volle Gültigkeit hatte, und wo die Zahl der kleineren Accidenzarbeiten sich ins Kolossale steigerte und viele Druckereien sich ausnahmslos nur mit solchen »Job- Arbeiten" beschäftigten also in Amerika und England , an diese kleinen Maschinen dachte. Man hatte nicht, wie in Deutsch- land, Zeit abzuwarten, bis ein Drucker an der Handpresse mit seinen langwierigen Vorbereitungen fertig war, um hundert Visitenkarten zu drucken, auch nicht Lust, deshalb eine 5000 Mark oder mehr kostende Maschine, deren Karren einen weiten Weg hin und zurück zu machen hatte, in Bewegung zu setzen. So entstand in England und Amerika eine Legion solcher Tretpressen unter verführerischen Namen, als: Universal, Nonpareille , Minerva, Non plus ultra, Franklin, Excelsior , Progress, Lilliput, Favorit, Star etc. etc. Die Bahn hatten zwei Deutsche, Degener & Weiler, in New- York mit ihrer Liberty -Press gebrochen. Die auf dem Kontinent ver- breitetsten Tretpressen dürften jetzt neben den Degener &Weilerschen die „Gordon-Pressen" sein. Trotz einiger, diesen kleinen Maschinen anhaftenden Mängel haben sie doch in zweckmässigster Weise eine bedeutende Lücke im Druckgewerbe ausgefüllt. Ein Kabinettstück unter den kleinsten Maschinen ist Mausel Baylys Kombinations- presse. Der Umstand, dass diese kleinen Pressen, welche ganz die Handpressen verdrängt haben, zum Nachteil des geregelten Druck- geschäfts in die Hände der sogenannten Trittmüller kleine Papierhändler, Buchbinder und andere Nichtbuchdrucker gefallen

1 Fr. Noble, The principles and practice 0/ ' colour prinüng. London 1881.

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sind , hat sie in einen unverdienten üblen Ruf gebracht. Das Prinzip der Endlosen ist in geistreicher Weise durch Tiegeldruck auf diese kleinen Maschinen in der Kidder -Press mit feststehendem Tiegel und hin- und hergehender Schriftform zur Anwendung gebracht.

Die beim Druck von Wertpapieren so notwendigen Numerier- maschinen wurden von Bodel so konstruiert, dass sie die Nummern erhaben pressen und von beiden Seiten verschiedenartig färben.

Eine wesentliche Verbesserung bei den gewöhnlichen Schnell- Ausieger und pressen waren die rechenförmigen MECHANISCHEN AUSLEGER , die mit ihren, sich zwischen den Leitbändern auf- und niederbewegenden Rechen die Bogen von den Leitbändern wegnehmen und auf den Auslegetisch niederdrücken. Diese Verbesserung hat allgemeinste Verbreitung gefunden, was dagegen weniger mit den MECHANISCHEN ANLEGERN der Fall ist. Die Schnelligkeit der Hand des Anlegenden hat eine Grenze, die sich nicht überschreiten lässt. Man suchte des- halb nach dem Mittel , die Hand entbehrlich zu machen, und kam auf den Gedanken, durch luftleer gemachte, in schwingender Bewegung sich befindende Saugröhren einen Bogen von dem Haufen ansaugen zu lassen, den man dann, wenn die Röhren bei ihrer Bewegung sich in der richtigen Lage über dem Anlegetisch befinden, durch Einführung von Luft zum Niederfallen bringt. Um zu ver- hindern, dass die Saugröhren zu gleicher Zeit zwei an einander anklebende Bogen von dem Haufen aufheben, wird durch einen zweiten Apparat Luft zwischen den obersten und den darauf folgenden Bogen eingelassen. Der erste Erfinder war J. F. Ashley in New -York.

Bei jedem Maschinenpapier ist die Seite, welche mit dem Draht- Satinier- gewebe , auf welches der Lumpenbrei ausfliesst, in Berührung

maschine. . . ,

gewesen, rauher, als die obere, was schon bei jeder Druckarbeit eine Unannehmlichkeit war. Noch nachteiliger wirkten jedoch die Unebenheiten und Unreinlichkeiteri im Papier auf die feineren Schriften, namentlich aber auf die Holzschnitte. Um nun dem Papier eine vollkommen glatte Oberfläche zu geben, kam man frühzeitig auf den Gedanken, nach dem Feuchten, aber vor dem Druck, jeden Bogen einzeln zwischen Zinkplatten zu legen und diese dann, 10 20 übereinanderlegt, unter starkem Druck zwischen

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zwei Hartgusswalzen durchzudrehen. Diese Manipulation mit der SATINIERMASCHINE war langwierig und teuer, namentlich weil die Zinkplatten (Satinierbleche) sich leicht abnutzten und Nachlässig- keit der Arbeiter leicht das Papier verdarb. Die Versuche jedoch, die Bogen einzeln zwischen die sich drehenden Cylinder zu führen, gelangen erst in letzter Zeit (vgl. Kap. X).

Um nach dem Druck ein stärkeres Glätten als durch die übliche Glättpresse möglich war, zugleich um ein schnelles Trocknen der feuchten Bogen zu erzielen, bauten Furnival & Co. in Manchester nach Gills Patent eine Presse, die den Bogen zwischen zwei, mittels Dampfes erhitzte Stahlcylinder führt. Die Gefahr, welche durch das Abschmutzen der frisch gedruckten Bogen auf die Walzen droht, wird durch einen vorzüglichen Reinigungsapparat beseitigt. Die Ein- und Ausfuhr der Bogen geschieht auf endlosen Bändern.

Das heisse Glätten des Papieres soll vor neunzig Jahren durch Thomas Turnbull erfunden sein, der an einer Presse beschäftigt war, Das heisse in welcher Tuch durch heisse Cylinder gepresst wurde. Als nach dem Tode des Prinzipals die Witwe ein Zirkular an die Kundschaft druckte, missfiel die Rauheit des Druckes Turnbull und er glättete die Bogen, indem er sie zwischen glatte Pappen legte und durch die Tuchwalzen gehen Hess. Die Resultate waren so befriedigend, dass er in London ein Geschäft eröffnete, um für die Buchdruckereien die Arbeiten zu glätten. Die Frage, ob das heisse Glätten im ganzen von Vorteil ist, kann noch nicht als entschieden betrachtet werden; ein Nachteil ist jedenfalls, dass jede kleinste Unreinlichkeit in dem Papier durch den starken Druck breitgequetscht und das Papier leicht verunstaltet wird.

Eine Trocken - und Glättpresse von J. W. Jones in Harrisburg (Pennsylvanien) trocknet, glättet und falzt von der Schnellpresse weg 6000 Bogen in der Stunde.

Die gewöhnliche Glättpresse erhielt durch Boomer & Borchert in London eine wesentliche Verbesserung. Ihre Presse ist sehr leicht zu handhaben und soll an Wirkung noch die hydraulische Presse übertreffen.

Das Feuchten des Papiers mit der Hand war bei den grossen Zeitungsbogen und den grossen Auflagen fast eine Unmöglichkeit Feuchtapparate, geworden. Grössere Druckereien schafften deshalb MECHANISCHE

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DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE.

Die Broncier- maschine.

Die Falzr maschine.

Verschiedene

II iill'sinaschiiien

Feuchtapparate (Hoe & Co., Harrild & Sons) an, die das Papier entweder zwischen nassen, mit Filz überzogenen Walzen hindurch- gehen Hessen oder durch einen Sprühregen benetzten. Für feinere Arbeiten bleibt das Handfeuchten vorzuziehen, da man es, je nach der Beschaffenheit des Papiers und den sonstigen Verhältnissen, mehr in seiner Macht behält, das Feuchten rationeller zu betreiben. In Amerika wird sehr viel auf ungefeuchtetes Papier gedruckt, was für diejenigen, welche einen Spiegelglanz des Papieres lieben, als ein Vorteil erscheinen mag.

Bei einer grossen Anzahl von feinen Accidenzarbeiten kommt bekanntlich das Broncieren in Anwendung. BRONCIERMASCHINEN erleichtern diese Arbeit nicht allein, sondern sie verhindern auch das der Gesundheit so nachteilige, mitunter sogar tödlich wirkende Einatmen des Broncestaubes. Das Prinzip ist , die ganze Arbeit in einem verschlossenen Behälter durch ein System von Bürsten und Wischern vollziehen zu lassen, so dass die Arbeit vollständig fertig aus dem Behälter herauskommt1. Eine ähnliche Maschine von E. A. Clowes & John Baley verrichtet das der Gesundheit ebenfalls sehr nachteilige Einbürsten der zu galvanisierenden Matern mit Graphitstaub.

Die bei der Schnellproduktion so wichtigen FALZMASCHINEN fanden namentlich in Amerika Beachtung. Sie wurden dort von Cyrus Chamber eingeführt, der, im Verein mit seinem Bruder Edwin, 1856 eine Fabrik in Philadelphia unter der Firma Chambers Brothers & Co. errichtete. Nach vielen Versuchen gelangten sie zu guten Resultaten und bauten im Jahre 1870 nach etwa 40 ver- schiedenen Systemen. Eine Maschine z. B. falzt einen und einen halben Bogen in einander, kleistert, heftet und beschneidet sie. Sehr verbreitet ist seit 1863 die Zeitungsfalzmaschine von S. C. Forsaith & Co. in Manchester in den Vereinigten Staaten, die sich für ver- schiedene Formate stellen lässt.

Weitere Erleichterungen gewähren die BUCHHEFTMASCHINEN (Wheeler & Wilson) und die ZUSAMMENTRAGEMASCHINE (Howe). Letztere ist in der Art der Kinder -Karussels gebaut. Auf einem sich drehenden Tisch, vor dem der Komplettierer steht, liegen die

1 Tapley. Leming Ray & Lynede in Manchester. L. Poirier & G. Legrand in Paris. A. Fichtner (für Haufter & Schmuterer) in Wien.

II. KAP. DIE DRUCK- UND HÜLFSMASCHINEN. Jl

Bogenhaufen der Reihe nach und werden im Vorbeipassieren einer nach dem andern von dem Komplettierer ergriffen.

Von den unendlich vielen Hülfsmaschinen seien nur noch erwähnt

die COUVERTMASCHINE (G. TlDCOMBE & SoN, J.WlLKINSON; C. GoDALL

& Son) und die Schneidemaschine. Spezialisten für letztere sind Furnival & Co. in Manchester, die sie in grosser Vollkommenheit bauen. Das Ingangsetzen des Messers, der Schnitt eines Ries Papiers und das Zurückgehen des Messers in seine erste Lage dauert nur vier Sekunden. Überhaupt ist die Fabrik Furnival berühmt wegen der Vortrefflichkeit aller ihrer Hülfsmaschinen, deren Fabri- kation in ausgedehntester und rationellster Weise betrieben wird.

Wie aus dem obigen hervorgeht, fehlt es an erleichternden Mitteln nicht, und doch war es nur möglich, das Hauptsächlichste Die utensiii. zu erwähnen. Sowohl Hülfsmaschinen als Utensilien werden jährlich vermehrt und verbessert. Nicht wenig erleichtert ist die An- schaffung derselben durch die UTENSILIEN- GESCHÄFTE, welche alle notwendigen Gegenstände von der Ahle ab und bis zu der grössten Schnellpresse liefern, ja selbst die Einrichtung vollständiger Druckereien übernehmen, so dass der Besteller nur unter Angabe der besonderen Orts- und Geschäfts -Verhältnisse den Preis bestimmt, alles andere dem Lieferanten überlassend J.

So bedeutend auch der Fortschritt von dem Ballen und der Lederwalze zu der Massenwalze war, so litt die letztere doch unter wesentlichen Mängeln, namentlich war ihre Brauchbarkeit sehr von der Temperatur und der Witterung beeinflusst. Zu Zeiten schwanden die Walzen, dann wurden sie hart wie Stein, bald nahmen sie, wenn sie zu feucht waren, die Farbe nicht an, bald wurden sie so weich, dass sich die Form mit Walzenmasse vollschmierte, bald mussten sie am Ofen oder mittels brennender Fidibusse erwärmt, bald mit Sägespänen abgerieben, geschabt, gewaschen, schliesslich, unter Ersatz der klumpig gewordenen Masse durch neue, umgegossen

1 Wer die unendlich vielen Gegenstände, welche ein solches Geschäft ver- handelt, näher durch Beschreibung und Abbildungen kennen lernen will, dem ist eine Reihe von Artikeln im Journ. f. B. 1867, Nr. 31, 32, 36, 37 zu empfehlen. Nicht weniger Interesse bieten die grossen illustrierten Kataloge, die fast alle bedeutenden Utensilienhandlungen herausgeben.

Englische Walzenmasse.

J2 DIE ANGLO- AMERIKANISCHE GRUPPE. II. KAP.

werden. Waren die lokalen Verhältnisse nicht besonders günstig, so konnte man wohl rechnen, dass der zehnte Teil der Arbeitszeit durch Pflege der Walzen verlorenging.

Diesen Übelständen ist durch die Englische Walzenmasse, die hauptsächlich aus Gelatine und Glycerin besteht, abgeholfen. Jede Fabrik solcher behauptet, im Besitz von geheimen Rezepten zu sein; das hauptsächlichste Geheimnis besteht wohl darin, das vorzüglichste Material zu nehmen und alle wässerigen Teile daraus zu scheiden. Ohne solche Walzen würden der vollen Ausnutzung der Rotations - Maschinen bei der starken Reibung und dem schnellen Gang immer noch grosse Schwierigkeiten erwachsen.

Eine weitere Verbesserung sind die Lanham -Walzen. Waren sie anfänglich nur für lithographische Schnellpressen bestimmt , so liefert der Erfinder jetzt auch ein Fabrikat für typographische Maschinen, das sich vorzüglich bewährt. In der Offizin des Daily Telegraph druckt jede Hoesche Maschine stündlich iooo Exemplare mehr seit Verwendung der Lanham- Walzen. Der Hauptbestandteil derselben ist vulkanisierter Kautschuk, der wieder mit einem in besonderer Weise präparierten Kautschuk-Überzug versehen ist.

Nachdem die Druckereien aufgehört hatten, ihre FARBE selbst Die Farben- zu fabrizieren, entstanden Etablissements, die sich ausschliesslich

fabrikation.

mit dieser Fabrikation beschäftigten , deshalb auch imstande waren, rationell zu fabrizieren und gute Farben billig zu liefern. Auch hier standen die englischen Fabrikate obenan, und es gab eine Zeit, bis um das Jahr 1840, wo in Deutschland kein illustriertes, oder selbst ein in der Ausstattung nur einigermassen hervorragendes Werk mit anderer Farbe als der von "Parson oder Lawson gedruckt werden durfte. Ist die englische Farbe auch jetzt ziemlich vom Kontinent verdrängt, so behauptet sie doch ihren guten Ruf. Sie zeichnet sich durch ihren tiefen, etwas ins Bläuliche spielenden Ton aus, der ausserordentlich schön ist, den Illustrationen jedoch etwas Kaltes giebt. Die bedeutendsten Fabrikanten sind Parsons, Fletcher & Co. in London und A. B. Fleming & Co. in Leith, wohl die grösste Farbenfabrik der Welt.

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III. KAPITEL.

DIE TYPOGRAPHIE UND DAS BUCHGEWERBE ENGLANDS.

England. Aufblühen der Typographie: J. Baskerville, Bowyer Vater und Sohn, J. Nichols, Miller-Ritchie, W. Bulmer, Th. Bensley, Hansard Vater und Sohn. Die Xylographie: Thom. Bewick. Der Farbendruck: G. Baxter, W. Savage, W. Congreve. Oxford, Cambridge, Edinburgh u. a. Die Zeitungspresse : Die Times und die Familie Walter; Stempel; Telegraphischer Verkehr; Inseraten- wesen; Statistisches. Der Accidenzdruck. Der Buchhandel: die illustrierten Blätter, Ch. Knight. Der Bibeldruck. Die Bibliophilie: Lord Spencer, T. F. Dibdin. Die Buchbinderkunst.

Asien: Indien, China, Japan, der Indische Archipel. Australien, die Südsee- inseln. — Afrika.

[706,

Jan. 1775.

LS der eigentliche Schöpfer der neueren englischen Typographie gilt John Baskerville, 1706 in Wolver- j0hn Baskerviiie ley in Worcestershire geboren. Im Jahre 1726 leitete f er eine Schreibschule in Birmingham ; 1745 übernahm er ein Lackiergeschäft, durch welches er viel Geld verdiente. Seine Neigung war jedoch der Buchdruckerei zugewandt. Von der Universität Cambridge erhielt er die Erlaubnis, eine Bibel in Folio und zwei Ausgaben des Common Praycr Book zu drucken, gegen Zahlung einer Abgabe an die Universität von 20 resp 12 £ Sterl. für je 1000 Exemplare und an die Stationers Company weitere 1 2 £ Sterl. für die Erlaubnis , seinen Ausgaben die Psalmen anzu- fügen. Zu seinen berühmtesten Druckwerken gehören die Ausgaben

74 DIE ANGLO-AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

des Virgil in 40 und in 120, sowie sein Horaz von 1762. Baskerville wendete seinen Arbeiten eine unausgesetzte Aufmerksamkeit zu. Er bereitete selbst seine Farben und baute selbst seine Pressen. Namentlich waren seine schönen Buchschriften, ganz besonders seine Cursivschriften, berühmt. Auch dem Papier und dessen Behand- lung widmete er die grosste Sorgfalt, die gedruckten Bogen wurden einzeln zwischen zwei erwärmten Kupferplatten gepresst. Jetzt ist jedoch das Aussehen seiner Drucke keineswegs schön, mutmasslich hat unrichtige Behandlung bei der warmen Pressung nachteiligen Einfluss auf das Papier geübt.

Trotz aller Liebe zur Kunst wurde doch Baskerville derselben müde und erklärte, er bereue es bitter, je ihre Ausübung angefangen zu haben. Seinem letzten Willen gemäss wurde er in seinem Grund- stück in ungeweihter Erde unter einer Windmühle begraben.

Nachkommen hinterliess Baskerville nicht. Seine Witwe hörte schon 1775 zu drucken auf, setzte aber die Schriftgiesserei noch bis 1777 fort. So viele Vorzüge auch Baskervilles Schriften besassen, so fanden sie doch nicht allgemeinen Beifall bei dem englischen Publikum, das den Schriften Caslons und Jacksons den Vorzug gab. Sie lagen nun als tote Masse da, bis der bekannte Beau- marchais in Paris sie im Jahre 1779 um den Preis von 3700 £ Sterl, kaufte ; die Universität Cambridge hatte die angebotene Erwerbung abgelehnt.

Ein grosses Ansehen als einer der gelehrtesten, tüchtigsten und w. Bowyer d. a. bravsten Buchdrucker erwarb sich William Bowyer d. j. Bereits

* 1663, 4- 1737.

sein Vater Will. Bowyer d. ä. besass einen höchst geachteten Namen. Er hatte 1686 ein Verlagsgeschäft, 1699 eine Buchdruckerei begründet. Wie gross die Achtung war, die er genoss, zeigte sich, als sein Geschäft in der Nacht vom 29. zum 30. Januar 17 12 voll- ständig durch Feuer zerstört wurde. Durch rasche Subskription deckten Freunde und Konkurrenten mehr als die Hälfte des ihm entstandenen Schadens von 5000 £ Sterl.

Der Sohn William Bowyer d. j. studierte in Cambridge, wo w. Bowyer d. j. er von 1716 1722 mit litterarischen Arbeiten und Korrekturen

* 19. Dez. 1699,

f 18. Nov. 1777. wissenschaftlicher Werke beschäftigt war. Dann trat er in das Geschäft des Vaters und fuhr fort, den mehr litterarischen Teil des- selben zu besorgen, worin ihn seine zweite Frau, Elizabeth Bill,

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. 75

vortrefflich unterstützte. 1729 wurden Bowyer die Arbeiten des Unterhauses übertragen, die er fast 50 Jahre lang lieferte1.

Im Jahre 1766 hatte Bowyer John Nichols zum Teilhaber genommen. Dieser hatte bei Bowyer gelernt und sich so gut john Nichois

* J5- Juli I779>

betragen, dass Bowyer die Hälfte des Lehrgeldes an den Vater f 26. Mai 1826. Nichols' zurückzahlte. Aus dem Lehrherrn und dem Lehrling wurden Freunde und Associes. Nach Bowyers Tod behielt Nichols das Geschäft allein. Er war nicht nur Erbe der Tüchtigkeit und Gelehrsamkeit seiner Vorgänger, sondern auch von deren Unglück, denn am 8. Februar 1808 war wieder das Feuer Verheerer alles dessen, was seit fast hundert Jahren, seit dem ersten Brande, an Verlag, seltenen Büchern, Druckmaterial u. s. w. gesammelt war. Nichols war jedoch nicht der Mann, den Mut zu verlieren. Mit seinem Sohne und Associe, der den Zunamen Bowyer angenommen hatte, richtete er alles aufs neue ein. 1804 war er Vorsteher der Stationers Company geworden und hatte damit das Ziel seines geschäftlichen Ehrgeizes erreicht. Seit 1806 beschäftigte er sich zumeist mit litterarischen Arbeiten.

William Strahan kaufte einen Teil des Patentes eines könig- lichen Buchdruckers, erwarb für so hohe Honorare, wie sie selten wni. strahan bezahlt worden waren, die Verlagsrechte von Arbeiten der hervor- ragendsten Autoren seiner Zeit und ward 1774 Vorsitzender der Stationers Company. Er stand zu einer Reihe von bedeutenden Per- sönlichkeiten in naher Beziehung, unter anderen zu Franklin, mit dem er in London zusammen gearbeitet hatte. Noch in einem seiner letzten Briefe an Strahan bespricht Franklin in von der Buchdrucker- kunst entlehnten Allegorien und Ausdrücken scherzhaft die Politik. Der Sohn Andrew Strahan trat in die Fusstapfen des Vaters und Andr. strahan fand in Thomas Spilbury einen würdigen Nachfolger, der französische Thom. spYibury Klassiker mit solcher Korrektheit druckte, dass sie selbst in Frank- reich den französischen Ausgaben vorgezogen wurden.

Die Vervollkommnung des Werkdruckes, in welchem die Engländer so bedeutendes geleistet haben, hat man wesentlich Miller Ritchie, einem geborenen Schottländer, zu verdanken. Er Miller Ritchie begann seine Laufbahn 1785 mit einer Royal- Oktav- Ausgabe der"1"

Anecdoles biographtcal and literary of W. Btnuyer. London 1778.

■754» f l83°-

DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

englischen Klassiker, für welche zum erstenmale das gelblich gerippte Papier Whatmans benutzt wurde. Eine Quartbibel in zwei Bänden folgte. Wie Baskerville hatte er schwer mit dem alten Schlendrian der Arbeiter zu kämpfen und oft musste er zu den Druckerballen greifen, wenn er einen ihn befriedigenden Druck haben wollte1. Er fand jedoch zwei mächtige Bundesgenossen für seine Bestrebungen in dem Papierfabrikanten Whatman und dem Farbefabrikanten Blackwell, wie überhaupt das vortreffliche Papier und die gute eng- lische Farbe ausserordentlich viel zu dem Übergewicht englischer Werkdrucke beigetragen haben. Trotz seiner Tüchtigkeit, oder vielleicht eben weil er die Vorzüglichkeit der Arbeit höher stellte als den Gewinn^ konnte Miller Ritchie keine unabhängige Stellung behaupten.

Als ein würdiger, zugleich glücklicherer Nachfolger in denselben Win. Buimer Bestrebungen muss William Bulmer genannt werden, dessen Name mit dem Schönsten und Korrektesten verbunden ist, was die Buch- druckerkunst Englands , die durch ihn auf die höchste Stufe der Vollendung gebracht wurde, aufzuweisen hat. Bulmer, in Newcastle geboren, wurde während seiner Lehre dort mit dem später so berühmten Holzschneider Thomas Bewick, für den er die Probe- drucke besorgte, bekannt und brachte ihn auf den Gedanken, die Holzschnitte abzuflachen, so dass die leichteren und verschwin- denden'Stellen tiefer zu liegen kamen, wodurch der Abdruck eines Holzschnittes, selbst ohne jede Zurichtung, sich in den richtigen Abstufungen der Farbentöne zeigt. Durch einen Zufall kam er in Verbindung mit dem Buchhändler George Nicol, der eine grosse Prachtausgabe von Shakespeares Werken vorbereitete, die in artistisch - typographischer Hinsicht alles übertreffen sollte, was bis dahin geliefert war. Das Werk, 9 Bände Folio und ein Band Kupfer (1794 1801), wurde in Bulmers Offizin, genannt Shakespeare-Press, gedruckt mit Schriften, die von William Martin in Birmingham geschnitten waren. Der Druck des Werkes, das im Jahre 1794

1 Der bekannte Thom. Curson Hänsard behauptet in seiner Typograjbhia, dass, wenn die besten Prachtwerke Englands nicht ganz die besten der Franzosen und Bodonis erreichen sollten, dies in der schwierigeren Behandlung der Farben liege, deren Konsistenz in der wechselnden Temperatur Englands nicht ganz gleichmässig erhalten werden könne.

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. JJ

begonnen wurde und allein wohl mehr Bogen enthielt, als alle Bodoni- schen Prachtausgaben zusammen, ist von unübertroffener Gleich- mässigkeit; der letzte Bogen sieht genau aus wie der erste. Neben diesem Werk ist die grosse Ausgabe von Milton, 3 Bände Folio, zu erwähnen, die typographisch vielleicht noch höher als die von Shakespeare steht; dann die Ausgabe von Goldsmith und Parnell. 1798- 1803 wurde das prachtvolle Museum Worsley antun, zwei Bände Folio, gedruckt, auf welches Richard Worsley 27000^" Sterl. ver- ausgabte und das nie in den Handel kam. Aus der Reihe der gross- artigen Druckwerke Bulmers nennen wir noch Dibdins Typographi- calAntiquities und die Bibliotheca Spenceriana, wohl das brillanteste bibliographische Werk, das existiert. Ein Meisterstück der Bulmer- schen Pressen ist ferner Dibdins Bibliographical Decameron mit einer grossen Anzahl von Vignetten. Er druckte auch 1808 Wilkins Sanskrit Grammar, ein Quartband von 662 Seiten in prachtvoller Ausstattung. 18 19 zog er sich ganz vom Geschäft zurück, das auf Will. Nicol, den Sohn seines Freundes, überging. Auch Bulmer wurde vortrefflich durch Whatman und ausserdem durch den Holz- schneider Bewick unterstützt. Als der bedeutendste Drucker und Mitarbeiter Bulmers wird Daniel Grimsshaw genannt. Ein Haupt- streben Bulmers war auf eine vorzügliche Farbe gerichtet. Diese lieferte erst Rob. Martin in Newcastle; bei der Unmöglichkeit für diesen, Bulmers Bedarf zu decken, fand letzterer sich veranlasst, selbst die nötigen Einrichtungen zur Gewinnung eines zufrieden- stellenden Fabrikates zu treffen.

Ein Rival Bulmers, dessen Verhältnis zu König und Bauer schon erwähnt wurde, war Thomas Bensley. Als jener seinen Th. Bensley Shakespeare druckte, folgte Bensley mit seiner prachtvollen Bibel von Maclin in sieben Bänden in Quarto. Ganz vorzüglich war auch die Ausgabe von Thomsons Jahreszeiten.

Schöne Drucke lieferte im Beginn dieses Jahrhunderts auch Charles Whitaker. Seine Ausgabe der Magna Charta, ganz eh. Whitaker. in Golddruck von hervorragender Schönheit mit illuminierten Initialen, ist eine grosse Seltenheit. Seinen Golddruck behandelte er als Geheimnis und schlug das Anerbieten der Gesellschaft zur Förderung der Kunst ab, das Verfahren gegen eine öffentliche Belohnung bekannt zu geben.

78 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

Zu den schönsten englischen Presserzeugnissen gehört das Gedicht The Press, von dem Buchdrucker John M'Creery im Jahre 1 803 gedichtet und gedruckt, und von Holl illustriert.

Charles Whittingham war in Calledon bei Coventry geboren.

ch.whittingham Im Jahre 1792 etablierte er sich in London, wo er bis 181 1 viele

7' schöne Werke für Londoner Verleger druckte. Er war einer der

ersten, welche die Zurichtung der Holzschnitte zur Vollkommenheit

brachten. Im Jahre 181 1 überliess er seinem Teilnehmer Rowland

die Leitung des Londoner Geschäfts und zog nach Chiswick. Aus

seiner Chiswick- Press ging unter anderen bedeutenden Werken in

den Jahren 1819 1822 eine vortreffliche, nur in 500 Exemplaren

gedruckte und auf einmal herausgegebene Oktav - Ausgabe der

englischen Dichter in 100 Bänden hervor. Das Geschäft ging auf

whittingham n. den Neffen Charles Whittingham über, der jedoch daneben eine

* 30. Okt. 1795.

von ihm selbst begründete Offizin in London hatte, wo er, mit Peels Werken beginnend, eine Reihe von schönen Ausgaben für Will. Pickering bis zu dessen 1854 erfolgtem Tode druckte. Sein Sohn Ch. John Whittingham starb am 21. April 1876.

Berühmt wurden auch Hansard Vater und Sohn. Ersterer, Luke Hansard Luke Hansard , ist namentlich als Parlamentsdrucker bekannt. Er f 29. Okt. 1828. lernte in seiner Vaterstadt Norwich und arbeitete später in dem Geschäft des Parlamentsdruckers John Hughs. Hansard wurde erst Dirigent der Buchdruckerei, dann Teilhaber und im Jahre 1800 Alleinbesitzer. Sein Ruf wurde durch die ungewöhnliche Prompt- heit, mit welcher er stets die Regierungsarbeiten ausführte, fest begründet. Freilich war es auch lohnend, für die Regierung zu arbeiten. Die Rechnungen Hansards d. j. betrugen 1829 125772 £ Sterl.; in dem Jahre 1830 wurde für 86217 & Sterl. gedruckt. 1831 machten die Parlamentsakten 120 Foliobände aus1. Luke Hansard starb, 77 Jahre alt, im Besitz des allgemein verbreiteten Rufes, ein seltener Mensch gewesen zu sein2.

Thomas Curson Hansard, der Sohn und Nachfolger Lukes, ist Th. c. Hansard namentlich bekannt als Verfasser der Typographie/. , des renommier- \ 14. MaiT?833. testen englischen Handbuches der Geschichte und Technik der

1 1879 rechnete man, class jedes Parlamentsmitglied während der Dauer des letzten Parlaments 20 Zentner an Drucksachen empfangen habe.

2 Biographical Memoir of Luke Hansard. London 1829.

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. 79

Buchdruckerkunst, welches eine Menge schätzbares Material enthält, dessen bessere Sichtung und Durcharbeitung jedoch sehr zu wünschen gewesen wäre.

Gleichzeitig mit der Wiedergeburt der Typographie erhob sich auch die Xylographie aus dem Elend, in welches sie versunken war, Xylographie. eine Renaissance, die wir ebenfalls einem Engländer verdanken, was um so mehr überrascht, als England zu einer Zeit, wo diese Kunst in Deutschland, Frankreich und Italien blühte, noch gar keine Holzschneidekünstler aufzuweisen gehabt hatte. Auf welcher Stufe der Unbedeutendheit die Xylographie sich befand, geht daraus hervor, dass zu Anfang des xix. Jahrhunderts London nur zwölf Holzschneider zählte. Man kann sonach, was England betrifft, fast richtiger von einer Geburt als von der Wiedergeburt der Kunst durch Thomas Bewick reden.

Die ersten Übungen seines Zeichnertalentes bestanden in dem mit Kreide Bemalen fast aller Häuser in Cherry-Burn, seinem Th. Bewick

* 12. Aug. 1753

Geburtsorte. Mit dem 14. Jahre kam er in die Lehre bei einem f 8- März i828 tüchtigen Graveur in Newcastle : Ralph Beilby.

Als ein Gelehrter, Dr. Hutton, ein grosses Werk über die Mess- kunst herausgab , riet ihm Beilby , statt Kupferplatten Holzschnitte für die Illustrationen zu wählen. Hutton ging auf diesen Gedanken ein und die Ausführung der Holzschnitte wurde Bewick anvertraut, der sich seiner Aufgabe so geschickt entledigte, dass ihn Beilby auf- munterte , seine gesamten Kräfte dieser vernachlässigten Kunst zu widmen. Nachdem er sich eine Zeitlang in London und in Schottland aufgehalten hatte, kehrte er nach Newcastle zurück und wurde in dem Geschäft seines Lehrers Teilhaber. Er bildete nun auch seinen Bruder John für die Kunst aus. Eine Ausgabe von Gays Fabeln gab den Brüdern Gelegenheit, ihr Talent in einer höheren Kunst- richtung zu zeigen. Ein Holzschnitt „Der alte Hund" erhielt im Jahre 1775 die von der Gesellschaft der Kunst ausgesetzte Prämie für den besten Holzschnitt. Die „Geschichte der Vierfüssler" erschien 1790; das berühmte Werk „Die Geschichte der englischen Vögel" folgte 1797. Kühnheit der Zeichnung, Lebendigkeit und Naturtreue in den Stellungen, Korrektheit und Unterscheidung des Charakters, der Lebensweise und der Bewegung in allen Figuren sind Vorzüge

80 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

der Holzschnitte Bewicks. Der Bruder John starb bereits am 21. Oktober 1795 in seinem 25. Jahre. Er kam seinem Bruder an Talent gleich, lebte aber nicht lange genug, um einen solchen Ruf wie dieser zu erlangen. Die Holzschnitte des Thomas Bewick sind zum grossen Teil in einem im Jahre 1870 erschienenen Album vereinigt l.

Seit Bewicks Zeit hat England eine sehr grosse Zahl tüchtiger Xylographen aufzuweisen, und es gab eine Zeit, wo die englischen Holzschneider auch auf dem Kontinent massgebend waren.

Wie England sich in der neueren Xylographie als bahnbrechend Der Farben- zeigte, so auch in dem FARBENDRUCK. Zuerst ist William Savage

druck. ö '

w. Savage. zu nennen, geboren zu Houdon in Yorkshire, wo er sich auch mit seinem Bruder James 1790 als Drucker und Buchhändler etablierte. William ging 1797 nach London, und wurde dort vorzüglicher Drucker und Verfasser der epochemachenden : Hints 011 decorative Printing in zwei Teilen (18 19 1832). 1840 folgte sein bekanntes Werk Dictionary of the Art of Printing. Übertroffen wurde er von

George Baxter. George Baxter, der seine ersten Versuche 1835 machte und Patent auf den Druck von Bildern mit Ölfarben nahm. Baxter druckte den Untergrund und die Umrisse mit Stahlplatten, dann die einzelnen Farben von Holzstöcken, deren Zahl mitunter zwanzig überstieg. Seine besten Arbeiten finden sich in seinem Pictorial- Album , das 1837 bei Chapman & Hall erschien. In Landschaften ist er nicht übertroffen worden. Von einem kleinen Blatt „Die Dreieinigkeit" nach Rafael wurden über 700 000 Exemplare verkauft.

Eine weitere Art des Farbendruckes, welche eine Zeitlang eine bedeutende Rolle spielte, ist diejenige von dem, auch durch seine Tod und Verderben schleudernden Raketen bekannten Sir William

wni. congreve Congreve erfundene. Congreve war Zeuge von dem mühsamen zweifarbigen Druck in der Applegathschen Buchdruckerei gewesen, und da die englische Regierung einen Preis auf die Herstellung unnachahmlicher Banknoten gesetzt hatte, richtete er alle seine Gedanken auf diesen Punkt. Er erhielt ein vierzehnjähriges Patent

1 Thom. Landseer, Life and letters of IV. Beruick. 2 Bde. London 1870. J. G. Bell, A descriptive and critical Catalog'ue of works illustrated by T. and J. Bewick. Tu. Hugo, The Bewick Collector. London 1866. Supplement 1868. Beivicks wood cuts, ed. by Th. Hugo. London 1870.

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. 8l

auf eine von Donkin für ihn gebaute Maschine. Das Prinzip des Congreveschen Druckes beruht darauf, die verschiedenen Teile einer Metallplatte, insoweit diese mit einer und derselben Farbe gedruckt werden sollen, knapp aus der Platte herauszusägen, so dass sie, wieder in einander gefügt, ein Ganzes bilden. Nach einander werden die Teile, welche eine und dieselbe Farbe bekommen sollen, durch Unterlagen hochgestellt und eingefärbt, bis schliesslich das Ganze, welches nach Entfernung aller Unterlagen Eine glatte Ober- fläche bildet, mit einem Zug des Bengels abgedruckt werden kann. Im Verein mit einem Buchdrucker Whiting legte Congreve eine Buch- druckerei an, die sich hauptsächlich mit Druck von Etiquetten u. dgl. beschäftigte. Durch die Fortschritte der Lithographie und die Erfindung der Mehrfarbenmaschinen ist Congreves Methode so gut wie verdrängt. Die Engländer nennen sie Compound Printing, die Bezeichnung „Congreve -Druck" rührt von Ed. Hänel her, der das Verfahren nach Deutschland brachte.

Ausser London haben als Druckorte in England nur Oxford und Cambridge, in Schottland Edinburgh eine grössere Bedeutung.

Von den Buchdruckereien der beiden englischen Universitäten nimmt die in Oxford den bei weitem wichtigeren Platz ein. Nachdem sie von 1669 17 13 in dem Sheldonian Theater installiert gewesen war, wurde sie in den Clarendonbau übergeführt und blieb dort, bis sie 1830 die schöne und geräumige Lokalität bezog, die sie jetzt noch innehat. Bei der Abgesondertheit von dem grossen Verkehr war es notwendig, alle Branchen, sogar Farbe - und Walzenfabrikation, zu vereinigen. Gebunden wurden die Bücher in der Universitätsbuch- binderei in London. Das Papier lieferte eine der Universität gehörende Fabrik in Wolvercote. Eine besonders gepflegte Spezialität war neben dem Bibeldruck die Herstellung orientalischer Werke. Die Druckerei erhielt seit der Clarendonschen Stiftung noch öfters wert- volle Dotationen, so z. B. 1785 eine von Lord Godolphin im Betrag von 5000 £ Sterl.

Die Universitätsdruckerei in CAMBRIDGE, Pitt-Press genannt, befindet sich seit 1834, gerade drei Jahrhunderte nach ihrer Be- gründung, in einem neuen, im Stil des XV. Jahrhunderts, erbauten kirchenähnlichen Gebäude , das 1 860 erweitert wurde. Die Kosten

82 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

wurden zumteil aus den Überschüssen des zu einem Denkmal für William Pitt gesammelten Fonds bestritten. Die Offizin kann sich an Bedeutung für die Wissenschaft zwar nicht mit der Clarendon Press in Oxford messen, hat jedoch in neuerer Zeit einen raschen Aufschwung genommen, welcher namentlich C. J. Clay, seit 1856 Direktor und Teilnehmer sowohl des Cambridger als des Londoner Geschäfts der Universität, zuzuschreiben ist.

In EDINBURGH, dem „Neuen Athen", herrschte zu Beginn des Edinburgh, laufenden Jahrhunderts ein sehr bewegtes litterarisches und typo- graphisch-bibliopolisches Leben.

Der bekannteste Buchdrucker war dort James Balantyne1. james BaiantyneNachdem er der Jurisprudenz, seinem vorherigen Berufe, Lebewohl I772i82iI. ' uni gesagt hatte, etablierte er in seiner Vaterstadt KELSO eine Buch- druckerei. Ein Zufall brachte ihn auf einer Reise mit seinem früheren Schulkameraden Walter Scott zusammen, woraus eine, für beide erst glänzende, dann verhängnisvolle Geschäfts- Verbindung entstand. Die von Balantyne gedruckte Ausgabe der Balladen Walter Scotts erregte durch ihre schöne Ausstattung solche Aufmerksamkeit, dass man Balantyne veranlasste, nach Edinburgh überzusiedeln. Seine Offizin nannte er The Border-Press, nach dem Werke Scotts Minstrelsy of the Scottish Border. Bis 1826 druckte er nun alle Werke Walter Scotts , der Teilhaber der Druckerei und des wöchentlich erscheinenden Edinburgh Journal wurde. Walter Scott sowohl als sein Drucker erlitten wie es kam, ist nicht ganz aufgeklärt einen gemeinschaftlichen finanziellen Ruin. Thatsache ist, dass ihre Freundschaft diesen überlebte. Balantyne war auch ein von Walter Scott gern gehörter Kritiker, der mit grosser. Sorgfalt und vielem Verständnis die manchmal flüchtigen Manuskripte des Dichters verbesserte.

Die letzte Veranlassung zu der erwähnten Katastrophe gab der plötzliche Fall des Verlegers Walter Scotts Archibald Constable, der zugleich Verleger der Encyclopaedia Britannica geworden und 1802 das Edinburgh Review begründet hatte, welche Werke später alle auf A. Ch. Black übergingen.

Der Begründer dieser Firma war Adam Black im Verein mit seinem Neffen Charles Black. Das Edinburgh Review erwarben

* History of the Balantyne Press. Edinburgh 1871.

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. 83

sie 1826 gemeinschaftlich mit Th. N. Longman, allein kauften sie a. Black

. . , I784-

die Encyclopaedia Britannica , die eine glänzende Aufnahme fand. Die Kosten der 1842 beendigten siebenten Auflage, 21 Bände in Quarto, betrugen über 2T/2 Millionen Mark; 185 1 wurden Blacks Besitzer des Verlagsrechtes auf Scotts Romane.

Ebenfalls einen bedeutenden Ruf hatten die Firmen W. Black- wood & Sons und R. & W. Chambers.

Erstere wurde von William Blackwood 1804 begründet. Blackwood trieb erst Antiquariatsgeschäfte ; 1 8 1 1 fing er an zu ver- Blackwood d. ä. legen. Das 18 17 begonnene Edinburgh Monthly Magazine wolltet rf. Sept. 1834! nicht „ziehen". Nach sechs Nummern erschien als Nr. 7 Blackwoods Magazine, das sofort Beifall fand. 1827 wurde die Edinburgh Cyclopaedia in 18 Bänden vollendet. Der Sohn Will. Blackwood, Blackwood d.j.

f * 7. Dez. 1818,

der von 1840 1845 das Londoner Geschäft der Firma verwaltet f 29. Okt. 1879.

hatte, dann aber nach Edinburgh gezogen war, redigierte das

Magazin bis zu seinem Tode mit der äussersten Sorgfalt r.

Vor etwa sechzig Jahren gründeten die Brüder William und

Robert Chambers erst eine Buchhandlung und dann eine Buch- w. Chambers

ö * 1800.

druckerei mit einem Kapital von 3 £ Sterl., einem halben Zentner R0b. Chambers

Schrift und einer elenden Holzpresse in der Absicht, gute und billige | %. Mai 1871!

Bücher zu drucken. Tüchtigkeit und Energie brachten das Geschäft

rasch in die Höhe. Am 4. Februar 1832 wurde das heute noch

blühende Chambers Edinburgh Journal, das sofort 50 OOO Abnehmer

fand, und 1845 deren 90000 zählte, gegründet. Dieses Journal, das

vier Wochen vor dem Penny- Magazine begann, hat sehr viel zu der

Bildung des englischen Publikums beigetragen. 1844 begann Rob.

Chambers ein höchst verdienstliches Werk: Cyclopaedia of English

Litterature , enthaltend Biographien und kritische Charakteristiken

von 832 Autoren nebst Proben ihrer Werke. 130000 Exemplare

davon wurden in England verbreitet, eine nicht geringere Anzahl in

Amerika2.

Von den bedeutenden Buchdruckern Edinburghs in neuester

Zeit nennen wir Nelson & Co. mit ihrer grossen, sehr praktisch

eingerichteten Offizin und W. C. Blackie & Co., namentlich in

1 R. Lindau setzte dem Verstorbenen ein ehrendes Denkmal in der „Gegen- wart", abgedruckt im Börsenbl. f. d. d. B. 1879, Nr. 293.

2 Aulobiography and Memoir 0/ R. & W. Chambers. Philadelphia 1872.

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DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE.

Suchdrucker : der Provinz.

Accidenzien bedeutend. Unter den Buchdruckern der Provinz zeichnet sich Stephan Austin in Hereford durch seine schönen orientalischen Drucke aus. John Heywood in Manchester besitzt vier Etablissements von grösster Ausdehnung, namentlich für die Stationery. Durch ein kleines Werkchen : The bona fide Pocket Dictionary hat sich John Bellow in Gloucester einen Namen unter den Meistern aller Zeiten erworben. Die zu dem Büchlein ver- wendete Schrift, nur ^f8 typographische Punkte gross, schnitten Millar & Richard in Edinburgh und London.

Die Zeitungs- presse.

Am staunenswertesten ist die Entwickelung, welche die Zeitungs- presse trotz des erschwerenden Zeitungsstempels nahm. 1761 wurde letzterer auf einen Penny, 1776 auf anderthalb, 1789 auf zwei Pence festgestellt; 1794 musste der ganze Bogen drittehalb, 1799 vierte- halb, schliesslich gar vier Pence zahlen. Im Jahre 1833 brachte diese Steuer dem Staate gegen 1072 Millionen Mark ein, zu welchen die Times allein zeitweilig über zwei beizutragen hatten. Für jedes Inserat musste 3 sh 6d Abgabe gezahlt werden, infolge dessen die kleinste Bekanntmachung mit 7 sh berechnet wurde. Jede Zeitungsnummer kostete gewöhnlich 7 Pence.

Es ist nicht hier die Aufgabe , die Entwickelung des Zeitungs- wesens Schritt für Schritt zu verfolgen , geboten scheint es jedoch, in einem Handbuch der Buchdruckerkunst wenigstens der historisch gewordenen Offizin der Times, welche für alle folgenden gross- artigen Zeitungsoffizinen als Muster galt, einige Worte zu widmen, um so mehr, als die Besitzer immer voran waren, wenn es galt, neue Erfindungen zu benutzen oder selbst die Initiative zu solchen zu ergreifen.

Der Begründer der Times, John Walter d. ä., war ein bedeu- tender Kohlenhändler. Als er sich vom Geschäft zurückgezogen hatte, verlor er als Beteiligter bei Schiffsassekuranzen sein ganzes Vermögen , nicht aber den Ruf eines braven und redlichen Mannes. Zum Glück für den Journalismus wurde durch einen Ministerwechsel seine Hoffnung auf eine Staatsanstellung zunichte. Damals führte ihn der Zufall mit einem Setzer Henry Johnson , einem Schwärmer für ein ihm patentiertes Logotypsystem, zusammen. Walter erwarb dessen Patent, modifizierte das System jedoch so wesentlich, dass

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. 85

man es wohl als „System Walter" bezeichnen kann. Die Typen wurden wie andere, jedoch etwas niedriger als üblich, gegossen, durch Untergiessen von Metall verbunden und auf die richtige Höhe gebracht, Walter etablierte sich nun als Logographic Printer und wurde von Benjamin Franklin und Sir Josuah Banks , Präsident der Gesellschaft der Wissenschaften, aufgemuntert. Er selbst nährte die ausschweifendsten Hoffnungen in betreffder Erfolge und teilte die Menschheit in zwei Klassen , Freunde und Feinde der Logotypen. In jedem, der Zweifel an seinem System hegte, erblickte er einen I persönlichen Feind , so in dem bisher mit ihm eng befreundeten Schriftgiesser Caslon und dem berühmten Buchdrucker John Nicol. Der gekränkte Walter wollte, nachdem er es bereits mit einem Büch- lein : Gabriel, the Outcast, versucht hatte, nun auch der Welt zeigen, dass man Zeitungen mit Logotypen zweckmässig herstellen könne. Am i.Januar 1785 erschien Nr. 1 des Daily Universal Register. Es fand jedoch keinen grossen Beifall und mit dem 1. Januar 1788 wurde der Titel in Times umgeändert, deren erste Nummer jedoch in der angefangenen Reihenfolge weiter als Nr. 940 erschien.

So war der Anfang der Times, die später zwar den Besitzern reichen Segen, anfänglich jedoch schwere Sorgen brachten. Das Logotypsystem wurde von Walter selbst als unpraktisch über Bord geworfen.

Dem alten Walter folgte der Sohn John Walter ii. Denselben 1 klaren Blick, welcher ihn sofort sich der Erfindung Friedr. Königs john Walter n. bemächtigen Hess, zeigte er auch in allen anderen Verhältnissen. Es giebt Zeitungen mit einer weit grösseren Auflage, als die Times sie je gehabt, aber kein Blatt hat je eine bedeutsamere Stellung eingenommen. Sie wurden eine förmliche Macht, auf deren Stimm- abgabe Behörden, Richter, die Vertreter des Handels und der Industrie spannten und mit der Regierungen wie mit einer gleich- berechtigten unterhandelten. Jeder Engländer betrachtete dieses Institut wie einen Teil seines eigenen Ichs und eine Schädigung des- selben wie eine ihm selbst zugefügte. Kein Fremder, der nach London kam, vergass, wenn er die Erlaubnis zu einem Besuch in der Ofäzinim Priuting/ioitse-Sqztare erhielt, einen solchen abzustatten.

Doch diese historisch berühmten Räume wurden dem Blatt nach und nach zu eng und mussten durch Neubauten ersetzt werden.

Die neue Times Drucke

86 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

-

-Die Hauptfagade derselben, in einer Länge von ioo englischen Fuss und einer Höhe von 60 Fuss, die für den breiten Giebelteil auf 80 Fuss steigt, liegt nach der Victoriastrasse. Das Kellergeschoss bildet einen grossen, 16 Fuss hohen Raum und ist ausschliesslich dem Bau der „Waltermaschine" gewidmet. Das Gebäude, von 1 roten und gelben polierten Ziegeln aufgeführt, enthält ausserdem noch ein Parterre und vier Stockwerke; jede Etage hat neun I halbbogenförmige Fenster. Der Eingang, architektonisch reich I geschmückt, in gehauenen Steinen ausgeführt und mit Bogen, die auf polierten Granitsäulen ruhen, befindet sich an dem westlichen I Ende. Ein vier Fuss hoher Karnies aus gehauenen Steinen wird I durch den Giebelbau, der fast zweidrittel der Länge einnimmt, I unterbrochen. Als Ausschmückung sind auf diesem drei grosse offene Bücher, von reichem Eichenlaub mit Eicheln umgeben, ange- I bracht. Auf dem mittelsten derselben ist mit grossen schwarzen } Buchstaben zu lesen: Times; auf dem links: Past Times; auf dem rechts : Future.

Die Times haben direkte Drähte von Wien, Berlin und Paris. I Mit den Sälen der Parlamentshäuser stehen sie durch telephonische Leitung in Verbindung. Das Endstück in der Offizin ist mit zwei Tuben versehen, welche an den Ohren des an der Kastenbeinschen Setzmaschine arbeitenden Setzers angebracht sind. Der Reporter spricht ihm die Verhandlungen zu, der Setzer spielt sie auf seinem Klavier ab, und der Satz ist fertig. Man hat dabei alle die Vorteile des mündlichen Verkehrs, um Nichtverstandenes zu wiederholen und Missverstandenes aufzuklären. Gegen die bisherige telegraphische Verständigung bietet die telephonische den Vorteil, dass die Wieder- gabe der Berichte über die in der Nacht stattfindenden Parlaments- Debatten fast um eine Stunde weiter reichen kann, als früher der Fall war.

Von 1841 1879 leitete John Thaddeus Delane das Blatt als john Deiane. Hauptredacteur mit grossem Geschick und feinem Takt, ohne jedoch bei der Herausgabe litterarisch thätig einzugreifen. Wenn man die Times so oft als das „leitende Blatt" bezeichnet, so ist dies insofern vielleicht nicht ganz korrekt, als sie nicht den Anspruch erheben, die öffentliche Meinung zu „machen". Ihr Hauptverdienst ist, rasch und sicher zu fühlen , was die öffentliche Meinung will, und

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. 87

dies dann bestimmt auszusprechen, oft ehe sich das Publikum selbst darüber recht klar geworden ist. Ihre Ansichten gegen den Strom durchsetzen wollen die Times nicht, und deshalb sind oft Vorwürfe gegen dieselben erhoben worden, als hätten sie einen nachteiligen Einfluss auf den englischen Volksgeist und die eng- lische Politik geübt. Damit haben wir es jedoch hier nicht zu thun ; als Institution des Buchgewerbes muss den Times unbedingte Bewunderung ausgesprochen werden und es mögen die von Sir Ed. Lytton Bulwer im Parlament gesprochenen Worte noch hier stehen : „Wenn ich in der Lage wäre, ein Denkmal unserer Civilisation der späteren Nachwelt hinterlassen zu müssen, so würde ich nicht in erster Reihe unsere Docks, unsere Eisenbahnen, nicht unsere öffent- lichen Gebäude, selbst nicht den Prachtbau, in welchem wir tagen; ich würde einen Band der Times wählen". John Walter II. speziell muss jeder Deutsche seine Achtung zollen wegen der Art und Weise, wie er für Friedr. König eintrat. Ohne den festen Rückhalt, den letzterer an Walter fand, wäre er wahrscheinlich, als ein zweiter Gutenberg, in den Händen kleinlicher Geldmenschen, verkümmert. Das Sinken der fesselnden Steuer auf Zeitungen ging rascher als das Steigen. i8"5i war sie ganz abgeschafft, 1861 die Papier- Das Fallen der

& ... Stempelsteuer.

Steuer. Jetzt stand der Entwickelung einer wohlfeileren Zeitungspresse, dem sogenannten Monopol der Times gegenüber, nichts im Wege, und man verfehlte nicht, rasch von der Lage Gebrauch zu machen. Zwar fehlte es nicht an ängstlichen Gemütern, welche gerade in den Erleichterungen einen Ruin der guten Presse " und ein Herauf- beschwören der bösen Geister erblickten. Diese Stimmen sind durch die mit den Times um den Einfluss kämpfenden Penny - Blätter zum Schweigen gebracht und noch jetzt gelten die Worte Macaulays : „Während eines Zeitraums von 170 Jahren ist die Freiheit unserer Presse immer vollständiger geworden und während dieser 1 70 Jahre ist die Beschränkung, welche das allgemeine Urteil der Leser den Schriftstellern auferlegt, immer strenger geworden. Noch heut- zutage sind Fremde vollständig ausser Stande, zu begreifen, wie es geschehen kann, dass die freieste Presse in Europa zugleich die rücksichtsvollste ist. "

88 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

Was die Zahl der Organe betrifft, steht die englische Zeitungs- statistik der presse nicht nur weit hinter Amerika, sondern selbst gegen Deutschland und Frankreich zurück, ihre Macht ist jedoch nicht in der Zahl, sondern in dem Umfang, der Reichhaltigkeit und der starken Verbreitung der Zeitungen zu suchen \

Im Jahre 1881 hatte Grossbritannien 1986 Zeitschriften, von welchen 378 in London, 1087 m der Provinz, 66 in Wales, 181 in Schottland, 181 in Irland und 20 auf den Kanalinseln erschienen. Unter diesen waren nur 153 Tagesblätter, von welchen 18 London, 94 der Provinz, 3 Wales, 21 Schottland, 16 Irland, 1 den Kanal- inseln gehörten. 69 derselben kosteten nur 1jz Penny, 70 1 Penny, die übrigen waren im Preise verschieden bis zu 3 Pence. Die Post allein versandte im Jahre 1880 131 Millionen Zeitungsblätter, was jedoch nur einen Bruchteil des Konsums, namentlich der Wochen- blätter, repräsentiert. Der Daily Telegraph druckte eine amtlich beglaubigte Auflage von täglich 242215 Exemplaren im Durch- schnitt; der Standard versandte 209555 Exemplare. Das macht für die zwei Blätter jährlich 135 531 000 Nummern, während die Gesamtzahl aller Tageszeitungen im Jahre 185 1 nur 18 Millionen erreichte, zu welchen die Times allein etwTa zweidrittel beitrugen. 1821 brachten es alle Zeitungen und Zeitschriften zusammen auf gegen 25 Millionen Nummern, heute beträgt die Jahressumme Einer Wochenschrift: Lloyds Weekly, bei einer Durchschnitts-Auf läge von 612902 Exemplaren, 32 Millionen.

Und dabei, welchen Umfang haben die jetzigen Zeitungen! An einem aufs Geratewohl gewählten Tage, dem 13. Mai 1880, wiesen Times 120 ihrer Riesenspalten auf, davon 80 mit Anzeigen. Daily Telegraph hatte 96 Spalten, von welchen die Inserate 62 in Anspruch nahmen. Daily News und Standard brachten je 64 Spalten, erstere 36 Anzeigenspalten, letzterer 28. Eine Nummer eines Provinzialblattes, The Scottsman in Edinburgh, bestand aus 112

1 C. Mitchell & Co., The neiuspaper press diredory 1881. London. 36. Jahrg. F. L. May & Co., Press-guide. A. Andrews, The history of british joumalism to 1855. 2 Bde. London 1859. James Grant, The neiüspaper Press. 3 Bde. London 1871. Jul. Duboc, Geschichte der englischen Presse. Hannover 1873. R. R. Madden, The history of Irish periodical Litterature. London 1867. Zur Charakteristik des Journalismus in England. Deutsche yierteljahrsschrift 1853. H. Sampson, A history of Advertising. London 1S74.

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. 09

Spalten in Folio mit 33 000 Zeilen und über 2 Millionen Buchstaben, etwa doppelt so viel, als ein dreibändiger Roman enthält.

Das Anzeigewesen ist sehr praktisch eingerichtet und man kennt in England nicht das Übermass von Accidenzschriften, Abbildungen u. dgl. , von welchem der Inseratenteil der deutschen Zeitungen strotzt. Der Preis einer Inseratzeile ist gewöhnlich 1 sh.

Von enormer Bedeutung ist der telegraphische Verkehr der Zeitungen. Es gab eine Zeit, wo die Tagespresse sich rühmte, Der teiegraphi-

sehe Verkehr.

jetzt nur fünf Monate für die Herbeischaffung von Nachrichten aus Gegenden zu gebrauchen, wozu früher dreizehn Monate gehört hatten. Am 1. Oktober 1880 war 23 Minuten nach der Eröffnung der Welt -Ausstellung in Melbourne die Nachricht davon bereits von Reuters Bureau in London gedruckt ausgegeben, obwohl die Depesche fast durch ein Dutzend Linien hatte gehen müssen.

Im Jahre 1880 wurden 313 500 000 Wörter für die Zeitungen in England telegraphiert. In einer Nacht beförderte das Hauptamt in London oft 100000 Wörter, wobei der bedeutende Verkehr der Privatleitungen der Zeitungen nicht gerechnet ist.

Grosse Summen werden von englischen Blättern auch auf die Spezialkorrespondenten verwendet, die ebenfalls mit Telegrammen nicht sparsam sind. So erzählt man von einem Korrespondenten in Paris, dass er, um für eine zu erwartende wichtige Nachricht sich die Benutzung des Drahtes vorher zu sichern, stundenlang ganze Kapitel aus der Bibel telegraphiert habe.

Die Anzahl der Buchdruckereien in Grossbritannien wird auf 4000 geschätzt. England besitzt eine verhältnismässig kleinere Zahl Statistik der von Schnellpressen, was sich durch die grosse Leistungsfähigkeit der neuen Rotationsmaschinen erklärt. Rechnet man die graphi- schen Nebengeschäfte mit, so ist die Zahl der direkt und indirekt dem Pressgewerbe angehörenden eine enorme. London allein zählte im Jahre 1881 871 Druckereien, 60 Schriftgiessereien, Stereotyp- und galvanische Anstalten, 74 Maschinen- und Utensilien-Fabriken, 32 Farbe- und Walzenfabriken, 231 lithographische Anstalten, 80 Kupferdruckereien , gegen 2000 Papierhandlungen, 400 Buch- bindereien, 850 Sortimentshandlungen, 460 Buch- und Musikalien- verleger, 950 Zeitungshandlungen, 130 Inseratagenturen.

90 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

Da viele Geschäfte 300 1000 Personen beschäftigen, so ist das Heer der Arbeiter ein mächtiges. Im Jahr 1882 betrug die Zahl der Mitglieder des Londoner Setzer -Vereins 4960 ; die Ein- nahme war 10 000 £ Sterl., das Einkommen der verschiedenen Gehülfen - Organisationen bezifferte sich im ganzen auf 257439 £ Sterl, die Fonds betrugen 272413 £ Sterl.

Die Versuche, Frauen als Setzerinnen auszubilden, haben keine

Die Frauen als bedeutenden Erfolge gehabt. Miss Emily Faithfull, die Gründerin

der seit 1858 bestehenden „Victoria -Druckerei", gab 1880 ihren

Posten auf. Nur bei den Setzmaschinen finden Frauen in grösserer

Zahl Beschäftigung.

In den grossen Buchdruckereien werden die Arbeiten in fabel- Arbeitsweise. haft kurzen Fristen ausgeführt und das vorhandene Material ist ein enormes. Umfangreiche Werke in mehreren Bänden bleiben oft in Formen geschlossen stehen, bis über einen etwaigen Neudruck ent- schieden wird. Solche Arbeiten müssen selbstverständlich den Anforderungen entsprechend bezahlt werden, während gewöhnliche, die mit Müsse betrieben werden können, billig zu haben sind. Hier- bei zeigt sich so recht der geschäftliche Vorteil, der darin liegt, erstens nur eine Druckschrift nötig zu haben, und dann nicht von dem individuellen Geschmack eines jeden Bestellers abhängig zu sein, wie es in Deutschland der Fall ist, wo, abgesehen von Fraktur oder Antiqua, bald eine breite , dann eine schmale, bald eine runde, dann eine eckige Schrift verlangt wird, stets natürlich zugleich eine neue.

Für seine wirkliche Arbeit wird der englische Setzer gut bezahlt, den „Speck" der deutschen- Buchdruckereien kennt er nicht. Die Setzer teilen sich in Establishment hands (oder Stabhands), die den festen Stamm bilden und im festen Gelde arbeiten; Fidlf ramers, die nach Stück bezahlt werden und in der Regel auch tüchtige Arbeiter sind ; Slippers , die nur volle Arbeit haben , wenn das Geschäft flott geht, denen jedoch ein Minimum garantiert wird ; und Grasscutters, die täglich nachfragen, ob augenblicklich Arbeit vorhanden ist.

Die Lokale sind in der Regel nicht besonders bequem ein- gerichtet, weil der Raum ein sehr kostspieliger, so dass in dem von einer deutschen Buchdruckerei in Anspruch genommenen eine englische Druckerei des doppelten Umfanges Platz finden würde.

JII. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. Cjl

Eine enorme Quantität von Arbeiten zu einem Betrage von jährlich etwa 10 Mill. Mark absorbiert der Staat. Als Beispiel über- Die Accidenz-

arbeiten.

nahm eine Firma, McCorquodale & Co., eine Lieferung von 2610 verschiedenen Regierungsaccidenzen , in Auflagen, die von 10 bis zu 300000 Exemplaren variierten, ausserdem eine von 40 Millionen Briefcouverts. Die Firma beschäftigte in sechs enormen Offizinen an verschiedenen Orten gegen 2000 Personen und etwa 5 50 Maschinen aller Art fast nur mit Regierungs- und Eisenbahn -Arbeiten. Eine andere Firma, Harrison & Co., erhielt auf einmal eine Bestellung auf 137 Millionen Telegrammformulare. Grosse Summen setzt jedesmal eine Parlamentswahl in Umlauf. Die beiden Parlamentshäuser beanspruchen für ihre jährlichen Druckarbeiten etwa 1 500 000 Mark. Die Bank von England druckte im Laufe eines Jahres 15000000 Noten zu einem Geldwert von 338 Millionen £ Sterl. Die Druck- arbeiten der Bank mehren sich bedeutend dadurch, dass sie eine an sie zurückgekehrte Banknote, und wenn sie nur eine Stunde in Zirkulation gewesen, nie wieder ausgiebt. Eine solche wird ungiltig gemacht und fünf Jahre aufgehoben. In dieser Weise liegen bis gegen 100 Millionen Noten in einer Weise geordnet, dass eine etwa zur Stelle gewünschte im Augenblick zu finden ist.

In welcher hohen Achtung das Pressgewerbe in England steht, zeigte unter anderem die imposante Caxtonfeier in London im Jahre Ansehen des 1877 mit ihrer interessanten Ausstellung1. In Ermangelung eines Portraits von Caxton beschloss man, von einer Statue zu seiner Erinnerung abzusehen, und stiftete in der Margarethenkirche in Westminster, nahe dem Schauplatz seiner Thätigkeit, ein gemaltes Fenster. Als ein fernerer Beweis von der bedeutenden Stellung der Pressgewerbe muss auch betrachtet werden, dass schnell hinter- einander drei Ausüber derselben: der Schriftgiesser Besley, der Buchdrucker Sidney Waterlow und der Drucker und Stationer Francis Truscott das angesehenste bürgerliche Ehrenamt der Welt, das eines Lord Mayörs von London, bekleidet haben; es spricht zugleich für den Flor des Geschäfts, denn es ist ein mit grossen Ausgaben verbundenes Amt. Den Kostenanteil für „seinen Tag" muss, der Lord Mayor auf 50000 Mark anschlagen, und es

1 G. Bullen, Caxton Celebration. London 1877. Catalogue of the Loan Collection etc. London 1877.

92 DIE ANGLO-AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

heisst, Sir Truscott habe für die Zeit seiner Amtsführung eine Summe von ioooo Mark wöchentlich als Repräsentationskosten ausgeworfen.

Der BUCHHANDEL, ohne welchen die Buchdruckerei nicht die eigentliche Blüte erreichen kann, nahm in England, besonders in London, mächtige Dimensionen an und weist eine Reihe der intelligentesten und bedeutendsten Verleger auf. Im allgemeinen ist der Buchhandel weit einfacher organisiert, als in Deutschland. Der Verlagsbuchhändler beschäftigt sich selten mit Buchdruckerei und anderen Nebengeschäften und zersplittert nicht seine Kräfte, behält damit den freien Blick und kann jede Konjunktur rasch benutzen. Kommissions- und Halbpartgeschäfte kommen oft vor, während berühmte Autoren grossartige Honorare beziehen. Der Absatz eines Buches ist rasch durch die mit einem splendiden Diner verbundenen Verlagsauktionen und die Subskriptionen der Zwischenhändler und grossen Leihbibliotheken entschieden. Eine der letzteren, die von Muddie, welche die grösste ist, nimmt nicht selten i 2000 Exemplare von einem hervorragenden Werke. Durch das Alleinrecht des Verkaufs auf allen Eisenbahnstationen spinnt die grosse Zeitungsanstalt und Buchhandlung von Smith & Son ihre Fäden über das ganze Land. Mit einer Abonnementskarte von ihnen versehen, kann man überall auf den Stationen Bücher leihen und sie wieder auf jeder beliebigen Station abgeben. Die sogenannten Wholesale-booksellers, unter welchen M arshal & Co. die bedeutendsten sind, versehen die eigentlichen Sortimentshändler (Retaillers), welche in der Regel ihren Bedarf nur aus einer Hand beziehen. Bedeutenden Anteil an dem Absatz haben die Stationers (Schreibmaterialien- händler) und die vie\enSecond/ia7id-Booksellers. Das deutsche System mit seinen Kommissionssendungen kennt man nicht, weshalb auch die Buchläden in den kleineren Städten nicht so gut assortiert sind, wie dies in Deutschland der Fall ist.

Im Laufe eines Jahres erscheinen zwischen 5—6000 Werke (1881, neue Auflagen ungerechnet, 5406), darunter eine bedeutende Zahl der schönsten illustrierten Reisewerke, Prachtausgaben der englischen Klassiker, philologischen, theologischen und Geschichts-

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. 93

werke und eine grosse Menge von Romanen. Die Zahl ist, wie bei den Zeitungen, eine viel kleinere, als in Deutschland; aber man muss, wie bei diesen, nicht bloss zählen, sondern auch wagen, sowohl was Umfang, als was Auflage betrifft.

Gegen Nachdruck schützt die Eintragung in die Rolle der Stationers Company und die Abgabe von 5 Pflichtexemplaren. Der Die stationers Schutz gilt für 42 Jahre jedenfalls bis zum Tode des Verfassers und 7 Jahre nach demselben. Vor dem Jahre 1709 ist es nicht zu ermitteln, wie viel Bücher jährlich in die Rolle der Stationers Hall eingetragen wurden. Von 1709 1766 betrug die Durchschnitts- zahl ungefähr 50; im Jahre 1732 war die Zahl auf die tiefste Stufe, 17, gefallen. Beim Beginn dieses Jahrhunderts hatte sie sich wieder auf 3 400 gehoben; 1814 auf 541 ; 1815 auf 1244; von da ab und bis 1826 blieb die Durchschnittszahl etwa 1000.

Der Absatz des Buchhandels nach dem Ausland übersteigt 20 Millionen Mark, der der Stationary - Artikel wird auf etwa Ausfuhr. 14 Millionen, des Papiers auf etwa 16 Millionen gerechnet. Fügt man noch den Umsatz in Druckfarbe und Druckmaschinen hinzu, so wird die Gesamtausfuhr von allen zu dem Druckgewerbe gehörenden Gegenständen die Summe von 60 Millionen Mark nicht unbedeutend übersteigen.

Unter den Blättern der Fachpresse, die sich zunächst mit der Typographie beschäftigen, nehmen namentlich zwei eine bedeutende Die Fachpresse. Stellung ein. Joseph Martin Powell gab seit dem Jahre 1863, unter j. m. Powell dem Titel Printers Register, ein Fachblatt heraus, welches viele f 17. Sept. 1874. Verdienste, namentlich um die Förderung der Maschinen-Fabrikation, hat und oft die Maschinenbauer zu Erfindungen anregte. Das Blatt wird jetzt von Powells ältestem Sohne Arthur geleitet. Eine mehr ideelle und theoretische Richtung verfolgt The Printer and the Lithographer, welches Blatt die Firma Wyman & Son verlegt und mit vielem Geschick und Geschmack redigiert. Es bringt hauptsächlich sehr ausführliche belehrende Artikel, aus welchen, zu besonderen Lehrbüchern gesammelt, bereits manches tüchtige Werk entstanden ist. Auch das Printers Register lieferte solche Artikel- reihen. Ein Vorzug der englischen Pressorgane ist, dass sie sich hauptsächlich nur mit dem Technischen abgeben, und die sozialen Verhältnisse und die darin einschlagenden Kontroversen nur leise

94 DIE AN GLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

berühren und alles vermeiden, was zu einem gehässigen Federkrieg Veranlassung geben könnte.

Im Interesse des Buchhandels erscheinen das vierzehntägige Publishers Circular (gegründet 1837) und der monatliche The Book- seller (gegründet 1838), seit 1860 mit dem, 1802 begonnenen, Bents Literary Advertiser vereinigt. Der von Whitaker herausgegebene Reference -Catalogue of ' current Liter ature giebt in der Form von Verlagskatalogen eine Übersicht der gangbarsten litterarischen Erscheinungen Englands.

Eine Episode in dem englischen Buchhandel bildet die Heraus- Die Amiuah. gäbe der illustrierten Annuals, hervorgerufen 1822 durch den Kunst- r. Ackermann händler Rudolph Ackermann. Geboren zu Stollberg, kam er als f 26. März 1834! einfacher Sattlergehülfe nach London. Erst erwarb er durch seine Zeichnungen Aufmerksamkeit, dann wurde er Kunsthändler und Verleger bedeutender Prachtwerke. Die später so beliebten Taschen- bücher wurden von diesem „Vater der Almanache" mit dem Forget nie not zuerst in Scene gesetzt und eine Reihe von Jahren hindurch von den besten künstlerischen Kräften Englands unterstützt1. Mit Heaths Book of Beauty wurde 1833 eine Reihe von poetischen Werken von Klassikern und neueren Schriftstellern mit Illustrationen sowohl in Stahlstich wie in Holzschnitt begonnen, denen eine grosse Anzahl von illustrierten geographischen und ethnographi- schen Werken folgte. Als Drucker und Herausgeber solcher machte sich namentlich Henry Fischer bekannt.

Gereicht schon die Herstellung schöner Luxuswerke den eng- lischen Buchhändlern und Buchdruckern zur Ehre, so gebührt ihnen eine noch grössere Anerkennung, weil sie allen anderen Nationen vorangegangen sind, als es sich darum handelte, die Verbindung der Xylographie mit der Typographie zur Verbreitung nützlicher Kenntnisse und allgemeiner Bildung selbst in Kreisen der nicht mit Glücksgütern Gesegneten zu benutzen. Das Penny Magazine, später die I austräte d London News , sind massgebend geworden für die ähnlichen Erscheinungen aller anderen Länder.

Das epochemachende Ereignis des Erscheinens der ersten Penny Magazine- Nummer fand am 1. April 1832 statt. Charles

1 Börsenbl. f. d. d. B. 1834, Nr. 17, 18.

III. KAP. -TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. 95

Knight1, der bekannte Buchhändler und Schriftsteller, war der Das Penny geistige Urheber des Unternehmens, welches von der Society for the diffusion of usefull knowledge ausging; gedruckt wurde das Blatt bei Clowes. Von den Nummern i 106 fanden 20 Millionen Exemplare Verbreitung. Die gewöhnliche Auflage war 200000. Im Jahre 1780 schätzte Edm. Burke die Gesamtzahl der Leser in England auf 80000; 1833 zählte das Penny Magazine allein jedoch deren mehr als eine Million2. Zwei Applegath- und Cowpersche Maschinen verrichteten in zehn Tagen die Arbeit, zu welcher zwei Drucker an der Handpresse ein halbes Jahr nötig gehabt haben würden, in Clowes' Buchdruckerei, die mit 18 Schnellpressen und 1 5 Handpressen und einem wöchentlichen Papierverbrauch von 2000 Ries, neben der TzV^^y-Druckerei, geradezu ein Weltwunder war.

Ganz abgesehen von dem durch das Penny Magazine geübten Einfluss erwarb sich Charles Knight grosse Verdienste durch eine eh. Knight. Reihe von ihm veröffentlichter, zumteil von ihm geschriebener oder herausgegebener populärer illustrierter Unternehmungen, unter welchen The Library of Entertaining Knowledge, 43 Bde.; The Penny Cyclopaedia, 1833 1858, 30 Bde. ; die Shillings Volumes, 186 Bde.; The English Cyclopaedia, 23 Bde.; Populär History of England, 8 Bde. ; PictorialBible, 4 Bde., u. a. m. hervorzuheben sind.

Waren die Herausgeber des Penny Magazine und ähnlicher Blätter hauptsächlich bemüht , allgemein nützliche Kenntnisse Die illustrierten unter dem Volke zu verbreiten, so versuchten als Bahnbrecher die Illustrated London News, begründet von Cook & Ingram, die Tagesgeschichte in den Bereich der Illustration zu ziehen. Mit ihrer ersten Nummer vom 14. Mai 1842 beginnt eine illustrierte Geschichte der Gegenwart von grossem Wert, der mit den Jahren noch steigt. Die gewöhnliche Auflage ist etwa 100 000 Exemplare. Viele Ver- suche wurden gemacht, dem Blatte Konkurrenz zu machen, jedoch nur The Graphic gelang es auf die Dauer , sich neben der älteren Schwester in der Gunst des Publikums zu halten. Die Weihnachts- nummern beider Zeitschriften werden mit einem Kostenaufwande

1 Ch. Knight, The old Printer and the modern Press.

2 Merkwürdigerweise war das „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel" der heftigste Antagonist der ganzen Richtung und wurde nicht müde, das Pfennig- Magazin auf das heftigste anzugreifen.

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von je 300000 Mark in etwa 400000 Exemplaren gedruckt. Grosse Verbreitung erreichten auch die vielen illustrierten technischen und Modeblätter. In der humoristischen Zeitungspresse trug der Holzschnitt den Sieg über die Radierung, deren hauptsächlichster Vertreter George Cruikshank (geb. 1792, gest. 1878) war, davon; der Punck, begründet 1841, behielt seine Popularität bis auf den heutigen Tag.

Den hauptsächlichsten Schauplatz des pressgewerblichen Lebens und Treibens in London bildeten von der ältesten Zeit bis auf heute Fleet- Street, St. Pauls C hure h -Yard, Farringdon- Street, Printinghouse-Square und Paternoster-Row. Letztere wird bereits 1367 genannt, kam aber namentlich nach dem grossen Brande im Jahre 1666 in Aufnahme und wurde in der letzten Hälfte des XVin. Jahrhunderts besonders fashionable als Sitz der grossen Verlags- handlungen, während Fleet -Street vorzugsweise dem Journalismus und den Buchdruckereien Obdach bot. Hier reihen sich als Glieder einer ununterbrochenen Kette an einander Druckoffizinen, Zeitungsbüreaus , Telegraphenstationen, Inseratagenturen, Asso- ciationen der Bresse, Sortiments-, Zeitungs-, Stationers - Laden und andere Geschäfte, die mehr oder weniger mit der Typographie in Verbindung stehen. Hier hat auch der Londoner Setzer -Verein sein Bureau, und je nach dem grossen oder kleinen Belagerungs- zustand, in welchem die Zugänge zu diesem sich befinden, kann man mit Sicherheit auf den Gang des Londoner Geschäfts schliessen.

Es würde, ohne die gesteckten Grenzen zu sehr zu überschreiten, nicht möglich sein, alle grossenDruck- und Verlagsfirmen aufzuführen1. Ausser den bereits an anderen Orten genannten seien nur einige erwähnt. Eine mächtige Zahl von Zeitschriften drucken Spottis- woode & Co.; Accidenzien Spottiswoode & Eyre, Harrison & Co. Als Hersteller von Wertpapieren und kaufmännischen Arbeiten sind bedeutend Wilkinson & Co., Waterlow & Sons2 und Blades,

1 Kelly, Directory of Stationers, Printers etc. of England, 3. Ausg. London 1880. "Wiiitaker, Reference Catalogue of current Litterature (periodisch). H. Curven, A history of booksellers. London 1874. Ein kritikloses, aber viele interessante Details enthaltendes Buch.

2 Diese grossartige Offizin wurde ausführlich von Th. Goebel im Journ. f. B. 1875, Nr. 40 u. f. beschrieben.

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. 97

East und Blades. Der Senior dieser Firma William Blades ist namentlich durch seine typographisch-litterarischen Arbeiten bekannt, vorzugsweise durch seine klassische Biographie Caxtons, zu dessen Popularität in England Blades viel beigetragen hat. Sein neuestes Werk ist eine Medallic History of Printing mit vielen Abbildungen1, das zuerst in den Printing -Times erschien. Eine der jüngeren Offizinen, die in kurzer Zeit riesenhafte Dimensionen angenommen hat, ist die von Cassell, Petter & Co. Der Gründer John Cassell j. Casseii

* 23. Jan. 1817,

war erst Zimmermann und lernte in den Werkstätten die geistigen f j- APr- l86s- Bedürfnisse der Arbeiter kennen. Als The Total Abstinance -Be- wegung 1833 entstand, war er erst ein begeisterter Reise -Apostel derselben, entschloss sich aber dann in wirksamster Weise durch die Presse der Mässigkeits - Sache zu dienen. Zur Herausgabe angemessener Schriften vereinigte er sich mit den Besitzern einer bis dahin nicht bedeutenden Druckerei, Petter & Galpin. Bald ging man aber weiter und gab illustrierte Lieferungswerke heraus. Das Geschäft erhielt eine solche Ausdehnung, dass es 1880 34 illustrierte Werke in Lieferungen auf einmal in der Presse hatte. Das bedeutendste Verlagswerk war die Family-Biöle, die, mit einem Aufwand von 2 Millionen Mark hergestellt, innerhalb sechs Jahren einen Absatz von 3 50 000 Exemplaren erzielte. Bei John Cassells Tod hatte das Personal bereits die Zahl von 500 erreicht, jetzt ist diese auf 1000 gestiegen.

Sam. Bagster & Sons liefern namentlich polyglotte Werke, Gilbert & Rivington orientalische. In letzterer Richtung hat jedoch Deutschland ein Übergewicht und viele orientalische Werke werden für englische Rechnung in Deutschland gedruckt.

Von den grossen Verlagsfirmen haben besonders Longman, Green & Co. und John Murray Weltruf erlangt.

Der Begründer ersterer Firma Thomas Longman erwarb 1724 den Verlag von Will. Taylor und damit zugleich zwei Häuser: Th. Longman „Der schwarze Schwan" und „Das Schiff" in Paternoster- Row. Er f io.junii7S5. ward Mitbesitzer von Ephraim Chambers Cyclopaedia, das Vorbild der vielen in und ausserhalb Englands erscheinenden Encyklopädien, ausserdem auch von Johnsons Dictionary of the English Language.

1 Deutsch bearbeitet von L. Mohr in Strassburg (in Waldows Archiv), französisch von Leon Degeorge.

98 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

Noch folgten in drei Generationen Thomas Longmans, von welchen Th. Norton Thomas Norton Longman der bedeutendste war. Welche Grösse

Longman »1771,

f 28. Aug. 1824. das Geschäft erreicht hatte, sieht man daraus, dass der Genannte ein Vermögen von 200 000 £ Sterl. hinterliess , ein Teilhaber Green ebensoviel, während ein dritter Teilhaber Brown 100 000 £ Sterl. in Legaten aussetzen konnte.

Obwohl Longmans Verlag ein universeller ist und auch die Namen der berühmtesten Dichter Englands (den Verlag von Byrons Schriften hatten sie abgelehnt) ihren Katalog schmücken, so haben sie doch namentlich ihren vielen encyklopädischen Verlags- Artikeln, und vor allem Macaulays Geschichte ihren Ruhm und ihre Stellung zu verdanken. Von der ersten Auflage des III. und IV. Teils des letztern Werkes waren 2 5 ooo Exemplare gedruckt. Diese waren jedoch bereits am Tage der Veröffentlichung, 17. Dezember 1855, verkauft und. 1 1 000 Bestellungen mussten unexpediert bleiben. Von den amerikanischen Ausgaben soll ein Buchhändler in zehn Tagen 73 000 Bände verkauft haben. Innerhalb vier Wochen sollen über- haupt mehr als 1 80 000 Exemplare verbreitet worden sein.

John McMurray gründete 1 768 ein Geschäft und erzielte

john McMurray damit gute Erfolge. Sein Sohn John Murray ist namentlich als

f 6. Nov. 1793. Verleger und Freund Byrons (1807 1823) bekannt und wurde

john Murray n. bei seinem Tode wieder von einem Sohn John gefolgt. Grosse Ver-

* 1778, .

f 27. juni 1843. breitung fand die billige Home and Colonial Library und die vielen

bedeutenden illustrierten Reise- und naturwissenschaftlichen Werke.

Murrays rote Reisebücher sind jedem bekannt, und wir können uns

kaum einen reisenden Engländer ohne ein solches in der Hand oder

unterm Arm denken.

Unter den Verlegern der schönen Litteratur in Prosa sind

h. coibum Colburn und Bentley die bekanntesten. Henry Colburn verlegte eine Unzahl von Romanen, von James allein 225 Bände, einer wie der andere in drei, in Leinwand gebundenen, Bänden, jeder ziemlich genau 300 Seiten stark und einer wie der andere zum Preise von anderthalb Guineen (31 Mark 50 Pf). Im Jahre 1819 gründete er Collntrns Monthly; 18 17 ward die Literary Gazette begonnen. 1832

r. Bentley verkaufte er sein Geschäft an Richard Bentley, der früher sein hauptsächlichster Buchdrucker und kurze Zeit sein Associe gewesen war. Colburn verpflichtete sich, unter bedeutender Konventionalstrafe,

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. 99

kein Geschäft innerhalb 20 englischer Meilen Entfernung von London zu eröffnen. Der „Verlagsteufel" liess ihn jedoch nicht auf seinen Lorbeern ruhen. Erst etablierte er sich in Windsor, dann zahlte er die Konventionalstrafe und zog wieder nach London. Bentley gründete 1837 Bentleys Miscellany , dessen erster Heraus- geber Charles Dickens war.

Als Verleger von Shillings - Ausgaben erwarben Routledge & Sons einen Ruf. Die Verbreitung solcher Ausgaben war eine so grosse, dass die Verleger anBulwer für die Erlaubnis, billige Ausgaben seiner Werke während zehn Jahren drucken zu dürfen, 200 000 Mark Honorar zahlten und dabei einen sehr guten Erfolg für sich erzielten.

Eine wesentliche Bedeutung für das Druckgewerbe hat der Bibel- und Gebetbuchdruck, der, was die autorisierten Ausgaben Der Bibeldruck, betrifft, noch ein Privilegium der Universitätspressen von Oxford und Cambridge ist. Eine grosse Bewegung rief die neue autorisierte Ausgabe der heiligen Schrift hervor, welche viele Jahre hindurch mit grossem Aufwand theologischer Arbeit vorbereitet war und am 17. Mai 1881 in sechs Ausgaben dem Publikum übergeben wurde. In Oxford allein wurden sofort zwei Millionen Exemplare bestellt, Amerika verlangte 300000, druckte jedoch, unter den enormsten Anstrengungen der Konkurrenten, sich gegenseitig den Vorsprung abzugewinnen, die Ausgabe nach. Ein typographisches Kunststück ist eine Oxforder Miniatur- Ausgabe für Lehrer, die mit dem Einbände nur 90 Gramm wiegt und auf 14 16 Seiten 2430400 Buchstaben enthält.

Eine grosse Wirksamkeit zeigte The British and Foreign Biblc Society, welche mit dem Jahre 1 804 unter den Auspicien des Herrn ' Granville Sharpe begann. Bis 1881 hatte die Gesellschaft mit einem Aufwände von etwa 175. Millionen Mark nicht weniger als 93 953 000 Exemplare der heiligen Schrift gedruckt. 1881 wurden allein 2 938 000 Exemplare verbreitet. The Religious Tretet Society verwendete in einem Jahre 2x/2 Millionen Mark auf Bücherdruck.

Unter den Verlegern in der theologischen und philologischen Richtung ist die Firma Rivington hervorragend. Der Stammvater dieser ältesten der noch bestehenden Verlagsfirmen Englands, Charles Rivington, gründete 171 1 sein Geschäft in der Patemostcr-

Row in der Bibel und Krone ", welche Insignia noch heute die

7*

Trübner

H. G. Bohn > 4- Jan. 1796.

DIE ANGLO -AMERIKA NISCHE GRUPPE. III. KAP.

Bedeutenden Ruf haben ferner die beiden, mit der Oxforder resp. Cambridger Universitäts- buchdruckerei eng verbundenen Familien Parker, dann James Nisbet. Ganz hervorragende Verdienste um die linguistische Litteratur erwarb sieh ein Deutscher, Nikolaus Trübner aus Heidelberg. Durch Zufall mit Longman bekannt geworden , ging er .1 843 als Commis in das Longmansche Geschäft nach London. 1852 etablierte er dort ein eigenes Geschäft mit der Absicht, in der Weltstadt einen bisher fehlenden Zentralpunkt für die litterarischen Erzeugnisse Amerikas und Asiens zu schaffen. Er gab einen vortrefflichen Bibliographical Guide to American Literature 18 17 1857 heraus und gründete, um seine Zwecke zu fördern, das Monatsblatt Trübners American and Oriental Literary Record und eine Anzahl von Agenturen in den fernsten Weltteilen. Durch das Heranziehen der bisher schwer zugänglichen Länder mit ihren litterarischen Produkten hat Trübner sich nicht allein um die Wissenschaft hochverdient gemacht, sondern auch sowohl direkt durch seinen grossen linguistischen Verlag, als noch mehr indirekt durch die Belebung dieses Verlagszweiges dem graphischen Gewerbe Vorschub geleistet.

Steht auch das ANTIQUARIATSGESCHÄFT den eigentlichen Zweigen des Buchgewerbes, die uns hier beschäftigen, etwas ferner, so hat dasselbe doch in England eine solche Weltbedeutung gewonnen und wirkt auch durch Verbreitung der Liebe zu Büchern auf das ganze Pressgewerbe vielfach so belebend ein, dass es am Platze sein dürfte, wenigstens die zwei hervorragendsten Vertreter des Anti- quariats zu erwähnen, was um so lieber geschieht, als der eine, jetzt noch wirkende ebenfalls, wie Trübner, ein Deutscher ist.

Der Bahnbrecher für den grossartigen Betrieb des Antiquariats war Henry George Bohn aus Richmond. Sein 1841 erschienener Giänea-Catalogue war die imposanteste Ankündigung eines Bücher- lagers, welche man bis dahin kannte. Derselbe hatte einen Umfang von 1448 Seiten und verursachte einen Kostenaufwand von 40000 Mark. Bohn wirkte auch als Schriftsteller und Verleger; seine nach damaligen englischen Vorstellungen ausserordentlich billigen Standard Volume s zu 5 s/i. 6 d. waren allgemein beliebt.

Bernhard Quaritch aus Worbis, jetzt ohne Widerspruch der bedeutendste Antiquar der Welt, lernte in Nordhausen und ging

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. IOI

1842 nach London. 1849 gründete er dort mit einem Kapital von b. Quaritch 200 Mark ein eigenes Geschäft zunächst für Peunj/-Litteratur, Durch Gewandtheit, Fleiss und Ausdauer brachte er bald seinen Handel in die Höhe, so dass er 1860 noch ein zweites, grösseres Lokal in Piccadilly mieten konnte. Hier sammelte er nun einen wahren Schatz sowohl von bedeutenden wissenschaftlichen Werken, als von ausgesuchten Seltenheiten für Bücherliebhaber. Neben seinen Spezial-Katalogen gab er ab und zu einen General-Katalog heraus. Unter den letzteren übertrifft der von 1880 noch Bohns Guinea- Catalogue, kostet aber auch 2 Guineen. Der Band ist 6zj2 Zoll stark und enthält auf 2166 Seiten die Titel resp. Beschreibungen von 28009 Werken. Ein Index von 228 Seiten giebt etwa 55000 Nach- weise. Quaritchs eigener bedeutender Verlag besteht sowohl aus Werken, wozu er selbst die Initiative ergriffen, als auch aus solchen, die er von anderen Verlegern an sich gebracht hat1.

Ein mächtiger Hebel für die Entwicklung der Buchdruckerei war es, dass hochgestellte und reiche Männer sich nicht nur, wie Lord Die Bibliophil. Stanhope, für die technischen Fortschritte interessierten, sondern auch eine Ehre darein setzten, das Schönste, Beste und Seltenste in ihren Büchersammlungen zu vereinigen. Als Liebhaber ersten Ranges ist John Herzog von Roxburgh zu nennen. Seine Bibliothek brachte bei der Versteigerung, welche in den Monaten Mai und Juni 18 12 stattfand, einen Erlös von mehr als einer halben Million Mark. Die Nummer 6292 des Katalogs, das einzige bekannte vollständige Exemplar von // Decamerone di Boccaccio, in Folio, von Christoph Waldarfer in Venedig im Jahre 1471 gedruckt, wurde dem Marquis von Blandford für die Summe von über 45 000 Mark zugeschlagen, der höchste Preis, der je für ein Buch bezahlt worden ist. Zur Erinnerung an dieses bibliophilische Ereignis wurde von 31 der bedeutendsten Büchersammler Englands, unter dem Präsidium von Lord Spencer, der Roxburgh- Chib gegründet. Zu keiner Zeit hatte die Bibliomanie eine solche Höhe erreicht und sie sollte auch nicht lange auf derselben bleiben, so dass Lord Spencer wenige Jahre später den Waldarfer für 18000 Mark kaufen konnte, also

1 A. Ulm, Bernh. Quaritch, N. Anz. f. Bibliogx.; ebenfalls Börsenbl. f. d. Buchh. 1880, Nr. 21.

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für fast nur den dritten Teil des in der Roxburgh- Auktion gezahlten Preises.

Noch grössere Bedeutung in der Geschichte der Bibliophilie Lord Spencer, als der Herzog von Roxburgh hat George John, Lord Spencer auf Althorpe. Er war am i. September 1758 geboren und folgte 1783 seinem Vater im Besitz von dessen Titeln und fürstlichem Vermögen. Es war sein Stolz, die Notabilitäten der Wissenschaft und der Litteratur um sich zu versammeln, und wo er konnte, stand er deren Bestrebungen in liberalster Weise bei. Von gleicher Gesinnung war sein Sohn beseelt, was sich durch die Caxton- Ausstellung 1877 deutlich zeigte, zu welcher Lord Spencer eine ganze Sammlung der seltensten Inkunabeln und Prachtwerke geliefert hatte. In seiner in der Stationary- Company gehaltenen Rede sprach er es auch aus, eine wie grosse Freude es ihm gewähren würde, seine Bibliothek recht oft von Fachmännern besucht zu sehen.

Ein wesentlicher Förderer des Sammeleifers sowohl des Lord t. f. Dibdin. Spencer als auch anderer war Thomas Frognall Dibdin. Derselbe stammt aus Calcutta, erhielt jedoch, nachdem seine Eltern dort gestorben waren, in England eine sorgfältige Erziehung und wählte den geistlichen JBeruf. Von Lord Spencer wurde er als Pfarrer nach Althorpe berufen, zugleich um als Bibliothekar des Lords zu fungieren. In den Jahren 1814 1815 erschien die Beschreibung der Sammlung als: Bibliotheca Spencei'iana; von 18 10 18 19 Typographical Anti- quities; 18 17 Bibliographical Decanieron; 1821 A bibliographical, antiqnarian and picturesque tour in France andGermany (2. Ausgabe 1827), in welchem W7erk der Verfasser eine in Begleitung des Zeichners George Lewis im Interesse der Spencerschen Bibliothek unter- nommene Reise schildert. 1838 folgte A bibliographical, antiqnarian and picturesque tour in tlie northeru countries of England and Scottland.

In praktischer Weise interessierten sich andere Edle für die Lord Brougham. Presse. Henry Lord Brougham war die Seele der schon erwähnten Society for the Diffusion of usefull Knowledge. Francis Egerton, Lord Bridgewater bestimmte vor seinem Tode im April 1829 gegen 120000 Mark als Honorar für den Verfasser eines Werkes, welches die Weisheit, Macht und Güte Gottes, wie sie sich in der Schöpfung offenbaren, zum Gegenstand haben sollte. Dies gab Veranlassung

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. IO3

zu den sogenannten Bridgewater- Büchern, die der populärwissen- schaftlichen Litteratur einen mächtigen Anstoss gaben.

Thomas Howard, Lord Arundel wirkte wieder auf andere Weise. i\ls eifriger Bewunderer der alten christlichen Kunst gab Lord Arundei. er Veranlassung zur Begründung der Arwidel Society (1848), deren Hauptziel es ist, die leichtvergänglichen, dem Verderben besonders ausgesetzten älteren, namentlich vorrafaelischen Werke der Kunst wenigstens in vorzüglichen Farbendrucken der Nachwelt zu erhalten. Die Reproduktion geschieht hauptsächlich unter Beihülfe von den besten Anstalten des Auslandes, besonders der von Storch & Kramer in Berlin, Hangard-Mauge und Engelmann & Graf in Paris.

Dass die Bücherliebhaberei auf die BUCHBINDERKUNST ungemein fördernd einwirken musste, ist leicht begreiflich. Es entstanden für Die Buchbinder- die reichen Privatsammlungen Meisterstücke , die zu hohen Preisen verkauft wurden. Dieselbe Eigenschaft, die den englischen Bücher- druck auszeichnet : die Verwendung der vollendeten Technik auf dem vorzüglichsten Material, findet sich in der englischen Buchbindung wieder. Die Behandlung des Leders, der Pappen, des Schnittes, des, das gute Aufschlagen des Buches bedingenden Rückens, kurz des ganzen Körpers des Buches ist eine so überaus sorgfältige, dass man leicht eine mitunter nicht ganz kunstgerechte Komposition der Ornamentierung übersieht.

Merkwürdig genug ist der Umstand, dass ganz besonders Deutsche zu den ausgezeichnetsten Meistern in England gehören. Berühmte Buch- Unter den Eingeborenen war einer der berühmtesten Buchbinder Roger Payne (gestorben 1797), ein eben so talentvoller, wie in seinem Leben unordentlicher Mann1. Als sein Meisterwerk gilt ein Aeschylos im Besitz des Lord Spencer. In seinen Ornamenten, die er selbst fertigte, wird er mitunter bizarr, seine Technik bleibt jedoch immer unvergleichlich. Schöne Bände von ihm wurden mit 400 Mark und mehr bezahlt. Ein Einband von dem Boydellschen Shakespeare in neun Bänden kostete über 2500 Mark. Eine Zeitlang arbeitete er zusammen mit Richard Wier, auch ein höchst geschickter Mann, aber eben so unordentlich wie Payne. Die Verbindung artete in einen oft mit den Fäusten ausgekämpften innern Krieg aus. Wiers

1 J. A. Arnett, Bibüopegia. London 1835.

104 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

Frau war bekannt als unübertroffen in der Restauration alter Bücher. Nächst Payne wurde Charles Lewis, aus Hannover stammend, gelobt. Seine durch Harmonie und Eleganz sich auszeichnenden Bände werden als die grössten Zierden der Bibliotheken reicher Sammler betrachtet.

Der Buchbinder Kalthöfer hatte einen solchen Ruf erlangt, dass die Kaiserin von Russland einen besonderen Abgeordneten sandte, um ihn zu bewegen, nach Russland zu kommen, was er jedoch, trotz der glänzenden Bedingungen, ablehnte. In neuester Zeit gilt als erster Meister nicht nur in England Joseph W. Zähnsdorf, ein Böhme von Geburt, der auch durch Herausgabe von The Art of Bookbinding theoretisch wirkte, ohne damit ganz den Erwartungen zu entsprechen, die man hegen durfte, wenn ein so eminenter Praktiker seine Erfahrungen zu Papier bringt.

Die Stationary- Artikel, die teils auf typographischem, teils auf stationary. chromolithographischem Wege hergestellt werden , veranlassen ein sehr bedeutendes Geschäft. Die Zahl der Neujahrskarten allein berechnet man auf mehr als 1 2 Millionen Stück. Welchen Wert man auf solche Kleinigkeiten legt, geht daraus hervor, dass ein Fabrikant 14 Prämien, zusammen von 10 000 Mark, für die besten Zeichnungen bestimmte. Von den in London von Weihnachten bis Neujahr versandten 8 9 Millionen Couverts wird bei weitem die grössere Zahl eine Neujahrskarte mit enthalten. Ebenfalls bedeutend ist der Verkehr in Osterkarten und Valentines, schöne, manchmal kostbar ausgestattete Huldigungskarten für das zarte Geschlecht, die am St. Valentinstag, den 14. Februar, in grosser Zahl anonym versandt werden. In der Regel ist der Preis einer solchen Karte 6 Pence bis zu 1 Shilling, es kommen aber auch nicht selten solche vor, die 10 bis 20 Guineen und mehr kosten.

Da jährlich 1200 Millionen Briefe versandt werden, so erfordern diese allein eine enorme Anzahl von Couverts. Diese Fabrikations- Branche beschäftigt gegen 3000 Menschen.

Wie bedeutend der Kalenderdruck in England ist, kann man daraus beurteilen, dass ein Kalenderdrucker, A. Cooke in Leeds, allein bei einer einzigen Holzhandlung 1 700000 Stäbe als Halter für Kalender in Bogen bestellte.

in. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. 105

Von Spielkarten-Fabriken hat England 18, die etwa i 200000 Pack liefern.

Unter den Firmen, die besonders für die Stationers arbeiten, sind : Marcus Ward , der mit 60 Schnellpressen namentlich Weih- nachtskarten und Valentine s nebst illustrierten Kinderbüchern druckt; de la Rue & Co., die in ähnlicher und Spielkarten -Fabri- kation, so wie mit Herstellung von Luxuspapieren 1 000 Personen beschäftigen; Ch. Goodall & Sons, die in ihren Camden-zvorks mehr als 600 Sorten Spielkarten liefern.

Eins der bedeutendsten Stationery- Geschäfte in London ist das der Regierung, von welchem etwa 250 öffentliche Institute ihren Bedarf beziehen. Der jährliche Umsatz beträgt etwa 13 Millionen Mark, von welchen gegen 4 Millionen auf Indien kommen. Dass dabei auch Makulatur vorkommt, ergiebt der jährliche Verkauf von solcher zu einem Betrag von ungefähr 320000 Mark, die einen ursprünglichen Wert von etwa 1 600 000 Mark repräsentieren.

Da der Konsum von Papier ein ausserordentlich grosser ist und billige Preise verlangt werden, so konnte es nicht anders sein, Das PaPi< als dass die Stoffmischungen der Neuzeit in der Papierfabrikation, welche für die Zukunft der Bücher im höchsten Grade gefahrdrohend geworden, auch in England nicht ohne Verwendung blieben, jedoch wird dort immer noch am meisten auf ein gutes Papier selbst bei gewöhnlichen Arbeiten gehalten T. Die Fabrikation des Maschinen- papiers ist zwar keine englische Erfindung (vgl. Kap. v), aber, wie die Schnellpresse, kam auch die Papiermaschine erst in England zur praktischen Geltung, namentlich durch die Bestrebungen Donkins. Der Name Whatman ist typisch geworden für das

1 Einen sehr hübschen Überblick sowohl über die zu feineren Accidenz- arbeiten zur Verwendung kommenden, in Qualität und Färbung oft ganz vor- züglichen Papiere, als auch über die englische Art, Accidenzien zu behandeln, giebt das bei Field Sc Tuer in London jährlich (1882 zum drittenmale) erscheinende The printers international Specimen Exchange in connectio7i zvith the Paper and Printing- T)-ades-Jonrnal. Es beruht das Unternehmen, das nicht in den Handel kommt, auf einem eigentümlichen internationalen Umtausch von Accidenzien. Wer eine solche in angegebener Weise ausgestattete in der nötigen Zahl von Exemplaren liefert, erhält ein Exemplar des Buches gegen eine massige Vergütung für den Einband. Die Ausführung ist meistens technisch gut und zeugt von dem Streben, etwas mit dem Material zu machen. Ob Hansard (vgl. S. 16) sich freuen würde: lhat is the question!

IOÖ DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

vorzügliche Büttenpapier, welches bei den Ausgaben für Liebhaber verwendet wird. Whatman selbst zog sich vom Geschäft zurück aus Verdruss, weil er seinen Arbeitern nicht denselben Sinn für Erreichung der höchsten Ziele einflössen konnte, der ihn selbst beseelte.

ASIEN, AUSTRALIEN und SÜD-AFRIKA.

An die typographische Geschichte Englands schliesst sich eng diejenige ASIENS, AUSTRALIENS und SÜD -AFRIKAS.

In ihren Anfängen lernten wir bereits die Presse in Asien kennen (I, S. 282), sie sollte rasch an Bedeutung gewinnen.

CALCUTTA, die Hauptstadt Indiens und der wichtigste Sitz des Indien, caicutta. dortigen Pressgewerbes, erhielt erst im Jahre 1778 durch Charles Wilkins, einen berühmten Sanskritforscher, eine Buchdruckerei mit einer Schriftgiesserei. Hier wurden neben den Missionsschriften eine Menge wissenschaftliche und belehrende Schriften in den Landesidiomen, ausserdem auch englische Bücher und Zeitschriften gedruckt. In dem naheliegenden Serampur, dem wichtigsten Platz der Baptisten-Mission, besass Dr. Carey zu Anfang des Jahrhunderts eine Presse, auf welcher er 1801 das Neue und bald nachher das Alte Testament druckte. Eine Schriftgiesserei und eine Papiermühle Hessen nicht lange auf sich warten und eine lebhafte Thätigkeit entwickelte sich, um die heiligen Schriften in verschiedenen Sprachen der Ein- geborenen zu veröffentlichen. Die Offizin brannte zwar 181 1 voll- ständig nieder, da jedoch glücklicherweise alle Matern gerettet waren, konnte man bereits nach Verlauf von kaum einem Jahre wieder heilige Schriften in 18 Sprachen herausgeben. Ein 18 18 gedrucktes Probebuch enthält das Vaterunser mit 5 1 verschiedenen Sorten einheimischer Typen gesetzt.

BENARES, die heilige Stadt der Hindus am Ganges, wo sich eine

Benares. englisch - indische Hochschule zur Ausbildung der Hindus befand,

besass eine, später sehr thätige, Offizin. In NEGAPATNAM hatte der

aufgeklärte Rajah von Tanjore eine von Europäern bediente Presse

im Gang. Die Britische Bibelgesellschaft gründete dort ebenfalls

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. IOJ

eine Buchdruckerei. Auch MADRAS , die zweitwichtigste Stadt an Madras. der Ostküste, entwickelte seit 1772 eine rege Thätigkeit.

Aus dem Hauptorte der Westküste, Bombay, finden sich Bücher mit der Jahreszahl 1792 ; der Aufschwung der dortigen Presse Bombay. datiert jedoch erst von 18 13. In COTYM, auf der Malabarküste, versuchte der Missionär Benj. Baley Typen der Landesschrift selbst zu schneiden und zu giessen, um damit heilige Schriften zu drucken ; 1820 kam ihm die Bibelgesellschaft in Calcutta mit einer ordentlich eingerichteten Buchdruckerei zuhülfe.

Am 18. Mai 18 18 erschien die erste Zeitung in einheimischer Sprache „Spiegel von Serampur" durch den Missionär Marshman. In demselben Jahre erhielt Bombay seine Zeitung in der Gujurati- Sprache.

Der Generalgouverneur von Indien, Marquis Wellesley (1798 bis 1805), späterer Lord Wellington, war der Presse nicht sehr Die einheimische zugethan; selbst englische Bücher sah er nicht gern entstehen und gestattete nicht die Anlegung von Buchdruckereien ausserhalb Calcuttas. Ein grösserer Freund der Kunst war Wellesleys Nach- folger, der Marquis Hastings, welcher den „Spiegel von Serampur" zu einem halbamtlichen Blatte erhob. Auch Lord Amherst trat der Presse nicht feindlich entgegen, doch verblieb sie unter sehr strenger Aufsicht. Zur Errichtung einer Buchdruckerei bedurfte es einer Kon- zession und zur Begründung einer Zeitung Stellung von Kaution. Erst im Jahre 1835 erhielt Indien, hauptsächlich durch die Anstrengungen des Lord Th. Macaulay, den Genuss der Pressfreiheit, die nun mit Jugendfeuer benutzt wurde. Man griff die Massregeln der Regierung, namentlich die gegen die Weiberverbrennung gerichteten, rück- sichtslos an.

Die Zahl der Blätter nahm jedoch nicht in dem Masse zu, wie man hätte vermuten sollen, und steigerte sich wesentlich erst nach der Verbreitung der Lithographie, welche sich mit weit grösserer Leichtigkeit dem Geschmack des Publikums anschmiegen konnte, als die Typographie. Da viele des Lesens unkundig sind, so wird das Vorlesen für grössere Kreise sehr geübt und auf mündlichem Wege verbreiten sich dann die neuen Nachrichten schnell. Die Thätigkeit im Buchhandel ist eine sehr bedeutende und Sanskrit- Werke finden unschwer Verleger.

108 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

Nach dem Sipahi - Aufstande 1857 wurden die englischen Behörden zur Unterdrückung jeder Buchdruckerei ermächtigt und viele der letzteren bei dieser Gelegenheit auch geschlossen. Noch bis vor kurzem befand sich die einheimische Presse in strengen Ausnahmezuständen, jetzt ist jedoch eine Änderung eingetreten und der Wunsch der Regierung in London, allen ihren Unterthanen gleiche Rechte zu gewähren, erfüllt. Eine Presskommission hat alle Verhältnisse der Presse mit der Regierung zu regulieren.

Von Zeitschriften erscheinen gegen 700, davon der dritte Teil Die Presse (230) in Landessprachen. Die Auflagen sind durchweg klein, gewöhnlich 350, die höchste Auflage ist noch nicht 2000. Die Versendung geschieht unter Kreuzband. Der Abonnementspreis für Tagesblätter beträgt etwa 40 Mark, für Wochenblätter etwa 4 Mark. Die Einfuhr von Papier ist für das Mutterland ein wichtiger Gegenstand und erreichte 1879 einen Wert von über 2T/2 Millionen Mark.

In Bengalen haben die einheimischen Blätter einen schweren Stand gegen die englischen. Mehrere der letzteren sind jedoch in Besitz und unter geschickter Leitung von Eingeborenen. In den nordwestlichen^ Distrikten, zwischen Lucknow und Lahore, er- scheinen in der Hindustani- und Urdusprache gegen einhundert, zumteil sehr gut redigierte Zeitschriften. Ziemlich eine ähnliche Zahl, in der Maharati- und Gujurati- Sprache geschrieben, werden in Bombay gedruckt. Die tamulische und Telegupresse in Madras ist nicht von Belang.

Die Bücherproduktion, unter der Führung Bengalens, ist eine sehr bedeutende und erreicht an Zahl fast die Englands.' Im Jahre 1878 erschienen 4193 Bücher, davon 576 in europäischen, 3148 in einheimischen Sprachen, 6j$ in dem klassischen Idiom Indiens. 2495 Schriften waren originale Neuheiten, 340 Übersetzungen, die übrigen Bücher neue Auflagen. Die Theologie erschien mit 1502 Nummern; die Technik mit 961, die Linguistik mit 612; Biographie, Länder- und Völkerkunde, Politik waren nur äusserst spärlich ver- treten.

Auf CEYLON gingen aus der bereits vom Freiherrn von Imhof

Ceylon. gegründeten Druckerei (I, S. 288) im Jahre 1 771 das Neue Testament

in cingalesischer Sprache und später manche, zumteil vorzüglich

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. 109

ausgestattete wissenschaftliche Werke hervor. Die Pressthätigkeit in der Hauptstadt COLOMBO ist jetzt eine bedeutende und die sehr gut geleitete Regierungsdruckerei beschäftigt über 150 Personen, unter welchen sich nur zwei Europäer befinden. Sie disponiert über 5 Schnellpressen, 10 Handpressen, 1 Eisenbahn-Billetdruck- Maschine und 5 Liniiermaschinen.

Nach Ranguhn in Hinterindien , der Hauptstadt von Birma, war bereits 1808 eine Presse gekommen. 18 14 erhielt Dr. Carey in Hinterindien. Serampur von dem Kaiser von Birma den Auftrag, in Ava eine Druckerei zu errichten, und bereits 1822 war das Neue Testament in 29 Sprachen und die ganze Bibel in 6 Sprachen gedruckt, darunter eine mit beweglichen Typen gesetzte chinesische Bibel. Noch viele wissenschaftliche Werke entsprangen der thätigen Presse.

In Malacca druckte der Missionär Milne anfänglich nach chinesischer Art. Später traf eine europäische Druckeinrichtung ein. Das dort errichtete englisch-chinesische Kollegium, das für Religion und Wissenschaft gute Früchte getragen hatte, ward später nach Singapur verlegt.

Von den Inseln des Indischen Archipels erhielt Java eine, 1823 von dem Missionär Medhurst in Batavia eingerichtete Offizin, aus Die insein. welcher im Jahre 1835 des Genannten Wörterbuch der chinesischen, japanischen und der Korea - Sprache hervorging. Auf Sumatra befanden sich um 1 820 in BENKULEN und dem benachbarten FORT Marlborough Missionspressen.

In CHINA war einer der wichtigsten Druckorte Macao bei Canton. Dort machte im Jahre 18 10 Morrison Versuche, das Neue China. Testament von Holztafeln zu drucken. 18 14 wurde ihm von, der Ostindischen Handelsgesellschaft eine vollständige Druckerei unter der Leitung von P. Thoms übersandt, doch gelang es erst 1822, das englisch - chinesische Wörterbuch in 6 Quartbänden zu vollenden. In diesem Jahre erschien auch die erste Nummer einer portugiesischen Zeitschrift „Die chinesische Biene". Medhursts „Dictionary of tJie Hok-Kien dialect oftheCkinese langnage, containing 1 2000 characters" konnte erst 1832 ausgegeben werden. In Canton selbst wurde ebenfalls sehr viel gedruckt. Die grösste Buchdruckerei ist die der presbyterianischen Mission in Shanghai, mit der eine Schrift- giesserei verbunden ist. Im Jahre 1868 wurden dort 25 Millionen

HO DIE ANGLO- AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

Seiten gedruckt, 1869 ein illustriertes Neues Testament und ver- schiedene Andachtsbücher mit dort angefertigten Abbildungen in vortrefflichen Galvanos. Hier erschien auch das grosse japanische Lexikon des Dr. Hepburn in Yokohama. In hohem Grade hemmend ist bei der Anwendung der europäischen Druckmethode die enorme Zahl der Fächer (gegen 6000) in den Setzkästen; jeder Setzer befindet sich förmlich inmitten eines Amphitheaters von Kästen.

In Peking erscheint die offizielle Zeitung King-Pao, welche die kaiserlichen Dekrete bringt und deren Geschichte bis an die Dynastie Tang, d. h. bis an das siebente bis zehnte Jahrhundert n. Chr., reicht. Jede Nummer bildet ein Heft von 20, wohl auch von 40 Seiten in gelbem Umschlag. Die Ausstattung ist eine kläg- liche, der jährliche Preis beträgt 27 Mark. Die Offizin befindet sich in dem kaiserlichen Palast. Seit mehreren Jahren erscheint eine Quintessenz aus der Zeitung in englischer Übersetzung. In HoNKONG wurde die erste gedruckte Zeitung vor etwa 25 Jahren gegründet. In Shanghai werden zwei grosse chinesische Zeitungen nach europäischem Zuschnitt gedruckt, die nicht allein den Inhalt der kaiserlichen Zeitung reproduzieren, sondern auch Belehrendes und Ankündigungen bringen. Die eine, „Shenpao" , vertritt europäische Interessen, die andere, „Sinßao", ist Organ europafeindlicher Mandarinen. Die Blätter sind gern gelesen und das eine hat gegen 10 000 Abnehmer. Überhaupt ist das Publikum sehr wissenslustig und man findet in Shanghai fast an jeder Thüre eifrige Leser.

Eine besondere Bestimmung über das litterarische Eigentum giebt es in China nicht, es ist ein Eigentum wie jedes andere und Nachdruck wird mit 100 Stockschlägen und Deportation bestraft.

In der Hauptstadt von JAPAN, Yeddo (Tokio), wurde seit Japan. 17 85 in europäischer Weise gedruckt und entwickelt sich dort eine rege Thätigkeit. Jedenfalls ist Japan, dieser ferne Kulturposten im Osten, bestimmt, einen hervorragenden Platz in der Geschichte der Civilisation einzunehmen. Das Tick -Tack der Typen und das Klappern der Pressen haben jedenfalls dort grössere Eroberungen gemacht, als alle Flotten der alten und der neuen Welt mit ihren Kanonen und Soldaten fertiggebracht haben würden. Die japanische Druckindustrie ist in fortwährender Steigerung begriffen und die Ausüber sind fast alle Eingeborene. Noch vor 1 5 Jahren hatte Japan

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. III

kein Journal in einheimischer Sprache, jetzt zählen die Journale nach hunderten, unter welchen weder Mode-, Witz- noch illustrierte und photographische Blätter fehlen. Das verbreitetste Blatt ist Yomiri Schimbun mit 20000 Exemplaren. Nach einzelnen Zeitungs- nummern gerechnet, erreichte die Produktion jährlich 33 Millionen, von welchen ungefähr der dritte Teil durch die Post befördert wurde. Die Redaktion einer Zeitung ist keine ganz gefahrlose Beschäftigung, denn ein der Regierung missliebiger Artikel hat Haft und Geldstrafe zur Folge.

Die Produktion von Büchern ist eine ausserordentlich starke. Namentlich werden englische, deutsche und italienische Wörter- bücher, Grammatiken, Parleure, Übersetzungen von astronomischen, nationalökonomischen und namentlich auch medizinischen Werken gedruckt1. Der Buchhandel steht unter der Aufsicht der Regierung, geniesst jedoch Abgabenfreiheit. Der Verkauf der Verlagsartikel findet durch Versteigerungen dreimal im Jahre statt, zu denen die Sortimentshändler oder vielmehr die Bücherverleiher denn das Verleihen ist ein Hauptgeschäft zuströmen, um die Lücken ihres Vorrates auszufüllen. Es giebt Leihbibliotheken mit 25 000 und mehr Bänden. Die Romane, die sehr gern gelesen werden, sind sehr bändereich. Eine deutsche Buchhandlung besteht seit 1870 und viele deutsche Unterrichtsschriften werden nach dort versandt.

Früher Hess Japan sein Papiergeld bei Naumann und Dondorf in Frankfurt a. M. drucken ; jetzt besitzt es in Tokio eine Staats- und Geldpapier-Fabrik. Die Gebäulichkeiten, von einem französischen Architekten in Backsteinen aufgeführt, bestehen in einem grossen Vordergebäude mit zwei Flügeln und in mehreren Hintergebäuden. Das Institut ist mit dem vorzüglichsten Material und vortrefflichen Maschinen, grösstenteils von König & Bauer, ausgerüstet und arbeitet mit einem fast ausschliesslich einheimischen Personal, von Männern sowohl als von Frauen.

1 Der Buchhändler- Herr W. v. Braumüller in Wien erhielt vom Kaiser von Japan als Gegengeschenk für eine, der deutschen medizinischen Schule in Tokio übersandle Sammlung der hervorragendsten Artikel seines wissenschaftlichen Verlages eine Auswahl von 144 von den besten und seltensten japanischen Werken in 140S Bänden. Herr v. Braumidier liess ein Verzeichnis davon als Bibliotheca Japonica drucken. Die Titel sind mit deutscher Übersetzung versehen und gewähren einen belehrenden Einblick in die Bücherproduktion Japans.

112 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

Die erste mechanische Papierfabrik nach europäischer Art wurde 1875 in Tokio eingerichtet. Das Gebäude ist aus Ziegelsteinen aufgeführt, misst 225 englische Fuss in der Länge, 106 Fuss in der Breite. Der Maschinensaal ist 130 Fuss lang, 32 Fuss breit, die Maschine selbst nach dem System Fourdrinier hat eine Länge von 76 Fuss. Durch zwei Zentrifugalpumpen können pro Minute bis zu 1600 Gallonen Wasser auf einen Turm von 26 Fuss Höhe, wo die Wasserreservoirs der Fabrik sich befinden, hinaufgepumpt werden. Die Beleuchtung geschieht durch selbstfabriziertes Gas. Es werden seitens der japanesischen Regierung grosse Anstrengungen gemacht, um den Verkauf des Fabrikats am Londoner Markt zu fördern, doch findet man es dort zu teuer.

AUSTRALIEN hat den Engländern die Bekanntschaft mit der Kunst Gutenbergs zu verdanken. In SlDNEY entstand 1802 die erste Presse, deren Begründer ein Creole, George Howe, war. Der Durst nach politischen Nachrichten und öffentlichen Mitteilungen rief 1803 die erste Zeitung hervor, der bald andere folgten. Die Zügellosigkeit der Presse veranlasste ein sehr strenges Pressgesetz von 1827, das jedoch später aufgehoben wurde. Hobarttown auf VandiemenS- land (Tasmanien) erhielt 1818 eine Druckwerkstätte.

Seit der Zeit haben sich die Verhältnisse sehr günstig für die Kunst in Australien gestaltet. In dem jungen aufblühenden Lande mit einer energischen, vorwärtsstrebenden Bevölkerung eröffneten sich für die Zeitungspresse die schönsten Aussichten. Sie ist denn auch in Australien in einem gewaltigen Vorwärtsschreiten begriffen und Zeitungen wie The South Australiern Register in- Adelaide, Argus und Age in Melbourne, Moming - Herald in Sidney nehmen es mit grossen englischen und amerikanischen Zeitungen auf, selbst in Bezug auf den Umfang der telegraphischen Korrespondenz. Jede kleine Stadt besitzt eine Zeitung oder doch ein Wochenblatt. Bei einer Bevölkerung von nur 2 500000 Menschen hatte Australien 478 Zeitungen, davon in der Kolonie Victoria 151, in Neu-Süd- Wales 118, in Süd- Australien 46, in Queensland 48, aufNeu-Seeland 114, auf Tasmanien 12, in Westaustralien 3. Sie sind fast alle in englischer Sprache; die deutsche ist fast gar nicht vertreten. Die Aus- stattung der Druckereien daselbst ist eine entsprechende. Die Setzer sind vorzugsweise Europäer, das Lehrlingswesen liegt im Argen.

III. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE ENGLANDS. II3

Die Fabrikation für die Typographie ist noch in der Kindheit und das Mutterland hat in Australien einen sehr guten Kunden. Melbourne allein zahlt für Typen, Papier und Stationary - Artikel jährlich mehr als 6 Millionen Mark an England, doch schafft jetzt die amerikanische Konkurrenz, welche fast alle Accidenzschriften liefert, diesem einen schweren Stand.

Nach den Gesellschafts -Inseln brachten die Missionäre 1 8 1 8 die Kunst. Von einer auf der Missionspresse gedruckten Die iusein der Bibel wurden 3000 Exemplare in wenigen Tagen verkauft. Der Preis für ein Exemplar war ein Quantum von etwa zehn Kannen Kokosöl.

Auf den Sandwichs-Inseln wird in der Hauptstadt Honolulu seit 1821 gedruckt und 1835 erschien eine Zeitung. Der König gab dazu seine Erlaubnis mit den folgenden Worten: „Ich gebe meine Einwilligung, denn es freut mich, die Werke anderer Länder kennen zu lernen, sowie Dinge zu hören, die neu sind und die ich gern sehen möchte, wenn ich dort wäre. Ich habe zu dem Minister gesagt: „„Mache Druckerpressen"". Mein Gedanke ist zu Ende. König Kanegeaguli". Auch der König Kalakaua war Redacteur und fieissiger Leitartikelschreiber. Die FIDSCHI -INSELN haben vier Druckereien.

Der Norden AFRIKAS wird weiter unten (Romanische Gruppe) Afrika. Erwähnung finden.

Über die frühzeitige Verbreitung der Buchdruckerkunst durch die Portugiesen in Abessinien und auf der Westküste von Afrika liegen keine begründeten historischen Nachrichten vor. Erwiesen ist nur, dass im Jahre 1583 auf der Insel Terceira gedruckt und zwar sehr gut gedruckt wurde.

In Freetown auf der Westküste gründeten Missionäre Schulen und Druckereien. Die Insel St. HELENA erhielt aus Veranlassung der Gefangenschaft Napoleons eine Buchdruckerei.

In der seit 1806 den Engländern gehörenden Kapkolonie blühte die Presse bald empor. Die erste eigentliche Zeitung erschien 1824. Seit 1830 werden auch im Innern des Landes Zeitungen gedruckt. Der Zeitungsstempel wurde 1848 abgeschafft. 1854 wurde die erste mit Dampf betriebene Schnellpresse aufgestellt und 1860 hatte die

114 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. III. KAP.

Kolonie 29 periodische Schriften. Bereits damals beschäftigte die vorzügliche Druckerei von Saul Salomon & Co. über 100 Arbeiter und zwei Dampfschnellpressen und lieferte auch eine grosse Zahl von Accidenzarbeiten in bester Ausführung. 1880 war die Zahl der Zeitungen 52, von denen 43 in englischer, 6 in holländischer Sprache, 3 in beiden Sprachen zugleich erschienen.

Recht fröhlich gedieh die Kunst auf Madagascar. König Radäma I. (gestorben 1828) war ein aufgeklärter Mann und Freund des Christentums und der Presse, welche von Missionären in den zwanziger Jahren eingeführt wurde. Diese brachten erst die Sprache der Eingeborenen in ein orthographisches System, um dieselbe geschrieben und gedruckt wiedergeben zu können. In der Hauptstadt Antananarivo wurden sechs periodische Schriften herausgegeben, darunter die Monatshefte „Gute Worte" in einer Auflage von 3000 Exemplaren und das halbmonatlich erscheinende Blatt „Reis mit Honig gemischt".

IV. KAPITEL.

DIE TYPOGRAPHIE UND DAS BUCHGEWERBE NORDAMERIKAS.

Wachstum der Presse. Die Zeitungen : Statistisches, der Herald, HoraceGreeley und die Ti-ibime, G. Childs und der Ledger, die Familie Harper, Frank Leslie und die illustrierte Presse. Die Holzschneidekunst. Die Buchdruckerei und der Buchhandel: die Staatsdruckerei und der Accidenzdruck, Organisation des Buchhandels. Grosse Druck- und Verlagsfirmen: Appleton, Lippincott, Houghton u. a. , Einfluss des deutschen Elements, Nachdruck deutscher Werke, deutsche Buchhandlungen und Zeitungen. Das Papier.

ACHDEM Amerika seine Unabhängigkeit erkämpft

hatte, stieg die Macht seiner Presse in rapider Weise, steigende Macht

_ i-ii <~r c'er fresse.

Es war natürlich, dass von einem Zustand gemüt- reicher litterarischer Beschaulichkeit noch keine Rede sein konnte und dass sich die geistigen Kräfte der Besten des Volkes fast ausschliesslich dem praktischen und dem politischen Leben zuwenden mussten. Die litterarischen Bedürfnisse Hessen sich leicht und billig durch den Nachdruck der geistigen Erzeugnisse des Mutterlandes befriedigen und der Nachdruck war ja nicht verboten, also eine ehrliche, ja lobenswerte Sache.

Vor allem hatte man ZEITUNGEN nötig; auf diese konzentrierten sich deshalb die Gedanken und Pläne der Verleger, der Buchdrucker, Die Zeitungen. der Schriftgiesser und der Maschinenbauer und bald zeigte sich ein an das Wunderbare grenzender Aufschwung dieses Zweiges des Buchgewerbes.

8*

Il6 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. IV. KAP.

Im Jahre 1776 hatte New- York nur 4 Zeitungen, Massachusetts 7, Pennsylvanien gar keine aufzuweisen. Zur Zeit der Centenmal- Feier und der Weltausstellung zu Philadelphia im Jahre 1876 erschienen in New- York 1088, in Massachusetts 346, in Pennsylvanien 22>8 Zeitschriften. Heute beträgt die Gesamtzahl der periodischen Schriften Nordamerikas 11418, darunter täglich erscheinende Blätter 982, Wochenblätter 8725. Von der Gesamtzahl liefert New -York 1412, Illinois 1032, Missouri 531. Illustrierte Blätter giebt es 512, Zeitschriften religiösen Inhalts 572. In englischer Sprache wurden 10 619 Blätter gedruckt, 605 in deutscher, 35 in französischer, 37 in schwedischer und dänischer Sprache. Beschäftigung finden bei der Herstellung 72 000 Menschen mit einem Lohnaufwande von 115 Millionen Mark. Der Brutto -Ertrag wird auf 370 Millionen Mark geschätzt. Die tägliche Zirkulation der Tagesblätter ist auf 3 637 000 Nummern dieselbe ungefähr, die England mit seinen 135 Blättern erzielt berechnet, die einmalige der Wochenblätter auf 19450000, die Gesamtsumme aller Zeitungen und Zeitschriften jährlich auf 2 077 650 675 Nummern \

Es hat sich jemand die Mühe gegeben, auszurechnen, dass mit einem Gürtel an einander gereihter Bogen eines Jahrganges der amerikanischen Zeitungen die Erde sich 47mal umwickeln lasse und dass der Papierstreifen fünf Meilen länger sein würde, als die Entfernung der Erde von dem Monde. Ein anderer giebt an, dass zu einer Nummer sämtlicher Zeitschriften Nordamerikas 5 000 000 Pfund Schriften oder etwa 3 Milliarden Typen gehören. Kontrolliert haben wir die Rechnungen nicht.

Befinden sich unter den Zeitungen auch manche unbedeutende, die nur dazu dienen, die Zahl auszufüllen, so begegnen uns anderer- seits viele riesenhafte Unternehmungen, mit denen in Europa ausser den Times nur noch einige wenige sich messen können. Das New - Yorker Zeitungsviertel umschliesst die Prachtgebäude der Journale: New -Yorker Staatszeitung, Daily News, Star, Sun,

1 E. Steiger, The periodical litterature of the United States. New- York 1873. G. P. Royvell, The man zuho advertise. New -York 1870. A. Maverik, H. y. Raytnond and the New -York Press. Hartford, U. S., 1870. M. Cucheval- Clavjgny, Histoire de la Presse en Atigläcrre et aux itats Unis. Paris 1S57. Die Angaben über den heutigen Bestand sind von einem erfahrenen Verleger Amerikas, M. North.

IV. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE NORDAMERIKAS. 11/

Tribüne, Times, Ob Server, World, Evening Mail, Evening Telegraph, Herald, dazu den grossartigen Bau des Zentral-Telegraphenamtes, die kolossalen Offizinen von Harper Brothers u. a. Mit diesem bibliopolisch- typographischen Viertel kann sich selbst Fleet-street, Paternoster -rozv und Umgebung in London nicht messen.

Das grossartigste Zeitungs- Institut ist wohl das des New -York Herald. Die Herausgeber haben sich die Mühe gegeben , eine Der Herald. Nummer des Herald mit der korrespondierenden Nummer der englischen Times zusammenzustellen. Jede enthält 120 Spalten; unter diesen hatte der Herald 80 Inseratenspalten mit 3061 Anzeigen, Times y$ Spalten mit 1846 Annoncen. Dem Stoff nach enthält die Herald-Nummer auf 31 350 Zeilen mit etwa 2 800000 Typenstücken den ungefähren Stoff von fünf gewöhnlichen Romanbänden. Die Ausgaben für einzelne Telegramme sind enorm und waren es früher noch mehr, als zehn Wörter 400 Mark kosteten. Während des englisch-abessinischen Krieges musste die englische Regierung ihre Nachrichten aus dem Privatbureau des Herald holen , denn dieser empfing seine Telegramme so zeitig, dass die englischen Blätter die aus New-York zurücktelegraphierten Nachrichten als ihre neuesten Nachrichten bringen mussten. Zur Zeit des deutsch -französischen Krieges hatte die Tribüne den Herald überholt. Erstere brachte mit einem Kostenaufwand von 3000 Dollars das erste, spaltenlange Telegramm über den Kampf bei Gravelotte, das schon Tage lang in New-York gelesen war, als man in Berlin sich noch immer mit dem bekannten kurzen Telegramm aus dem Hauptquartier begnügen musste. Das machte die Tribnne während des Krieges sehr populär. Als Trumpf hiergegen spielte nun der Herald die sehr kostspielige afrikanische Expedition Stanleys zum Aufsuchen Livingstones aus.

Überhaupt erreichte die von Horace Greeley im Verein mit gleichgesinnten Mitarbeitern 1841 gegründete Tribnne1- eine hohe h. Greeley

* 3. Febr. 1811

Bedeutung. Horace Greeley war Sohn eines armen Bauers in i 29- Nov. 1872 Amhorst. Er half seinem Vater beim Holzfällen ; jedoch seine Liebe zu den Büchern erweckte den Wunsch in ihm, Setzer zu werden. Er kam auch in die Lehre nach Pultney, was er jedoch dort lernen konnte, war bald gelernt. Nach verschiedenen bösen Erfahrungen

1 Die Offizin ist abgebildet im Journ. f. B. 1876, Nr. 6.

Il8 DIE AXGLO- AMERIKANISCHE GRUPPE. IV. KAP.

kam er am 18. August 1S31 nach New -York mit zehn Dollars in der Tasche. Trotz seiner Tüchtigkeit ward es ihm sehr schwer, eine Stelle zu finden. Man traute ihm nichts ordentliches zu, namentlich weil er gar zu wenig auf sein Äusseres gab. Endlich fand er in einer Druckerei Stellung. Es wurde ihm die schwerste Aufgabe, der Satz eines polyglotten Neuen Testaments, aufgetragen. Die Arbeit fiel vortrefflich aus undGreeley war bei derselben mit solchem Fleiss, dass er in Misskredit bei seinen von ihm ausgestochenen Kollegen kam. Ein Dr. Steppard, ein Mann mit vielen Kenntnissen, aber ganz ohne Vermögen, wünschte Teilnehmer für ein Blatt, die ..Morgenpost", und veranlasste Greeley und den Faktor der Druckerei, Story, solche zu werden. Das Blatt schlug fehl, jedoch die angefangene Druckerei kam vorwärts ; Story starb und Greeley nahm einen anderen Associe, Winchester. Auch eine zweite Zeitschrift, der „New -Yorker", an dem Greeley gearbeitet hatte, ging ein. Dieser, der demnach Schrift- steller geworden war, gründete nun selbst 1841 die Tribüne. Die Anfänge waren klein. Greeley war die Seele des Ganzen, bald am Redaktionstisch schreibend, bald am Setzkasten zugreifend, dann, wenn nötig, bei der Presse Hand anlegend. Das Blatt gewann rasch einen grossen Aufschwung und die etwa zwanzig Gründer, die mit ihrer Arbeit denn über ein anderes Kapital hatten sie nicht zu verfügen gehabt beteiligt waren, wurden wohlhabende Leute. Ausser der Tagesausgabe druckte- man eine halbwöchentliche und eine wöchentliche, zusammen in ungefähr 100 000 Exemplaren. Horace Greeley schlug standhaft die Übernahme der ehrenvollsten, selbst Gesandten -Posten, aus und meinte, wenn ein Journalist auf seinem Posten ist, dann kann er in einem Lande mit einer freien Presse mehr leisten, als alle Gesandte zusammen1. Die Setzer der Vereinigten Staaten wollten ihm zuerst ein aus Typen gegossenes Monument setzen, errichteten ihm jedoch später auf dem Greenwood- Friedhofe in Brooklyn ein Denkmal, bestehend in einer Bronce- Kolossalbüste. Die vier Seiten des Sockels sind mit Reliefs geschmückt.

Bedeutenden Einfiuss übte auch The Public Ledger George W. Childs'. Dieser, in Baltimore geboren, kam als vierzehnjähriger

1 JAMES Parton, The life of Horace Greeley. New -York 1S55.

IV. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE NORDAMERIKAS. I IO,

Bursche nach New -York in eine kleine Buchhandlung, erwarb sich g. w. Childs. durch grössten Fleiss, verbunden mit Sparsamkeit, einige hundert Dollars und fing mit diesen in einem Winkel des Gebäudes des Public Ledger ein kleines Geschäft an, jedoch mit dem Vorsatz: „das muss alles einmal mir gehören". Childs wurde Teilhaber einer respektablen Buchhändlerfirma R. E. Peterson & Co., in der, unter seiner Beteiligung, viele bedeutende Werke erschienen.

Inzwischen war es mit dem angesehenen Ledger rückwärts- gegangen. Es bestand als Pemry-Blatt seit dem Jahre 1816 und die Unternehmer hatten nicht den Mut, diesen Preis zu erhöhen, obwohl er unter den indes eingetretenen Valuta - Verhältnissen ein völlig unhaltbarer geworden war. Trotz der grossen Verbreitung und der massenhaften Inserate verlor man, wovon das Publikum jedoch keine Ahnung hatte , jährlich an 1 50 000 Dollars. Unter diesen Verhältnissen kaufte Childs das Blatt für eine Summe, welche die eines Jahresausfalles wenig überschritt, stellte den Preis auf zwei Pence und erhöhte entsprechend den Inseratenpreis. Anfänglich grosser Krach in der Zahl der Abonnenten, dann aber das Gefühl bei denselben, den alten bewährten Freund nicht entbehren zu können, und die Sache ging wieder vorwärts. Nun war Childs ein gemachter Mann und der Ledger1 eine grosse Macht, von der jedoch der Besitzer immer nur den edelsten Gebrauch gemacht hat. Er begriff, dass der Mann, welcher eine Druckerpresse besitzt und die Feder führt, ebensowenig das Recht hat, Schmäh- nachrichten zu verbreiten oder die Ehre eines anderen anzutasten, als derjenige, der eine Uniform und ein Schwert trägt, befugt ist, nach Belieben zu tödten oder zu verwunden, um seinen Launen oder boshaften Gesinnungen zu fröhnen. Sogar über die Anzeigen wachte er und hatte den Mut, von dem Prinzip abzugehen , wonach der Herausgeber eines Blattes nicht die Verantwortlichkeit, wenn- auch nur die moralische, für die Anzeigen zu tragen habe. Dass er mit diesem Prinzip zugleich auf grosse Einnahmen verzichtete, ist leicht zu begreifen. Childs sorgte auch stets in grossartigster Weise für die Gesundheit und das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter.

1 Eugen Mundav, Historical sketch of thc public Ledger. Philadelphia 1870. James Parton, George W. Childs. Philadelphia 1870. Die Offizin ist abgebildet im Journ. f. P>. 1876, Nr. 4.

120 DIE AN GLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. IV. KAP.

Es ist nicht möglich, die bedeutenden Zeitungsanstalten alle näher zu charakterisieren und ihre Offizinen ausführlich zu beschreiben, die auch im Westen grossartige Dimensionen ange- nommen haben, so z. B. die Offizin der Chicago Times, die in einem aus weissen Sandsteinen erbauten, palastähnlichen Eckgebäude mit zwei Fronten von je 80 Fuss ein Erdgeschoss und fünf Stockwerke einnimmt. Überhaupt würden solche Ausserlichkeiten an und für sich keine Bedeutung für die Geschichte der Buchdruckerkunst haben, wenn sie nicht mit als Beweis dienten, welche kolossale Ausdehnung und hohe Macht die Zeitungspresse besitzt, die doch immer nur ein Teil der Gesamtpresse ist.

Auch unter den Wochenblättern erheben einige stolz ihre Häupter über das Gewöhnliche. Unter den Verlegern und Druckern, die sich um diese Litteratur, doch nicht nur um diese, verdient gemacht haben, steht die Familie Harper obenan1.

Der Gründer derselben, John Harper, stammt aus Newtown john Harper (Rhode Island). Sein Bruder James und er waren in New -York in f 22". Aprii 1875. einer Buchdruckerei beschäftigt und zählten mit zu den tüchtigsten Arbeitern, James als Drucker, John als Setzer. Im Jahre 18 17 gründeten die Brüder eine kleine Buchdruckerei unter der Firma J. & J. Harper. Durch Promptheit erwarben sie sich einen guten Ruf und ihre eigenen Verlagsunternehmungen wurden mit Vertrauen empfangen. 1833 gesellten sich noch zwei Brüder, Joseph Wesley Harper und Fletcher Harper, als Teilnehmer dazu und die Firma wurde Harper BrotJiers. Die vier Brüder waren alle sehr ver- schiedenen Charakters, ergänzten sich jedoch ganz "vortrefflich. Frug man: wer ist Harper? und wer sind die Brüder? so konnte man nur antworten : „irgend einer derselben ist Mr. Harper und die anderen sind die Brüder". Gerade in diesem innigen Zusammen- wirken lag das Geheimnis ihrer Erfolge. Im Jahre 1850 begannen sie Harper s Monthly , dessen Aufnahme eine so ausserordentlich günstige war, dass sie 1857 Harpers Weekly und 1867 Harpers Basar folgen Hessen.

Jeder der Brüder hatte sein besonderes Departement, welches Harpers neues er selbständig -leitete. Das der Finanzen gehörte John, zugleich

Etablissement.

die Besorgung der Erwerbungen an Material und Maschinen. Er

1 Jac. Abott, The Harper Establishment. New-York 1855.

IV. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE NORDAMERIKAS. 121

war ein Mann von bestimmtem Charakter, rasch im Entschliessen, fest in der Durchführung der Entschlüsse, in allen Verhältnissen ein Gentleman, bei aller Lebhaftigkeit stets ruhig und besonnen, nie in Unruhe oder Hast.

Als das grosse Harpersche Etablissement in Franklin- square 1853 ein Raub der Flammen wurde, stand John mit seinen Brüdern ruhig unter der aufgeregten Menschenmasse und beobachtete das Fortschreiten des verheerenden Elements. Seine Uhr aus der Tasche ziehend bemerkte er gegen die Brüder, dass es jetzt Essenszeit sei; es wäre wohl das beste, man käme nach dem Essen zu ihm, dort könne man ruhig überlegen , was zu thun ! Die Brüder fanden sich ein und sassen schweigend in Gedanken vertieft. Da ergriff John das Wort : „Unser Geschäft ist zu wertvoll , um es fallen zu lassen oder um es in andere Hände zu geben. Wir haben alle Söhne; sie haben uns geholfen und sind nun bald imstande, unsere Plätze einzunehmen. Wir wollen ihnen das Geschäft weiter führen und ihnen zeigen, dass wir noch keine alten Schlafmützen sind".

Und so wards beschlossen. Noch an demselben Abend begann John die Pläne für den Neubau zu entwerfen. Die Zeichnungen von allen den inneren Räumlichkeiten und Einrichtungen wurden unter Berücksichtigung der mannigfachen Bedürfnisse des Geschäfts in allen Details von John gemacht und dann dem Architekten über- geben, dem es überlassen wurde, das Äussere dem Innern anzu- passen. Durch Schaden klug geworden, Hess man alles aus Stein oder Eisen aufführen. Jedes Stockwerk ist für sich ganz abgeschlossen und die Kommunikation mit den beiden Geschäftshäusern nur durch die, in einem freistehenden Turm, von welchem aus Ver- bindungsbrücken nach jedem Stocke der beiden Geschäftsgebäude führen, befindliche Treppe unterhalten. Es dürfte dieses Etablisse- ment jetzt eines der eigentümlichsten, zugleich eine der am besten gegen Feuersgefahr gesicherten Druckereien der Welt sein. Ein eigentümlicher Zug von John Harper war es, dass er, obwohl er täglich von 9 3 Uhr im Comptoir arbeitete, die nach seiner eigenen Angabe gebauten Lokalitäten, mit Ausnahme des Maschinenraumes, nie betrat. Was in sein Departement nicht gehörte, überliess er ganz und gar seinen Brüdern, Söhnen und Neffen. Der Bruder James starb 1869, Wesley 1870, John selbst 1875 am 22. April, nur

Brand des Etablissements.

122 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE, IV. KAP.

sein Bruder Fletcher überlebte ihn. Bis zum Jahre 1878 hatten Harpers 3291 Werke in über 4000 Bänden herausgegeben.

Wennauch Harpers Monthly die grösste Auflage von allen k. Scribner. Monatsschriften hat 160000 Exemplare , so kommt ihm doch das von Karl Scribner gegründete Scribner s Monthly , das jetzt den Titel The Century angenommen hat, nahe. Der materielle Wert eines solchen Unternehmens ist ein sehr bedeutender; so erhielten die Söhne Scribners für ihren 4oprozentigen Anteil die Summe von mehr als 1 100 000 Mark, wonach also das ganze Unternehmen den Wert von gegen 3 Millionen Mark repräsentierte.

Unter den Herausgebern illustrierter Blätter ist Frank Leslie Frank Leslie besonders zu erwähnen. Sein eigentlicher Name war Henry Carter. t 1. jan. 1880. Erst Holzschneider und Vorsteher der xylographischen Anstalt der I austrat ed Lo?idon News, ging er im Jahre 1848 nach Amerika und unternahm die Gazette ofFashion, dann den Chimney Corner und das Ladys Magazine. Am 14. Dezember 1855 erschien Frank Leslies Illustrated Newspaper. Tjsnzx erwarb er sich damit ein sehr grosses Vermögen; bei seiner excessiven Freigebigkeit überstiegen jedoch seine Ausgaben „die Einnahmen und er musste 1877 sein Geschäft anj. W. England abtreten, wirkte aber für dasselbe fort. Leslie war der erste , welcher die grossen Holzplatten mit den darauf sich befindenden Zeichnungen in viele Stücke zersägen Hess, um sie nach Vollendung des Schnittes, der nun gleichzeitig von einer grossen Zahl von Holzschneidern, also sehr schnell, gearbeitet werden konnte, wieder zusammen zu leimen oder durch Rahmen zusammen zu pressen.

Auch Georg Palmer Putnam erwarb sich einen bedeutenden Georg Putnam Namen als Journal -Herausgeber. 1840 gründete er die Firma f 20. Dez.' 1872! Wiley & Putnam. In London legte er eine Filiale an , weilte dort sieben Jahre und gab von 1 843 ab The American Bookseller heraus. Putnam war der erste, der regelmässig Bücher nach England exportierte und umgekehrt von dort importierte. Nach seiner Rückkehr nach New -York wurde 1852 Putnam s Magazine ge- gründet, welches damals in Nordamerika einzig in seiner Art dastand.

Amerika hat auch zu einer täglich erscheinenden illustrierten Zeitung den ersten Anlauf genommen. Seit 1873 erscheint in

IV. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE NORDAMERIKAS. 123

New -York The Daily Graphic; jede Nummer mit etwa zwanzig The Daiiy grösseren oder kleineren Illustrationen. Bei einem äusserst massigen Preis sind Druck und Papier sehr gut. Da jedoch die Bilder Hochätzungen von verschiedenem Wert in der Mehrzahl den unterhaltenden Teil illustrieren, also im voraus fertiggestellt werden können, so ist das Problem einer wirklichen illustrierten Tageszeitung noch nicht als voll gelöst zu betrachten.

Die Summe, welche die Inserierenden an die Zeitungs-Heraus- geber zu zahlen haben, wird auf 120 Millionen Mark geschätzt. Von 7/fe Swi wurde neulich eine der 350 Aktien „billig" für 18000 Mark verkauft, das gäbe nahe an sechs und eine halbe Million Mark. Der Redakteur A. Dana bezieht als Salair und Tantieme jährlich etwa 300 000 Mark. Hiernach kann man sich eine Vorstellung machen von dem enormen pekuniären Wert der amerikanischen Zeitungen.

Der Schöpfer der amerikanischen HOLZSCHNEIDEKUNST war Alexander Anderson. Bereits als Schulknabe schnitt er mit einem Xylographie. Handmesser kleine Vignetten in Schriftmetall und verkaufte sie an Alex. Anderson Zeitungs-Herausgeber. Später wählte er die Medizin als Brotstudium ;* 17- Jan. 1870! jedoch die Liebe zur Kunst behielt die Oberhand bei ihm, und als er erfuhr, dass Bewick in London in Buchsbaum schnitt, hing er die Medizin an den Nagel und wurde der erste Holzschneider in Amerika. Seine letzte Arbeit in Metall war „das Abendmahl" nach Holbein für eine Bibel in Quart. Bis in sein 94. Jahr arbeitete er unverdrossen. Während Amerika 1840 nur etwa 40 Xylographen hatte, betrug die Zahl bei Andersons Tod bereits über 400.

Um den Druck der Holzschnitte, zugleich um diese selbst und die galvanische Vervielfältigung derselben hat J. Adams wesentliche j. Adams. Verdienste. Nach vielen vergeblichen Versuchen gelang es ihm, mit Harpers ein Übereinkommen betreffs des Verlages und Druckes einer illustrierten Bibel abzuschliessen, wrobei er die Bedingung gestellt hatte, dass der Druck vollständig nach seiner Angabe geschehe. Mit unermüdlicher Sorgfalt wendete er das noch nicht bekannte Verfahren des Unterlegens an und nach vierzehntägiger Arbeit an der Adamsschen Tiegeldruckpresse, während deren er vieles von den über ihn spottenden Druckern und der Bedenklichkeit

124 D1E ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. IV. KAP.

der Verleger zu leiden hatte, leistete er zum Staunen der ersteren und zur Genugthuung der letzteren mit dem ersten Bogen einen Druck, wie man ihn noch nicht kannte. Das Publikum lohnte der Verleger Opferwilligkeit durch Abnahme von 50000 Exemplaren.

Unter den Druckanstalten Amerikas sowohl als unter den

Die Regierungs- Staatsdruckereien anderer Länder nimmt die Regierungsdruckerei 1

der Vereinigten Staaten einen achtunggebietenden Standpunkt ein.

Zuerst wurden die Staatsarbeiten an die, von beiden Häusern gewählten Privatdruckereien vergeben, mit denen man auf Grund bestimmter Preise kontrahierte. Später beliebte man den Zuschlag an den Mindestfordernden, dann wurde zu einer Anstalt geschritten, deren Direktor der Präsident erwählt. Die 1861 bezogenen Räum- lichkeiten sind später bedeutend erweitert worden.

Vor der Rebellion der Südstaaten genügten 23, grösstenteils Adamssche, Schnellpressen. Durch 4 Accidenzpressen und einige Liniiermaschinen wurden die kleineren Arbeiten erledigt. Während des Aufstandes nötigte jedoch der Bedarf des Kriegs- und Marine- departements zur Verstärkung der Kräfte. Obwohl von Liniier- maschinen allein 16 fortwährend beschäftigt waren, mussten manche Arbeiten Privaten übertragen werden. Nachdem jedoch der Kongress bestimmt hatte, dass alle Regierungsarbeiten in der Staatsdruckerei besorgt werden sollten, waren grosse Erweiterungen vorzunehmen.

Das Druckhaus ist ein vierstöckiges, nicht besonders schönes, jedoch gut belichtetes und zweckmässig eingerichtetes Gebäude von 300 Fuss Länge und 60 70 Fuss Breite. Der Druckersaal nimmt die ganze Tiefe und 270 Fuss Länge ein. Die Zahl der Schnell- pressen beträgt 6$, die der Arbeiter 1200. Die Jahresausgabe für Löhne und Material wird auf etwa 9 Millionen Mark veranschlagt. Die Arbeiten sind in drei Klassen geteilt : Staatsakten, gerichtliche und laufende Arbeiten. Die in der Anstalt gedruckten Werke haben oft einen grossen Umfang, so umfasst das Werk über den Secessionskrieg 96 Bände in Grossoktav. Oft ist rasende Eile notwendig; so wurden die Berichte der Halifax-Fischerei-Kommission 480 Seiten in Oktav in 48 Stunden gesetzt, korrigiert, gedruckt, gebunden und dem Kongress übergeben. Der jährliche landwirtschaftliche Bericht ist

1 Journ. f. B. 1881, Nr. 22. Ann. d. Typ. II, Nr. 92.

IV. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE NORDAMERIKAS. 12 5

ein Band von 800 Oktavseiten und wird in 225 000 Exemplaren gedruckt.

Der Banknotendruck unterlag durch Jakob Perkins, der die Herstellung von Stahlplatten einführte, einer bedeutenden Um- Banknotendruck, änderung und Verbesserung. 1 8 1 8 ging Perkins nach London und arbeitete dort mit dem vorzüglichen Graveur Heath zusammen. Mehrere Sicherheitsmassregeln wurden erfunden, namentlich das Hineinarbeiten von Fäden oder Haaren in das Papier. Die Noten sind, dem Geschmack der Amerikaner gemäss, recht bunt und enthalten vollständige Bilder, ja sogar Schlachtenscenen, in Stahl- stich. Sie werden in dem Bureau of Engraving and Printing, einer Abteilung des Schatzamtes, und bei der American Banknote Company ausgeführt.

Die Postkarten liefert laut Vertrag die American Phototype Company in Holyoke. Der Bogen enthält 40 Postkarten. Die Pressen sind mit verschlossenen Zählapparaten versehen, zu welchen nur Regierungsbeamte den Schlüssel haben. Zirkularschneidemaschinen teilen den Bogen viermal der Länge nach, die Längenschnitte werden wieder zehnmal der Quere nach geschnitten. Täglich wird durchschnittlich 1 Million Stück geliefert, die Produktion kann aber auf 1 700000 gesteigert werden.

Dass die Versendung von Drucksachen durch die Post eine sehr grosse ist, begreift sich leicht; sie beträgt neben 1100 1200 Millionen Briefen jährlich gegen 750 Millionen Zeitungsnummern und mehr als 300 Millionen andere Drucksachen.

Der AcciDENZDRUCK setzt in einem Geschäftslande, wie es Amerika ist, enorme Summen in Zirkulation. Nach Einführung der Acddenzdruck. Tretmaschinen ist ein grosser Teil der Arbeiten in die Hände der Stationer (Trittmüller) übergegangen. Bei der Sucht, auffällig zu sein, laufen allerdings manche sonderbare Erzeugnisse unter den Accidenzen mit unter, aber vieles ist auch ausserordentlich schön. Unter den Accidenzdruckern, speziell unter den Farbendruckern, steht W. J. Kelly in' hohem Ansehen. Als Herausgeber einer Fachzeitschrift, The Model Printer, macht er zugleich seine Arbeiten der Allgemeinheit der Buchdrucker nutzbar. Einen würdigen Kon- kurrenten hat erinJ.F. Earhart in Columbus. Auch OscarH. Harpel in Cincinnati, der den glücklichen Gedanken hatte, etwa 700 von ihm

I2Ö DIE ANGLO-AMERIKANISCHE GRUPPE. IV. KAP.

o. h. Harpei in der Praxis ausgeführte Accidenzen in einem Band Harpels

* 8. Juni 1S28, _ . , . .

f 20. Nov. 1881. Typograpk zu sammeln, genoss eines verdienten Ansehens. Ausser seinem praktischen Musterbuch gab er ein mit grossen Kosten ver- bundenes- Werk heraus : Poets and Poetry of Printerdom. Harpei war eine der ideal angelegten Naturen, die in ihrem Streben nach Vollkommenheit nicht genug das Praktische berücksichtigen, und er erzielte deshalb nicht die Vorteile, die ihm auf Grund seiner Tüchtigkeit und Liebe zur Kunst sehr zu gönnen gewesen wären.

Als Beispiel, welche Summen auf Accidenzarbeiten verwendet werden, sei angeführt, dass ein Kurzwaren-Geschäft in New-Haven für 2000 Exemplare eines Muster -Katalogs gegen 350000 Mark verausgabte. Der Folioband von 290 Seiten mit etwa 700 in der wirklichen Grösse und in den natürlichen Farben ausgeführten Abbildungen kostet allein zu binden 65 Mark für jedes Exemplar. Dabei übersandten die Besteller nach Vollendung des Bandes dem Drucker mit einem sehr verbindlichen Schreiben ein äusserst kostbares Chronometer, ein Zeichen der Anerkennung, wie sie im Geschäftsleben wohl nicht gar zu oft vorkommt.

Die Durchschnittsqualität des Buchdruckes ist eine gute. Man fabriziert in Amerika weniger für besondere Klassen von Lesern, es fehlt deshalb in der Regel einerseits das höchste Raffinement, andererseits ein ungeniertes Sichgehenlassen. Die Schulbücher sind, was nicht genug gelobt werden kann, fast ausnahmslos vortrefflich ausgestattet. Druckt man einmal wirkliche Pracht werke, so können sie auch den Vergleich mit den besten Erzeugnissen der alten Welt aushalten, z. B. Appletons Picturesque America und Pictnresquc

Europe.

Über die Ausdehnung des BUCHHÄNDLERISCHEN GESCHÄFTS r

Der Buchhan-iei. ist es nicht leicht, eine ganz bestimmte Übersicht zu gewinnen, da keinerlei Kontrolle ausgeübt wird. Die Zahl der eigentlichen Buchhändler wird auf etwa 3000 angegeben, darunter sind gegen 800 Verleger. Neun Zehnteile des Verlagsgeschäftes sind jedoch auf höchstens 50 Firmen verteilt. Buchhändler, weiche nicht ein ausschliessliches Geschäft aus dem Handel mit Büchern machen, giebt es über 10 000.

1 Catalogue of the Collectiv Exhibit of the American Book Trade. Paris 1878. Der amerikanische Buchhandel. Ausland 1862, Nr. 19.

IV. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE KORDAMERIKAS. 12J

Hat die Bücherproduktion auch nicht eine so immense

Steigerung aufzuweisen wie die Zeitungsproduktion, so ist sie doch Bücher- produktion. eine sehr bedeutende. Die amerikanische Originailitteratur bietet

schon jetzt einen bedeutenden Stoff, daneben werden mit einer, bei

lohnenden Aussichten staunenswerten, einer besseren Sache zur

grössten Ehre gereichenden Energie die besten Erzeugnisse des

Mutterlandes nachgedruckt. Ein internationaler Vertrag mit England

lässt immer noch auf sich warten, und obwohl selbst in Amerika

gewichtige Stimmen für den Schutz gegen Nachdruck sich erheben,

ist doch kaum anzunehmen, dass der „praktische" Amerikaner sich -

dem Zwange sobald fügen wird, es wäre denn, dass die Zunge der

Interessenwage sich zu seinen Gunsten neigen würde.

Der eigentliche Ursprung des organisierten Buchhandels in

Amerika rührt von der Begründung der Amerikanischen Buch- Organisation

s- 11 i r t i - r^ des Buchhandels.

handlungs- Gesellschaft im Jahre 1801 her. Sie errichtete Comptoire in New -York, Philadelphia und Boston, stellte feste Bedingungen für den Betrieb und war bemüht, durch Preisausschreiben die Fabrikation des Papiers und der Druckerschwärze zu fördern. Doch blieben die Fortschritte des Buchhandels immer noch klein. Die Auflagen wurden selten höher als 5 600 gemacht.

Mit dem Jahre 1830 hatte sich dies schon sehr geändert und später erreichten Werke selbst von grösserem Umfang und hohem Preis grosse Verbreitung. Agassiz' Naturgeschichte Nordamerikas, die über 600 Mark kostete, hatte über 2500 Subskribenten; von Kanes Reise nach den arktischen Regionen wurden 60 000 Exem- plare abgesetzt, von Murrays geographischer Encyklopädie 50000, von Chambers Encyclopczdia of Literature über 100 000. 1860 gab es bereits 400 Verleger und der Wert der produzierten Bücher nicht Zeitungen , der 1820 10 Millionen Mark betrug, hatte 1860 70 Millionen Mark überschritten. Die Zahl der Buchdruckereien war rS6o bis auf 4000 gestiegen, nachdem sie 1776 40, 18 12 400 betragen hatte.

Die Organisation des Buchhandels ist nicht so geschlossen, wie in Deutschland, doch hat die American Book Trade Association einige Ähnlichkeit mit dem Börsen -Verein der deutschen Buchhändler. Die Buchhändler teilen sich in Publisliers (Verleger), Jobbers (Kommissionäre) und Retailers Sortimentshändler), doch sind diese

128 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. IV. KAP.

drei Branchen oft in einer Hand vereinigt. Eine besondere Klasse der Verleger bilden die sogenannten Subscription Publishers, welche ihren Verlag nur durch Vermittelung von Agenten vertreiben, von welchen jedem ein gewisses Territorium überlassen bleibt, innerhalb dessen Grenzen er allein den Vertrieb hat. Der Jobber dient als Mittelsmann für diejenigen Sortimenter, die nicht mit den einzelnen Verlegern in Rechnung stehen können oder wollen, und vorziehen, ihren ganzen Bücherbedarf aus einer Hand zu nehmen. Sie kaufen oft tausende von Exemplaren von den Verlegern und verkaufen mit einem massigen Nutzen.

Einmal im Herbst und einmal im Frühjahr findet eine grosse Bücherauktion statt, in welcher der Sortimentshändler sein Lager versorgt. Die Produktion des Jahres 1877 betrug 4476 Werke, also ungefähr dieselbe Quantität, die England produzierte. Nur einige grosse Firmen schlagen eine universelle Richtung ein, gewöhnlich beschränkt sich eine Firma auf einen Zweig.

Eine für Amerika eigentümliche Institution ist die American News Company. Diese Gesellschaft konzentriert in ihren Händen fast den ganzen Betrieb der periodischen Unternehmungen; ihre Interessen vertritt The American Bookseiler. Es ist eine Anstalt, mit der die Journal -Verleger rechnen müssen, die jedoch ihre Macht in loyaler Weise gebraucht.

Um die Förderung der buchhändlerischen Organisation und Leupoidt. des Büchervertriebes hat sich der Deutsche Friedr. Leupoldt aus Stuttgart besonders verdient gemacht. Wie in früherer Zeit Deutsche die Buchdruckerkunst durch alle Länder verbreiteten, so sind es in späterer Zeit fast überall Deutsche , die sich um die rationelle Einrichtung der buchhändlerischen Institutionen verdient gemacht und, durch die mühsamen Arbeiten der Inventarisierung, System in den Vertrieb gebracht haben. Die von Leupoldt ins Leben gerufene PublisliersWeekly ist die beste bibliographische Zeitschrift Amerikas. Ebenfalls vortrefflich ist sein seit 1876 erscheinendes American Library Journal und sein jüngstes Werk Catalogtie and Finding List of all American Books in Print and for Säle. 1881. Eine grosse Erleichterung für den Vertrieb bildet schliesslich die, ebenfalls von Leupoldt in Scene gesetzte, Uniform Trade List Annual, eine in Gleichförmigem Äussern durchgeführte Sammlung der

IV. KAP. TYPOGRAPHFE UND BUCHGEWERBE NORDAMERIKAS. 129

Kataloge der Mehrzahl der Verlagshändler, eine Idee, welche in Europa sofort Nachahmung fand, auch den Anstoss zu dem idealern, aber vielleicht weniger praktischen Russellschen „Gesamt -Verlags- katalog des Deutschen Buchhandels" gegeben hat.

Einige der massgebenden und bahnbrechenden Verleger und Drucker wurden bereits genannt ; es mögen zur Charakterisierung Sower, Potter noch einige wenige angeführt werden und zwar zuerst das älteste Druckgeschäft Amerikas, dessen Geschichte noch weiter zurückgeht, als die der Vereinigten Staaten selbst und welches zugleich deutschen Ursprungs ist. Ein Teilhaber der angesehenen Firma Sower, Potter & Co. in Philadelphia ist der direkte Nachkomme in fünfter Generation von Christoph Säur (I, s. 274). Wie bereits in ihren ersten Anfängen beschäftigt sich die Firma noch heute hauptsächlich mit dem Druck von Erziehungs- und Erbauungsschriften.

Letzterer Zweig ist überhaupt von sehr grosser Bedeutung, namentlich entwickeln die Bibel- und Missionsgesellschaften eine Der Bibeldruck, ausserordentliche Thätigkeit. Die 18 16 gestiftete Amerikanische Bibelgesellschaft, deren Jahres-Einnahme jetzt etwa zwei und eine halbe Million Mark beträgt, druckte während der ersten sechzig Jahre ihres Bestehens über 33 Millionen Bibeln in 20 verschiedenen Aus- gaben mit einem Aufwände von 75 Millionen Mark. Die Druckerei der Gesellschaft arbeitet mit 12 Rotationsmaschinen; die Zahl ihrer Stereotypplatten beträgt 65 000. Im Jahre 1868 verbreitete The AmericanTract Society 807 000 Bände und 9493 000 Flugblätter. Der Verein für Presbyterianischen Verlag weist über 2000 Artikel auf. Eine ähnliche Zahl sind aus den Pressen der, etwa 500 Personen und 30 Schnellpressen beschäftigenden Druckerei der Gesellschaft der Methodisten, die über ein Kapital von ungefähr 3 500000 Mark disponiert, hervorgegangen. Über hundert Ausgaben der Bibel druckte die Firma John E. Potter & Co., unter deren zahlreichen anderen Verlagsartikeln sich die Bible Encyclopacdia mit ihren 10 000 Artikeln und über 3000 Abbildungen befindet. In einer ähnlichen Richtung wie die obigen Anstalten wirken The American Sunday School Union, The Evangelical Knowledge Society , der Nationale Mässigkeits- Verein, sowie die Firma A. J. Holman & Co. und noch viele Gesellschaften und Verleger. Für die Bedürfnisse der Katholiken sorgt unter anderen die Gesellschaft zur Verbreitung

9

I30 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. IV. KAP.

der Katholischen Litteratur. Auch die bekannte Firma Gebrüder Benziger in Einsiedeln unterhält zu diesem Zwecke eine Filiale in New- York.

Das Geschäft, welches die vielseitigste Thätigkeit entwickelt,

Appiewn & Co. ist D. Appleton & Co. in New -York, gegründet 1831. Wie bei Brockhaus in Leipzig das Konversations -Lexikon, so bildet bei Appletons The American Encyclopaedia mit 4000 Holzschnitten und vielen Karten den Mittelpunkt des Verlages. Das schönste illustrierte Buch in Amerika dürfte ihr Picturesqae America mit 850 Holzschnitten und 48 Stahlstichen sein, dem eine Picturesque Europe folgte. Ein wichtiger Teil des Verlages ist der den Bildungszwecken gewidmete. Auch die Anregung zu den Inter- national Scientißques Series, die gleichzeitig auch in Deutschland, England, Frankreich, Italien und Russland erscheinen, ging von Appletons aus. Vax North American Review steht in grossem Ansehen. Die Offizinen der Firma nehmen einen Raum von über 60 000 engl. Quadratfuss ein. Mit der Buchdruckerei von etwa 50 Schnellpressen sind die verschiedenartigsten graphischen Anstalten verbunden.

Die Werkstätten von J. B. Lippincott & Co. in Philadelphia

j. b. Lippincott zählen zu den grossartigsten. Ihr Katalog führte 1879 weit über 2500 Werke auf, darunter Worcesters Dictionary of the English Language, das mit dem Websterschen um den Vorrang kämpft und einen mächtigen Band von 1854 Quartseiten mit 1000 Illustrationen bildet.

Die Firma Houghton, Osgood & Co. besitzt ausser ihrem

Houghton & Co. Geschäft in Boston ein bedeutendes Drucketablissement The riverside Press in Cambridge in unmittelbarer Nähe der Harvard-Universität. Sie vereinigen in ihrem Verlagskataloge die bedeutendsten Dichter und Romanschriftsteller Amerikas und Englands.

Ivison Blakeman, Taylor & Co. in New -York und Chicago,

Biakeman & Co. gegründet 1828, widmen sich ausschliesslich dem Verlage von Schulbüchern und verbreiteten bereits gegen ioo Millionen Bände. Wie bedeutend der Umfang der Geschäfte in Amerika ist, sieht man daraus, dass eine Sortimentshandlung in Chicago an einem Tage 186600 Bände aus dem Verlage der Genannten bestellte. Der tägliche Vertrieb ist gewöhnlich 1 5 000 Bände. Von den vielen Lesebüchern von Sander werden jährlich etwa zwei Millionen

IV. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE NORDAMERIKAS. I3I

Bände verbreitet. Bei dieser Firma erschien auch das Webstersche Wörterbuch, ein Quartband von 1 840 Seiten mit 3000 Abbildungen.

Für die medizinische Litteratur haben Will. Woods & Co. in New -York grosse Bedeutung. In ihrem Verlage erschien u. a. Woods & Co. Ziemssens Encyklopädie der praktischen Medizin, 17 Bände. Die Orange Judd Company pflegt mit grossem Nachdruck die Land- wirtschaft und die Architektur; Boericke & Tafel sind speziell Ver- leger homöopathischer Werke.

Es war natürlich, dass in einem Lande mit einem grossen, noch nicht auf der höchsten Stufe der Bildung stehenden Publikum der Bilderdruck ein gutes Feld finden musste und Amerika wurde der stärkste Konsument der einschlägigen deutschen Produkte. Amerika selbst besitzt eine hervorragende chromolithographische Anstalt, die von L. Prang & Co. in Boston. Ludwig Prang ist ein Deutscher l. Prang

* 12. März 1827.

und wurde in Breslau geboren, wo sein Vater als Formenschneider in einer Kattundruckerei arbeitete. Dieser war ein in vielen Sachen unterrichteter Mann und schwang sich zum Teilnehmer der Fabrik empor. Unter seiner Anleitung erhielt der Sohn die ersten künst- lerischen Anregungen. Nach fünf wechselvollen Ausbildungsjahren wurde Prang von dem Strudel der deutschen Revolution mit fort- gerissen, musste nach der Schweiz flüchten und ging von dort nach Nordamerika, wo er sich in verschiedenen Geschäften ohne Glück versuchte. Schliesslich warf er sich mit aller Energie auf die Holz- schneidekunst und wurde bald einer der tüchtigsten Xylographen Amerikas, ruinierte jedoch seine Gesundheit, so dass er einen andern Beruf wählen musste.

Prang wendete sich nun der Lithographie zu und etablierte sich mit einem tüchtigen Freunde, der aber ebensowenig, wie er selbst, Vermögen besass. Sie setzten jedoch ihr Vorhaben, eine Anstalt für Farbendruck zu errichten, durch und debütierten mit einem Rosenbouquet in vier Farben, das, obwohl keineswegs vollendet, doch sehr gefiel. Die Assoziation löste sich 1860. Durch den Sezessionskrieg wurde Prang vielfach von seinen Plänen abgelenkt, gewann aber durch Kartenarbeiten Mittel, um auf jene zurück- zukommen. Im Jahre 1865 erschienen die ersten Nachbildungen von Gemälden, zwei amerikanische Landschaften nach Beiker. Der Erfolg war jedoch kein ermutigender und Prangs Freunde rieten ihm,

132 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. IV. KAP.

sein Vorhaben aufzugeben. Jedoch ein kleines Bild eben aus den Eiern ausgekrochene Küchlein von Tait gab den Ausschlag. Es wurde nicht nur in enormen Massen verkauft, sondern riss auch die liegengebliebenen Landschaften mit fort, und öffnete die Wege für die Millionen von Chromos diese Bezeichnung führte Prang ein , welche in Amerika gedruckt oder von Europa importiert wurden. Prangs Erzeugnisse machten dagegen die Rundreise in Europa und fanden allgemeine Anerkennung.

In Verbindung mit John S. Clark, von der Firma Osgood & Co., führte Prang eine Reihe von Unternehmungen, zu Unterrichts- und künstlerischen Ausbildungszwecken bestimmt, durch und leistete hierin vorzügliches.

Den Einfluss des Deutschen Elements auf das Buch- Das deutsche GEWERBE in Nordamerika zu verfolgen ist von ganz besonderem Interesse1. In dem Aufschwung desselben, welcher sich in der vorigen Periode (I, S. 273) kundgab, sollte bald ein Rückschlag eintreten. Zur Zeit der Befreiungskämpfe Amerikas, sowie später der französischen Revolutionskriege und der Gewaltherrschaft Napoleons, 1775 bis 181 5, hatte die deutsche Einwanderung fast aufgehört, und als sie wieder anfing, bestand der Zufluss fast nur aus Leuten, die des fehlenden täglichen Brotes wegen die Heimat verlassen und keiner geistigen Nahrung bedurften, viel weniger selbstthätig das geistige Element kräftigen konnten. Die wenigen begabten Männer unter ihnen schlössen sich mehr dem englischen Element an.

Unter solchen Verhältnissen beschränkte sich die deutsche Erste Druck- Druckthätigkeit auf die Herstellung einiger deutscher Schul- und Deutschen" Gebetbücher, sowie Kalender, welche man immer noch hauptsäch- lich den wenigen deutschen Pressen Philadelphias verdankte. Dies änderte sich erst mit dem politischen Aufschwung in Deutschland in den dreissiger Jahren und mit der darauf folgenden Sturm- und

1 Fr. Kapp, Der deutsch -amerikanische Buchhandel. Deutsche Rundschau 1878, 4. Heft. Fr. Kapp, Der deutsch -amerikanische Buchdruck und Buch- handel im vorigen Jahrhundert. Archiv d. B.-V, I. Leipzig 1878. E. Steiger, Der Nachdruck in Nordamerika. New-York 1866. Die deutsch-amerikanische Presse. Ausland 1863, Nr. 6.

IV. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE NORDAMERIKAS. I33

Drangperiode von 1848 nebst der Zeit der Nachwehen der Reaktion. Unter den von 1830 1870 aus Deutschland eingewanderten zwei und eine halbe Millionen befand sich eine nicht geringe Zahl von Männern, die den gebildeten Ständen angehörten, welche geistige Bedürfnisse hatten, zumteil in der Lage waren, diejenigen anderer zu befriedigen. Hiermit begann die eigentliche Entwickelung des deutschen Buchhandels und Druckgewerbes in dem Emporium New -York.

Der erste, der dort geschäftlich kräftig eingriff, war der Deutsch- Amerikaner Heinrich Ludwig (geb. 1804). Er etablierte sich 1832, importierte anfänglich hauptsächlich Schul- und Erbauungsbücher und fing 1834 selbst zu drucken an. Erlebte bis 1877, hochgeachtet wennauch geschäftlich längst durch neuere Etablissements über- flügelt.

Bereits 1835 wurde die deutsche New -Yorker Staatszeitung unter sehr bescheidenen Verhältnissen ins Leben gerufen, sie sollte New -Yorker sich aber bald zu einer der bedeutendsten Zeitungen Amerikas hinauf- arbeiten. Keine Zeitung Deutschlands und kaum eine Nordamerikas dürfte fürstlicher untergebracht sein, als die Staatszeitung in ihrem 1873 im Printinghouse-sqtiare in New -York bezogenen Palast. Derselbe ist mit einem Kostenaufwand von zwei Millionen Mark, nicht gerechnet eine Million für Grund und Boden, in Renaissance- stil aufgeführt. Der Unterbau und der erste Stock sind aus schwarzem Granit, die übrigen Stockwerke aus hellem Granit. Ein Mansardendach von entsprechender Höhe krönt das ganze. Die eisernen Dachbalken sind mit eisernen Platten bedeckt; die Scheide- wände sind ebenfalls aus Eisenplatten. Die Comptoirlokalitäten in Renaissancestil sind reich mit Schnitzwerk geschmückt und die Eleganz der Beleuchtungsapparate, der Marmortische und der Mosaikfussböden entspricht dem übrigen. Allerdings Äusserlich- keiten, aber welche Macht hat eine solche Zeitung erlangt, um sich derartige Äusserlichkeiten schaffen zu können.

Nach und nach entstanden viele deutsche Blätter, welche, obwohl anfänglich schwach, an Mängeln aller Art leidend und sich christlich von Raub nährend, doch den Boden für die weitere Pflege der deutschen Litteratur bearbeiteten. Im Verlauf der letzten 30 Jahre hat jedoch die deutsche Zeitungspresse, die über 500 Organe zählt,

134 DIE ANGLO -AMERIKANISCHE GRUPPE. IV. KAP.

sehr an Bedeutung zugenommen und nicht wenige der Blätter können sich mit den besten deutschen Zeitungen messen.

Einen wesentlichen Einfluss auf die Verbreitung der deutschen verschiedene Litteratur übte der Berliner Wilhelm Radde (geb. 1800), der 1834 ceahändierUC " eine deutsche Buchhandlung in New -York gründete, viele Werke für die Bedürfnisse der Gelehrten einführte und sich daneben auch in billigen Nachdrucks-Ausgaben der Klassiker versuchte. Jedoch waren diese noch verfrüht und wollten damals noch nicht „ziehen". Ein Buchhändler schrieb an Radde: „Ich gebrauche umgehend folgende „echte" Klassiker gegen bar: 100 Schinderhannes, 100 heilige Genoveva, 100 bayrische Hiesel, 100 Eulenspiegel. Grössere Bestellungen werden nachfolgen". Radde Hess sich dies nicht zwei- mal sagen, er veranlasste jedoch 1853 die Cottasche Buchhandlung, namentlich um den Nachdrucken des W. Thomas entgegenzutreten, von ihren „unechten" Klassikern sehr gute und billige Konkurrenz- Ausgaben zu veranstalten; selbst Werke wie Humboldts „Kosmos" und dessen „Ansichtender Natur" erschienen in solchen. Andere Ver- leger wollten von dieser Konkurrenz gegen sich selbst nichts wissen und Campe in Hamburg sah z. B. ruhig zu , wie eine Ausgabe von Heine nach der andern dort gedruckt wurde. In dieser Weise drangen viele tausend Bände der besten Werke selbst in die unter bescheidenen Verhältnissen lebenden deutschen Familien und stärkten die geistige Verbindung mit dem Mutterlande.

Im Jahre 1 845 hatten deutsche Verleger sich mit dem Plane beschäftigt, auf Aktien eine bedeutende deutsche Buchhandlung in Amerika zu errichten. Rudolph Garrigues, ein junger gebildeter Buchhändler aus Kopenhagen, wurde nach Amerika entsendet, um das Terrain zu sondieren. Garrigues' klarer Bericht fand allgemeinen Beifall, als es indes zum Zeichnen der Aktien kam, schreckte der deutsche Buchhandel vor einem massigen Kapital von 30000 Thalern zurück. Sonderinteressen machten sich, wie gewöhnlich, geltend, und die Sache verlief im Sande. Garrigues etablierte sich nun selbst mit einem tüchtigen deutschen Buchhändler, F. W. Christern. Später folgten Jul. Helmich, L. W. Schmidt, G. & B. (jetzt W. & C.) Westermann Brothers; das Bibliographische Institut in Hildburg- hausen legte eine Filiale in New-York an; Fr. Gerhard druckte ein sehr gutes deutsch-amerikanisches Konversations-Lexikon; Schäfer

IV. KAP. TYPOGRAPHIE UND BUCHGEWERBE NORDAMERIKAS. 135

& Koradi in Philadelphia wurden bedeutend als Sortimenter wie als Verleger. Leupoldts Verdienste sind schon erwähnt.

Gross ist die Wirksamkeit Ernst Steigers in New -York, als Sortimenter sowohl, wie als Verleger und Drucker, gewesen. Steiger, e. Steiger. aus Oschatz in Sachsen gebürtig, bildete sich als Buchhändler in Leipzig aus und arbeitete elf Jahre bei Westermann in New -York. Er erwarb eine kleine deutsche Buchhandlung mit Zeitungsgeschäft und fing dann Buchdruckerei und Verlag von Schulbüchern an, allerdings zuerst in Nachdrucken. Durch ungemeines Verbreiten seiner zumteil sehr umfangreichen Kataloge wirkte er sowohl im eigenen Interesse, wie in dem der deutschen Verleger. Eine verdienstliche bibliographische Leistung ist Steigers The Periodical Literature of the United States of America with Index and Appen- " dices. 1873. Auch erwarb sich Steiger das Verdienst, für die Wiener Weltausstellung 1873 eine Probe - Kollektion von je einer Nummer von 6209 amerikanischen Zeitungen in 119 Foliobänden fertiggestellt zu haben, die er nachher der Wiener Hof- und Staats- bibliothek zum Geschenk machte. Von der Bedeutung, welche der xA.bsatz in Amerika für das deutsche Druckgewerbe hat, kann als Beispiel dienen, dass allein Steiger von der „Gartenlaube" 12000, von der „Illustrirten Zeitung" 3800, von „Über Land und Meer" 4000, von der „Romanzeitung" 3500, von „Daheim" 3000 und vom „Bazar" 2500 Exemplare im Jahre 1871 verbreitete. Auch im Westen und Süden der Vereinigten Staaten entstanden deutsche Buchhandlungen, so Theobald & Theuerkauf in Cincinnati, L. C. Witter in St. Louis.

Jetzt, wo die deutschen Klassiker zu fabelhaft billigen Preisen aus Deutschland eingeführt werden können , lohnt der Nachdruck Der Nachdruck. derselben nicht mehr und dieser beschränkt sich fast nur auf Benutzung der Erzeugnisse neuerer Belletristen für die Feuilletons. Konkurrenz und Sitte haben jedoch zur Folge gehabt, dass jetzt hierfür öfters Honorare gezahlt werden. Es ist vieles über den Nachteil und das Unmoralische des amerikanischen Nachdrucks geschrieben worden, jedoch alle mit den dortigen Verhältnissen näher bekannten Sachverständigen sind der Ansicht, dass „seiner- zeit" der Nachdruck eine nötige Stütze des deutschen Elements und ein Mittel für die jetzige Verbreitung deutscher Originaldrucke

I36 DIE ANGLO- AMERIKANISCHE GRUPPE. IV. KAP.

war. „Es ist", so sagt z. B. Friedrich Kapp, „eine mehr als naive Erwartung, dass eine Bevölkerung, die von der Heimat geschieden ist, noch jenseit des Ozeans Gesetze beobachten soll, welche den Bildungsinteressen der Ausgewanderten hemmend in den Weg treten. Sich hier dem Monopole deutscher Buchhändler unterwerfen, hiesse, die Mittel der geistigen Fortbildung und Entwickelung mut- willig von sich schleudern." Als der deutsche Buchhandel in Amerika infolge der Bildungslust festen Fuss gewann und die Bücher gleich zu haben waren, kaufte man lieber die schöneren und korrekteren Originalausgaben als die Nachdrucke, die vor allem der Ungeneigt- heit deutscher Verleger, billige Ausgaben für den amerikanischen Markt zu drucken und der Unmöglichkeit, die Originale schnell zu erhalten, ihr Dasein verdankten.

Dass unter den geschilderten Druckverhältnissen der Papier- Die Papierfabri- verbrauch ein kolossaler sein muss, leuchtet ein. Die Fabrikation1 reicht bis auf das Jahr 1680 hinauf. Die eigentlichen Fortschritte datieren jedoch erst aus diesem Jahrhundert. Zur Verwendung kommt fast nur Baumwolle. 1 860 hatte Amerika etwa 700 Fabriken, welche gegen 300 Millionen Pfund zu einem Werte von etwa 200 Millionen Mark produzierten. Die Zahl der Fabriken beträgt jetzt über 1000. Während im Jahre 1869 der Wert der Einfuhr 527465 Dollars, der der Ausfuhr nur 3777 Dollars betrug, hat sich das Blatt in zehn Jahren vollständig gewendet und Amerika führte 1880 für 1 018 318 Dollars aus und nur für 135 487 Dollars ein.

Die Einfuhr aller zum Pressgewerbe gehörenden Materialien und Maschinen ist überhaupt eine durch die Zölle so schwer belastete, dass sie nicht von Belang sein kann, während sich die Ausfuhr nach Europa sowohl als auch nach Asien und Australien in einer Weise vermehrt, welche der englischen Konkurrenz Bedenken einflösst. Der Wert der nach Amerika eingeführten deutschen Bücher und Kunstsachen beträgt etwa vier Millionen Mark jährlich.

1 Directory of the paper manu/aäures in the United States and Canada. 6. Aufl. New -York 1880.

ZWEITES BUCH 9

DIE ROMANISCHE GRUPPE

EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH.

IE Romanische Gruppe, an deren Spitze Frank- reich, hat, wie die Anglo - Amerikanische , vor der Germanischen den grossen Vorsprung der einheit- lichen Druckschrift voraus. Hat dieser Umstand auch mitunter eine gewisse Monotonie in seinem Gefolge, so wirkt die Einfachheit und die Ruhe, die über die Druckwerke verbreitet ist, doch ungemein wohlthuend und gewährt in dem praktischen Geschäftsbetrieb und in der Ausbildung eines festen Geschmackes grosse Vorteile.

Trotz aller Beweglichkeit des französischen Charakters und dem ewigen Wechsel der in Frankreich geschaffenen Moden hat seine Typographie einen weit konservativeren Charakter als die deutsche. Der durch die National-Druckerei und die Didots hervor- gerufene Typenduktus ist noch immer und mit Recht der herrschende geblieben. Namentlich haben die Didotschen Schriften von ihrem ersten Auftreten ab durch die strenge, jedoch anmutige Zeichnung, den regelmässigen und scharfen Schnitt, die bewundernswürdig berechnete Zurichtung in der Weite ihr Übergewicht behauptet.

Zwar hat das Streben nach vorwärts und der berechtigte Wunsch eines jeden befähigten Schriftschneiders und Schriftgiessers,

I4O EINFUHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH.

den Reichtum zu vermehren, eine Anzahl von Varianten zur Folge gehabt; von allen diesen, bald mehr, bald weniger glücklichen Neuerungen kann jedoch keine ihren Ursprung verleugnen und der ältere Duktus ist geblieben. Die erwähnten zwei Druckereien, des Staates und der Didots, sind in der That für das Druckgewerbe dermassen bestimmend gewesen , wie ähnliches in keinem anderen Lande in der neueren Periode der Druckkunst vorkommt, aus- genommen allenfalls in Österreich, wo die Herrschaft der Staats- druckerei zwar eine mächtige, jedoch nicht langdauernde war.

Neben der Einheitlichkeit der Schrift war für die französische Typographie auch die Einheitlichkeit des Schriftsystems ein förderndes Moment, deren Wichtigkeit kein Fachmann, der unter der Systemlosigkeit in Deutschland gelitten hat, unterschätzen wird.

Schliesslich ist die Betreibung von Spezialitäten sowohl in der Schriftgiesserei wie in der Typographie ein gewaltiger geschäftlicher Vorsprung der Franzosen. Diese Teilung der Arbeit geht in der Schriftgiesserei so weit, dass es Geschäfte in Paris giebt, die sich nur mit Giessen von Ausschluss und Durchschuss abgeben. Auch verlangt man dort nicht, wie in Deutschland, dass jeder Buchdrucker Virtuos in allen Branchen sein solle, auch nicht, dass jede Druckerei auf alle Arbeiten gleichmässig eingerichtet sei , auch ist keine Rede von dem Erschwernis einer deutschen Buchdruckerei, dass sie in zweierlei Schriftarten gleichmässig gut assortiert sein müsse.

Das gesagte gilt ebenso für die Buchbinderei. Nicht nur, dass die verschiedenen Arten des Einbandes selten in einer und derselben Offizin geübt werden; es ist nicht einmal üblich, alle zu einer Art von Einband gehörenden Arbeiten in einer Werkstätte zu vollbringen, sondern es giebt besondere Schnittvergolder, Hand- vergolder, Marmorierer etc. , denen man die Einzelarbeiten zuweist.

Unter solchen Arbeitsverhältnissen ist es selbstverständlich viel leichter, in Frankreich in einem einzelnen Zweig Virtuos zu werden und praktische Erfolge zu erzielen. Dieses darf nicht übersehen werden , wenn man das Mass der Tüchtigkeit und Intelligenz ver- gleichend beurteilen will, welches in Frankreich und Deutschland in den graphischen Künsten Verwendung findet.

Trotzdem kann Frankreich weder, was Werk- und Accidenz- druck, noch weniger was Zeitungsdruck betrifft, im allgemeinen ein

EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH. I4I

Übergewicht über Deutschland eingeräumt werden. Es wird im Gegenteil vieles dort so schlecht gedruckt, wie es in Deutschland nicht geschieht, man möchte fast sagen, nicht mehr geschehen kann. Eine Überlegenheit zeigt die französische Typographie erst dann, wenn es sich um die Verbindung von Geschmack, Eleganz und Geschick zur Herstellung von etwas wirklich Hervorragendem handelt. Da fehlt es eben an nichts, dann arbeiten sich alle Beteiligten der verschiedenen graphischen Gewerbe einmütig in die Hände, ohne Jalousie und ohne die Prätensionen des Virtuosentums, das sich auf Kosten der Gesamtwirkung hervorzuthun strebt. „Alle Mitwirkende fühlen sich dann als Glieder einer Kette, wie sie auch wirklich in dem Cercle de la Librairie zu einer solchen vereinigt sind. Gerade in dieser Vereinigung „Aller", durch welche sich „Jeder" als Teil des Ganzen fühlt, aber auch „nur als Teil", über dem das Ganze steht, liegt sicherlich ein wesentlicher Grund zu den Erfolgen, welche der Buchhandel und die Typographie Frankreichs erzielen, sobald sie geschlossen auftreten1."

Noch ein, und zwar ein sehr wesentlicher Faktor wirkt zu- gunsten der französischen Buchdrucker und Buchhändler mit: „das Publikum". Ob die „Bildung" und „die Leselust" in Deutschland nicht grösser sind, als in Frankreich, mag hier unerörtert bleiben, unzweifelhaft ist es jedoch, dass die „Kauflust" und die „Kauf- fähigkeit" in dem letzteren Lande überwiegen. Hierdurch wird die Herstellung der schönsten Ausgaben zu verhältnismässig sehr billigen Preisen, welche sehr grosse Auflagen voraussetzen, möglich. Schliesslich kommt auch die grosse Konzentration der wissenschaft- lichen und technischen Kapazitäten in Paris dem dortigen und damit fast dem ganzen französischen Buchgewerbe ausserordentlich zustatten.

1 Die obigen Worte sind der von dem Verfasser dieses Handbuches als Mitglied der Internationalen Jury für die Gruppe xu der Wiener Ausstellung, im Jahre 1873 und Berichterstatter derselben abgefasstenMolivierung des Antrages der Jury entnommen: dem Cercle de la Librairie die goldene Ehrenmedaille zu erteilen. Überhaupt kommen in dem Versuch der Charakterisierung der modernen Typo- graphie in den verschiedenen Gruppen öfters Anführungen vor aus der im Auftrag der Kaiserlich Deutschen Ausstellungs-Kommission abgefassten Schrift: „Die graphischen Künste auf der Weltausstellung zu Wien. Offizieller Bericht von Carl B. Lorck. Braunschweig 1874". Diese Entlehnung aus eigener Arbeit wird wohl niemand als Plagiat betrachten.

142 EINFUHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH.

Wie die französische Typographie mitten zwischen der eng- lischen und der deutschen steht und in ihren besten Erzeugnissen in gewisser Beziehung die guten Eigenschaften beider vereinigt, so auch die Xylographie. Der französische Holzschneider ist im allgemeinen weniger ängstlich in der Wahrung der Eigentümlich- keiten des Zeichners als der deutsche, andererseits nicht so unge- bunden in der technischen Behandlung wie der englische und zeigt fast immer Grazie und Anmut in der Behandlung. Er ist bestimmter in der Umgrenzung als der englische, zarter in den Formen als der deutsche. Aber oft geht doch dem französischen Holzschneider die frappierende Wirkung über die innerliche Wahrheit und die ruhige Kraft.

Was den „Druck" der Illustrationswerke betrifft, so kann der deutsche sich vollständig mit dem französischen messen, doch lässt es sich nicht leugnen, dass die französischen Prachtwerke trotzdem in der Regel einen vornehmeren und harmonischeren Gesamt- eindruck hervorbringen ; die Ursache liegt in dem schon oben Angedeuteten.

Im Accidenzfache haben die Franzosen seit ihrem weltberühmten Derriey keine Fortschritte gemacht. Sie legen überhaupt nicht auf die minutiöseste Ausführung der Accidenzen so viel Gewicht wie die Deutschen, die eher geneigt sind, des Guten zu viel zu thun.

In der Erfindung von Druckmaschinen umwälzender Art haben die Franzosen keine hervorragenden Verdienste. Dagegen ver- standen sie es vortrefflich, mit der ihnen angeborenen Findigkeit und unter Berücksichtigung ihrer besonderen Bedürfnisse , das Dar- gebrachte in geschicktester Weise zu verbessern, für den Betrieb nützlicher, für das Ansehen wohlgefälliger und in der Anschaffung billiger herzustellen. Von ausländischen Maschinen wurden nur wenige in Frankreich eingeführt und die Fabrikation deckte nicht nur den heimischen Bedarf, sondern versorgte auch fast den ganzen ausserdeutschen Kontinent, bis es Deutschland gelang, mit in die Konkurrenz zu treten.

Der Vorwurf, der öfters den französischen Maschinenbauern gemacht wird, dass sie die Eleganz auf Kosten der Solidität fördern, dürfte in der Allgemeinheit nicht richtig sein. Man geht in Frank- reich von dem Grundsatz aus, dass die gewerblich -technischen

EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH. 143

Fortschritte in zehn Jahren bereits so enorm sein werden, dass man klüger thut, billige Maschinen zu bauen, um ohne zu grosse Kosten schneller neue Anschaffungen machen zu können, als mit für die Ewigkeit gebauten Maschinen festzusitzen. Die Billigkeit wird übrigens auch dadurch gefördert, dass man fast ausschliesslich dem Prinzip der Tischfärbung und der Eisenbahnbewegung statt der kostspieligen Cylinderfärbung und Kreisbewegung huldigt z.

Bezeichnend ist in Frankreich der grosse Einfluss, welchen die Regierung in doppelter Richtung, teils in fördernder, teils in hemmender Weise, übte. Was sie mit der einen Hand gab, nahm sie mit der andern. Alle Regierungen dort unterstützten die Fortschritte der „Typographie" in ihrer Unmündigkeitsperiode, suchten jedoch die vormundschaftliche Autorität über diese hinaus auszudehnen, und hemmten von Beginn ab die ruhige und freie Entwicklung der „Presse". Hierin bildete Frankreich einen vollständigen Kontrast zu England, wo Typographie und Presse, sich selbst überlassen, eine mächtige Entwicklung nahmen, und teilweise zu Deutschland, wo man die fördernde Teilnahme von oben nie, um so öfter jedoch die hemmende, kennen lernte.

Die Dependenzen der französischen Typographie stehen dieser nicht gleich.

BELGIEN liefert zwar manches gute, jedoch nicht viel hervor- ragendes. Es giebt sich in seiner Typographie eine gewisse Schwer- fälligkeit kund. Die Schrift ist zwar französisch, aber die leichte Eleganz der besseren französischen Presserzeugnisse wird selten erreicht. Das Material ist das gleiche, aber die in der Ausführung damit hervorgebrachte Wirkung eine andere.

In Italien, Spanien und Portugal stehen die Leistungen im ganzen genommen auf einer und derselben Stufe, der des Mittel-

1 Nachdem dieser Abschnitt bereits gesetzt war, geht uns ein Artikel des bekannten Fachjournals JU Imprimerie zu, in welchem einer der tüchtigsten Typo- graphen Frankreichs, Motte'roz, nicht allein das obengesagte zugiebl, sondern noch viel weiter geht und eine Überlegenheit Deutschlands nicht nur in der Typographie und der Schriftgiesserei, sondern auch in der Xylographie und der Papierfabrikation anerkennt und für die Franzosen .nur den Vorzug in der Maschinenfabrikation beansprucht. Im Gegensatz zu einer öfters vorkommenden Überhebung seiner Landsleute -scheint Motteroz fast in eine Kleinmütigkeit zu verfallen, die doch wohl zu weit geht, wenn erschliesst: „Noch wäre es vielleicht Zeit, sich aufzuraffen, besitzen wir aber hierzu die nötige geistige Kraft?"

144 EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH.

guten, mitunter auch des Mittelmässigen. In Bezug auf die Erzeug- nisse der Schriftgiesserei und des Pressenbaues befinden sich die genannten Länder fast vollständig im Abhängigkeitsverhältnis zu Frankreich. Erst in neuester Zeit hat Deutschland hie und da mit zu konkurrieren begonnen. Politische Verhältnisse, fortwährende Unruhen und Fremdherrschaft in stetem Wechsel haben eine freie Entwicklung auf lange Zeit gehemmt. Es werden aber jetzt ernste Anstrengungen gemacht, um lange Versäumtes nachzuholen.

Der ORIENT steht zu Frankreich fast in demselben Verhältnis, wie Ostasien zu England und wie die slawischen und Donauländer zu Deutschland-Österreich. NORDAFRIKA unterliegt selbstverständlich ganz Frankreichs Einfluss. Die TÜRKEI und ÄGYPTEN liefern einiges gute, doch darf dies weniger als nationale Leistung betrachtet werden, denn die Hersteller sind meistenteils Franzosen, die mit französischem Material arbeiten.

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V. KAPITEL.

DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE MASCHINEN

IN FRANKREICH.

Die Schriftgiesserei: Das Schriftsystem Didots, seine Anglaise, Mole. Orientalia. Notendruck, E. Duverger, Charles Derriey und das typographische Ornament. Holzschnitt und Hochätzung. Die Stereotypie: Daule, Gaveaux, Jannin. Die Maschinen: Marinoni, Alauzet, Dutartre u. a. Die Utensilien. Farbe. Papierfabrikation. Die Buchbindekunst.

OURNIER le jeune hatte mit seinen Bemühungen für die Einführung einer gleichmässigen Einteilung der Schriftgrössen (I, S. 214) kein rechtes Glück gehabt. Erst Ambroise Francois Didot war es beschieden, ein von Fourniers Grundsätzen etwas abweichendes System zur rechten Geltung zu bringen, und hiermit nicht der Typo- graphie seines Vaterlandes allein einen unermesslichen Dienst zu erweisen, dessen Wert allerdings dem Nichtfachmann weniger als die äussere Schönheit seiner Typen und seiner Drucke oder der innere Gehalt seiner Verlagswerke in die Augen springt.

In seiner Einteilung ging Didot von dem damals in Frankreich geltenden Massstab, dem Picd du Roi, aus. Eine Linie desselben teilte er in sechs typographische Punkte und bestimmte nach solchen die regelmässige Abstufung der Schriftgrade. Hieraus erwuchs indes eine Differenz mit dem Fournierschen System, indem 11 Didotsche Punkte gleich 12 Fournierschen sind.

I46 DIE ROMANISCHE GRUPPE. V. KAP.

Sicherlich stände das Didotsche System widerspruchslos da, hätte nicht das erst später in Frankreich und anderen Ländern gesetzlich eingeführte, wissenschaftlich allein stichhaltige Metermass mit Dezimaleinteilung wieder einen Riss hineingebracht, indem das Didotsche System sich nicht vollständig rationell auf das neue Mass übertragen lässt. Die Frage des einheitlichen Welt- Schriftkegels kann demnach erst in der Zukunft ihre volle Lösung finden1.

Eine Didotsche Erfindung ist ebenfalls die berühmte Schreib- Didotsche schrift Anglaise. Die bisherigen Schreibschriften waren eigentlich

nur Cursivschriften ; jeder Buchstabe stand für sich, ohne Verbindung

mit seinen Nachbarbuchstaben. Didot führte die der Schriftlage folgende schräge Typenbildung ein, welche die Verbindung der Schriftzüge unter einander erleichterte. Um die vollständige Freiheit der mit der Hand hergestellten Schrift zu erreichen, waren jedoch grosse technische Schwierigkeiten zu überwinden. Jenachdem ein Buchstabe zu Anfang, zu Ende oder in der Mitte eines Wortes stand, oder die Nachbarbuchstaben herauf- oder heruntergehende waren u. dergl., war eine Variation der Verbindungsstriche und somit eine grosse Vermehrung der Typen notwendig. Manche derselben enthielten nicht einmal einen vollständigen Buchstaben, sondern dieser musste aus mehreren Teilen zusammengesetzt werden. Hierin und in der Wahl der richtigen Ansätze liegen die Schwierig- keiten und nicht jeder Setzer wird diese zu überwinden verstehen. Ausserdem erfordert der Druck infolge der Zartheit der Haarstriche eine ganz besondere Aufmerksamkeit, denn die schöne und 'teure Schrift kann durch Ungeschicktheit des Druckers schon bei dem erstmaligen Gebrauch verdorben werden. Damit die schrägen Typenstücke fester an einander schliessen, sind sie an der einen Seite mit einer halbrunden Vertiefung, auf der andern mit einer ebensolchen Erhöhung versehen, die in einander greifen. Dreiseitige Schlussstücke stellen die für die Festigkeit der sonst schrägstehenden Zeile notwendige rechtseitige Gestalt her.

Einer der bedeutendsten Schriftgiesser Frankreichs war Joseph

Joseph Moie. Mole. Bereits als Kind befasste er sich mit Gravieren und als

Achtzehnjähriger hatte er schon manchen Stempel geliefert.

1 IL SMAXIAN, Praktisches Handbuch für Buchdrucker im Verkehr mit Schriftgiessereien. 2. Auf1. Leipzig 1877.

V. KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE MASCHINEN. 147

Während seines geschäftlichen Wirkens schnitt er eigenhändig über 200 komplette Schriften. Ihm verdankt man auch die Einführung der so praktischen Hohlstege.

Auf fremdländische resp. orientalische Schriften wurde im ganzen genommen von den Schriftgiessereien und Buchdruckereien orientalische nicht grosses Gewicht gelegt. Eine Ausnahme machte jedoch die, " Schrift. während eines Jahrhunderts siebzehnmal den Namen wechselnde, jedoch ihrem Charakter treu bleibende Staatsdruckerei. Mit besonderer Vorliebe und grosser Ausdauer wurden dort nicht weniger als sechs Versuche gemacht, den Chimborasso der Typo- graphie, die Herstellung chinesischer Schrift, zu überschreiten.

Die erste, für Fourmonts Grammatik benutzte Schrift hatte ein vollständig barbarisches Aussehen. Auch die 14000 Typen für Desguignes Lexikon waren noch viel zu gross und hässlich. Spätere 1 2 000 Typen von Deshauterais wurden nie benutzt. Remusat Hess 2000 Zeichen schneiden, deren er sich für seine Grammatik bediente. Die von M. H. Klaproth veranlassten Typen machten grosse Ansprüche, elegant zu sein, es wurden mit denselben jedoch nur wenige Seiten gesetzt. 1 836 machte der Direktor der Staatsdruckerei, Marcellin le Grand, unter Leitung des Orientalisten Pauthier einen neuen Versuch. Als Grundlage diente das Wörterbuch von Kanghi, welches 43 496 Charaktere enthält, die auf gegen 30000 reduziert und in zwei Klassen geteilt wurden, die der nicht zerlegbaren (3581) und die der zerlegbaren (26 295) Zeichen, welche sich mittels 4267 Stempel herstellen Hessen \

In dem Lande der Franzosen, die nicht in dem Grade ein singendes und spielendes Volk sind, wie die Deutschen, war auch Der Notendruck, die typographische Herstellung von Noten nicht von der Wichtigkeit, wie in Deutschland; doch hatten, abgesehen von den älteren Ver- suchen, Fournier le jeüne und Gando Noten geliefert, die freilich Fournier und keinen Anspruch auf Originalität machen konnten (s. Kap. XII). Die Genannten bekämpften sich gegenseitig; Gando warf Fournier vor, er habe Breitkopfs Noten kopiert; Fournier behauptete, Gando hätte überhaupt keinen Stempel schneiden können, also auch keine Noten.

1 Über die französische Schriftgiesserei vergleiche noch die Abschnitte ,Didol': und „Staatsdruckerei".

I48 DIE ROMANISCHE GRUPPE. V. KAP.

Der Wunsch, den Übelstand der Breitkopfschen Noten: dass die Linienstücke an jeder Note hängen, also trotz des vorzüglichsten Gusses die Sichtbarkeit der Zusammenfügungen kaum zu vermeiden ist, musste zu Versuchen führen, Linien und Noten unabhängig von einander herzustellen. Doppelter Druck, der der Linien für sich und der der Noten für sich, ist jetzt noch, war aber namentlich mit den damaligen Druckapparaten ein schwieriges Unternehmen und der Satz der Noten allein ohne System auch ein sehr beschwerlicher. Duvergers Eugen Duverger suchte diese Übelstände zu überwinden. Mussten

und Derrieys

Systeme. die Noten auch bei seiner Methode für sich gesetzt werden, so war der Satz doch durch ganz zarte Andeutungen der Linien erleichtert, welche an die Type angegossen waren und als Richt- schnur bei dem Setzen dienten. Über den Notensatz wurde eine Gipsmater geformt und in diese das Liniensystem mittels einer Maschien durch kleine Rollmesser hineingeschnitten. Da die System- linien kräftiger waren als die an den Typen befindlichen schwachen Linienandeutungen, so wurden letztere durch erstere vollständig gedeckt. Um die Zahl der notwendigen 417 Stempel in der Praxis zu vermindern, wurden erst die komplizierteren geschnitten und von diesen die Matern angefertigt, dann durch Wegschneiden einzelner Teile die einfacheren Stempel gebildet. Aus diesem Verfahren erwuchs jedoch der Nachteil, dass man sofort von den komplizierteren Stempeln so viele Matern abschlagen musste, als man überhaupt für alle Zukunft haben wollte. Die Schleifungen wurden durch schwache Kupferblättchen erzielt, deren Anfang in den Typensatz eingelassen wurde, während der übrige Teil sich nach Belieben biegen und abschneiden Hess1. Duverger stellte auch Karten her durch ein System kleiner Kupferlinien, welche in eine Bleiplatte eingefügt wurden, ebenso wurde es mit den Schriften gehalten.

Derrieys Notensatz bestand in einem System aus fünf ganzen Messinglinien, an deren oberen und unteren Seiten die aus zwei Teilen bestehenden Notenköpfe angesetzt wurden. Die Köpfe waren so unterschnitten, dass der Anschluss an die Linie ein voll- kommener war. So sinnreich auch sowohl seine als Duvergers Methode waren, so springt es doch dem Fachmann leicht in die

1 E. Duverger, Album typographique. Paris 1840. Ein Prachtwerk, welches Duverger anlässlich der Jubelfeier erscheinen Hess.

V. KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE MASCHINEN. I49

Augen, dass für die Praxis mancher Mangel mit beiden, mit der Derrieyschen noch der besondere Übelstand der Verwendung von Messinglinien zusammen mit Noten von Schriftzeug, verbunden war.

Die Anwendung der Pyrostereotypie (Planotypie, vgl. Kap. IX) wurde in Frankreich von Wals eingeführt und von Pyrostereotypie. Carbonnier verbessert; zuerst war sie 1840 in Irland benutzt worden.

Was die Erzeugnisse der Schriftgiesserei für dekorative Zwecke anbelangt, hat Frankreich einen bis jetzt nicht übertroffenen Meister Ornamente und

. Einfassungen.

in dem erwähnten Charles Derriey aufzuweisen. Sein Schicksal

entschied sich nicht schnell. In einem Alter von 18 Jahren verliess Charles Derriey

* 17. Aug. 1S08,

er die Offizin Gauthier in Besangon, wo er sich etwas mit allem, t «. Febr. i877. was zur graphischen Kunst gehört, beschäftigt hatte. Er trat nun in das Haus Didot ein, wo er nacheinander als Setzer, Drucker, Stereotypeur, Schriftgiesser und Zeichner arbeitete und schliesslich in seinem 27. Jahre die Gravierkunst lernte. Da er mit angeborenem Kunstsinn und ernster Willenskraft viele praktische Kenntnisse ver- band, trug er kein Bedenken, sich selbständig zu machen. Wollte man ihm von Stufe zu Stufe in seinem Schaffen folgen, so müsste man sein berühmtes Probebuch1, einen Folianten von gegen 200 grösstenteils in Farben und Gold ausgeführten Seiten, Blatt für Blatt beschreiben. Vignetten, verzierte Schriften, Züge, Eckstücke, Linien, Einfassungen u. dgl. finden sich darin in grosser Vollkommen- heit und reicher Abwechselung. Seine Phantasie-Einfassungen über- treffen durch Neuheit, Eleganz, Genialität, Akkuratesse der Arbeit und ihre endlosen Kombinationen alles Dagewesene. Derriey mutet der Schriftgiesserei und der Typographie nicht wenig zu, kennt jedoch genau die Grenze, bis wohin er sie führen darf. Er zeichnete und schnitt nicht allein, sondern setzte und kombinierte in der geschicktesten Weise. Jedes Stück steht an seinem rechten Platz; Licht und Schatten versteht er meisterhaft in effektvollster Weise wechseln zu lassen.

Auch als Mechaniker hatte Derriey grosse Bedeutung. Seine Giess- und Linieninstrumente sind Erfindungen von hohem Werte. Ein kleines Wunderwerk bleibt namentlich seine Numeriermaschine für Banknoten.

1 J. C. Derriey, Splcimen Album. Fol. Paris 1862.

I 50 DIE ROMANISCHE GRUPPE. V. KAP.

Derrieys Erzeugnisse fanden nicht weniger Anerkennung im Auslande als in seinem Vaterlande. Leider muss hinzugefügt werden, .dass er durch galvanische Nachbildungen in arger Weise um die Vorteile seines geistigen Eigentums gebracht wurde. Seine Giesserei mit allem Zubehör ging nach seinem Tode auf A. Turlot (Gebr. Virey) über.

In Derrieys Atelier arbeiteten auch zwei der berühmtesten Kunstsetzer in Paris Sixte Albert und L. Moulinet. Beide lieferten im Figuren- und Porträtsatz mittels Linienstücke Unglaubliches; Albert eine viel angestaunte Laokoon- Gruppe, Moulinet (f 1874) einen Beranger in ganzer Figur und eine Amor und Psyche- Gruppe.

Von anderen Künstlern in der Richtung der ornamentierenden Dechamps und Schriftgiesserei sind zu nennen Dechamps und der sehr fruchtbare Petibon, der die Kaleidoskop - Einfassungen einführte, die zwar sehr hübsch waren, jedoch zumeist für den Buchdrucker ein totes Kapital blieben, weil die Setzer das Material nicht zu behandeln verstanden. Laurent & Laurent & Deberny lieferten schöne Züge, Initialen und Plakat- schriften. Ihre Poly typen beliefen sich auf mehr als 6000, mit denen sie alle Länder der Romanischen Gruppe reich versorgten. Fondene genh-aie Eine bedeutende Anstalt entstand unter der Y'vcm&Fonderie generale

u. a.

Laboulaye & Co., später Rene & Co., aus der Vereinigung der Firmen Didot, Mole, Crosmer, Everat, Tarbe & Co., welche letztere sich durch ihre systematischen Hohlstege und Stereotyp- Unterlagen bekannt gemacht haben. Auch Lombardot, Batenberg & Majeur lieferten viele Einfassungen, sowie Phantasie- und Titel- schriften. Renault & Robcis zeichneten sich in der Spezialität der Messinglinien, der Hohlstege und des Durchschusses aus. In neuester Zeit machte sich Henry J. Tucker, Filiale der Londoner Giesserei Caslon, sowohl durch die Leistungen des von ihm vertretenen Instituts, als durch die vorzüglich geleitete Fachzeitschrift Typologie- Tucker einen Namen.

Um das Jahr 1 840 führte Colson eine Zeugmischung von Eisen Metaiiverbesse- und Schriftmetall ein, welche die Haltbarkeit des gewöhnlichen Zeuges verdreifachte. Die", Versuche Petyts, Typen aus Kupfer- stangen durch Pressung in eine Stahlmater zu erzielen, erreichten ebensowenig ein praktisches Resultat, wie Cardons Erfindung, ein kupfernes Buchstabenbild auf einen Typenstiel von Schriftmetall

V. KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE MASCHINEN. I 5 I

anzubringen. Die Herstellung der Typen aus Glas blieb ebenfalls ohne wirkliche Erfolge.

Verdankte man auch die erste praktische Methode der Schrift- stereotypie und der Anfertigung von Cliches England, so hatten die Die Stereotypie. Franzosen sich doch schon lange mit der STEREOTYPIE beschäftigt x und durch ihre späteren Verfahren das Stanhopesche überflügelt; ja es scheint fast, als wären sie auf dem Wege, selbst die Verwendung der Jacobischen Galvanoplastik für die Typographie durch die Celluloi'd- Cliches zu verdrängen.

Bereits vor Beginn des XVIII. Jahrhunderts lieferte ein Pariser Gelehrter und Buchdrucker Gabr. Valleyre einen Kalender in Gabr. vaiieyre. Messingplatten, die in Matern aus Thon oder diesem ähnlicher Masse gegossen waren. Da aber diese Matrizen nicht vollständig gleich- massig vertieft und die Platten ausserdem auf der Rückseite nicht ganz glatt waren, so fiel der Druck nicht gleichmässig aus.

Der Akademiker Darcet hatte 1773 seine Erfahrungen über das Legieren leicht schmelzbarer Metalle veröffentlicht. Ein Elsasser rgn. Hoffmann. Franz Ignaz Joseph Hoffmann wurde wahrscheinlich hierdurch ver- anlasst, Matern aus fetter, mit Gips vermischter Erde, welcher Syrup und Kleister zugesetzt wurden, zu bilden und diese in erhitztem Zustande in eine Legierung von Wismuth, Blei und Zinn in dem Augenblick der Erstarrung der Metalle einzudrücken. Die so erhaltene Platte wurde auf Nussbaumholz mit feinen Nägeln fest- gemacht.

Mit solchen Platten druckte Hoffmann 1787 ein dreibändiges Werk Recherches liistoriqucs sur les Maures par de Chemin pere. Hoffmann musste seine Druckerei in andere Hände geben und ersann nun ein anderes Verfahren. Er Hess 360 Stempel, teils einzelne Buchstaben, teils Logotypen, anfertigen. Durch mecha- nische Vorrichtungen wurden diese Stempel senkrecht in die oben beschriebene Metallmasse gesenkt. Die gewonnene Matrize ward in einer Presse, wie ein Petschaft in der Stempelpresse, angebracht und durch einen Balancier in die dem Erstarren nahe Schriftmasse mit einem kräftigen Schlage eingetrieben. Von einer praktischen

1 A.G.Camus, Memoire siir ,V fast, etc. du polytypage et de la Stereotypie. Paris 1802. de Porvy, Pricis sur la st&rhtypie. Paris 1S22. H. Meyer, Handbuch der Stereotypie. Braunschweig 1S3S.

152 DIE ROMANISCHE GRUPPE. V.KAP.

Verwendung dieses aus vielen Gründen unzweckmässigen Verfahrens verlautet nichts. Ebensowenig wie von Hoffmanns Logotypen, für welche er 1792 ein Patent für 15 Jahre erhielt.

Hoffmanns erste Proben hatten viele Nachahmungen hervor- j. Carez. gerufen, unter denen die von Joseph Carez, Buchdrucker in Toul, besondere Beachtung verdienen. Seine Matrizen litten aber sehr durch die Hitze und das Zusammenbacken mit der Schrift. Bei einem befreundeten Münzsammler hatte er jedoch gesehen, wie dieser durch einen kurzen trockenen Schlag Abdrücke in Zinn von seinen Münzen nahm. Carez bediente sich nunmehr eines Fallklotzes, um eine Schriftseite in die halbflüssige Masse einzuprägen und so eine brauchbare Mater zu erhalten. 1786 lieferte er ein Kirchen- gesangbuch in zwei Grossoktav-Bänden, jeder von 1000 Seiten, in dieser Weise hergestellt und später viele Werke, darunter eine Nonpareille-Bibel.

Als der Assignatendruck eine rasche Vervielfältigung der Gengembre und kleinen Platten notwendig machte, um viele solche auf einmal drucken zu können, verbesserten Gengembre und Heran das Ver- fahren mit dem Fallklotz, welcher in Fugen vertikal und parallel stehender Säulen, wie in einem Rammbocke, eingelassen wurde. Die Tischplatte, auf welcher der Behälter mit der Schriftmasse stand, übte durch starke Federn einen elastischen Gegendruck aus und man erhielt in dieser Weise Platten in scharfer Prägung, deren Rückseiten durch Hobeln egalisiert wurden.

Die von Didot 1795 herausgegebenen Logarithmen werden Peter Didot und gewöhnlich als Stereotypen bezeichnet, sie sind jedoch nur von zusammengeschmolzenen Schriftkolumnen gedruckt. 1798 ver- einigte sich jedoch Peter Firmin Didot, der auch ein Patent besass, mit Heran j zu dem Zweck, Stereotyp -Ausgaben zu veranstalten, um nicht nur die gedruckten Exemplare, sondern auch die Platten zu verkaufen. Das erste nach ihrem Verfahren hergestellte Buch war ein Virgil in i8mo von etwa 400 Seiten. Ein Exemplar kostete nur 1 5 Sous, eine Platte drei Franken.

Heran wollte noch reformieren und Hess von Stahlstempeln Matrizen in typenförmige Kupferstückchen treiben, die in einem Winkelhaken aufgesetzt wurden. Jedoch musste der Setzer mit dem 1 So schreibt ihn Didot, nicht, wie üblich, Herhan.

V. KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE MASCHINEN. 153

letzten Worte einer Zeile und dem letzten Buchstaben eines Wortes anfangen oder, was etwas leichter war, wie gewöhnlich von links nach rechts setzen und dann den Satz der Zeile Buchstabe für Buchstabe umstellen. Spatien und Quadraten mussten höher sein als die Typen, nicht wie sonst niedriger, weil die Zwischenräume in der Platte tiefer liegen mussten. Schön in der Theorie aussehend, war das Verfahren in der Praxis unzweckmässig und teuer, Korrektur- Abzüge konnten vor dem Guss nicht gemacht werden, so dass alle Änderungen erst in den Platten vorgenommen werden mussten.

Das bis dahin einzig praktische Stereotyp -Verfahren, das Stanhopesche, fand natürlich auch in Frankreich Eingang. Eine Dauie. namentlich für das Giessen von Cliches weit bequemere Methode erfand der Franzose Daule, der nicht die Matrize in die flüssige Schriftmasse versenkte, sondern sie zwischen zwei eiserne Platten mit erhöhten Rändern einlegte, die einen flachen Giesskasten bildeten, in welchen der Zeug mittels des Giesslöffels eingegossen wurde.

Eine sehr grosse Bedeutung gewann die PAPIERSTEREOTYPIE des Setzers Genou. Anfänglich mit Misstrauen empfangen, hat sie Genous Papie

Stereotypie.

sich später besonders für Schriftstereotypie vortrefflich bewährt und ist für die Einführung der Rotationsmaschinen ein unbedingtes Erfordernis geworden.

Die Mater wird aus einer Anzahl von Blättern, teils Seiden-, teils stärkeren Papiers, gebildet, die einzeln, mit einer breiartigen Klebemasse angestrichen, aufeinandergelegt werden, bis sie die Stärke eines festen Kartons erreicht haben. Durch Klopfen mit einer langstieligen Bürste wird die Schriftkolumne in die weiche Papiermasse eingeprägt und die Mater dann unter massigem Druck und bei gelinder Wärme in der Trockenpresse getrocknet. Der Guss geschieht in einem Apparat wie der Daulesche.

Der Vorteil bei diesem Verfahren liegt nicht allein in der Billig- keit und der Leichtigkeit der Herstellung, sondern gründet sich auch darauf, dass eine und dieselbe Mater für den Guss mehrerer Platten benutzt werden kann und dass man die Matern nach dem Guss, oder ohne überhaupt einen solchen vorzunehmen, für den späteren Gebrauch mit Leichtigkeit aufheben kann. Auch ist ein hoher Ausschluss nicht notwendig. Der ganze Apparat ist ein so einfacher,

I 54 DIE ROMANISCHE GRUPPE. V. KAP.

dass selbst eine kleine Druckerei mit Vorteil einen solchen anschaffen kann. In neuester Zeit ist noch ein Verfahren eingeführt, um die Matern rasch und ohne Ofenwärme zu trocknen, was für die Schonung der Schrift, .mehr noch für die der Holzschnitte, von Bedeutung ist.

Von einschneidender Wichtigkeit scheint die Erfindung der jannins CELLULOID - CLICHES zu werden; doch ist die Methode noch zu

C-lluloid-Cliche. . .

neu, um ein bestimmtes Urteil, namentlich über die Tragweite des Nachteils der leichten Entzündbarkeit, dieser Cliches zu fällen.

Der Bildhauer Jannin in Paris war auf den Gedanken gekommen, das Cellulo'id, eine durch chemische Behandlung von Faserstoff hergestellte Masse von ausserordentlicher Härte, ausserdem, nach erfolgter Erwärmung, von grosser Biegsamkeit, ausser zu verschiedenen plastischen Arbeiten zu Cliches für typographische Zwecke zu benutzen.

Um dieses zu können, war es jedoch notwendig, eine ent- sprechende Masse für die Mater zu schaffen, die den bei der Herstellung des Celluloid- Cliches notwendigen Druck unter Erhitzung vertragen konnte. Eine solche Masse wurde in einem aus Blei- glätte und Glycerin bestehenden Knetstoff gefunden. Derselbe wird in halbflüssigem Zustande über den zu clichierenden Gegen- stand sorgsam gestrichen, in derselben Weise, wie der Gips bei der gewöhnlichen Stereotypie, und die Lage bis zu einer Dicke von 3 5 mm verstärkt. Ist die Mater unter einem massigen Druck erhärtet, was bei Holzschnitten in 15—20 Minuten, - bei Metall- Originalen, wo Erwärmung anwendbar ist, in drei bis vier Minuten der Fall ist, kann sie sofort zur Herstellung. eines Cliches verwendet werden, zu welchem Behuf sie in eine hydraulische Presse gelegt und mit einer durch Erwärmung schmiegsam gemachten Celluloid- Platte bedeckt wird. Unter Erhitzung der Presse, der Mater und der Platte bis auf 1 20 ° C. wird ein Druck von 1 20 1 30 Atmosphären ausgeübt, darauf das ganze durch einen Strom von kaltem Wasser abgekühlt. Nach vollständiger Erkaltung der Platte löst sich selbe, ohne vorhergegangene Einreibung des Originals mit Graphit oder Öl, mit Leichtigkeit ab und kann sofort zum Druck aufgenagelt werden. Fehler können, wie bei Stereotyp-Platten, durch Einsetzung eines Pflocks von Celluloid und Nacharbeiten desselben mit dem Stichel

V. KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE MASCHINEN. 155

ausgebessert werden. Da die Platte durch keine Säuren oder Farben- zusammensetzungen angegriffen wird, so ist sie ganz besonders zum Druck von bunten Farben geeignet.

Um den DRUCK FÜR BLINDE machte sich Valentin Haye zuerst verdient. Zu seinen Versuchen wurde er durch den Verkehr v. Haye und der

Blindendruck.

mit einer blinden deutschen Dame, Fräulein von Paradies, veranlasst. Er liess hoch geschnittene scharfe Typen anfertigen, die in die Rückseite eines starken Papiers eingeprägt wurden, so dass für die Finger bemerkbare Erhabenheiten auf der Vorderseite entstanden. Mit verschiedenen Modifikationen fand das Verfahren fast in allen anderen Ländern Eingang1.

Den Versuchen, den Holzschnitt durch andere Illustrations- verfahren zu verdrängen , wurde namentlich in Frankreich Vorschub geleistet. A. Dembour in Metz (1814) stellte durch Ätzung Platten in Kupfer für die Buchdruckerpresse her. Die Zeichnung wurde mittels Pinsels oder Feder auf Metall gemacht und die nicht bezeich- neten Stellen weggeätzt. Dem ähnlich ist die Acrographie.

Grosse Bedeutung hat die Zinkhochätzung. Dieses Verfahren ist in Frankreich ein sehr beliebtes geworden, weil ganz besonders Zinkhochätzung, für die leichten Skizzen geeignet, mit welcher die vielen Witz-, leider auch vielen Schmutzblätter illustriert werden, zu welchen früher die lithographischen Kreide- und Federzeichnungen verwendet wurden. Doch auch in der ernsten Zeitungspresse fand die Methode Eingang, und es werden oft Blätter geliefert, die nichts zu wünschen übrig lassen. Eine grosse Virtuosität entwickelte namentlich Firmin Gillot, der 1850 Patent auf sein Verfahren nahm, welches er PäNICONOGRAPHIE, die Franzosen jedoch, welche Gillot als Erfinder der Hochätzung betrachteten, Gillotage nannten. Eine mehr der Chemitypie sich nähernde Methode ist die von Dulos. Er macht die Zeichnung mit lithographischer Kreide auf eine Kupferplatte und lässt diese mit einem schwachen Silberniederschlag überziehen, der nur auf den nicht bezeichneten Stellen haftet. Hierauf wird ein mit Quecksilber vermischtes, leichtflüssiges Metall heiss auf die Platte gegossen. Das Metall verbindet sich fest mit den versilberten Teilen der Platte, während die Zeichnung nun so vertieft liegt, dass man sie als Mater für ein galvanisches Hochdruck-Cliche benutzen kann.

1 Vergl. Kap. 1 und xv.

I 56 DIE ROMANISCHE GRUPPE. V. KAP.

Ein drittes, sehr rasches Verfahren ist das von Comte, welches besonders für die Abbildungen in f Art pour tous verwendet wird. Lehmann & Lourdel und Yves & Barrot u. a. haben es darin weit gebracht.

Ein ganz eigentümliches Verfahren, um, wie der Erfinder Neue Holz- glaubte, Holzschnitte billiger und besser herzustellen als bisher,

schnittmethode.

wendeten Marne & Co. in Tours an.

Bekanntlich sind die Kreuzschraffierungen dem Holzschneider stets ein Dorn im Auge gewesen, denn das Umschneiden einer Linie an allen vier Seiten ist eine zeitraubende und Tüchtigkeit erfordernde, folglich teure Arbeit. Der Erfinder der neuen Methode, Gusman, lässt nun zwei Holzblöcke bezeichnen, auf dem einen alle von rechts nach links gehenden Linien, auf den andern die diese von links nach rechts kreuzenden. Werden diese Platten nach einander auf einem Bogen gedruckt, so zeigt der Abdruck die kompliziertesten Kreuzschraffierungen, die sich an Kühnheit mit denen des Kupfer- stiches messen können. So sagt die Theorie, die Praxis hat aber viel hineinzureden. Abgesehen davon, dass zwei Holzstöcke, zwei Zeichnungen, zwei Schnitte und doppelter Druck notwendig sind, die Ersparnisse also mehr als problematisch werden, so ist die Wirkung im voraus seitens des Zeichners kaum zu berechnen. Die beiden sich kreuzenden Linien vereinigen sich nämlich nicht wie in der Radierung, sondern die eine Lage liegt sichtbar „über" der andern und bringt dadurch oft eine falsche Wirkung hervor1. So interessant diese Versuche sind, so verlautet doch von den praktischen Erfolgen nichts.

Das beginnende Fehlen des Buxbaumholzes hat zu vielen Ver- suchen geleitet, dieses zu ersetzen. 1876 nahm Bertin Badoureau ein Patent auf komprimierte Birnbaumplatten. Durch Kochen, Pressen, Gelatinieren wird das Holz unempfindlich für die Einwirkung von Temperatur und Witterung und fast auf die Hälfte des ursprüng- lichen Umfanges reduziert.

Was der Name König & Bauer für Deutschland, ist derjenige Hippolyte Marinonis für Frankreich. Dieser ward in Paris geboren,

H. Marinoni * 1823.

1 Auf einem grossen Blatt: „Die Grablegung Christi" nach Tizian sieht z. 13. das nackte Bein eines der Knieenden ganz so aus, als wäre es mit einem Strumpf bekleidet.

V. KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE MASCHINEN. 157

arbeitete bei Gaveaux und baute später im Verein mit diesem seine ersten Maschinen. Die Pressen, mit welchen Marinoni seinen grössten Ruhm erwarb und mit denen er der Journalistik in Frank- reich einen sehr bedeutenden Vorschub leistete, waren seine Maschinen a Reaction, in welchen im Gegensatz zu den Maschinen a Retiration mit mehreren Cylindern Druck und Widerdruck durch einen und denselben Cylinder geübt wird, indem ihm der das erste mal gedruckte Bogen über Rollen weg nochmals behufs des Widerdrucks zugeführt wird. Der Nachteil bei diesen die Schnellig- keit sehr fördernden Maschinen ist, dass auf dem Cylinder keine Zurichtung stattfinden kann. Während nun möglicherweise der Schöndruck aus einer kompressen Form besteht, bietet der Wider- druck vielleicht eine mit grossen Anzeige-Schriften oder dgl. gefüllte, die eine ganz andere Behandlung im Unterlegen verlangt. Da lässt sich nur durch primitive Unterlegung unter der Schriftform etwas nachhelfen; alles andere muss, wie bei den alten Holzpressen ehe man die Zurichtung im Deckel kannte, durch einen sehr starken, oft zu erneuernden Filzüberzug des Cylinders erzwungen werden. Hiervon rührt zumteil eine Ausführung der französischen Zeitungen her, welche sehr zu ihren Ungunsten nicht allein gegen die der englischen, sondern auch gegen die der deutschen Zeitungen absticht, obwohl letztere nicht gerade stolz auf ihr äusseres Gewand sein dürfen. Jedoch der Billigkeit und der Schnelligkeit wurde genügt; die französischen Abendblätter, welche erst nach Schluss der Börse, um vier Uhr, fertiggestellt werden konnten, wurden schon um fünf Uhr durch ganz Paris verkauft.

Bereits 1 847 hatte Marinoni seine berühmte vierfache Maschine für La Presse , der später die sechsfache folgte, geliefert. Im Jahre 1867 baute er für Le Petit Journal eine Maschine, welche stündlich 3^000 des in mehreren Exemplaren clichierten Blattes fertigstellte, so dass die damalige Auflage von 350000 Exemplaren durch fünf Maschinen in zwei Stunden beschafft werden konnte. Derartige Druckapparate, in Verbindung mit dem verhältnismässig geringen Umfang der französischen Blätter, der typographischen Genügsam- keit des Zeitungspublikums und der Unsicherheit der Presszustände verursachte, dass die mächtigen und kostspieligen Rotationsmaschinen bei weitem nicht die Bedeutung für Frankreich wie für Enoland und

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Amerika hatten. Dass Marinoni jedoch den Bau derselben nicht unterlassen würde, verstand sich von selbst, und er besitzt bereits siebzehn Patente auf solche. Seine Rotationsmaschinen unter- scheiden sich von den anderen hauptsächlich durch die Lage der Satz- und Druckcylinder, die über einander angebracht sind T. Von seinen kleineren Maschinen sind namentlich die Universelle (1850) und die Indispensable (1853) weit verbreitet. Bis zum Jahre 1880 hatte er 6539 Maschinen für typographische Zwecke und 410 Dampf- maschinen gebaut. In Deutschland ist Marinoni bald hoch belobt, bald sehr getadelt worden; Thatsache ist wohl, dass er einer der genialsten Constructeure der Jetztzeit ist.

Als an Tüchtigkeit Marinoni gleichkommend, in Eleganz und p. Aiauzet Nettigkeit selbst in den unwesentlichen Teilen der Arbeit ihn über-

* 15. Juni 1816,

f 22. Jan. 1881. treffend ist Pierre Alauzet zu nennen. In Rodez geboren, war er bis zu seinem achtzehnten Jahre Landarbeiter und kam ohne die geringsten mechanischen Kenntnisse bei dem Pariser Pressenfabrikant Normand in Arbeit. Nach vollendetem Tagewerk besuchte er die Schule und holte das ihm Fehlende so gut nach, dass er sich 1846 etablieren konnte. Bekannt sind namentlich seine Schön- und Widerdruckmaschinen für feine Werk- und Illustrationsarbeiten, die auch in dem Süden Deutschlands Eingang fanden. Dem Abschmutzen des Schöndruckes beim Übergang auf den Wider- druckscylinder wird mittels Durchlassens von Schmutzbogen be- gegnet.

Von seinen 2500 Schnellpressen ist fast nicht eine ganz wie die andere gebaut, da er unermüdlich bestrebt war, Verbesserungen anzubringen. Für die Petite Republique Francaise lieferte er eine Rotationsmaschine für zwei Meter breites Papier, welche stündlich 70 80000 Exemplare des Blattes druckt; mit der für Illustrations- druck bestimmten hat er erst nach vielen Versuchen befriedigende Resultate erzielt.

A. B. Dutartre und andere lieferten Maschinen mit mouvcment

a.b. Dutame varie , deren Druckcylinder während der Zeit, in welcher er den

Druck übt, sich langsamer bewegt und solche, deren Druckcylinder

so langezeit ruht, wie das Fundament gebraucht, um zum zweitenmal

unter dem Farbenwerk hin- und zurückzugehen, damit die Einfärbung

1 Juum. f. B. 187S, Nr. 75. Ann. d. Typ. iv. B. 1873, Nr. 189.

V.KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE MASCHINEN. 1 59

verstärkt werde. Seine Zweifarben- Maschinen gewannen allgemeine Anerkennung.

Für vier Farben bauten Prudon & Co. eine Presse, bei welcher die Formen hinter einander liegen; hierdurch wurde eine Länge von sieben Metern erforderlich, die den Eingang dieser Maschinen hinderte.

Als Verfertiger lithographischer Maschinen erwarb Th. Dupuy

Ruf. Marinoni baute ebenfalls solche, die zugleich für typo- Lithographische

. u. Kupferdruck-

graphischen Druck zu verwenden waren. Sie arbeiteten zwar sehr maschinen.

gut, die Umänderung von einer Druckweise zur andern erforderte

jedoch viel Zeit und diejenigen Offizinen, welche Lithographie mit

Typographie verbanden, waren in der Regel auch in der Lage,

besondere Maschinen für die verschiedenen Zwecke anzuschaffen.

Jules Derriey, der Bruder des genialen Schriftgiessers Charles, erwarb sich Verdienste durch seine Zeitungsmaschinen von sehr einfacher Konstruktion mit Cylinderfärbung nach deutscher Art und baute auch Rotationsmaschinen1. Bekannt sind weiter für Zeitungs- maschinen A. Y. Gaveaux, für einfache Schnellpressen H. Voirin und Maulde & Vibart. Auf Laien machte auf allen Ausstellungen die kleine, sehr niedliche Visitenkartenpresse von G. Leboyer grossen Eindruck2.

Noch sei eine eigentümliche Kupferdruckpresse erwähnt, welche Aug. Godchaux zum Druck seiner kalligraphischen Vorlagen benutzt. Sie ist in der Art der Kattundruckpresse eingerichtet und druckt von endlosem Papier 2 3000 Exemplare. Nach vollzogenem Druck wird der Bogen durch Mechanismus von der Papierrolle abgetrennt. Ein Apparat, gleich dem Messer eines Farbewerks der Schnellpresse, hält die Kupferplatte rein. Für den Druck von Kunst- blättern genügt die Maschine nicht.

Die Schriftgiessmaschine wurde von Baudoin, Laval, Foucher u. a. sehr verbessert. Beifall fanden die Maschinen von Seriere & Bausa, welche mit zwei Giessinstrumenten und zwei Pfannen, die mit Einem Feuer erhitzt werden, versehen und von Einem Arbeiter bedient, täglich gegen 50 000 Buchstaben lieferten.

Von Arbeitserleichterungsmaschinen sind L. Poiriers und L. Legrands Bronciermaschinen, Tolmers Feuchtapparate und i-iüifsmaschinen

r T, n ,- -.t unc' Apparate.

1 Joum. f. B. 1S76, Nr. 24. -> Journ. f. B. 1S7S, Nr. 36 tu 37.

l60 DIE ROMANISCHE GRUPPE. V. KAP.

P. Ragueneaus autographische Pressen beachtenswert. Als Motor ist die Gasmaschine Lenoirs sehr beliebt.

Die allgemeinste Verbreitung und Nachahmung fanden die MECHANISCHEN ScHLIESSSTEGE von Marinoni & Chaudre, die in einfach-praktischer Weise einen vortrefflichen Ersatz der Schrauben- rahmen bildeten. Eiserne Stege, an denen die dem Rahmen zuge- kehrte Seite schräg geformt und gezahnt ist, werden durch kleine, zwischen Steg und Rahmen einzufügende Rädchen , in deren Ein- schnitte die Zähne des Steges eingreifen, mittels eines Schrauben- schlüssels unter sehr geringer Kraftanwendung angezogen und so die Form ganz fest geschlossen. Alcan Levy & Lavater traten mit zerlegbarem Schliessrahmen auf, Valet & Co. in Marseille mit galvanischen Hohlstegen.

Die Anschaffung des Materials erleichterte namentlich das Utensilienlager, grosse Utensilien- Geschäft von J. E. Boieldieu & Fils, denen auch manche Verbesserung zu verdanken ist. Namentlich sind ihre Stereotyp -Apparate vortrefflich. Die von ihnen gebaute grosse Plakatpresse besteht in einem mit Zahnstangen versehenen Funda- ment, in welchem ein Cylinder mit Zähnen, ähnlich wie in den Korrekturpressen, sich bewegt. Das Durchsehen des reichhaltigen illustrierten Katalogs * der Firma belehrt in leichter Weise über die Unterschiede des deutschen und des französischen Materials. Ein zweites sehr umfangreiches Utensilien - Geschäft sind die, durch Fusion der Firmen Ch. Bonnet & Co. aus Genf und Chevalier & Dreyfus in Paris entstandenen Usines Gutenberg.

Die französische Druckfarbe ist in den feineren Qualitäten vorzüglich. Als Fabrikanten stehen obenan Ch. Lorilleux2, denen Le Franc & Co., Prudon & Co., Cauderon & Co. für bunte Farben folgen. Lemercier & Co. liefern vorzügliche lithographische Farben 3.

i Oulilage Typographique Boieldieu. Paris.

2 Ch. Lorilleux sur la Fabricalion des eueres d' Imprimerie. Paris 1867. Lorilleux giebt jährlich einen Abreiss- Kalender mit geschichtlichen oder technischen Notizen heraus. Der Jahrgang 1882 enthält eine typographische Bibliographie der in Frankreich erschienenen Fachwerke. Jänecke & Schneemann in Hannover folgten dem Beispiel.

3 Didot behauptet, dass die Erfindung der Kompositionswalze einem französischen Leimfabrikanten Garmal gehöre (vgl. dagegen S. 34).

V. KAP. DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE MASCHINEN. IÖI

Das französische Papier hat einen verdienten Ruf erworben und Frankreich gehört die Ehre der Erfindung der Papiermaschine. Das Papier. Auf Anregung Didots Hess Pierre Montgolfier das erste ungerippte Velinpapier anfertigen und adoptierte das holländische System der Zerfaserung der Lumpen durch Schneidecylinder statt durch Stampfen. Die erste Idee des Papiers ohne Ende hatte der Werk- führer Louis Robert in der Papiermühle Didot- Saint -Legers in Essonnes gefasst. Letzterer erwarb die Rechte Roberts und erhielt von der Regierung 8000 Livres zu seinen Versuchen. Infolge der Revolution begab sich Didot nach London, wo die Papiermaschine durch die Talente des Ingenieurs Donkin und die Kühnheit der Papierfabrikanten Gebr. Foudriner ihre Vervollkommnung erhielt. Als Didot 18 14 nach Frankreich zurückgekehrt war, wurde nach seinen Angaben die erste Maschine von Berthe in Sorel gebaut, es folgten solche in Saint Jean-d'Heures und in Mesnil. Zu gleicher Zeit wurde sie durch Canson in Annonay errichtet.

An Papierfabriken besitzt Frankreich 524 mit 28656 Arbeitern und mit einer Betriebskraft von 2 1 000 Pferden. Sie produzieren jährlich Ware zu einem Werte von 104 Millionen Franken. Die wichtigsten Produktionsorte sind Annonay, Angouleme und das Departement Isere. Die Papiersteuer brachte 16439 000 Franken.

In der Kunst des Buchbindens steht Frankreich obenan. Von

dem Bücherleinen hat es sich im ganzen genommen freigehalten. Die Buchbinder- kunst. Fast alle neuen Bücher werden im broschierten Zustand in den Handel

gebracht. Ausgenommen davon ist die Litteratur der Andachts- bücher, in deren Herstellung zu fabelhaft billigen Preisen bei reicher Ausstattung Mame & Co. in Tours Bedeutendes leisten. Neben diesen billigen Einbänden kommen jedoch auch die kostbarsten aus Seide, Sammet, Leder und Elfenbein mit echten Spangen und Beschlägen vor, die sich in die höchsten Preise versteigen. Die Handarbeit, unterstützt durch Reichtum und Geschmack einer bedeutenden Zahl von Bücherfreunden, hat in Frankreich noch einen grossen Spielraum. Sie übertrifft an Geschmack die englische, muss aber dieser den Vorzug in der Behandlung des Leders einräumen. Verwendet werden gewöhnlich Chagrin und Corduan. Die Mosaik- arbeiten der Franzosen sind nicht eigentlich eingelegte Arbeiten, sondern die betreffenden Stellen werden ganz dünn geschabt, das

1 1

IÖ2 DIE ROMANISCHE GRUPPE. V. KAP.

Die Buchbinder- andere farbige Leder darauf gelegt und die Ränder mit Gold-

kunst.

Verzierungen bedruckt.

Auf die strenge Einteilung der Arbeit in der Buchbinderei wurde schon hingewiesen. In den einzelnen Offizinen sind wieder die einzelnen Beschäftigungen gruppenweise verteilt. Viele der Arbeiter, die in ihrer Spezialität Vorzügliches leisten, würden nicht imstande sein, allein ein Buch leidlich zu binden. Dieses System mag allerdings der allgemeinen Ausbildung des einzelnen Individuums hinderlich sein , das Publikum erhält jedoch durch dasselbe billigere und bessere Bände.

Neben der Anlehnung an die goldene Zeit hat sich eine selb- ständige moderne Dekorationsweise ausgebildet, die vieles Hübsche liefert. Die Führerschaft dürfte Lortic zukommen, der sich ganz besonders durch die Wissenschaftlichkeit seiner Arbeiten aus- zeichnet. Jeder Einband ist in dem Geist der Zeit, welcher das Werk angehört, streng durchgeführt; für die jetzige Zeit hat er sich einen eigenen Stil des XIX. Jahrhunderts gebildet. Bände von ihm werden bis mit 3000 Franken bezahlt.

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VI. KAPITEL.

DER STAAT UND DIE PRESSE IN FRANKREICH.

DIE SCHÖPFER DER NEUERN TYPOGRAPHIE.

Der Staat und die Presse unter Ludwig xvi., der Revolution, Napoleon ' i., der Restauration, dem Bürgerkönigtum, Napoleon in. Die älteren Buch- druckereien: Die Staatsdruckerei und die Didot in ihrem Einflüsse auf die Typographie, die Familien Panckoucke, Barbou, Lottin, Treuttel & Würtz, Berger- Levrault, Dentu, Crapelet.

'ÄTTE die Liebe eines Königs für die Buchdrucker- kunst genügt, um diese in dessen Lande zum grössten Die Presse unter Flor zu bringen, so müsste sie in Frankreich unter Ludwig XVI. goldene Tage gehabt haben \ Ludwig war noch als Kind durch Martin Lottin in der Kunst unterrichtet worden und druckte als Dauphin, kaum zwölf Jahre alt, 1766 einen kleinen Band: Maxinies tirees de Teleniaque. Auch Karl v. Artois, später Karl X., besass Vorliebe für die Kunst und Hess 1780 1784 bei dem älteren Didot eine Sammlung von französischen Schriftstellern in 64 Bänden in 18. für sich drucken, während Ludwig XVI. später die Sammlung adusum delphini (zum Gebrauch für den Dauphin) ausführen Hess. Mehr als in irgend einem andern

1 P. Dupont, Ilisloire de Vlmprimerie, vol. 1. Paris 1854. A. F. DiDOT, Histoire de la Typographie. Paris 1882. (Abdruck aus der Encyclopidie moderne.) Edm. Werdet, De la Librairie Frangaise. Paris 1860. F. A. DOTRAT, Histoire de Vlmprimerie Imperiale. Paris 1861. En. WERDET, Histoire du JJvre en France. 4 Bde. Paris 1861 62.

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104 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VI. KAP.

Lande hatten die Aristokraten Frankreichs sich es angelegen sein lassen, Privatdruckereien zu errichten. Bereits während der Regierung Heinrichs IV. besass der Kardinal Duperron eine Druckerei in Bagnolet bei Paris, ebenso später Kardinal Richelieu auf Schloss Richelieu in der Touraine. Der Kanzler d'Auguesseau; die Marquise von Pompadour; die Dauphine Marie Josephe, Mutter Ludwigs XVI.; der Herzog von Burgund, Bruder Ludwigs XVI., und manche andere Grossen waren Besitzer von Privat-Offizinen.

Im Jahre 1777 erliess Ludwig XVI. ein Gesetz zur Regelung des litterarischen Eigentumsrechts, nach welchem jedoch alles auf Privilegien beruhte, die, wenn einmal den Autoren erteilt, auch auf die Erben derselben übergingen, jedoch, wenn in Buchhändler- händen befindlich, mit dem Tode des Verfassers erloschen. Wie alle Privilegien fielen auch diese durch Beschluss der konstituierenden Die Revoiutions- Versammlung vom 4. August 1789, nach welcher Zeit nun auch jeder, der einige Zentner Schriften kaufte oder borgte und ein Patent zahlte, Buchdrucker werden konnte. Selbst diese letzte Bedingung hörte 1793 auf, und die Zahl der Buchdruckereien wuchs von den früheren 36 privilegierten auf 700. Die Pressfreiheit war bereits durch die Verfassung vom 14. September 1791 garantiert, nach welcher jeder das Recht erlangte, seine Gedanken ohne vor- herige Zensur schreiben, drucken und veröffentlichen zu können. Unter dem Direktorium wurde wenigstens festgestellt, dass der Buchdrucker seinen Namen auf alles, was er druckte, setzen, auch auf Aufforderung den Namen des Verlegers nennen musste.

Broschüren auf rötlich-grauem Papier mit Typen gedruckt, die mitunter geradezu unleserlich waren, sind die hauptsächlichsten Produkte der Revolutionszeit. Eins der lohnendsten Geschäfte war der Druck von Assignaten, deren erste Emission im Betrage von 1200 Millionen am 19. Dezember 1789 dekretiert wurde. Der Direktor der Königlichen Druckerei, Anisson-Duperon, wurde mit der Ausführung betraut. Die späteren Emissionen beschäftigten Tag und Nacht eine grosse Anzahl von Pressen. Ende 1794 wurden auf einmal 40 Milliarden in Auftrag gegeben.

Unter den Konsuln wurde 1797 die politische Tagespresse auf Das Konsulat, ein Jahr unter Aufsicht der Polizei gestellt und später diese Anord- nung prolongiert. 1 800 behielten sich die Konsuln das Recht der

VI. KAP. DER STAAT UND DIE PRESSE IN FRANKREICH. IÖ$

Repressivmassregeln gegen diejenige Zeitungspresse vor , die sich etwa gegen die Gesellschaft, die Regierung oder die Souveränität des Volkes versündigte. Durch ein weiteres Dekret vom Jahre 1803 wurde bestimmt, dass ein Exemplar jedes Buches dem Revisions- amte zur Durchsicht übergeben werden sollte „zum Schutze der Freiheit der Presse" (!).

Die Zeit war der letzteren nicht günstig. Die Zahl der Zeit- schriften verminderte sich und die 1790 vorhandenen 700 Buch- druckereien waren auf 340 zusammengeschmolzen. Dafür begannen nun die älteren, gut eingerichteten Offizinen an die alten Traditionen wieder anzuknüpfen.

Nach Begründung des Kaisertums beschäftigte sich Napoleon sehr mit der Organisation des Buchhandels und der Buchdruckerei. Das Kaisertum Ein bekannter Schriftsteller, Fievee, wurde mit dem Plane betraut. „Die Buchdruckerei" so argumentierte Napoleon „ist ein mit gefährlichen Waffen gefülltes Zeughaus, das man ungern in den Händen des ersten besten lässt. Die Buchdruckerei ist kein Handelszweig; es genügen deshalb einfache Privilegien, um sie zu organisieren. Es handelt sich um einen Stand, an dessen Gedeihen der Staat ein Interesse hat, letzterer muss deshalb die Entscheidung in den Angelegenheiten dieses Standes haben. Der Buchdrucker kann ein geschickter, selbst ein gelehrter Mann sein, er ist aber kein Kaufmann und kein Fabrikant. Eben weil der Erfolg nicht von ihm selbst, sondern von der Spekulation anderer abhängt, kann nur eine gewisse Zahl von Buchdruckern existieren. Beschränkt der Staat nicht die Zahl und leidet infolge davon der Buchdrucker Not, so kann man nicht auf dessen rechtlichen Charakter zählen und die Druckkunst ist eine zu furchtbare Waffe, um sie in den Händen von Notleidenden zu lassen. Gut situierte Bürger sind weniger geneigt, gegen die Gesetze zu handeln; es ist deshalb ebenso human als politisch richtig, die Zahl der Buchdruckereien zu beschränken und aus demselben Grunde die Zahl der Lehrlinge zu normieren."

Am 5. Februar 18 10 erschien das Dekret, welches eine Direktion der Buchdruckerei und des Buchhandels einrichtete. Die Zahl der Direktion der Buchdruckereien wurde in Paris auf 60 festgestellt, die unter den 3 400 bestehenden gewählt werden sollten. Die bleibenden hatten die andern zu entschädigen und waren verpflichtet, das Material der

DIE ROMANISCHE GRUPPE.

Privilegiei:

Napoleons

Interesse für di

Typographie.

zu löschenden Firmen anzukaufen. 4000 Franken, für die eine mehr, für die andere weniger, wurden als Durchschnittsentschädigung bestimmt. Das Brevet war eine einfache Automation und schloss nicht, wie dies bis zum XVIII. Jahrhundert der Fall gewesen war, die Garantie der geschäftlichen Befähigung des Inhabers in sich. Strenge Massregeln in betreff der zu führenden Geschäftsbücher wurden getroffen.

Ein weiteres Dekret vom 1 1 . Februar 1 8 1 1 erhöhte die Zahl der Buchdruckereien auf 80, das litterarische Eigentumsrecht wurde geregelt und die Zensur in optima forma eingeführt. Ein dem Ministerium der Polizei beigegebenes Bureau de V esprit public sollte für Verbreitung der Regierungsansichten und die Bearbeitung der öffentlichen Meinung wirken. Jedes Departement durfte nur ein Journal haben, für jeden Zeitungsbogen zahlte man 1 Centime Stempelgebühren.

Im Jahre 18 12 wurden die Privilegien auch für den Buchhandel eingeführt, jedoch die Zahl der Buchhandlungen nicht beschränkt. Zensierte Werke konnten nachträglich konfisziert werden, jedoch mussten die Druckkosten ersetzt werden. Diese Bestimmung kam nur in einem einzigen Fall zur Anwendung und zwar anlässlich des Werkes De VAllemagne der Frau von Stael.

Dass der Buchhandel und die Buchdruckerei sich unter der Regierung Napoleon s trotz des äusseren Glanzes nicht recht entwickeln konnten, wird jeder verstehen. Unter den von der Regierung selbst hervorgerufenen Werken steht obenan die Description de V Egyptc, das Resultat der Thätigkeit der gelehrten Kolonie, welche Bonaparte mit nach Ägypten geführt hatte.

Hätte überhaupt die Typographie keine andere Aufgabe gehabt, als der Wissenschaft zu dienen, so würde sie in Napoleon gewiss den grossten Freund gefunden haben, denn ein Geist wie der seinige konnte den Verkehr mit der Presse nicht entbehren. Selbst im ärgsten Kriegslärm mochte er die Wissenschaft und die Litteratur nicht missen.

Beabsichtigte Feldbibliothek

Bereits 1798 hatte er daran gedacht,

Feldbibliothek her-

stellen zu lassen, die ihm auf seinen Feldzügen folgen sollte, und 1 808 den Plan wieder in Bayonne aufgenommen. Als er bei seinem Aufenthalt in Schönbrunn die Werke, die er mitzuführen gewünscht

VI. KAP. DER STAAT UND DIE PRESSE IN FRANKREICH. 167

hatte, die aber wegen des äusseren Umfangs zurückgeblieben waren , sehr vermisste , kehrte er ernstlich zu der Idee einer Feld- bibliothek zurück und diktierte am 12. Juni 1809 den Plan zu einer solchen, der seinem Bibliothekar Barbier als Richtschnur unter- breitet werden sollte.

Napoleon wollte eine Sammlung schön gedruckter und gut gebundener Werke in kleinem Format mit kleinem Rand. „Er sei reich genug, um sich diesen Wunsch erfüllen zu können." Vorläufig wollte er 3000 Bände von je 4 500 Seiten, hauptsächlich geschicht- lichen Inhalts, die Bibel dürfe nicht fehlen; wären diese 3000 Bände fertig, so könnten weitere 3000 : Reisen, Naturgeschichtliches, Unter- haltendes, folgen. Eine Anzahl gewiegter Männer der Wissenschaft sollte die Redaktion besorgen und allen unnützen Ballast über Bord werfen.

Im November 1809 stattete Barbier seinen Bericht ab. Die Kosten für die 3000 Bände waren bei einer Auflage von fünfzig Exemplaren auf vier und eine halbe Million Franken berechnet. Würden jedoch 300 Exemplare gedruckt und verkaufte man den Band zu fünf Franken, so entstände eine Einnahme von etwa drei Millionen Franken. Man glaubte, täglich einen und einen halben Band oder jährlich gegen 500 Bände liefern zu können. Die Proben wurden gemacht und hierbei blieb es.

Ein seltenes Pracht- und Kunststück führte die Kaiserliche Druckerei aus, als Papst Pius VII. anlässlich der Kaiserkrönung 1805 Kunstieistungen sich in Paris aufhielt und die erwähnte Anstalt besuchte. Während Druckerei. dieses Besuches druckten 150 Pressen die Doraison dominicqlc (das Vater unser) in 150 Sprachen und der Direktor Marcel über- reichte dem Papste das Widmungsexemplar.

Bei Gelegenheit der Geburt des Königs von Rom beschloss Napoleon den Druck einer Sammlung in der Art der Ausgaben ad iisum dclphini. Mit der Aufstellung des Katalogs war jedoch auch diese Sache zuende.

Sozusagen beim Bivouac-Feuer entwarf Napoleon den Plan zu einer Fortsetzung der Histoire de France von Velly, durch den Abbe Halma, den Bibliothekar der Kaiserin. Schliesslich darf nicht das wichtigste Werk der ganzen Zeitperiode, das dem Kaiser so viel zu verdanken hatte, der Code Napoleon, vergessen werden.

l68 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VI. KAP.

Als das Unglück über den Kaiser hereinbrach, konnte es nicht fehlen, dass die Presse im geheimen stark gegen ihn arbeitete und dass die Massregeln gegen dieselbe noch verschärft wurden. Während der Hundert Tage, als er die Presse brauchte, wollte er die von Ludwig xvill. bereits zugesagte Pressfreiheit gewähren und ein Dekret vom 24. März 181 5 hob die Zensur auf, Waterloo machte das Dekret zu einem toten Buchstaben.

Das erste Kaiserreich hatte dem Buchgewerbe die goldene DieRestauration. Zeit nicht gebracht. Günstiger waren die Auspizien bei Beginn der Restauration. Der Artikel vm der Charte sicherte allgemeine Pressfreiheit zu. Es dauerte jedoch kaum einen Monat, als die Repressionsmassregeln wieder begannen. Unter anderem konnten die Zeitschriften nur mit Autorisation des Königs erscheinen. Bei Übertretungen der Gesetze stand das Zurückziehen des Brevets in Aussicht.

Wir können nicht der Geschichte der Massregelungen gegen die Presse durch alle ihre Phasen Schritt für Schritt folgen. Zensur, Kautionen, Suspensionen, eine etwas grössere oder kleinere Portion Pressfreiheit folgten in schnellem Wechsel unter der Herrschaft Ludwigs xvill. Die Regierung Carls X. fing für die Presse etwas milder an, aber das projektierte Pressgesetz vom 29. Dezember 1826 übertraf an Schärfe alles bisherige, wurde jedoch von der Pairs- kammer abgelehnt, die sich diesmal liberaler als die Deputierten- kammer zeigte. Nichtsdestoweniger wurde gegen Buchdrucker, Buchhändler und Journalisten mit grosser Strenge verfahren. Die Prozesse häuften sich; nicht allein wirkliche Pressvergehen, sondern selbst unbedeutende Formfehler wurden unnachsichtlich und schwer bestraft. Die Massregeln schlössen mit den berüchtigten Ordonnanzen Julirevolution. Polignacs vom 25. Juli 1830, die das Ende der Regierung Carls X. herbeiführten. Trotz der Verfolgungen gegen die Presse behielt doch der letzte der Bourbonen seine Liebe für die Druckkunst bei und zeichnete öfters die Vertreter derselben persönlich aus, liess auch manche grosse Unternehmungen durch Subskription der Ministerien unterstützen.

Leider vergingen die blutigen Julitage nicht ohne grobe Unordnungen seitens der typographischen Arbeiter, welche in mehreren Druckereien die Schnellpressen zerstörten. Jedoch die

VI. KAP. DER STAAT UND DIE PRESSE IN FRANKREICH. 169

Masse der Arbeiter trat gegen die Unruhestifter auf und eine Proklamation Firmin Didots an die Arbeiter trug sehr viel zur Beruhigung derselben bei.

Die neue Charte vom 14. August 1830 brachte wieder Press- freiheit und „ewige" Aufhebung der Zensur. Die Lage der Buch- Das Bürger- drucker und Buchhändler ward durch die allgemeine Krisis eine sehr schwierige und die Folgen der Überproduktion zeigten sich in trauriger Weise. Die Regierung that, was sie konnte, um die Kalamität zu mildern und gewährte Anleihen. Benj. Constants Antrag auf Freigebung der Buchdruckerei und des Buchhandel- Gewerbes scheiterte zwar, die gesetzlichen Bestimmungen wurden jedoch vielfach umgangen, indem man Zessionen an Nichtfachleute zuliess und die Gründung von Succursales gestattete, die unter Ver- antwortlichkeit von Brevetinhabern von anderen betrieben wurden. Auch entstanden in der nächsten Umgebung von Paris Druckereien, die recht wohl mit den brevetierten konkurrieren konnten. Mehrere Druckereien änderten sich in Aktienunternehmungen um und nahmen kolossale Dimensionen an.

Die Lage der Journale war sehr erleichtert; man benutzte aber keineswegs die Freiheit mit der notwendigen Mässigung, so dass ein beschränkendes Gesetz am 9. September 1835 erlassen wurde, das von der Regierung jedoch mit Schonung gehandhabt wurde.

Ludwig Philipp selbst war, wie die Bourbonen es gewesen, ein Freund der Buchdruckerkunst. Mag er auch sonst als recht sparsam gegolten haben, in Bezug auf die Erzeugnisse der Presse zeigte er sich freigebig und liess mehrere grosse Unternehmungen auf seine Kosten drucken. Die Korrekturen las er dann selbst und las sie sehr gut.

Bekanntlich nahm das Bürgerkönigtum am 24. Februar 1848 ein jähes Ende. Die provisorische Regierung zählte mehrere Männer der Wissenschaft und der Presse unter ihren Mitgliedern. Ihre Die Revolution

von 1848.

Freunde fanden Anstellung in der Administration; es war also natürlich, dass die Presse mit Wohlwollen behandelt wurde. Der Zeitungsstempel, die Kautionen und das strenge Pressgesetz vom 9. September 1835 wurden aufgehoben. Eine Unmasse von Journalen entstand, die Vorteile aus dem Druck fielen jedoch nur einigen wenigen grossen Zeitungsdruckereien zu, die eigentlichen Werk- und Accidenzdruckereien litten Not und fast der dritte Teil der

I70 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VI. KAP.

Arbeiter war brotlos. Während der Zeit der am 10. November 1848 begonnenen Präsidentschaft Louis Napoleons und des Kaiserreichs Das zweite Napoleons III. hob sich das Druckgeschäft wieder, aber es traten selbstverständlich strengere Überwachungsmassregeln ein. Im Jahre 1852 wurde die Dir ection generale de V Imprimerie et de la Librairie ins Leben gerufen, welche Massregel im allgemeinen mit Befriedigung aufgenommen wurde.

Das neue Pressgesetz vom 17. Februar 1852 gab der am 2. Dezember 1852 eingesetzten kaiserlichen Regierung eine furcht- bare Waffe in die Hände, denn es hing alles von der Art der Aus- führung des Gesetzes ab. Napoleon III. liebte die Buchdruckerkunst gleich seinen Vorgängern, und er selbst suchte, wie bekannt, schriftstellerischen Ruhm. Für den äusseren Glanz der Typographie namentlich durch die Weltausstellungen, aufweichen das französische Buchgewerbe stets in würdigster Weise vertreten war, war er eifrigst besorgt.

Jetzt ist die Republik im Besitz des liberalen Pressgesetzes vom 29. Juli 18811.

Wie die französischen Regierungen , mögen sie Namen geführt haben wie sie wollten, fortdauernd und mehr als gut war sich mit der Stellung der Presse zum Staate beschäftigten, so setzten sie auch ihre direkte Beeinflussung der technisch-gewerblichen Verhält- nisse der Buchdruckerkunst durch die Staatsdruckerei fort, welche jedoch mehr und mehr sich von ihrem schönen Ziel, der Veredelung der Kunst, entfernte, um in die Reihe der brotsuchenden Anstalten zu treten und den Privatdruckereien Konkurrenz zu machen.

Die STAATSDRUCKEREI2 stand seit dem 1723 erfolgten Rücktritt Staatsdruckerei. Claude Rigauds 7 1 Jahre lang unter der Direktion von Mitgliedern

1 Loi sur la liberte de la Presse, 29. Juli 1S81. A. Faivre, Code manuel de la Presse 1881. Paris. Loi de 1881 sur la Presse avec observations par H. Celliez et Ch. le Senne. Paris 188 1.

2 Vergl. I, S. 208 211. In dem Folgenden ist, bei dem fortwährenden Wechsel der offiziellen Benennung je nach dem Wechsel der Regierungsform, die Bezeichnung „Staatsdruckerei" angenommen. Ausser Duprats Werk (S. 163) vgl. A. J. Bernard, Notice historique sicr P Imprimerie nationale. Paris 1848.

V. Goupy, Ulmprimerie nationale et sa Collection de Types orientalcs. Paris 1874.

A. Bernard, Ilistoire de V Imprimerie Royale du Louvre. Paris 1867.

VI. KAP. DER STAAT UND DIE PRESSE IN FRANKREICH. I7I

der Familie Anisson. Die Ernennung des letzten derselben, Etienne Alex. Jacq. Anisson Duperon, zum Direktor geschah 1789.

Bedeutend waren die Fortschritte während der Regierungszeit Ludwigs XV. nicht. Für die Summe von 100 000 Livres erfolgte Erwerbungen

unter Ludwig xv.

1773 die Erwerbung der aus 15 Graden bestehenden neuen Antiqua und Cursiv, welche der königliche Graveur Louis Luce in den Jahren l. Luce 1740 1770 geschnitten hatte, zugleich seiner gothischen und Schreibschriften, sowie seiner zahlreichen Vignetten und Ornamente. Diese neuen Schriften Luces waren ganz anders gehalten als die von Ludwig XIV. veranlassten. Luce wollte, wie er selbst sagte, etwas von dem Vorhandenen ganz Verschiedenes schaffen, was ihm auch, jedoch nicht zum Vorteil der Sache, gelang. Die Schriften sind sehr schmal gehalten, es fehlen ihnen die besonderen Kenn- zeichen (I, S. 210) der Schriften der Staatsdruckerei. Sein Nachfolger als königlicher Graveur war Fagnion.

Eine weitere Acquisition bestand in einer Sammlung der Vignetten Jean Papillons (I, S. 200). Sie hat, wie die Sammlungen von Luce, zwar den Wert des historischen Museums der Anstalt sehr erhöht; für die Praxis waren diese Vermehrungen bei den Fortschritten der Kunst ohne Interesse.

Ludwig XVI. begünstigte ebenfalls die Staatsdruckerei und Hess die kleinen Offizinen in den Tuilerien und in Versailles unter die EinMuss

Ludwigs xvi.

Direktion derselben stellen. Das Verhältnis des Direktors zu der Anstalt war ein ziemlich kompliziertes. Er war nicht ein einfacher, fest salarierter Beamter, sondern zu einem wesentlichen Teil gingen die Arbeiten für Rechnung des Direktors, wurden nach der Taxe bezahlt und mit einem dem Direktor selbst gehörenden Material ausgeführt. Wie bedeutend dieses war, geht aus der später zu erwähnenden Auseinandersetzung mit der Witwe Anisson hervor, wobei es sich um eine Summe von einer halben Million Livr. handelte. Staatseigentum waren hauptsächlich nur die Stempel und Matern der Schriften, ausserdem vielleicht 10 000 Pfund Schrift und etwa ein Dutzend Pressen.

Nach dem Ausbruch der Revolution begann eine unerfreuliche Periode für die Staatsdruckerei. Die wissenschaftlichen und die Zustande administrativen Arbeiten , traten in den Hintergrund , die Haupt- Revolution, beschäftienng war der Druck der vielen Gesetze und Dekrete , der

172 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VI. KAP.

ebenfalls auf Rechnung des Direktors ging, welcher die Zahl der Pressen fast auf 100 vermehren und bei der Unzulänglichkeit der Lokalitäten im Louvre zwei Succitrsales errichten musste.

Zu diesen Arbeiten kam noch die Ausführung von 1 200 000 Der Assignaten- Stück Assignaten r. Doch dies war nur ein Tropfen ins Meer.

Druck.

Bereits am 30. Sept. 1790 wurde eine neue Emission von 800 Millionen e. a. j. Anisson Livres, bestehend in 3 060 000 Stück, beschlossen. Anisson verlangte für die Ausführung 100 000 Livres; Didot erklärte sich bereit, die Lieferung für 22 000 Livres zu übernehmen. Dies verursachte grosse Misstimmung gegen Anisson. Indes sprach manches zu dessen Rechtfertigung, da die Ausführung, welche von Didot verlangt wurde, eine weit einfachere als die frühere und Didot inzwischen in Besitz der Stereotypie gelangt war (s. 1 52). Doch kam es noch nicht zum Bruch und man bewilligte ihm auf seine Vorstellungen sogar einen höheren Tarif als den bisherigen für seine Arbeiten. Es war jedoch nicht angenehm, Männer wie Marat und Petion zu persön- lichen Feinden zu haben. Auf Antrag des letzteren ward Anisson am 8. Oktober 1792 verhaftet, wozu der, angeblich gegen seine Instruktion erfolgte Druck eines Dekrets als plausibler Vorwand dienen musste. Aus seinem Gefängnis schlägt er dem Sicherheits- Ausschuss vor, seine Direktorstelle aufzugeben und der Öffentlichkeit sein auf 499036 Livres taxiertes Material käuflich zu überlassen. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht angenommen. Anisson starb 1794 auf dem Schafott. Sein Eigentum ward mit Sequester belegt und erst nach langen Verhandlungen fand ein Vergleich mit der Witwe statt.

Als ein denkwürdiges Ereignis in der Geschichte der Staats- druckerei während der Republik ist die bereits oben kurz erwähnte Einführung der Druckerei in Ägypten zu verzeichnen. Bereits nach der Eroberung Italiens hatte Bonaparte die Errichtung zweier Druckereien, einer griechischen und einer arabischen, auf den Ionischen Inseln verlangt und, als er nach Ägypten gezogen war, die Einrichtung einer umfangreicheren Buchdruckerei dort gefordert. Der damalige Direktor der Staatsdruckerei Duboy-Laverne beauf- tragte den Orientalisten Langles mit der Ausführung. Die Sache ging

1 Die 300-Livres-Noten tragen als Jahreszahl 1090 statt 1790, man ging jedoch darüber hinweg.

Die Druckerei in Ägypten.

DER STAAT UND DIE PRESSE IN FRANKREICH.

173

aber Bonaparte nicht rasch genug und er beschuldigte die Genannten der mutwilligen Verzögerung. Er verlangte Erlass einer Ordre, rdie griechischen Schriften, mit welchen der Xenophon gedruckt werde, sofort zu verpacken. Xenophon könne ohne Schaden drei Monate warten, bis wieder neue Schriften fertig wären" .

An die Spitze der ägyptischen Druckerei wurde ein tüchtiger ArabistJ. J. Marcel, später Direktor der Staatsdruckerei, gestellt. J. J. Marcel Die Offizin wurde in dem Hause des griechischen Konsuls in Alexandrien eingerichtet, dann nach Kairo und Gizeh gebracht. Ausser den dienstlichen Arbeiten druckte die Anstalt Le Courrier de VEgypte und etwa ein Dutzend belehrende Schriften in arabischer Sprache. Auch in Pondichery auf der Küste Koromandel in Ost- indien wurde eine französisch-persische Druckerei durch Vermittelung der Staatsdruckerei angelegt.

Nach Rückkehr der Franzosen aus Ägypten wurde beschlossen, die Arbeiten der, zugleich mit der Armee entsendeten wissenschaft- lichen Expedition herauszugeben. Eine Kommission von acht an- gesehenen Gelehrten wurde ernannt, um die Redaktion zu besorgen, und es entstand in der Staatsdruckerei eines der hervorragendsten Druckwerke aller Zeiten, die Description de VEgypte in neun Folio- bänden mit Text und vierzehn mit Kupfern und Karten, das erst 1809 vollendet wurde. Von bedeutenden Werken der Staatsdruckerei aus der Zeit der Republik sind noch die umfangreichen Reisewerke von LaPerouse, Marchand, Vancouver, Millins Monumens antiques u. a. zu nennen.

Im Jahre 1800 war derBeschluss gefasst worden, dass von den in der Staatsdruckerei ausgeführten Werken 200 Exemplare dem Ministerium des Innern zur Disposition gestellt werden sollten, damit dieses sie im Interesse der Wissenschaft und der Aufklärung zweck- mässig verteile.

Die orientalischen Schriften waren in Ordnung gebracht, mehrere neue geschnitten und der Raub der Schriften der Propa- ganda in Rom hatte diesen Zweig der Typographie ausserordentlich bereichert. Das Lokal war nach dem Hotel Penthievre verlegt worden.

Man sieht aus dem obigen, dass die Zeit der Republik in Waffen doch keine ganz verderbliche für die Staatsdruckerei gewesen

Orientalische Schriften.

IJ4 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VI. KAP.

war, die vieles dem 1801 verstorbenen Direktor Duboy - Laverne zu verdanken hat.

Der Kaiser widmete der Anstalt noch mehr Aufmerksamkeit Umzug, als der Konsul. Die Administration wurde geordnet, Pensionskassen eingerichtet und die Arbeiten nach Tarifen reguliert. Ein Umzug fand 1809 nach dem Hotel Soubise mit dessen Annex Palais Cardinal (Rohan) statt. 1 8 1 1 wurden die orientalischen Schriften, allerdings wieder durch Raub , mit den Stempeln und Matern der Druckerei der Medici in Florenz vermehrt. In demselben Jahre erhielt Didot den Auftrag, das Schriftensystem nach dem inzwischen eingeführten Metermass umzuändern und neue Schriften zu schneiden, doch wurde dieses Vorhaben wegen der Kostspieligkeit nicht zuende- geführt. Ein grosses Prachtwerk Relation des ceremonies du sacre et du couronnement, etc. de Napoleon wurde 18 12 angefangen und erst während der Hundert Tage vollendet, 1 8 1 3 erteilte der berühmte Gelehrte Silvestre de Sacy den Eleven der Anstalt Unterricht in orientalischen Sprachen, um tüchtige Setzer zu bilden.

Ausser den erwähnten sind noch unter den bedeutenden Erscheinungen der Staatsdruckerei zu nennen die Statistique de la France, Fol., 1804; Recherchcs asiatiqnes 1805 und de Guignes Dictionnaire chinois, Fol., 18 13.

Mit alledem waren die Kriegszeiten doch im ganzen keine Die zeit der glücklichen für die Entwicklung der Staatsdruckerei. Am 15. April 18 14 verschwand der kaiserliche Adler als Insigne und mit diesem auch verschiedene Schätze der Anstalt, da, nach den Bestimmungen des Pariser Friedens, die den Offizinen der Propaganda und der Medici geraubten Stempel zurückzugeben waren. Doch geschah dies nicht vollständig, und von den Stempeln behielt man Abschläge zurück, sodass die Vollständigkeit der Anstalt eigentlich nicht litt.

Ludwig XVIII. bestimmte durch ein Dekret vom 28. Dezember Reorganisation 1814, dass vom i . Januar 18 15 ab die Arbeiten für Rechnung des Duperon. Staates mit ganz wenigen Ausnahmen aufhören sollten und dass es den verschiedenen Ministerien zu überlassen sei, ihre Arbeiten nach bestem Ermessen auch an Privatdruckereien zu vergeben. Das Inventar sollte dem Direktor zur Disposition gestellt werden, Schriften und Abschläge konnte er unter festgesetzten Bedingungen verkaufen. Marcel wurde in Ruhestand versetzt und der Sohn des

DER STAAT UND DIE PRESSE IN FRANKREICH.

175

hingerichteten Direktors Anisson, vielleicht als Ersatz für die seiner Familie zugefügte Unbill, zum Vorstand gewählt. Da kamen die Ereignisse vom 20. März 181 5 und das Kaiserreich der Hundert Tage warf alles über den Haufen, damit es nach drei Monaten wieder eingeführt werde. Anisson Hess von Jacquemin neue Schriften nach englischen Mustern schneiden. Dies missfiel der Regierung und da überhaupt die neue Einrichtung sich wenig zuträglich zeigte, versuchte eine Ordonnanz vom 23. Juli 1823 den ungefähren Stand- punkt des kaiserlichen Dekrets von 1809 wiederherzustellen.

Zum Chef des Instituts wurde E. de Villebois ernannt. Er führte wieder Präzision in der Administration ein und Hess von Marcelin Legrand 16 Grade Antiqua und Cursiv mit einem Aufwände von 39 200 Franken schneiden. Eine gelehrte Kommission sollte die Ausführung der Schriften überwachen, hatte aber, wie es mit Kommissionen gewöhnlich der Fall ist, mehr hemmend als fördernd gewirkt. Das erste Werk, welches mit den neuen Typen gedruckt wurde , war Raoul-Rochettes Monumens inedits d'antiquite figuree in gross Folio 1828.

Bereits 1824 hatte Ludwig XVIII. die Herausgabe der seit lange beabsichtigten Sammlung orientalischer Werke angeordnet, die Orientalische Anfänge konnten jedoch erst 1832 nach der Julirevolution gemacht werden. 1828 fasste man auch das Herz, Schnellpressen einzuführen, wogegen man sich lange gesträubt hatte. Zumteil beruhte diese Zögerung wohl in humanen Gründen, da man keinem Arbeiter den Abschied geben wollte; teils lag vielleicht auch ein gewisser Stolz zugrunde; man wollte, wie es scheint, die Maschine nicht als der Handpresse ebenbürtig anerkennen. Die verschiedenen Ministerien beschwerten sich über die teueren Preise, man entschloss sich des- halb, zuerst die Preise nur so zu berechnen, als wären die Arbeiten auf Maschinen gedruckt. Doch es half nichts , man musste sich den Forderungen der Zeit fügen und im Jahre 1 829 wurden 96 000 Franken zur Anschaffung von Schnellpressen angewiesen, die jedoch während der Revolutionstage 1830 von eindringenden Arbeitern teilweise demoliert wurden.

Villebois hatte das Schicksal seines Gönners, des Ministers de Peyronnet, und wurde entlassen. Unter den Werken aus der Zeit der Restauration sind noch zu nennen: Caillauds Voyage a

Sammlung.

Neuerungen.

176

DIE ROMANISCHE GRUPPE.

l'oasis de TJiebes , Folio, 182 1 ; Silvestre de Sacy, Les Seances de Hariri, 1822; Freycinet, Voyage autour du Monde , 40, 1826, und das vorzügliche Album typograpJiique de Vlmprimerie Royale, 1830.

Am 15. September 1831 wurde der Posten Villebois' definitiv Pierre Lebrun. dem Akademiker Pierre Lebrun übertragen, nachdem diese Stellung, wie man sagt, erst Beranger1, dann bestimmt Ambroise Firmin Didot angeboten worden war. Letzterer erklärte sich bereit, die Stelle anzunehmen, wenn allein diejenigen Arbeiten, deren Aus- führung durch den Staat sicherheitshalber notwendig war, von der Staatsdruckerei übernommen, alle anderen jedoch der Privat- konkurrenz überlassen würden; wenn man die seltenen Schriften an Buchdrucker zu billigen Preisen ablassen wollte, und schliesslich, wenn es nicht nötig sei, dass er Gehalt annähme. Die Gründe, weshalb man darauf nicht eingehen konnte, lagen klar am Tage und es war wohl auch Didot mehr darum zu thun, die Grundsätze laut auszusprechen, die er für die von einer Staatsanstalt einzig richtigen hielt, als den Direktorposten anzunehmen.

Wennauch kein Fachkundiger, suchte Lebrun doch mit Eifer sich die nötigen Kenntnisse zu erwerben und der Anstalt nützlich zu sein. Von der erwähnten orientalischen Kollektion wurden drei Werke in Angriff genommen: Raschid- Eddins Geschichte der Mongolen in Persien, Bhägavata Pürana und Firdusis Buch der Könige. Die Werke wurden streng im orientalischen Stil mit Ornamenten in Gold- und Farbendruck ausgeführt. Neue orienta- lische Schriften wurden von Marcelin Legrand, Delafond, Rame pere, Loeulliet unter Aufsicht berühmter Orientalisten geschnitten und die Didotschen Schreibschriften erworben. Auch bauliche und technische Verbesserungen wurden vorgenommen und die Litho- graphie eingeführt, durch die namentlich vorzügliche geologische Karten geliefert wurden.

Die Februarrevolution hatte manche Unordnungen zur Folge, welche Lebrun veranlassten, seine Stelle niederzulegen, die im Jahre 1850 definitiv Saint-Georges übertragen wurde. Dieser behauptete

Die Februar Revolution.

1 Pierre Jean de Beranger (* 1780, 7 1857) lernte die Buchdruckerei bei Laisnez in Peronne und arbeitete dort zwei Jahre. Während dieser erschienen seine ersten Gedichte, die mit solchem Beifall aufgenommen wurden, dass er den Winkelhaken beiseitelegen konnte.

VI. KAP. DIE SCHOPFER DER NEUERN TYPOGRAPHIE. IJJ

die Ehre der Anstalt auf verschiedenen Weltausstellungen. Für die in Paris 1855 abgehaltene wurde mit allen Raffinements der graphischen Künste eine Prachtausgabe der Nachfolge Christi lateinisch mit der poetischen Paraphrase Corneilles gedruckt.

Die Staatsdruckerei ist zwar bereits seit der ersten Revolution fortwährend Gegenstand der Angriffe gewesen, es haben diese Angriffe gegen jedoch in jüngster Zeit an Heftigkeit zugenommen. Man hält die drucke Konkurrenz der Anstalt mit der Privatindustrie nicht allein für unnötig, sondern für sehr schädigend. Zur Hebung der Kunst sind solche Anstalten nicht mehr nötig. Was Didot aussprach, denkt gewiss Jeder: Eine Staatsanstalt soll nicht den Steuerzahlenden unnötige Konkurrenz machen. Die Typographie ist mündig geworden und bedarf keines öffentlichen Mentors.

terei.

Didot

Noch in einem höheren Grade als das Wirken der Staats- druckerei war in dem ganzen Abschnitt der Buchdrucker-Geschichte DieFamiüe Frankreichs von 1750 bis auf den heutigen Tag das Vorgehen der Familie Didot massgebend1. Während die Buchdruckerei als Kunst und der höhere Buchhandel in der Revolutionszeit gänzlich darnieder lagen, waren die Didot fast die einzigen, die unentwegt und unbekümmert um den ringsum tosenden Sturm die Flagge Guten- bergs stolz vom hohen Mast wehen Hessen.

Das ganze Sein dieser Familie ist von einem so edlen Geist durchdrungen; alles, was sie geschaffen hat, trägt so sehr den Stempel der Gediegenheit, dass der Name Didot noch langezeit als Stern erster Grösse glänzen wird.

Zudem besitzen alle Unternehmungen dieser Firma neben den Vorzügen des französischen Charakters auch das Gepräge einer echt germanischen Wissenschaftlichkeit und Gründlichkeit, wie auch manche der hervorragendsten Werke ihrer Pressen unter Mitwirkung deutscher Gelehrten durchgeführt wurden. Schliesslich ist die Ver- bindung dieses Hauses mit Deutschland seit langen Jahren eine weit innigere, als es sonst seitens französischer Firmen der Fall zu sein pflegt. Das alles macht, dass der deutsche Gewerbsgenosse sich

1 G. Brunet, Firmin Didot et sa Familie. Paris 1870. E. l'rrou, La Familie Didot. 1856. E. Werdet, fctudes bibliographiques 1713 1864. A. F. Didot, Histoire de la Typographie. Paris 1882.

I78 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VI. KAP.

dieser Familie näher stehend fühlt als den übrigen hervorragenden Repräsentanten der graphischen Gewerbe in Frankreich.

Der Stammvater des Hauses war Francois Didot aus Paris Fran9ois Didot ( 1 7 1 3): Schon er machte sich bekannt durch seine vielen wichtigen f 2. Novbr.'iys;. Unternehmungen , darunter die Histoire generale des Voyages von Abbe Prevost in 20 Quartbänden mit einer grossen Anzahl von Kupfern und Karten. Frangois Didot hatte elf Kinder, von welchen Frangois Ambroise und Pierre Frangois den Beruf des Vaters ergriffen. Zwei seiner Töchter waren an berühmte Buchhändler, Guillaume de Bure und Jacques Barrois in Paris, verheiratet. Als Druckerzeichen nahm er die goldene Bibel an und sie ist es auch bis auf heute geblieben.

Dem Ambroise Francois verdankt Frankreich die Einheitlich- Ambr. f. Didot keit seines Schriftsystems (S. 145), die Freiheit und Eleganz seines t In. juii 1804! Schriftschnittes, daneben die Vervollkommnung des Velinpapieres und die Einführung der Druckerpresse mit nur einem Zuge. Unter seinen Druckwerken sind hervorzuheben die früher schon erwähnte Collection d'Artois, eine Sammlung von Romanen in 64 Bänden, ferner die Sammlungen von französischen Klassikern in 180, und 40, welche, wie ebenfalls erwähnt wurde, im Auftrage des Königs Ludwig XVI. zum Unterrichtszwecke für den Dauphin gedruckt wurden.

Der Bruder Pierre Francois leistete bedeutendes als Buch- pierreF.Didot drucker, Buchhändler, Papierfabrikant und Schriftgiesser, führte t j. Dezb. 1793. viele Verbesserungen in der letzteren Branche ein und legte die berühmte Papierfabrik in Essonnes an.

Pierre, der älteste Sohn Ambr. Frangois', übernahm 1789 die Pierre Didot Druckerei des Vaters und zeichnete sich so aus , dass seine Offizin \ 31.' Dez. 1853' im Louvre installiert wurde. Hier druckte er mit Schriften, die sein Bruder Firmin geschnitten hatte, die prachtvollen sog. Louvre- Ausgaben: den Virgil in Folio mit 23 Kupfern (1798); den Horaz in Folio (1799); den Racine, drei Bände in Folio mit 57 Stichen (1801 5), die Fabeln des La Fontaine. Die Jury der damaligen Ausstellung in Paris erklärte den Racine für das vollkommenste typographische Erzeugnis aller Zeiten. Noch manche andere gross- artige Werke, z. B. Viscontis griechische und römische Iconographie; Denons Reise in Ägypten; Nodiers malerische Reise im alten

VI. KAP. DIE SCHOPFER DER NEUERN TYPOGRAPHIE. I79

Frankreich, und die berühmte Oktav -Ausgabe der französischen Klassiker „für Freunde der Typographie", die dieser Bezeichnung vollständig würdig war, gingen aus seinen Pressen hervor.

Sein Sohn Jules spielte eine Zeitlang eine glänzende Rolle, die jedoch keinen Bestand hatte. Mit grossen Kosten hatte er eine juies Didot

* 5. Aug-. 1794,

bedeutende Offizin in Brüssel gegründet, die nicht gedeihen wollte f 18. Maii87i. und von der Regierung als Grundlage einer Staatsdruckerei erworben wurde. Nach Paris zurückgekehrt, errichtete Jules Didot ein aus- gedehntes Etablissement, in welchem er eine grosse Zahl vorzüglich schöner Ausgaben alter und neuer Schriftsteller für verschiedene Pariser Verleger druckte. Im Jahre 1823 erhielt er auf Grund einer Prachtausgabe von Phädrus' Fabeln, in Folio auf Seide gedruckt, und anderer schöner Arbeiten die goldene Medaille. Geschäftliche Misserfolge zerstörten jedoch vollständig seine bereits geschwächten Geisteskräfte.

Firmin Didot, der zweite Sohn Ambroise Frangois', hielt als Buchdrucker und namentlich als Schriftgiesser und Schriftschneider Firmin Did^t den berühmten Namen des Vaters in Ehren. Seine Schreibschriften 1 24.' Apni 1830! (1806) Hessen alles Dagewesene weit hinter sich, und seine Antiqua^ Schriften, mit welchen sein Bruder Pierre die erwähnten Louvre- Ausgaben druckte, gelten als die musterhaftesten. Er verbesserte (1795) ganz wesentlich die Stereotypie und stereotypierte fast alle französischen, italienischen und englischen Klassiker in 180- Ausgaben, die durch ihre Korrektheit und Billigkeit bekannt wurden. Der Virgil, fehlerfrei und mit Vignetten illustriert, kostete 15 Sous. Später acceptierte er die vorzügliche Stanhopesche Methode. Ausserdem druckte er eine grosse Anzahl Prachtausgaben, darunter (18 17) die Lusiaden und die Henriade. Er ward Mitglied der Akademie und des Instituts und 1834 königlicher Buchdrucker. Das Geschäft Didots war ein Sammelplatz von Notabilitäten Frank- reichs und des Auslandes. Im Jahre 18 14 besuchte Kaiser Alexander seine Offizin und Hess zwei junge Russen zurück, um bei ihm zu lernen. Sein Haus war überhaupt eine Bildungsschule der Typo- graphie, aus welcher Renouard, Paul Dupont, Claye, Rignoux, Brun und andere, später berühmte französische Buchdrucker hervorgingen, ebenso die drei ersten Buchdrucker Griechenlands : Coromllas, Dobras, Apostolides, sowie viele Missionsbuchdrucker. Um sich ganz dem

l80 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VI. KAP.

öffentlichen Leben zu widmen, überliess er im Jahre 1827 seinen Söhnen das Geschäft. Auch als tüchtiger Schriftsteller war Firmin Didot bekannt.

Eine der Töchter Pierre Frangois' heiratete Bernardin de Saint- Pierre, welcher eine Zeitlang bei der Papierfabrik in Essonnes beteiligt war, wo er Paul et Virginie schrieb. Von seinen drei Söhnen sind namentlich Henry und Didot Saint-Leger zu erwähnen.

Henry Didot that sich als Schriftschneider, Schriftgiesser und Henry Didot Mechaniker rühmlichst hervor. Noch in einem Alter von 66 Jahren 1 1852. ' schnitt er für seine „mikroskopischen" Ausgaben, z. B. von Horaz, Rochefoucauld u. a., seine nee plus ultra - Schrift. Um dieselbe giessen zu können, musste ein neues Giessinstrument erfunden werden, welches Henry Didot polyamatype nannte, in welchem 160 Buch- staben auf einmal gegossen wurden.

Der Bruder Henrys, bekannt unter dem Namen Didot Saint- Didot st.-Leger. Leger , dirigierte die Papierfabrik in Essonnes. Seiner Verdienste um die Papierfabrikation wurde bereits (s. 161) gedacht.

Firmin Didot hatte drei Söhne: Ambroise Firmin, Hyacinthe und Firmin Frederic (gest. 1836).

Ambroise Firmin genoss eine ausgezeichnete Erziehung und Ambr. r. Didot legte sich mit besonderem Eifer auf griechische Sprache und

* 20. Dez. 1790,

1 24. Febr. 1876. Litteratur. Er machte Reisen in Kleinasien, Syrien, Palästina und Ägypten und war eine Zeitlang. Attache bei der französischen Gesandtschaft in Konstantinopel. Nach der Erhebung Griechen- lands zeichnete er sich als einer der eifrigsten Förderer der griechi- schen Sache aus. Er schenkte unter anderem Griechenland die erste Buchdruckerei. Die Bürgerschaft von Athen hat in dankbarer Erinnerung der Verdienste Didots noch in letzter Zeit einer Strasse in Athen den Namen Didot-Strasse beigelegt.

Im Verein mit seinem Bruder Hyacinthe druckte und verlegte er eine Reihe bedeutender Werke, z. B. die Reisen Champollions d. j. in Ägypten, dessen Ägyptische Grammatik und Wörterbuch; Texiers Reisen in Kleinasien und Armenien, fünf Bände, Folio ; das Glossa- rium mediae et infimae latinitatis von Du Cange ; in sechster Auflage das Wörterbuch der Akademie, 1835, welches in erster Auflage bereits 1694 erschienen war, und eine grosse Anzahl anderer Wörter- bücher; die Encyclopedie moderne, 39 Bände mit einem Atlas in fünf

VI. KAP. DIE SCHOPFER DER NEUERN TYPOGRAPHIE. Iöl

Bänden; das Dictionnaire de la conversation , 21 Bände; die Encyclo- Ambr. f. Didot. pedie d'histoire naturelle, 22 Bände mit neun Bänden Atlas; die Nouvelle Biographie generale, 46 Bde. ; die Biographie universelle des musiciens von Fetis, acht Bände; J. C. Brunets : Manuel de la librairie; die Bibliotheque grecque in mehr als 60 Bänden ; die Bibliotheque latine-francaise, 27 Bände; die Bibliotheque francaise ; das Univers pittoresque, 67 Bände mit 4000 Stahlstichen. Wenn die Bändezahl dieser Kollektionen schon imponiert, so ist noch zu erwägen, dass es sich hierbei grösstenteils um Bände in grossem Oktav, in gespaltenem Satz mit kleiner Schrift gedruckt, handelt, so dass in der Regel ein Band den Stoff von sechs bis acht gewöhnlichen Oktavbänden enthält.

Als ein Hauptwerk Didots, zugleich für Deutschland doppelt interessant, weil es hauptsächlich durch gelehrte Kräfte Deutsch- lands durchgeführt wurde, ist der Thesaurus graecae linguae zu nennen. Diese unerschöpfliche, von Heinrich Stephanus stammende . (I, S. 207) Fundgrube griechischer Lexikographie wurde unter Zusammenwirken einer grossen Anzahl Gelehrter Frankreichs und Deutschlands nach 300 Jahren neu herausgegeben und damit der Wissenschaft ein Denkmal hergestellt, das seinesgleichen sucht. Die Redaktion übernahmen die Professoren Hase, Wilhelm und Ludwig Dindorf. Das Werk bildet neun Bände in Folio.

In jüngerer Zeit haben Didots sich auch mit Vorliebe den neueren Illustrationsmethoden zugewendet. Racinets L ornement polychrome und Mantz' Les cliefs-d'ceuvre de la peinture italienne mit den Chromolithographien Kellerhovens müssen als Prachtwerke erster Klasse genannt werden. Höchst anziehend ist auch eine Reihe von reich mit Holzschnitten und Chromolithographien geschmückter Werke, welche namentlich Leben, Sitte und Kunst früherer Jahr- hunderte illustriert und sich trotz der musterhaftesten Ausstattung durch einen sehr billigen Preis auszeichnet. Fast als ein Saulus unter den Propheten erschien . 1 860 in dem Didotschen Verlage nach dem Muster des „Bazar" das Journal La Mode illustree , welches an 100 000 Abonnenten zählte.

Ein anstaunenswertes Unternehmen bleibt in seiner Art auch: Annuaire -Ahnanach du Commerce, von welchem mehr als 80 Jahr- gänge vorliegen. Das Unternehmen ist jetzt in den Händen einer

IÖ2 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VI. KAP.

Ambr. f. Didot. Gesellschaft, die es mit einem Kapital von 7I/2 Millionen Franken ausbeutet.

Mit Obigem haben wir nur einen Teil der grossartigen Wirk- samkeit der Weltfirma andeuten können. Der bescheiden aus- gestattete Verlagskatalog lässt kaum auf den hohen Wert der verzeichneten Unternehmungen schliessen, der schwerlich von dem irgend eines Verlagskataloges übertroffen werden dürfte.

Wenn wir noch sehen, welche bedeutende litterarische Thätigkeit Ambroise Firmin mit seiner geschäftlichen zu verbinden wusste, so muss unsere Achtung und Bewunderung für diesen Mann sich noch steigern.

Seine Mitwirkung bei dem Thesaurus wie bei vielen der ency- klopädischen Unternehmungen des Hauses zeugen schon von seiner gelehrten und wissenschaftlichen Bedeutung, jedoch lieferte er ausser- dem noch eine Reihe selbständiger Schriften. Wir können hier nur die bedeutendsten derjenigen erwähnen, die sich auf das graphische Gewerbe beziehen. Als Mitglied der Ausstellungs-Jury schrieb er Limprimerie , la librairie , la papetcrie a V exposition iSji a Londres (2. Auflage 1854), Sein 1863 erschienener Essai typographique et bibliograpJiiqite sur Vhistoire de la gravure sur bois ist ein vortreff- liches Werk, das nur den einen Fehler hat, dass es mit ganz ausser- ordentlich kleiner Schrift gedruckt ist1. Sein letztes umfangreiches Buch ist das 1875 erschienene Aide Manucc et V hellenisme a Venise. Über die Frage der Orthographie und des litterarischen Eigentums- rechtes gab er verschiedene wertvolle Schriften heraus. Unter seinen Monographien erwähnen wir : Etüde sur les cenvres de Jean Sire de Joinville, zwei Bände , fünfte Auflage, 1 870 ; Missel de Juvenal des Ursins, ein kostbares Manuskript, welches Didot für 23 000 Franken erworben, jedoch der Bibliothek des Hotel de Ville cediert hatte, bei dessen Brande es vernichtet wurde; Etüde sur Jean Cousin, 1872. Didot besass eine Bibliothek typographischer Seltenheiten ersten Ranges, die nach Millionen von Franken geschätzt wurde und auch

1 Seine 1882 in einem zweiten, unveränderten Abdruck erschienene Histoire de la Typographie entspricht nicht dem, was man nach dem Titel erwarten könnte. Es ist ein Abdruck eines grossen, vor langen Jahren erschienenen Artikels in der Encyclopedie moderne und enthält nur chronologisch an einander gereihte Notizen, fast ausnahmslos über französische Buchdrucker, namentlich über Mitglieder der Familie Didot, und schliesst mit dem Jahre 1851.

VI. KAP. DIE SCHÖPFER DER NEUERN TYPOGRAPHIE. 183

bei der Versteigerung nach Didots Tode wirklich enorme Summen Ambr. f. Didot. einbrachte. Diese Sammlung hatte Didot Veranlassung zu dem Werke: Catalogue raisonne des livres de la Bibliotheque de A. F. Didot, I. 1: Livres ä figures sur bois, Solennites , Romans de chevalerie, 392 zweispaltige Seiten, gegeben. Als Supplemente hierzu erschienen: Les apocalypses figurees und Essai de Classi- fication des Romans de chevalerie. Sein Bibliothekzimmer war Didots liebster Aufenthalt, und hier musste oft sein Diener den in die Arbeit Vertieften an die vorgerückte Nachtstunde erinnern.

Das Geschäft beschränkte sich nicht allein auf bibliopolisch- typographische Unternehmungen, sondern umfasste auch die bedeutende Papierfabrikation in Mesnil und Sorel. Dagegen sah sich Didot veranlasst, die Schriftgiesserei als selbständiges Geschäft aufzugeben ; sie wurde der grossen Gesellschaft Fonderie generale einverleibt. Als die Einrichtung der Papiermaschinen viele bei der Fabrikation beschäftigt gewesene Mädchen in Mesnil arbeitslos machte, richtete Didot eine bedeutende Druckerei für Frauen ein, sorgte für tüchtige Anleitung und etablierte Schulen. Diese Anstalt war namentlich ein Werk Hyacinthe Didots, des treuen Mitarbeiters HyacintheDidot des Ambroise durch eine lange Reihe von Jahren. Sie stand unter der j- 7. Aug. J88i. Leitung des Theotiste Lefevre, und wurde nachträglich noch Th. Lefevre

* 17. Sept. 1798.

durch eine Abteilung für taubstumme Mädchen erweitert. Der jetzt 84jährige Th. Lefevre, bekannt durch sein Handbuch für Setzer1, arbeitet seit 46 Jahren in dem Hause Didots.

Dass es Ambroise Firmin Didot an äusseren Ehren der ver- schiedensten Art nicht fehlte, ist begreiflich. In den letzten Jähren seines Lebens genoss er noch die Auszeichnung, Mitglied des Instituts von Frankreich zu werden. Die höchste Ehre war es ihm jedoch, die unbegrenzte Achtung und Liebe seiner Mitbürger und Unter- gebenen zu besitzen und der Vater seiner Arbeiter zu sein, was er im vollen Sinne des Wortes war, bis ihn der Tod ihnen raubte.

Das Haus Didot steht jetzt unter der Leitung des Sohnes des Ambroise Alfred Firmin Didot (geboren 1828) und des Sohnes des Alfred und Paul Hyacinthe Paul Firmin Didot (geboren 1826;. Die Druckerei in Paris ging in den Besitz von G. Chamerot über.

1 Guide pratique du compositeur iVimprimerie. Paris 1855. Vol. 11. 1872.

I84 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VI. KAP.

Trotzdem dass die Firma, wie auch aus dem Obigen hervor- geht, in mancher Hinsicht ihre Thätigkeit beschränkte, wird sie sicherlich noch lange den berühmten Namen mit Ehren behaupten. Für Frankreichs Typographie hat die Familie Didot eine Bedeutung, welche die der Familie Stephanus noch überragt.

Neben dem Geschlecht der Didot besass Frankreich noch eine Andere ältere Anzahl bedeutender Druckerfamilien, die, aus dem xvni. in das

Familien.

XIX. Jahrhundert herüberreichend, die verbindenden Glieder in der grossen Kette bilden , in welcher sich die modernen vortrefflichen Typographen an die alten Meister anreihen.

Unter diesen Familien nahm die der Panckoucke, wennauch nur auf kürzere Zeit, eine sehr glänzende Stellung ein.

Joseph Panckoucke, geboren zu Lille, war ein tüchtiger j. Panckoucke Mathematiker und bereitete sich für den Beruf eines Dozenten vor,

* 1736, 4* 1799»

etablierte sich jedoch zuerst als Buchhändler, dann 1774 als Buchdrucker. Eine der ersten seiner Unternehmungen sollte eine Gesamtausgabe von Voltaires Werken sein, für deren Durchsicht und Emendation er den berühmten Verfasser selbst gewonnen hatte. Die Kaiserin von Russland war ersucht worden, die Widmung anzunehmen, da jedoch nach Ablauf von sieben Monaten die Erlaubnis zur Dedikation noch nicht eingegangen war, betrachtete Panckoucke die Sache als gescheitert und verkaufte seine Rechte P.Beaumarchais an den bekannten Schriftsteller P. Beaumarchais, der die Absicht

f 19. Mai 1799. . '

hatte, etwas noch nicht Dagewesenes von einer Prachtausgabe zu liefern. Am Tage nach dem Abschluss kam zu spät! die Erlaubnis der Kaiserin, begleitet von einer Anweisung auf 150 000 Livres.

Beaumarchais Hess in Kehl, Strassburg gegenüber, eine Offizin errichten und Arbeiter aus Deutschland und der Schweiz kommen. Seine Abgesandten nach Holland studierten die dortige Papier- fabrikation und errichteten danach Fabriken in den Vogesen. Die Stempel und Matern Baskervilles wurden erworben (S. 74). Der Hauptherausgeber war Condorcet; die typographische Redaktion besorgten Decroix und Letellier. In fünf Jahren (1784 89) ver- ausgabte man mehr als drei Millionen auf eine Oktavausgabe in 70 Bänden und eine Duodezausgabe in 92 Bänden. Um allen

VI. KAP. DIE SCHÖPFER DER NEUERN TYPOGRAPHIE. 185

Ansprüchen gerecht zu werden, wurden von beiden Ausgaben Exemplare auf fünf Sorten Papier gedruckt in einer Gesamtauflage von 28 000 Exemplaren. Zu dem grossen Aufwand stimmte nicht recht die nachlässige Korrektur. Pekuniär war das Unternehmen ein vollständiger Misserfolg und kostete Beaumarchais für seinen Anteil eine Million.

Von Panckoucke stammt auch der Gedanke des Moniteur. Nachdem er in England den Wert und die Macht der periodischen Der Moniteur. Presse kennen gelernt hatte, wollte er ein solches Institut, das auch äusserlich mit einem der grossen englischen wetteifern konnte, in Frankreich gründen. Der erste Redacteur war Maret, später Herzog von Bassano. Das Blatt erreichte die damals ganz ausserordent- liche Auflage von 1 5 000 Exemplaren und wurde ein Quellenwerk für die Geschichte, das an Interesse wenige Konkurrenten hat.

Als Verleger war Panckoucke äusserst splendid und bei Hofe sehr angesehen. Er druckte Buffons sämtliche Werke; die erste grosse Sammlung von Reisewerken und begann auch die Encyclo- pedie methodique , welche 166 Bände in Quart und 51 Teile mit 6429 Kupfertafeln umfasste, deren Herstellung ein halbes Jahrhundert in Anspruch nahm. Der Erfolg war anfänglich ein ganz ausser- ordentlicher. Ein einziger Madrider Buchhändler, Sancha, hatte Subskriptionen bis zu einem Betrage von anderthalb Millionen Livres gesammelt. Die lange Reihe von Jahren , welche das Unternehmen bis zu seiner Vollendung erforderte, schmälerte jedoch sehr den Ertrag, da wenige Unterzeichner das Ende des Werkes erlebten.

Panckoucke selbst war als Schriftsteller sehr thätig und lieferte ausser selbständigen Werken und Übersetzungen noch zahlreiche Artikel zu den periodischen und encyklopädischen Werken seines Verlages.

Sein Sohn Charles Louis Panckoucke vertauschte die als Beruf ergriffene Rechtswissenschaft mit der Buchdruckerei und dem Buch- c.l. Panckoucke handel. Er vollendete die Encyclopedie und druckte unter Mitwirkung f ii. Juli i844! der besten wissenschaftlichen Kräfte das Dictionnaire des sciences medicales, die Flore medicale , die BiograpJiie medicale. Während des Rückganges des nationalen Glanzes in den Jahren 18 14 15 begann er die Herausgabe der Victoires et Conquetes, welche einen ausserordentlichen Erfolg hatten. Weiter veranstaltete er eine neue

186 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VI. KAP.

Ausgabe der Expedition cPEgyptc. Auch er war als Schriftsteller mehrseitig thätig. Sein Sohn Charles Louis Ernest (geboren 1806) verliess den Buchhandel, behielt jedoch die Buchdruckerei und den Druck des Moniteurs.

Der Ursprung der Familie Barbou ist in Lyon um die Mitte Familie Barbou. des XVI. Jahrhunderts zu suchen. Eins der Mitglieder derselben, Jean Joseph Barbou, etablierte sich 1717 als Buchhändler, 1723 als Buchdrucker in Paris. Der Sohn Joseph Gerard Barbou machte sich einen Übeln Namen durch die Art und Weise, wie er einberufene deutsche Arbeiter behandelte. Sein Neffe Joseph Gerard d. j. begann eine schöne Kollektion lateinischer Klassiker in j6 Bänden mit Vignetten, die 1808 auf J. A. Delalain überging, der das Geschäft erst allein, seit 1836 mit seinem Sohne A. H. J. Delalain führte. Diese Firma druckte mehrere tausend Klassiker - Ausgaben und Unterrichtswerke ; derselben verdankt man auch das Annuaire de la librairie et de fimprimerie und mehrere Fachschriften. Die Familie gehört zu den geachtetsten ihres Faches in Frankreich.

Philipp Nicolas Lottin etablierte 1724 eine Druckerei. Sein p. n. Lottin SohnAuG.MARTiNwardertypographischeLehrmeisterLudwigsXVI., der damals, ein glücklicher Knabe von zwölf Jahren, mit der Presse spielen konnte, die ihn später aufs Schafott bringen sollte. Lottin ist der Verfasser eines jetzt sehr selten gewordenen Werkes: Catalogne clironologique des librdires et imprimeurs de Paris depuis

Das Geschäft Treuttel & Würtz wurde 1770 in Strassburg, j. G.Treuttei 1795 in Paris , 1817 in London errichtet. J. G. Treuttel war in j. 9.' Würtz Strassburg geboren, ebenso sein Schwiegersohn J. G. Würtz; ein zweiter Schwiegersohn E. Jung trat nach Treuttels Tod als Teilhaber in das noch in der Familie unter der Firma Jung-Treuttel fort- wirkende Geschäft. Unter den vielen bedeutenden Arbeiten des- selben nennen wir nur einige : d'Agincourts L'/iistoire de Vart par les monumcns ; die Werke der Frau von Stael, 17 Bände; Les archives des deconvertes , 31 Bände; die bedeutendsten Werke Sismondis ; die Bipontiner (Zweibrücker) Ausgaben der Klassiker in 1 1 5 Bänden ; die Encyclopedie des gcns du mondc.

Eines der bekanntesten Häuser Frankreichs ist das Strassburg ebenfalls angehörende Berger -Levrault, welches seit mehr als

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VI. KAP. DIE SCHOPFER DER NEUERN TYPOGRAPHIE. I ÖJ

200 Jahren in einer Familie fortgeführt wurde1. Der Gründer des- Familie Berger-

Levrault.

selben war Friedr.Wilh. Schmück um 1675 ; die Druckerei entstand

168^. Der Sohn Friedrich Schmuck und dann sein Bruder Wilh. Fr. Schmuck

* 1678. Schmuck folgten, letzterer wurde Buchdrucker des Königs und der wüh. schmuck

* 1682, -j- 1751. Universität. Nach Fr. Schmucks Tode ging das Geschäft auf seinen

Schwiegersohn Joh. Rob. Christmann aus Kempten und dann auf j. r. Christmann

•j- 1661. dessen ältesten Sohn Franz Robert Adrian über, der als Teil- f. r. christmann

* 1728. nehmer seinen Schwager Franz Georg Levrault aufnahm, worauf

die Firma Christmann & Levrault, dann nach Christmanns Tode Georg Levrault wurde und bis 1858 fortbestand. Von den vier Söhnen Georgs, die sich alle der Druckerei widmeten, wurde der älteste Franz Laurent Xavier, welcher in der Schreckenszeit aufF.L.x. Levrault Grund seiner royalistischen Gesinnungen hatte fliehen müssen, Chef -f- 17- Mai 1821. des Hauses. Unter ihm fand ein bedeutender Aufschwung des Geschäfts statt. Ein grosser Teil des Exports französischer Bücher nach Deutschland und Russland ging durch seine Hände und seine Pressen brachten zahlreiche Verlagsartikel hervor. Eine Spezialität des Hauses bildete die Lieferung von Militärformularen, die sogar der grossen Armee nach Russland nachgesendet wurden. Levrault war ein Mann von ungewöhnlicher geistiger Begabung und Arbeits- kraft, die er nicht nur dem Geschäfte, sondern auch seinen Mitbürgern, unter denen er im höchsten Ansehen stand, widmete. Eine treue und tüchtige Gehülfin hatte er in seiner Frau, welche, als Überanstrengungen 1821 seinen Tod herbeiführten, sich beherzt an die Spitze des Hauses stellte und während 29 Jahren das Erbe wi der Familie mit sicherer Hand erhielt und förderte. Von 1825 bis 1837 wurde sie durch einen Schwiegersohn Friedr. Berger kräftig unterstützt, ein anderer Schwiegersohn C. Pitris leitete das in Paris gegründete Haus. Nach Bergers Tode übernahm dessen Witwe die Führung der Druckerei, während die Witwe Levrault bis Witwe Bergef- zu ihrem Tode der Buchhandlung vorstand. Die Witwe Berger •]• z8. Mai 1879 nahm nun ihren Sohn Oscar Berger -Levrault zum Teilnehmer, wodurch die Firma sich in Berger -Levrault Sohn änderte. Unter der Leitung Jul. Norbergs nahmen die Geschäfte einen immer grösseren Umfang an. Mit gewaltigen Anstrengungen siegte man

1 L. Mohr, Das Haus Berger-Levrault. Strassburg 1876. Ulmprimerie de

Berger-Levrault &> Co. Nancy 1878. Ann. d. Typ. B, vm. 1876, Nr. 352.

\ve Levrault

■r 1850.

Iöö DIE ROMANISCHE GRUPPE. VI. KAP.

Berger-Levrauit. in dem Kampf gegen Konkurrenten um Behauptung der administra- tiven Arbeiten. Bedeutende Erfolge belohnten die Thätigkeit und ein grossartiges Geschäftshaus wurde erbaut. Kaum war der Umzug bewerkstelligt, da brach der Krieg aus. Die Schwierigkeit resp. Unmöglichkeit, während desselben und der darauf folgenden Friedensverhandlungen die administrativen Arbeiten auszuführen, waren ausserordentlich ; nach der Abtretung des Elsass an Deutsch- land musste das Haus mit diesen Arbeiten nach Frankreich auswandern und 1873 fand die Übersiedelung nach Nancy statt. Bereits am 20. Mai 1876 ward das dortige äusserst zweckmässig eingerichtete Etablissement ein Raub der Flammen, es wurde jedoch mit einer fabelhaften Energie und mit noch besseren Einrichtungen als vorher neu aufgeführt.

Das Strassburger Etablissement, welches jetzt nach 200 Jahren wieder zu den deutschen zählt, besteht unter alleiniger Leitung des Herrn Rud. Schultz als Kommandit- Gesellschaft unter der Firma R. Schultz & Co. (Berger-Levrault Nachfolger).

Der Gründer der Firma Dentu, Jean Gabriel Dentu, etablierte j. g. Dentu um 1795 eine Buchdruckerei und später eine Buchhandlung in Paris. Sein Journal des Dames hatte einen ausserordentlichen Erfolg. Er gab eine grosse Reihe von Reisewerken sowie Schriften natur- wissenschaftlichen Inhalts heraus und druckte und verlegte nach der zweiten Restauration fast alle legitimistischen Broschüren. Der g. Demu d.j. Sohn Gabriel Dentu, der 1826 das Geschäft übernahm, blieb den

* 1796, 4* 1849.

politischen Traditionen der Firma treu, wurde dadurch nach der Julirevolution 1830 in 27 Pressprozesse verwickelt und musste ausser zahlreichen Geldstrafen neun Monat Gefängnis aushalten. Einer seiner Söhne Ed. Dentu folgte ihm als Buchhändler; die Buchdruckerei wurde verkauft.

Als Verleger einer Reihe reizender und koketter Ausgaben h. m. CaZin in 1 8 ° mit schönen Illustrationen und allerliebsten Ornamenten der besten Künstler ist Hubert Martin Cazin bekannt.

Mit grosserund wohlbegründeter Pietät nennen die französischen Fachgenossen den Namen Crapelet.

Charles Crapelet war in Bourmont geboren. Seine Erziehung war sehr vernachlässigt, er versuchte jedoch durch unermüdliche Arbeit das Fehlende zu ersetzen. Erst 17 Jahre alt übernahm er

f 5. Okt. 1795.

VI. KAP. DIE SCHOPFER DER NEUERN TYPOGRAPHIE. IÖO,

die Leitung des bedeutenden Geschäfts des Buchdruckers Stoupe. Charles Crapeiet Er beteiligte sich auf das lebhafteste bei den Bestrebungen, die Typo- | 19- 0k'- 1809! graphie durch Geschmack und Eleganz zu heben, und war zugleich einer der vorzüglichsten Korrektoren. Als Beweis seines Pflicht- eifers wird erzählt, wie er sich von dem Festschmause am Abend seines Hochzeitstages gegen Mitternacht heimlich entfernte. Als er nicht wiederkam, geriet die Gesellschaft in Verlegenheit, die junge Frau in die grösste Unruhe. Nachdem der anwesende Prinzipal Stoupe sich eine Zeitlang an dieser Situation ergötzt hatte, machte er schliesslich dem Entsetzen ein Ende durch die Erklärung, Crapeiet sei in die Druckerei gegangen, um die Korrektur einiger Bogen zu erledigen, die man morgen drucken müsse. Der Vermisste erschien dann endlich auch früh gegen drei Uhr.

Im Jahre 1789 wurde er der Nachfolger Stoupes. Nach dem Beispiele Baskervilles suchte er Einfachheit mit Eleganz zu ver- binden und übertraf sein Vorbild durch die Gleichmässigkeit und die grosse Korrektheit seiner Drucke. Seine Ausgaben werden von allen Bücherfreunden in Ehren gehalten und seine Pergamentdrucke und die Golddruck-Exemplare von -Audiberts Histoire des colibris sind typographische Seltenheiten.

Vom Glück war Crapeiet nicht begünstigt und Missbrauch seines Vertrauens brachte ihm ausserdem schwere Verluste. Um diese zu ersetzen, arbeitete er über seine Kräfte. Ein Druckfehler in dem ersten Bogen seiner Ausgaben des Telemaque, wo, statt Penelope, Pelenope gedruckt war, versetzte ihn in eine solche Aufregung, dass nur die ernsthaftesten Vorstellungen seiner Freunde ihn von seinem Entschluss, die Buchdruckerei aufzugeben, abzubringen vermochten. Leider zu seinem Schaden, denn er starb, erst 49 Jahre alt, durch geistige und körperliche Anstrengungen aufgerieben, als Märtyrer seines Berufs. Unter den vielen Werken aus seinen Pressen seien die schönen Ausgaben der französischen Klassiker und Audiberts Histoire naturelle des oiseaux chantans, Folio, 1805, genannt.

Notgedrungen musste der Sohn Georg August Crapelet, kaum 20 Jahre alt, das Geschäft übernehmen. In seinen Leistungen g. a. Crapeiet übertraf er noch den Vater, war ausserdem ein bedeutender Fach- schriftsteller und Archäolog. Seine Ausgaben französischer Klassiker sind berühmt und die Grosspapier- Exemplare davon sind als Pracht-

I9O DIE ROMANISCHE GRUPPE. VI. KAP.

drucke gesucht. Crapelet der Sohn gehörte, wie der Vater, zu denjenigen Buchdruckern, die mehr zur Ehre der Kunst als zum eigenen Vorteil den alten Traditionen treu blieben. Seine Fach- werke sind sehr geschätzt. Von den Etüde s pratiques et litteraires sur la typographie, Paris 1837, wurde leider nur der erste Teil veröffentlicht, den Abschluss des Werkes verhinderte des Verfassers Tod. 1840 erschien De la profession d'im imprimeur.

Den Grund zu den bedeutenden bibliographischen Arbeiten Frankreichs legte Wilhelm Franz de Bure, einer bereits seit 1660 bestehenden Buchhändler- Familie angehörend. Er verfasste 1753 das Museum typographicum und 1785 seine Bibliographie instructive, sowie mehrere von den Bibliographen sehr geschätzte Kataloge, unter andern die über die Bibliothek des Herzogs von la Valliere, in damaliger Zeit die bedeutendste Privatbibliothek Frankreichs.

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VII. KAPITEL.

DIE MODERNE TYPOGRAPHIE FRANKREICHS UND DAS BUCHGEWERBE.

Das Aufleben des Buchgewerbes. Die Prachtwerke. Neue Bahnen. Der Cercle de la Librairie. Die Fachliteratur. Statistisches. Die Journallitteratur. Die moderne Typographie: A. Marne & Co., H. Fournier, P. Dupont, J. Claye, N. Chaix, H. Plön u. a. Der illustrierte Verlag: Ch. Furne, J. Dubochet, J. Paulin. Die Luxusbücher: L. Curmer, G. Silbermann, Engelmann Vater & Sohn. Die verschiedenen Richtungen des Buchhandels: Baillere, Masson, Hachette & Co. u. a. Der archaistische Druck: L. Perrin, D. Jouast. Die Bibliographie: Die Buchhandlungen für das Ausland.

CHWERE Zeiten hatten in der Sturmperiode Frank- reichs auf der Buchdruckerei und dem Buchhandel gelastet und nur wenigen Auserwählten der alten Garde war es, wie wir gesehen, vergönnt gewesen, aus der Krisis ungeschädigt hervorzugehen. Als nun das Buchgewerbe wieder aufzuatmen begann, war es, da die neue Litteraturperiode noch nicht angebrochen war, natürlich, dass die Schaffenslust sich zuerst der Herstellung von schönen Ausgaben der vorhandenen Schriftsteller, die zu den französischen Klassikern gezählt wurden, zuwendete.

Theodor Desoer war der erste, der eine solche Prachtausgabe: einen zwölfbändigen Voltaire, herausgab, die alle Welt in Erstaunen versetzte, welche die Frage lebhaft diskutierte, ob der Verleger bald

Aufatmen des Buchhandels.

192

DIE ROMANISCHE GRUPPE.

ein reicher oder ein bankerotter Mann werden würde. Jean Jacques j.j. Lefevre. Lefevre wollte Ausgaben bringen, die selbst die Didotschen über- treffen sollten. In den Jahren 1826 1829 gab er zuerst in 73 Bänden in Oktav die französischen Klassik ermit reichhaltigen Kommentaren heraus, dann die ohne Rivalen gebliebenen Sammlungen älterer und neuerer Klassiker aller Länder in 32 °. Gleichzeitig veröffentlichte L. Janet seine luxuriösen Ausgaben der geistlichen Schriftsteller.

Eine Prachtausgabe jagte nun die andere. Von Voltaire allein 'rachtausgaben. erschienen nicht weniger als vierzig Ausgaben in den verschiedensten Formaten und zu den verschiedenartigsten Preisen. In ununter- brochener Reihe folgten Buffon, Madame de Sevigne, Boileau, Bossuet und viele andere ältere Schriftsteller mit prachtvollen Stichen, unter Mitwirkung von Künstlern wie Desenne, Deveria, Henriquel-Dupont, Calamatta, Lecomte, Girardet, Lorichon u. a. Daneben behaupteten jedoch auch die älteren Ausgaben ihren Wert bei den vielen Bücherliebhabern. Zu zahlreichen Werken mit und ohne Illustrationen gaben die Thaten Napoleons und der grossen Armee Anlass. Die arbeitenden 1500 Pressen, davon 800 in Paris, reichten öfters nicht aus, um dem Andrängen der Verleger zu genügen. Im Jahre 18 II erreichten die gedruckten Bogen die Zahl von neunzehn Millionen, 1826 war sie auf 145 Millionen gestiegen, nicht gerechnet die enorme Zahl der politischen Broschüren, der Zeitungen und der Revues.

Trotz der Schönheit der Klassiker -Ausgaben traten diese mit der Zunahme der modernen Schriftsteller von Bedeutung wie Benj. Constant, Chateaubriand, Lamartine, Cas. Delavigne und viele andere in den Hintergrund. Was Lefevre für die alten Verfasser c. Ladvocat. gewesen , wollte nun Charles Ladvocat für die lebenden sein. Er war der richtige Typus eines modernen Buchhändlers, kühn, unermüdlich, freigebig, von Liebe zu seinem Geschäft beseelt. Er verstand jedoch nicht, dabei klug haushälterisch zu sein. Er gab zwar der Litteratur einen mächtigen Stoss nach vorwärts, sollte aber so wenig wie Lefevre die Früchte des regen Schaffens gemessen, und beide starben arm.

Dem Roman war es beschieden, einen mächtigen Einfluss auf

Der Roman, das Druckgewerbe zu üben. Am Tage der Herausgabe eines neuen

Romans von Victor Hugo, Jules Janin, Ch. Nodier, H. de Balzac,

VII. KAP. DIE MODERNE TYPOGRAPHIE FRANKREICHS. 193

Paul Lacroix, Leon Gozlan, Eug. Sue, Alf. Karr u. a. waren die Buchhandlungen förmlich belagert. Die höchsten Honorare wurden bezahlt, oft für Bücher, von denen noch keine Zeile geschrieben war.

Doch hiermit sollte es nicht genug sein. Emil Girardin öffnete dem Roman noch neue Bahnen. Er hatte den Gedanken gefasst, Das Feuilleton. ein Journal von dem Umfange der grossen Blätter, aber nur zu vierzig statt zu achtzig Franken, herauszugeben. Das wirkte in der Journalistik gleich einer Revolution im Staate. Im Jahre 1835 erschien Girardins La Presse; Le Siede war die erste Konkurrenz. Das Publikum sollte namentlich durch das Feuilleton angelockt werden und es entstand eine wahre Hetzjagd nach Romanen für dasselbe und selbst die ernsthaftesten Journale mussten dem Strom folgen. Soulies Memoires du diakle und Sues Mysteres de Paris in dem Journal des Debats wurden geradezu verschlungen. Die Männer des Romans genügten nicht und es entstand eine ganze Legion von romanliefernden Blaustrümpfen. War der Roman im Feuilleton beendigt, so kam eine Nachlese für Autor, Verleger und Drucker durch Herausgabe als Buch.

Die Kunst des Zeilenmachens * wurde im grossen Stil geübt, als besonderer Virtuos zeigte sich hierin Victor Hugo. Da nach den Zeilen bezahlt wurde, so waren Zeilen wie „Ja" „Nein" „Er ging" „Sie lächelte" etc. sehr profitabel.

Doch das Romanfieber Hess nach und es machte sich nun, unterstützt durch die Fortschritte der Holzschneidekunst und das vortreffliche Material an Schrift, Papier und Pressen, die Sucht geltend, alles mit Holzschnitten zu illustrieren.

So prachtvoll die Stahlstiche auch gewesen, man sehnte sich doch nach einfacherer Kost. Der Holzschneider Porret war einer Der Holzschnitt der ersten, der auf Antrieb Achille Deverias zur Reorganisation der Xylographie die Initiative ergriff. Die talentvollen Zeichner eigneten sich mit Eifer die Methode für den Holzschnitt zu zeichnen an. Desenne, Deveria, Alfr. und Tony Johannot, Jul. David, Raffet, Charlet, J. J. Grandville, Horace Vernet, Vict. Adam, Ary Scheffer, Gavarni und andere Künstler ersten Ranges erschienen auf dem Kampfplatz. Da gab es ein lustiges Turnier. Alle Klassiker, fremde Die illustrierten und einheimische, wurden mit Holzschnitten illustriert; geschichtliche,

i EUG. DE MlRECOURT, Fabriquc de romaus. Paris 1S45.

194 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VII. KAP.

ethnographische und naturwissenschaftliche Werke folgten in bunter Reihe, daneben die illustrierten Blätter. Schliesslich kamen die illustrierten Romane zu 20 Cent, für die Lieferung an die Reihe und auch die Jugendschriften nahmen ein anderes Gesicht an. Der Sieg des Holzschnittes über den Stahlstich war ein vollständiger.

Gegen das Ende des Bürgerkönigtums hatte das Geschäft wenigstens anscheinend eine hohe Blüte erlangt. In der Zeit von 1830 1848 betrug die Zahl der erschienenen Werke 105 000 und sie hat sich mit stellenweisen Unterbrechungen durch die politischen Wandlungen auf einer hohen Stufe erhalten.

Zu dem Ansehen des französischen Pressgewerbes hat, wie Der Cercu de ia bereits in der „Einführung" angedeutet wurde, der Cercle de la librairie, de V imprimerie , de la musique et des estampes J vieles bei- getragen. Aus dem angeführten Titel geht schon hervor, dass der Cercle als Sammelplatz für alle die mannigfachen Kräfte dient, welche bei den graphischen Künsten im weitesten Sinne beschäftigt sind. Nicht nur in allen Verhältnissen der Regierung gegenüber, sondern auch bei allen Weltausstellungen hat der Cercle die Interessen des Buchgewerbes mit Energie, Geschick und Glück vertreten. Er wacht mit Eifersucht dem Auslande gegenüber, jedoch ohne Eifersüchtelei unter den Mitgliedern des Vereins, über die Behauptung der hervorragenden .Stellung des französischen Druck- gewerbes, wenn dieses auf dem Weltmarkt sich zeigt.

Der am 5. Mai 1847 unter dem Vorsitz von Ambr.- Firmin Didot gegründete, 1853 reorganisierte Verein erwarb 1856 das Eigentumsrecht auf die seit dem Jahre 18 n, damals im Besitz der Familie Pillet, erscheinende Bibliographie de la France. Das 1858 unternommene L Annuaire de la librairie wird nicht regelmässig fort- gesetzt und hat für den Buchhandel Frankreichs nicht die Bedeutung wie in Deutschland O. A. Schulz' Adressbuch. 1863 wurde das Comite judiciaire des Cercle eingerichtet. Am 12. Juni 1878 wurde der Grundstein zu einem prachtvollen Versammlungshaus, Ecke der Rue Gregoire - de -Tours und des Boidevard St.-Germain, gelegt und dasselbe am 4. Dezember 1 879 feierlich eingeweiht. Es werden seit der Zeit höchst interessante Ausstellungen dort abgehalten. Im Jahre 1880 war die Zahl der wirklichen Mitglieder 317, darunter

1 Le Cercle de la librairie. Notice hist. Paris 1S81. J. B. Baillere, Le Cercle, etc.

VII. KAP. DIE MODERNE TYPOGRAPHIE FRANKREICHS. 195

119 Buchhändler, 40 Buchdrucker, 26 Lithographen, 55 Papier- fabrikanten, 1 1 Buchbinder, 8 Maschinenfabrikanten etc. Ausserdem hatte der Cercle 21 Ehrenmitglieder und 145 korrespondierende Mitglieder. Das Vereinsvermögen betrug 350000 Franken.

Als Organ der Typographie besteht seit 1864 das durch Gabr. Charavay geleitete U Imprimerie , Journal de la typograpliie et Fachliteratur. de la lithographie. Es beschäftigt sich namentlich mit den Ver- f ^'. Mai 1878. hältnissen der Buchdrucker zum Staate und mit den gewerblichen Interessen, ist in technischer Beziehung jedoch nicht so reichhaltig wie die leitenden englischen Journale. Letzteren nachzukommen ist das seit 1873 begonnene Journal La Typologie Tncker mit Glück bemüht. Es bringt wertvolle Artikel, so wurden z. B. die bekannten Lettres d'uu bibliophile von R. R. Madden zuerst hier mitgeteilt. Von den übrigen Fachjournalen sei noch erwähnt das durch Fusion von drei typographischen Blättern 1882 entstandene Bulletin de V imprimerie et de la librairie, redigiert von Leon Degeorge. Was von den englischen Fachjournalen gesagt wurde, dass sie sich von allen persönlichen Gehässigkeiten und Reibungen freihalten, gilt auch von den französischen, obwohl sie zum grossen Teil direkt im

Nachdem wir in dem vorhergehenden Kapitel die Wirksamkeit und Bedeutung der Bahnbrecher der neueren Periode haben kennen lernen , wenden wir uns den bedeutenderen der modernen Anstalten zu, welche dazu beigetragen, Frankreichs typographischen Ruhm in neuester Zeit zu fördern.

Es könnte anscheinend ein Widerspruch darin gefunden werden, dass die Reihe mit einem Institut angefangen wird, welches bereits zuende des vorigen Jahrhunderts gegründet wurde. Dasselbe ist jeaoch seiner ganzen Organisation und Arbeitsweise nach so innig mit der neuen Zeit verknüpft und übt auf diese seinen Einfluss in einer so hervorragenden Weise, dass es wohl nicht mit Unrecht gerade hier an der Spitze steht, als Prototyp einer im besten Sinne modernen Buchdruckerei: es ist das Druckinstitut von A. Mame & Co. in Tours.

Der Gründer desselben war (1798 Armand Mame, ein junger und energischer Mann. 1 830 assoziierte er sich mit seinem Schwiegersohne

13*

I96 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VII. KAP.

Alfred Mame und Neffen Ernest Mame. 1833 traten seine zwei Söhne Alfred Henri Armand und Ernest als Teilnehmer ein. Nach dem Tode des Vaters übernahm Alfred Mame das Geschäft allein und von da ab datiert sich der enorme Aufschwung desselben. Die Ateliers wurden den Forderungen der Zeit entsprechend eingerichtet und Neubauten vorgenommen. Auch der Buchbinderei widmete Mame besondere Sorgfalt. Seit 1859 ist der Sohn Paul Teilhaber. Schon damals beschäftigte das Institut über 1000 Leute und produzierte täglich gegen 1 5 000 Bände. Der Verlag besteht hauptsächlich in Schriften pädagogischen und religiösen Inhalts, welche, mit einem Preise von 60 Cent, für ein schön gebundenes Bändchen beginnend, bis zu den höchsten Preisen geliefert werden. Mames grösster Vorzug ist eine für alle Arbeiten, die billigsten ebensogut wie die teuersten, sich gleichbleibende Sorgfalt. Seine glänzenden typographischen Siege errang er hauptsächlich durch seinen Schwarzdruck; bunte Farben, Gold und die Hülfsmittel der Schwesterkünste der Buch- druckerkunst wurden von ihm nur als notwendige Konzessionen an den Gesphmack des Publikums betrachtet. Er ist ein echter Schwarzkünstler.

Unter seinen Prachtwerken sind ausser seinem herrlichen Missale in Folio, das mit allem Raffinement ausgestattet ist, besonders zu erwähnen die illustrierten Prachtwerke La Touraine mit Zeichnungen von Frangais, K. Girardet und Catenacci, das schon 1855 von der Jury der Weltausstellung als ein Meisterwerk ersten Ranges anerkannt wurde, und die Bibel mit den epochemachenden Illustrationen Gustav Dores, die mittels Cliches Eigentum fast aller Länder geworden sind. Zu den neueren Prachtwerken, bei welchen Künstler wie Foulquier, Giacomelli und Hallez mitwirken, gehören die Chefs-d'ceuvre de la langue frangaise. Von allen von ihm herausgegebenen Werken lässt Mame ein Exemplar auf Pergament drucken, eine typo- graphische Sammlung von grossem Wert. Auf allen Welt- ausstellungen erreichte Mame das höchste Mass der Auszeichnungen und es ist wohl kaum eine Stimme dagegen laut geworden1.

1 Behufs Verteilung bei Ausstellungen gab Mame einen illustrierten Bericht über sein Etablissement heraus. In dem Jahrgang 1865 des Journ. f. B. Nr. 6 ff. findet sich eine deutsche Bearbeitung mit den Abbildungen des Originals. Bei späteren Ausstellungen erschienen neue Auflagen des Berichts.

VII. KAP. DIE MODERNE TYPOGRAPHIE FRANKREICHS. 197

Die Leitung der Mameschen Buchdruckerei lag in den Händen Henri Fourniers. Derselbe arbeitete 1812 bei Didot, wo er für h. Foumier den tüchtigsten Setzer galt. 1824 gründete er selbst in Paris eine Buchdruckerei, die später durch Kauf in die Hände Jules Clayes überging. Fournier druckte und verlegte eine Anzahl kompakter Ausgaben der französischen Klassiker und verschiedene illustrierte Werke: Les petits Miseres de la vie humaine , La Chine ouverte, die von einem feinen Geschmack und grosser Tüchtigkeit zeugten. Er zog nach dem Verkauf seines Geschäfts wieder nach seiner Vaterstadt Tours. Auf Grund der typographischen Ausführung von La Touraine wurde er zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Allgemein bekannt auch in Deutschland ist Fournier durch seinen Tratte de la typographie , das einzige die Kunst des Setzers mit Geschmack behandelnde Lehrbuch.

Für den Accidenzdruck haben Paul Dupont und seine Impri- 'merie administrative et des chemins de fer Bedeutung1. Seinem p. Dupont ganzen Wesen nach ist das Institut eins der modernsten und umfasst f 12. Dec. i88< Buchdruckerei und lithographische Anstalt mit mehr als 50 Schnell- pressen, 25 Handpressen und 1200 Arbeitern. Ein merkwürdiges Unternehmen Duponts sind die Archives parlementaires der ver- schiedenen Repräsentationen Frankreichs von 1787 1860: General- staaten, Direktorium, Konsulat, Kaiserreich, Restauration, Hundert Tage, zweite Restauration, Juli-Regierung, zweite Republik, zweites Kaiserreich; kann man eine grössere Abwechselung verlangen? Dupont hat sich Ruf durch seine praktischen Beiträge zur Lösung der Arbeiterfrage durch Beteiligung der Arbeiter erworben und hat in seinen Bestrebungen unter den französischen Industriellen viele Gleichgesinnte und Nachfolger gefunden, z. B. Laurent & Deberny, Schriftgiesserei, seit 1848, Chaix & Co. und Godchaux & Co. seit 1871, Marne und Masson seit 1877.

Anlässlich der Pariser Ausstellung 1867 gab Dupont ein Pracht- werk heraus, enthaltend eine für den Laien interessante Schilderung seiner Anstalt; freilich nicht ohne eine gewisse Ostentation und kräftige Hervorhebung der Lichtseiten. Ferner schrieb er eine Histoirc de Vimprimerie, zwei Bände, 1854, jedoch mehr eine Sammlung von

1 Notice sur les itablissements de P. D. 1S67. P. D. et ses ouvriers assoc. Journ. f. B. 1S65, Nr. 35 37. P. Dupont, Une Imprimerie en 1S67. Paris 1S67.

I98 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VII. KAP.

Material als eine durchgearbeitete Geschichte1 und, abgesehen von der Erfindungsgeschichte , fast ausschliesslich sich mit Frankreich beschäftigend.

Von den vielen grossen Offizinen nennen wir nur diejenigen, die irgend eine charakteristische Seite aufzuweisen haben.

Jules Claye (ursprünglich H. Fournier) ist eine bedeutende Jules ciaye. Buchdruckerei, aus welcher eine grosse Anzahl von Prachtwerken Pariser Verleger hervorging, darunter die grossartigste Erscheinung der jüngeren Typographie, Hachettes Les Evangiles. Wenn wir gleich daneben ein kleines Kunststückchen Clayes , seinen Katalog der Ausstellung des Cercle de la librairie in Wien 1873 nennen, so geschieht es nur, weil das Büchlein zu den Gegenständen gehört, bei deren Betrachtung man sich sagen muss , es giebt ein gewisses Etwas in der französischen Typographie, in welchem man ihr nicht nachkommt, nicht weil man es technisch nicht ebenso gut machen könnte, nachdem es einmal vorliegt, sondern weil man einfach nicht auf den Gedanken kommt, es so zu machen. Clayes Nachfolger im Geschäft ist A. Quantin. Aus der Schule Mames hervorgegangen, gilt dieser als einer der vorzüglichsten und geschmackreichsten Drucker. Die Histoire de Joseph wird als ein würdiges Seitenstück zu Les Evangiles bei Hachette betrachtet.

Zu Claye steht A. Chaix & Co. ungefähr in demselben Verhältnis a. chaix. wie Dupont zu Marne. Die Firma, jetzt wie dieDuponts in den Händen einer Kommandit- Gesellschaft, ist Imprimerie et librairie centrales des chemins de fer2. Wie schon aus der Bezeichnung hervorgeht, legte sich Chaix besonders auf Arbeiten für Eisenbahnen und zwar zu einer Zeit, als viele Eisenbahnbauten in Angriff genommen wurden. Ausserdem druckte er viele Wertpapiere. Selbst das für so manchen ruinöse Jahr 1848 brachte Chaix' Etablissement Vorteil durch die vielen dort ausgeführten Zeitungen und politischen Broschüren, denn seine Druckerei war der Sammelplatz der neuen politischen Grössen, wo auch der nachmalige Kaiser fast täglich verkehrte. 1878 beschäftigte er 48 Schnellpressen und gegen 700 Personen. Das Lokal gewährt das Bild einer grossen Eisenbahnhalle, mit Oberlicht versehen und von Galerien umgeben. In der Mitte arbeiten die

1 Die 1881 erschienene neue Ausgabe ist die alte mit einem neuen Titel.

2 Histoire de V imprimerie centrale, etc. Paris 1 8 78.

VII. KAP. DIE MODERNE TYPOGRAPHIE FRANKREICHS. 199

Setzer ; ringsherum stehen die Maschinen. Jeden Monat wird ein neuer Orientierungsplan ausgegeben, um die Hersteller der ver- schiedenen Arbeiten leicht auffinden zu können. Das grosse Tarif- buch im stehenden Satz enthält 36 Millionen Nonpareil -Typen. Für die mehrfarbigen Plakate, öfters von mehr als zwei Meter Höhe und anderthalb Meter Breite, sind die schon oben erwähnten besonderen Maschinen in Gang. Die Buchhandlung beschäftigt sich fast ausschliesslich mit Eisenbahnlitteratur. Chaix sorgt sowohl durch Beteiligungssystem und Kassen, die jetzt über ein Kapital von 300000 Franken verfügen, als durch zweckmässige Ein- richtungen in dem Lokal und eine billige Arbeiterküche für das Wohl der Gehülfen. Für die Ausbildung der Lehrlinge errichtete er eine Schule mit vier Klassen unter Berücksichtigung der vier Lehrjahre der Zöglinge. Nicht allein, dass der Unterricht frei ist, sondern den Lehrlingen werden Marken verabreicht, die sie beim Beginn der Stunden abzugeben haben. Für jede Marke, die also als Zeichen der Anwesenheit in der Schule gilt, wird dem Lehrling ein kleiner Geldbetrag gutgeschrieben. Für die Schüler schrieb Chaix selbst ein Handbuch der Buchdruckerkunst, gab auch anlässlich der Ausstellung 1878 einen 338 Seiten starken Bericht über seine Anstalt heraus.

Ist Chaix' Druckerei als typisch für eine Druckerei des Augen- blicks zu betrachten , so kann die am Place de la bourse gelegene Agmce Havas. Offizin der Agence Havas, der politischen Korrespondenz Frank- reichs, als das Bild einer Zukunftsdruckerei gelten. Es werden hier nur Setzmaschinen verwendet, und zwar Kastenbeinsche, die durchweg von Frauen bedient werden. Diese Druckerei liefert für die Provinzblätter stereotypierte Satzspalten, die, in Stücke zersägt, sich mit dem eigenen Satz der Blätter zusammen verwenden lassen.

Einen bedeutenden Namen als Werkdrucker erwarb Ph. H.

Plön r. Er war Setzer in der Offizin Bethunes, bei dem das Diction- p. h. Plön

1805. naire de la conversation in 52 Bänden erschien. Bei der Herausgabe

zeigte Plön eine grosse Thätigkeit und wurde Teilnehmer des

Geschäfts. Als auf Grund entstandener Verlegenheiten Bethune sich

zurückzog, übernahm Plön allein das Geschäft, welches sich äusserst

rasch hob und Luxus- und Farbendrucke von Bedeutung lieferte,

1 Quelques motssurla maison Henri Plön. Henri Plön. Paris 1S73.

200 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VII. KAP.

besonders aber gute Werkdrucke. 1S54 wurde Plön Buchdrucker Napoleons ni. und druckte und verlegte dessen Leben Caesars. Sein wissenschaftlich und künstlerisch ausgebildeter Sohn übernahm nach dem Tode des Vaters das Geschäft.

Den Farbendruck hat die Firma so gut wie fallen lassen. Ohne gerade als Meisterstücke hervortreten zu wollen, zeichnen sich, wie die älteren, so auch die neueren Verlagserzeugnisse Plöns, als: Collection des classiques frangais in 32 °; Les Charte s et les archives nationales in 40; die BibliotJieque Jiistorique in mehr als 300 Bänden in 8°; die BibliotJieque des voyages und die BibliotJieque des romans durch Tüchtigkeit in der Ausführung aus.

Die Firma Lacrampe & Co. wurde 1837 a^s Assoziations- Lacrampe. druckerei von 19 Arbeitern, alles tüchtige, arbeitsame und für ihren Beruf enthusiasmierte Männer, begründet. Sie wählten ihren Chef und wirtschafteten gemeinschaftlich. Das Resultat war trotz der redlichsten Anstrengungen und zahlreichen Aufträge kein günstiges. Nicht besser ging es der unter der Firma Frangois & Co. gegründeten Assoziationsbuchdruckerei, gewöhnlich ,.die Zehn" genannt.

Crete Fils ist zwar in Corbeil ansässig, gehört jedoch Cretefiis. thatsächlich zu den Pariser Buchdruckereien, da das kolossale Etablissement nur für Pariser Verleger beschäftigt ist ; Crete kon- kurriert würdig mit Claye in der Herstellung illustrierter Werke, namentlich für Hachettes Verlag,' und wird hinsichtlich einer sich stets gleichbleibenden Güte und Gleichmässigkeit des Schriftdrucks kaum übertroffen.

Gauthier -Villars macht eine Spezialität aus solchen Arbeiten, Gauthier- viiiars. die andere am liebsten von sich weisen möchten; bei ihm heisst es aber, je schwieriger, desto besser. Seine für die wissenschaftlichen Institute und Akademien gelieferten Tabellen-, arithmetischen und mathematischen Arbeiten, unter welchen sich die Werke des de Laplace und Lagrange befinden, sind mit grossem Fleisse und mit typographischem Verständnis ausgeführt, würden jedoch in Deutschland nicht für so epochemachend gehalten werden, wie es in Frankreich der Fall war. Als Schöpfer des modernen mathematischen Satzes muss der bis in sein 78. Jahr bei Gauthier -Villars arbeitende Baiiieui Setzer Bailleul betrachtet werden, der zuerst bei Crapelet aus- gebildet war und bei dem Schriftgiesser Ch. Laboulaye in seinen

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Bemühungen Unterstützung fand. Er wurde zum Ritter der Ehren- legion ernannt. Es sei dies als Zeichen eines anerkennenswerten Vorgehens der französischen Regierung angeführt, dass sie den hochverdienten Arbeiter ganz in derselben Weise wie den ersten Bürger ehrt, und andererseits ist es von den französischen Buch- druckern zu loben, dass sie neidlos die Verdienste ihrer Kollegen und Gehülfen in ein helles Licht zu setzen suchen, damit die Regierung sie kennen und schätzen lernt.

Unter den tüchtigen Firmen seien noch wenigstens kurz erwähnt: C. Motteroz, der sich auch schriftstellerisch durch sein Verschiedene Werk über die chemischen Illustrations- Verfahren1 verdient gemacht hat und unter Zuhülfenahme aller graphischen Künste viele Accidenz- arbeiten für die grossen Magazine in Paris ausführt; Emile Martinet, bekannt durch sein seit 1872 bestehendes Internat für Setzerinnen in Puteaux; Georges Chamerot, Nachfolger von Firmin Didot, der schöne illustrierte Ausgaben lieferte; Wittersheim & Co., deren Zeitungsdruckerei von der Regierung angekauft wurde; Lahure, der mit 40 Schnellpressen und 18 Handpressen viele illustrierte Werke druckt; Dumaine, der die Arbeiten des Kriegs- und des Marineministeriums liefert und selbst einen grossen Verlag von Militaria, Rang-, Ouartierlisten etc. hat; die Societe de publications periodiques , welche, von Panckoucke unter der Firma Societe du Moniteur et de VEncy dope die methodique gegründet, unter der Direktion von Paul Dalloz einen bedeutenden Aufschwung genommen hat und eine grosse Zahl von Zeitungen druckt.

Unter den Offizinen ausserhalb Paris finden sich, abgesehen von den schon erwähnten von Marne und Berger-Levrault, noch manche Offizinen der

ö ... Provinz.

von Bedeutung. Ganz besonders hervorzuheben sind die Firmen L. Danel in Lille und F. C. Oberthur in Rennes. Erstere, seit dem Ende des XVII. Jahrhunderts bestehend , arbeitet mit 33 Maschinen, 26 Handpressen und 450 Arbeitern, alle graphischen Nebengewerbe in ihren Räumen vereinigend, die, nach einem totalen Brand 1871, höchst zweckmässig neu aufgeführt wurden. Der Hauptzweig ist Congrevedruck und die Firma liefert für den Handel und die Fabri- kation eine enorme Zahl von Accidenzien. Um seine Tüchtigkeit im chromographischen Druck zu zeigen, hatte Danel zur Ausstellung 1 Essai sur les gravures chimiques. Paris 1871. 2.' Aufl. Paris 1S79.

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1878 ein Werk Voyage dans un grenier geliefert. Oberthurs Offizin hat ungefähr dieselbe Ausdehnung wie die Daneis und ist 1874 neu aufgebaut; sie versorgt Frankreich namentlich mit Agenden, Kalendern und ähnlichem.

Zu erwähnen sind unter anderen noch Oudin Freres in PoiTlERS mit umfangreichen Verlagswerken als: Historiens des Gaides und Les Cliäteaux historiques de France mit in den Text gedruckten Radierungen ; Allier Pere & Fils in GRENOBLE mit dem Armorial et nobiliaire de Pancien duche de Savoie; Capoulaud Freres (seit 1607) in LlMOGES, welche kleinere Stadt in der Bücherproduktion mit 466 Werken in einem Jahre gleich nach Paris mit 2286 kommt, während das einst graphisch so bedeutende LYON nur 134 Werke, Bordeaux nur 49 aufwies. In Toulouse sind J. M. Sirven und P. Privat, in Caen F. Leblanc - Hardel , in Mans Monnoyer bemerkenswert.

Unter den Herstellern der ausserordentlich zahlreichen illustrier- DruckerundVer-ten Werke, -die in Paris erschienen sind, Verlegern sowohl als Werke. Buchdruckern, befinden sich hervorragende Männer. Wie das Press- gewerbe sich gestaltet hat, ist es oft schwer zu sagen, wem der Ruhm für die schöne Ausstattung am meisten gebührt, dem Ver- leger, der die Herstellung in allen Details mit Sachkenntnis und Geschmack anordnet, oder demjenigen, der den Druck übernimmt. Nicht selten sind die Fälle, dass der Verleger erst den Ruf eines Druckers macht, der anfänglich nur unwillig sich von dem Schlendrian und dem Alltäglichen abbringen lässt, vielleicht gar den Verleger verwünscht, der ihn zwingt, ein guter Drucker zu werden. Oft teilen sich beide, Verleger und Drucker, in die Ehre, und so sollte es immer sein, wenn nicht Verleger und Drucker in einer Person vereinigt sind.

Noch produktiver als der obenerwähnte Fournier war Charles eh. Furne. Furne, erst Angestellter im Zollfach, dann seiner Leidenschaft für schöne Bücher nachgebend, ein unternehmender Bücherproduzent. Den Text zu dem von ihm verlegten Don Quixote hatte er selbst übersetzt. Wie es in Paris so oft der Fall war, ging das Geschäft 1836 in eine Aktiengesellschaft über, deren Direktor Furne wurde. Eine der vorzüglichsten Leistungen der jetzigen Firma Furne,

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Jouvet & Co. ist Michauds Histoire des Croisades , illustriert von G. Dore, in Folio.

E. Bourdin brachte J. Janins LAne mort, Sternes Voyage senti- mentale, La Normandie et la Bretagne, Memorial de Saint -Helene e. Bourdin. von Las-Cases, illustriert von Charlet, das grosse Reisewerk des Fürsten Demidoff und andere Prachtwerke.

Jules Hetzel, selbst ein geachteter Schriftsteller (Pseudonym P. J. Stahl), lieferte Grandvilles Scenes de la vie publique et privee J. Hetzei. des animaux und dessen Les Animaux peints par eux-memes. H. Delloye veröffentlichte Balzacs La Peau de chagrin, La France pittoresque, La France monumentale , La France militaire. Ein grossartiges, jedoch nicht illustriertes Verlagswerk war Nap. Landais' Dictionnaire de la langue frangaise. Durch politische Verhältnisse gezwungen siedelte Hetzel 185 1 nach Brüssel über, kehrte jedoch 1859 nach Erlass der Amnestie zurück und gründete die Librairie d'education et de recreation. 1 864 begann er das Magasin illustre d' education et de recreation, eine Sammlung tüchtiger Werke für die Jugend.

Epoche machte die bei J. J. Dubochet erschienene Histoire de Napoleon, illustriert von Horace Vernet. Ein allerliebstes Werk j.j. Dubochet. war Töpffers Voyage en zigzag. Von Dubochets nichtillustrierten Werken sind zu erwähnen eine vortreffliche Kollektion von älteren Klassikern in Übersetzungen von Nisard, 27 Bände Oktav, und die Million de faits. Mit ihm gleichzeitig wirkte J. B. A. Paulin, erst j. Pauiin *i793. Mann der Wissenschaft und Advokat, dann Verleger, der zusammen mit Dubochet L Illustration (1843) gründete. Diese Zeitschrift ging später in die Hände von A. Marc & Co. über. Sie nimmt einen ehrenwerten Platz unter den illustrierten Blättern ein, ohne jedoch ihr Vorbild, die Illustrated London Nezvs, zu erreichen, hat auch nur eine Verbreitung von 1 8 000 Exemplaren. Paulin gab auch eine prachtvolle Ausgabe von Thiers' Histoire du Conszdat et de V Empire in 17 Bänden heraus. Das frühere Werk L Histoire de la Revolution frangaise von dem damals unbekannten Advokaten erschien bei Lecointe & Pugin und auf dem Titel wurde der Name Felix Bodin als Deckung vor den Namen Ad. Thiers eingeschmuggelt. Der Erfolg war ein solcher, dass Thiers ferner keine schützende Flagge für seinen Namen und seine Werke gebrauchte.

rrsqitc.

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Unter den illustrierten kleineren Blättern , die in Nachahmung Magasinpiüo- des Penny Magazine erschienen, ist das Magasin pittoresque das hervorragendste und das am schönsten ausgeführte nicht allein in Frankreich. Ein Phänomen ist es, dass nicht allein der Redacteur Charton und die Xylographie von Andrew Best & Leloir, sondern auch die Direktion der Setzer und Drucker von 1833 bis auf die jüngste Zeit dieselben geblieben sind. Der Unternehmer hiess Lachevardiere; die Ehre gebührt jedoch Charton und Best (7- 2. Oktober 1879), Martinet lieferte den vortrefflichen Druck. Zu demselben wurde die erste Schnellpresse in Frankreich ein- geführt, die von Applegath & Cowper in London gebaut war. Neben dem genannten Blatt nahm namentlich Lc Musee des familles einen respektablen Platz ein. Bourdillat, der auch die Oeuvres de Gavarni herausgab, gründete Le Monde illustre, Hachette das sehr verbreitete Journal pour tous. Ein xylographischer Künstler von grossem Ruf war L. H. Breviere1.

Der Bahnbrecher für die eigentlichen Luxusbücher, die unter Benutzung der Chromoxylographie und der Chromolithographie entstanden, war Leon Curmer (1834). Er gehörte einer alten irländischen Adelsfamilie an, war aber in Paris geboren. Wenige Verleger haben in dem Grade ihre Zeit begriffen, wie er sie verstand, und wenige haben in gleicher Weise, wie er es that, auf die Aus- bildung des Kunstdrucks gewirkt ohne selbst die Kunst zu üben. Stets wusste er eine Anregung, eine neue Idee zu bringen. Wie reich er an Initiative war zeigt jeder seiner Verlagsartikel/ Er verstand es, sich mit Künstlern zu umgeben, die ganz auf seine Intentionen eingingen, und so entstanden seine Werke aus einem Gusse. Eine seiner bewunderten Unternehmungen war Paul et Virginie, illustriert mit Holzschnitten von Tony Johannot und Meissonier, und auf das vortrefflichste von Everat gedruckt. Es folgten dann Lc Jardin des plantes, La Grece pittoresque , Lirlande pittoresque , Les Anglais und Les Francais peints par eux-mancs, Lcs Beaux-Arts, Lcs Contcs des fees von Perrault und andere Werke. Prachtvoll waren seine religiösen Bücher mit Randleisten in Farbendruck und anderem Schmuck. Alle überragt Ü Imitation de Jesu-Christ

1 J. Ad F.Line, L. II. Breviere. Ronen 1876.

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mit einer grossen Anzahl Nachbildungen von Miniaturen und Ein- fassungen in Farben und Golddruck , ebenso Le Livre cPheures de la Reine Anne de Bretagne.

Sowohl in dem chromoxylographischen als in dem chromo- lithographischen Druck besass Frankreich Meister ersten Ranges, so für ersteren G. Silbermann und E. Meyer, für letzteren Engelmann Vater und Sohn.

Kaum giebt es unter den neueren Typographen einen Namen, ausser dem Didotschen, der überall einen so guten Klang hat wie der g. snbermann Gustav Silbermanns in Strassburg1. Die Anfänge des Hauses sind t 23.JU1Ü1876. in einer dortigen kleinen Buchdruckerei des Andreas Ulrich zu suchen, welche die Grossmutter Silbermanns 1798 ankaufte. Letzterer lernte bei Didot und ging dann zu seiner Ausbildung nach England und Deutschland. Als 1840 Engelmann, ebenfalls ein Elsässer, mit seinen Chromolithographien die allgemeine Aufmerksamkeit erregte, gründete Silbermann 1 846 ein Etablissement in Paris, zur Herstellung chromoxylographischer Drucke, gab dies jedoch bald in die Hände seines Mitarbeiters, Ernst Meyer, der trotz seiner Tüchtigkeit nicht recht prosperierte und 1863 das Etablissement an Marc verkaufte. Silbermann war nach Strassburg zurückgekehrt und vervollkommnete fortwährend den Buntdruck. Eine seiner ersten Arbeiten dort war eine Ausgabe von Pfeffels Fabeln mit bunten Einfassungen. Für die englischen Modezeitungen lieferte Silbermann in grossen Auflagen farbige Stickmuster. Einer seiner bedeutendsten Drucke ist die Nachbildung des Banners der Stadt Strassburg, ein Blatt von 60x50 Centimeter. Da das Banner selbst 1793, das Bild, nach welchem es angefertigt war, 1870 zugrunde ging, so hat das Blatt einen um so grösseren Wert. Als eifriger französischer Patriot verliess Silbermann nach dem Kriege Strassburg und verkaufte sein Geschäft an M. Schauenburg in Lahr, erwarb es jedoch 1S72 wieder, um es in die Hände seines früheren Schülers und durch 35 Jahre treuen Mitarbeiters Fischbach zu geben2.

1 Ann. d. Typ. Nr. 361. VIII. Band.

2 1S40 erschien anlässlich der Einweihung der Gutenbergstatue in Strassburg ein Album typographique von Silbermann, um die Fortschritte der Kunst zu ver- anschaulichen. 1872 sammelte er unter dem Titel Album cPimpressions typographiques en couleur eine Anzahl Blätter seiner Drucke, die von seinen Leistungen eine, wenn- auch nicht ganz genügende, Vorstellung geben.

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DIE ROMANISCHE GRUPPE.

War auch die lithographische Kunst dem Worte nach durch g. Engelmann den Grafen Lasteyrie 1814 nach Frankreich gebracht worden, so

* 17. Aug. 1788, «.

f 25. ApHi 1839. ist dem- Sinne nach Gottfried Engelmann i aus Mülhausen der eigentliche Einführer. Im Jahre 18 16 etablierte Engelmann ein Atelier in Paris, 1820 brachte er die Lithographie nach Spanien, 1826 gründete er ein Haus in London. Er muss als der bedeutendste Förderer der Kunst Senefelders bezeichnet werden und steht zu dieser etwa in dem Verhältnis wie Schöffer zu der Erfindung Gutenbergs. Engelmann ist der eigentliche Schöpfer der Chromolithographie. 1837 ward ihm für seine Erfindungen ein zehnjähriges Patent erteilt und 1838 erhielt er den Preis der Gesellschaft zur Aufmunterung der Künste.

Den Ruhm des Vaters behauptete der Sohn Johann Engelmann. Seine im Verein mit Aug. Graf betriebene Chromolithographie blieb lange die einzige in Paris. Ganz besonders widmete sich diese der Reproduktion von Glasgemälden und Miniaturen älterer Manuskripte. Das erste Livre dJ /teures in Chromolithographie ging nach drei- jähriger Arbeit aus dem Atelier hervor. Ein Meisterwerk sind auch die Statuts de Vordre du Saint -Esprit 1853.

Ganz vorzüglich sind die sogenannten Diaphanie-Bilder von Engelmann und Graf, welche in transparenter Chromolithographie die Glasmalerei täuschend nachahmen. Mit acht bis höchstens neun Farben, mehr dürfen der Durchsichtigkeit wegen nicht verwendet werden, brachten sie, nachdem die Bilder mit Firnis getränkt waren, die vortrefflichsten Effekte hervor.

Ein bedeutender Künstler in jeder Branche der Lithographie ist A. Lemercier. In den polychromen Unternehmungen fast aller

Joh. Engclmann f 25. Juli 1875.

Sein grosses Musterbuch ist eine so lehrreiche Geschichte der Litho- graphie, wie man sie nur wünschen kann. Auch die Anstalt von Didot unter des verdienten A. Racinets künstlerischer Leitung nimmt in dem Chromodruck eine höchst bedeutende Stellung ein Weltruf hat des letzteren L Omement polychrome erworben.

Im Bilderdruck leistete Frankreich im Verhältnis zu Deutsch- land wenig; die besten Leistungen sind die von Jehenne, Hangard -

Ann. d. Typ. vn. Bd. 1875, Nr. 329.

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Mauge, J. F. Dupuy, Omer- Henry. Dagegen ist es Deutschland quantitativ und qualitativ voraus in der Verwendung des Farben- Lithographischer druckes zu illustrativen Zwecken. Es entstand in dieser Weise eine Reihe unvergleichlich schöner Werke, namentlich über Architektur, Kunstindustrie, Kulturgeschichte, ja selbst über Kochkunst, welche Meisterstücke sind sowohl hinsichtlich der korrekten Zeichnung als auch der technischen Durchführung und Naturtreue des Kolorits und dabei zu ungewöhnlich billigen Preisen geliefert werden. Auch in der Verwendung des Farbendruckes für die unzähligen Gegenstände der Papeterie behaupteten die Franzosen lange Zeit den Vorsprung. In dieser Branche zeichneten sich Testu & Massin (jetzt Champenois & Co.) und F. A. Appel aus. Letzterer lieferte Vorzügliches im Miniaturdruck und ist zugleich Spezialist im Plakatdruck auf Zink, dessen eigentlicher Erfinder Max Cremnitz ist. Ebenfalls im Plakat- druck erzielt J. Chevet grossen Effekt mit wenigen Farben; für Arbeiten zu wissenschaftlichen Zwecken ist Bequet & Fils bekannt. Etikettendruck betreiben in grossem Umfang Pichot & Co. Als ein seltener Fall ist noch das gute Gelingen der Assoziations- . Anstalt unter der Firma Romanet & Co. zu erwähnen. Im Zink- druck steht Monroq obenan. Die hervorragendste Erscheinung in der Photochromie ist Vidal und seine Tresor artistique de la France und Histoire generale de la tapisserie sind nicht übertroffen ; doch dürfte seine Methode, als zu teuer und umständlich, nicht rasch in die Praxis dringen.

Als Kunstdrucker für Stiche ist Chardon hervorragend. Im Stichverlage dürfte wohl Goupil mit den Filialen in London, New- York, Brüssel, Haag, Berlin und Wien die erste Weltfirma sein. In ihren grossartigen Ateliers in ASNIERES bei Paris, unter der künst- lerischen Leitung von Rousselon, wird der photographische Licht- druck, hauptsächlich jedoch der Woodburydruck und die helio- graphischen Methoden in vortrefflichster Weise geübt.

Im Kartendruck erwarb sich Erhard Schieble (gen. Erhard)

aus Forchheim in Baden einen bedeutenden Namen. Er verwendete e. schiebie

* 1823, alle Erfindungen der Neuzeit und brachte durch pastosen Auftrag der 1 23. Okt. 1880.

Farben vortreffliche reliefartige Wirkungen hervor. Die schönsten

Karten der Regierung sowohl als der privaten Verleger stammen

aus seiner Offizin.

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Erwähnt sei hier noch die von Achill Collas, geübte Methode, a. Coiias. erhabene Medaillons u. dgl. mittels des Storchschnabels zu gravieren (Glypthotik), in welcher die mehr oder weniger anschwellenden Linien vollständig den Eindruck von Reliefs gewähren. Le Tresor de nwnis- matique in dieser Weise durchgeführt giebt einen glänzenden Beleg für den Wert der Glypthotik. Die ersten Versuche dieser Kunst hatte schon ein Deutscher Christ. Gobrecht in Philadelphia 1817 gemacht. 18 19 kam die Maschine nach London und wurde von Turrel & Saxton verbessert. Für die Bank zu London konstruierte 1829 Bäte eine die früheren weit übertreffende Maschine, die jedoch immer noch gegen die von Collas sehr zurückstand.

Joseph Gavard lieferte mittels des von ihm erfundenen Dia- j. Gavard. graphen , unterstützt von Calamatta und Mercuri, in drei verschie- denen Ausgaben die Galerie historique de Versailles in 13 Bänden mit 3 Supplementbänden (1837 I&47) mit 1550 Stahlstichen.

Von den Werken der Kupferstichkunst sei noch als eines der bedeutendsten das Mtisee f rang als von Robillard-Peronville mit 344 Kupfertafeln der bedeutendsten Stecher Frankreichs erwähnt, während die Lithographie zur Ausschmückung des grossartigen Werkes Voyages de la commission scientifique du Nord, 29 Bände, mit 762 Tafeln in gr. Folio, in hervorragender Weise diente.

Was Curmer für die Luxusbücher war, ist die Firma Veuve Morel & Co. A. Morel & Co. in Benutzung des Chromodruckes für die Zwecke des praktischen Lebens. Im Fache der Architektur ist sie unerreicht und die Zahl der Prachtwerke in dieser Richtung, die mit Aufgebot allen Raffinements in der künstlerischsten Ausführung von dieser Firma geliefert wurde, ist eine so grosse, dass es kaum möglich ist besondere Gründe zu finden, um eins oder das andere aus der Reihe hervorzuheben. Bei Morel (jetziger Inhaber der Graf des Fosez) erscheint auch das weitverbreitete Journal L Art pour tous.

In ähnlicher Richtung wirkten mit Umsicht und Erfolg, ohne j.Baudry. jedoch den Höhepunkt Morels in der Ausstattung zu erreichen, Ducher & Co., Dunod und J.Baudry. Des letzteren, 1834 gegründete, Librairie polytechnique in Paris und Lüttich legte sich seit 1863 ganz besonders auf die Fächer der Berg- und Hüttenwissenschaft, der Eisenbahn und Wegebautechnik und förderte eine bedeutende Anzahl grosser Tafelwerke an das Licht. Auch Dunod kultiviert

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diese Spezialität. Unter den Prachtwerken von Ducher & Co. befinden sich: Architecture privee au XIX siede; Le nouvel Opera von Charles Garnier.

Für die Popularisierung der technischen und naturwissenschaft- lichen Litteratur wirkte Roret durch seine, 1824 begonnene Ency- Rom. clopedie des sciences et des arts, besser bekannt unter dem Namen Manuels Roret. Er brachte auch eine neue vollständige Ausgabe von den Werken Buffons mit den Suites de Buffon, gegen 100 Bände mit unzähligen Abbildungen.

Für die Medizin und die Naturwissenschaften sind die leitenden Firmen J. B. Baillere, Germer -Baillere, V. Masson und Vve A. Delahaye & Co. Die Kataloge dieser Firmen sind getreue Zeugen der wissenschaftlichen Bewegung nicht nur in Frankreich, sondern auch in England und Deutschland, denn es erschien im Ausland kaum ein einschlägiges Werk, das nicht von einer dieser Verlags- handlungen in tüchtigster Bearbeitung herausgegeben wurde.

J. B. Baillere1 (seit 1818) machte grosse Unternehmungen, darunter Cruveilher, Anatomie pathologique 1830 42; Hippokrates' j. b. Baiiiere Werke, griechisch und französisch, 1839 5°; Sonographie Ophthal- mologique 1852. Im Jahre 1840 wurde eine Filiale in London, 1848 eine in New -York errichtet und heute sind die Seitenzweige dieser Familie über alle Erdteile, Australien nicht ausgenommen, verbreitet. Germer-Baillere druckt ausser naturwissenschaftlichen auch viele philosophische Werke und mehrere Journale.

Victor Masson, einer der hervorragendsten Buchhändler, geb. zu Beaume, trat 1838 als Teilhaber in das Geschäft Chrochärd, Victor Masson das 1846 in Massons alleinigen Besitz überging. 1847 wurde die f 13* \il\z19. Bibliotheque polytechnique angefangen, der eine grosse Anzahl von technischen, medizinischen und naturwissenschaftlichen Werken folgte, darunter Cuvier, Le Regne animal: Bonamy et Beau, Atlas d'anatomie2; der grosse Dictionnaire cncyclopediquc des sciences medicales u. v. a. Nach 3 5 jähriger rastloser Thätigkeit überliess Masson seinem Sohne Georges das Geschäft, das dieser in derselben g. Masson. grossartigen, französische und deutsche Vorzüge vereinigenden

1 J. B. Baii.l£:re, La cinquantaine d'ieri libraire. Paris 1862.

2 V. Masson, Notice necrologique. Paris 1879. Börsenbl. f. d. d. B. 1S79. Nr. 130.

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Weise glänzend fortführt. Die Firma verlegt nicht weniger als 17 periodische Fachzeitschriften und ist die Buchhandlung für die bedeutendsten Akademieen und Gesellschaften. Trotz des vorwiegend wissenschaftlichen Charakters des Verlags ist der Verleger bestrebt, demselben auch eine anziehende äussere Form zu geben. Als Vor- sitzender des Cercle hat Masson sich bedeutende Verdienste um das Ausstellungswesen desselben, namentlich bei der Weltausstellung in Wien 1873, erworben.

Delahaye hält sich streng an Medizin und Chirurgie und ver- legt mehrere Journale und viele bedeutende Werke, unter welchen der Traite d' Anatomie descriptive von Sappey als ein hervorragendes Monument gilt.

Spezialfirmen sind für Landwirtschaft J. A. Bixio ; für Mathe- matik A. L. J. Bachelier; für Militärwissenschaft J. Dumaine und Correard jeune; für Geschichte und Staatswissenschaften G. Guil- laumin, P. F. Amyot, A. Baudouin; für Kalenderverlag Pagnerre. Charles Hingray, erst Militär, dann Buchhändler, wurde durch

eh. Hingray seinen juristischen und sprachlichen Verlag bekannt, in Deutschland namentlich durch das vortreffliche Wörterbuch von Schuster und Regnier. Das Werk eines enormen Fleisses ist der Dictionnaire de la langue francaise von Littre. Das Manuskript umfasste 415 636 Blätter. Der Satz dauerte, mit einer durch den Krieg 1870 herbei- geführten Unterbrechung, 13 Jahre. In einer Spalte gesetzt würde das Buch eine Länge von 37 525 Meter haben.

Der Druck orientalischer Werke ist keine Lieblingsaufgabe der

Maisonneuve. französischen Buchdrucker. Als Verlagshandlung in dieser Richtung haben Maisonneuve & Co. den Vorrang. Im Jahre 1 8 5 1 kaufte Maisonneuve, früher Associe von Cormon & Blanc in Lyon, von Theophile Barrois eine Anzahl orientalischer Verlags werke, die er später mit vielen neuen vermehrte. Der Verlag enthält eine grosse Anzahl grammatikalischer und lexikalischer Werke der orientalischen Sprachen und die Namen der bedeutendsten Orientalisten als Eug. und Emile Burnouf, Eichhoff, Abbe Favre, G. de Tassy, Stan. Julien, J. Oppert, Abel Remusat, L. de Rosny u. a. sind mit der Firma Maisonneuve & Co. verknüpft. Unter den wenigen Buchdruckern in der Provinz, die in der Herstellung orientalischer Werke etwas leisten, ist Dejussieu in ChÄLONS zu nennen.

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Eine merkwürdige Erscheinung ist der Abbe J. P. Migne. Er wurde 1824 Priester, nahm jedoch anlässlich einer Differenz mit dem j. p. Migne Erzbischof seiner Diözese seine Entlassung und ging nach Paris, wo er das Journal L Univers gründete, welches er 1836 verkaufte. In Petit-Montroitge vor den Thoren von Paris gründete er eine Buch- druckerei, um katholische Werke zu drucken. Die Anstalt gewann eine grosse Ausdehnung und umschloss vom Schriftsteller ab bis zum Buchbinder alle Persönlichkeiten und alle technischen Apparate, die zur Herstellung des Verlags des Instituts notwendig waren. Die Sammlungen der Kirchenväter- und anderer älterer theologischen Schriftsteller zählen nach hunderten von Bänden.

In ähnlicher Richtung wie Migne wirkten Gaume Freres.

Im Unterrichtsfache weist der Buchdrucker und Verleger Eugene Belin mehr als 1000 Werke auf. Armand Collin & Co., eine Firma Eug. Beim, neueren Datums (1870), liefert Schulatlanten in Farbendruck zu sehr billigen Preisen. Ch. Delagrave hat, unter Mitwirkung bedeutender Fachmänner, das Institut geographique de Paris gegründet, aus welchem Brues Atlas universel, von E. Levasseur revidiert, hervorging. Er verlegte ferner viele biographische und technische, reich illustrierte Dictionnaire, grosse Wand- und Relief- karten, Globen etc.

P. Ducroq (1836) war einer der ersten, die für Bildungswerke die Illustration mittels Stahlstichs im Verein mit Holzschnitten einführten. Seine Bibliotheque des familles in Bänden zu 2 Franken ist sehr beliebt. Delarue giebt gute Klassiker- Ausgaben zu billigen Preisen heraus.

Eine Spezialität aus liturgischen und archäologischen Werken macht die Societe generale de librairie catholique und sie sucht die belgische Produktion nach dieser Richtung hin aus dem Felde zu schlagen. In ihrem Verlag erscheint auch eine Ausgabe der Acta sanctorum der Bollandisten ; ferner der Recueil des historiens des Guides et de la France; die, 1626 begonnene, Gallia christiana, auch Werke im alten Stil mit kunstreichen Einfassungen, als: Notre- Dame de Lonrdes und Christoph Colombe, werden dort gedruckt.

Unter den grossen Nachschlagewerken müssen genannt werden : Die Biographie universelle (181 1) von J. und L. G. Michaud, 84 Bände; W. Ducketts Dictionnaire de la couvcrsation, 68 Bände

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1S12 1S14 ; ein ähnliches Werk erschien in 52 Bänden beiBELrx- Mandar. Als ein seltenes Beispiel der grossen Verbreitung eines gelehrten Werkes steht die bei diesem Verleger (1838 erschienene Konkordanz von Dutripont da, lateinisch geschrieben, ein in 28 OOO Expl. verkaufter Quartband von 200 Bogen in dreispaltigem Satz.

Ein Sammelwerk von grossem Umfang war Collection Baudry, zahllose deutsche, italienische, spanische und andere schönwissen- schaftliche Werke, leider allerdings lauter Nachdrucke, enthaltend. Als die Franzosen so heftig über die Brüsseler Xachdrucker herfielen, hätten sie nicht vergessen sollen, dass sie es selbst nicht besser gemacht haben. Dass die grossen Ausgaben der deutschen Klassiker, die bei Tetot erschienen, keinen Erfolg hatten, beweist nicht den Mangel an gutem Willen zu schädigen.

Durch den Buchdrucker Henri Delloye unternahm G. Char- g. charpentier pentier eine Sammlung französischer Werke in dem nach ihm benannten und oft zur Verwendung gekommenen hübschen Format in iS°. Diese elegant und kompakt gedruckten Bände, von denen in wenigen Jahren über 400 erschienen, fanden durch ihre Eleganz und den damals wohlfeilen Preis von 3V2 Franken grossen Beifall.

Unter den Herausgebern von Werken der schönen Litteratur ist Ch. A. Perrotin, der Verleger Berangers, zu nennen. Er erwarb des letzteren Gedichte gegen Zahlung einer Jahresrente, die er freiwillig bedeutend erhöhte, und blieb Berangers Freund bis an dessen Ende und nachher sein Testamentsvollstrecker. Pourrat Freres druckten eine sehr schöne Ausgabe von Chateaubriands Werken in 36 Bänden. Bekannt waren auch Gustave Barba, Vater und Sohn, welche den Roman in Heften zu 20 Cent, einführten. Mit immensem Erfolg lieferte Charles Gossellx die Werke W. Scotts, Coopers, Lamartines u. a.

Die bedeutendsten Romanverleger waren jedoch Michel Lew Freres 1S36 , jetzt Calman Lew, deren jährliche Produktion etwa i3/4 Millionen Bände beträgt, in etwa 200 neuen Werken und 650 neuen Abdrücken. Sie gaben eine grosse Zahl der Werke Scribes, Dumas' u. v. a. heraus und führten die billigen Ausgaben in Bänden zu 1 Frank jetzt 1 Frank 25 Cent.' ein, deren Zahl mehr als 1 500 beträgt, während die Zahl der Theaterstücke an 6000 heran- reicht. Sie gründeten auch L Univers illustre.

VII. KAP. DIE MODERNE TYPOGRAPHIE FRANKREICHS. 213

Wir wenden uns jetzt einer Firma zu, welche sich in keine Klasse einordnen lässt, fast einzig in ihrer Art dasteht und, obwohl zu den jüngeren gehörend, alle anderen überflügelt hat: L. Hachette & Co.

„Sollte jemand dem Verleger die Eigenschaft als Produzent streitig machen, und ihn zu einem einfachen Händler stempeln L.Hachette&Co. wollen, der nichts zu thun hat, als das Manuskript in die Druckerei zu tragen und dann das zurückempfangene Druckwerk einfach zu verkaufen , so möchten wir ihm die Leistungen der Firma Hachette entgegensetzen" J , sagt ein Bericht über die Wiener Ausstellung 1873 und diese Worte müssen sich unwillkürlich dem aufdrängen, welcher das Entstehen und das Wachstum dieses Hauses 2 ins Auge fasst Sein Begründer Louis Hachette, geboren in Rethel, lag erst den Studien ob und begründete dann, 1836, eine pädagogische Buchhandlung unter der Devise: Sic quogue docebo. 1837 erhielt er auch Brevet als Buchdrucker, die Firma übte jedoch dies Geschäft nicht. Im Jahre 1859 traten seine Schwiegersöhne L. Breton und A. Templier dem damals bereits bedeutenden Geschäfte als Teil- haber bei. Unverrückt wurde von der Begründung ab die Thätig- keit auf alles gewendet, was für die Erziehung des Kindes, die Belehrung und Veredlung des Jünglings oder der Jungfrau, die Fortbildung des Mannes oder der Frau dient, und mit Stolz kann die Firma auf ihren, eine ganze und grosse Bibliothek bildenden Verlag zurückblicken und mit dem Bewusstsein, nie die edelste der Künste anders als in würdiger Weise verwendet zu haben. Und dies bezieht sich nicht allein auf das Innere der Bücher, sondern auch äusserlich ist alles in der besten Ausstattung her- gestellt, manchmal zu erstaunlich billigen Preisen. Dieses kon- sequente, nie nachlassende Streben hat auch seinen äusseren Lohn gefunden und das Haus Hachette steht durch seine Grösse und die vortreffliche Organisation wohl unübertroffen da. Die mit 300 Angestellten arbeitende Anstalt unter Leitung der Teilhaber G. Hachette, Breton, E. und A. Templier und R. Fouret versendet monatlich gegen 18000 Kolli und hat einen jährlichen Umsatz von etwa 15 Millionen Franken. Wie Marne widmen sie dem billigsten

1 ('.. MASSON, Rapport sur les arts graphiqucs, Vienne 1S73. Paris 1 S73.

2 Notice sur la vie de L. Hachette. l'aris 1S64.

214 D1E ROMANISCHE GRUPPE. VII. KAP.

Buche dieselbe Sorgfalt wie dem teuersten, und was dies sagen will begreift sich, da die Verlagswerke der Zahl 5000 nahekommen. Aus dieser Masse Einzelnes herauszugreifen hat seine Schwierig- keiten, es seien nur kurz erwähnt die bändereichen Kollektionen BibliotJieque variee ; BibliotJieque des chemins de fer; die Guides- itineraires ; die BibliotJieque rose illustree; der Dictionnaire des con- temporains von G. Vaperau; das in mehr als 150000 Exemplaren gedruckte illustrierte Journal pour tous, schliesslich ein monumen- tales Druckwerk für Jahrhunderte: die Prachtausgabe der vier Evangelien, zwei Bände im grössten Folio format. Bida lieferte hierzu im Format des Werkes 128 Zeichnungen, die von fünfzehn der besten Künstler radiert wurden. Die Zeichnung zu der von der fonderie generale geschnittenen Schrift rührt von Ch. Rossigneux her, der ebenso 290 Zeichnungen zu den in Stahl gestochenen Anfangs- und Schlussvignetten, sowie zu den Initialen, unter Ver- meidung der Anwendung jeder menschlichen Figur, komponierte. Jules Claye führte den typographischen Druck aus. Rote, quer über das ganze Format gehende Linien umgeben den Text. Die Anwen- dung der verschiedenen Druckweisen, Kupfer- und Bücherdruck, und der rote Druck, verlangten, dass jeder Bogen 32 mal durch die Hände der Arbeiter ging, ehe er als fertig bezeichnet werden konnte. Elf Jahre wurden unausgesetzt auf die Arbeit verwendet.

Wie Frankreichs Fürsten ausnahmslos die Typographie liebten, Die Bibiiophiiie. wenn sie auch die Presse hassten , so erhielt sich im Volke fort- während eine Liebe für schöne Bücher, und der Wunsch, solche zu besitzen. Es war weniger eine Bibiiophiiie oder Bibliomanie im Sinne der englischen Sammler, die enorme Summen für ein mangel- haftes Produkt zahlten, nur weil es alt und selten war; man fand in Frankreich Lust an dem Besitz „schöner" Ausgaben auf Extra- Papier und in feinen und kostbaren Einbänden mit Stichen in ersten Abdrücken. Es wurden, um dieser Liebhaberei zu "genügen, sehr viele Bücher in Frankreich gedruckt und gekauft nur der Ausstattung- halber, und ein Bücherliebhaber erwarb unter Umständen zehn Exemplare eines und desselben Werkes, wenn es in zehn schönen Ausgaben zu haben war.

VII. KAP. DIE MODERNE TYPOGRAPHIE FRANKREICHS. 215

Natürlich war es demnach auch, dass das Zurückgreifen auf die Renaissance vornehmlich von Frankreich ausging und dort Die archaistische

Druckrichtung'.

Nahrung fand. Unter den französischen Buchdruckern dieser Rich- tung zeichnen sich besonders zwei aus, Louis Perrin und D. Jouaust. Louis Benedict Perrin, in Lyon geboren, war mit bedeutendem l. Perrin

* 12. Mai 1799.

Sinn für Kunst begabt. 23 Jahre alt etablierte er sich mit Durand. Perrin war von dem Gedanken beseelt, die Druckerei zu regenerieren. Das Mechanische sei zwar vollendeter geworden, jedoch die Kunst in der Schriftgiesserei fehle. Ein tüchtiger Maler Pierre Revoil bestärkte Perrin in seinen Ansichten, dass man zu den Formen zurückkehren müsse, deren sich Vascosan, de Tournes und andere bedient hatten. Perrin war nicht in der Lage, seine Ideeen ohne Rücksicht auf die Kosten durchsetzen zu können, und in Frankreich war es einem Provinzialbuchdrucker doppelt schwierig, durch- zudringen. Gegen das Jahr 1846 Hess er eine Sammlung von schönen Kapitalschriften aus der Zeit des Kaisers Augustus schneiden. Die damit gedruckten Inscriptions antiques de Lyon 1854, ein grosser Quartband mit über 400 Inschriften, machte grosses Aufsehen und Didot erklärte das Buch für ein Meisterwerk ersten Ranges. 1854 konnte Perrin das erste Werk mit der von ihm nach Mustern des XVI. Jahrhunderts veranlassten Antiqua und Cursiv drucken: Luigi Cibarios Delle Artiglerie , welches er auch mit Vignetten im Renaissancestil schmücken Hess.

In seinen Bestrebungen war ihm auch der Zufall günstig. Beim Durchsuchen der Nachlassenschaft des alten Hauses Rey in Lyon fand er eine vollständige Sammlung von Matern aus dem Ende des XVI. Jahrhunderts oder aus dem Anfang des XVII. Jahrhunderts, so dass er imstande war, eine Ausgabe von Rabelais mit denselben Typen zu drucken, die seinerzeit Frangois Just und Etienne Dolet verwendeten. Unter seinen Drucken gelten für besonders schön Le Theätre du Möllere mit Vignetten von Hillemacher; die Genea- logie de la maison de Scivoye; Parfüms, chants et couleurs. Der Sohn setzte das Geschäft mit Marinet fort.

Als sein Rival ist D. Jouaust1 zu nennen, welcher namentlich die Werke der Acadeiuie des bibliophiles , den Verlag des Heraus-

1 Imprimerie youaust. Catalogue descriptif et raisonnc. Paris 1867. Ann. d. Typogr. U. Bd. 1S70, Nr. 66. vii. Bd. 1S75, Nr. 304.

2l6 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VII. KAP.

D.jouaust. gebers der Bibliotheque Elzevirienne , P. Janet, später Paul Daffis', sowie des A. Lemerre druckte. Seine Ausgabe des Dichters Regnier gilt als eine Musterleistung. Der Druck solcher Ausgaben erfordert je nach der Verschiedenheit des Papiers eine andere Behandlung und bedingt eine fortwährende Aufmerksamkeit. Das Papier What- inan, von einer feinen, festen und durchsichtigen Masse, zeichnet sich durch eine blendende Weisse aus, welche nicht das Resultat irgend eines chemischen Prozesses ist, sondern nur von der Vor- züglichkeit des verwendeten Materials herrührt. Das chinesische Papier, in welches die Schwärze leichter eindringt, giebt einen Druck von milderer und gleichmässigerer Färbung und ist nament- lich für Bücher mit Vignetten geeignet. Das Pergament zeigt sich dagegen widerspenstig in der Annahme der Farbe und verlangt die allergrösste Sorgfalt in der Behandlung.

Derjenige Verleger, der sich am meisten um die Verbreitung der Ausgaben für Bücherliebhaber und die archaistische Richtung in der Druckerei bemüht hat, ist Pierre Janet, aus Bordeaux gebürtig. Seine Elzevierbibliothek alter und klassischer französischer Autoren des XVI. und XVII. Jahrhunderts umfasst mehr als ioo Bände und wurde von Paul Daffis fortgesetzt. Daneben beschäftigte sich Janet eifrigst mit der Verbesserung der Zeichen für die chinesische Sprache, welche er sich selbst zu eigen gemacht hatte.

Unterstützung fanden solche Bestrebungen nicht minder bei Bachelin-Deflorenne durch dessen Bibliophile frangais illustre; Album de Relieures; Armorial du Bibliophile und seine Collection des bibliophiles frangais. Leon Techener Fils ist Herausgeber von Bulletin du bibliophile und Bidletin universel de la Bibliographie.

Liegt nun der Reiz der Renaissance-Schriften nur in dem Alter Fortschritt oder oder haben sie wirkliche Vorzüge ? Letzteres muss unbedingt bejaht

Rückschritt? ' . ,

werden. Dass grosse Fortschritte in der Schriftschneiderei gemacht sind, setzt keineswegs voraus, dass alle älteren Schriften geringer oder weniger geschmackvoll gewesen sind als die heutigen, auch nicht, dass solche Schriften älteren Datums nur in Rücksicht auf die Zeit ihres Entstehens Anerkennung verdienen. Würde es jemand einfallen, ein bedeutendes Kunstwerk der Glanzzeit der Malerei oder ein bewundernswertes Hausgerät aus der besten Periode der Renaissance nur in Anbetracht seines Alters erträglich zu finden?

VII. KAP. DIE MODERNE TYPOGRAPHIE FRANKREICHS. 21J

Nicht besser ist es aber, wenn man in Bezug auf die Meisterwerke aus der Blütezeit der Typographie Stimmen hört, wie: „Es ist zwar alles mögliche, wenn man bedenkt, wie alt die Bücher sind!" Als ob nicht diese Schriften an und für sich mustergiltig wären und uns als Vorbilder dienen könnten. Sie bedürfen nicht einer schonenden Beurteilung „des Alters wegen"; letzteres sagt uns aber, dass sie zu einer Zeit entstanden sind, in der die Liebe zur typographischen Kunst, der individuelle Charakter, der geläuterte Geschmack und das ästhetische Gefühl sich weit stärker geltend machten, als es jetzt der Fall ist, wo die meisten fertig zu sein glauben, wenn sie nur neue Schriften, feines Papier und teure Schwärze zur Verwendung bringen, dagegen um Stil und Charakter eines Druckwerkes sich gar nicht bekümmern.

Es dürfte sehr fraglich sein, ob die Schriften neueren Schnittes mit den grossen Unterschieden zwischen Grund- und Haarstrichen, welche letztere wegen ihrer Feinheit oft kaum zu bemerken sind, eine wirkliche Verbesserung seien und ob der Leser verpflichtet ist, jedes Produkt der Laune des Schriftgiessers, mit welchem er seinen Konkurrenten den Rang abzugewinnen sucht, schön zu finden, oder ob wirklich ein Mensch alles guten Geschmackes bar ist , weil ihm die Renaissance -Schriften mit ihrer dem Auge so wohlthuenden Ruhe sympathisch sind.

Schliesslich sei noch bemerkt, dass die Bezeichnung Elzevier- Schriften eine ungerechtfertigte ist, denn die Originale bestanden schon ein Jahrhundert vor den Elzevieren, zutreffender wenigstens ist die Bezeichnung Aldinsche Schriften.

Unter den Männern, die, waren sie auch nicht selbst ausübende Typographen, doch einen ehrenvollen Platz in der Geschichte der Typographie verdienen wegen ihres Einflusses auf das Buchgewerbe, sind namentlich Brunet und Renouard zu nennen.

Jacques-Charles Brunet, Sohn eines kleinen Buchhändlers in Paris, widmete sich dem Beruf des Vaters. Er war der eigentliche J. eh. Brunet Gründer des antiquarischen Buchhandels in Frankreich; seine Berühmtheit verdankt er aber seinem Werke Manuel du libraire, von dem 1810 die erste, 1865 die fünfte Auflage erschien. Die Vervollkommnung dieses Werkes war seine Lebensaufgabe. Er

Bibliographie.

2l8 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VII. KAP.

nahm keinen Titel auf, wenn er das Werk nicht selbst in den Händen

gehabt hatte. Von Firmin Didot Freres & Co. für die Abtretung

des Eigentumsrechtes an das Manuel eine Leibrente geniessend

verbrachte er sein Leben still und rüstig arbeitend.

Antoine- Augustin Renouard, der in hervorragender Weise die

a. a. Renouard Eigenschaften des Buchhändlers, Sammlers und Schriftstellers in

sich vereinigte, wurde 1765 in Paris geboren. Schon frühzeitig ward

er von Bewunderung für die Familie des Aldus Manutius in Venedig

erfüllt und von dem Wunsche beseelt, ihre Geschichte zu schreiben.

Dazu sammelte er erst die Ausgaben dieser berühmten Drucker in

einer an Vollständigkeit grenzenden Weise und schrieb nun seine

Annales de V imprimerie des Aldes 1803. 2 Bde. Die 3. Auflage,

welche das letzte Wort der Bibliographie in Bezug auf die Aldi

spricht, erschien 1834. Kaum mit diesem Werke fertig, lenkte er

seine Studien auf die Familie Stephanus und 1837 erschienen seine

Annales de V imprimerie des Etienne, von welchen 1843 die zweite

Auflage folgte. Das Werk hat ebenfalls seine bedeutenden Verdienste,

wenn es auch nicht die Arbeit über die Aldi erreicht. Von seiner

eigenen vorzüglichen Bibliothek Hess er 1 8 1 8 den Catalogue de la

bibliotheque d'un amateur in 4 Bänden erscheinen, in welchem ein

Schatz von interessanten Notizen niedergelegt ist. Sein Sohn Jules

Renouard im Verein mit Jules Tardieu lieferte viele tüchtige

Verlagswerke, darunter Galerie des peintres.

An den obigen schliesst sich nicht unwürdig an Louis Catherin

l. c. siivestre Silvestre, dessen Auktionsinstitut Weltberühmtheit erlangte. Eine » 1762. ö

Spezialität von ihm waren die Buchdruckermarken und er Hess , als

Fortsetzung der Werke Roth-Scholtz', seine Marques typographiques

mit 1237 Abbildungen von Druckerzeichen erscheinen. Silvestre

, hatte in Pierre Janet einen würdigen Nachfolger.

Die neuere französische Bibliographie ist in den besten Händen und zwar in denen zweier Deutschen : C. Reinwald & Co., welche den Catalogue annuelde la librairiefrancaise herausgiebt und O. Lorenz, der den Catalogue de la librairie J ~ran gaise seit 1840 erscheinen lässt.

Für die Verbreitung der Erzeugnisse der französischen Litteratur

m. Bossange im Auslande hatten Martin Bossange Pere j und dessen Sohn * 1766.

Hector Bossange grosse Verdienste. Nach dem Frieden mit

1 J. M. Querard, Quelques mots sur M, Bossa;?ge pere. Paris 1863.

Vit. KAP. DIE MODERNE TYPOGRAPHIE FRANKREICHS. 219

England etablierte Bossange ein grosses Haus in London, später auch in Leipzig. Der Sohn Hector Bossange setzte das Werk des h. Bossanj Vaters fort, gründete Buchhandlungen in Montreal in Canada, in Quebeck, New -York, Rio de Janeiro, Odessa. Sein grosser Katalog vom Jahre 1 845 von gegen 3 1 000 Werken galt als ein Muster- katalog.

Die französische Bücherproduktion hält ungefähr mit der deutschen Schritt. An Drucksachen erschienen im Jahre 1879: Bücher und Broschüren: 14 122, Musikstücke 2424, Kupferstiche, Lithographien etc. 4661.

So bedeutend die Bücherausfuhr aus Frankreich sich gestaltet, so wenig konkurrieren die französischen Buchdrucker mit dem Aus- lande, während Belgien, England und Deutschland in der Lage sind, Druckarbeiten für das Ausland zu übernehmen. Mehr als die Arbeits- verhältnisse trägt wohl dazu bei, dass die französischen Buch- druckereien nicht so gut auf schwierige Arbeiten eingerichtet sind, wie namentlich die deutschen.

In Paris absorbiert die Journalistik fast alle tüchtigen Setzer- kräfte, trotzdem ist es auf Grund der Eigentümlichkeiten der französischen typographischen Art und Weise dem fremden Arbeiter schwer, in Paris fortzukommen1. Viele Bücher, bei welchen über- triebene Schnelligkeit nicht notwendig ist, werden jetzt ausserhalb Paris gedruckt; besonders gilt dies von Neudrucken älterer Werke, sodass den grossen Pariser Werkdruckereien namentlich diejenigen Werke verbleiben, bei welchen, zudem unter gedrückten Preisen, grosse Ansprüche an Material und Schnelligkeit gestellt werden. Unter solchen Verhältnissen verlieren diese die Lust an der Lohn- druckerei und legen sich selbst auf das Verlegen. Die Typographie in Paris steht auf einem Vulkan; selbst kurz vor der Weltausstellung 18/0, wo es galt, alle Kräfte zusammenzunehmen, trug die Societe typograpJiique kein Bedenken, einen sehr kostspieligen und wenig erfolgreichen Strike in Scene zu setzen. Die Lokale der eigentlichen Werkdruckereien liegen meist zwischen Häusermassen eingeklemmt

1 Auf Sitte und Arbeitsweise der Pariser Setzer wirft ein Werkchen Eugene Boutmys: Les typographes parisiens, si/ivi tfun petit dictionnaire de la langue verte typo- graphique, Paris 1874, interessante Schlaglichter.

220 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VII. KAP.

und haben sich erst nach und nach mit dem wachsenden Geschäft erweitert, sodass ihnen meist die ersten Erfordernisse : Raum, Licht und Luft, fehlen. Alle diese Verhältnisse fangen an, den Provinz- druckereien zugute zu kommen. Dringen auch die Fortschritte etwas langsamer in diese ein, so haben sie dafür ein festeres, anhänglicheres und gut geschultes Personal. Zweckmässige Lokal- einrichtungen sind weniger kostspielig als in Paris und manche Provinzdruckerei kann sich schon mit tüchtigen Pariser Offizinen messen. Einen wesentlichen Vorschub leisten die vielen lokalen Gesellschaften für Kunst und Wissenschaft, namentlich Archäologie, welche viele Werke mit Aufwand hinsichtlich Ausstattung, Illustra- tion und Beigabe von Kunstblättern für ihre Rechnung drucken. Auch fangen die Provinzbuchdrucker an, selbst zu verlegen und Depots in Paris zu errichten. Kurz, wenn auch die Zentralisation noch eine bedeutende ist, so bereitet sich offenbar eine Dezentrali- sation im Sinne des deutschen Buchgewerbes vor und man fängt mit Versuchen an, sich von dem allmählich überwältigend gewordenen Einfiuss des Pariser Geschäfts zu emanzipieren.

Mit Ausnahme der administrativen Arbeiten, welche in grosser Zahl und mit grossem Geschick ausgeführt werden, haben die Accidenzien weder in Quantität noch Qualität eine solche Bedeutung, wie in Deutschland. Im allgemeinen werden, und wohl nicht ganz mit Unrecht, dort nicht eine solche Sorgfalt und solche Kosten wie hier auf diese sehr schnell dem Papierkorb verfallenden Drucksachen verwendet; diese lässt man lieber den Werken selbst zukommen.

Ein ziemlich klares Bild von dem Zustand des Aceidenzdruckes in Frankreich, soweit dieser dem Buchgewerbe dienstbar" ist, liefern die Kataloge zu den Fachausstellungen, die in dem Hause des Cercle in den letzten Jahren abgehalten wurden. Diese Kataloge sind durch die vereinten Kräfte einer Anzahl der bedeutendsten Buchdruckereien hergestellt, von welchen jede einen halben oder einen ganzen Bogen geliefert hat, ohne dass eine andere Grenze auferlegt war, als die Innehaltung des Papierformats. Man darf also annehmen, dass das möglichst Beste geliefert wurde. Es geht aus diesen Katalogen hervor, dass man seit dem vortrefflichen Derriey fast stehen geblieben ist.

VII. KAP. DIE MODERNE TYPOGRAPHIE FRANKREICHS. 221

Die Zeitungslitteratur hatte in Frankreich mit manchen Hinder- nissen zu kämpfen, die nun durch das Pressgesetz von 1881 beseitigt sind. Die grossen Journale haben fast alle denselben äusseren Umfang, vier Seiten. in gross Folio. Die Franzosen, im ganzen massig, mögen auch nicht täglich eine solche Masse von geistiger Kost geniessen, wie sie ein englischer Lesermagen verträgt. Versuche mit Blättern nach letzterem Mass eingerichtet sind vollständig fehl- geschlagen. Durch ihre, den nationalen Eigentümlichkeiten ganz Rechnung tragende Organisation darauf berechnet, das, worauf es ankommt, mit Leichtigkeit ins Fleisch und Blut dringen zu lassen, üben jedoch die französischen Journale einen ausserordentlichen Einfluss auf die Partei, deren Interessen sie verfechten. Des grossen Anlagekapitals, wie ein solches in England notwendig ist, bedarf ein neues französisches Journal nicht ; es genügt eine massige Summe, wenn sich mit dieser die genügende Intelligenz und journalistische Routine des wirklichen Leiters verbindet. Ist dieser ein beliebter Schriftsteller oder eine politische Grösse, so stellt sich das Publikum rasch ein.

Die kleinen Zeitungen erscheinen gewöhnlich in einem Format, halb so gross, als das ihrer grossen Schwestern, ihr Einfluss und ihre Verbreitung sind jedoch bedeutend. Das Petit Journal J Wurde Ende 1880 in 598 309 Exemplaren gedruckt und ergab einen Gewinn von drei Millionen Franken. La petite republique hatte eine Auflage von 196372, die Lanterne von 150 531, Le petit moniteur von 100476 Exemplaren. Die tägliche Gesamtproduktion der Journal- nummern erreichte die Ziffer 1 984521, von welcher dreiviertel auf die republikanische Presse kam.

Zum Beginn des Jahres 1869 erschienen2 in Frankreich 21 10 Journale aller Art, jetzt 3135. Von diesen kamen im Jahre 1869 auf Paris 816, auf die Provinz 1294; jetzt resp. 1355 und 1780. In Paris fand demnach ein Wachstum von 539 Journalen statt, in der Provinz von 425. Letzteres trifft namentlich die kleineren Städte,

1 F. Maillard, Le petit Journal 1850— 1860.

2 Ed. Texier, Hist. des journaux. Paris 1851. E. HATIN, Hist. du Journal en France 1631 1853. F. Maillard, Hist. anecdotique et crilique de 150 journaux und dessen Hist. de la presse parisienne. Paris 1859. Alfr. Siryen, Journaux et Journalistes. Paris 1865. r A. Gagnere, Hist. de la presse sous la Commune. Paris iSSi.

222 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VII. KAP.

besonders solche, die früher kein Journal aufzuweisen hatten, während die grösseren Städte stabiler geblieben. Unter den Pariser Blättern waren 75 politische Tagesblätter, 168 Journale politischen Inhaltes. Am 10. September 1870 waren die gesetzlichen Bestimmungen, welche hemmend auf die Errichtung graphischer Etablissements wirkten, gefallen und der erste Paragraph des Pressgesetzes von

1881 bestätigt dieses durch die Bestimmung: „Die Buchdruckerei und der Buchhandel sind frei". Vergleicht man den Stand der graphischen Gewerbe vor dem Kriege mit dem heutigen, so begegnet einem selbstverständlich besonders eine grosse Vermehrung der Buchdruckereien in Paris, wo die Zahl der Brevets früher auf 80 beschränkt war. Doch muss man diese Zahl nicht ganz buchstäblich nehmen, sie betrug thatsächlich wenigstens 150, indem manche Buchdrucker auf Brevets von Kollegen arbeiteten.

Für den Buchhandel hatte die erlangte Freiheit nicht die Bedeutung wie für die Buchdruckerei, denn wenn ein Brevet auch für den Buchhändler erforderlich war, so hielt es doch, da die Zahl nicht beschränkt war, nicht schwer, ein solches zu erlangen. Es fand sogar in dieser Branche ein Rückgang statt. In den übrigen graphischen Gewerben zeigt sich, wenn man die Jahre 1868 und

1882 mit einander vergleicht, einigermassen ein Stillstand. Doch dürfen, wenn man daraufhin Schlüsse ziehen will, die schweren Jahre für das Land und auch der .Umstand nicht übersehen werden, dass durch die Abtretung von Elsass - Lothringen sich der Bestand plötzlich um 259 Buchhandlungen, 35 Buchdruckereien und 59 litho- graphische Anstalten, sowie um drei Städte von 50 oöo Einwohnern verminderte, die bei einem Vergleich mit dem Wachsen der graphischen Anstalten in Deutschland dann doppelt wirken \

1 Da ein solcher Vergleich der graphischen Machtstellung Frankreichs und des Deutschen Reiches, welche jetzt an Umfang und Einwohnerzahl sich ziemlich gleichstehen und nicht unter so grundverschiedenen Verhältnissen, wie sie sich bei einem Vergleich mit England oder Amerika darbieten, arbeiten, nicht nur von Interesse, sondern auch von Wichtigkeit ist, so bedarf es wohl kaum einer Entschuldigung, wenn die Statistik Frankreichs und des Deutschen Reiches in diesem Handbuche etwas ausführlicher behandelt wird, als die der anderen Länder. Als Grundlage für die Notizen über Frankreich dienten nament- lich flie Angaben des Annualre de la übrairie von 1868 und 1882. Vergl. auch Chaix, Statisüque de Vimprimei-ie en France. Paris 1874.

DIE MODERNE TYPOGRAPHIE FRANKREICHS.

223

Die beifolgende Tabelle zeigt den Stand der verschiedenen Pressgewerbe in den Jahren 1868 und 1882.

Frankreich zählte:

1882

1094

1549 244

6001 423 245

83 436 160 1649 119 126

42 15 167 64 25 43 20

37

992

348

40

42

1011

1197

4352

413

Buchdruckereien

Lithographische Anstalten . . Kupfer- und Stahldruckereien

Buchhandlungen ,

Musikalienhandlungen . . . , Kunsthandlungen

Von diesen kommen auf Paris:

Buchdruckereien

Lithographische Anstalten .... Kupfer - und Stahldruckereien . .

Buchhandlungen

Musikalienhandlungen

Kunsthandlungen

Ausserdem in Paris andere graphische Gewerbe:

Schriftgiessereien und Stempelschneidereien Stereotypien und galvanoplastische Anstalten Gravieranstalten für Metall und Stein . . .

Xylographische Anstalten

Buchdruckerei-Utensilienhandlungen . . . Maschinen- und Pressenfabrikanten ....

Farbefabriken

Papierhandlungen en gros

Papierhandlungen en detail

Buchbindereien und Broschieranstalten . . . Kolorier- und Vergolder -Anstalten .... Inseraten -Bureaus

Ausserhalb Paris stellen sich die Zahlen:

Buchdruckereien

Lithographische Anstalten

Buchhandlungen

Musikalien- und Kunsthandlungen

1722

1692

169

6i34 536 288

244

495

92

1072

105 98

52

17

156

102

44

56

29

74

906'

343 49 35

1478

1274

5062

621

224

DIE ROMANISCHE GRUPPE.

Die pressgewerblichen Verhältnisse der Städte aufwärts von 50000 Einwohnern (die Hunderte in abgerundeten Zahlen) sind folgende:

Städte

Einwohner-

Buch-

' Lithogr.

Buch-

Zeit-

zahl

drucker.

Anstalten

handL

schriften

Lyon 324 000

32

52

IOO

67

Marseille .

1 3OO OOO

36

33

45

66

Bordeaux .

197 500

31

7i

91

54

Lille . . .

178 OOO

32

40

66

34

Toulouse .

1 27 OOO

19

28

56

5i

Nantes . .

122 500

IO

13

49

29

Saint -Etienne

1 1 1 OOO

13

21

16

13

Rouen . .

I02 50O

IO

13

35

20

Havre . .

IOO OOO

19

9

35

13

Roubaix

84OOO

6

.5

15

5

Reims . .

82 000

8

12

30

12

Toulon . .

77 000

6

4

11

19

Nancy . .-

72 000

10

9

37

28

Brest . . .

67OOO

3

4

15

4

Amiens . .

61 OOO

9

6

23

13

Besangon .

60000

9

9

13

23

Limoges

60000

10

8

23

8

Nimes . .

60000

7

8.

21

21

Angers . .

58 500

9

7

23

20

Montpellier

55500

19

10

26

16

Nizza . . .

53 5oo

10

4

23

22

Grenoble .

51 OOO

8

7

29

16

Le Mans .

50000

ß

3

25

15

Orleans . .

50000

7

4

49

29

Rennes . . .

50000

7

7

20

17

Versailles .

50000

5

3

32

25

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VIII. KAPITEL.

DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE.

Die Niederlande: Zurückgehen der Kunst. Der Nachdruck. Die neuere Typo- graphie Hollands und Belgiens. Italien : G. Bodoni, Langsame Fortschritte. Venedig, die Mechitaristen. Panfilo Castaldi. Der Buchhandel, die Familie Pomba. Rom, die Druckerei der Propaganda. Erfreuliche Aussichten. Spanien: J. Ibarra. Madrid. Barcelona. Portugal: Die Staatsdruckerei. SÜDAMERIKA: Buenos Aires, Rio de Janeiro, Lima, Cuba, Mexiko. Nord- AFR1KA: Algier, Ägypten. TÜRKEI: Aufblühen und Verfall der Kunst. Jetzige Lage.

DIE NIEDERLANDE.

IE typographische Glanzperiode der Niederlande war dahin. Auf die Zeit der blutigen Knechtschaft durch Spanien folgte im Süden die Periode der österreichi- schen Herrschaft. Darf auch letztere mit der ersteren kaum in einem Atemzuge genannt werden, so war sie doch nicht geeignet, eine neue Blüte der Typographie hervor- zurufen, noch weniger war eine solche nach der Einverleibung in Frankreich zu erwarten.

Auch der Norden lernte erst seit 1795 als Batavische Republik- unter Frankreichs „Schutz", dann von 1806 ab als Königreich unter einem Napoleoniden, bis auch dieser Selbständigkeitsschein 18 10 aufhörte, die Segnungen französischer Presszustände kennen.

15

22Ö DIE ROMANISCHE GRUPPE. VIII. KAP.

Der Pariser Friede 1814 löste die Länder aus der eisernen Umarmung Frankreichs, um sie zu einem Königreiche der Nieder- lande zu vereinigen. Diese, dem Zusammengiessen von Essig und Öl nicht unähnliche Verschmelzung des protestantischen, germa- nischen Nordens mit dem katholischen, zum grossen Teil französischen Süden wurde durch die Revolution in Brüssel 1830 faktisch, durch den Frieden 1839 definitiv und rechtlich aufgelöst.

Seit dieser Zeit entwickelte sich ein freieres geistiges Leben in Belgien sowohl als in Holland. Zwar ist der alte Ruhm des nieder- ländischen Pressgewerbes nicht wieder erreicht, jedoch steht das- selbe auf einem achtbaren Standpunkte und lässt weitere Fort- schritte erwarten.

Typographie.

In HOLLAND verursachten die freieren Pressverhältnisse vor Freiere Press- dem Ausbruch der französischen Revolution, dass viele französische

Verhältnisse.

Autoren und Verleger ihre Artikel dort, namentlich in Amsterdam und dem Haag, drucken Hessen. Hierin liegt wohl zumteil der Keim zu dem später gewerbsmässig betriebenen holländisch- belgischen Nachdruck, welcher jedoch anfänglich keine grosse Bedeutung hatte und von selbst aulhörte, solange die Niederlande der französischen Herrschaft unterlagen.

Die holländische Typographie hält fest an dem einmal Holländische angenommenen Typenduktus mit seinen langen, schmalen und eng zugerichteten Schriften, die insofern praktisch sind, als mit ihnen sich viel Stoff auf einen kleinen Raum , allerdings auf Kosten eines gefälligen Eindrucks, zusammendrängen lässt. Unter den Formaten ist ein Gross-Median-Oktav das beliebteste und selbst Romane und Gedichte werden in demselben gedruckt.

Durch seine Kolonien in Hinterindien und auf den Inseln des indischen Ozeans ist die Schriftgiesserei Hollands auf die Pflege der Schriften der dortigen Eingeborenen angewiesen. Unter Aufsicht von T. Roorda wurden von J. Enschede & Zoonen in Haarlem java- nische Lettern angefertigt. Ein bedeutendes Renommee in dieser Richtung erwarb sich N. Tetterode in Rotterdam, welcher Manda- lingisch, Batakisch, Manarisch und Boeginesisch lieferte. Unter der Direktion von J. Hoffmann Hess die holländische Regierung auch chinesische Typen schneiden, die später in den Besitz von E. J. Brill

VIII. KAP. DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE. 2.2J

in Leyden übergingen1. Als Schriftgiesser wirkten ferner in Groningen Omkens, van Baskenes und Damste.

Im Jahre 1882 hatte Holland in 128 Städten 428 Buchdruckereien (1840 besass es nur 146), 183 lithographische Anstalten, 700 Buchhandlungen. Die Buchdruckereien arbeiteten mit 740 Schnell- pressen und 650 Handpressen. Die Zahl der lithographischen Schnellpressen war 125, die der Handpressen 700. Die zur Ver- wendung kommenden Maschinen verschiedener Art stammen namentlich aus französischen Fabriken. An Tageblättern gab es 29, an Wochenblättern und an anderen periodischen Schriften 397.

In Amsterdam liefert die Königliche Buchdruckerei Acci- denzienfür den Staat. Eine bedeutende Anstalt ist die von Roeloffzen & Hübner in Amsterdam mit drei Rotations- und sieben gewöhn- lichen Schnellpressen ; sie druckt die in 20 OOO Exemplaren täglich in einem Umfange von 8 16 Seiten erscheinende Het News van den Dag mit ihrem Sonntagsblatt. C. A. Spinn & Zoon bringen sehr kunstreiche Accidenzarbeiten. Zu erwähnen sind ebenfalls J. van Oosterzee, G. L. A. Amand, Metzler & Barting und Gebr. Binger.

In Haarlem blüht noch das Geschlecht der Enschede (I, s. 25 1) und zeigt, dass es nicht auf seinen Lorbern auszuruhen gedenkt. Das Geschäft arbeitet mit 1 1 Handpressen, 1 1 Schnellpressen und 25 Giessöfen und zeichnet sich durch Druck von Reproduktionen, Bibeln und Wertpapieren aus. Van Aspern van der Velde liefert namentlich Illustrationsdruck.

Die Interessen des holländischen Buchgewerbes werden seit 18 16 von der Vcreenigung ter Bcvordering van de Belangen des Boekhandels vertreten2. Dieselbe hatte im Jahre 1881 in der Art des Pariser Ccrcle eine Ausstellung von den Erzeugnissen der

1 J. IIoffmann, Catalogus van chinesische Matrijzen en druklelters 1860, 1S64, 1876.

2 Reglement over de vcreenigung ler bcvordering etc. Amsterdam 1841. Bepalingen omtrent den bockhandcl. L. D. Petit, Proeve einer Geschiedenis der Vereenigung etc. Amsterdam 1875. Otto MÜHLBRECHT, Der holländische Buchhandel seit Coster. Leipzig 1867. Gunne, Flüchtige Gedanken über den Buchhandel in Holland. C. L Brinkmann, 'Alphab. Nadmlijst van boeken 1S50 1875. F. L. HOFFMANN,' Ouvrages conc. Vhistoire de Pimprimerie en Belgique et en Hollande. Brüssel 1X59.

15*

228 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VIII. KAP.

Hülfsgewerbe des Buchhandels veranstaltet und auch in derselben Weise wie der Cercle einen reichen Katalog erscheinen lassen1, zu welchem 28 Buchdruckerfirmen jede eine Abteilung und verschiedene Papierfabrikanten Papier geliefert haben. Dieser Katalog zeigt, dass die holländischen Accidenzbuchdrucker bemüht sind, ihren Kollegen in anderen Ländern nachzukommen. Die Arbeiten sind sauber und akkurat , wenn auch von einer Einschlagung neuer Bahnen keine Rede ist.

Als lithographische Farbendrucker haben Tresling & Co. in Amsterdam und Emrik & Binger in Haarlem Verdienste. Das Topographische Institut liefert nach dem Ecksteinschen Verfahren der Schichtlegung durch die verschiedenartige Behandlung der Schraffierungen und die dadurch entstehende Abstufung der Töne vortreffliche Karten in Farbendruck.

Das holländische Papier ist seit alters her berühmt und von bester Qualität. Weltruf hat das Büttenpapier von van Gelder & Zoonen in Amsterdam. Um die Farbefabrikation machte sich seinerzeit der Major E. W. J. Bagelaer (1817) verdient; jetzt wird der Markt ganz von dem Pariser Fabrikat beherrscht.

Die litterarische Produktion ist eine bedeutende und jährlich erscheint eine stattliche Reihe von wertvollen Werken auf allen Gebieten, mit Ausnahme dessen der Phantasie. An poetischen und illustrierten Werken ist die Ausbeute keine grosse und die Lese- und Schaulust des Publikums wird namentlich durch Übersetzungen und Bearbeitungen deutscher Schöpfungen befriedigt.

Unter den holländischen Verlegern seien erwähnt: Kemink & Zoon, P. W. van de Weyer in Utrecht, J. B. Wolters in Groningen, A.W. Sythoff und E. J. Brill in Leyden, welche beide letzteren einen reichen Verlag orientalischer Werke haben. Das japanisch- holländisch-englische Wörterbuch in Brills Verlag ist eine bedeutende Leistung. Überhaupt ist Leyden ein wichtiger Verlagsplatz, nament- lich für medizinische und naturwissenschaftliche Litteratur, während Utrecht die Fächer der Philologie und Geschichte kultiviert. Bedeutende Druckplätze sind noch Haag und ROTTERDAM; am letzteren Orte sind J. Würtheim & Zoon, welche namentlich Artikel für den Export liefern, bedeutend.

1 '/'eiiloonslelling van hulpmiddelen voor den Boekhandel. Amsterdam 1881.

VIII. KAP. DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE. 229

Einen hochangesehenen Namen in der Geschichte des hollän- dischen Buchhandels der neueren Zeit erwarb Frederik Müller Fr. Müiier auf Grund seiner Bestrebungen, System in den Betrieb des Handels und in die holländische Bibliographie zu bringen. Müller hatte eine vorzügliche Ausbildung in dem Etablissement von Johannes Müller, welches aus dem Geschäft von Friedr. Arnold Brockhaus entstanden war (s. Kap. xil), erhalten. Im Jahre 1843 etablierte er sich in Amsterdam auf dem Rockin in einem Keller, der bald ein Sammel- punkt der angesehensten Gelehrten wurde. Eine mit grossem Geschick ausgeführte Bücherbestellung des Vorstandes der Stern- warte zu Pulkowa bei St. Petersburg brachte ihn in eine wichtige Verbindung mit der St. Petersburger kaiserlichen Bibliothek und gab Veranlassung zu der Herausgabe einer Bibliographie neerlando- russe 1859, welcher verschiedene bibliographische Arbeiten folgten.

Der Nachdruck hatte in Müller, trotz dem Widerstände seiner Kollegen, den eifrigsten Bekämpfer, überhaupt nahm er den lebhaftesten Anteil an allen den Buchhandel betreffenden Fragen. Zwei Aufgaben seines Lebens musste er unvollendet lassen: die Abfassung einer allgemeinen niederländischen Bibliographie und die Geschichte des niederländischen Buchhandels, zu welcher das Material zum grössten Teil in der Bibliothek des niederländischen Buchhändler -Vereins deponiert wurde1.

Der Name BELGIENS ist in der Geschichte der neueren Typo- graphie von dem Pariser Frieden ab und bis zu dem Vertrage mit Belgien. Frankreich vom 1. Mai 1861 hauptsächlich durch die masslose Ausübung des zwar damals nicht verbotenen, doch wenig ehren- vollen Geschäfts des Nachdruckes bekannt.

Da in den belgischen Provinzen die französische Gesetzgebung auch nach der Trennung von Frankreich massgebend blieb, so Der Nachdruck, waren es selbstverständlich zuerst die besten Werke der französischen Jurisprudenz, welche, da der Vorteil ein sicherer war, den Nach- druckern anheimfielen. Ein Fortschritt der belgischen Typographie war dabei nicht bemerkbar; Papier und Druck blieben mangelhaft und im Jahre 1818 hatte Brüssel erst 18 Druckerpressen.

1 Otto IIarrassowitz, Fr. Müller. Börsenbl. f.d. d. B. 1881, Nr. 5.

23O DIE ROMANISCHE GRUPPE. VIII. KAP.

Der König Wilhelm, der wohl einsah, dass aus dem Druck- gewerbe nur dann ein eigentlicher Vorteil für das Land zu erwarten sei, wenn die Erzeugnisse technisch besser ausgeführt würden, unter- stützte die Papierfabrikanten und Buchdrucker und förderte die Einberufung französischer Arbeiter. Schon mit dem Jahre 1820 trat eine Besserung in der Produktion ein, doch blieb der Umfang des Druckgewerbes noch bis zur Revolution ein massiger; der Nach- druck beschränkte sich damals hauptsächlich auf Werke für den inländischen Bedarf und nahm erst nach dem Jahre 1830 gross- artigere Dimensionen an.

Während im Jahre 1 8 1 5 die litterarische Produktion nur fünf Produktion. Millionen Bogen betrug, war sie 1838 auf über 32 Millionen Bogen gestiegen. 181 5 war die Zahl der Buchdruckereien in den belgischen Provinzen 20 mit 27 Pressen, 1838 aber 53 mit 429 Pressen oder, wenn man die vorhandenen Schnellpressen der üblichen Leistungs- fähigkeit nach auf Handpressen überträgt, 519 Handpressen.

Von der Gesamtproduktion kamen etwa acht Millionen Bogen, Grosser umfang hauptsächlich in Duodezformat, welches Quantum 6 700000 der damals üblichen Romanbände gleichkam , auf die französischen Nachdrucke, deren Umsatz sich auf etwa 3 % Millionen Franken belief. Die bedeutendsten Nachdruckerfirmen Wahlen & Co., Louis Hau- mann & Co., Meline Cans & Co. gingen an Aktien - Gesellschaften über, die mit einem Kapital von insgesamt etwa fünf Millionen Franken arbeiteten. Diese Gesellschaften machten jedoch keine guten Geschäfte, da der kostspielige und komplizierte Admini- strations - Apparat den Vorteil absorbierte, zudem die kleineren Nachdrucker mit ihrem einfachen Geschäftsbetrieb die Preise ausser- ordentlich gedrückt hatten.

Von der Bedeutung des Nachdrucks mögen einige Thatsachen sprechen : Berangers Gedichte wurden in etwa 30 000 Exemplaren gedruckt; Thiers' Revolution in 15000; Lamennais' Paroles d'uu croyant in 60000 Exemplaren. Die kostbarsten Werke, z. B. die mit grossen Opfern durch Didot ins Leben gerufene neue Bearbeitung des Dictiounaire de VAcademie, fielen den Nachdrückern anheim, ja selbst mit den besten Zeitschriften als der Revue des dcux mondcs und der Revue britannique war es der Fall. Es kam sogar so weit, dass man eine eigene Zeitschrift Revue des Revues gründete, welche

VIII. KAP. DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE. 23 1

eine Quintessenz der verschiedensten periodischen Schriften von Wert brachte, während die politischen Zeitungen Belgiens den Romanhunger des Publikums mit Nachdrucken französischer Feuille- tons stillten. Die Brüsseler Buchhandlungen unterhielten Comptoire in London, Leipzig und anderen Orten; in vielen Grenzorten Frank- reichs errichteten sie Depots behufs des Schmuggels, ja selbst in Algier existierte ein solches, um die heimliche Einfuhr nach Frank- reich zu betreiben.

Diesem Unfug wurde, zum wahren Vorteil Belgiens, durch den Vertrag mit Frankreich ein Ende gemacht und Belgien war nun Aufhören des genötigt und auch mit Erfolg bemüht, sich auf dem Litteratur- markt selbständig geltend zu machen. Auch das Druckgewerbe hatte von der Änderung einen Vorteil; denn, waren auch die Nachdrucke meist sauber ausgestattet, so hielten sich doch alle Erscheinungen auf demselben Niveau des einfach mittelguten Werk- drucks und von einem höheren Aufschwung der Kunst war keine Rede1.

Der Import an Büchern aus Frankreich ist jetzt begreiflicher- weise ein bedeutenderer geworden und beträgt etwa drei Millionen Franken an Wert, während der Export nach Frankreich nur etwa eine halbe Million Franken erreicht.

Ein Zweig des Pressgewerbes von grosser Bedeutung ist der Druck liturgischer und überhaupt Andachtsbücher. Selbst die französischen Pressen haben in dieser Richtung schwer mit der belgischen Konkurrenz zu kämpfen. Unter denjenigen Offizinen, die sich in dieser Produktion auszeichnen und eine grosse Ausfuhr nach allen Weltteilen haben, sind M. H. Dessain und Haniq in Meciieln, mit welchen Wesmael-Charlier, Legros in Namur und Greuse in BRÜSSEL, welch letzterer auch die umfangreiche venetianische Ausgabe der Bolandisten fortsetzt, konkurrieren. Hebräische und chaldäische Werke liefern van Linjiout und van der Zande in Löwen. J. S. van Dooselaere in Gent2 ist ein, seinem Fache mit grosser Liebe zugethaner Jünger Gutenbergs.

1 Memoire s/er la Situation acliiclle de la contrefafon en Belgique. Paris 1841. C. Muquardt, De la contrefafon. Brüssel 1844. Over den Nadrnk in Belgien. Aug. SCHNEE, Tratte ans de la litte 'rat// rc beige 1S30 1860. Brüssel 186 [.

2 J. S. van Dooselaere, Apere//. London 1851.

Verschiedene Buchdrucker.

232 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VIII. KAP.

Ein von ihm gedruckter Recueil descriptif des aiitiqnites ist ein typographisches Kunststück, indem der Text die äussere Form der beschriebenen kunstgewerblichen Gegenstände nachbildet. E.vanderhaegenE. Vanderhaegen, ebenfalls in Gent, machte sich durch seine Biblio- graphie gantoise, 7 Bände, 1858 1869, einen Namen. Henri C astermann & Co. in TOURNAI vereinigen mit der Buchdruckerei auch die verwandten Geschäftszweige und den Verlagshandel. Allen ihren Arbeiten sind Nettigkeit und Eleganz nachzurühmen.

In BRÜSSEL zeichnet sich Ad. Mertens durch gute Illustrations- drucke und Luxusarbeiten aus. F. GuyotFreres j sind bedeutend im Accidenzfache und liefern viele Wertpapiere und Regierungsarbeiten, in welchen auch F. Hayez Beachtenswertes produziert. Bruylant- Christophe zeigt im Werk- und Buntdruck technische Tüchtigkeit. Adolf Wahlen veranstaltete mit A. Delpierres Leben der Maria von Burgund ein vorzügliches Druckwerk. Ein glücklicher Zufall hatte ein auf das feinste verziertes, nachweislich von der eigenen Hand der kunstsinnigen Prinzessin Marie herrührendes Alphabet Initiale vor dem Untergange bewahrt, welches nun mit grösster Sorgfalt für das erwähnte Werk nachgebildet wurde. Auch auf den Satz verwendete man die grösste Mühe, so dass in dem ganzen Werk kein geteiltes Wort vorkommt, ohne dass deshalb die Regelmässig- keit des Ausschlusses irgendwie gestört wäre.

Der Schatz, welchen Antwerpen in dem Plantin- Museum besitzt, durch welches diese Stadt ein typographisches Mekka geworden, ist bereits (I, S. 225) ausführlicher besprochen2.

Die Zahl der Buchdruckereien in Belgien beträgt 639; davon statistisches, kommen auf Brüssel 101, Antwerpen 51, Lüttich 37, Gent 34, Brügge 21. Unter den Schriftgiessereien zeichnen sich Vander- lorght und Meline Cans & Co. aus. Die Zeitungspresse 3 Belgiens teilt sich in zwei, einander gegenüberstehende Lager, das katholische und das liberale. Im Jahre 1840 hatte Belgien nur 75 Journale, darunter 39 vlämische. 1880 war die Zahl auf 388 gestiegen,

1 Imprimerie E. Guyot. Brüssel 1880.

2 Wer nicht Gelegenheit oder Lust hat, die I, S. 225 zitierten Werke ein- zusehen, findet in Westermanns Monatsheften 1883, Heft 319 eine ausführliche Beschreibung des Plantin -Museums.

3 J. Maixou, Notice statistique sicr les journeaux Beiges. Brüssel 1843.

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darunter 143 in vlämischer Sprache. 54 Zeitungen erscheinen täglich. Die älteste derselben ist das 1764 gegründete Journal de Lüge. Unter den Fachblättern sind zu nennen die Annales de V imprimerie .

ITALIEN.

ITALIEN seufzte in der vorliegenden Periode unter dem Druck der Fremdherrschaft bald österreichischer, bald spanischer und französischer Machthaber. Jede freiere Geistesregung war ver- schwunden und infolge davon vegetierte auch die einst so blühende Typographie nur in kümmerlichster Weise fort. Der kleinen Stadt Parma allein war es beschieden , durch den einzigen bedeutenden Meister dieser Zeit einen grossen, jedoch nur kurz andauernden Ruf zu gewinnen.

Dieser Meister, Johann Baptist Bodoni l , ward in Saluzzo von einfachen aber respektablen Eltern geboren. Die Anfänge der j Kunst lernte er bei dem Vater und bereits frühzeitig entwickelte er f 30. Nov. 16I3 ein nicht gewöhnliches Zeichentalent und schnitt in seinen Frei- stunden Vignetten in Holz, die später, nachdem der unbekannte Holzschneider ein berühmter Buchdrucker geworden war, von Sammlern sehr gesucht wurden.

Achtzehn Jahre alt begab er sich mit einem Freunde nach Rom, wo der letztere einen Onkel hatte, von welchem die Wanderer Bodoni in de

Propaganda.

Unterstützung erwarteten. Die kleine Barschaft war unterwegs bald aufgezehrt, da half Bodoni durch Verkauf von Holzschnittvignetten an Buchdrucker. Den nach Rom Gekommenen erklärte der Onkel nicht helfen zu können. Bodoni war zur Rückkehr entschlossen, wollte jedoch wenigstens der berühmten Offizin der Propaganda einen Besuch abstatten. Bei diesem erregte die Lebhaftigkeit und das gefällige Wesen Bodonis die Aufmerksamkeit des Direktors, Abbe Ruggieri, und er wurde engagiert. Auf Veranlassung der obersten Spitze der Anstalt, des Kardinals Spinelli, der Bodonis Streben wohlgefällig bemerkte, nahm dieser an einem Kursus

Bodoni 6. Febr. 1740.

1 Lama, Vita del cavaliere G. Bodoni, 1816, 2 ]!dc, von welchen der letztere ein analytisches Verzeichnis seiner Druckwerke enthalt. J. BeRNARDI, Vita di G. Bodoni. Saluzzo 1872.

234 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VIII. KAP.

der orientalischen Sprachen Anteil und lernte auch Arabisch und Hebräisch lesen. Mit der typographischen Ausführung eines arabisch- koptischen Missale und des Alphabeticum Tibetanum des Paters Georgi betraut, entledigte er sich der Aufgaben in so befriedigender Weise, dass Ruggieri dem Schlüsse des Werkes den Vermerk: „Roma, excudebat J. B. Bodoni, Saluticnsis 1762" aufdrucken Hess. Bei der Ordnung der orientalischen Schriftenvorräte der Anstalt war die Lust bei Bodoni entstanden, selbst Schriftschneider zu werden und er griff diesen Gedanken mit einem solchen Eifer auf, dass er in kurzer Zeit ein sehr tüchtiger Stempelschneider wurde. Wahr- scheinlicherweise wäre sein Schicksal für stets mit der Propaganda verknüpft geblieben , wenn nicht der freiwillige Tod seines Gönners Ruggieri ihm den dortigen Aufenthalt verleidet hätte. Er nahm einen Ruf nach England an, wollte jedoch vor seiner Abreise noch- mals seine Eltern in Saluzzo sehen. Dort erkrankte er in so bedenklicher Weise, dass seine Abreise verschoben werden musste, und als der Marquis Telino ihm das Anerbieten machte, an die Spitze einer, der Königlichen Buchdruckerei in Paris ähnlichen Anstalt, die man in Parma errichten wollte, zu treten, gab Bodoni das Engagement nach England ganz auf und siedelte nach Parma über.

Hier begann nun für ihn eine Zeit des strengsten Arbeitens, Buchdrucker in auch war er anfänglich keineswegs pekuniär günstig gestellt. Im

Parma. ,,. .•. .

Jahre 1771 legte er durch seine Saggio tipograpJuco di frcgi et wajuscola Proben seiner Kunst als Stempelschneider ab. 1774 folgten Iscrizioni csoticlie von de Rossi und 1775 bei Gelegenheit der Vermählung des Fürsten von Piemont mit der Prinzessin Clotilde von Frankreich, die in 25 verschiedenen Sprachen, orientalischen und europäischen, gedruckten Epithalamia exoticis Unguis rcddita. Das letztere Werk richtete die allgemeine Aufmerksamkeit auf Bodoni. Kein Reisender von Bedeutung unterliess es, dessen Druckanstalt zu besuchen. Karl III. von Spanien ernannte ihn zu seinem Hofbuchdrucker; Gustav III. von Schweden und Ferdinand IV. von Neapel erteilten ihm Auszeichnungen. Alle waren einig, dass Bodonis Erzeugnisse in Bezug auf Eleganz und Gleichförmigkeit nicht übertroffen seien.

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Im Jahre 1788 wurde ihm von dem Ritter d'Azara, dem spanischen Gesandten in Rom, das Anerbieten gemacht, in dessen Palast eine Druckerei für die Herausgabe griechischer, lateinischer und italienischer Klassiker einzurichten. Unwillig darüber, dass jemand ihm eine solche typographische Kapazität rauben wolle, gestattete der Herzog von Parma, dass Bodoni eine ähnliche Offizin, wie die in Rom beabsichtigte, in dem herzoglichen Schlosse ein- richtete, aus welcher dann einige der schönsten Klassiker-Ausgaben, darunter der Virgil von 1793 und Tassos Genisalemme libcrata in drei Foliobänden (1794), hervorgingen.'

Die kostbarste aller seiner Prachtausgaben war jedoch der Homer (1808), den er dem Kaiser Napoleon dedizierte, von Prachtwerke, welchem er in der Zeit der Franzosenherrschaft in jeder Weise begünstigt wurde. Bei der Überreichung des Dedikationsexemplares erhielt Bodoni eine Pension von 3000 Franken. Der Vizekönig von Italien, Eugen Beauharnais, wollte ihn gern nach Mailand, Murat nach Neapel ziehen. Bodoni wünschte jedoch nicht Parma zu ver- lassen und schützte Alter und Kränklichkeit vor. Er hasste über- haupt das Franzosentum, verstand es aber ganz wohl, sich in die Verhältnisse zu schicken und diese sich nutzbar zu machen.

Im Jahre 1 8 1 1 wurde er von Murat dekoriert. Letzterer hatte die Absicht, für den jungen Murat eine Reihe von Klassikern drucken zu lassen. Der Anfang wurde 18 12 mit Telemaqtie gemacht, dem 181 3 Racine folgte; erst 18 14, nach Bodonis Tod, erschienen Lafon- taine und Boileau. Auf Grund dieser französischen Klassiker- Ausgaben erteilte Napoleon dem Bodoni kurz vor dessen Tode das Kreuz der Ehrenlegion in Begleitung eines Ehrengeschenkes von 1 8 000 Franken.

Unter Bodonis Arbeiten müssen noch zwei erwähnt werden, die für den Typographen von Fach ein ganz besonderes Interesse haben: seine Oratio domiuica und sein Manuale tipographico.

Als der Papst Pius'Vll. im Jahre 1805 auf seiner Rückreise von Paris, wo ihm in der Staatsdruckerci die Oratio domiuica durch Oratio domim* Marcel überreicht worden war, durch Parma kam, forderte er Bodoni auf, zu zeigen, dass Italien ein ähnliches Werk liefern könne. Bodoni wollte nun die Pariser Ausgabe noch übertreffen und lieferte auch, und zwar in sehr kurzer Zeit, die seinige in 155 Sprachen;

Manuale tipo- graphico.

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5 1 asiatischen, 82 europäischen, 1 2 afrikanischen und 20 amerika- nischen, allerdings nur, indem die Propaganda ihn mit ihren Vorräten unterstützte.

Das Manuale tipographico del Cavaliere Giambattista Bodoni, zwei Bände in kleinem Folio, wurde erst 18 18 von seiner Witwe herausgegeben. Es enthält auf 87 Seiten eine Einleitung der Witwe und 267 Seiten Proben. Die erste Serie bringt auf 144 Blatt die Caratteii latini tondi e corsivi, eine Sammlung von Antiqua- und Cursivschriften, wie sie in solcher Vollständigkeit, Vollendung und einheitlichen Durchführung sonst wohl selten oder nie gefunden wird. Bodoni schnitt folgende 22 Grade: Parmigianina, Nonpariglia, Mig- noua, Testino , Garamoncino , Garamone , Filosofia, Lettura, Silvio, Soprasilvio , Testo, Parangone, Ascendonica , Palest ina, Canoucino, Sopracanon, Canone , Corale, Ducale , Reale, Imperiale, Papale. Darauf folgen 85 Blatt Versalien, Antiqua-, Cursiv- und Schreib- schriften. Der zweite Band enthält 59 Blätter Griechisch, 33 Blätter Orientalia, darauf, zwischen Malabarisch und Russisch, zwei Blätter Caratteri tedesclä, in einer Ausführung, die allerdings nahe ans Malabarische grenzt. Die russischen Schriften sind auf 82 Blättern sehr reich und schön vertreten. Den Schluss machen 91 Blatt Fregi (Einfassungen), Linien und Diverse, die ohne Bedeutung sind.

Das Ganze bildet ein Druckwerk ersten Ranges. Der tief- schwarze und doch mit wenig Farbe erzielte Druck, die Schärfe der Schrift, die Einfachheit und das Ebenmass des Ganzen, das schöne milchweisse Velinpapier, ohne den schädigenden Glanz der Satinage, haben ein Kunstwerk zuwegegebracht, welches das Studium jedes Gutenberg-Jüngers verdient.

Bodonis Schriften wurden nicht allein in Italien überall ver- breitet, sondern fanden auch Eingang in Berlin durch Decker und Unger, in Leipzig durch Breitkopf, in der Schweiz durch Gessner, in London durch Nicholls, in Kopenhagen und an andern Orten.

Bodoni war von der Natur kräftig, schadete sich aber durch Krankheit und übermässiges Arbeiten. Er bezeichnete sich selbst als einen Galeeren- sklaven und war in der That an die Druckerei wie angeschmiedet. Seit Jahren an Podagra leidend, Hess er sich durch Schmerz und Ungeduld verleiten, als Kur innerhalb je 12 Stunden 36 Pfund heisses Wasser zu trinken, und er würde dies noch weitergetrieben haben,

VIII. KAP. DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE. 237

wäre er nicht durch Ohnmächten daran gehindert worden. Die Folge war eine Schwächung des Magens, die nicht wieder gehoben werden konnte. Am 30. November 1813 unterlag er, und am 2. Dezember rief die grosse Glocke des Domes die Bürger Parmas zu der feierlichen Beerdigung ihres hochverdienten Mitbürgers.

Bodonis Denkmal in Saluzzo wurde am 20. Oktober 1872 ein- geweiht. Es stellt ihn in ganzer Figur vor, umgeben von den Werkzeugen seiner Kunst.

Bodoni leistete vieles ganz ausserordentlich Schöne, doch entstanden die Produkte seiner Pressen zumteil mehr aus typo- Verdienste. graphischem Ehrgeiz als aus dem Wunsch, höheren, veredelnden -^Zwecken zu dienen, wie dies in der Vergangenheit das Ziel seines grossen Landsmannes Aldus gewesen oder in seiner Zeit das der Didots war. Er huldigte öfters zu sehr dem Luxusdruck ohne eigentlichen Zweck. Sein Wirken erhellte deshalb zwar eine Zeitlang den typographischen Himmel Italiens, es war jedoch nicht mit dem erwärmenden, fruchtbringenden Licht der Sonne zu vergleichen, sondern mehr mit der prachtvollen, die Augen entzückenden Erscheinung eines glänzenden Meteors, welches ebenso unvermutet zum Vorschein kommt, als es rasch verschwindet.

So finden wir bis um die Mitte unseres Jahrhunderts die Typo- graphie und das Buchgewerbe Italiens in einem wenig erfreulichen DieTypographie

. i" Italien.

Zustande. Die Zensur war eine ausserordentlich strenge und die Bücher, die in einem Teil des Landes gedruckt waren, konnten nicht unbehindert in einem anderen vertrieben werden. In Neapel existierten Zölle, die gleich einem Verbot wirkten; dabei florierte der Nachdruck und der Verkehr mit dem Auslande bot die grössten Schwierigkeiten.

Im Jahre 1833 gab es 464 Buchdruckereien und Buchhandlungen; 1835 wurden 2819 Werke in 4295 Bänden herausgegeben. 1836 statistisches. zählte man, einschliesslich der offiziellen Zeitungen der verschiedenen Staaten, nur 185 Zeitschriften, davon 26 in Neapel, 19 in Mailand, je 10 in Rom und Turin, je 8 in Palermo und Florenz.

Die 1848 in Piemont eingeführte Pressfreiheit trug zwar bald Früchte, jedoch datiert der eigentliche Fortschritt erst von der Einigung Italiens. 1859 gab es gegen 600 Buchdruckereien mit etwa 2000 Pressen. Turin hatte 780 Setzer, 164 Handpressen und

238 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VIII. KAP.

47 Schnellpressen, bei deren Einführung man nicht daraufdrucken wollte, bevor die Macht des Satans über sie durch Besprengung derselben mit geweihtem Wasser seitens eines Geistlichen beseitigt war. 1872 bestanden bereits 911 Buchdruckereien, in welchen 745 Schnellpressen, 2691 Handpressen und nahe an 11 000 Personen beschäftigt wurden. Unter den 10S3 Buchhandlungen verdienten allerdings eine ziemliche Anzahl kaum diesen Namen. Viele, selbst bekannte Schriftsteller mussten ihre Werke auf eigene Kosten drucken lassen.

Die buchhändlerische Produktion, welche 1863 4243 Werke betragen hatte, war 1872 auf 6798 neue Werke gestiegen. 6509 Fortsetzungen waren noch im Gange, wozu noch 2666 Gesetze, Statuten etc. kamen, so dass die ganze Produktion 15 973 Nummern betrug1.

Im Jahre 1869 war die Zahl der Zeitschriften auf 450 ange- wachsen. Damals zeigte sich die grösste journalistische Thätigkeit iri dem Norden, dem eigentlichen Herde der Freiheit Italiens. Turin zählte derzeit über 100 Zeitschriften, Mailand 80, Florenz 51, Genua 37. Zwei Drittel derselben waren politischen Inhalts; 75 erschienen täglich, 65 zwei- bis dreimal, 179 einmal wöchentlich. 1872 war die Zahl schon 723. Obenan stand damals Florenz mit 101, während Turin auf 75 gesunken war. Im Jahre 1873, mit 1126 Zeitschriften, hatte Mailand mit seinen 137 den Vorsprung über Florenz und Turin gewonnen, Rom zählte 109; ihm folgte Florenz mit 107 auf dem Fusse, dann Turin mit 85, Neapel mit 81, Genua mit 51, Palermo mit 48, Venedig mit 38, Bologna mit 36. Die Gesamtauflage einer Nummer aller Zeitschriften betrug i3/4 Millionen Stück. Die 'Post versandte jährlich gegen 100 Millionen einzelne Nummern. Zeitungen mit einer allgemeinen giossen Verbreitung gab es in Italien nicht; jedes Städtchen hängt an seinem Lokal- blättchen.

1 Diese Angalien sind G. Ottinos, La stamfia periodka, il commerc'.o da libri e la tipografia in Ilalia, Mailand 1875, entnommen. Das Buch enthält eine sehr sorgfältige Zusammenstellung der periodischen Presse, die zuerst anlässlich der Wiener Ausstellung 1873 ausgearbeitet war, und muss zugleich als eine ganz vorzügliche typographische Leistung gelten. Vergl. auch „Zur Geschichte der Presse in Italien", Trutz' Museum, Leipzig; Taolo Liov, „Über die geistige Nahrung des italienischen Volkes" in C. Ilillebrands Italia, Bd. III, S. 90.

VIII. KAP. DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE. 239

Wie rasch Italien sich unter seinen neuen Verhältnissen ent- wickelt, geht schon daraus hervor, dass 1881 die Zeitschriften auf 1854 gestiegen waren, unter welchen 159 Tageszeitungen.

Werfen wir noch einen Blick auf die Pressthätigkeit der einzelnen Städte.

VENEDIGS hoher typographischer Ruhm war wie sein politischer zu Grabe getragen, wennauch einzelne bedeutendere Erscheinungen Venedig. sich sporadisch zeigten, zu welchen Alvisopolis vortreffliches Prachtwerk Le fabbriche piü cospicue di Vcnezia, zwei Bände in Folio, gehörte. Aus alter Zeit hat sich nur die armenische Offizin der Mechitaristen auf der Insel S. Lazaro (I, S. 186) erhalten. Das Mechitaristen. Kloster entging auf Grund seiner wissenschaftlichen Bestrebungen der Aufhebung unter napoleonischer Herrschaft und wurde zu einer armenischen Akademie erhoben, die noch existiert und für welche die Offizin eine Monatsschrift Pasmaveb (der Polyhistor) druckt, von welcher dreissig Bände erschienen. Die Akademie erwählte auch auswärtige Mitglieder, zu welchen Lord Byron zählte, der oft und gern dort verkehrte und armenische Studien trieb. Zu ihren bedeutenderen Leistungen aus neuerer Periode gehören der Thesaurus liuguae armeuicae und die Chronik des Eusebius in armenischer, lateinischer und griechischer Sprache, sowie das Dizionario armeno - lettcrale. Als Probe ihrer Produktionsfähigkeit Hessen die Brüder -Typographien 1837 die Prcccs sancti Nercetis in 24 Sprachen erscheinen1.

In Udine erschien bei den Brüdern Mattiuzzi eine schöne Ausgabe von Vitruvii Pollionis Architedura, vier Bände in Quart, 1825.

Ein sonderbares Schauspiel vollzog sich am 25. September 1868 in dem Städtchen FELTRE, an welchem Tage unter grossen Pamfilo Castaid Festlichkeiten ein Monument des Erfinders der Buchdrückerlcunst selbstverständlich nicht Gutenbergs, sondern des Italieners Pamfilo Castaldi enthüllt wurde.

Der Prätor Antonio Cambruzzi schrieb um 1556 in seiner Geschichte der Stadt Feltre: „Um diese Zeit (1456) lebte Pamfilio Castaldio, Doktor der Rechte und Dichter, in Feltre, der die

1 rrinters Register 1874, Dezbr. Dasjoum. f. B. 1SS0 enthält in Nr. 2 und 3 die Schilderung; eines Besuches Th. Goebels in dieser Druckerei.

240 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VItl. KAP.

Erfindung (!) der Buchdruckerkunst entdeckte (!•!). Der Burggraf Faust lernte von ihm diese Kunst, als er in seinem Hause zu Feltre - wohnte, um die italienische Sprache zu studieren. Er führte die Druckkunst nach Deutschland, übte sie in Mainz und bekam nachher von Einigen den Titel des ersten Erfinders. Andere haben diese Erfindung einem Deutschen namens Cuttembergo aus der Stadt Strassburg zugeschrieben , allein der erste Erfinder ist, „„wie aus den Chroniken von Feltre erhellt"", Pamphilio Castaldio gewesen".

Recht schade ist es, dass diese „erhellenden Chroniken" nicht existieren. Indes dies geniert die späteren Zeugen", die auf Cambruzzi fussen und ihn sogar fälschen, nicht, wie es auch Guten- bergs Manen nicht genieren wird, dass seinen Konkurrenten in Feltre und Haarlem Statuen errichtet wurden. Fast möchte man aber glauben , dass es Italien besser angestanden hätte , der Zierde der italienischen Typographie, dem Aldus Manutius, ein würdiges Monument zu setzen, statt einer mythischen Person zu huldigen, zu einer Zeit, wo der Nebel, welcher die Geschichte der Erfindung bisher umhüllte, wenigstens so weit zerstreut ist, dass man nicht Erfindern ä la Castaldi und Coster Denkmäler errichten sollte.

In jüngster Zeit hat der Vorsteher des Staatsarchives zu Mailand, Cesar Cantu, zwei Urkunden entdeckt, nach welchen sich ergiebt, dass Castaldi im Jahre 1472 in seinem 74. Lebensjahre als Lehrer der Buchdruckerkunst von dem Herzog Galeazzo Maria Sforza in Mailand nach dort berufen und dass ihm das Recht erteilt wurde, eine Druckerei zu eröffnen. Wie damit eine Erfindung seitens des Castaldi bewiesen werden soll, ist nicht leicht ersichtlich1.

Padua beansprucht den etwas zweifelhaften Ruhm , in seinem sogenannten Dantino das mit der kleinsten Schrift gedruckte Buch hervorgebracht zu haben. Im Jahre 1834 hatte bereits Antonio Farina eine Schrift, die er Occhio di mosca (Fliegenauge) nannte, geschnitten. In demselben Jahre trat Claudio Wilmant mit einer noch kleineren, Milanina, hervor. Nach vielem Herumirren der- selben schloss der letzte Besitzer dieser Schrift, Giovanni Gnocchi, 1873 einen Vertrag mit den Gebrüdern Salmin in Padua über den

1 A. BernhaRDI-ZinGHELUNI ET a VALSECCHI, Intornoa P. Castaldi. Mailand 1866. A. dkl Como, Mem. della citla di Feltre. Venedig 1710. A. v. D. Linde, Gutenberg. Stuttgart 1878.

VIII. KAP. DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE. 24 1

Druck einer Ausgabe von Dantes göttlicher Komödie ab und nach fünf Jahren erschien dieselbe.

Mailand trug durch P. E. Giustis Ausgabe der Famiglie celebri di Italia des Grafen Pompeo Litta zur Ehre der Kunst bei. Mailand. Dort wirkt die. Anstalt von Ed. Sonzogno (gegr. 1861) mit 30 Schnellpressen und 500 Personen für die Herstellung des eigenen Verlags der Firma, darunter 15 Zeitschriften. Civelli (1840) hat Druckereien in Mailand, Turin, Verona, Ancona und Rom, ausser- dem zwei Papierfabriken und verlegt fünf Zeitschriften. Er druckt fast alle Arbeiten für die italienischen Eisenbahnen. Ein Riesenwerk ist das Vocabulario universale della lingua italiana, acht Bände in Quart.

Was den lithographischen Bilderdruck betrifft, hat Mailand zwei vortreffliche Repräsentanten aufzuweisen, Ulysses Borzino und seine Frau, die beide selbst tüchtige Künstler sind.

Was Bodoni für die Typographie Italiens gewesen, war die Familie Pomba in Turin für den Verlagshandel. Die von derselben Familie Pomba 1818 begonnene Collezione dei classici Latini in 108 Bänden wurde 1 835 beendigt. Ihre Biblioteca populäre di classici autori, 100 Bände, in 16. (1829) gab den ersten Impuls in Italien zur Verbreitung guter Bücher zu den billigsten Preisen. Nach dem Vorbilde der Penuy Cy % iop aedia wurde 1842 1849 die Encyclopcdia populäre, zwölf Bände in Quart, herausgegeben. Glänzenden Erfolg erzielte Cesar Cantus Storia universale , die in sehr kurzer Zeit zwei teuere Auf- lagen und eine billige erlebte. Die Firma Pomba & Co. unternahm die Biblioteca deW Economista, 26 Bände, und ein kolossales Werk, Istituzioni di agricoltura.

Am 1. Februar 1855 ging das Pombasche Geschäft mit noch einigen anderen, kleineren Geschäften in den Besitz der Unione Luigi Pomba tipografico - editrice über, die unter der Direktion Luigi Pombas eine grosse Wirksamkeit, namentlich in encyklopädischer Richtung, entwickelte und Filialen in Rom, Neapel und Pisa gründete. Neue grossartige Werke der Firma waren das Wörterbuch von Nie. Tommaseo, acht Bände in Quart; die Encyclopcdia di chiiuica, zehn Bände in Quart, und die Prachtausgabe von A. Palladios Fabbriche etc., fünf Bände in Fol., ferner die italienischen illustrierten Ausgaben der Werke Brehms, Darwins u. a.

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242 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VIII. KAP.,

Ausser durch die eigene Verlagsthätigkeit zeichnete sich Joh. Pomba durch seine allerdings ohne Erfolg gebliebenen Bestrebungen, den italienischen Buchhandel nach Art des deutschen zu organisieren, aus. Um sich näher mit dem Betrieb des letzteren bekannt zu machen, besuchte Pomba die Leipziger Messe und Hess 1869 eine Broschüre Infovmazione della fiera di Lipsia erscheinen.

Grosse Anstrengungen machte die königliche Druckerei in Turin in den Händen der Firma Paravia (Vigliardi), die auch Filialen in Mailand, Florenz und Rom errichtete. Schöne Arbeiten lieferten in Turin ebenfalls Bona, sowie Chirio & Mina. Unter den Arbeiten der letzteren ragt die Geschichte des Klosters Alta Comba in Folio mit Einfassungen in Golddruck im Geschmack des XV. Jahr- hunderts hervor.

In FLORENZ, das durch Verbindung vieler Eigenschaften (geographische Lage, allgemeine Bildung, Reinheit der Sprache, Tüchtigkeit der Setzer) geeignet wäre, ein Leipzig Italiens zu werden, lieferte 1825 Molini eines der schönsten Druckwerke Italiens, die vom Grossherzog von Toscana veranstaltete Pracht- ausgabe der Opere di Lorenzo de' Media, vier Bände in Gross- Quart. Mareingh, erst in Florenz, dann in Triest, zeigte in Tassos Gerusalemme liberata, zwei Bände in Gross-Folio, 1820, und in den Monumens s'epulcraux de Toscane, 182 1, feinen Geschmack und grosses Geschick. Eines der bedeutendsten Werke der letzten Zeit ist das in der Tipografia Cenniniana auf 1648 zweispaltige Seiten gedruckte Vocabulario Italiano von P. Fanfani, . Rigutini und F. Corridi. Als Drucker und Verleger bedeutend ist G. Barbera; er ist durch seine Diamant -Ausgaben italienischer Klassiker bekannt.

Florenz hat einen Cercolo tipografico , in dem Prinzipale und Gehülfen zwanglos verkehren. Hier erscheint auch seit 1869 das in würdiger Weise von Salv. Landi geleitete und typographisch sehr gut ausgestattete Journal U Arte della stampa. Als Organ der Gehülfen dient 77 tipografo (Turin). Scnefcldcr ist der Titel einer in Turin in italienischer und französischer Sprache erscheinenden 1 ithographischen Monatsschrift.

Rom hatte zwar nie einen ersten Platz in der typographischen Geschichte eingenommen, sank jedoch in der Periode von 1750 ab tiefer als man hätte erwarten sollen. Das einzige Institut von einiger

VIII. KAP. DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE. 243

Bedeutung war die Druckerei der Propaganda (I, S. 186)1. Ihren Flor verdankt sie dem gelehrten Prälaten Leo Allacci (Allatius), den Kardinälen Antonelli, Ruggieri, Spinelli, Consalvi und Zurla, sowie den Monsignoren Ricci, Amaducci und Borgia. Eine solche Stellung jedoch, wie dies Institut hätte einnehmen können und sollen, wurde nicht erreicht. Nicht nur andere Staatsanstalten, sondern auch Privatdruckereien anderer Länder überflügelten weit die Propaganda. 1812 ward sie zeitweilig ganz unterdrückt, hob sich jedoch später wieder. Die von Napoleon geraubten Schriften kamen wieder nach Rom zurück. Besonders der Papst Pius ix. nahm sich der Anstalt an und ernannte 1865 den verdienten Ritter Marietti zum Direktor, der 1872 seine Stelle niederlegte und von Federigo Melandri gefolgt wurde. Unter den seit 1865 entstandenen Werken der Offizin sind zu erwähnen der Bibliorum Sacrontm Codex Vaticamts, mit den Typen des Tischendorfschen Codex Sinaiticus gedruckt, und eine Oratio dominica in 250 Sprachen, die trotz der Schriftenmannigfaltigkeit zeigte dass die Anstalt nicht auf der Höhe der Jetztzeit steht2.

Eine Hofbuchdruckerei Stamperia camerale wurde 1834 sehr hübsch in dem Palast Cornaro eingerichtet. Im Jahre 1881 gab es in Rom 53 Buchdruckereien mit 172 Schnellpressen und 129 Hand- pressen. Die Zahl der Gehülfen war 722, der Lehrlinge 268. Die grösste Zahl der Schnellpressen, 31, und ebenso viele Handpressen beschäftigte die „Aktienbuchdruckerei". Bedeutend sind ferner: Civelli , Bottas Nachfolger, mit 1 1 Schnellpressen und 8 1 Setzer ; die Druckerei der Nationalbank mit 8 Schnellpressen und 1 1 Hand- pressen ; Molina mit 16 resp. 8.

NEAPEL 3 sucht in seinen Leistungen nicht zurückzubleiben. Angeli & Sohn liefern viele Accidenzien. Dort gelangte eines

1 Propaganda, Spechnen chararterum. Rom 1843. Ca/, librorum tjiti ex typogr. S. Congr. etc. prodierimt. Rom 1773.

2 A.Mackie's Italy and~France bringt in dem Le/terxxxvi und dem Appendix A die Schilderung eines Besuchs des bekannten englischen Zeitungsdruckers in der Propaganda. Eine Äusserung von ihm wird in Deutschland interessieren: „Ich bemerkte nicht eine einzige Maschine englischen Ursprungs. Bereits in England war mir gesagt worden, dass die englischen Maschinen überflügelt seien. Deutschland hatte liier alles geliefert, seihst eine kleine Kal/.maschine".

3 GlTJSTINIANI, Saggio stdla äpografia del regno di Najioli. Neapel 1 79 1 .

16*

244

DIE ROMANISCHE GRUPPE.

Neapel.

J. P. Piranesi

t 1778.

der prachtvollsten Stichwerke der Neuzeit zur Ausführung, das von Piranesi Vater und Sohn herausgegebene: Antike Denkmäler Roms.. In der Kunst, die Monumente und Ruinen darzustellen, sind die beiden Meister nicht übertroffen. Der Vater Joh. Baptist Piranesi aus Venedig lieferte die ersten 16 Bände und der Sohn Franz Piranesi setzte das Werk fort. Nach verschiedenen Schick- salen liess sich letzterer in Paris nieder. Napoleon begünstigte ihn sehr und es wurde der Beschluss gefasst, von Staatswegen das Werk für 300 ooo Franken und ein Jahresgehalt an Peranesi von 1 2 000 Franken zu erwerben. Das Unglück in Moskau verhinderte die Vollziehung des betreffenden Dekretes, jedoch erwarben die Didots das grossartige Unternehmen von 29 Bänden mit über 2000 Kupferstichen im grössten Atlanten-Format.

SPANIEN. PORTUGAL. SUDAMERIKA.

SPANIEN hat wie Italien in der Periode von 1750 ab einen Spanien. einzigen hervorragenden Namen aufzuweisen, während seine typo- graphische Geschichte wenig von Bedeutung verzeichnen kann1.

Der Kammerdrucker des Königs, Joachim Ibarra aus Sara- j. ibarra. gossa , war der Mann, der die Buchdruckerkunst in Spanien zu einer dort noch nicht gekannten Höhe erhob und einen Wetteifer der Buchdrucker hervorrief, der sie weiter trieb , als 200 Jahre es vermocht hatten. Ibarras Prachtwerke zeichnen sich gleich sehr durch die Schönheit des Druckes, der Typen und der Illustrationen, sowie durch die Glätte des Papiers, und durch die Korrektheit aus.

Unter seinen Druckwerken sind besonders zu nennen die spanische Übersetzung des Sallust durch den Infanten Don Gabriel, mit Illustrationen, Folio, 1772; eine Dissertation des Fr. Perez Bayer über die phönizische Sprache, Folio, 1772; die Pracht- ausgabe des Don Quixote, vier reich illustrierte Bände in Quart, 1780; Marianas Geschichte Spaniens, zwei Bände, Folio, 1780. Ibarras Witwe setzte das Geschäft in rühmlichster Weise fort; eine vorzügliche Leistung von ihr ist das Diccionario de la Icngua Castellana, Folio, 1803.

1 F. MENDEZ, Tipografia Espanola. Madrid 1861. de la legislation espanola 1480 1873. Madrid 1879. Madrid 1882.

J. E. Equizabal, Hist. Annuario del comercio.

VIII. KAP. DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE. 245

Für die Achtung, welche die Spanier ihrem grossen Dichter Cervantes zollen, spricht der Umstand, dass eine Facsimile- Reproduktion der ersten Ausgabe der Werke desselben (I, S. 190), von Francisco Quijano in 1500 Exemplaren veranstaltet, sofort vergriffen war.

Unter den neueren Druckern Madrids werden mit Ruhm genannt: Gaspar & Roix, Calleja Millado, Man. Rivadaneira Madrid. (jetzt Abelardo de Carlos und Sohn), Juan Aguado, Ducazal, Joachim Fontanet, Gabriel Albamra u. a. Im Jahre 1881 hatte die Stadt 104 Buchdruckereien, 110 Buchhandlungen, 64 litho- graphische Anstalten. Die Schriftgiessereien sind schwach vertreten, , J- Af uado

b r . . ' f 22. März 1878.

die bedeutendste darunter ist die von Juan Aguado, der auch die Fachzeitschrift Bulletin tipografico herausgiebt. Ein zweites Fach- blatt ist die Cronica de la imprenta. Von Zeitschriften erschienen 206 (darunter 60 politische, von welchen die Correspondencia die grösste Auflage [über 50000] hat). Die spanische illustrierte Zeitung ist eine tüchtige Leistung A. de Carlos' und enthält viele gute Original-Illustrationen, ebenso El museo universal.

Nächst Madrid ist BARCELONA der bedeutendste Druckort. Die dort bestehende Banknotendruckerei unter Direktion von Barcelona. Zaragozano & Jaime ist ganz mit französischem Material aus- gerüstet und beschäftigt über 60 Personen. Früher wurde das spanische Papiergeld in England gedruckt. In Barcelona erscheint auch ein Fachblatt El correo tipolitografico von Cepherino Gorchs. Die Stadt besass 1881 42 Buchdruckereien, davon 6 mit Dampf- und 10 mit Gasbetrieb. 919 Personen, 95 Schnellpressen (darunter 81 französische), 60 Handpressen (darunter nur zwei deutsche) waren beschäftigt. Ausserdem zählte man dort 5 1 lithographische Anstalten, 57 Buchhandlungen und 63 Journale.

Das in Valencia erschienene Bayeri opus de nummis Hebrae- SamarUhanis , zwei Bände in Quart, 1781 und 1790, ist ein Werk, Valencia, welches eine Vorstellung giebt von dem, was die Buchdruckerkunst in Spanien hätte werden können, wenn sie genügende Unterstützung gefunden hätte und nicht zugleich mit der Entwickelung der allge- meinen Bildung unter unglücklichen inneren Verhältnissen so sehr gehemmt worden wäre.

246 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VIII. KAP.

Wennauch die Typographie in PORTUGAL1, gleichwie in

Portugal. Spanien, im allgemeinen keine besonders hohe Stufe erklommen

hat, so -besitzt das Land doch eine Anstalt, die, vortrefflich geleitet,

imprcnza ganz Vorzügliches leistet: die Imprenza National. Sie ist durch

National.

Marquis Pombal, den bekannten Staatsreformator Portugals unter der Regierung Josephs I., ins Leben gerufen, mit der Absicht, eine Anstalt wie die Pariser königliche Druckerei zu schaffen, welche eine Pflanzstätte der Kunst werden, zugleich auch billige Unter- richtsbücher drucken sollte.

Das Dekret, welches die Imprenza Regia anordnete, datiert vom 24. Dezember 1768. Ein Regierungspalast wurde ihr ein- geräumt und bereits in den ersten Tagen des Jahres 1769 konnte sie zu arbeiten beginnen. Die Leitung ward Miguel Manescal da

m. da Costa. Costa übertragen, einem vorzüglichen Typographen, dessen Buch- druckerei, sowie die Schriftgiesserei des J0Ä0 de Villeneuve als Grundlagen für die Staatsanstalt angekauft waren. Einer damit verbundenen Gravierschule stand der geschickte Joaquim Carneiro da Silva vor. Eine Spielkartenfabrik war die Melkkuh des Instituts.

Von 1769— 1801 wurden unter da Costäs Direktion 1230 Bände gedruckt, unter welchen viele bedeutende Erscheinungen. Nach dessen Tode wurde eine Junta administrativ a ernannt, mit dem gewöhnlichen Erfolg kollegialischer Behandlung technischer .Geschäfte. Im Jahre 1810 schritt man zur Ernennung eines General- Administrators in der Person Joaquim da Costas, der mit einer kurzen Unterbrechung die Leitung der Anstalt bis 1833 behielt. Mit dem Sturze der Regierung Dom Miguels wurde die Staats- druckerei dem Ministerium des Innern direkt untergeordnet.

Mit der 1838 erfolgten Wahl des Jose Frederico Pereira

j. p. Marcecos. Marcecos zum Administrator begann die Glanzzeit der Anstalt.

Marcecos bereiste England, Frankreich und Belgien und brachte

die Erzeugnisse der neuesten Erfindungen mit nach Hause. Nach

seinem frühen Tode, 1844, wurde die Stelle seinem Bruder Firmo

1 a Marcecos. Augusto Marcecos anvertraut, welcher fortfuhr, alle Verbesserungen der Neuzeit einzuführen, daneben Lehrlingsschulen, Hülfskassen u. dgl. errichtete. Vom Staate erhält die Anstalt keinen Zuschuss, 1 J. Kugelmann, Histoire de Vlmprimerie en Portugal. Paris 1867.

VIII. KAP. DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE. 247

sie hatte im Gegenteil bis zum Jahre 1 873 an diesen drei Millionen Franken abgeliefert und beschäftigte in dem genannten Jahre über 300 Personen. Zwei Deutsche haben viel zur Hebung der Anstalt beigetragen: Joseph Leipold, der Direktor der galvanoplastischen Abteilung, und Ignaz Lauer, Leiter der Schriftgiesserei. Seit 1 878 ist der Vorsteher Dr. Venancio Deslandes1.

Die zur Weltausstellung in Wien 1873 gesandten portu- giesischen, spanischen und englischen Wörterbücher, die rot und schwarz gedruckten Missale und Breviarum Romanum, die Carla constitutional, die Werke Camoens' in sechs Bänden, vorzugsweise eine in zwölf Sprachen gedruckte Episode daraus, Ines de Castro, waren alle in dem besten Stil und vortrefflich gedruckt.

Auch die Wertpapiere verdienten alles Lob, jedoch ergreift die Anstalt nicht, wie die St. Petersburger, die Initiative, sondern benutzt nur geschickt das Vorhandene, namentlich die Erzeugnisse Derrieys.

Nicht ganz auf derselben Stufe stehen die Gebrüder Lallemant2, sie liefern aber sehr beachtenswerte Arbeiten, ebenso die Gebrüder Gebr. Laiiemant. Jose de Castro.

Im Jahre 1878 hatte Portugal 118 Zeitungen, darunter 66 politischen Inhalts; die älteste, Revidugao de September, existiert 33 Jahre. Die Journale sind nicht von grosser Bedeutung" und nicht geeignet, grosse Erwartungen von dem Standpunkte der Typo- graphie dort zu erwecken. Seit 1 882 erscheint El Gntenberg.

LISSABON hatte 1881 23 Buchdruckereien, 26 Buchhand- lungen, 56 Zeitschriften; CüIMBRA 10 Buchdruckereien; OPORTü 56 Journale. %

SÜDAMERIKA. Ein grösserer typographischer Kontrast als zwischen Nord- und Südamerika ist kaum denkbar. Fortwährende Südamerika. Revolutionen und Kriege, der Einfluss einer unwissenden Geistlich- keit und die Indolenz der Völker haben ein intellektuelles Leben, infolge davon auch ein Gedeihen der Buchdruckerkunst nicht aufkommen lassen.

1 Bericht über die Naüonaldruckerei in Lissabon. 1873. Deutsch und Französisch. A. M. Aukancuks de RlEGO, Catalogo des obras imfr. de J. A. de Macedo. Lissabon 1849. Caracteres de la imprenza Real en 1793.

2 Inigo, Lallemant frires.

248 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VIII. KAP.

BUENOS Aires, welches 53 Buchdruckereien, 59 Buchhand- ;nos Aires, Jungen, 24 lithographische Anstalten und 27 Zeitschriften aufweist, feierte am 9. Juli 1876 die hundertjährige Betreibung der Buch- druckerkunst. Es wurde beschlossen, Gutenberg und dem Einführer seiner Kunst Don Juan Jose Vertiz ein Denkmal, in einem Obelisk bestehend, zu errichten und einen Preis für die beste Bearbeitung der Geschichte der Buchdruckerkunst in der Argentinischen Republik auszustellen. 1872 erhielt Buenos Aires eine illustrierte Zeitung: El Plata illustrado \

In Rio DE Janeiro wurde ebenfalls das hundertjährige Jubei- de Janeiro, fest am 9. Juli 1880 abgehalten. Ausser in Rio sind nicht viele Buchdruckereien in Brasilien in Thätigkeit. Manche der Arbeiter, die im ganzen genommen schlecht bezahlt werden und für Extraarbeit keine Entschädigung erhalten, sind Sklaven. Schlaffheit herrscht von oben bis herab auf den Laufburschen. Die Zahl der Zeitungen war 1878 297. Südamerika hat im ganzen 17 deutsche Zeitungen, von welchen 11 auf Brasilien, 4 auf die argentinische Republik, je eine auf Uruguay und Chile kommen.

Lima besitzt 2 1 Buchdruckereien, 1 1 Buchhandlungen, 1 1 litho- graphische Anstalten und 13 Zeitschriften. St. Jago DI Chile hat 11 Buchdruckereien, VALPARAISO 7.

Auf Cuba befanden sich 52 Offizinen, 50 Buchhandlungen, 10 lithographische Anstalten und 47 Zeitschriften erschienen dort. MEXICO hat zwischen 50 60 Offizinen, davon 23 in der Stadt Mexico, daneben 1 1 lithographische Anstalten, 16 Buchhandlungen. PüEBLA weist 8 Buchdruckereien auf.

NORDAFRIKA. DER ORIENT.

NORDAFRIKA hatte bereits während des ägyptischen Feld- lordafrika. zugs Bonapartes eine typographische Werkstätte (S. 172) und durch die Besitzergreifung von ALGERIEN ist diese Provinz eine Pflanzstätte der Kultur in Afrika geworden. Es besitzt heute schon 29 Buchdruckereien, 18 lithographische Anstalten und 54 Buch- handlungen, davon sind in der Stadt ALGIER 9 Buchdruckereien, 8 lithographische Anstalten, 10 Buchhandlungen ; in Constantine

J. M. GUITIEMEZ, Bibliogr. de la prim. impre?ita de Buenos Aires. 1866.

VIII. KAP. DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE. 249

resp. 3, 2, 5; in Oran resp. 3, 3, 10. Von Zeitschriften erscheinen 35 in 12 Städten, davon in Algier 18, unter welchen das offizielle Journal Mobacher in arabischer und französischer Sprache. Der Buchhändler Bastide hat sehr zur Verbreitung der Litteratur bei- getragen.

In ÄGYPTEN wurde von Mehemed Ali eine Buchdruckerei in Boulak errichtet, man hatte aber sehr mit der Abneigung der Ägypten. Muselmänner gegen gedruckte Bücher zu kämpfen. In den letzten 50 Jahren sind etwa 250 Werke aus den dortigen Pressen hervor- gegangen. Von Privatpressen entstanden verschiedene, unter welchen die von Mustapha Wahabi nennenswert ist.

Die Lithographie wurde 1 834 eingeführt. Da die verschiedenen graphischen Anstalten in den Händen von Franzosen sind und die Arbeiten durch Franzosen ausgeführt werden, so kann die mitunter sehr hübsche Produktion eigentlich nicht von nationaler Bedeutung sein.

Von Zeitungen erscheinen etwa 25 in arabischer, französischer, griechischer, italienischer und englischer Sprache. Sie stehen unter Zensur und nach erfolgter Warnung kann Unterdrückung statt- finden.

Im Jahre 1 878 hatte der Bei von Tunis ein Druckerei errichtet und der Kaiser von Marokko beabsichtigte ebenfalls in Fez eine solche anzulegen. Von zwei wöchentlichen Zeitungen erscheint eine in Ceuta, eine in Tanger.

Der Buchhandel in Kairo ist ziemlich lebhaft. Die Buchhändler sind meist Gelehrte und nicht so fanatisch, wie z. B. in Damaskus, Buchh.nde wo sie nur ungern Bücher an Christen verkaufen. Es ist dies namentlich mit den Koran -Ausgaben der Fall, welche abgesondert oder unter besonderem Verschluss aufbewahrt sind. Die Bücher liegen übereinandergeschichtet. Der Einband ist von Leder oder gewöhnlicher Pappe, der Titel wird auf den Schnitt oder auf ein auf den Umschlag geklebtes Blatt geschrieben. Zwischen alten und neuen Exemplaren wird nicht der strenge Unterschied, gemacht, wie in dem europäischen Buchhandel. Einige Buchhändler debitieren nur die von ihnen verlegten Bücher, andere sind Sortimentshändler nach unseren Begriffen. Ein fester Ladenpreis existiert nicht und die Schwankungen sind oft bedeutend.

25O DIE ROMANISCHE GRUPPE. VIII. KAP.

EUROPÄISCHE TÜRKEI. Die nach dem Tode des verdienten Europäische Förderers der Typographie Ibrahim Effendi (I, S. 281) in der Entwicklung derselben eingetretene Stockung fand erst unter der Regierung Abdul Hamids eine Unterbrechung. Reschid Effendi, der Schatzkanzler, und Achmed Wassif Effendi, der Reichshistorio- graph, erhielten Auftrag, nach dem Verbleib der in Stillstand geratenen Buchdruckerei Said Effendis Untersuchungen anstellen zu lassen. Der grösste Teil derselben wurde auch glücklich auf- gefunden, restauriert und dann die Pressen in Skutari wieder in Gang gesetzt. Zu Direktoren dieser neu entstandenen Reichs- druckerei ernannte der Sultan Mustafa und Adam Effendi, ersterer Rechtsgelehrter, letzterer Geistlicher. Beide nahmen sich ihres Amtes mit Eifer an und viele Werke, die sich durch gute Aus- stattung auszeichneten, gingen aus der Anstalt hervor. Eines der schönsten Erzeugnisse der orientalischen Druckkunst ist Makkisada Mustafa Effendis Kommentar zur Burda, einem Lobgedicht auf den Propheten, in einem Quartband von 621 Seiten. Eine weitere lange Liste- fremdartiger Titel hier folgen zu lassen dürfte keinen Zweck haben.

Nach einer kurzen Blüte folgte wieder Stillstand unter der Rückgang und Regierung Selims III. und während des Anfangs der Regierung

neuer Auf- schwung. Mahmuds des Grossen. Nachdem jedoch durch Ausrottung der

Janitscharen Ruhe im Innern hergestellt war und Mahmud sich den

Werken des Friedens widmen konnte, kam die Reihe auch bald an

die Staatsdruckerei. Im Jahre 183 1 wurde dieselbe von Skutari

wieder nach Stambul übergeführt und erhielt dort eine grosse

Lokalität. Neue Pressen wurden aus London, neue Typen aus

Venedig eingeführt und Arbeiter namentlich aus Deutschland

herbeigeschafft.

Ein rascher Aufschwung machte sich bemerkbar. Die überall versteckten Schätze der türkischen Litteratur wurden gesammelt, um in guten und billigen Ausgaben dem Volke zugänglich gemacht zu werden. Man veröffentlichte die Werke der Reichsgeschichts- schreiber und Hess viele tüchtige Fachwerke, namentlich militärische und medizinische, aus europäischen Sprachen übersetzen.

Nach einer Glanzperiode von etwa zwanzig Jahren trat unter Abdul Aziz und unter unglücklichen politischen und finanziellen

VIII. KAP. DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE. 25 1

Konjunkturen ein Rückgang ein, der erst unter Abdul Medschid aufhörte.

KONSTANTINOPEL besitzt vier kaiserliche Druckereien, zwei unter Leitung des Ministeriums des Innern, von welchen die eine jetziger zustand. sich mit der Herstellung von allen offiziellen Aktenstücken, die andere sich mit Bücherdruck beschäftigt. Die dritte, unter das Kriegsministerium ressortierende Druckerei dient nur militärischen Zwecken; die vierte, mit welcher eine lithographische Anstalt mi- die Arbeiten des Generalstabes verbunden ist, befindet sich in dem - Palast Dolma-Bagdsche und steht unter der unmittelbaren Leitung des Palastmarschalls. Die Ausführung der öffentlichen Arbeiten ist eine durchweg gute.

Von Privatdruckereien waren 1880 etwa 25 vorhanden, unter welchen sich die Offizinen des armenischen und des griechischen Patriarchen, sowie die des Gross -Rabbi befinden. Von litho- graphischen Anstalten gab es ebensoviele. Die Zahl der Schnell- pressen war gegen 70, der Tret- und Handpressen 120, beschäftigt waren gegen 500 Personen. In den nationalen Sprachen erschienen etwa 200 Werke.

Das Zeitungswesen entstand erst spät. Im Jahre 1852 erschien in Smyrna der Spectateur de V Orient; 1831 wurde der Moniteur Zeitungswesen. ottoman (Wekaje) gegründet, der später auch türkisch gedruckt wurde. Nach den offiziellen Angaben aus dem Jahre 1878 erschienen in Konstantinopel 72 Zeitungen und Zeitschriften, unter welchen 30 Tagesblätter. Von den Zeitschriften sind 16 in türkischer, 20 in französischer, 12 in griechischer, 13 in armenischer Sprache. Eine Verordnung von 1879 verbot, vor 6 Uhr türkischer Tageseinteilung (ungefähr unsere Mittagsstunde) die Zeitungen auszugeben, was für diese, deren Verteilung sonst um 6 Uhr früh stattfand, ein grosser Schlag war. Eine illustrierte Zeitung Mussavcri Turkestan (Illustrierte Türkei), herausgegeben von der Gesellschaft der Freunde des Vaterlandes, erscheint wöchentlich.

In Smyrna gehörten die ersten Pressen (seit 1658) den Juden; dann folgten die Christen und schliesslich die Türken. Eine erfolg- Asiat. Türkei, reiche Thätigkeit entwickelte mit sehr geringen Mitteln das Kloster Mar-Hanna auf einem steilen Abhänge des Berges Kesroan gelegen.

252 DIE ROMANISCHE GRUPPE. VIII. KAP.

Zacher gegründet, welcher selbst das nötige Handwerkszeug fertigte, Typen schnitt und goss, dann abwechselnd als Setzer und Drucker arbeitete. Noch vor dem Jahre 1794 erschienen dort gegen 40 Werke. In SäFAD, am westlichen Ufer des Sees Tiberias, war eine hohe Schule für arabische und hebräische Gelehrsamkeit, welche eine Druckerei besass, die jedoch im Jahre 1759 durch ein Erdbeben zerstört wurde. Berühmt durch ihre vortrefflichen arabischen Drucke ist die Offizin der amerikanischen Missions- gesellschaft in Beirut.

Cypem. Auf der Insel CYPERN erscheinen jetzt drei englische und zwei

griechische Zeitschriften.

Nach PERSIEN kam die Buchdruckerkunst 1820 und zwar nach

Persien. Teheran und Tabris. Über die weiteren Fortschritte verlautet so gut wie nichts. Bei seiner Anwesenheit in Wien anlässlich der Ausstellung 1873 beabsichtigte der Schah Nasser -Eddin die erste Schnellpresse zu bestellen. Seit 1872 erscheint in Teheran eine Zeitung für Persien , zu welcher der Schah selbst Beiträge liefert, zumeist Schilderungen seiner Jagdabenteuer.

Eine grosse Schwierigkeit für die Verbreitung der Typographie in Persien bildet das hohe Ansehen, in welchem die Schönschreibe- kunst steht, und der hohe Grad von Vollkommenheit, welchen sie erreicht hat. Wird einmal zur mechanischen Vervielfältigung gegriffen, so ist die Lithographie viel leichter als die Typographie imstande, die wunderbaren, mit Gold und Farben geschmückten Schriftzüge wiederzugeben. Auf eine schnelle Verbreitung von Gutenbergs Kunst in Persien ist deshalb nicht zu rechnen.

DRITTES BUCH.

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DIE GERMANISCHE GRUPPE.

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EINFÜHRUNG IN DAS DRITTE BUCH.

U der Germanischen GRurrE, mit welcher dieser geschichtliche Überblick schliesst, gehören in erster Reihe die zu einer bibliopolisch - typographischen Einheit verbundenen zwei Kaiserstaaten DEUTSCH- LAND und ÖSTERREICH -UNGARN, sowie die SCHWEIZ ; in zweiter Linie die stammverwandten skandinavischen Reiche: DÄNEMARK, SCHWEDEN und NOR- WEGEN. An obige schliessen sich in -dritter Reihe die, wennauch der Gruppe national fremd, zumteil sogar feindlich gegenüber stehenden SLAWISCHEN und MAGYARISCHEN LÄNDER, welche nicht nur ihr typographisches Material, sondern auch die arbeitenden Kräfte hauptsächlich Deutschland entnehmen oder wenigstens bis vor kurzem entnahmen.

Eine Eigentümlichkeit dieser Gruppe, soweit ihre Angehörigen germanischen Ursprungs sind, ist die Verwendung der von den zwei anderen Gruppen fast ganz ausgeschlossenen Frakturschrift. Trotz- dem ist diese, wie bekannt, nicht die allcinhcrrschende geblieben. Von der Fraktur „will"', von der Antiqua „kann" man nicht lassen. So hat sich ein geschäftlicher Usus eingebürgert, dem-

256 EINFÜHRUNG IN DAS DRITTE BUCH.

zufolge den beiden Schriften in dem eigentlichen Bücherdruck fast ähnliche Stellungen zugewiesen werden, wie sie im Altertum die hieratischen und demotischen Schriften Ägyptens innehatten, sodass die Antiqua mehr die Schrift der Eingeweihten blieb, während die Fraktur mehr die Volksschrift wurde. Zu den Werken der strengeren Wissenschaften und zu Prachtausgaben verwendet man vorzugs- weise die aristokratischere Antiqua, zu den Erscheinungen der schönwissenschaftlichen und populären Litteratur, zu Unterrichts- und Andachtsbüchern dient hauptsächlich die populärere Fraktur1.

Die Accidenzien fallen in ganz überwiegender Weise der Antiqua zu, dagegen die Zeitungen fast ausnahmslos der Fraktur. Und so wird es wahrscheinlich noch lange Zeit bleiben2.

Diese Doppelheit in der Schrift trägt allerdings eine grössere Vielseitigkeit zur Schau, hat jedoch für die deutschen Buch- druckereien den Nachteil gehabt, dass diese gleichmässig reich mit Antiqua- und Frakturschriften ausgestattet sein müssen. Somit schliesst jede Offizin eigentlich zwei Druckereien in sich: eine für Arbeiten in Fraktur, eine zweite für die in Antiqua, so dass bei einem gleichen Quantum von Schrift eine französische oder englische Offizin, weil nur nach einer Richtung hin ausgestattet, quantitativ fast eine doppelt so grosse Leistungsfähigkeit als eine deutsche besitzt.

1 Zwei wertvolle neuere Einlagen in der Streitfrage „Antiqua oder Fraktur" sind: F. Soennecken, Das deutsche Schriftwesen und die Notwendigkeit seiner Reform, Bonn 1881, und Dr. Johann Kelle, Die deutsche und die lateinische Schrift, Separatabdruck aus der Rundschau 1882.

2 Um zu einiger Klarheit über das Verhältnis der Antiqua zu der Fraktur in der deutschen Typographie zu kommen, hat der Verfasser dieses Buches eine Zählung der litterarischen Erzeugnisse des Jahres 1881 nach dem Hinrichs- schen Katalog unternommen. Von 14 320 Nummern sind 8894 mit Fraktur, 5426 mit Antiqua gedruckt (gleich 62 zu 38 Proz.). In zwei grosse Gruppen nach den obigen Andeutungen der praktischen Verwendung geteilt, giebt die „wissenschaftliche Gruppe" 7142 Werke, davon 2896 mit Fraktur, 4246 mit Antiqua (gleich 40 zu 60 Proz.); die zweite Gruppe, die „populäre Litteratur", weist 7178 Werke auf, davon 5998 mit Fraktur, 1 180 mit Antiqua (gleich 83 >/2 zu 16^2 Troz.). Zeitungen sind hierbei nicht mitgezählt, wohl aber Wochen- und Monatsschriften. Wie überwiegend die Antiqua in dem Accidenzfache verwendet wird, zeigt z. B. eine genaue Aufstellung der C. G. Naumannschen Äccidenzdruckerei in Leipzig, nach welcher von 9447 Aufträgen in dem Jahre 1878 nur 161 in Frakturschrift bestellt waren.

EINFÜHRUNG IN DAS DRITTE BUCH. 257

Was den deutschen Arbeiter betrifft, so vereinigt er in sich vielleicht mehr als der irgend eines anderen Landes die mancherlei Eigenschaften, die dem Typographen eigen sein müssen. Er ist selbständiger im Arbeiten und leistet aus eigenem Antrieb in der Regel mehr, als ein anderer, weshalb man auch fast nie „schlechte" Arbeiten aus Deutschland sieht. Seine Fähigkeiten sind vielseitiger ; er bringt es aber selten zur Virtuosität in einem einzelnen Fach und es ist schwer, ihn zur Überschreitung der Grenzen des ihm „Gut genug" scheinenden zu bringen. Das mag wohl auch darin liegen, dass es in vielen Fällen nicht anders mit den Prinzipalen, den Verlegern, den zeichnenden Künstlern und den sonst Beteiligten steht. So selten das wirklich Schlechte ist, dem man in der französischen Typographie täglich begegnet, so selten trifft man auf vollendete, stilvoll durchgeführte Leistungen in Deutschland. Viel Schuld dabei trägt die Verwendung der Antiqua und der Fraktur nicht nur „neben", sondern geradezu „unter" einander. Die richtige Behandlung der beiden Schriftarten beruht jedoch auf abweichenden Grundsätzen ; es kommt deshalb trotz sonstiger Vor- züge der Arbeiter selten zu einem fest ausgebildeten Geschmacke.

Was in Bezug auf Deutschland gesagt wurde, gilt auch von ÖSTERREICH, welches namentlich im Accidenzfache hinter Deutsch- land nicht zurücksteht, in dem xylographischen Farbendruck es sogar übertroffen hat. Auch UNGARN nimmt an den Bestrebungen teil. Die Schweiz und die Skandinavischen Länder, die, was Material, Schriften u. dgl. betrifft, hauptsächlich von Deutschland abhängig waren, schlössen sich ganz der deutschen Schule an und liefern jetzt, wennauch nicht gerade viel Hervorragendes, so doch sehr viel Beachtenswertes. Die Slawischen Länder machten wesentliche Fortschritte und leisten zumteil Gutes, jedoch stehen im allgemeinen die Erzeugnisse dieser Länder etwas zurück und es wird wohl aus leicht begreiflichen Gründen auch noch einige Zeit darüber vergehen, ehe sie eine, derjenigen der grossen Kulturländer ebenbürtige Stellung einnehmen werden.

Die Pressverhältnisse, die Technik und die Industrie in Deutsch- land waren zur Zeit des allgemeinen Aufblühens der Typographie zu Beginn des XIX. Jahrhunderts nicht derart, dass die Notwendig- keit des Maschinenbetriebes so wie in England und Amerika sich

17

258 EINFÜHRUNG IN DAS DRITTE BUCH.

von selbst aufgedrängt hätte. Es kann deshalb Deutschland nicht so sehr zur Last fallen, dass es die erste Ausbeutung der, die Typo- graphie umgestaltenden deutschen Erfindung der Schnellpresse, sowie die ersten Verbesserungen und die spätere Vervollkommnung derselben dem Auslande überliess, so dass die Erfindung sozusagen erst wieder aus dem Auslande importiert werden musste. Sobald die Verhältnisse sich jedoch einigermassen besser gestalteten, hat es gezeigt, dass es in der Technik und Mechanik nicht allein nicht zurückgeblieben, sondern auf dem besten Wege ist, sich den Welt- markt zu erobern.

Wie in der Typographie macht sich auch in der XYLOGRAPHIE eine doppelte Strömung geltend. Der echte deutsche Holzschnitt der Gegenwart lehnt sich an die Arbeiten der Meister aus der Renaissancezeit an und seine Technik ist geradezu ein Gegenstück zu dem englischen. Der „tüchtige" deutsche Xylograph unterordnet sich vollständig dem Zeichner und entsagt dem Ruhm , auf Kosten des Urhebers der Zeichnung ein schaffender Künstler zu sein. Er ist bestrebt, jeden Strich genau so wiederzugeben, wie er in der Zeichnung dasteht. Er lässt nichts weg, setzt nichts hinzu. Der deutsche Holzschnitt steht deshalb öfters gegen den englischen in der glänzenden Technik zurück, aber er hat den Vorzug, die Zeichnung in ihrem eigentümlichen Charakter wiederzugeben und er verdient deshalb die lebhafteste Unterstützung der Künstler.

Während die Geschichte der Buchdruckerkun.st in Frankreich und England ziemlich mit der Schilderung der typographischen Wirksamkeit der beiden Metropolen Paris und London zusammen- fiel, lagen die Verhältnisse in Deutschland etwas anders.

Zwar besitzt das deutsche bibliopolisch - typographische Reich in LEIPZIG einen Mittelpunkt des Verkehrs, der in mehrfacher Hinsicht einzig in seiner Art dasteht; zwar haben sich in Leipzig, einer Provinzialstadt mittleren Umfanges, durch die eigene Kraft und Thätigkeit bei kluger Benutzung günstiger Umstände nicht allein der ganze Kommissionsbuchhandel, sondern auch eine grossartige Verlags- und typographische Wirksamkeit entwickelt, und die Stadt gilt noch heute mit Recht als das Zentrum der bibliopolisch-graphischen Thätigkeit Deutschland-Österreichs. Es

EINFÜHRUNG IN DAS DRITTE BUCH.

259

war jedoch in den Verhältnissen begründet, dass BERLIN mit der zunehmenden Wichtigkeit der Machtstellung Preussens mehr und mehr ein Sammelpunkt wissenschaftlicher, künstlerischer und journalistischer Kräfte werden und damit für den Buchhandel und die Typographie eine hohe, sich namentlich über den Norden erstreckende Bedeutung gewinnen] musste. Dass dies in einem noch weit höheren Masse von der jetzigen Reichshaupt- und Millionenstadt gilt, bedarf kaum der Erwähnung.

Andererseits entwickelte sich in dem Süden ein in mancher Beziehung schon aus religiösen Gründen von dem nordisch- protestantischen abweichendes Geistesleben , das in seiner Sonder- richtung zumteil von divergierenden politischen Neigungen genährt wurde. München, das durch seine Stellung in Kunst und Wissen- schaft und durch seine Bedeutung als Hauptstadt des zweitgrössten Staates Deutschlands zur Führung des Südens berechtigt war, wusste nicht diese Berechtigung geltend zu machen. Wie im Zentrum, so gelang es auch im Süden einer Mittelstadt durch günstige Verhältnisse, Rührigkeit und Intelligenz den ersten Platz einzunehmen und es wurde Stuttgart möglich, wennauch nicht Leipzigs Bedeutung für das Ganze, so doch eine bevorzugte Stellung für den süddeutschen Buchhandel zu erreichen und letzterem eine gewisse Selbständigkeit in dem deutschen bibliopolisch- typogra- phischen Reich zu erwerben.

Eine ausschliessliche Konzentration fand mit alledem nicht in den drei erwähnten Emporien statt. In Nürnberg, Augsburg und Frankfurt a. M. lebten die alten Traditionen noch lange fort; die freien Hansastädte waren nicht Provinzialstädte im englisch- französischen Sinne geworden, und in mancher der kleinen Residenzen spross öfters ein unabhängiges reiches Kulturleben hervor. Während in Frankreich z. B. ein in Nantes oder Bordeaux, in England ein in Liverpool oder Manchester erschienenes Vcrlags- werk, welches sich Geltung zu verschaffen wusste, ein Phänomen blieb, war es, um in Deutschland mit einem Werke durchzudringen, nicht notwendig, dies in Leipzig, Berlin oder Stuttgart erscheinen zu lassen, wenn dies auch seine geschäftlichen Vorteile hatte. Ein Verleger in Braunschweig, Gotha, Altenburg oder in jeder anderen kleinen Druckstadt konnte, wenn er der rechte Mann und seine

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2ÖO EINFÜHRUNG IN DAS DRITTE BUCH.

Artikel gute waren, diese zur Geltung bringen. Infolge davon verbreiteten sich auch die typographischen Anstalten gleichmässiger über das ganze Reich.

Dies war der Segen der eigentümlichen Organisation des deutschen Buchhandels, der in der Zeit der nationalen Drangsale Deutschlands fast das einzige Band war, welches das politisch zersplitterte Reich zusammenhielt.

Solange der politische Druck auf Österreich und seiner Haupt- stadt lastete, war es mit dem Press- und Buchgewerbe dort nur kümmerlich bestellt. Es konnte jedoch nicht fehlen, dass mit dem Fallen der Fesseln dies anders werden musste. Es war nicht denkbar, dass Wien, damals im Range die dritte der Weltstädte, sich einer Provinzialstadt Mitteldeutschlands bibliopolisch und typographisch unterordnen sollte. In rapider Weise entwickelte sich dort der Verlag und die Buchdruckerkunst und um die Kaiserstadt herum gruppierten sich nun wieder die Provinzialstädte des Reiches, die früher vollständig isoliert gestanden hatten.

So sehen wir nunmehr das deutsche Pressgewerbe, unter Beibehaltung seines eigentümlichen Wesens, namentlich in vier Emporien repräsentiert : Leipzig im Zentrum, Berlin im Norden, Stuttgart im Süden, Wien im Osten, während die übrigen Teile und Städte Deutschland -Österreichs sowohl als der von diesem geschäftlich abhängigen Umländer, je nach Lage, Sympathien oder nach der politischen oder geschäftlichen Attraktionskraft der Mittel- punkte, sich um diese gruppieren.

Von einer scharfen Abgrenzung kann dabei selbstverständlich nicht die Rede sein. Da es jedoch die Übersicht sehr erleichtert, den massenhaften Stoff nach den natürlichen Kreisen zu scheiden, so ist diese Vierteilung für die folgenden Kapitel beibehalten, jedoch unter Voranstellung einer Gesamt -Übersicht der Schriftgiesserei, der Xylographie, der Maschinenfabrikation und sonstiger für die Gesamtheit gleichen Verhältnisse.

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IX. KAPITEL.

ALLGEMEINER ÜBERBLICK

ÜBER DAS DEUTSCHE PRESSGEWERBE.

Gedrückter Zustand des Pressgewerbes. Nachdruck und Presspolizei. Die kaiserl. Bücherkommission. Die Presse in den einzelnen Bundesstaaten. Die nationale Litteratur. Reform des Buchhandels. Der Börsenverein. Die Bücherproduktion. Der Buchdrucker-Verband und der Prinzipal -Verein. Statistisches. Die Papierfabrikation. Die Buchbinderkunst, der Massen- einband und die Handarbeit.

ER gedrückte Zustand, in welchem wir das deutsche Pressgewerbe zum Schluss der früheren Periode ver- Gedrückter zu- liessen (I, S. 168), sollte sich noch weit über den 'gewerbes. Schluss des achtzehnten Jahrhunderts ausdehnen. Der siebenjährige Krieg , die Revolutionskriege , die Zwingherrschaft Napoleons, die verkümmerten national - ökono- mischen Verhältnisse lasteten schwer auf dem ganzen Volk und auf allen gewerblichen Verhältnissen, begreiflicherweise nicht in letzter Reihe auf Buchhandel und Bücherdruck. Diese hatten, ausser mit den allgemeinen, noch mit ihren besonderen Plagen, Nachdruck und Presspolizei, zu kämpfen. Ersterer erhob in Der Nachdruck, schamlosester Weise sein Haupt und brachte den Verlagshandel um die Früchte seiner Opfer und seiner Thätigkeit. Unter solchen Verhältnissen konnten keine angemessenen Honorare gewährt

2Ö2 DIE GERMANISCHE GRUPPE. IX. KAP.

werden und die schlecht bezahlten Autoren versuchten zumteil ihr Heil in dem Selbstverlage ihrer Werke auf Subskription oder durch Vereinigungen zu den sogenannten „gelehrten Buchhandlungen", die gewöhnlich ein trübes Ende nahmen und den Verlagsbuchhandel noch mehr diskreditierten.

Doch nicht allein die Nachdrucker, sondern auch die Polizei- Die Polizei- willkür betrachtete ein Presserzeugnis als ein herrenloses Gut und die Erzeuger als ausserhalb des Schutzes der Gesetze stehend. Es ist nicht gerade notwendig, den extremsten Fall, die Erschliessung Palms in Braunau am 26. August 1806 durch Napoleon, herauf- zubeschwören, das Dasein der der Presse Dienenden war ein Zustand von Hangen und Bangen, der, wennauch nicht das Leben, so doch oft Opfer an Gut und Freiheit kostete.

Mit der Verlegung des Schwerpunktes der Pressgewerbe nach Die kaiserliche Leipzig war rechtlich keine Änderung in den presspolizeilichen

Bücherkommis- . ..... ,., t^ i

md die Verhältnissen eingetreten. Ein kaiserliches Edikt vom 10. Februar

sion

Zensur.

1746 beschäftigte sich sehr eingehend mit der Bücherzensur im heiligen römischen Reich und spricht „seine sonderbare Befremdung" über die bisherige Nichtachtung der Reichsgesetze aus. Über alle Einzelheiten im Buchhandel und Buchdruck, selbst über Papier und Schriften wurden Bestimmungen getroffen. Dieser Standpunkt wiederholt sich in den Wahlkapitulationen bis 1792. Wie die Reichsregierung jedoch selbst klagt, es blieb meist bei den leeren Worten und die kaiserliche Bücherkommission war faktisch seit Verlegung der Messe nach Leipzig so gut wie von der Bühne verschwunden. Sie wusste, dass sie keinen Gehorsam finden würde und hielt sich deshalb möglichst hinter den Kulissen. Somit war die Presse fast lediglich von der Gesetzgebung der einzelnen Staaten und deren Politik abhängig; von einer Einheitlichkeit der Press- gesetzgebung, der Zensur und der Presspolizei war keine Rede1. Pressverhältnisse Preussen genoss schon vor Friedrich dem Grossen eine gewisse

der einzelnen ., , . .

Bundesstaaten. P reiheit und letzterer gewährte den Zeitungen einen noch grösseren

Preussen.

Spielraum und bediente sich sogar derselben, um seine Massregeln

1 Lud. IIoffmann, Geschichte der Bücherzensur. Berlin 1879. Die Preussische Pressgesetzgebung unter Friedr. Wilhelm III. Leipzig 1 881. Fr. Kapp,

Aktenstücke zur Gesch. der Preuss. Zensur etc. (Archiv d. B.-Ii.-V. iv). Leipzig 1879. R.E.PRUTZ, Zur Geschichte d. Tresse in Treussen (Deutsch. Mus. 1857, ll).

IX. KAP. ÜBERBLICK ÜBER DAS DEUTSCHE PRESSGEWERBE. 263

vorzubereiten oder zu verteidigen. „Die Gazetten, wenn sie inter- essant sein sollen, müssen nicht geniert werden." Doch darf man dieses Wort nicht zu genau nach dem Buchstaben nehmen. Über Angriffe auf seine Person dachte der König allerdings sehr liberal, dagegen konnte er bei Einmischung in seine Verwaltung unduldsam werden. Die Zensur der Schriften, welche das öffentliche Recht behandelten, übertrug er dem Kabinettsministerium. Im Jahre 1747 wurde die Berliner Akademie mit der Zensur aller Schriften betraut. 1749 erschien ein etwas verschärftes Zensuredikt, welches bis zum Tode Friedrichs in Kraft blieb, jedoch mild gehandhabt wurde, wie der König überhaupt die Presse mit mehr Achtung behandelte, als man damals gewohnt war.

Nach dem Tode Friedrichs nahm die Lage in Preussen eine andere Gestalt an. In dem Jahre 1788 erschienen das berüchtigte Religionsedikt und das diesem geistesverwandte Zensuredikt vom 19. Dezember desselben Jahres. Natürlich „wollte man den Unter- thanen alle erlaubte Freiheit gern akkordieren" aber „zugleich Ordnung im Lande haben".

Die französische Revolution und Napoleons eiserner Druck auf Deutschland hemmten den Fortschritt gewaltig, wennauch sein Dekret vom 5. Februar 18 10, durch welches die Angelegenheiten der Presse, des Buchhandels und der Buchdruckerei geordnet werden sollten, auf Grund der Schwerfälligkeit des gesamten Apparates in seinen Folgen nicht so schlimm wurde, als man hätte befürchten müssen1.

In den nichtpreussischen Teilen des deutschen Reiches sah es bald besser, bald schlimmer aus, je nach dem Vorgehen der Einzel- regierungen, denn die Reichsgesetze hatte man entweder im stillen beseitigt oder sie waren gar, wie in Holstein, wo die dänische Pressfreiheit eingeführt war, offiziell abgeschafft. Auch in Mecklen- burg, Braunschweig, Weimar, Hessen -Darmstadt, Nassau bestand faktisch Pressfreiheit, ohne dass sie rechtlich garantiert war. In Hannover waren wenigstens die Werke der Professoren der Univer- sität Göttingen zensurfrei. In Baden, Dessau und den freien Reichs- städten, namentlich in Hamburg, fand die Tagespresse in der Regel

1 K. Biedermann, Deutschland im xviu. Jahrhundert, t. Bd. 2. Aufl. Leipzig 1880. Friedr. Perthes' Loben. 6. Aufl. Gotha 1872.

DIE GERMANISCHE GRUPPE.

Die geistlich Staaten.

Bayern. eine sichere Zufluchtsstätte. Am traurigsten sah es in Bayern aus. Nach einem kurzen Lichtblick unter der Regierung des Kurfürsten Maximilian III. Joseph war ein ganz massloser Druck eingetreten, Württemberg, und auch in Württemberg wurde grosse Härte und Willkür geübt. Es kam dort zu Vorgängen wie gegen den Dichter Schubart , die sich denen der Säbelherrschaft Napoleons nicht unwürdig anreihen.

In den geistlichen Staaten unterlagen die Presserzeugnisse neben der weltlichen Zensur auch noch der des römischen Stuhles und es kamen öfters Fälle vor, dass Schriften auf Befehl Roms nach- träglich konfisziert wurden , nachdem sie bereits die Landeszensur passiert hatten.

Sachsen, obwohl der Hauptsitz des Buchhandels, war nicht, wie man es wohl hätte erwarten können, geneigt, zu freisinnigen Pressinstitutionen die Initiative zu ergreifen, um damit Leipzig auch zum Zentrum der wissenschaftlichen Bewegung und der Tagespresse zu machen, wie es der Mittelpunkt des bibliopolischen Verkehrs geworden war. Es fehlte sowohl bei der Regierung wie bei dem Volke der eigentliche Schwung. Schon die Religionsverschiedenheit der Herrscher und des Volkes legte der freien Behandlung religiöser Fragen Hindernisse in den Weg. War man jedoch auch nicht frei- sinnig in der Gesetzgebung, so war man doch in der Praxis mild und suchte den Buchhandel auf Grund von Leipzigs Stellung zu dem- selben möglichst zu schonen1. Die Bücherkommission, zu welcher die Regierung Mitglieder der Universität, des Rats und später des Buchhandels ernannte, verfuhr mit grösster Schonung, nur über einen, den strengen Zensor Bei, war man sehr missgestimmt; ja es kam so weit, dass man von dem Wegbleiben der Auswärtigen von der Messe sprach.

Mit dem Beginn der vorliegenden Periode beginnt auch das Aufblühen der nationalen Litteratur, die zu Ende des XVIII. und zu Beginn des XIX. Jahrhunderts ihre schönsten Blüten trieb. Zu der Zeitungslitteratur, welche sich mit Besprechung oder Kritik der öffentlichen Zustände beschäftigte, gab erst A. L. v. Schlözer in Göttingen, dem K. F. v. Moser nacheiferte, den Anstoss. Schlözers

Die nationale Litteratur.

1 C. B. Lorck, Geschichte des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. Leipzig 1883.

IX. KAP. ÜBERBLICK ÜBER DAS DEUTSCHE PRESSGEWERBE. 265

Staatsanzeigen 1 782 1793 hatten zurzeit 4000 Abnehmer und waren selbst in den höchsten Kreisen beachtet. Von da ab wurden alle Verhältnisse in den Wochen- und namentlich in den Monatsschriften Der Buchhandel, erörtert und um 1785 gab es 400 500 Zeitschriften. Die politische Tagesschriftstellerei war damals noch nicht ein förmliches Gewerbe, die Unternehmer waren meist Professoren und Gelehrte, die Bücher- käufer bestanden hauptsächlich nur aus Gelehrten, Bibliotheken und Beamten, deren begrenzte Mittel sie jedoch gewöhnlich zwangen, sich auf das Nötigste zu beschränken. Das übrige Publikum begnügte sich nicht selten mit fader Unterhaltungslitteratur. Ein direktes Eingreifen des Buchhandels, um neue litterarische Erscheinungen hervorzurufen, war nur selten bemerkbar, der buchhändlerische Unternehmungsgeist war noch nicht erwacht.

Erst mit Friedr. Arnold Brockhaus beginnt das eigentliche tendenziöse Eingreifen der Verleger , welche die Verbreitung wirk- licher allgemeiner und politischer Bildung ins Auge fassten. Aber welche Quelle der Sorgen und Plagen sollten ihm und seinen Gesinnungsgenossen aus solchem Beginnen erwachsen1 !

Eine Reform des buchhändlerischen Geschäftsbetriebes war schon in der letzten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts versucht worden, Reform des

J Buchhandels.

namentlich richteten sich die Bestrebungen auf die Unterdrückung des Nachdrucks und auf Gleichmässigkeit und Ordnung in den Rechnungsverhältnissen. Ph. E. Reich in Leipzig gelang es 1765, den ersten Buchhändler -Verein zustande zu bringen, doch war die Wirksamkeit desselben keine grosse und er verschwand bald ganz. 1792 versuchte P. G. Kummer in Leipzig wieder einen solchen zu begründen, jedoch erst der durch C. C. Horvath aus Potsdam hervorgerufene Börsenverein 2 war von Dauer und aus ihm entstand 1824 erst der wirkliche, jetzt noch bestehende Börsenverein der Deutschen Buchhändler, dem es namentlich durch die unermüdlichen Anstrengungen des 1833 am 25. Februar gegründeten Leipziger Buchhändler -Vereins und durch die liberale Unterstützung der

1 II. E. BROCKHAUS, Friedrich Arnold Brockhaus. Sein Lehen und Wirken. 3 Bde. Leipzig 1872.

2 Fr. Frommann, Geschichte des Börsenvereins. Der Börsenbau (Kap. 11 in Lorcks Gesch. d. Vereins d. Buchh. zu Leipzig). Statut des Börsen- vereins vom 25. April 1880.

Börsenverein.

266 DIE GERMANISCHE GRUPPE. IX. KAP.

Sächsischen Regierung gelang, am 1. Mai 1836 sich in dem eigenen stattlichen Börsengebäude versammeln zu können.

Seit der Zeit ist der Verein ruhig fortgeschritten und zählte 1882 1480 Mitglieder. Sein Haus besitzt er seit 1869 vollständig schuldenfrei; ausserdem eine höchst wertvolle, in ihrer Art einzig dastehende Fachbibliothek und reiche Sammlungen für die Geschichte der graphischen Künste 1, einen Verlag fachgeschichtlicher Schriften, ein wohlgeordnetes Finanzwesen und ein Vermögen von nahe an 400 000 Mark.

Ein wesentlicher Einfluss auf die Gesetzgebung über das litterarische Eigentumsrecht und auf die Ordnung der Verhältnisse der Presse ist dem Verein durch das Vertrauen der Regierungen zugefallen. Einige in letzter Zeit in seinem Schosse entstandene Differenzen, die aus den Versuchen entsprangen, dem Verein Machtbefugnisse beizulegen, die ihn berechtigt haben würden, in geschäftliche Verhältnisse des Einzelnen einzugreifen, waren nicht derart, um für den so fest begründeten nützlichen Verein Gefahren zu bereitem

Das Vereinsorgan ist das 1834 gegründete, seit 1867 täglich erscheinende „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel" 2 ; dieses im Verein mit dem „Naumburgschen Wahlzettel", „Schulz' Adress- buch für den deutschen Buchhandel" und dem „Hinrichsschen Bücherverzeichnisse" sind geschäftliche Hülfsmittel von grossem Werte, wie sie in dieser Ausdehnung keine andere buchhändlerische

Aufschwung de Pressgevverbe.

Fast gleichzeitig mit der Gründung des Börsenvereins und des Leipziger Buchhändler -Vereins war die grosse politische Bewegung infolge der Julirevolution in Paris 1830 und die bedeutenden technischen Verbesserungen der Typographie eingetreten. Die Produktion kam nun rasch in Fluss und trat in mancher Beziehung in andere Bahnen ein. War der Buchhändler früher weniger ein

1 Katalog der Bibl. des Börsen-Vereins. Leipzig 1869. Nachtrag 1870.

2 Ein Jahrgang des Börsenblattes bildet jetzt vier Quartbände, zusammen in einem Umfange von gegen 6000 Seiten. Seit 1856 wurde es von Jul. Krauss redigiert.

3 E. BERG-ER, Die Anfänge der period. Litteratur des Buchhandels (Publ. d. B.-B.-V. 11). Leipzig 1S75.

IX. KAP. ÜBERBLICK ÜBER DAS DEUTSCHE PRESSGEWERBE. 267

Spekulant gewesen, so wurde er jetzt vielfach ein Bücherfabrikant und unterlag als solcher mehr als sonst den Schwankungen der Zeitverhältnisse r.

Die Zeitschriften, selbst die belletristischen, schlugen unter Führung des jungen Deutschlands mehr oder weniger eine tendenziös- Die illustrierten

Blätter.

politische Richtung ein. Daneben wucherte die Broschürenlitteratur in üppigster Fülle.

Geradezu umwälzend wirkte 1832 das Erscheinen des Penny magazine (s. 94) auf die deutsche Journallitteratur. Es entstanden die verschiedensten Nachahmungen und selbst die Verleger der nichtillustrierten Blätter waren wenigstens bemüht, diese durch Bilderprämien, zuerst Stahlstiche und schwarze Lithographien, später Chromolithographien, unter Zuhülfenahme der Colportage „bis in die Hütten" -zu verbreiten. Den Pfennigblättern folgte 1843 die „Illustrierte Zeitung". Auch der Humor machte unter Vortritt der „Fliegenden Blätter" (1845) seine Rechte in einer Reihe von periodischen Schriften geltend, in welchen hauptsächlich die litho- graphische Federzeichnung, bei welcher der Künstler ohne die Dazwischenkunft eines Anderen seiner Laune die Zügel schiessen lassen konnte, Verwendung fand.

Im Gefolge der illustrierten Blätter und unterstützt durch die grossen Fortschritte der Holzschneidekunst stellten sich die zahl- Die Kniender reichen Volkskalender ein , von denen der von Fr. W. Gubitz (1833) herausgegebene der reichste an Inhalt sowie an Illustrationen, zugleich der am weitesten verbreitete war. Leider wurde dieser volkstümlichsten und bei ehrlichem Streben sehr beachtenswerten Gattung von Presserzeugnissen nicht allein durch die Hohe der daraufgelegten Stempelsteuer, sondern noch mehr durch die mit der Erhebung derselben in der Zeit der Vielstaaterei und der

1 O.A. Schulz, Der Buchhandel (Schiebes Handelslexikon). A. Schürmann, Dur Buchhandel (Pierers Universallexikon). K. Buchner, Schriftsteller und Verleger vor 100 Jahren. Dr. A. KIRCHHOFF, Litteratur und Buchhandel \\w Schluss des XVIII. Jahrh. J. II. Meykr, Die genossenschaftlichen Buch- handlungen des XVIII. Jahrh. (Archiv d. I >. B.-B.-V. n).- Leipzig 1S79. A. Prinz, Der Buchhandel von 1S15 bis zum Jahre 1863. 7 Teile. Altona 1855 1^63- E. Berger, Aus dem Buchhandel vor 50 Jahren (Publ. d. B.-B.-V. 11). Leipzig 1875. Derselbe, Der deutsche Buchhandel in d.J. 1815—1867 (Arch. d. B.-B.-V. u). Leipzig 1879. K. Buchner, Beiträge zur Gesch. d, Buchhandels.

2Ö8 DIE GERMANISCHE GRUPPE. . IX. KAP.

ausgebildetsten Zollplackerei verbundenen Schwierigkeiten sehr gehemmt und den Verlegern eine Quelle des fortwährenden Ver- drusses und Nachteils eröffnet.

Die Illustration bemächtigte sich jedoch nicht nur der Journal- Die illustrierten litteratur, sondern es entstanden auch illustrierte Lieferungswerke in grosser Zahl, welche bei der Erscheinungsweise in Heften zu 2Ij2, 5 oder höchstens 10 Groschen leicht Eingang fanden, bis Miss- brauch der Geduld und der Kasse des Publikums sie in Misskredit brachte.

Den Reigen begannen Werke mit lithographischen, zumteil kolorierten Bildern, dann folgten solche mit Stahlstichen, Holz- schnitten und Chromolithographien. Leipzig und Stuttgart gaben den Ton an. Österreich blieb in der Produktion zurück, bildete aber das vorzüglichste Absatzgebiet. Für Holzschnittwerke wurden zuerst namentlich französische Cliches benutzt; bald aber konnte Deutschland Originale genug liefern und gab bereits im Jahre der Jubelfeier von Gutenbergs Kunst vollgültige Beweise seines selb- ständigen Schaffens. Die Stahlstichwerke wurden hauptsächlich mit englischen Produkten illustriert; dann wagte man sich daran, unter Beihülfe englischer Künstler, von denen viele sich in Deutsch- land etablierten, die Stiche selbst zu liefern.

An die Stelle der Taschenbücher in bescheidenem Format traten nach englischen Mustern die GROSSEN Albums und Jahr- bücher, die sich jedoch eben so wenig in Deutschland wie in England hielten und den illustrierten Dichterwerken Platz machten.

Ebenfalls eine andere von England nach Deutschland ver- Die Klassiker- pflanzte, jedoch sehr schnell verschwindende Mode war die der Klassiker -Ausgaben in einem Bande grossen Formats mit gespaltenen Kolumnen. Dahingegen fanden die sogenannten SCHILLER- AUSGABEN (von 1845 aD) m einem kleinen breiten Sedez eine grosse Verbreitung und andauernden Beifall. Jeder Verleger spürte in seinem Verlagskataloge eifrigst nach, ob er nicht einen von ihm übersehenen „Klassiker" im Verlage habe und mancher wunderbare Klassiker - Heilige zeigte sich mit der Schillerkutte angethan. Selbst umfangreichere wissenschaftliche Werke fielen der Schillerformat - Manie anheim. Für die epochemachende TaiicJmitz-Collecüon war dies Format bereits 1842 angenommen.

Ausgaben.

Poesie.

IX. KAP. ÜBERBLICK ÜBER DAS DEUTSCHE PRESSGEWERBE. 269

Die Bedürfnisse nach allgemeinen encyklopädischen Kennt- nissen fanden reiche Nahrung durch die grosse Zahl von KON- Konversations-

& & lexika.

VERSATIONSLEXIKA mit oder ohne Illustrationen, die alle mehr oder weniger in Brockhaus' Kielwasser mit einer von ihm in billigster Weise entlehnten Ladung segelten. Sogar die Damen erhielten ein solches Lexikon und es fehlte auch nicht einmal eins für Kinder.

Die Zensurplackereien in den Jahren 1830— 1848 überschritten alle Grenzen. Zwar waren Schriften über 20 Bogen zensurfrei geworden, jedoch musste 24 Stunden vor der Herausgabe ein Exemplar der Polizei überreicht werden, und diese Zeit genügte für die provisorische Beschlagnahme, die in ihren Wirkungen für den Verleger einer definitiven ziemlich gleichkam. Für die POLI- Diej>oiitische TISCHE POESIE und den politischen und sozialen Roman lag hierin ein Vorschub, da diesen Erzeugnissen nicht so leicht beizukommen war als denjenigen eines klar ausgesprochenen politischen Inhalts. Der Unterdrückte wird durch strenge Massregeln seiner Überwacher nur erfinderischer in der Auswahl seiner Mittel, diese zu umgehen, und die erwähnten Litteraturzweige blühten.

So hatte es lange unter der Asche geglimmt, bevor der Brand infolge der Pariser Februar- Revolution 1848 in Deutschland in hellen Flammen sich Luft machte. Eine Folge war die endliche Gewährung der seit mehr als 30 Jahren verheissenen Pressfreiheit und die unbehelligte Einfuhr der Bücher in Österreich, bei welcher jedoch der Buchhandel pekuniär vorläufig wenig gewann, da der Reiz des Besitzes des Verbotenen nunmehr aufhörte.

Für die erste Zeit nahmen ZEITUNGEN und BROSCHÜREN1 die Die Zeitungen Aufmerksamkeit des Publikums ausschliesslich in Anspruch. Viele Kontinuationswerke kamen ins Stocken; der Kredit des Buchhandels wurde beschnitten. Nur in der Zeitungslitteratur herrschte frisches Leben, aber auch eine grosse Zersplitterung der Kräfte, unter welcher die Erzielung grosser Resultate sehr schwer war. Jede

Pressfreiheit.

1 R. E. Prutz, Geschichte des deutschen Journalismus. Hannover 1845. Derselbe, Fortschritte der Zeitungspresse (Deutsch. Museum 1858 Nvbr.). J. Kuranda, Deutsche Zeitungen und Zeitschriften. II. WüTTKE, Die deutschen Zeitschriften. 2. Aufl. Leipzig 1875. Einen Einblick in die Herstellung einer Zeitung gewährt: J. II. Wkhle, Die Zeitung. 2. Aufl. Wien 1883.

270 DTE GERMANISCHE GRUPPE. IX. KAP.

Parteischattierung, jede Stadt, jedes Städtchen wollte ein Blatt oder Blättchen für sich haben.

Während die politischen Zeitungen mit ihren reichhaltigen litterarischen und schönwissenschaftlichen Feuilletons die eigentliche Unterhaltungslitteratur und auch die litterarischen Blätter ganz zurückdrängten, gediehen die illustrierten, halb unterhaltenden, halb belehrenden Wochenblätter, für welche die „Gartenlaube" die Bahnbrecherin gewesen war, vortrefflich.

Als ein bedeutendes Element trat die Mode hinzu. Die grossen

Modezeitungen. Muster- und Modezeitungen, welchen zurseite die Frauen standen, die zum Schrecken der Männer alles Mögliche und Unmögliche behäkelten oder bestickten und in „Schnitten" das Unglaublichste leisteten, fanden eine mitunter kolossale Verbreitung und wurden selbst in Paris massgebend.

Auch die politisch - soziale Satire hatte ihren Tummelplatz,

auf welchem der „Kladderadatsch" sich als Vorturner auszeichnete.

Nachdem die Regierungen nach der Sturmperiode sich von

Die Reaktion, ihrem Schrecken erholt und wieder festeren Boden unter sich fühlten, begann die Reaktion erst im stillen, dann, offen ihr Spiel zu treiben und die Verfolgungen gegen Schriftsteller, Verleger und Drucker gehörten zur Tagesordnung. Von allen Seiten trat die Politikmüdigkeit ein, dagegen stieg die Lust an Büchern in demselben Verhältnis wie die Unlust an Zeitungen. Die Konkurrenz im Buch- handel erhob sich wieder mächtig. Sprach jemand einen Gedanken aus, so fiel gleich ein halbes oder ganzes Dutzend Verleger über denselben her und zeigte sich bereit, an der Abhülfe eines längst

Die Kollektiv- gefühlten Bedürfnisses mitzuwirken. Die KOLLEKTIV -Unter-

Unternehmen.

NEIIMUNGEN aller Art schössen wie Pilze aus der Erde und fanden guten Absatz, mit Ausnahme der Romansammlungen, denn trotz der Billigkeit und der zumteil guten Auswahl derselben zog das Publikum doch vor, sich mit der schönen Litteratur durch die Zahlung von fünf Pfennigen oder einem Groschen Leihgebühren pro Band abzufinden.

Durch die Eisenbahnen war die Welt in eine fortwährende Bewegung gekommen. Es musste also auch für die Bedürfnisse des reisenden Publikums gesorgt werden, was in ergiebigster Weise durch Reisehandbücher und Reiseatlanten, Parleurs etc. geschah.

IX. KAP. ÜBERBLICK ÜBER DAS DEUTSCHE PRESSGEWERBE. 2J I

Ein Tag von grosser Bedeutung in der Geschichte des Buch- gewerbes war der 9. November 1 867, an welchem die Verlagsrechte Der 9. November an die Werke der seit 30 Jahren oder länger verstorbenen Autoren Gemeingut wurden. Merkwürdigerweise hatten die hauptsäch- lichsten Verleger der Werke, die von der Bestimmung getroffen wurden, nicht versucht, der Gefahr beizeiten energisch zu begegnen, und überliessen den Konkurrierenden eine Zeitlang das Feld. Diese hatten aber um so vorsorglicher gehandelt und sich zumteil vor Ablauf des Termins mit einigen Verlegern geeinigt, sodass sie noch vor dem 9. November ihre Kollektionen zu den wohlfeilsten Preisen beginnen konnten. Fast noch einschneidender als im Buchhandel wirkte dieser Tag in dem Musikalienhandel.

Neben den besseren Erzeugnissen der Unterhaltungs-Litteratur florierte die Schmarotzer -Pflanze des COLPORTAGE - Romans undDerCoiPortage-

Roman.

tötete teilweise den Sinn für ernstere Lektüre, brachte auch nebenbei durch Beigabe grösstenteils mittelmässiger Prämienbilder die jugendlich frisch aufblühende Kunst des Farbendruckes in Misskredit.

Die grossen Fortschritte der Typographie, der Xylographie und der Chromolithographie in Verbindung mit der Photographie und den verschiedenen Lichtdruckverfahren hatten den Geschmack für schöne Bücher mächtig gefördert und riefen ARCHITEKTONISCHE und technische Werke von grossem Werte, sowie Muster- sammlungen der besseren Erzeugnisse alter, mittlerer und neuerer Zeit hervor. Es folgten prachtvolle ethnographische Werke. Schliess- lich entstand eine wahre Sintflut von ALBUMS, hauptsächlich mit photographischen Illustrationen zu Gedichten, Romanen, Opern u. dgl.

Als jüngste Phase des Buchhandels, deren Resultate noch nicht vorliegen können, müssen die Markbibliotheken bezeichnet pie „Mark-

ö ' Bibliotheken".

werden, in welchen ein hübsch gebundener Band für eine Mark

geliefert wird. Diese Kollektionen beschränken sich nicht auf

die Unterhaltungs-Litteratur, sondern dehnen sich auch auf die

wissenschaftliche aus.

Zum Schluss sei noch die LanDKARTEN-PRODUKTK >N erwähnt.

Diese erhielt durch Hülfe' der Chcmitypie und der Zinkographie, Die Landkarten- Produktion. sowie der Vielfarbcn- Druckmaschine eine eewaltifife Ausdehnung

Die Pracht Albums.

272 DIE GERMANISCHE GRUPPE. IX. KAP.

und die Billigkeit der Erzeugnisse bei schöner Ausführung grenzt an das Wunderbare. Da diese Branche der Aufklärung ohne jeden bitteren Beigeschmack dient, so kann die Freude hierüber eine ungetrübte sein.

Unter den Errungenschaften des Jahres 1 848 war auch das Buchdrucker- Associationsrecht. Es war selbstverständlich, dass die Buchdrucker- band, gehülfen dasselbe benutzten, um sich in Vereine zu sammeln behufs Vertretung ihrer Interessen mit gemeinsamen Kräften. Dass sie massiger in der Benutzung ihrer Freiheiten hätten sein sollen als alle anderen Klassen, war nicht zu verlangen. Die alte „patriarcha- lische" Zeit hatte ihnen durch willkürliche Berechnungs- und unregelmässige Zahlungsweise manche Unbill gebracht, für welche sie jetzt Revanche nahmen, dabei die Berechnung der Zinsen nicht vergessend.

Eine erste allgemeine Versammlung der Gehülfen aus ganz Deutschland fand in den Tagen vom n. bis 14. Juni 1848 in Mainz statt. Die dort gefassten Beschlüsse hatten zwar einen Protest von gegen 200 Prinzipalen zur Folge, dabei blieb es jedoch und man liess den Verband der Buchdrucker- und Schriftgiesser-Gehülfen, welcher die lebhafteste Beteiligung fand, ruhig gewähren.

Erst nachdem der Verband fast unumschränkter Herr in den Der Prinzipal- Druckereien geworden, dachten die Prinzipale daran, sich auch an einander zu schliessen und versammelten sich am 15. August 1869 ebenfalls in Mainz. Der dort konstituierte Verein wollte nicht nur Front gegen den Gehülfen -Verein machen und die persönlichen Beziehungen fördern und kräftigen , sondern auch in der Art des Börsenvereins der deutschen Buchhändler die Interessen des Geschäfts in allen Lagen vertreten. Zum Vorort wurde Leipzig bestimmt und ein Vorstand von neun Mitgliedern gewählt. 1872 zählte der Prinzipal -Verein mehr als 700 Mitglieder ; der Gehülfen- Verband das Zehnfache (7295). Die Gesamtzahl der Gehülfen mochte gegen 1 1 000 betragen. Von den etwa 4000 Nichtverbands- mitgliedern hielt sich eine ziemliche Anzahl nur als „Schlaumeier" von den Verbandsbestrebungen zurück; im Herzen gönnten sie selbstverständlich, wenn sie auch nicht immer das Vorgehen des Verbandes im einzelnen billigten, wohl so ziemlich alle dem Verband

IX. KAP. ÜBERBLICK ÜBER DAS DEUTSCHE PRESSGEWERBE. 273

die grösstmöglichsten Vorteile, denn auch sie genossen ja in ihrer gedeckten Position die errungenen Vorteile mit.

Nach einer langen Reihe von Differenzen und nach zahlreichen Übergriffen seitens des Verbandes fand zu Anfang des Jahres 1 873 Differenzen

11 tt i- i/">iir it-i--i zwischen Prin-

eine allgemeine Kündigung der Cjehülten seitens der Prinzipale statt. zipaUtät und

iiT-\i 1 -vT- 1 Gehülfenschaft.

Da jedoch nicht alle Druckereien dem Verein angehörten , denn auch unter den Prinzipalen gab es viele „Schlaumeier", und ein grosser Teil der Mitglieder den gefassten Beschlüssen nicht treu blieb, kam es nach vielen Verhandlungen zwischen den beiden Vereinen am 12. Januar 1874 zu einem Abkommen, das mit einem allgemein einzuführenden Tarif und dem Einsetzen eines Einigungs- amtes in Differenzfällen endigte.

Der Prinzipal -Verein hat seinen Zweck bis jetzt nur im beschränkten Masse erreicht, weil er zu viel in einer zu kurzen Zeit erreichen wollte und weil manche seiner Mitglieder direkte Hülfe in ihren besonderen Angelegenheiten vom Verein erwarteten, während dieser nur für eine Anbahnung besserer Zustände im allgemeinen wirksam sein konnte. Jetzt, wo er seiner Thätigkeit engere Grenzen gesteckt hat, ist auch zu erwarten, dass er, wennauch nur Schritt für Schritt, zum Ziel gelangen wird, um so mehr, als die Gehülfen ihre prinzipielle Opposition gegen ihn auf- gegeben haben1.

Die offenbar zu grossen Einräumungen der Prinzipale im Jahre 1*874 sind durch die Praxis gemildert, denn auch die Gehülfen haben einsehen gelernt, dass es im Geschäft gewisse Grenzen giebt, die man ohne sich selbst zu schädigen nicht überschreiten kann.

So hat die beste Lehrmeisterin, die Erfahrung, am meisten dazu beigetragen, das Verhältnis im allgemeinen befriedigender zu Ruhigere Ver- gestalten. Die Versuche der Gehülfen, kooperative Druckereien zu begründen, haben aus den jedem Geschäftsmann leicht erklärlichen Gründen fast nur Misserfolgfe gehabt. Diese Thatsache hat ebenfalls

1 Die Geschichte des Deutschen Buchdrucker -Vereins von 1869 1876 ist in den Annalen der Typographie 1870, Nr. 341 390 im Zusammenhang ausführlich behandelt. Die „Annalen" waren von der Begründung des Vereins bis 1876 Organ desselben urid wurden von dessen Sekretär Carl B. Lorck herausgegeben. Jetzt giebt der Verein selbst in unregelmässigen Zwischen- räumen die „Mitteilungen aus dem Deutschen Buchdrucker-Verein" heraus.

iS

274

DIE GERMANISCHE GRUPPE.

gedient, die Gehülfen darüber aufzuklären, dass auch im Geschäft nicht alles Gold ist, was glänzt, und sie mit dem Los der Abhängigkeit zu versöhnen. Somit steht zu hoffen, dass künftig ein innigeres Zusammenwirken von Prinzipalität und Gehülfenschaft dazu beitragen wird, Gutenbergs Kunst stets mehr und mehr zu Ehren zu bringen.

Das bedeutendste Organ der Gehülfenschaft ist der, jetzt drei- Die Organe der mal wöchentlich erscheinende, 1862 gegründete „Correspondent

Gehülfenschaft. 0

für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgiesser". Früher fast nur und oft in massloser Weise polemisch wirkend, ist das Blatt mit den Verhältnissen auch ruhiger geworden, bringt jetzt manche technische und belehrende Artikel und hat namentlich um statistische Aufnahmen Verdienste. Der Leiter ist seit einer langen Reihe von Jahren Richard Härtel, der, früher zugleich Präsident des Ver- bandes, mit Klugheit und Geschick die Interessen desselben wahr- genommen hat. Das Organ der österreichischen Gehülfen ist „Vorwärts" in Wien.

Es erübrigt noch, einen kurzen Überblick über die Kräfte, statistisches, welche bei der graphischen Produktion in Deutschland wirken, und über die Produktion selbst zu geben.

Das Deutsche Reich hatte 1881 in 1471 Städten 3389 Buch- ßuch- u. stein- druckereien und 1994 Steindruckereien1. In diesen Offizinen sind

druckereien.

96 Rotationsmaschinen, 581 1 typographische, 1369 lithographische Schnellpressen, 244 Tretmaschinen, 2463 typographische und 6687 lithographische Handpressen vorhanden. Jedoch darf nicht übersehen werden, dass der grösste Teil der typographischen Hand- pressen entweder nur als Korrekturpressen dienen oder auch ein vollständiges Stillleben führen. Beschäftigung fanden (1875) 52000 männliche, 11 600 weibliche Mitarbeiter und 8400 Lehrlinge, in Summa also 7 1 000 Arbeiter.

1 Die etwa 700 Offizinen, welche Buchdruckerei und Steindriickerei vereinigen, sind doppelt angeführt.

Das Deutsche Reich, Österreich und die Schweiz als graphische Einheit betrachtet ergiebt die Zahl von 6993 graphischen Anstalten mit 9378 Schnell- pressen und etwa i3 50oTret- und Handpressen. Die Details über Österreich und die Schweiz finden sich S. 406 und S. 436.

IX. KAP. ÜBERBLICK ÜBER DAS DEUTSCHE PRESSGEWERBE. 2/5

Von Schriftgiessereien waren 342 mit 2588 Arbeitern, von Schriftschneidereien und xylographischen Anstalten 371 mit 2353 Personen vorhanden. Von 66 Spielkartenfabriken wurden jährlich gegen 4500000 Pakete geliefert, auf denen Abgaben von etwa 1 200 000 Mark ruhten.

Von Buch- und Kunsthandlungen gab es in 987 Städten 4376 mit 10 590 Mitarbeitern. 1 1 25 1 Buchbindereien beschäftigten 3 1 624 Buch- u. Kims Personen (darunter 7055 weibliche). Leihbibliotheken gab es 455, Zeitungs- und Annoncen-Expeditionen 326, Öldruck- und Globen- Anstalten 342.

Im Jahre 1882 lieferten 1432 Städte 4998 Zeitschriften, von denen j6 in nichtdeutscher Sprache. Unter diesen vielen Zeitungen Zeitschriften wurzeln bloss 9 in dem XVII., 89 in dem XVIII. Jahrhundert. Über 4000 entstanden seit 1830, von denen wieder über 2000 in den letzten zehn Jahren verschwanden, um wieder anderen Raum zu gewähren. Von den Zeitschriften kamen 2435 auf Preussen, 515 auf Bayern, 504 auf Sachsen, 216 auf Württemberg. Der Haupt- vertrieb fällt der Post zu. Die Versendung betrug im Jahre 1880 gegen 300 Millionen Nummern.

Die BÜCHERPRODUKTION des gesamten deutschen Buchhandels (also nicht nur des Deutschen Reiches) betrug 1879 14 179 Nummern, Die Bücher- 1880 14 941 Nummern, 1881 15 191 Nummern, und findet in ähn- licher Weise seit langer Zeit eine fortwährende Steigerung statt. In betreff der Ausfuhr deutscher Bücher ist Nordamerika für diese der bedeutendste Markt, auf welchem jährlich etwa für zwei Millionen Mark abgesetzt wird.

Zum Vergleich mit dem (s. 224) gegebenen Verzeichnis, aus welchem hervorgeht, dass 26 Städte Frankreichs von mehr als je 50000 Einwohnern zusammen eine Bevölkerung von 2594100 Seelen, 343 Buchdruckereien, 390 lithographische Anstalten, 908 Buchhandlungen und 640 Zeitschriften haben, folgt umstehend eine ähnliche Aufstellung aus dem Deutschen Reiche.

Das Deutsche Reich hat demnach in 42 Städten mit über je 50000 Einwohnern und einer Gesamteinwohnerz. thl von 4 176000 Seelen 966 Buchdruckereien, 888 lithographische Anstalten, 1737 Buchhandlungen, 1153 Zeitschriften . Nehmen wir zu einem näheren Vergleich die 26 ersten Städte des Deutschen Reichs (von

276

DIE GERMANISCHE GRUPPE.

Berlin abgesehen) und stellen sie gegen die 26 Städte Frankreichs, so finden wir, dass erstere 3286000 Einwohner, 769 Buch- druckereien, 730 lithographische Anstalten, 1478 Buchhandlungen, 961 Zeitschriften haben; also gegen letztere ein Mehr von 692 000 Einwohnern, 426 Buchdruckereien, 340 lithographischen Anstalten, 470 Buchhandlungen, 321 Zeitschriften aufweisen1.

Städte

Einwohner-

Buch-

Lithogr.

Buch-

Zeit-

zahl

drucker.

Anstalten

hand].

schriften

Hamburg . . . .

290 OOO

IOO

114

125

59

Breslau . .

273 OOO

31

30

53

33

München .

23O OOO

49

38

95

71

Dresden . .

220 000

43

52

126

6l

Leipzig . .

149 000

92

69

400

248

Köln . . .

145 OOO

43

32

47

27

Königsberg

141 OOO

14

12

25

25.

Frankfurt a. IV

I.

137 OOO

58

45

7i

59

Hannover -.

123 OOO

32

19

48

38

Stuttgart .

117 OOO

38

30

107

98

Bremen . .

1 1 3 OOO

22

30

26

19

Danzig . .

IO9 OOO

11

8

21

21

Strassburg .

I05 OOO -

15

16

26

32

Nürnberg .

IOO 000

26

45

40

26

Magdeburg

980OO

30

18

38

19

Barmen . .

960OO

10

3i

12

9

Düsseldorf .

95 500

20

15

30

11

Chemnitz .

95 000

14

10

33

10

Elberfeld .

93 500

16

19

18

7

Stettin . .

92 000

22

20

18

17

Altona . .

91 000

17

16

14

5

Aachen . .

85 500

14

13

17

15

Braunschweig

75 000

16

12

3i

18

Krefeld . .

74000

11

21

10

4

Halle . . .

71 5oo

15

10

35

17

Dortmund .

67 000

10

5

12

12

Tranj

jpc

>rt

3 286 000

769

73o

1478

961

ÜBERBLICK ÜBER DAS DEUTSCHE PRESSGEWERBE.

277

Städte

Einwohner- zahl

Buch- drucker.

Lithogr. Anstalten

Buch-

handl.

Zeit- schriften

Transport

Posen

Mühlhausen . . . Augsburg . . . .

Mainz

Kassel

Essen

Erfurt

Metz

Mannheim . . . . Würzburg . . . .

Lübeck

Frankfurt a. O. . . Wiesbaden . . .

Görlitz

Karlsruhe . . . .

Darmstadt . . . .

Summa1

3 286 000

75 000 64000 61 500 61 000 58 500 57000 53 5oo 53000 53000 51 000 51 000 51 000 50 500 50500 50000 50000

4 176 500

769

12

7

13

22

19 9

11

13

11

2

16 11

17

20 |

730

8

12

7

25

14

5

9

7

7

7

9

5

9

4

14

16

1478

20

4

23

24

25

9

12

15

8

14

10

8

27

13 21 26

966

1737

961

15

4 19 17

14 6

14

9

11

13 6

4 22

8 15 15

1153

Die Bedeutung von Paris für die graphischen Gewerbe Frank- reichs ist bekanntlich eine weit tiefer eingreifende als die der Reichs- hauptstadt für Deutschland. Sollte der graphische Vergleich auf die Metropole ausgedehnt werden, so müsste man, der. Deutschland eigentümlichen Organisation gemäss, Berlin und Leipzig zusammen Paris gegenüberstellen, um einigermassen zu einem richtigen Resultat

1 Die Angaben hier können zwar keinen Anspruch auf absolute Genauig- keit erheben, kommen jedoch der Wahrheit so nahe, dass sie genügen, um sich ein richtiges Bild zu machen. Für die Angaben der Bevölkerung wurde Neumanns „Geographisches Lexikon", Leipzig 1883, mit Abrundung der Ein- wohnerzahl auf 500 benutzt; für die der Buchdruckereien und der litho- graphischen Anstalten „Klinisch' Adressbuch der Buch- und Steindruckereien", Frankfurt a. M. 1880; für die Buchhandlungen „Schulz' Adressbuch für den deutschen Buchhandel", Leipzig 1882, für die Zeitschriften R. Mosses „Zeitungs- katalog", 1882; die in diesem fehlenden Zeitschriften sind ohne Einfluss auf das Gewerbe.

278 DIE GERMANISCHE GRUPPE. IX. KAP.

zu gelangen. In diesem Falle würde dann Leipzig ausfallen und Posen als 26. Stadt einrücken und damit das Mehr der 22 deutschen Städte wesentlich beschränkt werden, nämlich auf: 6 18000 Einwohner, 346 Buchdruckereien, 279 lithographische Anstalten, 190 Buch- handlungen und 88 Zeitschriften.

Die Papierfabrikation Deutschlands ist eine sehr bedeutende Die Papierfabri- und beträgt nahe an 250 Millionen Kilogramm. Zur Herstellung sind 785 Papiermaschinen und 185 Bütten und die Arbeit von etwa 80 000 Menschen notwendig. Ausserdem wirkten noch 260 Holz- schleifereien, 45 Rohstofffabriken und 20 Cellulosefabriken, zusammen mit etwa 7500 Arbeitern. Rechnet man hinzu etwa 40 000 Menschen, die mit Hadernsammeln und Nebenarbeiten beschäftigt sind, so giebt das ein Arbeiterkontingent von rund 128000 Köpfen. Um den Umfang dieser einen Branche richtig zu beurteilen, wären noch alle diejenigen mitzuzählen, die sich mit dem Papierhandel und der Fabrikation von Brief- und Luxuspapieren, Pergamentpapier, Couverts, Tapeten, Handlungsbüchern, Papierwäsche etc. etc. beschäftigen1.

Die Buchbinderkunst2 stand, als nach der Mitte unseres Jahrhunderts die Buchdruckerkunst auf ihrem Höhepunkt angelangt war, noch beträchtlich zurück und es dauerte auch noch eine Zeit- lang, ehe sie einen frischen Anlauf nahm.

Der Leinwand-,,Einband" dominierte vollständig. Man be- Der Leinwand- gnügte sich nicht wie in England mit diesem als einer provisorischen Hülle, sondern die Leinwanddecke war in Deutschland das definitive Kleid des Buches für Jahrhunderte (?). In der Verzierung solcher Bände ging man noch weiter als in England und verwendete neben den Goldverzierungen oft die Hochprägung, bei welcher Medaillon- Porträts, Büsten, allegorische Figuren, Lyras, Palmenzweige, sogar Landkarten zur Verwendung kamen. Die Hautreliefs wurden

1 J. Chr. Schäfer, Sämtliche Papierversuche. Regensburg 1772. L.Müller, Die Fabrikation des Papiers. 4. Aufl. Berlin 1877. Lenormand, Handbuch der gesamten Papierfabrikationen. 3. Aufl. Weimar 1881.

2 R. Steche, Zur Geschichte des Bucheinbandes (Archiv d. D. B.-B.-V. Bd.l). Leipzig 1878. G. Fritzrche, Moderne Bucheinbände. Leipzig 1878. C. Bauer, Handbuch der Buchbinderei. Weimar 1881. L. Brade, Illustriertes Buchbinderbuch. Halle 1881.

IX. KAP. ÜBERBLICK ÜBER DAS DEUTSCHE PRESSGEWERBE. 279

bald flach gedrückt. Man gewöhnte sich, den Einbanddeckel als etwas zu betrachten, was er nicht ist und nicht sein soll: ein illustrierter Titel oder ein Frontispice, um den Inhalt des Buches zu erläutern.

Der Betrieb des deutschen Buchhandels und die deutschen Verhältnisse waren dieser Verwendung des Leinwandbandes günstig. Die Massen- Die Verleger Hessen ganze Auflagen in Leinwand binden und unter dem Publikum verbreiten. Ausser den Verlegern waren es noch die „Grosssortimenter", welche dem Leinwandband Vorschub leisteten. Die Genannten kaufen von den Verlegern grosse Partien gangbarer Bücher, lassen dazu „stilvolle" Platten anfertigen und verkaufen nun die gebundenen Bücher an die eigentlichen Sortimentshändler zu Bedingungen, die es den letzteren noch möglich machen, dem Publikum so wohlfeile Preise zu stellen, wie sie ein einzelner Privat- besteller beim Buchbinder auch nicht annähernd erzielen kann.

Im Prinzip ist diese Einrichtung gewiss eine höchst praktische, aber die Preise werden der Konkurrenz halber dem Buchbinder gegenüber so heruntergedrückt, dass Pfennige den Ausschlag geben, wodurch es dem Buchbinder fast unmöglich wird, auf Falzen, Heften und auf die Zuthaten an Pappe, Vorsetzblättern u. dgl. die nötige Sorgfalt und Ausgabe zu wenden.

Hinsichtlich der Dekoration des Leinwandbandes sind in jüngster Zeit ganz wesentliche Fortschritte gemacht worden. Die Fortschritte im schreienden Farben der Leinwand haben den zarteren Modefarben und der Pergament-Imitation Platz machen müssen1. Das „Bemalen" oder „Ausmeissein" der Bände durch Figurales, Landschaftliches etc. hat mehr und mehr aufgehört und wird durch Flachornamente ersetzt, für welche man die vielen trefflichen Vorbilder früherer Zeit benutzt oder tüchtige Künstler gewinnt. Ein Fehler ist noch ziemlich ver- breitet: der übergrosse Reichtum der Ornamentierung und Über- ladung mit Silber, Gold und Mosaik imitierenden Farben. Je mehr man sich gewöhnen wird, die körnige Chagrin - Imitation und einfache Ornamentierung zu verwenden, um so mehr wird das Leder -Surrogat, welches wir nun einmal nicht werden entbehren können, seinen Platz in zweckmässiger Weise ausfüllen.

1 Im Deutschen Reiche giebl es nur eine Fabrik „englischer Leinen", die von Schultze & Niemann in Eutritzsch bei Leipzig.

'280 DIE GERMANISCHE GRUPPE. IX. KAP.

Die Handarbeit, namentlich den Halbfranz, lernt man in der Die Handarbeit, letzten Zeit in Deutschland wieder schätzen und es sind hierin tüchtige Fortschritte gemacht worden. Von Lederbänden wird nicht viel die Rede sein können, solange die Kreise der wohl- habenden Kaufleute und Fabrikanten, sogar Magnaten keine gewählte Bibliothek besitzen. Die Sammler sind meist unter den Gelehrten, Beamten, selbst unter den weniger gut dotierten Land- geistlichen zu suchen. Deshalb haben die Buchbinder, falls es ihnen wirklich um die Förderung ihrer Kunst Ernst ist, sich vor der Klippe zu hüten, als Revanche für den Druck, den sie durch die Verleger und Grosssortimenter zu erleiden hatten, das Publikum zu über- teuern und zu glauben, dass jeder, der gern ein Buch hübsch binden lassen will, ein reicher Büchernarr sei, dem man jeden Preis abverlangen könne. Begnügt sich der Buchbinder bei reeller Bedienung mit einem massigen Vorteil, so wird er immer noch in Deutschland ein kaufendes Publikum finden.

In Bezug auf ein solches ist der Buchbinder in Österreich schon Die Buchbinder- besser situiert und die Buchbindung hat demzufolge auch schon kunSreichÖster" beträchtliche Fortschritte gemacht. Doch betreffen diese im allge- meinen noch mehr die Album- und Portefeuille - Fabrikation als die eigentliche Buchbinderei. Eine mächtige Einwirkung auf den Geschmack hat das Kunstgewerbe - Museum in Wien geübt. Man schliesst sich mehr der Art der Franzosen an und übertrifft diese in der Ledermosaik, die eine wirklich eingelegte Arbeit ist.

Was den Betrieb der Buchbinderei betrifft, so hat dieser einen Die Vorteile der sehr wichtigen Anteil an den Vorteilen gehabt, welche das Maschinen- wesen jedem Geschäft gebracht hat (vgl, Kap. XI). Die Maschinen besorgen das Falzen der Bogen, das Walzen des gefalzten Bogens, das Heften desselben mit Faden oder Draht, das Beschneiden und Pressen des Buches, das Abrunden des Rückens, das Einfassen, die Anbringung der Kapitale, das Schneiden und Abschrägen der Pappen, das Pressen und Vergolden der Deckel. Für die sonstigen Arbeiten der Buchbinder sind die Couvert- und Klebemaschinen, Liniier- und noch viele andere Maschinen da.

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X. KAPITEL.

DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION IN DEUTSCHLAND -ÖSTERREICH.

Aufschwung der Schriftgiesserei. Ed. Hänel. Die deutsche Druckschrift. Walbaum Vater und Sohn. Hamburg, Berlin, Leipzig, Frankfurt a. M. Österreich. G. Haase, C. Faulmann. Die Stereotypie, die Galvanoplastik, die Dynamo- Elektrik. Die Giessmaschine. Die Illustration: Verfall im xvm. Jahr- hundert, Wiedererwachen des Holzschnitts. Die Unger, Gubitz, Unzelmann, Kretzschmar u. a. Österreich: Prestel, Höfel, Knöfler u. a. Die Planotypie. Die Stigmatypie: Carl Fasol.

ANGSAMER als in England und Frankreich ent- wickelte sich die Schriftgiesserei in Deutschland. Erst Aufschwung der

Schriftgiesserei.

aus den dreissiger Jahren datiert der eigentliche Auf- Ed. Hänel schwung des reineren Geschmacks in den Produktionen derselben und an Einfluss in dieser Richtung kam niemand Eduard Hänel gleich. Er führte die neuesten und schönsten französischen, und englischen Antiquaschriften ein, Hess die geradestehende griechische, Kanzlei, fette und halbfette, gothische und andere Zier- und Auszeichnungsschriften schneiden oder erwarb aus dem Auslande die besten Matern zu denselben.

Im Accidenzdruck brachte Hänel eine vollständige Umwälzung hervor und aus seiner Magdeburger Offizin , und nach dem Brande derselben im Jahre 1838 aus seinem Berliner Institut gingen vor-

282 DIE GERMANISCHE GRUPPE. X. KAP.

zügliche Druckarbeiten hervor. Er war der erste, der den Compound- Druck (S. 80), den er Congreve- Druck nannte, nach Deutschland brachte. Mit seinen Guillochen- und Unterdruckplatten, namentlich seinen Spitzenmustern enthusiasmierte er das deutsche Publikum. Fast kein Umschlag, ja kaum ein Rechnungsformular konnte damals ohne Guillochen und Buntdruck hergestellt werden. Bereits 1837 hatten seine Zierstücke die Zahl von 2813 erreicht.

Der Kampf mit der Lithographie ward damals mutig von den Buchdruckern aufgenommen. Viele der letzteren warfen sich mit Eifer auf das Accidenzfach und andere Schriftgiesser folgten dem Beispiel Hänels. Es war eine Zeit des regsten, lustigsten Schaffens, vom Guten, Halbguten und Geschmacklosen, vom Praktischen und Unpraktischen unter einander.

Noch vor Hänel hatten F. W. Gubitz in Berlin und der

f. w. Gubitz. Kammergerichtsassessor W. Pfnorr in Darmstadt manche Beiträge w. pfnorr. -m Ornamentfache geliefert, unter welchen die Einfassungen mit Säulen, umwunden von Epheu- und Blumenguirlanden oder mit vollständigen schweren architektonischen Aufbauten einen wichtigen Platz einnehmen. Auch viele Poly typen stammen von Gubitz, der im Jahre 1836 bereits 1668 solcher geschnitten hatte. Nach Hänels Vorangehen trat nun auch ein besserer Geschmack in den Ein- fassungen und eine grössere Leichtigkeit in der Ausführung ein. Vielen Beifall fanden die sogenannten Kaleidoskop -Einfassungen, aus sehr kleinen systematischen Stückchen bestehend, die sich in die mannigfaltigsten Formen zusammenfügen Hessen und congreve- artig in verschiedenen Farben gedruckt manchmal eine recht hübsche Wirkung hervorbringen konnten. Auch zu Kapitel - Anfangs - und -Schlussvignetten wurden sie zusammengesetzt, in Gestalt von Schmetterlingen, Vasen, Kronen etc. Man näherte sich jedoch damit den zeitraubenden, wenig wahre Befriedigung erzielenden Arbeiten der Stigmatypie (S. 304) und sie verschwanden bald von der typographischen Bühne.

Die deutsche Druckschrift , die sogenannte Fraktur, nahm um

Die deutsche die Mitte des XVIII. Jahrhunderts eine sehr niedrige Stufe ein. Die

Druckschrift.

männliche Kraft und das Urwüchsige der gothischen Schrift, Eigen- schaften, welche die Schwabacher Schrift wenigstens noch teilweise besass, waren ganz verloren gegangen, ohne dass die Fraktur durch

X. KAP. DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION. 283

Eleganz das ersetzte, was ihr an Kraft gebrach. Nachdem J. G.J. Breitkopf, wie es scheint, lange geschwankt hatte, ob er nicht seine reformatorischen Absichten der Verbesserung der Antiqua zuwenden sollte, folgte er schliesslich doch der Tradition und versuchte der Fraktur eine kunstgerechtere Haltung zu geben (s. 365). Etwas Mustergültiges vermochte jedoch auch Breitkopf nicht zu schaffen , noch weniger J. F. Unger in Berlin.

Erst Erich Walbaum in Weimar und namentlich seinem Sohne Theodor Walbaum gelang es, eine Frakturschrift herzustellen, die Erich Waibaum. auf längere Zeit und allgemein sich Geltung erwarb. Der Vater /^Jui^is™. war anfänglich Konditor, zeigte jedoch einen solchen Geschmack im Ornamentieren, dass er von Sachverständigen veranlasst wurde, sich der Stempelschneiderei zu widmen. Der Sohn Theodor arbeitete erst als Gewehrgraveur wie der berühmte englische Schrift- giesser Caslon (I, S. 268), wurde jedoch später von seinem Vater als Stempelschneider ausgebildet.

Die Vorzüge der Walbaumschen Frakturschriften liegen namentlich in dem Ebenmass aller Buchstaben durch alle Grade hindurch von dem kleinsten bis zu dem grössten. Form und Zurichtung sind gleich gut; die Stärke ist gerade die rechte; Leser- lichkeit geht mit Dauerhaftigkeit Hand in Hand. In der Fraktur nimmt die Walbaumsche Schrift fast die Stelle ein, wie in der Antiqua die Didotsche, und würde noch heute, neu mit den Hülfs- mitteln der neuesten Technik zweckmässig durchgeführt, immer eine klassische Fraktur bleiben , wenn wir diese Bezeichnung überhaupt für eine Schrift modernen Ursprungs und, man sage für ihre nationale Berechtigung und ihre Zweckmässigkeit für das Volk was man will, nicht in dem Besitz derjenigen Schönheit, welche wir von dem, was wir klassisch nennen, verlangen, gebrauchen dürften.

Theodor Walbaum starb, als Künstler und Mensch gleich geachtet, in dem Bade Berka bei Weimar und wurde von seinem Vater überlebt. Das Walbaumsche Geschäft erwarb F. A. Brock- haus in Leipzig, welcher es im Jahre 1843 nach dort verlegte.

Seit Walbaum hat Deutschland eine grosse Zahl von Fraktur- schriften aufzuweisen, bald magerere, bald fettere; bald eckigere, Die neueren

rt ° Frakturschriflen.

bald rundere; vielen derselben ist die Korrektheit nachzurühmen. Oft sind sie sich selbstverständlich so ähnlich, dass nur ein sehr

284 DIE GERMANISCHE GRUPPE. X. KAP.

geübtes Auge einen Unterschied bemerkt. Leider haben sehr viele Druckereien die üble Gewohnheit, einzelne Grade aus den Garnituren verschiedener Giessereien untereinander anzuschaffen, indem sie bald den Launen der Besteller nachgeben, bald nur dem eigenen Antrieb folgen, nicht berechnend, dass selbst die weniger schönen Schriften konsequent durch alle Grade durchgeführt ein weit gelungeneres Ganzes hervorbringen, als Schriften sogar des schönsten Schnittes, wenn sie unter einander gemengt sind.

Im Jahre 1838 hatten Deutschland, Österreich und die Schweiz

bereits gegen 100 Giessereien, die beständigen Zuwachs erhielten.

Im Norden Deutschlands waren die bedeutendsten derselben

j. d. Trennert. J. D. Trennert in Altona und Genzsch & Heyse in Hamburg,

GHeyCSe.& welche hauptsächlich die Bedürfnisse des skandinavischen Nordens

und Russlands deckten. Der Gründer der letztgenannten Firma,

j. a. Genzsch J. A. Genzsch aus Audigast in Sachsen, ward 1827 erster Faktor

•f- 29. jum' 1869.' bei Fr. Dresler & Rost-Fingerlin, als diese in Frankfurt a. M. eine

Schriftgiesserei etablierten. Im Jahre 1833 assoziierten sich Genzsch

und J. G^- Heyse aus Bremen und führten die Thorowgoodschen

Schreibschriften in Deutschland ein. Die Firma, seit 1866 im Besitz

von Emil Julius Genzsch, dem Sohne des Gründers, erwarb sich

besondere Verdienste um die Einführung der Renaissance - Antiqua

mit entsprechenden Kopfleisten, Vignetten und Initialen, sowie um

die Umgestaltung der Schwabacher Schriften. Da man für letztere

nicht so wie für die Antiqua ältere mustergültige Vorbilder hatte,

weil die Stempelschneiderei Deutschlands zur Zeit der Einführung

der Schwabacher (I, S. 41) auf keiner hohen Stufe stand, so musste

der Versuch gemacht werden, etwas Neues zu schaffen, und es ist

in der That Genzsch & Heyse gelungen, sehr ansprechende moderne

Schwabacher Schriften in allen Grössen herzustellen. In jüngster

Zeit etablierten Genzsch & Heyse eine Schriftgiesserei in München

durch Ankauf zweier dortigen Firmen1.

In Braunschweig wirkten als Schriffgiesser, namentlich Fr. vieweg Fr. Vieweg & Sohn, allerdings nur für den eigenen Bedarf schaffend, aber sehr für Verbreitung des guten Geschmacks wirkend.

1 Zu dem 50jährigen Jubiläum am 28. Februar 1883 erschien „Chronik der Schriftgiesserei Genzsch & Heyse".

X. KAP. DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION. 285

Die Hänelsche Offizin in Berlin ging nach verschiedenem Wechsel in die Hände W. Gronaus über und behauptete sich unter Berlin. dessen kräftiger und einsichtsvoller Leitung als eine der vorzüg- lichsten Anstalten Deutschlands. Im Hänelschen Geiste wurden Ornamente, Zier- und Brotschriften in reicher Fülle geschaffen, zugleich der Schnitt griechischer und russischer Schriften gepflegt. Auch als Druckerei behielt die Offizin einen ehrenvollen Platz. Hier wirkte als Faktor J. H. F. Bachmann aus Stralsund. Achtj.H.F.Bachmann

J * 8. Juli 1821,

Jahre verbrachte dieser in Kiew als Leiter erst der Universitäts- f 2i- Juli l876- buchdruckerei, später der Regierungsdruckerei. Nach Deutschland zurückgekehrt, weilte er 1850 1860 bei J. H. Meyer in Braun- schweig, wo er den Grund zu seiner ziemlich umfangreichen fach- schriftstellerischen Thätigkeit legte. Sein letztes Werk war das 1875 in Weimar erschienene ausführliche „Handbuch der Buch- druckerkunst".

Eine bedeutende Thätigkeit entwickelten Trowitzsch & Sohn, auch als Kalenderverleger bekannt. Die von Deckersche Giesserei Trowitzsch &

ö Sohn.

schaffte in erster Richtung hauptsächlich für den eigenen Bedarf, v. Decker.

Ihre Frakturschriften von einer etwas eigentümlichen Form sind

korrekt und tüchtig durchgeführt, konnten jedoch nicht allgemein

gefallen. Es hat fast den Anschein, als wäre die Absicht vorhanden

gewesen, nach dem Beispiel der Nationaldruckerei in Paris etwas

Absonderliches für sich allein zu haben, ohne Rücksicht darauf, ob

es zugleich etwas Schönes sei. Im Jahre 1873 zur Zeit der Wiener

Ausstellung betrug die Zahl der Stempel und Matrizen über iooöoo.

Deckers lieferten auch orientalische Schriften, die unter der Aufsicht

der Akademie derWissenschaften geschnitten wurden, welche letztere

sich überhaupt um diesen Zweig der Schriftgiesserei verdient machte.

Als Stempelschneider in dieser Richtung erwarb sich Beyerhauss Beyerhauss.

einen Ruf. Unter anderem lieferte er für die amerikanische Mission

in New -York 4000 chinesische Stempel, mit welchen 22000 der

am häufigsten vorkommenden Kombinationen herzustellen waren.

F. Theinhardt lieferte Hieroglyphen nach der Anleitung des v. Theinhardt.

Professors C. R. Lepsius, die sich von den Niesschen dadurch

unterscheiden, dass sie kein schwarzes Typenbild, sondern nur

wie mit der Feder gezeichnete Umrisse bilden. Die Zahl der

geschnittenen Charaktere beläuft sich auf über 1300. Auch Thein-

W. Woellmer.

286 DIE GERMANISCHE GRUPPE. X. KAP.

hardts sonstige fremdländische Schriften und andere Leistungen sind vorzüglich1.

Treffliche Einfassungen und Ornamente lieferte Heinr. Ehlert. h. Ehiert. Rastlos schaffte im Accidenzfach Wilh. Woellmer, und namentlich erwarben sich seine Züge, Einfassungen und Schreibschriften, besonders die Rundschriften2, grosse Beliebtheit, wozu seine von W. Büxenstein in Berlin genial arrangierten und meisterhaft gedruckten Proben das ihrige beitrugen.

Je grössere Dimensionen das Geschäft im allgemeinen annahm, um so vorteilhafter war es, wenn sich Spezialitäten vom Stamm abzweigten und besondere Geschäfte bildeten. Als eine solche Spezialität, welche eine ganz besondere Pflege nötig hatte, ist die Fabrikation von Messinglinien, galvanoplastischen Arbeiten u. dgl. zu bezeichnen. In der Fabrikation der ersteren hat es H. Berthold in Berlin zu einer grossen Virtuosität gebracht. Besonderen Dank seitens seiner Berufsgenossen erwarb er sich durch seine Bemühungen für die Einheitlichkeit des Schriftkegels und die Herstellung eines Normaltypometers. Unter Beihülfe wissenschaftlicher Kräfte ersten Ranges, darunter des Direktors des Observatoriums in Berlin, Professor Dr. Forster, stellte er nach achtzehnmonatlicher Arbeit ein solches Typometer in einer Länge von 30 cm = 133 Nonpa- reil = 798 Punkte her1. Leider ist auch bei diesem neuen verdienst- lichen Versuche nicht das Metermass nach seinen Einheiten genau zugrundegelegt. Man sieht hier, wie bei den orthographischen Verbesserungsplänen, wie schwer es ist, eine wissenschaftliche Reform durchzusetzen, wenn nicht ein Gebot des Staates dahintersteht. Bei dem enormen vorhandenen Setzmaterial und den übergrossen Schwierigkeiten, dieses schrittweise nach einem neuen System zu vervollständigen oder umzumodeln, ist auch nicht abzusehen, wann eine Einheitlichkeit durchgeführt sein kann, denn solche Radikalkuren

1 C. R. Lepsius, Standard- Alphab et. 11. Ed. London 1863. Fr. Ballhorn, Alphabete orientalischer und occidentalischer Sprachen. 12. Aufl. Nürnberg 1880. F. Theinhardt, Liste hieroglyphischer Typen. Berlin 1875. H. Brugsch, Memoire sur la reprodurtion imprimee des caracteres demotiques. Berlin 1868.

2 F. Soennecken, Das deutsche Schriftwesen. Bonn 1881. H. Smalian, Praktisches Handbuch für Buchdrucker im Verkehr mit Schriftgiessereien. 2. Aufl. Leipzig 1877. J. H. Bachmann, Die Schriftgiesserei. Leipzig 1868.

3 Journ. f. B. 1879, Nr. 29.

X. KAP. DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION. 287

anzuwenden, wie die Reichsdruckerei es that, indem sie ihre gesamten Schriften Vorräte ins Zeug warf und umgoss, sind nicht jedermanns Sache.

In Jena schnitt C. Hanemann nach Angaben des Professors W. Lagus eine arabische Schrift für die Frenckellsche Offizin in c. Hanemann. Helsingfors.

Leipzig nahm in der Schriftgiesserei nicht eine so bedeutende Stelle ein, wie man es hätte vermuten sollen. F. A. Brockhaus, Leipziger

Schriftgiesser.

Breitkopf & Härtel, Karl Tauchnitz, F. Nies und dessen Nachfolger C. B. Lorck und W. Drugulin u. a., welche hauptsächlich nur im Interesse der eigenen Druckoffizinen arbeiteten, finden Erwähnung bei der Besprechung der Wirksamkeit dieser (Kap. XII). Gustav Schelter zeichnete sich namentlich durch seine Musiknoten aus. Der talentvolle, leider zu früh aus dem Leben geschiedene Ernst Otto war ganz besonders um die Verbesserung des Schriftmetalls bemüht. Die einzige bedeutende Schriftgiesserei war langezeit hindurch die von 1. G. Schelter & Giesecke, die einen ganz j. g. Scheiter

J ö & Giesecke.

besonders regen Verkehr mit dem Norden unterhielt und eine Filiale in Wien (jetzt Meyer & Schleicher) errichtete. Die Leipziger Anstalt ist in jüngster Zeit ganz nach amerikanischen Grundsätzen umgebildet und gehört durch ihren Umfang und die ausgedehnteste Anwendung von Hülfsmaschinen , welche sie selbst baut, zu den bedeutendsten Schriftgiessereien der Jetztzeit, liefert zugleich kleine Druckmaschinen und alles, was zum Arbeitsmaterial gehört. In jüngster Zeit haben Schelter & Giesecke sich besonders um das Schaffen schöner Ornamente und Einfassungen verdient gemacht1.

Die als Schriftgiesserei noch junge Firma Julius Klinkhardt, j. Klinkhardt. früher schon als Verlagshandlung und Buchdruckerei bekannt, entwickelt eine grosse Thätigkeit. Der Gründer der Firma, Julius Klinkhardt, kaufte 1864 die gut eingerichtete Buchdruckerei von Lüders & Umlauf, 1871 die bekannte lithographische Anstalt von J. G. Bach und die Schriftgiesserei von Gust. Schelter. Unter der Beteiligung der Söhne Robert und Bruno Klinkhardt nahm das

1 Die in zwanglosen Zwischenräumen erscheinenden „Typographischen Mitteilungen von J. G. Schelter & Giesecke" dienen ihrem Geschäft als Organ, enthalten aber auch Nachrichten und Belehrungen von allgemeinem Interesse.

288

DIE GERMANISCHE GRUPPE.

Aufschwung; in Wien wurde 1 877 eine Filiale errichtet. Die Anstalt machte namentlich in betreff der. Musiknoten und der dekorativen Typographie bedeutende Anstrengungen1.

Als Galvanoplastiker erwarb sich in Leipzig C. A. Kloberg,

Galvanoplastiker als Graveur R. Gerhold Ruf. In Magdeburg zeichnete sich in diesem Fache Feodor Schmitt (früher Falckenberg & Co.) aus, dessen Spezialitäten Numerierwerke und alle Messingarbeiten für Buch- binder sind.

Frankfurt a. M. behielt, mit dem benachbarten Offenbach,

Frankfurt a. m. selbst nachdem der Hauptsitz der Typographie und des Buchhandels nach Leipzig verlegt war, die Superiorität als Sitz der Schrift- giesserei. Ein verdientes Ansehen genoss dort schon lange die j. Andreae. Schriftgiesserei vonj. Andreae (I, S. 131), die einen wesentlichen Einfluss auf die Ausbildung des guten Geschmacks geübt hat. Sie verbesserte das Konkordanzsystem und war eifrig für die Einführung des einheitlichen Kegel- und Höhesystems (I, S. 160) thätig. Im Jahre 183,8 ging das Geschäft auf Benj. Krebs über, der auch die ersten guten deutschen Schreibschriften lieferte, deren Zeichen zwar, wie die der Anglaise, auf schrägem Kegel geschnitten, jedoch nicht wie die letztere aus verschiedenen Stücken zusammengesetzt werden mussten. Jedes Typenstück ist zugleich ein vollständiger Buchstabe, nur existieren, wie in der Ronde, von manchen Buchstaben Varianten (bis zu fünf) unter Berücksichtigung der Anschlüsse an die Nachbar- buchstaben. Krebs hat auch durch sein für die damalige Zeit (1827) vortreffliches und heute noch nicht übertroffenes „Handbuch der Buchdruckerkunst" sehr wohlthätig gewirkt. Die Firma lieferte auch vorzügliche hebräische, und in jüngerer Zeit auch Frakturschriften, die zu den besten gehören; seit 1870 ist H. Poppelbaum alleiniger Besitzer der Firma.

Im Jahre 1827 gründete Friedr. Dresler mit Rost-Fingerlin f. Dresier. in Frankfurt eine Schriftgiesserei, die bald einen weiten Ruf erlangte. Die Dreslerschen gothischen Schriften wurden allgemein nach- geahmt und seine Fraktur fand sogar Eingang in die National- druckerei in Paris. Dresler schnitt auch Musiknoten ohne Linien-

1 Das „Probenalbum der Buchdruckerei Julius Klinkhai'dt" 1882 ist eine Musterleistung moderner Ausstattung, namentlich neuerer Ornamentierimg.

X. KAP. DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION. 289

ansätze, welche für sich gesetzt und dann einer, die Linien enthaltende Druckform aufgedruckt wurden. Doch hat dieses Verfahren trotz des durch die Zweifarbenmaschine erleichterten Doppeldruckes sich nie einbürgern können. Die Verwendung von zweierlei Metall, Messing für die Linien und Schriftzeug für die Noten, bietet schon wesentliche Nachteile, da die Abnutzung eine verschiedene ist, der Druck demnach nie ein recht gleichmässiger sein wird. Dreslers tüchtiger Nachfolger Carl Meyer verfolgte, unterstützt von Ferd. c. Meyer. Michael, die begonnenen Pläne weiter und H. Flinsch, in dessen h. Flinsch. Besitz das Geschäft 1859 überging, vollendete sie.

Unter Flinsch ist die Anstalt zu der grössten Deutschlands, zu einer der grössten der Welt herangewachsen. Im Jahre 1882 waren vorhanden : 92 Giessmaschinen, welche täglich ca. 2 Millionen Typen liefern können, ausserdem 26 Schleif- und viele Hülfsmaschinen. Die Zahl der Arbeiter betrug über 200. An Stempeln besass die Offizin 106000, an Matrizen 198 200. Flinsch war der erste in Deutschland, der die Johnson- Atkinsonsche Giessmaschine einführte und Matrizen von Stahl und Neusilber verwendete, auch für die Güte und Härte des Zeugs wurden grosse Anstrengungen gemacht.

Als Schriftschneider erwarb sich Joh. Chr. Bauer aus Hanau ein grosses Ansehen. Nachdem er sich in England ausgebildet hatte, j. c. Dauer begann er 1828 seine schönen Frakturschriften auszuführen, von welchen die ersten 1852 erschienen. Nach und nach folgten andere und Bauer schnitt über 10 000 Stempel. Seine Nachfolger wirken in gleicher Richtung. Sie haben das Patent auf die Hepburnschc Giessmaschine erworben (S. 295), deren Erfinder seine Thätigkeit dem Frankfurter Hause widmet.

Cosman Damian May gehört halb Frankfurt, halb London an. Geboren in ersterer Stadt, ging er 1828 nach England und war bis cd. May. 1845 Teilnehmer der Schriftgiesserei Miller & Richard. 1852 kam er wieder nach Frankfurt^ kehrte jedoch 1865 abermals nach London zurück. Er schnitt Frakturschriften sowohl in einer abgerundeteren Form (Midoline) , als auch in der üblichen eckigen. Bekannter sind seine Antiquaschriften geworden, deren treffliche Ausführung alles Lob verdient.

Die Firma J. Ch. D. Nies wurde 1834 gegründet. C. J. Ludwig, aus der Flinschschen Schule hervorgegangen, hat sich seit 1876 für

19

290 DIE GERMANISCHE GRUPPE. X. KAP.

j.ch. d. Nies, seine junge Firma bereits einen guten Ruf erworben. In dem c.j.Ludwig. benachbarten Offenbach zeichnete sich J. M. Huck & Co. und J. H. Rust, letzterer namentlich durch seine eleganten Ornamente und Einfassungen, aus.

STUTTGART hat in der Schriftgiesserei keine grosse Bedeutung gehabt. In neuester Zeit machte sich Otto Weisert durch seine Zierstücke, Stoffler & Backe durch Holzschriften bemerkbar. Solche fabrizierten namentlich Sachs & Schumacher in Mannheim, Nachtigall & Dohle in Aachen.

In ÖSTERREICH stand die Schriftgiesserei lange auf einem Österreich, ziemlich untergeordneten Standpunkte. Eine Änderung hat man Andr. Haase erst Gottlieb Haase in Prag zu verdanken, der in Österreich unge- f 25. juni 1864' fähr dieselbe Stellung einnahm, wie Hänel in Deutschland.

Der Begründer der Firma war 1798 nach Prag eingewandert. Sein rasch aufgeblühtes Geschäft arbeitete mit 18 Pressen und war mit einer Schriftgiesserei verbunden. Der Sohn Andreas widmete sich nach einer sorgfältigen Erziehung der Buchdruckerkunst und übernahm ", kaum zwanzig Jahre alt, nach dem Tode des Vaters im Verein mit seinen beiden jüngeren Brüdern Gottlieb und Rudolph das Geschäft, das bald eins der bedeutendsten in Österreich wurde. Im Jahre 1836 disponierte es bereits über eine Doppelmaschine, drei einfache Schnellpressen, zwölf Stanhope- und vierzehn ältere Hand- pressen, nebst zwei hydraulischen Glättpressen. Die Schriftgiesserei zählte 45 Arbeiter und versah ganz Österreich und die Donauländer. Eine Maschinenfabrik wurde in Wran angelegt. Nach dem Tode Andreas' übernahm Gottlieb als Chef die Leitung der Buchdruckerei. Ihm zur Seite stand als Dirigent der Schriftgiesserei sein Neffe Guido; Rudolph leitete die Buchhandlung. Im Jahre 1871 ging das Geschäft in die Aktiengesellschaft Bohemia auf, bis es Andreas Haase später wieder übernahm.

Der sehr bedeutende Aufschwung, welchen die Wiener Schrift- Schriftgiesserei giesserei in neuester Zeit genommen hat, entstammt zumteil den Bestrebungen Auers, zumteil den bei der günstigen Wendung der Pressverhältnisse nach Wien eingewanderten deutschen Geschäften. Die jetzt bedeutendste Schriftgiesserei Meyer & Schleicher, welche ihre Verbindungen selbst bis Japan ausdehnt, wurde, wie bereits erwähnt, als Filiale von Schelter & Giesecke in Leipzig gegründet.

Wien.

X. KAP. DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION. 20,1

Sie führte die Atkinsonsche Giessmaschine in Wien ein. J. H. Rust aus Offenbach etablierte 1856 ein Geschäft. Aus einer Filiale von Krebs in Frankfurt a. M. ward die Firma Poppelbaum & Bossow, jetzt Poppelbaum. In jüngster Zeit folgte Jul. Klinkhardt aus Leipzig.

Ausser der Staatsdruckerei verbanden auch andere Druck- anstalten mit ihren Druckoffizinen Schriftgiessereien , so v. Wald- heim, Zamarskt, Fromme. Letzterer verkaufte jedoch die Giesserei an Brendler & G. Harler. Carl Brendler schnitt vortreffliche orien- talische Schriften und die stenographischen Typen für Faulmann.

Carl Faulmann , erst Setzer, dann Stenograph und Linguist, Verfasser mehrerer Werke über Schrifttum und Typographie1, c. Faulmann und

dieStenographie.

hat sich ganz besondere Verdienste in betreff der Lösung der schwierigen Aufgabe, die Stenographie in die Typographie ein- zuordnen, erworben. Die ersten Versuche hatte bereits 1854 Gustav Schelter mit Typen nach Gabelsbergers System gemacht, sie fielen jedoch nicht genügend aus. Die Staatsdruckerei Hess von Joseph Leipold und Christian Plesse Typen nach Stolzes System herstellen, die 1854 in München ausgestellt, für den praktischen Gebrauch jedoch zu gross befunden wurden. 1859 zeichnete Faul- mann für die Staatsdruckerei neue Typen nach Gabelsbergers System, die, von Leipold geschnitten, sich als zweckmässig bewährten. 1864 erschienen wieder neue Typen von Faulmann, die er auf seine Rechnung von Brendler schneiden Hess und die später von der Staatsdruckerei angekauft wurden. Diese neuesten Typen reihen sich ohne Verbindungsstücke an einander an, wie gewöhnliche Typen. Allerdings ist die Zahl derselben, trotz einer grossen Reduktion der früheren 1300 Stücke, noch eine bedeutende, 800, so dass ein Kasten sie nicht alle fassen kann, auch laufen die über- hängenden Buchstaben beim Drucken leicht Gefahr, beschädigt zu werden. Liegt es nun auch in der Natur der Sache, dass die Geschwindschrift nie Gegenstand eines Geschwindsatzes werden kann, so ist doch das Problem des stenographischen Satzes als glücklich durch Faulmann gelöst zu betrachten2.

1 Illustrierte Geschichte der Schrift. Wien 1SS0. Das Buch der Schrift. Wien 1878. Illustrierte Geschichte der Buchdruckerkunst. Wien 1882. Illustrierte Kulturgeschichte. Wien. Stenographische Unterrichtsbriefe! Wien.

2 Österr. Buchdr.-Ztg. 1873, Nr. 29. Journ. f. B. 1874, Nr. 16 u. 18.

19*

292 DIE GERMANISCHE GRUPPE. X. KAP.

Betrachten wir den grossen Reichtum an Material, welchen

Reichtum an die Schriftgiessereien für Einfassungen, Ornamente, Titel-, Schreib- schriften. *.-

Schriften u. dgl. den Setzern in die Hände liefern, so können letztere

nicht darüber klagen, dass es ihnen an Mitteln gebricht, ihre

Kunstfertigkeit zu zeigen. Eher verleitet sie der Reichtum zur

Verschwendung und unter den hunderten von Schriften wird mehr

gewühlt als gewählt und sinnlose Zusammenstellungen gemacht.

Erfreulich ist es zu sehen, wie jetzt das Ausland, das fast nur von

den Derrieyschen Einfassungen zehrte, jetzt die deutschen Produkte

vielfach benutzt, die selbst in Frankreich Eingang fanden.

Übersättigung führt zur Einfachheit und so haben in den letzten

Jahren die einfache typographische Linie und der Punkt (S. 304)

eine bedeutende Rolle gespielt und oft werden mit diesen kleinen

Mitteln wirkliche Meisterstücke ausgeführt, in welchen namentlich

W. Büxenstein in Berlin, Jul. Klinkhardt in Leipzig und die

Pierersche Hof buchdruckerei in Altenburg excellieren, der in

letzterer arbeitende taubstumme Watzulik ist ein ausserordentliches

Setzer- Genie1.

Das Stereotyp -Verfahren2 wird in ausgedehnter Weise Die Stereotypie, in Deutschland geübt, ohne dass dieses selbst bedeutende eigene Verdienste um dasselbe erworben hätte, wenn sich auch Spuren älterer Versuche zeigen.

Ein Steingutfabrikant, Schmidt in Durlach, . fand auf einem

Altere Versuche. Schutthaufen seiner Fabrik das Bruchstück einer Schriftplatte in

Porzellan, welche den Schluss einer Dedikation oder eines Gesuches

an den Grossherzog Karl von Baden seitens eines Müller d. ä.,

datiert Paris den 1. August 1787, enthält, des Inhalts:

„Diese Erfindung ist in Teutschland schlechterdings unbekannt. Sie gehört dem Amtmann Hoftmann, welcher aus einer alten Familie aus den Markgräflich -Badenschen Landen herstammt. Ich werde mich glücklich schätzen, wenn sie unter der Protektion Ew. Hoch- fürstlichen Durchlaucht, durch mich, durch Errichtung einer Polytypie eingeführt, und alle Kirchen- und Schulbücher meines

1 Eine „Anleitung zum Accidenzsatz" von Heinr. Fischer. Leipzig 1877, versucht ein System für den titeiförmigen .Satz aufzustellen.

2 H. Meyer, Handbuch der Stereotypie. Braunschweig 1838.

DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION.

293

v. Pallhausen.

gnädigsten Privilegii, zuerst in Teutschland polytypiert, von mir können abgedruckt werden. Ein Unternehmen, das der glorreichen Regierung meines gnädigsten Fürsten ein ewiges Denkmal stiften und den wärmsten Dank aller edlen Seelen verdienen wird; denn das Werk ist eines Fürsten würdig. Ich ersterbe ehrfurchtsvoll

Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht

unterthänigster treu-gehorsamer Knecht Müller älter."

Im Jahre 1805 machte Vincenz von Pallhausen in München, unterstützt von dem Xylographen Th. Neuer, einen Versuch zuv stereotypieren. Ehe dieser einigermassen gelang, verunglückten verschiedene Platten. Von den hiervon noch übrig gebliebenen, deren Inhalt ein Gedicht auf Gutenberg bildet, veranstaltete Prögel in München 1836 einen Abdruck in einem Büchlein: „Denkmal in Stereotypen den Manen Gutenbergs 1 805 gewidmet von Vincenz von Pallhausen".

Polytypen, Plakat- und grössere Titelschriften waren längst mit der Hand clichiert worden. Die Clichiermaschine von Pfnorr in Darmstadt erleichterte sehr das Verfahren \

Die ersten, welche das Stanhopesche Verfahren in Deutschland erwarben und ausbeuteten, waren v. Decker und K. Tauchnitz; 18 19 kam es nach Österreich. Die Stereotypendrehbank2 verein- fachte die Arbeit. Eine grosse Förderung gewährte die Papier- stereotypie (S. 153). In Deutschland war Georg Jaquet in München der erste, der das Verfahren 1834 erwarb. Für die weitere Ver- breitung wirkten namentlich Th. Archimowitz und J. Isermann in Hamburg 3.

Versuche mit Stereotypen in Eisen wurden schon 1805 auf Veranlassung des Buchhändlers Gädicke in Berlin gemacht. Auf Stereotypie den Rübeländer Eisenwerken im Harz brachte Ziegler nach jahre- langem Arbeiten eine vollständige Bibel in dieser Weise zustande.

Stanhopes Stereotypie.

1 Journ. f. 13. 1835, Nr. 5 ; 1838, Nr. 1.

2 Journ. f. B. 1837, Nr. 5.

3 Th. Archimowitz, Die Papierstereotypie. Karlsruhe 1862. A. von Flammenstern, Stereotypie in Üslerreieh. Wien 1822.

H.Jacobi * 21. Sept. 1801 •]• 10. März 1874

294 DIE GERMANISCHE GRUPPE. X. KAP.

So vorteilhaft die Stereotypie ist, namentlich zur Herstellung der Cliches von Abbildungen, ohne welche die illustrierte Litteratur nie eine so enorme Ausdehnung hätte erreichen können , so wurde sie doch bedeutend durch die Herstellung von Cliches auf galvano- plastischem Wege übertroffen.

Die Galvanoplastik1 ist eine Erfindung des Deutschen Moritz

Galvanoplastik. Hermann Jacobi aus Potsdam. 1835 erhielt dieser einen Ruf nach Dorpat, 1837 nach St. Petersburg. Bereits in diesem Jahre erfand er das Verfahren, auf chemischem Wege Kupfer abzulagern', und, abgesehen von den sonstigen hochwichtigen Verwendungen, druck- bare Kupferplatten sowohl für den Tiefdruck auf der Kupferdruck- presse als für den Hochdruck auf der Buchdruckpresse, je nach dem Original, zu erzielen. Das Verfahren kaufte die russische Regierung, die mit einer höchst anerkennenswerten Liberalität es der Allge- meinheit preisgab. Die erste Veröffentlichung geschah in dem Bulletin der Akademie zu St. Petersburg vom 5. Oktober 1838.

Die Galvanoplastik ward jedoch für das Geschäft zu einer zwei-

Missbrauch der schneidigep Waffe. Die Möglichkeit , durch ihre Hülfe von einem Cliche oder einer Type eine getreue Mater herzustellen, somit ohne Kosten und Mühe sich die Arbeit des Stempelschneiders oder Holzschneiders anzueignen, wurde stark gemissbraucht. Nicht nur über die Produkte des Auslands fiel man her , sondern auch die Kollegen im Inlande wurden nicht geschont und ein Gesetz verbot diese kollegialische Beraubung nicht. Hier konnte nur Selbsthülfe wirken und am 15. Mai 1857 konstituierte sich auch ein deutscher Schriftgiesser -Verein, jedoch erstens waren nicht alle Schrift- giessereien Mitglieder des Vereins und zweitens konnte dieser weiter keine Strafe diktieren, als öffentliche Bekanntmachung von Kontra- ventionen, und diese genügte nicht immer. Erst der Erlass des Reichsgesetzes zum Schutze der Muster vom 1. Juli 1873 konnte dem Übel steuern.

Ein grosser Fortschritt in der Galvanoplastik ist die Gewinnung von Cliches durch die dynamo - elektrische Maschine, welche als

1 A. HERING, Die Galvanoplastik und ihre Anwendung in der Buchdrucker- kunst. 7. Ausg. F. von Rosklkur, Handbuch der Galvanoplastik. Deutsche Übers. Stuttgart. Dr. G. Seeuiorst, Katechismus der Galvanoplastik. 2. Aufl.

Leipzig,

X. KAP. DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION. 295

Ersatz für die galvanischen Elemente eintritt und einen kräftigen Die dynamo- elektrischen Strom durch Verbindung eines mit Kupferdraht Maschine. umwickelten, sich rasch drehenden Eisenringes und eines Elektro- magneten hervorbringt, welcher stark genug ist, um damit in wenigen Stunden ein Cliche zu erzielen. Diese, namentlich von Sigm. Schuckert in Nürnberg und Siemens & Halske in Berlin erbauten Maschinen sind, wo Dampfbetrieb einmal vorhanden ist, mit einem geringen Kostenaufwande zweckmässigst zu benutzen1.

Zu erwähnen bleibt noch die Vernickelung der Typen, eine Erfindung des Prof. Bötticher in Frankfurt a. M., die jedoch, da sie in Vernickelung. Deutschland keinen Anklang fand , nach Amerika auswanderte, um dann von dort als Neuheit nach Deutschland importiert zu werden.

Die GIESSMASCHINE ist keine deutsche Erfindung, sie gelangte aber in Deutschland zur grossen Verwendung. E. Hänel war der Die Schriftgiess- erste, der sie hier baute, nachdem er das Patent Lauritz Brandts (Kap. XVl) erworben hatte. Ein Schüler Brandts, Corfitz Möller aus Kopenhagen, baute Giessmaschinen bei F. A. Brockhaus in Leipzig, Gursch & Klemm und C. Kisch in Berlin, Steiner in München und Rob. Kühnau in Leipzig waren bestrebt, sie zu verbessern. Grosse Verbreitung fanden die amerikanischen Apparate. Auf die neue Hepburnsche Maschine (S. 39) hat, wie schon erwähnt, die Bauer- sche Giesserei in Frankfurt das Patentrecht.

Das anfängliche Misstrauen gegen die Giessmaschinen, hervor- gerufen durch die, wegen der eingeschlossenen Luft verursachten Hohlheiten im Guss sowie die Unmöglichkeit der Verwendung von Hartmetall, ist nach Beseitigung dieser Übelstände durch ver- besserte Konstruktion verstummt und die Giessmaschine steht jetzt in der Schriftgiesserei ebenbürtig der Schnellpresse in der Buch- druckerei zur Seite.

Die SETZMASCHINE 2 (S. 40) bahnt sich in Deutschland langsam den Weg und hat auch hier wenige praktische Verbesserungen Die Setz-

- ,,__,_' maschine.

gefunden. Erst in neuester Zeit nehmen die Erfindungen von Prasch in Wien, von A. v. Langen in Düsseldorf im Verein mit C. G. Fischer auf Schloss Holte in Westfalen 3, sowie von E. W. Brackelsberg in Hagen' die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch,

1 Journ. f. 13. 1877, Nr. 38. 2 Litteratur der Setzmaschine s. S. 40U. ff. 3 Juurn. f. 13. 1881, Nr. 33 11. 34. 4 Östcrr. 13.-7.tg. 1882, Nr. 34; 1883, Nr. 2.

296 DIE GERMANISCHE GRUPPE.

jedoch sind diese Erfindungen noch zu neu, um ihnen in der Geschichte der Typographie jetzt schon einen bestimmten Platz anweisen zu können.

DIE ILLUSTRATION.

Die grosse Ausdehnung der Illustration in dem xvi. Jahr- Die Illustration hundert lernten wir bereits kennen (I, S. 105). Die Holzschnitte und Stiche Dürers hatten überall Eingang gefunden. Die Gegen- stände aus dem profanen Leben waren jedem verständlich und auch die Darstellungen aus der heiligen Schrift in ihrer Naivetät ganz dem Fassungsvermögen des Publikums angemessen. Nicht so rasch gestaltete sich die Verallgemeinerung der Renaissance. Es fehlte dem grösseren Publikum der Sinn für die Schöpfungen derselben, der Zusammenhang mit dem Altertum war nicht wie in Italien vorhanden, und unter den Leiden des dreissigjährigen Krieges ging vollends der Geschmack an edleren Genüssen verloren. Die später eindringende französische Malerei diente namentlich zur Verherr- lichung der Machthaber und stand dem Volke fern. Das Bedürfnis nach Schmuck im kleinen war aber doch nicht untergegangen und zeigte sich auch in der zweiten Hälfte durch einen Aufschwung in der Bücher-Ornamentierung und der Illustration.

Die Holzschneidekunst war inzwischen so gut wie abhanden- d. chodowiecki gekommen und man nahm deshalb Zuflucht zu dem Kupfer. Kaum

* 16. Okt. 1726, , . . , - . . . . _,. t .

1 7. Febr. 1801. ein Buch erschien, welches nicht wenigstens eine 1 itelvignette, einige Kapitel -Anfangs - und Schlussvignetten aufwies. Von dem Ornament ging man zur wirklichen Illustration über und diesmal kam der Anstoss von Frankreich, wo die Illustration jedoch einen mehr aristokratischen Anflug hatte, während sie in Deutschland, wie in früherer Zeit, den volkstümlichen Charakter annahm und namentlich eine Begleiterin der vielverbreiteten Kalender wurde.

Einer der grössten Meister in dieser illustrierenden Kleinkunst war Daniel Chodowiecki, geboren in dem damals noch zu Polen gehörenden Danzig. Da der Vater frühzeitig starb, musste Daniel ein Handwerk ergreifen, später konnte er jedoch seiner Neigung folgen

X. KAP. DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION. 297

und bildete sich unter der Leitung des Malers Haid mit Erfolg für die Kunst aus. Mit dem Jahre 1764 traten seine Arbeiten mit der Radiernadel in den Vordergrund; 1769 lieferte er die ersten zwölf Blätter Illustrationen zu Lessings „Minna von Barnhelm". Von nun an häuften sich die Aufträge der Buchhändler derart, dass seine ganze Arbeitskraft dazu gehörte, um sie zu bewältigen, und es giebt kaum einen bedeutenden Schriftsteller damaliger Zeit, dessen Werke er nicht illustriert hätte.

Der Holzschnitt trat jedoch nicht gleich die Erbschaft an und es dauerte noch eine Zeit, ehe man an diesem wieder Geschmack Der Holzschnitt, fand; wesentlichen Anteil an der Erweckung desselben haben die beiden Unger, Vater und Sohn T.

Johann Georg Unger, der Vater, stammt aus Pirna bei Dresden. Erst Schriftsetzer, widmete er sich seit 1757 ganz dem Holzschnitt, j. g. Unger d. ä. Zu seinen besten Arbeiten gehören „Fünf geschnittene Figuren, gezeichnet von O. Meil".

Joh. Friedr. Unger, der Sohn, war in Berlin geboren. Auch er begann als Buchdrucker, erwarb jedoch als Holzschneider einen j.F.ungerd.j. noch grösseren Ruf als sein Vater. Bekannt sind seine „Sechs Figuren für Liebhaber der schönen Künste" (1779) und von Vignetten lieferte er eine grosse Zahl. Als Schriftsteller versuchte er durch mehrere Fachbroschüren zu wirken ; seine Bemühungen für die Verbesserung der Frakturschrift hatten keinen Erfolg. Im Jahre 1800 wurde er Professor der Holzschneidekunst.

Derjenige Holzschneider neuerer Zeit, der zunächst als der geistige Erbe Chodowieckis angesehen werden kann und am meisten dazu beigetragen hat, den Holzschnitt aufs neue populär zu machen, ist Friedr. Wilh. Gubitz. Im Alter von 15 Jahren stellte F.w.Gubiu

* 27. Febr. 1786,

er auf der Berliner Kunstausstellung sieben Vignetten aus, die ihm f s- Juni 1870. Ehre und Geld einbrachten. 18 12 wurde er Professor der Holz- schneidekunst. 1835 begann er seinen Volkskalender, der mit seinen zahlreichen Illustrationen rasch eine grosse Popularität erlangte. Für Buchdrucker lieferte er eine enorme Anzahl von Polytypen, darunter auch eine Serie für Didot in Paris. Sein in Farben gedruckter Heiland nach Lucas Cranach, das Bildnis der Gräfin Voss, seine Blätter in Tuschmanier gehören zu den besten Arbeiten ihrer Art. 1 Max Schasler, Die 'Schule der Holzschneidekunst. Leipzig 1866.

298 DIE GERMANISCHE GRUPPE. X. KAP.

Gubitz gehörte noch ganz der alten Schule an, welche in dem Holzschnitt mit dem Kupferstich konkurrieren wollte. Er schnitt immer noch in Langholz. Eine eigentliche Schule bildete er nicht und sein talentvollster Schüler Unzelmann war in der Manier das gerade Gegenstück zu Gubitz.

Zu nennen sind noch J. Ritschl von Hartenbach, der sich

Ritschi v. jedoch nicht bis zur Meisterschaft erhob; der Kammersekretär

* 1797. Wilh. Pfnorr in Darmstadt, ein Dilettant, der aber Tüchtiges

Dan. Vogdd. ä. namentlich in ornamentalem Schmuck lieferte, und Daniel Vogel,

der Vater, in Berlin.

Der erste bedeutende Repräsentant der neuen Richtung der Fr. Unzeimaun Holzschneidekunst ist Friedrich Unzelmann aus Berlin. Seine künstlerische Ausbildung erhielt er auf der königlichen Akademie. Bis 1827 arbeitete er für Gubitz. Nach seiner Trennung von diesem zeigte er sofort eine freiere Handhabung der Technik. Bis jetzt hatte er, wie Gubitz, nur mit dem Messer in Langholz gearbeitet, jetzt griff er zum Stichel und zu dem Hirnholze.

Unzelmann stellte sich die Aufgabe, die ja auch die einzig wahre des Holzschneiders ist, wenn eine für den Holzschnitt korrekt gezeichnete Vorlage vorhanden ist, die Zeichnung vollständig facsimile wiederzugeben. Er lieferte viele Blätter zu den damals erscheinenden illustrierten Werken, namentlich A. Menzels „Friedrich der Grosse", und zu den auf Rechnung des Königs von Preussen herausgegebenen Werken seines grossen Vorfahren. Ein Jubelblatt aus dem Jahre 1840, Gutenberg und Fust an der ersten Presse, ist in dem Archiv des Berliner Kupferstichkabinetts deponiert, um 1 940 aufs neue gedruckt zu werden. Im Jahre 1 843 wurde Unzelmann Mitglied der Akademie, 1844 Professor.

Der bedeutendste Schüler Unzelmanns, vielleicht an Genialität Ed. Kretzschmar ihm nicht ganz gleichkommend, aber von noch grösserem Ein- 2If 185V °7' fluss auf die Förderung der deutschen Xylographie, war Eduard Kretzschmar, aus Oschatz gebürtig.

Schon frühzeitig äusserte sich seine Neigung für die zeichnenden Künste; Armut zwang ihn jedoch, als Laufbursche in der Brock- hausschen Buchdruckerei zu dienen. Später wurde er Konditor- lehrling, übte dieses Geschäft elf Jahre und zeigte sein plastisches Talent, indem er Formen für Kuchenverzierungen schnitt. Als im

DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION.

299

Jahre 1833 das Pfennigmagazin erschien, wagte er sich an einen Holzschnitt, den er mit einem Federmesser in Birnbaumholz aus- führte. 1836 ging er nach Berlin und arbeitete unter Unzelmanns Leitung. Die erwähnte illustrierte „Geschichte Friedrichs des Grossen" von Menzel war das erste Werk, durch das Kretzschmar eigentlich Gelegenheit bekam, sein Talent zu entfalten und das zugleich ihm Veranlassung wurde, ein xylographisches Institut in Leipzig zu gründen, um genügend tüchtige Kräfte heranzubilden, welche selbst die Anforderungen eines Menzel, dieses Schreckbildes der Holzschneider, befriedigen sollten, ein Vorhaben, das dem mit allen Eigenschaften eines guten Lehrers Ausgerüsteten auch vor- trefflich gelang.

Als 1 843 die Illustrirte Zeitung " erschien , waren die zu überwindenden Schwierigkeiten gross. Anfänglich musste natürlich das Ausland zum wesentlichen Teil mit Cliches aushelfen, doch dauerte diese Abhängigkeit nicht lange. Kretzschmar erweiterte sein Atelier und richtete es fast ganz auf die Bedürfnisse der „Illustrirten Zeitung" ein. Bei seinem Tode ging es in die Hände der Expedition der „Illustrirten Zeitung" über. Die von Kretzschmar meist zum Experimentieren angelegte vortreffliche kleine Kunst- druckerei erwarb Ph. Grumbach.

Die Brüder Albert und Otto Vogel in Berlin traten ganz in Unzelmanns Fussstapfen. Beide konnten auf Grund ihrer Verhält- nisse nicht ihrer Neigung folgen, die Albert zum Kupferstechen und zur Malerei, Otto zur Skulptur hinzog. Beide lieferten Vortreffliches, doch ist Otto der bedeutendste und seine Schnitte nach Menzels Zeichnungen sind wahre Meisterstücke.

Eine besondere Bedeutung hat Caspar Braun aus Aschaffun- burg1, der den Holzschnitt in München heimisch machte und durch die „Fliegenden Blätter" einen weitverbreiteten Namen erwarb. Erst ging er nach München, um sich in der Malerei auszubilden, und dann nach Paris, wo er zwei Jahre bei Breviere arbeitete. Nach seiner Rückkehr gründete er mit v. Dessauer ein Holzschneideatelier und arbeitete namentlich für die Cottaschen illustrierten Ausgaben, bis er sich mit Friedr. Schneider zur Herausgabe der „Fliegenden Blätter" verband.

1 Ann. d. Typ. 1877, Nr.,425-

Alb. Vogel * 1814.

Otto Vogel * 181(3.

Caspar Braun * 1807, f 1877.

300 DIE GERMANISCHE GRUPPE. X. KAP.

Hugo Bürckner aus Dessau war erst Bereiter, wandte sich aber HugoBürckner bald dem Zeichnen und Malen zu und ging 1837 nacn Düsseldorf. Gaber.' Ein Zufall veranlasste ihn, sich für die Holzschneidekunst als Beruf zu entscheiden. Im Jahre 1840 folgte er dem nach Dresden über- gesiedelten Maler Hübner, nachdem er erst einen kurzen Unter- richt bei Unzelmann genossen hatte. Seine Thätigkeit widmete er namentlich den im strengeren künstlerischen Stil gehaltenen buch- händlerischen Unternehmungen G. Wigands und T. O. Weigels. In ähnlicher Richtung zeichnete sich Gaber in Dresden aus.

Von Bedeutung sowohl als Kupferstecher wie als Holzschneider Heinr. Lbdei ist Heinr. Lödel aus Hameln. Er lernte die Buchbinderei, ging nach Göttingen und versuchte sich dort im Schneiden von Ver- goldestempeln und Vignetten, schliesslich im Kupferstechen. Durch einen Holbeinschen Totentanz erwachte seine Neigung für den Holzschnitt, in welchem er sich besonders durch getreue Repro- duktionen älterer Meisterwerke auszeichnete.

Die Bestrebungen J. G. Flegels in Leipzig waren stets auf j. g. Fiegei Vervollkommnung seiner Kunst gerichtet. Seine mikroskopischen,

t 20 Dez. 1881. . °

naturwissenschaftlichen und anatomischen Arbeiten sind nicht über- treffen und nur durch Betrachtung durch die Lupe ganz zu würdigen. Vorzüglich sind auch seine Nachbildungen Rembrandt- scher Radierungen. Viele seiner besten Arbeiten finden sich in den Verlagswerken Wilh. Engelmanns verstreut. Besonders in tech- nischen Illustrationen zeichnen sich Klitzsch & Rochlitzer aus.

In neuerer Zeit hat Stuttgart sich in der Xylographie nament- lich durch das Institut von Ad. Closs ein hohes Ansehen erworben. Es wird Gelegenheit sein, hierauf in dem folgenden zurückzu- kommen (Kap. xiv). Eine hervorragende Stufe nimmt die Anstalt von R. Brend'amour & Co. in Düsseldorf mit Zweiganstalten in Düsseldorf, Berlin, Leipzig und Stuttgart ein.

Österreich hat in der Xylographie, ganz besonders in dem j. g. Prestei Clairobscur- und dem Polychromdruck, bedeutende Namen auf- zuweisen. Unter den wenigen Leistungen aus der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts sind die Clairobscur- Blätter von Jon. Gottl. Prestel rühmlichst zu erwähnen, namentlich eine Kreuzabnahme nach Raphael. Auch Karl Friedr. Holtzmann (1740 181 1) lieferte Tüchtiges in dieser Richtung. Die vorzüglichsten seiner Arbeiten

1739, f 1808.

X. KAP. DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION. 301

erschienen gesammelt als „Abdrücke in Helldunkel nach ver- schiedenen Meistern". Er wandte, wie schon ältere Künstler es gethan hatten, Kupferstich in Verbindung mit Holzschnitt an und druckte mit zwei bis zu sechs Platten. Auch von Karl Ruprecht (1799 1 831) existieren gute Clairobscur- Blätter.

In seiner Arbeitsweise mit Gubitz verwandt, jedoch als Künstler weit bedeutender ist Blasius Höfel. Er war in Wien geboren und b. Höfei

* 27. Mai 1792,

zeigte frühzeitig ein ungewöhnliches Zeichentalent. Nach vielen f *7- Sept. 1863. Schwierigkeiten gelang es ihm, einen Platz in der Akademie der bildenden Künste zu erlangen. Um dort am Tage studieren und arbeiten zu können, musste er in den Nachtstunden seinen ärmlichen Lebensunterhalt durch Illuminieren von Bildern erwerben. Anfangs widmete er sich mit Erfolg der Malerei, ging jedoch bald zum Kupferstich über und lieferte eine grosse Anzahl von Blättern, allein 120 Porträts für Artaria. Im Jahre 1820 erhielt Höfel die Professur des freien Handzeichnens an der Militär - Akademie in Wiener-Neustadt.

Auf einer Reise in Deutschland im Jahre 1829 lernte er Gubitz und Unzelmann kennen und sofort die Wichtigkeit der neuerwachten Holzschneidekunst begreifend, warf er sich mit Eifer auf dieses Verfahren. Eine seiner ersten Arbeiten: „Betende Alte" nach Waldmüller wurde in 127 000 Exemplaren verkauft. Die Aufmerk- samkeit des Fürsten Metternich ward auf Höfel gelenkt , auf dessen Anregung erfasste er die von Collas erfundene Reliefmanier und lieferte treffliche Platten zu dem „Ehrentempel Österreichs". Eben im Begriff nach Paris zu gehen, verlor Höfel Haus und Habe durch einen grossen Brand, welcher 633 Häuser in Wiener-Neustadt am 8. September 1834 in Asche legte, und er musste nun von neuem anfangen. Eine Verbindung mit der Nationalbank führte nicht zu einer dauernden Anstellung und infolge einer Reorganisation der Militär- Akademie in Neustadt wurde Höfel pensioniert. Er verband sich nun, um seine Erfindungen auszubeuten, mit dem Buchdrucker Sollinger. Letzterer erhielt bei der Industrie - Ausstellung in Berlin 1840 die goldene Medaille. Höfel ging leer aus. Bei seinem nun folgenden Versuch mit einer eigenen Buchdruckerei geriet er in Konflikt mit dem Gremium der Buchdrucker und Buchhändler, woraus ihm viel Verdruss und viele Verluste entstanden.

302 DIE GERMANISCHE GRUPPE. X. KAP.

Im Jahre 1845 stellte er eine Anzahl der schönsten Farben- drucke aus, darunter eine Madonna nach Führich in 25 Platten auf Goldgrund. Die Verhältnisse des Jahres 1848 zwangen Höfel, sein Geschäft um jeden Preis zu verkaufen. Er ging nun nach Salzburg und baute sich in dem am Fusse des Gaisberges reizend gelegenen Dorfe Aigen einen Meierhof, wo er den Rest seiner Tage, mit der Ausführung verschiedener grosser Stahlplatten beschäftigt, ver- brachte.

Auf Aufforderung von G. Haase Söhne lieferte er für die Aus- stellung in München einen lebensgrossen Christuskopf nach Hübner in der Baxterschen Manier, 22 Platten Farbe auf Farbe ohne Kon- turen gedruckt. Das Bild erschien in vier Auflagen. Trotz seines schweren Kampfes mit dem Leben behielt Höfel noch im Greisen- alter seine jugendliche Geistesfrische und seinen Unternehmungs- geist, bis eine Lungenlähmung seinem vielbewegten Leben ein Ende machte.

Friedrich von Exter, ein Schüler Höfeis und einer der f. v. Exter geschicktesten Holzschneider der Anstalt von Braun & Schneider f 27. juni 1860! in München, wurde 1846 von Auer als Leiter der xylographischen Abteilung der Staatsdruckerei nach Wien berufen. Zu seinen besten Leistungen gehören „Kaiser Joseph an der Buchdruckerpresse" und „Karl V. im Kloster St. Just". Zu den Peintures de Polygnote a Delpke der Gebr. Riepenhausen lieferte Exter die ersten zwölf Tafeln in Chromoxylographie , die späteren Platten wurden litho- graphisch ausgeführt.

Heinrich Knöfler aus Schmölln im Altenburgischen brachte h. Knöfler es von einem einfachen Tischlergesellen zu einem hervorragenden xylographischen Künstler und Kunstdrucker. Prof. von Berger in Wien war der erste, welcher auf sein ausserordentliches Talent aufmerksam wurde. Den Unterricht in der Xylographie erhielt er von Bader, der von Stuttgart nach Wien übergesiedelt war. Ein Holzschnitt Knöflers, „Der Stephansturm", wurde sehr bewundert und verschaffte ihm eine Anstellung in der Staatsdruckerei, welche er später mit einer solchen bei Zamarski vertauschte, bei dem er sich viel mit dem Chromodruck beschäftigte.

Seinen hauptsächlichsten Ruf erwarb sich Knöfler durch seine Miniaturen zu dem bei Reiss erscheinenden Missale und durch seine

X. KAP. DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION. 303

Illustrationen zu den liturgischen Werken Pustets in Regensburg. Eine ihm von Didot angebotene ehrenvolle und vorteilhafte Stellung lehnte er ab. Knöfler ist namentlich ein Meister in der Behandlung der Köpfe seiner kleinen Figuren. Eine seiner bedeutendsten Leistungen ist die Nachbildung des Marienfensters des Prof. Trenk- wald in der Votivkirche zu Wien. Ferner sind die Illustrationen zu dem „Ägyptischen Joseph" und zu Führichs „Geistliche Rose" zu nennen.

Ein ehemaliger Schüler und Mitarbeiter KnÖflers, Hermann Paar , arbeitete mit Biberhofer zusammen. Die Aufmerksamkeit wurde auf ihn durch den Druck der von Bader geschnittenen Trachtenbilder Albr. Dürers gelenkt. Sein Bildnis eines Unbe- kannten nach Jan van Eyck ist eine vollendete Leistung, ebenso sein Kegelschieber nach Ostade. Ein Xylograph ersten Ranges ist der mehrerwähnte Bader. Sein Panorama von Wien im Jahre 1873 hat bei einer Höhe von 77 cm eine Länge von 122 cm.

In Verbindung mit der Xylographie müssen wir noch zwei Verfahren nennen, die, wennauch ihr praktischer Wert kein ausser- ordentlicher ist, doch dem Fachmann von Interesse sind.

Die erste ist die PLANOTYPIE \ Eine Zeichnung in Linien wird auf Lindenholz getragen. Mittels einer durch eine Stichflamme Die pianotypie. glühend gemachten Stanze wird die Zeichnung Strich für Strich in das Holz vertieft eingebrannt und so eine Matrize gebildet, in welche eine leicht flüssige Metalllegierung gegossen wird. So wird ein erhabenes Cliche erzielt, mit welchem man, nachdem die Ober- fläche vollständig egalisiert worden ist, drucken kann. Das Ver- fahren wurde zuerst von Lepel, früher in Berlin, dann in Dresden, verwendet, namentlich für die sehr grossen Musterbogen der Moden- zeitungen, aufweichen die verschiedenen Muster für das Zuschneiden auf einer Platte sich kreuzen.

Mit vielem Geschick ist diese Methode zur Illustrierung eines umfangreichen Werkes „Trachten der Völker in Bild und Schnitt" (Dresden, bei Müller, Klemm und Schmidt) verwendet. Über iooc) Figurenbilder sind in dieser Weise in Umrissen wirksam und charakteristisch hergestellt.

1 H. KLEMM, Die Pianotypie. Dresden 1S71.

3O4 DIE GERMANISCHE GRUPPE. X. KAP.

Ein anderes Verfahren oder vielmehr eine besondere Ver- stigmatypie von wendung der einfachsten typographischen Figur, des Punktes, zur malerischen Typographie, die Stigmatypie, fand besonders in Wien durch Carl Fasol Pflege.

Mit fünf Graden von Punkten liefert derselbe nicht allein die kompliziertesten Ornamente, sondern auch förmliche bildliche Dar- stellungen: Porträts, Architektonisches, Landschaftliches, Blumen- und Fruchtstücke mit Licht- und Schatteneffekten, die, wenn man des benutzten Materials eingedenk bleibt, geradezu wunderbar sind. Die Zeichnung wird auf karriertes Papier übertragen und zur Erleichterung beim Setzen die Stärke der zu wählenden Punkte durch Farbennuancierungen kenntlich gemacht. Um die unendliche Mühe einer solchen stigmatypischen Arbeit zu beurteilen, mag die Erwähnung des Umstandes genügen, dass zu einem Fruchtstück in der Grösse von 11x13 Zoll etwa 80 000 Punkte gehörten. Man muss dem bedeutenden Talent und der grenzenlosen Ausdauer des Künstlers seine Achtung zollen, jedoch nicht ohne eine herbe Beimischung von Bedauern, dass doch nur bedingungsweise Ge- lungenes zustande gebracht werden kann, was man mit weniger Mühe und Aufwand in anderer Weise besser und leichter hätte erzielen können. Doch bleiben diese stigmatypischen Arbeiten eine Anspornung für den Typographien, sein Material gut zu benutzen, wenn er sieht, mit wie wenigen Mitteln sich etwas Hübsches schaffen lässt und deshalb verdienen die von Fasol herausgegebenen Proben („Album der Buchdruckerkunst", fünf Hefte in Folio, 1868— 1881) einen Platz in jeder grösseren Druckanstalt und in jeder typo- graphischen Gesellschaft.

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XL KAPITEL.

DIE TYPOGRAPHISCHEN MASCHINEN

IN DEUTSCHLAND.

Fr. König und die Schnellpresse. Die Bedeutung derselben. Jugendgeschichte Königs. Seine Rückkehr aus England. Etablissement König & Bauer in Oberzeil. Kampf und Sieg. Die Zweifarbenmaschine. Die Endlose. Die Maschinenfabrik Augsburg und andere Fabriken Deutschlands. Heibig & Müller in Wien und andere Fabrikanten Österreichs. Die lithographische und die zinkographische Schnellpresse. Die Handpressen. Die Satinier- Schnellpresse. Die Farbenfabrikation.

M 17. April 1874 waren hundert Jahre vergangen

seit dem Tage, an welchem Friedrich König, der Fr.Küm.o; und di,

Schnellpresse.

Erfinder der Schnellpresse, in Eisleben das Licht der Welt erblickt hatte1. „Eine kleine Stadt war sein Geburtsort, aber ihr Name hatte Weltruf erlangt, denn in Eisleben stand die Wiege des grossen Reformators, Luther, den hunderte, über das ganze Erdenrund verbreitete Millionen als den Befreier von dem auf dem Geiste lastenden Druck verehren ; dessen Name jeder gebildete Deutsche, der Genuss und Belehrung

1 Die folgenden Zeilen sind einem Glückwunschschreiben entnommen, welches der Herausgeber dieses Buches als Sekretär des Deutschen Buchdrucker- Vereins an die Söhne Friedrich Königs zum 17. April 1S75 abzufassen halle (vgl. Annalcn d. Typ. Nr. 301). Dieses Schreiben sowohl wie der Jubelartikel in dem Journ. f. B. 1875, Nr. 15fr. kamen jedoch, .wie nach späterer Fest- stellung des Geburtsjahres Königs hervorgehl, um ein Jahr zu spül.

20

306 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XI. KAP.

in den Werken sucht, welche die Heroen der deutschen Litteratur und Wissenschaft schufen, als den des Reformators der Mutter- sprache hoch hält, selbst wenn er dem Träger desselben auch nicht als Reformator in Glaubenssachen huldigt."

„Wie wäre jedoch die weltbewegende Wirksamkeit Luthers Kuiturhistor. gehemmt gewesen, wenn er nur auf das gesprochene Wort und auf Erfindung, die Verbreitung desselben durch Niederschrift angewiesen gewesen wäre, wenn ihm nicht die thätigen Pressen Wittenbergs und Leipzigs fördernd zur Seite gestanden hätten. Glücklich müssen wir uns preisen, dass die deutsche Erfindung Gutenbergs es ihm möglich machte, seine zündenden Blitze nach überall hinzuschleudern."

„Und doch, wie unvollkommen und langsam war die damalige Hülfe der Presse, wenn wir sie mit derjenigen vergleichen, welche sie uns heute leistet. Vergegenwärtigen wir uns, wie viel durchgreifender und wie unendlich schneller die Erfolge der reformatorischen Thätig- keit Luthers hätten sein müssen, wenn man derzeit über diejenigen mechanischen Hülfsmittel zu verfügen gehabt hätte, die uns jetzt zu Gebote stehen; wenn die Schnellpresse damals dienend zur Seite gestanden hätte; wenn diejenige Reform im Druckwesen, welche die Times vom 29. November 18 14 den staunenden Lesern verkündefe, gleichzeitig mit der Reform des Glaubens und der deutschen Sprache ins Leben getreten wäre."

„Doch verlieren wir uns nicht in Phantasien über das, was hätte werden können, und halten wir uns an die grosse Errungenschaft, wie wir sie wirklich jetzt besitzen. Die Schnellpresse gehört unserer Zeit. Sie ist ein Kind des XIX. Jahrhunderts und hat wieder so unendlich viel dazu beigetragen , dieses zu einem der denk- würdigsten in der Geschichte der Entwicklung der Menschheit zu machen. Sie hat die Presse zu der sechsten, oder wenn wir wollen, zu der ersten Grossmacht herangebildet, sie hat der öffentlichen Meinung, verkörpert in dem Journalismus, eine Macht verliehen, vor der sich selbst die Mächtigsten der Erde beugen, sie trägt die Bildung bis in die Hütte und macht es dem Ärmsten möglich, an den geistigen Genüssen, welche gottbegabte Männer uns bereiteten, teilzunehmen, sie hat, wie die Grabschrift des Erfinders sagt, „der Presse Flügel verliehen, ohne welche sie ihr zehnfaches Tagewerk nicht genügend würde erfüllen können."

XI. KAP. DIE TYPOGRAPHISCHEN MASCHINEN IN DEUTSCHLAND. 307

Der Vater Königs war ein schlichter Ackerbauer, die Mutter eine vortreffliche Frau, die für einen guten Unterricht des Sohnes Königs jugend- Sorge trug. Zu Johanni 1790 kam Friedrich in die Buchdrucker- lehre bei J. G. J. Breitkopf und wurde Michaeli 1794 losgesprochen. Jede freie Stunde verwendet er auf seine Ausbildung, hörte später Vorlesungen und beschäftigte sich wahrscheinlich schon frühzeitig mit Plänen zur Verbesserung der Holzpresse und mit dem Gedanken, Stempel in Platten einzudrücken, um in letztere Stereotypplatten zu giessen. In betreff der Konstruktion einer Tiegeldruck-Schnellpresse war er schon im Jahre 1805 mit sich ins Reine gekommen, denn in diesem Jahre wendete er sich von Wien aus an den Kaiser von Russland und bietet ihm die Erfindung an. Die Pläne wurden nach St. Petersburg gesandt; er selbst folgte am 12. Mai 1806. Anfänglich gestalteten sich die Aussichten vortrefflich und König schrieb an seine Mutter, mit der er auch später sich schriftlich in kindlicher Liebe unterhält, Berichte voll der schönsten Hoffnungen. Bald sollten jedoch diese vernichtet werden und noch in dem erwähnten Jahre ist König in London, um dort seine Pläne durchzusetzen.

Wie dies geschah ist bereits erzählt (S. 53). König kehrte Ende August 18 17 nach Deutschland zurück, wo es ihm gelungen war, König & Bauer das reizend gelegene frühere Benediktiner -Kloster Oeerzell, eine halbe Meile von Würzburg, zu erwerben. Erst später, im Mai 18 18, kam der treue Freund Bauer nach Oberzell. Dieser, 1783 in Stuttgart geboren, war ein sehr tüchtiger Mechaniker und hatte durch sieben Jahre treu alle Arbeiten und Sorgen mit König geteilt, ohne dass ein festes Geschäfts-Verhältnis zwischen beiden stattgefunden hatte. Erst wenige Tage vor Königs Abreise von London wurde, am 9. August 1 8 1 7, der erste Vertrag zwischen beiden abgeschlossen. Nach demselben sollte König als Erfinder und als Ersatz für seine bisherigen Opfer zwei Anteile am Gewinn haben, während ein Anteil

1 Tu. Goebee, Friedrich König und die Erfindung der Schnellpresse. Eraunschweig 1875. Eine von demselben vcrfassle umfangreiche Geschichte der Erfindung, zugleich der Firma König & Bauer, war bei dem Salz dieser Bogen und bei dem bereits erfolgten Druck der Bogen 4 und 5 noch nicht ausgegeben, konnte demnach nicht für die Darstellung hier benut/l werden. |. II. BÄCHMANN, „Die ersten Schnellpressen in Deutschland"; eine Reihe von Artikeln in dem Journ. f. IL 1868, Nr. 38 48, 1869, Nr. 2—17 enthält die ausführliche Geschichte des Baues von vier Schnellpressen für Spener und Decker in Berlin.

20*

308 die GERMANISCHE GRUPPE, xt. KAP.

Bauer zufallen sollte; auch würde Oberzell Königs Eigentum bleiben. Im Jahre 1821 wurde der Vertrag dahin abgeändert, dass eine gleichmässige Teilung des Gewinns stattfand.

Über Bauers Anteil an der Erfindung und an der Fortbildung König über derselben thun wir am besten , uns an Königs eigene Worte zu halten, welche in wenigen Zeilen das Verhältnis so trefflich und schön charakterisieren: „Wenn zwei Männer gemeinschaftlich und im höchsten Vertrauen zu einander einen Zweck verfolgen, so dürfte es schwer sein, den Anteil zu bestimmen, den ein Freund gehabt hat, der bei allem zu Rate gezogen, mit dem jede Angelegenheit des Geschäfts überlegt worden ist und wir haben uns selbst nie Rechenschaft darüber abgelegt oder abgefordert".

Man hatte nun nicht nur ein Dach über dem Kopfe, sondern war, was Lokalität anbetrifft, eingerichtet, wie es nicht besser sein konnte, aber es galt jetzt, alles aus nichts zu schaffen, nicht nur Werkzeug und Hülfsmaschinen, sondern auch Arbeiter, denn die Verhältnisse lagen nicht wie in England ; aus rohen Bauern waren erst tüchtige Gehülfen auszubilden.

Dann mussten Bestellungen herbeigeführt werden. Cotta, an Erste Bestellung, den man sich zuerst wandte, konnte „Staatsgeschäfte halber" vorläufig sich nichf mit dem Maschinenwesen befassen. Dagegen fanden Königs Vorstellungen offene Ohren bei Georg Jacob Decker in Berlin und dessen Schwager K. Spener. Bereits während Königs Aufenthalt in England waren nähere Unterhandlungen mit Decker angeknüpft, die jedoch durch Königs Absicht, England zu ver- lassen, unterbrochen wurden. Am 15. Oktober 18 17 kam es mit den Genannten zu dem Abschluss eines Kontraktes über die Lieferung von zwei Schnellpressen, die innerhalb zwei und einem halben Jahre fertig zu stellen waren. Die Abnehmer sollten 7000 Thaler zahlen, ausserdem alle Spesen tragen und, anstatt der von König anfänglich geforderten jährlichen Abgabe, ein für allemal ein Prämium von 10 000 Thalern gewähren. Man sieht aus dem obigen, dass es den Bestellern nicht an Opferfreudigkeit und Zu- trauen zu den Ideen Königs fehlte.

Die Ausführung gestaltete sich für beide Teile zu einer langen Leidensgeschichte. Nicht nurdie obenerwähnten Schwierigkeiten der Arbeiterverhältnisse, sondern auch der Mangel an Fonds machten

XL KAP. DIE TYPOGRAPHISCHEN MASCHINEN IN DEUTSCHLAND. 3O9

sich in quälender Weise für König & Bauer geltend. Zwar erhielten sie Schwierigkeiten ein zinsfreies Darlehen von 20 000 ft, jedoch zunächst um eine Papier- fabrik in Gang zu bringen. Die ersten 10 000 fl. waren bereits absor- biert, ohne dass die Arbeiten, an welche die Auszahlung der zweiten ioooofl. geknüpft waren, ihr Ende erreicht hatten. John Walter, für welchen König noch Arbeiten auszuführen hatte, ward unwillig, weil er sich unmöglich die Jämmerlichkeit der deutschen Arbeiterverhält- nisse vorstellen konnte. Das langsame Vorwärtsschreiten machte Decker und Spener ärgerlich, trotzdem unterliessen sie nicht, der Fabrik allen möglichen Vorschub zu leisten. Erst im Juli 1822 konnte der erste Probedruck in Oberzell gemacht werden. Am 15. November 1822, also erst fünf Jahre nach der Bestellung, waren die durch Nachbestellung auf vier vermehrten Maschinen zum Versandt fertig. Im Januar 1823 befanden sie sich zwar im Gange und das erste Produkt war die Nr. 1 1 der Spenerschen Zeitung vom 25. Januar 1823; es dauerte jedoch fast ein Jahr, bevor die Leistungen zufriedenstellend ausfielen. Mit allen dazu gehörigen Einrichtungen kamen die Kosten für die Besteller auf etwa 30000 Thaler zu stehen, dazu im Jahre 1827 noch 5 500 Thaler für Umbau.

Es war eine schwere und aufreibende Zeit gewesen. Mit der Papierfabrik wollte es nicht vorwärts. Im Herbst 1823 musste König vielfache riäne. selbst nach London gehen , um von den neuesten Erfindungen und Verbesserungen der Papierfabrikation Kenntnis zu nehmen. Die Geldsorgen endigten vorläufig durch den Beitritt Cottas zu diesem Geschäft; 1831 übernahmen jedoch König & Bauer dessen Anteil wieder. Obwohl das Unternehmen somit schliesslich festen Boden gewann, so war die Zersplitterung der Kräfte doch kaum als ein Glück für das Schnellpressen -Etablissement zu betrachten, dessen rasche Förderung noch nicht gelingen wollte, sie gewährte aber eine fort- währende Beschäftigung für Königs regen Geist. Er brachte an den Times - Maschinen Verbesserungen an, beschäftigte sich mit dem redanken einer Roiuidabout-YxQ?&Q mit zehn Druckcylindern, welche stündlich 5000 Exemplare liefern sollte, und mit dem bereits erwähnten Verfahren, geschlagene Matern herzustellen. Selbst die Setzmaschine spielte eine Rolle in seinen damaligen Plänen.

Am 12. Juli 1824 erhielt Cotta eine Schnellpresse für die Allgemeine Zeitung in Augsburg. König selbst leitete die Auf-

3IO DIE GERMANISCHE GRUPPE. XI. KAP.

Verbreitung der Stellung im Verein mit seinem Neffen Fritz Reichenbach, der bei

Schnellpresse.

Decker gelernt hatte und den König von Berlin mitgenommen hatte, um ihn als Maschinenbauer auszubilden; ein zweiter Neffe, Friedrich Heibig, zeichnete sich später in Wien aus.

Um die Anbringung der Maschinen zu erleichtern, wollte König solche auf eigenes Risiko bauen und sie auf Gewinn -Anteil ausleihen. König litt jedoch unter demselben Mangel an Betriebs- kapital, der die Buchdrucker selbst drückte, und der Plan Hess sich nicht durchführen. Er musste nun darauf bedacht sein, kleinere und billigere Maschinen zu bauen, die sich durch Menschen- hände bewegen Hessen und von denen er gleichzeitig mehrere Exemplare bauen könnte, wodurch die Herstellung wesentlich billiger zu stehen kommen würde. Der Erfolg bewies, dass die Rechnung eine richtige gewesen. 1826 wurden elf Maschinen fertig- gestellt, darunter die ersten für Stuttgart (J. B. Metzler) und Leipzig (F. A. Brockhaus). Schon Fr. Arn. Brockhaus hatte an Anschaffung einer Schnellpresse gedacht, schreibt jedoch 18 19 an König, dass ihm der Mut fehle (Kap. XIl). Nach Paris wurde die erste Maschine an A. Guyot & Scribe, die zweite an E. Pochard geliefert; für Enchedev& Sohn in Harlem waren bereits zwei solche abgesandt. 1 Somit schien alles im besten Gange zu sein, da kam die Julirevo- Rückgang und lution. Die Drucker zerschlugen die Schnellpressen, die Bestellungen Erfolge. sowohl aus Frankreich wie aus Deutschland blieben aus; niemand hatte Lust, Kapitalien in Maschinen, welche der Zerstörung aus- gesetzt waren, anzulegen, und als Ruhe und Vertrauen wieder- kehrten, konnte Frankreich seinen Bedarf selbst decken. Die Fabrik in Oberzell, die über hundert Arbeiter beschäftigt hatte, behalf sich jetzt mit vierzehn. Die Teilhaber verloren jedoch den Mut nicht und machten alle Anstrengungen, um die Buchdrucker für die Maschinen zu interessieren. In einem diesbezüglichen Zirkular finden sich merkwürdige Äusserungen. Die Firma erklärt, vierfache Maschinen bauen zu können, die wenigstens 4000 Exemplare in der Stunde liefern, glaubt jedoch, „dass es nirgends Verhältnisse giebt, in welchen eine so grosse Geschwindigkeit besondere Vorteile gewähren würde", und fährt dann fort: „Wir halten noch andere seltsamere Kombinationen mit endlosem Papier - nicht nur für möglich, sondern auch für leicht ausführbar. Allein, obgleich man

XE. KAP. DIE TYPOGRAPHISCHEN MASCHINEN IN DEUTSCHLAND. 3 1 1

damit ein ungeheures Resultat erhalten würde, so treten doch, nach unserer Meinung, so viel praktische Hindernisse, die in der Beschränktheit des Bedarfs und den bestehenden Formen und Gewohnheiten ihren Grund haben, ein, dass wir uns nie zu einem Versuche entschliessen könnten, wiewohl wir dazu alle Mittel zur Hand haben. Zum wohlfeilen und schnellen Druck ist genug geschehen, zum besseren Druck bleibt noch viel zu thun übrig".

Im Jahre 1825 heiratete der 50jährige König eine 18jährige junge Dame aus Suhl. Sie schenkte König drei Kinder, zwei Söhne Königs verhei- und eine Tochter. König fühlte sich sehr glücklich, sollte jedoch leider nicht lange sein Glück geniessen. Die Entbehrungen in den jüngeren Jahren, die fortwährenden Anstrengungen und aufreibenden Sorgen hatten seine Gesundheit untergraben. Er starb nach einem Schlaganfall am 17. Januar 1833. Seine treue Gefährtin lebte bis zum 1. April 1882. Sein Freund Bauer überlebte ihn fast 30 Jahre und ruht seit 1860 an seiner Seite. Die Söhne Wilhelm (geb. am Königs Nach- 9. Dezember 1826) und Friedrich (geb. am 29. Januar 1829) über- nahmen das Geschäft. König und Bauer, aus einem ganz ver- schiedenen Stoff gebildet, ergänzten sich vortrefflich. Der erste hochstrebend, weitblickend, rasch schaffend; Bauer bedächtig überlegend, minutiös im Arbeiten und genau rechnend. Nur ein- mal in dem schweren Jahre 1824 trat eine vorübergehende Miss- stimmung zwischen Beiden ein, die sich jedoch schnell ausglich.

Bei Königs Tod waren im ganzen etwa 60 Schnellpressen aus- geführt. Es ging aber nun so rasch vorwärts, dass im Jahre 1865 Wachstum des

ö ö ö ' . Etablissements.

die tausendste, am 6. September 1873 die zweitausendste Maschine fertiggestellt wurde, bei welcher Gelegenheit die beiden Brüder den Orden des heiligen Michael erhielten und damit in den Adelstand erhoben wurden. Für das. erste 1000 waren 50 Jahre nötig gewesen, während das zweite 1000 nur acht Jahre brauchte. Von den 2000 Maschinen blieben 1243 in Deutschland. Leipzig erhielt davon 265, Stuttgart 117; 392 gingen nach Russland (208 nach St. Peters- burg). Die stärksten Abnehmer waren Brockhaus und Teubner in Leipzig, die Staatsdruckerei in St. Petersburg mit je t,^ Stück, Cotta mit 32 l. Das dritte Tausend wurde 1882 voll.

1 König & Baukk, Verzeichnis der ersten 2000 Schnellpressen. 1S73.

312 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XI. KAP.

Die Schnellpressen König & Bauers zeichneten sich stets durch Verbreitung der die grosse Akkuratesse der Arbeit und durch Solidität aus. Die mit

Königschen

Schnellpressen. Kreisbewegung und Cylinderfärbung versehenen Maschinen erwarben in Deutschland wegen ihres ruhigen Ganges und der Vorzüglichkeit des Farbe werkes ihre Beliebtheit, obwohl sie schwerer zu bewegen und teurer sind, als die mit Eisenbahnbewegung und Tischfärbung. Welches Ansehen die Schnellpressen König & Bauers genossen, beweisen z. B. Bestellungen von 24 Stück auf einmal, darunter acht Zweifarbe - Maschinen, zum Banknotendruck nach Rom und von 20 Stück für die Bank von Frankreich. Die Banknoten- druckerei von St. Petersburg beschäftigt vorzugsweise König & Bauerschen Tiegeldruckmaschinen, welche für die feinsten Arbeiten allen anderen vorgezogen werden , obgleich sie einen sehr grossen Raum einnehmen, langsam arbeiten und sehr teuer sind. Eine Eigentümlichkeit der Tiegeldruckmaschine sind die zwei Fundamente, von welchen man nach Belieben beide oder nur eins von beiden benutzen kann. Die Färbung, eine Kombination von Cylinder- und Tischfärbung, ist eine höchst vollkommene.

Vorzüglich sind ebenfalls die Zweifarbe - Maschinen König &

Die Zweifarben- Bauers. Wenn sie auch nicht dieselben in die Praxis zuerst einführten,

maschine. "*

so gebührt ihnen der Ruhm, sie zuerst zur Vollkommenheit gebracht zu haben. Diese Maschinen müssen als eine besonders wertvolle Bereicherung des Materials der modernen Typographie betrachtet werden und fanden rasch eine grosse Verbreitung. Durch sie hat die ebenfalls neue Erfindung der Hochätzung erst ihren vollen Wert erhalten, indem es durch sie möglich geworden ist, farbige Land- karten zu einem solchen Preis zu liefern, dass sie überall Eingang finden können. Auch für die Accidenzarbeiten ist der Nutzen ein hervorragender und die harte Not des richtigen Registers beim Doppeldruck hat nun in manchen Fällen aufgehört.

In neuester Zeit bauten König & Bauer nach dem ursprüng- lichen Patent von A. H. Payne in Leipzig eine Dreifarben-Maschine, welche jedoch nach der Erwerbung seitens der Fabrik in Oberzell umkonstruiert worden ist. Die gebogenen Galvanos werden auf einem grossen Cylinder angebracht, der den dreimaligen Umfang eines der Druckcylinder hat. Die Maschine liefert in der Stunde sieben bis achthundert Drucke in drei Farben, lässt sich

XL KAP. DIE TYPOGRAPHISCHEN MASCHINEN IN DEUTSCHLAND. 313

auch für eine grössere Anzahl von Farben bauen und wurde bereits für fünf nach Frankreich angefertigt1.

Als die „Endlosen" aufkamen, verhielten König & Bauer sich eine ziemlich lange Zeit abwartend und Hessen der Fabrik Augs- Königs Endlose, bürg" den Vorsprung. Erst als sie, ohne ihre Anstalt wesentlich zu schädigen, nicht zurückbleiben konnten, gingen sie ans Werk, dann aber auch mit der hergebrachten Energie. Sie hielten sich zunächst an die Konstruktion der l Ictory-Press, deren Cylinder alle in der Ebene liegen. Ihre derartigen Maschinen für die Kölnische Zeitung wurden nach den Angaben des Obermaschinenmeisters E. Bragard hergestellt2.

Nach der Anstalt von König & Bauer hat die Maschinenfabrik Augsburg die grösste Ausdehnung für den Schnellpressenbau in Maschinenfabrik Deutschland gewonnen. Sie wurde von dem erwähnten Neffen Fr. Königs, Fritz Reichenbach, gegründet und ging dann später Fr. Reichenbach in die Hände einer Aktiengesellschaft über. Die Anstalt baute namentlich Maschinen mit Eisenbahnbewegung; grosse Verbreitung fanden ihre Zweifarben-Maschinen; sie war auch die erste, welche in Deutschland die Rotationsmaschine für endloses Papier baute und nahm sich namentlich die Walter- Presse als Vorbild. Das erste Exemplar wurde in der Spaarmannschen Offizin in Oberhausen aufgestellt. Bis 1880 hatte die Augsburger Fabrik 65 Rotations- maschinen in 38 Formaten und nach 21 verschiedenen Konstruk- tionen gebaut, von denen 46 im eigentlichen Deutschland, 14 in Österreich-Ungarn blieben, eine nach Batavia ging. Ihr gelang es auch (1S79) zuerst in zufriedenstellender Weise diese Maschinen für den Illustrationsdruck herzustellen. Auf dreien derselben, welche je 4000 Exemplare stündlich liefern , werden die Hallbergerschen illustrierten Blätter mit bestem technischen Erfolg gedruckt. Die Rotationsmaschine hat im allgemeinen in Deutschland eine viel schwierigere Aufgabe als in England. Teils ist das deutsche Papier für gewöhnlich geringer und schwächer, als das englische, reisst daher leichter und legt sich schwerer aus, dann aber vertragen die abwechselnden Schriften, namentlich die vielen Auszeichnungs- schriften untermischt mit Illustrationen , welche die Inseratenseiten deutscher Blätter füllen, viel weniger den Mangel an Zurichtung als

1 Journ. f. 13. l88l, Nr. 32. 2 Journ. f. D. 1880. Nr. 17.

314 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XI. KAP.

die englischen und amerikanischen Zeitungen mit ihren kompakten, den Kegel fast füllenden Antiquaschriften.

Bereits im Jahre 1859 war mit „Endlosen" in Wien durch Auer Die Endlose in experimentiert worden, doch können diese Versuche nicht als

Wien.

gelungen bezeichnet werden (vgl. Kap. XV). Nach Wien kamen die ersten zwei englischen Walterschen Rotationsmaschinen, durch Ludw. Lott, deri Direktor der Druckerei der „Presse", eingeführt, zunächst um den Ausstellungskatalog 1873 zu drucken. Ebenfalls zur Aus- stellung Hess die Druckerei der ;; Neuen Freien Presse" eine ihrer grossen Marinoni - Maschinen nach des Direktors Reisser Angaben zu einer Endlosen umarbeiten, die in dem Pavillon der „Neuen Freien Presse" in dem Prater die Ausstellungszeitung druckte und täglich, wenn das grosse Geräusch den Anfang der Arbeit verriet, eine grosse Masse Wissbegieriger sammelte, um von ihrem Wirken Zeugen zu sein. Die Presse konnte nicht mit den englischen Maschinen hin- sichtlich der Leistungsfähigkeit konkurrieren. Überhaupt hat Wien mit dem Bau der „Endlosen" bis jetzt kein grosses Glück gehabt. Auch C. Hummel in Berlin baute „Endlose" und will das Patent Andere Rota- von G. A. Hörn auf eine Doppelrotationsmaschine mit zwei von

tionsmaschinen. . ,,... r-, , tii

einander ganz unabhängigen Systemen ausbeuten1. Jeder der Schriftcy linder wird von seinem Papierzubringer gespeist und ist mit zwei Farbewerken versehen. Stellt man eins der Drucksysteme ab und arbeitet nur mit dem andern , so wird dies von vier Farbe- werken bedient, und eignet sich dann um so besser für die Lieferung feinerer Arbeiten. Die Bogen werden nach beiden Seiten der Maschine ausgeführt. Es muss sich ergeben, ob die Praxis hier mit der Theorie Hand in Hand gehen wird. Die bekanntesten Maschinen Hummels waren die nach den Angaben des Obermaschinenmeisters Eugen Bragard für den Druck der Kölnischen. Zeitung mit Vor- und Rück- wärtsbewegung gebauten, die stündlich 6000 Exemplare druckten. Von anderen Maschinenbauanstalten sind zu nennen: G. Sigl verschiedene in Berlin, der schon 1865 etwa 1000 Schnellpressen geliefert hatte; j.Fotst Aichele & Bachmann in Berlin. Die Firma Klein, Forst & Bohn 14. 1 c r. 1879. .^ j0|iannisi-)erg a r]^ begründet 1 846 von Johannes Forst und Joh. Klein, hatte am 30. Januar 1875 die 1000. Maschine vollendet. Sie liefert auch Schnellpressen mit dem von E. C. Brunn in Münster * Abgebildet und beschrieben im Journ. f. B. 1879, Nr. 36.

XI. KAP. DIE TYPOGRAPHISCHEN MASCHINEN IN DEUTSCHLAND.

315

konstruierten Querlinien-Druckapparat. Albert & Hamm in Franken- thal hatten 1879 300 Maschinen in die Welt gesandt. In Würzburg arbeitet die Firma Bohn, Fassbender & Herber, in Worms die Maschinenfabrik Worms. In Leipzig sind die bekanntesten Firmen Ph. Swiderski, dessen kleine Maschine „Lipsia" vielen Beifall findet; Schmiers, Werner & Stein, die viele grosse Maschinen bauen. Tretmaschinen fabrizieren A. Hogenforst und Schelter & Giesecke. Eine Fünffarben - Rotationsmaschine konstruierte A. H. Schumann in Leipzig, welche in zehn Stunden 8000 fertige Bogen, also 40000 Druck, liefern soll. Zurichtung ist nur unter den Platten möglich1.

In Osterreich waren Helbig & Müller die ersten Schnellpressen- fabrikanten. Fr. Helbig, ein Sohn aus erster Ehe der Schwester Fr. Königs, Marie Rosine, mit einem Bergmann Helbig in Eisleben, hatte bei König gelernt. Leo Müller war in Rieglern in dem Vorarlbergschen Walserthale geboren. Sein Vater war dort Bauer und der Sohn genoss nur den dürftigen Unterricht der Dorfschule. Seine Lust an Mechanik trieb ihn, 18 Jahre alt, das Handwerk eines

Fr. Helbig 1800, f 1842.

Leo Müller 1800, f 1843.

König & Bauer und wurde bald Leiter der Modellabteilung. Sein Wunsch, Teilhaber der Anstalt zu werden, konnte nicht erfüllt werden, weshalb er nun nach Österreich zurückging und seinen ersten Versuch im Schnellpressenbau in Imbach im Innthale für Rechnung von Rauch & Wagner in Innsbruck machte. Er führte viele Verbesserungen bei der Schnellpresse ein, zu denen namentlich der Doppel-Excenter behufs Erzielung des Stillstandes des Druck- cylinders beim Rückgange der Form gehört, der Cylinder wurde freier gelegt, die Bänder beseitigt und durch Greifer ersetzt, auch verwendete er zuerst die Eisenbahnbewegung. Gerade eine Differenz mit Helbig in Patentangelegenheiten gab Veranlassung zu einer Verbindung beider (um 1836). Sie bauten nun sowohl einfache wie doppelte Maschinen und auch solche für zwei Farben; die Idee der letzteren war jedoch keine neue und König & Bauer hatten sich schon 1826 Erhard in Stuttgart gegenüber erboten, solche anzu- fertigen, was wegen der Kosten jedoch unterblieb 2.

Journ. f. 13. 1879, Nr. 8. 2 Österr. Buchdr.-Ztg. 1880.

316 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XI. KAP.

Als tüchtige Maschinenbauer sind Sigl, Ludw. Kaiser und Andere Fabri- J. Anger bekannt. Als Fabrikant von kleinen typographischen reich. Maschinen hat G. Bernhardt Ruf und er baute bereits mehrere hundert solcher, deren System sehr gelobt wird. Auch die Tret- maschinen von O. O. Fuchs und Jeanrenaud & Co. finden Beifall. Die Lithographie hat durch die Erfindung der lithographischen Lithographische Schnellpresse eine enorme Ausdehnung erreicht und der Buch-

Schnellpressen.

druckerei ein bedeutendes Feld abgewonnen. Es gab dabei manche Schwierigkeit mehr als bei der typographischen Schnellpresse zu über- winden. Die lithographischen Steine haben nicht, wie die Schrift, eine gleiche Höhe, die Maschinen mussten deshalb jedesmal nach der Stärke des Steines eingerichtet werden. Der Druck musste ein sehr kräftiger, zugleich ein sehr elastischer sein, wenn der Stein nicht springen sollte. Neu hinzuzufügen war der Anfeuchteapparat, durch welchen der Stein bei dem jedesmaligen Druck abgewischt und angefeuchtet wurde. Massenwalzen konnten nicht verwendet werden, man musste deshalb Walzen von feinem Leder benutzen, bis es in England gelang brauchbare Kompositionswalzen herzustellen. Die erste lithographische Schnellpresse wurde im Jahre 1850 in der Maschinenfabrik von G. Sigl in Wien durch Hoppes für H. Engels Institut gebaut1. 1855 erschien die lithographische Schnellpresse auf der Pariser Weltausstellung. In Frankreich begann Marinoni 1 864 den Bau und führte wesentliche Verbesserungen ein. Die Pariser Ausstellung von 1867 brachte eine Menge von Varianten durch Marinoni, Dupuy, Moulde&Vibart, Voirin, Alauzet u. a. In Deutsch- land bauen sie namentlich G. Sigl in Wien und Berlin ; König & Bauer ; Swiderski; Schmiers, Werner & Stein; Klein, Forst & Bohn.

Für den zinkographischen Druck hat Ferdinand Schlotke in

Ferd. schlotke. Hamburg eine Maschine erfunden, durch welche mittels zweier je

zmkdruckpresse. um ejne stahlwalze gelegter Platten der Bogen auf zwei Seiten

gleichzeitig bedruckt wird, und zwar mit der Schnelligkeit von 1000

Exemplaren in der Stunde 2.

Die eiserne Handpresse wurde in Deutschland vielfach nach»

Verbesserungen gebaut und auch verbessert. Die Stanhopepresse lieferte namentlich

Chr. Dingler in Zweibrücken. Die Columbiapresse wurde von

Fr. Vieweg eingeführt und im Jahre 1825 in dem Hüttenwerk Zorge

1 österr. Buchdr.-Ztg. 1880, Nr. 2. 2 Journ. f. B. 1882. Nr. 32.

XI. KAP. DIE TYPOGRAPHISCHEN MASCHINEN IN DEUTSCHLAND. 3 \J

am Harz gebaut. Ein Nachteil bei diesen Pressen war das öftere Springen der Seitenwände. C. Hoffmann in Leipzig baute die Coggersche Presse nach, und seine Konstruktion wurde von Vielen der der Originalpressen vorgezogen, weil das Heben des Tiegels durch Kugelgewichte auf langen Hebeln und nicht durch Federn geschah. Die Presse von Koch in Magdeburg fand, weil sehr billig und leicht, vielen Beifall; auch war sie insofern sehr zweckmässig, als sie über den Tiegel hinaus keinen Oberbau hatte, so dass die Form voll belichtet war. Sehr verbreitet waren die Hagar-Pressen, die in vorzüglicher Qualität von Chr. Dingler in Zweibrücken fabri- ziert wurden. Dingler verstärkte noch die Kraft und die Sicherheit der Original-Konstruktion, indem er statt Hagars einfachen Knie- hebels vier schrägstehende Knieteile verwendete, die, wenn der Tiegel sich in der Höhe befindet, die Form eines Andreaskreuzes bilden, während sie, wenn er angezogen ist, zu zwei und zwei senkrecht aufeinander, wie Säulen, stehen1. Die Pressen sind jetzt fast die einzigen im Gebrauch befindlichen, wenn man eine Anzahl unver- wüstlicher Stanhopepressen nicht rechnet, die noch das Gnadenbrot als Korrekturpressen gemessen2.

Mit einer Farbeauftrag- Maschine hatten schon B. Strauss in Wien, Hermsdorf in Mannheim und Schuhmacher in Hamburg Farbeauft™.?- experimentiert. Georgi in Bonn, im Verein mit dem Faktor der Brönnerschen Offizin in Frankfurt a. M., R. Gerhard, führte eine solche in brauchbarer Weise aus. Eine kombinierte Buch -, Stein- und Kupferdruckpresse baute Georg Jontzen in Bremen. Ein Mittelding zwischen Schnell- und Handpresse war die von Selligue. Tiegel und Fundament stehen fest, nur das Rähmchen mit dem Papierbogen ist beweglich. Während ein Drucker von der einen Seite den Bogen einlegt, hebt ihn ein zweiter von der andern Seite ab. Für Brockhaus in Leipzig baute der Schlosser Kallmeyer in Osterode einen ähnlichen Apparat.

Von kleineren Maschinen sind zu erwähnen die Falzmaschinen von Sulzberger & Graf in Frauenfeld in der Schweiz, später von Diverse König: & Bauer, Isermanns Hobelmaschine, Brock haus' Ziffcrn-

i Journ. f. I!. i 866, Nr. 21 u. 22.

2 Fast alle hier erwähnten Handpressen sind in denn Journ. f. B. 1834 36 abgebildet und beschrieben. Näheres vergl. S. 51 53.

3 I 8 DTE GERMANISCHE GRUPPE. XI. KAP.

druckmaschine und Farbereibmaschine, H. Zimmermanns und F. G. Wagners und B. Auerbachs Numeriermaschine, A. Fomms und Karl Krauses Schneidemaschinen, Brendler & Harlers Perforier- maschine, Hansens mechanischer Ausleger u. v. a. J. F. Klein in München liefert eine Kontrolle-Bill etmaschine, die von endlosen Streifen 150 Stück in der Minute druckt und numeriert. Eisenbahn- billetmaschinen lieferten ferner Karig in Wien und G. Göbel in Darmstadt. Solche Maschinen schneiden das Papier, drucken den Text, die laufende Nummer, zählen die Exemplare und drucken schliesslich das Datum darauf. Albert & Co. in Frankenthal bauten Signiermaschinen, A. Fichtner in Wien Bronciermaschinen, A. Meyer & Schleicher Graphiteinreibungsmaschinen, B. Dondorf in Frankfurt a. M. , Fr. Heim Sz Co. in Offenbach und noch viele andere stellten Liniiermaschinen etc. her.

Die Satiniermaschine mit zwei Stahlwalzen, zwischen Die Satinier- welche Zinkplatten mit je einem zwischen zwei Platten gelegten Bogen unter starkem Druck gezogen wurden, hielt sich trotz aller Inkonvenienzen lange. Erst in letzterer Zeit wurde sie durch Satinierwerke mit zwei Hartgusswalzen und zwei äusserst harten und sehr glatt gedrehten Papiermassewalzen, welche durch den stärksten" hydraulischen Druck eine völlig harte Masse geworden, abgelöst. Das Papier geht einen S-förmigen Weg und kommt somit von beiden Seiten mit den Stahlwalzen in Berührung. Schaber und Wischer halten die Walzen rein und stählerne Abstreifer verhindern das Ankleben des Bogens an die Walzen. Zuerst wurden sie nur mit einer Stahl- und einer Papierwalze gebaut, da jedoch die Seite des Papiers, welche mit der Papierwalze in Berührung kam, weniger glatt wurde, so musste das Papier zweimal umschlagen und nochmals eingelegt werden; was nun durch das doppelte Walzenpaar unnötig geworden ist.

Obwohl die Papierwalzen ausserordentlich hart sind , so hinter- lassen doch die kleinen Knoten und Unreinheiten des Papiers nach und nach Eindrücke, die von Zeit zu Zeit durch Leerlaufenlassen der Massenwalze an die Stahlwalze oder durch Abdrehen beseitigt werden müssen. Diese Satinierwerke werden namentlich von W. F. Heim & Co. in Offenbach1 und C. G. Haubold in Chemnitz gebaut;

1 Journ. f. B. 1877, Nr. 13.

XI. KAP. DIE TYPOGRAPHISCHEN MASCHINEN IN DEUTSCHLAND. 319

Karl Krause in Leipzig liefert sie auch mit sechs Cylindern, zwei von Stahl und vier von Papier. Auch F. Schlotke machte sich durch Anfertigung von Satiniermaschinen bekannt. W. Schroeder & Co. in Leipzig fertigen Satinierwerke, bei welchen die Massenwalzen mit einem Stahlblech umzogen werden, wodurch die vollkommene Glattheit der Stahlwalze sich mit der Elastizität der Massenwalze verbindet1. Die Werke von W. R. Schürmann in Düsseldorf haben zwei Hartgusswalzen, die nicht ganz cylindrisch geschliffen sind, damit der ausgeübte Druck sich ganz gleichmässig verteilt2.

Für das heisse Satinieren nach dem Drucke lieferten C. G. Haubold jun. in Chemnitz und W. F. Heim in Offenbach Werke, die mit günstigem Erfolg iooo 1600 Exemplare in der Stunde satinieren und nur zwei Personen zur Bedienung gebrauchen 3.

Unter den Utensilienfabrikanten nehmen Schelter &: Giesecke, A. Hogenforst und Alex. Waldow in Leipzig einen bedeutenden Platz ein. Klimsch &: Co. in Frankfurt a. M. haben durch ihr „Adressbuch für Buch- und Steindruckereien" und durch ihren „Allgemeinen Anzeiger für Druckereien" Verdienste um die Erleichterung des Verkehrs und berücksichtigen mit ihrem Utensilien- Geschäft namentlich Steindruckereien, ebenso G. E. Baumann in. Berlin; Gursch & Klemm in Berlin liefern Giesserei -Werkzeuge. In Stuttgart wirken Stöffler & Backe.

Nachdem die Buchdruckereien aufgehört hatten, selbst ihre Die Farbe-

t fabrikation.

Farbe zu bereiten, und grössere Anforderungen an den Druck gestellt wurden , war Deutschland, was die feinere , namentlich die Illustrationsfarbe betraf, dem Ausland, vorzüglich England, tribut- pflichtig geworden, und noch bis in die vierziger Jahre hinein waren Parson, Lawson u. a. die Hauptlieferanten für den deutschen Markt. Um diese Zeit fingen jedoch namentlich Jul. Hostmann in Celle und Gebr. Jänecke & Frif.dr. Schneemann in Hannover an, ihre Fabri- kation durch rationellen Betrieb in die Höhe zu bringen. Kostete es anfänglich auch grosse Mühe, durchzudringen, so kam es doch so weit, dass der deutsche Fabrikant nicht allein auf dem deutschen Markte siegreich blieb, sondern auch im Auslande sich geltend

1 Journ. f. B. 1SS1, Nr. 3. 2 Journ. f. I!. 1SS1, Nr. 45. 3 Journ. f. B. 1879, Nr. 19.

320 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XI. KAP.

machte. Nicht ohne grosse Bedeutung ist es, dass auf der Welt- ausstellung in Melbourne die letztgenannte deutsche Fabrik die goldene Medaille erhielt, während der berühmten Firma A. B. Fleming & Co. in Leith (s. 72) nur der dritte Preis zufiel.

Von älteren und jüngeren Fabriken sind zu nennen : Fischer, Naumann & Co. in Ilmenau, J. Brönner in Frankfurt a. M., Käst & Ehinger in Feuerbach bei Stuttgart, Robert Gysae in Oberlössnitz bei Dresden, J. E. Breidt in Hammerling in Nieder- Osterreich, Friedr. Wüste in Pfaffenstetten, Frey & Sening in Leipzig. Letztere Teigfarben, brachten auch die sogenannten Teigfarben in Aufnahme, die sich jahrelang geschmeidig erhalten und vor der Verwendung nur eines leichten Anreibens unter Zusatz der nötigen Quantität von Firnis bedürfen ; es ist dies eine sehr beachtenswerte Neuerung für Buch- druckereien, die nicht regelmässig mit bunten Farben arbeiten.

Nicht unwichtig war die Einführung der Kopierfarbe, denn diese

Die Kopierfarbe, macht es möglich, die mit solcher Farbe vorgedruckten Blanketts

zusammen mit dem mittels^ Kopiertinte Hineingeschriebenen später

zu kopieren, was besonders in dem ganzen Frachtverkehr von

grossem Werte ist.

Versuche, Farbe aus billigeren Stoffen, z. B. aus dem Satura- Surrogate. tionsschlamm der Zuckerfabriken, aus den tanninschwarzhaltigen Lederabfällen zu bereiten, sowie, eine abwischbare Farbe her- zustellen, so dass Makulatur wieder in weisses Papier umzuändern wäre, haben alle für die Praxis keinen Wert gehabt. Mit der Farbe- fabrikation ist öfters die der sogenannten englischen Walzenmasse (S. 71) verbunden.

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XII. KAPITEL.

DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE.

J. G. I. Breitkopf, seine Reformen, der Musiknotendruck vor Breitkopf und dessen Verbesserungen, Breitkopf & Hart el. G. J. Göschen. Friedr. Arnold Brockhaus und seine Nachfolger. B. G. Teubner. Karl Tauchnitz. Fr. Nies und seine Nachfolger. B. Tauchnitz. Das Jubelfest 1840. Giesecke & Devrient. Das Bibliographische Institut. Verschiedene Offizinen Leipzigs. Dresden: Meinhold & Söhne u. a. Halle : Waisenhausdruckerei, Schwetschke & Sohn. Weimar: Hofbuch druckerei. Gotha : Just. Perthes. Braunschweig: Vieweg & Sohn, G. Westermann, Dr. Heinrich Meyer und das Journal für Buchdrucker- kunst.

IEMLICH gleichzeitig mit dem Begründer der natio- nalen Grösse Deutschlands, Friedrich IL, und mit denj.G.i. Breitkopf. Bahnbrechern des nationalen Kultur- undKunstlebens : Lessing, Klopstock, Geliert, Kant, Just. Moser und Winckelmann wurde der Reformator der deutschen TypographieJoHANN Gottlob Immanuel Breitkopf am 23. November 17 19 in Leipzig geboren, welches nunmehr unter der Führung Breit- kopfs und anderer tüchtiger Gesinnungsgenossen die Stellung als Vorort der deutschen Typographie behaupten sollte1.

Breitkopf war ein Sohn des rühmlichst bekannten Bernh. Christoph Breitkopf (I, S. 149). Von Natur sehr aufgeweckt und geistig begabt, hatte er keine Neigung, dem Wunsche des Vaters gemäss, sich der Buchdruckerei zu widmen, dagegen zosr es ihn

1 K. G. Hausius, Biographie J. G. I. Breitkopfs. Breitkopf & Tlärtcl, 1883.

Leipzig 1794. Dr. O. Hask,

322 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XII. KAP.

unwiderstehlich zu den Studien hin. Der Kampf zwischen dem Vater und dem Sohne schloss mit einem Kompromiss, wozu beide, und Gutenbergs Kunst dazu, sich nur Glück wünschen konnten : Johann Immanuel sollte sich sowohl den Studien, als dem Geschäft widmen. Er legte sich nun mit grossem Eifer auf die Wissenschaften Seine Aus- und versuchte sich auch schriftstellerisch. Grossen Einfluss auf seine

bildung.

Ausbildung übte Gottsched. Erst in späterer Jugend machte sich die Lust an der Mathematik, der er später einen grossen Teil seines Ruhmes verdanken sollte, bei ihm geltend. Das Werk Albrecht Dürers ..Unterweysung der Messung mit dem Zirkel u. s. w." fiel ihm in die Hände. Die mathematische Berechnung der Schriftverhältnisse interessierte ihn, und nun war er für die Typographie gewonnen. Er ging an das Vergleichen mit den alten Drucken und fand , wie die sich immer mehr verschlechternde Form mit dem Verfall der Schönschreiberei in Verbindung stand. Mit grossem Eifer fing er an die Buchstaben mathematisch zu berechnen. Er sammelte emsig alle Musterschriften und Werke über Schriftenkunde und begann nun seine Reformen, namentlich arbeitete er unablässig für die Ver- Brekkopfunddiebesserung und Verschönerung der Frakturschrift. Die Gründe, die ihn bewogen an dieser festzuhalten und seine Anstrengungen der Regeneration derselben zu widmen, hat er später in einer Schrift: ..Über Bibliographie und Bibliophilie" (1793) entwickelt. Seiner Ansicht nach wäre die deutsche Schrift der lateinischen unbedingt vorzuziehen; sie eigne sich selbst für Transkription fremdländischer Werke, als hebräischer und arabischer, besser als die Antiqua. Nur die Verachtung, welche die Gelehrten der deutschen Schrift bewiesen, trage die Schuld, dass dieselbe nicht eben so verbessert und verschönert worden sei, wie die allgemein beliebte lateinische. Es bedürfe aber nur der Aufmunterung, um die Künstler zu ver- anlassen, unter Zugrundelegung der Schöfierschen Muster, oder der Theuerdank-Type eine Frakturschrift zu schaffen, welche der schönsten Antiquaschrift die Wage halte.

So lautete der Ausspruch Breitkopfs und erging nun auch daran, seiner Ansicht praktische Geltung durch eine verbesserte Fraktur- schrift zu verschaffen, welche zuerst in: „Einige Lieder für Lebens- freuden" angewendet wurde, während die neue Antiqua zuerst in Forbigers Ausgabe des „Catull" zum Abdruck gelangte.

XII. KAP. DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE. 323

Wäre Breitkopf der Fraktur abhold und ein eifriger Freund der Antiqua gewesen und hätte er letztere zu einer Zeit, wo man anfing sich nach schön gedruckten Büchern zu sehnen, zum Gegenstand seiner reformatorischen Pläne gemacht, so hätte möglicherweise die Frage: „Antiqua oder Fraktur" unter seiner Autorität längst eine Entscheidung im Sinne der Vertreter der Antiqua gefunden. Denn damals lag die Angelegenheit weit einfacher als heute, wo sie bei der Mehrzahl der Gegner der Antiqua weit eher eine nationale Gefühlssache als eine Frage der Zweckmässigkeit und der Schönheit geworden ist.

Einen ganz wesentlichen Anteil an dem Weltruhm Breitkopfs haben seine Verbesserungen des typographischen Musiknotendrucks. Der Musiknoten - Der Umstand, dass die Buchdruckerkunst gleich bei ihren ersten Erzeugnissen auf die Bedürfnisse der Kirche geführt wurde, musste die Gedanken auf den Notendruck richten; doch war die Technik damals nicht so weit vorgeschritten, dass man an die Überwindung der durch die Verbindung des Druckes der horizontalen Linien und der vertikalen Notenzeichen entstehenden Schwierigkeiten denken konnte. Man musste deshalb beim Drucken des Textes Raum lassen, für die nachträglich einzuschreibenden Noten. Später wurden Linien und Text rot gedruckt, die Choralnotenköpfe eingezeichnet, teilweise auch mit der Hand durch Stempel einzeln aufgedruckt oder das Ganze in Holz geschnitten. Das erste mit Holzschnitt- Choralnoten gedruckte Buch ist das bei Hans Froschauer in Augsburg erschienene Lilium Musicae plana c des Michael Kiensbeck aus dem Jahre 1473. Die ersten Proben von Figuralmusik in Holzschnitt kommen in einem Werke des Nie. Burtius vor, gedruckt von Hugo de Rugeriis in Bologna 1487.

Solche in Holz geschnittene Noten wurden noch benutzt, nachdem das Verfahren mittels beweglicher Choralnotentypen zu Noten in Holz- drucken erfunden war, z. B. in den Liederbüchern Luthers. Wann und wo der Versuch mit letzteren zuerst geschah ist nicht zu ermitteln, denn das Verfahren wurde ziemlich gleichzeitig an vielen von einander sehr entfernten Orten, z. B. um das Jahr 148.S in Basel, geübt.

Hat es nun auch Choralnotentypen vor der Erfindung des typographischen Druckes der Figuralmusik gegeben, so ist esoct.d«Petrucci. doch unzweifelhaft, dass letzterer eine Erfindung des Octaviano dei

324 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XII. KAP.

Petrucci aus Fossombrone war1. Dieser, von edlen jedoch armen Eltern geboren, kam als Buchdrucker nach Venedig. Im Jahre 1498 erhielt er seitens des Senates ein Patent auf Druck von mehrstimmiger Musik für „Gesang und Laute", dem später ein ähnliches des Papstes Leo X., datiert 1 5 13, folgte. Sein erster Notendruck war harmonice musices Odhecaton 1501. Er entwickelte eine so grosse Thätigkeit, dass er bereits in den Jahren 1 501 1 507 zwanzig verschiedene Werke gedruckt hatte. Unvermögenheit veranlasste ihn den Betrieb seiner Druckerei den thätigen Buchhändlern Amad. Scotti und Nie. da Raphael zu überlassen.

Petruccis System war auf Doppeldruck gegründet. Die Linien Peti-ucdsSystem. bestanden aus Stücken in der Grösse der Formatbreite. Die Noten wurden für sich gesetzt und auf die Linien gedruckt. Die Genauigkeit der Typen ist eine grosse und der Druck, besonders der Linien, ein vorzüglicher. In allen Ausgaben Petruccis sowie seiner Nachfolger für lange Zeit wurden die einzelnen Stimmen für sich meist neben- einander gedruckt, für den Druck von Partitur -Ausgaben war man damals technisch noch nicht weit genug fortgeschritten.

Den Druck mit Typen, in welchen jedes der Notenzeichen Andere Noten- zugleich-mit einem Stück des Liniensystems verbunden war, so dass nur ein Druck notwendig und die Schwierigkeit des Passens der Formen umgangen ward, führte Erhard Oeglin in Augsburg zum erstenmale vor in: Melopoiae sive Harmoniae tetracenticae 1507. Peter Schöffer in Mainz übte. das Verfahren 1511.

In Frankreich schnitt der Graveur und Drucker Pierre Hutin Pierre Hutiu. 1 527 die ersten derartigen Noten, mit welchen Pierre Attaignant in Paris und Tylman Susato in Antwerpen druckten". Bei allen diesen Versuchen waren die Notenköpfe noch eckig. Von diesen wurde zum erstenmale in den Werken des päpstlichen Kapellmeisters Eleazar Genet genannt Carpentras abgewichen. Als der genannte in seinen alten Tagen in Avignon' seine Kompositionen drucken lassen wollte, veranlasste er Stephan Briard aus Bar-le-duc, Typen, welche die Handschrift nachahmte, zu schneiden. Jean de Channay in

1 Fr. Ciirysandf.r, Abriss einer Geschichte des Musikdruckes vom XV. bis zum xix. Jahrhundert. In der Allg. Musik. Ztg., 1879, No. 11 u. ff. Ant. Schmid, Ottaviano dei Petrucci da Fossombrone. Wien, 1845.

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Avignon druckte damit 1532 das erste Werk Liber primus Missarum Carpentras. Die Neuerung fand jedoch keine Folge.

Venedig blieb lange Zeit das Zentrum für den Musiknotendruck und den Musikalienverlag. Die bedeutendste Firma war die der Familie Gardan o, die von 1536 ab bis tief in das XVIII. Jahrhundert blühte und die Werke Palästrinas verlegte.

In Deutschland wurden nicht nur Originale gedruckt, sondern auch alles „Gangbare" des Auslandes nachgedruckt. Hieronymus Notendruck in

Deutschland.

Formschneider schnitt gute Notentypen. Der bedeutendste Noten- drucker des XVI. Jahrh. war Adam Berg in München, Verleger der Werke Orlando Lassos. Fast alle seine Drucke, bei denen er die Unterstützung des musikliebenden Herzogs von Bayern genoss, sind Prachtausgaben in Folio. Sein Hauptwerk ist das: Patrocinium musices aus 1573. Als das bedeutendste Werk aus dem xvi. Jahr- hundert muss das von Nie. Heinrich in München gedruckte Magnum opus musicum genannt werden. In dem XVII. Jahrhundert war namentlich Gimel Bergen in Dresden thätig.

In Frankreich lieferte Guillaume le Bee um 1 5 50 vollkommenere Noten als die Hutins, deren sich Rob. Ballard und dessen Schwager Frankreich. Adrian le Roy bedienten. Die Familie Ballard, welche die Noten le Bees für die hohe Summe von 50000 Livres erwarb, war die bedeutendste Musikfirma nicht nur in Frankreich und erwarb sich namentlich durch die Herausgabe der Werke Lullys Weltruf. Sie druckte die Partituren fast aller französischen Opern und hielt sich beinahe 200 Jahre in Ansehen.

Englands Anteil an dem Musiktypendruck war kein bedeutender. John Day wandte um 1560 die verbesserte Methode an. Thomas Este (um 1600) brachte sehr elegante Drucke.

Um 1725 war der musikalische Typendruck, dessen Wesen überhaupt seit Petrucci wenig fortgeschritten war, ganz in Verfall Verfall des

Notendruckes.

geraten und der Kupferdruck hatte dessen Platz eingenommen. Als letzte bedeutende Erscheinung können die in Venedig bei Domenico Lo visa in acht, mit allem, damals zugebote stehenden Luxus ausgeführten Foliobänden gedruckten Fünfzig Psalmen von Benc- detto Marcello bezeichnet werden.

Aus dem Gesagten geht hervor, dass es unrichtig ist, wenn Breitkopf, wie es gewöhnlich geschieht, als Erfinder des typo-

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graphischen Notendruckes genannt wird, dagegen bleibt ihm, was ihm wieder von verschiedenen Seiten streitig gemacht worden ist, die Ehre, dem typographischen Notendruck eine solche Gestaltung- gegeben zu haben, wie er sie noch heute hat. Die Bedeutung dieser That würde eine noch grössere Tragweite haben, wenn nicht die Erfindung der Lithographie und der lithographischen Schnellpresse in dem Notendruck und dem Musikalienverlag eine gewaltige Um- wälzung zur Folge gehabt hätte.

Am allertiefsten fast stand vor Breitkopf der Notendruck in Leipzig; selbst die Arbeiten sonst verdienter Männer als Wolfg. Stöckel und Abr. Lamberg sind äusserst mangelhaft. Die Kolumnen sahen mit ihren unendlich vielen, jämmerlich zusammengesetzten Linienstücken vollständig gequirlt aus.

Da erschien im Jahre 1755 bei Breitkopf „Sonnet auf dasPastorell Breitkupfs // trionfo della fedclta" , ein Versuch, der bereits wenig zu wünschen übrig Hess, doch ist die umfangreiche (Z83 S. in qu. fol. umfassende) Tondichtung der Kurfürstin Marie Antonie von Sachsen 77 trionfo dclla fedelta selbst noch geeigneter, die Vorzüge von Breitkopfs Leistungen ins helle Licht zu setzen. In der Schlussschrift heisst es: „Stamßßto in Lipsia; netto, stamperia di Giov. Gottlob Immanuel Breitkopf, Inventore di qnesta nuova manicra di stampar la Musica con Carratteri separabili e mutabili. E questo Drammci Pastorale la prima opera stampata di qnesta nuova guisa; comminciata nel Mese di Luglio 1755, e terminata nel niese d'Aprile 17561".

Der bewegliche Geist Breitkopfs liess ihn jedoch nicht bei solchem Siege Beruhigung fassen, sondern trieb ihn ein Feld zu bebauen, wobei man zwar volle Gelegenheit hat/ seine Fähigkeiten zu bewundern, jedoch nicht ohne eine Beimischung des Bedauerns, dass dieselbe so unfruchtbaren Arbeiten zugewendet wurden.

Zuerst wollte er die Herstellung der Landkarten der Buch- Landkartensatz, druckerei zuweisen. Die Berechnung aller der wellenförmigen Linien der verschiedensten Art für Terrainzeichnung; die Notwendigkeit, die Schrift kreuz und quer nach allen Richtungen hin zu setzen; kurz, alle die Schwierigkeiten, die eine Kartenzeichnung darbietet, machen

1 Über diesen sowie über die sonstigen Musikdrucke Breitkopfs vcrgl. Lorck , „Der Buchhandel und die graphischen Künste auf der Kunstgewerbe- Ausstellung zu Leipzig 1879". Sep. Abdr. aus dem Börsenbl. f, d. d. B,

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die typographische Ausführung, wennauch nicht geradezu unmöglich, doch so schwer, dass die Kosten sich nicht in der Praxis erschwingen lassen. Dies fühlte wohl Breitkopf bald selbst, wie aus seiner 1777 herausgegebenen Broschüre: „Über den Druck der geographischen Karten" hervorgeht, und die darin enthaltenen Proben würden überhaupt kaum an das Tageslicht getreten sein, wenn er sich nicht von dem sein Ehrgefühl verletzenden Verdacht hätte reinigen wollen, dass er mit seiner Erfindung später als Haas in Basel mit der seinigen gekommen sei.

Diesem Verdacht tritt er mit Entrüstung entgegen und kritisiert streng den Haasschen Versuch, den er „mehr ein opus musivum als Satz figürlicher typographicum " nennt, mit Thon und gekautem Papier nachgeholfen, wie man dergleichen schon längst in der Druckerei kennt" (vgl. Kap.Xiv). In demselben Jahre folgte noch „Die Beschreibung des Reichs der Liebe" mit einer Karte; 1799 „Der Quell der Wünsche" ebenfalls mit einer Karte, die beide als eine glückliche Lösung seiner Aufgabe nicht betrachtet werden können. Immerhin ist Breitkopfs typographischer Scharfsinn doch sehr zu bewundern, und seine kartographischen Versuche bleiben typographische Reliquien von hohem Wert. Der Satz, der noch heute erhalten ist, beseitigt jeden Verdacht, als sei durch Feile, Messer, unregelmässigen Aus- schluss oder in anderer Weise nachgeholfen; alle Stücke sind streng systematisch und einfach, wie in jedem anderen Satz, an einander gereiht.

Obgleich Breitkopfs klarer Verstand ihm sagte, dass er auf diesem Wege keine grossen praktischen Erfolge erzielen würde, so veranlasste ihn doch sein etwas hartnäckiger Charakter, sogar noch weiter zu gehen: er wollte es noch möglich machen, Porträts mit Typen herzustellen. Die Strichlagen des Kupferstechers liessen ihn glauben, durch parallel laufende Linienstücke das Ziel erreichen zu können. Seine Proben hat er nicht veröffentlicht, wer aber die neuesten Arbeiten Moulinets und anderer Meister in diesem Genre kennt, kann sich leicht von dem, was erreicht werden konnte, ein ungefähres Bild machen. Zwar gehören alle solche Versuche den Gebieten des an und für sich Unpraktischen an, wir können sie dennoch so wenig wie die späteren Stigmatypien Fasols als wertlos für die Fort- bildung der Typographie bezeichnen.

Chine-, Sehr

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Die Beschaffung des chinesischen Satzes mit beweglichen Lettern war eine der Aufgaben, die sich die Typographie gestellt hatte. Sowohl die französische als die päpstliche Regierung hatten darauf viel Geld unnütz verwendet. Die grosse Anzahl der Schriftzeichen machte die Anfertigung der Typen kostspielig und die Ähnlichkeit der Charaktere unter einander den Satz zu einem äusserst schwierigen. Indes, Breitkopf löste seine Aufgabe und sandte sofort eine allerdings nicht sehr ansprechende, im J. 1789 der Öffentlichkeit übergebene Probe an den Papst, der ihm durch den Kardinal Borgia in sehr schmeichelhaften Ausdrücken danken Hess. Aber auch bei dieser Erfindung unterblieb die praktische Ausbeutung. Ein holländischer Verleger unterhandelte zwar mit Breitkopf über das Setzen eines chinesischen Textes in Leipzig, die Verhandlungen führten aber nicht zu einem Resultate.

Nun wollte Breitkopf auch mathematische Figuren mit beweg- Typographische liehen Typen setzen, ein Gedanke, der bei der Billigkeit des einfachen Holzschnittes keine grossen Erfolge in Aussicht stellen konnte und auch nicht zur Verwendung kam.

Schliesslich wendete er seine Aufmerksamkeit darauf, die Ver- schriftgiesserei. zierungen, die nach und nach den höchsten Grad von Ungeschmack erreicht hatten, durch geschmackvollere zu ersetzen. Zu diesem Zweck Hess er gute ältere Vorbilder nachahmen und in Holz schneiden.

Auch das Giessen und das Drucken haben ihm Verbesserungen zu verdanken. Seine Giesserei war wegen der Vortrefflichkeit der Metall- Legierung berühmt. Einen Beweis für die Güte liefert die Rein- heit der Abdrücke, die nach Verlauf von hundert Jahren von dem vor- handenen Landkartensatze gemacht wurden. Die Giesserei arbeitete mit vierzig Leuten und zwölf Öfen und sandte ihre Schriften nach allen Ländern der Welt. Dagegen misslangen eine von ihm an- gefangene Spielkartenfabrik und eine Tapetenfabrik, obwohl die Muster von dem besten Geschmack zeugen. Breitkopf war eben ein Erfinder, nicht aber in gleichem Masse für die pekuniäre Ausbeutung der Erfindungen geschaffen.

Einem so feingebildeten Mann wie Breitkopf konnten die smiichc handwerksmässigen Roheiten, die mit der Lossprechung eines

Kcfornicn.

Lehrlings verbunden waren (I, 165), selbstverständlich nicht zusagen. Er schaffte deshalb die bei solchen Gelegenheiten üblichen scenischen

XII. KAP. DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE. 329

Aufführungen ab und beschränkte sich darauf, den symbolischen Sinn

der Marterwerkzeuge erklären zu lassen und in einer sinnigen Rede

den Losgesprochenen über seine Rechte und Pflichten zu belehren.

Solche Änderungen und Neuerungen, die auf das Beschränken der

Völlerei und des Feierabendmachens abgesehen waren, fanden

jedoch begreiflicherweise keine Gnade bei den Gehülfen , und man

ging anfänglich so weit, die bei Breitkopf Ausgelernten nicht für

voll anerkennen zu wollen, doch bahnten sich Vernunft und Sitte

schliesslich ihren Weg.

Wie viele seiner technischen Pläne und Experimente, so

blieben auch manche seiner schriftstellerischen Arbeiten nur Ent- Schrift- stellerische würfe. Um seinen Hauptplan, eine grossartig angelegte Geschichte Arbeiten.

der Buchdruckerei gründlich durchführen zu können, hatte er mit vieler Sorgfalt und mit grossen Kosten eine Bibliothek von Werken über Buchdruckerkunst und Proben von den Leistungen derselben gesammelt. Durch eine Reihe von Jahren legte er Kollektaneen an, hatte auch einige Partien des Werkes ausführlicher ausgearbeitet. 1779 erschien seine Broschüre „Über die Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst", welche den breit angelegten Plan seines Werkes entwickelte. Es folgte dann 1784 einer der durchgearbeiteten Abschnitte: „Versuch über den Ursprung der Spielkarten". Erster Teil. Der zweite Teil wurde nach Breitkopfs Tode von J. C. F. Roch 1801 herausgegeben, welcher in der Vorrede darüber klagt, dass die hinterlassenen Notizen Breitkopfs nicht derart beschaffen seien, dass eine grössere Ausbeute daraus erwachse. Breitkopfs reger Geist führte ihn während der Arbeit immer weiter ; die Noten überwuchern den Text. Er wollte alles, was ihn interessierte, auch ausführlicher bearbeiten, und so haben wir zu bedauern, dass wir nur einige, wenn auch sehr wertvolle Bruchstücke erhielten, statt einer vollständigen, noch heute nicht vorhandenen Geschichte der Buchdruckerkunst, die zu schreiben er, wie kaum ein zweiter, fähig gewesen wäre, wenn er nur die Kunst, sich zu beschränken , besser verstanden hätte.

Breitkopf starb am 28. Jan. 1794 und hinterliess seine Buch- druckerei als eine der am reichsten ausgestatteten wenn nicht gar Breitkopfs To als die reichste der Welt. Sie besass gegen 400 verschiedene Schriftgattungen, 16 Sorten Noten, einen grossen Vorrat von

330 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XII. KAP.

Vignetten und beschäftigte 120 Arbeiter. Das Geschäft wurde von dem Sohne Christoph Gottlob fortgeführt, der sich im Jahre 1796 mit Gottfried Christoph Härtel assoziierte. Die jetzige Firma

ureitkopf & Breitkopf & Härtel datiert aus dem Jahre 1798. Härtel war zwar kein gelernter Buchdrucker, stand jedoch dem Geschäft in vortreff- lichster Weise vor. Er Hess durch Schelter griechische Typen nach Bodoni und Antiquaschriften nach Levrault schneiden und gründete auch eine Steindruckerei (1805). Nach dem Tode Härteis (am r. Hänei 25. Juli 1827) trat zuerst der jüngere Sohn Raymund Härtel, später

Dr. h. Härtei (1835) der ältere Dr. jur. Hermann Härtel in das Geschäft. Sie brachten dasselbe, das während ihrer Minderjährigkeit etwas zurück- gegangen war, bald wieder zur alten Blüte.

Der etwas altersgrau gewordene „goldene Bär" wurde 1867 verlassen und ein neues immenses Geschäftshaus bezogen, wo es jedoch auch bald zu eng geworden wäre, hätte die Firma nicht ihre Piano- fortefabrikation aufgegeben. Am 27. Januar 1869 beging das ver- jüngte Geschäft die Feier seines 150jährigen ruhmvollen Bestehens. Es arbeitet mit 30 typographischen und lithographischen Schnell- pressen, 1 8 Handpressen und gegen 400 Arbeitern.

Als Musikverleger hält das Haus den alten Ruhm aufrecht. Das bis Ende 1878 ergänzte Musikverzeichnis umfasst in mehr als 15000 Werken das gesamte Gebiet der Musik, wie auch deren Litteratur und Pädagogik nach allen Seiten hin vertreten ist. Nach dem Ausscheiden Raymund Härteis im Jahre 1879 sind seine Neffen W. Volkmann und Dr. O. Hase die Chefs des Hauses.

Auf der Grenze des XVIII. und XIX. Jahrhunderts wirkte Georg

g. j. Göschen Joachim Göschen l, ausBremen gebürtig. Seine Jugend verbrachte er in ärmlichen Verhältnissen. Drei Jahre lebte er in einer Pension bei einem Schullehrer in Arbergen, einem Dorfe bei Bremen, wo der Vater des bekannten Gelehrten Heinr. Ludw. Heeren Pastor war und Göschen zugleich mit seinem eigenen Sohne Unterricht erteilte. Nach überstandener Lehre erhielt er eine Stelle in Leipzig in der Crusiusschen Buchhandlung, die er 13 Jahre mit Erfolg bekleidete. Dann ging er nach Dessau, wo in ihm der Entschluss reifte, sich in Leipzig zu etablieren. Das Glück war dem strebsamen Manne hold,

1 Chr. G. Lorenz, Zur Erinnerung an G. J. Göschen. 4. Grimma 1861.

XII. KAP. DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE. 331

er trat nach und nach in Verbindung mit den besten Autoren und verschaffte sich rasch einen angesehenen Namen.

Um eine Prachtausgabe von Wielands Werken mit lateinischen Lettern zu drucken, fasste Göschen den Plan, selbst eine Buch- druckerei zu errichten, da die vorhandenen Druckereien seine Forderungen nicht erfüllen konnten. Das war aber in der damaligen Blüte des Innungswesens keine leichte Sache, da Göschen nicht gelernter Buchdrucker war. Er musstein seinem Konzessionsgesuche, welches am 4. Mai 1793 bewilligt wurde, geltend machen, dass er nur „mit lateinischen Lettern nach Didot" drucken wolle, dass jedoch diese in Leipzig nicht vorhanden wären, und dass seine Typen noch schöner seien als die von Unger in Berlin, wodurch Leipzigs Buchdruckerruhm steigen würde; ausserdem wolle er nur für sich drucken und sogar nur solche Artikel seines Verlages, die Andere nicht ausführen könnten. Nichtsdestoweniger wurde von seiten der Innung mit .allen Kräften gegen ihn gearbeitet; man hatte wohl das Gefühl, dass ein Mann von Göschens Geist, wenn er einmal sich der Typographie gewidmet hatte, nicht bei den „lateinischen Typen nach Didot" stehen bleiben würde.

Er schritt nun an sein grosses Vorhaben, eine Gesamtausgabe von Wielands Werken zu liefern, die etwas noch nicht dagewesenes Prachtausgaben, sein und in vier Gestalten erscheinen sollte. Von der Prachtausgabe in 42 Bänden in 40, mit Antiqua gedruckt und mit 56 Kupfern geschmückt, kostete ein Exemplar 250 Thlr. Den 1794 in Leipzig anwesenden Wieland liess Göschen unter festlichem Gepränge den ersten Band von jungen, Genien vorstellenden Damen überreichen, während die Muse Wielands Haupt mit einem Lorberkranze schmückte. Auch von Klopstocks Werken wollte Göschen eine ähnliche Ausgabe veranstalten; sie blieb jedoch unvollendet. Bedeutende Leistungen seiner Buchdruckerei sind die, ebenfalls nicht vollständig gewordenen Prachtausgaben des Wolfschen Homer, sowie die Griesbachsche Ausgabe des Neuen Testamentes. Die Ausstattung aller dieser Werke ist die prachtvollste und sorgfältigste, ohne jedoch einen recht befriedigenden Eindruck zu machen. Die Antiquaschriften trafen den Geschmack des Publikums nicht und auch die griechischen Schriften sind charakterlos, der Satz des Homer ausserdem unschön weitläufig.

332 DIE GERMANISCHE GRUPPE.

zu entgehen, hatte Göschen seine Buchdruckerei nach Grimma verlegt, in dessen Nähe er das Gut Hohnstädt besass, auf welchem er, 75 Jahre alt, am 5. April 1828 starb. Er hatte bis in sein hohes Alter seine volle Geistesfrische erhalten und sie durch seine grosse Wirksamkeit als Verleger bethätigt.

Von hervorragender Bedeutung für das Buchgewerbe im all- Fr.A. Brockhaus gemeinen, wenn auch weniger für die Typographie war Friedrich

* 4. Mai 1772,

f 20. Aug. 1823. Arnold Brockhaus.

Sohn eines Kaufmanns in Dortmund, lernte er die Handlung in dem väterlichen Geschäfte und lag später den Studien ein Jahr lang in Leipzig ob. Im Jahre 1798 eröffnete er in Verbindung mit zwei Genossen ein englisches Manufakturwarengeschäft in Dort-

Etabiissement in mund, welches er nach Trennung von seinen Teilhabern, von welchen der eine einen traurigen Einfluss auf die ganze Zukunft Brockhaus' üben sollte, 1802 nach Amsterdam verlegte und 1805 aufgab, um sich einem buchhändlerischen Geschäft unter der Firma Rohloff & Co. zu widmen, welche Firma 18 10 in Kunst- und Industrie - Comptoir geändert wurde und erst 18 14 in F. A. Brockhaus überging.

Bei einem Besuche der Leipziger Michaelismesse im Jahre 1808 erwarb er- das begonnene aber ins Stocken geratene Konversations- Lexikon, ein Unternehmen, welches bestimmend für seine ganze geschäftliche Zukunft werden sollte.

Veranlasst durch den Tod seiner geliebten Frau und durch die

AUcnburgtmd Franzosenherrschaft in Holland siedelte Brockhaus im Jahre 18 10 nach Altenburg über und verkaufte 1 8 1 1 das Amsterdamer Geschäft an Johannes Müller. In Altenburg weilte er bis 1817, um dann, nachdem er zwischen Dresden und Leipzig geschwankt hatte, am letzteren Orte sich bleibend niederzulassen und das in Altenburg bereits nach grossen Dimensionen betriebene Verlagsgeschäft in noch grössere Bahnen zu lenken.

Seinen Scharfblick für die Bedürfnisse der Zeit, verbunden mit einer thatkräftigen patriotischen Gesinnung bekundete er durch viele Unternehmungen. Der Eckstein des ganzen grossen Gebäudes blieb jedoch das Konversations-Lexikon. Der Anfang hierzu war bereits um das Jahr 1793 von Dr. Renatus Gotthelf Löbel gemacht. Dieser verband sich mit einem Advokaten Chr. Wilh. Franke zu der Heraus-

Das Konversatio Lexikon,

XII. KAP. DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE. 333

gäbe; für die buchhändlerische Durchführung wurde Aug. Leupold ausersehen. Das Werk hatte jedoch keinen grossen Erfolg und die Unternehmer verkauften es an Leupold. Nach vielen Schicksalen kam es noch vor dem Erscheinen des sechsten (Schluss-) Bandes an Brockhaus, der nun mit seiner gewohnten Energie an die Vollendung und Umarbeitung ging1.

Mehr und mehr fühlte Brockhaus das Bedürfnis über eine eigene Druckerei disponieren zu können und hatte zuerst den Gedanken, diese in Altenburg zu errichten, wovon er jedoch zurückkam. Anfang des Jahres 1818 eröffnete er nun eine Offizin mit drei hölzernen Pressen, zu welchen bald noch weitere vier kamen. Die Innung legte Protest ein, weil Brockhaus kein gelernter Buchdrucker sei. Da musste sein Freund Teubner aushelfen und durch Verkauf, Rück- kaufsvertrag etc. etc. wurde es Brockhaus möglich, faktisch seinen Willen durch die Errichtung einer „zweiten Teubnerschen Buch- druckerei" durchzusetzen, bis der Sohn Friedrich, der bei Vieweg in Braunschweig gelernt hatte, am 21. Okt. 1820 die Konzession als Buchdrucker erhielt.

Merkwürdig genug, dass ein Mann, begabt mit dem weiten Blick Brockhaus' und so gewohnt, pekuniäre Schwierigkeiten zu überwinden, sich die Ehre nehmen Hess, als erster die Schnellpresse in Deutschland zur Anwendung zu bringen; dies um so mehr, als er die Sache scharf ins Auge genommen hatte und die Wichtigkeit der Schnellpresse vollständig erfasst hatte, wie aus einer Korrespondenz zwischen ihm und König & Bauer, die auch ein interessantes Streif licht auf Königs weiten Geschäftsblick wirft, hervorgeht2. Bereits am 7. November 1818 wandte er sich an König & Bauer, um Näheres über die Leistungsfähigkeit der Schnellpresse zu erfahren, indem er betonte, dass 25 Handpressen nicht imstande gewesen, die Hälfte des Lexikons, fünf Bände in 12000 Auflage, innerhalb fast eines Jahres zu liefern , und dass die Arbeiter bei der Einförmigkeit der Arbeit ermüdeten und zuletzthin nur schlechte Arbeit lieferten. König & Bauer beleuchten in ihrer Antwort, dass 2 3 Schnellpressen genügen würden, um 25 Handpressen zu ersetzen, und dass trotz

1 ITkrm. Franckk, Das Konvcrsalions-Lcxikon und seine Grün'der. Börsenbl. f. d. (1. B. 1873. No. 23.

2 H. E. Brockhaus, Friedrich Arnold Brockhaus. Leipzig 1872. n. B. vi. K.

Die Schnellpresse.

Die

Schnellpresse.

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des Anlagekapitals von 1 5 000 Gulden für jede Schnellpresse grosse Ersparnisse eintreten müssten. Sie machten dabei Brockhaus einen eigentümlichen Vorschlag, dass er seine Druckerei nach Oberzell verlegen sollte. Sie hätten noch Raum genug für eine Druckerei von 70 bis 80 Setzern und die nötigen Maschinen, welche durch Wasser betrieben werden könnten, auch enorme Trockenböden ständen zur Disposition. Da das Papier aus Bayern und Franken bezogen werden würde, könnten die Transportkosten demnach zum grossen Teil gespart werden, ja, sie selbst gingen mit der Idee um, eine englische Papiermaschine zu bauen, um gutes Papier zu liefern, „das deutsche Papier", heisst es, „ist doch ein Schand- artikel, womit kein englischer Buchhändler vor das Publikum zu kommen sich unterstehen dürfte". Der Brief schliesst: „Was sagen Sie zu dieser seltenen Vereinigung von Mitteln für grosse litterarische Unternehmungen, in einen kleinen Raum zusammen- gedrängt? Vielleicht Hesse sich zwischen unseren und Ihren Plänen, unseren und Ihren Mitteln eine Verbindung ausmitteln , die beiden Parteien vorteilhaft wäre".

Hätte dieser Vorschlag einige Jahre früher gemacht werden können, wer weiss wozu das geführt haben würde. Jetzt antwortete Brockhaüs und zwar erst nach einem halben Jahre , ablehnend , er wollte die Ausführung seiner Gedanken die Schnellpresse anzu- schaffen seinem Sohne überlassen.

König Hess trotzdem die Sache nicht fallen und machte im Juni 1819 den Vorschlag, „zu dessen Annehmen offenbar viel weniger Mut gehört, als Sie Ihren übrigen Unternehmungen nach zu urteilen besitzen", auf ihre Kosten zwei Schnellpressen in Leipzig zu Brockhaüs' ausschliesslichem Gebrauch aufzustellen, in Betrieb zu halten und nach 10 Jahren an Brockhaus unentgeltlich zu über- lassen, wenn er auf 10 Jahre hinlängliche Beschäftigung garantieren wollte und zwar gegen um 25% wohlfeilere Druckpreise, als sie ihm in seiner eigenen Druckerei zu stehen kämen. Aber auch diesen Antrag lehnte Brockhaus ab, obwohl er nach seiner Angabe über fünfzig eigene und fremde Pressen beschäftigte. So kam es denn, dass Brockhaus' Offizin und Leipzig überhaupt erst 1826, drei Jahre nach Friedrich Arnolds Tod, in Besitz einer Schnellpresse kam, welche von den Arbeitern mit Demolierung bedroht wurde, die in

XII. KAP. DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE. 335

Leipzig, wie anderswo, noch nicht einsehen gelernt hatten, dass sie hiermit nur gegen ihr eigenes Fleisch und Blut wüteten.

Neben dem Konversations - Lexikon pflegte Brockhaus mit besonderer Vorliebe den journalistischen Verlag, repräsentiert durch Der Verlag. Okens „Isis", „Zeitgenossen", „Leipziger Kunstblatt", „Hermes" und „Litterarisches Wochenblatt", die alle, mit Ausnahme des letzteren, welches noch als „Blätter für litterarische Unterhaltung" besteht, kein langes Leben hatten. Auf seinen reichhaltigen sonstigen Verlag kann hier nicht näher eingegangen werden.

Die angestrengteste Geschäftsthätigkeit, die damit verbundenen Sorgen, zu welchen sich der bereits angedeutete ärgerliche,, immer Tod Fr. Am.

c r- t-\ r Brockhaus'.

wieder auftauchende Streit von Dortmund her kam; seine fort- währenden Zensurkämpfe namentlich mit der preussischen Regierung ; verdriessliche litterarische Händel, die durch sein heftiges Temper- ament genährt wurden ; die Not, welche ihm Konkurrenz und Nach- druck des Lexikons verursachten, rieben seine Kräfte vor der Zeit auf, und brachten ihn um den ruhigen Genuss seines unermüdlichen Schaffens. Seine Gesundheit war untergraben. Obwohl im November 1822 dem Tode nahe und bereits allgemein totgesagt, erholte er sich wieder, unterlag jedoch einem neuen Anfall am 20. Aug. 1823 \

Das umfangreiche verwickelte Geschäft wurde von den jungen Söhnen Friedrich und Heinrich Brockhaus fortgesetzt. Friedrich Fr. Brockhaus hatte, wie schon erwähnt, die Leitung der Buchdruckerei übernommen, welche 1823 10 Holzpressen beschäftigte. Im Jahre 1833 wurde eine Stereotypie eingerichtet, 1836 die Walbau msche Schriftgiesserei erworben (S. 283). Friedrich war eifrig bemüht, der Buchdruckerei die Superiorität in dem in den vierziger Jahren aufblühenden Illustrationsdruck zu sichern, und scheute keine Opfer, um den Ver- gleich mit dem Auslande aushalten zu können. Die ersten epoche- machenden illustrierten Werke: Vernets „Napoleon", Menzels „Friedrich der Grosse", die „Illustrirte Zeitung" wurden unter der

1 Sein Enkel Dr. Ed. Brockhaus setzte ihm in dem Werke „Friedrich Arnold Brockhans, sein Leben und Wirken". 3 Bde. Leipzig 1872—1881 ein würdiges Denkmal. Neben der interessanten und lehrreichen Darstellung hal das Buch das, bei einem so entstandenen Werke gewiss seltene Verdienst der grössten Offenheit und einer fast bis zum Aussersten gehenden Unparteilichkeit, die auch nicht den geringsten Versuch zulassl, die Schwächen und Fehler des bedeutenden Mannes zu bemänteln.

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Leitung Friedr. Brockhaus' gedruckt, der sich am i. Januar 1850 von dem Geschäft zurückzog.

Heinrich Brockhaus leitete die Buchhandlung. Er war ein h. Brockhaus mit einer ausserordentlichen Arbeitskraft und grossem Organisations-

* 4. Febr. 1804, ö ö

f 15.N0vbr.1874. talent begabter Mann von unabhängiger Gesinnung. Am 4. Mai 1 872 konnte er mit Genugthuung den hundertjährigen Geburtstag des Gründers begehen, denn das Etablissement war in seiner Art eines der vielseitigsten der Welt und in Wahrheit ein Universalgeschäft geworden, das mehr als 600 Personen beschäftigte. Der mit grösster Sorgfalt von Heinrich Brockhaus herausgegebene, 1148 Seiten starke Verlagskatalog verzeichnete damals bereits 2552 Artikel in 5851 Bänden. Als Teilnehmer waren die Söhne Heinrichs, Dr. Eduard und Rudolf Brockhaus, eingetreten. Heinrich Brockhaus, von der Universität Jena zum Ehrendoktor, von der Stadt Leipzig zum Ehrenbürger ernannt, starb am 15. November 18741.

Das Konversations-Lexikon bildet immer noch den Mittelpunkt, des grossen Verlags und der Einfluss, welchen dieses jetzt in der 13. Auflage erschienene Werk auf die allgemeine Bildung geübt hat, ist ein grosser. Der Bilderatlas zum Konversations-Lexikon, 2. Aufl., ist ein Werk, wie es nur in einem Universalgeschäft, das über alle Arten der technischen Herstellungsmethoden gebietet, in solcher Weise durchgeführt werden konnte.

Benedictus Gotthelf Teubner, zu Grosskraussnigk in der

b. c Teubner Niederlausitz geboren, hatte noch vor Brockhaus sein später so

* 16. Juni 1784, fa r

f 21. Jan. 1856. bedeutendes Etablissement 181 1 mit zwei Holzpressen angefangen. Bereits 1823 verband er mit seiner Buchdruckerei eine Buchhandlung, die sich durch ihren philologischen Verlag und korrekte Klassiker- Ausgaben einen grossen Ruf erwarb. Teubner war eifrigst für einen j sorgsamen Druck bemüht, und hat in dieser Hinsicht wesentliche Verdienste um die Kunst, auch richtete er sein Streben auf eine, für damalige Zeit nicht gerade übliche, Eleganz in allen Accidenzarbeiten unter Verwendung des Guilloche- und Farbendruckes. Die von ihm herausgegebene Jubelschrift des Dr. K. Falkenstein zeigt, was das Geschäft auf den verschiedenen Feldern des graphischen Gebietes

1 Seine Erlebnisse auf einer grossen Reise in den Jahren 1867 1868 schilderte ürockhaus in der ihn charakterisierenden schlichten Weise in seinem ,/keisetagebiich". 2 Bde. 1873.

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zu leisten vermochte. Sind diese Leistungen auch durch die der jüngeren Zeit überflügelt, so waren sie doch damals bedeutend und die Buchdruckerei Teubners gehörte mit zu den in der neuern Richtung tonangebenden. Bei seinem Tode waren sieben Schnell- pressen in Gang, auch hatte er in Dresden eine Filiale gegründet. Die Nachfolger, seine Schwiegersöhne Ad. Rossbach und Alb in Ackermann, verliessen die früher eingeschlagene Kultivierung des Accidenzdruckes und zeichneten sich durch ihren vortrefflichen Werk- und namentlich durch ihren Zeitungs-Illustrationsdruck aus. Der grossartige philologische Verlag, aus gegen 2000 Werken in über 3000 Bänden bestehend, wurde unter besonderer Leitung des jetzigen Geschäftsteilhabers Dr. Aug. Schmitt in kräftigster Weise fortgeführt. Ohne irgend eine typographische Prätension zu erheben sind unter diesen Werken unübertroffene und unübertreffliche Drucke, um einen unter vielen als Beispiel zu nennen Herodiani reliquiae in geradstehender griechischer Schrift. Die Offizin ist eine der am besten eingerichteten und grössten Deutschlands, sie arbeitet mit 35 Schnellpressen und gegen 400 Arbeitern, und druckt 18 Zeitschriften.

In die Reihe derjenigen verdienten Männer, die als Bahnbrecher Karl Tauchnitz

* 29. Okt. 1761

der deutschen Typographie zu bezeichnen sind, gehört als einer der 1 14- Jan. 1836. ersten Karl Christoph Traugott Tauchnitz.

Tauchnitz war in Grossbardau bei Grimma geboren. Da er seiner Armut wegen nicht studieren konnte, ward er 1777 Buch- druckerlehrling und arbeitete später beiUnger in Berlin. 1792 kehrte er nach Leipzig zurück. Im Jahre 1797 gelang ihm der Ankauf einer kleinen Buchdruckerei. Das Geschäft gewann durch Tauchnitz' Fleiss und Akkuratesse an Ausdehnung. Bereits 1 800 konnte er eine Schrift- giesserei und eine Buchhandlung mit der Buchdruckerei vereinigen. Seine Wirksamkeit muss namentlich von dem Standpunkte der Verbindung dieser Geschäfte zu einem ganz bestimmten Ziel beurteilt werden. Dies Ziel war die Herausgabe der griechischen und römischen Klassiker in guter Ausstattung, grösster Korrektheit und zu den billigsten Preisen.

Im Jahre 1 808 machte er damit den Anfang. Jedoch ohne das von Lord Stanhope eingeführte Stereotypverfahren, welches er

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Die Klassiker, durch den Engländer Watts gelernt hatte, wären die oben erwähnten Erfordernisse der Kollektion schwer zu erreichen gewesen.

In seinen Bemühungen um die Verbesserung der Antiqua , der griechischen und der orientalischen Schriften wurde er durch die Schriftgiesser J. G. Schelter und Matthes unterstützt.

Seine Leistungen beschränkten sich jedoch nicht auf brauchbare

Prachtwerke. billige Ausgaben ; er lieferte auch Prachtdrucke ersten Ranges und wissenschaftliche Werke bedeutenden Umfanges. Zu den ersteren gehören sein Theokrit in Folio (1S21); das Carmen Arabicum Szanicddini Helensis (18 16), dessen Originaltext im orientalischen Stil in Gold und bunten Farben gedruckt ist ; die Kuhnsche Hymne an König Friedr. August von Sachsen. Zu seinen bedeutendsten typographischen Leistungen zählen noch die arabische Ausgabe des Korans durch Flügel ; die Fürstsche Bearbeitung der Buxtorffschen „Concordanz", die stereotypierten hebräischen Bibeln von Hahn u.a. Mitten unter Plänen zu neuen wichtigen Unternehmungen rief

.ch.Tauchnitz. ihn der Tod plötzlich ab. Sein Sohn Karl Christian Philipp, der eine ausgezeichnete Bildung genossen hatte, setzte das Geschäft, ohne demselben mit der vollen Neigung des Vaters zugethan zu sein, doch ganz im Sinne des Verstorbenen fort. Auf Veranlassung der Amerikanischen Mission in Syrien wurde eine neue arabische Schrift geschnitten, die sich dem Geschmack der Orientalen gut anpasst, jedoch im Satz grössere Schwierigkeiten bietet, als die ältere, mit welcher der Koran gedruckt wurde. Die Firma erlosch durch Ver- kauf der verschiedenen Geschäftsbranchen.

In dem Streben für die Herstellung orientalischer Werke war Fr. Nies Fr. Nies aus Offenbach mit Karl Tauchnitz verwandt, wenn auch

6. Aug. 1804,

16. juni 1^70. der letztere von wissenschaftlichem sowohl als typographischem Standpunkte aus Idealeres anstrebte Angeregt namentlich durch den genialen Verleger W. A. Barth, den Professor M. G. Schwartze und den Paläographen E. F. F. Beer, später auch durch Professor Seyfarth unterstützt, unternahm Nies das Wagnis, hieroglyphische Typen in seiner, 1831 angelegten Schriftgiesser ei herzustellen. Die hieroglyphische Schrift bestand aus etwa 1500 Stücken. Diese in verschiedenen Grössenabstufungen sowohl nach links als nach rechts gewendet ausgeführten, oft einander sehr ähnlichen Figuren, in ein richtiges Typensystem zu bringen war für damals wirklich eine That ;

XII. KAP. DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE. 339

sie gelang und viele Werke, darunter das Riesenwerk des Dr. M. G. Schwartze „Das alte Ägypten"1, zeigen, dass die Offizin nach damaligen Verhältnissen Bedeutendes leistete. Nies konnte mit seinen selbstgegossenen Schriften in gegen 300 Sprachen drucken, vermochte jedoch nicht, sich mit dem Gedanken zu befreunden, heute das rückhaltlos zu verwerfen, was gestern gut gewesen war, und ermüdete deshalb unter den erhöhten Ansprüchen der fortschreitenden Wissenschaft und Technik in seinen Anstrengungen. Das sonst so blühende Geschäft verödete nach und nach. Im Jahre 1856 übernahm es Carl B. Lorck, der erst sich mit J. J. Weber zur Ausführung der unter dieser Firma in denjahren 1837 1§45 erschienenen grössten- teils illustrierten Werke und Zeitschriften' vereinigt hatte. Die Druckerei und Schriftgiesserei wurde zeitgemäss reorganisiert und vervollständigt. Eine bedeutende Zahl von orientalischen Werken, besonders für das Ausland gedruckt, verliess in denjahren 1856 bis 1868 die Pressen der Offizin. In letzterem Jahre übernahm sie W. Drugulin, welcher die bis dahin fortgeführte Firma Fr.. Niessche w. Drugulin Buchdruckerei in W. Drugulin änderte. Lorck gab die „Annalenf 20.' April 187g.' der Typographie" (1869 1877) und mehrere Fachschriften heraus2. Drugulin setzte das begonnene Werk im bisherigen Sinne fort. Hatte die Jury der Pariser Weltausstellung von 1867 bereits erklärt, dass in Frankreich nur die kaiserliche Druckerei ähnliches prästieren könne, wie diese Privatoffizin in Leipzig, so wurde nun in der That durch Drugulins Erwerbungen, unter welchen sämtliche Stempel und Matern der früheren Karl Tauchnitzschen orientalischen, älteren Renaissance- und holländisch gothischen Schriften sich befanden, ein Komplex geschaffen, wie er ausser in den Staatsanstalten zu Wien und Paris sich nicht wieder vorfindet. Drugulins ausser- gewöhnlichen Kunst- und antiquarischen Kenntnisse kamen ihm

1 Den Satz dieses Werkes von gegen 2200 Seiten in Quart übernahmen, nachdem verschiedenen Setzern die Geduld ausgegangen war, ohne vorher ein orientalisches Wort gesetzt zu haben, zwei Setzerlehrlinge F. Essigke und H. Kauxdorf, deren der Verfasser, ein gewiss seltener Fall, in der Vorrede in der ehrendsten Weise gedenkt.

2 Als: Die Herstellung der Druckwerke. 4. Aufl. 1883. Die graphischen Künste auf der Wiener Austeilung 1873; amtlicher Bericht. Die Druckkunst und der Buchhandel in Leipzig. 1879. Geschichte des Vereins der Buch- händler in Leipzig; Jubelschrift. 1883.

22*

34Q

DIE GERMANISCHE GRUPPE.

bei seinen vielen Reproduktionen und Imitationen von Drucken älteren Stils vortrefflich zu statten. Namentlich ist das grossartige Werk: „Die Chronik des Sächsischen Königshauses und seiner Residenzstadt", ein Geschenk der Stadt Dresden zur Feier der silbernen Hochzeit des Königs Albert und der Königin Carola, ein Meisterstück dieser Gattung. Es war jedoch Drugulin nicht beschieden, den Schluss des Werkes zu erleben.

Die von Nies eingeführten hieroglyphischen Typen wurden

riyphen- zumteil durch die früher erwähnten eleganteren und kleineren Typen in Umrissen verdrängt (S. 285), teils hat es in jüngster Zeit den Anschein, als wollte die Lithographie und speziell die Autographie der Typographie das Terrain der Ägyptologie streitig machen. Der bedeutende Verlag der J. C. Hinrichsschen Buchhandlung in Leipzig auf diesem Felde ist fast durchweg in Autographie her- gestellt, z. B. das hieroglyphisch - demotische Wörterbuch von H. Brugsch-Bey, das 1728 Seiten in kl. Folio umfasst. Voraus- gesetzt, dass der Verfasser es versteht, hieroglyphische Umrisse korrekt wiederzugeben und sonst leicht leserlich schreibt, ist die autographische Wiedergabe eine ganz zweckmässige. Wenn mit Typen gesetzt, würden die Kosten für ein Werk wie das genannte, dessen Absatz begreiflicherweise nur ein beschränkter sein kann, allerdings kaum erschwinglich sein ; im Interesse der Wissenschaft muss man deshalb die Besiegung der Typographie durch die Litho- graphie auf diesem Gebiete mit Ruhe hinnehmen.

Die Offizin des Neffen desK. Tauchnitz, Bernhard Tauchnitz,

jchnitz. erneute den Weltruf des Namens ebenfalls hauptsächlich durch die konsequente und grossartige Durchführung eines einzigen Unter- nehmens, bei welchem jedoch weniger die typographische als die bibliopolische Bedeutung hervortritt. Wer kennt nicht die Taue Judiz Collcction, die Sammlung von Werken englischer und amerikanischer Autoren, deren Bändezahl jetzt 2000 übersteigt, die in über 600 000 Stereotypplatten vorhanden sind? Wie die Karl Tauchnitzsche Kollektion auf die altklassische Bildung, so hat das B. Tauchnitzsche Unternehmen ganz ausserordentlich zur Verbreitung der englischen Litteratur und Sprache auf dem Kontinent, daneben auch zur Mehrung des Ansehens des deutschen Buchhandels in England bei- getragen. Der Umstand, dass der Unternehmer den Autoren resp.

innen.

XII. KAP. DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE. 341

den Verlegern zu einer Zeit Honorar zahlte, wo dies noch nicht durch gesetzliche Bestimmungen geboten war, erwarb ihm sofort die Gunst der genannten, die er sich zu erhalten verstanden hat.

Ausser der Sammlung lieferte die Offizin für den Verlag des Besitzers für Andere arbeitet sie nicht eine Reihe von ebenso gut ausgestatteten wie durch ihre Korrektheit bekannten bedeuten- den Werke, besonders in juristischer und linguistischer Richtung, unter welchen beispielsweise die fehlerfreien Logarithmen von Köhler genannt sein mögen.

Ausser B. G. Teubner hatten bereits G. H. Maret, Wilh. Haack und namentlich C. L. Hirschfeld in allen Accidenzarbeiten Änderet einen sehr guten Geschmack gezeigt. Letzterer, durch einen längeren Aufenthalt in Paris tüchtig ausgebildet, verband Stereotypie und Gravieranstalt mit seiner Buchdruckerei. Im Bunt- und Golddruck leistete er Bedeutendes und das von ihm 1840 herausgegebene Tableau in etwa zwanzig Farbenplatten , Typographiajubilans, ist eins der bedeutendsten Erzeugnisse der Jubelpresse.

Es dürfte hier, ehe wir zur jüngsten Gestaltung des graphischen Geschäfts in Leipzig übergehen, der Ort sein, mit einigen Worten Das Jubelfest des Jubelfestes 1840 zu gedenken, das sich nicht zu einer Lokal- feier, sondern zu einem grossen nationalen Feste gestaltete, welches in der Geschichte der Buchdruckerkunst einen Platz verdient.

Während im Jahre 1640 fünf Buchdruckereibesitzer mit 14 Gehülfen, im Jahre 1740 achtzehn Offizinen mit 138 Gehülfen dem Feste beiwohnten, zeigt die Liste der Beteiligten im Jahre 1840 24 Buchdruckereien mit 232 Handpressen, 11 Schnellpressen und 672 Gehülfen, dazu noch 7 Schriftgiessereien mit 62 Gehülfen, schliesslich 108 Buchhandlungen mit 12 1 Gehülfen. Das Kontingent, welches allein das Brockhaussche Geschäft stellte, betrug mehr als die Gesamtzahl der das Fest von 1740 Feiernden.

Die Sammlungen der Buchdrucker zu einem Festfond begannen bereits 1837. Die Buchhändler traten 1839 hinzu und die Stadt bewilligte 3000 Thaler. Das unter den günstigsten Auspizien vor- bereitete Fest nahm den würdigsten Verlauf.

Bereits am Nachmittag des 23. Juni hatte die ganze Stadt sich festlich geschmückt. Die Häuser waren mit Guirlanden und Kränzen behängt, Fahnen wehten und Triumphbogen waren errichtet.

342 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XII. KAP.

Früh am 24. durchzog eine grosse Reveille die Stadt. Um 8 Uhr Das Jubelfest versammelten sich die anwesenden Kammer mitglieder, die könig- lichen und städtischen Behörden, die Konsuln, das Offiziercorps, die Geistlichkeit, die Schulrektoren, die Spitzen der Universität und die Professoren, die Handlungsabgeordneten, die Obermeister und Beisitzer der Innungen, schliesslich die Festgeber: Buchdrucker, Schriftgiesser und Buchhändler, an verschiedenen Orten. Von Deputierten des Festcomites geleitet begaben sich die einzelnen Züge nach der Thomaskirche zu dem, vom Superintendenten Dr. Grossmann abgehaltenen Festgottesdienste. Als Text war gewählt: „Es ward ein Mann von Gott gesandt, der hiess Johannes ; derselbe kam und zeugte von dem Licht".

Um 10 Uhr begann der grosse Festzug von dem Gewandhause aus nach der Buchhändlerbörse, wo die von den Frauen gestiftete Fahne den Buchdruckern übergeben wurde. Von da ab ging der Zug nach dem Marktplatze, dessen dritten Teil die amphitheatra- lische Zuschauer- und Musiker -Tribüne einnahm. Nach Absingung der von Felix Mendelssohn - Bartholdy komponierten Festkantate hielt Raymund Härtel eine begeisterte und zündende Festrede, die mit den Worten schloss :

„Du Allmächtiger, der du jedem Volke seine Bestimmung zugeteilt hast, lass unser Jubelfest der Buchdruckerkunst dir ein Dankfest sein für die hohe Gabe und hilf du selber, dass sie forthin durch menschliche Willkür weder gemissbraucht, noch verkümmert werde. Ein Jubelfest ist auch ein Ausruhen von hundertjähriger Arbeit, und das ernste Geschäft des Lebens verklärt sich zum heiteren Festspiele : Darum öffne sich die Werkstatt und der alte Meister erscheine mitten unter seinem Feste!" Als dann die Hülle sank, welche bis jetzt die im Mittelpunkte des Marktes befindliche Festoffizin mit den arbeitenden Giessern, Setzern und Druckern, weit überragt von dem kolossalen Gipsabguss der Mainzer Guten- berg-Statue Thorwaldsens, den Blicken der Menge entzogen hatte, entstand ein unbeschreiblicher Jubel. Es war ein unvergesslicher Augenblick, der, im jugendlichen Alter erlebt, noch dem Greise in späten Jahren so lebhaft in der Erinnerung vorschwebt, als handle es sich um ein Ereignis von gestern, und den miterlebt zu haben als eine Gunst des Schicksals betrachtet werden muss.

iSio.

XII. KAP. DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE. 343

Um 3 Uhr fand in der Halle am Augustusplatze ein Festessen statt, an welchem etwa 3000 Personen teilnahmen. Bei Eintritt der Das Jubelfest Dunkelheit bekundete eine glänzende Erleuchtung der Stadt die allgemeine Teilnahme aller Behörden und Bürger an dem Feste.

Am 25. vormittags fand eine Versammlung fremder und. ein- heimischer Gelehrter, Künstler und Buchhändler in der Festhalle statt. Gleichzeitig wurde in der Buchhändlerbörse eine interessante Ausstellung älterer und neuerer Druckwerke, Xylographien u. a. eröffnet. Um 3 Uhr füllte die Aufführung des von Mendelssohn für das Fest komponierten Lobgesanges, die unter Leitung des Kom- ponisten und unter Beihülfe von über 500 Sängern und Musikern stattfand, die Thomaskirche. Abends war grosser Ball von über 4000 Personen in der Festhalle. Die Familien der Beamten, Professoren, Prinzipale und Gehülfen verkehrten im fröhlichsten Durcheinander und selbst der eindringende Gewitterregen musste dazu beitragen, die Heiterkeit zu erhöhen.

Am 26. vormittags war eine interessante Festvorstellung im Schauspielhause veranstaltet: Theaterschau von der Erfindung der Buchdruckerkunst bis auf die neueste Zeit. Um 1 Uhr begannen die Festzüge der Innungen, sich nach dem Exerzierplatz am Rosenthal, wo ein echtes Volksfest abgehalten werden sollte, in Bewegung zu setzen. Der mit Zelten in grosser Zahl, Fahnen, Buden, Caroussels, Tribünen etc. geschmückte, dicht an den Wald sich lehnende Platz bot mit den etwa 60 000 Anwesenden ein höchst belebtes und anmutiges Bild. Am Abend ward noch ein glänzendes Feuerwerk abgebrannt. Dann zogen die Innungen nach und nach wieder mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen nach der Stadt. tDen Beschluss machte der grosse Zug der Festgeber mit 1000 Fackeln, die unter Gesang und Jubel auf dem Marktplatze zusammengeworfen wurden.

Nicht ein Misston hatte das herrliche Fest gestört, welches Leipzig mit dankbaren und stolzen Gefühlen hatte begehen können, denn es war zugleich ein Huldigungsfest Leipzigs als Führerin auf dem Gebiete der Buchdruckerei und des Buchhandels im Vaterlande Gutenbergs geworden. Dass Leipzig willens ist, seine ehrenvolle Stellung zu behaupten, wird ein Blick auf die jüngste Vergangen- heit und auf den Augenblick zeigen.

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Eine eigentliche Umgestaltung" des Geschmacks für das Giesecke & Accidenzfach , das heutzutage einen so wichtigen Platz einnimmt,

Devrient.

ging erst von der Firma Giesecke & Devrient aus. Diese, jung an Jahren, reich an Ehren, zeigte, dass eine Staatsdruckerei nicht notwendig ist, um das zu leisten, was man von Staatsanstalten verlangt und mit Recht verlangen kann, weil diese in erster Reihe zu Ehren der Kunst und nicht um eine Existenz zu begründen arbeiten.

Die Firma wurde von Hermann Giesecke und Alphonse Devrient am i.Jüni 1852 begründet, zu einer Zeit, wo der typo- graphische Geschmack und der Sinn für schöne Accidenzarbeiten namentlich durch Hänel einen wesentlichen Aufschwung genommen hatte (S. 281). Die genannten waren Männer, wie sie die Zeit eben verlangte, um dem Geschmack eine bestimmte Richtung zu geben. Sie haben hierin bedeutende Verdienste und waren stets redlich bemüht, das Halbgute durch das wirklich Gute zu ersetzen.

Nach und nach entstand in ihrem Hause eine Reihe von graphischen Spezialanstalten , die namentlich zur Herstellung der unendlich vielen Wertzeichen nötig waren, mit deren Anfertigung die Firma nicht nur von den verschiedenen Regierungen und Geld- instituten Deutschlands betraut wurde, sondern die ihnen auch aus der Schweiz, Italien, Holland, Schweden, Finnland, Rumänien und Amerika zuflössen. Es war die glänzendste Zeit der Gründungen, des Aktien- und Papiergelddruckes, welcher erst der Krach, dann die Gründung der Reichsbank- eine Grenze setzte.

Aber der Ruhm der Firma war nicht allein von diesem höheren Accidenzdruck abhängig, sondern wurde noch durch hervorragende Werkdrucke gesteigert. Unter diesen muss einer erwähnt werden, welcher, wenn auch von kaiserlicher Munifizenz getragen, als eine der hervorragendsten Leistungen intelligenter Typographen dasteht : die Reproduktion des von Const. Tischendorf entdeckten Codex 'sinaitkus. Codex Bibliorum Sinaitims , welche für Rechnung der Besitzerin dieses Schatzes, der russischen Regierung, ausgeführt wurde. Zuerst wurden photographische Facsimiles derjenigen unter den einzelnen Buchstaben, welche dem Herausgeber den Charakter der Handschrift am besten auszudrücken schienen, veranstaltet, und hiervon zwei Gattungen , eine grössere für den Text und eine für die Noten,

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dazu später noch eine dritte geschnitten. Als es sich jedoch ergab, dass die Abstände zwischen den einzelnen Buchstaben in dem Original manchmal in einem anderen Verhältnis zu einander standen als in dem Satz, mussten verschiedenartige Güsse gemacht oder durch Unterschneiden der einzelnen Buchstaben nachgeholfen werden. Der Raum der einzelnen Buchstaben wurde durch Tischen- dorf nach Millimetern ausgerechnet und die Zahl solcher an jeder einzelnen Stelle im Manuskript verzeichnet. Nachdem Tischen- dorf ferner entdeckt hatte, dass vier verschiedene Kalligraphen bei dem Codex thätig gewesen waren, mussten eine Menge Ergänzungstypen geschaffen werden, um die Eigentümlichkeiten der verschiedenen Schreiber wiederzugeben. So hatte z. B. das Omega sieben Varianten. Auch die getreue Wiedergabe der Zusätze zwischen den Zeilen des Manuskripts musste statthaben, ja selbst die x^bweichungen der alten Kalligraphen von der üblichen Regel waren getreulich nachzuahmen. So entstand ein Werk ohne Rivalen.

Ebenfalls als eine höchst gelungene Facsimile- Ausgabe ist der durch Lithographie im Verein mit der Typographie hergestellte Pa/jtros eu™. Papyros Ebers (bei Wilh. Engelmann in Leipzig) zu bezeichnen. Die Nachahmung der Färbung der Schrift und der Pflanzentextur des Papyrus ist so vollkommen gelungen, dass man auf Carton aufgezogene Papyrosblätter vor sich zu haben glaubt. Während die lithographische Nachbildung aus der Offizin von Giesecke & Devrient stammt, ist der textliche Teil mit den hieroglyphischen Typen des F. Theinhardt von Breitkopf & Härtel gedruckt.

Alphonse Devrient, der berühmten Künstlerfamilie Devrient angehörend, starb frühzeitig auf einer Erholungsreise nach Berlin Aiph. Devriem am Ostermorgen 1878. Er hatte bei Fr. Nies gelernt und arbeitete * * 1 1878? " vier Jahre in der Impriiuerie royale in Paris in der sogenannten Chambre arabe unter der strengen, jedoch wohlwollenden Leitung Lud. Rousseaus und des gelehrten Orientalisten Jul. Mohl und ging dann nach England. Er war einer der tüchtigsten Typographen seiner Zeit. Der überlebende Chef Herm. Giesecke entstammt dem bekannten Hause Schelter & Giesecke, als Sohn des C. F. Giesecke.

Eine aus kleinen Anfängen rasch zu einem Weltgeschäft Bibiiographi- angewachsene Druck- und Verlagsanstalt ist das Bibliographische Institut,

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Im Jahre 1826 gründete Joseph Meyer in seiner Vaterstadt Jos. Meyer Gotha das Institut, welches 1828 nach Hildburghausen verlegt

+ 27. juni 1856. wurde. Das mit Stahlstichen illustrierte „Universum" erreichte eine für damalige Zeit ganz enorme Auflage von 80 000 Exemplaren. Es folgten verschiedene Klassiker-Bibliotheken, deren Rechtmässig- keit bestritten wurde, die aber durch eine bisher ungekannte Billigkeit die Kauf- und Leselust anregten und eine weite Verbreitung fanden. Dann kam das grosse Konversations-Lexikon in 52 starken Bänden. J. Meyer war ein Mann von ausgebreiteten Kenntnissen mit einer staunenswerten Arbeitskraft, die erj'edoch über alles Mass anstrengte, indem er neben der bibliopolisch - typographischen Wirksamkeit noch grossartige industrielle Pläne verfolgte.

Sein Sohn Hermann Julius Meyer zog mit dem Institut 1874

h.j. Meyer, nach Leipzig1. Jetzt steht dasselbe als eines der grossartigsten und am besten geleiteten nicht nur in Deutschland da. So imponierend auch schon die äusseren Einrichtungen wirken, so ist es doch namentlich die innere Organisation dieser mit zwei Rotations- maschinen und 31 Schnellpressen arbeitenden Anstalt, welche Bewunderung erregt. Das Geschäft sucht und findet seine Kraft in der Konzentration und in der Erreichung möglichster Voll- kommenheit innerhalb der selbstgesteckten Grenzen für seine Wirksamkeit. Von der dritten Auflage des grossen Konversations- Lexikons wurden über 100 000 Exemplare abgesetzt, daneben erlangte das kleine Lexikon in zwei Bänden eine grosse Popularität. Ein Werk von hohem Wert ist A. E. Brehms „Tierleben" in zehn prachtvoll illustrierten Bänden.

Ein Geschäft, welches ebenfalls in verhältnismässig kurzer Zeit

j. Künkhardt. eine grosse Entwickelung und Ausdehnung gewann, ist das bereits (S. 287) erwähnte von J. Klinkhardt, welches mit 21 Schnellpressen, 22 Handpressen und 35 Giessmaschinen über 400 Personen beschäf- tigt und vortreffliche Arbeiten im modernen Stil liefert.

Dass diese und die sonst genannten Offizinen dem Illustrations- druck alle erdenkliche Sorgfalt widmen, ist selbstverständlich, ausser denselben besitzt Leipzig jedoch noch eine Reihe von

1 Das Etablissement, durch Pläne illustriert, ist im Journ. f. B. 1876, Nr. 27 ausführlich beschrieben.

XII. KAP. DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE. 347

Druckereien, die sich vorzugsweise mit Illustrationsdruck beschäf- Verschiedene

ö . Druckereien.

tigen. Des von Ed. Kretzschmar begründeten Geschäfts (jetzt C. Grumbach) wurde bereits (S. 298) gedacht. Vieles zur Bildung einer tüchtigen Schule von Holzschnittdruckern trug Kretzschmars erster Gehülfe Joh. Chr. Benedict bei. A. H. Payne druckt mit Rotationsmaschine und 18 Schnellpressen für den eigenen Verlag eine grosse Anzahl von illustrierten Blättern und Werken. Alex. Edelmann und Otto Dürr wirkten erst zusammen, dann getrennt und lieferten mehrere der grossen Berliner Modezeitungen und viele Pracht werke für Alf. Dürr, während A. Hundertstund & A. Pries namentlich den Seemannschen Kunstverlag druckten. Alex. Wiede beschäftigt 18 Schnellpressen fast nur mit der Her- stellung der „Gartenlaube". Aus den Pressen der Firma Fischer & Wittig stammen sehr viele der schönsten illustrierten Prachtwerke neuerer Zeit sowohl aus dem Verlag von Leipziger als auswärtigen Buchhändlern.

Mit wissenschaftlichen Werken beschäftigten sich vorzugsweise Metzger & Wittig, A.Th. Engelhardt, C. Hirschfeld, Otto Wigand und Bär & Hermann, welche letztere den Druck russischer Werke als Spezialität pflegen; Ph. Reclam jun. liefert mit 22 Schnellpressen fast ausschliesslich Zwanzigpfennigbände seiner Universalbibliothek; Otto Spamer druckt seine zahlreichen illustrierten Jugendschriften und populären Werke; C. G. Naumann hat seine umfangreiche Offizin nur für Accidenzien eingerichtet; Alex. Waldow verwendet die seinige nur für den Druck des „Archiv der Buchdruckerkunst" und anderer in seinem Verlage erscheinender, zumteil von ihm verfasster typographischer Fachschriften *.

An Tagesblättern ist Leipzig geradezu arm und manche Provinzialstädte Deutschlands von 30 50000 Einwohnern haben eine weit reichere Zeitungslitteratur aufzuweisen. Das umfänglichste Journal, namentlich zur Zeit der Messen, ist das „Leipziger Tage- blatt". Der Verleger E. Pölz beschäftigt für den Druck desselben und ausserdem hauptsächlich für den des C. F. Winterschen Verlags drei Rotationsmaschinen und elf Schnellpressen.

1 Darunter : Die Buchdruckerkunst in ihrem technischen und kaufmännischen "Betriebe. 2 Bde. 4. 1874—1877. Illustrierte Kncyklöpädie der graphischen Künste. 1880-1883.

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Nicht alle graphischen Firmen Leipzigs, die tüchtiges liefern, können wir hier aufzählen. Die Zahl der Buchdruckereien Leipzigs (incl. der Vororte) beträgt 92 mit 7 Rotationsmaschinen, 437 Schnell- pressen und 292 Tret- und Handpressen. Die 69 lithographischen Anstalten beschäftigen 146 Schnellpressen, 517 Handpressen. In beiden Branchen sind gegen 6200 Personen thätig.

Den enormen Aufschwung, welchen das Musikaliengeschäft in c. g. Rödcr. Leipzig nahm, veranlasste ein Institut für Notendruck, das seines- gleichen sucht. C. G. Röder gründete mit kleinsten Mitteln 1846 seine Notendruckanstalt, welche jetzt mit 34 Schnellpressen, 25 Handpressen und einem Personale von 400 Köpfen arbeitet und namentlich die äusserst umfangreiche Edition Peters im Verlage des Bureau de musique druckt. An eigentlichen lithographischen Kunstinstituten hat Leipzig keinen Überfluss, dagegen ist die Anstalt für Phantasieartikel und Luxuspapiere von Meissner & Buch, die mit 15 Schnellpressen, 30 Handpressen und 46 Präg- und anderen Maschinen arbeitet, von grosser Bedeutung; auch die Offizin von Wetzel & Naumann hat einen enormen Aufschwung genommen und arbeitet hauptsächlich für den Export mit 32 Schnell- pressen, 27 Handpressen und 450 Arbeitern. H.Wagner & E. Debes beschäftigen sich ausschliesslich mit kartographischen Arbeiten. Als Lichtdrucker leisten A. Naumann & Schröder vorzügliches. Die Zahl der xylographischen und chemigraphischen Anstalten ist eine beträchtliche.

Es würde zu weit führen, alle die Verleger aufzuzählen, die, DicdieTypo- ohne eigene Druckereien zu besitzen, doch auf die Typographie 3 den Verleger, einen grossen Einfluss übten. Den Buchdruck für .wissenschaftliche Zwecke förderten u. a. namentlich J. A. Barth, W. Engelmann, Sal. Hirzel, L.Voss, die J. C. Hinrichssche Buchhandlung, F. C.W. Vogel1, T. O. Weigel (I, S. 6), Rud. Weigel (I, S. 103), O. Wigand und C. F. Winters Verlag.

Für den illustrierten Verlag waren J. J. Weber und Georg Wigand in den dreissiger Jahren bahnbrechend. J. J. Weber führte

1 Früher hatte diese Firma eine 181 1 eingerichtete, namentlich mit orientalischen Schriften gut ausgestattete Druckerei, die 1858 auf G. Kreysing überging.

XII. KAP. DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE. 349

1832 das „Pfennig-Magazin" und 1843 die „Illustrirte Zeitung" ein. Die von Ad. Menzel illustrierte Geschichte Friedrichs des Grossen wurde noch während der Zeit der ersten Neuentwickelung des Holzschnittes in Deutschland (S. 297) unternommen, überhaupt wirkte geschmackvolle Ausstattung aller Weberschen Artikel sehr anregend sowohl auf die Buchdruckereien wie auf die Verleger.

Gleichzeitig mit Weber wirkte Georg Wigand, dessen im Verein mit seinem Bruder Otto Wigand 1840 unternommene Aus- gabe von dem Nibelungenlied, illustriert von Hübner und Bende- mann, eine schöne Jubelerinnerung bildet. Sowohl durch eigene Neigung als namentlich durch seine innige Verbindung mit Loda, Richter und Schnorr von Carolsfeld wurde er auf die mehr ursprüng- liche echt deutsche Art des Holzschnitts geführt, von welchem Schnorrs Bibel in Bildern ein monumentales Denkmal bleibt.

In neuerer Zeit waren es namentlich E. A. Seemann und Alf. Dürr, welche den illustrierten Verlag förderten. Seemann lieferte eine grosse Reihe von Werken über die verschiedenen Zweige der Kunst und der Kunstgewerbe, Alf. Dürr pflegte namentlich die strengere Richtung der illustrierenden Kunst in den Werken von J. Führich, Preller u. a., daneben lieferte er eine Reihe von Jugend- schriften in höchst anziehender Weise durch Ose. Pletsch illustriert. Auch Fr. Brandstetter, J. A. Baumgärtner, E. Keil, Velhagen & Klasing, K. Bädeker, Schmidt & Günther u. a. leisteten durch ihren Verlag den Illustrationsdruckern grossen Vorschub.

Unter den sonstigen Städten des Königreichs Sachsen hat die Residenzstadt Dresden allein einen bedeutenden Platz und unter den 47 Buchdruckereien und 54 lithographischen Anstalten, die mit 209 Schnellpressen und 251 Tret- und Handpressen arbeiten, nimmt wieder die Firma C. C. Meinhold & Söhne die hervorragendste Stellung ein. Der Begründer derselben, Carl Christian Meinhold, Sohn eines Bergmannes aus Marienberg, erwarb die Hofbuch- druckerei, welche ihren Ursprung dem Herzog Georg dem Bärtigen verdankt, der 1524 den Buchdrucker Wolfg. Stöckel aus Leipzig nach Dresden berief, um reformatorische Schriften zu drucken. Stöckeis Geschäft kam 1590 an die Familie Bergen, in welcher es

Familie Meinhold

Andere Offi- zinen.

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blieb, bis Meinhold es 1778 übernahm und bald zu einer grösseren Blüte brachte. Er druckte die sächsischen und polnischen Kassen- billets und Staatspapiere und machte auch glückliche Verlags- spekulationen. Im Jahre 18 16 übergab er die Geschäftsleitung seinen

c. 1. Meinhoui Söhnen, von welchen Christian Immanuel Meinhold es nach dem * 1784, •}• 1861.

Tode des Vaters allein übernahm. Zu der Buchdruckerei fügte er

Schrift- und Stereotypengiesserei. Seine Söhne Julius und Theodor wurden 1855 Teilnehmer und von 1875 führte Julius das Geschäft allein fort und feierte am 28. Januar 1878 das hundertjährige Jubi- läum der Firma.

Zu erwähnen sind noch namentlich B. G. Teubners Filiale des Leipziger Geschäfts (6 Schp.), E. Blochmann & Sohn (2 Rotm., 5 Schp.), der von Leipzig übersiedelte W. Baensch (8 Schp.), R. H. Dietrich (8 Schp.), Gleissner (Rotm. und 7 Schp.), C. Heinrich (12 Schp.), H. G. Münchmeyer (9 Schp.), Liepsch & Reichhardt (Rotm., 4 Schp.), J. Pässler (7 Schp.), Ad. Wolf (7 Schp.). Von den lithographischen Anstalten waren früher besonders angesehen: H. Hanfstängl und Fürstenau, ersterer auf Grund seines Galerie- werkes, letzterer wegen seiner brillanten Accidenzarbeiten; jetzt sind die grössten Institute W. Brückner & Co. (8 Schp., 6 Hdp.), R. Bürger (6 Schp., 5 Hdp.), R. Friedländer (7 Schp., 7 Hdp.). Als Lichtdrucker haben Römmler & Jonas (7 Schp.) bereits lange einen Namen. W. Hoffmann arbeitet mit 8 Lichtdruckschnell- pressen. Als Verlagsort hat Dresden Bedeutung durch seine Kunst- verleger, als: E. Arnold,- A. Gutbier, Hanfstängl, F. & O. Brockmann Nachfolger, G. Gilbers, H. Krone u. a.

In der Fabrikstadt Chemnitz beschäftigen sich die Buch- druckereien wesentlich nur mit Zeitungs- und Accidenzdruck. Einen ungewöhnlichen Umfang erreichte das Geschäft von Picken- hahn & Sohn (1 Rotm., 20 Schp. und 150 Arb.). Unter den litho- graphischen Anstalten ist R. Oschatz (8 Schp., 16 Hdp.) die grösste. BAUTZEN hat eine sehr leistungsfähige Steindruckerei und Luxus- papierfabrik, Gebr. Weigang (23 Schp., 12 Hdp.); in dem Fabrikort Buchholz liefert G. Adler tüchtige Accidenzarbeiten für seine eigene bedeutende Cartonnagenfabrik. In Plauen wirkt ebenfalls für den Bedarf der Fabriken Mor. Wieprecht (6 Schp.), in MEISSEN C. E. Klinkicht & Sohn (4 Schp.).

XII. KAP. DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE. 351

Durch die Eisenbahnverbindung kann ALTENBURG fast als eine Vorstadt des typographischen Leipzig betrachtet werden. Wohlfeilere Lebensverhältnisse setzten in der tariflosen Zeit die dortigen Buchdrucker in den Stand, vorteilhaft mit den Leipzigern konkurrieren zu können. Diese Verhältnisse verstanden erst H. A. Pierer, welcher 1832 das von dem Vater Joh. Pierer erworbene Druckgeschäft übernommen hatte, und dann dessen Söhne Eugen und Alfred mit Geschick zu benutzen, so dass das gut und mit genügenden Mitteln geleitete Geschäft den Leipziger Druckereien öfters eine schwer zu bestehende Konkurrenz bereitete. Das in Pierers Verlag erschienene „Universal-Lexikon" besass neben dem Brockhausschen Konversations-Lexikon ein grosses Ansehen, wenn auch die Verbreitung sich innerhalb massiger Grenzen hielt1.

Am 1. Januar 1872 ging die Druckerei in die Hände eines Leipziger Konsortiums über, unter Leitung des Mitbesitzers Steph. Geibel. Die Offizin wuchs rasch (19 Schp.) und hat sich namentlich einen Ruf durch ihre Accidenzarbeiten erworben (s. 292).

Thüringen hat viele gut eingerichtete aber keine besonders hervorragenden Druckanstalten aufzuweisen. In Gera lieferte Issleib & Rietschels Hofbuchdruckerei (6 Schp.) Beachtenswertes, namentlich im chemigraphischen Landkartendruck. HlLDBURG- HAUSEN hatte früher durch das Bibliographische Institut (S. 346) Bedeutung; eine tüchtige Druckanstalt daselbst ist noch die von Gadow & Sohn (5 Schp.). Die Hofbuchdruckerei in Weimar datiert aus dem Jahre 1624, als der an allen Kulturbestrebungen regen Anteil nehmende Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen in seinem Schloss eine Offizin errichten Hess, in welcher er selbst und seine Gemahlin an dem Satz Lutherscher Werke arbeiteten. Die Hauptstücke der christlichen Lehre fasste er als Enchiridion für den Unterricht seiner beiden Töchter zusammen.

Nach manchen Wandlungen durch zwei Jahrhunderte kam die Offizin in den Besitz Hermann Böhlaus2, in welchem sie sowohl

1 Über Pierers Verhältnis zu Brockhaus und dessen Konversations-Lexikon, sowie über das Entstehen des Universal-Lexikons enthält das bereits erwähnte Werk des Dr. Ed. Brockhaus sehr interessante Details.

2 IL Böiilau, Zur Geschichte der Hofbuchdruckerei in Weimar. Einleitung zu seinem Verlagskatalog.

352 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XII. KAP.

durch Arbeiten für den eigenen Verlag, wie für fremde Rechnung einen raschen Aufschwung genommen hat.

Eine rastlose Thätigkeit entwickelte die Weimarer Druck- und Verlagsfirma B. F. Voigt. Verfolgt sie auch keine idealen Zwecke, so hat sie doch durch ihren grossen technischen Verlag (gegen 1500 Artikel und 20 Zeitschriften), namentlich durch ihren „Schauplatz der Künste und Handwerke" in etwa 300 Werken, von welchen mehr als die Hälfte neue Auflagen (öfters sechs bis acht) erlebten, vieles zur Verallgemeinerung technischer Kenntnisse bei- getragen. Die Natur des Verlages lässt keine Prachtwerke zu, doch sorgt die Firma für gute Ausführung der Werke sowohl als der vielen lithographischen Beilagen.

In Gotha gehört die Engelhard-Rheyersche Hof buchdruckerei justus Perthes zu den besten Anstalten Deutschlands. Der Besitzer Fr. Engelhard t i.Mai 1816.' hat sich ausserdem um die Organisation der Krankenkassen der Gehülfen sehr verdient gemacht. Einen Weltruf hat das geogra- phische Institut von Justus Perthes erlangt. Der Gründer war Joh. Georg Justus Perthes aus Rudolstadt; die ausschliesslich geographische Richtung erhielt das Geschäft erst durch den Sohn Wilh. Perthes, der auch den Gothaischen Hofkalender und den AlmanacJl de Gotha erwarb. Stielers Handatlas eröffnete die Reihe des bedeutenden kartographischen Verlags, bei welchem H. Berg- haus, v. Stülpnagel, v. Spruner u. a. mitwirkten. Die grösste Blüte Bemh. Perthes erlangte die Anstalt unter der Direktion des Bernhard Perthes, 7' die noch während der Lebenszeit des Vaters begann, leider aber bereits vier Jahre nach des letzteren Tod ihre Endschaft erreichte.

Unter der wissenschaftlichen Leitung des Dr. August Peter- Aug. Petermann mann bildete sich das Geschäft, unterstützt durch die seit 1855

..Mittet] unsren".

monatlich erscheinenden „Mitteilungen aus Justus Perthes' geogra- phischer Anstalt", zu einem Mittel- und Einigungspunkte der Bestrebungen für die gesamte Erdkunde aus.

Perthes' Absichten in technischer Beziehung gingen nicht darauf, alle graphischen Künste in ein äusserlich grosses Etablisse- ment zu vereinigen, sondern er verteilte die Arbeiten auf etwa dreissig selbständige Unternehmer, welche nahe an 400 Arbeitern den Unterhalt brachten.

XII. KAP. DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE. 353

In ERFURT geben die vielen Gärtnereien und die Eisenbahn- direktion zu einem lebhaften Accidenzgeschäft Veranlassung. Die' bedeutenderen Offizinen sind die von Ohlenroth (6 Schp.), Fr. Bar- tholomäus und G. A. König. H. C. Bestehorn in ASCHERSLEBEN beschäftigt 8 Schnellpressen und viele Arbeiter mit Luxuspapier- fabrikation. Th. Müller in NORDHAUSEN liefert mit 8 Schnellpressen Etiquetten, Geschäftspapiere u. dgl.

In Halle befindet sich die altehrwürdige Waisenhausbuch- handlung und Buchdruckerei nebst der damit verbundenen v. Can- STEiNschen Bibelanstalt. Die erstere wurde 1697 durch den Pfarrer Heinr. Jul. Elers als Teil derFranckeschen philanthropischen Stiftungen begründet1. Für eine Buchdruckerei wurde wenige Jahre nachher ein Privilegium erteilt. Die Cansteinsche Bibelanstalt istDieCansteinsrfie

1 -n /-" /— Bibelanstalt.

durch die Anstrengungen des Barons Carl Hildebrandt von Can- stein durch gesammelte Beiträge gegründet. Bereits 17 12 konnte das Neue Testament, 17 13 die ganze Bibel gedruckt werden, v. Canstein starb am 19. Juli 1719, worauf Francke die Anstalt über- nahm, die im Jahre 17 13 ebenfalls eine eigene Buchdruckerei erhielt. Eine neue Epoche für dieselbe begann mit der Gründung der Britischen Bibelanstalt 1804 (S. 99) und der deutschen Hauptbibel- gesellschaft. Im Jahre 1830 konnte die erste Schnellpresse auf- gestellt und 1839 eme Stereotypie eingerichtet werden. Die Zahl der von 17 12 1872 gedruckten Bibeln und Neuen Testamente betrug nahe an sechs Millionen. Seit dem Jahre 1860 sind die beiden Druckereien derFranckeschen Stiftungen imBetrieb vereinigt (12 Schp.) unter der sicheren Leitung des tüchtigen Buchdruckers C. Bobard. Einen besonderen Aufschwung nahm die Buchhandlung seit 1858 unter der umsichtigen Direktion von Osw. Bertram, der o.Bertram sich auch um den Deutschen Buchdrucker -Verein sehr verdient gemacht hat. Sein Nachfolger ist der durch seine höchst verdienst- lichen bibliopolischen Schriften bekannte Aug. Schürmann -'.

1 Osw. Bertram, Geschichte der Cansteinschen Bibelanstalt in Halle. 1863. Die Stiftungen A. H. Franckes. Halle 1863. G. Kramer, A. 1 1. Francke. Halle 1880. Ann. d. Typ. 1873, Nr. 204 u. 205.

2 Die Usancen des deutschen Buchhändeis. 2. Aufl. Leipzig 1867. Magazin für den deutschen Buchhandel 1874—1876 u. a.

23

354 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XII. KAP.

Ein angesehenes Geschäft ist das Gebauer- Schwetschkesche. Carl August Carl August Schwetschke aus Glauchau kam 1783 als Faktor in

Schwetschke .. i -itt- tt 1 r> , ..

* 29. Sept. i756. die Buchhandlung der Witwe Hemmerde, welche ihn 1788 als Mit-

besitzer aufnahm. Die Firma wurde nun Hemmerde & Schwetschke und, als des letzteren Sohn Carl Ferdinand im Jahre 1828 eintrat, Schwetschke & Sohn. Im Jahre 1820 war ihm die Gebauersche Buchhandlung und Buchdruckerei zugefallen, die er als besonderes Dr. CariGust. Geschäft seit 1828 mit seinem jüngeren Sohne Dr. Carl Gustav

Schwetschke

* 5. April 1805, Schwetschke fortführte.

f 5. Okt. 1881.

Bereits am 30. September 1878 konnte die Familie eine drei- fache Jubelfeier begehen, die des hundertjährigen Bestehens des Geschäfts, die fünfzigjährige der geschäftlichen Wirksamkeit Dr. Gustavs und die fünfundzwanzigjährige derjenigen seines Sohnes Carl Ferdinand. Zu den bedeutenden Unternehmungen der Firma gehören: Städae Lexicon graece et latine und Freytagü Lexicon arabico latinuvi. Dr. G. Schwetschke erwarb sich einen bekannten und beliebten Namen durch seine litterarischen Arbeiten1.

Die frühere Bedeutung MAGDEBURGS als Druckplatz ging bald verloren. Erst durch Ed. Hänel (S. 281), dessen Etablissement noch heute besteht, gewann es wieder einen Namen. Zu nennen sind besonders, das Etablissement von E. Baensch jun. (10 Schp.) und die Druckerei der Brüder Alexander und Robert Faber, welche die in ihrem Verlage erscheinende „Magdeburgische Zeitung", die eine einfiussreiche Stellung und eine grosse Verbreitung erreicht hat, mit 3 Rotationsmaschinen und 5 Schnellpressen druckt.

BRAUNSCHWEIG hat, obwohl nicht durch besondere örtliche Verhältnisse begünstigt, eine ziemlich bedeutende Rolle in der deutschen Typographie gespielt. Hier wirkte die Firma Vieweg & Sohn, welche durch ihr Beispiel grossen Einfluss auf die Fortschritte

f 25. Dez. 1835. .

in der deutschen Bücherausstattun? geübt hat. De

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Geschäfts war Fr. Vieweg (1799), den Höhepunkt erreichte dasselbe

Ed. vieweg nach dem Beitritt des Sohnes Hans Heinrich Eduard Vieweg im

i j. nee. 1869. Jahre 1825. Er war zu Berlin geboren und hatte sich für seinen

1 Vorakademische Buchdruckergcschichte von Halle. 1840. Codex mmdinarius Germaniae litcratae bisccularis 1850. In weiteren Kreisen fanden grossen Beifall seine prosaischen und poetischen Schriften in korrumpiertem Latein, ilm-unter Naime episiolac obsciiromm virorum.

Einfluss Viewegs.

XII. KAP. DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE. 355

Beruf in Frankreich ausgebildet. In Paris schloss er eine für das Leben dauernde Freundschaft mit dem berühmten Chemiker Justus v. Liebig, die für Viewegs geschäftliche Wirksamkeit von grösstem Einfluss wurde. Aus England brachte er die erste Columbiapresse nach Deutschland und unternahm es , auf der Zorger Eisenhütte im Harz dergleichen Pressen bauen zu lassen (S. 316).

Vieweg wurde ein Bahnbrecher für den guten typographischen Geschmack. Durch die Verwendung des instruktiven Holzschnittes in einem Maasse, wie früher nicht gekannt war, hat er ganz ausser- ordentlich zu der wahren Popularisierung der Wissenschaft, welche nicht mit dem oberflächlichen Naschen durch Hülfe zusammen- geschriebener, sogenannter populärer Litteratur verwechselt werden darf, beigetragen. Seine Druckwerke, zu denen die eigenen Werk- stätten die Schriften, die Holzschnitte und das Papier lieferten, waren ein Spiegelbild seiner eigenen Persönlichkeit. Alles durch und durch gentlemanlike ; gediegenes Innere in einfach nobler Hülle. Das ganze Viewegsche Institut erinnert an die besten Werkstätten der früheren Blütezeit der Typographie mit ihren begeisterten, nach einem festen Ziele strebenden Leitern. Für das allgemeine Interesse des Buchgewerbes trat Vieweg stets mit Energie ein. Er unterlag in seinem 73. Jahre langen und schweren Leiden. Das Geschäft blüht fort und beschäftigt 14 Schnellpressen und 10 Handpressen.

In ähnlicher Weise wie Vieweg wirkte George Westermann, welcher mit seiner 1838 gegründeten Buchhandlung 1845 eine c.westermann Buchdruckerei vereinigte. Beide Geschäftszweige gelangten zur Yf. Sept! lall'. vollen Blüte und die Westermannschen Leistungen sind ebenso vorzüglich wie seine Offizin (15 Schp.) eine schön eingerichtete ist. Unter seinen Verlagsunternehmungen sind am bekanntesten seine nach amerikanischem Muster angelegten illustrierten „Westermanns Monatshefte" (seit 1856). Durch E. Gabler errichtete er in Leipzig eine chemitypische Anstalt, in welcher er seine äusserst billigen Kartenwerke herstellte. Von Langes Schulatlas ist bereits mehr als eine Million Exemplare verbreitet.

Unter den Druckanstalten Braunschweigs nimmt auch die von Julius Krampe (i Rotm., 8 Schp.) einen angesehenen Platz ein. Die lithographische Anstalt der Firma H. Litolff (8 Schp., 5 Hdp.) druckt den bedeutenden Musikalien -Verlag der Firma.

23"

356 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XII. KAP.

An Braunschweig und die Firma Joh. Heinr. Meyer knüpft sich Dr. h. Meyer, noch die Erinnerung an einen Mann, der von den deutschen Typo- graphien stets hoch in Ehren gehalten zu werden verdient. Wie Vieweg auf dem praktischen Wege bahnbrechend wirkte, so Dr. Heinrich Meyer auf dem theoretischen durch sein „Journal für Buchdruckerkunst". Dasselbe wurde 1834 begründet, zu einer Zeit des regsten Schaffens auf allen graphischen Gebieten. Kaum eine Woche verging, welche nicht eine Verbesserung, eine neue Schrift, eine neue Maschine u. dgl. brachte. Das Verdienst, alle diese Neuheiten nicht nur gewissenhaft registriert, beschrieben und abgebildet, sondern auch ihrem wahren Werte nach unparteiisch und nüchtern beurteilt zu haben, gehört Meyer. Fast immer war sein Urteil zutreffend und die Zukunft lehrte gewöhnlich, wie recht er gehabt hatte. In seiner Selbstlosigkeit war ihm die Sache alles; nie Hess er sich von persönlichen Sympathien bestechen oder von Antipathien zu Ungerechtigkeiten hinreissen; sein Blatt blieb frei von allem Koteriewesen. In seinem Urteil war er mild, konnte jedoch auch, wenn es sein musste, gegen anmassende Dummheit derb, jedoch nie gehässig werden.

Dr. Meyer starb am 4. November 1863, schwerlich Feinde hinterlassend, wohl aber viele Freunde, die seinen Hingang als einen schweren Verlust für die deutsche Typographie betrauerten.

Nach seinem Tode litt das Blatt unter einem langen Schwanken in den redaktionellen Verhältnissen, bis im Herbst 1872 Theodor Goebel, an Kenntnissen und Sammelfleiss Meyer ebenbürtig, die Redaktion antrat und bis zum Herbst 1879 fortführte. Namentlich seine vielen ausführlichen und sachkundigen Ausstellungsberichte bieten wichtige Beiträge zur Kunde der Fortschritte auf allen graphischen Gebieten. Nach Goebels Rücktritt folgte wieder eine Periode der Unsicherheit, bis das Blatt im Herbst 1881 in den Verlag und in die Redaktion von Ferd. Schlotke in Hamburg überging.

Das „Journal für Buchdruckerkunst" wird bald sein fünfzig- jähriges Bestehen feiern können. Es bleibt die wichtigste Quelle für die Geschichte der typographischen Entwicklung in dem letzten halben Säkulurft, in dessen Gewirr es einer späteren Generation schwer werden würde, sich ohne seine Hülfe zurechtzufinden.

XIII. KAPITEL.

DER NORDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.

Berlin: wachsende Bedeutung. Die Familie Decker, Unger Vater und Sohn, Gebr. Unger, Familie Spener, Reimer, Mittler u. a. Ed. Hänel - Gronau. Die Zeitungsdruckereien. Die Accidenzdruckereien. Die lithographischen und sonstigen Kunstanstalten. Breslau. Frankfurt a. O. Posen. Königsberg. Danzig. Stettin. Lübeck. Hamburg. Bremen. Hannover. Köln: Die Offizin der „Kölnischen Zeitung".

ERLIN hatte, als die neue Periode der Buchdrucker- kunst anfing, noch keine Bedeutung als Druckstadt; dieselbe zeigte sich erst nach und nach unter der Regierung des grossen Königs, hielt jedoch immer y| noch nicht Schritt mit der zunehmenden Bedeutung der Residenz eines mächtig emporblühenden Landes.

Im Jahre 1757 wurde Christ.- Friedr. Henning zum zweiten deutschen Hofbuchdrucker ernannt mit der Aussicht, die Stelle des ersten, Chr. Alb. Gäberts, nach dessen Tode zu erhalten. Neben den „deutschen Hof buchdruckern" gab es auch „französische". Den Titel eines solchen hatte. bereits 1696 Robert Roger aus Amster- dam. In dem Jahre 17 18 ging Rogers Offizin in die Hände J. G. Michaelis über. Er sowohl als Henning waren sehr tüchtige Buch- drucker, die einen wesentlichen Anteil an der Hebung des typo- graphischen Geschmacks in Berlin hatten.

Allmähliche Fortschritte.

Die Hofbuch- drucker.

358 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XIII. KAP.

Die berühmtesten Hofbuchdrucker gehörten jedoch der Familie Die Familie Decker an, der eine so glänzende Rolle zufiel, wie wenigen in

Decker. ' ? > fc>

Deutschland1.

Die Familie stammt aus Eisfeld im Thüringschen. Der am 23. April 1 596 geborne Georg Decker siedelte nach Basel über und erwarb 1635 durch Heirat mit der Witwe des Buchdruckers Johann Schröter dessen Offizin, die er so rasch zur Blüte brachte, dass er bereits 1636 zum Universitätsbuchdrucker ernannt wurde. Sein joh.jac.i Decker Sohn und Nachfolger Johann Jacob i zog 1680 mit einem Teile der

* J63S.

Druckerei nach Neu-Breisach, um Drucker des dortigen französischen Gerichtshofes zu werden.

Von dessen beiden Söhnen Johann Jacob ii und Heinrich i

johjac.11 Decker führte der erste, als der Vater nach Breisach übersiedelte, das

* 1666, -f- 1726.

Geschäft in Basel fort und behielt nach dessen Tode im Interesse der

Familie die Leitung, erwarb jedoch ausserdem die dortige Ludinsche, j.Heiur.i Decker früher Heiiric Petrische Offizin. Der Bruder loh. Heinrich I gründete

* 18. März 1679, . . .

■{•29. Dez. 1741. in Colmar, welches durch den Ryswicker Frieden 1697 französisch geworden war, eine Offizin, um Regierungsarbeiten zu drucken. Der kinderlose Joh. Jacob ii vermachte sein Geschäft dem Jon. joh. Heinr. n Heinrichji, Sohn des Heinrich I, welcher ausserdem mit Erfolg das

Decker. . ö

Colmarer Geschäft fortsetzte. Leider wurde er durch einen Ver- wandten zur Gründung einer Papierfabrik veranlasst, welche ihn in Verlegenheiten und Verdriesslichkeiten verwickelte, die ihn so erschütterten, dass er in einen Zustand von Geistesschwäche verfiel, unter welchem das Geschäft fast zugrundeging.

Johann Heinrich II hatte zwölf Kinder, unter diesen Georg o.jac. i Decker Jacob i. Derselbe lernte die Buchdruckerei, studierte dann in

* 12. Febr. 1732,

•]• 17. Nov. i799.'Strassburg, wo er im Hause seines Oheims, des bekannten Geschichtschreibers der Typographie, Joh. Schöpf lin, gute Auf- nahme und Nahrung für seine Liebe zur Typographie fand. Im Jahre 1750 ging Georg Jacob auf Reisen und kam, nachdem er vergeblich Aufnahme in der Breitkopfschen Offizin in Leipzig gesucht hatte, nach Berlin, wo er sechs Monate in der Henningschen Druckerei arbeitete.

1 Aug. Pottiiast, Die Abstammung der Familie Decker. Berlin 1863. Börsenbl. f. d. d. B. Januar 1877. Ann. d. Typ. 1877, Nr. 3S8.

XIII. KAP. DER NORDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 359

Ein französischer Emigrant Arnold Dussarrat hatte 17 13 Konzession für eine französische Buchdruckerei erhalten, welche joh. Grynäus. sich 1721 in den Händen des Johann Grynäus aus Basel befand. Letzterer kam, obwohl ein tüchtiger Mann, nicht vorwärts, und die Druckerei befand sich bei seinem Tode 1740 in misslicher Lage. Als Helfer trat nun Georg Jacob heran, der mit der Tochter des Grynäus, Louise Dorothea, einen Bund des Herzens geschlossen hatte. Nachdem er erst Ordnung in die verwickelten Angelegen- heiten des väterlichen Geschäfts in Basel gebracht hatte, infolge welcher das Colmarer Haus auf den Bruder Johann Heinrich in überging, dessen Nachkommen noch in Besitz des dortigen ange- sehenen Geschäfts sind, übernahm Georg Jacob die alleinige Leitung der Grynäusschen Offizin und wurde 1756 Mitbesitzer, wodurch sich die Firma in Grynäus & Decker änderte.

Der nun folgende rasche Aufschwung konnte nicht einmal durch den siebenjährigen Krieg gehemmt werden, da die grosse Grynäus & Zahl von Flugschriften und Neuigkeitsblättern eine lebendige geschäftliche Bewegung veranlasste. Nach dem Einzug der Russen in Berlin hielt der verschiedentlich kompromittierte Decker es jedoch für geraten, zeitweilig die Stadt zu verlassen.

Im Jahre 1763 wurde er alleiniger Inhaber des Geschäfts und von nun war sein Glück in stetem Wachsen. Er erhielt das Direkto- riat der für das Lotto errichteten königlichen Druckerei mit einem Gehalt von 300 Thalern und nach erfolgtem günstigen Urteil der Akademie der Wissenschaften den Titel eines Hofbuchdruckers mit der Anwartschaft auf die klingenden Vorteile eines solchen. Die Versuche Deckers, diese Stellung sich erblich zu sichern, strandeten damals, ohne dass er deshalb den Gedanken daran aufgab.

Mit der Schriftgiesserei in Preussen war es noch schlecht bestellt. Seit Thurneyssers Anlauf (I, S. 152) war Berlin bis 1743 schriftgiesserei ohne Schriftgiesserei, und spätere Versuche waren nicht günstig abgelaufen. Das war für Decker ein günstiger Moment. Er kaufte die besten Baskervilleschen und Fournierschen Matern und liess einen gut geschulten Faktor kommen, versprach auf seine Kosten eine tüchtige Schriftgiesserei einzurichten und „alle französischen Bücher von Wert nachzudrucken, wodurch viel Geld dem Lande erhalten werden würde". Dies schlug bei dem König, dem der

360 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XIII. KAP.

Decker erblicher nervus verum stets wichtig war, durch, und am 4. Januar 1769 erhielt Decker die erbliche Würde eines Hofbuchdruckers, ausserdem ein Privilegium für die nachzudruckenden Bücher. Der König blieb Decker stets gewogen und gehörte als Schriftsteller zu dessen Kunden; eine solche war auch die Königin Elisabeth Christine, die sich mit der Herausgabe frommer Bücher beschäftigte.

Das frischere geistige Leben, welches seit dem Hubertusburger Aufblühen Frieden 1763 in Berlin pulsierte, unterliess nicht, seinen Einfluss auf geschäftf.5 das Deckersche Geschäft zu üben. Georg Jacob trat in Verbindung mit den vielen schriftstellerischen Berühmtheiten und fing nun 1769 selbst an zu verlegen, und zwar mit einem solchen Eifer, dass die Zahl seiner Verlagsartikel bald an 400 betrug. Damals begann auch allgemein eine bessere Ausstattung der Bücher; selten erschien ein solches ohne Zuthat bildlichen Schmuckes namentlich unter der Mitwirkung Chodowieckis. Die Druckerei war hierdurch und durch fremde Arbeiten so stark beschäftigt, dass Decker viele Aufträge auswärts ausführen lassen musste. Als Verleger ging er jährlich zweimal zur Messe nach Leipzig, wo er in freundschaftlichem, zugleich geschäftlichem Verkehr mit Bernhard Breitkopf, später mit dessen Sohn Immanuel, stand. Das Baseler Geschäft wurde von ihm und dem Bruder in Colmar der Direktion eines Geschäfts- führers überlassen.

Nach dem Tode Friedrichs II. 1786 bestätigte der König

Gunst Friedrich Friedrich Wilhelm II. nicht allein die Privilegien Deckers, sondern er hatte ausserdem Decker und der Vossschen Buchhandlung das Recht gewährt, französische und ins Deutsche übersetzte Werke Friedrich des Grossen zu drucken unter der Bedingung, dass sie in einer besonderen, im königlichen Schlosse zu Potsdam dazu ange- wiesenen Lokalität hergestellt wurden. Decker stellte schleunigst zehn und dann noch weitere zehn Pressen auf und schon im Früh- jahr 1789 waren die 25 Bände der Werke gedruckt. Der König war mit der raschen Ausführung so zufrieden, dass er Decker, als besonderen Beweis seiner Gnade, für sich und seine Erben für alle Zeiten zum Geheimen Über- Hofbuchdrucker ernannte. Die Aus- gabe genügte jedoch nicht in derselben Weise den Anforderungen der Kritik. Die Redaktion war eine des grossen Autors ganz

XIII. KAP. DER NORDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 36 1

unwürdige. Hierdurch und auf Grund von Nachdrucken wurde das Unternehmen für die Verleger ein verfehltes.

Das Ziel von Deckers Ehrgeiz war erreicht. Das Glück hatte ihn im Geschäft und in der Familie begünstigt. Vier Töchter ver- Letzte Jahre heirateten sich mit Männern von Fach, den Brüdern Christ. Spener und Joh. Carl Spener, dem Buchhändler H. A. Rottmann und dem berühmten Schriftgiesser Wilh. Haas d. ä. in Basel. Der Mann der fünften Tochter, Ph. Rosenstiel, war zwar Oberfinanzrat, spielte jedoch auch in der geschäftlichen Geschichte der Familie eine Rolle.

Beim Eintritt in sein 60. Jahr am 25. Juni 1792 überliess Georg Jacob 1 seinem Sohne Georg Jacob ii sein Geschäft käuflich und führte im Kreise der Seinigen sowie von Künstlern und Männern der Wissenschaft ein, wennauch mit körperlichen Leiden verbundenes so doch heiteres Leben, bis der Tod den Achtundsechzigj ährigen am 17. November 1799 abrief.

Der Sohn Georg Jacob 11 hatte die Buchdruckerei im väter- lichen Hause und bei H. G. Effenbart in Stettin, den Buchhandel Georgjacob u bei Treuttel & Würtz in Strassburg gelernt und sich auf längeren f %. IV." 1819! Reisen weiter ausgebildet. Teilhaber des Geschäfts war er bereits 1788 geworden.

Ihm sollte das Leben nicht ohne schwere Sorgen und harte Prüfungen verlaufen. Ein Hemmnis für die Verlagsthätigkeit Deckers Zensursdiwie- wie für den ganzen Buchhandel wurden die schon im Jahre seines Eintritts in das Geschäft 1788 erfolgenden Edikte des Ministers Wöllner, die besonders empfindlich die Zeitungen trafen, von welchen eine nach der andern einging. Die Verlagshandlung wurde von der Druckerei getrennt und in die Hände Rottmanns, unter dessen Firma, gelegt, dafür wurde aller Fleiss und jede Mühe auf die Verbesserung der Buchdruckerei und der Schriftgiesserei seitens Georg Jacob d. j. verwendet. Er schaffte Matern von Bodoni, W. Haas und Didot an, sowie das beste Material für die Typen und die Farbe.

Die Regierung wünschte in dem durch die zweite Teilung Polens ihm zugefallenen Posen die Anlage einer Druckerei. Decker Das Posener kam den vertraulichen Aufforderungen nach. Das Unternehmen machte ihm jedoch viele Sorgen und ging 18 19 in die Hände des Schwagers Deckers, Rosenstiel, für dessen Sohn über.

3Ö2 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XIII. KAP.

Noch grössere Sorgen sollte ihm das Baseler Geschäft bereiten. Kalamitäten In dieses hatte er einen sehr talentvollen, jedoch extravaganten

des Baseler ö

Geschäfts. Mann, Maximilian Schoell, erst als Disponent, dann als Teilhaber aufgenommen, der, nicht zufrieden mit der buchhändlerischen Wirk- samkeit, Decker in Banquierunternehmungen verwickelte und ihn in ein seine Existenz bedrohendes Meer von Sorgen stürzte, so dass dieser noch froh sein musste, das Baseler Geschäft mit einem Verlust von 180000 Livres an den dortigen Buchdrucker und Verleger Thurneisen übergeben zu können.

Auch in Berlin sollten schwere Schläge nicht ausbleiben. Die Die Notjahre fortwährende Ausdehnung des dortigen Geschäfts hatte den Erwerb

Preussens. ö ö

eines schönen Grundstückes in der Wilhelmstrasse veranlasst. Die Notjahre Preussens konnten jedoch nicht spurlos an Decker vor- übergehen. Keine Schwierigkeiten vermochten indessen seine Energie und Anstrengungen für die technischen Fortschritte in der Druckerei zu schwächen. So war er der erste in Berlin, der die grossen Erfindungen der Neuzeit, die Lithographie, die eiserne Presse, die Stereotypie einführte, mit seinem Schwager Spener der erste in Deutschland, der eine Schnellpresse erwarb. Die Freude, letztere in Gang zu sehen, als Lohn für seine dabei bewiesene Opferwilligkeit, war ihm nicht beschieden.

So überstand Decker rüstig und mutvoll kämpfend die schweren

Jahre, obwohl er während der französischen Okkupation an 80 000

Thaler Lasten und Verluste zu tragen hatte. Vom Jahre 18 13 aber

trat wieder eine so starke Beschäftigung ein , dass er sich für die

Tod g. Jacob u gehabte Not reichlich entschädigt sah. Nach langen Leiden entschlief

Deckers.

^—^ er am 26. August 18 19.

Über acht Jahre lang wurde das Geschäft unter Vormundschaft vortrefflich weiter geleitet, bis am 31. Januar 1828 der jüngste Sohn Rudolf Ludwig nach erreichter Volljährigkeit mit dem älteren Bruder Carl Gustav (der älteste der Brüder war bereits gestorben) das Geschäft übernahm, welches nach dem bereits 1 829 erfolgenden Tode Carl Gustavs dem Rudolf allein zufiel.

RunOLb' Decker war durch eine vorzügliche technische und Rudolf Decker wissenschaftliche Ausbildung auf das beste für seinen Beruf vor-

* 8. Jan. 1804,

+ 12. Jan. 1877, bereitet und widmete sich mit vollem Eifer demselben. Durch ihn erreichte der Ruf des Hauses seinen Höhepunkt.

XIII. KAP. DER NORDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 363

Seine Aufmerksamkeit war namentlich der Schriftgiesserei gewidmet, in welcher er sich sowohl im väterlichen Hause, wie in der Schriftgiesserei Mole in Paris tüchtige Kenntnisse erworben hatte. Mit besonderer Vorliebe pflegte er die Fraktur (S. 285). Die Bestrebungen der Schriftgiesserei fanden Ausdruck in der grossen für die erste Londoner Ausstellung 185 1 angefertigten und später vervollständigten Schriftprobe. Die Akademie der Wissenschaften in Berlin übertrug Decker den Schnitt ihrer koptischen, arabischen, Sanskrit- und anderen orientalischen Schriften, die in fast allen Universitätsbuchdruckereien eingeführt wurden. Für diese Arbeiten wirkten die Schriftschneider Beyerhaus, J. Schilling, Wotze, Schultz, Krumwiede u. a.

Die Druckerei blieb nicht zurück, und lieferte Werke, die für alle Zeiten ihren Rang behaupten werden. Anlässlich der Gutenberg- Prachtwerke. feier 1840 wurde das Prachtwerk „Zwanzig alte Lieder von den Nibelungen" herausgegeben von Prof. Carl Lachmann mit eigens dazu in Annäherung an die gothische Schrift geschnittenen Typen gedruckt. Eine wahre Zierde der deutschen Druckkunst und Xylo- graphie ist die Jubelausgabe der Oeuvres de Frederic le Grand, Oeuvres de

_ . _ Frederic le Grand.

30 Bände Quart, durch welche die redaktionellen Fehler der ersten Ausgabe in gelungenster Weise gutgemacht wurden. Die Redaktion leitete auf Veranlassung des Königs Friedrich Wilhelm IV. Professor Preuss. Das Werk, mit den trefflichsten Holzschnitten von Unzel- mann und den Brüdern Vogel nach den genialen Zeichnungen Menzels geschmückt, wurde in 200 Exemplaren gedruckt, die nur zum Verschenken bestimmt waren. Nichts wurde an Arbeit, Material und Kosten verabsäumt, um ein wahres Meisterwerk zu schaffen, welches, 1844 begonnen, erst nach dem Tode des könig- lichen Förderers 1860 vollendet wurde1.

Ein Druckwerk ersten Ranges ist ebenfalls das nur in 80 Exemplaren für die Londoner Ausstellung ausgeführte „Neue Das Neue Testa- Testament" nach Luther in gr. Folio mit bildlichem Schmuck von Cornelius und Kaulbach. ; Als eine „grosse" Leistung in den ver-

1 Durch eine mit allerhöchster Erlaubnis dem Buchhändler Rüd. Wagner in Berlin gestattete Ausgabe der Holzschnitte, welche ganz vorzüglich in der Staatsdruckerei ausgeführt wurde, sind diese glänzenden .Schöpfungen Menzels dem Publikum seit dem Jahre 18JS2 zugänglicher geworden.

364 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XIII. KAP.

Das Krönungs- schiedeiien Bedeutungen des Wortes ist die Krönung I. M. des Königs Wilhelm und der Königin Augusta am 18. Oktober 1861 zu nennen. Das Buch hat eine Höhe von 74 cm und eine Breite von 53 cm; aufgeschlagen bedeckt es eine Tischfläche von 7844 Dem. Die 135 Blätter des Buches sind einzeln gedruckt und auf Falz geklebt. Typographisch konnte das Werk nicht besser ausgeführt sein, als geschehen. Die edle Einfachheit verdient volles Lob. Von den genealogischen Tafeln misst die eine in der Länge 416 cm. Kopf- und Schlussvignetten sind dem einfachen Stil des Werkes angepasst. Das Buch hat eine besonders interessante Geschichte. Zweimal wurde der Druck durch Kriege unterbrochen und als es im Sommer 1872 erschien, konnte der Bericht über die Krönung des preussischen Königs Wilhelm dem deutschen Kaiser Wilhelm dediziert werden.

Rudolf von Deckers denn er war anlässlich des hundert- Lieder des jährigen Bestehens des Hauses in den Adelsstand erhoben letzte typographische That war die Jubelausgabe der „Lieder des Mirza Schaffy", ein Prachtwerk, in welchem die Leistungen der Typo- graphie und der Chromolithographie sich den Rang streitig machen. Doch nicht nur die Prachtwerke, sondern jede auch die gewöhn- lichste Arbeit wurde mit der grössten Sorgfalt behandelt. So waren das Coursbuch und nicht minder die demselben beigegebene typo- graphisch ausgeführte Eisenbahnkarte, eine Arbeit des späteren Frankfurter Buchdruckers A. Mahlau, ganz vorzügliche Leistungen. Zu dem umfangreichen Geschäft erwarb R. Decker im Jahre 1852 noch die Papierfabrik Eichberg in Schlesien.

Wennauch das Verhältnis zu der Regierung dem Deckerschen Geschäft ausserordentliche Vorteile brachte, so lässt es sich anderer- seits nicht in Abrede stellen, dass die Reihe der Besitzer ernstlich bemüht war, ihre Anstalt auf eine Stufe, die einer solchen bevor- zugten Stellung entsprach, zu bringen und auf einer solchen zu erhalten1.

Unter den älteren Buchdruckereien Berlins aus dieser Periode j. g. ünger werden mit besenderer Achtung Unger Vater und Sohn genannt.

f 15! Aug. 1788. Ersterer, Johann Georg Unger, bei Pirna geboren, kam 1740 als Drucker nach Berlin. Er etablierte sich hier als Formenschneider

1 Die letzte Wandlung der Anstalt wird weiter unten zu behandeln sein.

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und starb als angesehener Künstler1. Der Sohn Johann Friedrich j. f. Unger

* 1753» Unger erfreute sich ebenfalls eines guten Rufes als Formenschneider, 1 26. Dezb. 180

erwarb 1780 eine Buchdruckerei und legte 1791 eine Schriftgiesserei

an, namentlich um die Didotschen Schriften allgemein einzuführen,

welche damals so sehr beliebt waren, dass die Fraktur Gefahr lief,

von ihnen verdrängt zu werden (S. 283). Später wendete sich

jedoch Unger, wie früher Breitkopf, der Fraktur zu, suchte aber das

Heil für diese auf einem Irrwege durch Annäherung ihrer Formen

an die runde Antiqua. In dieser Weise schuf er die sogenannten

Ungerschen Lettern und Hess diese durch Joh. Chr. Gubitz, den er

aus der Breitkopfschen Offizin in Leipzig engagiert hatte, schneiden,

welche Schriften sich jedoch nicht einbürgern wollten2. Im Jahre

1800 wurde Unger zum Professor ernannt. Nach seinem Tode

konnte die Witwe trotz all ihrer Tüchtigkeit und Arbeitsamkeit

doch nicht das weitverzweigte Geschäft in dem bisherigen Schwung

erhalten. Während der Drangsale der Kriegsjahre verfiel es nach

und nach und gelangte 182 1 zum grossen Teil in den Besitz von

Trowitzsch & Sohn, die den grössten Kalenderverlag haben und

mit der umfangreichen Buchdruckerei (9 Schp.) eine bedeutende

Schriftgiesserei verbinden.

Mit der genannten Familie Unger stehen die Gründer der

Firma Gebr. Unger in keiner verwandtschaftlichen Beziehung. Otto Gebr. Unger

Ludwig Unger 3 und Jul. Ferd. Unger erwarben 1824 die von

F. W. Maas gegründete Buchdruckerei. Der Sohn des Julius, Carl Joh. Friedr. Unger, ward 1856 Hofbuchdrucker. Die an orientalischen Schriften reiche Offizin lieferte viele vorzügliche Werkdrucke.

Die von Chr. S. Spener 1773 .erworbene Buchdruckerei ging bei dessen Tod 18 13 auf seinen Bruder J. K. Ph. Spener über, der mit derselben 18 15 die, 1785 gegründete, vorzügliche Offizin von

G. H. Wegner vereinigte. Wie erwähnt, führte er zugleich mit

1 J. Fr. Unger, Denkmal eines Berlinischen Künstlers und braven Mannes, von seinem Sohne. Berlin 1789.

2 J. Fr. Unger, Probe einer neuen Art deutscher Lettern. Berlin 1793. Die zweite Probe erschien unter der Form: „Die neue Cäcilia", 1794. Unger sehrieb ferner: „Etwas über die Holz- und Formschneidekunst".

3 Schrieb flüchtige Blicke auf die letzten 40 Jahre der Buchdruckerkunst. Berlin 1840.

366 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XIII. KAP.

Decker die Schnellpresse in Berlin ein (S. 308). 1826 gingen das Geschäft und die „Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen" in den Besitz des Bibliothekars Dr. S. H. Spiker über.

G. A. Reimer aus Greifswalde war eine der Zierden des G.A.Reimer deutschen Buchhandels, ebenso bekannt durch seine patriotische f 26. Apni 1842! Gesinnung als seine geschäftliche Tüchtigkeit. Im Jahre 18 17 legte er eine Buchdruckerei für seinen eigenen Bedarf an. Zu seinem bedeutenden Verlag erwarb er noch die Weidmannsche Buch- handlung in Leipzig und gehörte somit sowohl Berlin als Leipzig an. Der Weidmannsche Verlag ging 1830 auf den ältesten Sohn c. Reimer Carl Reimer über, der ihn, zuerst im Verein mit seinem Schwager

•f 2Q. Juli 1859.

Salomon Hirzel, dann allein fortsetzte. Im Jahre 1855 verlegte C. Reimer das Geschäft nach Berlin.

E. S. Mittler aus Halle war einer der tüchtigsten und belieb- e. s. Mittler testen der deutschen Buchhändler. Im Jahre 1816 übernahm er,

* 26. Jan. 1785. .

erst als Leiter, dann als Besitzer, die Buchdruckerei seines Schwieger- vaters Wilhelm Dieterici und druckte seinen eigenen meist aus Militaria bestehenden Verlag. Im Jahre 1862 nahm er seinen Enkel Dr. Th. Töche als Teilnehmer auf, der nach Mittlers Tode das Geschäft mit aller Energie fortsetzt.

Die Druckerei der Akademie der Wissenschaften (jetzt unter Leitung von G. Vogt) ist an Umfang nicht bedeutend, jedoch reich an seltenen Schriften, mit welchen die Werke der Akademie gedruckt wurden, darunter Schotts chinesische Grammatik.

Auf die Verdienste Ed. Hänels ist bereits oben (S. 281) hin- Ed. Hänei gewiesen. Er war in Magdeburg geboren, wo sein Vater C. J. Hänel •f- 16. Aug/1856. königl. Hofbuchdrucker war, hatte sich in England tüchtig aus- gebildet und ging später nach Paris und Belgien. 1835 druckte er die preussischen Kassenanweisungen, zu welchem Zweck er eine Zweiganstalt in Berlin etablierte. Nachdem das Magdeburger Geschäft durch Feuer verheert worden war, zog er ganz nach Berlin und überliess seinem Bruder Albert das Magdeburger Etablissement. Das Berliner Geschäft, welches er 1852 an Carl David verkauft hatte, kam nach einigen Wandlungen 1864 in die festen Hände Wilh. Gronaus, der es im Hänelschen Geiste fortführt und namentlich der Schriftgiesserei seine Thätigkeit zuwendet.

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Im Jahre 1835 kaufte Jul. Sittenfeld eine kleine Buchdruckerei, die er schnell in die Höhe brachte. Die Offizin war im Hebräischen j. sittenfeid besonders leistungsfähig; unter anderen druckte er den Talmud in acht Foliobänden. Der jetzige Besitzer (Dr. O. Lüwenstein) hat das Geschäft bedeutend erweitert (15 Schp., 200 Arb.). Die Buch- druckerei von C. F. Amelang ging durch Kauf auf Carl Schultze Carl Schuitze über. Er richtete dieselbe besonders auf den Druck schwieriger wissenschaftlicher, namentlich orientalischer Schriften ein.

Ein sehr bedeutender Teil der Druckkräfte Berlins wird durch das Zeitungsgeschäft in Anspruch genommen, indessen haben die Der Zeitungs- einzelnen Blätter nicht solchen Umfang und Verbreitung, dass man dort Zeitungsdruckereien wie in England und Amerika auf- weisen könnte, selbst Blätter von dem Umfang und dem Einfluss wie die „Kölnische Zeitung" und die „Neue Freie Presse" besitzt Berlin nicht. Im allgemeinen lassen Druck, Papier und Korrektheit der Zeitungen viel zu wünschen übrig. Das verbreitetste Blatt war 1880 das „Berliner Tageblatt" mit 70 000 Abnehmern. Diesem kamen am nächsten „Berliner Zeitung", „Volkszeitung", „Vossische Zeitung" mit zwischen 20 30000 Exemplaren; dann folgten Staatsbürger -Zeitung", „Berliner Börsenzeitung", „National- Zeitung" in 15 20000 Auflage. Von Rotationsmaschinen besitzt Berlin ig. Die Zahl der Journale beträgt etwa 478, darunter 43 amtliche , 66 politische. Der Zeitungsdebit durch die Post bezifferte sich 1880 auf etwa 80 Millionen Nummern.

Zu den bedeutendsten Zeitungsdruckereien gehört die von Lessing („Vossische Zeitung") mit 2 Rotations-, 4 Doppelmaschinen, nebst 5 Stereotyp -Apparaten; Ed. Krause (15 Schp. „National- zeitung", „Bank- und Handelszeitung", „Kladderadatsch", „Wolffs Depeschen" u. a.); Norddeutsche- Buchdruckerei und Verlags- anstalt (12 Schp. „Norddeutsche Allgemeine Zeitung", „Reichs- anzeiger" u. a.); R. Mosse (18 Schp. ..Berliner Tageblatt" etc.); Büxenstein (3 Rotm. und 21 Schp. „Börsen- Courier", „Gerichts- zeitung", „Neue Volkszeitung"); AdamWilh.Hayns Erhen (9 Schp. „Berliner Intelligenzblatt"); die Buchdruckerei der „Berliner Börsen- zeitung" (10 Schp.).

Der Illustrationsdruck war bis jetzt nicht die starke Seite der Berliner Offizinen, doch dürfte bei dem Umstand, dass mehrere der

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grossen Berliner illustrierten Blätter in Leipzig gedruckt werden, neben dem guten Druck noch andere geschäftliche Verhältnisse mit- reden. Die verbreitetsten sind: der von L. Schaefer gegründete „Bazar", jetzt im Besitz einer Aktiengesellschaft; F. Lipperheides „Modenwelt"; „Das Berliner Modenblatt", die „Illustrierte Frauen- zeitung" . Von den politischen Witzblättern fand der „Kladderadatsch" eine grosse Verbreitung.

Auch das Accidenzfach war bis vor nicht langer Zeit in Berlin Der Acddenz- etwas vernachlässigt und ausser Hänels Druckerei hatte keine einen besonderen Ruf auf Grund von Accidenzarbeiten. In jüngster Zeit ist dies vielfach anders geworden. Ein grosses Ansehen geniesst W. Büxenstein (S. 286), dessen neu eingerichtete mit Lithographie verbundene Buchdruckerei vorzügliches im Accidenz- und Illustra- tionsdruck liefert. In letzterer Richtung erwarb sich W. Moser (13 Schp.) einen sehr guten Namen. Auch Gebr. Grunert lieferten höchst beachtenswertes im Accidenz- und Luxusdruck. Ein eigen- tümliches Accidenzgeschäft ist das der Gebr. Litfass, welches sich namentlich dem Plakatdruck widmet und das Monopol der Anschlagesäulen besitzt. Während der Kriegszeit 1870 befand sich das „Depeschenhaus" im andauernden Belagerungszustand, denn von Litfass' Offizin aus gingen die lakonischen aber inhaltsschweren Telegramme „aus dem Hauptquartier" in das Publikum.

Wollten wir alle grösseren Druckereien Berlins nennen, würden Der Letteverein, wir Seiten damit füllen, hier sei nur noch erwähnt die Aktiengesell- schaft Letteverein, welche unter der Direktion von C. Janke dessen frühere Offizin als Frauendruckerei seit 1875 im Gang erhält; sie beschäftigt 45 weibliche, 20 männliche Arbeiter und 7 Schnell- pressen.

zu erwähnen.

Seit dem 1. April 1879 ist das Reich im Besitz einer Reichs- Die iveussischc Druckerei, entstanden aus einer Verschmelzung der Deckerschen und die Reichs- geheimen Oberhofbuchdruckerei mit der königlich preussischen

druckerei.

Staatsdruckerei.

v Letztere, verhältnismässig junge Druckanstalt hatte sich einen sehr guten Ruf erworben. Früher wurden die preussischen Bank- noten und Kassascheine, wie erwähnt, bei Ed. Hänel und auch

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in der Deckerschen Offizin ausgeführt. Eine Zentralisation der Kgi. Preuss. Regierungsarbeiten wurde jedoch als notwendig erachtet und durch Kabinettsordre vom 30. August 1851 die Königliche Staats- druckerei für Anfertigung von Wertpapieren ins Leben gerufen. Nach Auflösung des Königlichen Lithographischen Instituts fiel der Staatsdruckerei auch die Herstellung der Generalstabskarten zu. Im Jahre 1877 am 1. Juli wurden die Deckerschen Grundstücke und die Oberhof buchdruckerei für die Summe von 6780000 Mark Reichsdruckerei. vom Reich angekauft. Von dieser Summe kamen auf die letztere 1 780000 Mark. 1879 am 1. April beschloss der Reichstag, die Königlich Preussische Staatsdruckerei für die Summe von 3 573 000 Mark für das Reich zu erwerben und mit der Deckerschen Offizin zu einer Reichsdruckerei zu vereinigen. Die Lokalitäten der Staats- druckerei in der Oranienstrasse wurden in zweckmässiger, auch äusserlich imponierender Weise umgebaut und beide Druckereien im eigentlichen Sinne des Wortes verschmolzen, denn die ganzen Schriftenvorräte von 333000 Kilo wurden ins Zeug geworfen und umgegossen, weil die Systeme der beiden Offizinen nicht mit ein- ander stimmten, zugleich wohl auch, weil vieles veraltet war. Auch neue Maschinen wurden angeschafft, so dass die Reichsdruckerei augenblicklich mit einem Werte von etwa sieben Millionen Mark angesetzt wird. Ob, wenn einmal das Reich eine eigene Druckerei haben musste, eine solche nicht von neuem viel zweckmässiger und viel billiger hätte hergestellt werden können, ist nunmehr allerdings eine müssige Frage. Jetzt bleibt mehr zu wünschen, als zu hoffen, dass diese Anstalt sich streng auf diejenigen Arbeiten beschränken werde, welche wirklich nur die Bedürfnisse der Reichsregierung befriedigen. Nach manchen Zeichen zu urteilen, beabsichtigt man jedoch, aus der Reichsdruckerei eine Art von Vorbild für die deutsche Typographie zu schaffen, wie es seinerzeit die Wiener Staatsdruckerei für Österreich war, wobei man jedoch vollständig vergisst, dass erstere seit lange mündig geworden. Selbst die Her- stellung der schwierigsten orientalischen Werke, diese Ausstellungs- Paradepferde der Staatsanstalten, mit Ausnahme der vortrefflichen St. Petersburger Wertpapierdruckerei, hat sich in den Privat- druckereien Deutschlands in einer Weise ausgebildet, dass es nur als eine Schädigung der ohnehin durch die starke gegenseitige

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Reichsdruckerei. Konkurrenz bedrohten Privatinteressen betrachtet werden müsste, wenn der Staat ihnen Konkurrenz bereiten sollte.

Die Anstalt beschäftigt 700 Personen, besitzt 55 Schnellpressen, 1 8 Handpressen und über 200 Hülfsmaschinen. In runder Summe werden jährlich 100 Millionen Bogen gedruckt und über 800 Millionen Poststempel und andere Wertzeichen zu einer Gesamtsumme von etwa 123 Millionen Mark, ferner etwa 372 Millionen Stück Reichs- banknoten, Kassenscheine und andere Papiere, die einen Wert von nahe an einer Milliarde für die Besitzer repräsentieren.

Das Budget von 1881 82 ergab eine Einnahme von 3 240000 Mark, eine Ausgabe von 2221980 Mark,, doch da hiervon über 700 000 Mark Zinsen und Abschreibungen abgehen und die Stellung der Preise bei Mangel an Konkurrenz keine geschäftliche Bedeutung hat, so ist es schwer zu sagen, wie es mit der Rentabilität, wenn mit den Leistungen von Privatdruckereien verglichen , sich verhält. Die Reichsanstalt ist unter der bisherigen vorzüglichen Leitung der Königlich Preussischen Staatsdruckerei geblieben, die Direktion hat somit Herr Geheimrat Busse, die technische Führung Herr E. Ringer. Die neuesten, künstlerisch wenig befriedigenden Produk- tionen, die Fünfzig-, Zwanzig- und Fünfmarkscheine, sind auf Papier gedruckt, in dessen Masse, nach dem in Amerika angewendeten Verfahren, farbige Fasern strichweise hineingearbeitet sind. Das Papier wurde unter Aufsicht von Beamten der Reichsdruckerei von Gebr. Ebart in Spechthausen bei Eberswalde angefertigt. Über die Untrüglichkeit des Systems wird gestritten.

Berlin ist der Hauptsitz für den lithographischen Farbendruck Lithographie, geworden in seinen verschiedenen Zweigen, welche sowohl der Herstellung von Öldruckbildern als der Zeitschriften- und Bücher- Illustrationen, sowie den vielen Bedürfnissen des Papeteriegeschäfts dienen. Die eigentliche Bedeutung erhielt der lithographische Farbendruck durch die Bemühungen Schinkels und Beuths, unter- stützt durch das Wohlwollen, welches der nachmalige König Friedrich Wilhelm IV. schon als Kronprinz dem neuen Kunstzweig entgegentrug. Den Wert desselben bezeugte in glänzender Weise das grosse Werk Prof. Zahns über pompejanische Altertümer.

Guten Ruf erlangte die Anstalt J. Winckelmanns, der zuerst 18 16 in Verbindung- mit Heinr. Arnz das bekannte Institut Arnz & Co.

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in Düsseldorf begründet hatte. Die Leitung desselben lag eine Zeit- lang in den Händen von J. Storch, der später sich mit C. Kramer verband und tüchtiges im Landschaftsfache lieferte. Ganz vortreff- lich sind Storch & Kramers für die Amndel-Society in London aus- geführte Reproduktionen der Freskogemälde altitalienischer Maler (S. 103). Als Meister im architektonischen und landschaftlichen Aquarelldruck zeichneten sich Loeillot und R. Steinbock aus, bekannt sind unter anderen Hildebrandts „Reise um die Welt" und Köhlers polychrome Meisterwerke. Mit dem eigentlichen Ölbilderdruck beschäftigten sich mit mehr oder weniger Glück eine nicht kleine Anzahl von Firmen und es bleibt nur zu bedauern, dass neben dem Guten so vieles Geschmacklose, zumteil elendes Mach- werk hervorgebracht wurde, welches eine Kunst für den Augenblick in Misskredit gebracht hat, die ein besseres Schicksal verdient hatte, und nun neue Wege suchen muss , um sich die verscherzte Gunst wieder zu erwerben. Unter den Firmen, die ausser den erwähnten tüchtiges leisteten, sind zu nennen Carl Gerold, Otto Troitzsch, Böhme & Fränkel.

Einen bedeutenden Einfluss auf die Verwendung des Farben- druckes übten die GROPiussche Buchhandlung (später Ernst & Korn) durch ihre grossartigen architektonischen Unternehmungen, Rud» Wagner durch die erwähnte Hildebrandts „Reise um die Welt" und ähnliche Aquarell -Albums, Alex. Duncker durch eine Reihe von Prachtwerken aus.

In neuerer Zeit hat die Verwendung der Chromolithographie zu gewerblichen Zwecken eine enorme Ausdehnung gewonnen. Die Anführung einiger der bedeutendsten Firmen wird einen Begriff von dem Umfang solcher Etablissements geben.

W. Hagelberg beschäftigt 38 Schnellpressen, 29 Handpressen, 94 Hülfsmaschinen und 700 Arbeiter; Carl Hellriegel 9 Schnell- pressen, 42 Handpressen, 450 Arbeiter; Schäfer & Scheibe, deren hauptsächlichste Produktion in Neujahrs- und Gratulationskarten besteht, 9 Schnellpressen, 50 Handpressen, 350 Arbeiter; A. Kauf- mann & Co. 23 Schnellpressen, 16 Handpressen und 250 Arbeiter. Umfangreich sind ferner Älbrecht & Meister, die Berliner Luxus- Papierfabrik, Kutzner & Berger und noch manche andere. Man findet hierin die Bestätigung, wie sehr in dem. Druckgewerbe der

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Kunstanstalten.

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Kunstanstalten. Zeitungs - und der Accidenzdruck dem eigentlichen Bücherdruck über den Kopf wächst.

Als Verleger von Karten und Globen wurden namentlich Dietrich Reimer, E. Schotte & Co. und das Berliner Litho- graphische Institut massgebend.

Als Herausgeber von Werken unter Zuhülfenahme des Licht- druckes entwickelte E. Wassmuth eine enorme Thätigkeit, auch Paul Bette war in dieser Richtung sehr rührig. Die Photo- graphische Gesellschaft besitzt einen ausserordentlich grossen Fond von photographischen Blättern, auch G. Schauer lieferte viele Blätter und Albums. Den eigentlichen Kunstverlag pflegten E. H. Schröder (R. Schuster), Sachse & Co., Amsler & Ruthardt, Goupil & Co. (Filiale von Paris). Unter den Verlegern, die einen besonderen Einfluss auf das Druckgewerbe übten, sind noch zu nennen: G. Grote, Duncker & Humblot, Veit & Co. (beide jetzt in Leipzig), Jul. Springer, Gebr. Paetel, P. Parey, Dümmlers Verlag, A. Hirschwald, G. Langenscheidt (selbst Buchdrucker),

A. ASHER & Co., WlEGANDT & GRIEBEN.

Grass, Barth &Co.

In der drittgrössten Stadt des Deutschen Reiches Breslau x hat die Druckerei im Verhältnis zur Grösse der Stadt keine Rolle gespielt, so wenig wie in den anderen grossen Städten des Nordens Königsberg, Danzig, Hamburg, Magdeburg und Köln.

Im Jahre 1748 übernahm Carl Wilh. Grass die Stadtbuch- druckerei in Breslau von denBaumannschen Erben (I, S. 145), dem sein Bruder Friedr. Sigm. Grass folgte. Nach dessen Tode erwarb Joh. Aug. Barth das Geschäft und vermehrte es durch die Druckerei der katholischen Landes - Universität. Ein schönes Denkmal der Leistungsfähigkeit der Offizin ist das 18 18 erschienene Pacis annis 18 14 et iZi^foederatis armis restitutae monumentum in Gross-Folio, welches Jubelgedichte in 42 grösstenteils fremdländischen euro- päischen und orientalischen Sprachen enthält. Die Firma wurde Grass, Barth & Co., sie verbindet jetzt Typographie mit Litho- graphie und arbeitet mit 14 Schnellpressen.

1 Geschichte der seit 300 Jahren in Breslau befindlichen Stadtbuch- dvuckerei. 1804.

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Einen grossen Umfang erreichte die Verlagshandlung und Buchdruckerei von W.G.Korn, welche am 13. Januar 1882 ihr w. g. Kom. 150J ähriges Jubiläum beging. Joh. Jos. Korn eröffnete an diesem Tage 1732 sein Geschäft und erhielt 1741 Privilegium zur Heraus- gabe der „Schlesischen Zeitung". Sein Sohn Joh. Gottlieb Korn trat 1828 die Buchhandlung, 1836 die „Schlesische Zeitung" an seine beiden Söhne ab. Im Jahre 185 1 übernahm Heinr. Korn das Etablissement. Anlässlich des Jubiläums errichtete er, abgesehen von manchen anderen Schenkungen, für seine Mitarbeiter eine Stiftung mit einem Kapital von 100 OOO Mark und wurde in den Adelsstand erhoben. Das Geschäft arbeitet mit 15 grossen Maschinen und etwa 150 Arbeitern, besitzt auch bedeutende Papierfabriken.

S. Schottländer hat einen reichhaltigen Verlag und arbeitet mit 15 Schnellpressen. Von grossen Verlagshandlungen sind noch zu nennen Max & Co., Ferd. Hirt und E. Trewendt.

Einen bedeutenden Umfang erreichte das Geschäft von Carl Flemming in GLOGAU, welches sich namentlich der Produktion c. Fiemming von Landkarten widmet und damit 11 typographische und litho- f i.'nov. i87s! graphische Schnellpressen beschäftigt.

In Posen wurde, wie erwähnt, von G. J. Decker ein Etablisse- ment errichtet, das jetzt als W. Decker & Co. typographisch und Posen. lithographisch mit 7 Schnellpressen arbeitet. FRANKFURT A. O., die erste Stadt Preussens, in welcher die Druckerei eingeführt wurde, hat so wenig wie andere Städte des östlichen Preussens eine besondere Stellung in der Typographie erworben. Die bedeutendste Druck- anstalt dort ist Trowitzsch & Sohn (gegr. 1779) mit 6 Schnellpressen.

Selbst die Königs- und Universitätsstadt KÖNIGSBERG misst sich kaum mit mancher Stadt von 20 30000 Einwohnern hinsieht- Königsberg. lieh graphischer Produktion. Erst 1523 war die Druckerei dort

I durch Hans Weynreich eingeführt, dessen Offizin nach vielen Wandlungen zur Zeit des dritten Jubelfestes in den Händen Joh. Fr. Reussners war. Das bedeutendste Geschäft ist das von Joh. Heinr. Härtung, durch Übernahme derj. STELTEschen Buchdruckerei 1732 gegründet, j. h. Härtung

Durch Umsicht und Unermüdlichkeit erwarb sich Härtung allge-f V Mai' 1756.' meines Ansehen. Die Stände von Livland und Kurland übertrugen ihm den Druck der lettischen Bibel und der cyrillischen Postille;

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DIE GERMANISCHE GRUPPE.

für erstere erhielt er 7000 Thaler. Neben seiner Buchdruckerei trieb er bedeutenden Verlags- und Sortimentshandel und sein 1746 erschienener Sortimentskatalog war über 400 Seiten stark. In Leipzig hatte er während der Messe offenes Gewölbe. Zu seinem grossen Geschäft erwarb er noch die erwähnte Reussnersche Hof- und akademische Buchdruckerei. Er verschied in Leipzig 1756 während der Ostermesse.

Nachdem sein ältester Sohn bereits 1759 gestorben war, über- Gotti. Härtung nahm 1763 der jüngere Gottlieb Leberecht Härtung das Geschäft, f i9'. Nov. 1797! nach dessen Tode dirigierte es seine Witwe Sophie Charlotte mit Mut und Ausdauer, bis sie es 1817 ihrem Sohne Georg Friedrich Härtung übertragen konnte. Die von Härtung herausgegebene „Königsberger Zeitung" ist eine der ältesten Deutschlands und ihre Geschichte lässt sich bis auf das Jahr 1640 verfolgen. Vom 6. Februar 1758 bis 1. Juli 1762 und dann vom 19. Juli bis 10. August 1762 musste der ihre Kopfzeile schmückende preussische Adler mit dem russischen vertauscht werden. In den Jahren 1807 und 1808 hatte die Zeitung eine grössere Bedeutung erreicht, da der Krieg in der Nähe um Königsberg geführt wurde, wodurch indes Härtung verschiedenen Gefahren ausgesetzt wurde.

Wie" wenig bedeutend der Umfang des Druckgewerbes in Königsberg war, geht aus den Aufzeichnungen über die vierte Jubel- feier hervor. Dieselben weisen nur 7 Druckereien mit 45 Gehülfen und 28 Lehrlingen auf; da die Hartungsche Druckerei 20 Gehülfen und 7 Lehrlinge beschäftigte-, so kommen auf sechs Druckereien 25 Gehülfen und 21 Lehrlinge1. Jetzt arbeitet die Hartungsche Buchdruckerei mit sechs Schnellpressen und etwa 100 Personen.

Von Königsberg aus wurde, als Friedrich der Grosse bei der Marienwerder, ersten Teilung Polens Westpreussen erhielt, der Buchdrucker R. Kanter nach Marienwerder als Hofbuchdrucker berufen, um die königlichen Arbeiten zu liefern; die Offizin besteht noch heute Danzig. mit 5 Schnellpressen. In Danzig sind die bedeutendsten Druck- anstalten die von Jul. Sauer und von A. W. Kafemann, letztere ist Stettin, zugleich mit Schriftgiesserei verbunden. Stettin hat nur Bedeutung im Accidenz- und Zeitungsdruck; die dortige Firma H. G. Effenbart beging 1 879 ihr 3oqjähriges Jubiläum. Noch um zwei Jahre älter

1 Geschichte der Buchdruckerkunst in Königsberg. 1840.

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ist die, jetzt mit 8 Schnellpressen arbeitende, Firma H. Hessenland. R. Grassmann, zugleich Schriftgiesserei, beschäftigt elf Schnell- pressen und gegen ioo Arbeiter.

In ROSTOCK besteht die Offizin von Adlers Erben (6 Schp.) seit 1635. Ausser in Rostock hat D. C. Hinstorff, bekannt als der Mecklenburg. Verleger und Drucker von Fritz Reuters Werken, noch Geschäfte in Wismar (5 Schp.) und Ludwigslust. Die grösste Druckerei Schwerins ist die von W. Sandmeyer (8 Schp.).

Neuruppin kann Armeen aus der Presse stampfen. Die Firma Gustav Kühn arbeitet mit Rotationsmaschine, 11 Schnellpressen und einer grossen Zahl von Hülfsmaschinen, welche von gegen 400 Arbeitern bedient werden. Oehmigke & Riemschneider be- schäftigen 6 Schnellpressen und 200 Arbeiter hauptsächlich mit den bekannten Bilderbogen.

LÜBECK verlor seine Bedeutung, die es in der früheren Periode eine Zeitlang hatte, und auch HAMBURG nimmt nicht eine solche Lübeck. Stellung ein, wie man es von dem ersten Handelsplatze und der, der Bevölkerung nach, zweiten Stadt des Reiches erwarten könnte. Vielleicht wären seinerzeit die Bemühungen des Friedr. Andreas Perthes, Hamburg zu einem Emporium des buchhändlerischen Ver- kehrs mit dem Auslande zu erheben, gelungen, wenn nicht die schwere Zeit des Napoleonischen Druckes auf Deutschland im allgemeinen und Hamburg im besonderen hemmend gelastet hätte1. Nur für den Zeitungsverlag hatte Hamburg einige Bedeutung und erst in neuerer Zeit ist es Sitz einiger grösserer Verlagshandlungen geworden.

Selbst der Accidenzdruck hat keinen rechten Aufschwung genommen. Der solide Hamburger Kaufmannssinn giebt wenig auf Eleganz der Druckarbeiten.

Inzwischen sollte doch das wenig poetische Hamburg einen grossen Dichter Deutschlands unter seinen Buchdruckern zählen. Lessing als Eine Zeitlang war nämlich Lessing Associe des Buchdruckerei- besitzers Joh. Joach. Christ. Bode. Ostern 1767 hatte letzterer auf dem Holzdamm eine Buchdruckerei angelegt und Lessing trat gleich nach seiner Ankunft in Hamburg als Sozius ein. Die „Hamburgische Dramaturgie", die „Antiquarischen Briefe" und die

1 Clemens Tu. Perthes, Friedr. Perthes' Leben. .6. Aufl. Gotha 1S72.

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Hamburger Offizinen.

G. W. Seitz 6. Febr. 1826.

Abhandlung „Wie die Alten den Tod gebildet" sind von den eigenen Pressen Lessings gedruckt, und das Projekt, die Werke der bedeutendsten Gelehrten mit lohnenderem Ertrage für Verfasser und Verleger zu veröffentlichen, erregte in den beteiligten Kreisen so grosse Aufmerksamkeit, dass Klopstock schon im Sommer 1767 versprach, für das geplante „Deutsche Museum" seine „Hermanns Schlacht" und Gerstenbergs „Ugolino" herzugeben. Die Publi- kationen dieser Druckerei und Verlagsfirma erhielten ein seltsames Kleinquart -Format; zum Druck wurde ein fein gestreiftes resp. geripptes italienisches Papier verwendet , so dass der eigentümliche Geschmack Bodes und Lessings vielfach Spottreden hervorrief. Die junge Firma wurde schon 1768 unter bedeutenden Verlusten für Lessing aufgelöst, dessen finanzielle Bedrängnisse, welche seinen Abgang von Hamburg bis zum Jahre 1770 verzögerten, jedenfalls zum grössten Teil diesem Misserfolg zuzuschreiben sind.

Das grösste der heutigen Etablissements ist das von J. F. Richter (2 Rotm., 14 Schp., 15 Hdp., 150 Arb.). Als Zeitungsdruckereien sind zu nennen die Aktiengesellschaft Neue Börsenhalle, welche die „Börsenhalle" und den „Correspondent" druckt, Hermanns Erben (i Rotm., 6 Schp.), Diederich & Co. (1 Rotm., 5 Schp.). C. Adler- verbindet mit Buchdruckerei und lithographischer Anstalt (9 Schp., 8 Hdp.) ein ausgedehntes Geschäft mit Lehrmitteln. F. Schlotke wurde schon in dem Kapitel über Maschinen erwähnt, ist ausserdem durch seine litterarische Wirksamkeit bekannt und jetzt Besitzer, Redacteur und Drucker des „Journal für Buchdrucker- kunst" (s. 356).

Das holsteinische Städtchen Itzehoe besitzt die bedeutende Buchdruckerei von G. J. Pfingsten, dessen weitverbreitete „Itzehoer Nachrichten" namentlich vor und während der dänischen Kriege einen grossen Einfluss übten.

In dem als eine Vorstadt von Hamburg zu betrachtenden WANDSBECK hat die bedeutendste chromolithographische Anstalt Deutschlands ihren Sitz aufgeschlagen. Gustav W. Seitz lernte erst als Setzer, versuchte sich dann ohne jedwede Anleitung als Holzschneider, bis er später in München seine weitere Ausbildung erhielt. Dann wagte er sich in Hamburg an den Verlag. Durch Zufall mit dem lithographischen Farbendruck bekannt geworden,

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erblickte er in diesem die Illustrationsmethode der Zukunft. Nach Überwindung unendlicher Schwierigkeiten gelang es Seitz, zwanzig Handpressen zu beschäftigen, bis der Krieg 1 866 wieder Stockungen brachte. Trotzdem beschloss er, sich ein Domizil zu bauen und zwar in dem äussersten Ende von Wandsbeck. Ein kleines humo- ristisches Bild von Süs, „Der erste Gedanke", wurde in 18000 Exemplaren- verkauft. Trotz der Abmahnungen des Künstlers selbst wagte er sich nun an Carl Werners Nilbilder in Aquarelldruck und errang einen vollständigen Sieg. Unter seinen vielen Blättern ist der grosse Aquarelldruck „Auroras Triumphzug" nach Guido Reni eine ausserordentlich gelungene Leistung.

Besondere Verdienste hat Seitz durch die Vervollkommnung des Reduktionsapparates. Schon im Jahre 1860 tauchte die englische Erfindung auf, ein Bild auf eine Gummihaut, die in einem Rahmen von vier durch Schrauben verstellbaren Stäben angebracht war, durch stärkere Anspannung resp. durch Lockerung der Spannung der Haut zu vergrössern oder zu verkleinern. In dieser veränderten Gestalt wurde dann das Bild auf einen Stein übertragen, so dass man Kopien in verschiedenen Grössen ohne eine neue Zeichnung erhalten konnte. Alles kommt natürlich auf die ganz verhältnis- mässig richtige Vergrösserung oder Verkleinerung nach Hohe und Breite an. Seitz ist es gelungen, die Apparate so fein zu vervoll- kommnen, dass Bilder von zwanzig und mehr Farben, zu welchen ebenso viele Steine gehören, im vollkommensten Passen der Um- ränderungen hergestellt werden können.

In Wandsbeck übte um 1875 Otto Radde (durch Mühl- meister & Johler dort, später in Hamburg) ein eigentümliches Ver- stenochromi fahren, um Oldruckbilder herzustellen. In der Art, wie die einzelnen Glas- oder Steinstückchen zu einem Mosaikbild gefügt werden, setzte Radde die aus festen Teichfarben mittels Blechschablonen in die nötigen Formen gebildeten Blöcke in einem Rahmen zu einer Bilder- form zusammen. Wurde nun ein mit Terpentin gefeuchteter Bogen darauf gelegt und Form und Bogen in einer Presse einem gelinden Druck ausgesetzt, so erhielt man ein Öldruckbild, das jedoch nur als eine Untermalung zu betrachten war, welche erst durch Aufdruck mehrerer lithographischer Farbenplatten Ausdruck und Schattierung erhielt. Das Verfahren war nicht neu. Bereits Senefelder

373

DIE GERMANISCHE GRUPPE.

hatte in seinem Werke daran gedacht und der Maler Liepmann in Berlin lieferte 1842 einige recht hübsche Bilder in dieser Weise. 1873 zeigte sich Jul. Greth aus Charlottenburg damit auf der Wiener Weltausstellung. Auch ein Engländer, J. M. Johnson, hatte es geübt, um Landkarten zu illuminieren, sowie um Tapeten und andere Arbeiten herzustellen, wo die Farben sich bestimmt abgrenzen und nicht in einander übergehen müssen. Von dem mit grossem Eclat in Scene gesetzten Verfahren (Stenochromie) ist es ganz still geworden.

Die Handelsstadt Bremen ist so wenig wie Hamburg ein Bremen, bedeutender Verlagsplatz geworden, deshalb beschränkten sich die Buchdruckereien hauptsächlich auf Zeitungs- und Accidenz- arbeiten. Die grössten Offizinen sind die von C. Schünemann (9 Schp., 120 Arb.), welche die „Bremer Nachrichten" und die „Weser-Zeitung" druckt, und Gebr. Hauschild, die hauptsächlich Accidenzarbeiten liefern.

In Oldenburg sind G. Stalling und die ScHULzssche Hof-

oidenbm-g. buchdruckerei , je mit 4 Schnellpressen, thätig. In dem kleinen

Detmold besteht seit 1570 die MEYERsche Hofbuchdruckerei,

welche, jetzt mit Steindruckerei verbunden, 8 Schnellpressen und

9 Handpressen in Gang hält.

In Hannover findet eine rege Druckthätigkeit hauptsächlich Hannover, für Zeitungs- und Accidenzdruck statt; namentlich ist dasselbe ein Hauptplatz für die Herstellung von Handlungsbüchern geworden. Obenan in letzterer Richtung, stehen J. C. König & Ebhardt mit 29 Schnellpressen , darunter 14 für mehrere Farben, 16 Liniier- maschinen, 30 Buchbinderpressen, 12 Papierschneidemaschinen nebst zahlreichen sonstigen Hülfsmaschinen und" einem Personal von 350 Köpfen. Auch Edler & Krische (10 Schp., 200 Pers.) und die Hannoversche Geschäftsbücherfabrik arbeiten in ähnlicher Richtung, während R. Leunis & Chapman die Handeltreibenden mit Tüten und ähnlichem versorgen und damit ein grosses Personal beschäftigen.

Die Gebr. Jänecke (als Farbenfabrik Jänecke & Schneemann S. 319) gaben ihrem Druckgeschäft eine grosse Ausdehnung (10 Schp., 11 Hdp.), sowohl als Zeitungsdruckerei („Hannoverscher Courier") wie als Werk- und Accidenzdruckerei. Von Bedeutung sind ferner

XIII. KAP. DER NORDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 379

Klindworths Hof buchdruckerei (10 Schp., 9 Hdp.) und die ScHLÜTERSche Buchdruckerei (2 Rotm., 7 Schp.). In der Zeit der Privilegien hatte die HAHNsche Hofbuchhandlung- fast den ganzen Sortimentshandel des Königreichs in den Händen. Ihr bedeutender Verlag hat seinen Sitz in Leipzig. Die Universitätsstadt GÖTTINGEN hat als Druckplatz nie eine grosse Bedeutung gehabt.

MÜNSTER, in der Zeit der Humanisten ein so wichtiger Platz (I, s. 5 1), macht sich wie Paderborn und Trier (Fr. Lintz, 7 Schp.) Westfalen und

Rheinland.

hauptsächlich nur durch seinen streng katholischen Verlag bemerk- bar. Oberhausen verdient Erwähnung als der erste Platz in Deutschland, wo die Rotationsmaschine (durch A. Spaarmann) eingeführt und zum Bücherdruck verwandt wurde. In Minden liefert E. C. Brunn (6 Schp.) namentlich Post- und merkantile Arbeiten.

G. D. Bädeker in ESSEN beschäftigt 150 Arbeiter und zehn Schnellpressen, die BÄDEKERSche Buchdruckerei in Elberfeld Verschiedene

r Städte.

6 Schnellpressen namentlich mit Eisenbahnarbeiten ; daselbst drucken auch S. Lucas mit 14, R. L. Friderichs mit 10 Schnellpressen.

L. Schwann übersiedelte von Neuss nach DÜSSELDORF und errichtete dort eine grosse Offizin (10 Schp., 120 Arb.), welche namentlich bedeutende Accidenzien in Chromoxylographie liefert. Dass Düsseldorf als Sitz der berühmten Kunstschule sich auch im Kunstverlag auszeichnet, ist fast selbstverständlich. Als Kunst- druckerei hat L. Baumann, früher Arnz & Co., einen Ruf; die „Düsseldorfer Monatshefte" waren weltbekannt. A. Bagel, früher in Wesel, hat eine sehr bedeutende typographisch - lithographische Anstalt (21 Schp., 150 Pers., Papierfabrik) und liefert namentlich Arbeiten für Schulen, Bilderbücher u. dgl.

BONN gehört zu denjenigen Universitätsstädten, wo namentlich der orientalische Druck gepflegt wird, besonders durch die Druckerei von C. H. George

Köln, im frühen Mittelalter die berühmte hohe Schule der Wissenschaft und der Typographie, von wo aus das Licht Guten- Köin. bergs über die Niederlande und den Norden ausgegangen war, lieferte später nur ultramontane Schriften und musste sogar seinen berühmten Namen zur Einschmuggelung verbotener . oder gar schmutziger Bücher hergeben, die überall hin mit der Firma

38O DIE GERMANISCHE GRUPPE. XIII. KAP.

„Peter Hammer" oder „Pierre Marie au" und Druckort Köln ver- breitet wurden.

Von den Offizinen hat die der Verlagshandlung J. P. Bachem in der katholischen Welt eine grosse Bedeutung und druckt mit ihren 9 Schnellpressen mehrere Zeitschriften und Zeitungen mit katholischer Richtung. Die LangenscIic Buchdruckerei beschäftigt 16 Schnellpressen, die von W. Hassel 10.

Am öftesten wird jedoch in der neuern typographischen Geschichte Köln auf Grund der Offizin der Kölnischen Zeitung genannt, mit der auf dem Kontinent nur die der Wiener „Neuen Freien Presse" in den technischen und redaktionellen Einrichtungen wetteifern kann.

Bereits 165 1 gab es zu Köln eine Zeitung, die als Stammmutter

Du Mom-Schau- der jetzigen „Kölnischen Zeitung" zu betrachten ist: die im Besitz

„köTiT. zdtung". von Franz Köntgen erscheinende „Postamts -Zeitung", welcher er

den Namen „Kölnische Zeitung" gab. Sie wurde bei Schaubergs

Erben gedruckt, eine Offizin, die von Gereon Arnold Schauberg

bereits anfangs des XVIII. Jahrhunderts gegründet war1.

Als Schauberg das Blatt von Köntgen erwarb, hatte es eine Auflage von 250 Exemplaren. Der frühere Besitzer erhielt eine Rente von monatlich zwei Kronenthalern ; stiege die Zahl der Abonnenten auf 400, so sollte monatlich ein halber Thaler zugelegt werden.

Am 10. Juni 1805 gingen sowohl die Schaubergsche Offizin als die „Kölnische Zeitung" auf Marcus Du Mont über, welcher sich in demselben Jahre mit Catharine Schauberg verheiratete. Köln schmachtete damals wie das ganze linke Rheinufer unter der Herr- schaft Napoleons und da in jedem Departement nur ein Regierungs- blatt geduldet wurde, so musste die „Kölnische Zeitung" 1809 einfach zu erscheinen aufhören. Der Kaiser entschädigte jedoch

1 Geschichte der „Kölnischen Zeitimg" und ihrer Druckerei. Diese wahr- haft prächtige Gelegenheitsschrift erschien anlässlich der Gewerbe- Ausstellung in Düsseldorf 1880, wo M. Du Mont-Schauberg eine komplette Zeitungsdruckerei mit Rotationsmaschine ausgestellt hatte. Das Werk enthält höchst interessante Beiträge zur Geschichte der Zeitungen, zeichnet sich daneben durch eine fast beklagenswerte Abwesenheit alles und jeden Hervorhebens der leitenden Persön- lichkeiten aus.

XIII. KAP. DER NORDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 38 1

den Verleger durch eine Jahresrente von 4000 Franken. 18 14 ist Kölnische das Jahr der Wiedergeburt des Blattes und 1822, wo der Zeitungs- stempel in Preussen eingeführt wurde, hatte es bereits über 2000 Abonnenten. Die Ereignisse von 1830, 1848 und namentlich die Kriegsjahre 1866 und 1870 trugen wesentlich zur Hebung und Verbreitung des Journals bei. Riesig waren die Opfer, welche dasselbe durch Errichtung eigener Telegraphenlinien, und Ent- sendung eigener Korrespondenten brachte, allein diese Aussaat ist auf guten Boden gefallen, die „Kölnische Zeitung" ist heute ein Weltblatt und druckt täglich eine Auflage von 30 bis 40 tausend Exemplaren.

Unter solchen Verhältnissen wurden die Lokalitäten mehrmals zu enge und im Jahre 1 846 entstand mit einem Aufwände von über 300 000 Mark in der Breitenstrasse ein höchst zweckmässiger Neu- bau, der am 26. September 1847 bezogen und im Jahre 1871 durch Neubauten vergrössert wurde. Das erste Telegramm der Zeitung erschien am 5. Oktober 1849. Am 1. Januar 1858 nahm sie das Format an, in welchem sie noch heute erscheint.

Am 1. Januar 1845 hatten bereits die Brüder Joseph und Michael Du Mont das Geschäft im alleinigen Besitz und zwar übernahm Michael die Buchhandlung, Joseph behielt die Zeitung. Leider starb dieser bereits am 3. März 1861 und hinterliess seiner Witwe und seinen vier Kindern sowie seinem treuen Freunde und Associe Wilhelm Ferdinand Schultze aus Magdeburg, welcher 1 844 in das Geschäft getreten war, das umfangreiche Institut. Am 31. Juli 1874 erhielt sie ihre eigene Drahtleitung von Berlin, nachdem bereits früher der Telegraph in grossartiger Weise benutzt worden war. In den Prozessen Kullmann und Graf Arnim betrugen die Kosten für Telegramme 25 000 M. und öfters wurden mehr als 20000 Worte hintereinander depeschiert: Eine Wochenausgabe der Zeitung hatte bereits im Jahre 1866 am 5. Oktober begonnen.

Nachdem die „Kölnische Zeitung" mehrmals ihre Pressen durch neue verbesserter Konstruktion ersetzt hatte, wurden 1877 Rota- tionsmaschinen, und zwar von König & Bauer gebaute, angeschafft. Die drei vorhandenen Exemplare liefern stündlich je 16 200 komplette Bogen. Als Motoren für diese und noch für 10 Schnellpressen dienen vier Gasmaschinen. 1880 betrug die Zahl der Angestellten

382 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XIII. KAP.

155, ausserdem waren 78 Knaben beschäftigt. Reich dotierte Kranken- und Unterstützungskassen sind mit der Offizin verbunden.

Kurz nach dem Tode Ludwigs, des ältesten Sohnes Josephs, starb am 30. November 1881 der mit den reichsten Gaben des Verstandes und des Herzens ausgerüstete W. F. Schultze, der ausserordentlich viel dazu beigetragen hat, dass die Zeitung heute eine so hohe Stufe einnimmt, dabei war er von einer so grossen Bescheidenheit, dass nicht einmal sein Name in der erwähnten aus seiner Feder stammenden Festschrift genannt wird.

Es ist begreiflich, dass kaum ein Reisender, der die Aufgabe der Presse zu würdigen versteht, bei einem Aufenthalt in Köln die Offizin der „Kölnischen Zeitung" unbesucht lässt. So erschien eines Nachmittags im Herbst 1877 der Feldmarschall Graf Moltke. Rasch entwarf einer der Redacteure, Hermann Grieben, einige begrüssende Zeilen, die, in wenigen Minuten gesetzt und in der Presse abgezogen, dem berühmten Besucher überreicht wurden; sie mögen hier einen Platz finden:

Heil und Dank Dir, Schlachtenleiter, dass Du auch bei uns erschienst, Und auch unsre wackren Streiter inspizierst in ihrem Dienst. Ja die kleinen Bleisoldaten sind, verhunderttausendfacht, Wohlgeführt und wohlberaten eine respektable Macht. Täglich rückt ihr Kriegsgeschwader tapfer aus zum Geisterstreit, Ihre grossen Hinterlader schiessen tausend Meilen weit. Sieh im. Kasten hier die Letter! Einzeln ist sie nur ein Zwerg, Doch im Chor ein Siegsgeschmetter: „Freiheit, Licht und Gutenberg".

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XIV. KAPITEL.

DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.

Emporwachsen Stuttgarts : Die Familie Cotta. J. B. Metzler. Die illustrierte Litteratur. Ed. Hallberger, Gebr. Kröner u. a. Die Xylographie. Der Buch- handel. Statistisches. Tübingen. München: Aufschwung aller graphischen Künste, Kasp. Braun, Fr. Hanfstängl, J. Albert, Fr. Bruckmann u. a. Nürn- berg. Regensburg. Augsburg. Rheinische Städte. Frankfurt a. M. Mainz und das Einweihungsfest. Freiburg i. Br. Dornach: Ad. Braun. Strassburg: Das Gutenbergdenkmal, die Bibliothek.

Die Schweiz. Lokale Schwierigkeiten. Basel: Die Familie Haas. Zürich: Orell Füssli & Co., Kartographie. St. Gallen: Chr. Zollikofer. Einsiedeln: Gebr. Benziger. Bern.

OCH vor Ablauf der vergangenen Periode hatten der Westen und der Süden Deutschlands ihr typographi- sches Übergewicht verloren. Die blühenden Hauptsitze der Buchdruckerei und des Buchhandels, Nürnberg und Augsburg, waren von ihrer Höhe zurückgegangen und wurden zu Anfang unseres Jahrhunderts bayrische Provinzialstädte, während die Hauptstadt Bayerns keine Anstrengungen machte, um einEmporium des Bücherverkehrs in Süddeutschland zu werden, wie es wohl möglich gewesen, wenn Gutenbergs Kunst von oben dieselbe Unterstützung und Förderung gefunden hätte, wie die bildende Kunst. Der hohe Glanz Basels war hinfällig geworden; es blieb zwar eine sehr respektable schweizerische Universität, der europäische Ruf war jedoch dahin. Strassburg zählte seit seiner Überrumpelung durch die Franzosen im Jahre 1681 nicht mehr zu Deutschland und

Sinken der

Bedeutung des

Südens.

384 DIE GERMAXISCHE GRUPPE. XIV. KAP.

galt in jüngster Zeit mehr als Festung denn als Sitz der Wissenschaft und Kunst. Frankfurt am Main hatte als Bücheremporium längst Leipzig den Platz räumen müssen, war auch nicht bestrebt, wenigstens als Verlagsort, ein bedeutendes Gewicht in die Wagschale zu legen, und die Heimat der Druckkunst, Mainz, hatte es nie versucht, die günstigen Antezedentien zu benutzen und die Erbschaft Gutenbergs im Geiste des Erfinders anzutreten.

Unter diesen Verhältnissen gelang es einer bis 1750 in der

Emporblühen Geschichte der Typographie kaum genannten Stadt, die noch tief in unser Jahrhundert herein hauptsächlich nur als Sitz der Cottaschen Verlagshandlung und des Nachdruckes in der graphischen Welt bekannt war, in der Zeit von knapp einem Menschenalter sich zum dritten typographisch -bibliopolischen Hauptplatz des Deutschen Reiches emporzuschwingen, und zwar hauptsächlich nur durch die Energie der Gewerbtreibenden selbst, verbunden mit Tüchtigkeit, kaufmännischer Klugheit und dem nötigen Mut „ins Zeug zu gehen-' gepaart.

Seinen ersten Ruhm verdankt STUTTGART, wie erwähnt, der joh. Fr. cotta Familie Cotta. Johann Friedrich Cotta, ein Urenkel des Begründers 1 29.' dL" i87324.' des Cottaschen Geschäfts in Tübingen (L, S. 134), Enkel des Kanzlers der Universität, war in Stuttgart geboren. Sein Vater hatte im öster- reichischen Reiterdienst gestanden und auch er fühlte Neigung für den Militärdienst und widmete sich namentlich dem Studium der Mathematik, ergriff jedoch als Brotstudium die Rechtswissenschaft und trat 1785 in Tübingen als Hofgerichtspraktikant ein. Die seinem Onkel gehörende Buchhandlung in Tübingen war in Verfall geraten und Johann Friedrich musste, um sie der Familie zu erhalten, sich entschliessen, die buchhändlerische Carriere zu ergreifen. Er trat am 1. Dezember 1787 unter unendlichen Sorgen und Mühen in Besitz des Tübinger Geschäfts und verband sich zuerst mit einem redlichen, aber für den Buchhandel nicht geeigneten Mann, Dr. Zahn. Dieses Geschäftsverhältnis wurde jedoch nach wenigen Jahren gelöst.

Bekannt ist Cotta namentlich durch sein intimes Verhältnis zu Cottas Goethe und Schiller, ein Verhältnis so schön, wie.es zwischen Autor

Schillernd1 und Verleger nur gedacht werden kann. Cotta hatte den Plan zu

Goethe.

einer deutschen Zeitung gefasst, die von Schiller redigiert werden sollte, jedoch Goethes Pläne führten zur Herausgabe der Hören (1795).

DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.

385

Übersiedelung aach Stuttgart.

Thätigkeit Cottas.

Nun verständigte sich Cotta mit Dr. Posselt über die Herausgabe der „Allgemeinen Weltkunde", aus der dann die „Allgemeine Zeitung" Aiigem. Zeitung entstand. Posselt erkannte jedoch selbst, dass er sich zur Heraus- gabe einer Tageszeitung nicht eigne. Nach mehrmaligem Redactions- wechsel wurde die Zeitung 1798 nach Augsburg verlegt und ging nunmehr gewöhnlich unter der Bezeichnung ,, die Augsburgerin " .

Cotta siedelte 18 10 nach Stuttgart über; der alte Adel wurde wieder aufgenommen und Cotta Freiherr von Cottendorf.

Es gelang Cottas Thätigkeit, Umsicht und Liberalität, nach und nach alle deutsche Dichter von Bedeutung und viele andere hervor- ragende Schriftsteller an seinen Verlag zu fesseln. Für ein auf- kommendes Talent wog der Umstand, sein Werk im Cottaschen Verlag erscheinen zu sehen, mehr als alle sonstigen Empfehlungen. Bezeichnend für Cotta und seine Handlungsweise sind seine Worte an Schiller: „Ich wünsche, Sie bestimmten das Honorar für die Sammlung Ihrer theatralischen Schriften. Sie werden dabei finden, dass Sie es mit einem Manne zu thun haben, der neben der Überzeugung, dass bei Schriftstellern, wie Sie, das Honorar nie ein Äquivalent für die Arbeit sein könne, und dass mithin ein Akkord nie die Verbindlichkeiten des Buchhändlers in einem solchen Falle erschöpfe, sobald der Erfolg ihm noch mehr zu thun erlaubt, auch Ihre Freundschaft zu schätzen weiss".

Im Jahre 181 5 ging Cotta im Auftrag mehrerer der geachtetsten Buchhändler Deutschlands nach Wien, um bei dem Kongress die Interessen des Buchhandels zu wahren. Eine seiner erfolgreichen Unternehmungen aus damaliger Zeit war Dinglers „Polytechnisches Journal". Von seiner Liebe zur Kunst geleitet gründete er in München eine grossartige Anstalt für Kupferstecherei und Lithographie, ver- bunden mit einer Kunst- und Landkarten-Handlung. Dort erfolgte nun die Herausgabe vieler grösserer die Kunst fördernder Werke : Gaus' Prachtwerk über „Nubien"; Platners topographisches Werk über „Rom", das jedoch nicht zur Vollendung gelangte; Bröndsteds „Reise in Griechenland" ; die Werke von Moritz Retzsch, Eugen Neureuther, Weitbrecht u. a.

Johann Friedrich starb am 29. Dezember 1832. Seine Thätigkeit im Dienste des Vaterlandes und seine Vorzüge als Landwirt gehen über den Rahmen dieses Handbuches hinaus.

25

Münchener

Unter- nehmungen.

386 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XIV. KAP.

Sein Sohn Georg von Cotta fand ein zwar hochberühmtes, g.v. cotta aber auch auf Grund der Vielseitigkeit der Unternehmungen stark

fi. Febr. 1863! belastetes Geschäft vor. Es gelang ihm aber durch seine grosse Energie, alle Schwierigkeiten zu beseitigen, dabei doch vollständig im Geiste des Vaters fortwirkend. Im Jahre 1839 erwarb er das Göschensche Geschäft in Leipzig, wodurch er so ziemlich der Allein- verleger der deutschen Klassiker wurde. Im Jahre 1845 kaufte er noch die Vogelsche Verlagshandlung in München und brachte die litterarisch-artistische Anstalt dort in lebhaften Schwung. Er ver- anstaltete zahlreiche neue Ausgaben der Klassiker. Gegen die Autoren war er äusserst liberal, weniger gegen den Sortiments- handel, auch wurde nicht immer die nötige Sorgfalt auf die Korrekt- heit und gute Ausstattung der Ausgaben verwendet. Unter den von ihm ins Leben gerufenen Zeitschriften hat die „Deutsche Viertel- jahrsschrift" besondere Bedeutung.

Cotta war, der politischen Gesinnung nach, ein ausgeprägter Grossdeutscher und in diesem Sinne wurde auch die „Augsburger Allgemeine" geleitet, bis die Ereignisse auch dieser einen anderen Stempel aufdrückten (S. 398). Im Jahre 1882 siedelte die Zeitung nach München über.

Mit- dem Tode Georg Cottas 1863 ging das Geschäft in den

Änderungen im gemeinschaftlichen Besitz der Familie über. Die Firma Cotta war selbstverständlich diejenige, welche die grösste Einbusse durch den Bundesbeschluss: vom 6. November 1867 ab alle Privilegien zu gunsten des Schutzes der Schriften einzelner Autoren nicht zu erneuern, erlitt. Im Jahre 1869 wurde die Literar. -Artistische Anstalt in München verkauft.

1879 übergaben Cottas ihre Buchdruckerei für zehn Jahre in Pacht an Gebrüder Kröner. So ganz ausserordentlich gross die Verdienste der Firma um die Litteratur sind, so lässt es sich nicht leugnen, dass die Typographie nicht in derselben Weise von ihr begünstigt wurde. Erst in späterer Zeit schloss sich die Cottasche Druckerei den besten Deutschlands an und lieferte Prachtwerke von Bedeutung, z. B. Goethes Faust, illustriert von G. Seibertz; Reineke Fuchs in Goethes Übersetzung, illustriert von W. v. Kaulbach; Herders Cid, illustriert von E. Neureuther; die Jubelausgabe von Schillers Gedichten u. a.

XIV. KAP. DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 387

Ihre früheren, selbst die Prachtausgaben der deutschen Klassiker leiden an wesentlichen Mängeln. So sehr auch ihre sogenannten Schillerausgaben zur weitesten Verbreitung der besten Werke noch vor Ablauf der diesen gewährten Schutzfrist beigetragen haben, so wenig dienten sie, den Geschmack für hübsche Buchausstattung zu wecken. Dagegen muss in die Wagschale gelegt werden, dass nie ein Buch aus ihren Pressen hervorging, bei welchem die Spekulation über die Ehre der Litteratur ging.

Eine alte ehrenwerte Firma Stuttgarts ist die 1681 gegründete J. B. METZLERsche, die, was ein seltener Fall ist, sich in letzter Zeit J. b. Metzier. vollständig verjüngt hat und'kühn den Kampf mit den jungen frisch aufblühenden Firmen aufnehmen konnte. Im Jahre 1876 trennten sich die Besitzer Ad. Bonz und L. Werlitz. Letzterer setzte das Stammgeschäft fort, welches 1881 sein zweihundertjähriges Jubelfest feiern konnte.

Adolf Bonz ist als der eigentliche Stifter des Deutschen Buch- drucker-Vereins zu betrachten. Schon jahrelang vor dem Entstehen a. Bonz desselben hatte er für das Zustandekommen gewirkt. Seine grosse geschäftliche Erfahrung, sein reiches positives Wissen als studierter Mann und Jurist, verbunden mit einer grossen Klarheit und einer unerschütterlichen Ruhe, befähigten ihn ganz besonders zur Leitung grösserer Versammlungen, und er hatte gute Gelegenheit, dieses Talent bei zwei der schwierigsten Verhandlungen in dem Vereins- leben, dem Eisenacher Buchdruckertage am 10. März 1872 und der ausserordentlichen Generalversammlung zur Statuten - Revision in Frankfurt am Main am 14. und 15. September 1874, zu bewähren. Er war bei dem schweren Kampfe, um Stuttgart dem Vereine treu zu erhalten, stets das vermittelnde und versöhnende Prinzip1.

Für den Aufschwung der Metzlerschen Buchdruckerei inter- essierte er sich lebhaft und es entstanden unter seiner Leitung mehrere schöne Illustrationswerke, als Scheffels „Trompeter von Säkkingen"; Scheffels „Bergpsalmen" sowie dessen „Gaudeamus" und „Juni- perus". Die nach dem Tode von A. Bonz entstandene neue Firma A. Bonz Erben strebt in ähnlicher Richtung und gehört zu denen, die allen ihren Druckwerken grosse Sorgfalt widmen und diese auf die ganze Einrichtung und die Behandlung des Formats ausdehnen.

1 Annalen d. Typ. 1872, Nr. 172, und 1874, Nr. 273. 274.

388 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XIV. KAP.

Eine ebenfalls auf eine lange Vergangenheit zurückschauende Gebr. Kröner. Buchdruckerfirma ist die der Gebrüder Mäntler, jetzt Gebrüder Kröner. Durch ihre Illustrationsdrucke glänzt diese Firma als ein Stern erster Grösse, und kein Jahr vergeht, in welchem nicht Prachtwerke von Bedeutung, teils dem eigenen Verlage zugehörend, teils für fremde Rechnung gedruckt, ihre Pressen verlassen. Es seien darunter einige aus dem eigenen Verlage Kröners genannt: „Unser Vaterland" in den verschiedenen Abteilungen : das bayrische Gebirge, Tirol, Steiermark, Nord- und Ostsee, Rheinfahrt; Jägers Wanderungen durch die Tierwelt. Eines der weniger bekannten und umfangreichen, „Hugdietrichs Brautfahrt" , dürfte in konsequenter und korrekter Durchführung als eine typographische Musterleistung bezeichnet werden.

Im Jahre 1879 nahmen Kröners die Cottasche Offizin mit 27 Schnellpressen auf zehn Jahre in Pacht. Nachdem die ehemalige Mäntlersche Buchdruckerei in das Cottasche Lokal übergesiedelt war, bietet sich das für den Typographen interessante Schauspiel zweier, nach verschiedenen Systemen eingerichteter und vollständig getrennt in einem Raum arbeitender Druckereien ; doch wird wohl auch die Zeit kommen, wo diese beiden Druckereien wie die Preussische Staatsdruckerei und die Geheime Oberhof buchdruckerei v. Deckers in eine „zusammengeschmolzen" werden.

Doch die genannten Firmen sind nur einige der Anstalten, die Beginn dazu beigetragen haben, Stuttgarts Ruhm als Verlags- und Druck -

des illustrierten ,_,.,,..

Druckes, ort zu begründen. Derselbe datiert von dem Ende der dreissiger und dem Beginn der vierziger Jahre. Als in Paris um diese Zeit die illustrierten Unternehmungen sich geradezu überstürzten, erwachte auch der Unternehmungsgeist in Stuttgart und die rührigen Ver- leger und Drucker dort fanden, ganz im Gegensatz zu den Verhält- nissen in Leipzig, bereitwillige Unterstützung bei den dortigen Geldmännern. Unter denjenigen, welche die Mittel in Bewegung f. G.Franckh. zu setzen wussten, stand obenan F. G. Franckh. Unter der Firma „Verlag der Klassiker" in Pforzheim, der 1839 in den Besitz von Dennig, Finck & Co. überging und nach Stuttgart übersiedelte, erschien eine Reihe von Unternehmungen, die hauptsächlich mit französischen Cliches illustriert wurden. Doch wagte man sich bald daran, Eigenes zu produzieren. So waren die Illustrationen zu

DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.

389

„Über Land und Meer.

1001 Nacht" deutsche Originale, dienten jedoch zur Ausschmückung einer französischen Ausgabe. J. Scheible brachte ein kleines „Universum", C. Krabbe die Übersetzung von Swifts „Gullivers Reisen" u. s. w.

Derjenige, welcher die grössten und andauerndsten Erfolge in. dieser Stuttgart charakterisierenden Richtung erringen sollte, war Ed. Haiiberger Eduard Hallberger, eine der bedeutendsten Erscheinungen des f 29'. Aug. 1880! modernen Buchhandels und der neuen Typographie.

Hallberger trat zuerst in das väterliche Geschäft, gründete jedoch 1848 eine eigene Firma und übernahm 1850 die mit drei Schnell- pressen arbeitende Buchdruckerei des Vaters. 1853 gründete er die Zeitschrift „Illustrierte Welt"; 1858 fasste er den Plan zu einem grossen illustrierten Unterhaltungsblatt „Über Land und Meer"1. Hackländers Name als Redacteur war ein tüchtiges Zugmittel; 1862 wagte Hallberger den Sprung von acht Thalern auf vier Thaler Abonnementspreis und hiermit war sein Erfolg entschieden. Holz- schnitte und Zeichnungen sind durchweg vortrefflich und haben einen grossen Einfluss auf die Xylographie in Stuttgart geübt.

Unter den Druckwerken Hallbergers nimmt die Heilige Schrift, illustriert von Gustav Dore, in zwei Ausgaben, für Lutheraner und Katholiken, einen hohen Platz ein. Sein Meisterstück ist jedoch Ägypten in Wort und Bild " mit mehr als 700 Illustrationen und mit Text von Georg Ebers. Alles ist hier deutschen Ursprungs und bildet ein hervorragendes Monument der graphischen Künste Deutschlands im XIX. Jahrhundert. Würdig schliesst sich an dieses an, wenn es dasselbe auch nicht ganz erreicht: „Palästina", zu welchem Werk England einen Teil des künstlerischen Schmuckes lieferte. Auch die grossen Ausgaben von Shakespeare, Goethe und Schiller zusammen mit gegen 2400 Holzschnitt -Illustrationen sind bedeutende Erscheinungen, die von vielen geringeren Umfanges gefolgt wurden. Ein wichtiges Werk sind die „Klassiker der Musik", herausgegeben von J. Moscheies. Der Romanverlag, dessen Perlen die ägyptischen Romane von G. Ebers sind, ist daneben ein sehr ausgedehnter.

Hallbergers Druckerei kann als eine Musteranstalt betrachtet werden. Früher wurden seine illustrierten Blätter auf Aläuzetschen

1 Die Nummer 1000 von „Über Land und Meer" ist Nr. 12 des Jahrg. 1878.

..Ebers' „Ägypten".

390

DIE GERMAXISCHE GRUPPE.

Hallbergers Offizin.

Verschiedene Druckereien.

Xylographi

Komplettmaschinen vorzüglich gedruckt, jetzt verrichten drei Rota- tionsmaschinen der Augsburger Fabrik die Arbeit und Hallberger selbst hat wesentlichen Anteil an der glücklichen Durchführung der Aufgabe dieser Maschinen; ausserdem sind 27 Schnellpressen in Thätigkeit. Die Zahl der Arbeiter war etwa 40a, dazu beschäftigt die Buchbinderei jetzt 24 Maschinen und etwa 400 Personen; grosse Papierfabriken gehören der Anstalt.

Allgemein betrauert starb Hallberger auf seinem schönen Land- sitz Tutzing am Starnberger See1. Er besass eine grosse und ideal angelegte Xatur, die sich in seinen Unternehmungen ausprägt, wes- halb diese auch sympathisch wirken. Dasselbe gilt auch von seinen Bestrebungen zur Gründung einer allgemeinen deutschen Pensions- und Invalidenkasse für Typographen, die vielleicht von Hallbergers Seite zu viel Idealismus enthielten und an dem zu wenig dieser Eigen- schaft bei seinen Kollegen strandeten. Für seine eigenen Arbeiter hat er in mehrfacher Hinsicht vortrefflich gesorgt. In seinen Arbeiten wurde er treu von seinem Bruder Karl Hallberger unterstützt.

Aus dem Geschäft wurde eine Aktiengesellschaft Deutsche Verlags- Anstalt unter Karl Hallbergers Direktion. Eine Expedition in Leipzig war bereits 1871 gegründet.

Eine- umfangreiche Druckanstalt ist die von H. Schönlein (24 Schp.), in welcher dessen weit verbreitete illustrierte Blätter gedruckt werden.

Von Druckereien seien noch erwähnt: Greiner & Pfeiffer, die (mit 14 Schp.) namentlich Accidenzien und illustrierte Werke drucken. Die von Gehülfen gegründete Vereixsdruckerei liefert sehr gute Accidenz-, besonders Farbendrucke. J. F. Steixkopf druckt vor- wiegend die religiösen Werke seines Verlags ; C. Grüninger ist der einzige Buchdrucker Stuttgarts, der sich auf orientalische Druck- arbeiten legt und namentlich russische Bücher liefert. C. Hoffmann druckt mit 7 Schnellpressen hauptsächlich die Verlagsartikel von K. Thienemann.

Die Stuttgarter Xylographie hat begreiflicherweise eine hohe Bedeutung. Die Anstalt von A. Closs ist eine so vorzügliche, wie wenige, und ist fast ausnahmslos in jedem Stuttgarter Prachtdrucke

1 Biographische Skizzen lieferte Paul Lindau in der „Gegenwart", Theod. Göbel in dem „Journ. f. Buchdrk.", 18S0, Xr. 36.

XIV. KAP. DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 391

vertreten. Die Stuttgarter Holzschnitte verbinden so sehr fran- zösische Eleganz mit den deutschen Vorzügen, dass vor dem Kriege viele Holzschnitte nach Paris geliefert wurden.

Ausser der Xylographie hat auch der Lichtdruck eine grosse Verbreitung. Die Anstalt von Martin Rommel & Co. liefert vor- Lichtdruck, treffliches und finden ihre Erzeugnisse namentlich ihren Platz in den Pracbtwerken von Paul Neff. Auch in der Chromolithographie hat Stuttgart Tüchtiges aufzuweisen durch die Anstalten von Emil Hoch- danz, Max Seeger, Gustav Weise. Die Leistungen finden haupt- sächlich Verwendung in den .Jugendschriften von W. Nitzschke, Schmidt & Spring, Lew & Müller, F. Loewe, K. Thienemann und Gustav Weise. Eine Spezialität des letzteren sind die, in grossen Massen verbreiteten ..Bilder für Jung und Alt". K. Thiene- mann lieferte auch eine Reihe naturwissenschaftlicher illustrierter Werke.

Die SCHRIFTGIESSEREI hat erst in neuester Zeit begonnen, einen Aufschwung in Stuttgart zu nehmen (S. 290). Der Verlagsrichtung Schriftgiesserei. gemäss findet vorzugsweise die Produktion zu dekorativen Zwecken Beachtung und ist in dieser Richtung namentlich Otto Weisert thätig. Im Jahre 1882 siedelte der bekannte Schriftschneider Bauer sen. von Frankfurt nach Stuttgart über. Als Farbenfabrikanten sind Käst & Ehinger von Bedeutung, namentlich in bunten Farben.

„Das eigenste, was Stuttgart besitzt, gehört nicht der schaffenden idealen Kunst, sondern der schmückenden, dekorierenden, vorab dem Kunststellung Kunstgewerbe. Wer die Kunst beobachten will, der begebe sich vor allem in die Werkstätte der Holzschneider, Lithographen, Zeichner, Buchbinder, der Holz- und Metallarbeiter, der Bauhandwerker. Die schwäbisch-industrielle Regsamkeit hat sich da mit einem Geschmack verbunden, der in Stuttgart, als einer Hauptstadt der deutschen Litteratur und des Buchhandels, von den verschiedensten Seiten angeregt wurde. Hierbei ist der unmittelbare Einfluss der Bücher- Illustration auf die Stuttgarter Kunstgewerbe durchaus nicht zu unterschätzen1."

Unter den Werken, die einen ganz wesentlichen Einfluss in der angedeuteten Richtung geübt haben, steht obenan die „Gewerbe- Stuttgarter halle" von J. Engelhorn. Die ersten Künstler und die besten Schrift-

1 Riehl, Deutsche Kunststädte. Augsb. AUg. Ztg. 1S70.

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DIE GERMANISCHE GRUPPE.

Stuttgarter Verleger.

W. Spemann.

steller unterstützen diese , 1 863 begonnene Zeitschrift. Ausser der stark verbreiteten deutschen Ausgabe existieren Ausgaben in Amerika, England, Italien, Frankreich, Böhmen, Spanien und Holland. Die „Gewerbehalle" kann demnach als ein Weltblatt bezeichnet werden.

Ausserdem Hess Engelhorn eine Anzahl der vorzüglichsten illustrierten Werke erscheinen : „Italien" mit etwa 400 Illustrationen, das „Schweizerland" von Kaden mit 450 Illustrationen, die „Kunst- schätze Italiens" von Karl v. Lützow, „Unser Jahrhundert" von Otto von Leixner.

Ebner & Seubert gaben eine Reihe von wertvollen, prachtvoll geschmückten Werken über Kunst von Lübke, Burckhardt, Weiss, Schnaase, Kugler heraus. C. Witwer wendete seine Thätigkeit den Werken der Architektur zu.

Paul Neff benutzt für seinen grossartigen Verlag vorzugsweise den Lichtdruck als Illustrationsmittel. Obenan stehen „Die goldene Bibel" und die „Klassiker der Malerei". Sowohl hinsichtlich der Aus- dehnung als was Ausführung betrifft, höchst bedeutende Werke sind : Ludw. Weisers „Bilderatlas zur Weltgeschichte", welcher auf 146 Grossfolio -Tafeln über 5000 Darstellungen bringt; die „Denkmäler der Kunst" mit gegen 200 Tafeln in Stahlstich; M. v. Schwinds „Die schöne Melusine" und „Die sieben Raben"; A. Racinets „Das poly- chrome Ornament", 100 Tafeln in Gold- und Farbendruck; „Die Kunst für alle" von 'Gutekunst: das sind einige der Publikationen von Neff; alle anzuführen würde zu weit gehen.

Eine der jüngsten und jetzt bereits eine der umfangreichsten Verlagshandlungen ist die, 1873 vonW.SpEMANN gegründete. Grossen Erfolg hatte Johannes Scherrs „Germania" ; Jakob von Falkes „Hellas und Rom"; Bruno Buchers „Geschichte der technischen Künste"; die illustrierten Werke von Friedrich v. Hellwald u. a. Die „Kollektion Spemann" eröffnete den Reigen der Mark -Kollektionen und in Kürschners „Deutscher National -Litteratur" unterbot der Verleger sich selbst durch Lieferungen zu 50 Pf. Die Monatsschrift „Vom Fels zum Meer" hat eine sehr bedeutende Verbreitung. Um das typographische Publikum machte sich Spemann verdient durch die Herausgabe des epochemachenden Werkes „Gutenberg" von Dr. A. v. d. Linde in Wiesbaden.

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Die übrigen Verleger Stuttgarts, die weniger Einfluss auf die graphischen Gewerbe übten, müssen hier unerwähnt bleiben.

TÜBINGEN verlor sehr an Bedeutung durch Übersiedelung Cottas nach Stuttgart. In ESSLINGEN liefert J. F. Schreiber (6 Schp., 8 Hdp.) Tübingen. Bilderbücher und Vorlagen. In Ulm druckt J. Ebner (9 Schp.).

Einen üblen Ruf erwarb sich REUTLINGEN als hauptsächlichster Sitz der grössten Nachdruckfirmen : Macken, Ensslin und Fleisch- Reutlingen und

ö ' der Nachdruck.

hauer, welche ihr böses Handwerk natürlich nur im „Interesse der Litteratur" mit aller Kraft betrieben und schliesslich gar als Wohl- thäter der Menschheit womöglich ein Ehrendenkmal verdient zu haben glaubten.

Württemberg besitzt im ganzen 173 Buchdruckereien und 71 lithographische Anstalten mit 398 Schnell-, 35oTret- und Hand- pressen. Die Druckereien verteilen sich auf j6 Städte; Stuttgart allein hat 68 Buchdruckereien mit 191 Schnellpressen und 32 litho- graphische Anstalten mit 43 Schnell- und 104 Handpressen. Im Jahre 1840 besass Stuttgart zwar bereits 24 Buchdruckereien, diese hatten jedoch zusammen nur 30 Schnellpressen, also nicht mehr als eine der grossen jetzigen Druckanstalten, ganz abgesehen von der Leistungsfähigkeit der Maschinen von heute gegen die damaligen. 1882 betrug die Bücherausfuhr Württembergs 31 10 301 Kilo zu einem Werte von wenigstens 6 Millionen Mark.

München erlangte, wie bereits erwähnt wurde, bei weitem nicht die Bedeutung für den Buchhandel und die Buchdruckerei wie für München. die Kunst, doch ist es in jüngster Zeit eifrig bemüht das Versäumte nachzuholen. Der wissenschaftliche Verlag hatte keine grosse Aus- dehnung und die wichtige Branche der Unterrichtslitteratur befand sich ganz in den Händen der Regierung, welche durch den sogen. „Schulbücher- Verlag" dafür sorgte, „dass kein Gift der Jugend ver- Der Schui-

bücher-Verlag.

abreicht wurde". Durch Reskript vom 12. Oktober 1785 wurde das Privilegium, welches der Buchbinder G. Ruprecht und dann J. B. Oettl auf planmässige Schulbücher innegehabt hatten, zu gunsten des „Deutschen Schulfonds" erneuert und letzterem der Verlag „aller verlegender Schulbücher auch anderer zur Erziehung dienlicher Schriften" vorbehalten.

Durch spätere Reskripte wurde dieses Privilegium noch erweitert. Die verschiedentlichen Remonstrationen der Buchhändler blieben.

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DIE GERMAXISCHE GRUPPE.

Knorr & Hirth.

trotz der ihnen zur Seite stehenden Rechts- und Vernunftgründe, unbeachtet. Dass die allgemeine Bildung und der Verlagshandel darunter leiden mussten, ist begreiflich; aber auch der Sortiments- handel wurde geschädigt, da der Schulfond, unter Umgehung der Sortimenter, den Vertrieb durch eigene Zwischenhändler und durch Lehrer besorgen liess, die billiger verkauften, als die Buchhändler einkaufen konnten1.

E. Mühlthaler (seit 1 867) war der erste in München, der sich e. Mühlthaler. im illustrierten Prachtdruck versuchte, und zwar mit den im Bruck- mannschen Verlag erscheinenden ..Die Schweiz" von Gsell-Fels und „Rhododendron". Bei unverkennbarer Tüchtigkeit und anerkennens- wertester Sorgfalt erreichten diese Ausgaben doch nicht ähnliche Stuttgarter Leistungen. Seit 1875 druckt Mühlthaler die Münchener ..Fliegende Blätter" und entwickelt auch seine Intelligenz in mer- kantilen Accidenzarbeiten. Er beschäftigt bereits 1 5 Schnellpressen.

Eine der angesehensten Firmen ist die von Knorr & Hirth, die mit zwei Rotationsmaschinen, zwei vierfachen und verschiedenen einfachen Schnellpressen arbeitet. Dr. Hirth ist bekannt durch seine Bestrebungen zur Erweckung des Sinnes für die Renaissance, worauf namentlich die in seinem Verlag erscheinenden Werke: Formen- schatz der -Renaissance; Butsch, Bücherornamente u. a. hinzielen. Nebenbei liefert die Offizin hübsche Accidenzarbeiten und druckt die „Münchener Nachrichten" in 33 000 Exemplaren. Noch weiter als Knorr & Hirth greift in seiner Geschmacksrichtung in der Zeit zurück Dr. M. Huttler aus Augsburg, welcher eine Filiale in München errichtet hat. Seinen Verlag von Erbauungsbüchern druckt er in gothischer oder Schwabacher Schrift in streng durch- geführter Imitation älterer Drucke,

Die ,. Akademische Buchdruckerei" von F. Straub beschränkt sich namentlich auf gelehrte Arbeiten und amtliche Drucke, ebenso die Universitätsbuchdruckerei von J. G. Weiss.

Unter den neueren Offizinen zeichnet sich die von R. Oldex- bourg (13 Schp.) sowohl durch ihre vortrefflichen Einrichtungen als durch ihre Arbeiten aus. Im Jahre 1874 übernahm Oldenbourg

F. Straub. J. G. Weiss

1 C. Wolff, Über den München 1827.

jemvärti^en Zustand des Buchhandels in Bayern.

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von Pustet in Regensburg den Zentral-Schulbücherverlag, ausserdem erscheinen bei ihm sechs Zeitschriften; dagegen werden Accidenz- arbeiten weniger gepflegt.

Zu erwähnen sind noch folgende Offizinen : C. Wolff & Sohn (8 Schp.); F. Wild (7 Schp.); J. Deschler (8 Schp.); E. Huber verschiedene (6 Schp.), dessen Spezialität hebräische Bücher sind ; W. Weifen- bach, welcher feine Accidenzarbeiten liefert. Die CoTTAsche Buch- handlung verlegte die Druckerei der „Allgemeinen Zeitung" nach München (1 Rotm. und 4 Schp.):

Unter den Münchener xylographischen Anstalten erwarb sich die von Braun & Schneider einen weit verbreiteten Ruf. Kaspar DieXyiographie. Braun aus Aschaffenburg hatte sich als Künstler in mehreren Kasp. Braun Techniken versucht ; durch den Anblick von Grandvilles Illustrationen 1 29. Oktb. 1877. zu Lafontaines Fabeln wurde der Gedanke in ihm fest, den Holz- schnitt in Deutschland zu dem alten Ansehen zu bringen. Rasch führte er den Entschluss aus nach Paris zu gehen, um sich, unter des trefflichen Breviere Anleitung, im Holzschnitt auszubilden. Das beste Zeugnis für Braun dürfte es sein, dass Breviere seinerseits später seinen Sohn in die Lehre zu Braun gab. Zuerst gründete er mit v. Dessauer eine xylographische Anstalt, dann vereinigte er sich mit Friedrich Schneider aus Leipzig zu einem ebenso innigen Fr. Schneider als erfolgreichen Zusammenwirken. Die „Fliegende Blätter" be- f9. April 1864. haupten sich bis auf den heutigen Tag in der unveränderten Gunst des Publikums und kaum wird eine ähnliche Sammlung von Gaben des köstlichen Humors sich zusammenfinden, wie in den 2000 Nummern dieses Blattes, aus welchem wieder die „Münchener Bilderbogen" entstanden. Brauns typische Figuren als : Eisele und Beisele, Wühl- huber, Heulmeier sind jedem bekannt. Durch Schneiders Tod erlitt Braun und sein Humor einen nicht zu verwindenden Stoss. Sein 70. Geburtstag brachte ihm noch Ehren und Freude, dann folgte ei- sernem vorausgegangenen Freunde.

In jüngster Zeit haben die grossen Verlagsunternehmungen von Friedr. Bruckmann und Th. Stroefer einen bedeutenden Einfluss auf die Münchener Xylographie geübt, einen besonderen Namen erwarben sich : Hecht, Th. Knesing, J. Walle u. a.

Als München am 28. Juni 1882 das 400jährige Jubiläum der Einführung der Buchdruckerkunst feierte, hatte dasselbe 49 Buch- Jubiläum.

Die

Lithographie.

396 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XIV. KAP.

druckereien, 38 lithographische Anstalten mit 5 Rotationsmaschinen, 148 Schnellpressen und 229 Tret- und Handpressen. Zu Ehren des Einführers der Buchdruckerkunst, Hans Schauer, dessen ersten Druck mirabiliä urbis Romae man in dem Kloster Tegernsee aufgefunden hat, wurde eine Denktafel an seinem Druckhause in der Rosenstrasse Nr. 10 angebracht. Die älteste der noch existie- renden Druckereien Münchens ist die aus dem Jahre 1769 stammende

F. S. HüBSCHMANNSChe.

Dass die lithographische Kunst sich in München, der Wiege derselben (S. 7), weiter entwickelte und in den dortigen reichen Sammlungen Stoff zu Vervielfältigungen fand zu einer Zeit, wo die Lithographie den Kunstsammlungen gegenüber fast die Stellung einnahm, wie jetzt die Photographie, ist natürlich.

In beiden Kunstzweigen erwarb sich Franz Hanfstängl grossen

Fr. Hanfstängl Ruhm. Er war, als Sohn wenig bemittelter Bauern, in Tölz geboren.

1 18. April 1877. Obwohl für die Laufbahn eines Malers bestimmt, machte der Zufall es, dass er sich der Lithographie widmete. Gleich gewandt als Zeichner und als Lithograph, etablierte er 1830 eine lithographiche Anstalt, ging jedoch 1834 nach Paris, um sich bei Lemercier noch mehr auszubilden. Schnell erwarb er sich neben Strixner, Piloty und Bodmer einen Namen, besonders durch seine genialen Portrait- aufnahmen. Als die kgl. sächsische Regierung den Plan gefasst hatte, die Meisterwerke der Dresdner Galerie durch Steindruck zu, veröffentlichen, ward Hanfstängl ausersehen, die Ausführung zu übernehmen; ihm gefiel jedoch die Abhängigkeit nicht und das Unternehmen geschah auf seine Kosten. Seine Wirksamkeit in Dresden war an Ehren reich. Inzwischen hatte die Photographie Boden gewonnen. Hanfstängl fühlte die Wichtigkeit der neuen Kunst sofort heraus und warf sich mit aller Kraft auf dieselbe. Als es sich um Herausgabe der bedeutendsten Bilder der alten Pinakothek handelte, blieb er unter 22 Konkurrenten Sieger, und lieferte eine Sammlung, die in ihrer Art ebenso hervorragend ist wie die in Dresden veranstaltete.

Einen bedeutenden Namen erwarb sich gleichfalls Jos. Albert, j. Albert, besonders durch seine Lichtdrucke (Albertotypie) und seine Photo- graphien in Farben. Als der eigentliche Erfinder des Lichtdruckes, der jedoch das Verfahren nicht zuerst praktisch in Anwendung

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brachte, gilt J. B. Obernetter. Die Arbeiten desselben stehen in hohem Ansehen, darunter die Facsimile- Ausgabe der „Meister von 1440 1694"; die „Kunstschätze aus dem bayrischen National- museum" u. s. w. Ein Portrait des Kaisers wurde in einer Auflage von einer Million gedruckt. Auch Jul. Allgeyer und C. Bolhoevener zeichneten sich in ihrem photochemischen Verfahren aus. In neuester Zeit erregte die Autotypie des Ingenieurs G. Meisenbach Aufsehen. Die Autotypie. Ein Mangel bei der Zinkhochätzung war die Notwendigkeit, eine Vorlage in scharfen Linien oder mit lithographischem Korn versehen zu haben ; eine getuschte Zeichnung, sowie eine Aufnahme nach der Natur oder einem Ölgemälde war nicht zu benutzen. Dem will die Autotypie abhelfen. Die Aufnahme des Bildes für die Hochätzung findet durch ein System von Linien statt, wodurch der notwendige Halt für die Reproduktion in Zinkographie geschaffen wird.

Die berühmte Bruckmannsche Kunstanstalt, jetzt eine Aktien- gesellschaft, wurde 1865 gegründet. Im Jahre 1869 erwarb Friedr. Fr. Bruckmann. Bruckmann das durch Patent geschützte Woodbury- Verfahren; 1875 nahm er den Lichtdruck auf; 1882 die Photogravüre, die sich namentlich zur Reproduktion von Ölgemälden eignet1. Bruckmann lieferte eine grosse Anzahl Galerien zu den vielen deutschen Dichtern und unter Zuhilfenahme der Xylographie grossartige Prachtwerke, z. B. Krelings „Faust" und die „Geschichte der Hohenzollern", die zu den bedeutendsten Erzeugnissen der neuen Zeit gehören.

Die Chromolithographie wird in ziemlichem Umfange in München betrieben. Bekannt sind die Anstalten von Gebr. Obpacher, Der Lehmann & Wentzel, W. Forndran, F. Gypen, Th. König, Mey & Widmayer, sie arbeiten hauptsächlich für das Papeteriegeschäft oder beschäftigen sich mit der Herstellung religiöser Bilder. Als Künst- verleger sind thätig A. Ackermann, F. Finsterlin, E. A. Fleischmann, G. Franz, P. Kaeser u. a.

NÜRNBERG erhielt in neuerer Zeit wieder eine erhöhte Bedeutung durch das Germanische Museum und seine Kunstgewerbeschule, Nürnberg, welche beide direkt und indirekt, auch durch Ausstellungen, auf das graphische Gewerbe fördernd wirken. Die Stadt ist auch der Sitz

* Ein sehr interessantes Probenbuch der Firma aus dem Jahre 1882 giebt eine Übersicht der vielen verschiedenen photographischen Verfahren.

DIE GERMANISCHE GRUPPE.

XIV. KAP.

Regensburg. Fr. Pustet.

J. G. Manz.

Kempten.

Augsburg.

verschiedener Fabrikationen , die mit den graphischen Gewerben in naher Verbindung stehen, z. B. Bronce, Farbe, Zeichenmaterial. Auch die Zahl der eigentlichen graphischen Anstalten ist noch eine bedeutende, namentlich für den lithographischen sowie für den Kupfer- und Stahldruck. Die Zahl der Buchdruckereien ist 26 mit 49 Schnellpressen, darunter G. B. J. Bieling (5 Schp.), U. E. Sebald (7 Schp.). Die älteste Druckerei ist die von W. Tümmel, seit Ende des XVI. Jahrhunderts bestehend, welche mit 2 Rotationsmaschinen den „Fränkischen Kurier" druckt. Unter den 46 lithographischen und Kupferdruck- Anstalten, welche mit 79 Schnellpressen und gegen 300 Handpressen arbeiten, sind zu nennen: G. Brunner, hauptsächlich Phantasieartikel liefernd (15 Schp., 24 Hdp.); Karl Mayer für Farbendruck, Luxuspapier und Kupferdruck (5 Schp., 30 Hdp.); C. A. Pocher (16 Schp., 35 Hdp.); C. Schimpf (5 Schp., 18 Hdp.); Franz Schemm; H. Serz «Sc Co.; J. G. Martin (4 Schp., 22 Hdp.); E. Nisler (12 Schp., 14 Hdp.). Man sieht aus diesen Angaben, dass der Export Nürnbergs immer noch ein bedeutender ist. In dem benachbarten FÜRTH arbeiten J. Hesse (5 Schp., 15 Hdp.) und G. Löwensohn (5 Schp., 5 Hdp.).

REGENSBURG ist berühmt durch die liturgischen Druck- und Verlagswerke von Fr. Pustet (ly Schp.) und J. G. Manz (9 Schp.). Einzelne mit Aquarellen geschmückte Bände erreichen einen Preis von 1000 fl. und mehr. Viele der Ausgaben sind mit vortrefflichen Miniaturen in xylographischem Farbendruck von Knöfler in Wien geschmückt. Von den Pustetschen Drucken seien erwähnt: das Missale in Gross-Folio von 1 863 ; das Gra duale in zwei mächtigen Folianten; die musica sacra des Kanonikus C. Proske, 6 Bände in Quart; das Missale Romanum mit Einfassungen und Illustrationen von Prof. Klein in Wien. Dass neben dem wirklich Schönen auch mancher Flitterstaat vorkommt, lässt sich bei Werken dieser Art kaum vermeiden. Manz wendet in seinem Verlag mehr den Stahl- stich an, hat ausserdem noch einen bedeutenden katholisch-wissen- schaftlichen Verlag. In Kempten verfolgt Jos. Kösel ebenfalls den liturgischen Verlag, ohne sich mit dem Regensburger messen zu können. Dort wirkt auch Tob. Dannheimer.

Augsburg wurde oft genannt als Druckort der „Allgemeinen Zeitung". Eine lange Reihe von Jahren war diese das einflussreichste

XIV. KAP. DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 399

Journal Deutschlands, namentlich auf Grund der besonderen Frei- heiten, welche das Blatt in Österreich genoss, und ihrer intimen Beziehungen in den höchsten Wiener Regionen. Berühmt waren ihre wissenschaftlichen Beilagen, welche, dank den weitverzweigten litterarischen Verbindungen der Firma Cotta, die vortrefflichsten Artikel in Bezug auf Kultur-, Litteratur- und Kunstzustände enthielten. Von den 13 Druckereien Augsburgs sind noch anzuführen J. P. Himmer (7 Schp.) und Gebr. Reichel (7 Schp.). Des Dr. Huttler wurde bereits gedacht (S. 394). Dasselbe ist der Fall mit der grossen Maschinenfabrik Augsburg (S. 313).

Von anderen Städten Bayerns sind zu erwähnen : WÜRZBURG mit der B. STAHELSchen (4 Schp.), der BoNiTAS-BAUERSchen (5 Schp.) Würzburg u. a.

Städte.

und THEiNschen Offizin (6 Schp.), sowie mit der Maschinenbau- anstalt von König & Bauer im Kloster Oberzeil; Landshut mit der J. THOMANNschen Buchdruckerei (6 Schp.); ANSBACH, wo C. Brügel & Sohn (6 Schp.) drucken. Auf Grund seiner vortreff- lichen Accidenzarbeiten verdient J. B. Dorn in Kaufbeuren genannt zu werden.

Hatte Frankfurt a. M. auch seine frühere Bedeutung als Emporium des Buchhandels verloren, so behauptete es wenigstens, Frankfurt a. m. wie schon früher erwähnt, seine Suprematie in der Stempelschneiderei und der Schriftgiesserei, zeichnete sich daneben auch in der Ver- wendung der verschiedenen graphischen Künste für den Accidenz- druck aus. Ganz besonders traten hervor die Firmen C. Naumann Accidenz- (14 Schp., 23 Hdp.) und B. Dondorf (9 Schp., 12 Hdp.), mit Bunt- und Congrevedruck, pantographischen Arbeiten, Reliefdruck und dergleichen, sowohl jeder für sich, als wenn sie zu einzelnen Zwecken zusammentraten. Bedeutendes in technischer und quantitativer Hinsicht wurde von ihnen bei der Anfertigung des italienischen und japanischen Papiergeldes geleistet, bis auch diese Länder soweit fortgeschritten waren, dass sie ihren „Bedarf"' in diesem wichtigen Artikel selbst decken konnten.

In neuester Zeit hat A. Osterrieth sein Geschäft zu einem, alle graphischen Zweige umfassenden (18 Schp., 12 Hdp., 150 Arb.) verschiedene ausgebildet. Albert Mahlau, Inhaber der Firma Mahlau & Wald- schmidt, wurde bereits (S. 364) erwähnt. Bedeutend ist die Stein- druckerei E. G. May Söhne (10 Schp., 12 Hdp.)/ Die C. KNATzsche

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DIE GERMANISCHE GRUPPE.

XIV. KAP.

Anstalt liefert in Etiquetten und dergleichen mannigfach Gutes. K. Klimsch verbindet Buch- und Steindruckerei (s. 3 19) T.

Auf dem Rossmarkte steht das Gutenberg-Monument (I, S. 36) ; hätten doch im Leben Gutenberg, Fust und Schöffer so fest zu einander gestanden wie hier auf dem Bildwerke des Freiherrn v. d. Launitz.

In DARMSTADT, das auch durch die Firmen Jongh aus &Venator, F. Lange und W. Leske für den Kunsthandel eine gewisse Bedeutung hatte, drucken C. F. Winter und L. C. Wittich; in WIESBADEN die L. ScHELLENBERGsche Hof buchdruckerei ; in Cassel Gebr. Gotthelft und die Hof- und Waisenhausbuchdruckerei, je mit 5 Schnell- pressen. In letzterer Stadt liefert Th. Fischer zu seiner Palaeonto- graphica (ein Exemplar kostet über 2000 Mark) und anderen Werken tüchtige Abbildungen in lithographischem Farbendruck. Noch sei das Städtchen ALLENDORF A. d. Werra genannt, mit der Offizin Bodenheim & Co., die mit 10 Schnellpressen und 150 Arbeitern hauptsächlich Schreibhefte, Kapseln und dergleichen liefert.

Kein Jünger Gutenbergs hört den Namen Mainz nennen ohne den Gedanken an dessen frühere Herrlichkeit für die Buckdrucker- kunst. Dass die Erfindung in Mainz geschah, war in Zufälligkeiten begründet-und für die Entwickelung einer Kunst oder eines Gewerbes sind Verhältnisse mitwirkend, die zu regeln und zu ändern nicht in der Macht des Einzelnen liegt. Deshalb lässt sich, wenn das goldene Mainz nicht eine Gutenbergsche Hochschule geworden, darüber mit den Mainzern nicht rechten, wohl aber dürfte sie der Vorwurf treffen, dass sie nicht beizeiten an die Gründung eines Gutenberg-Museums gedacht und dass sie noch leichteren Kaufes, als die, allerdings sehr ungünstigen, Verhältnisse es notwendig machten, ihre typo- graphischen Schätze dahingegeben haben, die jetzt hauptsächlich Zierden der Nationalbibliothek in Paris sind. Trotzdem wird Mainz ein Wallfahrtsort der Jünger Gutenbergs bleiben, um wenigstens das

1 Klinisch' „Adressbuch der Buch- und Steindruckereien" ist eine grosse Zahl von statistischen Einzelheiten zu verdanken. Das Buch will für das Druck- gewerbe das werden, was O. A. Schulz' „Adressbuch" bereits lange für den Buchhandel ist. Da die Angaben von den Buchdruckerei-Besitzern selbst her- rühren, kann der Herausgeber des Adressbuches nicht für die Richtigkeit jeder Zahl verantwortlich gemacht werden; der auf die Zusammenstellung verwendete Fleiss ist ein ausserordentlicher.

XIV. KAP. DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 4<DI

Standbild des Meisters zu schauen, das seit dem 14. August 1837 den Das

Einweihungsfest

Gutenbergsplatz schmückt. Die Einweihung desselben gestaltete des Monuments. sich zu einem glänzenden Feste. Ein grossartiger Festzug von den aus allen Gauen Deutschlands, ja selbst aus fremden Ländern zusammengeströmten Gästen begab sich erst nach dem Dom, wo der Bischof einen feierlichen Gottesdienst abhielt und wo ein TeDeum von Sigm. Neukomm gesungen wurde. Von dort bewegte sich der Zug nach dem Festplatze, wo der Vorsitzende des Gutenberg- Vereins die Übergabe-Rede hielt, worauf die Enthüllung der Statue Thor- waldsens vollzogen wurde. Am zweiten Tag ward ein Volksfest, auf dem Rhein ein Fischerstechen, abends ein glänzender Fackelzug und im Schauspielhause ein Ball abgehalten. Am dritten Festtage fand eine Versammlung der Fachgenossen statt, um über die Säkularfeier zu beraten, deren Abhaltung für den 24. Juni 1840 end- gültig bestimmt wurde. Thorwaldsen ward zum Ehrenbürger der Stadt erwählt und ihm ein kunstvolles Diplom in silberner Decke übersandt1.

OFFENBACH a. M. hat eine Bedeutung in der Geschichte der Lithographie durch die Verbindung Senefelders mit Joh. Andre, der Offenbach a. m. die Erfindung erwarb, um sie für die Herstellung seines Musikalien- verlags nutzbar zu machen. Mannheim hat 12 Buchdruckereien, Mannheim. darunter M. Hahn & Co. (7 Schp.) und die Mannheimer Vereinsbuch- druckerei (5 Schp.). In dem gegenüberliegenden LUDWIGSHAFEN befindet sich die BAURsche Buchdruckerei (4 Schp.). In Karls- ruhe mit 17 Offizinen ist die grösste die Ch. F. MüllerscIic Karlsruhe. Hof buchdruckerei und lithographische Anstalt (8 Schp., 1 1 Hdp.). Tüchtiges liefern die G. BRAUNsche Hof buchdruckerei und C. & G. Macklot. Hier wirkte auch Friedr. Wilhelm Hasper, bekannt f. w. Hasper

* 31* Juli 1796,

durch sein „Handbuch der Buchdruckerkunst" 1835, das jedoch f 21. Juni 1871. nicht ganz den gehegten Erwartungen entsprach. Karlsruhe hatte zu der Zeit, wo die Stahlstich- Illustration florierte, eine ziemliche Anzahl von Kunstinstituten aufzuweisen, als W. Creuzbauer, F. Gutsch, T. B. Veit, J. Velten. Obwohl Universitätsstadt hat HEIDELBERG keinen bedeutenden Platz in der Geschichte der Buch- druckerkunst ; A. Emmerling & Sohn beschäftigen 4 Schnellpressen.

1 Teil I, S. 36 ist durch einen Schreibfehler der erste Festtag als de 17. August statt 14. August angegeben.

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DIE GERMANISCHE GRUPPE.

Elsass- Lothringen.

Nach erfolgter Einführung nahm die Buchdruckerkunst in Frei- BURG einen ziemlichen Aufschwung, verfiel jedoch unter der öster- reichischen Zensur und Jesuitenherrschaft. Erst mit Maria Theresia und Joseph iL begannen freundlichere Tage für die Presse. 1840 zählte Freiburg 7 Buchdruckereien und 6 Kupfer- und Stein- druckereien. Besondere Bedeutung hat die HERDERsche, 1801 gegründete Anstalt. Herder war der erste , der einen Bilderatlas zu dem Konversations-Lexikon, unter der Leitung des Geographen Heck, versuchte. Seine geographischen Verlagsartikel, namentlich die grossen Arbeiten Wörls; Kausslers „Schlachtenatlas"; J. Löwen- bergs „Historisch -geographischer Atlas" sind von Wichtigkeit. Auch Rottecks Weltgeschichte, die seinerzeit eine sehr grosse Verbreitung fand, erschien bei Herder, der ausserdem den katho- lischen Verlag sehr pflegte.

In Lahr hatte seit 1800 J. H. Geiger, jetzt M. Schauenburg, ein umfangreiches Etablissement (19 Schp., 11 Hdp., 150 Arb.). Allge- mein bekannt ist der „Lahrer hinkende Bote".

Metz besitzt neun Buchdruckereien und sieben lithographische Anstalten; die bedeutendste Offizin (5 Schp.) ist die nach dem Kriege von Gebr. Lang begründete. In MüLHAUSEN arbeiteten für die dortigen Fabriken sieben Buchdruckereien und zwölf litho- graphische Anstalten, darunter W. Baader & Co. (6 Schp., 12 Hdp.). Das Strassburg gegenüber liegende Kehl war für eine kurze Zeit bekannt durch die BEAUMARCHAissche Druckerei (S. 184). Welt- berühmt ist die von Ad. Braun 1858 in Dornach gegründete photo- graphische Anstalt. Braun begann seine Laufbahn als Musterzeichner in einer Kattundruckerei. Berühmt wurden seine Schweizer Land- schaften ; auch Hess er später ganz Mitteleuropa bereisen , um Auf- nahmen zu machen, welche 1862 bereits die Zahl 1 5 000 erreicht hatten. Seit 1866 trieb er den Pigmentdruck im grossen Stil. Sämt- liche Museen Europas wurden bereist und eine grosse Zahl der berühmtesten Handzeichnungen grosser Meister als treue Facsimiles reproduziert, ebenso die interessantesten Gemälde fast aller Galerien. Die Anstalt, welche in eine Aktiengesellschaft umgestaltet wurde, besass bei Brauns Tod 1877 mehr als 60000 Negativplatten. In Colmar besteht noch das von Decker gegründete Geschäft unter der Firma C. Decker Witwe (S. 358).

XIV. KAP. DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 4O3

Mit hoher Befriedigung wird jeder Deutsche in STRASSBURG, der „ersten Wiege" der Druckkunst, welche injuria temporum strassburg. Deutschland, wie es fast den Anschein hatte für immer, verloren gegangen war, einkehren, da er jetzt nicht nötig hat, deshalb die Grenzen des Reichs zu überschreiten. Wird auch der Politiker und Kriegsführer Metz mit derselben Freude als deutsch begrüssen , das Herz des Volkes und der Fachgenossen besonders hängt doch mehr an Strassburg.

Mag das Denkmal Gutenbergs (L S. ^6) von Franzosen errichtet \ sein, mag das Buch, welches der Meister in der Hand hält, immer- Gutenberg- hin die französische Inschrift Et la lumiere füt tragen, hoffent- lich wird nie der, in einem Augenblicke hoher Aufregung aus- gesprochene, Gedanke, das Monument, oder wenigstens die Inschrift, zu entfernen, wieder entstehen. Ist doch die Huldigung, dem deutschen Manne von einem grossen Volke dargebracht, keine Schande für ihn, der für alle Völker segensreich gewirkt hat, wie es auch das Relief des Denkmals versinnlicht, wo sich Repräsen- tanten aller Völker sammeln, um dem Meister enthusiastische Huldigung darzubringen. Das Denkmal steht, wo es hingehört, auf deutschem Grund und Boden, da mag es mit französischer Auf- schrift stehen.

Mit dem Übergang Strassburgs in die Hände der Franzosen erlosch nach und nach das frische deutsche Kultur- und Kunstleben, strassburg um das nicht durch eine französische Akademie ersetzt werden konnte. Doch hatte Strassburg in der Geschichte der graphischen Künste gute Namen zu verzeichnen: Berger- Levrault (S. 187), Treuttel& Würtz (S. 186), Gustav Silbermann (S. 205), zu denen Engelmann Vater und Sohn aus Mülhausen sich gesellen (S. 206). Jetzt zählt Strassburg 15 Buchdruckereien und 16 lithographische Anstalten mit 64 Schnellpressen und 98 Tret- und Handpressen. Die hervor- ragendste Druckanstalt bleibt die wennauch geteilte Offizin Berger- Levrault (S. 186), jetzt eine Kommanditgesellschaft unter der Firma R. Schultz & Co. mit 22 Schnellpressen, 18 Handpressen und 250 Arbeitern. Die berühmte Silbermannsche Anstalt ging erst auf M. Schauenburg in Lahr, dann auf Silbermanns früheren Geschäfts- führer R. Fischbach über (9 Schp., 7 Hdp.), ausserdem ist die Universitätsbuchdruckerei von J. H. E. Heitz (4 Schp.) zu nennen.

26*

Die Bibliothek.

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Einen gewichtigen Namen in der Geschichte der typographi- j. d. Schöpflin sehen und geistigen Interessen Strassburgs hat der gelehrte f 6. Aug". 1771! Joh. Dan. Schöpflin. Er schrieb die bekannten Vindiciae typo- graphicae (1760) und überliess 1765 der Stadt gegen eine massige Leibrente seine historischen Sammlungen und seine bedeutende Bibliothek, fuhr jedoch fort, diese auch nach der Abtretung zu ver- mehren. Durch die Einziehung der Klöster und durch jährliche Erwerbungen war die Sammlung auf gegen 12 000 Handschriften und gegen 1 80 000 gedruckte Bücher angewachsen, darunter gegen 2000 Inkunabeln zumteil der seltensten Art. Als ein Kleinod der Sammlung galt das Manuskript der Äbtissin Herrade von Lands- berg, Hortus delicianim, aus dem XII. Jahrhundert, in Gross-Folio, mit den kostbarsten Miniaturen fast auf jedem Blatt. Auch eines der wichtigsten Dokumente aus der Erfindungsgeschichte der Buch- druckerei, die Zeugenaussage in dem Prozess zwischen Gutenberg und den Brüdern des Andr. Dritzehn aus dem Jahre 1439 (I, S. 25), befand sich unter den Schätzen, welche seit dem Jahre 1805 in die neue evangelische Kirche verlegt wurden, wo bereits eine andere wichtige Sammlung, die Universitätsbibliothek, untergebracht war. Einige leider zu gut gezielte Bomben haben das alles vernichtet und die Opferfreudigkeit, mit welcher die Strassburger Bibliothek neu und grossartig errichtet wurde, konnte den unersetzlichen Teil nicht wiederschaffen1.

1 Die „Annalen der Typographie", welche, nebenbei gesagt, die erste öffent- liche Aufforderung zur Wiedererrichtung der Strassburger Bibliothek bereits in ihrer Nr. 65 vom 8. Oktober 1870 enthielten, sagen in Nr. 62 desselben Jahres bei Gelegenheit eines Rückblickes auf die Geschichte der Bibliothek, deren end- liches Schicksal damals noch nicht genau bekannt war:

„Eine solche Sammlung von Schätzen sollte rettungslos verloren gegangen sein!? Das glauben wir nun und nimmermehr auf die vagen Äusserungen (des Bibliothekars Zeller in Paris) hin. Die brennende' Bibliothek hat ja nicht urplötzlich die Einwohner aus tiefem Schlafe geweckt. Wochenlang war vorauszusehen, was kommen würde. Und da sollte nicht ein verdienstvoller Bibliothekar, der über seine Bücherschätze ängstlich wacht, wie der Vater über seine Kinder, nicht ein um das Eigentum der Stadt besorgter Beamter daran gedacht haben, wenigstens das Unersetzlichste in Sicherheit zu bringen? Die Wechselfälle, denen eine belagerte Stadt ausgesetzt ist, sind doch nicht unbekannt, selbst wenn die Belagerer nicht aus „Attilas Horden" beständen. Da sollte nicht Zeit gefunden worden sein, ein halbes Dutzend Kisten mit den grössten Selten- heiten beiseite zu schaffen? Das halten wir trotz aller Kopflosigkeit, trotz aller

XIV. KAP. DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 405

Hoffen wir, dass materielle und nationale Wunden mit der Zeit vernarben, dass das alte Strassburg wieder als eine der hauptsäch- lichsten deutschen Kulturstätten erstehe und neuen typographischen Ruhm erwerbe, dass zum nächsten Jubelfeste die Angehörigen der verschiedenen Nationalitäten sich um das Abbild des Meisters brüderlich die Hand reichen. Gutenbergs Kunst kann zwar schwere Wunden schlagen, aber sie heilt auch solche!

DIE SCHWEIZ.

Als einige Geistliche in Cellarina im Ober-Engadin den Gedanken gefasst hatten, eine Druckerei anzulegen, Hessen sie einen örtliche

Schwierigkeiten

Setzer und einen Drucker aus Bergamo kommen, welche die kleine Letternanschaffung in ihrem Ranzen auf dem Rücken trugen. Eine abgenutzte Holzpresse wurde auf einen Esel gepackt, weil noch kein Fahrweg vorhanden war. Ein Zimmermann schlug auf dem Boden eines Heustalles Regale auf und zimmerte Setzkasten. Als Gespan des Druckers fungierte ein Bauernbursche, welcher auch die Abwartung des im unteren Stock einlogierten Esels zu besorgen hatte. Wenn der Winter herannahte, ging das Personal nach Bergamo heim und kam mit dem Frühjahr wieder zurück. Durch dessen Arbeit entstand eine Sammlung geistlicher Lieder, welche noch nach dem Jahre 1840 das allgemeine Kirchengesang- buch des Engadin bildete.

Wenn nun auch dieses kleine typographische Genrebild, selbst in der Schweiz, wohl nicht viele Pendants hat, so kann es doch als eine hübsche wennauch drastische Illustration der Schwierigkeiten dienen, welche der raschen Verbreitung der Typographie in einem Berglande mit zerstreuter Bevölkerung, kleinen Städten und einem schwierigen Verkehr entgegenstanden. Diese Verhältnisse müssen Erfreuliches die Achtung für die Schweizer Typographen steigern, die, obwohl die Litteraturen des mehrsprachigen Landes sich denen der grossen Nachbarvölker anschliessen müssen, gewusst haben, ihre gewerbliche

Zuversicht der Franzosen zu den eigenen Warfen und der souveränen Verachtung gegen den „Landsturm" nicht für möglich." Noch heute muss es jedem unbegreiflich erscheinen, wenn nichts gerettet sein sollte. Dann wäre die Barbarei Deutschlands, „das seine Gelehrsamkeit nur im Verwüsten zeigt", wie der Bibliothekar Zeller sagt, doch durch die passive Barbarei des der Verwüstung ruhig Zusehenden übertroffen.

Emporblühen.

406

DIE GERMANISCHE GRUPPE.

Zeitschriften- Litteratur.

Selbständigkeit zu wahren und, allerdings kräftigst durch eine wenn- auch kleine so doch hochgebildete und hochpatriotische Bevölkerung unterstützt, eine bedeutende Produktion zu erzielen.

So bildet die schweizerische Typographie das Bild einer allmählichen, ruhigen, den Verhältnissen angemessenen Fortent- wickelung. Man ist eifrig bemüht gewesen, nicht zurückzubleiben, strebt aber andererseits nicht danach, eine der Sachlage nicht angemessene blendende Stellung einzunehmen.

Die Schweiz besitzt in 164 Städten, Städtchen, Flecken und Dörfern 325 Buchdruckereien und 184 lithographische Anstalten mit zusammen 534 Schnellpressen und 812 Tret- und Handpressen, von welchen die Tretpressen verhältnismässig sehr stark repräsen- tiert sind. In dem Druckgewerbe werden überhaupt gegen 5000 männliche und 1000 weibliche Arbeiter beschäftigt.

Wenn die Schweiz vorzugsweise reich an Zeitschriften ist es giebt eine solche auf je fünfhundert Einwohner , so liegt dies an der Zersplitterung der Interessen durch die kantonale und kommunale Kleinregierung, an den verschiedenen Nationalitäten und an der örtlichen Lage. Deshalb hat die Schweiz keine Blätter, von grosser Verbreitung und allgemeiner Bedeutung und die Auf- lagen sincf oft winzig klein. Die Zahl der in 158 Druckorten erscheinenden Journale politischen oder lokalen Inhalts beträgt 307, darunter 60 täglich, 161 zwei- oder dreimal wöchentlich erschei- nende; 222 davon in deutscher, 75 in französischer, 7 in italienischer, 2 in romanischer, 1 in englischer Sprache. Von nichtpolitischen Zeitungen giebt es 253; darunter 166 deutsche, y8 französische, 7 italienische und 2 romanische. Bei weitem die meisten dieser Blätter sind sauber gedruckt. Die Zahl der jährlich erscheinenden Bücher beträgt etwa 1200.

BASEL mit seinen grossen Traditionen war nicht in der Lage, unter veränderten Verhältnissen seinen hohen typographischen Ruhm aufrecht zu erhalten. Doch hat es zum Beginne der neuen Periode eine Druckerfamilie von europäischer Bedeutung aufzuweisen1.

1 P. W(egelin), Die Familie Haas (im Baseler Taschenbuch 1855). W. Haas, Beschreibung und Abriss einer neuen Buchdruckerpresse, erfunden in Basel 1772. 1790. A. G. Preuschen, Grundriss der typometrischen Geschichte. Basel 1778.

XIV. KAP. DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 407

Wilhelm Haas war in mancher Beziehung ein ebenbürtiger Zeitgenosse J. G. I. Breitkopfs. Sein Vater war ein geschickter Die Familie Schriftschneider und Schriftgiesser aus Nürnberg, der das Bürger- recht in Basel erworben hatte. Der Sohn Wilhelm Haas zeigte w. Haas d. ä.

* 23- Aug. 1741

schon in seiner Jugend ein entschiedenes Talent für den Beruf des f 8- Juni l8°°- Vaters und wurde gründlich von Daniel Bernoulli in Mathematik und Mechanik unterrichtet. Er übernahm das Geschäft des Vaters und brachte es bald dahin, dass seine Schriftgiesserei als eine der vorzüglichsten Deutschlands angesehen wurde. Die Frakturschriften Seine Typen, betrachtete man in Bezug auf Regelmässigkeit und Klarheit als mustergültig. Für seine Antiqua nahm er Baskerville zum Vorbild ; sie ist z. B. in der bei Thurneysen erschienenen Ausgäbe von Voltaires Werken verwendet, auch schnitt er eine nicht unbeträchtliche Zahl von orientalischen Schriften. Zu seinen Verbesserungen gehört sein System der Spatien und der Stücklinien, worüber er sich in einer besonderen Schrift (1772) aussprach.

Sein Hauptaugenmerk galt jedoch der Verbesserung der Druck- presse, die seit dem Jahre 1500 so ziemlich ungeändert geblieben verbesserte

Handpresse.

war. Haas lebte aber noch in der Blütezeit des Innungszopfes. Er war kein kunstgemäss gelernter Buchdrucker und seine freundlichst gesinnte Kollegenschaft brachte es glücklich so weit, dass er nicht mit der von ihm konstruierten Presse arbeiten durfte, die er deshalb an Schweighauser verkaufte. Er selbst musste sich mit der Herausgabe einer deutschen und einer französischen Beschreibung begnügen. Die Hauptbestandteile seiner Presse waren aus Eisen und ruhten auf einem Steinblock; der Tiegel hatte die Grösse des Fundaments, so dass für den Druck einer Form nunmehr nicht zwei Züge notwendig waren. Der Bengel wurde an dem Kopfende der Spindel angebracht und der Hebel mit einer Schwingkugel versehen.

In das Jahr 1775 fallen Haas' Versuche, Landkarten und Musik- noten mit Typen herzustellen. Den ersten Gedanken zu dem Land- Landkartensatz, kartensatz fasste der Hofdiakon A. G. Preuschen in Karlsruhe, der a.g. pfuschen, sich an Haas mit dem Vorschlag wandte, mit ihm in eine Association für diese neue Kunst, die „Typometrie", zu treten. Haas ging mit Energie und Überzeugung auf den Gedanken ein. Als erstes Probe- stückchen erschien zu Anfang des Jahres 1776 in Basel ein Blättchen mit einer Waldung und dem Lauf eines Flusses; das zweite griff

408 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XIV. KAP.

schon weiter und wurde der Kaiserl. Akademie zu St. Petersburg und dem berühmten Geographen Büsching vorgelegt, der Feuer und Flamme für die Erfindung wurde.

Nun trat Breitkopf hervor und erklärte, er habe sich schon zwölf Jahre mit denselben Versuchen beschäftigt, und versandte seine Proben. Im Oktober 1 776 gab Haas eine Karte des Kantons Basel in Quart heraus, von welcher 1777 eine neue Ausgabe im üblichen Landkartenformat erschien, der eine Nachbildung der Karte von Sicilien von Hubert Jaillot aus dem Jahre 1736 folgte. Sie wurde dem König Ferdinand IV. von Neapel dediziert und erschien auch in einer französischen Ausgabe. Wilh. Haas gab noch etwa ein Dutzend solcher Karten heraus. Nach den neueren Erfindungen hat die Typometrie jedes praktische Interesse verloren, das nie ein nennenswertes gewesen, und nur das historische ist geblieben.

Im Jahre 1780 errichtete Haas im Verein mit dem talentvollen Haas und Thum- Buchdrucker und Buchhändler Joh. Jak. Thurneysen ein Geschäft,

eysen.

das sehr elegante Arbeiten lieferte. Die Verbindung hörte jedoch nach sechs Jahren auf und Haas der Sohn übernahm die Leitung der Buchdruckerei und führte sie nach dem Tode seines Vaters, der zugleich Brigade -Chef und General - Inspektor der helvetischen Artillerie war und auf einer artilleristischen Inspektionsreise zum allgemeinen Bedauern starb, fort.

W. Haas d. j. hatte eine sehr sorgfältige Erziehung genossen w. Haas d. j. und zeigte frühzeitig ein entschiedenes Talent für die Typographie.

* I5.januan766, ö ö ;r b r

f 22. Mai 1838. Als achtjähriger Knabe setzte, er ein Frag- und Antwortspiel aus Nonpareil mit einer Einfassung und druckte es in zwei Farben. Als sechzehnjähriger Gehülfe stellte er, unter Benutzung der systema- tischen Stücklinien des Vaters, die grosse Karte der Weltgeschichte von F. K. Fulda (Augsburg, Stagesche Buchhandlung) fertig, die aus zwölf grossen Formen besteht, welche zusammen ein Tableau von 5 Fuss Höhe und 6 Fuss Breite bilden.

Nach der oben erwähnten Übernahme des Geschäfts im Jahre wehere 1786, welches die Firma Wilhelm Haas der söhn annahm, heiratete er 1788 die Tochter Georg Jacob Deckers (S. 361). An der Druck- presse brachte er noch weitere Verbesserungen an und vervoll- kommnete den Satz der Landkarten, von welchen viele Blätter bei ihm erschienen. Nach dem Beispiel Baskervilles fertigte er nach

XIV. KAP. DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 4O9

seiner eigenen und des Vaters Idee eine Satiniermaschine, die er jedoch, als er die von Bodoni konstruierte gesehen hatte, verwarf. Seine Musiknoten sind elegant. Er druckte auch verschiedene hebräische Werke, darunter eine Bibel in vier Bänden, Grossoktav. Auch den Accidenzarbeiten wurde grosse Sorgfalt gewidmet.

Zu der im Jahre 1830 in Basel stattgehabten Kunst- und Industrie- Ausstellung hatte Haas „Das Gebet des Herrn" in hundert Wilhelm und

" Eduard Haas.

Sprachen, wie er bemerkt : die vierzigste derartige Sammlung, aus- gestellt. Das Geschäft überliess er seinen Söhnen Wilhelm und Eduard, von denen letzterer sich bei Didot als Stempelschneider ausgebildet hatte, und erlebte in Zurückgezogenheit noch sein yj. Jahr. Das Geschäft besteht noch heute als geachtete Schrift - giesserei.

Eine bekannte Baseler Druckerfamilie war die THURNEYSENsche, die ihre Aufmerksamkeit namentlich dem Bibeldruck zuwendete. In jüngster Zeit hat die ScHWEiGHAUSERSche Offizin durch Benno Schwabe mehrere vorzügliche Arbeiten, namentlich im Renaissance- stil, geliefert, welche den besten aus der Glanzzeit Basels eben- bürtig sind.

Wenn Bern auch die Hauptstadt der Schweiz ist, so bleibt doch ZÜRICH, sowohl was Einwohnerzahl betrifft, als auch in Zürich. Beziehung auf Kultur, Litteratur und Druckgewerbe, die erste Stadt der Schweiz. Sie besitzt 22 Buchdruckereien und 18 lithographische Anstalten, die 55 Schnellpressen, 136 Tret- und Handpressen beschäftigen. Der Kanton Zürich hat 40 Buchdruckereien, 30 litho- graphische Anstalten mit 97 Schnellpressen, 190 Handpressen und 800 Arbeitern und überragt weit jeden anderen der Kantone. Berühmt war Zürich schon in der älteren Druckgeschichte als Sitz des Geschäfts Christ. Froschauers, als dessen würdige Nachfolgerin die Firma Orell Füssli & Co. noch heute sich zeigt (I, S. 140). OreUFüssU&Co. Die Offizin würde auch in Deutschland zu den bedeutenderen zählen (10 Schp., 15 Hdp.); sie vereinigt alle Branchen der graphischen Künste und liefert in allen Vorzügliches. Das am 25. August 1881 bezogene neue Haus „Zum Bären" ist ein höchst stattlicher Bau. Einen eigentümlichen äusseren Schmuck desselben bildet ein, eine ganze Wand des vierstöckigen Hauses einnehmender, Bär. Die frühere Lokalität war durch 105 Jahre von der Firma benutzt

4io

DIE GERMANISCHE GRUPPE.

gewesen. Ein grosses Geschäft ist die Firma Zürcher & Furrer (6 Schp.).

Zürich besitzt mehrere bedeutende lithographische Anstalten. Die Lithographische Genossenschaft (4 Schp., 7 Hdp.), ebenso ].]. Hofer & A. Burger liefern sehr gute Chromodrucke. Berühmt ist Kartographie, die Anstalt von Wurster, Randegger & Co. durch ihre kartographi- schen Arbeiten; in welcher Richtung H. Mühlhaupt & Sohn sowie R. Leuzinger in Bern und H. Furrer in NEUENBURG sich ebenfalls einen Namen erwarben. Überhaupt geniesst die Schweiz hinsichtlich ihrer kartographischen Arbeiten eines grossen Rufes. Die geringe Ausdehnung des Landes bei den interessanten Bodenformationen und den komplizierten hydrographischen Verhältnissen luden ganz besonders zur Anfertigung detaillierter, malerisch ausgeführter Terrainkarten ein. Den mächtigsten Anstoss gab der General Dufour, dessen Generalkarte der Schweiz noch heute als das bedeutendste Meisterwerk kartographischer Darstellungskunst gilt. In WlNTERTHUR befindet sich die ziemlich bedeutende Offizin winterthur. von Bleuler, Hausheer & Co. (4 Schp.). J. Westpheling liefert sehr gute Arbeiten und introduzierte sich in sehr empfehlender Weise in grösseren Kreisen durch seinen Schweizer - Ausstellungs- Katalog "(Wien 1873), der denselben Beifall fand, wie die ganze Kollektiv - Ausstellung der Schweiz.

St. Gallen umschliesst eine der besten Offizinen der Schweiz. st. Gallen. Dieselbe wurde von Joh. Zollikofer, aus einer alten, vom Kaiser

joh. zoihkofer. RU(j0if j ^g geadelten Familie stammend, im Jahre 1789 gegründet. Durch Ankauf erwarb er 1792 noch eine zweite kleine Buchdruckerei und blieb bis 1802 der alleinige Buchdrucker in St. Gallen. Im

Chr. zoiiikofer. Jahre 1834 wurde der Sohn Christoph Associe. Durch Eintritt C. P. Scheitlins ward die Firma in Scheitlin & Zollikofer umgeändert und ein bedeutender Verlag gegründet, der später auf den Schwager Christoph Zollikofers, Iwan v. Tschudi, überging, während der erst-

Emii zoiiikofer. genannte die Druckerei behielt. Der Sohn Emil Zollikofer wurde 1867 Teilnehmer. Durch längeren Aufenthalt im Auslande aus- gebildet, reformierte er die Buchdruckerei übereinstimmend mit den Forderungen der Zeit. Ein neuer stattlicher Bau ward 1868 aus- geführt, fiel jedoch bereits am 17. Juli 1880 den Flammen zum Opfer. Ein zweiter Neubau wurde mit fabelhafter Energie betrieben und

XIV. KAP. DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 41 1

vier Monate nach dem Brande stand ein Prachtbau , hauptsächlich aus Glas und Eisen, fertig da. Christoph Zollikofer war, von seinen Mitbürgern hochangesehen, bereits Anfang September 1870 ver- storben.

Unter den schweizerischen graphischen Anstalten giebt es nur eine, die für den Weltmarkt arbeitet und auch einen Weltruf sich erworben hat. Der Bergflecken Einsiedeln mit 7000 Einwohnern, berühmt durch sein Benediktiner- Kloster mit dem wunderthätigen Muttergottesbilde und deshalb jährlich von hunderttausenden von Wallfahrern besucht, ist in der typographischen Geschichte durch die grossartige Anstalt der Gebr. Benziger merkwürdig geworden. Gebr. Benziger. Das Geschäft, welches nur auf die Bedürfnisse strenggläubiger Katho- liken berechnet ist, wurde von dem Landamman Josef Karl Benziger 1805 gegründet und ging von ihm auf seine Söhne Karl und Niko- laus (letzterer vom Papst in den Grafenstand erhoben) über. In allen Erzeugnissen der Anstalt, auch den billigsten, ist das Streben sichtbar, nur Gutes zu liefern. Die Erzeugnisse der Phototypie sowohl in Vergrösserungen als Verkleinerungen gehören zu den besten Leistungen in dieser Richtung. Die Anstalt verfügt über 27 Schnellpressen und eine grosse Anzahl von Buchbinderei- und anderen Maschinen und soll 700 IOOO Menschen, Erwachsene und Kinder, beschäftigen. In New- York, Cincinnati und St. Louis besitzt die Firma Filialen1.

Um den Leistungen dieser Anstalt vollkommen gerecht zu sein, muss man der örtlichen Lage derselben eingedenk bleiben. Dieselbe machte die Fürsorge für die Arbeiter durch Kosthäuser, Kassen und andere humanitäre Einrichtungen, die nach vielen verschiedenen Richtungen hin vorhanden sind, noch notwendiger, als bei gewöhn- lichen Verhältnissen.

Die Hauptstadt Bern zählt, was Bevölkerung betrifft, erst als die fünfte Stadt der Schweiz und bietet in graphischer Hinsicht Bern, nichts Bemerkenswertes dar. Die bedeutendsten Offizinen sind die STÄMPFLische mit 7 Schnellpressen, Rieder &: Simmen, Jent & Reinert, K. J.Wyss und B. F. Haller. Dieser war der erste, der

1 Phototypie Benziger, Reproduktionen von Holzschnitten, Lithographien, Stahlstichen, Handzeichnungen, auf Metallplatten, hochgeätzt für Buchdruck.

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DIE GERMANISCHE GRUPPE.

eine eiserne Presse in der Schweiz einführte ; die erste Schnellpresse erhielten Orell Füssli & Co. im Jahre 1832.

In der französischen Schweiz ist Genf durch das rege wissenschaftliche und litterarische Leben bekannt. Die Stadt hat 18 Buchdruckereien und 17 lithographische Anstalten, doch kein Geschäft von bedeutendem Umfang. Die grössten derselben sind Chr. Schuchardt und J. Lang mit je 4 Schnellpressen. Auch in Lausanne ist ein regeres geschäftliches Leben. Unter den 17 typo- graphischen und lithographischen Anstalten daselbst ist zu nennen die von G. Bredel (4 Schp.), die gute Werk- und Accidenzdrucke liefert.

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XV. KAPITEL.

DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.

Presszustände in Osterreich. J. T. Trattner. J. G. Trassier. J. v. Kurzbeck. A. Schmid. Familie Gerold. J. V. Degen. A. Auer. Die Hof- und Staats- druckerei. W. v. Braumüller. Das Museum und die Gesellschaft für verviel- fältigende Kunst. Der Buchdrucker-Verein. Neuere Buchdruckereien "Wiens. Die Druckereien in den Provinzen. Ungarn. Druckereien in Budapest und an anderen Orten. Statistisches aus Österreich -Ungarn.

U derselben Zeit, wo die Presse in Preussen beinahe einer uneingeschränkten Freiheit sich erfreute, hatte sie in Österreich mit dem schwersten Druck zu kämpfen. Unter dem Kaiser Karl vi. wurde noch glimpflich verfahren, unter Maria Theresia trat jedoch grössere Strenge ein. Ein Patent vom 12. Juli 1752 befahl den Unterthanen, alle geistlichen Bücher ihren Seelsorgern zur Prüfung zu übergeben, diese hatten die irrlehrigen an sich zu nehmen, die unverdächtigen, nachdem sie mit Siegel versehen waren, zurückzustellen. Selbst die Buchbinder waren verpflichtet, die ihnen zum Binden übergebenen Bücher den Geistlichen vorzulegen. Politische und staatswissen- schaftliche Schriften wurden mit ähnlichem Argwohn behandelt und diejesuiten hatten sich ganz der Zensur bemächtigt. In Ermangelung von gedruckten Zeitungen wurden geschriebene ,. Gassenblätter" regelmässig versandt. Zeitungsschreibern, welche falsche Nachrichten

Gedrückte

Zustände der

Presse.

414 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XV. KAP.

verbreiteten, wurde mit Auspeitschung und Landesverweisung gedroht und Angebern ioo Dukaten Belohnung zugesagt. Die einzige in Wien erscheinende Zeitung, das im Jahre 1 703 gegründete „Diarium", durfte nur solche inländische Nachrichten verbreiten, die ihr von der Hofstelle zukamen. Ausländische privilegierte Zeitungen konnten eingeführt werden, sie unterlagen jedoch einer Revision und wurden nur durch die kaiserlichen Postämter ver- trieben. Damals entstanden auch die verschiedenen Stufen des Ver- botes und der Zulassung. 1765 erschien das erste Verzeichnis der verbotenen Bücher, welches schliesslich selbst verboten wurde, damit man nicht die Titel der „schlechten" Bücher kennen lernte.

Dem unhaltbaren Zustand setzte die Thronbesteigung Josephs II. Freiere (1780) eine Grenze. Er hob die geistliche Zensur ganz auf und Joseph 11. bildete eine Zensurkommission aus aufgeklärten und unabhängigen Männern. Das Pressgesetz von 178 1 war in seinen Grundlagen nach den eigenen Bestimmungen des Kaisers entworfen. Das Ver- zeichnis der verbotenen Bücher wurde revidiert und mehr als 2500 derselben wieder erlaubt. Nur gegen schmutzige Bücher wurde mit alier Strenge verfahren. Im Jahre 1787 wurde es gestattet, anstatt der Manuskripte die bereits gedruckten Werke der Zensurbehörde vorzulegen. Es ward dem Kaiser nicht leicht, bei diesen Reformen den passiven Widerstand der Beamten zu überwinden. In der letzten Zeit seiner Regierung ward er auch selbst weniger freisinnig und die zuletzt erwähnte Massregel wenige Wochen vor seinem Tode durch eine Verordnung vom 21. Januar 1790 zurückgenommen.

Kaiser Leopold IL, eingeschüchtert durch die französische Neue Be- Revolution, ergriff strengere Massregeln gegen die Presse, und sein Nachfolger, Franz IL, verschärfte diese noch mehr. 1801 ward die Zensur der Polizeihofstelle übergeben ; 1 803 begann eine Rezensur- kommission ihre Thätigkeit und setzte wieder tausende von. früher freigegebenen Büchern auf den Index. Während der Besitznahme Wiens durch Napoleon fand 1809 eine temporäre Erleichterung statt und die Druckereien waren nicht imstande, alle ihnen ange- botenen Aufträge auszuführen. Dieser Zustand nahm jedoch mit Patent vom dem Patente vom 1 . November 1 8 1 o zur Regelung der Pressverhält- nisse ein schnelles Ende. „Kein Lichtstrahl, er komme, woher er wolle, soll künftig unbeachtet oder unbekannt in der Monarchie

XV. KAP. DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 415

bleiben", so hiess es und die Geschichte lehrt die Wahrheit dieser Worte des Programms kennen , wennauch nicht in der vermuteten Auslegung; es blieb in der That kein Lichtstrahl unbeachtet seitens der Polizei. Übertretungen der Zensurmassregeln wurden streng geahndet. Das Recht, Buchhandel und Buchdruckerei zu betreiben, beruhte natürlicherweise auf Privilegien. Die Abstufungen Abstufung der

Bücherverbote.

der Zulässigkeit der Werke wurden genau reguliert. Professoren und Gelehrten von Fach sollte nur in besonderen Ausnahmefällen ein Buch verweigert werden. Einige Bücher erhielten admittitar, d. h. sie waren ganz freigegeben; andere, denen das transeat zu teil geworden, durften verkauft, jedoch nicht öffentlich angekündigt werden. Um andere beziehen zu können war wieder eine besondere Erlaubnis notwendig (erga Schedam). Inländische Verlagsartikel erhielten das Imprimatur entweder ohne Beschränkung oder nach Weglassungen resp. Änderungen, andere fielen dem damnatur anheim. Es ist bekannt genug, wie die Bestimmungen über die Einfuhr der Bücher vielfach umgangen wurden und wie wöchentlich ganze Ballen nichterlaubter Bücher von Leipzig nach Wien gesandt wurden. Dort waren Bestechungen selbstverständlich an der Tages- ordnung; das Geschäft wurde demoralisiert, aber im Sortiments- handel viel Geld verdient, während der Verlagshandel und die Buchdruckerei darnieder lagen. Kein Autor von Bedeutung mochte sein Werk in Österreich verlegt oder gedruckt sehen und ein in Österreich gedrucktes Buch war fast gleichbedeutend mit einem schlecht gedruckten.

Der Festredner bei dem vierhundertjährigen Jubelfest (1882) der Einführung der Buchdruckerkunst in Wien Karl v. Scherzer, im Zustand

' der graphischen

Jahre 1846 noch ein enthusiastischer Jünger Gutenbergs, schrieb Gewerbe, damals: „Es ist in dem Volke noch nicht das Bedürfnis zu lesen erwacht; es begnügt sich, die , Wiener Zeitung' durchzublicken und alle Jahre die renommiertesten französischen Schauerromane in deutscher Übersetzung durchzublättern. Es fehlt uns hier auch an nichts weniger als an allem, um selbst die geringste littera- rische Unternehmung mit Ehren ins Leben rufen zu können. Kein genialer Zeichner, kein fähiger Holzschneider, kein tüchtiger Drucker und so fort bis zum Farbenjungen. Während das Ausland seit Jahren uns mit illustrierten Ausgaben überflutet, haben wir hier kaum den

4l6 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XV. KAP.

Mut gefasst, ein einziges grosses Werk mit Holzschnitten, zu ver- zieren; selbst die , Theaterzeitung' hat ihr illustriertes Gewand seit dem neuen Jahre wieder abgelegt und noch bei dem neuesten illustrierten Werk , Erzherzog Karl von Österreich' mussten, durch unübersteigbare Hindernisse dazu gezwungen, die beabsichtigten Holzschnitt-Illustrationen den in den Text gedruckten Lithographien weichen"1.

Mit den Accidenzien ging es nicht besser, als mit dem Werk- druck. Die Privilegien der „Wiener Zeitung" verursachten ausser- dem, dass Accidenzien im Interesse des Handels und der Gewerbe fast gar nicht vorkamen.

Mit der Zeitungslitteratur war es gar schlecht bestellt ; nur die zeitungs- verflachenden, witzelnden und pikanten Theater-, Kunst-, Litteratur- und Modeblätter erfreuten sich eines bedeutenden Absatzes. Alle Zeitungen, mit Ausnahme der „Wiener Zeitung" und des „Öster- reichischen Beobachters", unterlagen einer Vorzensur und kamen dann erst in die Hände des bekannten Grafen v. Sedlnitzky und erfolgten aus diesen gewöhnlich in einem Zustande zurück, von dem man sich heute schwer eine Vorstellung wird machen können. Die willkürlichsten Änderungen wurden getroffen, die sich nicht bloss auf Politik und ernstere Interessen bezogen ; es konnte auch einem Theaterkritiker, welcher erzählt hatte, wie sehr Fräulein X. miss- fallen, passieren, dass er in seiner Zeitung las, wie ausnehmend sie gefallen. Adlige Bösewichte gab es in Romanen und Theater- stücken gar nicht; sie mussten vorher ins Bürgerliche übersetzt werden.

Unter solchen Verhältnissen ist es immer noch zu verwundern, dass Wien einige bedeutende Männer unter den Ausübern der Druck- J. t. Trattner kunst aufzuweisen hat. Die populärste Erscheinung aus dieser •f i798! Periode des Rückgangs ist Johann Thomas Trattner. Er gehört nicht zu denjenigen Koryphäen der Druckkunst, zu denen wir mit Ehrerbietung emporblicken. Seine Hauptthätigkeit war eine, welche der Staat zwar zuliess, die öffentliche Meinung und das Rechts- bewusstsein aber verurteilten : Trattner war ein Nachdrucker ersten Ranges2.

1 Journ. f. B. 1846.

2 J. T. v. Trattner, Der gerechtfertigte Nachdrucker. Wien 1778.

XV. KAP. DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 4I7

Er war als Sohn eines armen Pulvermüllers zu Jahrmannsdorf unweit Güns geboren und frühzeitig verwaist. In seinem 1 8. Jahre kam er in die Lehre. Als Drucker erwarb er sich in der Offizin Johann von Gehlens (L, S. 144) etwas Geld und einige vermögende Gönner, die bereit waren, den jungen strebsamen Mann zu unter- stützen. Seine Bemühungen, eine Konzession sich zu verschaffen, blieben jedoch vergeblich. Da fasste er den kühnen Entschluss, sich persönlich an die Kaiserin Maria Theresia zu wenden, die ihn gnädig beschied. Nun kaufte Trattner am 12. März 1748 die im Laufe der Zeit sehr herabgekommene Buchdruckerei der Frau Eva Schelgin. Den Ertrag seiner ersten Arbeit, ein vom Abte des Stiftes Molk verfasstes Gebet, widmete er den Armen, wodurch er sich das Wohlwollen der Jesuiten erwarb, die nun -alle ihre Arbeiten bei ihm drucken Hessen, so dass er zeitweilig sechzehn Pressen beschäftigen konnte; sie aber regelmässig im Gange zu halten war eine schwere Aufgabe. Trattner legte sich deshalb auf das Nachdrucken der Werke der besten deutschen Autoren und machte sich hiermit eben so verhasst in Deutschland wie beliebt in Österreich, wo man den Nutzen der guten und billigen Bücher hatte. Es ging ganz wie in neuerer Zeit in Nordamerika: der durch den Nachdruck gebildete Geschmack des Publikums kam wenigstens später den einheimischen Autoren und Verlegern zu gute, welche den Boden vorbereitet fanden.

Eine grosse Erweiterung seines Geschäfts (bis auf 34 Pressen) entstand, als ihm bei der Studienregelung im Jahre 1752 der Druck Der Trattnerhof. der sämtlichen Schul- und Lehrbücher übertragen wurde. Er legte Filialen seiner Druckerei in Pest, Triest, Innsbruck, Linz und Agram an, erwarb zwei Papierfabriken, gründete eine Schriftgiesserei, alle Arten von artistischen Anstalten und unterhielt 23 Bücherlager. Am „Graben" erbaute er den schönen Trattnerhof, welcher seinen Wahlspruch Labore etfavore " trug. Seine Bücher stattete er mit grosser Sorgfalt aus, so dass es von einem guten Druck hiess: „Der ist wie von Trattnern". Bis in sein yS. Jahr war er der alleinige Leiter des Geschäfts und erlebte 1798 noch sein goldenes Jubiläum. Von zwei Frauen hatte er 21 Kinder, von denen jedoch nur zwei am Leben blieben. Vom Kaiser Franz war er 1764 in den Adelstand

27

41 8 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XV. KAP.

erhoben. Das Geschäft wurde nach Trattners Tod geteilt und ging auf verschiedene Personen über.

Neben Trattner nahm Josef Georg Trassler aus Wien eine j. g. Trassier bedeutende Stelle ein. Im Jahre 1779 erwarb er eine Buchdruckerei in Troppau, die bereits 1785 mit 25 Pressen arbeitete. Eine zweite Buchdruckerei errichtete er 1786 in Brunn ; diese beschäftigte bis 60 Pressen. Eine dritte Offizin etablierte er 1795 in Krakau, die jedoch 1809 von den Polen demoliert wurde. Ausserdem hatte er noch verschiedene graphische Geschäfte und eine Buchhandlung.

Seine Erfolge verdankte er zum nicht geringen Teil den Frei- maurern und den mit diesen in Verbindung stehenden Gesellschaften, welche letztere zur Bildung des Volkes unzählige Nachdrucke mit der Bezeichnung „Gedruckt bei Josef Georg Trassier und im Verlage der Compagnie" verbreiteten. Ausserdem besass Trassier selbst einen grossen Verlag zumteil bedeutender Werke, darunter A. F. Büschings grosse Erdbeschreibung in 30 Bänden; die 34 Bände starke Sammlung der besten Reisebeschreibungen ; die „Allgemeine Weltgeschichte", 88 Bände; Krünitz' „Encyklopädie", 129 Bände. Die bedeutendste Leistung war jedoch J. C. Adelungs berühmtes Wörterbuch in vier starken Bänden in Grossquart von zusammen 7587 Seiten1.

Obwohl der Verlag nach Trasslers Tod noch vermehrt wurde, ging das Geschäft in den Händen der Kinder doch zurück. Der zweite Sohn, Adolf, zog mit dem übrig gebliebenen Teile des- selben nach Troppau, wo es wieder emporblühte und seit 1879 im Besitz Alfreds, des Sohnes von Adolf, gedieh.

Ein sehr verdienter Buchdrucker war Josef Kurzbeck. Nach josef v.Kurzbeck vollendeten Studien widmete er sich der Buchdruckerei und über-

* 21. Nov. 1736.

nahm die väterliche, nur mit zwei Pressen arbeitende Offizin, die nunmehr bald 15 Pressen beschäftigte. Im Jahre 1770 richtete er sich für den Druck des Illyrischen, Walachischen und Russischen

1 Während Trassier noch als Faktor bei Trattner arbeitete, hatte letzterer für den nachmaligen Kaiser Josef II. eine kleine Buchdruckerei eingerichtet. Ein grosser vortrefflicher Holzschnitt von F. v. Exter \S. 302) hat eine Szene aus dieser Druckerei verewigt, wo der Prinz an dem Bengel zieht, Trassier die Ballen einschwärzt und Trattner gute Lehren erteilt. Die Presse selbst befindet sich in dem Museum der K. K. Staatsdruckerei.

XV. KAP. DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 4 IQ.

ein, später schaffte er noch verschiedene orientalische Schriften an. Da es sehr an Setzern für fremdländische Sprachen fehlte und es schwierig war, solche in dem Geschäft selbst auszubilden, ersuchte Kurzbeck den Kaiser Joseph IL, die Ausbildung einiger seiner Zög- linge an der K. K. Orientalischen Akademie zu gestatten, was auch gewährt wurde. Hierzu wurden die späteren Buchdruckereibesitzer Anton Schmid, Josef della Torre und M. Santner bestimmt. Kurz- beck Hess die als Mannsfeldsche bekannten Schriften schneiden, verschaffte sich die besten Amsterdamer Matern und druckte dann mehrere umfangreiche hebräische Werke, als den Talmud, Mischna- joth und Machsorim, welche allgemeine Anerkennung fanden. In Kurzbecks Offizin erschien auch 1775 das von Kaiser Maximilian I. 15 14 beabsichtigt gewesene Prachtwerk „Weisskunig" (I, S. III) von Treitzsauer v. Erentreitz mit 237 grossen Holzschnitten von Hans Burgkmair. Durch den Tod des Kaisers geriet dieses Werk wie mehrere von seinen litterarisch -artistischen Unternehmungen ins Stocken, die Holzschnitte waren jedoch in Graz glücklicherweise erhalten geblieben. Als der Druck Kurzbecks veranstaltet wurde, hatte man leider kein Verständnis für die Reproduktion eines Werkes älteren Stils, so dass die Ausführung nicht eine würdige wurde (S.429).

Kurzbeck erzielte durch sein Wirken sowohl Gewinn als Ehre ; im Jahre 1773 verlieh ihm die Kaiserin Maria Theresia eine goldene Kette und erhob ihn in den Adelsstand.

Unter den Schülern Kurzbecks befand sich, wie erwähnt, Anton Schmid, später der hebräische Schmid genannt. Der Abt des Klosters Anton v. schmid der Zisterzienser zu Zwetl, wo Schmid geboren war, Hess ihn im f 20. juni 1855. Lateinischen unterrichten. Seine an der Universität begonnenen Studien musste er auf Grund seiner Armut unterbrechen und trat in seinem zwanzigsten Jahre bei Kurzbeck in die Lehre, wo er später die Leitung des Druckes der hebräischen Bücher übertragen erhielt. Er bewog den kränklichen Kurzbeck, der keine rechte Freude mehr am Geschäft fand, ihm seine hebräischen Schriften zu überlassen, um damit ein selbständiges Geschäft zu beginnen. Kurzbeck ging auf den Gedanken ein, Schmid wurde jedoch mit seinem Konzessions- Gesuch abgewiesen, bis der Kaiser direkt zu seinen Gunsten ein- schritt. Nun ging er mit aller Kraft auf sein Ziel los. Seine Offizin wurde reich mit syrischen, persischen und' arabischen Schriften

27*

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ausgestattet und alle Lehrbücher in diesen Sprachen für die theo- logischen Anstalten wurden bei Schmid gedruckt. Seine Bücher waren vorzüglich ausgestattet und sein Ruf drang in fremde Länder. 1839 übergab Anton Schmid, der 1825 in den Adelsstand erhoben war, seinem Sohne Franz Edlen von Schmid sein Geschäft. Ein der Hof bibliothek geschenktes Exemplar der Schmid- schen orientalischen Druckwerke umfasst 148 Werke im Gesamt- umfange von 12447 Bogen. Vor allen zu nennen ist die 1795 in mehreren, rasch aufeinanderfolgenden, Ausgaben veranstaltete voll- ständige hebräische Bibel mit Übersetzung von Mendelssohn und einem Kommentar in hebräischer Sprache , an welchem eine Reihe der berühmtesten Gelehrten mitgewirkt hat. Die Druckerei ging auf Adalbert della Torre über.

Unter den älteren Buchdruckereien Wiens, die bis auf den

Familie Gerold, heutigen Tag ihre Bedeutung behalten haben, ist diejenige, welche

Josef Gerold 1775 von J. Kalliwoda erwarb. Der erstgenannte

Karl Gerold sowohl wie sein Sohn Karl Gerold erweiterten das Geschäft bedeutend. Durch den Druck mehrerer mathematischer und tech- nischer Werke für das unter Prechtls Direktion gestellte Polytech- nische Institut erwarb Gerold sich einen so guten Ruf, dass Cotta ihm den Druck der 20 Bände starken Prechtlschen Encyklopädie übertrug. Die gedrückten Pressverhältnisse veranlassten Gerold, sich weniger dem Verlag als dem Sortiment zu widmen. Aus den 1848 geänderten Zuständen zog jedoch auch die Geroldsche Offizin Nutzen und das Geschäft erweiterte sich in dem Besitz der in den Adelsstand erhobenen Söhne Karls: Friedrich und Moriz von Gerold ausserordentlich1.

Die PiCHLERsche Buchdruckerei wurde durch den Druck der

Pichiersche Werke Karoline Pichlers in Fachkreisen bekannt, jedoch mehr durch denDruck der 1838 in vier Blättern dreifarbig ausgeführten, in Typen gesetzten Post- und Reisekarte der österreichischen Monarchie von F. Raffelsberger 2. Die Arbeiten derselben stehen weit über denen von Breitkopf und Haas, sind jedoch, wie diese, mehr auf Grund der müh- samen Arbeit bewundernswert als für die Praxis nutzbringend.

1 Annalen d. Typ. 1875, Nr. 327. „Zur hundertjährigen Gründungs- feier" etc. Wien 1815.

2 Franz Raffelsberger, Proben der ersten graphischen Typen. Wien 1838.

XV. KAP. DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. '421

Ein tüchtigerBuchdrucker war Anton Strauss, der aus geringen Anfängen die Zahl seiner Pressen auf 20 brachte. Nach seinem Tode Anton strauss. ging das Geschäft auf Leopold Sommer über, der grossen Schwung hineinbrachte und 1848 an Zeitungen und Zeitschriften allein zwanzig l. Sommer. druckte. Er war auch der erste, der in Österreich eine politische Zeitung gründete, welche wirklich diesen Namen verdiente, die unter E. v. Schwarzers Leitung unternommene „Österreichische Zeitung".

Matthäus Salzer, Sohn des Kaspar Salzer, der zu den Zeiten Josephs II. Buchhändler und Buchdrucker war, lernte erst als Sattler, m. Saizer trat aber bald in das Papiergeschäft seines Bruders Franz und wurde f 4- Jan. 1I78. später Leiter der Papierhandlung seines verstorbenen zweiten Bruders Jakob, dann durch Verheiratung mit dessen Witwe Besitzer des Geschäfts. Nach und nach erwarb er die Papiermühlen in Wiener- Neustadt, Ebenfurth und Stettersdorf. 1866 kaufte er die Über- REUTHERsche Buchdruckerei und beschäftigte 1 1 Schnellpressen und 150 Arbeiter, namentlich mit Aufträgen seitens der Eisenbahnen und ähnlicher Anstalten. Im Jahre 1874 feierte Salzer sein goldenes Geschäftsjubiläum.

Als ein Stern in der langen Nacht der österreichischen Typo- graphie leuchtet Josef Vincenz Degen aus Graz. Er studierte dort J.v. Degen

& V J * 11. März 1763,

und in Wien, widmete sich dann dem Buchhandel, kaufte 1800 die f s- Okt. 1827. vorzüglich eingerichtete ALBERTische Buchdruckerei und errichtete zugleich eine Schriftgiesserei. Durch die Tüchtigkeit seiner Leistungen erwarb er sich bald ein bedeutendes Renomme. Im Jahre 1804 richtete er die K. K. Hof- und Staats -Aerial- Druckerei ein und brachte sie auf einen blühenden Stand. Vertragsmässig arbeitete diese Anstalt nur für Behörden. Eigentum des Staates wurde sie erst im Jahre 18 14. Degen, der in den Adelsstand als Edler von Elsenau erhoben worden war, wurde zum Direktor der nunmehrigen Staats- druckerei ernannt, die sich durch ihre Arbeiten in vorteilhaftester Weise auszeichnete.

Anders ward es nach Degens Tod unter der Direktion J. A. von Wohlfarths. Aus übertriebener Sparsamkeit Hess man die Staatsdruckerei. Anstalt verfallen und als Wohlfarth 1840 in den Ruhestand versetzt wurde, war es so weit gekommen, dass die Staatsbehörden sich mit ihren Aufträgen an Privatdruckereien wandten.

422 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XV. KAP.

Wie es in der Staatsdruckerei aussah, so war es auch in den anderen Offizinen mit Ausnahme der einzelnen erwähnten und viel- leicht noch einiger weniger anderen.

Der BUCHHANDEL, der sich unter Maria Theresia sehr ent- Der Buchhandel, wickelt hatte, verfiel unter Joseph II. trotz der milden Zensur. Man zersplitterte die Kräfte meist in Broschürenlitteratur, durch welche sich eine Reihe von Winkeldruckereien , die jedoch wieder mit dem Tode des Kaisers verschwanden, nährte. Von den bedeutendsten Werken dieser Periode seien noch erwähnt: Jacquins Histoina stir- pium americanarum ; Hortus Vindebonensis ; Observationes botanica mit 150 Kupfern; Icones plant arum rariorum mit 649 Kupfern; Flora austriaca mit 500 kolorierten Kupfern, Herrgotts Monu- menta Aug. Austriaca in Grossfolio mit vielen Tafeln, die von den Geistlichen des Stiftes St. Blasien gedruckt wurden; Maninskys grossartiges „Orientalisches Wörterbuch" u.a.

Als der Regenerator der österreichischen Buchdruckerei, die in der jüngeren Zeit so enorme Fortschritte gemacht hat, muss Auer betrachtet werden.

Alois Auer war zu Wels in Österreich als der Sohn eines armen ai. Auer Traunfiössers am 11. Mai 181 3 geboren. Da es ihm unmöglich war,

* n.Maii8i3, J Ö b 1

f 10. juli 1869. seinem Drang zum Studieren nachzugehen, trat er im Beginn des Jahres 1825 als Setzer in die Lehre bei dem Buchdrucker Michael Haas in Wels. Nach vollendeter Tagesarbeit benutzte er die späten Abendstunden, um sich gründliche Kenntnisse der Muttersprache anzueignen. Nach Beendigung seiner fünfjährigen Lehrzeit begann er mit Energie die Sprachkunde zu treiben, da er eingesehen hatte, von wie grossem Nutzen dieselbe für den Typographen ist. Seine Mussestunden benutzte er nun zur Erlernung der französischen, italienischen, englischen, spanischen und portugiesischen Sprache, so dass er sich schon im Oktober 1835 einer Prüfung in der franzö- sischen und englischen, im Mai 1836 einer in der italienischen Sprache an der Universität zu Wien mit günstigem Resultat unterwerfen konnte. Gleichzeitig bestand er die Prüfung in der Erziehungskunde. Sein guter Ruf verschaffte ihm bald eine Öffentliche Anstellung in Linz als Lehrer der italienischen Sprache. Auer begann nun eine Schriften- und Vaterunser- Sammlung anzulegen, die hinsichtlich ihrer Vollständigkeit fast allen Ansprüchen genügte, und benutzte

XV. KAP. DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 423

diese Sammlung, um die Raumverhältnisse aller Schriftarten genau zu berechnen r. Auf diese Art entstand sein „typometrisches System", über dessen praktischen Wert sich allerdings nicht viel sagen lässt.

Danach machte er sich an die Ausarbeitung verschiedener Sprachlehren, zunächst der französischen und italienischen Sprache, und indem er nach gleicher Methode alle Sprachen der Erde dar- zustellen beabsichtigte, keimte in ihm die Idee auf, einen Sprachen- Atlas zu entwerfen. Eine solche Aufgabe zu lösen reichten aber die Kräfte eines einzigen Menschen nicht aus. Es gelang ihm indes Metternich und den zu jener Zeit in Österreich noch allmächtigen Fürsten Metternich für seine Sache zu gewinnen.

Nach Verlauf von einem Monat überreichte ihm Auer in Wien einen Plan zur Gründung eines Polygraphischen Instituts als Vor- bereitung einer „Zentral -Verlagsstätte Deutschlands in Wien". Während dieser Plan die verschiedenen Staatsbehörden durch- wanderte, bereiste Auer 1839 England, Frankreich und die Schweiz, um die typographischen Anstalten des Auslandes kennen zu lernen, fand jedoch nirgends ein Institut, wie es seiner Phantasie vorschwebte.

Im Jahre 1841 wurde nun Auer zum Leiter der Staatsdruckerei ernannt. Mit jugendlicher Kraft ging er an sein reformatorisches Werk zur Verwirklichung seiner Lieblingsidee. Vorerst mussten die Personalverhältnisse und der Geschäftsgang der Anstalt geregelt werden; die alten Schriften wurden eingeschmolzen und andere nach dem neuen typometrischen System gegossen, veraltete Pressen durch zweckmässigere ersetzt. Dann wurde eine Stempelschneide- Anstalt eingerichtet, fremde Schriften geschnitten, Matrizen ge- schlagen und Lettern gegossen, und um der Staatsdruckerei in der That den Charakter einer polygraphischen Anstalt zu geben, v\ urden in ihr Offizinen für Lithographie, Stereotypengiesserei, Kupferdruck, Galvanoplastik, Photographie, Chemitypie und später für Natur- selbstdruck errichtet. Die Anstalt selbst wurde mit einer Dampf- maschine zur Bewegung der Schnellpressen und zur Heizung sämt- licher Lokale, mit Gasbeleuchtung und mit anderen Verbesserungen der Neuzeit versehen. Ferner gründete Auer unter dem Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse, ordnete das Lehrlings- wesen und führte einen Unterricht für die Zöglinge in den Abend-

1 A. Auer, Über das Raumverhältnis der Buchstaben. Wien 1S4S.

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stunden ein, so dass diese Technik, Sprachen (Lateinisch, Griechisch, Französisch, Englisch, Italienisch, Sanskrit, Persisch), Geographie, Geschichte, Stil u. s. w. unentgeltlich lernen konnten.

Schnell mehrten sich die Arbeiten der neuorganisierten Anstalt. 1860 beschäftigte sie schon über 1000 Arbeiter und besass 48 Schnell- pressen, 50 Handpressen, 3olithographische, 24 Kupferdruckpressen, 21000 Stahlstempel, 80000 Matrizen, 6000 Zentner Lettern. Die Ausstellungen von London und Paris 1 verbreiteten den Ruhm der Anstalt, welche der höchsten Auszeichnungen teilhaftig wurde. Aber auch Auer ging nicht leer aus. Er wurde in den Adelsstand als Ritter Auer von Welsbach erhoben und 24 Orden zeugen dafür, dass er die Kunst, sich Anerkennung zu verschaffen, nicht übel verstanden hat.

Mit seinen vielbesprochenen Erfindungen, die öfters, und wohl

Die Erfindungen nicht mit Unrecht, ihm nicht für voll angerechnet wurden, hatte er in der Praxis kein rechtes Glück. Diejenige, die am meisten von sich reden machte, war der Naturselbstdruck (Auto -Typographie) . Dieser bestand darin, von einer Pflanze, einem Gewebe u. dgl. nach dem Einlegen zwischen einer Stahlplatte und einer anderen von weichem Metall durch eine starke hydraulische Pressung eine ver- tiefte Druckplatte zu gewinnen, die mittels Galvanisierung in eine Hochdruckplatte verwandelt, werden konnte. Ein grossartiges, von Konstantin v. Ettinghausen herausgegebenes Werk, Physiotypia plantarum, wurde in Angriff genommen und auf den Ausstellungen sehr bewundert2. Das Verfahren wurde durch kaiserlichen Beschluss der Allgemeinheit preisgegeben, hat jedoch für die Praxis keinen grossen Wert.

Eine zweite „Erfindung" war der Druck vom endlosen Papier.

Die „Endlose". Der Gedanke, den Papierbrei der Papiermaschine an dessen oberen Ende zuzuführen und von dem anderen Ende in die Schnellpresse zu leiten, so dass er aus dieser als gedruckter Bogen herauskam, musste

1 A. Auer, Geschichte und Beschreibung der K. K. Hof- und Staats- druckerei. 1851. Der polygraphische Apparat, 1851. Album der K. K. Hof- und Staatsdruckerei. 1853. Die K. K. Hof- und Staatsdruckerei auf der Pariser Ausstellung. 1855.

2 A. Auer, Die Entdeckung des Naturselbstdruckes. 1853. K. v. Etting- hausen und A. Pokorny, Die wissenschaftliche Anwendung des Naturselbst- druckes. Wien 1856.

DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.

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für einen so elastischen Geist wie Auer grosse Anziehungskraft haben. Er brachte ihn auch in seiner Weise, d. h. blendend, zur Ausführung; für die Praxis war der Nutzen ein geringer. Das Papier wurde in eine gewöhnliche Schnellpresse geführt, nach dem Schön- druck durch Mechanismus zerschnitten und die Bogen durch den Hansenschen Ausleger ausgeführt. Der staunende Beschauer ahnte in den seltensten Fällen, dass der Widerdruck auf gewöhnliche Weise, auf einer anderen Schnellpresse besorgt werden musste, und konnte nicht wissen, dass der Lohn eines Anlegers oder einer Anlegerin das einzige war, was hätte gespart werden können, wenn nicht dieser Gewinn durch die Kosten des ganzen Apparates weit überwogen worden wäre.

Ebensowenig Glück sollte Auer mit seiner Maispapierfabrikation haben \ Er brachte zwar eine Ausstellung zustande, in welcher nicht allein verschiedene Sorten Papier, sondern auch manche der Gegen- stände zu sehen waren, welche Chinesen und Japanesen aus Papier- stoff fabrizieren. Damit blieb aber auch diese Sache ruhen.

Selbst mit dem orientalischen Druckapparat, dem Stolz der Staatsdruckerei, hatte es mitunter einen Haken. Viele Schriften figurierten in den prachtvollen Proben ; in der Wirklichkeit sah es mit deren Bestand Öfters schwach genug aus.

Auers Hauptfehler war, sich nicht mit dem Schaffen von Tüchtigem zu begnügen, sondern auch blenden zu wollen, und dafür war ihm kein Preis auf Kosten des Staates zu hoch. Seine Eitelkeit war noch grösser als seine Tüchtigkeit.

Es konnte an Angriffen begründeten, unbegründeten, durch Neid hervorgerufenen u. a. nicht fehlen, v. Plener, des genialen Brück Nachfolger als Finanzminister, war nicht so geneigt wie letz- terer, über die Finanzfrage leicht hinwegzugehen. Auer wurde am 2. März 1866, nach verschiedenen Misshelligkeiten, in Anerkennung seines 25 jährigen verdienstlichen Wirkens mit seinem vollen Gehalt definitiv in den Ruhestand versetzt.

Auer war nicht geschaffen, männlich den Schlag, die mit diesem verbundene Unthätigkeit und das Vergessensein zu überwinden., Sein Gemütszustand wurde ein immer reizbarerer und die Kräfte aufreibender; er starb bereits am 10. Juli 1869 in Hietzing.

1 J. Arenstein, Osterreich auf der internationalen Ausstellung 1862.

Maispapier.

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Hat nun Auer auch dem Glänze zu viel geopfert und nach Auers Einfluss Alchymistenart öfters Thaler zu Groschen destilliert, so muss sein Typographie. Einfluss auf die Typographie im allgemeinen und auf die öster- reichische „insbesondere doch sehr hoch angeschlagen werden. Vor seiner Zeit war, wie erwähnt, ein in Österreich gedrucktes Buch ziemlich gleichbedeutend mit einem schlecht gedruckten; dass dies so ganz anders geworden ist, dazu hat Auer direkt und indirekt wesentlich beigetragen; selbst „draussen im Reich" wurde sein Einfluss gespürt. Die ganze deutsche Typographie hat aus der Welt- berühmtheit der Wiener Staatsdruckerei ihren Teil an Ehre und Vorteil gehabt ; sie ist verpflichtet, Auers Namen in Ehren zu halten. Seit Auers Tod steht die Staatsdruckerei unter der Direktion staatsdruckeri eines nicht fachmännischen Staatsbeamten, Hofrat Dr. Beck, der

unter Beck. ,

sie in angemessenster Weise auf einer achtunggebietenden Stufe erhält, während nicht prätendiert wird, die Führung der jetzt mündig gewordenen österreichischen Typographie fortzusetzen. Ein Hindernis für die rechte Entfaltung der Anstalt ist die voll- ständig ungenügende Räumlichkeit.

Neben dem Geld- und Wertpapierendruck wird unter Mitwirkung Blindendruck, des Direktors der Blindenanstalt in Ober-Döbling, Fr. Entlicher, in anerkennenswerter Weise besonderes Gewicht auf den Druck für Blinde gelegt. Bei diesem Druck wird der Pressendeckel mit einem Überzug von Gutta -Percha versehen und darin ein scharfer Abzug von den Typen gemacht. Ist der Gutta -Percha -Überzug vollständig erhärtet, in welchem Zustand er 2 3000 Abzüge aushält, so wird die Schrift mit dem Papierbogen bedeckt, welcher, um eine grössere Zähigkeit zu erzielen, in einem mit Glycerin und Alaun versetzten Wasserbade gefeuchtet ist, in die vertiefte Gutta- Percha- Masse geprägt. Unter den verschiedenen Leistungen im Blindendruck befinden sich auch hebräische Lesebücher und durch erhabene Figuren illustrierte naturgeschichtliche Lehrbücher1.

Auch die Chromolithographie wird mit Glück von der Staats- druckerei geübt. Eine ausgezeichnete Leistung ist z. B. das Pracht- werk über die Votivkirche in Wien 1879. Die Reproduktion des

1 Jos. Trentsensky, Erzeugung von Schriften en haut-relief für Blinde. Wien 1836. Freisauff v. Neudegg, Die Ektypographie für Blinde. Wien 1837.

XV. KAP. DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 427

Marienfensters ('S. 303) übertrifft bei weitem ähnliche Arbeiten Silbermanns.

Das Budget der Staatsdruckerei zeigt bei einer Einnahme von etwa zwei Millionen Mark einen Überschuss von etwa 200 000 Mark, Budget. bei Staatsanstalten ohne Konkurrenz Ziffern ohne grosse Bedeutung. Die Schriftenmasse beträgt 500000 Kilo in etwa 1500 verschiedenen Arten von Typen, darunter gegen 350 fremdländische1. Die Zahl der Schnellpressen beträgt 57, der Handpressen 54, ausserdem sind etwa 80 Hülfsmaschinen vorhanden. Die Schriftgiesserei arbeitet mit 14 Giessmaschinen und besitzt etwa 30000 Stempel und 200000 Matern. Die Gesamtzahl der Arbeiter ist gegen 900.

Haben wir die Verdienste Auers und der Staatsdruckerei gebührend anerkannt, so ist es Pflicht, einen Mann zu erwähnen, w.v.Braumüiier. der, obwohl nicht Buchdrucker, einen ganz eminenten Einfiuss auf die Buchdruckerkunst in Österreich gehabt hat; es ist der Buch- händler Wilhelm Ritter von Braumüller. Früher bekannt als einer der bedeutendsten Sortimenter Wiens, die mit ihren vollen Börsen oder Portefeuilles und ihrem jovialen Wesen vorzugsweise gern gesehene Gäste zur Leipziger Messe waren, widmete sich Brau- müller erst seit dem Jahre 1840 dem Verlag und zwar mit ebenso grossem Geschick und Energie als Glück.

„Von dem Streben geleitet, die wissenschaftliche Litteratur Österreichs dem Auslande gegenüber zur vollen Geltung und An- erkennung zu bringen, hat meine Handlung einen Verlag geschaffen, welcher sowohl nach seinem Werte als der Ausdehnung und Aus- stattung nach den ersten Rang einnimmt, und welcher dadurch noch eine ganz besondere Bedeutung gewinnt, dass, hauptsächlich durch die geschmackvolle typographische Ausstattung angezogen, eine grosse Zahl litterarischer Notabilitäten fremder Universitäten durch gediegene Werke dabei vertreten ist. Vor allen ragt quantitativ und qualitativ die Medizin hervor, und die dominierende Stellung, welche Österreich durch seine medizinischen' Celebritäten in der wissenschaftlichen Welt Deutschlands einnimmt, spiegelt sich auch in diesem Verlagszweige wieder. Eine Reihe veterinärwissenschaft- licher Werke, durch die Professoren des K. K. Tierarznei-Institutes würdig repräsentiert, schliesst sich demselben an. Die land- und

1 1876 erschien die zweite Auflage der Alphabete des gesamten Erdkreises.

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forstwirtschaftliche Litteratur, bis dahin in Österreich gar nicht gepflegt, ist jetzt ausschliesslich in meinem Verlage vereinigt, und durch die Werke der Professoren an den berühmten Fach- schulen in Mariabrunn, Ung. - Altenburg , Eulenberg, Hohenheim, Eisenach etc. würdig repräsentiert. Die vortreffliche Ausstattung, welche ich allen Werken mit der grössten Sorgfalt gewidmet, hat ohne Zweifel wesentlich zu einer allgemeinen besseren und würdi- geren Ausstattung der litterarischen Erzeugnisse in Österreich bei- getragen und auf die Entwickelung anderer Industriezweige, die Papier-Fabrikation, Buchdruckerei, Holzschneidekunst, welchen die obenangeführten Summen zugeflossen, einen nicht zu unterschätzen- den Einfiuss geübt1."

Äusserte sich der Einfiuss von Braumüller zunächst auf den

Werkdruck zu wissenschaftlichen Zwecken, so hat Wien das Glück,

zwei ebenso bedeutende Förderer der Verbindung der graphischen

Museum für illustrierenden Künste mit der Typographie zu besitzen : das Museum

Kunst. Gesellschaft für FÜR KUNST UND INDUSTRIE und die GESELLSCHAFT FÜR VERVIELFÄLTI- GENDE Kunst. Wenn es in Wien möglich geworden ist, Werke zu schaffen, in welchen Radierung, Xylographie, Hochätzung, Farben- und Lichtdruck in glücklichster Weise zusammenwirken und öfters nahe an die Vollkommenheit reichen, so haben die beiden erwähnten Anstalten durch die von ihnen ausgehenden Anregungen und Druck- werke denVorwärts-Bestrebungen Wiens einen mächtigen Vorschub geleistet2.

Unter den Erscheinungen des Museums behaupten Teirichs „Blätter für Kunstgewerbe" einen hervorragenden Platz. Die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst brachte eine Reihe brillanter Publikationen; den grössten Einfiuss übt sie jedoch durch ihre Zeit- schrift „Die graphischen Künste", welche nicht nur durch ihren Inhalt, sondern auch durch ihre vorzügliche technisch -artistische Ausführung belehrend und fördernd wirkt.

vervielf. Kunst.

1 Die obigen nicht wenig zuversichtlichen Worte gehören dem Herrn v. Braumüller selbst und sind dem Vorwort zu seinem Jubelkatalog entnommen. Es ist eine eigene Sache, in einem geschichtlichen Buch jemand sein eigenes Lob aussprechen zu lassen; wenn man jedoch mit gutem Gewissen jedes Wort unterschreiben kann, weshalb dann nicht? C. Beyer, Wilh. v. Braumüller und lleinr. v. Cotta.

2 Eitelberger, Die Kunstbewegung in Österreich. 1878.

XV. KAP. DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 429

Unter der Ägide des Vorstandes der K. K. Kämmerei, des kunstsinnigen Grafen v. Crenneville, erschien ebenfalls eine Anzahl der schönsten Prachtwerke. „Die Kunstwerke der Schatzkammer des österreichischen Kaiserhauses" (1870 1873), „Schloss Schön- brunn" (1875), „Der kaiserliche Thiergarten" (1876), „Laxenburg" (1877). In neuester Zeit kommt zu diesen Erscheinungen das „Jahrbuch der künstlerischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiser- hauses", zu welchem als Beilagen der „Frydal", der „Theuerdank", der „Weisskunig", der „Triumph", die „Ehrenpforte", die „Heiligen aus der Familie des Kaisers" gegeben werden, alles Werke, die von dem Kaiser Maximilian veranlasst oder vorbereitet waren und zu welchen die Originale der grossen Zeichenkünstler von damals noch vorhanden sind.

Aber auch die Buchdrucker selbst haben als Korporation die Hände nicht in den Schoss gelegt. Der unter vielen Opfern im Buchdrucker- Jahre 1 874 gegründete Buchdrucker-Verein hatte zwar zunächst die materiellen und sozialen Verhältnisse des Geschäfts vor Augen, liess jedoch die Fachzeitschrift „Osterreichische Buchdrucker- Zeitung" erscheinen, die bestrebt war, nicht nur für die obgedachten Inter- essen, sondern auch für die technische Bildung zu wirken. Der Verein löste sich zwar im Jahre 1880 wieder auf, die Zeitung besteht jedoch fort im Besitz des „Graphischen Klubs", der ausserdem durch Vorträge, Ausstellungen und technische Diskussionen anzuregen sucht. Auch das Gehülfenblatt „Vorwärts" folgt dem Beispiel des „Correspondent" und widmet seine Aufmerksamkeit jetzt nicht nur den sozialen Interessen, sondern auch der Technik und der Geschichte.

Durch die Bemühungen des Vereins ist auch seit 1874 eine Fachschule errichtet, von der gute Erfolge zu erwarten sind. Die Seele dieser Vereinsbestrebungen ist namentlich G. Gistel gewesen. g. Gistei Auch um den Unterstützurigs -Verein der Buchdrucker und Schrift- f 10. Mai 1883! giesser Niederösterreichs und die Pensionskasse für Faktoren und deren Witwen hatte Gistel grosse Verdienste, war auch bei allen Tarifverhandlungen, bei der Säkularfeier, kurz bei jeder Gelegenheit, wo die Buchdrucker vereinigt auftraten, bereit, seine Kräfte dem Allgemeinen rückhaltslos zu opfern.

An Bedeutung der Staatsdruckerei am nächsten stehend ist die Offizin L. C. Zamarski (früher H. Engel & Sohn' und L. C. Zamarski),

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l c. Zamarski. die namentlich in der Gründerperiode eine erstaunliche Masse von Wertpapieren druckte. Die Anstalt, welche unter der Leitung von A. Pietzsch sich vortrefflich bewährt hat, wurde 1881 an die Papier- fabrik Steyermühl um 800 000 Gulden verkauft und mit einem Kapital von 3700000 Gulden in eine Aktiengesellschaft umgeformt. Es werden in der Anstalt die „Neue Illustrirte Zeitung", das Wiener Tageblatt", die „Vorstadt- Zeitung " und die „Deutsche Zeitung" gedruckt. Vorzüglich sind ihre, unter Leitung von A. Frantz her- gestellten Heliographien. Die Offizin arbeitet mit 28 Schnellpressen und beschäftigt gegen 350 Personen. Engels Erben befassen sich namentlich mit lithographischen Arbeiten; sie lieferten u.a. die japanischen Postmarken.

Ein vielseitiges, grosses Institut ist ebenfalls die Verlagsbuch-

r. v. Waidheim, handlung und Artistische Anstalt von R. v. Waldheim (22 Schp., 25 Hdp. und gegen 250 Arbeiter), die eine bedeutende Zahl von illustrierten Werken namentlich technischen Inhalts herausgiebt und vielen technischen, kriegswissenschaftlichen oder in das Eisenbahn- wesen einschlagenden Zeitschriften, wir nennen nur Teirichs „Blätter für das Kunstgewerbe" und die „Allgemeine Bauzeitung", druckt, verlegt oder debitiert, auch viele Accidenzien liefert.

Carl Fromme zeichnet sich besonders durch seine geschmack- c. Fromme, vollen und korrekten Accidenzarbeiten aus. Eine Spezialität, die er mit Virtuosität betreibt, ist der Kalenderdruck. Typographische Kraftstücke Frommes sind die Bilderreihe der Regenten Österreichs und die Stammtafel der Zisterzienser -Klöster. Diese zehn Meter lange Tafel besteht aus 108 Formen, in zwei Farben ausgeführt. DerDruckund die Zurichtung sind so vorzüglich, dass die Zusammen- setzung dem Auge vollständig unbemerkbar ist.

Die Arbeiten von Rollinger & Mössner sowohl im Accidenz- Roiiinger & als im Werkdruck gehören mit zu den vollendetsten der neueren Typographie. Die Genannten zählen unter die nicht zu zahlreichen Buchdrucker, welche nichts für unbedeutend halten und eben deshalb Mustergiltiges liefern, z.B. die „Geschichtsquellen der Stadt Wien". Zu derselben Klasse, jedoch meist in anderer Richtung

a. Holzhausen, arbeitend, gehört Adolf Holzhausen, dessen Offizin an orien- talischen Schriften sehr reich ist und dessen Drucke denen der Staatsdruckerei vollkommen ebenbürtig sind. Er lieferte den Druck

XV. KAP. DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 43 I

des oben erwähnten Jahrbuchs der kaiserlichen Sammlungen und Albrecht Dürer würde gewiss den „Ansichten aus der Presse" von seinen und der gleichzeitigen Meister Arbeiten sein Imprimatur nicht verweigert haben. Zu den strebsamen Buchdruckern der jüngsten Zeit gehören der erwähnte G. Gistel und Fr. Jasper, g. Gistei. Letzterer druckte die Festgabe zu dem 400jährigen Jubiläum, und Fr-JasPer- liefert sehr gute Illustrationsdrucke.

Einen ganz besonderen Ruf hat sich Wien durch seinen xylo- graphischen Farbendruck erworben. Der erste, der sich durch diesen h. Reiss auszeichnete, war Heinrich Reiss, aus einer Familie, die von alters- her eine Buchdruckerei besass, welche er, nachdem er erst ver- schiedene Reisen gemacht hatte, 1828 übernahm. 1850 folgte er jedoch einem Rufe der Staatsdruckerei, leitete später die Buch- druckerei von Zamarski und gab sich seit 1857 ganz der Kunst- druckerei hin. Seine Hauptarbeit, an der er 23 Jahre lang gearbeitet hatte, ist das Missale Romanum mit etwa 90 Miniaturen von H. Knöf ler . Zu der Herstellung eines Bildes wurden bis zu 1 5 Platten verwendet. Vorzüglich sind die zwei grossen Titelblätter, das Abendmahl und Christus am Kreuze. Der Text bildet einen Folioband von mehr als 700 zweispaltigen Seiten. Die Grundschrift ist eine fette Gothisch, zu der besondere Initialen geschnitten wurden. Das Papier, ein geripptes Büttenpapier, ist jedoch, wie auch der Textdruck, von sehr ungleicher, mitunter sogar geringer Qualität. Aus diesem Grunde fehlt, trotz der ausserordentlichen Aufopferung seitens Reiss' und der Vorzüglichkeit des Bilderdruckes, dem Werk, als Ganzes betrachtet, doch gar vieles, um als ein typographisches Denkmal ersten Ranges zu gelten. Derartige Werke dürfen nicht Not leiden und müssen in Händen eines Herausgebers sein, dem es möglich ist, bis ans Ende ruhig auszuhalten. Deshalb aber nicht weniger Ehre dem Andenken eines echten Jüngers Gutenbergs. Sein Geschäft übernahm Ludw. Lott, vorher als technischer Leiter der „Alten Presse" und als Einführer der „Endlosen" auf dem Kontinent bekannt. Er wirkte im Geiste seines Vorgängers fort und seine Arbeiten fanden in England und Amerika allgemeine Bewunderung. Seine Drucke auf Blech sind ebenfalls vortrefflich.

Eine ziemlich bedeutende Thätigkeit entwickeln in PRAG 33 Buchdruckereien und 30 lithographische Anstalten mit ihren

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DIE GERMANISCHE GRUPPE.

Prag. 114 typographischen und 25 lithographischen Schnellpressen. Die bedeutendste Offizin ist die von A. Haase (S. 290) mit 2 1 Schnell- pressen und 18 Handpressen. Ign. Fuchs (i i Schp., 19 Tr.- u. Hdp.) liefert sehr gute lithographische Arbeiten, auch J. Farsky bringt Tüchtiges in dieser Richtung. Dr. Ed. Gregrs Offizin arbeitet mit Rotationsmaschine und 5 Schnellpressen. H. Mercy (9 Schp.) druckt namentlich Werke. Die Buchdruckerei der K. K. Statthalterei beschäftigt 7, die Buchdruckerei für Politik 8, J. Otto 7, B. Stybloö, C. Bellmann 7 Schnellpressen.

Die Fabrikstadt REICHENBERG besitzt eine grossartige gra- Reichenberg. phische Anstalt, die der Gebr. Stiepel, welche durch 13 Schnell- pressen und 20 Tret- und Handpressen die zahlreichen Fabriken mit Etiketten, Geschäftskarten, Rechnungsformularen etc. versieht. Tetschen. Das kleine TETSCHEN an der Elbe hat auch eine bedeutende Druck- anstalt aufzuweisen, die von F. W. Stopp, welche (mit 7 Schp., 7 Hdp.) hauptsächlich für lithographische Arbeiten eingerichtet Teschen. ist. In TESCHEN in Österr. Schlesien befindet sich die Offizin von K. Prochaska (10 Schp.), eine der besten Provinzdruckereien Österreichs. Sie wurde 1806 von Thomas Prochaska gegründet. In Brunn arbeiten hauptsächlich für Lokalbedürfnisse W. Bur-

Brünn. KART {j Schp.), BuSCHAK & IRRGANG (4 Schp.) , CaRL WlNIKER

(5 Schp.), R. M. Rohrer (6 Schp.). GALIZIEN bietet nur wenig von Interesse. In Krakau, einst von Bedeutung in der typographi- schen Geschichte, druckt die Offizin des Czas (5 Schp.) und die Buchdruckerei der Akademie der Wissenschaften H. Lisicki & Co.,

Lemberg. in LEMBERG E. WlNIARZ (4 Schp.).

Unter den Offizinen des südlichen Österreichs ist die Aktien- Graz, druckerei Leykam -Josefsthal (15 Schp., 16 Tr.- u. Hdp.) in Graz eine weit verzweigte graphische Anstalt, die manches Gute geliefert hat. Die Grazer „Post" wurde 1882 an eine zweite Gesellschaft Leykam für gegen 1 100 000 M. verkauft. Die Gesellschaft Styria und die Gutenberg -Druckerei in Graz beschäftigen je 5 Schnell- pressen. In INNSBRUCK verfolgt die WAGNERSche Buchdruckerei eine wissenschaftliche Richtung. In Linz wirken A. Eurich und J. Wimmer. Die älteste Druckerei Österreichs besitzt KLAGENFURT. Hier etablierte sich Ferd. v. Kleinmayr 1548. Sein Nachfolger gründete 1777 die „Klagenfurter Zeitung". In Laibach feierte die

XV. KAP. DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 433

Offizin von J. v. Kleinmayr & F. Bamberg (4 Schp.) 1882 ihr 100 jähriges Jubiläum. In TRIEST hat sich die Buchdruckerei des Triest. Österr. - Ungar. Lloyd als eine tüchtige Vertreterin der Kunst bewiesen und wirkte auch früher als bedeutende Verlegerin illu- strierter Werke.

Von der Holzschneidekunst in Wien und den Meistern, welche diese förderten J. G. Prestel, Blasius Höfel, Friedr. v. Exter, H. Knöfler u. a., wurde bereits (S. 300) berichtet , auch fanden die wichtigen Erfindungen von Paul Pretzsch (S. 14) Erwähnung. Je PauiPretzsch weniger das verdienstvolle Wirken dieses Mannes vom Glück f 28* Aug/1873. begünstigt war und je öfter der Versuch gemacht wurde, seine Erfinderehre zu schädigen, namentlich seitens englischer Erfinder, um so mehr gebietet es die Pflicht, hier seiner mit einigen Worten noch zu gedenken.

Pretzsch war als Sohn eines Goldarbeiters in Wien geboren, lernte dort die Buchdruckerkunst und trat nach längerem Aufenthalt im Auslande in den Dienst der K. K. Hof- und Staatsdruckerei, welche er 1851 auf der Londoner Weltausstellung vertrat. Dort erhielt er auf Grund der von ihm ausgestellten Photographien eine Prämie und nun entstand in ihm der Gedanke, Photographien druck- bar zu machen, weshalb er sein Engagement bei der Staatsdruckerei aufgab, 1854 wieder nach London ging und dort neun Jahre blieb, um seine Pläne zur Ausführung zu bringen. Seine Erfindung , Tief- druckplatten von Photographien herzustellen, nannte er PHOTO- GALVANOGRAPHIE und sie wurde einer Patent -Photo - Galvano- graphic - Society zur Ausbeutung übergeben, welche 1856 fünf Hefte eines Werkes in Grossfolio unter dem Titel Photographic Art Treasures herausgab. Nach etwa zweijährigem Bestehen löste sich jedoch die Gesellschaft auf und Pretzsch war wieder auf sich selbst angewiesen, während Fox Talbot, der die Erfindung gemacht hatte, durch Ätzung Photographien druckbar zu machen , ihn auf Grund seines Patentes verfolgte, wennauch ohne Resultat, da Pretzschs Verfahren sich nicht auf Ätzen gründete.

Nach der Weltausstellung 1862 kehrte Pretzsch nach Wien zurück und war längere Zeit schwer leidend, so dass er erst 1864 seine Thäigkeit wieder aufnehmen konnte. Diese richtete sich nun vornehmlich auf Herstellung von Hochdruckplatten und nach

28

434 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XV. KAP

mannigfachen, mühsamen und kostspieligen Versuchen gelang ihm auch die Fertigstellung solcher, von welchen Proben 1873 in Wien ausgestellt waren.

Hiermit war das wichtigste Problem der Illustration der Zukunft zwar Wirklichkeit geworden, jedoch noch nicht in zufriedenstellender Weise ; denn die Platten besassen nicht Tiefe genug, um mit Leichtig- keit in der Buchdruckerpresse behandelt zu werden. In Berück- sichtigung der hohen Bedeutung, welche die Erfindung möglicher- weise würde erreichen können, erhielt Pretzsch eine Staatsunter- stützung, um seine Versuche weiterzuführen, und noch wenige Stunden vor seinem Tode war er mit diesen beschäftigt.

In der Zeit der Blüte der Schwarzlithographie erreichte Kriehuber im Porträtfache eine bis dahin unbekannte Meisterschaft. Die Chromolithographie fand einen günstigen Boden, der zuerst von der K. K. Staatsdruckerei bebaut wurde. Das erste Werk von Bedeutung waren die Aquarellbilder nach niederösterreichischen Bauwerken von Conr. Grefe, welcher Künstler überhaupt besondere Verdienste um den Buntdruck hat. Ed. Hölzel lieferte namentlich viele gute Landschaftsbilder; sein bestes Blatt und eines der besten der Öldruckbilder überhaupt dürfte „Die beiden Brüder", nach v. Defregger sein. Seine instruktiven, geographischen und natur- wissenschaftlichen Blätter und die architektonischen Bilder nach J. Langl, in Sepiamanier gedruckt, sind höchst wertvolle Er- scheinungen. Reifenstein und Rösch (jetzt G. Reifenstein), Haupt & Czeiger, A. Hartinger & Sohn, Fr. Paterno lieferten gutes, die ersteren beiden Firmen im figürlichen, die beiden letzteren im natur- wissenschaftlichen und geschichtlichen Unterrichtsfache.

Im lithographischen Accidenzfache zeichnete sich Ed. Sieger

Ed. Sieger aus. Seine Riesenplakate wurden angestaunt und seine Erfindung . 12.Dezbr.1810. , . . . f 21. Jan. 1876. des Ivoirit, einer täuschenden Imitation des Elfenbeins, brachte, in

Bücherbänden oder in Ebenholz-Kassetten und Möbeln eingelegt, eine frappante Wirkung hervor.

Die Zinkhochätzung fand tüchtige Vertreter, unter welchen C. Angerer & Göschl ihr Verfahren zur ganz besonderen Voll- kommenheit brachten. Auch C. Haack erwarb sich einen Namen, Moritz und Max Jaffe traten mit der Jaffetypie auf. Die Kupfer- stecherkunst, welche sehr zurückgegangen war und wesentlich nur

XV. KAP. DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 43 5

in den Prämienblättern und den Nieten der Kunstlotterien fort- vegetierte, trat durch die Ernennung Louis Jacobys (Jetzt in Berlin) zum Professor dieser Kunst in ein neues Stadium des Fortschrittes. Die Radierung kam besonders durch W. Unger zu Ehren. Die Photographie, namentlich die Porträtphotographie, wurde mit viel Glück in Wien geübt.

In der Verwendung aller graphischen Kunstzweige, namentlich der in der Photographie wurzelnden, ist das Militär-geographische Institut berühmt geworden. Es entstand 1839 durch Vereinigung der topographisch-lithographischen Anstalt des K. K. Generalstabes in Wien mit dem zu Mailand bestandenen Deposito della Guerra. Die Anstalt kultiviert die Kartographie in ausgedehntester Weise unter Verwendung aller neueren Verfahren. Unternehmungen wie die Karte der Umgebungen Wiens in 48 Blättern; die Spezialkarte der Österreich-Ungarischen Monarchie in 720 Blättern , die Generalkarte von Zentral-Europa in 192 Blättern, und viele andere gehören zu den Meisterwerken der Kartographie.

Die Buchbinderkunst steht in Wien schon seit langer Zeit im Ansehen, wird jedoch noch mehr in den sogenannten Galanterie- Arbeiten als in der eigentlichen Buchbindung geübt. Vortrefflich sind in letzterer Richtung die Mosaikbände mit wirklichen Leder- einlagen, nicht nach französischer Art mit nur aufgelegtem dünn geschabten Leder. Namen wie A. Klein, Leop. Groner, Conr. Berg u. a. haben den besten Klang.

Unter solchen Verhältnissen wie den obengeschilderten konnte Wien, wo die Zustände im Jahre 1840 den Gedanken an ein fröh- liches Gutenbergfest, wie das in Leipzig, nicht aufkommen Hessen, sich mit Befriedigung zur Begehung des vierhundertjährigen Festes der Einführung der Kunst in Wien (I, S. 49) rüsten. Schon Jahre vorher waren die Vorbereitungen getroffen, namentlich für die Heraus- gabe einer bedeutenden Festschrift, einer Geschichte der Kunst in Wien seit vier Jahrhunderten, welche zugleich Proben der Leistungs- fähigkeit der graphischen Anstalten vorführen sollte \ Das Fest fand am 24. 25. Juni 1882 statt und wurde durch einen Aktus, verbunden

1 Das Werk gewahn einen grösseren Umfang, als anfänglich vorgesehen war. Bis jetzt erschien der erste Band, gedruckt bei Fr. Jasper, mit vielen Beilagen.

28*

436 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XV. KAP.

mit einer durch v. Eitelberger arrangierten historischen Ausstellung, eröffnet. Die eigentliche Festrede hielt der österreichische General- konsul in Leipzig, Karl v. Scherzer, wie bereits erwähnt ein früherer Gutenbergsjünger. Ein allgemeines Fest fand am 25. Juni in Hietzing in der „Neuen Welt" statt, wo gegen 14000 Festgenossen sich ver- sammelt hatten und wo Karl Höger als Festredner auftrat.

In UNGARN steht die Buchdruckerei im allgemeinen nicht auf Ungarn. einem sehr hohen Standpunkte. Buda-Pest ist selbstverständlich der Sammelpunkt der bedeutendsten Offizinen. Im Jahre 185 1 waren dort 8 Druckereien vorhanden mit 22 Schnellpressen; 1870 bereits 50 mit 140 Schnellpressen; 1882 48 Buchdruckereien und 23 lithographische Anstalten mit 130 Schnellpressen und 200 Tret- und Handpressen.

Die Staatsdruckerei Ungarns besteht in ihrem jetzigen Um- 5taatsdruckerei. fange (16 Schp., 18 Ffdp., 250 Arbeiter) erst seit der Trennung der Verwaltung Ungarns und Österreichs und befand sich früher in Temesvar als Filiale der Staatsdruckerei in Wien. Sie liefert sehr viele Accidenzarbeiten und Wertpapiere, die nicht auf der Höhe der Vollkommenheit stehen. Neben Gutem findet sich unter ihren Arbeiten manches Mittelgute. Die, unter ausgedehnter Anwendung der Galvanoplastik, gelieferten Kartenwerke haben einen grossen Umfang.

Einen bedeutenden Aufschwung hat die Pester Buchdruckerei- Druckereien in Aktien- Gesellschaft, geleitet von Siegm. v. Falk, genommen; sie

Buda-Pest. ö ö

arbeitet in gedeihlicher Weise mit 15 Schnellpressen, 8 Handpressen und 200 Personen. Die Aktiengesellschaft Athenäum (12 Schp., 12 Giessm., 250 Arb.) druckt nicht weniger als zwanzig periodische Schriften. Die Offizin der Aktiengesellschaft Franklin -Verein (Rotm., 11 Schp., über 200 Arb.) hat sowohl als Werk- wie als Accidenzdruckerei einen guten Ruf. Im Jahre 1873 erwarb der Verein den bedeutenden Verlag von Gustav Heckenast, der einen wesent- lichen Anteil an dem Aufblühen des Buchhandels in Ungarn gehabt hat. Er kam als Apotheker nach Pest, übernahm aber, als der dort etablierte Otto Wigand aus Göttingen auf Grund politischer Verhältnisse Ungarn schleunigst verlassen musste, dessen Geschäft und verband sich 1840 mit dem Buchdrucker Landerer. Mit seinen

XV. KAP. DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE. 437

nationalen Verlagsunternehmungen hatte Heckenast viel Glück, namentlich mit dem von Kossuth redigierten Pesti Hirlap. Später gab er die illustrierte „Sonntags -Zeitung" heraus.

Die von der Gesellschaft Hungaria 1869 gegründete, schön eingerichtete, Buchdruckerei (verbunden mit Verlagsgeschäft) druckt mit Rotationsmaschine das „Neue Pester Journal" und das „Volks- blatt" und beschäftigt 170 Arbeiter. Das grosse Geschäft von Gebr. Legrädy liefert namentlich zahlreiche Jugendschriften, Victor Hornyansky viele sehr gut gedruckte Bibeln in verschiedenen Sprachen. Ausserdem sind zu erwähnen die Universitäts- Buchdruckerei (7 Schp.) und die bedeutenden Zeitungsdruckereien : Khor & Wein, welche das „Illustrirte Tageblatt" auf Augsburger Rotationsmaschine drucken, Ph. Wodianer, M. Deutsch (10 Schp.). Vortreffliche Arbeiten im kaufmännischen Accidenzfach gehen aus den Pressen der typo - lithographischen Anstalt von C. L. Posner (7 Schp., 1 1 Hdp.) hervor.

Mor. Rath gab als Verleger zwar eine Reihe von vorzüglich ausgestatteten Prachtwerken heraus, da er jedoch die Mehrzahl in Wien drucken liess, so kann man aus denselben sich kein Bild der Leistungsfähigkeit der Pester Typographie machen.

Hervorragende Druckanstalten besitzt Transleithanien sonst nicht. In AGRAM befindet sich die wohleingerichtete Druckerei und lithographische Anstalt von C. Albrecht mit 6 Schnellpressen und die der Landesregierung gehörende Offizin des Narodne Noviny (4 Schp.). Gutes leisten in Raab Sandor Czeh; in Temesvar Gebr. Magyar ; in Szegedin Burger & Co. ; in Neusatz befindet sich die Druckerei des Serbischen National -Vereins. Das „okku- pierte" Bosnien hat eine nach neuestem Zuschnitt gut eingerichtete K. K. Landesbuchdruckerei in Serajewo.

Während in dem Jahre 1856 der österreichische Gesamtstaat (die italienischen Provinzen nicht mitgerechnet) kaum 200 Druck- offizinen aufwies, besassen die eis- und transleithanischen Länder 1882 in 372 Städten- 756 Buchdruckereien, 345 lithographische Anstalten, 29 Schriftgiessereien und 1183 Buchhandlungen. Die Zahl der vorhandenen Schnellpressen betrug 1568, die der Hand- und Tretpressen 2250. Beschäftigung fanden gegen 15 000 mann-

433

DIE GERMANISCHE GRUPPE.

liehe, 3500 weibliche Arbeiter und 2000 Lehrlinge. 38 Gehülfen- Vereine hatten 4162 Mitglieder und, darin eingerechnet das Ver- mögen des Wiener Unterstützungs- Vereins von etwa 300 000 Mark, ein Gesamtkapital von über eine Million Mark.

Vergleichen wir die Österreichisch -Ungarische Monarchie mit dem Deutschen Reiche, so geht hervor, dass erstere bei einem Umfange von 11 300 Meilen und einer Bevölkerung von etwa 37500000 Menschen in der graphischen Produktion sehr gegen letzteres zurückbleibt. Scheiden wir die österreichische Monarchie in vier graphische Gruppen, so erhalten wir als Resultat folgende Zahlen :

Buch-

Lithogr.

Typogr.

Litho-

druck.

Anstalten

Schnellpr.

Schp.

I. Die nördliche Gruppe:

Schlesien, Böhmen, Mähren,

Galizien, Bukowina . . .

251

I48

442

75

II. Die mittlere Gruppe:

Nieder- und Oberösterreich,

Salzburg

190

III

45Q

79

III. Die südliche Gruppe:

Tirol, Steiermark, Kärnthen,

Krain, die Küstenländer . .

73

31

133

34

IV. Die östliche Gruppe :

Ungarn, Siebenbürgen, Sla-

wonien, Kroatien, Bosnien .

242

55

344

11

756

345

1369

199

Die rein deutsche Gruppe II, mit der Kaiserstadt, in welcher fast alle bedeutenden graphischen Anstalten ihren Sitz haben, und in der über eine Million Menschen lebt, ist mehr als anderthalbmal so gross an Umfang als das Königreich Sachsen und zählt nur etwa 200 000 Einwohner mehr. Nichtsdestoweniger beträgt in Sachsen die Zahl der Buchdruckereien 136, der lithographischen Anstalten 101 und der Schnellpressen 663 mehr als in der österreichischen Gruppe n.

DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.

439

Das Deutsche Reich, einen Umfang von etwa 2000 Meilen weniger als Osterreich- Ungarn besitzend und etwas über 5 Millionen Einwohner mehr zählend, hat 2633 Buchdruckereien, 1649 litho- graphische Anstalten, 5708 Schnellpressen und etwa 3000 Buch- handlungen mehr. Bei einer solchen Zusammenstellung darf jedoch nicht übersehen werden, dass in den eis- und transleithanischen Ländern die Zahl der Deutschsprechenden nicht viel mehr als den vierten Teil der Einwohner beträgt.

Ebenso ungünstig stellt sich das Verhältnis, wenn wir die österreichisch-ungarischen Städte mit 50000 Einwohnern und mehr mit den deutschen (S. 276) zusammenstellen. Es giebt in Österreich deren nur zehn, nämlich:

Städte

Einwohner- I Buch- Lithogr. Buch- zahl j druck. ! Anst. : handl.

Zeit- schriften

Buda-Pest

Prag . .

Triest

Lemberg

Graz . .

Brunn

Szegedin

Krakau .

Debreczin

Pressburg

365 000

190000

124000

104 000

94000

82000

76000

61000

52000

50000

49

24

33

30

10

4

15

4

7

9

12

6

4

1

6

2

3

1

6

3

57 83 12 22 26 15

4 15

2

4

83

84 6

33 17

24 2 8 2 2

Die Bücherproduktion Österreichs lässt sich nicht wohl aus der des ganzen deutschen Litteraturgebietes ausscheiden. Die Bücher- einfuhr in Österreich betrug 27620 Meterzentner, die Ausfuhr 9378 ; da von letzterer jedoch die Remittenden der in Kommission versandten Artikel abgehen , so kann die wirkliche Ausfuhr kaum auf 4000 Meterzentner geschätzt werden. Merkwürdigerweise stellt sich das Verhältnis bei Musikalien noch ungünstiger, da bei einer Einfuhr von 937 Meterzentner nur 66 Zentner ausgeführt wurden. Trotz der geringen Ziffern hat sich die Einfuhr seit 1860 zwei und einhalbmal, die Ausfuhr einmal erhöht.

440 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XV. KAP.

Die Zahl der Journale war zum Beginne des Jahres 1.880 in den im Reichsrate vertretenen Kronländern 1074, darunter 340 politische Tages- und Wochenblätter. Von der Gesamtzahl erschienen 79 täglich, 80 mehrmals wöchentlich, 310 wöchentlich, 21 1 vierzehntägig, 226 monatlich. 728 Journale waren in deutscher, y^ in polnischer, 131 in tschechischer Sprache. Wien beteiligte sich mit 483 Zeitschriften. 1872 hatte ein Rückgang in der politischen Zeitungspresse stattgefunden und es erschienen 19 Tagesblätter weniger als 1871.

UNGARN lieferte damals 558 Zeitungen, davon 356 in magya- rischer, 120 in deutscher, 56 in slawischer und 21 in rumänischer Sprache. Die Zahl der magyarischen Blätter hat seit der Zeit um 70 zugenommen, in Buda-Pest erschienen 168; in den übrigen Sprachen ist die Zahl ziemlich unverändert geblieben.

XVI. KAPITEL.

DIE ZWEIGE DER GERMANISCHEN GRUPPE.

Dänemark. Fortschritte der Typographie: B. Limo, Gebr. Thiele, C. Ferslew & Co. u. a. Die Chemitypie : C. Piil. Die Giessmaschine: L. Brandt. Die Setz- maschine: C. Sörensen. Die Schreibkugel: Mailing Hansen. Island, Grön- land. Norwegen. Geistiges Leben. Schweden. Norstedt & Söner, Central- Tryckeriet u. a. Finnland. Russland und Polen. Die Staatsdruckerei und andere Offizinen. Das Zeitungswesen. Die Donauländer: Serbien, Rumänien, Bulgarien. Griechenland.

DÄNEMARK UND NORWEGEN.

EGEN das Ende des XVIII. Jahrhunderts ergriff die 'politische und geistige Gährung auch DÄNEMARK und übte ihre Wirkung auf die Presse aus. Unter dem allmächtigen Ministerium Struensee wurde 1770 am 14. September die schrankenloseste Pressfreiheit eingeführt, was nicht ohne gröbliche Ausartungen abging. Wie gewöhnlich trat dann als Gegensatz eine weit über das Ziel schiessende Reaktion ein, deren Schlussstein die Verordnung vom 27. September 1799 war, durch welche die Zensur wieder eingeführt wurde und die Verfolgungen gegen die Presse ihren freien Lauf nahmen. Ausserdem begann das XIX. Jahrhundert sehr unglücklich für Dänemark, welches die damals herrschende Politik mit dem

Die Presse in Dänemark.

442 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XVI. KAP.

Bombardement von Kopenhagen, dem Verlust seiner glänzenden Flotte und der Abtretung Norwegens bezahlen musste x.

Unter diesen Verhältnissen konnte die Typographie Däne- marks in der ersten Hälfte der Periode und noch länger keine grossen Fortschritte machen. Es herrschte kein guter Geschmack und die Produktionen gingen nur selten über das Mittelgute hinaus. Als bedeutendere Erscheinungen sind zu nennen: Den danske Vitmvius, 2 Bände, Folio; Langebecks Scriptores verum danicarum, 8 Bände, Folio; Beskrivelse over danske Monier og Medailler, 3 Bände, Folio; Flora Da?iica, ein sehr bedeutendes und umfang- reiches Werk.

Die Buchdruckereien in KOPENHAGEN beherrschten, durch DieTypographie Innungsverhältnisse begünstigt, die Buchdruckereien der Provinz.

in Kopenhagen. . ii-niiii-i

Die Autoren suchten , da der Buchhandel nicht gut organisiert war, zumteil Verleger im Auslande.

Carl Heinrich Berling, Sohn des eingewanderten E. H. e.h. Beding Berling (I, S. t 56), erwarb das Privilegium der Posttidender, welche den Titel Statstidende , später Berling ske Tidende annahm, unter welchem Namen sie noch heute besteht. Viele Jahre hindurch waren dieses und ein anderes, ungefähr auf derselben Stufe der Mittel- mässigkeit stehendes Blatt, Dagen, die einzigen Quellen tages- geschichtlicher Weisheit.

Das Volk verfiel in ein durch Geistesspielereien gewürztes weichliches Wohlleben, aus welchem der Nationalgeist erst durch die Dichtungen Adam Oehlensehlägers erwachen sollte. Allmählich fielen die Schranken der Presse wieder und es erblühte ein überaus reges geistiges Leben, das ebenfalls die Entwicklung der Buch- druckerei und des Buchhandels im Gefolge hatte.

Im Jahre 1825 kam die erste Schnellpresse nach Dänemark. BiancoLuno Der eigentliche Schöpfer des guten Geschmacks und der Typo- \ ia.'Aug. 1852' graphie im Sinne der Neuzeit war Bianco Luno2, der sich, nach viel- fachen Wanderungen in Italien, Ungarn und Deutschland, 1831 in Kopenhagen etablierte. Die Ausstattung und Ordnung seiner

1 Cam. Nyrop, Bidrag til den danske Boghandels Historie. 2 Teile. Kopen- hagen 1870. Klein, Adressbog for den danske norske og fvenske Boghandel. Nyerop in Lösendes Aarbog for 1801.

2 C. Nyrop, Bianco Limo og den danske Bogirykkerkonst. Kopenhagen 1881.

XVI. KAP. DIE ZWEIGE DER GERMANISCHEN GRUPPE. 443

Druckerei war eine noch nicht in Dänemark bekannte und würde selbst im Auslande als eine mustergültige gegolten haben. Er lieferte namentlich in Werk- und tabellarischen Arbeiten vortreff- liches. Die Druckerei arbeitet jetzt mit 9 in Kopenhagen von Eickhoff gebauten Schnellpressen.

In feineren Accidenz- und illustrierten Drucken sind die Brüder Just und Andreas Thiele, Nachkommen eines 1770 aus Lemgo Gebr. Thiele. eingewanderten Buchdruckers Joh. Rud. Thiele, in Dänemark j. r. Thiele unübertroffen. Sie erhielten ihre Ausbildung in der Brockhausschen Offizin in Leipzig und können sich mit den besten Illustrations- druckern Deutschlands messen. Als Beispiele ihrer Leistungen seien erwähnt: Illustreret Tidende, The old northern Rimic monuments und Queen Dagmars Cross in Farbendruck. Die Offizin ist die grösste in Dänemark und arbeitet mit 17 König & Bauerschen Schnellpressen. Die Gebrüder Thiele drucken auch die Noten der Bank, die Postmarken und fast alle dänischen Wertpapiere.

Als Zeitungsdruckerei steht die Offizin C. Ferslew & Co. obenan. Sie verbindet Typographie mit Lithographie und Papier- c. Fersiew. fabrikation. Ferslew druckte zuerst mit einer „Victoria-Endlosen". Drei grosse Tageszeitungen werden in der Offizin hergestellt, in welcher 9 Kastenbeinsche Setzmaschinen und 1 1 Ablegemaschinen arbeiten, wohl mehr als für den Augenblick im ganzen Deutschen Reich. Bei der Bedienung sind mehr als dreissig Mädchen unter Leitung einer Directrice beschäftigt. Um den Satz zu beschleunigen, werden schlecht geschriebene Manuskripte erst mittels der Mailing Hansenschen Schreibkugel (S. 446) umgeschrieben und dann dem Setzer übergeben, wodurch es möglich wird, den Hauptteil einer grossen Zeitung in zwei Stunden herzustellen. Die als eine Neuheit von Beschke in Deutschland eingeführten Wetterkarten werden schon seit fünf Jahren bei Ferslew hergestellt.

Das Beispiel Lunos und Thieles hat sehr befruchtend gewirkt und der dänische Druck nimmt im ganzen eine sehr respektable Stellung ein. Die Offizin von Berling, welche jetzt nur die Berlingske Tidende mit Rotationsmaschine aus der Fabrik Eickhoff in Kopenhagen druckt, hat sich durch Einführung der technischen Verbesserungen und Erfindungen des Auslandes verdient gemacht. Der letzte männliche Besitzer der Firma Carl Berling spielte als

444 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XVI. KAP.

Kammerherr, Reisemarschall und Günstling des Königs Friedrich VII. eine Rolle. Er starb auf einer Reise in Ägypten am 30. März 1871. Geachtete Namen erwarben sich unter anderen Andreas Seidelin und die von J. F. Schultz begründete Hof buchdruckerei, jetzige Universitätsbuchdruckerei von J. H. Schultz, welche mit 12 Schnell- pressen namentlich Regierungs-, Universitäts - und Kommunal- arbeiten liefert. In der Provinz ist zu nennen die über 1 10 Jahre bestehende Fyens Stifts -Buchdruckerei in Odense, wo die Wiege der dänischen Buchdruckerei stand (I, S. 74).

Zur Zeit hat Dänemark 175 Buchdruckereien (davon 71 in statistisches. Kopenhagen) mit einem Arbeitspersonal von 1438 Köpfen, darunter 746 Setzergehülfen, 3 54 Setzerlehrlinge; 69 Setzerinnen, namentlich bei den Setzmaschinen thätig; 176 Drucker, 82 Druckerlehrlinge. Die Zahl der Schnellpressen ist 294 , der Tretpressen 36 (davon in Kopenhagen 151 Schnellpressen, 35 Tretpressen). 90 Handpressen werden wohl, wie überall, fast nur als Korrekturpressen dienen1.

Die litterarische Produktion ist nicht so genau wie in Deutsch- land anzugeben, da die einzige Kontrolle in der angeordneten Ablieferung eines Exemplars jeden Druckwerkes an die königliche Bibliothek besteht. Eingereicht wurden im Jahre 1880 349 Zeit- schriften, 1 806 Bücher und Broschüren. In Kopenhagen erscheinen 14 Tageblätter zumeist im Format der grossen Pariser Zeitungen; in den Provinzen 50. Kopenhagen hat 14 illustrierte Wochenblätter, unter welchen die humoristischen eine grosse Verbreitung haben.

Die Xylographie, früher hauptsächlich durch Deutsche geübt, Xylographie leistet sehr anerkennenswertes; die bedeutendsten Anstalten sind Qltypie'die der Illustrer et Tidende , H. P. Hansen, F. Hendrikson und J. J. Rosenstand. Die Chemitypie verdankt dem Dänen Chr. Piil 2 ihr Dasein und ist in Dänemark sehr beliebt geworden. Öfters wird sie mit der Zinkhochätzung verwechselt, jedoch beruht sie auf anderen Grundsätzen (S. 18). Piil brachte seine Erfindung nach Leipzig und übte sie dort in Verbindung mit dem Buchhändler H. Friedlein. Auch die Zinkographie fand sehr geschickte Ausüber in Dänemark.

Auf Grund des kleinen Geschäftsgebietes konnte die SCHRIFT- GIESSEREI nicht mit der deutschen Schritt halten. Schriften wurden

M. Truelsen, Staüstisk Overßgt over Typographien i Danmark. Kopenh. C. Pul, Die Chemitypie. Leipzig 1846.

DIE ZWEIGE DER GERMANISCHEN GRUPPE.

445

hauptsächlich von Trennert in Altona und Genzsch & Heyse in Schriftgießerei. Hamburg, dann auch von Berlin und Leipzig bezogen. Gute Arbeiten liefert H. A. F. Fries in Kopenhagen.

In Deutschland gilt (S. 295) der Däne Lauritz Brandt allgemein als Erfinder der Schriftgiessmaschine. Er stammte aus Faaborg auf Die Schriftgiess- der Insel Fühnen. Als Schlossergeselle ging er nach St Petersburg, L Brandt wo er allerlei mechanische Instrumente anfertigte, reiste kreuz und * 6' ept*T °7 quer durch Deutschland, verheiratete sich dort und segelte dann nach Amerika. Hier führte er den Gedanken, die Giessmaschine zu konstruieren, aus und baute diese in dem Hause der bekannten Schriftgiesserei David Bruce jun. in New-York. 1844 ging er nach Deutschland und verkaufte sein Patent an Eduard Hänel in Berlin. Brandt erntete hieraus weder grosse pekuniäre Vorteile noch Ehre, denn Hänel verschwieg seinen Namen, sodass bald dieser selbst, bald Steiner in München als Erfinder galt. Brandt verliess Deutsch- land und ging nach Dänemark, wo er mehrere Maschinen für die Schriftgiesserei Fries baute, die noch heute in Wirksamkeit sind. In Schweden erwarb L. Hierta das Patent, welches später auf die Firma Norstedt & Söner überging. Nach einem etwa vierjährigen Aufenthalt in Europa ging Brandt nach New-York zurück und gründete dort ein Etablissement, aus dem eine grosse Anzahl Maschinen hervorging. 1859 zog er sich ins Privatleben zurück und übergab sein Etablissement an N. Erlandsen, der, ebenfalls ein Däne, als armer Junge von seinen Eltern aufgenommen worden war. Gegen Brandts Ansprüche machte David Bruce sein Erfindungs- recht geltend (S. 39).

Wennauch mit Setzmaschinen verschiedentlich experimentiert worden war, so muss doch Christian Sörensen1 in Kopenhagen als der Erfinder betrachtet werden, denn er war der erste, der eine wirklich lebensfähige Maschine herstellte, die auf den Prinzipien beruhte, welche von allen späteren Erfindern, mit Ausnahme von Mackie, angenommen wurde.

Sörensen war von ganz armen Eltern geboren und musste schon als Kind zum Verdienst mit beitragen durch Arbeit bei einem Leine- weber, und konnte nur in den Abendstunden einen notdürftigen Unterricht geniessen. Durch einen Zufall kam er später in Setzerlehre.

1 C. Nyrop, Christian Sörensen. Et Indusiribillede. Kopenhagen 1869.

Die Setz- maschine. Chr. Sörensen * 7. Mai 1818. f 30. Jan 1861.

446 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XVI. KAP.

Er war ein mechanisches Genie. In seinem zwanzigsten Jahre entstand bei ihm der Gedanke, eine Setzmaschine zu schaffen. Von den vor ihm gemachten Versuchen hatte er keine Ahnung. Am 29. April 1846 erhielt er ein Patent für eine Setz- und Ablege- maschine und eine Unterstützung zur Ausführung eines Modells. Während Sörensen hiermit noch beschäftigt war, ergingen die Einladungen zur ersten Weltausstellung in London. Gelang es, dort mit der Setzmaschine zu erscheinen, so war das Ziel erreicht! Das Erscheinen gelang ihm zwar, aber die Maschine erhielt nicht einmal eine ehrenvolle Erwähnung.

Das war ein harter Schlag für Sörensen, und seine Gönner fingen nun an, sich von ihm zurückzuziehen. Da erschien als Retter in der Not der Publizist J. F. Gjödwad, Herausgeber der Zeitung Fädrelandet, und bestellte eine Maschine und, als sie gut ausfiel, noch eine zweite. Ehe diese zur Vollendung kam, trat die Pariser Ausstellung von 1855 ins Leben. Der Besteller war liberal genug,

Erfolge in Paris, zu gestatten, dass sie erst in Paris ausgestellt würde. Hier erregte sie allgemeines Staunen und wurde einstimmig von dem Jury- Kollegium der höchsten Belohnung würdig befunden, welche für diejenigen Männer bestimmt war, „die sich um die Gesellschaft besonders verdient gemacht" hatten.

Die Maschine war eine doppelte, eine Setz- und eine Ablege- maschine, und wurde erst durch eine Giessmaschine vervollständigt, die auch sehr schwieriger Natur war, da viele (bis auf 6) kompli- zierte Signaturen notwendig wären ; doch gelang alles nach Wunsch. Der pekuniäre Vorteil des Pariser Erfolges blieb jedoch für

Not, sorge und Sörensen aus. Er fiel in Paris Schwindlern in die Hände und nach vielen vergeblichen Anstrengungen für die Einführung der Maschine in Frankreich, Deutschland und Österreich kehrte er krank und gebeugt nach Dänemark zurück. Hier fand er wieder Beistand und Aufmunterung bei seinem alten Gönner Gjödwad. Zwar geschahen auch von anderer Seite Schritte, die Sörensens Zukunft wenigstens sorgenfreier gestalteten, aber Kummer und frühere Nahrungssorgen hatten seinen Lebensfaden durchschnitten und er erlag seinen Leiden am 30. Januar 1861.

Mit der Setzmaschine verwandt ist die Schreibmaschine oder Schreibkugel. Der erste, der mit einer solchen wirkliche Erfolge

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erzielte, war der Direktor der königlichen Taubstummenanstalt in DieSchreib-

kugel.

Kopenhagen, R. Malling Hansen. Durch sein Nachsinnen über r. Mailing die Mittel zu einer leichteren Verständigung zwischen Taubstummen und Blinden kam er auf den erwähnten Apparat, den er nach und nach sehr vervollkommnet hat.

Durch die Oberfläche einer hohlen metallenen Halbkugel geht eine Anzahl von Stahlstiften, die wie Radien eines Kreises nach dem Mittelpunkte zusammenlaufen, was durch künstliches Unter- schneiden der Stifte ermöglicht wird. Auf dem unteren Ende eines jeden derselben ist ein Antiqua- Versalbuchstabe erhaben geschnitten, wie jeder Typenstempel. Unter dem Mittelpunkte, wo alle Buch- staben zusammentreffen, liegt das Schreibpapier mit einem Farbe- papier bedeckt. Durch den Druck mit dem Finger auf den Knopf eines Stempels wird dieser nach dem Zentrum geführt und übt einen Druck auf das Farbepapier, wodurch der Buchstabe auf das weisse Papier abgefärbt wird. Nach jedem Druck bewegt sich das Papier soweit seitwärts zurück, dass der nächste Buchstabe in die richtige Entfernung von dem vorhergehenden zu stehen kommt. Ist die Zeile voll, schiebt sich das Papier so weit nach oben, dass es in die richtige Lage kommt, um die folgende Zeile aufzunehmen. Eine Schnelligkeit von 20 000 Buchstaben in der Stunde ist noch keine übertriebene. Durch Übereinanderlegen von bis zu zehn Schreib- und Farbeblättern ist es möglich, eine ebenso grosse Anzahl Drucke gleichzeitig zu schaffen, die wieder durch elektrische Verbindung mehrerer Apparate nach Belieben gesteigert werden kann.

Die erste eiserne Handpresse in Dänemark wurde 1836 von Hüttemeyer, die erste Schnellpresse 1847 von J. G. A. Eickhöff Die Maschinen-

fabrikation.

aus Wittenförden in Mecklenburg - Schwerin nach dem System j.g.a. Eickhöff König & Bauer hergestellt. Seine 200. Maschine folgte 1874. Über f 43o. m"; 1875! 125 davon gingen nach dem Auslande, namentlich nach Schweden und Russland. Eickhöff baut auch Rotationsmaschinen.

Die Papierfabrikation ist besonders durch die Familie Drewsen in die Höhe gebracht. Das dänische Fabrikat ist in den Mittel- sorten ein sehr brauchbares. Die Buchbinderei nahm stets einen respektablen, wennauch keinen hervorragenden Platz ein.

Die Lithographie wurde durch C. C. Lose von einem Deutschen Heinrich Wenzler 181 i eingeführt und hauptsächlich

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DIE GERMANISCHE GRUPPE.

XVI. KAP.

Lithographie.

für den Notendruck benutzt. Der Kunstsinn, welcher, durch die von Thorwaldsen gegebene Anregung in allen Schichten der Bevölkerung geweckt, -einen mächtigen Einfluss auf das Kunstgewerbe geübt hat, wirkte auch auf die Lithographie. Es entstanden nicht nur vorzüg- liche Kartenarbeiten, sondern auch wirkliche Kunstblätter, letztere namentlich durch Emil Bärentzen & Co., jetzt Hoffensberg & Trap, welche auch vorzügliche Chromos liefern. Neben diesen verdienen J. W. Tegner & Kittendorf genannt zu werden.

Der Buchhandel in Dänemark ist nach deutschem System gut organisiert. Das offizielle Organ des skandinavischen Buchhandels ist das seit 30 Jahren von 0. H. Delbanco herausgegebene Nordisk Boghandlertidende.

Auf der Insel ISLAND blieb stets der Sinn für die Litteratur herrschend. Es bestehen dort 5 Druckereien mit 7 Pressen und 4 Journale erscheinen daselbst. Die Offizinen von EinarThordarson und Björn Jönsson besitzen je eine Schnellpresse. Im Jahre 1799 kam die Isländische Litterarische Gesellschaft1 in den Besitz einer kleinen Druckerei, in der bereits 1840 über 100 Werke gedruckt waren. Auch die FÄRINSELN besitzen eine Offizin und ein Blatt. Selbst Grönland ist nicht zurückgeblieben. Unter den in den dänischen Kolonien "wohnenden 1 2 000 Eingeborenen ist die Fertigkeit im Lesen und Schreiben so verbreitet, wie irgend in Europa. In den Jahren 1857 61 machte der Inspektor von Süd-Grönland, nachdem ihm auf Rechnung der Grönländischen Handelsdirektion eine Buch- druckpresse gesendet war, einen Versuch, einen Eingeborenen, Lars Möller, im Setzen und Drucken und einen andern im Holz- schneiden zu unterrichten. 1 86 1 62 hielt sich ersterer in Kopen- hagen auf und wurde dort ordentlich im Buch- und Steindruck unterrichtet. Nach seiner Rückkehr Hess der Inspektor ein kleines Gebäude aufführen und als Buch- und Steindruckerei einrichten. Ausser einigen kleinen erzählenden Schriften gingen zwei periodische Unternehmungen aus dieser Offizin hervor : Atuagagdliutit (Unter- haltungslektüre) , worin auch Beiträge von Eingeborenen und viele Abbildungen enthalten sind ; das andere enthält die Jahresberichte der Ortsvorsteher mit lithographierten Tafeln. In der Kolonie

1 Det islandske Literaire Selskabs Love. Kopenhagen 185 1. Nyerop, Leesendes Aarbog for 1801.

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Godthaab (Gute Hoffnung) befindet sich eine zweite Herrnhutische Missionspresse, aus der eine Anzahl von Erbauungs- und Unter- richtsbüchern hervorgingen. Das erste dort gedruckte Buch war eine Legendensammlung Kalladtit Okalluktua alliäit mit zwölf von Eingeborenen gezeichneten und geschnittenen Holzstöcken und acht Liedern mit Musiknoten.

In NORWEGEN1 kann man, sieht man von der altehrwürdigen Litteratur der Eddas und des reichen Sagenschatzes in der Norröna- Norwegen. Zunge ab (I, S. 156), eigentlich erst seit etwa 70 Jahren von einer Nationallitteratur reden.

In CHRISTIANIA wurde die zweite Druckerei erst im Jahre 1 807 angelegt. Nachdem die politische und die damit verbundene Press- chrisüania. freiheit im Jahre 1814 urplötzlich und in einem Maasse, wie es in der Geschichte nicht oft vorkommt, errungen war, begann auch eine grosse Regsamkeit in der Litteratur. Man machte bedeutende, mitunter etwas krampfhafte Anstrengungen, um eine nationale norwegische Litteratur zu schaffen, und damit fing auch die Buch- druckerkunst an, einen bedeutenderen Platz einzunehmen.

In einem Lande, wo die grosse räumliche Ausdehnung, die kleine, weit zerstreute Bevölkerung und die Naturschwierigkeiten Zeitungswesen. einen schnellen Paketverkehr notwendig machten , war die Journal- presse von grosser Wichtigkeit und oft die einzige Quelle der Belehrung und Unterhaltung. Die Spuren derselben reichen bis auf das Jahr 1760 zurück. Die erste eigentliche Zeitung waren die 1763 begonnenen Norske Intelligenz/edler. Die Zeitungen unterlagen, wie in Dänemark, der Zensur und zwar einer sehr strengen. Zur Empfangnahme von Zeitungen durch die Post gehörte eine besondere Erlaubnis. Im Jahre 18 14 war die Zahl der periodischen Schriften nur fünf. 18 15 wurde das erste täglich erscheinende Morgenbladet gegründet. Die wissenschaftliche Journalistik ist nicht ohne Wichtigkeit. Unter den 85 Journalen Norwegens befinden sich auch mehrere illustrierte.

Auch die Bücherproduktion wurde eine regere. Im Jahre 1868 konnten bereits 650 Autoren bezeichnet werden. Zum Betrieb des

1 Paul Botten-Hansen, La Norvege litteraire. Chr.istia.nia 1S68. Bereinig om Säcularfesten i Chrisüania 1840.

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Bücher- Buchhandels nach deutschem Zuschnitt gab der Däne Johann Dahl den Anstoss und Norwegen hat seitdem eine Reihe von tüchtigen statistisches. Buchhändlern und Buchdruckern aufzuweisen. 1840 zählte man dort schon 33 Buchdruckereien, von welchen Christiania 15 mit 35 Pressen und 95 Arbeitern aufwies. 1879 war die Zahl der Buchdruckereien auf 126 gestiegen, davon 29 in Christiania mit 72 Schnellpressen und 483 Personen. Die GRÖNDAHLsche Buch- druckerei dort hat das Verdienst, 1830 die erste eiserne Presse, 1840 die erste Schnellpresse, 1854 den Dampfbetrieb eingeführt zu haben. Von ihr stammt auch die Annahme des Didotschen Kegelsystems. Bis vor kurzem hatte die Fraktur entschieden das Übergewicht, sie weicht aber Schritt für Schritt der Antiqua. BERGEN hatte 8 Offizinen und 9 Schnellpressen.

Zur Papierfabrikation trägt Norwegen indirekt durch eine starke Ausfuhr von Holzstoff bei , deren Wert 1879 nahe an iz/2 Millionen Mark betrug.

SCHWEDEN UND FINNLAND.

In SCHWEDEN, dessen Einwohner so oft die Franzosen des Schweden. Nordens genannt werden, zeigte sich eine besondere Vorliebe für französische Litteratur und französisches Wesen. Vielleicht hat dies mit dazu beigetragen, dass die Schweden rascher und allgemeiner als die Dänen und Norweger die Antiquaschrift als übliche Buch- und Zeitungsschrift annahmen , so dass thatsächlich die Fraktur nur für kirchliche oder wirklich nur für das Volk bestimmte Litteratur beibehalten wurde. Es dürften überhaupt in den drei skandi- navischen Ländern die Tage der Fraktur gezählt sein.

In betreff des Bezuges von Schriften, Druckmaterial und Utensilien ist Schweden noch mehr als Dänemark auf das Ausland, namentlich Deutschland, angewiesen, und stand auch im allgemeinen etwas hinter Dänemark in der Typographie zurück.

Einer der bedeutendsten Buchdrucker war Peter Momma Typographen. (f 1772), ein Rechtsgelehrter , der auf seinen Reisen die Buch- druckerei in Holland lernte. Er war auch der erste, der eine Schriftgiesserei in Schweden errichtete. J. S. Ekmansson führte 1796 die Didotschen Schriften ein. In LUND erwarb der Däne C Gustav Berling 1745 eine Offizin, welche Bedeutung erlangte

XVI: KAP. DIE ZWEIGE DER GERMANISCHEN GRUPPE. 45 1

und mit der eine, hauptsächlich den akademischen Bedürfnissen gewidmete Schriftgiesserei verbunden wurde. Sie blüht noch in den Händen der Familie Berling.

Den bedeutendsten Platz unter den typographischen Anstalten Schwedens nimmt die von P. A. Norstedt in Stockholm gegründete p. a. Norstedt. ein. Er kaufte 1821 die Offizin von J. P. Lindh, nahm seine beiden Söhne Adolf und Carl zu Teilnehmern und firmierte seit 1823 P. A. Norstedt & Söner. Im Jahre 1862 ging das Geschäft auf die Verwandten Norstedts Gustav Laurin und Albert Laurw über, beide starben jedoch zum allgemeinen Bedauern zeitig. Das jetzt noch blühende Geschäft hat Werke geliefert, welche mit den besten des Auslandes konkurrieren können. 1 869 begannen Norstedts die Nordisk Bogtryckertidende, welche leider 1875 wieder zu erscheinen aufhörte \

Im Jahre 1874 gründete eine Aktiengesellschaft ein grosses graphisches Institut, Central -Tryckeriet , unter der Direktion von Hans Forsell, welches im Jahre 1875 T5 periodische Schriften, darunter 1 1 illustrierte Blätter, druckte. In der Nacht vom 20. zum 2i. Dezember desselben Jahres brannte die Anstalt teilweise ab, bei welcher Gelegenheit der verdiente Dirigent der lithographischen Abteilung, der Deutsche A. Seedorf, einen jämmerlichen Tod in den Flammen fand.

Selbst die Hauptstadt des schwedischen Lapplands, HAPA- RANDA, dicht an der Grenze des russischen Finnlands, hat eine Druckerei und zwar mit einem adeligen Besitzer, G. C. von Klercker, und ein Wochenblatt Nyaste Riksgränsen.

1 Einer der neuesten Verlagsartikel der Firma ist J. G. Nordins Handbok i Boktryckare konsten , ein so vorzügliches, nebenbei gesagt typographisch so vortrefflich ausgestattetes Lehrbuch der Kunst, wie es Deutschland nicht besitzt. Am I. April 1883 begann ein neues Fachjournal : Nordisk Typvgraf- Tidning. Am 1. Juli 1883 und den folgenden Tagen feierte Schweden die 400jährige Einführung der Kunst, bei welcher Gelegenheit eine Festschrift des erwähnten J. G. Nordin im Verein mit dem um die Bibliographie Schwedens verdienten Bibliothekar G. E. Klemming: Svensk Boglryckeri-IIistoria 1483 1883, l. Teil, erschien. Der Teil reicht leider nur bis zu dem erwähnten Momma (etwa bis 1770). Aus demselben geht jedoch hervor, dass nunmehr die That- sache feststeht, dass gleichzeitig mit Joh. Snell (I, s. 75) ein zweiter deutscher Buchdrucker, Nie. Gothan, der früher schon in Magdeburg eine Offizin hatte, 1483 in Stockholm ein Buch, Vita St. Katherine, druckte.

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Die periodische Litteratur weist 321 Nummern auf. 91 Journale Zeitungen, erscheinen in Stockholm, 18 in Gothenburg, 10 in Malmö, 7 in Lund. 14 Blätter erscheinen täglich, davon 4 in doppelten Aus- gaben ; Stockholm hat deren 6, Gothenburg, Helsingborg, Malmö je zwei.

Durch die Bestrebungen der eingewanderten Dänen C. W. Gleerup in Lund und Ad. Bonnier in Stockholm ist der schwedische Buchhandel ganz in der Art des deutschen organisiert. Die Zahl der Buchhandlungen beträgt 261.

Der Schwede liebt das Bunte und neben einer grossen Anzahl von geschichtlichen Werken und Romanen werden auch viele illustrierte, namentlich ethnographische Prachtwerke mit Chromo- lithographien gedruckt, doch werden sie auch zumteil in Deutsch- land ausgeführt. Die Lithographie kam 181 8 nach Schweden. Eine Anstalt von Bedeutung ist Lithographiska Aktie Bolaget iNorrköping^ welche namentlich vortreffliche Landkarten geliefert hat.

Die Papierfabrikation Schwedens hat eine grosse Bedeutung Die Papierfabri- und die Zahl der Fabriken beträgt etwa 60. Es wird sehr gutes Papier fabriziert, wennauch für gewöhnlich ein recht mittelmässiges Fabrikat zur Verwendung kommt. Schweden mit seinem grossen Reichtum an Holz und Wasserkraft hat die Fabrikation des Holz- stoffes mit Eifer ergriffen und führt bedeutende Quantitäten aus. Seine erste Farbenfabrik erhielt es erst vor wenigen Jahren durch O. Marin in Söderköping.

FINNLAND, politisch mit Russland vereinigt, im Besitz seiner Finnland, nationalen Sprache und einer, wennauch nicht bedeutenden, natio- nalen Litteratur, in dem höheren litterarischen Verkehr sich der schwedischen Sprache bedienend, ist in betreff des Buchgewerbes mehr zu Schweden als zu Russland gehörend zu betrachten.

Die bedeutendste typographische Familie ist die Frenckellsche.

Typographen. Statt der nach Stockholm verlegten Druckerei (I, S. 158) erhielt

ABO 1772 eine neue Offizin, die im Jahre 1750 in die Hände von

J. C. Frenckell kam, welcher 1755 zum akademischen Buchdrucker

ernannt wurde, und 1802 noch eine Druckerei in HELSINGFORS,

o

wohin 1829 die Universität von Abo verlegt wurde, gründete, die noch kräftig blüht.

XVI. KAP. DIE ZWEIGE DER GERMANISCHEN GRUPPE. 453

Im Jahre 1771 erschien die erste schwedische Zeitung in Abo; 1776 die erste in finnischer Sprache. Unter der strengen Zensur Zeitungen. konnte die Zeitungslitteratur nur einen sehr langsamen Fortgang nehmen , erst in den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts trat ein erheblicher Umschwung ein, so dass im Jahre 1878 24 Zeitungen in schwedischer, 30 in finnischer Sprache erschienen. 1871 hatte Finnland 20 Buchdruckereien, die sich auf 12 Städte verteilten, davon kamen 7 auf Helsingfors. Die Zahl der Gehülfen betrug 118, der Lehrlinge 99. Schnellpressen gab es 12, Handpressen 45 . Jetzt hat Finnland 40 Buchdruckereien.

Die von Tilgmann aus Helsingfors erfundene Tiegeldruck- Endlose" Mia hat wohl nicht den in Deutschland gehegten Erwartungen ganz entsprochen T.

RUSSLAND UND POLEN.

Dass die Typographie in Russland und Polen nicht in der Weise blühen konnte, wie in Ländern, wo die politische Freiheit eine frische Langsame Ent- litterarische Bewegung und eine lebhafte Wechselwirkung mit den Typographie. bedeutendsten Kulturvölkern hervorrief, ist selbstverständlich. Hierzu kommt noch als erschwerendes Moment die grosse räum- liche Ausdehnung des Reiches. Wie (S. 257) bereits erwähnt wurde, erhielt Russland nicht nur sein typographisches Material aus Deutschland, sondern auch die Ausüber der Buchdruckerkunst sowohl als des Buchhandels waren grösstenteils Deutsche. Diese haben erst Ordnung und System in das graphische Geschäft gebracht. Der national -russische Buchhandel war noch 1840 in einem desolaten Zustande. Smirdin in St. Petersburg und Simin in Moskau gehörten zu den wenigen, welche das Geschäft kaufmännisch regelrecht betrieben.

Die Buchdruckereien verbreiteten sich langsam ; 1 874 war die Zahl derselben in St. Petersburg 107, die der lithographischen Anstalten 105, der Schriftgiessereien 11, der Buchhandlungen mit offenem Laden yy. Den Bemühungen eines Deutschen, R.Schneider, ist die Errichtung einer typographischen Lehrlingsschule zu ver- danken. Derselbe gab auch 1867 1869 ein typographisches

1 Journ. f. B. 1878, Nr. 7.

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Journal in russischer und deutscher, später nur in russischer Sprache heraus, das auf Ed. Hoppe überging. Schneider verliess 1882 Russland und ging nach der Schweiz.

Eine eben so eigentümliche wie vortreffliche Anstalt ist die Die Staats- kaiserliche Staatsdruckerei oder, wie die offizielle Bezeichnung

druckerei.

lautet: „die Kaiserlich Russische Expedition zur Anfertigung der Staatspapiere", ein Institut, das jedes, selbst das in den graphischen Künsten am weitesten fortgeschrittene Land mit Stolz das seinige nennen würde. Durch ihre wahrhaft eminenten Leistungen in photographischen Hoch- und Tiefdruckplatten, durch die geistreiche Kombination von Heliographie und Galvanoplastik und durch die vielfachen wichtigen Anwendungen der verschiedenen graphischen Künste zur Herstellung von Staats - und Wertpapieren hat sie tief eingreifende Erfolge erzielt. Die Fabrikation von Papier mit Wasserzeichen in unvergleichlicher Klarheit und Zartheit, sowie von geschöpftem Handpapier mit allen den Eigenschaften, die man von einem für Wertzeichen bestimmten Papier verlangt , wird in gross- artigem Maassstabe betrieben. Die Festigkeit ist namentlich dem vorzüglichen russischen Hanf zuzuschreiben. Die Kontrolle beginnt mit der Feststellung des Gewichts des abgelieferten Papiers und lässt sich für jeden Bogen auf seiner Wanderung durch die Anstalt verfolgen. Die Fabrik arbeitet mit sechs grossen Maschinen und vierzehn Bütten \

Stempel und Matrizen, Cliches in Kupfer und namentlich in Eisen, eine Spezialität der Anstalt, die gerade für die Herstellung des farbigen Druckes in grossen Auflagen sowohl der Dauerhaftig- keit, als der Unangreifbarkeit durch Farben wegen von wesentlich praktischem Werte sind, werden in vorzüglichster Qualität geliefert. Buch- und Holzschnittdruck, Kupferdruck, Lithographie, Auto- graphie, Chromographie , Photogalvanographie , Heliographie, Elektrotransformatypie , ein Verfahren zur Herstellung einer Platte mit Bildstellung beliebig nach rechts und links, kurz, jeder nennbare graphische Prozess wird dort zur Vollkommenheit gebracht. Eben- falls vorzüglich sind die durch Georg v. Scamoni photographisch erzielten mikroskopischen Schriften. Derselbe, aus Würzburg

1 Das Journ. f. B. 1872 bringt eine sehr detaillierte Beschreibung des Instituts, von Th. Goebel.

XVI. KAP. DIE ZWEIGE DER GERMANISCHEN GRUPPE. 455

gebürtig, hat einen grossen Anteil an den Erfolgen der Anstalt in allen heliographischen Verfahr ungsweisen1.

Die Anstalt wurde 1818 unter Leitung von Theod. Schneider aus Mannheim gegründet und besteht seit 1866 als selbständiges Geschäft, das seine Überschüsse an die Staatskasse abliefert. Der Chef ist seit i86t der Staatsrath Theod. von Winberg. Bereits im Jahre 1873 hatte die Anstalt 17 Dampfmaschinen mit 362 Pferde- kraft zur Disposition. Die Druckerei arbeitete mit 58 Schnell- pressen, darunter 35 aus der Fabrik von König & Bauer, 60 Hand- pressen, eine ausserordentliche Zahl von Hülfsmaschinen und beschäftigte im Hause 1400 1800, ausser dem Hause 300 1200 Arbeiter.

Eine eigentümliche Einrichtung ist die Beteiligung des ganzen Personals bis zum jüngsten Arbeiter herunter an dem Gewinn der Anstalt, der ein bedeutender, zwischen 3 400000 Rubel jährlich, sein soll. Die eine Hälfte derselben fliesst in die Staatskasse, die andere wird unter das Personal in der Weise verteilt, dass jeder Arbeiter mindestens einen Monatslohn als Anteil empfängt.

Die baulichen Anlagen der Anstalt, welche in dem südlichen, nicht sehr bebauten Stadtteil sich befinden, bedecken einen grossen, an drei Seiten von Strassen begrenzten Flächenraum, auf welchem ausser der eigentlichen Druckerei auch die Papierfabrik und die Wohnungen der Beamten sich befinden.

Zum Schutze der Anstalt hält eine Wache von 36 Mann die verschiedenen Zugänge bei Tag und Nacht besetzt. Die Gebäude sind durchweg massiv und feuersicher, fast nur von Stein und Eisen. An der Spitze der Anstalt, welche dem Finanzministerium unter- stellt ist, steht ein technisch gebildeter Direktor. Als Vorsteher der einzelnen Abteilungen, sowie zur Wahrnehmung der Kassen- und Rechnungsgeschäfte und der Kontrolle sind 160 Beamte und 280 Meister und Meistergehülfen angestellt. Sehr zu loben ist, dass die mächtige Anstalt nur auf die Bedürfnisse des Staats beschränkt bleibt, obwohl es in Russland eher als in anderen Ländern zu entschuldigen wäre, wenn sie Privaten Konkurrenz machte.

1 Seine Erfahrungen hat er in seinem „Handbuch der Heliographie" mit Atlas, Berlin 1872, niedergelegt.

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Die Universitätsbuchdruckerei wurde 1755 gegründet. 187 1 Verschiedene beschäftigte sie 16 Schnell- und viele Handpressen und ist reich mit orientalischen Schriften versehen; das Vaterunser konnte in 325 Sprachen gesetzt werden. Eine zweite orientalische Buch- druckerei, namentlich für armenischen Druck bestimmt, errichtete 1 836 Joachim Lazareff. Unter den älteren Buchdruckereien nimmt die von J. J. Glasanow (Oberbürgermeister, wirklicher Staatsrat, Excellenz), welche bereits ihr hundertjähriges Bestehen feierte, einen bedeutenden Platz ein, während unter den jüngeren die von B. M. Wolff hervorragend ist. Der kürzlich verstorbene Wolff verband Verlagshandel mit Buchdruckerei und hat Verdienste um die Verschönerung der russischen Schrift und der Anpassung der Renaissance- Antiqua an diese. Eine bedeutende Accidenzdruckerei ist die von Golowin. Alex. Bencke liefert ebenfalls viele Accidenz- arbeiten und beschäftigt nur Nationalrussen. Hermann Hoppe giebt das illustrierte Journal, von Ed. Hoppe gedruckt, heraus. Die Gesellschaft Allgemeiner Nutzen ist ein ausgedehntes Etablisse- ment, besonders für Herausgabe illustrierter Blätter. Bedeutende Schriftgiessereien sind die Filiale von Flinsch in Frankfurt a. M. (Franz Mark), Revillon & Co. und O.J.Lehmann. Die litho- graphische Anstalt von A. Iljin liefert gute Landkarten.

In MOSKAU wird die graphische Kunst in ziemlich umfang- Die Provinzen, reicher Weise geübt. Im Jahre 1881 bestanden 237 Offizinen, in welchen mit 202 Buchdruck-, 147 Steindruck - Schnellpressen und 712 Tret- und Handpressen gearbeitet wurde. Die Schrift- giessereien, unter welchen Seliwanowski bedeutend ist, arbeiteten mit 47 Giessmaschinen. Die bekannte Synodalbuchdruckerei (I, S. 279) erhielt eine neue und zweckmässige Einrichtung. Mor. Neubinger druckt namentlich Wertpapiere.

DORPAT hatte schon 1624 eine Offizin, Mitau 1774, Odessa 1825. Charkow mit seiner 1804 gegründeten Universität erhielt 1 820 eine Druckerei. In WARSCHAU sind namentlich H. & M. Orgel- brand durch ihre hebräischen Drucke bekannt.

In den baltischen Provinzen erschienen 1S71 22 deutsche, 7 esthnische und 6 litauische Zeitungen und nur eine russische.

Die armenische Typographie wurde namentlich in dem berühm- ten Kloster Etzschmiazin bei Eriwan, der Hauptstadt Armeniens,

XVI. KAP. DIE ZWEIGE DER GERMANISCHEN GRUPPE. 457

gepflegt. Ein zweiter Druckort ist NäCHITSCHEWAN, wo 1794 unter anderem eine Übersetzung von Fenelons Telemaque erschien. TlFLIS hat mehrere Offizinen. In der Herrnhuter- Kolonie SAREPTA befand sich seit demjahre 1763 eine unbedeutende Missionsdruckerei. ASTRACHAN erhielt zu Anfang des Jahrhunderts, Kasan 18 15 Offizinen.

In den Gouvernementsstädten SIBIRIENS finden sich zwar Buchdruckereien, jedoch primitivster Einrichtung, nur JEKATERINEN- BURG und IRKUTSK haben gut versehene Offizinen. Die einzige offizielle Zeitung Sibiriens, welche in Irkutsk erschien, wurde 1880 verboten. In SELENGINSK wurde auf Veranlassung der Londoner Missionsgesellschaft die ganze Bibel 1834 in mongolischer Sprache gedruckt.

Die russischen Papierfabrikanten beschweren sich sehr über Mangel an Lumpen, die namentlich nach England ausgeführt werden. Die Kartenfabrikation ist ein Monopol der Regierung; die einzige Fabrik liefert jährlich etwa sieben Millionen Spiele.

Im Jahre 1874 hatte Russland 322 Buchhandlungen und die Zahl der erschienenen Bücher betrug 2589. 1870 war der Wert der statistisches. Büchereinfuhr I 153082 Rubel, von welcher Summe die Million auf Deutschland fiel, die Ausfuhr bezifferte sich auf 83 714 Rubel.

Die Zahl der Zeitschriften ist eine verhältnismässig sehr geringe und betrug 188 1 nur 776, davon 80 in polnischer, 43 in finnischer, 39 in schwedischer, 36 in deutscher, 13 in lettischer, 10 in esthnischer Sprache und 26 in verschiedenen Idiomen. Es erscheinen von diesen Zeitschriften 197 in St. Petersburg, 75 in Moskau, 79 in Warschau, 36 in Helsingfors, 23 in Riga, 21 in Tiflis, 20 in Kiew, 19 in Odessa.

Die verbreitetste Zeitung (71000 Auflage) warder „Golos" (die Stimme)1, sie hatte so wenig wie die Times eine bestimmte Tendenz, Zeitungswesen. aber ein ebenso feines Gehör für das, was kommen würde. „Die neue Zeit", ein chauvinistisches Slawenblatt (30000 Auflage) hatte etwas an Verbreitung eingebüsst. Im Hetzen gegen Deutschland hatte es fast den Sieg über die russische St Petersburger Zeitung davon- getragen, wogegen die „Russische Wahrheit" einen gebildeten Ton anschlug. Auch das „Gerücht" hielt sich von Chauvinismus frei.

1 Die folgenden Angaben beziehen sich auf das Jahr 1879. „Golos" ist seitdem eingegangen.

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Die „Moskauer Zeitung" hatte namentlich in Moskau selbst und in dem Lande südlich und östlich von Moskau Geltung.

Die Regierung besass nur ein offizielles Organ, „Der Regierungs- bote". Als offiziös konnten das Journal de St. Petersbourg und die Agence generale russe und im Auslande der Brüsseler Le Nord, allenfalls auch der „Russische Invalide" gerechnet werden. Neben der russischen St. Petersburger Zeitung existiert auch eine deutsche ; beide gehören der Akademie der Wissenschaften, welche sie ver- pachtet, und haben bereits 1877 ihr I5qjähriges Jubiläum gefeiert.

Die grossen Petersburger Zeitungen stehen zwar nicht unter Präventiv-Zensur, müssen aber 5000 Rubel Kaution stellen. Sobald sie ausschreiten, werden sie verwarnt und nochmaliges Verwarnen zieht zeitweiliges oder auch vollständiges Verbot nach sich. In ausländischen Angelegenheiten haben die grossen Blätter ziemlich freien Spielraum, und sind selbst hinsichtlich der inneren bei weitem nicht so beengt, wie man gewöhnlich annimmt. Der Ton gegen Deutschland ist bekanntlich im allgemeinen voller Hass und zur Schau getragener Verachtung.

Manche Städte von 10 000 und mehr Einwohnern haben keine Zeitung, so dass oft ein grosser Kreis oder ein Gouvernement ohne Organ ist Mit welchen Schwierigkeiten ein Zeitungsherausgeber oft zu kämpfen hat, mag daraus erhellen, dass z. B. aus Neu- Tscherkask erst das Manuskript, dann die Korrektur eines Blattes nach Moskau gesendet werden muss, womit zehn Tage verloren gehen , dazu noch die Zeit für Satz und Druck.

DIE DONAULÄNDER. Wir wenden uns jetzt den jüngsten selbständig gewordenen Die jüngsten Mitgliedern des europäischen Staatenbundes zu, deren Bedeutung für die Presse erst der Zukunft gehört. Mit der Erlangung des politischen Selbstbestimmungsrechtes eines Volkes ist ja auch stets das Aufblühen des geistigen Lebens verbunden gewesen, und ist die erste Gährung überstanden, so ist es bei der Bildungsfähigkeit der betreffenden Völker auch zu erwarten, dass sie eine angemessene Stellung auf dem Gebiete der Presse einnehmen werden. Zu hoffen und zu wünschen bleibt, dass es nicht deutschfeindlichen Einflüssen gelingen möge, nationale und geistige Antipathien gegen germa-

Staaten.

XVI. KAP. DIE ZWEIGE DER GERMANISCHEN GRUPPE. 459

nische Kultur zu erregen, wodurch die Völker selbst am meisten gegen ihre Unabhängigkeit und ihr geistiges Interesse handeln würden.

SERBIEN1. Als die neue Ära in unserem Jahrhundert für Serbien begann, standen das Volk, welches belehrt werden musste, und die Geistlichkeit, welche belehren sollte, ziemlich auf derselben Stufe des Wissens oder vielmehr der Unwissenheit.

Das erste Buch, welches in Serbien erschien, ist eine von dem Woiwoden von Celat, Georg Cernojevic, 1493 1495 veranstaltete, mit cyrillischen Lettern gedruckte Ausgabe des Psalters, welche Schafarik den schönsten slawischen Druck nennt, wie überhaupt die Erzeugnisse der südslawischen Pressen an innerem und äusserem Wert die ihnen um einige Jahre vorausgegangenen Krakauer cyrilli- schen Drucke übertrafen.

Doch dauerte dieser Glanz nicht lange und erlosch bereits im XVI. Jahrhundert in den Kämpfen mit dem Halbmond. Von da ab versorgte Russland die südslawischen Länder mit Kirchenbüchern, bis die eigene Staatsdruckerei die Lieferung derselben übernehmen konnte. Ferner that die englische Bibelgesellschaft manches für die Verbreitung des Neuen Testaments, welches sie von dem bekannten Gelehrten Vuk übersetzen und mit cyrillischen Lettern drucken Hess. Auch andere Werke, namentlich Übersetzungen, wurden in Österreich und Deutschland gedruckt.

Die Grundlage zu der Staatsdruckerei war durch ein Geschenk des Kaisers Nikolaus, bestehend in zwei Druckerpressen, 1830 gelegt. Dieselben wurden zuerst in Kragujevac aufgestellt, um unter der Leitung Berrmanns aus Wien erst nur liturgische Bücher mit russischen Lettern zu drucken. Im Jahre 1831 wurde die Druckerei vom Fürsten Milosch nach Belgrad verlegt und mit noch drei Handpressen, später mit zwei König & Bauerschen Schnellpressen ausgestattet. Die Schriftgiesserei wurde von dem Stuttgarter Ockenfuss eingerichtet. Um den Typenschnitt machten sich zwei andere Deutsche, Schröpel (f 1864) und dessen Faktor Walter aus Frankfurt, verdient. Nach 1864 traten zwei junge in Deutschland ausgebildete Serben an die Spitze der Anstalt. Die alt- und neuslawischen Typengattungen sind gut vertreten, auch

1 F. KANITZ, Serbien. Leipzig 1868.

Hie Staats- druckerei,

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DIE GERMANISCHE GRUPPE.

Die serbische Sprache.

Zeitungen.

Graphische Künste.

Musiknoten sind vorhanden und xylographische, galvanoplastische und Stereotypie - Anstalten wurden eingerichtet. Im Jahre 1870 waren mehr als 50 Setzer und Lehrlinge beschäftigt und zahlreiche Arbeiten wurden sowohl für den Staat wie für Private ausgeführt, ausserdem die Landeszeitung und mehrere andere Journale dort gedruckt.

Um 1850 wurde auch die LITHOGRAPHIE durch einen Deutschen, Braumann, eingeführt. Karten, Pläne und andere chromographische Arbeiten wurden in guter Ausstattung geliefert, auch die serbischen Postmarken sind sehr gut gedruckt.

Die serbische Sprache, die auch seit 1830 von den Kroaten als Schriftsprache adoptiert wurde, wird von Kennern als reich, kurz, energisch und melodiös geschildert. Der Linguist Vuk führt in seinem Wörterbuch mehr als 62 000 Wörter auf. Bis jetzt beschäftigte sich die serbische Presse meist mit dem Druck von Lehrbüchern und mit Übersetzungen, doch hat die Originallitteratur schon bedeutende Anfänge aufzuweisen. Das 1838 vom Fürsten Milosch gegründete Lyceum wurde 1863 Universität. 1841 gründete Fürst Michael die „Gesellschaft für serbische Litteratur", die ein Mittel- punkt der geistigen Bestrebungen wurde und durch ihr Jahrbuch (Glasnik) viel wirkte.

Als Gründer der politischen Presse im europäischen Stil ist Milos Popovic zu betrachten, der von 1841 1861 fast ununter- brochen die offizielle Zeitung redigierte und dann im Verein mit Dr. Rosen eine quasi offiziöse Zeitung gründete. Da diese die gelesenste von allen war und trotzdem nur in 750 Exemplaren gedruckt wurde, so lässt sich ein Schluss auf die Grösse des Lese- publikums der übrigen im Jahre 1866 in Belgrad erschienenen Blätter ziehen. Mit dem Buchhandel ist es auch noch nicht sonder- lich bestellt.

Auf dem Gebiete der vervielfältigenden Künste haben sich einige Persönlichkeiten vorteilhaft bekannt gemacht. Natal, Boni- facij und Martin Rota-Kolunic wirkten als Kupferstecher bereits im XVI. Jahrhundert in Rom. Unter den zahlreichen Stichen des letzteren ist namentlich „Das jüngste Gericht" bekannt. Zu Anfang unseres Jahrhunderts gab Joseph Milowuk Bildnisse berühmter Serben in Kupferstich heraus. Sein Sohn machte einen Versuch

XVI. KAP. DIE ZWEIGE DER GERMANISCHEN GRUPPE. 46 1

mit einer illustrierten Zeitung in Belgrad und suchte somit für den Holzschnitt in Serbien Bahn zu brechen; doch war der Erfolg kein bedeutender.

Um die Lithographie und die Photographie in Serbien erwarb sich die meisten Verdienste Nastas Jovanovic. Vom Fürsten Milosch nach Wien gesandt, um dort die Kupferstecherkunst zu lernen, gründete er später einen nationalen Kunstverlag, in welchem sich zahlreiche Blätter mit historischen Vorwürfen befanden. In seinen Unternehmungen ward er von Wiener Künstlern, namentlich von Vincenz Katzler, unterstützt.

RUMÄNIEN. Das Rumänische ist die Muttersprache von über zehn Millionen Menschen, hat also für die Typographie der Zukunft Rumänien, eine nicht geringe Bedeutung. Es wird nicht allein in Rumänien gesprochen, sondern ist auch in den östlichen Teilen Ungarns, im Banat und in Siebenbürgen, in Bessarabien, Podolien und in der Bukowina verbreitet. Von manchem wird die rumänische Sprache irrtümlich für eine slawische gehalten ; sie stammt jedoch aus dem Lateinischen und schliesst sich ziemlich eng an das Italienische an, erscheint deshalb auch den Bewohnern der eigentlichen Kultur- länder Europas nicht so fremdartig als die slawischen Idiome.

Die dortige Typographie befindet sich schon im raschen Auf- blühen. Bereits in der Mitte der siebenziger Jahre unseres Jahr- hunderts befanden sich in Rumänien in zwölf Städten verteilt 34 Buchdruckereien mit 217 Gehülfen und 1 17 Lehrlingen. Von diesen kamen auf Bukarest zwölf Druckereien mit 138 Gehülfen, 108 Lehrlingen, 27 Maschinen und 11 Handpressen. Die Regierung ist sehr um die Einführung der Papierfabrikation bemüht. Für das Interesse, welches in diesem jungen, der Kultur zugeführten Staat für die Typographie herrscht, spricht das Erscheinen zweier Fach- zeitschriften.

BULGARIEN. Diese jüngste Staatenschöpfung in Europa hat begreiflicherweise noch zu sehr mit den notwendigen Existenzfragen Bulgarien. zu kämpfen, um auf dem Gebiete der Presse schon wesentliches leisten zu können. Erst kommen, wie überall, die Zeitschriften und die Unterrichtsbücher, Seit 1824 Hessen bulgarische Emigranten

4Ö2 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XVI. KAP.

zahlreiche Schul- und kirchliche Bücher im Auslande drucken und Druckereien wurden 1 870 in Salonik und Smyrna zu diesem Zwecke begründet. Ein Journal Ljuboslovic erschien bereits in den Jahren 1844 IS4Ö in Smyrna. Die erste in Bulgarien in der Landes- sprache erschienene Zeitung war 1849 Czarigradskij Vestnik, sie fand jedoch keine grosse Verbreitung und ging 1861 ein. Ein in Odessa herausgegebenes Blatt Mirozrenie wurde , obwohl politisch ganz harmlos, verboten. 1879 erschienen in Konstantinopel und Rumänien 14 bulgarische Zeitschriften.

Sofia hat jetzt sechs Zeitungen aufzuweisen, unter welchen das wöchentlich erscheinende Regierungsblatt. Die in deutscher Sprache erscheinende „Bulgarische Korrespondenz" ist zur Auf- klärung des Auslandes bestimmt. Unter den Zeitungen befindet sich auch eine illustrierte, Bolgarskaya Illywstratsiya. RüSTSCHUCK hat zwei Journale, unter welchen das oppositionelle Bulgarin die stärkste Verbreitung hat. In SlSTOWA, TlRNOWA, PHILIPPOPEL und Sliwnia giebt es je eine Zeitung.

GRIECHENLAND.

Griechenland war eines der letzten Länder, nicht nur in Europa, Griechenland, in welchem die Buchdruckerkunst ein festes Heim fand.

Unter der Herrschaft der Türken hatte sich nur ab und zu eine wandernde Druckerei eingefunden, um rasch wieder zu verschwinden, eine bleibende Stätte für die Typographie gab es nicht. Die not- wendigsten liturgischen, daneben einige wenige Unterrichtsbücher wurden bei Nikolas Glyky in Venedig, einige auch in Wien und Paris gedruckt.

Der Errichtung zweier Offizinen auf den jonischen Inseln durch General Bonaparte wurde bereits (S. 172) gedacht. Zu Anfang des Jahrhunderts fanden schwache Versuche zur Gründung griechischer Zeitungen in Konstantinopel, Smyrna und Bukarest statt. Auszüge aus der heiligen Schrift in neugriechischer Sprache Hess 18 17 der Missionär Wilson auf Corfu drucken. 1 8 1 8 folgte dort eine politische Zeitschrift in italienischer und neugriechischer Sprache. Bereits früher hatte der Missionär Lowndes eine albanesische Bibel, wahr- scheinlich das erste gedruckte Buch in albanesischer Sprache, dort ausführen lassen.

XVI. KAP. DIE ZWEIGE DER GERMANISCHEN GRUPPE. 463

Als 1821 der Freiheitskampf der Griechen überall in Europa die grösste Teilnahme erweckte, und die Bildung der philhellenischen Der Freiheits- Vereine veranlasste, fassten letztere auch die Beschaffung einer griechischen Druckoffizin ins Auge. Firmin Ambroise Didot, ein eifriger Griechenfreund, schenkte Griechenland eine vollständige Druckerei-Einrichtung (s. 180), die in Nauplia ihre Stätte fand. Missolunghi erhielt eine Offizin durch Lord Byron, und Lord Stanhope brachte eine solche nach ATHEN; ausserdem erhielten Korinth, Patras, Hydra, Chios und Aegina Pressen. Auf Aegina erschien während der Präsidentschaft des Grafen Capo d'Istria das Regierungsblatt „Ephemeriden"; auf Hydra „Der Freund des Gesetzes", in Missolunghi die „Hellenische Chronik", in Korinth die „Trompete von Hellas".

Als König Otto 1833 nach Griechenland kam, war der Zustand der Druckereien, zu denen inzwischen noch einige lithographische Regierung Anstalten gekommen waren, ein so kläglicher, dass es nicht einmal möglich war, die notwendigsten Regierungsarbeiten alle im Lande auszuführen. Unter den mit dem Könige angekommenen bayrischen Soldaten befanden sich 1 1 Buchdrucker , 7 Lithographen und 13 Papiermacher, die nun bessere Dienste leisten konnten, als die Muskete tragen ; von G. Jacquet in München war auch noch eine Druckerei-Einrichtung gesandt worden. In Athen wurde das, noch 1870 dreimal wöchentlich erscheinende „Jahrhundert" gegründet. „Der Erlöser" erschien zweimal wöchentlich in italienischer und neu- griechischer Sprache. 1834 gründete die Amerikanisch-Englische Gesellschaft zur Verbreitung religiöser Ansichten eine gut ein- gerichtete Buchdruckerei, die viele Schulbücher, an welchen Griechen- land noch sehr arm war, lieferte x,

Ein organisierter Buchhandel1 existierte natürlich noch nicht. Auch hier waren es, wie an so manchen Orten, Deutsche, denen die Aufgabe zufiel, in diesen Ordnung zu bringen, in welcher Hinsicht der am 27. Juli 1882 verstorbene Buchhändler und deutsche Konsul Karl Wilberg durch seine seit 1827 bestehende, vortrefflich organi- sierte Buchhandlung sich besondere Verdienste erwarb. Die deutsche wissenschaftliche Litteratur hat Wilberg viel zu verdanken, denn er

i Coromilas, Dem., Catalogue des livres pudlies en Grece. ü Exposition Vienne 'S/3-

Aufblühen der Presse.

464 DIE GERMANISCHE GRUPPE. XVI. KAP.

trug nicht allein zur Verbreitung ihrer Erzeugnisse ausserordentlich bei, sondern stand auch den in Griechenland reisenden Forschern mit Rat und That zur Seite.

Bis 1837 gak es kdn Pressgesetz. 1843 wurde durch die Ver- fassung vollkommene Pressfreiheit garantiert, diese jedoch trotzdem 1850 sehr beschränkt, bis die Presse nach der Thronbesteigung König Georgs 1863 wieder ganz frei wurde. 1873 erschienen 152 Journale, davon 74 in Athen, und das litterarische Leben ist in raschem Aufblühen begriffen. Eine illustrierte griechische Zeitung Hesperos, herausgegeben von Dr. J. Pervanoglou , wird in Leipzig (bei W. Drugulin) gedruckt.

Bevor in Griechenland das Licht der Kultur, welches einst über dessen glückliche Gefilde so herrlich leuchtete, vollständig erlosch, um einer tiefen, wie es schien ewigen, Finsternis Platz zu machen, hatte es jedoch den „Barbaren" seine unvergleichlichen Geistes- werke hinterlassen, die so vieles dazu beitrugen, bei letzteren die Auf- klärung zu verbreiten und der Buchdruckerkunst den Weg zu ebnen.

Der „Barbar" Gutenberg glich die Rechnung mit Griechenland aus, indem er ihm seine äusserlich unscheinbare, aber in ihren Wirkungen unvergängliche und unvergleichliche Erfindung als Entgelt brachte. Mit dieser erhielt Griechenland, wie jedes Land des Erdkreises, für immer die Gewähr, dass es nicht zum zweitenmal der geistigen Verkümmerung und Finsternis anheimfallen könne. Und so mögen die folgenden, dem Denkmal im Hofe „Zum Guten- berg" entlehnten Zeilen hier statt eines Kolophons stehen.

Was einst Pallas Athene dem griechischen Forscher verhüllte,

Fand der denkende Fleiss deines Gehörnen, o Mainz! Völker sprechen zu Völkern , sie tauschen die Schätze des Wissens;

Mütterlich sorgsam bewahrt, mehrt sie die göttliche Kunst; Sterblich war einst der Ruhm; SIE gab ihm unendliche Dauer,

Trägt ihn von Fol zu Pole, lockend durch Thaten zur That; Nimmer verdunkelt der Trug die ewige Sonne der Wahrheit,

Schirmend schwebt ihr die Kunst, Wolken verscheuchend, voran. Wandrer, hier segne den Edlen, dem so viel Grosses gelungen,

Jedes nützliche Werk ist ihm ein Denkmal des Ruhms.

A. NAMEN- UND SACHREGISTER.

Abo S. 452.

Accidenzdruck in Amerika 125.

in Berlin 368.

in England 91. 105. Ackermann, A., 337. Ackermann, Rud., 94. Adam, Isaak, 62. Adams, Jos., 123. Adelaide 112.

Adler, C, 370.

Adler, G., 350.

Adlers Erben 375.

Adrian, F. R., 187.

Ägina 463.

Ägypten, das alte, 339.

„Ägypten" von Ebers 389.

Ägypten, Felddruckerei in, 172.

Ägyptologie, die, 340.

Afrika 113.

Age 112.

Agefice Havas 199.

d'Agincourt, Uhist. de Vart 186.

Agram 437.

Aguado, Juan, 245.

Aichele & Bachmann 314.

Akademische Buchdr., Berlin 366.

Akadem. Buchdr. in München 394.

Alauzet, P., 158.

Albamra, G., 245.

Albert, J., 396.

Albert & Hamm 316.

Albertotypie, die, 16. 396.

Albrecht, C, Albrecht & Meister 371. Albu?n typogr. de Pimpr. Royale 176. Alden, Thim., und H. W., 42. Algier 248. Allen, Ed., 35. Allendorf a. d.Werra 400. „Allgemeiner Nutzen" 456. Allgeyer, Jul., 397. Allier Pere & füs 202. Alphabeticum Tibetanwn 234. Altenburg in S.-A. 350. Amand, G. L. A., 227. Amelang, C. F., 367. Amherst, Lord, 107. i Amsler & Ruthardt 372. Amsterdam 227. Amyot, P. F., 210. Anastatischer Druck 1 1 . Anderson, Alex., 123. Andrese, ]., 288. Andre, Joh., 401. Andrew Best & Leloir 204. Angeli und Sohn 243. Anger, J., 316. Angerer & Göschl 434. Anglaisc 146.

Anison-Duperon, E. A.J., 171. 172. Anleger, mechanischer, 68. Annual Register 55. Annuaire- Ahnanach du Comm. 181. Ansbach 399'.

466

Antananarivo 113.

Antiqua u. Fraktur i. Deutsch!. 255.

in Skandinavien 450. Antiquariatsgeschäft i. London 1 00. Antwerpen 232.

Appel, F. A., 207. Appel, R., 11. Applegath & Cowper 60. Appleton, D., & Co., 130. Aquarelldruck 10. x\rbeitsweise, deutsche, 257.

englische, 90.

französische, 140. Archimowitz, Th., 293. Archiv es des decouvertes 186. Argus 112. Arnold, E., 350. Arnz & Co. 379. Eart pour tous 156. 208. Arundel, Lord Th. H., 103. Arundel Society 371. Aschersleben 353. Asher & Co. 372. Ashley, J. F., 68. Asnieres 207.

Aspern van derVelde 227. Asser 16.-

Assignatendruck in Frankreich 172. Astrachan 457. Athen 463. Athenäum 436. Attaignant, P., 324. Auer, Alois, 422. Auers „Endlose" 424. Augsburg 398.

Augsb. „Allgemeine Zeitung" 398. „Augsburgli,Maschinenfabrik,3i3. Auroras Triumphzug 377. Ausleger, mechanischer, 68. Austin, Stephan, 84. Australiern Register 112. Australien 112. Autotypie 397. Ava 109.

Baader & Co. 402. Bachelin-Deflorenne 216. Bachelier, A. L. J., 210.

Bachern, J. P., 3 So. Bachmann, J. H. F., 285. Badoureau, B., 156. Bädeker, Familie, 329. 379. Baensch jun., E., 354. Bär & Hermann 347. Bärentzen & Co. 448. Bagel, A., 329. Bagelaer, E.W. J., 228. Bagster, Sam, & Sons 97. Baillere, J. B., 209. Bailleul 200. Baily, M., 67. Balantyne, John, 82. Baley, Benj., 107. Ballard, Rob., 325. Banknotendruck in Amerika 125.

Deutschland 370.

England 91.

Russland 454. Barba, G., 212. Barbera, G., 242. Barbou, Familie, 186. Barcelona 245.

i Barth, J. Aug., 372. j Barth, Joh. Ambr., 348. 1 Barth, W. A., S3^. ' Bartholomäus, Fr., 353.

Basel 406.

Baskerville, John, 73.

Bastide 249.

Batavia 109.

Bäte 208.

Batenberg & Majeur 150.

Baudoin, A., 210.

Baudoin 159.

Baudry, J., 208.

Baudry Collection, 212.

Bauer, A. F., 54. 308.

Bauer, Bonitas-, 399.

Bauer, J. C, 289.

Baumann, G. E., 319.

Baumann, L., 379.

Baumgärtner, J., 17. 349.

Baurkeller 17.

Bautzen 350.

Baxter, George, 80.

Beaumarchais, P., 74. 184. 402.

467

Beck, Hofrat, 426.

Behring Manufactiiring Comp. 42,

Belgrad 459.

Belin, Eng., 211.

Belin-Mandar 212.

Bellmann, C, 432.

Bellow, John, 84.

Benares 106.

Bencke, Alex., 456.

Benedict, J. C, 347.

Benkulen 109.

Bensley, Th., 54. 77.

Bentley, Richard, 98.

Bents Advertiser 94.

Benziger, Gebr., 130. 411.

Bequet & fils 207.

Beranger, P. ]., 176.

Berg, Adam, 325.

Bergen, G., 349.

Berger- Levrault, Familie, 186.403.

Berlin 357.

Berling, CG-, 450.

Beding, Familie, 443.

Bern 411.

Bernhardt, G., 316.

Berrmann 459.

Berthold, H., 286.

Bertram, 0., 353.

Besley, R., & Co., 32. 91.

Bestehorn, H. B., 353.

Bette, Paul, 372.

Bewick, Th. und J., 79.

Beyerhaus 285.

Bhägavata Piirana 176.

Bibeldruck in Amerika 129.

in England 99.

in Halle 353. Bible Encyclopcedia 129. Bible pictorial 95. Bibliographie de la France 194. Bibliophilie 10 1. 214. Bibliotheca Japaiiica 1 1 1 . Bibliotheque Elzevirienne 216. Bibliotheque grecque 181. Bibliotheque latine -francaise 181. Bieling, G., 398. Binger, Gebr., 227. Binney & Rolandson $5. 38.

Biographie generale 1 8 1 .

Biographie medicale 185.

Bixio, J. A., 210.

Black, Familie, 82.

Blackie,W, C, & Co. 83.

Blackwood, Familie, 83.

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Blades, William, 97.

Blades, East & Blades 97,

Blätter, Fliegende, 299.

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Blake, Stephenson & Co. 30.

Bleuler, Hausheer & Co. 410.

Blindendruck 155. 426.

Blochmann, E., & Sohn 350.

Bobard, C, 353.

Bode, J. J. Q., 375.

Bodenheim & Co. 400. ; Bodmer 396.

Bodoni, J. B., 233.

Bodoni, Manuale tipografico 236.

Bodoni, Schriften 236.

Böhlau, H., 351. I Böhme & Fränkel 371.

Börsenhalle, Neue, 376. | Börsenverein 266. I Bohemia 290. IBohn, H. G., 100. !Bohns Guinea Catalogue 100. ,Bohn, Fassbender & Herber 315.

Boieldieu & Fils 160.

Bolhö vener, C, 397.

Bombay 107.

Bona 242.

Bona fide Dictionary 84.

Bond & Forster 66.

Bonifacij, N., 460. jBonn 379.

Bonnet & Co., 160.

Bonnier, Ad., 452.

Bonz, Ad., 387.

Boohseller, American, 122.

Book TradeAssociation, Americ, 127.

Boomer & Bordiert 69.

Border -Press 82.

Borzino, Ulysses, 241.

Bosnien 437. , Bossange, Familie, 218. 30*

Botta Nachfolger 243. Bourdillat 204. Bourdin, E., 203. Bowyer, Vater und Sohn 74. Brackeisberg, E. W., 295. Bramahs Hydr. Presse 53. Brandt, L., 39. 295. Braumüller, W. v., 1 1 1 . Braun, Ad., 402. Braun, Kaspar, 299. 395. Braunsche Hofbuchdr. 401. Braun & Schneider 395. Braunschweig 354. Breidt, J. E., 320. Breitkopf, J. G. I.

Geburt 321.

Breitkopf und die Fraktur 322.

Der Musiknotendruck 323.

Landkartendruck 326.

Satz figürl. Gegenstände 327.

Chinesische Schrift 327.

Schriftgiesserei 328.

Sittliche Reformen 328.

Schriftstellerische Arbeiten 329.

Tod 329. Breitkopf & Härtel 330. Bremen 378. Brend'amour, R., 300. Brendler & Harler 291. Breslau 372. Breton, E., 213. Breviere 204. Briard, St., 324. Bridel, G., 412. Bridgewater, Lord F. E., 102. Brill, E. J., Leyden 226. 228. British atidf oreign Bible Society 99. Brockhaus, Familie.

Fr. Arn. Brockhaus 332.

Etablissement in Holland 332.

Altenburg 332.

Konversations -Lexikon 332.

Druckerei 333.

Die Schnellpresse 333.

Verlag 335.

Tod33s.

Brockhaus, Fr., 335. Heinr., 335.

Brockhaus, Eduard u. Rudolf, 336 Brockmann, F. O., 350. Bronciermaschine 70. Brougham, Lord Henry, 102. Bruce, Familie, 34. 39. Bruckmann, Fr., 15. 397. Brückner, W., & Co. 350. Brügel & Sohn 399. Brüssel 232.

Brunet, Jacq. Charles, 217. Brunn, E. C, 314. 379. Brunn 432. Brunner, G., 398. Bruylant - Christoph 232. Buchbinderkunst, Deutschi. 278.

in England 103.

in Frankreich 161. Buchdruckerei für Politik 432. Buchdrucker- Organe i.Dtschl. 274, Buchdrucker- Verein,Deutsch., 272 Buchdrucker- Verein in Wien 429 Bücher-Kommission, Kaiserl., 262 Bücherproduktion in Amerika 127

in Belgien 230.

in Deutschland 275.

in England 92.

in Frankreich 219.

in Japan in.

in Indien 108. Bücherverbote in Österreich 414. Buchhandel in Amerika 126.

in Deutschld. um 1750 265.

in England 92.

in Berlin 370. Buchheftmaschine 70. Buchholz 350. Buda-Pest 436. Buenos Aires 248. Bureau of engraving 125. Bürckner, Hugo, 300. Bürger, R., 350. Büxenstein, W., 292.367.368. Bulgarien, Zeitungswesen 462. Bulmer, William, 76. Bullock, Will., 64.

Bure, Fr. de, 190. Burger, G. & Co., 437. Burkart, W., 432.

469

Burr, H. A., 42. Buschak & Irrgang 432. Busse 370.

Caen 202.

Caillaud, Voyage ä Thebes, 176.

Calcutta 106.

Calverley, J., 64,

Cambridge 81.

Camera obscura 12.

Camlachie 3 1 .

Campbell, Andr., 66.

Canstein, C. H. v., 353.

Canton 109.

Capkolonie 113.

Capoulaud freres 202.

Cardon 150.

Carey, Dr., 106.

Carey, J., 412.

Carez, J., 152.

Carlos, A. de, 245.

Carmen Arabicum 338.

Cartlich, Elisabeth, 29.

Caslon, Familie, 29.

Cassel 400.

Cassell, Petter & Co. 97.

Castaldi, Pamfilo, 239.

Castermarm, H., & Co. 232.

Catherwood, J. J., 30.

Catherwood, N., 29.

Cauderon & Co. 160.

Caxtonfeier 91.

Cazin, Martin, 188.

Cellarina 405.

Cellulo'i'd - Cliches 154.

Ceniniana, Typografia 242.

Central-Buchdr. in Stockholm 451.

Central-Schulb.- Verl. München, 1 9.

Cercle de la librairie 141. 194. 220.

Ceylon 108.

Chaix, A. N., 41. 198.

Chambers Brothers & Co. 70.

Chambers, W. und R., 83.

Chambers Journal 83.

Chamerot, G., 183. 201.

Channay, J. de, 324.

Chardon 207.

Charkow 456.

! Charpentier, G., 212.

Charton 204.

Chemitypie 18. 444. . Chemnitz 350. ' Cherokesen- Schrift 35. i Chevalier & Dreyfus 160.

Chevet, J., 207. 1 Chicago Times 120.

Child, G. W., 118. I China 109.

Chinesische Schrift 327.

Chios 463.

Chirio & Mina 242.

Chiswick Press 78.

Christern, F. W., 134.

Christiania 449.

Chodowiecki, D., 296.

Christmann, J. R., 187.

Chromolithographie i. Amerika 132.

in Berlin 370.

in Frankreich 206.

in Hamburg -Wandsb. 376.

in München 397.

in Wien 434.

„Chronik d. sächs. Königsh." 340.

Church 41.

Civelli 241. 243.

Clarendon- Press 32. 81.

Clarkson Life of W. Penn 5 5 .

Clay, C. J., 82.

Clay, John, 41.

Claye, Jul., 198.

Cliches, segmentförmige, 65.

Closs, Ad., 300. 390.

Clowes 95.

Clowes, E. A., & John Baley, 70.

Clymer, John, 51.

Codex Bibliorum Sinaiticus 345.

Cogger, J., 51.

Colburn, Henry, 98.

Collas, Achille, 208.

Collection d' 'Artois 178.

Collectioti of British Authors 540.

Collin, A., & Co. 211.

Colmar 3 5 8. 402.

Colombo 109.

Colportageromane 271.

Common Prayer book 73.

470

Compound Printing So. Concordanz v. Fürst 338. Congreve, Will., 80. Congrevedruck 80. Conner, J. 34. Cook & Ingram 95. Conisbee & Son 67. Constable, Arch. 82. Constanlinopel 250. Cope, J. 52. Copier-Farbe 320. Correard jeune 210. McCorquodale & Co. 91. Costa, da, Familie 246. Cotta, Familie.

JToh. Fr. Cotta 384.

Übersiedlung n. Stuttgart 385.

Cottas Thätigkeit 385.

Lit. Art. Anst. in München 386.

Georg von Cotta 386.

Änderungen im Geschäft 386.

Prachtausgaben 387.

Cotta-Kröner-Druckerei 388.

Cotta-Druckerei i. München 391. Cotterell, T., 30. Cotym 107.

Cour Her d& H Egypte 173. Couvertmaschine 71. Cowper, E., 57. Crapelet, Charles 188. Crapelet, G. A., 189. Cremnitz, M. 207. Crete fils 200. Creuzbauer, W., 401. Crewe 47. Crosmer 150. Cruikshank, George, 96. Cuba 248. Curmer, Leon, 204. Cyclopczdia, the Penny 95.

of English litter a iure 83. Cypern 251. Czas-0(fi.zin 432. Czeh, S., 437.

-Uaguerre, Louis, 12. Daguerreotypie 12. Dahl, Johann, 449.

Daily Graphic 123. Daily- -New 'j-Offizin 61. Daily Universal Register 85. Dalloz, P., 201. Danel, L., 201. Dannheimer, Tob., 398. Dantino 240. Danzig 374. Darmstadt 400. Daule 153. David, C, 366. Davy 12. Dechamps 150. ' Decker, Familie.

Joh. Jakob 1. Decker 358.

Heinrich 1. Decker 358.

Joh. Jakob 11. Decker 358.

Heinrich 11. Decker, 358.

Georg Jakob 1. Decker 358.

Georg Jakob 11. Decker 361.

Carl Gustav Decker 362.

Rudolf Decker 362.

Schriftgiesserei 285.

Einführung d. Schnellpresse 308

Die Reichsdruckerei 369.

Decker, v., in Posen. 361.

Decker, Witwe, in Colmar 402. Degen, J. V., 421. Degener & Weiler 67. Dejussieu 210. Delafond 176. Delagrave, Ch., 211. Delahaye, L., 210. Delalain, J. A. u. A. H., 186. Delane, J. A., 86. Delbanco, O, H./448. Delcambre, A., 41. Delloye, H., 203. Dembour, A., 17. 155. Dennig, Fink & Co. 388. Detions Voyage en Egypte 178. Dentu, J. G. und G., 188. Derriey, Charles, 148. Derriey, J., 159. Deschler, }., 395. Description de l' Egypte 173. Deslandes, V., 247. Desoer, Th., 191.

47i

Dessain, M. H., 231. Dessauer, v., 395. Detmold 378. Deutsch, M., 437. Deutsches Element in Amerika 132. Devrient, Alfonse, 346. Dibdin, Thom. Frognall, 102. Dibdins Prachtwerke 77. Dictionn. de la conversation 181. Dictionn. des sciences medicales 185. Didot, Familie.

Francois Didot 178.

Ambr. Francois Didot 178.

Pierre Francois Didot 178.

Pierre Didot 152. 178.

Jules Didot 179.

Firmin Didot 152. 179.

Henry Didot 180.

Didot Saint-Leger 180.

Ambroise Firmin Didot 145. 180.

Hyacinthe Didot 180.

Alfred Firmin Didot 183.

Paul Firmin Didot 183. Didots polyamatype Giesserei 180. Diederich & Co. 376. Dietrich, R. H., 350. Dingler, Chr., 316. Direkt. d.Buchdr.i. Frankreich 165. Dondorf, B., 399. Donnison & Son 66. Doomsday Book 3 2 . Dooselaere, I. S. van, 231. Dore, Gustav, Die Bibel 196. Dorn, J. B., 399. Dornach 402. Dorpat 456. Dresden 349. „Dresdner Galerie" 396. Dresler & Rostfingerlin 288. Drewsen, Familie, 447. Druckerviertel, das, in London 96. Drugulin, W., 339. Drury, J. J., 29. Dubochet, J. J., 203. Duboy-Laverne 172. Ducher & Co. 208. Duckett, W., Dict. dela convers. 211. Ducroq, P., 211.

Dufours Generalk. d. Schweiz 4.10.

Dulos 155.

Dumaine 201. 210.

Dümmlers Verlag 372.

Du Mont- Schauberg, Familie, 380.

Dürr, Alf., 349.

Dürr, O., 347.

Düsseldorf 379.

Duncan & Wilson 65.

Duncker, Alex., 371.

Duncker & Humblot 372.

Dunod 208.

Dupont, Paul, 197.

Dupuy, J. F., 207.

Dupuy, Th., 159.

Dussarat, A., 359.

Dutartre, A. B., 158.

Duverger, Eugen, 148.

Earhart, J. F., 125. Ebner, J., 393. Ebner & Seubert 392. Eckmansson, J. S., 450. Edelmann, Alex., 347. Edinburgh 82. Edinburgh Cydopcedia 83. Edition Peters 348. Edler & Krische ^j8. Effenbart, H. G., 374. Ehlert, H., 286. Eickhoff, J. G. A., 447. Einsiedeln 411. Eisenbahnbuchhandlung 92. Ektypographie 17. Elberfeld 379. Elers, H. J., 353. A. Emmerling & Sohn 401. Eticyclopcedia Americana 130. Encyclopcedia Britannica 82. Encydopedie des gens dumonde 186. Encyclop. hist. naturelle 181. Encydopedie methodique 185. Encydopedie moderne 180. „Endlose"

Wer ist der Erfinder? 6t,.

Bullock, W., 64.

Walter 64.

Victoria 65.

472

REGISTER.

„Endlose" (Fortsetzung)

Prestonian 66.

Northumbrian 66.

Whitefriars 66.

Campbell 66.

Ingram 66.

Farbendruck 67.

König & Bauer 313.

Augsburg 313.

Hummel 314.

Auersche Versuche 424. Engel, Ff., & Sohn 429. Engelhardt, A. Th., 347. Engelhardt-Rheyer 352. Engelhorn, J., 391. Engelmann, G. und J., 206. Engelmann, W., 348. England, I. W., 122. Enschede, L, & Zoonen 226. 227. Entlicher, Fr., 426. Epithalmia exot. Unguis redd. 234. Erfurt 353. Erhard, W., 17. Erhard (Schieble) 207. Ernst & Korn 371. Essen 379. Esslingen 393.

Ettinghausen, Physiotyp. plant. 424. Etzschmiazin 456. Eurich, A., 433. Evang. Xnowledge Society 129. Evangiles, les (Hachette) 214. Everat 150. 204. Expedition en Egypte 186. Exter, Fr. v., 302.

Faber, Gebr., 354. Färinseln 448. Fairlamb 53. Faithfull, Emily, 90 Falk, S. v., 436. Falkenberg & Co. 288. Falzmaschinen 70. Farbeauftragmaschinen 317. Farbendruck, photographischer 16. Farbenfabrikation in England 72.

in Frankreich 160.

in Deutschland 319.

Farbensteine 10.

Farbensurrogate 320.

Farsky, J., 432.

Fasol, C, 304.

Faulmann, Carl, 291.

Feldbibliothek Napoleons 165.

Feit 42.

Feltre 239.

Ferslew & Co. 443.

Fetis, Biogr. univ. des musiciens 181.

Feuchtapparate, mechanische 70.

Fidschi-Inseln 113.

Figins, V., Familie 30. 31.

Firdusi, livre des rois 176.

Fischbach, G., 403.

Fischer, C. G., 43. 295.

Fischer, Th., 400.

Fischer, Naumann & Co. 320.

Fischer & Wittig 347.

Fisher, Henry, 94.

Flegel, J. G., 300.

Fleming & Co. 72.

Flemming, C, 37$.

Flinsch, H. 289.

Flore medicale 185.

Florenz 242.

Fonder ie generale 150. 183.

Fontanet, J., 245.

Forget me not 94.

Forsaith, S. C, & Co. 70.

Forster 50.

Foucher 159.

Fouret, R., 213.

Fournier le jeune 147.

Fournier, Henri, 197.

Fraktur u. Antiqua 282. 283.322.

Franckh, F. G., 388.

Frankfurt a. M. 399.

Frankfurt a. d. O. 37 3.

Franklin-Gesellschaft 436.

Fräser, A., 42.

Frauenarbeit 90. 368.

Freetown 113.

Freiburg i. Br. 402.

Frenckell, J. C, 452.

Frey & Sening 320.

Freycinet, Voyage 176.

Friderichs, R. L., 379.

473

Friedländer, R., 350.

Fries, H. A. F., 445.

Fromme, C, 430.

Fry, Edm., 32.

Fuchs, O. O., 316.

Fuchs, Ign., 432.

Furne, Ch., 202.

Furnival & Co. 69. 71.

Furrer, H., 410.

Fürstenau 350.

Fürth 398.

Fyens Stiftsbuchdruckerei 444.

Gaber 300. Gabriel, the Outcast 85. Gadow & Sohn 351. Gädicke 293.

Galerie historique de Versailles 208. St. Gallen 410. Galvanoplastik 294. Gando 147. Gardano, Familie, 325. Garrigues, R., 134. Gaspar & Roy 245. Gavard, J., 208. Gaubert, E. R., 41. Gaume freres 211. Gauthier- Villars 200. Gaveaux, A. Y., 159. Gebauersche Buchdr. 354. Gehülfen -Verein 273. Geibel, Steph., 351. Geiger, J. H., 402. Gelder, van, & Zoonen 228. Genet, E., 324. Genf 412. Gengembre 152. Genossenschaft, Lith., 410. Genou 153.

Genzsch & Heyse 284. Georgi, C. H., 379. Gera 351. Gerhard, Fr., 134. Gerhard, R., 317. Gerold, Familie, 420. Gerold, Carl, 371. Gesellschaft f. vervielf. Kunst 428. photographische, 372.

Gesellschaftsinseln 113. Gewerbehalle, die, 392. Giesecke & Devrient.

Wachsen des Etablissements 3 44.

Codex Sinaiticus 344.

Giesecke, Hermann, 344.

Papyros Ebers 345.

A. Devrients Tod 345. Gilbers, G., 350. Gilbert & Rivington 32. Gills Patent 69. Gillot, F., 155. Gillotage 155. Girardet 18. Gisch, K., 295. Gistel, G., 429. Glätten, heisses, 69. Glasanow 456. Gleerup, C. W., 452. Gleissner 350. Glogau 373. Gloucester 84. Glycky, Nik., 462. Gobrecht, Chr., 2 08. Godchaux, Aug., 159. Godolphin, Lord, 81. Godthaab 448. Goebel, Th., 356. Göschen, J. G., 330. Göttingen 379. Golowin 456. Goodall & Sons 71. 105. Gordon 67. Gosselin, Ch., 212. Goupil & Co. 15. 207. 372. Gotha 352. Gotthelft, Gebr., 410 Graphic, The, 95. Grass, Familie, 372. Grass, Barth & Co. 372. Grassmann, R., 375. Graz 432.

Greeley, Horace, 117. Grefe, C, 434- Gregr, Ed., 432. j Greiner & Pfeiffer 300. Grenoble 202. I Greth, Jul:, 378.

474

Griechenland Einführung 462.

Griechenland Presse 463.

Grimsshaw, D., 77.

Gröndahl 450.

Grönland 448.

Gronau, W., 285.

Gropius' Buchhdlg. 371.

Grote, G., 372.

Grüninger, C, 390.

Grumbach, E. C. V., 347.

Grunert, Gebr., 368.

Gruppen, typographische, 6.

Grynaeus, J., 359.

Gubitz, F. W.j 282. 297.

Guess, G., 35.

de Guignes, Dictionn. Chinois 174.

Guillaumin, G., 210.

Gursch & Klemm 295.

Gusmans neue Xylographie 156.

Gutbier, A., 350.

„Gute Worte" 113.

Gutenb ergsdenkmal in

Frankfurt a. M. 400.

Mainz 400.

Strassburg 403. Gutsch, F., 401. Guyot, Y., fr er es 232. Gysae, Rob., 320.

Haack, C, 434. Haack, W., 441. Haarlem 227. Haas, Familie, 407. Haase, Gottl. & Söhne 290. Hachette, L. & Co., 213. Hagelberg, W., 371. Hagar 52. Hahn & Co. 401. Hahns Hofb. 379. Hallberger, Ed., 389. Hallberger, Carl, 390. Halle 353. Haller, B. F., 411. Hambruch, G., 48. Hamburg 375. Hammer, Peter, 380. Handpressen in Deutschland 316. von Haas 407.

Handpresse siehe Presse.

Hänel, C. J., 366.

Hänel, Ed.', 281. 285.

Hanemann, C, 287.

Hanfstängl, Franz, 396.

Hanfstängl, H., 350.

Hangard-Mauge 207.

Haniq 23 1.

Hannöv. Geschäftsbücherfabr. 3 j'<

Hannover 378.

Hansard, Familie, 78.

Haparanda 451.

Harpel, 0. H., 125.

Harper, Familie, 120.

Harrild & Sons 70.

Harrison & Co. 91. 96.

Härtel, G. C, 330.

Härtel, H., 330.

Härtel, R., 330.

Hartenbach, J. Ritschi v., 298.

Hartinger & Sohn 434.

Härtung, Familie, 373.

Haase, A., 432.

Hase, O., 330.

Hasper, W., 401.

Hassel, W., 380.

Hastings, Marquis, 107.

Hattersley, R., 44.

Haubold, C. G., 318.

Haumann, L., & Co. 230.

Haupt & Czeiger 434.

Hauschild, Gebr., 378.

Hawkin 52.

Haye, V., 155.

Hayez, F., 232.

Hayn, A. W., 367. -

Heaths Book of Bemtty 94.

Hecht 395.

Heckenast, G.; 436.

Heftwerke, illust, in Deutschi. 26I

Heidelberg 401.

Heim, F. W., & Co. 318.

Heinrich, C, 350.

Heinrich, N., 325.

Heitz, J. H. J., 403.

Heibig & Müller 315.

St. Helena 1 13.

Hellriegel, C, 371.

REGISTER.

475

Helmich, Jul., 134.

Helsingfors 452.

Henning, C. F., 357.

Hepburn, J. M., 39.

Hepburn, Dr., 110.

Herald, New - York, 117.

Heran 152.

Herder 402.

Hereford 84

Hermanns Erben 376.

Hermsdorf 317.

Herodiani reliquiae 337.

Hesse, J., 39S.

Hessenland, H., 375.

Hetzel, Jul., 203.

Heywood, John, 84.

Hildburghausen 351.

Hill, Rowland, 63.

Himmer, J. P., 399.

Hingray, Ch., 210.

Hinrichs, J. C, 348.

HinstorrT, D. C, 375.

Hints on decorative Printing 80.

Hirschfeld, C. L., 341.

Hirschfeld, C, 347.

Hirschwald, A., 372.

Hirt, F., 373.

Hirths Werke 394.

Hirzel, Sah, 348.

Histoire des colibris 189.

Hist. nat. des oiseaux chantci7ites 189.

Hobartown 112.

Hochdanz, E., 391.

Hochdruckplatten, lithograph. 17.

Hochlithographie 17.

Hoe, Familie, 61. 70.

Höfel, Blasius, 301.

Hölzel 434.

Hofbuchdruckerei in Cassel 400.

Hof buchdruckerei in Weimar 317.

Hofer & Burger 410.

Hoffenberg & Trap 448.

Hoffmann, C, 317.

Hoffmann, C, 390.

Hoffmann, Fr. J. Ignaz, 151.

Hoffmann, W., 350.

Hogenforst, A., 319.

Holland, Press Verhältnisse in, 226.

Holm, C. A., 60. Holtzmann, K. F., 300. Holyoke 125. Holzhausen, A., 430. Holztypen in Amerika 35. Hongkong 1 10. Honolulu 113. Hooker, J., 42. Hopkinson 52. Hoppe, H. und E., 454. 456. Horaz (Baskerville) 74. Hörn, G. A., 314. Hornyänsky, V., 437. Hostmann, J., 319. Houghton, Osgood, & Co. 130. Howe 70. Huber, E., 395. Huck & Co. 290. Hübschmann, F. S., 396. Hüttemeyer 447. Hummel, C, 314. Hundertstund & Pries 347. Hungaria 427. Hutin, P., 324. Huttier, M., 394. 399. Hydra 463.

Ibarra 244.

Ibrahim Effendi 250.

lljin, A., 456.

Illustrated London News 95.

E Illustration 203.

„Illustrirte Zeitung" 348.

Illustrationsdruck

in Amerika 122.

in Berlin 367.

in Deutschland 296.

in England 79.

in Frankreich 142. 193.

in Leipzig 346.

in Wien 428.

Institut, milit.-geogr., in Wien 435. Imhof, Freiherr von, 10S. Imprcnza Nacional 246. Innsbruck 432.

Institut, Bibliographisches, 345. Institut, topogr., Amsterdam, 228. Irkutsk 457.

476

Iscrizioni es o ticke 234.

Isermann, A., 293.

Island 448.

Issleib & Rietschel 351.

Itzehoe 376.

Ivison,Blakeman,Taylor &Co. 130.

Jacobi, M. FL, 294. Jacoby, L., 434. Jackson, J., 30. Jaffe, M. & M., 434- Jänecke, Gebr., 378. Jänecke & Schneemann 319. 378. Janet, P., 215. Jannin 154. Japan 110. Jasper, Fr., 431. Java 109.

Jeanrenaud & Co. 316. Jeddo (Tokio) 110. Jehenne 206. Jekaterinenburg 457. Jent & Reinert 411. Johnson, W. M., 39. Johnson & Atkinson 39. Johnsons Dictionary 97. Johnson, Henry, 84. Johnson, J. M., 378. Jones, J. W., 69. Jonghaus & Venator 400. Jonische Inseln 462. Jönsson, B., 448. Jontzen, G., 317. Joseph 11. als Buchdrucker 418. Jouaust, D., 215. „Journ. f. Buchdruckerkunst" 356. Journal, le fietit, 221. Journal pour tous 204. Jubelfest 1840 in Leipzig 341. Jubiläum 1883 in München 396.

in Wien 43 5 . Jung, E., 186.

Kafemann A. W., 374. Kairo 249. Kaiser, Ludw. 316. Kalakaua, König 113. Kalenderlitter. in Deutschland 267

! Kalenderdruck in England 104. Kallmeyer 317. Kalthöfer 104. Kanegeaguli, König, 113. Kanter, R., 374. Karlsruhe 401. Kartographie 17. Kartographie i. d. Schweiz 410. Kasan 457. Kastenbein, C, 45. Käst & Ehinger 320. 391. Kauf b euren 399. Kaufmann, A., & Co. 371. Kaupp, „Das Thierreich" 17. Kegel, französischer, 145. Kehl 402. Kelly, W. J., 125. Kelso 82. Kempten 398. Khör & Wein 437. Kidder- Press 68. King-Pao 110. Klagenfurt 432. Klassikerausgaben 268. Klein, Forst & Bohn 314. Kleinmayr, F. v., 432. Kleinmayr & Bamberger 433. Klercker, G. C. v., 451. Klimsch & Co. 319. 400. Klindworthsche Hofbuchdr. 378. Klinkhardt, Jul., 287. 291. 346. Kloberg, C. A., 288. Klopstocks Werke,Prachtausg. 331. Knatz, C, 399. Knesing, Th., 395. Knight, Charles, 95. Knöfler, Heinr., 302. Knorr & Hirth 394. [Köln 379.

Kölnische Zeitung 380. König, Friedrich.

König in England 54.

Königs verschiedene Patente 55.

J. Walter über F. König 58.

Rückkehr nach Deutschland 58.

Jugendgeschichte 305.

König & Bauer in Oberzell 307.

Erste Bestellungen 308.

477

König, Friedrich (Fortsetzung).

Verbreitung d. Schnellpresse3io.

Königs Tod 311.

König & Bauer 307. König, G. A., 353. König & Ebhardt 378. Königsberg 373. „Königsberger Zeitung" 374. Köntgen, Franz, 380. Kösel, Jos., 398. Kollektivunternehmungen 270. Kolunic, M. R., 460. Kombinationspresse 67. Konische Typen 38. Konversations-Lexika 269. Konversations-Lex., Brockh. 332. Kopenhagen 442. Koran, der, 338. Korinth 463. Korn, Familie, 373. Krabbe, A., 389. Kragujevac 459. Krakau 432. Kramer, C, 371. Krampe, J., 355. Krause, Ed., 367. Krause, K., 318. Kretzschmar, Ed., 298. 347. Kriehuber 434. Kröner, Gebr., 388. Krönungswerk Wilhelms I. 363. Krone, H., 350. Kühn, G., 375. Kühnau, R., 295. Kurzbeck, J. v., 418. Kutzner & Beger 371.

Laboulaye & Co. 150.

Lachevardiere 204.

Lacrampe & Co., 200.

Ladovat, Ch., 192.

Lahr 402.

„Lahrer hinkender Bote" 402.

Laibach 432.

Lallemant, Gebr., 247.

Landesbuchdr. in Serajewo 437.

Landi, Salv., 242.

Landkartendruck 9. 271. 326. 407.

Landshut 399.

Lang, J., 412.

Lang, Gebr., 402.

Lange, F., 400.

Langensche Buchdruckerei 380.

Langen, A. v., 43. 295.

Langenscheidt, G., 372.

Laterna magica 15.

Lauer, J., 247.

Laurent & Deberny 150.

Laurin, G. und A., 451.

Lausanne 412.

Laval 159.

Lawson 72.

Lazareff, J., 456.

Leblanc-Hardel 202.

Lebrun, Pierre, 176.

Ledger, The public, 118.

Lefevre, J. J., 192.

Lefevre, Theotiste, 183.

Lefmann & Lourdel 156.

Lefranc & Co. 160.

Legrädy, Gebr., 437.

Legrand, L., 159.

Legros 231.

Lehmann, O. J., 456.

Lehmann & Wentzel 397.

Leipold, J., 247. 291.

Lemberg 432.

Lemercier & Co. 160. 206.

Lemerre, A., 216.

Leske, W., 400.

Leslie, Frank, 122.

Leslies illustrated Newspaper 122.

Lessing 367.

Lessing, G. E., 375.

Letteverein 368.

Leunis & Chapman 378.

Leupoldt, Friedr., 128.

Leuzinger, R., 410.

Levrault, Familie, 187.

Levy, M., freres 212.

Levy & Lavater 160.

Levy & Müller 391.

Lewis, Charles, 104.

Leykam-Josefsthal 432.

Liberty- Press 67.

Lichtdruck, der, 15

478

Liepsch & Reichardt 350.

Lightning- Press 6 1 .

Lille 201.

V Imitation de Jesu Christ 204.

Limoges 202.

Lindh, J. P., 451.

Linhout, van, 231.

Lintz, Fr., 379.

Linz 432.

Lippincot, J. B.; & Co. 130.

Lisicki & Co. 432.

Lissabon 246.

Litfass, Gebr., 368.

Lithographie, die 7. 396.

Lithogr. Aktie Bolaget 452.

Lithogr. Genossensch. i. Zürich 410.

Lith. Institut, Berliner, 372.

Lithographiesteine 1 1 .

Litolff/H., 355.

Littre, Dictionnaire 210.

Livermore, M. W., 30.

Livre d'heures de la reine Anna 205 .

Liwtschack, J., 48.

Lloyd, Oesterr., 433.

Loedel, H., 300.

Loevve, F., 391.

Löwensohn, G., 398.

Löwenstein, Ö., 367.

Loeulliet 176.

Loeuillot 371.

Logographic printer 84.

Logotypsystem 84.

Lombardot 150.

Longman, Familie, 97.

Lorck, C. B., 33S.

Lord Mayor 91.

Lorenz, O., 218.

Lorilleux & Co. 160.

Lortic 162.

Lose, C. C, 447.

Lotin, Familie, 186.

Lott, Ludw., 314.

Lovisa, Dom., 325.

Louvre- Ausgaben 178.

Lucas, S., 379.

Lucas, T. M., 35.

Luce, Louis, 171.

Ludwig XVI. als Buchdr. 163.

Ludwig, FL, 133. Ludwig, C. J., 289. Ludwigshafen 401. Ludwigslust 375. Lübeck 375. Luno, Bianco, 442. Luxuspapierfabrik, Berliner, 371.

Maas, F. W., 365.

Macao 109.

Macaulays Geschichte 98. 107.

Macdonald, J. C, 64.

McKellar, Th., 34.

Mc Kellar, Smiths & Jordan 3 4.

Mackie, Dr. A., 46.

Mackie, Brewthal & Co. 47.

Macklot, C. &G., 401.

Maclins Bibel 77.

Madagascar 113

Madras 106.

Madrid 245.

Mäntler, Gebr., 388.

Mässigkeits- Verein, Nationaler 129.

Magazin pittoresque 204.

Magdeburg 354.

Magna Charta 77.

Magyar, Gebr., 437.

Mahlau, A., 399.

Mailand 241.

Mainz 400.

Maisonneuve, C. A., & Co. 210.

Malacca 109.

Mailing Hansen, R., 447.

Marne, Familie, 161. 195.

Mannheim 401.

Mannheimer Vereinsbuchdr. 401.

Manchester 84.

Manchester Guardian 46.

Mantz, Peinture italienne 181.

Manz, G. J., 398.

Marc, A.. & Co. 203.

Marcecos, Familie, 246.

Marcel, J. J., 173.

Marcelin Legrand, 175.

Marenigh 242.

Maret, G. FL, 341.

Mar-Hanna 251.

479

Marinoni, FL, 156.

Marinoni & Chaudre 160.

Mans 202.

Marien werder 374.

Marietti 243.

Mark, Franz, 456.

Marlborough, Fort, 109.

Marshai & Co. 92.

Martin, J. G., 398.

Martin, W., 31.

Martinet, Em., 201.

Masson, G. u. V., 209.

Matrix compositor 48.

Maulde & Vibart 159.

Max & Co. 373.

May, C. D., 289.

May, E. G., & Söhne 399.

Mayer, Carl, 398.

M'Creery 78.

Mechitaristen-Buchdruckerei 239.

Medhurst 109.

Mediseval 32.

Mehrfarben-Maschine 312.

Meinhold, C. C, & Söhne 349.

Meisenbach, G., 397.

Meissner & Buch 348.

„Meister von 1440 1694" 397.

Melandri, Federigo, 243.

Meline Cans & Co. 230. 232.

Mercy, FL, 432.

Metallhochätzung 17. 155.

Metz 402.

Metzger & Wittig 347.

Metzler, J. B., 387.

Metzler & Barting 227.

Mexiko 248.

Meyer, Carl, 289.

Meyer, Dr. Heinr., 356.

Meyer, J. Fi., 356.

Meyer, J. u. K. J., 346.

Meyersche Hofbdr., Detmold 378.

Michaud, Biogr. universelle 211.

Middleton, Th., & Co. 66.

Migne, J. P., 21 1.

Millado, C, 245.

Miliar 31. 43.

Miller-Ritchie 75.

Miliin, monuments antiques 173.

Milne 109.

„Milton" (Bulmer) 77

Minden 379.

Mirabilia urbis Romae 396.

Mirza Schaffy, Lieder 364.

Missionspresse in Grönland 448.

Missolunghi 463.

Mitau 456.

Mitchell, W. FL, 42.

Mittler, E. S., 366.

La Mode illustree 181.

Modezeitungen 270.

Möller, Korf., 295.

Möller, Lars, 448.

Moser, W., 368.

Mole, Joseph, 146.

Molini 242.

Momma, P., 450.

Le monde illustre 204.

Moniteur 185.

Monnoyer 202.

Monroq 207.

Monuments d1 antiquite 175.

Morel, A., & Co. 208.

Morisson 109.

Morning- Herald 112. , Moskau 456.

Motteroz, C, 201.

Moulinet, L., 150. I Muddies' Leihbibliothek 92.

Mühlhaupt & Sohn 410.

Mühlmann & Johler 377.

Mühlthaler, E., 394. : Mülhausen in E. 402.

Müller, Ch. Fr., 401.

Müller, Fr., 229.

Müller, Leo, 315. [Müller, M. L., 43.

Müller, Th., 353.

Müller & Richard 3 2 .

München 393.

„MUnchener Bilderbogen" 395.

Fliegende Blätter" 395.

Münchmeyer, H. G., 350.

Münster 379.

Murray, Familie, 98.

Museum f. Kunst in Wien 428.

Musiknotendruck 147. 323.

48o

Musee frangais 208. Musee des familles 204.

Nachdruck in Amerika 135.

in Belgien 229.

in Deutschland 261.

in Reutlingen 393. Nachitschewan 457. „Nacht, 1001," 389. Nachtigal & Dohle 288. Napier, D., 59. Narodne Noviny 437. Nastas Jovanovic 461. „Nationalmuseum,bayrisches" 397. National-Verein, serbischer 460. Naturselbstdruck 424. Naumann, C, 399.

Naumann, CG., 347.

Naumann & Schröder 348.

Nauplia 463.

Neapel 243.

Neff, Paul, 392.

Negapatnam 106.

Neill & Co. 42.

Nelson & Sons 63.

Neubinger, M., 456.

Neuenburg 410.

Neuer, Th.; 293.

Neujahrskarten in England 104.

Neuruppin 375.

Neusatz 437.

News Company, American, 128.

„New-Yorker Staatszeitung" 133.

Nicol, G. und W., 76.

Nichols, John, 75.

Nicholson, W., 38. 57.

Niepce, Nicephore, 12.

Niepce de St. Victor 13.

Nies, Fr., 338.

Nies, J. Ch. D., 289.

Nisbet, James, 100.

Nister, E., 397.

Nitzschke, W., 391.

Norberg, Jul., 187.

Norddeutsche Buchdr. 367.

Nordhausen 353.

Norrköping 452.

Norstedt, P. A., & Söner 451.

Notendruck, lithographischer, 9. Nürnberg 397. Numerierpresse 53.

Oberhausen 379. Obernetter 16. 397. Oberthur, F. C, 201. Oberzeil, Kloster, 307. Occhio di mosca 240. Ockenfuss 459. Odense 444. Odessa 456. Oeglin, E., 324.

Oehmigke & Riemschneider 375. i Ölbilderdruck 10. Offenbach a. M. 30. Ohlenroth 353. Oldenbourg, R., 394. Oldenburg 378. Omer- Henry 207. Orange Judd Company 131. Oratio dominica 235. Orell Füssli & Co. 409. Orientalia in Frankreich 147. Orgelbrand, H., & Co. 456. Osborne 16. Oschatz, R., 350. Osterrieth, A., 399. Osterzee, J. van, 227. Otto, J., 432. Oudin_/r<?ra- 202. Oeuvres de Frederic le Grand 3 6$ . Oxford 81.

Paar, H., 303. Paderborn 379. Padua 239. Paetel, Gebr., 372. Page, W. H., & Co. 35. „Palästina" 389. Pallhausen, V. v., 293. Panckoucke, Familie, 184. Paniconographie 155. Papierfabrikation in Amerika 136.

in Deutschland 278.

in England 105.

in Frankreich 161.

in Japan 112.

in Schweden 452.

Papiergeld in Japan 1 1 1 .

Papierphotographie 13.

Papierstereotypie 153.

Papillon 50.

„Papyros Ebers" 345.

Paravia 242.

Pardoe, Jos., 66.

Paris monumentum 372.

Parker, Familie, 100.

Parkin, Th., 52.

Parma 233.

Parey, S., 372.

Parsons, Fletcher «Sc Co. 72.

Patetit Type Foundry 39.

Paterno, Fr., 434.

Patras 463.

Paul et Virginie 204.

Paulin, J. B. A., 203.

Payne, A. H., 312. 347.

Payne, Roger, 103.

Perthes, F. A., 375.

Perthes, Familie, 352.

Peking 110.

Penny Magazine 94.

Penny-paper, tke, 66-

Perrin, L. B., 215.

Perrotin, Ch. A., 212.

Pester Buchdr.-Akt.-Gesellsch. 436

Pesti Hirlap 437.

Petermann, A., 352.

St. Petersburg 453.

Peterson 48.

Petibon 150.

Petrucci, Oct. dei, 323.

Petyt 150.

Petzval 13.

Pfingsten, G. J., 376.

Pfnorr,W., 288. 298.

Pforzheim 388.

Photographie, die, 12. 31.

Photogr. Hochdruckplatten 1 4. 43 3

Photolithographie 16.

Photogr. Tiefdruckplatten 14.433

Phototypie 397.

Photogr. Gesellschaft in Berlin 372

Phototype Company, American, 125

Philippopel 462.

Pichlersche Buchdruckerei 420.

'Pichot & Co. 207. Pickenhahn & Sohn 350. \ Picturesque America 126.

Europe 126. Pied du roi 145. Pierer, H. A., 351. Pierersche Buchdruckerei 292.351. Pietsch, A., 430.

Piil, C, 18. 444.

Piloty 396.

„Pinakothek, die alte", 396.

Piranesi, Vater und Sohn, 244.

Pitris, C, 187.

Pitt- Press 81.

Planotypie 303.

Plauen 350.

Plesse, Chr., 291.

Plön, H., 199.

Pocher, C. A., 398.

Poiriers, L., 159.

Poitiers 202.

Pomba, Familie, 241.

Polz, E., 347.

Poppelbaum, FL, 288.

Poppelbaum & Bossow, 291.

Porter, T. J., 43.

Posen 373.

Posner, C. L., 437.

„Postamts-Zeitung" 380.

Potter, E., & Co. 129.

Pourrat freres 212.

Powell, D. F., 67.

Powell, Jos. Martin, 93.

Prachtwerke in Dänemark 442.

Deckers 363.

in Deutschland 271.

in England 95.

in Frankreich 197. 204.

liturgische, 398.

in München 397.

in Stuttgart 391.

in Wien 422. Prägpresse 53. Prag 43 1 .

Prang, Ludw., 131. Prasch 295. Preuschen, A. G., 407. Press, t/ie, 78.

31

482

Fresse, la, 193. Presse, Die Drucker-,

Haassche, 49. 407.

eiserne, 49.

Stanhopesche, 50.

Coggersche, 51.

Columbia-, 51.

Kniehebel-, 52.

Strebe-, 52.

Schottische, 52.

Tret-, 52._

Hydrostatische, 52.

mit Farbeauftrag, 52.

Hydraulische, 53. Pretzsch, P., 14. 433. Pressverhältnisse in Österreich 413. Prestel, J. G., 300.

Pre vost, Hist. gener. des Voyages 178.

Printinghouse - Square 5 5 .

Privat, P., 202.

Privilegien in Frankreich 166.

Prochaska, Familie, 432.

Propaganda, die, 233.

Prudon & Co. 159.

Publishers Circular 94.

Pustet, Fr., 398.

Putnam, G. P., 122.

Pyrostereotypie 149.

Ouaritch, Bernh., 100. Quijano, F., 245.

Raab 437.

Racinet, E ornement polychrome 181.

Radäma 1., König, 113.

Radde, O., 377.

Radde, W., 133.

Raffelsberg, J., 420.

Raguenau, P., 160.

Rame pere 176.

Ranguhn 109.

Raschid-Eddin, Hist.d.Mongol. 176.

Rasselas 32.

Räth, Mor., 437.

Recher ches asiatiques 174.

Reclam jun., Ph., 347.

Reduktionsapparat 377.

Reed & Fox 32.

Regensburg 398.

Reichel, Gebr., 399.

Reichenberg 432.

Reichsdruckerei 368.

Reifenstein, G., 438.

Reimer, C, 366.

Reimer, G. A., 366.

Reinwald, C, & Co. 218.

„Reis mit Honig" 113.

Reisner, D., 372.

Reiss, H., 431.

Relief printing Company 15.

Religious Tract Society 99.

Renaissanceschriften i. England 3 2 .

Renault & Robeis 150.

Rene & Co. 150.

Rennes 201.

Renouard, A. A., 218.

Reussner, J. F., t>73-

Revillon & Co. 456.

Reutlingen 393.

Richter, J. F., 376.

Rieder & Simmer 411.

Ringer, E., 370.

Rio de Janeiro 248.

Rivadaneira, M., 245.

Riverside -Press 130.

Rivington, Charles, 99. iRöder, C. G., 348.

Roeloffzen & Hübner 227. i Römmler & Jonas 350.

Rohrer, R. M., 432.

Rollinger & Mössmer 430. ! Rom 242.

[Roman. Gruppe, Charakter., 140. I Romanet & Co. 207. jRommel, M., & Co. 391.

Roorda, T., 226. ! Roret, E., 209. j Rosenborg, Fr., 41. I Rossbach, A., ^37- I Rostock 375. ! Rotterdam 228.

Routlegde & Sons 99.

Row, Elisabeth, 29.

Roxburgh- Club 1 o 1 .

Roxburgh, John Herzog v., 101. jRoy, Adr. le, 325.

\

483

Rue, de la, & Co. 105. Ruprecht, K., 301. Rusher, P., 32. Rust, LH., 291. Ruthven, J., 52. Rustschuck 462. Ryles & Son 65.

Sachse & Co. 370. Sucre et couronnem. de Napoleon 174. Sacy,S.de, Les seances de Hariri 176. Saggio tip. difregi et majuscola 234. Salzer, Familie, 421. Sandmeyer, W., 375. Sandwichsinseln 113. Sarepta 457. Satiniermaschine 60. 318. Savage, Will., 80. Saxton, J., 52. Scamoni, G. v., 14. 454. Schäfer & Korradi 134. Schäfer & Scheibe 371. Schauberg, G. A., 380. Schauenburg, M., 402. Schauer, G., 372. Schauer, Hans, 395. Scheible, J., 389. Scheitlin, C. P., 410. Schellenberg, L., 400. Schelter & Giesecke 287.315.319. Sehe mm, Franz, 398. Schimpf, C, 398. Schleifmaschinen 39. Schlotke, Ferd., 316. 319. 376. Schlütersche Buchdr. 378. Schmid, Ant, 419. Schmidt, L. W., 134. Schmidt & Spring 391. Schmiers, Werner & Stein 315. Schneider, Friedr., 395. Schneider, R., 453. Schneider, Th., 455. Schneidemaschine 71. Schnellpressen 306. 333. Schnellpressen, lithograph., 316. Schnuck, Familie, 187. Schönlein, H, 390. Schöpflin, Joh. D., 404.

Schotte & Co. 372. Schottländer, S., 373. Schreibkugel 446. Schreibschriften, franz., 146. Schriftgiesserei in Amerika 2>Z-

in Berlin 359.

in Dänemark 444.

in England 29.

in Frankreich 156.

in Stuttgart 391. Schriftgiessmasch.3 8. 159.295. 445 . Schröder, E. H., 372. Schröder, W., & Co. 319. Schröpel 459.

Schuchardt, Chr., 412. Schuckert, Sigm., 295. Schünemann, C, 378. Schürmann, W. R., 319. Schürmann, A., 353. Schultz, J. H., 444. Schultz, R., & Co. 187. Schultze, C, 367. Schultze, W. F., 381. Schulzsche Hofbdr. 378. Schumacher 317. Schumann, A. H., 315. Schuster, R., 372. Schwabe, B., 378. Schwann, L., 379. Schweighausersche Buchdr. 408. Schwerin 375. Schwetschke, Familie, 354. Scribners Zeitschriften 122. Scott, Sir Walter, 82. Sebald, U. E., 398. Seeger, Max, 391. Seemann, E. A., 349. Seidelin, A., 444. Seitz, G. W., 376. Seliwanowski 456. Selligue 317. Senefelder, A., 7. 396. Serajewo 437. Serbien, Einführung, 459. Serbischer National- Verein 437. Sequoyah 35. Serampur 106. Series, Scicnti/iques, 130. 31*

484

REGISTER.

Serriere & Bausa 159.

Serz &Co. 398.

Setzmaschine in Amerika u.Engl. 40.

in Deutschland 295.

in Dänemark 445. Shakspeare-Press 50. Shakspeare Prachtausgabe 76. Shanghai 109.

Shank, P. M., 39.

Sharpe, Granville, 99.

Sheldonian Theater 81.

Shinpao 110.

Sidney 112.

Siede, le, 193.

Sieger, Ed., 434.

Siemens & Halske 295.

Silbermann, G., 205.

Silva, J. C. da, 246.

Silvestre, L. C, 218.

Simin 453.

Sirven, J. M., 202.

Sistowa 462.

Sittenfeld, J., 367.

Skandinavia-Presse 60.

Sliwna 462.

Smirdin 453.

Smith, P. und M., 61.

Smith & Son 92.

Smyrna 251.

Society for usefull Knowledge 95.

Soc. gen. de libr. catholique 211.

Sörensen, Chr., 41. 424.

Sofia 462.

Solnhofen 1 1.

Sommer, L., 421.

Sonzogno, Ed., 241.

Soubise, Hotel, 174.

Sower, Potter & Co. 129.

^paarmann, A., 379.

Spamer, Otto, 347.

Spemann, W., 392.

Spencer, Lord, 102.

Spener, Familie, 308. 365.

„Spiegel vom Serampur" 107.

Spielkartenfabrikation inEngl. 105.

Spilbury, Th., 75.

Spinn, C. A., & Zoon 227.

Spottiswoode & Eyre 96.

Springer, Jul., 372. Staatsdruckerei in Belgrad 459.

in Berlin 368.

in Paris 170.

in Pest 436.

in St. Petersburg 454.

in Washington 124.

in Wien 421. Stahel, B, 399. Stamperia camer ale 243. Stalling, G, 378. Stanhope, Lord, 36. 49. Stationary- Artikel 93. 104. Stationers Compatiy u. Hall 93. Statistisches, Belgien 232.

Dänemark 444.

Deutschland 274.

England 89.

Frankreich 222.

Holland 227.

Italien 237.

Norwegen 449.

Österreich 437.

Rumänien 461.

Russland 453. 457.

Ungarn 437.

Württemberg 393. Statistique de la France 174. Statthalterei-Buchdr. in Prag 432. Statut de P ordre de St. -Esprit 206. Steinbock, R., 371.

Steiger, E., 135.

Steiner 295.

Steinkopf, J. F., 390.

Stenochromie 377.

Stenographischer Satz 291.

Stereotypie, die, 36. 151. 192.

Stettin 374.

Stiepel, Gebr., 432.

Stigmatypie 304.

Stöckel, W., 349.

Stoffler & Backe 290. 319.

Stopp, F. W., 432.

Storch & Kramer 371.

Strahan, Will, and Andr., 75.

Strassburg 403.

Strassburger Stadtbibliothek 404.

Straub, F., 394.

485

Strauss, A., 421.

Strauss, B., 317.

Strixner 396.

Stroefer, Th., 395.

Stuttgart 384.

Styblo, B.,

Styria 432.

Suitterlin, Claussen, & Co. 67.

Sumatra 109.

„Sun" 123.

Sunday School Union 129.

Susato, T., 324.

Susemihl 17.

Swett, E., & Daul 48.

Swiderski, Ph., 315.

Synodalbuchdruckerei 456.

Sythoff, A. W., 228.

Szegedin 437.

Talbot, Fox, 12.

Tarbe & Co. 150.

Tauchnitz, Bernh., 340.

Tauchnitz, K., 337.

Tauchnitz, K. Chr., 3 38.

Taylor, R., 54.

Techener, L., Fils 216.

Teheran 251.

Teirichs „Bl. f- Kunstgew." 430.

Templier, A., 213.

Temeswar 437.

Terceira 113.

Teschen 432.

Testu & Massin 207.

Tetot 212.

Tetschen 432.

Teubner, B. G., 337. 3 50.

Theinhardt, F., 285.

Thesaurus grcecce linguce 181.

Thiele, Gebr., 443.

Thienemann, K., 391.

Thiers, Hist. de la Revolution 203.

Thomann, J., 399.

Thoms, P., 109.

Thordarson, Einar, 448.

Thorowgood 32.

Thurneyssen, J. J., 409.

Tidcombe, G., & Son 71.

Tiegeldr.-Tretmasch., versch., 67.

Tiflis 457.

Tilloch 36.

Times- Offizin 84.

Times 55.

Timiriazeff, D., 48.

Tirnowa 462.

Töche, Th., 366.

Tokio (Jeddo) 110.

Tolmer 159,

Torchonplatte 10.

Torre, A. de la, 420.

Toulouse 202.

Touraine, la, 196.

Tract Society, American, 129.

Trassier, J. G., 418.

Trattner, J. T., 416.

Treadwell, D., 52.

Trennert, J. D., 284.

Tresling & Co. 228.

Tresor artistique de la France 207.

Tresor de numismatique 208.

Treuttel & Würtz 186.

Trewendt, E., 370.

Tribüne, New York, 117.

Trier 379.

Triest 433.

Trionfo della fidelta 326.

Trittmüller 67.

Troitzsch, O., 371.

Troppau 418.

Trowitzsch & Sohn 285. 373.

Trübner, Nikolaus, 100.

Truscott, Francis, 91.

Tümmel, W., 398.

Turnbull, Thomas, 69.

Tschudi, Iwan v., 410.

Tschulik, L., 41.

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Yomiri Schimbun 1 1 1 . Young, J. H., 41. Yves & Barrot 156.

Zähnsdorf, J. W., 104. Zamarski, C. A., 429. Zande, van der, 231. Zaragozano & Jaime 245. Zeitungswesen in Algerien 248.

in Australien 112.

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in der Kapkolonie 113.

in China 1 1 o.

in Deutschland 269.

in England 84. 87. 88.

in Finnland 453.

in Griechenland 464.

in Indien 107.

in Italien 238.

in Japan 110.

in Nordamerika 115.

in Norwegen 449.

in Paris 2 19. 221.

in Portugal 247.

in Russland 457.

in Schweden 452.

in der Schweiz 406,

in Serbien 460.

in der Türkei 251.

in Südamerika 248. Zinkhochätzung 17. 155. Zollikofer, Familie, 410. Zürcher &: Furrer 410. Zürich 409. Zweifarbenmaschine 312.

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